Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation: Ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit [4th completely rewritten Edition] 9783110961355, 9783598113093

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Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation: Ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit [4th completely rewritten Edition]
 9783110961355, 9783598113093

Table of contents :
Geleitwort
Vorwort der Herausgeber
Gesamtübersicht
Inhaltsverzeichnis Band 1
Gliederungsübersicht Band 2
Abkürzungsveizeichnis
Α. Gegenstand der Information und Dokumentation
A 1. Grundbegriffe der Information und Dokumentation
A 2. Zur Entwicklung der Information und Dokumentation in Deutschland
Β. Methoden und Verfahren der Information und Dokumentation
Β 1. Einleitung und Überblick
Β 2. Formale Analyse von Dokumenten
Β 3. Abstracts – Abstracting – Intellektuelle und maschinelle Verfahren
Β 4. Indexieren, Klassieren, Extrahieren
Β 5. Klassifikation
Β 6. Thesaurus
Β 7. Neue Formen d e r Wissensrepräsentation
Β 8. Speicherung
Β 9. Komponenten zur Wissensverarbeitung in Informationssystemen
Β 10. Maschinelle Übersetzung
C. Informationsdienste
C 1. Einleitung und Überblick
C 2. Klassische Informationsdienste
C 3. Online-Dienste
C 4. Wirtschaftsdatenbanken
C 5. Statistische Informationen
C 6. Endkundensysteme in T-Online – Datex-J – Btx
C 7. Hypertext
C 8. Die CD-ROM-Technologie
C 9. Bürokommunikation
C 10. Elektronisches Publizieren
C 11. Electronic Document Delivery
C 12. Funktionale Informationsdienste
D. Informationssysteme
D 1. Einleitung und Überblick
D 2. Bibliographische (Literatur) Informationssysteme
D 3. Schrift gutverwaltung und Archivierung
D 4. Pressedokumentation
D 5. Audiovisuelle Materialien
D 6. Patentinformation
D 7. Technische Regeln als Quellen wissenschaftlich- technischer Fachinformation
D 8. Wirtschaftsinformation
D 9. Chemie-Information
D 10. Medieninformation: Informationsversorgung in den ABD-Bereichen der Rundfunkanstalten
D 11. Information als Ressource in der Kreditwirtschaft
Ε. Informations- und Kommunikationstechnik
Ε 1. Einleitung und Überblick
Ε 2. Computer-Hardware, Betriebssysteme
Ε 3. Software für Information und Dokumentation
Ε 4. Datenbank-Entwurfsmethoden
Ε 5. Softwareergonomie
Ε 6. Kommunikationsnetze und Datenkommunikation
Ε 7. Zugang zur Information für blinde und sehbehinderte Menschen: Technische Voraussetzungen - Ein Überblick
F. Infrastruktur der Information und Dokumentation
F1. Einleitung und Überblick
F 2. Informationsökonomie
F 3. Informationsmanagement
F 4. Methoden der Informationsanalyse Eine Einführung in die empirischen Methoden der Informationsbedarfsanalyse und der Markt- und Benutzerforschung
F 5. Marketing für die Informationsvermittlung
F 6. Informationspolitik – IuD-Politik – Fachinformationspolitik
F 7. Rechtsfragen der Informationswirtschaft
F 8. Normung im Bereich Information und Dokumentation
F 9. Zum Stand der Professionalisierang: Beruf und Ausbildung in Deutschland
F 10. Informationswissenschaft
G. Tendenzen der Information und Dokumentation
G 1. Reisen wir auf den Datenautobahnen in eine neue (Un-)Gewißheit?
G 2. Der Weg in die Informationsgesellschaft
G 3. Ethik im Cyberspace
G 4. Elektronische Medien und Verlagswesen
G 5. Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft: Trends und Entwicklungen des multimedialen Informations- und Telekommunikationsmarktes
G 6. Informationsinfirastruktur
G 7. Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation – heute und morgen
Sachregister
Autoren- und Herausgeberverzeichnis

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DGD-Schriftenreihe Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD), Vereinigung für Informationswissenschaft und -praxis, e.V. Frankfurt/Main

Marianne Buder, Werner Rehfeld, Thomas Seeger und Dietmar Strauch (Hrsg.)

Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation Ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit Begründet von Klaus Laisiepen, Ernst Lutterbeck und Karl-Heinrich Meyer-Uhlenried 4. völlig neu gefaßte Ausgabe Band 1

K-G-Saur München · New Providence · London · Paris 1997

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation : ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit / Marianne Buder ... (Hrsg.). Begr. von Klaus Laisiepen ... - München ; New Providence ; London ; Paris : Saur. (DGD-Schriftenreihe) ISBN 3-598-11309-9 NE: Buder, Marianne [Hrsg.]; Laisiepen, Klaus [Begr.]; Deutsche Gesellschaft für Dokumentation Bd. 1. - 4.; völlig neu gefasste Ausg. - 1997

Gedruckt auf säurefreiem Papier / Printed on acid-free paper Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Κ. G. Saur Verlag, München 1997 A Reed Reference Publishing Company Printed in the Federal Republic of Germany Satz: Bild & Satz Schiessel, Grafrath Druck/Binden: Strauss Offsetdruck G m b H , Mörlenbach ISBN 3-598-11309-9 (Set)

Geleitwort Daß ich als einer der drei Autoren/Herausgeber der 1. Ausgabe von 1972 nun nach fast einem Vierteljahrhundert auch der vierten ein Geleitwort mitgeben kann, ist mir eine große Freude. Wenn ich mir aber das Inhaltsverzeichnis dieser Ausgabe ansehe, stelle ich einerseits betrübt, andererseits aber auch hochbefriedigt fest, daß das, was seinerzeit neuester Stand der „Information und Dokumentation" und der „Informationswissenschaft" war, heute zwar nicht ganz und gar überholt ist, aber doch nur den kleineren Teil des Gebietes ausmacht. Die Entwicklung hat sich nicht einmal so sehr hinsichtlich der Methoden vollzogen. Wohl aber hat sie sich vollzogen hinsichtlich alles dessen, was vor allem im 2. Band der vorliegenden Ausgabe unter der Überschrift „Informations- und Kommunikationstechnik" dargestellt wird. Sie hat sich in den vergangenen fast 25 Jahren so rasant weiterentwickelt und auf weitere, seinerzeit im sogenannten „I&D-Bereich" noch kaum bekannte Gebiete ausgedehnt, daß man als Angehöriger der „Rentnergeneration" nur noch staunen kann. Was in meiner Zeit noch in einem etwa zehnwöchigen Kurs gelehrt und gelernt wurde, um sich das Gesamtgebiet anzueignen, erfordert heute, da man vieles nicht einfach irgendwo lernen kann, sondern sich in der Praxis und in vielen speziellen Kurzkursen aneignen muß, ein die ganze Berufszeit anhaltendes Life long learning und eine frühzeitige Spezialisierung. Die Absicht der ursprünglichen ersten Ausgabe war es noch, den Rahmen für eine „dokumentarische Allgemeinbildung" abzustecken. Dieses Ziel wird mit der vorliegenden vierten Ausgabe wohl immer noch angestrebt, doch ist es dem Einzelnen schon lange nicht mehr möglich, als „I&D-Polyhistor" alle Gebiete gleichermaßen zu beherrschen. Vielmehr ist eine starke Spezialisierung zu verzeichnen, welche ja in anderen Gebieten schon längst stattgefunden hat (z.B. Medizin, alle Naturwissenschaften) und wie sie diese vierte Ausgabe ebenfalls kennzeichnet. Und dennoch: Ebenso wie in der Medizin wieder verstärkt Wert auf Allgemeinmedizin gelegt wird, so sollte es in der erweiterten und stark differenzierten Information und Dokumentation (Kommunikation) möglich sein, sich neben aller notwendigen Spezialisierung einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Diesem Ziel dienten zwar schon die bisherigen Ausgaben. In dieser vierten Ausgabe wurde es aber von den Herausgebern in noch stärkerem Maße angestrebt, von den Autoren realisiert und - wie ich meine - in hervorragendem Maße erreicht. Ernst Lutterbeck

Vorwort der Herausgeber Seit Erscheinen der dritten Ausgabe des „LaiLuMU" im Jahre 1990 haben - neben den aus deutscher Sicht bedeutenden politischen Veränderungen seit 1989/90 - erhebliche technische, methodische und organisatorische Innovationen im Bereich der Information und Dokumentation stattgefunden. Dies war Grund und Motivation, sich in einem erweiterten Herausgeberteam nochmals der Herausforderung einer Neuausgabe des Traditionswerkes „Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation" erneut zu stellen. Ergebnis ist diese 4. Ausgabe, in der 50 Fachleute (Autoren und Herausgebern) den aktuellen Stand der Informationsarbeit in 55 Beiträgen zusammengefaßt haben. Das als „LaiLuMU" bekannt gewordene Standardwerk erschien erstmals 1972, herausgegeben und zu großen Teilen verfaßt von Klaus Laisiepen (Lai), Ernst Lutterbeck (Lu) und Karl-Heinrich Meyer-Uhlenried (MU). 1980 folgte die unter Mitwirkung zahlreicher Autoren völlig überarbeitete 2. Auflage. Die beiden ersten Auflagen beschrieben die historische Entwicklung der IuD sowie ihre methodischen und organisatorischen Grundlagen. Sie zeigten die Information und Dokumentation der 70er Jahre, wie sie sich als eigenständiges Tätigkeitsfeld etabliert hatte, geprägt durch eine fortschreitende Institutionalisierung und ein vor allem in der Literaturdokumentation hoch entwickeltes Methodeninstrumentarium. Die Darstellung der Historie und der intellektuellen Methoden hat weitgehend noch immer Gültigkeit, so daß die folgenden Aktualisierungen weniger Ersatz als Fortschreibung der 2. Auflage bedeuten. 1987 wurde von einem neuen Herausgeberteam die 3., völlig neu überarbeitete Ausgabe in Angriff genommen. Sie spiegelte den Stand der IuD in den späten 80er Jahren mit Ausblicken auf die Entwicklungen der 90er Jahre. Um die vielen neuen Aspekte berücksichtigen zu können, mußte auf das ursprüngliche Konzept der ausführlichen „Einführung" verzichtet werden. Statt dessen wurde ein Handbuch angestrebt, das einerseits den Einstieg in ein einzelnes Teilgebiet der IuD ermöglichte, andererseits einen insgesamt umfassenden Überblick über das inzwischen sehr breite Spektrum professioneller Informationsarbeit bot. Diese Konzeption hat sich auch für die 4. Ausgabe als sinnvoll und noch gültig erwiesen. So ist die Struktur der Hauptkapitel im wesentlichen übernommen worden. Die Beibehaltung dieser Gliederung ist nicht nur wegen des Gewöhnungseffektes für den Leser hilfreich. Bei der Vielfalt der Themen und Aspekte hat sich diese Strukturierung bewährt, mit der die verschiedenen Einzelbeiträge in einen systematischen Zusammenhang eingebunden werden. Die 4. Ausgabe zeigt nun den Stand der fachlichen Informationsarbeit in seinen vielfältigen Ausprägungen und Funktionen der 90er Jahre. Auch sie knüpft an die klassische IuD an, die Ausgangs- und Bezugspunkt für die Darstellung der neueren Entwicklungen ist. Immer mehr Raum ist jedoch den methodischen und techni-

VIII

Vorwort

sehen Innovationen und den verschiedenen Spezialisierungen der Informationsarbeit zu geben, wenn ein Überblick über das immer komplexer werdende Tätigkeitsfeld IuD vermittelt werden soll. Zur Beschreibung bewährter IuD-Methodik gehören die klassischen intellektuellen Methoden ebenso wie die neuen Formen der Wissensrepräsentation und der EDVgestützten oder automatischen Verfahren der Inhaltserschließung und Wissensverarbeitung. Konventionelle und elektronische Informationsdienste bilden die Basis der verschiedenen Formen von Informationsversorgung und Informationsvermittlung. Die heutigen Dienste und Produkte sind dabei zunehmend geprägt von Informations-, Kommunikations- und Speichertechniken, die neue Angebote und Nutzungsmöglichkeiten zur Folge haben. Bei den Informationssystemen - hier verstanden als Organisationsstrukturen und professionelle Instanzen für quellen- bzw. branchenspezifische Fachinformation - kommt nicht mehr allein die praktische Anwendung von Informationsmethoden und -diensten zum Ausdruck. In den einzelnen Beispielen wird auch deutlich, welche technischen und anderen infrastrukturellen Aspekte die heutige IuD-Praxis prägen. Auch wenn weitgehend in die methodischen und anwendungsspezifischen Zusammenhänge integriert, ist der Informationstechnik noch ein gesondertes Kapitel gewidmet. Hier wird auf die jüngsten Entwicklungen eingegangen, soweit sie für die Praxis der IuD-Arbeit relevant resp. bereits etabliert sind. Zum Bereich Infrastruktur gehören Themen wie Informationspolitik, -management, -marketing, -Ökonomie, Informationsrecht und Kriterien der Professionalisierung. Die IuD der 90er Jahre ist u.a. durch ein neues Bewußtsein für Vermarktung und Wirtschaftlichkeit geprägt, wodurch diese Aspekte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Tendenzen der IuD, wie sie in der 3. Ausgabe für die 90er Jahre prognostiziert wurden, sind schon weitgehend Realität geworden und haben dann Eingang in die entsprechenden Hauptkapitel gefunden. Die Tendenzen heute - häufig mit dem Schlagwort „Vision 2000" verbunden - ergeben sich aus den aktuellen Entwicklungen und Möglichkeiten, ihren Chancen und Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Die Darstellung all dieser Aspekte und Grundlagen erfolgt in der schon gewohnten thematischen Struktur: Kap. Α Gegenstand der Information und Dokumentation Kap. Β Methoden und Verfahren der Information und Dokumentation Kap. C Informationsdienste Kap. D Informationssysteme Kap. Ε Informations- und Kommunikationstechnik Kap. F Infrastruktur der Information und Dokumentation Kap. G Tendenzen der Information und Dokumentation Nur wenige Themen konnten in ausschließlich aktualisierter Version in die 4. Ausgabe übernommen werden. Die meisten Beiträge wurden völlig überarbeitet in eine

Vorwort

IX

neue, aktuelle Fassung gebracht. Um neue Entwicklungen und Themen aufnehmen zu können, war es außerdem notwendig, ursprünglich getrennte Beiträge zusammenzufassen, Überschneidungen - soweit nicht wegen unterschiedlicher Betrachtungsweisen wünschenswert - zu reduzieren und neue Beiträge aufzunehmen. Trotz erweiterter und noch komplexer gewordener Thematik mußten die Herausgeber bei der Realisierung ihrer Konzeption den vorgegebenen Gesamtumfang des Handbuches berücksichtigen. Außerdem sollte (und konnte) das Ziel einer gegenüber den Vorausgaben erheblichen Verkürzung der Entstehungs- und Erscheinungsfrist - mit entsprechend erhöhter Aktualitätsgarantie - eingehalten werden. Diese Einschränkungen führten dazu, daß einige Themen und Beiträge unberücksichtigt bleiben mußten. So wurde z.B. die Darstellung der Informationswissenschaft auf ein zusammenfassendes Kapitel reduziert. Auch mußte wiederum auf eine ausführliche Beschreibung der IuD-Geschichte sowie der internationalen und ausländischen Aktivitäten verzichtet werden. Insgesamt wird mit der Vielzahl, Vielfalt und Aktualität der Beiträge deutlich, daß die professionelle IuD-Arbeit mit den Entwicklungen der 90er Jahre eine neue Qualität erreicht hat (Stichwörter sind u.a. Digitalisierung, Vernetzung, Multimedia). Hinweise zum weiterführenden Einstieg in verschiedene Themen und Spezialgebiete liefern die Angaben zu Literatur und Fachverbänden im Hauptkapitel A. Außerdem kann auf themenspezifische Literatur gezielt am Ende eines jeden Beitrages zugegriffen werden. Redaktionelle Teile der 4. Ausgabe enthalten zusätzliche Orientierungs- und Zugriffshilfen. Beiden Bänden ist eine komplette Gliederungsübersicht und jedem Hauptkapitel eine einführende Zusammenfassung vorangestellt. Weitere thematische Einstiege sind über das Abkürzungsverzeichnis und vor allem das alphabetische Sachregister am Ende des zweiten Bandes möglich. Die Herausgeber möchten an dieser Stelle all denen danken, die mit Rat und Kritik, Tatkraft und Engagement an dem Gelingen der Neuausgabe beteiligt waren, so den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages für gute Kooperation und Unterstützung und an erster Stelle natürlich den Autorinnen und Autoren, die die Herausgabe dieses Werkes erst ermöglicht haben. Marianne Buder Werner Rehfeld Thomas Seeger Dietmar Strauch

Gesamtübersicht Band 1 Α. GEGENSTAND DER INFORMATION UND DOKUMENTATION B. METHODEN UND VERFAHREN DER INFORMATION UND DOKUMENTATION

1 61

C. INFORMATIONSDIENSTE

255

D. INFORMATIONSSYSTEME

451

Band 2 E. INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK

619

F. INFRASTRUKTUR DER INFORMATION UND DOKUMENTATION

749

G. TENDENZEN DER INFORMATION UND DOKUMENTATION . . . 959 Sachregister

1057

Inhaltsverzeichnis Band 1 Gliederungsübersicht Band 2 Abkürzungsverzeichnis

Α

GEGENSTAND DER INFORMATION UND DOKUMENTATION

Al

Thomas Seeger: Grundbegriffe der Information und Dokumentation

A A A A

Organisationen der Information und Dokumentation Fachpublikationen der Information und Dokumentation Information als Tätigkeit und System Daten - Dokument - Dokumentationseinheit

1.1 1.2 1.3 1.4

A2

Hans-Jürgen Manecke und Thomas Seeger: Zur Entwicklung der Information und Dokumentation in Deutschland

A 2.1 A 2.2 A 2.3 A2.4 A 2.5 A 2.6 A 2.6.1 A 2.6.2 A2.6.3 A 2.7

Information als grundlegende Kategorie „Information" im Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation Sender und Empfänger von Information Fachliche Kommunikation und formelle Informierungsprozesse Die Quantifizierung des Wissens und seiner Nutzer Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland Die Entwicklung in der ehemaligen DDR Infonnationsvermittlung in Deutschland zu Beginn der 90er Jahre Strukturveränderungen durch die Informations-und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) Die Qualitäten der Informationsarbeit Die Organisationsstruktur der Informationsvermittlung Das Aufkommen eines Informationsmarktes Literatur

A2.7.1 A 2.7.2 A 2.8

Β

METHODEN UND VERFAHREN DER INFORMATION UND DOKUMENTATION

Β1

Einleitung und Überblick

Β2

Uta Krischker: Formale Analyse von Dokumenten

Β 2.1 Β 2.2

Zweck der formalen Analyse Dokumenttypen und ihre Auswertungselemente

XXV XXVII

1 4 11 14

16 18 21 24 25 31 33 39 48 49 49 50 53 55

61

63 63

XII Β 2.3 Β 2.4 Β 2.5 Β 2.5.1 Β 2.5.2 Β 2.5.3 Β 2.6 Β 2.6.1 Β 2.6.2 Β 2.6.3 Β 2.7 Β 2.8 Β 2.9 Β 2.9.1 Β 2.9.2 Β 2.9.3 Β 2.9.4 Β 2.9.5 Β 2.9.6 Β 2.9.7 Β 2.9.8 Β 2.10 Β 2.10.1 Β 2.10.2 Β 2.10.3 Β 2.10.4

Inhaltsverzeichnis Die Rolle der Regelwerke Die Reihenfolge der Auswertungselemente Arten von Eintragungen in Katalogen oder Karteien Haupteintragungen Nebeneintragungen Verweisungen Darstellung formaler Angaben Vorlageform Ansetzungsform Formatierung und Normierung von Daten Besonderheiten der formalen Analyse bei Einsatz von Datenverarbeitung Erhebung und Kategorisierung von Auswertungselementen Kategorienkataloge und Datenerfassungsschemata Fakultative und obligatorische Kategorien Normierte Einträge zu einer Kategorie Mehrfache Einträge zu einer Kategorie einer Dokumentationseinheit .... Suchbare Kategorien in einem Information-Retrieval-System Kategorien für die Ausgabe Ordnungsfunktion einer Kategorie Datenaustausch Regeln für die Gestaltung der Einträge zu Kategorien Beispiel eines systeminternen Kategorienkatalogs Systeminterner Kategorienkatalog für Nonnen und Zeitschriftenaufsätze Datenerfassungsschemata für Normen und Zeitschriftenaufsätze Regelwerk zum systeminternen Kategorienkatalog Beispiel für Einträge zu den Kategorien der Datenerfassungsschemata ... Literatur

Β3

Rainer Kuhlen: Abstracts - Abstracting - Intellektuelle und maschinelle Verfahren

Β 3.1 Β 3.1.1 Β 3.1.2 Β 3.2 Β 3.2.1 Β 3.2.2 Β 3.2.3 Β 3.2.4 Β 3.3

Grundbegriffe Abstracts Abstracting Entwicklung und Stand des Abstracting Historische Entwicklung Typen von Abstracts Merkmale von Abstracts und Regeln zu ihrer Erstellung Abstracting und Online-Banken Automatische Verfahren des Abstracting Literatur

Β4

Gerhard Knorz: Indesieren, Klassieren, Extrahieren

Β 4.1 Β 4.2 Β 4.3

Einleitung Indexieren ist zweckbestimmt Indexieren ist von Randbedingungen abhängig

64 66 67 67 68 68 69 69 70 72 72 73 75 76 76 76 77 77 78 78 79 80 80 82 82 84 85

88 88 91 93 93 94 99 104 106 115

120 122 123

Inhaltsverzeichnis Β 4.4 Β 4.4.1 Β 4.4.2 Β 4.4.3 Β 4.4.4 Β 4.4.5 Β 4.4.6 Β 4.5 Β 4.5.1 Β 4.5.2 Β 4.5.3 Β 4.5.4 Β 4.5.5 Β 4.6 Β 4.6.1 Β 4.6.2 Β 4.6.3 Β 4.7 Β 4.7.1 Β 4.7.2 Β 4.7.3

Entwurfsentscheidungen bei der Auslegung eines Indexierungsverfahrens Prä- und Postkoordination Art der Indexierungssprache Art der Zuordnung Prozessor Grundlage des Indexierens Werkzeuge Extraktionsmethode Manuelle Stichwortindexierung Freitext-Verfahren Linguistische wortorientierte Verfahren Koliektions-und retrievalorientierte Verfahren Syntaxorientierte linguistische Verfahren Zuteilende Inhaltserschließung Klassieren Gleichordnende begriffsorientierte Indexierung Indexierungen mit syntaktischen Ausdrucksmitteln Qualität von Indexierung Fehlerstatistiken und Konsistenzbewertungen Indexierungstiefe Retrievaltestbewertung Literatur

Β5

Hans-Jürgen Manecke: Klassifikation

Β 5.1 Β 5.2 Β 5.2.1 Β 5.2.2 Β 5.2.3 Β 5.2.4 Β 5.2.5 Β 5.2.6 Β 5.3 Β 5.3.1 Β 5.3.2 Β 5.3.3 Β 5.3.4 Β 5.3.5

Allgemeines Grundlagen von Klassifikationssystemen Strukturelemente Strukturen. Begriffsbeziehungen Begriffsbezeichnungen Typen, Eigenschaften und Pflege Zusammenfassung, Regeln und Normen Verwendung Beispiele von Klassifikationssystemen Internationale Dezimalklassifikation (DK) Internationale Patentklassifikation (IPC) Colon-Klassifikation (nach RANGANATHAN) KlassifikationsmodeU (nach TOMAN) Weitere Entwicklungen Literatur

Β6

Margarete Burkart: Thesaurus

Β Β Β Β Β

Funktion und Merkmale Thesaurusaufbau Eingrenzung des Bezugsrahmens Wortgutsammlung und Bezeichnungskontrolle Terminologische Kontrolle

6.1 6.1.1 6.1.1.1 6.1.1.2 6.1.2

ΧΙΠ

124 124 125 128 128 128 129 129 129 130 130 131 133 134 134 134 135 136 136 137 138 139

141 142 142 143 144 145 146 147 148 148 152 153 156 158 158

160 163 163 163 164

XIV

Inhaltsverzeichnis

Β 6.1.2.1 Β 6.1.2.2 Β 6.1.2.3 Β 6.1.3 Β 6.1.4 Β 6.1.4.1 Β 6.1.4.2 Β 6.1.4.3 Β 6.1.4.4 Β 6.1.4.5 Β 6.2 Β 6.2.1 Β 6.2.2 Β 6.3

Synonymkontrolle Polysemkontrolle Zerlegungskontrolle Äquivalenzklasse - Deskriptor Begriffliche Kontrolle Beziehungsgefüge des Thesaurus Äquivalenzrelation Hierarchische Relation Assoziationsrelation Begriffskombination Darstellung des Thesaurus Darstellung innerhalb der Deskriptorensätze Gesamtrepräsentation des Thesaurus Thesauruspflege Literatur

Β7

Ulrich Reimer: Neue Formen der Wissens representation

Β 7.1

Repräsentationsformalismen für die Referenzdokumentation: Thematische Dokumentrepräsentation Traditionelle Verfahren Terminologische Repräsentationsforrmalismen für thematische Dokumentbeschreibungen Semantische Netze Frames und terminologische Logiken Dokument-Retrieval Repräsentationsformalismen speziell für die Datendokumentation: Regelhafte Zusammenhänge und Ereignisse Regelhafte Zusammenhänge und einschränkende Bedingungen Regelhafte Zusammenhänge Einschränkende Bedingungen Ereignisse und Ereignisfolgen Qualitative Aspekte von Wissen Unvollständiges Wissen Widersprüchliches Wissen Unsicheres Wissen Ausblick Literatur

Β 7.1.1 Β 7.1.2 Β 7.1.2.1 Β 7.1.2.2 Β 7.1.2.3 Β 7.2 Β 7.2.1 Β 7.2.1.1 Β 7.2.1.2 Β 7.2.2 Β 7.3 Β 7.3.1 Β 7.3.2 Β 7.3.3 Β 7.4

Β8

Wolfrudolf Laux: Speicherung

Β 8.1 Β 8.2 Β 8.2.1 Β 8.2.2 Β 8.2.3 Β 8.3 Β 8.3.1 Β 8.3.2

Steilkartei Lochkarten Randlochkarten Schlitzlochkarten Sichtlochkarten EDV-Speicher Maschinenlochkarten Lochstreifen

165 166 167 168 170 171 171 172 174 175 175 176 177 178 179

180 180 182 183 185 190 192 192 192 194 196 201 201 202 203 204 205

208 209 209 212 213 214 215 216

Inhaltsverzeichnis

XV

Β 8.3.3 Β 8.3.4 Β 8.3.5 Β 8.3.6 Β 8.3.7 Β 8.3.8

Magnetband Magnetkassette Magnetplatte Diskette Magnetooptische Platte Compact Disk / CD-ROM Literatur

216 217 217 218 218 219 220

Β9

Ralf-Dirk Hennings: Komponenten zur Wissensverarbeitung in Informationssystemen

Β 9.1 Β 9.2 Β 9.2.1 Β 9.2.2 Β 9.2.3 Β 9.2.4 Β 9.3 Β 9.4 Β 9.4.1 Β 9.4.2

Einleitung Künstliche Neuronale Netze (KNN) Prozessurale Basisfunktionen einer Neurode im Netz Schichtung eines Neuronalen Netzes Lernen und Trainieren eines Netzwerkes Typen von Neuronalen Netzen Evolutionsstrategien und Genetische Algorithmen (GA) Zur Integration von Modulen zur Wissensverarbeitung Eigenschaften der Systeme und Technologien Kombination von Datenbanksystemen mit Wissensbasierten Ansätzen Kombination von Neuronalen Netzen mit Genetischen Algorithmen Kopplung symbolischer mit nicht-symbolischer Wissensverarbeitung Exemplarische prototypische Anwendungen Ausblick Literatur

Β 9.4.3 Β 9.4.4 Β 9.4.5 Β 9.4.6

Β10

Harald H. Zimmermann: Maschinelle Übersetzung

Β Β Β Β Β Β Β Β

Einführung. Begriffliches Argumente für den Einsatz von MT Zur betrieblichen Integration von MT Sprachbezogene Fragestellungen Das Lexikonproblem Das Textsortenproblem Die Nutzer Stand und Perspektiven Literatur

10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.2 10.5 10.6

221 224 225 226 227 228 230 233 234 234 235 236 237 240 241

244 244 245 247 247 249 249 251 253

XVI

Inhaltsverzeichnis

C

INFORMATIONSDIENSTE

C1

Einleitung und Überblick

C2

Marlies Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

C2.1 C 2.1.1 C 2.1.2 C 2.1.3 C 2.2 C 2.2.1 C 2.2.2 C 2.2.3 C 2.2.4 C 2.2.5 C 2.2.5.1 C 2.2.5.2 C 2.2.5.3 C 2.2.5.4 C 2.2.5.5 C 2.2.6 C 2.2.6.1 C 2.2.6.2 C 2.2.6.3 C 2.2.7 C 2.2.8 C 2.2.8.1 C 2.2.8.2 C 2.3

Zielsetzung von Fachinformationsdiensten Die traditionellen IuD-Dienste Die „neuen" Dienste Aspekte zur Typisierung der Dienste Arten von klassischen Fachinformationsdiensten Current Contents Titellisten Bibliographien, bibliographische Verzeichnisse Zitierindex Kataloge und Verzeichnisse Hersteller und Produkte Firmen Förderungsprogramme und Ausschreibungen Audiovisuelle Materialien Forschungsvorhaben Referatedienste und Register Referatedienste Register und Suchhilfen Das Beispiel Chemical Abstracts® Verdichtete höherwertige Dienste Dienste aus Datenbanken Profildienste Standardrecherchen Herstellung und Qualität von Fachinformationsdiensten Literatur

C3

Joachim Kind: Online-Dienste

C3.1 C 3.2 C 3.2.1 C 3.2.1.1 C 3.2.2 C 3.2.3 C 3.2.4 C 3.2.5 C 3.2.6 C 3.2.7 C 3.3 C 3.3.1 C 3.3.2 C 3.3.3 C 3.3.4

Einführung Online-Dienste für den professionellen Nutzer Host Datenbankangebot der Hosts Datenbasis Online-Datenbank Retrievalsprache und Menuführungen Modem und Telekommunikationsnetz Endgerät und Rechercheur Durchführung einer Recherche Online-Dienste für den privaten Nutzer (Consumer Online Services) Electronic Mail Informationsdienste Foren Internet-Zugang

255

257 257 258 259 260 260 261 262 264 265 266 267 267 268 268 269 269 270 271 273 274 274 275 275 279

280 281 282 282 288 290 293 296 296 297 301 301 302 308 309

Inhaltsverzeichnis C 3.4 C 3.4.1 C 3.4.3 C 3.4.3.1 C 3.4.3.2 C3.5

Online-Informationssysteme im Internet Gopher World-Wide-Web (WWW) Kataloge im WWW Search-Engines im WWW Perspektiven der Online-Dienste Literatur

C4

Arno Weigend: Wirtschaftsdatenbanken

C4.1 C 4.2

Einführung Umfang und Struktur des Angebots an Online-Wirtschaftsdatenbanken nach Datenbanktypen und Sachgebieten Anbieter von Wirtschaftsdatenbanken Inhalte ausgewählter Wirtschaftsdatenbanken Literatur

C4.3 C 4.4

C5

Josef L. Staud: Statistische Informationen

C5.1 C 5.2 C 5.3 C 5.4 C 5.5

Grundlagen: Merkmal, Merkmalsraum, Zeitreihen Statistische Datenbanken Quasi-Statistische Datenbanken Retrieval Anbieter und Produzenten Statistischer Datenbanken Literatur

C6

Peter Mahnkopf: Endkundensysteme in T-Online - Datex-J - Btx

C 6.1 C 6.2 C 6.3 C 6.4 C 6.5 C6.6

Btx-Historie: Eine visionäre Idee setzt sich (zunächst) nicht durch Btx-Technik: Von der Lego-Graphik zu graphischen Objekten Btx-Entwicklung: Die PCs und externen Rechner bringen den Durchbruch .. Btx-Netze: Die universelle Kommunikationsmaschine Btt-Inhalte: Erlebter Nutzen in Online-Diensten Btx-Reisebüro: Das Online-Reisebüro von START Literatur

C7

Rainer Kuhlen: Hypertext

C 7.1

Hypertext - eine nicht-lineare Organisationsform von Wissen und der Erarbeitung von Information Warum heißt Hypertext Hypertext? Hypertext - Hypermedia Hypertext - „mehr" als Text? Mehrwerteffekte durch Flexibilisierung Neues Kohärenzverständnis Hypertext und Objektorientierung - Architektur und Modelle; typisierte Objekte

C 7.2 C 7.2.1 C 7.2.2 C 7.2.2.1 C 7.2.2.2 C 7.3

XVII 309 309 311 312 313 316 317

318 318 322 323 326

328 331 333 334 338 339

341 342 344 344 345 349 354

355 355 355 356 356 357 359

XVIII

Inhaltsverzeichnis

C 7.4 C 7.4.1 C 7.4.2 C 7.4.3 C 7.4.4 C 7.4.5 C 7.5

Metainformationsformen für Hypertext Browsing und Serendipity Eigenschaften offener Hypertextsysteme Orientierungsprobleme Orientierungshilfen Hypertext und Information Retrieval Perspektiven Literatur

C8

Friedhelm Lehnhof: Die CD-ROM-Technologie

C8.1 C8.2 C 8.3 C8.4 C 8.5 C 8.6 C 8.7 C8.8

Historisches zur Compact Disc Vorteile der CD-ROM Einsatzgebiete der CD-ROM CD-ROM-Standards Die CD-ROM in Zahlen Das Funktionsprinzip: Der Lesevorgang CD-Varianten CD-ROM-Laufwerke

C9

Bernd Hamacher: Bürokommuiiikation

C9.1 C 9.1.1 C 9.1.2 C 9.1.3 C9.2 C 9.2.1 C 9.2.2 C 9.2.3 C 9.3 C 9.3.1 C 9.3.2 C 9.3.3 C9.3.4 C 9.3.5 C 9.3.6 C 9.4

Zum Begriff und zur Bedeutung der Bürokommunikation Definitionen Typen von Büroarbeit Bedeutung von Büroarbeit Leitbilder für Bürokommunikation Substitution Strategie Netze Systeme für die Bürokommunikation Datenverarbeitungssysteme Textverarbeitungssysteme Sprachkommunikationssysteme Bildkommunikationssysteme Multimediale Systeme CSCW - Computer Supported Cooperative Work Bürokommunikation als Unternehmensintegration Literatur

C10

Knud Bohle: Elektronisches Publizieren

C10.1 C 10.2 C 10.2.1 C 10.2.2 C 10.3 C 10.3.1

Einleitung Elektronisches Publizieren und elektronische Publikationen Elektronisches Publizieren in der Fachkommunikation Elektronische Distributionsformen und Publikationsformen Elektronisches Publizieren im Wandel Zur Geschichte des Elektronischen Publizierens

361 361 361 362 363 364 366 366

370 372 372 372 373 374 374 375

377 377 378 380 381 381 382 383 385 386 387 390 390 391 393 394 396

397 398 398 400 404 404

Inhaltsverzeichnis C 10.3.2 C 10.3.3 C 10.4 C 10.5

Elektronisches Publizieren im Kontext der Informatisierung Kennziffern des Elektronischen Publizierens im Vergleich zum Druckbereich Integrierte Publikationskette, Austauschformate und Strukturorientierung Elektronische Zeitschriften und Selbstorganisation in der Fachkommunikation Literatur

C11

Achim OBwald: Electronic Document Delivery

C 11.1 C 11.2 C11.3 C 11.4

Die Zielvorstellung Charakteristika digitaler Dokumente Übermittlungsverfahren Typische Bereitstellungsebenen in der Informationsverteilungskette und dabei relevante Übermittlungs- bzw. Abrufverfahren Bereitstellung durch klassische Depotorganisationen Grundsätzliche Überlegungen Der status quo Bereitstellung durch Verlage Bereitstellung durch Autoren Verarbeitungsmöglichkeiten durch den Empfänger bzw. Bezieher Bestellung, Entgelte und Abrechnungsverfahren sowie rechtliche Rahmenbedingungen der Dokumentübermittlung Entwicklungstendenzen Literatur

C 11.4.1 C 11.4.1.1 C 11.4.1.2 C l l .4.2 C 11.4.3 C11.5 C 11.6 C11.7

C12

Ralph Schmidt: Funktionale Informationsdienste

C12.1 C 12.1.1 C 12.1.2 C 12.2 C 12.2.1 C 12.2.1.1 C 12.2.1.2 C 12.2.1.3 C 12.2.1.4 C 12.2.2 C 12.3 C 12.3.1 C 12.3.2 C 12.3.3 C 12.3.4 C 12.4 C 12.4.1 C 12.4.2

Informationsdienstleistung Funktionale Informationsdienste und Wissenstransfer Funktionen der Informationsdienstleistung Tätigkeitsfeld Informationsdienstleistung Komponenten der Informationsdienstleistung Informationsanfrage Informationsbeschaffung Informationsaufbereitung Umsetzung und Anwendung Typologie funktionaler Informationsdienste Rahmenbedingungen funktionaler Informationsdienste Qualität von Informationsdienstleistungen Wirtschaftlichkeit von Informationsdienstleistungen Marketing für Informationsdienstleistungen Bedarfs- und Akzeptanzstrukturen Strukturen der Informationsdienstleistung Modelle der Informationsvermittlung Informationsvermittlung in den 90er Jahren Literatur

XIX 406 408 410 415 420

425 426 428 428 429 429 430 431 433 434 434 435 436

438 438 439 439 440 440 441 441 442 442 443 443 444 445 445 447 447 448 448

XX

Inhaltsverzeichnis

D

INFORMATIONSSYSTEME

Dl

Einleitung und Überblick

D 2

Wolfrudolf Lanx: Bibliographische (Literatur-)Informationssysteme

D 2.1 D 2.2 D2.3 D 2.4 D 2.4.1 D 2.4.2 D 2.5 D 2.5.1 D 2.5.2

Einleitung Beschaffung Auswertung Speicherung von Dokumenten und Informationen Dokumente Dokumentinhalte Bereitstellung von Dokumenten und Informationen Dokumente Dokumentinhalte Literatur

D 3

Angelika Menne-Harttz: Schriftgutverwaltung and Archivierung

D3.1 D 3.1.1 D 3.1.2 D 3.1.3 D 3.1.4 D 3.1.4.1 D 3.1.4.2 D 3.1.5 D 3.2

Die Registratur: Wie entsteht der Rohstoff für die Archivierung? Registratur und Bürokratie Rolle der Registratur Das Schriftgut Hilfsmittel der Registratur Einsatz unterschiedlicher Aktenformen Aktenplan und Aktenverzeichnis Perspektiven Das Archiv: Öffnung von Schriftgutbeständen für eine dauerhafte Nutzung durch Dritte D 3.2.1 Archivierung als Umwidmung der Unterlagen D 3.2.2 Elektronische Speicherung hat mit Archivierung wenig zu tun D 3.2.3 Archivwissenschaft D 3.2.3.1 Die Wurzeln der archivischen Fachwissenschaft D 3.2.3.2 Das Provenienzprinzip D 3.2.3.3 Archivische Arbeitsmethoden D 3.2.3.3.1 Bewertung D 3.2.3.3.2 Erschließung D 3.2.3.4 Perspektiven Literatur D 4

Marianne Englert: Pressedokumentation

D4.1 D 4.1.1 D 4.1.2 D4.1.3 D 4.1.4 D4.2

Grundsätzliches Einleitung Anforderungen an den Pressearchivar/-dokumentar Entwicklung und Aufgaben der Pressedokumentatioon Typen von Pressearchiven und -dokumentationsstellen Pressedatenbanken

451

453 454 455 457 457 457 458 458 458 459

460 460 460 462 463 464 464 465 465 466 468 468 469 469 470 470 471 471 472

473 473 473 474 475 476

Inhaltsverzeichnis D 4.2.1 D 4.2.2 D 4.2.3 D 4.2.4 D 4.3 D 4.3.1 D 4.3.2 D 4.3.3 D 4.4 D 4.5 D 4.6 D 4.6.1 D 4.6.2 D 4.6.3 D 4.6.3.1 D 4.6.3.2 D 4.6.3.3 D 4.6.3.4 D 4.7 D4.8 D 4.8.1 D 4.8.2 D 4.8.3 D 4.8.4 D 4.9 D 4.9.1 D 4.9.2 D 4.9.3 Anhang:

Die Volltextdatenbank Die Referenzdatenbank Faktendatenbanken Gemeinschafts-Pressedatenbanken Speicher und Verarbeitungsformen Papierarchiv und Mikroformen Die optische Platte Neue Redaktionselektronik Formen der Informationsverarbeitung Informationsermittlung Informationserschließung Formalerschließung Erschließung über Datenfelder Inhaltliche Erschließung Grundsätzliches Software zur Pflege von Ordnungsplänen Dokumentationssprachen Automatisch Indexieren Die Redaktionsbibliothek Informationsvermittlung Leserservice und Recherchedienstleistungen Die interne Inanspruchnahme Formen der Informationsvermittlung Informationen aktiv beschaffen Nutzen von Datenbanken Nutzen von Inhouse-Pressedatenbanken Nutzen von externen Datenbanken Nutzen von Netzen Deutsche Pressedatenbanken/-Hosts Literatur

D 5

A n k e Leenings:

XXI 476 477 477 477 478 478 479 480 481 482 483 483 484 484 484 486 486 487 488 488 488 489 489 490 490 490 491 492 493 496

AndiovisueDe Materialien D 5.1 D 5.1.1 D 5.1.2 D 5.2. D 5.2.1 D 5.2.2 D 5.2.3 D 5.2.4 D 5.2.5 D 5.3. D 5.3.1 D 5.3.2 D5.4. D 5.4.1 D 5.4.2 D 5.5. D 5.5.1

Einleitung Terminologie Technische Reproduzierbarkeit Arbeitsabläufe in sammelnden Institutionen wie Archiven etc Auswahl und Feststellung der Dokumentationswürdigkeit Inhaltliche Erschließung Formale Erschließung Katalogisierung Berufsbild Tbndokumente Industrietonträger Rundfunk Film-/Fernsehdokumente Institutionen Filmdokumentation Bilddokumente Institutionen

502 503 503 504 504 504 504 505 505 506 506 507 509 509 510 511 511

XXII

Inhaltsverzeichnis

D 5.5.2

Dokumentation Literatur

D6

Reinhard Schramm: Patentinformation

D 6.1 D 6.2 D 6.3 D 6.4 D 6.5 D6.6 Anhang A:

Patentdokumente Internationale Patentklassifikation Patentrecherchearten Patentdatenbanken Patentometrie Patentinformationsdienstleistungen Adressen deutscher Patentinformationszentren und Patentinformationsstellen Internet-Adressen für Patentinformation Literatur

Anhang B:

D7

Horst-Werner Marschau: Technische Regeln als Quellen wissenschaftlich-technischer Fachinfonnation

D D D D D D D

Das System der technischen Regelsetzung Einleitung Funktion und Bedeutung technischer Regeln/Begriffserklärung Das Verhältnis von Rechtsnormen und technischen Regeln Das Fachinformationssystem für technische Regeln Anforderungen und Voraussetzungen Das Deutsche Informationszentrum für technische Regeln (DITR) im DIN Dokumentarische Besonderheiten und Merkmale technischer Regeln Informationskategorien Dokumentation von Rechtsnormen Weltweite Normeninformationen Zukünftige Entwicklungen der elektronischen Bereitstellung von Normen Literatur

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.2 7.2.1 7.2.2

D 7.2.3 D D D D

7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7

D8

Josef L. Staud: Wirtschaftsinformation

D8.1 D 8.2 D 8.2.1 D 8.2.2 D 8.2.3 D 8.2.4 D 8.3 D 8.3.1 D 8.3.2 D 8.3.3

Einleitung und Begriffsklärung Informationstypen Attribute und Merkmale Nomenklaturen Texte in Faktendatenbanken Grafik Retrieval Retrieval von Attributen und Merkmalen Retrieval in und mit Nomenklaturen Retrieval von Text

513 513

518 525 526 527 529 529 530 531 533

535 535 536 538 539 539 539 541 541 544 545 547 554

556 557 558 560 560 560 562 562 563 563

Inhaltsverzeichnis D D D D D D D D

8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.5

Typen von Wirtschaftsdatenbanken „One-Record-Databases" und Datenbanken ohne Datensätze Hauptgruppen Statistische Datenbanken Quasi-Statistische Datenbanken Faktendatenbanken Integrierte Datenbanken Themen in Wirtschaftsdatenbanken Literatur

D9

Joachim Lüstorff: Chemie-Information

D D D D D D D D

Einleitung Chemische Informationsquellen Die Suche nach Sachverhalten Die Suche nach Verbindungen Die Suche nach Reaktionen Die Suche nach Eigenschaften Neuere Aspekte der Chemie-Information Weiterführende Literatur Literatur

9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.3 9.4

D10

Michael Harms: Medieninformation: Informationsversorgung in den ABD-Bereichen der Rundfunkanstalten

D D D D

10.1 10.2 10.3 10.4

D D D D D D D

10.5 10.5.1 10.5.2 10.6 10.7 10.8 10.9

Aufbau und Organisation von Rundfunkarchiven Archivbestände und dokumentarische Anforderungen Schnittstellen zwischen Archiv und Dokumentation Professionalisierung: Von der Registratur zum Informationsmanagement Schallarchive/Tonträger-Dokumentationsstellen „Musikarchive" bzw. Musik-Dokumentationsstellen „Wortarchive" bzw. Wort-Dokumentationsstellen Fernseharchive bzw. Fernseh-Dokumentationsstellen Pressearchiv, Recherchestellen, Bibliothek Historisches Archiv Zusammenfassung Literatur

D11

Norbert Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

D D D D

Information und Dokumentation im Kreditwesen Banken und Information Brokering Informationsring Kreditwirtschaft (IK) e.V. Entwicklung von Informationskapazitäten bei der Deutschen Bank Operative Information versus Research-Information Informationspraxis bei Deutsche Bank Research

11.1 11.1.1 11.1.2 11.2

D 11.2.1 D 11.2.2

ΧΧΠΙ 564 564 565 566 566 567 567 568 570

572 574 574 575 577 579 580 580 581

582 584 585 588 591 591 595 598 601 604 605 605

608 609 610 610 611 611

XXIV D 11.2.3 D 11.2.4 D 11.3 D 11.4 D11.5 D11.6 D 11.7 D 11.7.1 D 11.7.2

Inhaltsverzeichnis IuD als Katalysator für die Produktion von Mehrwert Zusammenarbeit Informationsdefizite durch Kommunikationsbarrieren Problemfeld Kosten und Nutzen von Informationen Computer als unerläßliches Hilfsmittel im Informationswesen Informationsmanagement und Unternehmenskultur Perspektiven Schwerpunkt Added Value Von IuD zum Information Clearinghouse

612 613 613 614 614 615 616 617 618

Gliederungsübersicht Band 2 Ε

INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK

Ε 1

Einleitung und Überblick

619

Ε2

Computer-Hardware, Betriebssysteme (Klaus Löns)

621

Ε3

Software für Information und Dokumentation (Willi Reinicke und Joachim Schwandt)

644

Ε4

Datenbank-Entwurfsmethoden (Gerhard Knorz)

664

Ε5

Softwareergonomie (Jürgen Krause)

688

Ε6

Kommunikationsnetze und Datenkommunikation (Klaus Löns)

698

Ε7

Zugang zur Information für blinde und sehbehinderte Menschen: Technische Voraussetzungen - Ein Überblick (Anne Schwindling) . . . 730

F

INFRASTRUKTUR DER INFORMATION UND DOKUMENTATION

F1

Einleitung und Überblick

749

F2

Informationsökonomie (Werner Schwuchow)

751

F3

Informationsmanagement (Josef Herget)

781

F4

Methoden der Informationsanalyse. Eine Einführung in die empirischen Methoden der Informationsbedarfsanalyse und der Markt- und Benutzerforschung (Michael Kluck)

795

F5

Marketing für die Informationsvermittlung (Stefan Grudowski)

822

F6

Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik (Thomas Seeger)

846

F7

Rechtsfragen der Informationswirtschaft (Jürgen W. Goebel)

881

F8

Normung im Bereich Information und Dokumentation (Eva-Maria Baxmann-Krafft und Edith Lechner)

903

F9

Zum Stand der Professionalisierung: Beruf und Ausbildung in Deutschland (Thomas Seeger)

927

Informationswissenschaft (Norbert Henrichs)

945

F10

XXVI

Gliederungsübersicht

G

T E N D E N Z E N D E R INFORMATION UND DOKUMENTATION

G 1

Reisen wir auf den Datenautobahnen in eine neue (Un-)Gewißheit? (Hans-Dieter Burneleit, Rafael Capurro, Werner Rehfeld, Wilhelm Wissmann und Gernot Wersig)

959

G2

Der Weg in die Informationsgesellschaft (Gernot Wersig)

974

G3

Ethik im Cyberspace (Rafael Capurro)

G4

Elektronische Medien und Verlagswesen (Hans-Dieter Burneleit)

G5

Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft: Trends und Entwicklungen des multimedialen Informations- und Telekommunikationsmarktes (Manfred Thüring)

1021

G6

Informationsinfrastruktur (Ulrich Riehm)

1034

G7

Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen (Wilhelm Wissmann)

1047

Sachregister Autoren- und Herausgeberverzeichnis

1000 . . 1008

1057 1067

Abkürzungsveizeichnis

A A P American Association of Publishers A A P O R American Association for Public Opinion Research ABD-Bereich Bereich Archiv-, Bibliotheksund Dokumentationswesen ACM Association for Computing Machinery A D A M Automatic Document Abstracting Method A D R Astra Digital Radio ADSL Asymmetrical Digital Subscriber Line AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AI Artificial Intelligence ANSI American National Standardization Institute AOL America Online ASCII American Standard Code for Information Interchange ASIS American Society for Information Science ASpB Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken ATM Asynchronous Transfer Mode AV audiovisuell BCC Block Check Character BDI Bundesverband der Deutschen Industrie, Köln BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch B G H Bundesgerichtshof, Karlsruhe BK Bürokommunikation BLDSC British Library Document Supply Center BMA Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn BMBF Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bonn BMFT Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bonn B O F Benutzungsoberfläche, Benutzeroberfläche BSP Bruttosozialprodukt BT Bundestag, Bonn Btx Bildschirmtext BVerfG Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe

C Programmiersprache C CAD Computer Aided Design CAP Computer Aided Publishing CARL Colorado Alliance of Research Libraries CAS Chemical Abstracts Service CASE Computer Aided Software Engineering CASSI Chemical Abstracts Service Source Index CAT Computer Aided Translation CBT Computer Based TVaining CC Colon Classification CCF Common Communication Format CCITT Comitd Consultatif Internationale ΤέMgraphie et Tiliphonique CCL Common Command Language CD-1 Compact Disk Interactive CD-R Compact Disk Recordable CD-ROM Compact Disk Read Only Memory CEN Comit6 Europden de Normalisation CENELEC Comit6 Europden de Normalisation Electrotechnique CEPT Conf6rence des Europienne des Administrations des Postes et des T61icommunications CGI Common Gateway Interface CIP Cataloguing in Publication CISC Complex Instruction Set Computer COSINE Cooperation for Open Systems Interconnection in Europe CPU Central Processing Unit CSCW Computer Supported Cooperative Work DAB Digital Audio Broadcasting DAT Digital Audio Tfcpe Datex-M Data Exchange Service - Multi-Megabit Datex-P Data Exchange Service - Paketvermittlung DBE Dokumentarische Bezugseinheit DBI Deutsches Bibliotheksinstitut, Berlin DBMS Datenbankmanagementsystem DCE Data Communications Equipment D D C Dewey Decimal Classification D D E Dynamic Data Exchange

XXVIII DE Dokumentationseinheit DECT Digital European Cordless Telecommunication DEE Datenendeinrichtung DFN Deutsches Forschungsnetz DFÜ Datenfernübertragung DGD Deutsche Gesellschaft für Dokumentation, Frankfurt am Main DGS Deutsche Gesellschaft für Soziologie DIMDI Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information, Köln DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin D11K Deutsches Informationszentrum für technische Regeln, Berlin DK Dezimalklassifikation, Internationale Dezimalklassifikation DMA Document Management Alliance Direct Memory Access DMS Document Management System DNA Deutscher Normenausschuß DQDB Distributed Queue Double Bus DRA Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main, Berlin DSR Digitales Satelliten-Radio DSSSL Document Style Semantics and Specification Language DTD Document Type Definition DTE Data Terminal Equipment DTP Desktop Publishing DÜ Datenübertragung DÜE Datenübertragungseinrichtung DV Datenverarbeitung DVB Digital Video Broadcasting DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches E/A Eingabe/Ausgabe EBCDIC Extended Binary Coded Decimals Interchange Code ECHO European Commission Host Organization, Luxemburg EDD Electronic Document Delivery EDI Electronic Data Interchange EDIFACT Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport EDIL Electronic Document Interchange between Libraries EDV Elektronische Datenverarbeitung EFTA European Free Ttade Association EG Europäische Gemeinschaften EIC Euro Info Centre

Abkürzungsverzeichnis ELF European Interchange Format EISA Extended Industry Standard Architecture EN Europäische Norm EP Elektronisches Publizieren EPA Europäisches Patentamt, München ERM Entity-Relationship-Modell ETSI European Telecommunications Standards Institute EU Europäische Union F+E Forschung und Entwicklung FCS Frame Control Sequence FDDI Fiber Distributed Data Interface FESAD Fernseharchivdokumentation FH Fachhochschule FID International Federation for Information and Documentation, den Haag FIS Fachinformationssystem FIT F6di ration Internationale des Traducteurs FIZ Fachinformationszentrum FLOP Floating Point Operation FSK Frequency Shift Keying Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft FTP File Transfer Protocol GA Genetischer Algorithmus GATT General Agreement of Tariffs and Ή-ade GDCh Gesellschaft Deutscher Chemiker GdT Gemeinschaftsausschuß der Technik GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Gl Gesellschaft für Informatik GID Gesellschaft für Information und Dokumentation, Frankfurt am Main GMD Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, Bonn u.a. GSM Global System for Mobile Communications GUI Graphical User Interface GUIB Graphical User Interface for the Blind HDCD High Density Compact Disk HDLC High Level Data Link Control HDSL High-bit-rate Digital Subscriber Line HI Hochschulverband Informationswissenschaft, Konstanz HT Hypertext HTML Hypertext Markup Language HTTP Hypertext Transfer Protocol

Abkürzungsverzeichnis HWWA Hamburger Weltwirtschaftsarchiv/Institut für Weltwirtschaft, Hamburg I/O Input/Output 1BI Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Information, HumboldtUniversität Berlin IBN Integriertes Breitband-Netz IC Integrated Circuit ICS International Classification for Standards IDE Integrated Disk Electronic IDW Institut für Dokumentationswesen 1EC International Electrotechnical Commission IEEE Institute of Electronic and Electric Engineers 1FLA International Federation of Library Associations and Institutions IFRA International Research Association for Newspaper Technology I1D Institut für Information und Dokumentation, Potsdam IK Informationsring Kreditwirtschaft, Frankfurt am Main ILL Inter Library Loan IM Informationsmanagement IMPACT Information Market Policy Actions INER Institut für Informationswissenschaft, Erfindungswesen und Recht, Technische Hochschule Ilmenau IP Internet Control IPC International Patent Classification IR Information Retrieval IRB Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau, Stuttgart IRM Information Resources Management IS Informationsstelle ISA Industry Standard Architecture ISBD International Standard Bibliographie Description ISBN Internationale Standard-Buchnummer ISDN Integrated Services Digital Network ISI Institute for Scientific Information Internationales Symposium für Informationswissenschaft ISMN Internationale Standardnummer für Musikalien ISO International Standardization Organization ISRC Internationaler Standard-Ton- und Bildtonaufnahmeschlüssel

ΧΧΓΧ ISRN Internationale Standardnummer für Forschungsberichte ISSN Internationale Standardnummer für fortlaufende Sammelwerke ITU International Telecommunication Union IuD Information und Dokumentation IuK Information und Kommunikation IVA Informationsvermittlungsabteilung IVS Informationsvermittlungsstelle IWT Informationssystem Wissenschaft und Technik IZ Informationszentrum JASON Journal Articles sent on Demand JPEG Joint Photographic Experts Group KBS Knowledge Based Systems KdT Kammer der Technik, Berlin KI Künstliche Intelligenz ΚΓΓ Kemel for Intelligent Communication Terminal KMU Kleine und mittlere Unternehmen KNN Künstliche Neuronale Netze KRAK Kurzfassung der Regeln für die alphabetische Katalogisierung ΚWIC Keyword in Context LAN Local Area Network LID Leitstelle für Information und Dokumentation Lehrinstitut für Dokumentation, Frankfurt am Main LLC Logical Link Control MA Maintenance Agency MAB Maschinelles Austauschformat für Bibliotheken MAC Media Access Control MAN Metropolitan Area Network MC Maschinencode MIDI Music Instrument Digital Interface MMPC Multi-Media Personal Computer MO magneto-optisch Modem Modulator-Demodulator MPEG Motion Picture Expert Group MPP Massiv Paralleler Prozessor MSN Microsoft Network MT Machine Translation NABD NormenausschuB Bibliotheks- und Dokumentationswesen im DIN, Berlin

XXX NAILLD North American Interlibrary Loan and Document Delivery NATNormenausschußTerminologie im DIN, Berlin NBM Non-Book-Materials Nil National Information Infrastructure Ν Κ Netzknoten OCR Optical Character Recognition ODIF Office Document Interchange Format OECD Organization for Economic Cooperation and Development OLE Object Linking and Embedding OLTP On Line Transaction Processing OPAC Online Public Access Catalogue OS Operating System OSI Open Systems Interconnection OSM OffScreen Model OTA Office of Technology Assessment PAD Packet Assembly/Disassembly PC Personal Computer PCI Patent Citation Index Programming Communication Interface PDF Portable Document Format PI Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken PoD Publishing on Demand Pol Point of Information PoS Point of Sale PR Public Relations PV Paketvermittlung R A I D Redundant Array of Independent Disks RAK Regeln für die alphabetische Katalogisierung RAM Random Access Memory RDBMS Relationales Datenbankmanagementsystem RISC Reduced Instruction Set Computer ROM Read Only Memory RRG Reichsrundfunkgesellschaft SC Sub-Committee SCI Science Citation Index SCSI Small Computer Systems Interface SDI Selective Dissemination of Information SGML Standard Generalized Markup Language SIC Standard Industry Classification

Abkürzungsverzeichnis SITC Standard International TYade Classification SMDS Switched Multimegabit Data Service SMP Symmetrie Multi-Processing SMT Simple Mail Transfer Protocol SONET Synchronous Optical Network SQL Standard Query Language SSCI Social Science Citation Index StGB Strafgesetzbuch STN Scientific and Technical Information Network SWIFT Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication TAB Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag TC Technical Committee TCP Transmission Control Protocol TED Tenders Electronic Daily TELNETTeletype Network TIDE Technology Initiative for the Disabled and Elderly TIFF Tigged Image File Format TK Telekommunikation U D C Universal Decimal Classification UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, Paris UNIMARC Universal MARC Format UNISIST Universal System for Information in Science and Technology UNO United Nations Organization, New York UrhG Urheberrechtsgesetz URL Uniform Resource Locator URN Uniform Resource Name UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VBN Vermitteltes Breitbandnetz VDD Verein Deutscher Dokumentare; Berufsverband Dokumentation, Information, Kommunikation, Bonn V D E Verband Deutscher Elektrotechniker, Frankfurt am Main VDI Verein deutscher Ingenieure, Düsseldorf VdTÜV Vereinigung der technischen Überwachungsvereine VESA Video Electronics Standards Association VG Verwertungsgesellschaft

Abkürzungsverzeichnis VGA Video Graphics Array VMS Voice Mail System WAIS Wide Area Information Server WAN Wide Area Network WFMS Workflow Management System WG Working Group WIN Wissenschaftsinformationsnetz WORM Write Once Read Multiple WPI World Patent Index WS Workstation WTI Wissenschaftliche-technische Information

XXXI WTO World Trade Organization WWW World Wide Web WYSIWYG What you see is what you get ZDM Zentralstelle für Maschinelle Dokumentation, Frankfurt am Main ZIID Zentralinstitut für Information und Dokumentation, Berlin (DDR) ZLID Zentrale Leitstelle für Information und Dokumentation Z P O Zivilprozeßordnung ZSK Zentrale Schallplattenkatalogisierung

1

Α

Gegenstand der Information und Dokumentation

A1

Grundbegriffe der Information und Dokumentation Thomas Seeger

A 1.1

Organisationen der Information und Dokumentation

Der Berufs- und Tätigkeitsbereich Information und Dokumentation verfügt über eine Reihe von Vereinigungen und Zusammenschlüssen, in denen die professionellen Belange der IuD-spezifisch Arbeitenden aufgegriffen und behandelt werden. Im folgenden werden lediglich diejenigen Vereinigungen und Verbände aufgelistet, die von ihrer Ausrichtung her im Kernbereich der Information und Dokumentation bzw. Informationswissenschaft anzusiedeln sind oder dem großen Überschneidungsbereich der technisch und methodisch benachbarten Felder zugehörig sind. Rein bibliothekarisch oder archivarisch ausgerichtete Vereinigungen können aus Platzgründen hier nicht erwähnt werden. Vereinigungen und Organisationen adi Anwenderverband Deutscher Informationsverarbeiter e. V. St.-Veit-Str. 76 D-81673 München

American Society for Information Science (ASIS) 8720 Georgia Ave, Suite 501 Silver Spring. MD 20910. USA

ASLIB Information House 26-27 Bos well Street London WC1N 3JZ, GB

ASpB Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V. Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband c/o Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Königin-Luise-Str. 19 D-14195 Berlin

Bildschirmtext Anbieter Vereinigung (Btx-AV) Geschäftstelle Postfach 1325 D-61468 Kronberg/TS.

BVMI Berufsverband Medizinischer Informatiker Postfach 10 13 08 D-69003 Heidelberg

2

Seeger: Grandbegriffe der Information und Dokumentation

Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) Ostbahnhofstr. 13. D-60314 Frankfurt a. M. Ausrichter des alljährlich stattfindenden „Deutschen Dokumentartag" und der im Rahmen der INFOBASE, Frankfurt ebenfalls stattfindenden „Online-Tagung" sowie weiterer Fachkonferenzen. Innerhalb der D G D existieren folgende Fachgremien: - Arbeitskreis Geschichte der Dokumentation - Arbeitskreis Patentauslegestellen - Arbeitsgruppe Mikrographie im Patentwesen - Arbeitsgruppe Details im Anmelde- und Publikationsverfahren im Patentwesen - Komitee Fachinformation Wirtschaft und Gesellschaft (KFWG) - Komitee Informetrie (KI) - Komitee Informationsrecht - Komitee Klassifikation und Thesaurusforschung (KTF) - Komitee Praxis der innerbetrieblichen Informationsvermittlung (KPI) - Komitee Technische Kommunikation (KTK) - Komitee Terminologie und Sprachfragen (KTS) - Komitee Wirtschaftlichkeit der Information und Dokumentation (KWID) - Komitee Wissensverarbeitung - Künstliche Intelligenz - Informationswissenschaft. (KWV) - Ring der Informationsvermittler - Online Benutzergruppe - CD-ROM Benutzergruppe. Die Arbeit der D G D wird darüber hinaus in Regionalen Arbeitskreisen organisiert, die u.a. regelmäßig Veranstaltungen anbieten: - BÄK Information. Berliner Arbeitskreis Information - OLBG (Online Benutzergruppe) Norddeutschland - ADI Arbeitskreis Dresdner Informationsvermittler - AKI Köln. Arbeitskreis Köln - AKIL Arbeitskreis für Information Leipzig e.V. - MAID Münchner Arbeitskreis Information und Dokumentation - AKI RheinMain - AKI Stuttgart.

DVMD Deutscher Verband Medizinischer Dokumentäre e. V. Ostpreußenstr. 89 D-81927 München

Deutsches Institut für Normung (DIN) Normenausschuß Archiv-, Bibliotheks- und Dokumentationswesen (NABD) Burggrafenstr.4 - 10 D-10787 Berlin

EIRENE The European Information Researchers Network c/o B. Clifford, Manchester Business School Manchester M25 6PB. GB

EUCLID European Association for Library and Information Education and Research c/o Royal School of Librarianship 6, Birketingat. DK-2300 Copenhagen

A 1.1 Organisationen der Information und Dokumentation

EUSIDIC The European Association of Information Services PO Box 1416 L-1014 Luxemburg

GBDL Gesellschaft für Bibliothekswesen und Dokumentation des Landbaues Engesserstraße 20 D-76131 Karlsruhe

GMDS Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. Herbert-Lewin-Str. 1 D-50931 Köln

Gesellschaft für Linguistische Datenverarbeitung (GLDV) c/o IKP Universität Bonn Poppelsdorfer Allee 47 D-53115 Bonn

Gesellschaft für Klassifikation e.V. Woogstr.36a D-60431 Frankfurt a.M.

Gesellschaft für Informatik e. V. (Gl) Fachgruppe Information Retrieval Godesberger Allee 99 D-53175 Bonn

GIL Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft c/o Zentralstelle für Agrardokumentation und -information (ZADI) Villichgasse 17 D-53177 Bonn

GME VDE/VDI-Gesellschaft für Mikroelektronik Stresemannallee 15 D-60596 Frankfurt a. M.

HI Hochschulverband Infonnationswissenschaft e. V. c/o Universität Konstanz FG Informationswissenschaft Postfach 5560 D-78420 Konstanz

International Federation for Information and Documentation (FID) PO Box 90402 NL-2509 LK Den Haag. Niederlande

Iiiformationsring Kreditwirtschaft e.V. Merkurhaus. Am Hauptbahnhof 12 D-60329 Frankfurt a. M.

Institute for Information Scientists Harvest House. 62, London Road, Reading, Berkshire RG1 5AS. GB

3

4

Seeger: Grandbegriffe der Information und Dokumentation

ITG Informationstechnische Gesellschaft im VDE Stresemannallee 15, VDE-Haus D-60596 Frankfurt a. M.

Kommission der Europäischen Gemeinschaften Generaldirektion XIII: Telekommunikation, Informationsmarkt und Nutzung der Forschungsergebnisse Gebäude Jean Monnet, Rue Alcide de Gasperi L-2920-Luxemburg

österreichische Gesellschaft für Dokumentation und Information c/o Österreichisches Normungsinstitut Heinestr. 38 A-1020 Wien, Österreich

PAID Pharma Arbeitskreis Information und Dokumentation Troppauerstr. 14 D-89257 IUertissen

tekom Gesellschaft für technische Kommunikation e.V. Markelstr. 34 D-70193 Stuttgart

UNESCO Genera] Information Programme (GIP) 7, Place de Fontenoy F-75700 Paris, Frankreich

VDA Fachgruppe 7 (Medienarchivare/Mediendokumentare) im Verein deutscher Archivare in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Medien im Schweizerischen Verband für Dokumentation (SVD) Veranstalter der alljährlich stattfindenden „Frühjahrstagung" im Mai. c/o Südwestfunk, Hans-Bredow-Str. D-76522 Baden-Baden

VIW Verband der InformationsWirtschaft e.V. Postfach 1325 D-61468 Kronbergm.

VOI Verband Optischer Informationssysteme Feldbergstr. 38 D-64293 Darmstadt

A 1.2

Fachpublikationen der Information und Dokumentation

Auch hier muß aus Platzgründen gelten, daß lediglich Fachveröffentlichungen mit Bezug zu Methoden und Techniken der Information und Dokumentation berücksichtigt werden können, rein bibliothekarische bzw. archivarische Veröffentlichungen können ebenso wenig berücksichtigt werden wie rein technische. ABI-Itechnik Zeitschrift für Automation, Bau und Technik im Archiv-, Bibliotheks- und Informationswesen. HRSG Berndt Dugall; Rudolf Frankenberger; Rolf Fuhlrott; Georg F. Schultheiß

A 1.2 Fachpublikationen der Information und Dokumentation REDAKT VERLAG ERSCH SEIT ISSN

5

B. Dugall, Stadt- und Universitätsbibliothek, Bockenheimer Landstr. 134-138, D-60325 Frankfurt a. M. Verlag Karlheinz Holz, Unter den Eichen 7, D-65195 Wiesbaden 4 mal jährlich 1981 0720-6763

ASIS-BuUetin Bulletin of the American Society for Information Science (ASIS) HRSG American Society for Information Science (ASIS), 8720 Georgia Ave, Suite 501, Silver Spring. MD 20910. USA. REDAKT Richard B. Hill VERLAG ASIS ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1976 ISSN 0095- 4403

cogito - Zeitschrift für den Informationsmarkt REDAKT VERLAG ERSCH SEIT ISSN

Karin Freese Hoppenstedt GmbH, Havelstr. 9, D-64295 Darmstadt 6 mal jährlich 1985 0178-8728

DGD-NEWSLETTER HRSG

Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD), Ostbahnhofstr. 13, D-60314 Frankfurt a. M. REDAKT E. Bhattacharjee, H. Neriich, J. Thuss VERLAG Deutsche Gesellschaft für Dokumentation ERSCH 4 mal jährlich SEIT 1993 Vorläufer eines Newsletters der DGD erschien unter dem Titel „Internationale Aufgaben der DGD"

ik-Report Zeitschrift zum Informationswesen der Kreditwirtschaft. Journal of Banking Information. Revue d'information bancaire HRSG Informationsring Kreditwirtschaft e.V.(ik), Merkurhaus, Am Hauptbahnhof 12, D-60329 Frankfurt a. M. REDAKT Jürg Hagmann ERSCH 1-2 mal jährlich SEIT 1987

INFOdoc Technologien für die Information und Dokumentation HRSG Heinz Scharfenberg, Redaktion INFOdoc, Postfach 102022, D-45020 Essen VERLAG FBO-Fachverlag für Büro- und Organisationstechnik GmbH, Postfach 140262, D-76496 Baden-Baden ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1975 ISSN 0941-6048 INFOdoc ist hervorgegangen aus den Fachzeitschriften MIKRODOK und GIGATREND.

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Seeger: Grundbegriffe der Information und Dokumentation

INFO 7 Information und Dokumentation in Archiven, Mediotheken, Datenbanken HRSG Vorstand der Fachgruppe 7 (Medienarchivare/Mediendokumentare) im Verein deutscher Archivare in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Medien im Schweizerischen Verband für Dokumentation (SVD) REDAKT Ekkehard Lange, Ulrike Höflein; Südwestfunk, Hans-Bredow-Str., D-76522 Baden-Baden VERLAG Nomos Verlagsgesellschaft GmbH & Co. KG, Waldseestr. 3-5, D-76530 Baden-Baden ERSCH 2 mal jährlich SEIT 1985 ISSN 0930-5483

Information Economics and Policy The Official Journal of the International Telecommunication Society REDAKT Donald M. Lamberton, Australian National University, Research School of Social Sciences. GPO Box 4, Canberra. ACT 2601. Australien VERLAG North-Holland/Elsevier. P.O. Box 103. NL-1000 AC Amsterdam. NL. ERSCH 4 mal jährüch SEIT 1984 ISSN 0167-6245

Information and Management An International Journal of Information-Systems Applications REDAKT Ε. H. Sibley, George Mason University, Dept. of Information Systems, 4400 University Drive, Fairfax, VA 22030. U.S.A. VERLAG North-Holland/Elsevier. P.O. Box 103. NL-1000 AC Amsterdam. NL ERSCH 12 mal jährlich SEIT 1978 ISSN 0378-7206

Information Processing & Management An International Journal REDAKT Tfefko Saracevic, School of Communication, Information and Library Studies. Rutgers University, 4, Huntington Street, New Brunswick, N.J. 08903. USA. VERLAG Elsevier Science Ltd., Bampfylde Street, Exeter EX1 2AH. GB. ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1965 ISSN 0306-4573 Die Zeitschrift „Information Technology: Research, Development, Application" ist hierin aufgegangen. Früherer Titel: Information Storage and Retrieval

INFORMATION SYSTEMS Databases: Their Creation, Management and Utilization. An International Journal REDAKT Matthias Jarke (Europa), Dennis Shasha (USA) VERLAG Pergamon/Elsevier Science Ltd. The Boulevards, Lanford Lane, Kidlington, Oxford OX5 1GB. GB ERSCH 8 mal jährlich SEIT 1976 ISSN 0306- 4379

A 1.2 Fachpublikationen der Information und Dokumentation

7

Information World Review HRSG VERLAG ERSCH SEIT ISSN

Peter Hyams Learned Information Europe Ltd. Woodside, Hinksey Hill. Oxford ΟΧΙ 5BE. GB 11 mal jährlich ca. 1985 0950-9879

IM Informationsmanageinent HRSG August Wilhelm Scheer, Saarbrücken REDAKT W.-D. Lorenz, J. Volk, IDG-Communications Verlag AG, München VERLAG IDG-Communications Verlag AG, Rheinstr. 28, D-80803 München ERSCH 4 mal jährlich SEIT 1986 ISSN 0930-5181 International Forum on Information and Documentation HRSG International Federation for Information and Documentation (FID), PO Box 90402. NL-2509 LK Den Haag. Niederlande REDAKT VINITI, 14, Baltijiskaya ul. 125219 Moskau , Rußland VERLAG VINITI ERSCH 4 mal jährlich SEIT 1976 ISSN 0304-9701 International Journal of Information Management The Journal for Information Professionals REDAKT Phillip Hills, Centre for Research into Human Communication and Learning, Suite 1, Alexandra House 1, Milton Road, Cambridge CB4 1UY, GB VERLAG Butterworth-Heinemann Ltd., Linacre House, Jordan Hill, Oxford OX2 8DP, GB ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1981 ISSN 0268-4012 International Journal of Micrographics and Optical Technology incl. all Aspects of Electronic Information Transfer REDAKT Don M. Avedon, Avedon Associates, 14 Accord Court, Potomac, MD 20854. USA VERLAG Pergamon Press/Elsevier, The Boulevard, Langford Lane, Kidlington, Oxford. OX5 1. GB ERSCH 4 mal jährlich SEIT 1982 ISSN 0958-9961 Journal of the American Society for Information Science (ASIS) Gebräuchliche Abkürzung: JASIS HRSG American Society for Information Science (ASIS), 8720 Georgia Ave, Suite 501, Silver Spring. MD 20910. USA REDAKT Donald H. Kraft, Dept. of Computer Science, Louisiana State University, Baton Rouge. LA 70803-3602, USA VERLAG John Wiley & Sons Inc., 605 Third Ave, New York, N.Y. 10158 ERSCH 10 mal jährlich SEIT 1950 ISSN 0002-8231

Seeger: Grundbegriffe der Information und Dokumentation

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Journal of Chemical Information and Computer Sciences Includes Chemical Computation and Molecular Modeling HRSG American Chemical Society (ACS) REDAKT George W. A. Milne, Laboratory of Medicinal Chemistry, Building 37, Room 5C28, National Institutes of Health , Bethesda, Maryland 20892 VERLAG ACS, 1155, 16 th. Street, N. W. Washington, DC 20036. USA ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1961 ISSN 0095-2338

Journal of Documentation HRSG VERLAG ERSCH SEIT

ASLIB Information House, 26-27 Boswell Street, London WC, IN 3JZ, GB ASLIB 4 mal jährlich ca 1950

Journal of Government Information An International Journal of Issues and Information Resources REDAKT Steven D. Zink, University of Nevada, MS 322, Reno, NV 89557. USA VERLAG Pergamon Press/Elsevier, The Boulevard, Langford Lane, Kidlington, Oxford. OX5 1. GB ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1974 ISSN 1352-0237

Journal of Information Science Principles & Practice HRSG A. Gilchrist, CURA Consortium, 38 Ship Street, Brighton, East Sussex BN1 1 AB. GB VERLAG Bowker-Saur, Maypole House, Maypole Road, East Grinstead, West Sussex RH19 1HH. GB ERSCH 10 mal jährlich SEIT 1975 ISSN 0165-5515

Knowledge Based Systems REDAKT VERLAG ERSCH SEIT ISSN

E. A. Edmonds, University of Technology, Loughborough, GB Butterworth-Heinemann, Ltd., Linacre House, Jordan Hill, Oxford OX2 8DP. GB 6 mal jährlich 1988 0950-7051

LDV-Forum Forum der Gesellschaft für Linguistische Datenverarbeitung (GLDV) HRSG Gerhard Knorz, Fachhochschule Darmstadt, FB IuD, Schöfferstr. 1-3, D-64295 Darmstadt VERLAG Fachhochschule Darmstadt ERSCH 2 mal jährlich SEIT 1984 ISSN 0172-9926

A 1.2 Fachpublikationen der Information und Dokumentation

9

Nachrichten für Dokumentation (nfd) Zeitschrift für Informationswissenschaft und - praxis HRSG Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD), Ostbahnhofstr. 13, D-60314 Frankfurt a. M. REDAKT Wolfram Neubauer, Marlies Ockenfeld VERLAG Hoppenstedt GmbH, Postfach 100 139, D-64295 Darmstadt ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1950 ISSN 0027-7436

ÖDV Online/ADI Enthält Online ADI-Nachrichten HRSG adi Anwenderverband Deutscher Informationsanbieter REDAKT W. Ruckriegel, Drosselstr. 7, D-50858 Köln VERLAG Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH, Postfach 410949, D-50869 Köln ERSCH 6 mal jährlich

OFFICE MANAGEMENT Information HRSG REDAKT VERLAG ERSCH SEIT ISSN

- Organisation - Kommunikation Heinz Scharfenberg Norbert Henkel, Postfach 14 02 62, D-76496 Baden-Baden FBO-Fachberlag für Büro- und Organisationstechnik GmbH, Postfach 140262, D-76496 Baden-Baden 10 mal jährlich 1954 0722-2572

ONLINE The Magazin of Online Information-Systems HRSG Jeffery K. Pemberton REDAKT Nancy Gannan, P.O. Box 17 507, Covington, Ky 41017 VERLAG Online Inc., 462, Danbury Road, Wilton, CT06897 (USA) ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1977 ISSN 0146-5422

ONLINE & CDROM REVIEW The International Journal of Online, Optical & Networked Information REDAKT Martha E. Williams (Amerika), University of Illinois, Urbana. IL 61801. USA; Forbes Gibb (Europa), University of Strathclyde, Glasgow, Gl 1XH, GB VERLAG Learned Information (Europe) Ltd., Woodside, Hinksey Hill, Oxford. OX1 5 AU. GB ERSCH 6 mal jährlich SEIT 1977 ISSN 1353-2643

PASSWORD Praxis für elektronische Informationsbeschaffung Offizielles Organ VTW. Verband der Informationswirtschaft e.V. REDAKT Willi Bredemeier, Erzberger Str. 11+15; D-45513 Hattingen VERLAG Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH; Kasernenstr. 67; D-40213 Düsseldorf ERSCH 12 mal jährlich

10 SEIT ISSN

Seeger: Grundbegriffe der Information und Dokumentation ca. 1985 0930-3693

Scientometrics An International Journal for all Quantitative Aspects of Science of Science, Communication in Science and Science Policy REDAKT T. Braun , Ungarn VERLAG Elsevier Science, The Boulevard, Langford Lane, Kidlington, Oxford. OX5 1 GB; und P.O. Box 103, 1000 AC Amsterdam. NL ERSCH 9 mal jährlich SEIT 1979 ISSN 0138-9130

UNESCO Journal of Information Science, Librarianship and Archives Administration HRSG VERLAG ERSCH SEIT ISSN

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) UNESCO, 7, Place de Fontenoy, 75700 Paris, Frankreich 4 mal jährlich 1950 1023-425 X

Früher unter dem Titel: UNESCO - Bulletin for Libraries (1950 -1978)

VOI News Verband Optische Informationssysteme (VOI) HRSG Verband Optische Informationssysteme. Feldbergstr. 38 , D-64293 Dannstadt REDAKT B. Merkel; U. Kampffmeyer, do. PROJEKT CONSULT GmbH, Oderfelder Str. 17, D-20149 Hamburg ERSCH 4 mal jährlich SEIT ca. 1991

World Patent Information International Journal for Industrial Property Documentation, Information and Classification. A joint periodical of the Commission of the European Community and World Intellectual Property Organization HRSG Kommission der Europäischen Gemeinschaften und World Intellectual Property Organization REDAKT Vincent S. Dodd, 29 Starling Lane, Cuffley, Herts, EN6 4 JX. GB VERLAG Pergamon Press/Elsevier, The Boulevard, Langford Lane, Kidlington, Oxford. OX5 1. GB ERSCH 4 mal jährlich SEIT 1979 ISSN 0172-2190 Abschließend sei noch auf einen jährlich erscheinenden Überblicksbericht hingewiesen, der die aktuellen Fortschritte in einzelnen Gebieten der IuD und der Informationswissenschaft referiert:

Annual Review of Information Science and Technology Hrsg. von der American Society of Information Science, Washington, D.C. Hrsg. von Martha Williams (früher von C. Cuadra).

A 1.3 Information als Tätigkeit und System

A 1.3

11

Information als Tätigkeit und System

Dokumentation (Lit. 34, Lit. 39, Lit. 79) - Dokumentation und Information (Lit. 68) - Information und Dokumentation (Lit. 21) - Fachinformation (Lit. 17, Lit. 18, Lit. 24) - Informationsvermittlung (Lit. 07, Lit. 05, Lit. 06, Lit. 53, Lit. 88, Lit. 89) - Informationsmanagement (Lit. 105, Lit. 106) oder Information-Ressources-Management - Informationswirtschaft (Lit. 10, Lit. 27, Lit. 62): Mit diesen in chronologischer Reihenfolge ihrer Entstehung aufgeführten Bezeichnungen wird seit Anfang dieses Jahrhunderts ein Bereich praktischer und professioneller Tätigkeit beschrieben, welcher sich der Vermittlung von Wissenswertem verschrieben hat. Neben dem Archiv- und Bibliothekswesen tritt zum Ende des vergangenen Jahrhunderts (Lit. 39) eine dritte „Spezialität" der Informationsarbeit auf den Plan, die es sich primär zum Ziel setzt, ihre Nutzer mit dem Nachweis von fachlichem Wissen (etwa im Gegensatz zu Alltagswissen oder Erfahrungswissen) zu versorgen. Umgangssprachlich nennt man dieses fachliche Wissen oft auch „Information". Daß diese Gleichstellung von Information und Wissen nicht trennscharf ist, wird im anschließenden Kapitel ausführlicher erläutert. Im folgenden soll der hier gemeinte Tätigkeitsbereich als Information und Dokumentation (abgekürzt IuD) und global als Informationsarbeit bezeichnet werden. Um fachliches Wissen (d.h. Fakten, Erkenntnisse, Gedanken über Prozesse der Natur und Gesellschaft) an andere Personen weiterleiten zu können, sind spezielle Methoden, Verfahren, Instrumente und Regeln sowie Techniken und Technologien notwendig, mit deren Hilfe der Prozeß des „Informierens" bewältigt werden kann. Dieses Verständnis einer praktischen Tätigkeit, die zweckdienlich das „Wissen der Welt" anderen verfügbar macht, wird deutlich in den inzwischen klassischen Definitionen der Dokumentation (Lit. 95), wie sie die internationale Dachorganisation FID (anfänglich F6d6ration International de Documentation, in den 80er Jahren dann International Federation of Information and Documentation genannt), formulierte: Documentation c'est r6unir, classer et distribuer des documents de tout genre dans tout les domaines de l'activit6 humaine (um 1930). Documentation is the collection and storage, classification and selection, dissemination and utilisation of all types of information (1960). Obwohl das Wort Dokumentation vielerlei umgangssprachliche Bedeutungen annehmen kann (wie etwa in dem Wort Fernsehdokumentation u.ä.), ist jedoch aus der Sicht der Informationsprofession von Anfang an deutlich gemacht worden, daß es sich um professionelle Tätigkeiten handelt, die sich aus der systematischen Beschäftigung des bibliographischen Nachweises von Schrifttum historisch nachvollziehen lassen (Lit. 39, Lit. 15). Ganz allgemein kann man diese Tätigkeiten in drei Bereiche gliedern: - Input: Tätigkeiten des Sichtens, der Auswahl, der Beschaffung, der eindeutigen formalen und inhaltlichen Erschließung und der Speicherung der Wissensquellen.

- Darstellung und Aufbereitung: Darstellung der Daten in geeigneten technischen Systemen, etwa Datenbanken (Lit. 56), on-line-Diensten (Lit. 58), Hypertext-Systemen (Lit. 61, Lit. 64), Inter-

12

Grundbegriffe der Information und Dokumentation

net-Diensten (Lit. 64, Lit. 87), CD-ROM-Produkten, Multi-Media (Lit. 48, Lit. 100) u.ä. Interne Aufbereitung von einzelnen Quellen im Sinne der Zusammenfassung, Verdichtung, Veredelung, Straffung sowie der Umsetzung der Wissensquellen in andere Darstellungsformen und in sehr verschiedene technische Darstellungsmedien. Diese internen Tätigkeiten können als das Hinzufügen von „informationellem Mehrwert" (Lit. 62, Lit. 104) zu dem „Rohstoff" Information verstanden werden. - Output: Nutzung, Verteilung, aktive Vermittlung und Vermarktung der durch die Bearbeitungsprozesse entstandenen neuen Informationsprodukte, Dienste und Leistungen, die auch „Informationsleistungen" oder „Informations-Dienstleistungen" genannt werden. Dieses sind die Produkte und Dienste, die den noch in den Anfängen befindlichen, aber dennoch vielschichtig strukturierten Informationsmarkt ausmachen (Lit. 12, Lit. 62). Dabei kann die Breite der Dienste, die zur Verteilung und Vermarktimg anstehen, von Konzepten der elektronischen Dokumenten-Versorgung (Lit. 80) bis hin zu komplexen Informationsvermittlungsund Beratungsleistungen (Lit. 88) gehen, die in Informationsvermittlungsstellen, Technologie-Beratungsstellen oder Technologie-H-ansfer-Zentren und Unternehmungsberatungen angelagert sein können. Die Abb. 1 stellt diesen Ablauf von typischen Bearbeitungsschritten als Kreislauf dar. Da sich professionelle Tätigkeiten auch immer in einer organisatorischen Umgebung abspielen, kann mit der Bezeichnung IuD auch ein Institutionentyp ausgedrückt werden. Dies finden wir ζ. B. in der Gattungsbezeichnung Informationsund Dokumentationsstellen, kurz IuD-Stellen (Lit. 38). Diese können selbständige Organisationen sein, wie z.B. ein Fachinformationszentrum (FIZ) oder ein Datenbankanbieter, sie können als innerbetriebliche Informationsabteilungen, auch innerbetriebliches Informationsmanagement bezeichnet, eine abgrenzbare Einheit im Gesamtbetrieb bilden, oder es können wiederum mit einer davon verschiedenen Organisationsform Informationsvermittlungsstellen (Lit. 05, Lit. 07, Lit. 88, Lit. 89) sein. Darüber hinaus existieren bereits selbständige Informationsvermittler und -berater (Information Broker, Information Consultants) sowie - als neueste Entwicklung - spezielle informatorische Funktionen im organisationsübergreifenden Zusammenhang, wie etwa das „strategische Informationsmanagement". Dieser organisationsbezogene Blickwinkel auf die IuD wird angesichts der rapiden Fortschritte in der telekommunikativen Vernetzung (Lit. 84) von Instanzen der IuD und der funktionalen Arbeitsteilung zunehmend komplizierter, weil die Informierungsfunktionen sich nicht mehr eindeutig mit einer eigenständigen Organisationsform in Deckung bringen lassen (Stichwort: virtuelle Organisation von Informierungsprozessen, wie etwa in den Daten-Super-Highways, z.B. Internet). Die aus betriebswirtschaftlichen Effizienzerwägungen heraus vorgebrachten Konzepte des sog. „Out-Sourcings" von ehemals innerbetrieblichen Informationsabteilungen zu eigenständigen privatwirtschaftlich agierenden Informationsunternehmen, sowie Konzepte der Umwandlung von Informationsstellen in sog. „Profit-Center" belegen, daß Informationsarbeit primär eine notwendige Funktion in allen denkbaren

A 1.3 Information als Tätigkeit und System

Pholoflrktrischr Anlagen ElrM'onlsch« D*lcnv«fait>rilung

13

—1

/

Abb. 1: Information und Dokumentation als Tätigkeiten (Lit. 67, S.18)

Organisationszusammenhängen bedeutet und eine Bindung an bestimmte Organisationsformen das Spektrum der Informationsarbeit unzulässigerweise einengen würde. Im Zusammenhang mit technischen und organisatorischen Entwicklungen wird oft auch von einer allmählichen Tendenz der „Entinstitutionalisierung" der Information und Dokumentation gesprochen, womit im wesentlichen umschrieben wird, daß Inforroationsvermittlungsprozesse zunehmend nicht mehr von IuD-Stellen oder Informationsvermittlungsstellen ausschließlich wahrgenommen werden, seit die Verfügbarkeit der leistungsfähigen Informations- und Kommunikationstechnologien überall gegeben ist. Neu in der Diskussion um die effektive Gestaltung von Informationsprozessen sind Schlagwörter wie „Buisiness-Re-engineering", „Workflow-Organisation" und „Lean-Management" von Informationsflüssen, die belegen, daß der Informierungsprozeß in sehr unterschiedlichen Formen und hinsichtlich verschiedener betriebswirtschaftlicher Modelle organisiert werden bzw. stattfinden kann. Dennoch kann man - blickt man auf die IuD heute - mit Fug und Recht vom IuD-Wesen sprechen als der Summe aller Institutionen, Organisationen und deren Untergliederungen und virtueller Organisationsformen, in denen die Funktion des Informierens wahrgenommen wird. Als dritte Betrachtungsmöglichkeit kann die IuD in einer abstrakteren, systemtheoretischen Auffassung betrachtet werden. Ein IuD-System in diesem Sinne besteht aus materiellen und konzeptionellen Elementen, die so aufeinander abgestimmt sind, daß eine optimale Informierung der Benutzer gewährleistet ist.

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Grundbegriffe der Information und Dokumentation

Unabhängig von der jeweiligen organisationellen Einbindung ist ein IuD-System beschreibbar durch den Zusammenhang von technisch-apparativen (d.h.materiellen) Ressourcen, dem Personal und den konzeptionellen Elementen (d.h. Methoden, Instrumenten, Regeln, Prozessen). Das Zusammenwirken dieser Einzelelemente bildet Voraussetzung und gewährleistet optimale Informierung. Diese dritte Betrachtungsart, die nicht mehr von einer direkten Entsprechung der Organisationsform im Sinne der festgefügten Institution und der Informierungsfunktion ausgeht, ist in der Lage, Informationsflüsse, wie sie beispielsweise durch den Zugriff einer innerbetrieblichen Informationsvermittlungsstelle auf externe on-line Datenbanken eines anderen Landes in Gang gesetzt werden, zu beschreiben. Da das Geflecht der Informationsflüsse durch die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung von Daten zunehmend undurchsichtiger wird, hat diese „systemische" Betrachtungsweise Vorteile, weil sie flexibler ist und den neueren Entwicklungen Rechnung trägt, die sich in den letzten Jahren besonders stark in den Bereichen der Nutzung der Telekommunikationsdienste (traditionelle Online-Dienste, Internet, T-online usw.) verlagert hat. Somit ist die Information und Dokumentation beschreibbar - als Funktion im Sinne zweckgerichteter Tätigkeiten (IuD-Tätigkeiten) - als eine Menge von Organisationen und/oder Institutionen (IuD-Wesen) - als das Zusammenwirken von Technik, Methoden, Regeln und Menschen (im Sinne des „virtuellen" IuD-Systems).

Λ 1.4

Daten - Dokument - Dokumentationseinheit

Von zentraler Bedeutung für das Verständnis für die IuD-Tätigkeit sind Allgemeinbegriffe wie Daten, Dokument, dokumentarische Bezugseinheit, Dokumentationseinheit. Sie für Zwecke der IuD und ihrer typischen Arbeitsroutinen zu bestimmen, ist wegen der Mehrdeutigkeit nötig. Anders als beispielsweise in der Datentechnik ist die Bedeutung des Wortes „Daten" in der IuD nicht formal gefaßt, etwa im Sinne einer beliebigen Folge von Zeichen oder Signalen, sondern inhaltlich nach dem möglichen Aussagewert (Informationsgehalt) der Zeichen (Lit. 93, S.48): „Daten sind die kleinsten realisierbaren Repräsentationen von Sachverhalten, die in einem gegebenen kommunikativen Zusammenhang für sich interpretiert werden können." Um diesen Sinn deutlich zu machen, wird vorgeschlagen, als Singular „Dateneinheit" und nicht „Datum" zu verwenden. Daten sind also eine Menge von zusammengehörigen Zeichen, die in einem gegebenen Kontext Sinn machen (ζ. B. eine bestimmte Zahl mit der Angabe, was diese Zahl aussagt: XY-Stadt: 1,4 Millionen Einwohner). Daten müssen ferner, um für Zwecke der IuD nutzbar zu sein, auf einem Datenträger dauerhaft fixiert sein. Der sinnstiftende Inhalt muß haltbar auf Papier etwa, elektronischen und/oder magnetischen Aufzeichnungsstoffen oder ähnlichen Trägern verfügbar sein, die ihrerseits

A 1.4 Daten - Dokument - Dokumentationseinheit

15

dann als Dokumente in den weiteren Verarbeitungs- und Veredelungsprozeß eingehen. Dokumente sind zunächst „die Einheit eines Trägers dokumentarischer Daten" (Lit. 77) und bilden den „ Rohstoff", aus dem dann dokumentarische Daten gewonnen werden, die in Form von Informationsdienstleistungen an den Benutzer weitergegeben werden. Innerhalb der Dokumentarten und -typen kann unterschieden werden nach: - Aufzeichnungsstoffen (etwa audio-visuelle, elektronische usw.) - nach Zweckbestimmungen (etwa Verzeichnis, Lehrbuch usw.) - nach Inhaltscharakterisierung (etwa Wörterbuch, Atlas). Dokumente können aber auch nach dem Stellenwert innerhalb des IuD-Prozesses eingeteilt werden: - Primärdokument ist ein Dokument, das nicht Ergebnis eines IuD-spezifischen Bearbeitungsprozesses ist. Oft wird es gleichbedeutend mit „Originalquelle" oder „Quelle" bezeichnet. - Sekundärdokument stellt das Ergebnis eines IuD-spezifischen Bearbeitungsprozesses dar, dessen Bezugspunkt das Primärdokument, ein Teil dessen oder mehrere Dokumente bilden (Beispiel: Literaturdatenbank). - Tertiärdokument ist wiederum eine Stufe weiter das Resultat eines IuD-spezifischen Bearbeitungsprozesses, dessen Bezugspunkt Sekundärdokumente bilden. (Beispiel: Datenbankführer über Wirtschaftsinfonnation). (Lit. 101) Eine dokumentarische Bezugseinheit (DBE) ist nicht notwendigerweise identisch mit einem Dokument, sondern stellt das Objekt (d.h. den Sachverhaltsausschnitt) dar, dessen Merkmale im IuD-spezifischen Bearbeitungsprozeß als Einheit behandelt werden. So kann eine DBE beispielsweise als ein Abschnitt in einem Zeitschriftenaufsatz bestimmt werden, als ein Produkt aus einem Warenkatalog, oder im umgekehrten Falle eine Sammlung von Schriftstücken, die als Konvolut als inhaltlich zusammengehörend aufgefaßt werden. Dies zu entscheiden und entsprechende Regeln für die Festlegung dessen zu definieren, was als DBE anzusehen ist, ist Aufgabe der Informationsspezialisten und wird in der Regel aus den besonderen Informationsbedürfnissen des Benutzerkreises abgeleitet. Aus der DBE wird die Dokumentationseinheit (DE) erzeugt. Sie ist Stellvertreter der DBE und bildet die Grundlage für Informationsdienstleistungen. Die DE stellt deshalb die „die Datenmenge (dar), die stellvertretend für die dokumentarische Bezugseinheit in den IuD-Prozeß eingeht" (Lit. 77, S.51). Mit der Erstellung von Dokumentationseinheiten beginnt im Sinne des in Abb. 1 dargestellten Kreislaufes der IuD-Prozeß.

16

A2

Zur Entwicklung der Information und Dokumentation in Deutschland Hans-Jürgen Manecke und Thomas Seeger

A 2.1

Information als grundlegende Kategorie

„Information ist Information, nicht Stoff, nicht Energie. Ein Materialismus, der dieses nicht berücksichtigt, kann heute nicht lebensfähig sein" (Lit. 110 S. 192). Mit Sätzen und Aussagen dieser Allgemeinheit wird von Seiten der Philosophie, Biologie, Publizistik, Nachrichtentechnik, Informatik und nicht zuletzt der Informationswissenschaft versucht, die zunehmende gesellschaftsbestimmende Kraft von Information selbst und der Informationsflüsse zu erklären. Dies ist in einer Vielzahl von theoretischen Abhandlungen geschehen und hat in den vergangenen 25 Jahren eine Vielfalt von Ansätzen, Diskussionen und Theorien hervorgebracht (z.B. Lit. 107, Lit. 109). Wenn man unterstellt, daß jeder Journalist, Nachrichtentechniker, Informatiker, Biologe mit jeweils begründetem Anspruch einen Aspekt des Begriffes Information für sein Erkenntnisinteresse oder seine Berufsorientierung herausgegriffen hat, dann ist es in diesem praktischen Zusammenhang wichtig zu verstehen, was die Bedeutungen jeweils sind und wovon sie sich von anderen unterscheiden. Dies soll besonders hinsichtlich des Verständnisses des Wortes „Information" für das Tätigkeitsfeld IuD geschehen. Gehen wir davon aus, daß Information immer die Übermittlung (von etwas zunächst nicht näher Bestimmbaren) von einer aussendenden zu einer empfangenen Instanz ist, dann kann man dies in ein einfaches Kommunikationsmodell übertragen, wobei zu beachten ist, daß es eines Kanals bedarf, um „Informationen" vom Sender zum Empfänger (und umgekehrt) zu vermitteln. Information EMPFÄNGER

SENDER Kanal

Abb. 1: Informationsaustausch zwischen Sender und Empfänger über einen Kanal

Dies sehr einfache Grundmodell kann von verschiedenen Arbeitszusammenhängen verwendet werden, wie etwa - Nachrichtentechnik - Informatik - Publizistik - Information und Dokumentation. Dies liegt vor allem daran, daß nicht ausgeführt wird, was an „Information" eigentlich zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht wird und wie die sendenden und empfangenden Instanzen beschaffen sind. Sind es etwa Menschen, technische Ge-

A 2.1 Information als grundlegende Kategorie

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rätekonfigurationen, Institutionen oder mündliche Mitteilungen? Oder liegt es vielleicht daran, daß die Bedeutung des Wortes „Kanal" verschieden ist? Nachrichtentechniker/innen oder Informatiker/innen einer bestimmten Spezialisierung beispielsweise würden nach diesem Modell in der praktischen Anwendung der Frage nachgehen, wie „Informationen" im Sinne von meßbaren Signalen in einem technisch definierten System (etwa Telefon) oder über die physikalischen Leitungen („Kanal") optimal von Sender und Empfänger hin- und hertransportiert werden, ohne daß es zu Störungen kommt (dem „Rauschen im Kanal"). In diesem technischen Zusammenhang werden Informationen als physikalische Signale, genauer die Darstellung physikalischer Signale von Daten aufgefaßt. Dies schließt eine semantische, d.h. inhaltsbezogene Interpretation der übermittelten Daten weitgehend aus. Sender und Empfänger werden gleichermaßen technischnaturwissenschaftlich als Signalquelle und Signalempfänger verstanden; ebenso ist der „Kanal" in diesem Sinne zu verstehen. Journalisten/innen würden in diesem Modell ebenfalls wesentliche Merkmale der journalistischen Arbeit wiedererkennen können, da Sender als Informanden oder textliche Informationsstellen verstanden werden können, von denen „Informationen" zu erhalten sind (etwa Personen des öffentlichen Lebens, Nachrichtendienste, Zeugen, Betroffene). Diese auch so genannten „Informationen" zu sammeln, journalistisch aufzubereiten und sie über die Massenmedien (Kanäle der Massenmedienkommunikation) wie etwa Radio, Fernsehen, Presse usw. an ein allgemeines (disperses) Publikum zu verbreiten, ist Aufgabe der Publizistik. Dies jedoch mit dem Ziel, Unterhaltung, Aufklärung und (politische) Meinungsbildung für die breite Bevölkerung zu bewirken. Zur Beschreibung dieses Prozesses wird oft die inzwischen betagte publizistische Formel, die sog. Laswell-Formel: „Wer sagt was zu wem über welchen Kanal in welcher Absicht" herangezogen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß „Information" inhaltlich aufgefaßt werden muß und damit sich deutlich von der oben genannten Auffassung unterscheidet. Sender und Empfänger werden als gesellschaftlich vorfindbare Einrichtungen und Personen und Quellen verstanden, während der Übermittlungskanal sich auf die „Medien", d.h. die Kanäle der Massenkommunikation bezieht. Informationsspezialisten/innen hatten weder die Optimierung technischer Kommunikationssysteme im Sinn, noch das Anliegen, etwa die Meinungsbildung der breiten Bevölkerung zu ermöglichen oder als aufklärende Instanz zu wirken. Sie sehen ihre Aufgabe und ihr berufliches Ethos (Lit. 26) darin, Informationen (im Sinne von Wissen; etwa im Gegensatz zu Meinung), welches in einer Vielzahl von unterschiedlichen Dokumenten enthalten ist, so aufzubereiten und zu vermitteln, daß es zielgerichtet an fachlich Tätige weiterverwendungsfähig ist. Der dabei verwendete Informationsbegriff ist semantisch (vom Inhalt der Quelle her) bestimmt. Andererseits ist nicht das allgemeine (disperse) Publikum angesprochen, sondern der fachlich Tätige, dem durch die Vermittlung von Informationen (im Sinne Wissen), die außerhalb seines eigenen Kopfes verfügbar sind, geholfen werden kann, ein Problem in seiner Arbeit, seines Alltags oder seines Interesses zu bewältigen. Aus dieser grob umrissenen Aufgabenstellung des/der Informationsspezialisten/in kann die Notwendigkeit abgeleitet werden, daß sowohl über die Beschaffenheit des Senders als auch des Empfängers nähere Aussagen notwendig sind, sowie über

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

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den „Kanal". In Abgrenzung zum Bereich der Publizistik wird hier von faktischem, intersubjektiv nachvollziehbarem Wissen als einem Spezialfall von „Information" ausgegangen, welches in Form eines Dokumentes verfügbar ist. D a s verfügbare D o k u m e n t (z.B. in Form einer Patentschrift, eines Videofilms, einer amtlichen Statistik, eines wissenschaftlichen Meßwertes oder in den vielfältigen Formen der elektronischen oder gedruckten Literatur) ist Ausgangspunkt der Informationsarbeit. Zielrichtung dieser Informationsarbeit ist die „Veränderung des Wissens beim Problemloser" (Lit. 65) und orientiert sich deshalb an Lebensbereichen, die (in unscharfer Absetzung zu Publizistik und Massenkommunikation) mit der Bewältigung von faktischen Problemlösungsaufgaben der Arbeitswelt und der Welt fachlicher Interessen zu tun haben, weniger jedoch mit Meinungsbildung und Teilhabe am öffentlichen Leben. In Bezug auf die Kanäle, über die Wissen und Wissenswertes vermittelt wird, sind Besonderheiten feststellbar, die in den Kriterien formelle Informationskanäle (z.B. on-line-Datenbank-Abfrage oder etwa der Nutzung eines Dienstes einer Informationsvermittlungsstelle) und informelle Informationskanäle (z.B. Gespräch mit Experten, Fachtagungen und alle Arten von Beratungsleistungen) beschreibbar sind.

A 2.2

„Information" im Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation

Betrachten wir die verschiedenen Erklärungsansätze zum informationswissenschaftlichen Verständnis von „Information", dann fällt es schwer, eine gültige und widerspruchsfreie Systematik dieses vielfacettierten Begriffes vorzunehmen. In einer ersten Näherung lassen sich (abgeleitet aus dem kommunikativen Modell, A b b . 1) folgende Interpretationszusammenhänge isolieren, in denen „Information" als öffentliches oder privates Gut (Lit. 04), Ware (Lit. 10), immaterielle Erscheinung oder Kulturbasis (Lit. 26) oder gesellschaftsbestimmender und -gestaltender Rohstoff gesehen wird (Lit. 110): - Sendeibezogenes Verständnis: Orientiert sich auf das Informationsprodukt, seine Stimmigkeit, seinen Wahrheitsgehalt und seine Produktqualität (Lit. 52), sowie den Prozeß des Produzierens von Information in Hinsicht auf die informationelle Geschlossenheit und ihrer kontextbezogenen Darstellung und Verständlichkeit. Hinter diesen Kriterien liegt die Frage nach einer geeigneten bzw. ungeeigneten Rekonstruktion von Realität, die durch Informationen dargestellt wird.

- Kanalbezogenes Verständnis: Orientiert sich auf den Informationsvermittlungs- und Wissenstransferprozeß und bezieht im wesentlichen die organisatorischen und technischen Systeme (Infomations- und Kommunikationstechnologien) ein, über die Wissen transportiert und transformiert wird. In diesem Zusammenhang wird oft auch die Erzeugung des sog. informationellen Mehrwertes (Lit. 104) und der sog. Mehrwertdienste angesprochen.

- Empfängerbezogenes Verständnis: Orientierung auf die Befriedigung von Informationsbedürfnissen in Wissenschaft (Lit. 35), Wirtschaft (Lit. 83), Verwaltung und Gesellschaft. In diesem Betrachtungsaspekt spielt der Informationsmarkt (Lit. 62) und die Bestimmung der Information als öffentliches Gut oder kommerzielle Ware bzw. Dienstleistung eine dominierende Rolle.

A 2.2 „Information" im Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation

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Eine zweite zentrale Schwierigkeit für ein umfassendes Verständnis von Information liegt (speziell in Deutschland) in den informationspolitischen Weichenstellungen der vergangenen drei Dekaden, die in den Förderprogrammen der Information und Dokumentation bzw. Fachinformation ihren Ausdruck gefunden haben (Lit. 17, Lit. 18, Lit. 19, Lit. 21, Lit. 22, Lit. 23, Lit. 24) und in der rein ökonomischen Analyse des Stoffes Information bzw. ihrer Dienstleistungen (Lit. 04, Lit. 93). Unter Informations-Dienstleistung soll hier verstanden werden: das Erbringen von immateriellen Leistungen, wie etwa Sammeln, Transportieren, Speichern, Beraten usw., in denen sich ein Wertschöpfungsprozeß vollzieht. Geht man von den „stofflichen" Eigenschaften der Information aus, so kann festgehalten werden, daß diese sehr viele Merkmale eines öffentlichen Gutes (Lit. 04) aufweist. Lediglich in der Verteilung (Informationsdistribution) kann ein privates Betätigungsfeld gesehen werden. Information ist darüber hinaus örtlich nicht zu fixieren, unterliege keiner Kontrolle hinsichtlich ihres Genauigkeits- und Wahrheitsgehaltes (Lit. 52), sei ein brüchiges, weil störanfälliges Gut und sei schwer sicherbar. Sie ist demnach (Lit. 04): - grenzenlos - uferlos - nicht endenwollend - unerschöpflich - nicht knapp und verfüge über keine Eigenschaften für eine Wertschöpfung am Markt.

Darüber hinaus ist Information auch unter rein ökonomischen Kriterien schwer einzuordnen, wie die folgenden Kriterien nahelegen (Lit. 93): - Zeitpunkt: Der Wert der Information bestimmt sich (in der Regel) in der Nutzung, nicht beim Kauf. - Wert: Information hat an sich keinen Wert, nur sie wenn am richtigen Ort und zur richtigen Zeit verfügbar ist, unabhängig von den Kosten ihrer Erstellung. - Konsum: Information wird nicht verbraucht, eine Wertsteigerung erfährt sie durch häufige Nutzung. - Vereiterung: Es erfolgt keine Abschreibung oder Wertminderung durch Verkauf und somit kein Verlust durch den Kaufakt. - Maßeinheit: Inhalt, Gehalt von Information (Stückelung) sowie Abgrenzungen von Informationseinheiten sind schwer zu vollziehen, eine eindeutige Wertzuordnung zu definierbaren Einheiten ist unmöglich. - Kosten/Nutzen: Sie sind nicht eindeutig dem Produzenten bzw. Konsumenten zuzuordnen.

Die hier zusammengetragenen Argumente zur politischen Verfügungsgewalt, ökonomischen Bestimmung und Verwertung von Information mögen ausschlaggebender Grund dafür sein, daß sich das Verhältnis von privaten und öffentlich geförderten Informationssektoren in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der 80er Jahre (Lit. 22, Lit. 23) allmählich ändert, Abgrenzungen vorgenommen werden (Lit. 55) und weitreichende Perspektiven für die Potentiale eines sich entwickelnden Informationsmarktes eröffnet werden (Lit. 12, Lit. 59). Einem empfängerbezogenen Ansatz, der auf die Entwicklung der Marktpotentiale ausgerichtet ist, verfolgt Kuhlen, der mit „Information ist Wissen in Aktion" das in-

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

formationswissenschaftliche Selbstverständnis auf eine griffige Formel gebracht hat: „Der Markt der Information vermittelt aus Anwendersicht Information über Wissen, (...) d.h. informationelles Meta-Wissen, das zum Wissen führen kann. Gesucht und akzeptiert auf dem Markt wird das an Wissen, was in aktuellen Problemsituationen benötigt wird. Das ist aus Nutzersicht nichts anderes als Information, also handlungsrelevantes Wissen oder in Aktion gebrachtes Wissen." (Lit. 52, S. 8)

Einem grundsätzlich gleichen Ansatz verpflichtet ist die Idee, Information hinsichtlich ihrer Wirkung beim Informationsaufnehmer zu begreifen: „Information ist die Verringerung von Ungewißheit aufgrund von fachlichen Kommunikationsprozessen." (Lit. 77, Lit. 109)

Über dieses Grundverständnis von „Information" hinaus ist noch darauf hinzuweisen, daß die auf das Individuum gerichtete, durch Wissenszuführung verringerte Ungewißheit eingebettet ist in einen übergeordneten Problemlösungsprozeß, der zumeist aus sog. „problematischen Situationen" (Lit. 65, Lit. 66) erwächst und eine Entscheidung verlangt (Lit. 33, Lit. 98). Informierung im faktischen Sinne steht also im systematischen Zusammenhang von - Mechanismen der Generierung und Verteilung von Wissen (Informationsmarkt) - fachlich motivierten Kommunikationsprozessen in Wissenschaft, Technik, Verwaltung (Lit. 95) - Wirkungen bei den Individuen (Lit. 109) - Problembehandlungs- und -bewältigungsprazessen (Lit. 01) - Entscheidungsfindung unter verschiedenen Handlungs- und Lösungsalternativen - Wiederholbarkeit von und Gewöhnung (Habitualisierung ) an Informierungsprozesse(n).

Information kann also charakterisiert werden als die schrittweise und wiederholte Beseitigung von Ungewißheit in Problembehandlungs- und -bewältigungsprozessen, in denen die Zuführung externen Wissens (d.h. beim Problemloser nicht verfügbaren Wissens) notwendig ist. Dies beruht auf Kommunikationsprozessen, die technisch unterstützt sein können, in der Absicht, den internen Zustand des Wissens beim Akteur so zu verändern, daß eine begründbare Entscheidung ermöglicht wird. Diese - vielleicht recht abstrakt anmutende Charakterisierung des IuD-spezifischen Informationsbegriffes - ist jedoch durch Alltagserfahrung belegbar. Jede(r) hat sicher schon einmal die Erfahrung gemacht, daß er/sie eine Aufgabe oder ein Problem auf Anhieb nicht zur Zufriedenheit mit den individuell verfügbaren Mitteln lösen konnte. Der natürlichste, wenngleich unbefriedigendste Weg wäre das Problem/die Aufgabe zu verdrängen. Dies geschieht in der Regel dadurch, daß die Komplexität der Problemlage soweit reduziert und umdefiniert wird, daß eine mit eigenen Mitteln lösbare Problemstrategie als Lösung herangezogen wird. Ob es bei dieser Vorgehensweise zu einer ungeeigneten Abbildung von Realität mit entsprechenden Spätfolgen kommt, ist in der speziellen Entscheidungssituation für den einzelnen nicht erkennbar. Sanktionen für die Unterlassung, sich nicht informiert zu haben, sind eben nicht üblich. Sollte das Problem jedoch als solches erkannt und in seinen Problemdimensionen akzeptiert und in den Zielkriterien klar sein, dann stellt sich beim Individuum zumeist Unsicherheit oder Ungewißheit ein, etwa in der

A 2.3 Sender und Empfänger von Information

21

Art: Wie soll ich eine Lösung finden, für welche der vermuteten Lösungsmöglichkeit soll ich mich entscheiden? Wie viele Möglichkeiten zum Anpacken des Problems gibt es eigentlich? Wie strukturiere ich das Problem ? Wie soll das aussehen, was danach als Ergebnis vorliegt? Welche Folgen und Effekte sind nach der neuen Lösung zu erwarten? Gibt es Hilfsmittel, die eine gute Lösung ermöglichen? Dieser Ausdruck der Ungewißheit kann nun bezogen werden auf bestimmte Aspekte des Problemlösens bzw. der Entscheidungsfindung, wie ein Problem analysiert und strukturiert werden kann und Lösungen entwickelt werden (Lit. Ol, Lit. 33, Lit. 98).

A 2.3

Sender und Empfänger von Information

Für Zwecke der IuD wird der sehr allgemeine Begriff Sender präzisiert durch den Begriff „Urheber". Mit dieser Präzisierung wird erreicht, daß lediglich Aussagen/ Mitteilungen/Wissen von persönlichen oder institutionellen Urhebern betrachtet werden sollen. Als weitere Einschränkung kommt hinzu, daß nur solches Wissen Eingang in die Informationsarbeit findet, welches in Form eines Dokuments vorliegt. Unter Dokument soll hier verstanden werden: Eine inhaltlich begrenzbare Einheit von Wissen, welches auf einem materiellen Träger dauerhaft fixiert ist. Materielle Träger können sein: Papier, magnetische, fotografische oder sonstige Aufzeichnungsstoffe. Der Empfinger des informationellen Wissens wird Benutzer genannt und erfährt so weitere Präzisierung. Er ist Empfänger oder Nachfrager von Informationen in Form von bestimmten Dienstleistungen. Neben dem Ausdruck „Benutzer" finden wir oft auch die Bezeichnung Nutzer oder vereinzelt auch das Wort Rezipient. Sie bezeichnen jedoch dieselbe Rolle. Damit der Urheber und der Benutzer einander in Beziehung treten können, bedarf es eines Kanals. Zunächst soll Kanal verstanden werden als eine Strecke zur Überwindung einer räumlichen und/oder zeitlichen Distanz zwischen mindestens zwei Partnern, wobei das Übermittelte Information im Sinne von Wissen ist. Der Kanal stellt also unter kommunikativen Gesichtspunkten die notwendige Verbindung zwischen einem Urheber von Wissen und dem Nutzer her. Dies kann sehr vielfältig geschehen: - Etwa in Form eines mündlichen Gespräches (Kanal wären hierbei die Schallwellen der Luft, über die die kommunikative Verbindung hergestellt wird). - Etwa in Form eines Telefonats (Kanal ist die Telefonleitung). - Etwa in Form einer Abfrage aus einem elektronischen Speicher (Kanal ist die physikalische Leitung zu einem Computer; der Partner ist demzufolge nicht mehr ein Mensch, sondern eine Maschine). - Etwa in Form einer Dokumentbenutzung (Ausleihe oder Kauf), wobei der Kanal im Produkt des Dokuments manifestiert ist, z.B. durch den Druck und die Distribution der Exemplare.

An diesen Beispielen wird deutlich, auf welchen Wegen ein Nutzer an Information gelangen kann. Aus diesem Grund wird in der Informationsarbeit oft auch von ver-

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

schiedenen Informierungskanälen gesprochen, die entweder ergänzend oder konkurrierend zueinander stehen. So werden nach dem Grad der Verbindlichkeit und nach dem vorherrschenden Organisationsprinzip unterschieden: - formelle Informationskanäle - informelle Informationskanäle. Formelle Informationskanäle bezeichnen Informationsprozesse, die über eine Instanz, deren Aufgabe Informationsvermittlung ist, geführt wird (Beispiele hierzu: Verlag und Buchhandel, Bibliothek, IuD-Einrichtung, professionelle Informationsvermittlung, Anfragen an ein elektronisches Informationssystem usw.). Informelle Informationskanäle bedeuten Informierungsprozesse, die auf direktem Vermittlungsweg - ggf. unter Verwendung von technischen Kommunikationsmitteln - die Verbindung von Autor und Benutzer herstellen (Beispiele: Persönliches Gespräch, Austausch auf Konferenzen, Beratungen, E-Mails und die Vielzahl der informellen Kontakte in Fach- und Interessengemeinschaften). „Invisible Colleges" (unsichtbare Kollegen) ebenso wie „linkage agents" (informationsorientierte Verbindungsleute) und „gate-keeper" (informationelle Schleusenwärter) gewährleisten durch ihre Vermittlungsfunktion effektive Informationsversorgung zu den anderen „unsichtbaren" Mitgliedern dieser Fachgemeinschaften, andererseits erzeugen sie erst durch ihr „ehrenamtliches Hin" und ihr „interesseloses Wohlgefallen" (Lit. 62) den informellen Zusammenhalt der Fachgemeinschaft (Lit. 28; Lit. 29). Sie agieren in der Regel sehr effektiv und zielgerichtet und ermöglichen Wissenstransfer über Mitgliedschafts- und Bezugsgruppen (Lit. 49). Einige Beispiele für die Leistungsfähigkeit und mögliche kommunikative Wirkung sollen die Bedeutung der Kanäle verdeutlichen (Lit. 95): Kommunikationsform/Kanal

Reichweite/Anzahl Nutzer

Gespräch, Beratung Teamgespräch, Gruppensitzung Konferenz, Fachtagung Massenmedien (Radio, TV) Bücher Schallplatten, Tonband, CD Fachzeitschrift Hochschulschrift Firmenschrift Bibliographien Referateorgane Informationsrecherche Standardprofildienst (SDI)

1 10 - 20 100 - 500 10.000-10 Mio. 500 - 20.000 1.000 - 50.000 500 - 5.000 150 50 - 5.000 3 0 0 - 1.000 100 - 3.000 1 5-50

Bei der Durchsicht der Kommunikationsformen wird deutlich, daß Massenmedien eine große Reichweite haben, während die Beratungsformen (aller Erfahrung nach besonders wirksam und zielgerichtet) sehr personal- und zeitaufwendig sind. Einschränkend sei noch einmal angemerkt, daß massenmediale Vermittlungsformen

A 2.3 Sender und Empfänger von Information

23

wie Radio und Fernsehen nicht primär auf Informationsvermittlung im eingangs beschriebenen Sinne zugeschnitten sind. Aus einer sehr großen Zahl von Benutzerstudien des In- und Auslands ist klar ersichtlich, daß die Nutzung von informellen Kanälen/Quellen deutlich gegenüber den formellen im Vorteil ist (Lit. 95, Lit. 83). Dies liegt nach Erkenntnissen der empirischen Benutzerforschung daran, daß - Formelle Kanäle zumeist mit Zeitaufwand und Verlassen des Arbeitsplatzes verbunden sind. - Formelle Kanäle Benutzerbameren aufweisen (Benutzerordnung, Benutzungszeiten, Kosten, usw.). (Lit. 35) - Die Verfügbarkeit von Information oft unangemessen lange Zeit dauert und die Orientierung in den Quellen als umständlich empfunden wird. - Informelle Kanäle dagegen dem Bedürfnis nach zielgerichteter Auskunft über bestimmte Probleme besser, schneller und persönlich angenehmer nachkommen können.

Die recht eindeutige Bevorteilung flexibler und schnellerer informeller Informationsquellen und -kanäle führt oft dazu, daß gerade innerbetriebliche Informationsstellen einen schweren Stand haben, ihre Bedeutung für das Unternehmen unter Beweis zu stellen und ihre Existenz zu legitimieren. Häufig wird in entsprechenden empirischen Untersuchungen auch auf das wenig ausgeprägte „Informationsbewußtsein" hingewiesen, welches dann angeblich vorliegt, wenn keine formellen Kanäle benutzt und nicht oder nur in geringem Umfang formelle Informationsdienstleistungen abgefragt werden. Dies ist so oder so nicht belegbar, denn die Nichtwahrnehmung der formellen Informationsdienstleistungen kann nichts darüber aussagen, ob eine Person durch seine persönlichen Kontakte (d.h. informell) nicht hinreichend und umfassend informiert wird. Informelle Informierungskanäle habe andererseits eine Reihe von Merkmalen, die sie - im Vergleich zu den formellen - nachteilig erscheinen lassen: - der instabile Zustand des Kanals, der nicht gewährleistet, daß der Wissenstransfer kontinuierlich, bedürfnisbezogen, problem- und zeitpunktbezogen stattfindet - keine Gewährleistung von Qualität, Vollständigkeit, Wahrheitsgehalt der Information (Lit. 52), weil kein „Informationscontrolling" (Lit. 54) stattfinden kann - eingeschränkte Öffentlichkeit, weil kein gleicher Zugang für alle potentiellen Informationsnutzer zu organisieren ist - keine Gewährleistung der Verfügbarkeit von retrospektiver Information (Überwindung der Informationsbarrieren Zeit und Raum).

In jüngster Zeit sind die - den formellen Informierungskanälen anhaftenden Benutzungs- und Zugangsnachteile - dabei, minimiert zu werden durch „Informationsund Kommunikationstechnologien" (IuK-Technologien), speziell durch die Dienste in Internet (Lit. 87), die sich ja gerade die flexiblen, kreativen und unorganisierten Gestaltungsprinzipien informeller Informierung zu eigen machen und dabei beeindruckende Nutzungszuwächse aufweisen.

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A 2.4

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Fachliche Kommunikation und formelle Informierungsprozesse

Die Existenz formeller Informierungsprozesse, wie sie uns heute in Form der Bibliotheks- oder Archivbenutzung, der Inanspruchnahme der Dienstleistungen von Informations- und Dokumentationsstellen, der on-line-Abfrage von Datenbanken und anderen Informationsdienstleistungen begegnen, läßt sich aus der zunehmenden Komplexität fachlicher Kommunikationsprozesse erklären. Ganz vordergründig betrachtet sind fachliche Kommunikationsprozesse aus dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Austausch und Vermittlung von Wissen über Natur und Gesellschaft zur Bewältigung und vor allem der Verbesserung der jeweils geltenden Lebenssituationen entstanden. Sich anzueignen, wie man etwas verbessern kann und intelligentere Lösungen für anstehende Probleme zu finden, oder neue, innovative Techniken und Verfahren zur Effektivierung der Produktion zu ersinnen, fungierte schon immer als Motor für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und Innovation. Zunächst soll eine weitere Besonderheit des Stoffes Wissen kurz erläutert werden, um deutlich machen zu können, daß dem „Wissen" selbst und in seiner vermittelten Form also auch „Information" zwei verschiedene Eigenarten anhaften. „Wissen" im Sinne der fachlichen Erkenntnis (Lit. 66) hat kumulativen Charakter; d.h. daß neues Wissen, neuere Erkenntnisse in der Regel nur gewonnen werden können, wenn es auf dem bis dahin Gedachten und Gewußten aufbaut. Mit der Entstehung neuen Wissens einher geht gleichermaßen auch sein Austausch und seine Vermittlung im internationalen Maßstab. Dies verlangt, daß es in entwickelten Gesellschaften eine Instanz geben muß, die die Funktion des „Historischen Gedächtnisses" des Wissens wahrnimmt, über Länder- und Blockgrenzen hinweg. Über viele hunderte von Jahren hindurch haben das Bibliotheks- und Archivwesen die Funktionen übernommen, den immer größer werdenden Berg des zu kumulierenden Wissens zu ordnen, zu verwalten und im Falle der Nachfrage dieses Wissen an andere weiterzuleiten. Da es sich ohne Schaden wohl keine Gesellschaft auf Dauer leisten kann, den materiellen und ideellen Wert, der in diesen Bemühungen steckt, Natur und Gesellschaft zu ergründen und zu erforschen, zu vernachlässigen, haftet dieser kumulierenden und bewahrenden Funktion im Wissensumgang das Merkmal des Kulturschaffens an. Wie bereits früher ausgeführt, ist Wissen - aus der Warte des Individuums - andererseits auch kein jeweils vollständig zu verzehrendes Gut, wie dies bestimmte Waren sein können, die nach Gebrauch oder Verzehr eben aufgebraucht sind. Identisches Wissen wird immer wieder - auch wenn es von neueren Erkenntnissen laufend und in immer schnelleren Innovationszyklen aktualisiert wird - von Menschen nachgefragt werden, weil diese eben sich je nach ihrer individuellen Sozialisation, ihren Berufsanforderungen oder ihren Interessen Wissen laufend aneignen (Lit. 104). Dies aber angesichts der immer größer werdenden Menge an Wissen in Bezug auf die Vielzahl der Wissen nachfragenden Individuen zu organisieren und zu gestalten, stellt an die kommunikative Vermittlung dieses Wissens immer höhere Ansprüche. Wissen als solches wird also in immer wieder veränderten Zusammenhängen und Erscheinungsformen mehrfach und wiederholt benutzt und verwendet und dadurch in neue Erkenntnisse umgeformt und weiterentwickelt.

A 2.5 Die Quantifizierung des Wissens und seiner Nutzer

25

Die Notwendigkeit, sich ständig neues Wissen anzueignen, ist zum einen plausibel begründbar in der Bevölkerungsdynamik; es wachsen immer neuere Generationen nach, die sich vorliegende Erkenntnisse aneignen müssen (Stichwort: Bildung, Qualifikation). Zum anderen ist sie pauschal begründbar durch das Schlagwort der ständig komplexer werdenden Lebenszusammenhänge, die allem Anschein nach das hervorstehende Merkmal der postindustriellen Gesellschaften sind. Zum dritten wird - besonders in Wirtschaft und Industrie - die Verfügbarkeit von Information als strategisches Mittel zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen erkannt (Lit. 91, Lit. 04). Hoch arbeitsteilig organisierte Gesellschaften erzeugen durch ihr zunehmendes Spezialistentum eine Komplizierung der Lebensumstände und damit die Gefahr der zunehmenden Intransparenz von Verwaltungs- und Entscheidungsprozessen. Dies wirkt nicht nur in die hochspezialisierte Arbeitswelt hinein, sondern erfaßt auch immer mehr das „Alltagsleben" und erfaßt somit auch zunehmend breiteste Bevölkerungsschichten. Daß dieser Funktionsbereich der Informationsvermittlung auch ganz bewußt als ein Mittel zur Effektivierung von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung eingesetzt und staatlich gefördert wurde, läßt sich für die Bundesrepublik Deutschland bis in die frühen 60er Jahre zurückverfolgen (Lit. 25). Beide Seiten des Charakters von Wissen, zum einen als historisch kumulierendes Kulturgut und zum anderen als Organisationsproblem der bedarfsgerechten Vermittlung an die Nachfrager, bildeten eigentlich von Beginn an die Legitimation für die Existenz von Bibliothekswesen, Information und Dokumentation, der Informationsvermittlung und angrenzender Bereiche.

A 2.5

Die Quantifizierung des Wissens und seiner Nutzer

Es wird also immer mehr vom Einzelnen an Wissen, Kenntnissen und Flexibilität abverlangt, um sich im Arbeits- und Alltagsleben orientieren und mit den Veränderungen Schritt halten zu können. Die Lebenswelt des Einzelnen wird erst mit der Aufnahme von „Neuem" transparent, beherrschbar und strukturierbar. Die Befürchtung, daß nicht alle Gruppen in den entwickelten Gesellschaften an diesem ständigen Wissens- und Kenntnisvermittlungsprozeß teilhaben und daß große Teile der Bevölkerung daraus „ausgeblendet" werden könnten, hat zu der These des zunehmenden Auseinanderfallens der Bevölkerungsgruppen in die sogenannten „information-rich" und „information-poor" geführt. Neben der Teilhabe am Erwerbsleben scheint also in der „Informationsgesellschaft" der Zugang zu und die Teilhabe an Information eine zunehmend größere Rolle zu spielen und sich als zentrale gesellschaftliche Orientierung zu etablieren und andere gesellschaftliche Werte und Orientierungen abzulösen. Die für die Begründung der Information und Dokumentation so häufig angeführte quantitative Analyse von Publikationen - auch unter den Stichworten: Informationslawine und Literaturflut bekannt geworden - hat ihre Ursprünge in der Wissenschaftssoziologie der 50er Jahre. Sie ist verbunden mit zwei prominenten Namen: Derek J. de Solla Price (Lit. 99) für die USA und G. M. Dobrov (Lit. 32) für die damalige UdSSR. Beide Autoren haben mit Hilfe statistischer Analysen die Out-

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

put-Indikatoren der Wissensproduktion gemessen und sich dabei auf den engeren Bereich der Wissenschaft und Technik beschränkt. Hinter diesen sehr aufwendigen Bemühungen stand die Erkenntnisabsicht, den Bereich der wissenschaftlich-technischen Forschung und Entwicklung, einen Eckpfeiler der Erkenntnis- und Wissensproduktion, in seiner gesellschaftsverändernden Kraft und seiner Leistungsfähigkeit zu untersuchen (und dies auch im Vergleich der Supermächte). Im Verlauf der Weiterführung dieser Arbeiten hat sich ein recht umfassendes Bild der „Vermessung der Forschung" (Lit. I l l ) ergeben, welches im Ablauf des Zusammenhanges wie folgt dargestellt werden kann.

Obwohl die wissenschaftlich-technische Erkenntnisproduktion lediglich einen Teil der Quellen der Fachinformation ausmacht und so wichtige Fachinformationsbereiche wie etwa publizistische Information, Medien-Information, Wirtschaftsinformation, Produkt- und Herstellerinformation u.ä. unberücksichtigt läßt, so können wir doch an diesem Ausschnitt der Erkenntnisproduktion die Notwendigkeit für die Existenz formeller Informierungsinstanzen veranschaulichen. Aufwendungen für Forschung und Entwicklung: Wie in allen Industriestaaten, so ist auch in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ein stetiges, überproportionales Anwachsen der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F+E) zu verzeichnen. So z.B. haben sich seit Beginn der 60er bis in die 80er Jahre die Ausgaben des Bundes für die Förderung von F + E gut verzehnfacht und dabei ist der Anteil der Summe am Bruttosozialprodukt (BSP) von anfänglich 1,3% auf 2,7% angewachsen, wobei der Anteil der Ausgaben der öffentlichen Hand von anfangs knapp über 50% auf 43% zu Beginn der 80er Jahre zurückging. Im Quervergleich mit anderen Industrienationen wird deutlich, daß im Gegensatz zu den USA (Mitte der 70er Jahre bereits 3,64%) die europäischen Industriestaaten noch einen vergleichsweise geringen Anteil am BSP für ihre F + E -Förderungen aufbrachten (Lit. 95, Lit. 111). Innerhalb der Europäischen Union (Lit. 59, Lit. 60) wird im Rahmen einer gleichartigen Entwicklung der F+E-Aktivitäten gefordert, daß in jeder Volkswirtschaft der Mitgliedsländer der jeweilige Anteil am

A 2.5 Die Quantifizierung des Wissens und seiner Nutzer

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BSP mindestens 3% ausmachen müsse, um den Herausforderungen der Zukunft Europas wirkungsvoll begegnen zu können.

Wissenschaftlich-technisch Titige: Vor dem Hintergrund des steigenden Anteils der Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Wissenschaft und Bildung, die vor allem in den Industrieländern der 60er, 70er und 80er Jahre zu verzeichnen waren, ist erklärlich, daß eine ständig größer werdende Zahl in diesen Bereichen beschäftigt ist, ebenso wie der Anteil der Bevölkerung mit höheren Bildungsabschlüssen in dieser Zeit deutlich zunahm (Lit. 60, Lit. 111). Obwohl mit dem nicht sehr präzisen Begriff „Wissenschaftlich-technisch Tatige" nur ein kleiner (aber durchaus wichtiger Teil) der Nachfrager von Informationsdiensten erfaßt wird, ist es doch beeindruckend, wie der Anteil dieser Berufsgruppen, die in ihrer Arbeit zunehmend auf Informationen aufbauen und auf sie angewiesen sind, überproportional zur Gesamtbevölkerung angewachsen ist.

— BRD JAPAN •USA •*• GUS-Staaten

Abb. 2: Anteil der Wissenschaftler und Ingenieure im Bereich der Forschung und Entwicklung (F+E) pro 10.000 Einwohner nach Ländern (Lit. I l l ) D a ß diese Ausweitung der wissenschaftlich-technisch Titigen nicht unbedingt einen gleichartigen Anteil an der „Produktion von Information" (d.h. Autorenschaft an Veröffentlichungen) zur Folge hat, wird aus der folgenden Abbildung ersichtlich: Land USA UdSSR Japan GB Frankreich Lateinamerika

Anteil Weltbevölkenuig

Anteil vom BSP Welt

Anteil von wies. Autoren Weltproduktion

5,9 7,0 2,9 1,6 1,4 7,0

32,8 15,6 3,6 4,8 4,5 3,7

41,5 8,0 4,1 8,1 5,4 0,9

Abb. 3: Anteil der Weltbevölkerung, des Bruttosozialproduktes (BPS) und der Autorenschaft (Lit. 95, S. 27)

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Entwicklung der Veröffentlichungen: Wenn immer größere Anteile des Bruttosozialproduktes in die Erforschung von Natur und Gesellschaft fließen, ein immer größer werdender Anteil der Erwerbsarbeit im Bereich Erkenntnisproduktion und der Informationsbearbeitung stattfindet, dann kann diese Produktivität spiegelbildlich ihren Niederschlag in der Zahl der Veröffentlichung von Erkenntnissen oder im Papierverbrauch bzw. im Speicherbedarf von Daten finden. Doch hier ist Vorsicht bei der Interpretation des Zahlenwerkes angebracht. So beeindruckend die Informationslawine oder Publikationsflut auch sein mag - selbst wenn man sie auf die Veröffentlichungsorgane der wissenschaftlich-technischen Welt begrenzt -, so wenig schlüssigen Beweis gibt es dafür, daß dies nun direkt die Menge des neuen Wissens anzeigt. Zunächst einmal ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung noch kein Indiz dafür, daß neue Erkenntnisse vorliegen. Es kann ebenso sein, daß eine Veröffentlichung im wesentlichen bereits Bekanntes noch einmal nachvollzieht. Zum anderen kann plausibel gemacht werden, daß die große Zahl der Mehrfachveröffentlichungen (über die gerade in den 60er Jahren sehr viel empirische Studien unternommen wurden) nicht nur dem innerwissenschaftlichen Publikationszwang (etwa im Sinne „publish or perish") entspringt, sondern der Notwendigkeit, verschiedene Publikationsorgane und -kanäle zu benutzen, um die Erkenntnis in das weite Geflecht der verschieden organisierten „scientific communities" einmünden zu lassen. Schließlich haben Publikationsorgane nur eine begrenzte Reichweite, die in der Regel engere Fachgrenzen nicht überschreiten und auf eine zumeist hochspezialisierte Fachgemeinschaft zugeschnitten sind. Erkenntnisse aber auch in andere Disziplinen oder Fachgemeinschaften hinein bekannt zu machen, erfordert demzufolge, sie mehrfach zu veröffentlichen. Ist die Beziehung von Erkenntnisproduktion und Anwachsen der Publikationen zumindest keine direkte, so stellt aus der Sicht der Informationsarbeit das Mengenproblem und die Tatsache der Mehrfachveröffentlichungen immer größere Anforderungen an die Bewertung, Einordnung, Selektion und Kontrolle der Informierungsquellen, die in dem Zwang zu immer differenzierteren Methoden und Techniken der Information und Dokumentation ihren Ausdruck findet (Lit. 40). An dem für wissenschaftliche Erkenntnisse wohl immer noch wichtigsten Dokumententyp - der Fachzeitschrift - zeigt die Abbildung, daß seit Aufkommen dieser Publikationsform im 17. Jahrhundert ein exponentielles Anwachsen zu verzeichnen ist, deren Menge sich durchschnittlich alle 15 Jahre verdoppelt. 1950 war bereits die Schwelle von 100.000 Fachzeitschriften der Naturwissenschaft und Technik überschritten. Zahlenwerke, die die Buchproduktion quantitativ erfassen und spezielle Untersuchungen zu dem Typus der besonders wissenschaftsrelevanten Forschungsberichte belegen Größenordnungen von über 500.000 Buchtitel pro Jahr weltweit (für das Jahr 1990 beispielsweise) und mehrere hunderttausend Forschungsberichte pro Jahr weltweit. Andere statistische Untersuchungen (Lit. 95) weisen beispielsweise nach, daß zwischen 1960 und 1974 sich die Zahl der Abonnenten der Fachzeitschriften von durchschnittlich 3.900 auf 6.000 gesteigert hat, während andererseits die Abonnements an Fachzeitschriften sich durchschnittlich von 3,0 auf 3,6 pro Wissenschaftler steigern konnte.

A 2.5 Die Quantifizierung des Wissens und seiner Nutzer

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A n z a h l der Zeitschriften

Ditum Abb. 4: Gesamtzahl der Gründungen wissenschaftlicher Zeitschriften und Referateorgane (Lit. 99)

Entwicklung der Referral-Dienste/Referenz-Information: In Abb. 4 ist die mengenbezogene Entwicklung der Referateorgane, der frühesten Form der detaillierten Inhaltsbeschreibung von Dokumenten verzeichnet. Auffällig ist, daß Referate-Zeitschriften bzw. -dienste zu einer Zeit aufkommen, als die Zahl der Fachzeitschriften ca. 300 erreicht hat. Das Veröffentlichen von Referate-Zeitschriften wird deshalb zurecht als der Beginn der klassischen Dokumentation angesehen. Kommt darin doch zum Ausdruck, daß die Erkenntnismenge, die bereits zu der Zeit auf die Welt zufloß, eine sammelnde, systematisierende und qualitative Umformung des Wissens verlangte, um nutzbar zu werden. Ein Blick in die Entwicklung der Referate-Organe bzw. -Zeitschriften und on-line verfügbare Datenbasen der jüngeren Vergangenheit zeigt, daß der Anfall von Veröffentlichungen in einzelnen Naturwissenschaften sehr unterschiedlich ist - unbestritten jedoch ist, daß die Chemie den stärksten Zuwachs zu verzeichnen hat (zur Mitte der 90er Jahre waren es allein in „Chemical Abstracts" gut 500.000 Dokumentationseinheiten pro Jahr, von denen ca. 75% Zeitschriftenaufsätze waren). Datenbanken und Inforaiationsvermitthing: Waren Referate-Zeitschriften, deren Größenordnung zu Beginn der 70er Jahre vorsichtig mit 1.500 beziffert wird (Lit. 09), eine Antwort auf die zunehmende Unübersichtlichkeit im Veröffentlichungswesen, so markieren rechnergestützte Informa-

30

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Abb. 5: Kumulative Gesamtzahl der Referateorgane verschiedener Wissenschaftsdisziplineii seit ihrer Entstehung

tionssysteme, die Information-Retrieval-Systeme (Lit. 40, Lit. 51, Lit. 56) den nächsten Entwicklungssprung, der in den frühen 60er Jahren experimentell einsetzte und etwa Ende der 60er Jahre in Deutschland praktische Bedeutung bekam. Diesen strukturellen Zusammenhang verdeutlicht folgende Abbildung. Zahl

: 0 ·— ^ — 17501775180018251650187519001925195019752000 Jahr

Abb. 6: Veröffentlichungen, Referierung und elektronische Informationssysteme in zeitlicher Abhängigkeit voneinander (Lit. 09, S. 25)

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

31

Die Verfügbarkeit von Informationen durch zeitgleichen Zugriff auf on-Iine-Datenbasen ist in den 70er und 80er Jahren vorangetrieben worden. Weltweit wurde 1987 die Zahl der verfügbaren on-line-Datenbasen (unter ihnen befinden sich natürlich auch die elektronisch gespeicherten Referateorgane) auf 3.500 - 4.000 geschätzt. Für Mitte der 90er Jahre werden insgesamt gut 8.200 verschiedene on-line-Datenbasen gezählt, die von ca. 2.700 verschiedenen Datenbasisproduzenten erstellt werden und durch ca. 1.620 Datenbankanbieter vertrieben werden. (Lit. 62, S. 306). Durch den enormen Zuwachs an Datenbasen aus dem Wirtschaftsbereich etwa und sonstigen Gebieten des menschlichen Wissens außerhalb der engen Grenzen wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse hat die elektronische Informationsvermittlung (Lit. 07) einen enormen Aufschwung erfahren. Sie ist weltweit mit großen Zuwachsraten ein Teil des eigenständigen Informationsmarktes geworden (Lit. 62). Zitierungsanalysen: Unter den verschiedenen Bezeichnungen Bibliometrie, Scientometrie und Informetrie werden Bemühungen zusammengefaßt, wie mit Hilfe statistischer Analysemethoden die Kenntnisnahme von Veröffentlichungen über die Zeit festgehalten werden kann (Lit. 30, Lit. 31). Hinter diesen statistisch mitunter sehr aufwendigen Untersuchungen, die die Genese wichtiger wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Durchbrüche in einer Disziplin darstellen können, steht ein zunächst recht einfaches Muster: Wer zitiert in einer Veröffentlichung wen und umgekehrt, wer wird bei einer bestimmten Forschungsfrage von wem zitiert? In der Kumulation solcher Einzeluntersuchungen kann dann die „Prominenz" einzelner Autoren an der Zahl der Zitate, der Zitierung dieses Autors über Länder- und Disziplinengrenzen hinweg abgelesen werden. Darüber hinaus sind Veralterungszyklen von wissenschaftlichen Erkenntnissen zumindest im statistischen Sinne ermittelbar, die Auskunft darüber geben, in welchem Zeitraum eine ehemals aktuelle wichtige Veröffentlichung nicht mehr zitiert wird, weil diese von neueren Veröffentlichungen ersetzt wurde, die diese Erkenntnisse bereits berücksichtigt. Über diese autorenbezogenen Fragestellungen hinaus sind auch allgemeinere Aussagen über den Wissenstransfer (auf statistischer Basis) zu gewinnen, wie etwa - Verteilung der Zitate in Veröffentlichungen nach Dokumentengattungen - Bedeutung von verschiedenen Dokument-Typen für die wissenschaftliche Literatur - Sprachenverteilung der in verschiedenen Dokument-Typen zitierten Literatur - Länderspezifische Zitierungshäufigkeiten.

A 2.6

Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

Es mag durch den vorangegangenen Abschnitt der Eindruck entstanden sein, daß sich fachliche Informierungsprozesse aus der wissenschaftlich-technischen Entwicklung allein und seiner zunehmenden Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung ableiten ließen. Obwohl schon an anderer Stelle darauf hingewiesen wurde, soll hier deutlich gemacht werden, daß der Prozeß der Informationsvermittlung nicht nur den engen

32

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Bereich der wissenschaftlich-technischen Erkenntnisproduktion einschließt, sondern alle Gebiete des Wissens einschließt und in engerem Zusammenhang mit allen Formen des menschlichen Handelns (Arbeit, Beruf, Interesse usw.) gesehen werden muß. Dies geht aus der inzwischen klassisch gewordenen Charakteristik des Begriffes „Dokumentation" hervor, die von Paul Otlet bereits 1907 in die Fachdiskussion eingeführt wurde (Lit. 34, Lit. 79): Dokumentation ist demnach das „Sammeln, Ordnen und Verfügbarmachen von Dokumenten jeder Art auf allen Gebieten des menschlichen Wissens". Die Dokumentation hat also seit ihrer Begründung am Anfang dieses Jahrhunderts die Fülle und Vielfalt des Wissenswerten zur Grundlage ihrer Tätigkeit gemacht, sich dabei jedoch zunächst auf das Statische und Passive des Sammeins und Erschließens beschränkt, bis durch das Hinzufügen der aktiven informationsvermittelnden Komponente die kommunikative Kette von Autor und Benutzer geschlossen wurde. Dieser langwierige Prozeß der klassischen, dokumentorientierten Dokumentation zu der Hinwendung auf den Benutzer und seinen Informationsbedürfnissen hat das Begriffspaar „Dokumentation und Information" (Lit. 68) zunächst und dann „Information und Dokumentation" in den 60er Jahren aufkommen lassen. Mit der Loslösung von der ausschließlich bewahrenden und sammelnden Funktion der klassischen Dokumentation konnte der Bereich, der nun „Information und Dokumentation" genannt wurde, aus dem Schatten der anderen Institutionen der formellen Information heraustreten und durch die intelligente Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien ein eigenes Profil gewinnen. Daß dies - vordringlich in den 70er Jahren - durch staatliche Förderungsprogramme (Lit. 17, Lit. 18, Lit. 19, Lit. 21) angestoßen und vorangetrieben wurde, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Will man den gesamten Bereich der Institutionentypen erfassen, die arbeitsteilig die Funktionen des „Gedächtnisses des Wissens" und der kommunikativen Vermittlung von Fachinformation in seiner allgemeinsten Ausprägung ausmachen, so müssen die sich jetzt sehr deutlich abzeichnenden Entwicklungsstufen unterschieden werden. Zum einen die Entwicklung der eigenständigen Institutionen der Information und Dokumentation und zum anderen die durch die Informations- und Kommunikationstechnologien bedingten Strukturveränderungen, die unter organisatorischen Gesichtspunkten eine „Ent-Institutionalisierung" dieser ehemals fest gefügten Instanzen zu bewirken scheint. Bis in die 70er Jahre hinein war es möglich, recht genau die Funktionen und Aufgaben der formellen Information in einer übergreifenden Typologie darzustellen, in der neben dem Verlagswesen, dem Buchhandel, dem Bereich der Massenkommunikation das Informationswesen im engeren Sinne, der sogenannte ABD-Bereich (Archiv, Bibliothek, Dokumentation) die zentrale Rolle spielte (Lit. 95, S. 35-38). Im folgenden soll etwas genauer auf die Entwicklung des Teilbereiches Information und Dokumentation und insbesondere der Informations- und Dokumentationsstelle (IuD-Stelle) eingegangen werden. Ohne hier auf die Geschichte der Dokumentation speziell eingehen zu können, weil sie lediglich in wenigen Aspekten auf-

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

33

bereitet ist (Lit. 15), sollen unter quantifizierenden Gesichtspunkten einige formale Merkmale dieser Institutionen festgehalten werden, die auch heute noch einen wesentlichen Teil der „Inforraationslandschaft" ausmachen. Nun ist das bloße Zählen von organisatorischen Einheiten nicht sehr aussagekräftig, weil damit nichts über Größe, Personal, Aufgaben und das Ausmaß der Vermittlungsleistung gesagt wird. Zudem muß man bei empirischen Erhebungen in Rechnung stellen, daß nur diejenigen Institutionen einbezogen werden konnten, die aus ihrem jeweiligen Selbstverständnis sich als IuDStelle verstanden und positiv reagiert hatten. Andere Institutionen, die möglicherweise gleichartige Tätigkeiten verrichten, sind nicht erfaBt wurden, weil das professionelle Selbstverständnis ihrer Leiter/innen vielleicht eher im Bibliothekswesen etwa oder im Archivwesen oder gar der Fachdisziplin, in der dokumentiert und informiert wurde, verankert war. Wenngleich methodisch anzweifelbar, sind diese empirischen, flächendeckenden Untersuchungen erstmals in der Lage gewesen, das Berufs- und Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation zu erfassen und global zu beschreiben.

Bereits in den 20er Jahren sind in größeren Umfang Dokumentationsstellen auszumachen. Diese Institutionen der frühen Dokumentationsbewegung wurden häufig auch unter der Bezeichnung „Schrifttumsauskunftssteilen" geführt. Etwas klarer wird der Überblick über die Dokumentation dann nach dem 2. Weltkrieg (Lit. 02).

Gröndnngsdatiuii vor 1945 1945 - 1 9 4 9 1950 - 1955 1956 - 1961

BRD

DDR 2

Gesamt

67 62 158 70

49 107

69 62 207 177

357

158

515

-

Abb. 7: Gründungen von IuD-Stellen in der Bundesrepublik Deutschland und der D D R bis 1961

In dieser ersten umfassenden Institutionenerhebung konnte bis Ende 1961 die Zahl von 357 IuD-Stellen für die Bundesrepublik Deutschland und 158 für die DDR ermittelt werden. Auffällig ist, daß im Zeitraum 1951-1955 (den Anfängen des Wirtschaftsaufschwunges in der Bundesrepublik Deutschland also) der größte Anteil von Neugründungen in der Bundesrepublik feststellbar ist, während der Ausbau in der DDR dann ca. 5 Jahre später erfolgte. Die weitere Entwicklung der Information und Dokumentation in der DDR wird in Abschnitt A2.6.2 dargestellt.

A 2.6.1

Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland

Ein gutes Jahrzehnt später (1974) ist die Zahl der ausgewiesenen IuD-Stellen auf 507 angewachsen, die sich auf die einzelnen Fachinformationsbereiche wie folgt verteilen (Lit. 16):

34

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Fachinfonnationsbereich

Stellen

1 GESUNDHEITSWESEN 2 ERNÄHRUNG 3 CHEMIE 4 PHYSIK, MATHEMATIK 5 E-TECHNIK 6 HÜTTENKUNDE 7 ROHSTOFFE/-GEOWISS. 8 VERKEHR 9 BAUWESEN, RAUMORDNUNG 10 VERB RAUCHSGÜTER 11 WIRTSCHAFT 12 RECHT 13 BILDUNG 14 SOZIALWISSENSCHAFTEN 15 GEISTESWISSENSCHAFTEN 16 AUSLANDSKUNDE 17 ANDERE SUMME

% von Gesamt

53 42 50 24 52 42 20 24 24 14 29 34 14 36 17 14 18

10.46 8.28 9.87 4.73 10.27 8.28 3.94 4.73 4.73 2.76 5.72 6.71 2.76 7.10 3.35 2.76 3.55

507

100.00

Abb. 8: IuD-Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland 1974

Ein etwas genaueres Bild über Größe und TVägerschaft (Status) der klassischen IuD-Stellen geben die beiden folgenden Übersichten : Status der IuD-Stellen

Zahl

% von Gesamt

ÖFFENTLICHER DIENST WISSENSCHAFT/FORSCHUNG PRIVATWIRTSCHAFT

53 257 197

10,5 51,0 38,5

Summe

507

Personalbestand (Vollzeit-Äquivalente)

100

Zahl

% von Gesamt

0,5 - 5 Mitarbeiter 6 - 2 0 Mitarbeiter über 20 Mitarbeiter keine Angaben

260 138 44 65

51 27 9 13

Summe

507

100

Die Struktur der IuD-Stellen stellt sich im Jahre 1974 - also kurz vor dem Anlaufen der ersten offiziellen staatlichen Förderprogramme (Lit. 21) - folgendermaßen dar: Viele kleine und kleinste Einheiten - mit zumeist sehr speziellem Wissensausschnitt - stehen wenigen größeren Einheiten gegenüber mit einer gewissen Leistungsfähigkeit und einem breiteren thematischen Bereich. Zudem ist der IuD-Bereich - zumindest in seinem institutionellen Gefüge - dadurch gekennzeichnet, daß die Mehr-

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

35

heit der Stellen im „öffentlichen Dienst" (und hier besonders im Bereich Forschung und Wissenschaft) angelagert ist, ein kleinerer Anteil aller Stellen in der Privatwirtschaft. D i e s bildeten auch die wesentlichen Probleme, die bei Neuordnung der IuDLandschaft durch die staatlichen Förderprogramme anzugehen waren. Wiederum knapp 10 Jahre später (1983) wird die Zahl der IuD-Stellen mit ca. 650 beziffert (Lit. 38), die sich in Bezug auf die Fachinformationsgebiete wie folgt verteilen: Fachinformationssystem 1. MEDIZIN 2. LANDWIRTSCHAFT 3. CHEMIE 4. PHYSIK, ENERGIE 5. HÜTTENKUNDE/METALL 6. ROHSTOFFE/GEOWISS. 7. VERKEHR 8. RAUMORDNUNG 9. VERBRAUCHSGÜTER 10. WIRTSCHAFT 11. RECHT 12. BILDUNG 13. SOZIALWISSENSCHAFTEN 14. GEISTESWISSENSCHAFTEN 15. STAATENKUNDE 16. TECHNIK 17. PATENTE 18. UMWELT 19. TECHNISCHE REGELN 20. INFORMATIONSWISSENSCHAFT 21. SONSTIGE 22. INFORMATIONS VERMITTLUNG SUMME

Zahl der SteDen 45 41 44 29 32 22 19 23 17 35 32 28 58 40 31 45 20 10 2 3 20 48 650

% von Gesamt 6,9 6,3 6,8 4,5 4,9 3,4 2,9 3,5 2,6 5,4 4,9 4,3 8,9 6,2 4,8 6,9 3,0 1,6 0,3 0,5 3,0 7,4 100

Abb. 9: IuD-Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland 1983 Aufgeschlüsselt nach den Kriterien "Mgerschaft (Status) und Personalbestand ergibt sich folgendes Bild: Zahl

% von Gesamt

ÖFFENTLICHER DIENST WISSENSCHAFT/FORSCHUNG PRIVATWIRTSCHAFT VERBÄNDE/ VEREINIGUNGEN

211 154 109 122

35,0 26,0 18,5 20,5

Summe

596

Statns der IuD-Stellen

100

36

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Personalbestand (Voüzeit-Äqiiivalente)

Zahl

% von Gesamt

1 - 2 Mitarbeiter 3 - 6 Mitarbeiter 7 - 1 0 Mitarbeiter 1 1 - 1 5 Mitarbeiter 1 6 - 2 0 Mitarbeiter 21 - 30 Mitarbeiter über 30 Mitarbeiter

73 232 87 61 24 33 41

13 42 16 11 4 6 8

Summe

551

100

Durch die Auswirkungen der Förderungsmaßnahmen wird bei der differenzierten Betrachtung der Einrichtungen des Jahres 1983 deutlich, daß sich die Größe der Stellen - gemessen in Personal, Arbeitsleistung usw. - durchschnittlich erhöht hatte. Des weiteren ist erwähnenswert, daß besonders die Technologieausstattung der Stellen, die noch zu Beginn der 70er Jahre nur in ganz geringem Umfang vorhanden war, zu diesem Zeitpunkt erheblich verbessert war und der Zugriff zu den internen und externen Datenbanken in fast allen Einrichtungen realisiert war. Die vorläufig letzte Institutionenerhebung der IuD-Stellen der Bundesrepublik Deutschland datiert aus dem Jahr 1989/1990 und weist insgesamt ca. 600 Stellen mit folgenden Merkmalen nach (Lit. 43):

Fachinfonnationsbereich GESUNDHEIT LANDWIRTSCHAFT CHEMIE PHYSIK/ ENERGIE METALL/ WERKSTOFFE GEOWISSENSCHAFT VERKEHR RAUM/ BAU WIRTSCHAFT RECHT BILDUNG SOZIALWISSENSCHAFT GEISTESWISSENSCHAFT INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN TECHNIK/ PATENTE UMWELT SONSTIGE BIBLIOTHEKEN (IuD) WISS. VEREINIGUNGEN AUSBILDUNGSEINRICHTUNGEN Zahl der Stellen

Zahl der Stellen 31 35 36 24 21 14 18 20 50 29 27 56 23 24 64 9 21 34 39 25 600

% von Gesamt 5,1 5,8 6,0 4,0 3,5 2,3 3,0 3,3 8,3 4,8 4,5 9,3 3,8 4,0 10,6 1,5 3,5 5,6 6,5 4,1 100

Abb. 10: IuD Stellen der Bundesrepublik Deutschland 1989/90 (nur alte Bundesländer)

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

37

Schlüsselt man diese Einrichtungen auf nach den Kriterien von professionellem Personalbestand und Status und läßt die „Infrastruktureinrichtungen" wie Bibliotheken mit IuD- Funktionen, Vereinigungen und Ausbildungseinrichtungen außer Betracht, so erhalten wir folgendes Bild (N= 502): Status der InD-SteDen PRIVATWIRTSCHAFT VERBANDE/ VEREINIGUNGEN ÖFFENTLICHER DIENST FORSCHUNG + ENTWICKLUNG

Zahl

% von Gesamt

103 114 149 136

20,5 22,7 29,7 27,1

Personalbestand (Vollzeit-Äqnivalente)

Zahl

% von Gesamt

0 1 - 2 Mitarbeiter/innen 0 3 - 6 Mitarbeiter/innen 07 - 10 Mitarbeiter/innen 1 1 - 1 5 Mitarbeiter/innen 16 - 20 Mitarbeiter/innen 21 - 30 Mitarbeiter/innen > 30 Mitarbeiter/innen Keine Angaben

38 158 79 33 31 37 33 93

7,6 31,5 15,7 6,5 6,2 7,4 6,5 18,6

Die hier in groben Umrissen aufgezeigte Institutionenentwicklung verwendete in ihren Analysen durchgehend das Konzept der IuD-Einrichtung oder IuD-Stelle, welches nahelegte, daß nur und ausschließlich organisatorisch selbständige oder zumindest organisatorisch gut isolierbare Einheiten in Betracht gezogen wurden. Diese starre, auf einen Typus von Organisationsstruktur gerichtete Betrachtungsweise, ließ eine Reihe von informationellen Tätigkeiten unberücksichtigt, die eben nicht über diese oben beschriebenen Organisationsmerkmale verfügten: z.B. den gesamten Bereich der Informationsvermittlung im innerbetrieblichen Zusammenhang, den man unter der Bezeichnung Informationsvermittlungsstellen (Lit. 07, Lit. 89) zusammenfassen kann. Ferner den Bereich der Technologie-Ttansferstellen oder Innovations-Beratungsstellen, den Aufgabenbereich des Information-Managements in organisationeilen Umgebungen (Lit. 105) und die neuen - auf die Vermarktung von Informationen ausgerichteten - Berufsrollen, wie etwa Information Broker, Informations-Berater, qualifizierte Informationsarbeit bei Datenbank-Anbietern, im System Bildschirmtext etwa oder in der informationsvermittelnden Tätigkeit anderer technologischer Konfigurationen. Diese erweiterte Sichtweise der Informierungsfunktionen in ganz verschiedenen Organisationszusammenhängen ist einerseits durch die Leistungsfähigkeit der IuKTechnologien bedingt, andererseits zeigt sie auf, daß die Vielgestaltigkeit der Informierungstätigkeiten als Funktion und als Methoden und Techniken der Verarbeitung von Information gesehen werden muß. Diese notwendig gewordene breitere Betrachtungsweise hat Anlaß gegeben, den wenig deutlich strukturierten Teil der Informationsvermittlung zu beleuchten (Lit. 05, Lit. 06). Durch den groß angelegten Förderungsschwerpunkt „Modellversuch Informationsvermittlung" des Bun-

38

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

desministeriums für Forschung und Technologie E n d e der 80er Jahre (Lit. 88, Lit. 89) konnten erstmals in großem Umfang Erfahrungen mit der Marktfähigkeit von Informationsvermittlungsleistungen gesammelt werden. Die Ergebnisse lassen (zumindest für den Zeitpunkt Ende der 80er und A n f a n g der 90er Jahre) den Schluß zu, daß reine Informationsvermittlung - ohne zusätzliche Beratungsleistungen - sich als eigenständiger Unternehmensbereich nicht lohne, wohl aber in Kombination mit anderen Beratungsleistungen. In einer ersten, flächendeckenden empirischen Bestandserhebung der Informationsvermittlungs- und -beratungssteilen im Jahre 1980 wird versucht, den Teil der Informierungsfunktion, der sich den festen organisatorischen Strukturen entzieht, zu beschreiben. In dieser Studie, die vom Bundesministerium f ü r Forschung und Technologie in Auftrag gegeben wurde, wird ermittelt, daß es im weiteren (deßnitorischen) Sinne ca. 2.500 Informationsvermittlungsstellen und im engeren IuD-Sinne ca. 1.300 „klassische" Informationsvermittlungsstellen gebe. Diese verteilen sich auf Branchen und Arbeitsbereiche etwa folgendermaßen:

Branche/SteDentyp

IUD-STELLEN HANDWERK HANDEL NICHTÖFF. SPEZIALBIBLIOTHEKEN PRESSEÄMTER, STÄDTE, STATISTISCHE LANDESÄMTER ÖFFENTLICHE SPEZIALBIBLIOTHEKEN VERBRAUCHER-, INTERESSENVERBÄNDE BUNDESVERBAND DER DT. INDUSTRIE FORSCHUNG PRESSE- U. INFORMATIONSDIENSTE ARBEITNEHMERORGANISATIONEN SONSTIGE WIRTSCHAFT (OHNE BDI) BANKEN, VERSICHERUNGEN ARBEITGEBERVERBÄNDE, BERUFSGENOSSENSCHAFTEN INSTITUTIONEN DER ODIN-BEFRAGUNG VERLAGSWESEN PR-BERATER, AGENTUREN SONSTIGE WISS. BIBLIOTHEKEN HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN GEWERBEÄMTER

Klassische „IVS" nach engerer

IVS nach weiterer Definition

187 141 133 128

347 197 173 358

103 88 78 67 67 64 52 46 45

296 202 109 101 161 128 78 69 77

42 41 34 29 29 16 12

71 57 85 49 78 59 30

Abb. 11: Informations- und Vermittlungsstellen (IVS) in einigen ausgewählten Branchen 1980 (Lit. 05)

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

39

Zusammenfassend können wir festhalten, daß der historische Kern der Informationsarbeit wohl eindeutig auf die qualifizierte, methodisch abgesicherte Arbeit in den eigenständigen IuD-Einrichtungen beschränkt war. Dieser institutionalisierte Kern der Informationsarbeit hat nach dem 2. Weltkrieg in quantitativer Hinsicht eine beachtliche Ausweitung erfahren. Er hat durch die Entwicklung stabiler Methoden und die Anwendung komplexer Technologien den Wissenstransfer professioneller gestaltet und damit den Grundstein für eine Verbreiterung der Informationsarbeit in allen denkbaren Tätigkeits- und Arbeitsbereichen gelegt. Diese gilt es nun weiter voranzutreiben. Aber dabei sollen diese oft mühsamen und manchmal wenig eindrucksvollen Entwicklungen nicht aus den Augen verloren werden, weil sie den Kern der Professionalisierung getragen haben (Lit. 94).

A 2.6.2

Die Entwicklung in der ehemaligen DDR

Nachfolgend sollen auf Grund der besonderen Spezifik der jüngsten deutsch-deutschen Geschichte nicht nur wesentliche Fakten vermittelt, sondern auch der Versuch einer analytischen Bewertung der IuD-Praxis vorgenommen werden. Denn es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß viele derjenigen, die den IuD-Bereich in der ehemaligen D D R mit Leben erfüllt haben, auch weiterhin Informationsarbeit als Berufs- und Tätigkeitsfeld wahrnehmen. Aufgaben, Struktur und Arbeitsweise Zu Aufgaben, zur Struktur und zur Arbeitsweise der gesamtstaatlich organisierten IuD-Arbeit in der D D R ist bereits umfassend publiziert worden (Lit. 71). Hervorgehoben wurde insbesondere die Tatsache, daß die Informationsvermittlung in der D D R als gesamtstaatliche Aufgabe verstanden, in Analogie zur Volkswirtschaft strukturiert und durch ein Zentralinstitut für Information und Dokumentation (ZIID) straff zentral gelenkt und geleitet wurde. Als Aufgabe wurde von den Informationsvermittlern immer wieder gefordert, oft sogar in Beschlüssen der staatstragenden Sozialistischen Einheitspartei (SED) oder in staatlichen Verordnungen, wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Literatur zu ermitteln, zu verbreiten und zu ihrer Nutzung anzuregen. Damit sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, neueste Erkenntnisse schnell und umfassend zu nutzen (also „produktionswirksam" zu machen) und die Gesamteffektivität der Wirtschaft zu verbessern. Zur Durchsetzung dieses Ziels und zum Erreichen der beabsichtigten Wirkungen wurden im Laufe der Jahre für die Informationsvermittlung Strukturen und Arbeitsweisen entwickelt, die eng mit der Struktur der „volkseigenen" Wirtschaft verbunden waren. Die Struktur des sogenannten Informationssystems Wissenschaft und Technik (IWT), das die Gesamtheit aller Informationseinrichtungen (zuletzt über 1.500 Stellen mit etwa 6.000 Mitarbeitern) auf den Gebieten Naturwissenschaft und Technik, Medizin und Landwirtschaft umfaßte und damit vor allem in der Wirtschaft dominierte, war bei diesen durch folgende Hierarchie geprägt: - Zentrale Leitstellen für Information und Dokumentation (ZLID) in den Ministerien und anderen zentralen Staatsorganen;

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

MWT ZIID ZUD UD IS IB

Ministerium far Wissenschall und Technik Zentrainstitut für Information und Dokumentation Zentrale Leitstelle für Information und Dokumentation Leitstelle für Information und Dokumentation Informationsstelle Informationsbeauftragter Direkte Unterstellung Anleitung, Koordinierung, Kontrolle; aber auch: Kooperation, Arbeitsteilung

Abb. 12: Schema des Informationssystems Wissenschaft und Technik (IWT) in der DDR

- Leitstellen für Information und Dokumentation (LID),die für die Informationsversorgung eines oder mehrerer der rund 200 Industriekombinate in der DDR verantwortlich waren; - Informationsstellen (IS) in Betriebsteilen bzw. kleinen Betrieben, in einer großen Anzahl aber auch in Forschungsinstituten. Zwischen diesen unterschiedlichen Typen von Informationseinrichtungen bestanden in speziellen Verordnungen festgelegte Beziehungen der Anleitung, Koordinierung und Kontrolle, die ein enges und abgestimmtes Zusammenwirken zur Optimierung der Informationsversorgung und zur Vermeidung von Doppelarbeit ermöglichen sollten. Dabei übte das Zentralinstitut für Information und Dokumentation (ZIID) beim Ministerium für Wissenschaft und Technik in Berlin die zentrale Koordinierungsfunktion aus und versuchte, auf Grund dieser staatlich verordneten Führungsrolle Einfluß auf „Alles und Jedes" in der Praxis der Informationsvermittlung zu gewinnen. Ttotzdem unterschied sich das Tätigkeitsfeld der Informationsvermittlung nicht wesentlich von der international üblichen Arbeitsweise. Als Hauptprozesse, die neben der Ermittlung und Beschaffung von Informationsquellen die Informationsversorgung überhaupt erst ermöglichen, wurden vor allem angesehen:

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

41

• Bearbeitung (Erschließung von Informationsquellen) • Speicherung der Erschließungsergebnisse • Recherche (Suche) nach den gespeicherten Informationen • Vermitteln, Bereitstellen und Verarbeiten von Informationen. Dabei standen genaue Analysen des Informationsbedarfs am Anfang jeder Informationstätigkeit (sie fanden Aufnahme in einem sog. Informationsthemenplan), die Nutzung von Informationen bei den „Aufgaben- und Problemlösungsprozessen" in der Wirtschaft war in sog. Pflichtenheften zwingend vorgeschrieben. Die Tätigkeit im IWT wurde nach zwei Grundprinzipien organisiert: 1. nach dem Fachprinzip in Zweiginformationssystemen (z.B. Informationssystem der Chemischen Industrie oder der Elektrotechnik/Elektronik) und 2. nach der Quellenart in Quelleninformationssystemen (z.B. Patentschriften in Patentinformationssystemen).

In diesem generellen Rahmen gab es eine Hierarchie verschiedener Typen von Informationsdiensten : 1. Informationsdienste der Industriekombinate entsprechend dem spezifischen Forschungsund Produktionsprofil (u.a. Werkzeugmaschinenbau, Glas/Keramik, Umformtechnik, Dieselmotoren, Schiffbau, Fördertechnik) 2. Zentralisierte Informationsdienste (die z.T. als Staatliche Informationsdienste zwingend für die allgemeine Inanspruchnahme vorgesehen waren) zu - volkswirtschaftlich bedeutenden Querschnittsgebieten (u.a. Energie- und Materialwirtschaft, Mikroelektronik, Robotertechnik) - Wissenschaftsgebieten (u.a. Mathematik, Physik, Biowissenschaften) - wichtigen Fachgebieten (u.a. Bauwesen, Landwirtschaft, Medizin, Verkehrswesen) und zu - Quellen (u.a. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, Patentschriften, Staatliche Standards).

Ein derartiges komplexes „System" der Informationsvermittlung, das auf die Anfangsjahre der DDR zurückging und an dessen Entwicklung auch Informationsvermittler aus ehemaligen Konzernen mitwirkten, die z.B. die Nachteile getrennter, nicht paßfähiger, ausschließlich von Finneninteressen geprägter Lösungen überwinden wollten (Jenaer Beschlüsse von 1952), erweckte auch das Interesse Außenstehender. Vor allem Stock (Lit. 102) verfolgte mit Akribie die Entwicklung der DDRInformationslandschaft und beurteilte ihre Spezifik bei den theoretischen Grundlagen, ihren Einfluß auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die Besonderheiten in der Methodik und Organisation und auch die eigenen Wege bei der Ausbildung von Informationsvermittlern durchaus anerkennend. Speziell weist er auf die „Einheitlichkeit und weite Perspektive" der Organisation der Informationsvermittlung in der DDR hin, die vor allem eine sinnvolle Arbeitsteilung und Kooperation, aber auch Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch zwischen den Informationsvermittlern unterschiedlicher Ebenen und über Betriebsgrenzen hinaus ermöglichten. Regional wirkten die Informationseinrichtungen unterschiedlicher "typen und volkswirtschaftlicher Zuordnungen oft im Rahmen bezirklicher Arbeitsgemeinschaften „Information und Dokumentation" der DDR-Ingenieurorganisation „Kammer der Technik" (KdT) zusammen. Allgemein interessierende Themen wa-

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

ren dabei der Erfahrungsaustausch zu bewährten Methoden der Informationsvermittlung, die Weiterbildung und die Durchführung von Fachtagungen. Zunehmend wurden aber auch territoriale Probleme der Informations- und Literaturversorgung in Gemeinschaftsarbeit gelöst, weil in diesen Arbeitsgemeinschaften in der Regel auch Bibliothekare und Archivare mitarbeiteten. Auf die Rolle der vom Institut für Informationswissenschaft, Erfindungswesen und Recht (INER) der Technischen Hochschule Ilmenau seit 1961 veranstalteten „Oberhofer Kolloquien" soll in diesem Zusammenhang besonders verwiesen werden. Ursprünglich gedacht als Forum für die gesamtdeutsche Informationswissenschaft und -praxis (Namen wie Dahlberg, Pietsch, Wersig und andere stehen für diese Intention) mußten sie durch staatliche Restriktionen - an denen auch das ZIID fleißig mitwirkte - über 15 Jahre lang in dieser Hinsicht nur ein Schattendasein führen. Sie erwarben sich aber trotz allem den Ruf einer Veranstaltungsreihe, in der Probleme der Informationspraxis, der Erfahrungsaustausch untereinander und der Meinungsaustausch mit Informationswissenschaftlern zu den tragenden Säulen gehörten. Von diesen „Familientreffen" gingen die Teilnehmer in der Regel gestärkt und mit neuem Rüstzeug versehen an ihre praktische Arbeit zurück. Grundlage für den erreichten Qualitätsstand war nicht zuletzt auch der Beginn einer regelmäßigen Aus- und Weiterbildung von Informationsvermittlern ab Mitte der 60er Jahre. 1966 begann das IBI (s.u.) mit der Ausbildung von Diplom-Informatoren (sie endete aber bereits 1974), 1968 das INER mit einem postgradualen Studium der Informations- und Dokumentationswissenschaft (1969 folgte hier das IBI). Dieses sog. IDW-Studium sollte mehr als 20 Jahre lang das Rückgrat der fachlichen Qualifizierung sein. 1981 begann das INER schließlich noch eine informationswissenschaftliche Spezialisierung innerhalb der Fachrichtung „Informationstechnik", mit der die künftigen Diplom-Ingenieure befähigt und motiviert werden sollten, als Informationsvermittler zu arbeiten. Aber auch Forschungsarbeiten (u.a. zur Methodik und Organisation der Informationsvermittlung) sowie wichtige Publikationen mit Lehrbuch- und Nachschlagecharakter trugen zum erreichten Qualitätsstand bei, vor allem das „Handbuch der Information und Dokumentation" (Lit. 50) und das erste deutschsprachige „Lexikon der Information und Dokumentation" (Lit. 85). Aber alle diese Fakten müssen relativiert werden im Umfeld einer DDR-Wirtschaft und der DDR-Wissenschaft, deren insgesamt zu geringe Leistungsfähigkeit auch nicht durch eine optimale Informationsversorgung hätte gesteigert werden können. Zum anderen war man auch in der Informationsvermittlung weit vom Optimum entfernt. Beispielhaft sei an folgende Tatsachen erinnert: • Mangelhafte Ausstattung, fehlende Technik (insbesondere Computer-, Kopierund Vervielfältigungstechnik), ein veraltetes Telefonnetz, ein auf Handvermittlung beruhendes Datennetz (Folge: Nur 10 bis 15 Prozent der Informationsvermittlungsstellen arbeitete mit Rechnerunterstützung (Lit. 78); • enge Kontingentierung und damit Begrenzung der Valutamittel für den Erwerb von Informationsquellen (Folge: Der laufende Literaturbezug mußte - von Ausnahmen für sog. Blaulicht-Projekte abgesehen - immer weiter eingeengt werden); • einseitige Orientierung auf den Fernzugriff zu Datenbanken in der ehemaligen Sowjetunion oder im RGW (Folge: Noch 1989 forderte das ZIID die ausschließ-

A 2 . 6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

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liehe Teilnahme der D D R am internationalen System für den automatisierten Datenaustausch im RGW, das nach den Planungen erst 1995 in den Dauerbetrieb überführt werden sollte (Lit. 102); • erheblicher Rückstand in der Nutzung internationaler Datenbasen selbst im Vergleich zu den anderen RGW-Staaten (Lit. 37); • zu enge thematische Begrenzung des Gegenstandes der Information (Folge: Nur sporadische Einbeziehung z.B. von Wirtschaftsinformationen). D i e Liste dieser negativen Fakten ließe sich beinahe beliebig ergänzen. Insgesamt kristallisierten sich aber drei Schwerpunkte heraus: Erstes Manko: Der Rückstand in der Ausstattung mit moderner Technik Von entscheidender Bedeutung für die negative Entwicklung der Fachinformation in der DDR war die von Technikhistorikem (wie z.B. Radkau) immer wieder hervorgehobene generelle und sich im Laufe der Zeit verstärkende Rückstand in der Ausstattung mit moderner Technik. Gemeinsam war allen technologischen Reformansätzen in der Geschichte der DDR („Wissenschaftlich-technische Revolution" Ende der 50er Jahre; Forcierung der Elektronikentwicklung ab 1967 und später die der Roboter-Entwicklung; Computerisierung ab Beginn der 80er Jahre), daß alle staatlichen Ressourcen auf wenige Bereiche der Produktion konzentriert wurden, während die Reproduktion insgesamt unterentwickelt blieb und für vieles andere die Mittel fehlten - in extremen Maße auch für die Fachinformation. Zweites Manko: Die „Abschottung" Die gesamte Infonnationstätigkeit wurde zunehmend darauf ausgerichtet, das Weltwissen aus eigener Arbeit bzw. im Zusammenwirken mit der Sowjetunion und den anderen RGW-Staaten zu ermitteln, aufzubereiten und zu vermitteln (vgl. Abb. 13). Im Zusammenhang damit erfolgte seit 1975 ein Zurückziehen von DDR-Vertretem aus internationalen Fachgremien wie der FID und das Verbot der Teilnahme ausländischer Experten an den internationalen Kolloquien über Information und Dokumentation in Oberhof. Dieses Vorgehen wurde - wenn überhaupt - mit Valutaknappheit oder mehr noch mit sicherheitspolitischen Aspekten (Verhinderung von Geheimnisverrat; Schutz vor Informationsboykott) begründet. Kontakte mit ausländischen Fachkollegen waren melde- und genehmigungspflichtig und galten zunehmend als suspekt. So kamen der internationale Erfahrungsaustausch, der wissenschaftliche Meinungsstreit und die internationale Arbeitsteilung beim Zugriff auf das in der Welt vorhandene Wissen immer mehr zum Erliegen bzw. blieben auf das Zusammenwirken mit den Spezialisten in den RGW-Staaten begrenzt. Drittes Manko: Die Kommandowirtschaft Die der Volkswirtschaft verordnete Kommandostruktur, das System einer - wie Bredemeier (Lit. 09) schreibt - "hoffnungslosen Oberzentralisierung" führte für die Fachinformation der DDR zu den gleichen negativen Erscheinungen wie auf vielen anderen Gebieten, z.B. zur vernunftwidrigen Behinderung kreativer Informationsvermjttler bei der Suche nach neuen Lösungen und zu überall und für alle Fälle vorgeschriebenen „Systemen". Überspitzt formuliert wurden eigentlich ja überhaupt keine Fachinformationen benötigt, weil der Plan alles bestimmte und neue Erkenntnisse oft nur unliebsame Planänderungen zur Folge gehabt hätten. Die objektiv begründete Notwendigkeit eines der Volkswirtschaft adäquaten und auf ihren Leistungszuwachs orientierten Informationssystems blieb damit weitgehend formaler Natur und der Status der Fachinformation im gesellschaftlichen BewuBtsein mehr als unterentwickelt. Überlegungen zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung der Informationsarbeit waren im wissenschaftlichen Meinungsstreit gerade noch zugelassen und mit erheblicher Verzögerung publiziert worden - in der Praxis war aber kaum Raum für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Problematik.

44

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation Ti 1 ·ι

IZWTI IZIS IQIS

Internationales Zentrum für wissenschaftliche und technische Informatiopn, Moskau Internationales zwelgorientlertes Informationssystem Internationales quellenorientiertes Informationssystem

Abb. 13: Schema der Kooperation und Arbeitsteilung im Internationalen System für wissenschaftliche und technische Information (ISWTI)

Dieser technische und technologische Rückstand und das beharrliche Festhalten an der Vorstellung, aus eigener Kraft, ohne Nutzung des in der Welt vorhandenen Know-how und lediglich in Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und anderen RGW-Staaten mit der internationalen Entwicklung Schritt halten zu können, führte dazu, daß die Informationsvermittlung in der D D R immer weniger den Erfordernissen gerecht werden konnte, trotz großer Anstrengungen vieler Informationsvermittler in der Praxis und trotz eines Ausbildungskonzeptes, das einen relativ hohen Qualifikationsstand garantierte. Ausbildung In der ehemaligen DDR gab es im universitären Bereich vor allem zwei Ausbildungseinrichtungen : 1. das Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Information (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin und 2. das Institut für Informationswissenschaft, Erfindungswesen und Recht (INER) der Technischen Hochschule (jetzt: Technische Universität) in Ilmenau. Das IBI war eine traditionelle Ausbildungsstätte für Bibliothekare. 1960 kam die wissenschaftliche Information als Lehr- und Forschungsgegenstand hinzu. Diese enge Bindung zwischen Bibliothekswissenschaft und wissenschaftlicher Information war bestimmend für das Profil des IBI. Das INER entstand mit der Hochschulgründung 1953 in Ilmenau. Die Fachinformation wurde hier in enger Wechselbeziehung zum Erfindungswesen und Recht als

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und Dokumentation

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eigenständiges Gebiet der Lehre und Forschung vertreten, wobei der Patentinformation besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Wichtigste Aufgabe beider Institute war über lange Jahre hinweg die Durchführung des postgradualen Studiums der Informations- und Dokumentationswissenschaft. Mehr als 2000 der zuletzt insgesamt rund 6.000 Informationsvermittler in der DDR absolvierten dieses Studium, das - berufsbegleitend - zwei Jahre dauerte und mit der staatlich anerkannten Berufsbezeichnung "Fachinformator" abschloß. In 12 Wochenkursen mit insgesamt etwa 400 Stunden Lehrveranstaltungen wurden vor allem folgende Fächer angeboten: • Theoretische Grundlagen der Information und Dokumentation • Informationsbedarf und Informationsnutzer • Methoden der inhaltlichen Erschließung • Technikeinsatz in der Information und Dokumentation • Informationsrecherche und Informationsverbreitung • Leitung und Planung der Informationsarbeit und • einzelwissenschaftliche Ergänzungsfächer (u.a. Archivwesen, Verlagswesen oder Patentrecht). Diesem Ausbildungskonzept lag die Erfahrung zugrunde, daß in der Wirtschaft vor allem Fachleute als Informationsvermittler - Ingenieure, Naturwissenschaftler, Ökonomen usw. - verlangt werden, die die Sprache und Probleme ihrer Nutzer verstehen, aber für eine effiziente Ausführung ihrer Funktion auch eine fundierte Ausbildung im Informationswesen brauchen. Obwohl es auch hier Abstriche zu machen galt, wenn es beispielsweise um eine zu geringe Spezifik in den Lehrveranstaltungen ging (Lit. 70), so leistete das postgraduale Studium insgesamt doch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Fachkompetenz der Informationsvermittler in der ehemaligen DDR, die auch im wiedervereinigten Deutschland nicht zu übersehen ist. Mit dem (nach einem Gerichtsurteil zu Unrecht erfolgten) Abwicklungsbeschluß der Thüringer Landesregierung vom Dezember 1990 wurden vor allem die Forschungsarbeiten des Instituts INER jäh unterbrochen, die Mehrzahl seiner Mitarbeiter in alle Winde zerstreut. Die Ausbildungsaufgaben aber blieben, zumindest für die Zeit, in der sich noch Studenten der genannten Studiengänge in der Ausbildung befanden (Lit. 57, Lit. 73). Wenn auch von Mehlig (Lit. 76) und vielen anderen die generelle Abwicklung als Notwendigkeit bei der Erneuerung der Hochschulen in den neuen Bundesländern gefordert und dabei auch die Einbeziehung der Technikwissenschaften als „gestörte Gebiete" ausdrücklich verlangt wird, so gab es doch im Zusammenhang mit dem Institut INER dankenswerterweise viele Stimmen aus den sog. alten Bundesländern, die sich vehement gegen diese Entscheidung wandten, und es schließlich auch erreichten, daß im Rahmen der Wirtschaftsinfonnatik eine Professur Informationswissenschaft in bescheidenem Rahmen weiterarbeitet. Sie hat inzwischen ein Lehrund Leistimgsangebot vorgelegt (Lit. 72, Lit. 75), das die Szene in Deutschland sicher um einige interessante Facetten bereichern wird.

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Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Bewertung und Ausblick Zur Bewertung der Tätigkeit und der Ausbildungskonzepte sei als Beispiel lediglich eine Stellungnahme erwähnt (die aber durchaus im Tenor der übrigen liegt). Nach einer Tagung des Lenkungsausschusses des Komitees Praktische Informationsvermittlung (KPI) der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) am 27.07.92 in Ilmenau heißt es in dem entsprechenden Protokoll: „Für alle Teilnehmer war diese Tagung eine interessante Begegnung mit der Realität in den neuen Bundesländern und der Ausbildung der Informationsvermittler der früheren D D R , die als postgraduales Studium nach abgeschlossener Berufsausbildung strukturiert war. Diese Art der Ausbildung ist für die betriebliche Informationsvermittlung die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit in jedem Betrieb, in ganz Deutschland!"

Es gibt also gute und bewahrenswerte Traditionen, die auch für die Auszubildenden unter den neuen Bedingungen gefragt und benötigt werden. Diese und andere positive Äußerungen waren für die „Zurückgebliebenen" der beispielsweise Anlaß, das postgraduale Studium unter den neuen Bedingungen als universitäres Weiterbildungsstudium neu zu konzipieren und mit einem Pilotprojekt, das 1995 abgeschlossen wurde, zu beginnen (Lit. 75) bzw. die informationswissenschaftliche Spezialisierung künftig im Diplomstudiengang „Wirtschaftsinformatik" anzubieten (Lit. 57). Und sie waren darüber hinaus Anlaß, sich auch um die Weiterführung der Oberhofer Kolloquien Gedanken zu machen. War es im Jahre 1991 der Hochschulverband Informationswissenschaft (HI), der sein zweites ISI an diesen traditionsreichen Ort verlegte, so ist es jetzt das Komitee KPI (DGD), das als Mitveranstalter auftritt und unter dessen Regie 1994 das 18. Oberhofer Kolloquium durchgeführt wurde (Lit. 10). Maßgebend war dabei vor allem die Tatsache, daß die Familie der Informationspraktiker nun wieder gesamtdeutsch ist. Und die in der Informationspraxis Tätigen haben noch immer einen schweren Stand. Ihr Berufs- und Tätigkeitsfeld hat sich noch nicht in dem erforderlichen Maße konsolidiert. Sie gehören nicht zu den Privilegierten in diesem Land. Sie brauchen „Familientreffen der Oberhofer Art", jetzt eigentlich mehr denn je. Genau das war der Grund für die Veranstalter, den Versuch einer Fortsetzung der Kolloquiumsreihe gerade unter dem Aspekt eines Forums für die praktische Informationsvermittlung zu wagen. Anders sieht es dagegen in der IuD-Szene insgesamt aus. 1993, d.h. drei Jahre nach der Wiedervereinigung, ergab sich auf Grund einer vom Verfasser durchgeführten Umfrage folgende Bilanz: Von den ehemals rund 1.500 Informationsvermittlungsstellen (IVS) der verschiedenen Ebenen und Bereiche (vgl. Abb. 12) existierten noch etwa 200 und von den ursprünglich 6.500 Informationsfachkräften waren noch 630 in ihrem Beruf tätig. Dieser Abbau auf ca. 15 Prozent der ursprünglichen Kapazitäten übertraf noch das Ausmaß der oft beschriebenen Deindustrialisierung in der ehemaligen DDR. Und er war nicht mehr nur mit der Bereinigung der weiter oben erläuterten Ineffizienzen erklärbar, sondern mußte als Vernichtung informationswirtschaftlicher Infrastrukturen sowie als Vernichtung solcher Fachqualifikationen beurteilt werden, die an sich für den Aufbau der Neuen Bundesländer dringend erforderlich gewesen wären. Tendenzen zu einer Trendwende waren 1993 trotz einiger weniger Lichtblicke (zu denen auch die Verlagerung des Lehrinstituts für Information und Dokumentation

A 2.6 Entwicklung der Institutionen der Information und D o k u m e n t a t i o n

47

aus Frankfurt/Main an die Fachhochschule Potsdam gehörte) nicht feststellbar. In der Mitte des Jahres 1995 wurden folgende Fakten zur 1. Anzahl der I V S , zur 2. Anzahl der in ihnen beschäftigten Mitarbeiter, zur 3. regionalen Verteilung und 4. zu den Zukunftsaussichten ermittelt: (1) Die Anzahl der IVS - und das ist durchaus positiv zu werten - ist insgesamt leicht gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten in den östlichen Ländern der Bundesrepublik rund 250 Stellen, die sich als IVS verstehen. Das entspricht einem Wachstum gegenüber 1993 von immerhin 25 Prozent. Doch dahinter verbergen sich zwei sehr unterschiedliche Entwicklungen: • Von den 200 Stellen im Jahre 1993 existierten Anfang 1995 etwa 25 nicht mehr. In erster Linie waren das Neu- und Ausgriindungen, mit denen sehr früh der Sprung in die Selbständigkeit auf dem schwierigen Gebiet der Informationsvermittlung gewagt wurde und die mittlerweile gescheitert sind. Der Anteil der selbständigen IVS ging damit in dem betrachteten Zeitraum von über 20 Prozent auf etwa 10 Prozent zurück (und damit hinter den rund 14 Prozent in der „alten" BRD). • Der Zuwachs von 75 Stellen im gleichen Zeitraum ist vor allem mit der Konsolidierung der Informationsvermittlung im öffentlichen und semi-öffentlichen Bereich zu erklären. So sind die meisten neuen Einrichtungen in Innovations- und Technologiezentren und in neuen Ämtern und Behörden angesiedelt. Oder aber Bibliotheken und Archive erweiterten ihre Funktionen und verstehen sich jetzt eher als Informationsvermittlungsstellen. (2) Die Anzahl der Mitarbeiter ist gegenüber der Anzahl der IVS, deren Entwicklung allerdings auch eine Verschlechterung der Struktur und einen Rückgang des privaten Bereichs anzeigt, der eindeutig härtere Indikator, wie die folgenden Daten verdeutlichen: 1993 1994 1995 1996

600 570 550 530

Beschäftige Beschäftigte Beschäftigte Beschäftigte (lt. Personalplanungen)

Jedes Jahr müssen also weitere 20 bis 30 Mitarbeiter die Tätigkeit in den Informationsvermittlungsstellen quittieren, ohne da£ ein Ende des Schrumpfungsprozesses abzusehen wäre. Insgesamt verringerte sich der Personalbestand seit 1993 um weitere 13 Prozent. (3) Bei der regionalen Verteilnng nehmen die Ungleichgewichte zu. Eine überproportionale Zunahme der Anzahl der IVS fand in den vergangenen Jahren im Raum Berlin statt (Anteil von 9 auf 15 Prozent gestiegen), so daB das bestehende Nettowachstum der Stellen sicher zu einem guten Teil auf Entwicklungen in der Hauptstadt zurückzuführen ist. Hingegen ging die Anzahl der Informationsvermittlungsstellen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auch absolut zurück. (4) Die Zukunft der IVS wurde nach wie vor als weitgehend unsicher eingeschätzt und demzufolge düster gesehen. Jede dritte IVS rechnet in Kürze mit dem Aus. Die befragten Informationsvermittler nennen dafür vor allem folgende Gründe: • Auslaufende staatliche oder sonstige Förderung • rückläufige Zahl tatsächlicher oder potentieller Kunden (zum Beispiel als Folge der Schließung von Betrieben) • bevorstehende Privatisierung der Trägereinrichtung und damit verbundene Einstellung der Informationsvermittlung • betriebliche Rationalisierungsmaßnahmen und damit verbundenes „Abwerfen von Ballast" seitens der Geschäftsführung, die vom besonderen Wert des Produktionsfaktors Information bisher nicht zu überzeugen war. Ein Strukturwandel hat in den östlichen Bundesländern also in gravierendem Ausmaß auch in der I u D - S z e n e stattgefunden. Unterstrichen wird dieser Strukturwan-

48

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

del durch die Feststellung, daß sich im Gegensatz zu 1993, als 75 Prozent der IVS Nachfolger früherer DDR-Einrichtungen waren, heute nur noch knapp 40 Prozent auf diese Vergangenheit berufen. Außerdem gibt es nur noch vereinzelt Datenbasenproduzenten, ein Host existiert seit längerem nicht mehr. Eine Trendwende wurde bisher nicht geschafft - die Informationswirtschaft trägt sich nicht selbst. Das Wegbrechen ganzer Industrie- und Forschungslandschaften wird dabei sicher zu Recht immer wieder als Hauptursache genannt. Darüber hinaus ist es bisher - anders als teilweise im Westen - trotz intensiver Bemühungen nur wenigen ostdeutschen Informationsvermittlungsstellen gelungen, lukrative Nachbarbereiche (Trainingsseminare, Hard- und Softwarevertrieb, Unternehmensberatung usw.) zu erschließen. Und bei Kürzung oder Wegfall der unterschiedlichen und anerkennenswerten Förderungen wären weitere „Dammbrüche" unvermeidbar. In Bezug auf die technische Ausstattung, den Zugriff auf Netzdienste, die erforderliche Qualifikation, den Anteil der Eigenerwirtschaftung und andere Parametern haben sich aber die Niveauunterschiede zwischen Ost und West deutlich verringert.

A 2.6.3

Informationsvermittlnng in Deutschland zu Beginn der 90er Jahre

Durch die Mitte des Jahres 1991 durchgeführte flächendeckende empirische Untersuchung (Lit. 53) sind wertvolle Strukturdaten über den organisatorischen, personellen und technischen Zustand der Instanzen der Information und Dokumentation und der Informationsvermittlung im wiedervereinten Deutschland erhoben worden. Sie sind zu verstehen als Teil der Analyse des Informationsmarktes, stellen sie doch eine wesentliche Menge der Partizipanten dieses Marktes. Insgesamt sind 1.200 Leiter dieser Stellen oder Abteilungen nach Strukturdaten, Erfolgsfaktoren, Wirtschaftlichkeit und nach Problemzonen befragt worden. Die Ergebnisse, von denen hier nur einige zentrale dargestellt werden können, werden nach den Anteilen der neuen und alten Bundesländern aufgeschlüsselt. Mehr als 80% der antwortenden Informationsvermittlungsstellen (IVS) hatten ihren Standort in den alten Bundesländern; von diesen waren nach ihrer Organisationsverfassung: Bundesrepnblik rechtlich selbständig rechtlich unselbständig Summe

12,5% 87,5% 100 % (380)

alte BL 14% 86% 100%(313)

neue BL 6% 94% 100% (67)

Nach der Ttägerschaft (Status) der IVS aufgeschlüsselt, können wir annähernd gleiche Anteile von privatwirtschaftlicher und öffentlicher T^ägerschaft feststellen, wie dies bei den IuD-Stellen auch anzutreffen ist:

A 2.7 Veränderungen durch Informations- und Kommunikationstechnologien

Öffentlich-rechtlich Privatwirtschaftlich Mischform Summe

Bundesrepublik

alte BL

neue BL

48% 42% 10%

49% 44% 7%

47% 34% 19%

100% (367)

100% (305)

100% (62)

49

Hinsichtlich der D a u e r ihres Bestehens ergibt sich folgendes Bild: Bundesrepublik bis 2 Jahre 2 bis 6 Jahre > 6 bis 15 Jahre über 15 Jahre Summe

alte BL

neue BL

10% 23% 24% 43%

8% 27% 24% 41%

18% 8% 20% 54%

100% (373)

100%(308)

100% (65)

Die Tatsache, daß zwei Drittel aller erfaßten Stellen älter als 6 Jahre und fast die Hälfte über 15 Jahre alt sind, deutet darauf hin, daß ein großer Teil der „klassischen" IuD -Stellen sich zu dem Konzept der IVS gewandelt haben muß. Die Zahl der Mitarbeiter in den IVS zu Beginn der 90er Jahre verteilt sich bei den antwortenden IVS wie folgt: Bundesrepublik bis 1 Mitarbeiter/in > 1 bis 3 > 3 bis 7 > 7 bis 20 mehr als 20 Summe

16,5% 31% 28% 20,5% 5% 100% (377)

alte BL

neue BL

17% 30% 28% 20% 5%

15% 36% 28% 16% 4%

100%(310)

100% (67)

Auffällig hierbei ist, daß der Anteil der kleinen und kleinsten Einheiten (bis 3 Mitarbeiter/innen) mit zusammen 47,5% deutlich unter den Durchschnittswerten der IuD-Stellen liegt.

Λ 2.7

Strukturveränderungen durch die Informations- und Kommunikationstechnologieii (IuK-TechnoIogien)

A 2.7.1

Die Qualitäten der Infonnationsarbeit

IuK-Technologien haben ein Merkmal, welches sie von früheren technologischen Durchbrüchen wesentlich unterscheidet: Sie wirken nicht mehr allein in den Bereich der Produktion von Waren hinein, dem traditionellen Ansatzpunkt technischer Innovation, sondern erfassen gleichzeitig und insbesondere den Bereich der

50

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

Dienstleistungen. Ihre Wirkungen sind darüber hinaus nicht nur auf die Arbeitswelt gerichtet (innerhalb der ganz grob Produktion und Dienstleistung unterschieden wurde), sondern bestimmen in zunehmendem Maße auch Freizeit, Interesse, Hobby, sowie Form und Gestaltung der Kommunikation. IuK-Technologien in ihren verschiedenen Ausgestaltungen setzen also auf breitester Front und gleichzeitig an allen Lebensbereichen an. Betrachtet man andererseits die Veränderungen, die sich durch das Anwenden dieser IuK-Technologien beobachten lassen, so kann man ihre grundlegenden Wirkungen auf folgende kurze Formel bringen. Diese Technologien sind imstande, körperliche Arbeit mit maschineller Intelligenz auszustatten, wie sie andererseits imstande sind, aus der geistigen Arbeit Anteile herauszuziehen und diese zu mechanisieren. In großem Umfang steht also das Arbeitsfeld der „geistigen Arbeit" - der immer größer werdende Dienstleistungssektor also - vor einer grundlegenden Umstrukturierung, die tief in die Domäne der dem menschlichen Denken vorbehaltenen Arbeit eingreift. IuK-Technologien mit entsprechender Ausstattung sind also in der Lage, aus den geistigen Arbeitsprozessen bestimmte Anteile geistiger Tätigkeiten herauszuziehen und diese in die Maschine zurückzuverlagern (Lit. 95). Bestimmte Anteile geistiger Arbeit, ob dies nun im trivialen Fall alphabetische Sortierfunktionen oder Funktionen der systematischen oder chronologischen Ablage, des Auffindens von Informationen oder gar Entscheidungsfunktionen sind, werden aus dem Arbeitsprozeß herausgezogen und von der Maschine übernommen. Dies hat folgerichtig nun erhebliche Auswirkungen auf die Qualifikationsstruktur und -anforderungen der Menschen und ist in besonderem Maße dafür verantwortlich, daß sich Arbeitsinhalte und -qualitäten in der Informationsarbeit ständig verändern. Zudem ist die Rück Verlagerung von Teilen geistiger Arbeitsprozesse auf die Maschine damit verbunden, daß mit der Verlagerung eine Reduktion an Komplexität einhergehen kann. Dies kann zur Folge haben, daß die informationellen Daten keine „wahre und wahrhaftige" oder nützliche und angemessene Abbildung des Realitätsausschnittes darstellen. Dinge, die die menschliche Wahrnehmung in Beziehung zu anderen sieht, sie ganzheitlich und im jeweils gegebenen Verwertungszusammenhang erkennt, sind eben - auch wenn man die Systeme der Künstlichen Intelligenz und der Expertensysteme hier berücksichtigt - nur ausschnitthaft und unvollkommen im Computer abbildbar. Beide genannten Faktoren - Qualifikation und „Entrücktheit" von Realitäten - stellen Risiken und Herausforderungen der Informationsgesellschaft dar. Daß andererseits mit der intelligenten Anwendung von IuK-Technologien erhebliche Leistungssteigerungen und Qualitätsverbesserungen der Informationsprodukte und Dienstleistungen und der effizienten Informationsvermittlung erst ermöglicht werden, ist wohl in diesem Zusammenhang nicht weiter erklärungsbedürftig.

A 2.7.2

Die Organisationsstruktur der Informationsvennittlung

Außerhalb der qualifikatorischen und arbeitsplatzbezogenen Dimension der IuKTechnologien ist eine strukturelle - über die Einwirkungsmöglichkeit des Einzelnen hinausgehende - Tendenz absehbar. Dieser strukturell wirkende TVend ist in der

A 2.7 Veränderungen durch Informations- und Kommunikationstechnologien

51

These der drohenden „Entinstitutionalisierung" der klassischen IuD-Stellen zusammengefaßt worden (Lit. 95). In dem folgenden Schaubild werden drei Stufen der Entwicklung recht vereinfachend dargestellt, an denen dieser Prozeß verdeutlicht werden kann: A l Traditionelle Slruktur

CJ Herausbildung von neuen Instanzen der Informationsvermiltlung

= Elektronische Verbindung » Physikalische Verbindung

Abb. 14: Instanzen der Informationsvermittlung In dem obersten Schaubild (A) wird verdeutlicht, daß der Benutzer durch seine physische Präsenz die Dienstleistungen abfragt, die eine IuD-Stelle oder eine Informationsvermittlungsstelie aktiv oder passiv anbietet. Er/sie muB als Nachfrager von Informationsdienstleistungen sich entweder selbst zur IuD-Stelle bemühen oder etwa telefonisch oder per Fax nachfragen und sich die Rechercheergebnisse physisch oder elektronisch zuschicken lassen. Dieses charakterisiert die übliche Arbeitsweise der IuD-StelJen bis in die 60er Jahre hinein. Die Dienstleistungen, seien es nun Nachweise über Literatur, die Dokumente selbst oder sonstige Daten (Adressen, Projekte, Objekte, Vorgänge, Patente, Meßdaten), werden durch die Arbeit in den IuD-Stellen erst für die zielgerichtete Abfrage so aufbereitet, daB der Benutzer sie auf seine Anfrage hin thematisch zusammengehörig und in einheitlicher Form benutzen und weiterverarbeiten kann. In dieser schematischen Darstellung ist ebenso die Arbeitsweise der innerbetrieblichen bzw. innerorganisatorischen Informationsstellen oder Informationsvermittlungsstellen eingeschlossen. Mit dem Aufkommen der on-line zugreifbaren Datenbanken (Schaubild B) setzt nun eine Entwicklung ein, die nicht mehr notwendigerweise die Organisationsstniktur einer fest installierten IuD-Stelle verlangt. Dokumente wie auch Daten aller Art können nun - durch die zeitgleiche Eingabe von unterschiedlichen Orten aus - direkt, ohne die Filterfunktion einer etablierten

52

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation

IuD-Stelle eingegeben werden. Verleger, spezielle Datenbank- und Datenbasen-Anbieter (sog. content provider), die nicht notwendigerweise identisch sind mit Bibliotheken und IuD-Stellen, treten jetzt als Anbieter elektronisch gespeicherter Information auf den Plan. Andererseits ist der Benutzer durch die flexible Verfügbarkeit der elektronisch gespeicherten Information nicht mehr gezwungen, seinen Bedarf an Informationsdienstleistungen durch die IuD-Stelle abzudekken. Jede(r) hat durch die zunehmende weltweite telekommunikative Vernetzung die Möglichkeit (Lit. 84), von fast jedem Ort diese Informationen abzurufen, wenn er/sie über eine entsprechende, keinesfalls aufwendige technische Ausstattung verfügt, das „know-how" hat, und die Kosten zu übernehmen gewillt ist. Der Gang zur IuD-Stelle ist auch immer mit zeitlichen Aufwendungen und sonstigen Barrieren verbunden und wird somit tendenziell überflüssig. Die IuD-Stellen selbst verlieren in diesem Prozeß der zunehmenden Auflösung des physikalischen Zugangs zu den Informationsdienstleistungen einen Teil ihrer Output-Funktionen in der Informationsvermittlung. Andererseits werden sie diesen schrittweisen Wegfall der Funktionen dadurch wettmachen können, wenn sie das Informationsangebot durch die Neukonzeption neuer Dienste und neuer (direkt auskunftgebender) Datenbasen qualitativ bereichern oder sich auf andere Host-spezifische Funktionen konzentrieren (Nutzerwerbung, Errichtung neuer elektronischer Mehrwert-Dienste usw.). Die zunehmende Verfügbarkeit von elektronisch gespeicherten Informationen, zu der nun nicht mehr nur der Teil der wissenschaftlich-technischen Fachinformation gehört, sondern auch eine Vielzahl von wirtschaftlichen, statistischen, publizistischen, verwaltungsbezogenen Daten, deren Verfügbarkeit an vielen Arbeitsplätzen zur Problemlösung und Entscheidungsfindung strategische Bedeutung zukommt, hat nun andererseits den Bereich der Informationsvermittlung differenziert. Im Schaubild (C) ist die allmähliche Herausbildung neuer Funktionsrollen in der Informationsvermittlung schematisch dargestellt. Das nun um eine Vielzahl von Typen angereicherte Datenbasen-Angebot, das von klassischen Nachweissystemen (Referenz-Systemen) über Volltext-Datenbanken zu statistisch-numerischen und sonstigen Faktendatenbanken reicht bis hin zu aktuellen Produkt-, Hersteller- und Firmeninformationen und die große Gruppe der real-time-Wirtschaftsdatenbanken nicht ausklammert und andere neue informationelle Mehrwertdienste (etwa e-mail und Internet-Dienste) mit einbezieht, verlangt nun professionellere und differenziertere Vermittlung zu den jeweiligen Benutzerkreisen und ihren besonderen Informationsbedürfnissen. Dieses riesige Wissenspotential, auf das nun in kürzester Zeit zugegriffen werden kann, bedarf der professionellen Bearbeitung und Betreuung, sowie auch der Vermittlung von Personen, die im Bereich der Informationsarbeit Methoden und Techniken beherrschen und sich in die spezifischen Interessenlagen der Abnehmer von Information hineindenken können. Dieses Vermittlungspotential ist durch die Rollen Informationsvermittlung und Information Broker im Schaubild angedeutet, unterschlägt jedoch weitgehend die wichtige Rolle der innerbetrieblichen Informationsvermittlung und der neu aufkommenden Funktion des InformationManagements (Lit. 106), die durch den Überschneidungsbereich interne Datenbanken angedeutet ist. Profilierung und Professionalisierung der Informationsvermittlung als gesellschaftlich notwendiger Funktions- und Arbeitsbereich, verbunden mit dem zunehmend größer werdenden Verkauf von Datenbank-Inhalten hat dazu geführt, daß immer häufiger von einem Informationsmarkt - im Sinne eines eigenständigen privatwirtschaftlich verfaßten Erwerbssektors - gesprochen werden kann (Lit. 62). Obwohl die internen Strukturen dieses Marktes sehr vielschichtig und komplex sind, mehren sich die Anzeichen, daß dort der Schlüssel für die künftige Gestaltung der Informationsgesellschaft in Europa (Lit. 59) verborgen liegt. Unter dem Gesichtspunkt

A 2.8 Das Aufkommen eines Informationsmarktes

53

der strategischen Bedeutung der Information für die Unternehmen wird allerdings seit langem von der „Produktivkraft Information" (Lit. 83) gesprochen, die das Bild eines neu aufkommenden Marktes von der Abnehmerseite her abrundet.

A 2.8

Das Aufkommen eines Informationsmarktes

Die Umrisse dieses Informationsmarktes, der die Vermarktung der Information zum Ziel hat, zeichnen sich in nennenswertem Umfang auch in der Bundesrepublik Deutschland ab. Unbestritten ist, daß die Bundesrepublik Deutschland im Weltmaßstab als Datenbank- und Datenbasenproduzent ein noch vergleichsweise kleines Marktsegment darstellt, was der gesamtökonomischen Stellung nicht entspricht (Lit. 93, Lit. 95). Würde man die Marktfähigkeit dieses Angebotes in lediglich marktorientierter Weise berechnen (nach dem sog. „Headquarter-Prinzip"), fielen die Marktzahlen mit Sicherheit recht gering aus. Wird demgegenüber der anbieteroder medienorientierte Ansatz gewählt, der in den Marktanalysen inzwischen üblich geworden ist (was im folgenden geschieht), dann werden durch dieses Erhebungsverfahren deutlich größere Summen gemessen (Lit. 10). Durch die Entwicklungen der letzten Jahre bedingt, ist es - zumindest innerhalb der Europäischen Union - üblich geworden, dem Informationsmarkt nicht nur die klassischen Online-Datenbanken zuzurechnen, sondern auch die Realtime-Datenbanken und Offline-Datenbanken mit CD-ROM und Disketten sowie MagnetbandDienste. Abb. 15 zeigt die Entwicklung des deutschen Informationsmarktes von 1989 an. Unter Berücksichtigung der erhebungstechnischen und auf Definitionszuwächse zurückzuführenden Unscharfen, die solchen Schätzungen (und Erhebungen) nun einmal eigen sind, stabilisiert sich die Tendenz eines erheblichen Zuwachses des online-Marktes. Mit Wachstumsraten von durchgängig über 10% pro Jahr (Bandbreite 10,3 bis 14,8%) im Berichtszeitraum und einem Umsatzvolumen von 1,3 Mrd. Mark Ende 1994 ist der Informationsmarkt nun zu einem beachtenswerten Faktor geworden. Unter strukturellen Gesichtspunkten ist auffällig, daß innerhalb der drei Teilmärkte die Anteile der Online Real und Online Retrospective, die 1989 noch fast 94% ausmachten, fünf Jahre später nur noch gut 80% am Gesamt ausmachen, während der Bereich der Offline-Dienste - deutlich bedingt durch CD-ROM - auf fast 20% steigt. Unterteilt man die Umsätze nach inhaltlichen Kriterien, so zeigt sich, daß die Wirtschaftsinformation mit 80% aller Umsätze und deutlichen Zuwächsen unstrittig die Spitze bildet, während die Politik- und Rechtsinformation mit 15% Anteil im Jahre 1994 demgegenüber schon deutlich abfällt. Mit gerade noch 4,9% Anteil (das sind 65 Mio. DM) ist die wissenschaftlich-technische Information ein Zwerg geblieben, mit der Tendenz, daß der Anteil dieses Segmentes weiterhin sinkt. Betrachtet man das weltweite Angebot an Online-Datenbasen, so kann zum Jahresende 1995 davon ausgegangen werden, daß fast 10.000 verschiedene Datenbasen angeboten werden, wobei davon auszugehen ist, daß in diesen zwischen 6 und 7 Milliarden Datensätze (Dokumentationseinheiten) gespeichert sind. 1993 enthiel-

54

Manecke/Seeger: Entwicklung der Information und Dokumentation (Umsätze in M i l l i o n e n D M ) 1989

1990

1991

1992

1993

1994

Finanzinformationen

355,0

376,0

397,5

411,0

425,0

470,5

Newswire-Services

193,0

194,5

210,0

216,0

222,9

235,6

548,0

570,5

607,5

627,0

647,9

706,1

Kredilinformalion

50,0

68,0

103,0

129,0

156,0

189,0

Wirtschafts- u n d Rechtsinformationen*

08,0

78,0

46,9

56,1

61,1

68,9

./.

44,2

47,7

53,6

54,7

7,5

8,0

10,0

20,0

27,0

./.

./.

8,0

16,0

29,0

Online Realtime

Online Retrospective

./.

Wissenschaftlich technisch medizinische Informationen Btx-fnformationen für die Wirtschaft

7,0

• /•

Audiotex Weitere D a t e n b a n k e n (ζ. B.: statistische M a i l b o x Datenbanken)

0,7

Online insgesamt

0,8

1,1

1,3

1,5

2,0

125,7

154,3

203,2

252,1

308,2

370,6

673,7

724,8

810,7

879,1

956,1

1076,7

30,0

53,0

106,0

136,3

177,7

40,0

45,0

55,0

61,0

70,0

Offline CD-ROM

15,0

Weitere elektronische Informationsprodukte (z. &.: M a g n e t b ä n d e r , Diskettendienste)

30,0

./.

Kommerzialisierung v o n Verlagsarchiven

2,5

3,5

7,0

8,1

45,0

70.0

100,5

164,5

204,3

255,8

718,7

794,8

911,5

1043,6

1160,4

1332,5

Offline insgesamt Insgesamt

Abb. 15: Der deutsche Markt für elektronische Informationsdienste 1989 - 1994 (Lit. 10) 1989

Sachkategorie

Anzahl

1991 der

Anzahl

Datenbanken*/

1993 der

Anzahl

Datenbanken*/

Prozentanteil

Prozentanteil

der

Datenbanken*/ Prozentanteil

Wirtschaft

1687

33%

2101

33%

2644

33%

Allgemein

327

6 %

450

7 %

837

10%

Medizin/Biowissensch.

576

11%

690

11%

742

9 %

Geisteswissenschaften

184

3%

248

4 %

330

4 %

447

9 %

574

949

12%

335

7%

366

Nachrichten

186

4 %

291

Sozialwissenschaften

393

S%

453

Naturwissenschaft/Technik

996

19%

1210

iura Multidisziplinär

(akad.)

Insgesamt * Mehrfachzuordnungen

5131 möglich

(daher

100% von

|

6383

friiheren A n g a b e n

9 %

230

3%

4 %

369

4 %

7 %

473

6 %

19%

1529

19%

8103

100%

6 %

100% abweichende

Gesamtzahlen)

Abb. 16: Verteilung der Datenbasen nach Fachgebieten 1989 -1993 (Lit. 62, S. 308) ten bereits 344 Datenbasen mehr als 1 Mio. Einheiten, 9 davon mehr als 100 Mio. Läßt man diese „Dinosaurier" unberücksichtigt, dann enthält die durchschnittliche Datenbasis ca. 100.000 Datensätze (Lit. 62, S. 306).

A 2 Literatur Region

55 1991 Datenbanken Anzahl

1992 Datenbanken Anzahl

%

1993 Datenbanken Anzahl

%

%

Afrika

7

β· £· ·- O N— U aI οMβM* «*\Hk -Ik-»CIC ·ν· c—¥ · ·LICOILUCCB 9a -a«η•a- siι 3j a* Β c · Β Β β - ιft· aIDO-3IO CB-B ί πftIο0Bΐ-ΐ-ft ί- IJI¥0aC Μ J Β- Β Ι· Ν Ok ι Βi -ikiTJek- iΦIX ift i i93* i J>ΒDkΝ* i r· i·DB*· 9 ft ι τ t a 9 ο a a cc · cφ£ ι - a ft k ck«kC0·«·· Φ φ £ - β Β ': 0Ββ- Ik Χ Β-Ν βVkI Β-I 3 ιCa C Β

9M

Abb. 10: Systemleistungen von TWRM-TOPOGRAPHIC (Lit. 44.)

Β 3.3 Automatische Verfahren des Abstracting

111

kann nur nach dem Aufbau einer Wissensbasis aus einem anderen Bereich auf andere Fachgebiete angewendet werden. Auf die Prinzipien der Textanalyse des TOPIC-Systems gehen wir hier nur insoweit ein, als es zum Verständnis der Outputleistung von TWRM-TOPOGRAPHIC notwendig ist (vgl. Lit. 43.; Lit. 83.). Die Textanalyse, basierend auf einem Frame-Modell (Lit. 82.) und einem Wortexperten-Parser (Lit. 41.), überführt die im Text als zentral identifizierten sprachlichen Einheiten in die Wissensrepräsentationsstruktur des Frame-Modells. Als Ergebnis von TOPIC wird ein konzeptueller Textgraph bereitgestellt (Abb. 9), welcher die Basis für die weitere Verarbeitung in TWRMTOPOGRAPHIC darstellt. Textgraphen sind als hierarchische Netze aufgebaut und repräsentieren die Textthemen eines Ausgangstextes auf verschiedenen Abstraktionsniveaus. Die unterste Ebene eines Textgraphen besteht aus sogenannten Basis-Textkonstituenten. Eine Basis-Textkonstituente spiegelt die kleinste thematisch zusammengehörige Texteinheit wider, graphisch realisiert in Form eines hierarchischen Netzes (vgl. Abb. 9). Wir nennen Basis-Textkonstituenten deshalb auch Themenbeschreibungsgraphen (TBS). In einer gewissen Vereinfachung kann man unter einer Basis-Textkonstituente die semantische Darstellung eines Textabschnitts, z.B. eines Absatzes, verstehen. Ein Textgraph ist somit ein Beispiel für eine Textwissensstruktur, aus der bei einem wissensbasierten Ansatz Kondensate abgeleitet werden. TWRM-TOPOGRAPHIC bietet dem Benutzer auf der Basis dieser durch TOPIC bereitgestellten Analyseergebnisse beim Retrieval flexible Outputmöglichkeiten an. Für diese Outputleistung haben wir den Begriff des kaskadierten Kondensierens geprägt (vgl. Lit. 59.), durch das über verschiedene Stufen, angefangen von relativ generischen Konzepten der Wissensbasis bis hin zu den konkreten Ausgangstexten, Welt-, aber vor allem Textwissen präsentiert werden kann. Dabei ist versucht worden, weitgehend mit graphischen Strukturen zu arbeiten. Der Generator von TWRM-TOPOGRAPHIC erzeugt also auf der Basis der Information der Textgraphen graphische Objekte als Ausprägungen informationeller Objekte. Informationelle Objekte werden in den unterschiedlichen Phasen einer Retrievalsitzung als graphische Objekte nach einer Benutzeranfrage realisiert. Abb. 10 gibt einen Überblick über einige mögliche Systemleistungen während einer Retrievalsitzung. In Abb. 10 erkennt man oben rechts eine auf die Frageformulierung passende Textkonstituente in graphischer, darunter in textueller Form. Der Benutzer kann in den als relevant ermittelten Textkonstituenten „browsen", wobei für diese wegen der Möglichkeiten von gewichteten Frageformulierungen ein Ranking nach Bedeutung bzw. Einschlägigkeit möglich ist. Ebenfalls sind auf dieser Ebene bilbiographische Informationen erhältlich (angedeutet in der Gesamtübersicht in Abb. 10). Wenn sich eine Textkonstituente als besonders einschlägig erweist, so kann die entsprechende Textpassage in ihrer originalen textuellen Gestalt angeschaut werden (im unteren rechten Fenster von Abb. 10). Kommen im betreffenden Textabschnitt Graphiken vor, so können diese in „gescannter" Form ebenfalls abgerufen werden. Häufen sich die relevanten Textpassagen in einem Text, so wird dies sicherlich als Indikator für einen besonders einschlägigen Text interpretiert. Da das System auf die Volltexte zurückgreifen kann (bei einem realistischen Einsatz sollte ein Kondensierungssystem auf einer Volltextdatenbank aufsetzen), kann der Benutzer in den Voll-

112

Kuhlen: Abstracts - Abstracting

α Iκ .» β 2

5.S

I*.

J

Abb. 11: Klassifiziertes Textfragment (Lit. 44.)

Η

Β 3.3 Automatische Verfahren des Abstracting

113

texten der als relevant ermittelten Textkonstituenten blättern, wobei die Passagen, die als Basis der als relevant erkannten Textkonstituenten fungiert haben, invertiert dargestellt werden können. Wir sehen also, daß sich die Kondensierungsleistung in eine Vielzahl möglicher Ausgabeangebote ausdifferenziert. Zusätzlich ist eine klassische Abstract-Ausgabe möglich. In der Mitte von Abb. 10 erkennt man noch ein Fenster mit dem Titel „indikativ-informatives Abstract". Diese Abstracts sind nicht vorfabriziert abgespeichert, sondern werden im Augenblick des Retrieval aufgrund der speziellen Frageformulierung aus den Textwissensstrukturen „in time" generiert. Die Generierung beruht auf einem Modell, das gleichermaßen Ergebnisse der Textlinguistik (thematische Progressionsrauster, Diskursstrategien) und der Wissensrepräsentationstechnik berücksichtigt. Ausgangspunkt des Generierens ist eine aktuelle individuelle Benutzerfrage, die auf die Textwissensbasis abgebildet wird. Aus der Menge der für die Frage als relevant identifizierten Basis-Konstituenten (die untere Ebene eines Textgraphen), die zu einem Text gehören, werden zunächst die zentralen Textthemen (die Hauptthemen, im Frame-Modell die Instanz-Frames), deren generische Klassen (im FrameModell die Prototype-Frames) und ihre Merkmale (im Frame-Modell die Slots) nebst ihren Ausprägungen (im Frame-Modell die Slot-Einträge) bestimmt. Abb. 11 zeigt ein solchermaßen klassifiziertes Textgraphenfragment, das als einschlägig für eine Benutzeranfrage identifiziert wurde. Dieses Textgraphenfragment wird nun auf ein mögliches Textgenerierungsmuster hin überprüft. Diese Muster gehen davon aus, daß Texte, vor allem in fachsprachlichen Umgebungen, häufig entsprechend ihrer Art der Themenentwicklung strukturiert werden. Entsprechend können auch Abstracts strukturiert werden. In dem folgenden Beispiel ist das Muster „vergleichende Gegenüberstellung mehrerer verwandter Hauptthemen" als adäquat für die Konstituente aus Abb. 11 erkannt worden, da Aussagen zu zwei Hauptthemen auf dem gleichen hierarchischen Niveau (zu „Amiga" und „Zenon-X") gemacht werden. Zur Generierung wird dann noch eine Diskursstrategie benötigt. Diese besteht aus Regeln (z.B. „Nenne die Hauptthemen des Textes und deren gemeinsame generische Klasse!" oder „Nenne die Merkmale, die allen Hauptthemen gemeinsam sind!"), mit denen die Produktion eines realen Textes entsprechend dem Muster gesteuert werden kann. Da aus dem Textgraphenfragment kein vollkommen natürlichsprachiges Abstract generiert werden kann (das in Abb. 11 dargestellte Textwissen ist syntaktisch nicht differenziert genug strukturiert), kommen standardisierte Syntaxmuster, sogenannte „Templates" zum Einsatz. Templates bestehen aus vorgegebenen Syntaxfragmenten mit Variablen, in welche die durch die Textanalyse ermittelten aktuellen Werte eingesetzt werden. Beides zusammen - standardisiertes Fragment und aktuelle Werte - ergeben dann einen (quasi-) natürlichsprachigen Satz. Die oben angegebene erste Regel der hier relevanten Diskursstrategie kann in einer Template-Struktur wie folgt dargestellt werden: Der Artikel handelt über (ART) (GENERISCHE KLASSE) (HAUPTTHEMEN). Entsprechend müssen die Platzhalter im Template, die hier durch Großbuchstaben gekennzeichneten Variablen, mit den aktuellen Werten aus dem Textgraphenfrag-

114

Kuhlen: Abstracts - Abstracting

ment gefüllt und noch morphologisch und oberflächen-syntaktisch angepaßt werden. Der erste Satz eines zu generierenden Abstracts kann wie folgt generiert werden: Der Artikel handelt über die Mikrocomputer [GENERISCHE KLASSE] Amiga [HAUPTTHEMA-1 ] und Zenon-X [HAUPTTHEMA-2]. Unter Anwendung sämtlicher Regeln der hier einschlägigen Diskursstrategie bzw. der ihnen zugeordneten Templates kann das folgende vollständige Abstract aus dem Teilgraph von Abb. 11 generiert werden (die aktuellen Werte aus Abb. 11 sind hervorgehoben): (1) Der Artikel handelt über die Mikrocomputer Amiga und Zenon-X. (2) Die Peripheriegeräte und die Preise der Mikrocomputer werden vergleichend gegenübergestellt. (3) Für den Amiga gibt es die Peripheriegeräte Mouse, Bildschirm, Farbdrucker und Sprachengenerator·, für den Zenon-X Tastatur, Mouse und Graphik-Bildschirm. (4) Der Amiga kostet 10.000,- DM, während der Zenon-X 15.000,- DM kostet. (5) Außerdem wird auf die Anwendersoftware des Amiga und die Programmiersprache des Zenon-X eingegangen. Wollte ein Benutzer anstelle des informativen Referats ein indikatives anschauen, dann würde die Generierung auf der unteren Ebene entfallen, d.h. es blieben die Sätze bzw. Templates ausgespart, in denen die Variablen mit konkreten Angaben (aktuelle Slot-Einträge) gefüllt werden. Aus dem obigen Beispiel-Abstract blieben die Sätze 3 und 4 unberücksichtigt. Automatisch produzierte Abstracts als „in time"-Reaktionen auf konkrete Benutzeranfragen lösen auf besonders plastische Weise die Forderung nach Flexibilisierung und Individualisierung von Information ein. Wir sind aber im Sinne des Prinzips des kaskadierten Kondensierens der Ansicht, daß gegenwärtige Kondensierungsprobleme nicht auf klassische textuelle Produkte beschränkt bleiben müssen, sondern variable Optionen bereitstellen sollten, um Wissen aus Texten in Formen aufzubereiten und zu präsentieren, die unterschiedlichen Rezeptions- und Informationsverarbeitungsgewohnheiten von unterschiedlichen Benutzern entgegenkommen können. Bislang liegt zu wenig empirisch gesichertes Wissen darüber vor, unter welchen Bedingungen welche mediale Form oder welche Aggregationsstufe für welchen Benutzer angemessen ist. Th>tz zum Teil eindrucksvoller Ergebnisse der gegenwärtigen Forschung zurTextgenerierung und zum automatischen Kondensieren sind die automatischen Verfahren in mittlerer Perspektive noch nicht robust genug, um den Bedarf nach Referenzprodukten in gedruckten oder elektronischen Informationsdienstleistungen abdecken zu können. Dagegen sprechen vor allem die Quantitätsanforderungen der Informationspraxis und die nach wie vor bestehenden Barrieren zur automatischen Akquisition von Wissen, auf die wissensbasierte Verfahren angewiesen sind. Die Richtung ist aber eindeutig vorgezeichnet, und wichtiger als die bloße Automatisierung scheint uns die damit möglich werdende Flexibilisierung und Individualisierung von Information zu sein, die immer wieder in den Theorien des Abstracting „angemahnt" worden sind.

Β 3 Literatur

115

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120

Β4

Indexieren, Klassieren, Extrahieren Gerhard Knorz

Β 4.1

Einleitung

Konventionelle Textkondensierung, wie sie Kurzreferat (und Titel) darstellen, können nur mittelbar einen inhaltsorientierten Zugriff auf Dokumente ermöglichen. Ein unmittelbarer Zugriff auf den Inhalt eines Dokumentes über ein entsprechendes Retrievalsystem (im weitesten Sinne) soll dagegen durch Indexieren und Klassieren angelegt werden. Beispiel Die exemplarische DokumeDtationseinheit aus einer Physik-Datenbasis (Abb. 1) illustriert den Gegenstandsbereich dieses Kapitels: Es interessieren hier nicht die formalen Kategorien AN, AU, SO, CY, DT, und LA (siehe dazu Kapitel Β 2), sondern zunächst die Kategorien CC und CTi CC: Jedes Dokument wird in einige wenige Klassen (hier: durchschnittlich in 2 bis 3) eingeordnet, die durch eine Klassifikationsnotation bezeichnet werden. Grundlage ist ein 3-stufiges monohierarchisches Klassifikationssystem, bestehend aus der ersten, der zweiten und den beiden folgenden Dezimalen. Insgesamt stehen über 500 verschiedene Klassen zur Verfügung. CT Jedem Dokument werden nach den für die Datenbasis zuständigen Indexierungsregeln (hier) durchschnittlich ca. 12 Deskriptoren aus einem Thesaurus mit über 20.000 Begriffen zugeordnet. Das CT-Feld ist demnach des Ergebnis des Indexierens, bei dem Index Terms einer dokumentarischen Bezugseinheit nach einem vorgegebenem Indexierungsverfahren zugeordnet werden (Lit. 17, 24-24-2). Das CC-Feld ist das Ergebnis des Klassierens, bei dem Elementen (hier: Dokumenten) Klassen (hier: benannt durch Klassifikationsnotationen) zugeordnet werden (Lit. 17, 42-27-1). AN TI AU SO CY DT TC LA AB

CC CT

ET

87(17):81072 PHYS Oxygen content of superconducting Ba2YCu 306.5 +x. Hauck, J.; Bickmann, K.; Zucht, F. (Inst, für Festkörperforschung, Kernforschungsanlage Juelich (Germany , F. R.)) Z. Phys.,b. (Jul 1987)v. 67(3) p. 299-302 ISSN 0722-3277; CODEN ZP880 GERMANY, FEDERAL REPUBLIC OF Journal Experimental English Single-phase non-stoichiometric Ba2YCu306.5 +x with -0.248 < χ > 0.300 can be obtained by annealing pre reacted samples at 0.01-1 bar oxygen parial pressure. Samples with χ = -0.248 are semiconducting, samples at 0.239 < χ > 0.300 are metallic with Tc increasing from 92.2 to 94.0 Κ for annealing in 0.02-1 bar 02. (orig.) »7470; 7410; 8140 BARIUM OXIDES; "YTTRIUM OXIDES; COPPER OXIDES; QUATERNARY COMPOUNDS; CUP RATES; STOICHIOMETRY; ANNEALTING; ELECTRIC CONDUCTIVITY; 'SUPERCONDUCTIVITY; TRANSITION TEMPERATURE; LOW TEMPERATURE; X-RAY DIFFRACTION; THERMAL GRAVIMETRIE ANALYSIS; TEMPERATURE DEPENDENCE; QUANTITY RATIO Ba*Cu*0*Y; Ba sy 4; sy 4; Cu sy 4; 0 sy 4; Y sy 4; Ba2YCu306.5+x; Ba cp;Y cp; Cu cp; Ο cp; 02

Abb. 1: Dokumentationseinheit aus der Datenbasis PHYS (FIZ Karlsruhe)

Β 4.1 Einleitung

121

Drei Eigenschaften des hier gezeigten CT-Feldes sind für das weitere bemerkenswert: - Die Index Terms, die Deskriptoren, entstammen aus einem kontrollierten, verbindlichen Vokabular (siehe dazu das Kapitel über Thesauri - Β 6). Sie müssen im Text des Dokumentes nicht notwendigerweise explizit vorkommen („Additionsmethode"). - Die zugeteilten Deskriptoren stehen offensichtlich völlig gleichrangig und ohne gegenseitige Bezüge nebeneinander („gleichordnende Indexierung"). Tatsächlich ist es hier jedoch so, daß (hier nicht sichtbar) einige Deskriptoren als sogenannte „Main Headings" ausgezeichnet sind, denen jeweils noch ein anderer Deskriptor als „Qualifier" zugeordnet ist. Diese reduzierte und in der Form komplexere Indexierung hat jedoch nur für ein zusätzlich gedrucktes Register Bedeutung. - Die Deskriptoren werden in einem 2-stufigen Prozeß zugeteilt: Ein Programm (das AIR-System; siehe dazu Lit. 15 und Abschnitt Β 4.6.2) analysiert Titel und Abstract und ermittelt auf der Grundlage eines umfangreichen Regelwörterbuchs die potentiell relevanten Deskriptoren. Ein Indexer kontrolliert die automatisch erzeugte Indexierung anhand des Originaldokumentes und modifiziert sie gegebenenfalls. Ziel dieses maschinell gestützten Vorgehens ist die Verbesserung der Qualität gegenüber rein automatischer oder manueller Bearbeitung (siehe dazu Lit. 15, Lit. 16). Als Ergebnis einer speziellen Art automatischer Indexierung kann das ET-Feld aufgefaßt werden: Es enthält die im Titel oder Abstract vorkommenden Formeln in einer standardisierten und damit besser recherchierbaren Form. Im Gegensatz zum CT-Feld entstammen die Index Terms direkt aus dem Text („Extraktionsmethode"), und die zugeteilten Ausdrücke haben auch eine syntaktische Struktur. Der Treatment-Code im CT-Feld ordnet die Arbeit in die Klasse der experimentellen, theoretischen oder sonstigen Dokumente ein. Die Tatsache, daß alle sinntragenden Textwörter im Titel (ΊΊ) und in der Kurzfassung (AB) recherchierbar sind, kann ebenfalls als eine vom Verfahren her triviale, wenngleich zweifellos effektive Art von „automatischer Indexierung" aufgefaßt werden. Die für dieses Kapitel einschlägigen Normen sind die 3 Teile der DIN 31623 (Lit. 06), auf die sich Terminologie und Darstellung im folgenden abstützen. Auf eine Zitierung im einzelnen wurde verzichtet, allerdings auch auf eine vollständige Abdekkung der in der Norm dargestellten Inhalte. Statt dessen wird den Möglichkeiten (und Grenzen) automatischer Indexierungsverfahren größerer Raum gegeben. Die zusätzliche Lektüre der Norm 32623 wird dem Leser daher sehr empfohlen. Darüber hinaus soll auf folgende Literatur hingewiesen werden (gerade auch im Hinblick auf das eher konventionelle Indexieren): Lit. 20, Lit. 03, Lit. 12, Lit. 08. Weitere Zitate folgen im Text.

122

Β 4.2

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

Indexieren ist zweckbestimmt

Indexieren ist stets nur Mittel zum Zweck (im folgenden soll, wo Mißverständnisse ausgeschlossen sind, „Indexieren" auch „Klassieren" und „Extrahieren" subsumieren). Dies hat u.a. zur Folge, daß eine Definition von „guter Indexierung" notwendigerweise unbefriedigend bleiben muß, solange nicht der aktuelle Zweck genau spezifiziert ist: Indexierung für ein Retrieval (etwa Patent-, Produkt- oder Forschungsrecherche, Suche nach audiovisuellen Medien), für ein gedrucktes Register oder für Spezialauswertungen (z.B. die Erstellung spezieller Reports, wie etwa über den aktuellen Stand eines komplexen Vorhabens). Retrievaloperationen: Für die Auswahl und Ausgestaltung des anzuwendenden Indexierungsverfahren sind die (Retrieval-)Operationen in Rechnung zu stellen, die auf dem Indexierungsergebnis ausgeführt werden sollen (bzw. können): - gezieltes Auffinden eines Dokumentes aufgrund eines zugeteilten Index Terms (gegebenenfalls weiteres lineares Suchen in der „Nähe" der Fundstelle). - Kombination verschiedener zugeteilter Index Terms während der Recherche mit Hilfe aussagenlogischer Operatoren und/oder einer Gewichtung. - Möglichkeit der Einbeziehung von syntagmatischen (Roles und Links) oder paradigmatischen (Taxonomie im Begriffssystem) Relationen zwischen Suchbegriffen während der Recherche. - Möglichkeiten zur Thinkierung, Anwendung von Kontextoperatoren oder speziellen Suchtechniken wie der phonetischen Recherche. - Möglichkeit, die Suche in verschiedenen Arten von Indexierungsergebnissen miteinander zu kombinieren.

Wird heute für ein elektronisches Medium indexiert, kann davon ausgegangen werden, daß jede Art angebotener Inhaltserschließung unter Nutzung aller üblichen Retrievaloperationen bei der Recherche in Kombination genutzt wird. Es gibt (noch) PC-Systeme, speziell für den Bibliotheksbereich, die diesen Leistungsumfang nicht bieten, Karteikartensysteme und gedruckte Register sind in ihren Möglichkeiten grundsätzlich sehr beschränkt. Anforderungen: Entscheidend für Auslegung eines Indexierungsverfahrens sind die Anforderungen, die an das aufzubauende Informationssystem gestellt werden: - Welchen Stellenwert hat die Aktualität der nachgewiesenen Dokumente? - Gibt es a priori Präferenzen hinsichtlich Precision (Toleranz gegenüber Ballast, siehe Abschnitt Β 4.7.3 mit Abb. 4) oder Recall (Toleranz gegenüber unvollständigen Suchergebnissen)? - Gibt es spezielle Problemklassen für die Formulierung von Suchfragen? Beispielsweise schulenabhängige Begriffssysteme (wie etwa u.a. in der Politikwissenschaft), sehr präzise definierte Sachverhalte (die auch entsprechend präzise selektiert werden sollen) wie u.a. in der Kernphysik oder der Chemie, oder aber unscharf definierte Zielinformation (wie etwa bei der Recherche nach Namen, die nur lautsprachlich bekannt sind).

Β 4.3 Indexieren ist von Randbedingungen abhängig

Β 4.3

123

Indexieren ist von Randbedingungen abhängig

Wichtige Gesichtspunkte bei der Auswahl eines Indexierungsverfahrens liefern Eigenschaften der zugundeliegenden (bzw. der zu erwartenden) Dokumentenmenge: - Die Größe und vor allem die inhaltliche Heterogenität der Sammlung: Sie bestimmt wesentlich dieTYennschärfe, mit der bei der Indexierung gearbeitet werden muß. - Heterogenität bezüglich der Sprache·, mehrsprachige Sammlungen machen Inhaltserschließung (beginnend mit Titelübersetzung und Referieren) unumgänglich. - Die Art der Darstellung der interessierenden Sachverhalte: textuell (s.u. ), in 1- oder 2-dimensionalen Formeldarstellungen (z.B. in der Chemie), in Tabellen (in empirischen Wissenschaften), in Audio-Form (Medien-Dokumentation von Geräuschen oder von gesprochenen Äußerungen), in Graphiken (z.B. in einer Konstruktionsdatenbank), in Bildern (z.B. in Pressedatenbanken) oder Video-Form (Mediendokumentation) oder zunehmend häufig in Mischformen („multimediale Dokumente"). In der Regel muß man sich bei nicht-textueller Vorlage auf Klassifikationssysteme abstützen oder sich mit sprachlich codierter Inhaltserschließung behelfen: Z.B. Verfassen einer textuellen Beschreibung oder durch Schlagwort-Vergabe. Erste automatische Verfahren zur Indexierung von Bild- und Audio-Material sind in Entwicklung. - Der Stellenwert, den Probleme sprachlicher Benennungen in dem vorgegebenen Textmaterial haben: Homonymie, Polysemie, Wortformen-Varianten (z.T. sprachabhängig), Formulierungsvarianten, Abkürzungen (speziell: ad-hoc-Abkürzungen!), implizite Darstellungen, verschleiernde Darstellungen (wie z.T. etwa im Patentbereich), besonders standpunktabhängige Beschreibungen (z.B. in den Sozialwissenschaften). - Die Selbständigkeit des einzelnen Dokumentes: Bürodokumente oder Dokumente im World Wide Web beispielsweise sind durch vielfältigen Bezug auf andere Dokumente gekennzeichnet. Weiterhin ist nach den verfügbaren Ressourcen zu fragen: - Sind qualifizierte Indexiererlnnen vorhanden? Soll bei akzeptabler Qualität ein hoher Durchsatz erreicht werden, so muß die personelle Fluktuation niedrig gehalten werden. Inwieweit kann bei Einsatz maschineller Verfahren der anfallende Pflegeaufwand geleistet werden? - Inwieweit ist eine manuelle Indexierung vom Zeitaufwand und der organisatorischen Einbettung her überhaupt möglich? - Inwieweit ist maschinelle Unterstützung (für Wörterbuchzugriff, Eingabe, Ergebniskontrolle, Vorbereitung der Indexierung) verfügbar? - Welche Werkzeuge (Thesauri, Klassifikationssysteme, Wortlisten) sind vorhanden? - Welche Teile des Dokumentes sind zur Indexierung aktuell verfügbar? Zusammenfassung, Volltext, Abbildungen? Die neben allen fachlichen Aspekten entscheidende Frage nach dem insgesamt akzeptiertem Aufwand für Inhaltserschließung schließt den Kreis: Inhaltserschließung ist Mittel zum Zweck und wenn der resultierenden Informationsdienstleistung geringe Bedeutung zugemessen wird, kann beim Aufwand für den Input nur entsprechend knapp kalkuliert werden.

124

Β 4.4

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

Entwurfsentscheidungen bei der Auslegung eines Indexierungsverfahrens

Welches sind nun die methodischen Freiheitsgrade, mit denen auf unterschiedliche Zweckbestimmungen und Ausgangsvoraussetzungen reagiert werden kann?

Β 4.4.1

Prä- und Postkoordination

Der Benutzer heutiger Textdatenbanken versucht, seine Suchfrage als Kombination einzelner Index Terms auszudrücken. Damit setzt er das komplexe Suchthema zum Retrievalzeitpunkt aus einfacheren Suchbegriffen zusammen: Post-Koordination. Die Alternative ist, die einzelnen Index Terms bereits zum Indexierungszeitpunkt zu komplexen Themenbeschreibungen zusammenzusetzen: Prä-Koordination. Sind solche Themenbeschreibungen bereits im Vokabular verankert (als Komposita oder Nominalgruppen), so spricht man von Prä-Kombination. - Ein Beispiel präkombinierter Systeme ist die monohierarchische Klassifikation, die in allen Fällen, in denen nachvollziehbare Einteilungsgesichtspunkte in einer natürlichen Reihenfolge gefunden werden können, durch ihre einfache und effiziente Struktur besticht. Wenn ein Weltauschnitt jedoch - was die Regel ist - tatsächlich vielschichtiger ist, dann wirken sich die Unbeweglichkeit und die vielfach nicht vermeidbaren inneren Widersprüche des Klassifikationssystems für die Anwendung negativ aus. - Beispiele für präkoordinierte Systeme sind Facettenklassifikationen oder auch komplexe Nominalgruppen zur Darstellung der in Dokumenten behandelten Themen. Der Weg von einer Suchfrage zu einer zugeteilten Nominalgruppe kann aber wegen der größeren Flexibilität und des gröBeren Variantenreichtums natürlicher Sprache nicht ganz so einfach sein wie der zu einer zugeteilten Klassifikationsnotation.

Das Prinzip der Postkoordination wurde in den frühen 50er Jahren als Reaktion auf die zu dieser Zeit gebräuchlichen Klassifikationssysteme und deren grundsätzliche Beschränkungen von Mortimer Taube eingeführt. Er entwickelte für Forschungsberichte der US ASTIA ein System von elementaren Basisbegriffen („Uniterms"), von denen einem Dokument etwa 10-20 zugeordnet wurden. Für Speicherung und spätere Postkoordination war ein spezielles Karteikartensystem notwendig. Daß der Rechner das geeignete Instrument für die Anwendung und Weiterentwicklung dieses Ansatzes war, liegt auf der Hand. Die Nachteile des puristischen Uniterm-Verfahrens sind ebenfalls leicht einzusehen: Eine auf elementaren Basiskonzepten beruhende Indexierung ohne zusätzliche syntaktische Ausdrucksmittel muß notwendigerweise bei steigender Dokumentenanzahl eine unzumutbare Zahl von Fehl-Koordinationen provozieren: {Maschine, Mensch, Indexierung, Anwendung,Test)

läßt völlig offen, ob es sich um „die Anwendung manueller Indexierung und den Test automatischer Indexierung", oder um „Test und Anwendung einer maschinell gestützten Indexierung geht". Weitere Interpretationen des Beispiels sind möglich.

Β 4.4 Entwurfsentscheidungen Β 4.4.2

125

Art der Indexlerungssprache

Wenn, wie z.B. bei Registern, eine primär manuelle Suche stattfindet, können Nominalgruppen, Titel oder auch Kurzfassungen durchaus als Indexierungsergebnisse mit natürlichsprachigem Vokabular und natürlicher Syntax angesehen werden. Wird dagegen maschinell recherchiert, wird also das Indexierungsergebnis von einem formalen System manipuliert und „interpretiert", so ist es zweckmäßiger (bzw. realistischer), das Ergebnis des Indexierens als einen Ausdruck einer formalen Sprache zu betrachten, der aus lexikalischen Einheiten zusammengesetzt ist und eine (künstliche) Syntax besitzt. Indexierungsvokabulan Beim Vokabular einer Indexierungssprache ist ein kontrolliertes, verbindliches von einem offenen, freien Vokabular zu unterscheiden. Ein kontrolliertes Vokabular, wie es etwa die Notationen eines Klassifikationssystems oder die Deskriptoren eines Thesaurus darstellen, vermeidet viele Probleme offener Systeme, die sich etwa der in den Dokumenten vorkommenden Fachbegriffe bedienen: Die Form der Benennung und die systembezogene Bedeutung kann grundsätzlich soweit erforderlich festgelegt werden. Andererseits muß jedes Mehr an Kontrolle (beispielsweise in Form einer Relationierung von Deskriptoren) mit recht hohem Aufwand für Erstellung und Pflege bezahlt werden. Die Analyse von Indexierungsfehlern zeigt, daß bei Verwendung umfangreicher Thesauri auch der erfahrene und spezialisierte Indexierer ohne Nachschlagen in keinem Falle auskommt. Die Nachteile aus fachlicher Sicht zeigen sich, wenn zur Indexierung eines Sachverhalts keine adäquaten Deskriptoren zur Verfügung stehen: Dies geschieht schon deshalb zwangsläufig, weil die fachliche Entwicklung eines Gebietes auch dem aktuellsten (verbindlichen) Vokabular (mindestens) einen Schritt voraus ist. Es empfiehlt sich daher, neben verbindlichem Vokabular auch freies Vokabular ergänzend zuzulassen. Die Formulierung der freien Index Terms sollte sich an die vorgefundene Formulierung im Text anlehnen sowie prägnant, reproduzierbar und eindeutig sein. In (Lit. 06, Abs. 3.3.2 und 4) sind detaillierte Richtlinien für die Begriffs· und Benennungsanalyse bei der Formulierung freier Deskriptoren angegeben. Indexierungssprachen-Syntax: Die Syntax (zur Darstellung syntagmatischer Beziehungen) ist bei den meisten Indexierungssprachen sehr schwach ausgeprägt. Der Einsatz syntaktischer Sprachmittel dient primär der präziseren Darstellung von Themen und damit (beim Retrieval) der Reduzierung von Ballast. Er erfordert ein tieferes Verständnis des Dokumentinhalts und eine besondere Sorgfalt, wenn ein in sich konsistentes Indexierungsergebnis erreicht werden soll, das den erhöhten Aufwand rechtfertigt. - Bei der gleichordnenden Indexierung (coordinate indexing) fehlt jede Art von (syntagmatischen) Beziehungen zwischen Deskriptoren: Die Indexierung besteht aus einer Menge (im mathematischen Sinn) von gleichberechtigten Index Terms. - Wann immer einer Indexierung zugeteilte Index Terms nicht völlig gleichberechtigt sind, sind mehr oder weniger ins Auge fallende syntaktische Mittel unverzichtbar, um die Relationen zwischen den Zuteilungen auszudrücken. Aus diesem Grund hat sich die unglückliche Bezeichnung syntaktische Indexierung etabliert (und findet sich so auch in der DIN wieder), die

126

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

nicht den Charakter des Gemeinten ausdrückt, sondern ein damit verbundenes Oberflächenphänomen. Als treffendere Bezeichnung könnte strukturierte Indexierung gewählt werden.

Strukturierte Indexierung: Als strukturierte Indexierung der einfachsten Form kann bereits ein Text verstanden werden, der im „Freitext" unter Verwendung von Kontextoperatoren recherchierbar ist (siehe Abschnitt Β 4.5.2): Jedes bedeutungstragende Wort ist ein suchbares Stichwort, und so besteht die Indexierung aus einer Folge (Sequenz) von Index Terms. Die Nachbarschaftsbeziehungen der einzelnen Wörter bleiben erhalten und können bei der Suche berücksichtigt werden. Eine andere Interpretation einer Reihung liegt vor, wenn Index Terms nach Wichtigkeit geordnet sind. Vor allem automatische Indexierungsverfahren ordnen Deskriptoren oft Gewichte zu, die eine weitere Differenzierung darstellen (siehe Anschnitt Β 4.5.4): Indexierung, Linguistisches Verfahren, Evaluierung oder: Indexierung (1.00), Linguistisches Verfahren (0.8), Evaluierung(0.4)

Genauso wie man in der natürlichen Sprache über die Neubildung zusammengesetzter Wörter (Präkombination) hinaus komplexe Begriffe als Nominalphrasen oder Teilsätze konstruieren kann, so können mehrere Index Terms durch syntaktische Mittel zu einer neuen Einheit zusammengesetzt werden, um den gemeinten Begriff präziser zu benennen: {Bedarf, Technik, Information} als gleichordnende Indexierung läßt offen, ob es sich um Informationen über Bedarf an Technik oder aber um Bedarf an Informationstechnik geht. Mit einer Klamnmerstruktur, die die Abhängigkeitsstruktur nachzeichnet, läßt sich das Gemeinte klarlegen: (Information (Bedarf Technik)) (Bedarf (Technik Information))

Diese Art der Darstellung gibt an, welcher Begriff durch welchen anderen Begriff spezifiziert wird. Sie geht bereits über solche einfache Varianten hinaus, mit denen mittels sogenannter „links" (Kopplungsindikatoren) markiert wird, welche Index Terms inhaltlich zusammen gehören: (1) automatisch, (1) Evaluierung, (1) Grundformenreduktion, (2) Indexierung, (2) manuell, (2) natürlichsprachlich für (automatisch, Grundformenreduktion, Evaluierung), (manuell, natürlichsprachlich, Indexierung)

In der Regel überschneiden sich die einzelnen Deskriptor-Teilmengen. Das (technische) Zusammenfassen und Abgrenzen verschiedener Teilmengen von Indexierungsergebnissen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: Durch separate Indexierungsfelder, durch andere Gliederungseinheiten des Retrievalsystems oder aber durch Nummern wie im Beispiel. Es soll hier auf solche Details nicht eingegangen werden (siehe dazu Lit. 06, Teil 3, Abs. 7.3). Für die Präzisierang von Fällen wie Lösung in Wasser vs. Lösung mit Wasser reichen Abhängigkeitsstrukturen nicht aus. Die natürliche Sprache, die sich hier der Präpo-

Β 4.4 Entwurfsentscheidungen

127

sitionen bedient, stellt das Problem der nahezu unerschöpflichen Formulierungsvarianten mit der Schwierigkeit, die Übereinstimmung bzw. semantische Nähe verschiedener Formulierungen formal bestimmen zu lassen (wäßrige Lösung, in Wasser gelöste X, eine mit Wasser hergestellte Lösung, wird zunächst unter Verwendung von Wasser gelöst, wird in Alkohol oder in Wasser vorsichtig gelöst, eine Lösung für Wasser oder vergleichbare Flüssigkeiten ist nicht bekannt, . . . ). Speziell bei Registerindexierungen bildet man zweckmäßigerweise Paare von Index Terms, wobei der eine Term (Qualifier) den anderen (Main Heading) präzisiert. Wenn einige (wenige) Qualifiers nahezu mit jedem anderen kombiniert werden können, bietet es sich an, diese aus dem Vokabular herauszunehmen und statt dessen syntaktisch (als Rollenindikator) zu repräsentieren: Italien (A): Ausfuhr nach Italien Italien (E): Einfuhr von Italien BeriHium (T): BeriJlium als Target in einer Reaktion BeriUinm (R): Berillium als Reaktionsergebnis

Es ist offensichtlich, daß das Problem einer präzisen Benennung von Begriffen z.T. sowohl auf syntaktischem wie lexikalischem Niveau gelöst werden kann. In einem System, das aus diesem Grund immer komplexere Index Terms in sein Vokabular aufnimmt, wird allerdings die Auswahl der „richtigen" Index Terms (und damit sowohl Indexierung als auch das Retrieval) immer schwieriger. Indexierungssprachen mit syntaktischen Ausdrucksmöglichkeiten sind in der Chemie am weitesten fortgeschritten: Eine Formelsprache (mit graphischer Repräsentation) braucht dort nicht erst erfunden zu werden. Auch die speziellen Erfordernisse der Registerindexierung haben z.B. mit PRECIS zu einem bemerkenswerten syntaktischen Indexierungssystem geführt. Die wachsende Bedeutung strukturierter (speziell multimedialer) Dokumente wird zwangsläufig zum verstärkten Einsatz strukturierender Indexierungssprachen führen. Indexierungsregeln: Die Indexierungsregeln sind Bestandteil der Indexierungssprache. Sie sind ein wichtiges Instrument, die Indexierung für das Retrieval effektiv zu machen. Zu den allgemeinen Indexierungsregeln gehört, daß von mehreren konkurrierenden Index Terms stets der am meisten spezifische auszuwählen ist und daß Deskriptoren nur für solche Themen zugeteilt werden, die im Dokument tatsächlich behandelt (nicht nur berührt) werden. Spezielle Indexierungsregeln müssen sich am systemspezifischen Bedarf ausrichten und legen fest, in welcher Weise Klassen von Sachverhalte durch Index Terms auszudrücken sind: Beispiel 1: Deskriptoren in der Rolle als Werkzeug sollen nicht indexiert werden. Beispiel 2: Firmennamen stets indexieren.

Geregelt werden die Behandlung spezieller Phänomene (Zahlenangaben, Formeln, Namen), der Gebrauch von Werkzeugen, die Verwendung und Bildung freier Deskriptoren, Annahmen über den Informationsbedarf der Benutzer und organisatorische Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Ziel ist es, die Konsistenz der Indexierung und damit die Vörhersehbarkeit und den Gebrauchswert bei der Benutzung zu erhöhen.

128 Β 4.4.3

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren Art der Zuordnung

Die Index Terms können dem zu indexierenden Text entnommen sein (Stichwörter, geliefert von einem Extraktionsverfahren, siehe Abschnitt Β 4.5) oder frei zugeteilt sein (Schlagwörter, Deskriptoren, Klassifikationsnotationen, geliefert von einem (auch) additiven Verfahren). Läßt man dasselbe Dokument testweise parallel indexieren (vgl. Abschnitt Β 4.7.1), so ist Konsistenz zwischen konkurrierenden Extraktionsverfahren offensichtlich leichter sicherzustellen als zwischen Additionsverfahren. Dies wird (oft auch in Zusammenhang mit maschineller Indexierung) mißverständlicherweise als Qualitätsargument vorgebracht. Zwar ist es richtig, daß schlechte Konsistenz sich negativ beim Retrieval auswirken muß. Gute Konsistenz wirkt sich aber nur dann positiv auf das Retrieval aus, wenn damit gemeint ist, daß ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Dokumenten konsistent indexiert sind. Ob die systembedingte gute Konsistenz bei Extraktionsverfahren dieses Ziel erreicht, oder aber wegen der Anlehnung an den Sprachgebrauch des Autors eher verfehlt, kann nicht allgemein entschieden werden. Als die einfachere Methode hat das Extrahieren in jedem Fall den Vorteil der schnellen Bearbeitung für aktuelle Informationsdienste.

Β 4.4.4

Prozessor

Wenngleich automatische Indexierungsverfahren manuelles Indexieren imitieren können und im Prinzip jedes automatische Indexierungsverfahren auch manuell durchgeführt werden kann, handelt es sich doch bei der Entscheidung zwischen manuellem oder automatischem Indexieren um eine Grundsatzentscheidung. Ein manuelles Indexieren lohnt sich für Retrievalzwecke nur dann, wenn nach der Additionsmethode gearbeitet wird oder aber eine syntaktische Indexierung benötigt wird. Ohne ein Verständnis des Dokumentinhaltes, ohne ein Erkennen der für das Retrieval wesentlichen Begriffe kann auf (aufwendiges) manuelles Arbeiten zugunsten einfacher maschineller Verfahren in jedem Falle verzichtet werden. Die Tätigkeit des Indexierens mit dem (abschließenden) Aussuchen bzw. Formulieren passender Deskriptoren gleichzusetzen, wäre unzulässig verkürzt gesehen. Von maschinell unterstützter Indexierung spricht man, wenn ein automatisches Verfahren Index Terms vorschlägt, die in einer manuellen Nachbearbeitung noch bestätigt werden müssen.

Β 4.4.5

Grundlage des Indexierens

Für (maschinelle) Extraktionsverfahren stehen in der Regel Titel und Kurzfassung bzw. speziell ausgewählte Dokumentkategorien als textuelle Basis zur Verfügung. Zukünftig werden vermehrt auch Volltexte bearbeitet werden. Manuelle Indexierung arbeitet zumeist mit dem Anspruch, die Originalarbeit als Grundlage heranzuziehen. Dies kann in der Routinesituation kaum ein vollständiges Lesen der Arbeit bedeuten, wohl aber ein zielgerichtetes Suchen nach relevanten Informationen im

Β 4.5 Extraktionsmethode

129

Dokument, speziell in Autoren-Kurzfassung, Einleitung, Schluß, in und unter Abbildungen und Tabellen. In jedem Fall macht die Originalarbeit den Indexierer unabhängig(er) von der Qualität der Kurzfassung. Recherche von Bildern, Ton- und Bewegtbild-Dokumenten geschieht gegenwärtig ausschließlich über Navigationstechniken (Hypermedia) sowie über kategorisierte Beschreibungen, textuelle Surrogate und manuelles Indexieren. Über maschinelle Indexierungsverfahren, die einen direkten inhaltsorientierten Zugriff auf Dokumente erlauben, die nicht aus Text bestehen, wird gegenwärtig mit ermutigenden Ergebnissen publiziert (Lit. 13, Lit. 26). Grundsätzlich unterscheiden sich entsprechende Verfahren darin, ob sie eingebautes Wissen über den Anwendungsbereich zur Voraussetzung haben (etwa Wissen über Symbole in Innenarchitektur-Plänen, über den gesprochenen Wortschatz eines Anwendungsbereichs) - oder ob sie auf eine anwendungsneutrale Anwendung zielen.

Β 4.4.6

Werkzeuge

Die Werkzeuge, die zur Verfügung stehen, erstellt werden müssen und/oder zu pflegen sind, sind für die Auswahl eines Indexierungsverfahrens ein entscheidender Faktor. Die Werkzeuge manueller Indexierung sind Thesaurus, Klassifikationssysteme und Indexierungsregeln. Automatische Verfahren arbeiten mit Regelwerken (zum Beispiel zur Wortformennormierung), mit Morphemwörterbüchern, mit Wortlisten oder mit komplexeren Wissensdarstellungen (siehe dazu das Kapitel über neue Formen der Wissensrepräsentation - Β 7). Der Pflegeaufwand von Regeln ist (in diesem Kontext) geringer einzuschätzen als der von Listen, Wörterbüchern oder Wissensbasen, soweit diese den Wortschatz vollständig abdecken sollen.

Β 4.5

Extraktionsmethode

Die im Prinzip einfachsten Indexierungsverfahren entnehmen die Index Terms direkt dem Text.

Β 4.5.1

Mannelle Stichwortindexierang

Manuelle Stichwortextraktion tritt gegenwärtig nur noch in speziellen Anwendungskontexten auf. Sie kann leicht während der Texterfassung als zusätzliche Markierung von Textwörtern etwa zur Aufnahme in ein Register mit erledigt werden (angeboten als Option eines Textverarbeitungssystems) und enthält, im Gegensatz zu gängigen maschinellen Alternativen, eine tatsächliche dokumentbezogene Relevanzentscheidung. Ein für den Dokumentinhalt nebensächliches oder gar irreführendes Wort wird ein Mensch in keinem Fall indexieren.

130 Β 4.5.2

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren Freitext-Verfahren

Das Aufkommen von billigen Massenspeichern schuf eine historisch völlig neue Situation in der Dokumentation: Die Reduktion auf wesentliches wurde teurer als das Anbieten aller Textwörter als Suchbegriffe. Da die Invertierung aller im Text vorkommenden Wortformen (ausgenommen das kleine Inventar an Funktionswörtern und banalen Wörtern) völlig unabhängig von der Art der (Text-)Dokumente und deren Sprache ist und auch keine manuelle Pflege erfordert, sind sie aus der Sicht von Datenbankproduzenten die ideale Erschließungsmethode. Der Freitext in Zusammenhang mit Boole'schem Retrieval ist auch dann die Basistechnik, wenn weitere Formen der Inhaltserschließung integriert sind (z.B. läßt sich im CT-Feld mit Thmkierung und mit Abstandsoperatoren recherchieren).

Β 4.5.3

Linguistische wortorientierte Verfahren

Die Tatsache, daß das Freitext-Retrieval keine wirkliche Inhaltserschließung anbietet, sondern den Erschließungsaufwand eigentlich nur auf den Suchenden verlagert, hat die Entwicklung von maschinellen Verfahren herausgefordert, die die sprachlichen Probleme der Freitextrecherche mit linguistisch motiviertem Handwerkszeug angehen. Auf der Wortebene handelt es sich hier speziell um Probleme der Wortformenvarianten und der Wortbildung (Komposita). Typischerweise werden zunächst anhand einer Negativliste die häufigen nicht-bedeutungstragenden Wörter von der weiteren Verarbeitung ausgeschlossen. Solche Listen enthalten größenordnungsmäßig 100 bis 200 Wortformen wie z.B. werden, zunächst, anhand, einer, die, von, der und ersparen in bis zu 50% aller laufenden Wortformen (Token) weiteren Verarbeitungsaufwand. Folgende weitere Analysestrategien stehen zur Auswahl: - Einfache Verfahren untersuchen die Wortendung und ersetzen unter bestimmten Bedingungen die flektierte Endung durch eine Standardendung. Basis des Verfahrens sind String-Ersetzungsregeln der folgenden Art: „es" —* „ " „s" -*• „ "/außer vor „a" mit der Wirkung: „rooms" —> „room" „glas" „glas" „glasses" —* „glas"

Diese Regeln werden nach einer vorgegebenen Abarbeitungsvorschrift (iterativ, oder „von längeren Regeln zu den kürzeren Regeln", genannt „longest Match") angewandt. Im Englischen reichen solche einfachen Verfahren für viele Zwecke bereits aus. Der Vorteil des Verfahrens liegt in der Effizienz und dem geringen Pflegeaufwand. - Bei Verfahren mit Wortformen-Wörterbüchern wird jede Wörtform aus dem Text im Wörterbuch gesucht, wobei die zu indexierende standardisierte Form als Teil des Wörterbucheintrags angegeben ist. Die korrekte Behandlung von Umlautungen und unregelmäßigen Formen ist ohne Zusatzaufwand möglich:

Β 4.5 Extraktionsmethode

131

Umlautungen —> Umlautung Wörter Wort gesucht —» suchen

Besonders wichtig bei Sprachen wie dem Deutschen ist eine Behandlung der Komposita, die sich wörterbuchabhängig ebenfalls recht einfach realisieren läßt: Wörterbucheintrags —* Wörterbucheintrag, Wort, Buch, Wörterbuch, Eintrag

Der Anbieter eines solchen wörterbuchabhängigen Verfahrens wird ein Basiswörterbuch zur Verfügung stellen, das um die fachsprachlichen Ausdrücke zu erweitern ist. Listen mit unbekannten Wortformen, die bei der laufenden Verarbeitung zusammengestellt werden können, unterstützen die Wörterbuchpflege. Es gibt Systeme dieser Art, die sich in laufenden Anwendungen praktisch bewährt haben (siehe z.B. Lit. 11, Kap. 21). - Der Umfang eines Wörterbuchs kann in der Größenordnung Faktor 10 reduziert werden, wenn nicht Wörter, sondern die Wortbausteine, die Morpheme, gespeichert werden. Zusammen mit einem Regelwerk, das die zulässigen Kombinationen der Morpheme beschreibt, ergibt sich ein erheblich flexibleres Analyseinstrument von Wortformen. Die Beschreibung eines solchen Verfahrens findet sich in (Lit. 24, S. 157-216). Neben den bisher angesprochenen kontextunabhängigen Verfahren existieren auch kontextsensitive, die auch die links und rechts neben der betrachteten Wortform stehenden Wörter zur Wortartenbestimmung einbeziehen. Im Kontext „Die Höhe der Wogen wurde ..." ist „Wogen" auf „Woge" zu reduzieren, im Kontext „wogen sie vor dem Versuch noch" dagegen auf „wiegen". Einfache kontextsensitive Verfahren betrachten nur direkte Wortnachbarschaften und berücksichtigen die Wahrscheinlichkeiten, mit der eine Wortart auf eine andere folgen kann. Die sicheren „Stützpunkte" dieses Vorgehens bilden die Funktionswörter. Aufwendigere Verfahren arbeiten mit einer partiellen oder vollständigen syntaktischen Analyse (vgl. z.B. Lit. 27).

Β 4.5.4

Kollektions- und retrievalorientierte Verfahren

Ein vollständig anderer Weg wird (mit guten Argumenten, siehe Abschnitt Β 4.7.3) von der Information Retrieval-Forschung der letzten 30 Jahre vorgeschlagen (siehe dazu Lit. 23, Lit. 19). Nicht Retrievalsysteme mit logischen Verknüpfungsoperationen stehen hier im Mittelpunkt des Interesses, sondern Systeme, die Fragerepräsentationen und Dokumentrepräsentationen in Form gewichteter Index Terms miteinander vergleichen und als Antwort eine Dokumentreihenfolge liefern. Sortierkriterium ist die vom System geschätzte Wahrscheinlichkeit bzw. Plausibilität von Relevanz auf eine gestellte Frage. Da das Retrievalverfahren nicht von manueller Suchstrategie abhängt, sondern fest vorgegeben ist, besteht die Aufgabe darin, die Parameter des Verfahrens (Gewichtungen, Rechenvorschriften) zu optimieren.

132

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

Tfermgewichtung: Ausgangspunkt der Überlegungen ist der einfache Vergleich der sowohl in der Frage als auch im Dokument vorkommenden Index Terms (ermittelt etwa durch ein einfaches Extraktionsverfahren). Es ist allerdings naheliegend, daß die so ermittelte „Ttefferzahl" kein besonders guter Indikator für Dokument-Relevanz ist, wenn einTYeffer etwa mit „Wörterbuch" genau soviel zählt wie ein TVeffer mit „Information". Eine Lösungsmöglichkeit besteht darin, das Vokabular sorgfältig(er) auszuwählen. Es wurden daraufhin wortstatistische Modelle entwickelt, die die Eignung eines Terms, Dokumente zu charakterisieren, entscheidbar machen (diese Modelle gehen stets davon aus, daß eine Dokumenten-Kollektion fest vorgegeben ist). Die differenziertere Lösung besteht darin, die Index-Terms geeignet zu gewichten. Eine besonders einfache und gleichzeitig effektive Formel bestimmt das Gewicht g, eines Index Terms t zu _

Häufigkeit, mit der t im Dokument vorkommt Anzahl der Dokumente, in denen t vorkommt

Das Gewicht eines Dokumentes in Bezug auf eine Frage, bestehend aus Index Terms tj, tj, ... t n , errechnet sich dann als Summe der Gewichte g,j von den jeweils im Dokument gefundenen Terms t . Solche Gewichtungsformeln sollen Dokumente, die der Frage „ähnlich" sind, hoch bewerten. Indem man darüber hinaus Ähnlichkeiten zwischen Dokumenten oder auch zwischen Index Terms berechnet und einbezieht, kann man als Suchergebnis auch solche Dokumente erhalten, in denen keiner der Suchfragen-Terms vorkommt. Vektormodell: Man bezeichnet Modelle, die vom Ähnichkeitsbegriff ausgehen, als „Vektormodelle", weil sie sich Frage und Dokumente als Punkte in einem vieldimensionalen Raum vorstellen. Dabei ist jedem Index Term eine Koordinate zugeordnet. Ähnlichkeit bedeutet dann räumliche Nähe der Punkte. Dieses heuristische Modell bietet viele Ansatzpunkte für differenzierte Ausgestaltungen. Die Plausibilität einer Formel ist jedoch weder notwendige noch hinreichende Bedingung für ihre Wirkung beim Retrieval. Nur das Experiment kann hier entscheiden. Dies gilt selbstverständlich auch für alle anderen Verfahren von Inhaltserschließung und Retrieval. Probabilistische RetrievalmodeUe: Ein alternativer Ansatz der Retrievalforschung ist wahrscheinlichkeitsorientiert: Relevanz eines Dokumentes ist ein Ereignis, das es auf der Basis der verfügbaren Information über das Vorkommen und die Verteilung der Index Terms abzuschätzen gilt. Dieser Ansatz hat sich insbesondere beim sogenannten „Relevanz Feedback" bewährt, bei dem die Index Terms Gewichte bekommen, die von deren Verteilung auf relevante und nicht-relevante Dokumente abhängen. Solche Verteilungen können näherungsweise ermittelt werden, wenn der Benutzer die in einem ersten Suchschritt gesichteten Dokumente auf Relevanz beurteilt. Da es sich hier aber eindeutig um eine Retrievaltechnik handelt, soll hier nur auf die oben angegebene Literatur verwiesen werden. Mittlerweile wurden verschiedene Ansätze entwickelt, das „konventionelle" Boolesche Retrieval und ein auf Gewichtung beruhendes Retrieval miteinander verträglich zu machen.

Β 4.5 Extraktionsmethode

133

Abb. 2: 3-Dimensionale Illustration eines Vektorraum-Modells

Die Dokumente werden in bezug auf ihre räumliche Nähe zur Frage bewertet. Tatsächlich müßte der Vektorraum so viele Dimensionen besitzen, wie es Index Terms gibt. Anwendung: In der Dokumentationspraxis haben sich die Verfahren des Information Retrieval bislang nicht etablieren können. Hat die relationale Datenbanktechnik 10 Jahre gebraucht, um sich von einer „akademischen Spielerei" zur Praxislösung zu entwickeln, so ist den IR-Methoden ein darüber hinausgehender Faktor von 2 bis 3 vorzuwerfen. Allerdings sprechen nicht nur empirische Bewertungen für solche effektiven und benutzerfreundlichen Alternativen zur gängigen Praxis (vgl. Abschnitt Β 4.7.3), sondern es scheint sich auch tatsächlich ein Umschwung anzudeuten. Mit dem Risiko der Widerlegung wird hier behauptet, daß in einigen Jahren (1996 + x) ranking-basierte Retrievalverfahren keine exotische Ausnahmestellung mehr haben werden.

Β 4.5.5

Syntaxorientierte linguistische Verfahren

Lingustische Problemfelder bei der Freitext-Recherche beschränken sich nicht auf die Wortebene. Der Kontextoperator ist das konventionelle (postkoordinierende) Instrument, die verschiedenen Formulierungsvarianten und Paraphrasierungen eines komplexen Begriffes zu fassen. In der Regel handelt es sich bei den in Fachtexten in dieser Hinsicht interessanten Sprachstrukturen um Nominalgruppen. Mit Hilfe einer syntaktischen Analyse lassen sich hier die in der Sprache realisierten Beziehungen zwischen Wörtern herausfinden und für die Indexierung verwenden. Auf die Werkzeuge einer Syntaxanalyse (Parser) kann hier nicht eingegangen werden. Für die Zwecke des Information Retrieval erscheint eine Analyse vollständiger Sätze im Regelfall unnötig aufwendig. Eine partielle Analyse, die sich auf Teilstrukturen in Texten (etwa auf Formeln, Nominalphrasen, Zahlenangaben mit Einheiten, Firmenbezeichnungen) beschränkt, reicht dann völlig aus.

134

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

Β 4.6

Zuteilende Inhaltserschließung

Β 4.6.1

Klassieren

Sollen einem Dokument Klassifikationsnotationen oder sonstige Klassenbezeichnungen zugeordnet werden, so handelt es sich notwendigerweise um eine additive Indexierung (siehe dazu das Kapitel über Klassifikationssysteme - Β 5). Automatische Verfahren in diesem Bereich arbeiten üblicherweise insofern ganz anders als Menschen, als sie das „Klassifikationssystem" als Ergebnis einer Datenanalyse (Clusteranalyse) selbst erzeugen (eine sehr umfassende Darstellung automatischer Klassifikation in Lit. 18). Sie fassen solche Dokumente, die sich nur wenig im Wortschatz unterscheiden, zu Klassen zusammen und erzeugen, indem sie auf höherem Niveau auch Klassen zusammenfassen, eine Klassenhierarchie. Oft wird jede Klasse durch ein synthetisches „gemitteltes" Dokument repräsentiert und ein neues Dokument wird mit allen Klassenrepräsentanten verglichen und der ähnlichsten Klasse zugeordnet. Solche Verfahren sind Anwendungen des (bereits angesprochenen) Vektorraummodells.

Β 4.6.2

Gleichordnende begriffsorientierte Indexierung

Bei der manuellen begriffsorientierten Indexierung werden einem Dokument Deskriptoren aus einem Thesaurus, Schlagwörter oder als freie Indexierung auch Nominalphrasen zugeordnet. Indexierungsregeln sollen für eine konsistente Indexierung sorgen. Wenn automatische Verfahren ein gleichartiges Ergebnis liefern sollen, müssen sie (neben anderem) über Regeln verfügen, die die in den Texten verwendeten Formulierungen auf das kontrollierte Vokabular abbilden. Da die Gewinnung eines ausreichenden Regelinventars notwendigerweise aufwendig ist und erst anschließend die grundsätzliche Brauchbarkeit des damit arbeitenden Verfahrens nachgewiesen werden kann, hat es lange von den ersten Laborversuchen bis hin zu ersten praktischen Einsätzen gedauert. Das Verfahren AIR (Beschreibung in Lit. 16), das seit 1985 für eine maschinengestützte Indexierung der Datenbasis PHYS beim Fachinformationszentrum Karlsruhe eingesetzt wird, ist in dreifacher Hinsicht bemerkenswert: - Es kann die verwendeten Regeln selbst aus bereits vorhandenen manuellen Indexierungsergebnissen extrahieren. - Es ist in einem großen Retrievaltest evaluiert worden. - Es gehört zu den ersten eingesetzten Verfahren dieser Art mit dem am meisten ausgefeilten Konzept für die Verwendung der zugrundeliegenden Regeln und die Entscheidung über die Zuteilung der Deskriptoren.

Wo immer kontrolliertes Vokabular benutzt wird bzw. ein wörterbuchbasiertes Verfahren eingesetzt wird, muß eine z.T. aufwendige Systempflege einkalkuliert werden.

Β 4.6 Zuteilende Inhaltserschließung Β 4.6.3

135

Inderierungen mit syntaktischen Aiisdrucksmitteln

In Abschnitt Β 4.4.2 wurde das Thema der strukturierenden Indexierungssprachen, die sich syntaktischer Ausdrucksmittel bedienen, bereits ausführlich behandelt. Als Beispiel wurde das zur Registerindexierung eingesetzte PRECIS (Lit. Ol, Lit. 07) genannt - ein präkoordinierendes System, dem man die Facettenklassifikation als Hintergrund leicht ansieht (siehe Abb. 3). Beispiel: Die Diagnose von Greif-Funktionsstörungen bei Industrierobotern durch Prüfprogramme Inderiernng: action term: Diagnose object: Industrieroboter (part-of) Greifarm (part-of) Funktionsstörung technique: Prüfprogramm aus der Inderiernng abgeleitete Registereinträge: 1. INDUSTRIEROBOTER Greifann. Funktionsstörung. Diagnose. Prüfprogramm 2. GREIFARM Industrieroboter. Funktionsstörung. Diagnose. Prüfprogramm 3. FUNKTIONSSTÖRUNG Greifarm. Industrieroboter. Diagnose. Prüfprogramm 4. DIAGNOSE Funktionsstörung. Greifarm. Industrieroboter. Prüfprogramm 5. PRÜFPROGRAMM Diagnose. Funktionsstörung. Greifarm. Industrieroboter Abb. 3: Beispiel einer syntaktischen Indexierung für die Registererstellung

Insgesamt umgibt strukturierte Indexierung immer noch die Aura des Exotischen: Sehr zu unrecht, da eine strukturierte Indexierung genau dem entspricht, was man im Kontext einer Datenmodellierung für relationale Datenbanken selbstverständlich erwarten würde. Besteht nämlich beispielsweise ein Bild Β aus mehreren Teilmotiven ΤΙ,T2, ...,Tn, so würde niemand annehmen, daß man deren Beschreibungen ununterscheidbar Β zuordnen würde. Statt dessen werden die Einzelbeschreibungen den einzelnen Motiven Ti zugeordnet, und diese wiederum dem Bild B. Ist es mit einer Strukturierung dieser Art nicht getan, werden also Rollen für Deskriptoren definiert oder Deskriptoren in einen logischen Zusammenhang gebracht (siehe Abschnitt Β 4.4.2), so verwendet man nichts anderes als das, was man in der Logik ein- oder mehrstellige Prädikate nennt und was in relationalen Datenbanken in Form von ein- oder mehrspaltigen Tabellen gespeichert wird. Wichtig ist, daß diese Rollen (bzw. logischen Prädikate) semantisch fundiert und nicht etwa an Oberflächenphänomenen orientiert sind. Für eine tiefergehende Behandlung des Themas sei auf den Beitrag „Neue Formen von Wissensrepräsentation" (B 7) verwiesen.

136

Β 4.7

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

Qualität von Indexierang

Wenn Indexierungsergebnisse verbindlich bewertet werden sollen, kann es keinen anderen MaBstab geben als die damit erreichbare Retrievalqualität. Die Tatsache, d a ß Retrievaltests einen enormen Aufwand verlangen und auch methodisch längst nicht abschließend geklärte Probleme aufwerfen, hat f ü r viele grundlegende Fragen des Indexierens über lange Zeit hinweg spekulative Antworten auf der Basis lokaler Kriterien zugelassen. Wenn die Indexierang einzelner D o k u m e n t e (etwa in einer Lehrsituation) beurteilt werden soll, stehen ohnehin nur Möglichkeiten ohne Retrievalbewertung zur Verfügung.

Β 4.7.1

Fehleistatistiken und Konsistenzbewertungen

Wenn eine Indexierungsmethode so beschaffen ist, daß ein „ideales" Indexierungsergebnis (im Sinne der Methode) verbindlich vorgegeben werden kann, kann die Abweichung von diesem vorgegebenen Standard in einer Fehlerstatistik erfaßt werden. Durch Klassifikation der Fehler kann die Bewertung differenziert und eine Fehlerbehebung unterstützt werden. Soll ein Indexierungsverfahren eine Grundformreduktion und Wortzerlegung durchführen, so werden die fehlerhaften Indexierungsergebnisse manuell ermittelt und ausgezählt (Beispiele aus Lit. 11): Einbaukochmulde —> Einbau + Koch + Mulde 1 Fehler: Koch statt Kochen Antriebsachse —» Alltrieb + Sachse 1 Fehler: Sachse statt Achse Ein- und Ausgang —* Ein, Ausgang 1 Fehler: Ein statt Eingang D i e zusammenfassende Beurteilung könnte aussagen, daß in ca. 2 Prozent aller Fälle (Zerlegung, Grundformenbildung) Fehler auftreten. Ein solches Ergebnis wurde beispielsweise bei der Beurteilung zweier automatischer, wörterbuchabhängiger Indexierungsverfahren auf ca. 2000 deutschsprachigen Patentdokumenten (Titel und Kurzfassung) ermittelt (Lit. 11, Kap. 3). Wenn ein Indexierungs-Standard nicht mit letzter Verbindlichkeit vorgegeben werden kann, sollte man nicht von Fehlern, sondern nur von Abweichungen sprechen. Diese Abweichungen werden ausgezählt und zu einer formalen Bewertung der Konsistenz mit d e m vorgegebenen Standard umgerechnet. Sei S die Menge der einzelnen Elemente im Indexierangsergebnis des Standards (Deskriptoren, syntaktische Relationen, ... ), I die Menge der Elemente im zu bewertenden Indexierangsergebnis. Die Konsistenz k zwischen S und I berechnet sich üblicherweise wie folgt: =

|sn/[ |Su/|

Β 4.7 Qualität von Indexierung

137

Der Wert k schwankt zwischen k=0 (keine Gemeinsamkeit) und k = l (vollständig identisch). Konsistenzbewertungen sind vielfach als (vorläufige) Bewertung automatischer Indexierungsverfahren (mit manueller Indexierung als Standard) verwendet worden. Beispielsweise wird in Lit. 21, S. 126 als Evaluierungsergebnis für ein automatisches Verfahren für eine präkoordinierende syntaktische Indexierung festgestellt, daß auf ausschließlich syntaktischer Basis eine Konsistenz von 0,75 mit manuell ermittelten Abhängigkeitsstrukturen in englischen Nominalgruppen erreicht wird. In Lit. 10 werden Indexierungstests beschrieben, bei denen eine automatische Indexierung auf englischsprachigen Dokumenten eine Konsistenz von 0,5 mit einer thesaurusbasierten manuellen Indexierung aufweist. Das Konsistenzmaß ist symmetrisch bzgl. S und I und kann deshalb auch für den Vergleich zweier beliebiger (vergleichbarer) Indexierungsergebnisse von gleichen Dokumenten verwendet werden. Inter-Indexerkonsistenz sagt aus, wie konsistent verschiedene Indexierer arbeiten, Intra-Indexerkonsistenz mißt, wie konsistent ein Indexierer dasselbe Dokument zu verschiedenen Zeiten bearbeitet. Schlechte Konsistenz läßt in jedem Falle auf Mängel der Dokumentationssprache oder der Bearbeitung schließen. Da aussagekräftige Konsistenztests für die Beurteilung von Informationssystemen durchaus aufwendig sind (und negative Aussagen geschäftsschädigend), existieren nur wenige verläßliche Testergebnisse. Inter-Indexerkonsistenz, abhängig von zahlreichen Parametern, kann realistischerweise zwischen 0,4 bis 0,6 angenommen werden. Zur beschränkten Aussagekraft von guten Konsistenzwerten siehe Abschnitt Β 4.4.3.

Β 4.7.2

Inderienmgstiefe

Wenn Indexierung den Inhalt eines Dokumentes für das Retrieval erschließen soll, dann ist die Genauigkeit der Wedergabe (mit den Mitteln der Dokumentationssprache) der verbindliche Maßstab. Dieses Bewertungskriterium der Indexierungstiefe ist allerdings nur schwer zu operationalisieren. Man betrachtet deshalb Indexierungstiefe als Kombination zweier unabhängiger Kriterien, die sich leichter fassen lassen: Indexierungsbreite und Indexierungsspezifität. Indexierungsbreite ist das Ausmaß der Abdeckung des fachlichen Inhalts des Dokumentes. Üblicherweise wird als Indikator für die Indexierungsbreite die durchschnittliche Anzahl der vergebenen Index Termini pro Dokument verwendet. Eine Steigerung der Indexierungsbreite läßt einen Zuwachs an Recall beim Retrieval erwarten (vgl. den folgenden Abschnitt Β 4.7.3). Eine hohe Indexierungstiefe liegt dann vor, wenn die vergebenen Index Termini die Themen des Dokumentes sehr spezifisch treffen. Als Indikator für Indexierungstiefe werden üblicherweise die Dokumenthäufigkeit der Termini herangezogen (Anzahl der Dokumente in der Datenbasis, die diesen Index Terminus enthalten), die Anzahl der Lexeme einer komplexen Begriffsbenennung oder (wenn ein Thesaurus vorliegt) das generische Niveau der indexierten Deskriptoren. Eine Steigerung der Indexierungstiefe läßt einen Zuwachs an Precision beim Retrieval erwarten (vgl. den folgenden Abschnitt).

138 Β 4.7.3

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren Retrievaltestbewertung

Eine Indexierung ist genau dann besser als eine andere, wenn die damit erzielten Retrievalergebnisse besser sind. Schon bei oberflächlicher Betrachtung werden die Schwierigkeiten sichtbar, vor der eine Umsetzung dieser einfachen Erkenntnis in konkrete Testergebnisse steht, wenn verschiedene Indexierungsverfahren vergleichend bewertet werden sollen: - Retrievalergebnisse sind nicht nur von gewählten Indexierungsverfahren abhängig, sondern von einer Vielzahl anderer Parameter (Sprache, Fachgebiet, Größe und „Dichte" der Datenbasis, Axt der Retrievalfragen, verfügbare Retrievaloperationen, Ausgestaltung der Benutzerschnittstelle, Status und Kompetenz des Rechercheurs, Art der Relevanzbeurteilung) - Ein Retrievaltest muß, wenn er verallgemeinerungsfähige Aussagen liefern soll, möglichst viele repräsentative Dokumente und Fragen einbeziehen. Er ist dementsprechend aufwendig, konkurrierende Indexierungen zu erzeugen und die Rechercheergebnisse im einzelnen zu bewerten und auszuwerten. - Nicht nur die Konzeption eines Retrievaltests (s.o.), sondern auch seine Auswertung wirft beachtliche methodische Probleme auf. Die Standardmaße der Bewertung von Retrievalantworten sind Precision und Recall (siehe Abb. 4). Wie diese Maße zu mittein sind, wie man Antworten ohne bekannte relevante Dokumente behandelt, wie man Antworten vergleicht, bei denen ein Precision-Vorteil einem Recall-Vorteil gegenübersteht, wie man die gefundenen Qualitätsdifferenzen statistisch absichert, sind nur einige der Fragen, bei denen Ermessensentscheidungen gefordert sind.

Abb. 4: Precision als Itefferquote, Recall als Vollständigkeitsmaß.

Β 4 Literatur

139

Im (schematischen) Precision-Recall-Diagramm wird deutlich, wie der Ballast bei zunehmend vollständigeren Antwortmengen zunimmt. Das Thema Retrievaltest kann hier nicht ausführlich behandelt werden (siehe dazu Lit. 11, Kap.5, Lit. 23, Lit. 14, Kap. 3, Lit. 02, Lit. 25). Viele Ergebnisse von Tests haben eingeschränkte Aussagekraft, weil die Testgröße (Anzahl von Fragen und Dokumenten) zu beschränkt ist, weil zu viele Tests mit denselben Kollektionen durchgeführt wurden (und damit eine nicht-kontrollierte Optimierung auf die Kollektion eingetreten sein kann) oder weil spezielle Randbedingungen vorliegen. Es sollen hier nur einige grundsätzliche Aussagen über die Brauchbarkeit von Indexierungsverfahren zusammengestellt werden, wie sie aus den verfügbaren Testdaten abgeleitet werden können: - Am Beispiel von deutschen Patent-Texten konnte gezeigt werden, daß linguistische Verfahren zur Wortformennormierung und Kompositazerlegung dem Freitextretrieval überlegen sind (Testgröße: 10.000 Dokumente, 300 Aufgaben; Lit. 11) - Eine automatische thesaurus-basierte (additive) Indexierung konnte in einem Retrievaltest mit 15.000 englischen Physikdokumenten und 300 Fragen Retrievalergebnisse erzielen, die trotz systemimmanenter Vorteile der manuellen Routine-Indexierung nur graduell ungünstiger, in Teilbereichen sogar günstiger waren als diese (Lit. 14). - Eine Reihe von Tests zum Vergleich zwischen manueller (thesaurusbasierter) Indexierung und automatischer Indexierung (Freitextretrieval bzw. Termgewichtung) legen den Schluß nahe, daß automatische Indexierung ebenbürtig ist bzw. vermutlich sogar die besseren Retrievalergebnisse bringt (Lit. 22, Lit. 04, Lit. 05). - Ein aktueller offener Wettbewerb von Retrievalverfahren unter dem Namen TREC (Text Retrieval Conference) vom National Institute for Standardisation and Technology (NIST) organisiert - hat mittlerweile dem Thema Evaluierung einen neuen Stellenwert gegeben (Lit. 09). Auf Volltexten und Test-Datenbasen im Gigabyte-Bereich werden Retrievalaufgaben gestellt und die Antworten vergleichend ausgewertet. Es zeigt sich, daß statistische Retrievalansätze - wie in Abschnitt Β 4.5.4 beschrieben - auch unter realistischen Testbedingungen ihre guten Ergebnisse reproduzieren. Insbesondere bei guten Bedingungen für den Einsatz von Relevance Feedback-Techniken (für Profildienste, SDI-Fragen, Routing) erweisen sich vollautomatische Retrievalverfahren den manuellen Recherchetechniken deutlich überlegen. Literatur 01. Austin, D.: PRECIS: a manual of Concept analysis and subject indexing. 2. Aufl. London: British Library Division, 1984. 02. Bollmann, P.: Untersuchung von Effeküvitätsmaßen für Document-Retrieval-Systeme. Diss. Berlin, 1977. 03. Cleveland, D.B.; Cleveland, A.D.: Introduction to Abstracting and Indexing. Littleton: Libraries unlimited, 1983. 04. Cleverdon, C.W.: A computer evaluation of searching by controlled language and natural language in an experimental NASA data base. Rep. ESA 1/432, European Space Agency, Frascati, Italy, July 1977. 05. Cleverdon, C.W.; Keen, E.M.: Aslib Cranfield Research Project. Bd. 2,Test Results. Cranfield Institute of Technology. Cranfield 1966. 06. DIN 31623: Indexierung zur inhaltlichen Erschließung von Dokumenten.Teil 1: Begriffe, Grundlagen (Sept. 88, 5 S.); Teil 2: Gleichordnende Indexierung mit Deskriptoren (Sept. 88, 16 S.); Teil 3: Syntaktische Indexierung mit Deskriptoren (Sept. 88, 4 S.). Berlin: Beuth, 1988.

140

Knorz: Indexieren, Klassieren, Extrahieren

07. Dykstra, M.: PRECIS: a Primer. London: British Library Division, 1985. 08. Greiner, G.: Allgemeine Ordnungslehre. Frankfurt, 1978. 09. Harman, D.: TheTREC Conferences. In: Kuhlen, R.; Rittberger, M. (Hr.): Hypertext Information Retrieval - Multimedia: Synergie-Effekte elektronischer Informationssysteme. Konstanz: Universitätsverlag, 1995, S. 9 - 2 8 10. Knorz, G.: Automatisches Indexieren als Erkennen abstrakter Objekte. Linguistische Datenverarbeitung, Tübingen: Niemeyer. 1983. 243 S. 11. Krause, J. (Hg.): InhaltserschlieBung von Massendaten. Linguistische Datenverarbeitung, Hildesheim: Olms, 1987. 248 S. 12. Lancaster, EW.: Vocabulary control for information retrieval. 2. Aufl. Arlington: Information Resources Press, 1986. 13. Lorenz, Ο.; Monagan, G.: Automatisches Indexieren von Liniengraphiken. In: Kuhlen, R.; Rittberger, M. (Hr.): Hypertext - Information Retrieval - Multimedia: Synergie-Effekte elektronischer Informationssysteme. Konstanz: Universitätsverlag. Konstanz, 1995, S. 93 - 104. 14. Lustig, G. (Hg.): Automatische Indexierung zwischen Forschung und Anwendung. Linguistische Datenverarbeitung. Hildesheim: Olms, 1986. 182 S. 15. Luck, W.: Erfahrungen mit dem automatischen Indexierungssystem AER/PHYS. In: StrohlGoebel, H. (Hg.): Deutscher Dokumentartag 1987. München: Saur, 1988, S. 340 - 352. 16. Lück, W.; Rittberger, W.; Schwantner, M.: Der Einsatz des Automatischen Indexieningsund Retrieval-Systems (ADR) im Fachinformationszentrum Karlsruhe. In: Kuhlen, R. (Hg.): Experimentelles und praktisches Information Retrieval. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz, 1992, S. 141 - 170. 17. Neveling, U. (Red.); Wersig, G. (Red.); KTS/DGD (Hrsg.): Terminologie der Information und Dokumentation. DGD-Schriftenreihe, München: Verlag Dokumentation, 1975. 307 S. 18. Panyr, J.: Automatische Klassifikation und Information Retrieval: Anwendung und Entwicklung komplexer Verfahren in Information-Retrieval-Systemen und ihre Evaluierung. (Sprache und Information, Bd. 12). Tübingen: Niemeyer, 1986, 416 S. 19. Van Rijsbergen, K.: Information Retrieval. 2. Aufl., Butterworth, 1979. 20. Rowley, J.: Abstracting and Indexing. 2. Aufl., London: Clive Bingley Limited, 1988. 181 S. 21. Rüge, G.: Wortbedeutung und Termassoziation. Methoden zur automatischen semantischen Klassifikation. Hildesheim: Olms 1995. 231 S. 22. Salton, G.: Another Look at Automatic Text-Retrieval Systems. Communications of the ACM. 29 (1986) 7, S. 648 - 656. 23. Salton, G.; McGill, M. J.: Information Retrieval. Grundlegendes für Informationswissenschaftler. (Deutsche Bearb: Wolfgang von Keitz). Hamburg: McGraw-Hill Company 1987. 465 S. 24. Schwarz, Ch.; Thurmaier, G. (Hrsg.): Informationslinguistische Texterschließung. Linguistische Datenverarbeitung, Hildesheim: Olms, 1986. 281 S. 25. Sparck Jones, K.: Information Retrieval Experiments. Butterworths, London, 1981. 26. Wechsler, M.: Eine neue lndexierungsmethode für Information Retrieval auf Audio-Dokumenten. In: Kuhlen, R.; Rittberger, M. (Hr.): Hypertext - Information Retrieval - Multimedia: Synergie-Effekte elektronischer Informationssysteme. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz, 1995, S. 117 - 128. 27. Zimmermann, H.; Kroupa, E.; Keil, G.: CTX - Ein Verfahren zur computergestützten Texterschließung. BMFT-Forschungsbericht D 83-006, 1983.

141

Β5

Klassifikation Hans-Jürgen Manecke

Β 5.1

Allgemeines

Unter Klassifikation wird ganz allgemein eine Gruppierung oder Einteilung des gesamten Wissens, der Wissenschaft und ihrer Disziplinen nach einheitlichen methodischen Prinzipien verstanden (Lit. 02). Die Elemente (Bestandteile) der Klassifikationen werden als Klassen bezeichnet. Bei der Verwendung des Begriffes „Klassifikation" ist zu unterscheiden zwischen - dem ProzeB der Klassifikationserarbeitung (d.h. der Klassenbildung); - dem Klassifikationssystem als Ergebnis des Klassenbildungsprozesses; - dem ProzeB der Klassierung bzw. des Klassifizierens, d.h. dem gegenseitigen Zuordnen von Objekten und Klassen des Klassifikationssystems.

Dieses Zuordnen erfolgt auf der Grundlage mindestens eines gemeinsamen Merkmals, das den einzelnen Objekten einer bestimmten Klasse eigen ist und sie von Objekten anderer Klassen unterscheidet. Gleichartige Objekte bzw. Sachverhalte werden in einer Klasse zusammengefaßt. Eine derartige Objektklassifikation ist Grundlage beispielsweise der Faktendokumentation, bei der Daten über Objekte, Sachverhalte etc. direkt gespeichert und abgefragt werden können. Ein Klassifikationssystem ist insgesamt das Ergebnis eines schrittweisen Strukturierungsprozesses, bei dem jeder Klasse in dem System ein bestimmter Platz zugeteilt wird. So erfüllen die Klassifikationen vor allem eine Ordnungsfunktion (Gleiches zu Gleichem), die ganz offensichtlich einem Grundbedürfnis des Menschen entspricht. Bereits in den Ländern des alten Orients und in der antiken Welt gab es Klassifikationen. Ein besonders augenfälliges Beispiel einer Ordnung von Stadtarchivalien aus dem frühen Mittelalter ist auch im historischen Stadtarchiv von Mühlhausen zu finden. Hinter jeder Klasse verbirgt sich ein dreistufiger Abstraktionsprozeß, d.h. zunächst die Abstraktion vom Objekt bzw. Sachverhalt einer Klasse zum Begriff, der die Merkmale bestimmt, die diese Klasse von einer anderen unterscheidet. Dieser Begriff ist dann in einer nächsten Abstraktionsstufe durch eine äquivalente Bezeichnung auszudrücken. In diesem Abschnitt stehen Klassifikationssysteme für die Referenzdokumentation, d.h. ihr Einsatz als Dokumentationssprache bei der Erarbeitung von Referenzbeschreibungen für Wissensquellen, im Vordergrund. Sie zählen zu den am weitesten verbreiteten Dokumentationssprachen und zeichnen sich gegenüber Nummernsystemen durch die ihnen innewohnende Systematik aus. Ein derartiges Klassifikationssystem ist eine systematisierte Zusammenstellung von Begriffen (Begriffssystematik), in der vor allem die hierarchischen Beziehungen zwischen den Begriffen (Über- und Unterordnung) durch systemabbildende Bezeichnungen (Notationen) dargestellt sind (Lit. 04). Diese Notationen werden bei der Inhaltserschließung als inhaltskennzeichnende Merkmale (Indizes) vergeben

142

Manecke: Klassifikation

und sind somit Grundlage für das Speichern und Wiederauffinden. Hauptfunktion von Klassifikationen dieser Art ist also das Ordnen der Sachverhalte, die bei der Analyse von Publikationen und anderer Wissensquellen als wesentlich erkannt und mit Hilfe von Notationen beschrieben worden sind. Die Erläuterung der nachfolgenden Grundlagen bezieht sich vor allem auf die Verwendung von Klassifikationen als Begriffssystematik. Sie gelten aber auch in analoger Weise für die o.a. Objektklassifikation.

Β 5.2

Grundlagen von KJassifikationssystemen

Β 5.2.1

Strukturelemente

Grundlage für die Einordnung von Sachverhalten in das jeweilige System ist vor allem die hierarchische Unterteilung der einzelnen Begriffe (in der Regel nach dem Prinzip Gattung-Art). Dabei muß beachtet werden, daß mindestens ein Merkmal für die Unterteilung maßgebend sein muß, denn nur so schließen die gebildeten Unterbegriffe einander aus. Auf einen Gattungsbegriff folgt so eine Reihe von Artbegriffen, die in der nächsten Hierarchieebene ihrerseits zu Gattungsbegriffen werden können, um dann weiter unterteilt zu werden (vgl. Abb. 1).

SCHIFF

Gattungsbegriff

1 Artbegrifle Gattungsbegriff

ArtbegrifFe

1

1

FAHRGASTSCHIFF FRACHTSCHIFF FISCHEREISCHIFF ... FRACHTSCHIFF

1 TANKSCHIFF

1 KOHLSCHIFF

1 MASSENGUTSCHIFF...

Abb. 1: Monohierarchische Unterteilung

Hier werden klassifikatorische Ketten (Schiff - Frachtschiff - Kühlschiff .. ) und Ebenen (Fahrgastschiff - Frachtschiff - Fischereischiff .. bzw. Tankschiff - Kühlschiff - Massengutschiff) sichtbar, die in ihrer Gesamtheit eine Art Koordinatensystem bilden, auf dem das Hierarchiegefüge des Klassifikationssystems abbildbar ist. Hinsichtlich dieses Gefüges kann zwischen Monohierarchie und Polyhierarchie unterschieden werden. Eine starke Hierarchie (= Monohierarchie) liegt vor, wenn zu jedem Begriff mehrere Unterbegriffe existieren. Es entsteht eine Art Begriffspyramide, bei der jeder Artbegriff umgekehrt nur einen Oberbegriff hat (vgl. Abb. 1). Eine Recherche ist hier nur nach einem Aspekt möglich (= eindimensionale Suche). Eine schwache Hierarchie (= Polyhierarchie) liegt vor, wenn ein und derselbe Begriff auf Grund der Berücksichtigung mehrerer unterschiedlicher Merkmale je-

Β 5.2 Grundlagen von Klassifikationssystemen

143

weils zwei oder mehr Oberbegriffen zugeordnet wird (vgl. Abb. 2). Das ermöglicht eine gleichzeitige Recherche unter mehreren Aspekten (= mehrdimensionale Suche).

Gattungsbegriffe

PERSONENTRANSPORT

Artbegriffe

FAHRGASTSCHIFF

SCHIFF

FRACHTSCHIFF

FISCHEREI

FISCHEREISCHIFF...

Abb. 2: Polyhierarchische Unterteilung

Polyhierarchien können in den typischen hierarchischen Klassifikationen beispielsweise durch das Einarbeiten von Verweisungen oder durch die Mehrfacheinordnung eines Begriffs dargestellt werden. Die bisherige Konzentration auf monohierarchische Strukturen und damit auf eindimensionale Recherchen wird durch den verstärkten Rechnereinsatz bei der Erarbeitung, Pflege und Anwendung von Klassifikationen in Zukunft vielfach in Richtung auf flexiblere Strukturen aufgegeben werden können. Die Einordnung der Begriffe in das Hierarchiegefüge muß unter Beachtung der Grundregeln der formalen Logik geschehen, um widerspruchsfreie Klassifikationen zu erhalten. Derartige Regeln sind beispielsweise: - Die Extension, d.h. der Begriffsumfang des Gattungsbegriffs, muß mit den Extensionen der Artbegriffe übereinstimmen; - Die Artbegriffe müssen disjunkt sein, d.h. ihre Extensionen dürfen sich nicht überschneiden; - es darf nicht gleichzeitig nach verschiedenen Merkmalen gegliedert werden; - die Gliederung darf keine Sprünge machen.

Diese idealtypischen Postulate können in der Praxis des Umgangs mit Klassifikationen nicht immer eingehalten werden. Nützlichkeitserwägungen stehen oft gegenüber Untergliederungsformalismen im Vordergrund.

Β 5.2.2

Strukturen. Begriffsbeziehnngen

Die Struktur der Klassifikationen wird nicht nur durch das vorherrschende Einteilungsprinzip, sondern auch durch die Anzahl der in ihr zusammengeführten Elemente bestimmt. Bei der Erarbeitung von Klassifikationen werden in der Regel viele Begriffe und Begriffskombinationen von vornherein festgelegt (= Präkoordination), um für alle bei der inhaltlichen Erschließung auftauchenden Sachverhalte über eine möglichst vollständige Begriffssystematik zu verfügen. Dadurch haben Klassifikationen vielfach einen geschlossenen, starren Charakter, der eine Weiterentwicklung und Anpassung an die Entwicklungen auf dem jeweiligen Gebiet erschwert. In einem engen Zusammenhang zur Struktur der Klassifikation stehen die mit ihr realisierbaren Begriffsbeziehungen. Dabei wird meist zwischen paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen unterschieden. Je umfassender diese in einer

144

Manecke: Klassifikation

Dokumentationssprache berücksichtigt werden können, desto besser ist ihre Ausdrucksfähigkeit, d.h. ihr Vermögen, die in Wissensquellen in natürlicher Sprache ausgedrückten Sachverhalte relativ genau widerzuspiegeln und damit Voraussetzungen für akzeptable Rechercheergebnisse zu geben. Klassifikationen gelten im allgemeinen als relativ ausdrucksschwache Dokumentationssprachen, da von den Möglichkeiten paradigmatischer Begriffsbeziehungen (z.B. Äquivalenz, Hierarchie, Assoziation) meist nur - wie weiter oben erläutert die hierarchischen Beziehungen ihr Systemgefüge bestimmen. Zum Teil werden aber auch Assoziationen durch Verweisungen ermöglicht. Durch das bei Klassifikationen vorherrschende Prinzip der Präkoordination (im Gegensatz zur Postkoordination, wo erst bei der Inhaltserschließung Begriffe und Begriffskombinationen entsprechend dem Inhalt der Wissensquelle als Indizes zusammengeführt werden) sind in ihnen auch die Möglichkeiten syntagmatischer Begriffsbeziehungen (z.B. Funktionsanzeiger, Verknüpfungsanzeiger, Relatoren, Modifikatoren) eher schwach entwickelt, vor allem im Vergleich zu Thesauri. Denn Klassifikationen, bei denen dieser Verknüpfungsapparat (zu vergleichen mit einer primitiven Grammatik) weiter ausgebaut worden ist, können leicht unübersichtlich und damit unhandlich werden.

Β 5.2.3

Begriffsbezeichnungen

Innerhalb von Klassifikationssystemen werden üblicherweise zwei Bezeichnungsarten nebeneinander verwendet. Zum einen sind das die verbalen Bezeichnungen (oder Benennungen) der in der Systematik zusammengeführten Begriffe. Diese Bezeichnungen können auch aus mehreren Worten zusammengesetzt sein. Im Interesse einer praktikablen und widerspruchsfreien Handhabung von Klassifikationen ist eine sorgfältig gewählte und kontextfrei verständliche Bezeichnung zu fordern. Häufig finden sich aber in der Praxis eher vage Umschreibungen von Begriffen. Die andere Bezeichnungsart sind künstliche Bezeichnungen in Form von Notationen. Ergänzt werden die Bezeichnungen erforderlichenfalls durch Erläuterungen oder Definitionen (Abb. 3). Begriff

SCHIFF

Notation (aus der D K )

629.123

Verbale Bezeichnung

SCHIFFE FOR SEESCHIFFAHRT. SEESCHIFFE

Erläuterung

EINSCHLIESSLICH SCHIFFE FÜR GROSSE SEEN UND STROME

OK - t n t e i m t o m l « D«z!miBSS3SMSSSM U IM£-i*XMIl b - aus α folgt b (oder: wenn a. dann b) -> bedeutet Negation, Λ bedeutet eine Und-Verknüpfung, während V f ü r eine O d e r - V e r k n ü p f u n g steht. • Gesetzliche

Vorschrift:

Einen Führerschein der Klasse 3 darf nur besitzen, wer mindestens 18 Jahre alt ist. Vp : (inst{p. •

person)

Organisationsinterne

=> (besitzt-führerschein'Hp)

=> alter(p)

> IS))

Regelung:

Ein nicht leitender Mitarbeiter besitzt keine Entscheidungsbefugnis bzgl. Dienstreisegenehmigungen . Vp : ( i n s t ( p , n i c h t l e i t e n d e r - m i t a r b e i t e r ) => Wd : (inst( .person) person)

Λ ist-mutter(p Λ ist-vater(p"

, ρ))Λ .ρ)))

Natürlich sind auch gänzlich andere Formulierungen für die obigen Sachverhalte denkbar. Wie wir das schon in Abschnitt B7.1 für Begriffsbeschreibungen diskutiert haben, hängt die konkrete Form der Repräsentation eines Sachverhalts von dem Blickwinkel ab, den man auf einen Weltausschnitt hat, und von dem Zweck, für den man die Repräsentation erstellt. Integritätsbedingungen werden herangezogen, um unzulässige Aktionen, z.B. das Abspeichern unzulässiger Fakten, zu unterbinden. So darf unter Bezug auf obige Integritätsbedingungen für eine Person, die noch nicht 18 Jahre alt ist, nicht als Faktum in eine Datenbank aufgenommen werden, daß sie einen Führerschein der Klasse 3 besitzt. Neben dieser primären Blockierungsfunktion können Integritätsbedingungen ebenso wie die in Abschnitt B7.2.1.1 besprochenen Ableitungsregeln zum Schlußfolgern benutzt werden - z.T. entspricht ihre äußere Form ja unmittelbar der von Ableitungsregeln (a —* b, bzw. wenn a, dann b). Beispielsweise kann

196

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

aus der Tatsache, daß eine Person einen Führerschein der Klasse 3 besitzt, geschlossen werden, daß sie mindestens 18 Jahre alt ist. Aus der Tatsache, daß ein Mitarbeiter eine nicht-leitende Funktion besitzt, folgt, daß er (oder sie) einen Dienstreiseantrag nicht genehmigt haben kann. Der Unterschied zwischen Ableitungsregeln und Integritätsbedingungen ist folglich ein pragmatischer, d.h. betrifft ihre Verwendung. Integritätsbedingungen dienen in erster Linie der Unterbindung von Aktionen, während Ableitungsregeln in erster Linie Wissen herleiten. Beide können jedoch gleichermaßen in einem Schlußfolgerungsprozeß verwendet werden. Die in diesem Abschnitt betrachtete Basierung von Integritätsbedingungen auf Formulierungen in Prädikatenlogik ist erweiterbar um die Berücksichtigung modaler Aspekte. Dafür existieren spezielle Modallogiken, die die Notwendigkeit, die Möglichkeit oder das Gebotensein eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen können (siehe Lit. 37).

Β 7.2.2

Ereignisse und Ereignisfolgen

Für die Repräsentation sich verändernder Situationen werden Konstrukte zur Darstellung von Ereignissen benötigt. Ein Ereignis ist eine derart einem Zeitintervall zuzuordnende Zustandsänderung, daß vor dem Zeitintervall der alte Zustand und nach dem Zeitintervall der neue Zustand besteht. Analog zur Unterscheidung zwischen Begriffen und Begriffsausprägungen, die weiter oben in diesem Kapitel eingeführt wurde, sind Klassen möglicher Ereignisse von konkreten Ereignissen zu unterscheiden. Eine Ereignisklasse ist somit letztlich auch ein Begriff, verlangt aber für die Repräsentation der sie charakterisierenden Zustandsänderungen einen über terminologische Logiken hinausgehenden Repräsentationsformalismus. So müssen beispielsweise Vorbedingungen für das Eintreten eines Ereignisses formuliert werden können. Das in Abschnitt B7.2.1.1 schon eingeführte Konstrukt einer Produktionsregel erfüllt diese Forderung: Ist der Bedingungsteil einer Produktionsregel erfüllt, werden die im Aktionsteil der Regel aufgeführten Aktionen in der Reihenfolge ihrer Angabe ausgeführt. Produktionsregeln sind damit zwar primär ein Konstrukt zur Programmierung, unabhängig von einer tatsächlichen Ausführung kann einer Produktionsregel jedoch abgelesen werden, unter welchen Voraussetzungen welche Aktionen stattfinden. Damit können sie auch der Repräsentation möglicher Ereignisfolgen dienen. Die Ordnung der Einzelereignisse in der Ereignisfolge wird zum einen durch entsprechende Ausgestaltung der Vorbedingungen in den verschiedenen Produktionsregeln erreicht, zum anderen durch die Reihenfolge der Aktionen im Aktionsteil einer Produktionsregel. Keinen Einfluß auf die Ausführungsreihenfolge besitzt i.a. die Reihenfolge der Notierung der Produktionsregeln in der Wissensbasis. Prinzipiell sind immer alle diejenigen Regeln als ausführbar anzusehen, deren Vorbedingung erfüllt ist (mögliche Vörgehensweisen zur Auswahl einer von mehreren ausführbaren Produktionsregeln sind in Lit. 22 beschrieben). Ein Beispiel für die Beschreibung einer möglichen Ereignisfolge durch Produktionsregeln ist in Abbildung 7 gegeben. Zur Repräsentation stereotypischer Ereignisfolgen wurde das Konstrukt eines Scripts entworfen (Kap.10.2 in Lit. 41, Lit. 46). Ein Script ist eine schema-artige

Β 7.2 Repräsentationsformalismen

197

wenn noch kein Startversuch unternommen führe ans nimm Gang heraus stecke Zündschlüssel in Zündschloß drehe Zündschlüssel bis zum Anschlag gib etwas Gas wenn Wagen beim ersten Versuch nicht anspringt führe aus warte 30 Sekunden drehe Zündschlüssel bis zum Anschlag gib etwas Gas wenn Wagen beim zweiten Versuch nicht anspringt führe aus prüfe, ob genug Benzin im Tank ist wenn Wagen nicht anspringt und nicht genug Benzin im Tank ist führe aus fülle Benzin nach nimm Gang heraus stecke Zündschlüssel in Zündschloß drehe Zündschlüssel bis zum Anschlag gib etwas Gas wenn Wagen nicht anspringt und genug Benzin im Tank ist führe ans rufe Werkstatt an Abb. 7: Beschreibung einer möglichen, problemlösenden Ereignisfolge durch Produktionsregeln

Struktur, die aus bestimmten, vordefinierten Teilkomponenten besteht: - Eingangsbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit die durch den Script repräsentierten Ereignisse stattfinden können - der Ergebniszustand, der eintritt, wenn die durch den Script beschriebenen Ereignisse stattgefunden haben - Begriffe, die an den beschriebenen Ereignissen teilhaben - Varianten der durch den Script dargestellten generischen Ereignisfolge - die Ereignisse in entsprechender Reihenfolge

Die in einem Script zusammengefaßten Ereignisse können jeweils selber wieder Ereignisfolgen bilden und sind dann ebenfalls als Scripts repräsentiert, oder sie sind atomar und durch einen speziellen, conceptual dependency genannten Formalismus beschrieben, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen wird (vgl. Lit. 45, Kap. 10.1 in Lit. 41). Durch Hinzufügen geeigneter Vorbedingungen können in einem Script alternative Ereignisfolgen beschrieben werden. Ein Beispiel für einen Script zeigt Abbildung 8. Die Darstellung ist informal. Sowohl die Eingangsbedingungen als auch der Ergebniszustand und die Varianten sind in einem geeigneten Formalismus (wie Prädikatenlogik) zu formulieren. Ebenso müssen die nur mit Namen aufgeführten Begriffe (beispielsweise) durch eine terminologische Logik beschrieben sein - die Beschreibungsmerkmale, die in den Vorbedingungen in der Ereignisfolge referenziert werden, wären dann durch die Begriffsbeschreibungen eingeführt.

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

198 Script Buchausleihe

Eingangsbedingungen: Bibliothek hat geöffnet, der Ausleiher hat Leseausweis bei sich Ergebniszustand: Ausleiher hat Buch bei sich Begriffe: Bibliothek, Bibliotheksbesucher, Buch, Katalog, Leseausweis Varianten: Präsenzbibliothek: Ein Buch kann nicht aus der Bibliothek entfernt werden; entsprechend gilt ein unterschiedlicher Ergebniszustand: Ausleiher hat Buch (oder Ausschnitte davon) gelesen oder das Buch (oder Ausschnitte davon) kopiert Ereignisfolge: 1. Betrete Bibliothek 2. Script Standort und Ausleihvermerk im Katalog nachsehen 3. wenn Buch als ausgeliehen vermerkt führe ans Script Buch vormerken Schritt 7 ausführen 4. Standort des Buches aufsuchen 5. wenn Buch nicht am Standort und es gibt weitere Exemplare des Buches anderen Standorts fähre ans alternativen Standort aufsuchen Schritt 5 wiederholen 6. wenn Buch am aktuellen Standort vorhanden führe aus Buch entnehmen Script Buch verbuchen lassen 7. Bibliothek verlassen Abb. 8: Ein Script

Eine Repräsentation der in dem Script referenzierten Ereignisse ist nicht gegeben. Einige von ihnen sind atomar, während andere durch Scripts beschrieben sind. Die Entscheidung, welche Ereignisse atomar und welche als Scripts zu repräsentieren sind, hängt von ihrem Komplexitätsgrad und von dem Zweck ab, der mit der Anwendung, für die der Script vorgesehen ist, verfolgt wird. Ein Unterschied zwischen Scripts und Produktionsregeln liegt darin, daß in einem Script die Ausführungsreihenfolge der Teilereignisse explizit angegeben ist. Ein wesentlicher Vorteil von Scripts ist die Möglichkeit, einzelne Ereignisse wiederum durch Scripts zu beschreiben, wodurch die Darstellung wesentlich strukturierter, überschaubarer und einfacher zu erstellen und zu modifizieren ist. Ein Nachteil, die Produktionsregeln und Scripts gleichermaßen aufweisen, ist die fehlende Möglichkeit, potentiell parallel ablaufende Teilereignisfolgen darzustellen. Ein Formalismus, der dieses erlaubt, wird im folgenden diskutiert. Er eignet sich z.B. für die Darstellung organisationsinterner Entscheidungsabläufe - interessant im Rahmen der Erfassung organisationellen Wissens.

Β 7.2 Repräsentationsformalismen

199

Eine bevorzugt im Gebiet der Büromodellierung verwendete Klasse von Formalismen zur Repräsentation von Ereignisfolgen ist netzwerk-basiert. Die gerichteten Kanten eines Graphen dienen der Darstellung zeitlicher Abfolgen von Ereignissen, die jeweils zu den durch die Knoten beschriebenen Zuständen führen. Es sind hier eine Reihe verschiedener Ansätzen zu unterscheiden (vgl. Lit. 42, Lit. 43). Zur Verdeutlichung der Grundideen soll stellvertretend auf den Ansatz von Zisman (Lit. 57) näher eingegangen werden. Es werden dort Ereignisfolgen durch Produktionsregeln beschrieben, die in ein Petri-Netz (vgl. Lit. 40), welches eine Kontrollstruktur realisiert, eingebettet sind. Ein Petri-Netz besteht aus Knoten, die über gerichtete Kanten miteinander verbunden sind. Ein Knoten ist entweder eine Stelle (für einen Zustand) oder eine Transition (für einen Zustandsübergang). Die Stellen, die zu einer Transition hinführen, heißen Vorstellen, während die von einer Transition aus erreichbaren Stellen Nachstellen genannt werden. Eine Stelle kann Marken enthalten. Befindet sich in allen Vorstellen einer Transition eine Marke, ist sie aktiv und kann schalten. Dabei wird eine Marke von jeder Vorstelle entfernt und eine Marke jeder Nachstelle hinzugefügt. Das bedeutet, daß bei Vorliegen der durch die Vorstellen repräsentierten Ausgangssituation die durch die Nachstellen repräsentierten Folgezustände erreicht werden können. Da mehr als ein Folgezustand zugelassen ist, besteht die Möglichkeit zur Beschreibung paralleler Ereignisfolgen. Abbildung 9 zeigt ein einfaches Petri-Netz. Marken sind durch schwarze Punkte dargestellt, Kreise stehen für Stellen und Balken für Transitionen. In dem dargestellten Zustand kann die Transition tl schalten, gefolgt von t2 und t3. Erst nachdem t2 und t3 geschaltet haben, sind t4 und t5 aktiv. Von diesen beiden kann nur eine schalten, nicht aber beide, da sich nur eine Marke in den Vorstellen befindet. Schaltet t4 oder t5, befindet sich das Netz wieder in seinem ursprünglichen Zustand.

t3

t5

OS Abb. 9: Ein einfaches Petri-Netz (nach Lit. 24 bzw. Lit. 57)

In der von Zisman (Lit. 57) vorgeschlagenen Erweiterung von Petri-Netzen werden den Transitionen (eine oder mehrere) Produktionsregeln zugeordnet. Für alle aktiven Transitionen werden die zugehörigen Produktionsregeln auf Ausführbarkeit geprüft. Ist eine Produktionsregel ausführbar, werden die durch sie festgelegten Aktionen durchgeführt, und die zugeordnete Transition schaltet. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, daß die Reihenfolge der Überprüfung der Ausführbarkeit von Produktionsregeln durch die Struktur eines Petri-Netzes festgelegt wird. Die Abfolge von und die Interaktion zwischen Regeln kann somit auf recht elegante Weise festgelegt und kontrolliert werden. Das wichtigste Merkmal des Ansatzes von Zisman besteht darin, daß Ereignisfolgen unterschiedlichen Agenten zugeordnet werden können. Jeder Agent wird durch

200

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

ein eigenes, um Produktionsregeln erweitertes Petri-Netz beschrieben. Jedes dieser Netze kann von jedem seiner U-ansitionsknoten aus andere Netze aktivieren (deren Abarbeitung an einem ausgezeichneten Startknoten beginnt) und kann in seiner Abarbeitung auf die Ausführung eines anderen Netzes warten. Das Aktivieren eines anderen Agenten geschieht als Teil einer Produktionsregel-Aktion, während das Warten auf einen Agenten durch eine entsprechende Vorbedingung einer Produktionsregel realisiert ist. Die Untergliederung einer zu repräsentierenden Ereignisfolge in verschiedenen Agenten zugeordnete Teilfolgen trägt zusätzlich zu einer besseren Handhabbarkeit und größeren Übersicht der Repräsentation bei. Vor allem wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, parallel ablaufende und asynchron miteinander verkoppelte Ereignisfolgen - wie sie in Organisationen ja typischerweise auftreten - zu repräsentieren. Ein Beispiel dazu ist in Abbildung 10 gegeben. Agent: Antragsteller 11



true führe aus •eibe Reiseantrag anziiere Agent Genehmigung) 14: wenn Antrag trotz Beschwerde nicht genehmigt ist führe aus gib Reise auf

J -

t3: wenn Antrag nicht genehmigt und noch nicht beschwert führe aus {formuliere Beschwerde instanziiere Agent Genehmigung)

12: wenn Antrag genehmigt führe aus I nehme Zimmerreservierung vor besorge Fahrkarten}

t5: wenn Zeit für Dienstreiseantritt führe aus beginne Reise wenn Instanzliert führe aus

\ -

t1: wenn ein Erstantrag vorliegt führe aus besorge Aufstellung über Reisemittel t2: wenn genug Reisemittel vorhanden und dienstliches Interesse vorliegt führe aus genehmige Antrag t3: wenn nicht genug Reisemittel oder kein dienstliches Interesse führe aus lehne Antrag ab

t4: wenn eine Beschwerde vorliegt führe aus {prüfe Antrag erneut halte Rücksprache mit Antragsteller) t5: wenn Sachlage unverändert ist führe aus bleibe bei Ablehnung

t6: wenn aulgrund neuer Fakten positiv entschieden werden kann führe aus genehmige Antrag

Abb. 10: Zwei Agenten als ein erweitertes Petri-Netz nach dem Ansatz von Zisman

Β 7.3 Qualitative Aspekte von Wissen

201

Eine weitere, hier nur erwähnte Klasse von Formalismen zur Repräsentation von Ereignissen bilden temporale Logiken (vgl. Kap.6 in Lit. 37 und Kap.5 in Lit. 08). Sie erweitern Prädikatenlogik erster Ordnung und erlauben ein formales Schlußfolgern unter Berücksichtigung zeitlicher Aspekte.

Β 7.3

Qualitative Aspekte von Wissen

Neben der in den vorangegangenen Abschnitten vorgenommenen Unterscheidung verschiedener Arten von Wissen lassen sich qualitative Aspekte bestimmen, die für jede Wissensart gleichermaßen relevant sind (eine ausführlichere Behandlung ist in Lit. 09 zu finden, auf die sich die hier gegebene Darstellung weitgehend stützt).

Β 7.3.1

Unvollständiges Wissen

Jede Wissensrepräsentation ist ein Abbild eines Realitätsausschnitts und erfaßt immer nur solche Aspekte, die für die Anwendung, zu deren Realisierung sie erstellt wurde, von Relevanz sind. In diesem Sinne ist jede Wissensbasis unvollständig. Darüber hinaus kann aber auch das für eine Anwendung relevante Wissen unvollständig repräsentiert sein. Dies kann seinen Grund darin haben, daß Wissen (noch) nicht verfügbar ist oder daß nur einige der in der Anwendung (oder für die Anfrageauswertung) benötigten Fakten über Ableitungsregeln herleitbar sind. Wird mittels einer Ableitungsregel beispielsweise auf die Existenz eines Liefervorgangs für bestimmte Waren geschlossen, ohne aber Angaben zu Empfänger und Lieferant machen zu können, ist das Wissen über diesen Liefervorgang unvollständig. Im allgemeinen Fall benötigt die Darstellung unvollständigen Wissens spezielle Ausdrucksmittel. Gut darstellbar ist unvollständiges Wissen beispielsweise in Logik. Einige Beispiele seien gegeben (vgl. Lit. 21): • Für eine nicht näher identifizierbare Begriffsausprägung sind lediglich einige ihrer Eigenschaften bekannt: 3k : (rot(k) Λ gewicht(k)

> lOAtf)

• Ein Individium ist Ausprägung eines von mehreren gegebenen Begriffen, aber es ist nicht bekannt, von welchem (,V' bedeutet „oder"): inst[ Μ aria, Schülerin) V inst( Μ aria,

Studentin)

• Es ist bekannt, daß für eine Begriffsausprägung eine bestimmte Ausage gilt, aber es ist unbestimmt, welche Ausprägung dies ist: 3Λ: : [inst(k, student) Λ

ist-berufstätig[k))

202

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

• Eine Aussage macht eine qualitative Angabe, die nicht auf einen exakten, quantitativen Wert zurückgeführt werden kann: Hans ist alt. Die meisten Bäume sind geschädigt. Das Medikament wirkt sehr schnell. Die bisher diskutierten Beispiele behandeln Fälle, in denen über eine gegebene Begriffsausprägung unvollständiges Wissen vorliegt. Eine gänzlich andere Situation ist gegeben, wenn über ein (für die Anwendung relevantes) Individuum überhaupt keine Aussage in einer Wissensbasis gemacht ist, d.h. noch nicht einmal seine Existenz festgestellt wird. In einem solchen Fall würde fälschlicherweise von einer unzutreffenden Vollständigkeit des Wissens ausgegangen werden (vgl. Lit. 13, Kap. 6). Zur Unterbindung fehlerhafter Schlußfolgerungen, die auf einer falschen Vollständigkeitsannahme basieren, müssen in eine Wissensbasis Angaben über ihren Vollständigkeitsgrad aufgenommen werden. Für die Darstellung solchen Selbstwissens wurde eine Reihe spezieller Formalismen entwickelt (Lit. 21, Lit. 26). Das folgende Beispiel illustriert das prinzipielle Vorgehen: Beispiel In einer Wissensbasis ist nur für Hans und Jutta repräsentiert, daß sie Studenten sind: inst(Hans, student) inst(Jutta, student) Eine Anfrage an diese Wissensbasis, ob Karl Student ist, würde unter der Annahme ihrer Vollständigkeit negativ beantwortet werden. Erfaßt die Wissensbasis jedoch nicht alle Studenten, könnte diese Antwort falsch sein. Verhindert wird ein solcher Fehlschluß, indem in die Repräsentation aufgenommen wird, daß die Wissensbasis nicht alle Studenten erfaßt. In dem Formalismus von Levesque (Lit. 21) geschieht dies unter Verwendung eines Modaloperators Κ mit der Bedeutung „es ist bekannt daß" (Ka ist dann zu lesen als „es ist bekannt, daß α gilt"): 3p : (inst(p, student)

Β 7.3.2

inst{p,

student)))

Widersprüchliches Wissen

Für manche Informationssysteme besteht die Notwendigkeit, mit widersprüchlichem Wissen umzugehen. Typische Gründe hierfür sind: - Es treten Ausnahmen von als universell spezifizierten Regularitäten auf. Es gelte beispielsweise die Regel wenn ein Mitarbeiter den Führerschein der Klasse 3 besitzt dann kann er eine Warenauslieferung per PKW übernehmen Ist für einen Mitarbeiter mit einem Führerschein der Klasse 3 repräsentiert, daß er keine Auslieferung vornehmen kann, z.B. weil er ein Gipsbein hat, steht dies im Widerspruch zu der aus obiger Regel ableitbaren Aussage. Für die adäquate Behandlung solcher Widersprüche wurden spezielle Formalismen entwickelt. Sie weichen entweder den Status einer Aussage auf, so

Β 7.3 Qualitative Aspekte von Wissen

203

daß sie nicht mehr als universell gilt, sondern nur noch als typischerweise zutreffend interpretiert wird (vgl. Kap.3 in Lit. 08), oder lassen explizit die Repräsentation von Ausnahmen zu (Lit. 04). Annahmen, die unter Verwendung einer Ableitungsregel getroffen wurden, müssen beim Bekanntwerden einer Ausnahme u.U. zurückgenommen werden. Gleiches gilt für Aussagen, die in weiteren Schlußfolgerungsschritten aus diesen Annahmen hergeleitet wurden. Ein System, welches dieses leistet, heißt Begründungsverwaltungssystem (Kap.7.4 in Lit. 37, Kap.8 in Lit. 35). - Verschiedene Wissensquellen bringen sich (partiell) widersprechendes Wissen in eine Wissensbasis ein. So könnte folgende Situation gegeben sein: Wissensquelle 1: Die Sonne dreht sich um die Erde. Wissensquelle 2: Die Erde dreht sich um die Sonne. Solche Situationen können aufgelöst werden, indem die Wissensbasis in sogenannte Kontexte unterteilt wird, so daß verschiedene Sichten (beliefs) durch Zuordnung zu unterschiedlichen Kontexten voneinander getrennt repräsentiert werden. Jede Sicht isoliert betrachtet ist widerspruchsfrei (Kap.9 in Lit. 13, Kap.8 in Lit. 08). - Die in einer Wissensbasis nicht repräsentierte Existenz verschiedener (Zeit-, Ausstattungs-, Entwicklungs-)Versionen von Begriff(sausprägung)en (ein Fall von unvollständigem Wissen) führt zu widersprüchlichen Darstellungen, wenn sich ausschließende Eigenschaften verschiedener Versionen fälschlicherweise einem Begriff zugeordnet werden; beispielsweise kann ein Rechnertyp in verschiedenen Ausstattungsstufen eine unterschiedliche Zentraleinheit besitzen. Durch die Berücksichtigung von Versionen (siehe z.B. Lit. 17, Lit. 52) und ihre Behandlung als unterschiedliche Begriffe (bzw. Begriffsausprägungen) mit einer gemeinsamen Basis entsteht dagegen kein Widerspruch.

Ist die Ursache für einen Widerspruch nicht bestimmbar und er nicht aufzuheben, kann der als am wahrscheinlichsten zutreffende Sachverhalt mit dem Vermerk dargestellt werden, daß er als nicht gesichert zu betrachten ist (vgl. nächsten Abschnitt). Stellt er sich später als korrekt heraus, wird er als gesichert gekennzeichnet, andernfalls wird eine entsprechende Korrektur vorgenommen. Die besondere Problematik widersprüchlichen Wissens liegt darin, daß eine auf logischer Deduktion basierende Schlußfolgerungskomponente in einer Wissensbasis, die widersprüchliches Wissen enthält, beliebige Schlüsse ziehen kann. Das bedeutet, daß sie funktionsunfähig ist, solange ein Widerspruch besteht. Deshalb muß ein Widerspruch immer erkannt und so aufgelöst werden, daß er formal nicht länger vorliegt (z.B. indem die widersprüchlichen Aussagen verschiedenen Kontexten zugeordnet werden - s.o.). Eine andere Möglichkeit, mit Widersprüchen umzugehen, besteht in dem Einsatz spezieller, vierwertiger Logiken, für die Inkonsistenz ein möglicher Wahrheitswert ist und die bei Vorliegen eines Widerspruchs ein Schlußfolgern noch ermöglichen (Lit. 48).

Β 7.3.3

Unsicheres Wissen

Nicht alles in einer Wissensbasis dargestellte Wissen muß als gesichert gelten. In Abhängigkeit vom Vertrauensgrad, den eine Wissensquelle besitzt, kann das von ihr stammende Wissen mit einem entsprechenden Unsicherheitsfaktor versehen werden. Manchmal ist sogar der Diskursbereich selber durch die Existenz nicht exakter

204

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

Aussagen charakterisiert, so daß Aussagen zu erfassen sind, die lediglich wahrscheinlich oder nur möglich sind (siehe Kap.8 in Lit. 13, Kap.7 in Lit. 35, Lit. 29). Das ist beispielsweise bei der Repräsentation von Wissen für (medizinische) Diagnosesysteme der Fall (aus Lit. 23): wenn der Organismus gram-negativ ist und der Organismus stäbchenförmig ist und der Organismus anaerob ist dann besteht eine leichte Evidenz (0.6), daß der Organismus bakteroid ist

Prinzipiell wird Wissen unterschiedlichen Sicherheitsgrades mit Hilfe einer Abbildung 5 dargestellt, die jeder Aussage derart eine Zahl zuordnet, daß folgendes gilt: Wenn die Korrektheit einer Aussage a mit größerer Sicherheit angenommen werden kann als für eine Aussage a', dann gilt s(a) > s(a') (Lit. 28). Die beiden Hauptprobleme, die in diesem Zusammenhang auftreten, betreffen die Kriterien, nach denen einer Aussage ein konkreter Zahlenwert zuzuordnen ist, sowie das Vorgehen, nach dem ein solcher Wert geändert wird, wenn neue Evidenzen für oder gegen das Zutreffen der Aussage vorliegen. Die Formalismen, die hierfür entwickelt wurden, basieren auf der Wahrscheinlichkeitstheorie (Lit. 32, Kap.8 in Lit. 13) oder auf Fuzzy Logic (Lit. 56, Lit. 11, Lit. 51). Der Ansatz von Dempster-Shafer (Lit. 14, Kap.7 in Lit. 35) ist besonders hervorzuheben, da er formal auf sehr solider Basis steht und mit dem in Lit. 02 beschriebenen, vom Berechnungsaufwand her sehr effizienten Berechnungsschema auch praktisch einsetzbar ist.

Β 7.4

Ausblick

Die Aufgabe dieses Kapitels war, einen Einblick in Wissensrepräsentationsformalismen und ihre Anwendbarkeit für verschiedene Repräsentationsprobleme zu vermitteln. Dabei standen vor allem Anforderungen im Vordergrund, die sich aus der Realisierung (mächtigerer) Informations- und Dokumentationssysteme ergeben. Gerade der Bedarf nach einer besseren Nutzung organisationsinternen Wissens verlangt neben rein organisationellen Maßnahmen flächendeckende, integrierte Informationssysteme, die verschiedenste Wissens- und Organisationsbereiche abdecken und so die „Inseln des Wissens" miteinander verbinden. Ohne den Einsatz von Wissensrepräsentationstechniken sind solche Informationssysteme nicht realisierbar. Es konnten in dem gegebenen Rahmen lediglich die Grundprinzipien behandelt werden, die angegebenen Literaturhinweise bieten jedoch einen Ausgangspunkt für eine vertiefende Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen. Als Lehrbücher für das Gesamtgebiet Wissensrepräsentation können Lit. 39 (mit Schwerpunkt auf semantischen Netzen und Frames), Lit. 13 und Lit. 37 (beide mit Schwerpunkt auf logik-basierter Wissensrepräsentation) sowie Lit. 38 empfohlen werden.

Β 7 Literatur

205

Literatur 01. Barr, Α.; Feigenbaum, Ε.A. (eds): The Handbook of Artificial Intelligence, Vol.1. Los Altos: Williarn Kaufmann, 1981. 02. Barnett, J.Α.: Computational Methods for a Mathematical Theory of Evidence. In: Proc. Int. Joint Conf. on Artificial Intelligence, 1981, pp.868 - 875. 03. Bartlett, FC.: Remembering: a Study in Experimental and Social Psychology. Cambridge: Cambridge University Press, 1932. 04. Borgida, Α.: Language Features for Flexible Handling of Exceptions in Information Systems. In: ACM Transactions on Database Systems, Vol.10, No.4, 1985, pp.565 - 603. 05. Brajnik, G.; Guida, G. ;Tasso, C.: An Expert Interface for Effective Man-Machine Interaction. In: L. Bole, M. Jarke (eds): Cooperative Interfaces to Information Systems. Berlin: Springer-Verlag, 1986, pp.259 - 308. 06. Burkart, M.: Dokumentationssprachen. In: M. Buder, W. Rehfeld,T. Seeger (eds): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 3. Auflage, Band 1. München:K.G. Saur, 1990, pp.143 - 182. (vgl. auch Kap. Β 5 und Kap. Β 6 dieser Ausgabe) 07. Ceri, S.; Gottlob, G.;Tknca, L: Logic Programming and Databases. Berlin: Springer Verlag, 1990. 08. Davis, E.: Representations of Commonsense Knowledge. San Mateo/Cal.: Morgan Kaufmann, 1990. 09. Delgrande, J.P.; Mylopoulos, J.: Knowledge Representation: Features of Knowledge. In: W. Bibel, Ph. Jorrand (eds): Fundamentals of Artificial Intelligence. Berlin: Springer-Verlag, 1986, pp.3 - 36. 10. Deliyanni, Α.; Kowalski, R.A.: Logic and Semantic Networks. In: Communications of the ACM, Vol.22, No.3, 1979, pp.184 - 192. 11. Dubois, D./ Prade, Η.: An Introduction to Possibilistic and Fuzzy Logics. In: P. Smets, A. Mamdani, D. Dubois, H. Prade (eds): Non-Standard Logics for Automated Reasoning. London: Academic Press, 1988, pp.287 - 326. 12. Fikes, R.; Kehler, T.: The Role of Frame-Based Representation in Reasoning. In: Communications of the ACM, Vol.28, No.9, 1985, pp.904 - 920. 13. Genesereth, M.R.; Nilsson, N.J.: Logical Foundations of Artificial Intelligence. Palo Alto/ Cal.: Morgan Kaufmann, 1987 (deutsche Obersetzung im Vieweg-Verlag, 1989). 14. Gordon, J., Shortliffe, E.H.: The Dempster-Shafer Theory of Evidence. In: G. Shafer, J. Pearl (eds): Readings in Uncertain Reasoning. San Mateo/Cal.: Morgan Kaufmann, 1990, pp.529 - 539. (auch in: G.G. Buchanan, E.H. Shortliffe (eds): Rule-Based Expert Systems:The MYCIN Experiments of the Stanford Heuristic Programming Project. Reading/ Mass. :Addison Wesley, 1984.) 15. Hendrix, G.G.: Encoding Knowledge in Partitioned Networks. In: N.V. Findler (ed): Associative Networks. Representation and Use of Knowledge by Computers. New York: Academic Press, 1979, pp.51 - 92. 16. Henrichs, N.: Dokumentenspezifische Kennzeichnung von Deskriptorenbeziehungen. Funktion und Bedeutung. In: Deutscher Dokumentartag 1974, Band 1. München: K.G. Saur, 1975, pp.343 - 353. 17. Katz, R H.: Toward a Unified Framework for Version Modeling in Engineering Databases. In: ACM Computing Surveys, Vol.22, No.4, 1990, pp.375 - 408. 18. Kintsch, W.: The Representation of Meaning in Memory. Hillsdale: Lawrence Erlbaum, 1974. 19. Knorz, G.: Indexieren, Klassieren, Extrahieren. In: M. Buder, W. Rehfeld, T. Seeger (eds): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 3. Auflage, Band 1. München: K.G. Saur, 1990, pp.122 - 142. (vgl. auch Kap. Β 4 dieser Ausgabe)

206

Reimer: Neue Formen der Wissensrepräsentation

20. Kuhlen, R.: Abstracts - Abstracting - Intellektuelle und maschinelle Verfahren. In: Buder, W. Rehfeld,T. Seeger (eds): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 3. Auflage, Band 1. München: K.G. Säur, 1990, pp.90 - 121. (vgl. auch Kap. Β 3 dieser Ausgabe) 21. Levesque, H.J.: The Logic of Incomplete Knowledge Bases. In: M.L. Brodie, J. Mylopoulos, J.W. Schmidt (eds): On Conceptual Modelling. New York: Springer-Verlag, 1984, pp.165 - 189. 22. McDermott, J.; Forgy, C.: Production System Conflict Resolution Strategies. In: D.A. Waterman, F. Hayes-Roth (eds): Pattern-Directed Inference Systems. New York: Academic Press, 1978, pp. 1 7 7 - 1 9 9 . 23. Melle, W. van: The Structure of the MYCIN System. In: B.G. Buchanan, E.H. Shortliffe (eds): Rule-Based Expert Systems: The MYCIN Experiments of the Stanford Heuristic Programming Project. Reading, Mass.: Addison-Wesley, 1984, pp.67 - 77. 24. Miller, R.E.: A Comparison of Some Theoretical Models of Parallel Computation. In: IEEE Transactions on Computers, Vol.C - 22, 1973, pp.710 - 717. 25. Minsky, M.: A Framework for Representing Knowledge. In: P.H. Winston (ed): The Psychology of Computer Vision. New York: McGraw-Hill, 1975, pp.211 - 277. 26. Moore, R.C.: Autoepistemic Logic. In: P. Smets, A. Mamdani, D. Dubois, H. Prade (eds): Non-Standard Logics for Automated Reasoning. London: Academic Press, pp.106 - 136. 27. Nebel, Β.: Reasoning and Revision in Hybrid Representation Systems. Berlin: SpringerVerlag, 1990. 28. Negoita, C.V.: Expert Systems and Fuzzy Systems. Menlo Park: Benjamin/Cummings, 1985. 29. Ng, K.-C.; Abramson, B.: Uncertainty Management in Expert Systems. In: I E E E Expert, April 1990, pp.29 - 48. 30. Niemann, H.; Bunke, H.: Künstliche Intelligenz in Bild- und Sprachanalyse. Stuttgart: Teubner, 1987. 31. Norman, D.A.: Memory, Knowledge and the Answering of Questions. In: R.L. Solso (ed): Contemporary Issues in Cognitive Psychology: The Loyola Symposium. Winston & Sons, 1973, p p . 1 3 5 - 165. 32. Paass, G.: Probabilistic Logic. In: P. Smets, A. Mamdani, D. Dubois, H. Prade (eds): NonStandard Logics for Automated Reasoning. London: Academic Press, 1988, pp.213 - 251. 33. Patel-Schneider, P.F.: Practical, Object-Based Knowledge Representation for KnowledgeBased Systems. In: Information Systems, Vol.15, No.l, 1990, pp.9 - 19. 34. Piaget, J.: Psychologie der Intelligenz. Zürich: Rascher, 1947. 35. Puppe, F.: Einführung in Expertensysterne. Berlin: Springer-Verlag, 1988. 36. Putnam, Η.: Mind, Language and Reality. Cambridge: Cambridge University Press, 1975. 37. Ramsay, Α.: Formal Methods in Artificial Intelligence. Cambridge, Mass.: Cambridge University Press, 1988. 38. Reichgelt, H.: Knowledge Representation: An AI Perspective. Norwood/NJ: Ablex, 1991. 39. Reimer, U.: Einführung in die Wissensrepräsentation. Netzartige und schema-basierte Repräsentationsformate. Stuttgart: Teubner, 1991. 40. Reisig, W.: Petrinetze. Eine Einführung. Berlin: Springer-Verlag, 1982. 41. Rich, Ε.; Knight, Κ.: Artificial Intelligence. New York: McGraw-Hill, 1991. 42. Richter, G.: Netzmodelle für die Bürokommunikation. Teil 1. In: Informatik-Spektrum, Band 6, Heft 4, 1983, pp.210 - 220. 43. Richter, G.: Netzmodelle für die Bürokommunikation. Teil 2. In: Informatik-Spektrum, Band 7, Heft 1, 1984, pp.28 -- 40. 44. Rosch, E.: Cognitive Representations of Semantic Categories. In: Journal of Experimental Psychology: General, Vol.104, 1975, pp.192 - 233.

Β 7 Literatur

207

45. Schänk, R.C.: Computer, elementare Aktionen und linguistische Theorien. In: P. Eisenberg (ed): Semantik und Künstliche Intelligenz. Beiträge zur automatischen Sprachverarbeitung II. Berlin: Walter de Gruyter, 1977, pp.113 - 141. 46. Schänk, R.C.; Abelson, R.P.: Scripts, Plans, Goals and Understanding. Hillsdale: Lawrence Erlbaum, 1977. 47. Schubert, L.K.: Extending the Expressive Power of Semantic Networks. In: Artificial Intelligence, Vol.7, 1976, pp.163 - 198. 48. Stickel, Μ.Ε.: Fuzzy Four-Valued Logic for Inconsistency and Uncertainty. In: Proc. 8th Int. Symposium on Multiple-Valued Logic, 1978, pp.91 - 94. 49. Teorey, T.J.: Database Modeling & Design: The Fundamental Principles (2nd Edition). San Francisco: Morgan Kaufmann, 1994. 50. Thiel, U.; Hammwöhner, R.: Informational Zooming: An Interaction Model for the Graphical Access to Text Knowledge Bases. In: C.T. Yu, C.J. van Rijsbergen (eds): Proc. of the Tenth Annual Int. ACM SIGIR Conf. on Research and Development in Information Retrieval, 1987, pp.45 - 56. 51. Viot, G.: Fuzzy Logic: Concepts to Constructs. In: AI Expert, November 1993, pp.26 - 3 3 . 52. Wilkes, W.: Versionsunterstützung in Datenbanken. In: Informatik Spektrum, Band 12, Heft 3, 1989, pp.166 - 169. 53. Winograd, T.: Frame Representations and the Declarative/Procedural Controversy. In: D.G. Bobrow, A. Collins (eds): Representation and Understanding. New York: Academic Press, 1975, pp.185-210. 54. Woods, W.A.; Schmölze, J.G.: The KL-ONE Family. In: Computers and Mathematics with Applications, Vol.23, No.2 - 5, 1992, pp.133 - 177. 55. Zadeh, L.A.: A Computational Approach to Fuzzy Quantifiers in Natural Languages.In: N.J. Cercone (ed): Computational Linguistics. Oxford: Pergamon Press, 1983, pp. 149 184. 56. Zadeh, L.A.: Knowledge Representation in Fuzzy Logic. In: IEEE TVansactions on Knowledge and Data Engineering, Vol. 1, No. 1, 1989, pp.89 - 100. 57. Zisman, M.D.: Use of Production Systems for Modeling Asynchronous, Concurrent Processes. In: D. A. Waterman, F. Hayes-Roth (eds): Pattern-Directed Inference Systems. New York: Academic Press, 1978, pp.53 - 68.

208 Β 8

Speicherung Wolfrudolf Laux

Die gezielte Bereitstellung von Informationen setzt voraus, daß sie, nachdem sie in irgendeiner Form erzeugt, ermittelt oder beschafft worden sind, gespeichert werden. Diese Speicherung muß so erfolgen, daß ein Wiederauffinden der Informationen jederzeit und unter spezifischen Aspekten möglich ist. Neben einer Ordnung der Informationen werden dazu Medien benötigt, die eine befristete oder unbefristete Speicherung von Informationen zulassen. Hierzu dienen die klassischen Karteien, die in den 50er Jahren für Dokumentationszwecke weiterentwickelten Lochkartenverfahren sowie die elektronischen Speicher wie Magnetbänder, Magnetkarten, Disketten. Angesichts des Einzugs der elektronischen Datenverarbeitung in Bibliotheken und Dokumentationsstellen haben die Lochkartenverfahren an Bedeutung verloren. Sie sollen hier aber Erwähnung finden, weil sie über viele Jahre hin die wichtigsten Arbeitsinstrumente der Literaturdokumentation waren und die Entwicklung der dafür notwendigen Ordnungssysteme und Thesauren auch heute noch beispielhaft ist. Auch in Bereichen, in denen Grundvoraussetzungen des EDV-Einsatzes wie Stromversorgung, Telefonnetze, Fachpersonal usw. fehlen, können diese Verfahren noch nützlich sein.

Β 8.1

Steilkartei

Die Steilkartei, wie sie z.B. in Form manueller Bibliothekskataloge noch heute weit verbreitet ist, war fast immer der Ausgangspunkt sich entwickelnder Informationsund Dokumentationssysteme. Sie bleibt als Hilfskartei oder durch Nutzung ihrer Grundprinzipien nie ganz verzichtbar. Ihr Vorteil, bei systematischer oder alphabetischer Aufstellung (weniger bei numerischer Aufstellung) ein unbegrenztes Zusortieren weiterer Karten zu ermöglichen, wird von dem Nachteil begrenzt, die Karte als Stellvertreter eines Dokumentes nur unter einem einzigen Sachverhalt bzw. Ordnungsmerkmal abstellen bzw. wieder auffinden zu können. Eine Mehrfachabstellung setzt eine Vervielfältigung der Karteikarte für ein Dokument voraus, wodurch die Gesamtkartei jedoch schnell zu arbeitsaufwendigem Umfang anwächst. Die Suche nach kombinierten Sachverhalten ist in Steilkarteien, wenn überhaupt, nur mühsam und zeitaufwendig möglich. Grundsätzlich erfolgt eine Suche nach einer in der Steilkartei gespeicherten Information über den Aufstellungsort der einzelnen Karteikarte. Die Kennzeichnung zusätzlicher Sachverhalte auf einer Karteikarte bzw. in einer Kartei ist nur begrenzt möglich. Unterschiedliche Kartenfarben sind beim Aufblick auf die Kartei schwer erkennbar. Kartenreiter sind in ihrer Zahl begrenzt durch die Breite der Karteikarte, pflegen beim Gebrauch der Karten zu wandern und stellen außerdem Anforderungen an die Kartenstärke, die dem Wunsch nach räumlich nicht allzu umfangreichen Karteien zuwiderläuft. Ungeachtet dieser und anderer Probleme sind Kar-

Β 8.2 Lochkarten

209

teikarten bzw. die Steilkartei nach wie vor ein häufiges Arbeitsmittel. Der Wunsch, in Steilkarteien einen Zugang zu verschiedenen, auch kombinierten Sachverhalten zu ermöglichen, führte zur Entwicklung der Lochkarten (Handlochkarten).

Β 8.2

Lochkarten

Unter Handlochkarten verstehen wir Speichermedien, die mit der Hand oder mit einfachen technischen Hilfsmitteln (Bohrer, Lochzange, Kerbzange) bearbeitet werden. Sie lassen sich in drei Karteisysteme unterteilen: 1. Rand-(Kerb-)lochkarten 2. Schlitzloch-(Flächenloch-)karten 3. Sichtlochkarten Daneben stehen die Maschinenlochkarten und die Lochstreifen, die insbesondere als Eingabemedien für EDV-Anlagen genutzt wurden (s. Abschnitt Β 8.3.1 und Β 8.3.2).

Β 8.2.1

Randlochkarten

Eine Randlochkarte verfügt an ihren Rädern über eine oder zwei vorgestanzte Lochreihen (einreihige, zweireihige Randlochkarte) (Abb. 1). Durch einen Buchstaben- und/oder Zahlenaufdruck ist jede einzelne Lochstelle auf der Karte eindeutig bezeichnet. Mit Hilfe einer Kerbzange kann die Lochstelle zum Kartenrand hin geöffnet (gekerbt) und dadurch markiert werden. Jeder Lochstelle kann ein Sachverhalt zu geordnet werden. Τ

Abb. 1: Randlochkarte

τ

210

Laux: Speicherung

Zum Zwecke der Informationsspeicherung wird die Randlochkarte wie eine normale Karteikarte beschriftet. Für die auf das Dokument zutreffenden Sachverhalte werden die entsprechenden Lochstellen gekerbt bzw. abgelocht. Bei der Suche nach Dokumenten zu einem bestimmten Sachverhalt oder zu einer Kombination von Sachverhalten werden eine oder mehrere Suchnadeln in der Kartei in die entsprechenden Lochstellen eingeführt. Nach Anheben des Kartenpaketes mit den Suchnadeln fallen die zum Rand hin geöffneten Karten, die die gesuchten Sachverhalte repräsentieren, aus dem Kartenstoß heraus. Bei Anordnung der gesuchten Sachverhalte an verschiedenen Seiten der Randlochkarte muß der Such Vorgang ggf. wiederholt werden. Bei einer Recherche muß stets die gesamte Kartei, die deshalb nicht allzu umfangreich sein sollte, durchsucht werden. Vorteilhaft ist der relativ schnelle Suchvorgang, der durch technische Hilfsmittel (Suchgabel, Rüttelgeräte) erleichtert werden kann. Die Kartei kann unsortiert aufgestellt werden, so daß das Einstellen von Karten ohne Sortieraufwand erfolgen kann. Die Begrenzung der Zahl der Sachverhalte (= Lochstellen) (je nach Kartentyp zwischen 60 und 100) bei dem Verfahren der Direktzuordnung wird aufgewogen durch die Möglichkeit, beliebig viele der festgelegten Sachverhalte auf den Karten zu markieren und auch wieder abzurufen. Ist die Anzahl der benötigten Sachverhalte größer als die Zahl der Lochstellen, bieten sich Verfahren der Verschlüsselung. Dabei werden mehrere Lochstellen zu sog. Lochfeldern zusammengefaßt, die auf den Randlochkarten aufgedruckt sein können. Die Lochfelder ermöglichen die Markierung der Zahlen 0 bis 9 in einem Lochfeld von fünf Lochstellen bei einreihigen und vier Lochstellen bei zweireihigen Randlochkarten. Auf einem solchen Lochfeld kann damit einer von jeweils zehn Sachverhalten eindeutig markiert werden. Durch Kombination mehrerer Lochfelder (Einer, 10er, 100er usw.) können nach dem Dezimalsystem auch mehrstellige Zahlen markiert werden, so daß z.B. bei zweireihigen Randlochkarten in drei Lochfeldern ä vier Lochstellen die Zahlen 000 bis 999, also bis zu 1.000 verschiedene Sachverhalte, markiert werden können. Durch geeignete Kombination verschieden großer Lochfelder und entsprechender Anordnung auf den vier Kartenrändern können im Prinzip tausende von Sachverhalten markiert werden. Der Vorteil dieses erweiterten Fassungsvermögens der Randlochkarte wird durch drei Aspekte eingeschränkt: 1. In jedem Lochfeld bzw. in jeder Lochfeldgruppe kann nur eine der durch die Lochfeldkombination möglichen Zahlen markiert werden.So kann z.B. in einer Kombination aus drei Lochfeldern ohne Überlagerung nur eine dreistellige Zahl ( = 1 von 1.000 Sachverhalten) markiert werden. 2. Vor Einrichtung der Kartei muß ein wohldurchdachtes Schlüsselsystem erstellt sein, wofür ein gewisser intellektueller Aufwand und eine gewisse Voraussicht der Aufgaben, die die Kartei zu erfüllen hat, bzw. der Form der Benutzung, die zu erwarten ist, nötig sind. 3. Das Verfahren der Verschlüsselung erzwingt eine größere technische Ausrüstung, da in jedem Lochfeld möglicherweise mit zwei Nadeln, also bei kombinierten Fragestellungen mit zahlreichen Nadeln gleichzeitig gesucht werden muß. Rüttelgeräte und Suchhilfen, bei denen die gesuchten Zahlenschlüssel durch entsprechendes Stecken der Suchnadeln vorbereitet werden können, sind notwendig.

Β 8.2 Lochkarten

211

Abb. 2: 1-2-4-7 Schlüssel

Für ein- und mehrlochige Randlochkarten sind unterschiedliche Schlüssel entwikkelt worden. Sie können in der einschlägigen Literatur nachgelesen werden, besonders häufig ist der sog. 1-2-4-7-Schlüssel für zweireihige Randlochkarten und ein Dreieckschlüssel für das Alphabet. Beim 1-2-4-7-Schlüssel (Abb. 2) werden die so markierten Lochstellen tief gelocht. Für die Zahlen (3, 5, 6, 8, 9, 0) erfolgt die flache Lochung bei 2 durch Summierung leicht zu merkenden Lochstellen. 3 = 1 + 2 , 5 = 1 + 4 , 6 = 2 + 4, 8 = 7 + 1 , 9 = 2 + 7, wobei nur die Stelle 0 (4 + 7) sich diesem Summierungsprinzip entzieht. Die Zahl 346 kann in drei Lochfeldern (Abb. 3) markiert werden. Bei der Suche nach dem mit der Zahl 346 belegten Sachverhalt muß gleichzeitig mit 2 + 1 + 2 = 5 Suchnadeln gesucht werden. ~

"1 t

_i · - · < m -



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54 57 Κ L ί 1· ·

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Abb. 3: Lochfelder mit 1-2-4-7-Schlüssel, markiert „346"

Dreieckschlüssel (Abb. 4) zur Wiedergabe des Alphabets, aber auch für entsprechende Zahlen, basieren gleicherweise auf einer Kombination von Ήεί- und Flachlochungen.

212

Laux: Speicherung •

1

/ \

/νί

'X

/ \

/C

«ί»

»x

Ί ' 1 " * 'ft* Ί Abb. 4: Dreiecksschlüssel für Alphabet, markiert „M" und „T"

Sortierschlüssel erlauben mit einer Folge von „Such"vorgängen eine (nicht allzu große) Kartei in eine alphabetische oder numerische Reihenfolge zu bringen.

Β 8.2.2

SchUtzlochkarten

Die Schlitzlochkartei (und Flächenlochkartei) entspricht in ihren Grundprinzipien der oben geschilderten Randlochkartei. Jedoch ist ein erheblicher Teil der Kartenfläche mit vorgestanzten Lochungen versehen (Abb. 5). Die Sachverhalte werden durch Verbinden von zwei oder mehr Lochungen in Längsrichtung auf der Karte markiert.

·|··|····|· · Ι · · Ι · · · | Ι |

üiiiiiiih

Abb. 5: Schützlochkarte, gelocht (Ausschnitt)

Bei der Suche, die je nach Fragestellung mit zahlreichen Nadeln gleichzeitig erfolgt, verbleiben Nadeln und Karten im Gerät. Die Karten fallen nicht heraus sondern verschieben sich um die Höhe des Zwischenraumes zweier Lochstellen. Nach Arretieren der Gesamtkartei können die gesuchten Karten entnommen werden. Bei der Anlage des Schlüssels muß auf eine gleichmäßige, evtl. gesplittete Verteilung der Sachverhalts-Schlüsselzahlen über die gesamte Karte geachtet werden. Wegen dieser Schwierigkeiten sowie der nötigen umfangreicheren technischen Hilfsmittel war der Einsatz einer Schlitzlochkartei auf Spezialfälle beschränkt, in

Β 8.2 Lochkarten

213

denen ein besonders großes Lochstellenangebot benötigt wurde, wie z.B. bei der Ablochung langer Dezimalzahlen.

Β 8.2.3

Sichtlochkarten

Die Sichtlochkartei weicht von den bisher genannten und damit auch den vertrauten Formen eines Karteisystems nicht unerheblich ab. Die Sichtlochkarte ist nicht ein Stellvertreter des Dokumentes, sondern eines Sachverhaltes und die Anzahl der Sichtlochkarten in einer Sichtlochkartei entspricht der Anzahl der benötigten Sachverhalte. Die Sichtlochkarte ist mit einem Raster bedruckt, das je nach Kartengröße zwischen 100 und 10.000 Lochstellen bildet, die durch ein Koordinatensystem eindeutig gekennzeichnet sind (Abb. 6). *η*ηατ**η#ψ wn irämmm

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Abb. 6: Sichtlochkarte (Ausschnitt)

Die zu bearbeitenden Dokumente werden fortlaufend numeriert. Für jeden Sachverhalt bzw. jedes Schlagwort wird eine Sichtlochkarte angelegt. Mit einem Bohrer wird auf der Sichtlochkarte (= Sachverhaltskarte) die Lochstelle gelocht, deren Nummer dem Dokument entspricht, in dem der betreffende Sachverhalt angesprochen wird. Die Anzahl der Sachverhalte oder Schlagworte sowohl pro Dokument als auch für das gesamte Karteisystem ist beliebig, da jederzeit neue Sichtlochkarten in die Kartei eingefügt werden können. Bei der Suche nach einer Sachverhalts- bzw. Schlagwortkombination werden die entsprechenden Sichtlochkarten gezogen und übereinander gelegt. Die Nummern von Dokumenten, die alle gesuchten Sachverhalte enthalten, sind durch die durchgehende Lochung leicht sichtbar (deshalb Sichtlochkarte).

214

Laux: Speicherung

Da Dokumente, z.B. Zeitschriftenartikel in gebundenen Bänden, häufig nicht nach laufender Nummer abgelegt bzw. wiedergefunden werden können, muß oft eine Zwischenkartei geführt werden, die nach numerus currens abgestellt, den Standort des Originaldokumentes und/oder die bibliographischen Angaben usw. enthält. Bei der Bearbeitung von mehr Dokumenten als die Sichtlochkartei Lochstellen besitzt, müssen jeweils weitere komplette Sichtlochkartensätze angelegt werden. Bei Verwendung mehrerer Kartensätze müssen diese eindeutig, z.B. durch Randlochung, voneinander zu unterscheiden sein. Ein erheblicher Vorteil der Kartei besteht in ihrer Variabilität. Terminologische Änderungen von Sachverhalten bzw. Schlagworten können durch einfache Beschriftungsänderungen vorgenommen werden. Neue Sachverhalten können jederzeit eingeführt oder Sichtlochkarten von nicht mehr benötigten Sachverhalten zur Entlastung der Kartei eliminiert werden. Die Anzahl der zu verwendenden Sichtlochkarten kann gering gehalten werden, wenn die Möglichkeiten der Begriffskombination genutzt werden. Ein Überblick über die Häufigkeit der verwendeten Schlagworte oder Schlagwortkombinationen kann gewonnen werden, was z.B. für Thesaurus-Entwicklungen oder statistische Zwecke nützlich sein kann.

Β 8.3

EDV-Speicher

Der Einsatz der EDV für Information und Dokumentation wird u.a. im Hauptkapitel Ε ausführlich dargestellt, so daß hier lediglich auf die Speichermedien abgestellt wird, die im Rahmen des EDV-Einsatzes von Bedeutung sind. Dabei geht es sowohl um Medien zur geeigneten und rationellen Eingabe von Informationen in EDV-Anlagen, als auch um Dauerspeicher zur mittel- und langfristigen Bereithaltung von Informationen. Im EDV-Bereich unterscheidet man zwischen internen und externen Speichern. Interne Speicher (auch Hauptspeicher genannt) dienen der Aufnahme der Programme, nach denen die EDV-Anlage arbeitet, sowie der Daten, die während eines Arbeitsvorganges dort verarbeitet werden müssen. Im allgemeinen bestehen die Arbeitsspeicher aus Magnetkernen, die in Gruppen angeordnet sind und durch Veränderung ihrer magnetischen Ausrichtung Informationen speichern bzw. wieder abgeben können, oder aus Halbleitern. Zur Entlastung der internen Speicher werden z.B. nicht kontinuierlich benötigte Programme, insbesondere aber nicht unmittelbar zu verarbeitende Daten, auf externen Speichern bereitgehalten. Gleichzeitig dienen externe Speicher zur Eingabe anderweitig erfaßter Informationen in die EDV-Anlage. Insoweit können neben den wichtigsten externen Speichern, wie Magnetbändern und Magnetplatten, auch Maschinenlochkarten und Lochstreifen zu den externen Speichern gerechnet werden.

Β 8.3 EDV-Speicher Β 8.3.1

215

Maschinenlochkarten

Die im Prinzip von Hollerith um 1890 in den USA entwickelte Karte war in der Anfangsphase der EDV-Entwicklung das wichtigste Speichermedium. Die am häufigsten verwendete Karte enthielt 960 Lochfelder, die in 80 Reihen zu je 12 Feldern (Zeilen) angeordnet waren (Abb. 7). Mit entsprechenden Geräten (Kartenlocher) konnten in die Lochfelder Löcher gestanzt werden, die von Kartenlesern identifiziert und gezählt werden konnten. Mit bis zu drei Lochungen je Zeile konnten die Buchstaben des Alphabets, die Ziffern 0 - 9 und Sonderzeichen so kodiert werden, daß die Lochkarte z.B. als fortlaufende Schriftzeile mit 80 Buchstaben oder Zeichen gelesen werden konnte.

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Bibliography ABCHA6

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0903

K i w a k i m i H, H i r a t s u k a M, D o s a k o S E f f e c t s of i r o n - s a t u r a t e d lactoferrin on iron a b s o r p t i o n . »

0909

Yonehara T. Tani Y A T P p r o d u c t i o n by a m e t h a n o l yeaat. C a n d i d a boidinii ( K l o e c k e r a sp.) N o 2201 e f f e c t s of s o r b i t o l t r e a t m e n t and zinc on cell s t r u c t u r e aa t o A T P p r o d u c t i o n . = 909-14

903-8

Abb. 1: Eintragungen in den drei Registern der Chemical Titles®

Eine bekannte Titelliste sind die Chemical Titles®, die seit 1991 erscheint und weltweit die erste Zeitschrift war, die vollautomatisch von einem Computer erzeugt wurde. Abb. 1 zeigt beispielhaft die Eintragungen in den drei Registern der Chemical Titles®.

C 2.2.3

Bibliographien, bibliographische Verzeichnisse

Eine traditionsreiche Form der Literaturauskunftsmittel und gewissermaßen die Wiege der Dokumentation sind Bibliographien. Sie verzeichnen grundsätzlich die Titel von Veröffentlichungen und ermöglichen damit einen Überblick über das von ihnen erfaßte Schrifttum. Bibliographien lassen sich nach vielen verschiedenen Grundsätzen und für viele verschiedene Zwecke zusammenstellen. Je nachdem, ob sie selbständige oder unselbständige, im Buchhandel erhältliche oder graue Literatur verzeichnet, ob sie sich auf bestimmte Literaturgattungen beschränken, kann man sie verschiedenen Gruppen bibliographischer Nachschlagewerke zuordnen.

C 2.2 Arten von klassischen Fachinformationsdiensten

263

Teilt man sie danach ein, wie ausführlich die Auskunft ist, die sie zu den einzelnen verzeichneten Veröffentlichungen bieten, so lassen sich - einfache Bibliographien, die sich auf die reinen bibliographischen Angaben beschränken, und - Einnotierte Bibliographien, die bei den einzelnen Eintragungen zusätzliche Hinweise geben, unterscheiden. Diese Hinweise können zum Beispiel Empfehlungen über die Eignung der betreffenden Arbeit für bestimmte Lesergruppen (Lesetips) oder zusätzlich inhaltskennzeichnende Sachwörter sein. Eine andere Einteilung unterscheidet Bibliographien, die - alphabetisch nach dem Namen der Verfasser oder Herausgeber geordnet sind, und solche, die die verzeichneten Arbeiten - systematisch ordnen und so in ihrem Hauptteil eine sachliche Zuordnung zu bestimmten Themenkreisen treffen. Ergänzt werden solche Bibliographien zweckmäßigerweise durch Register, wobei bei alphabetisch geordneten Hauptteilen Sachregister und bei systematisch geordneten Hauptteilen alphabetische Autorenregister angebracht sind. Hinsichtlich des Inhalts der Bibliographien lassen sich z.B. folgende Einteilungen treffen: - Bibliographien, die das Schrifttum einzelner Länder verzeichnen. Hierzu zählen beispielsweise die Nationalbibliographien oder Landesbibliographien. - Bibliographien, die einzelne Sprachräume abdecken, wie beispielsweise das „Ripertoire des Theses de doctorat sountenues devant les university de langue fran;aise", in dem Dissertationen von etwa 140 französischsprachigen Universitäten in 29 Ländern der Welt verzeichnet werden. - Bibliographien, die sich auf einzelne Publikationsgattungen spezialisieren. Hierzu gehören zum Beispiel der Index to Scientific & Technical Proceedings, der Konferenzbeiträge verzeichnet (s. Abb. 2), die Patentblätter, die über angemeldete und erteilte Patente berichten, oder der world translations index, ein bibliographisches Verzeichnis von Übersetzungen wissenschaftlich-technischer Veröffentlichungen, die in weniger geläufigen Sprachen erschienen sind. - Bibliographien, die die Veröffentlichungen einzelner Institutionen, beispielsweise einer Universität, eines Unternehmens oder einer internationalen Organisation (UNESCO etc.) verzeichnen. - Jahresbibliographien für einzelne Sammelgebiete, wie etwa die Jahresbibliographie der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart. - Bibliographien, die die Literatur eines geographischen oder politischen Raumes auflisten, wie beispielsweise die Hessische Bibliographie. - Personalbibliographien, die das Werk einzelner Personen verzeichnen. - Buchhandelsbibliographien, die das in einem Land im Buchhandel erhältliche Schrifttum nachweisen, wie zum Beispiel das Verzeichnis lieferbarer Bücher der Buchhändler-Vereinigung, das inzwischen wie viele andere Bibliographien auch in elektronischer Form als Online Datenbank und CD-ROM verfügbar ist. Die Aktualität von Bibliographien hängt unter anderem davon ab, ob jeweils die Veröffentlichungen eines bestimmten Zeitabschnitts in einem Band zusammengefaßt werden sollen, oder ob sich die Berichtszeiträume in den einzelnen Bänden überschneiden und jeweils nur bis zum Stichtag erfaßte Literatur aufgenommen wird. Eine umfassende Übersicht über allgemeine und fachbezogene bibliographi-

264

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste P68439 NATO ADVANCED STUDY INSTITUTE ON THE PINEAl GLAND AND ITS HORMONES - FUNDAMENTALS AND CLINICAL PERSPECTIVES. Eric·, Italy, Jun 7-13, 1994. Spomsor. NATO P I N E A L G L A N D A N D ITS H O R M O N E S iFUNDAMENTALS AND CLINICAL PERSPECTIVES NATO ADVANCED SCIENCE INSTITUTES SERIES, SERIES A LIFE SCIENCES. VOL. 277 Ed»: F. FRASCHINI, R.J. REITER. Β. STANKOV Plenum Press Div Plenum Publishing Corp. New York, 1995. 233 pp.. 20 chaps.. $85.00 hardbound, PREPAYMENT REQUIRED WITH ORDER, ISBN 0 306 45105-0 INDIVIDUAL PAPERS AVAILABLE THROUGH THE GENUINE ARTICLE; WHEN ORDERING USE ACCESSION NUMBER BE20J PLENUM PRESS Olv PLENUM PUBLISHING CORP 233 SPRING ST NEW YORK NY 10013 EXPRESSION OF NEUROTRANSMITTER RECEPTOR SUBTYPES AND SUBUNITS IN THE MAMMALIAN PINEALGLAND. Μ Moller. P. Phtmuwtnpu/ito. β. Mick (Uniy Copenhagen.Inst Med Anat Copenhagen Denmark) TRANSCRIPTION FACTOR ICER - REGULATION IN THE RAT PHOTONEUROENDOCRINE SYSTEM. J Η Stehle. NS. Foulkes. M. Rikken. P. Pevet. P. S&sonccorst (Umv f rankfurl Klinikum,Zentrum Morpfiol.AG Neurobiol 0 60590 Frankfurt Germany) INTRACELLULAR ACTIONS OF MELATONIN WITH A SUMMARY OF ITS INTERACTIONS WITH REACTIVE OXYGEN SPECIES. R.J. Rt'ter (Untv Teias.Hlth Sei Ctr.Dept Cellular i Struct Biol San Antonio TX 78284) PHYSIOLOGICAL-EFFECTS AND BIOLOGICAL-ACTIVITY OF MELATONIN. P. Perel. B. Pilmky. M. Massonpevet(Univ Strasbourg l.CNRS.Ura 1332 F-67000 Strasbourg France) BRAIN MELATONIN RECEPTORS - DISTRIBUTION AND PHYSIOLOGICAL SIGNIFICANCE. B. Stinkt*. F. Fraxhmi (Univ Milan.Dipt Pharmacol .Chair Chemotherapy 1-20129 Milan Italy) LOCALIZATION AND PHYSIOLOGICAL-ROLE OF MELATONIN RECEPTORS IN THE VISUAL AND CIRCAOIAN SYSTEMS. Ml. Duboamh. D.N. Krause. 5 lacob. S. Benloucil. M.I Masana (Northwestern Univ.Sch Med.Dept Biol Chem 6 Molec Pharmacol Chicago IL 60611) MELATONIN RECEPTORS IN BRAIN ANO PERIPHERAL ARTERIES. M. Yawanathan, S Capsoni. JM. Saaveara (NiMH.Clin Sei Lab Bethesda MD 208921

1

13 21 33 49

61 75

Abb. 2: Ausschnitt einer Eintragung im Index to Scientific & Technical Proceedings® (Lit. 06)

sehe Verzeichnisse bietet das zweibändige Handbuch der bibliographischen Nachschlagewerke (Lit. 10). Zugangslisten von Bibliotheken können als bibliographische Zusammenstellungen ebenfalls nützlich für die laufende Information über neue Veröffentlichungen sein. Besonders wertvoll sind solche Zugangslisten, wenn sie von einer Spezialbibliothek oder im Rahmen eines Sondersammelgebiets herausgegeben werden, weil man dann davon ausgehen kann, daß die für das Sammelgebiet einschlägigen Veröffentlichungen umfassend beschafft und nachgewiesen werden. Gerade im Zeitalter der digitalen Bibliotheken und elektronischen Bibliothekskataloge erleben solche Zugangsdienste eine Renaissance, weil sie ohne großen Aufwand hergestellt und über elektronische Verteilerlisten kostengünstig verbreitet oder bei Bedarf abgerufen werden können.

C 2.2.4

Zitierindex

Einen besonderen Zugang zu einschlägigen Veröffentlichungen bieten Zitierindexe. Der erste und bekannteste ist der seit 1961 erscheinende Science Citation Index® (SCI®) des Institute for Scientific Information® (ISI®). Ergänzend dazu erscheinen ebenfalls beim ISI® seit 1969 der Social Sciences Citation Index® und seit 1977 der

C 2.2 Arten von klassischen Fachinformationsdiensten

265

Arts & Humanities Citation Index®. Ausgangspunkt für diese Dienste ist die Überlegung, daß wissenschaftliche Autoren in der Regel diejenigen Arbeiten zitieren, deren Gedanken oder Ergebnisse sie verwenden, weiterentwickeln oder falsifizieren. Der SCI® verzeichnet paarweise solche wissenschaftlichen Beiträge und die in ihnen zitierten Arbeiten. Er macht so Beziehungen zwischen einer dem Leser bereits bekannten Veröffentlichung und neueren Arbeiten, in denen diese Veröffentlichung zitiert worden ist, nachschlagbar. So ist es möglich, ausgehend von einer bekannten Veröffentlichung neuere Arbeiten ausfindig zu machen, die thematisch verwandt sind, und ein Zitatnetz zu knüpfen, durch das auch Wissenschaftlergruppen, die sich mit gleichartigen Themenstellungen befassen, erkannt werden können. Der Aufbau der drei genannten Dienste ist weitgehend einheitlich. Es gibt jeweils drei Hauptteile, den Citation Index, den Source Index und den Permuterm® Subject Index. Der Citation Index verzeichnet die zitierten Arbeiten und gibt an, wo und von wem sie zitiert wurden. Eine Altersbeschränkung für die aufgenommenen zitierten Arbeiten gibt es grundsätzlich nicht. Der Source Index enthält die vollständigen bibliographischen Angaben aller im Citation Index vorkommenden Werke alphabetisch nach Autoren oder Herausgebern geordnet. Im alphabetisch nach Stichwörtern geordneten Permuterm® Subject Index werden Paare von jeweils zwei sinntragenden Wörtern des Titels oder Untertitels gebildet. Dabei werden in der alphabetischen Folge jeweils die Hauptstichwörter (Primary Terms) aufgeführt und die anderen Stichwörter als Co-Terms beigeordnet, wobei einige Wörter, wie z.B. Methode, sinnvollerweise nur als Nebenstichwort vorkommen können. Unterschiede gibt es bei den drei Zitierindexen bezüglich der weiteren Suchhilfen und Verzeichnisse. Gemeinsam ist ihnen jedoch ein Corporate Index. Dies ist ein sehr hilfreiches Verzeichnis, weil es die Veröffentlichungen nach der Institutsanschrift des ersten genannten Autors erschließt. Der Corporate Index ist in eine geographische Auflistung und eine Auflistung nach Organisationen unterteilt. Mit seiner Hilfe ist es möglich, Veröffentlichungen etwa aus einer bestimmten Universität oder einem bestimmten Forschungszentrum ausfindig zu machen. Selbstverständlich sind die genannten Zitierindexe auch als Datenbanken verfügbar, was die ständige Benutzung um ein Vielfaches erleichert, denn Schriftgröße, Anordnung der Einträge und Layout der gedruckten Werke stellen leider sehr hohe Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und Geduld des Lesers. Solche Zitierdienste lassen sich auch besonders gut in Hypertext-Systemen wie dem World Wide Web anbieten.

C 2.2.5

Kataloge und Verzeichnisse

Sammlungen von Daten und Fakten werden in der Regel in Form von Katalogen und Verzeichnissen zugänglich gemacht. Wenngleich je nach Art der Sammlungen spezielle und unterschiedliche Anordnungen und Darstellungsweisen gewählt werden, so sind doch die Grundsätze, nach denen sie aufgebaut werden, weitgehend einheitlich. Die folgende Auswahl beschränkt sich auf einige für alle Fachgebiete gleichermaßen wichtige Beispiele. Spezielle Datensammlungen für die Wirtschaft (Wirtschaftsstatistiken, Bilanzen usw.) werden in Kap. C 4 und D 8 behandelt, auf

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

266

weitere wird im Rahmen des Hauptkapitels D hingewiesen. Verzeichnisse werden in hohem Maße auch als Orientierungsmittel und Suchhilfen im Internet, speziell für das World Wide Web, aufgebaut und eingesetzt. Die Grundsätze, nach denen dies geschieht, sind die der klassischen hierarchischen oder polyhierarchischen Verzeichnisse.

C 2.2.5.1

Hersteller und Produkte

Angaben über Firmen als Anbieter oder Hersteller bestimmter Produkte, Anlagen oder Dienstleistungen finden sich von jeher in einer Vielzahl gedruckter Verzeichnisse. Sie sind in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt der IuD-Fachwelt gerückt, weil sie nun auch in elektronischer Form angeboten werden, und zwar als Datenbank, online oder überT-Online, oder als CD-ROM. Zu ihnen gehören die gelben Seiten (Yellow Pages) mit recht knappen Informationen ebenso wie die durch Register erschlossenen Lieferantenverzeichnisse und Einkaufsführer (z.B. „Wer liefert was?", BDI - Made in Germany) oder Messekataloge. Ein Beispiel für einen solchen auf einem Ausstellungskatalog fußenden Dienst ist DETEQ Dechema Environmental Technology Equipment Databank mit Angaben über etwa 550 Hersteller von Anlagen und technischen Ausrüstungen für den Umweltschutz. Auch Datenbankführer gehören zur Gruppe der Produktverzeichnisse. Abb. 3 zeigt einen Eintrag aus dem Hauptteil des Directory of Online Databases.

KRIC* (Kducational Resources Information O m e r ) Type: Reference (Bibliographic) Subject: Education & Training: Library & Information Science Producer: U.S. Department of Education, Office of Educational Research and Improvement (OERI) Online Service: Β RS: BRS After Dark; BRS/Colleague; D I A L O G Information Services. Inc. (Pile I): Knowledge Index; O R B I T Search Service; University of Tsukuha Conditions: Access through University of Tsukuba limited to affiliates of the University of Japan Content: Contains citations, with abstracts, to both the journal and report literature in the field of education and education-related areas. Journal literature corresponds to Current Index to Journals in Education (CUE). Report literature corresponds to Resources in Education (RIE). Subjects covered include career, adult, vocational, technical, and teacher education; education of the handicapped, disadvantaged, and the figted; early childhood education; junior colleges and higher education; reading and communication skills; languages and linguistics; education management; counseling and personnel services; information resources; urban education; rural education and small schools; science, mathematics and environment; social studies and social sciences; and tests, measurement, and evaluation. Language: English Coverage: Primarily U.S. l ime Span: RIE, 1966 to date; C U E , 1969 to date. Updating: About 1200 RIE and 1400 C U E records a month

Abb. 3: Eintragung i m Hauptteil des Directory of Online Databases, Vol. 10, No. 1 (Lit. 02)

C 2.2 Arten von klassischen Fachinformationsdiensten C 2.2.5.2

267

Finnen

Den Datenbasen über Hersteller und Dienstleistungsunternehmen mit ihren Produkten und Angeboten verwandt sind Dokumentationsdienste und Datenbasen, die Angaben über Firmen als Teilnehmer am Wirtschaftsleben enthalten. Ein Beispiel für solche Dienste ist das von der Commerzbank herausgegebene „Wer gehört zu wem", ein Nachschlagewerk über die wirtschaftlichen Verflechtungen, das inzwischen auch als Datenbank und CD-ROM verfügbar ist. Zu nennen sind hier aber auch die Faktendatenbanken über Firmen, z.B. von Creditreform, GBl, Hoppenstedt oder ABC Verlag, in denen für jedes der verzeichneten Unternehmen neben sämtlichen für die Kommunikation mit dem Unternehmen erforderlichen postalischen Angaben zahlreiche wirtschaftliche Kenngrößen und Angaben über die Geschäftstätigkeit gespeichert sind. Abb. 4 zeigt eine Eintragung aus dem Handbuch der Großunternehmen 1996. Häufig können die Anschriften der für bestimmte Zwecke nach ausgewählten Merkmalen selektierten Firmen direkt auf Adreßaufklebern ausgedruckt geliefert werden. Dies ist zum Beispiel für Direktwerbungen ein nützlicher Dienst.

Buchhändler-Vereinigung GmbH Postf. 10 04 42, 60004 Frankfurt Großer Hirschgraben 17-21,60311 Frankfurt T: (069) 13 06-0 Fax: I 30 62 01 TGR: Börsenblatt Branchen-Nr: 22112;22131 Bit: Frankfurter Spark Gr: 1947 GescM: W. Robert MQUer Prod: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Deutsche Nationalbibliographie, Buch Journal, sowie AdreBbücher, Nachschlagewerke, Fachliteratur und Werbemittel für den Buchhandel Exportlinder: Europa und Übersee Besch. 1994: 112; 1993: 112; 1992: 110 Ums. 1994: DM 40 Mio; 1993: DM 40 Mio; 1992: DM 383 Mio Hoppenstedt-Firmen-Nr.: 317 228 930/96 Abb. 4: Hintragung im Handbuch der Großunternehmen 1996 (Lit. 05)

C 2.2.5.3

Fördeningsprogramme und Ausschreibungen

Die Übersicht über die zahlreichen Förderungsprogramme der EU, des Bundes und der Länder wird heute durch verschiedene Informationsdienste erleichtert. Sie stehen überwiegend als Datenbanken zur Verfügung; Profildienste und Auftragsrecherchen sind jedoch selbstverständlich möglich, zumal die Interessenten häufig kleinere und mittlere Unternehmen sind, die noch immer nicht über eigene Erfahrung mit elektronischen Informationsdiensten verfügen. In der Regel werden neben der Bezeichnung der Förderungsmaßnahme die zur Antragstellung berechtigten

268

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

Gruppen, Antragsfristen, Förderungsdauer, Föderungsquoten und die Stelle, an die der Antrag zu richten ist, genannt. Ein Beispiel sind die CORDIS-Datenbanken der Europäischen Union, aus denen monatlich eine CORDIS-Zeitung sowie individuelle Profildienste in Form von persönlichen Newsletters hergestellt werden. Auch diese Verzeichnisse werden inzwischen in elektronischer Form im World Wide Web bereitgestellt. Auch die immense Zahl der täglich neu bekanntgemachten Ausschreibungen ist in vielen verschiedenen Quellen verstreut. Wegen der häufig kurzen Fristsetzung für Angebotsabgaben ist es mittels gedruckter Nachweisdienste kaum möglich, den Informationsbedarf angemessen zu befriedigen. Deshalb spielen in diesem Bereich in erster Linie elektronische Verzeichnisse eine wesentliche Rolle, z.B. TED Tenders Electronic Daily der Kommission der Europäischen Union, eine täglich aktualisierte Datenbank, die in deutsch, englisch und französisch abfragbar ist.

C 2.2.5.4

Audiovisuelle Materialien

Landesbildstellen, Rundfunkarchive und Fernsehanstalten stellen regelmäßig Verzeichnisse ihrer verfügbaren Filme, Videoaufzeichnungen und Tonträger zusammen. Angegeben werden neben dem Titel des Werkes, seinem Autor oder Urheber, Regisseur, Dirigent, Sprecher u.a. in der Regel die Abspieldauer und technische Daten zu dem Trägermedium. Filme und Videoaufzeichnungen werden von vielen Firmen zu Informations-, Lehr- und Werbezwecken produziert und häufig in eigenen Verzeichnissen aufgelistet (vgl. Kap. D 5). Neuere Dokumentationssysteme, wie das beim GMD-Forschungszentrum Informationstechnik entwickelte AMPHORE (Lit. 09) ermöglichen es, digitalisierte Filme sequenzgenau dokumentarisch zu erschließen und so beim Retrievalprozeß, der filmbeschreibende und filmtechnische Angaben gleichermaßen berücksichtigen kann, einzelne Sequenzen gezielt auffindbar zu machen.

C 2.2.5.5

Forschungsvorhaben

Zu den traditionellen Dokumentationsdiensten zählen Verzeichnisse über vor allem im öffentlichen Bereich durchgeführte oder mit öffentlichen Mitteln geförderte laufende Forschungsvorhaben. Durch sie soll, schon bevor konkrete Ergebnisse erarbeitet wurden und Berichte oder andere Veröffentlichungen vorliegen, die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Praktikern, die auf verwandten Gebieten arbeiten, erleichtert werden. Angegeben werden in der Regel die Anschrift der forschenden Stelle, Namen der beteiligten Personen, die Laufzeit des Vorhabens und eine kurze Beschreibung des Projekts und seiner Zielsetzung. Auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMB+F) veröffentlicht jährlich einen solchen Förderungskatalog. Abb. 5 zeigt beispielhaft eine Eintragung aus dem Verzeichnis Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften, das jährlich mittels einer Fragebogenerhebung vom Informationszentrum Sozialwissenschaften erarbeitet wird und dessen Inhalt auch in Form der online abfragbaren Datenbank FORIS, als CD-ROM und als Diskettendienst zur Verfügung steht.

C 2.2 Arten von klassischen Fachinformationsdiensten

269

Technische Universität D r e s d e n Fak. E r z i e h u n g s w i s s e n s c h a f t e n Institut für Berufspädagogik (D-01062 Dresden) 1313 Berufs begleitende Fortbildung betrieblicher Aus- und Weiterbildner Multlpllkatorwlrkung Im Praxisfeld Bearbeitung: Häßler, Heidi; Kunze, Siegismund; Franke, Andreas Leitung Wiesner. Gisela. ^ . Auftragsforschung. Start: 9309 Ende: 9612. Technische Universität D r e s d e n Fak. E r z i e h u n g s w i s s e n s c h a f t e n Institut für Sozialpädagigik und Sozialarbeit (D-01062 Dresden) 1314 Alleine rzlehende Frauen in Sachsen - Lebenslagen und Lebensorientierungen Bearbeitung: Stiehler. Sabine; Rensch. Anke. Leitung: Nestmann. Frank Art: Auftragsforschung. Start 9404. Ende: 9609. 1315 Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung alleinerziehende Frauen und Männer Bearbeitung: Stiehler, Sabine; Rensch, Anke. Leitung: Nestmann. Frank Art. gefördert. Start: 9404. Ende: 9609. Abb. 5: Eintragung im Verzeichnis Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften 1994 (Lit. 04)

C 2.2.6

Referatedlenste and Register

C 2.2.6.1

Referatedienste

Referatedienste sind Hinweis- und Nachweisdienste über selbständige und - im Unterschied zu Bibliothekskatalogen und vielen Bibliographien - vor allem unselbständige Veröffentlichungen. Sie sollen das Lesen von Originalveröffentlichungen nicht ersetzen, sondern dienen vielmehr zur Information über die Originalveröffentlichungen, und dies im wesentlichen zu zwei Zwecken. Zum einen sollen sie helfen, die Frage zu beantworten, ob ein bestimmter Sachverhalt oder ein bestimmtes Thema in der Literatur bereits behandelt worden ist, welche einschlägigen Patentschriften es zum Beispiel gibt oder ob eine bestimmte chemische Verbindung bereits in der Literatur beschrieben wurde. Zum anderen sollen sie dem Leser einschlägige Primärdokumente nachweisen und soviel Informationen darüber vermitteln, daß die Entscheidung getroffen werden kann, ob sich die Beschaffung und eingehende Beschäftigung mit dem Originaldokument lohnt. Die Mehrzahl der Referatedienste ist fachlich ausgerichtet. Ebenso wie bei den bereits erwähnten Bibliographien gibt es jedoch auch hier quellenspezifische Dienste, die über ausgewählte Arten von Veröffentlichungen informieren. Hierzu gehören Patentinformationsdienste, zum Beispiel der World Patent Index von Derwent sowie die Dissertation Abstracts International oder der Index to Theses als Referatedienste über Dissertationen (s. Abb. 6).

270

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

A1: LIBRARY & INFORMATION SCIENCE. BIBLIOGRAPHY 44-8856 Α Strategie approach to information systems development in the Kingdom of Saudi Arabia. Alsudairi, T.M. London, London School of Economics Ph.D. 1994 A1. Saudi Arabia is a relative newcomer to information systems, largely as the result of the large scale development projects in the 1970s and 1980s. This development has had e n o r m o u s impact on the social, political, economic and scientific realities of the Kingdom. Information Systems have expanded with the increased need for information. However, the lack of planning in this sector has caused large scale inefficiency, misdirection and waste. It is generally accepted that the time has now come to adopt an information systems strategy in order to utilize past successes within a new direction that fits the social, political, economical and cultural aspects of the country. This dissertation proposes such a strategy, and justifies its conclusions with a six stage analysis. The first stage identifies several theories and ideas relating t o the area of information systems that are crucial to the development of strategy, and that provide an entry to the study of the national identity as a system. Secondly, a study of the disposition of Saudi Arabia is made, in order to provide information about the different parts of this system that impact on the information systems environment Thirdly, the experiences of other countries, successful and unsuccessful in their information systems development, arc studied in order to understand their situations and draw conclusions that may prove beneficial to the Saudi planning process. Fourthly, the study of the information systems within both the Saudi public and private sectors is described, and the major problems, needs and issues in relation to IT are identified. Fifth, and before designing an information systems plan, the Saudi planning process is analyzed so as to identify the communication channels and to present a plan that is not alien to the culture and which is compatible with cunent political procedures.

Abb. 6: Eintragung im Index to Theses, Jan. 1996 (Lit. 07)

C 2.2.6.2

Register und Suchhilfen

Referatedienste weisen ebenso wie Bibliographien riesige Mengen von Veröffentlichungen nach. Die Referate sind in der Regel im Hauptteil des Dienstes sachlich geordnet. Um gezielt nach diesen in Sachgruppen geordneten Referaten suchen zu können, gibt es verschiedene Register. Sie ermöglichen es primär, die im Hauptteil eines Fachinformationsdienstes verzeichneten Einträge nach einer Reihe verschiedener Suchkriterien ausfindig machen zu können. Während einige Arten von Registern unabhängig vom jeweiligen Fachgebiet sind, z.B. Autorenregister, Ortsregister (s. Abb. 7), Sachregister, Namenregister, Institutionenregister, gibt es auch ganz spezifische Arten von Registern für ganz bestimmte Arten von Informationen, zum Beispiel Patentnummernregister oder Summenformelregister. Register sind jedoch nicht nur Hilfsmittel zur zeitsparenden und zielgenauen Benutzung der Dienste, sondern sie stellen in einigen Fällen auch eigenständige Infor-

C 2.2 A r t e n von klassischen Fachinformationsdiensten

271

mationsquellen dar, wie das Beispiel Chemical Abstracts (C 2.2.6.3) zeigen wird. Ergänzt werden die Register häufig durch weitere Suchhilfen. Üblich sind zum Beispiel Verzeichnisse der verwendeten Abkürzungen für Sprachangaben, Publikationsarten und Zeitschriftentitel, der Ländercodes sowie Listen der laufend beobachteten oder ausgewerteten periodischen Veröffentlichungen. In einigen Fällen werden in einen gesonderten Anhang auch Anschriften von Organisationen und Institutionen, die zu den referierten Arbeiten in engem Bezug stehen, aufgeführt (beispielsweise Patentämter, Herausgeber, Bibliotheken, die die nachgewiesene Literatur besitzen). Durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung bei der Herstellung der Dienste ist es erheblich einfacher geworden, beliebig viele und tief aufgeschlüsselte Register für einen gedruckten Dienst zusammenzustellen. Ein besonders tief gegliedertes und umfassendes System von Registern zeichnet die Chemical Abstracts®, den führenden Referatedienst der Chemie, aus. Da sich an ihm besonders gut und anschaulich zeigen läßt, wie Register den Zugang zu einschlägigen Publikationen eröffnen können und welche gewissenhafte und kontinuierliche Auswertung andererseits erforderlich ist, um eine wertvolle Informationsbasis schaffen zu können, soll ihm hier ein breiterer Raum gewidmet werden. HOC t

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Abb. 7: Ausschnitt aus dem Geographischen Index des Index to Scientific & Technical Proceedings® (Lit. 06)

C 2.2.6.3

Das Beispiel Chemical Abstracts®

Zwar ist das Informationssystem des Chemical Abstracts Service® in seiner Gesamtkonzeption und IVansparenz leider nicht beispielgebend für andere Referatedienste, doch lassen sich die typischen Eigenschaften des Referatedienstes im engeren Sinn sowie seiner einzelnen Register und ihr Zusammenwirken an diesem Beispiel gut erläutern.

272

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

Der CAS* hat das Gesamtgebiet der Chemie, über das er referiert, in 80 Sachgebietsgruppen (Sections) eingeteilt, von denen jede einzelne im sog. Subject Coverage Manual genau eingegrenzt und ausführlich beschrieben wird.Innerhalb der einzelnen Sektionen ist die Reihenfolge der Referate zunächst nach der Art der Publikationen, auf die sie sich beziehen, bestimmt. Hierbei werden sieben Gruppen von Originalarbeiten unterschieden, beginnend mit Zeitschriftenartikeln und endend mit Patentschriften. Dissertationen sowie neue Bücher und audiovisuelle Materialien bilden ebenfalls eigene Gruppen. Innerhalb einer Publikationsart werden die Referate den verschiedenen Untersektionen zugeordnet. In jedem der wöchentlich erscheinenden Referatehefte sind drei Heftregister enthalten, - das Stichwortregister (Keyword Index), - das Patentregister (Patent Index) und - das Autorenregister (Author Index), deren Einträge aus den Referaten abgeleitet sind. Sie unterscheiden sich damit qualitativ und quantitativ von den im Halbjahresrhythmus erscheinenden Bandregistern (Volume Index). Diese Bandregister fußen auf der Originalliteratur. Ihre Einträge werden nach dem bis ins einzelne ausgearbeiteten umfassenden Regelwerk des CAS* und einem normierten Wortschatz (controlled vocabulary) erarbeitet. Sie bieten daher für die Recherche eine große Zuverlässigkeit. Alle fünf bis zehn Jahre werden die Bandregister zu einem Sammelregister (Collective Index) vereint. Den Schlüssel zu den Bandregistern stellt ein regelmäßig fortgeschriebener gesonderter Registerführer, der Index Guide, dar. Er ermöglicht es u.a., Querverbindungen zwischen THvialnamen, Handelsnamen, Akronymen, Synonymen und Sachverhaltsbezeichnungen mit den im jeweiligen Zeitraum von CAS® benutzten Bezeichnungen herzustellen und so zweifelsfrei diejenigen systematischen CA-Verbindungsnamen oder diejenige Sachverhaltsbezeichnung zu finden, die in den zugehörigen Bandregistern verwendet werden Sechs einzelne Halbjahresregister bilden zusammen das Bandregister: - das Allgemeine Sachregister (General Subject Index), - das Verbindungsregister (Chemical Substance Index), - das Register der Summenformeln (Formula Index), - das Verzeichnis der Ringsysteme (Index of Ring Systems), - das Autorenregister (Author Index) und - das Patentregister (Patent Index). Weitere Hilfe auf dem Weg zur Primärinformation bietet der CAS Source Index (CASSI®). Dies ist ein Verzeichnis aller für den CAS* sowie einige weitere Informationsdienste (Beilstein u.a) ausgewerteten Publikationen mit Hinweisen auf Bibliotheken in 28 Ländern, in denen die betreffende Veröffentlichung vorbanden ist. Ferner sind sämtliche Verlage und Vertriebsstellen, deren Publikationen von CAS® berücksichtigt werden, mit deren vollständigen Anschriften aufgeführt. Weitere Informationsinstrumente des CAS® sind das Registry Handbook mit den beiden Teilen Number Section und Common Names sowie das Ring Systems Handbook. Dieser Teil des CAS®-Informationssystems ist auch deshalb bedeutsam, weil er - ähnlich wie die Patentregister - die künstliche Trennung zwischen bibliographischen und Fakteninformationsdiensten ad absurdum führt, die in vielen Fachgebieten über lange Zeit eine aus Benutzersicht notwendige gemeinsame Behandlung behindert hat. Das Registry Handbook verzeichnet alle bisher vergebenen CAS®-Registry-Nummern und nennt in seinem Nummernverzeichnis den zugehörigen systematischen CA®- Registriernamen. Im Namenverzeichnis werden zusätzlich auch die halbsystematischen Namen, die die Autoren in der Originalarbeit verwenden, sowie Handels- undTHvialnamen verzeichnet und der zugehörigen Registry-Number zugeordnet. Zur Vorbereitung einer online-Recherche ist dies ein äußerst nützliches Hilfswerk.

C 2.2 Arten von klassischen Fachinformationsdiensten

273

Das Handbuch der Ringsysteme enthält alle bekannten Grundstrukturen von ringförmigen und käfigartigen chemischen Verbindungen. Es besteht aus drei Teilen: - Verzeichnis der Ringsysteme, - Register und - Ergänzungsbände. Es erlaubt, nicht zuletzt dank der Wiedergabe von Abbildungen der Strukturformel, den systematischen CA®-Registriernamen zu ermitteln, bevor eine Suche in den gedruckten oder elektronischen Diensten durchgeführt wird.

C 2.2.7

Verdichtete höherwertige Dienste

Um die bisher genannten Fachinformationsdienste erarbeiten zu können, sind in der Regel allenfalls inhaltliche Erschließungsarbeiten zu leisten, die sich auf die einzelnen auszuwertenden Arbeiten beziehen. Sie wurden früher zur Unterscheidung von der Primärliteratur gelegentlich unter der Bezeichnung Sekundärliteratur zusammengefaßt. Es gibt jedoch darüber hinaus noch eine dritte Verdichtungsstufe der in der Primärliteratur niedergelegten Erkenntnisse und Meinungen, die zur sogenannten Tertiärliteratur führt. Hierunter lassen sich folgende Informationsdienste und Werke zusammenfassen: Fortschrittsberichte, Literaturberichte, Reviews: Sie beschreiben den Stand der Technik in einem bestimmten Fachgebiet und werden in der Regel von anerkannten Wissenschaftlern oder Fachleuten des betreffenden Gebietes auf der Grundlage der im Berichtszeitraum erschienenen Literatur verfaßt. Damit bieten sie einen zwar subjektiv gefärbten, aber kritisch ausgewählten und von einem Fachmann vertretenen Überblick über den veröffentlichten Forschungsstand und die Entwicklungslinien in einem bestimmten, meist eng begrenzten Gebiet. Einige Übersichtsberichte erscheinen jährlich, was sich in Titeln wie „Annual review of . . ." äußert. Solche Berichte werden häufig auch von Dokumentationszentren in Ländern der Dritten Welt und in Schwellenländera erstellt, um den einheimischen Forschungseinrichtungen und der einheimischen Industrie den Zugang zum Weltwissen in bestimmten für die eigene Wirtschaftsentwicklung wichtigen Gebieten zu eröffnen. Hierzulande kann man deutsch- oder englischsprachigen Übersichtsberichten über Entwicklungen im ostasiatischen Raum eine ähnliche Rolle zusprechen. Forschungsberichte sind aber auch für bestimmte Zielgruppen, wie etwa mittelständische Betriebe, die praxisorientierte Zusammenstellung brauchen, bedeutsam. Handbücher: Sie unterziehen die ausgewertete Literatur einer kritisch bewertenden fachlichen Prüfung und treffen im Unterschied zu den meisten Sekundärinformationsdiensten, die die Literatur vollständig verzeichnen wollen, eine Auswahl der wichtigsten Schlüsselveröffentlichungen. Nach strengen formalen Regeln werden die aus der Literatur extrahierten Daten und Sachverhalte in einer sprachlich sehr konzentrierten Form verzeichnet. Beispiele sind das Gmelin Handbuch der Anorganischen Chemie, Beilsteins Handbuch der Organischen Chemie und Landolt-Börnstein mit Zahlenwerten und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysik und Technik.

274

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

Erarbeitet werden solche Handbücher ebenso wie die genannten Fortschrittsberichte in der Regel von Wissenschaftlern der entsprechenden Fachgebiete. Daß es sich um wissenschaftliche Arbeit handelt, wird besonders deutlich, wenn man den Bereich der Geisteswissenschaften betrachtet, wo die wissenschaftliche Aufarbeitung eines Themas häufig in ein den naturwissenschaftlich-technischen Handbüchern vergleichbares Werk mündet. Enzyklopädien: Sie versuchen das gesamte Wissen alphabetisch nach Stichworten und Namen geordnet, so vollständig und komprimiert wie möglich allgemein zugänglich und verständlich darzubieten. Bekanntestes Beispiel ist die 1768 gegründete umfangreiche Encyclopedia Britannica, die in der aktuellen Auflage 32 Bände umfaßt. Sie ist unterteilt in die Micropaedia und die Macropaedia. Die Micropaedia enthält kürzere Eintragungen zu Personen und Sachverhalten, die Macropaedia ausführlichere, aber präzise und konzentriert geschriebene Beiträge zu allen wichtigen Themen in einer festgelegten sachlichen Ordnung. Inzwischen ist auch dieses Werk elektronisch auf CD-ROM erhältlich sowie im World Wide Web erreichbar.

C 2.2.8

Dienste ans Datenbanken

C 2.2.8.1

Profildienste

Datenbasen in gedruckter oder elektronischer Form decken zumeist umfangreichere Fachgebiete ab. Wer fortlaufend nur auf einem bestimmten Teilgebiet oder zu einer eng umgrenzten Fragestellung informiert werden möchte, kann dies mit Hilfe eines Profildienstes erreichen; unterschieden werden Standardprofildienste und individuelle Profildienste.Standardprofildienste werden in der Regel direkt von den Produzenten der Informationsbasen erstellt, indem regelmäßig themenbezogene Auszüge aus einer oder mehreren Informationsbanken zusammengestellt und als eigenständige Druckererzeugnisse vertrieben werden. Beispiele sind die CA-Selects® des Chemical Abstracts Service®, die es zu fast zweihundert verschiedenen Themen gibt, der sozialwissenschaftliche Fachinformationsdienst SOFID des IZ Sozialwissenschaften zu über dreißig Themenbereichen, die FIZ-Technik-Informationsdienste für etwa 150 Fachthemen oder die Themendienste von Presseagenturen wie dpa. Individuelle Profildienste sind auf die persönlichen Interessenprofile einzelner Informationskunden zugeschnitten. Werden sie aus Datenbanken erstellt, so erfolgt der Profillauf, das ist der maschinelle Vergleich der gespeicherten Suchfrage mit den neu in die Datenbank eingespeisten Einträgen, gewöhnlich immer dann, wenn die Datenbank fortgeschrieben wird, wenn also die neuen Einträge eingefügt werden. Der Rhythmus, mit dem der Profildienst erstellt wird, entspricht dann der Fortschreibungsfrequenz der Informationsbank. Profildienste können selbstverständlich auch aus manuell geführten Speichern erzeugt werden. Das zunehmende elektronische Publizieren begünstigt jedoch das Bereitstellen von Profildiensten bereits seitens der Verlage oder Presseagenturen. RightPages (SM) ist zum Beispiel ein

C 2.3 Herstellung und Qualität von Fachinformationsdiensten

275

solcher Informationsversorgungsdienst des Springer-Verlags, in dem die Kunden neu erschienene Zeitschriftenbeiträge ihres Interessengebietes elektronisch angekündigt und auf Wunsch auch in der Druckaufmachung angezeigt bekommen.

C 2.2.8.2

Standardrecherchen

Den Profildiensten verwandt sind Standardrecherchen. Sie werden von Informationsvermittlungseinrichtungen vorsorglich durchgeführt, wenn aufgrund aktueller Ereignisse und Entwicklungen oder aufgrund der Berufserfahrung angenommen werden kann, daß bestimmte Fragestellungen von vielen Kunden an sie herangetragen werden, oder daß für das Recherchethema Interesse geweckt werden könnte. Solche Recherchen, in die meistens mehrere Informationsbanken einbezogen werden, sind häufig als Druckerzeugnisse erhältlich. Beispiele hierfür sind die IRB-Literaturauslesen, für die Literatur-, Bauobjekt- und Forschungsprojektdatenbanken des Informationszentrums Raum und Bau (IRB) durchsucht werden, oder die FIZTechnik-Literaturübersichten, die durch die Auswertung der Datenbanken ZDE, DOMA, MEDITEC und BEFO zu aktuellen Themen der Technik entstehen. Es ist jedoch auch möglich, Standardrecherchen seitens der Informationsvermittler beim Host für den Abruf durch Datenbankkunden vorzubereiten. In diesen Fällen kann dann entweder mit einer kurzen Befehlsfolge die vorbereitete Recherche abgerufen werden oder es kann die Suchfrageformulierung aufgerufen, nach eigenen Wünschen modifiziert und anschließend für das Retrieval benutzt werden. Beispiele sind die Standardrecherchen von DIMDI beim Bekanntwerden von Nebenwirkungen bestimmter Wirkstoffe oder beim Auftreten von Seuchen usw.

C 2.3

Herstellung and Qualität von Fachinformationsdiensten

Voraussetzung für den Nachweis von Daten, Fakten, Sachverhalten oder bibliographischen Hinweisen in Informationsdiensten ist, daß diese Angaben zuvor ermittelt worden sind. Dies kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen, die Auswirkungen auf die erreichbare Qualität der Dienste haben. Wichtige Merkmale zur Beurteilung von Informationsdiensten hinsichtlich ihrer Eignung für die Beantwortung bestimmter Fragen sind - Vollständigkeit, - Zuverlässigkeit, - Aktualität und - Sprache. Literaturnachweisdienste beruhen zumeist auf der Auswertung einer festgesetzten Menge an periodischen Veröffentlichungen, die regelmäßig bezogen und deren Beiträge dann lückenlos oder in Auswahl erfaßt werden. Auswahlkriterium ist dabei die Dokumentationswürdigkeit. Für den Benutzer eines Informationsdienstes ist es wichtig, beurteilen zu können, wie vollständig die für seine Fragestellung einschlägigen Angaben in dem betreffen-

276

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

den Dienst berücksichtigt sind, damit er entscheiden kann, welche weiteren Informationsquellen und -dienste ggf. zusätzlich herangezogen werden können. Da die Herstellung von Nachweisdiensten und Verzeichnissen über Institutionen, Personen, Produkte, Veranstaltungen, Forschungsvorhaben und andere Fakten mit sehr unterschiedlichen Methoden erfolgen kann, die wiederum bedeutende Auswirkungen auf die Qualität der Dienste haben können, sollten diese dem Benutzer der betreffenden Dienste bekannt sein, damit er abschätzen kann, ob der Dienst zur erschöpfenden Beantwortimg seiner Frage ausreichen kann oder nicht. Insbesondere Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der nachgewiesenen Angaben hängen in starkem Maße davon ab, wie sorgfältig, sachkundig und verantwortungsbewußt bei der Erhebung von Daten und ihrer Beurteilung im Sinne einer Plausibilitätsprüfung vorgegangen wird. Wesentlich ist auch, daß diese Kriterien, Grundsätze und Verfahrensweisen dem Benutzer gegenüber offengelegt werden, damit er genau weiß, wie er die Informationsmenge in Bezug auf seine persönlichen Anforderungen beurteilen wird. Zur Ermittlung der in den Datenbasen zu verzeichnenden Angaben werden im wesentlichen folgende beiden Methoden einzeln oder kombiniert eingesetzt: - Erhebung mittels Fragebogen oder formlos (schriftlich, telefonisch, per Telefax oder elektronischer Post) und - Auswertungen von Quellen (Firmenschriften, Anzeigen, Zeitungsartikel, Programme, andere Veröffentlichungen). Beides kann zu bestimmten Stichtagen, in größeren Zeitabständen oder fortlaufend erfolgen. Je nach dem Charakter des Dienstes, seiner angestrebten Aktualität und Vollständigkeit sowie der mittleren Lebensdauer der verzeichneten Angaben ist eine Entscheidung über die am besten geeignete Vorgehensweise zu fällen. Um bei der Erhebung auch auf neue, bisher nicht berücksichtigte Adressaten aufmerksam zu werden, wird gelegentlich danach gefragt, welche anderen ähnlichen, verwandten oder konkurrierenden Produkte, Einrichtungen, Veranstaltungen, Vorhaben usw. dem Adressaten bekannt sind. Vollständigkeit und Zuverlässigkeit: Eine empfindliche Schwachstelle solcher durch Erhebungen zustandegekommenen Verzeichnisse ist jedoch, daß sie ihre Aufnahmekriterien häufig entweder gar nicht offenlegen oder sich zum Beispiel allzu leicht mit dem schlichten Hinweis darauf begnügen, wieviele der ursprünglich in die Erhebung einbezogenen Stellen geantwortet haben. Der Benutzer hat hier keine vernünftige Grundlage, um etwa beurteilen zu können, ob für ihn wichtige oder weniger wichtige Stellen nicht geantwortet haben und daher nicht einbezogen sind. Auch werden häufig keine Fehlanzeigen verzeichnet, so daß dem Benutzer nicht klar wird, ob eine ihn interessierende Stelle nicht geantwortet hat oder ob sie mitgeteilt hat, daß sie die entsprechenden Veranstaltungen nicht mehr durchführt, die erhobenen Produkte nicht mehr herstellt oder vielleicht sogar ihren Betrieb eingestellt hat. Um die Preise ihrer Verzeichnisse für die Käufer auf einem vertretbaren Niveau halten zu können, beteiligen Produzenten die verzeichneten Personen oder Einrichtungen und Firmen gelegentlich an den Kosten für die Erarbeitung ihrer Verzeichnisse. Da die Kosten für die Eintragung im Vergleich mit herkömmlichen Werbemaßnahmen in der Regel gering sind, nehmen viele dieses Angebot wahr. Itotzdem

C 2.3 Herstellung und Qualität von Fachinformationsdiensten

277

führt eine solche Aufnahmebedingung natürlich dazu, daß eine Auswahl besonderer, aus Benutzersicht gelegentlich willkürlicher, Art getroffen wird, nämlich die Auswahl derjenigen, die bereit sind, für ihre Eintragung zum Beispiel im „Who is who" zu bezahlen. Gefordert werden muß von seriösen Dokumentationsdiensten zumindest, daß sie in ihren Benutzerhinweisen solche Einschränkungen deutlich machen. Je größer der Bereich ist, der von einem Verzeichnis abgedeckt werden soll - fachlich, zeitlich oder geographisch - um so lückenhafter und unzuverlässiger wird es tendenziell sein müssen. Gerade postalische Angaben (Telefon, Telefax, EmailAdresse, Postanschrift) und die Namen von Ansprechpartnern unterliegen bekanntermaßen häufigen Änderungen. Es ist deshalb nur konsequent, daß solche Werke immer mehr in elektronischer Form als CD-ROM oder Online-Dienst angeboten werden und die Auflagen der Druckausgaben zurückgehen. Aktualität: Allgemein kann man davon ausgehen, daß gedruckte und gebundene Verzeichnisse schon allein aufgrund ihres zeitaufwendigeren Herstellungs- und Vertriebsprozesses weniger zeitnah sind, als etwa die zugehörigen elektronischen Dienste (Online-Datenbanken, CD-ROM, T-Online-Dienste) oder Profildienste aus Datenbanken. Im Unterschied zu den meisten Literaturnachweis- und Referatediensten, die gewöhnlich mindestens einmal im Monat erscheinen, ist ihre Erscheinungsweise daher auch in der Regel auf einen mindestens jährlichen Rhythmus ausgelegt. Zwischendurch werden bei einigen Diensten Ergänzungen (Supplemente) in weniger aufwendiger Aufmachung hergestellt. Mit neuen Verfahren des elektronischen Publizierens und Druckens, bei dem direkt aus den Verlagsdatenbanken heraus ohne den Zwischenschritt der Druckvorlagenherstellung gedruckt werden kann (Computer-to-Press), lassen sich allerdings Produktionszeiten für Druckwerke dramatisch verkürzen. Doch begünstigen die fortschreitende Entwicklung des computergestützten Publizierens und neue Formen und Verfahren für maßgeschneiderte Informationsdienste wahrscheinlich gerade in diesem Bereich der Verzeichnisse, Lexika, Enzyklopädien eine stärkere Verschiebung hin zu aktuelleren und inhaltlich zuverlässigeren elektronischen Diensten oder davon abgeleiteten Profildiensten. Bereits jetzt läßt sich feststellen, daß diejenigen Informationsdienste, die auf einem ständig gepflegten und fortgeschriebenen elektronischen Speicher fußen, häufiger erscheinen können als diejenigen, deren Informationsbasis nicht auf dem laufenden gehalten wird, sondern für die jeweils nur zu bestimmten Stichtagen Erhebungen durchgeführt werden. Eine immer wichtigere Rolle spielt hier der Einsatz der logischen Auszeichnungssprache SGML (Standard Generalized Markup Language, Lit. 08) und die Speicherung von SGML-Dokumenten in objektorientierten Datenbanken. Das Erscheinen eines verläßlichen Dienstes ist auf Dauer jedoch unabhängig von der eingesetzten Technik nur gewährleistet, wenn die mit seiner Produktion Befaßten in ständigem Kontakt mit den Stellen sind, deren Angaben verzeichnet werden. Eine sinnvolle und für den Informationsvermittler oder Nutzer sehr günstige Kombination stellen Dienste dar, bei denen mit dem Kauf eines beispielsweise jährlich erscheinenden umfassenden Verzeichnisses die Möglichkeit geboten wird, die nach Redaktionsschluß neu aufgenommenen Eintragungen in die zugrundeliegende redaktionsinterne Informationsdatenbank bei einem Auskunftsdienst der Redaktion

278

Ockenfeld: Klassische Informationsdienste

abfragen zu können. Solche Dienste bieten etwa die Duden-Redaktion oder das Beilstein-Institut, aber auch viele Herausgeber von Loseblatt-Sammlungen oder Zeitschriften. Immer häufiger stellen Sie auch Zusatzinformationen als sogenannte Fax-Abrufdienste (Fax-Polling) oder als Audiotext-Ansagedienste bereit oder bieten an, sich in eine geschlossene im Internet oder bei einem proprietären OnlineDienst geführten elektronischen Verteilerliste für Abonnenten eintragen zu lassen. Sprache: Die zunehmende Kommerzialisierung des Fachinformationsbereichs im Sinne einer Informationsindustrie, die für einen weltweiten Informationsmarkt produziert, hat in den letzten fünfzehn Jahren zu einem schier unlösbaren Dilemma bei Produktion und Nutzung von gedruckten Informationsdiensten geführt oder es zumindest offenkundig werden lassen. Zwei Zielsetzungen stehen miteinander in Konflikt. Einerseits ist die Geschäftspolitik der Hersteller von Fachinformationsdiensten darauf ausgerichtet, einen ausreichend großen Absatzmarkt bedienen zu können, um die hohen Produktionskosten durch Erlöse decken zu können. Andererseits wird angenommen, daß diese Dienste von großer Bedeutung für die heimische Wirtschaft sind und nur Unternehmen, die eine gut funktionierende Informationslogistik haben und solche Fachinformationsangebote nutzen, im Wettbewerb bestehen können. Benutzt werden sie aber nur, wenn sie benutzerorientiert, am besten maßgeschneidert, sind, wenn ihr Inhalt problemlos gelesen und leicht erfaßt werden kann. Dies ist aber nur dann uneingeschränkt der Fall, wenn die Information in der Muttersprache vorliegt. Ein deutschsprachiger Dienst läßt sich jedoch auf dem Weltmarkt nicht in ausreichenden Stückzahlen absetzen und die potentiellen Kunden im deutschsprachigen Raum können oder wollen die Produktionskosten alleine über den Kaufpreis nicht aufbringen. Dies führt dazu, daß auch traditionsreiche deutsche Hersteller von Informationsdiensten zunehmend für den internationalen Absatzmarkt in englischer Sprache produzieren. Für viele deutschsprachige Benutzer sind die Benutzungsschwellen dadurch zur Zeit unüberwindbar. Ausblick: Es gibt Anzeichen dafür, daß automatische Übersetzungssysteme hier in absehbarer Zeit wirksame Hilfe leisten können. Möglicherweise haben gedruckte Dienste im Sinne von sprachgebundenen Diensten ihren Zenit längst überschritten und andere eher sprachfreie oder sprachneutrale Formen der Wissensvermittlung werden in einigen Jahren den Fachinformationsbereich zu erobern beginnen. In Forschungseinrichtungen werden solche Systeme an vielen Stellen entwickelt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt böte sich ein Ausweg nur, wenn sich die Träger der Fachinformationspolitik eines anderen besännen und eine stärkere Nachfrageorientierung Platz greifen könnte. Informationsvermittlungseinrichtungen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Heutzutage bilden die gedruckten Dienste immer noch eine unverzichtbare Grundlage für eine umfassende Informationsvermittlung, und dies nicht nur deshalb, weil es viele Informationen noch nicht in elektronischer Form gibt. Auch wer über Zugriffsmöglichkeiten auf elektronische Informationsdienste verfügt, sollte gelegentlich die zugehörigen gedruckten Dienste zur Hand nehmen, weil sie einen ungleich anschaulicheren Eindruck vom Aufbau des Informationsdienstes vermitteln. Das Herumstöbern und Blättern in einem gedruckten Dienst ist dann, wenn die Ein-

C 2 Literatur

279

träge einigermaßen lesefreundlich gestaltet sind, noch immer weitaus angenehmer als das „Browsing" oder Navigieren in einer Datenbank oder im World Wide Web. Die Stärke der in den folgenden Kapiteln beschriebenen elektronischen Dienste liegt in der Schnelligkeit bei der kombinierten Suche nach einer Vielzahl von Merkmalen oder beim gezielten Aufsuchen einer bestimmten Information aus einer riesigen Menge von Daten. Vieles ist jedoch noch nicht für jeden und an jedem Ort auf einfache, kostengünstige, benutzergerechte und aufgabenbezogene Weise elektronisch verfügbar. Papiergebundene Dienste sind nicht nur als klassische Fachinformationsdienste bedeutsam; sie haben vielmehr für die absehbare Zeit in der Informationsvermittlung als kompakte Informationsquellen auch noch eine Zukunft. Literatur 01. Chemical Abstracts Service (Hrsg.): InformationTbols from Chemical Abstracts Service* 1989: Columbus, OH, USA: CAS 1988 (CAS 1283). 02. Cuadra (Hrsg.): Directory of Online Databases, Vol. 10, No. 1., January 1989. New York, NY, USA: Cuadra/Elsevier 1989. 03. Dissertation Abstracts International. AThe Humanities and Social Sciences 56 (1996) No. 8, Ann Arbor, Michigan: University Microfilms International. ISSN 0419 4209. 04. Forschungsarbeiten in den Sozialwissenschaften 1994. Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften 1995. ISBN 3 8206 0110 4, ISSN 0340 8957. 05. Hoppenstedt (Hrsg.): Handbuch der Großunternehmen 1996. 43. Ausgabe. Band I. Darmstadt [u.a.]: Hoppenstedt 1996. 06. Index to Scientific & Technical Proceedings*. Institute for Scientific Information, March 1996. 07. Index to Theses with Abstracts accepted for higher degrees by the Universities of Great Britain and Ireland and the Council for National Academic Awards. Vol. 44 (1995) Part 4, January 1996. ISSN 0073 6066. 08. International Standard ISO 8879: Information Processing -Text and Office Systems - Standard Generalized Markup Language (SGML). First edition 1986. 09. Süllow, Klaus: AMPHORE - Arbeiteplatz zur Filmdokumentation. In: nfd 47 (1996) H.2, S. 67-74. 10. Totok, Wilhelm; Weitzel, Rolf: Handbuch der bibliographischen Nachschlagewerke. Herausgegeben von Hans J. Kernchen. 6. völlig neubearbeitete Auflage. Band 1. Allgemeine bibliographische Nachschlagewerke. Frankfurt am Main: Klostermann 1984. Band 2. Fachbibliographien und fachbezogene Nachschlagewerke. Frankfurt am Main: Klostermann 1985. 11. Reinitzer, Sigrid; Gossler, Marcus: Nachschlagetechniken in der Wissenschaft. Eine praktische Anleitung zur Benutzung von Index- und Abstractswerken und deren Struktur. München; New York; London; Paris: Saur 1988. 230 S. 12. Schulz, Hedda; Georgy, Ursula: Von CA bis CAS online: Datenbanken in der Chemie. 2. vollst, überarb. u. erw. Aufl. Berlin [u.a.] : Springer 1994. ISBN 3 540 57482 4.

280

C3

Online-Dienste Joachim Kind

C 3.1

Einführung

Das vielfältige Angebot von Online-Diensten läßt sich in drei große Gruppen unterteilen, die sich hinsichtlich Zielgruppen, Inhalt und Umfang der angebotenen Informationen und Dienstleistungen und der verwendeten Retrievalsysteme unterscheiden. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen die traditionellen Online-Dienste für den professionellen Nutzer. Diese bieten gut strukturierte Online-Datenbanken in allen Wissensbereichen an. Die Informationen sind bevorzugt in bibliographischen Datenbanken, Volltextdatenbanken oder Faktendatenbanken gespeichert und werden mit befehlsorientierten Retrievalsprachen oder mit Hilfe von Menuführungen ermittelt. Anbieter von solchen Online-Diensten sind z.B. FIZ Technik, GENIOS, GBl und Knight-Ridder (Einzelheiten s. Abschnitt C 3.2). Die Online-Dienste für den privaten Nutzer (Consumer Online Serrices) erleben derzeit (Herbst 1995 ) eine stürmische Entwicklung: Zu CompuServe, dem bisherigen Marktführer, treten mit T-Online (der frühere BTX- bzw. Datex-J-Dienst), America Online/Bertelsmann (AOL), MSN von Microsoft und Europe-Online vier leistungsstarke Online-Anbieter hinzu. Neben Online-Informationen zu Reisen, Hobby, Politik, Sport, Unterhaltung, Geld, Nachrichten und Wetter, die mit einfachen Menuführungen abgerufen werden können, werden E-Mail-Dienste, Diskussionsforen und Gateway-Dienste angeboten. Alle Anbieter stellen einen InternetZugang zur Verfügung. Da diese Dienste sehr schnellen Änderungen unterworfen sind, sind die Ausführungen in Abschnitt C 3.3 als Momentaufnahme zu verstehen. In Abschnitt C 3.4 werden zwei wichtige Online-Inforaiationssysteme im Internet vorgestellt. Diese stellen Retrieval-Tools zur Verfügung, die eine systematische Suche in den „chaotisch" gespeicherten Informationen im Internet versprechen. Der gesamte Online-Bereich ist durch das Auftreten der verschiedenen Anbieter für den privaten Nutzer und durch Internet wesentlich dynamischer und bekannter geworden. Die bedeutenden „Player" in diesem sich ausweitenden Markt arbeiten in unterschiedlicher Weise zusammen: Die Hosts GENIOS und GBl bieten z.B. „abgemagerte" Wirtschaftsdatenbanken über T-Online an. Der Host Datastar hat einen Gateway zum Internet geschaffen. Wie andere Hosts ist auch Dialog über Telnet im Internet erreichbar und MSN von Microsoft wird die Internet-"Search-Engine" der Firma Infoseek verwenden. Europe-Online wird sein gesamtes Angebot über Internet dem Benutzer zur Verfügung stellen. Durch die beispielhaft genannte Zusammenarbeit versuchen die drei unterschiedlichen Gruppen von Online-Diensten ihr eigenes Online-Angebot zu vervollständigen und attraktiver zu machen.

C 3.2 Online-Dienste für den professionellen Nutzer

C 3.2

281

Online-Dienste für den professionellen Nutzer

Der professionelle Nutzer verlangt von einem Online-Dienst den schnellen, umfassenden, zielgenauen und kostengünstigen Zugriff auf externe Informationen, die für die Lösung von komplexen und häufig sehr spezifischen Fragestellungen benötigt werden. Ob diese Anforderungen erfüllt werden, hängt im wesentlichen von der Ausgestaltung und dem Zusammenspiel der nachfolgend genannten „Komponenten" ab: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Host Datenbasis Datenbank Retrievalsprache und Menuführungen Modem und Telekommunikationsnetz Endgerät (PC) und Rechercheur

Aus Abb. 1 wird der grundsätzliche Ablauf der Nutzung von Online-Diensten deutlich: Die Suchfrage des Rechercheurs wird über Endgerät, Modem und Telekommunikationsnetz an den Host übertragen. Dieser bietet Datenbanken unterschiedlichen Inhaltes an. Die Datenbanken werden vom Host mit Datenbankprogrammen aus Informationen (Datenbasen) aufgebaut, die er von Informationsproduzenten (Datenbasenproduzenten) bezieht. Der Host stellt die Retrievalprogramme zur Verfügung und führt die Abrechnung der Nutzungszeiten mit entsprechenden Abrechnungsprogrammen durch. Die Suche wird in der (den) relevanten Datenbank(en) unter Verwendung der Befehle der Retrievalsprache und unter Berücksichtigung der Datenbankstruktur durchgeführt. Die gefundenen Informationen werden vom Host an den Rechercheur geschickt. Einzelheiten zu den sechs „Komponenten" werden nachfolgend erläutert.

Abb. 1: Komponenten von Online-Diensten

282 C 3.2.1

Kind: Online-Dienste Host

Mehr als 600 Hosts bieten über 5500 Datenbanken aus unterschiedlichen Sachgebieten an (s. Abb. 2), wovon mehr als 50% auf den Wirtschaftsbereich entfallen. 3500 3000 2500 2000 1600

1000

600

0

Wirtschaft

Technik

Rächt

Sozlalwl». Nachricht.

Abb. 2 Anzahl der Datenbanken nach Sachgebieten (Quelle: Scientific Consulting)

Neben bibliographischen Datenbanken, die Informationen als Literaturhinweise mit Abstracts und bibliographischen Angaben enthalten, werden besonders im Wirtschafts- und Medienbereich Volltextdatenbanken angeboten. In der Regel produziert der Host diese Informationen nicht selbst, sondern kauft sie vom Informationsproduzenten (Datenbasisproduzent) als Datenbasis. Aus dieser Datenbasis werden mit geeigneten Datenbankprogrammen die Online-Datenbanken aufgebaut. Datenbasisproduzent ist z.B. ein Informationszentrum, das aus Originalveröffentlichungen Literaturhinweise erstellt. Oder ein Zeitschriftenverlag, der den vollen Text seiner Zeitschrift(en) an einen Host verkauft. Oder schließlich ein Adreßbuchverlag, der die Firmeninformationen aus seinen Handbüchern an einen Host zum Aufbau einer Firmen-Datenbank verkauft. Für die Suche in seinen Datenbanken stellt der Host die Retrievalsprache bereit, deren Befehle und Operatoren der Rechercheur für die Formulierung der Suchfrage benötigt.

C 3.2.1.1

Datenbankangebot der Hosts

Einen ersten Überblick über das umfangreiche Angebot an Online-Datenbanken bieten Handbücher (Lit. Ol, Lit. 02), die zu jeder Datenbank eine kurze Beschreibung enthalten. Aus ihr kann man u.a. ersehen, welche Inhalte in der Datenbank

C 3.2 Online-Dienste für den professionellen Nutzer

283

enthalten sind, welcher Host die Datenbank anbietet, wieviel Informationen die Datenbank enthält und wie häufig die Datenbank aktualisiert wird. An Stelle eines Handbuchs kann man sich auch online einen Überblick über das weltweite Datenbankangebot verschaffen, indem man in einer „Datenbank der Datenbanken" (z.B. Gale Directory of Databases - Datenbankkürzel CUAD - bei Datastar) nach Datenbanken zu einem bestimmten Sachgebiet sucht. Zahl und Inhalt der angebotenen Datenbanken sind von Host zu Host sehr unterschiedlich: Der zum Knight-Ridder-Konzern gehörende Host Datastar konzentriert sich auf europäische Wirtschaftsinformationen und bietet hierzu mehr als 180 Datenbanken an. Das FIZ-Technik in Frankfurt hat mehr als 30 Datenbanken mit technisch-wissenschaftlichen Informationen im Angebot. Der Host GBl in München hat seinen Schwerpunkt auf die Betriebswirtschaft gelegt, während der ebenfalls zum KnightRidder-Konzern gehörende Host Dialog mit mehr als 400 Datenbanken zu fast allen Wissensgebieten als „Supermarkt" bezeichnet werden kann. Jeder Host stellt wegen der Menge und der Unterschiedlichkeit der Datenbanken verschiedene Handbücher und Online-Hilfen zur Verfügung, die dem Rechercheur eine gezielte Auswahl von Datenbanken zu einer Problemstellung gestatten. Entsprechend der Problemstellung kann der Rechercheur unter sehr unterschiedlichen Arten von Datenbanken auswählen. Findet er in einer Datenbank „nur" Hinweise auf die Originalveröffentlichungen zum Themengebiet Wirtschaftswissenschaften, kann er in einer zweiten Datenbank Export- und Importstatistiken abrufen. In einer dritten Datenbank kann er Anschrift, Umsatz und Mitarbeiterzahl einer Firma ermitteln, um sich anschließend in einer weiteren Datenbank alle Artikel aus Wirtschaftszeitungen und -Zeitschriften über diese Firma in vollem Text ausgeben zu lassen. Schließlich informieren ihn weitere Datenbanken über die augenblickliche Finanzsituation der Firma. Als erste Grobstrukturierung lassen sich die Datenbanken entsprechend der Art der in ihnen nachgewiesenen Informationen einteilen in : - Datenbanken mit Textinfonnationen (Textdatenbanken) und - Datenbanken mit numerischen Informationen (Faktendatenbanken). Die verschiedenen Ausformungen dieser zwei großen Gruppen (s. Abb. 3) werden nachfolgend erläutert. Datenbanken mit Graphiken und/oder Bildinformationen werden von den traditionellen Online-Diensten bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Patent- oder Warenzeichendatenbanken) nicht angeboten. Datenbanken mit Textinfonnationen (Textdatenbanken) - Referenzdatenbanken u.a.: - Bibliographische Datenbanken - Experten-Datenbanken - Firmen-Datenbanken - Volltextdatenbanken Abb. 3: Grobstrukturierung von Datenbankarten

mit numerischen Informationen (Numerische Datenbanken) - Statistische Datenbanken - Börsen-Datenbanken - Integrierte Datenbanken

284

Kind: Online-Dienste

a. Datenbanken mit Ifextinformationen In Referenzdatenbanken findet der Rechercheur nicht die Originalinformationen, sondern „nur" einen Hinweis auf die Originalinformation. Bibliographische Datenbanken sind Referenzdatenbanken, die mit ihren Kurzfassungen (Literaturhinweisen) auf Originalveröffentlichungen verweisen. Jeder Literaturhinweis enthält neben den bibliographischen Angaben eine kurze Inhaltsbeschreibung der Originalveröffentlichung (z.B. Zeitschriftenaufsatz, Forschungsbericht, Konferenzbericht, Buch, Hochschulschrift), inhaltsbeschreibende Deskriptoren oder Schlagworte und Klassifikationsangaben. Die in einem Literaturhinweis enthaltenen Angaben sind in Kategorien (Felder) strukturiert. Abb. 4 zeigt beispielhaft einen Literaturhinweis mit seinen Kategorien. Datenbank Zuqriffsnummer Scnlagwörter Dokumenttitel

Art der Themenbehandlung Abstract

Verfasser Institutionen

Sprache Standort Sachgebietsklassifikation

Deskriptoren

Werkstoffbezeichnungen

Eingabedatum

TEMA, Copyright FIZ Technik. M94090505 683; Update: 19941026. Kraftwerkroehrenatahl; Neuentwicklung; Eigenschaft. Eigenschaften und Entwicklungsstand neuer hochwertiger Kraftwerksroehrenstaehle im Vergleich. Properties and development state of new high-temperature s t e e l s for power plant tubing and piping i n comparison. Α Anwendungsspezifische Abhandlung U Ueberbllck. Fuer den Bau einer neuen Kraftwerkageneration mit hoeherem Wirkungsgrad wurden die folgenden neuen Staehle fuer Dampfleitungen und Sammler sowie fuer Membranrohrwaende entwickelt: X 10 CrMoVNb β 1, NF 616, HCM 12, HCM 12A, E911, HCM 2S, 7 CrMoVTiB 10-10. Eine k r i t i s c h e Bewertung unter thermodynamischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten dieser Staehle und ihres derzeitigen Entwicklungsstandes wird vorgenommen. Oer neuentwickelte Kraftwerksroehrenstahl X 10 CrMoVNb 9 1 zeichnet s i c h aus durch hohe Druck und FD-Temperaturen {Druecke zwischen 270 und 290 bar und FD-Temperaturen b i s 585 Grad C). Fuer den Bereich der FD-Leitung, e i n s c h l i e s s l i c h des FD-Sammlers werden die Wolfram-haltigen, martensitisch-ferritischen Staehle NF 616, HCM 12A und Ε 911, fuer die Membranwandröhre werden der martensltische Stahl HCM 12 und die hochwarmfesten b a i n i t l s c h - f e r r l t i s c h e n Staehle HCM 2S und 7 CrMo VT1B 10-10 eingesetzt. Eingegangen wird auf die Verarbeitung, das Langzeitverhalten und die Schweissbarkeit der Staehle. Auf zukuenftige Entwicklungen wird abschliessend ein Ausblick gegeben. Bendick-W; Haarnann-K; Wellnitz-G; Zschau-Il. Mannesmann Forschungslnst. , Duisburg, D; Mannesmannroehren-Werke, Muelheim, D; Mannesmann Anlagenbau, Duesseldorf, D. Zeltschriftenaufsatz: Drei R international, Band 33 (1994) Heft a, Seite 411-417 (7 Seiten, β Bilder, 1 Tabelle, 26 Quellen). DE German. TI8-22058/LmasZ340. EFB «Dampferzeuger, Dampfkessel* NCAH «Legierter Stahl* BCBC «Festigkeitslehre, P l a s t l z i t a e t , E l a a t i z i t a e t * BCBE •Thermomechanik, thermomechanische Eigenschaften*. SAMMLER; KOHLEKRAFTWERK; ROHRSTAHL; DAMPFLEITUNG; STAND-DER-TECHNIK; TEMPERATURERHOEHUNG; TEMPERATURWECHSELBESTAENDIGKEIT; ZEITSTANDFESTIGKEIT; TREND:ENTWICKLUNG; WERKSTOFFORSCHUNG; WERKSTOFFBESCHREIBUNG; BETRIEBSDRUCK; MARTENSITISCHER-STAHL; PRODUKTENTWICKLUNG; WERKSTOFFEIGNUNG; kraftwerksroehrenstahl; membranwandrohr. X10CrMoVNb91. NF 616. HCM 12. HCM 12A. Ε 911. HCM 2S. 7CrMoVTiB10-10. 199411.

Abb. 4: Literaturhinweis aus der Datenbank TEMA (FIZTbchnik)

An Hand der Inhaltsangabe und der Deskriptoren/Schiagworte kann der Benutzer entscheiden, ob er die Original Veröffentlichung beschaffen will. Die für die Beschaffung notwendigen Angaben wie Autor, Dokumenttitel, Name der Originalveröffentlichung, Heftnummer, Seitenzahl kann er dem Literaturhinweis entnehmen. Bibliographische Datenbanken gehören als älteste Datenbankart zum Standardangebot aller Hosts. Manchen Nachteilen (ungenügende Aktualität, erhebliche Ko-

C 3.2 Online-Dienste für den professionellen Nutzer

285

sten für den Input und zusätzlicher Aufwand bei der Beschaffung der Originalliteratur) steht als großer Vorteil die gute inhaltliche Erschließung durch Inhaltsangabe und Deskriptoren oder Schlagworte gegenüber, wodurch ein effizientes Retrieval möglich wird. Andere Referenzdatenbanken verweisen z.B. auf Projekte, Experten, Veranstaltungen, Patente und Firmen. In Patentdatenbanken sind Hinweise auf Schutzrechtsschriften enthalten. Der Benutzer kann z.B. feststellen, ob es zu einem Produkt oder Verfahren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen gibt. Er kann die Entwicklungslinien der Konkurrenz an Hand der Patentanmeldungen verfolgen und kann versuchen, Gegenmaterial zu einer störenden Patentanmeldung zu finden. Neben der Bezeichnung der Erfindung, Deskriptoren und einer Beschreibung der Erfindung durch eine Kurzfassung sind alle patentrechtlichen Angaben wie Anmelder, Erfinder, Anmeldedaten, Prioritätsdaten und Patentklassifikation im Hinweis enthalten (s. Abb. 5.) Li ANSWER I OF I COPYRIGHT 1995 DPA/HZ KA AN 88(441:5463 PATDPA ED 881103 EW 8844 SN DE3810576.4 UP 941)127 Tl (Al) Eingebettetes Pruefsystem Hier das Pruefen der Uebereinstimmung von Komntumkationssystemen INC PA PAC PAN PAT AG

Matthews. Rotjett Stanley ("US Ann Arbor Mich )

Industrial Technolog)· Institute. Ann Arbor («US Mich.) 3551121 US (CORP) Juristische Person StelJrecht. W. 'Dipl Ing. Μ S c . Pal Anwalt' (7000 Stuttgart) Griessbach. D 'Dipl.Phys. Dr.rer.nal. Pat. Anwalt' (7000 Stuttgart) Haecker. W 'Dipl.Phys, Pat Anwalt' (7000 Stuttgart) Boehme, U 'Dipl Phys Dr rer nat., Pat Anwalt' (7000 Stuttgart) EXF 53 Rechen- und Kontrolleinrichtungen, Informationsspeicher SO Patentblatt 108 (1988) Hell 44. DE Al Offenl.-Schnft, 1. Veroeff. TeMseiten 36, BVatuahl 11; Zeictaumgsseiten 5; Vilmlochkarten 6 DT Ρ LA German ΝΤΕ 870330: FPRD (32) Erstes Priorilactsdatum 880329: ADP (22) Anmeldetag d. DE-Patentanm. 881103: AO (43) Offenlegungstag der DE-Anmeldung (OS) XXXXXX: ZEJA H139 Erledigt wegen Nichtzahlg d. Jahresgebuehr NTL XXXXXX: ZEJA Η139 Erledigt wegen Nichtzahlg. d. Jahresgebuehr PIT OS DE Offenlegungsschrift, 1. Veroeff PI DE 3810576 A I 8 8 I I 0 3 A O (10) 1 Publ / DE-Schrift Al DE 88-3810576 A 880329 ADP (22) DE-Patentanmeldung PRA1 US 87-32185 A 870330 CP (32) Unionsprioritact F1A DE 88-3810576 A 880329 ADP F1P DE 3810576 Al 881103 AO

(22) DE3810576 (43) DE-Offenlegung

ICM Die Erfindung betriffi ein Verfahren zur Pnicfung der Uebereinstimmung zwischen einem Internet-Protokoll und einem System, welches auf seine Spezifikation gepnieft wird. Gcmacss der Erfindung werden die Signalfluss-Steuer- und/oder Quittungsmechanismen des Transportprotokolls verwendet, um die Intemet-Protokolleinheit in dem untersuchten System zu steuern PST BETREFFEN, EINBETTEN; EINHEIT; ERFINDUNG, FLUSS; INTERNET KOMMUNIKATION; KOMMUNIKATIONSSYSTEM; MECHANISMUS; PROTOKOLL PROTOKOLLEINHEIT; PRUEFEN; PRUEFSYSTEM; PRUEFUNG; QUITTUNG QUITTUNGSMECHANISMUS; SIGNAL; SIGNALFLUSS; SPEZIFIKATION STEUER; STEUERN; STEUERUNG; SYSTEM; TRANSPORT; TRANSPORTPROTOKOLL; UEBEREINSTIMMUNG; UNTERSUCHEN; UNTERSUCHTER; VERFAHREN; VERWENDEN FA INC; PAC; PAN; AG; EXF; AB; ICS; ICS; PAS; PAT

Abb. 5: Hinweis aus der Patentdatenbank PATDPA ( STN)

286

Kind: Online-Dienste

In Firmendatenbanken sind textlich-numerische Informationen zu der jeweiligen Firma enthalten, die von kurzen bis zu ausführlichen Finnenprofilen reichen und ggf. auch die ausführlichen Finanzinformationen einer Firma enthalten. Abb. 6 zeigt ein Beispiel aus einer Datenbank mit ausführlichen Firmenprofilen. In dieser Datenbank kann nach dem Umsatz, der Beschäftigtenzahl und dem Sitz der Firma recherchiert werden. Es können Filialen und Tochtergesellschaften ermittelt und wichtige Branchen- und Personeninformationen herausgesucht werden.

1/25/1 DIALOG(R)Filc 529: Hoppenstedt Dir.of German Companies (c) 1995 Hoppenstedt All rts. reserv. 00019172 Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG Brandstwiete 19 2(1457 Hamburg Hamburg, Deutchland Telegram: Spiegelverlag Telephone: (U40) 30 07-0 Facsimile: (040) 30 07-22 4? Telex: 21 62 477 Firmennummer:

315026120

Hauptbranche :

7080 Verlag von Buechern, wissenschaftlichen und Fachzeitschriften Weitere Branchen : 7080 Verlag von Buechern, wissenschaftlichen und Fachzeitschriften US SIC Code(s):

2721; 2700

Geschaeftstaetigkeit: Verlag Rechtsform: Kommanditgesellschaft - KG Grvendungsjahn 1947 Geschaeftsjahr: Calendar Vear Beschaeftigte: 863 (1994) Umsatz: ca. Deutsche Mark 500 Mio Kommand-Kap: Deutsche Mark 1,0 Mio, Kap. der GmbH: Deutsche Mark 0,05 Mio Beitragseinnahmen: NA Filialen: Verlagsbueros: Berlin, Duesseldorf, Frankfurt (Main), Muencben, Stuttgart Tochtergesellschaft: Beteiligungen): SPIEGEL TV GmbH - 100 % Bankverbindungen: Postgiro: Hmb 71 37-200 Leitung: Geschaeftsfaehren Geschaeftsfuehren Gesamt Prokurist: Gesamt Prokurist: Aktionaer: Komplementaer:

Augstein, Rudolf Seikel, Karl Dietrich /Finanzen Personal Diel-Knepper, Elisabeth /Finanzen Aust, Stefan

Rudolf Augstein GmbH, Hamburg

Abb. 6: Beispiel aus der Firmendatenbank Hoppenstedt (Dialog)

C 3.2 Online-Dienste für den professionellen Nutzer File 611:Reuters 1987-1995/Nov 05 (c) 1995 Reuters information Services 2/5/7 DIALOG(R)File 61 l:Reuters (c) 1995 Reuters Information Services. All rts. reserv. 2570936 Indonesia's Radnet in business on superhighwav PRIOR1TY: rush Reuter World Service DATE: November 4,19V5 21:41 E.T. BYLINE: Jim Della-Giacoma WORD COUNT: «»631 By Jim Della-Giacoma JAKARTA, Nov 5 (Reuter) - When the three youthful founders of Indonesian Internet provider Radnet went to seek a licence a year ago they were laughed at by bureaucrats. But now they have officials from the powerfal National Development Planning Agency (Bappenas) beating paths to their luxury office to bear the Radnet sales pitch. "It took us more than six months to get them to understand because, at that time, there was no one from the ministry of telecommunications, Teikom or Indosat who was aware of these services, or even the potential of the business," Radnet founder and operations director Henri Kasyifi Soemartono told Reuten. Their persistence paid off. In December last year, PT Rahajasa Media Internet, or Radnet (bttp:/www.rad.netid), became Indonesia's first licenced internet senice provider. By the time Soemartono, 28, and partners - Managing Director Eko Priyono, 32, and President-Director Roy Rahajasa Yamin, 28 - opened shop in April, another unlicensed provider bad sprang onto the scene targeting individual customers. But Soemartono, described by colleagues as the "engine" of Radnel and possessing a masters degree in data automation technology from London's Imperial College, was not worried by competition. "The vision at Radnet is that we want to service the business community and everybody involved with them," Feraldi Loeis, tbe company's sales manager, said in an interview. "For that reason, wc have to give the best service possible. That means easy connections, reliability, good customer senice and an uninterraptable service," Loeis said. Industry sources calculate tbe five commercial internet providers in Indonesia serve about 8,00« users. Radnet's Loeis said they bave about 1,900 customers. Radnet has quickly gained a reputation for being the most reliable and versatile in this competitive field in Indonesia. "We are not tbe cheapest bat most of our customers have a good use for the internet," Loeis said. Copyright (c) Reuters America Inc. SPECIAL FEATURE: Finance

Abb. 7: Auszug aus der Volltextdatenbank Reuters (Dialog)

287

288

Kind: Online-Dienste

Volltextdatenbanken als zweite Gruppe von Textdatenbanken enthalten den vollständigen Text der Originalveröffentlichung. Artikel aus Fachzeitschriften, Tagesund Wochenzeitungen (z.B. DER SPIEGEL) stehen ebenso zur Verfügung wie die Nachrichten der großen Presseagenturen (z.B. DPA). Eine Inhaltsangabe entfällt, Schlagworte werden in manchen Volltextdatenbanken für die Recherche angeboten. Die Kosten für den Input sind geringer als in bibliographischen Datenbanken. Die Aktualität von Volltextdatenbanken liegt in der Größenordnung einiger Stunden. Der Zeitaufwand für die Bestellung der Originalliteratur entfällt. Falls intellektuell vergebene Schlagworte oder Deskriptoren in der Volltextdatenbank fehlen, müssen bei der Freitextsuche die verschiedenen Aspekte mit Abstandsoperatoren verknüpft werden. Die Verwendung des Operators AND ist nicht ausreichend. Bei der Übertragung umfangreicher Volltexte vom Host auf den PC des Rechercheurs können die Datenübertragungskosten und die Datenbanknutzungskosten sehr schnell ansteigen. Abb. 7 zeigt einen Auszug aus der Volltextdatenbank Reuters (File 611) beim Host Dialog. Neben dem Volltext im Feld TX kann nur über das Feld SF ( Special Feature) eine zusätzliche inhaltliche Suche durchgeführt werden. b. Datenbanken mit numerischer Information Datenbanken mit numerischer Information enthalten z.B. physikalische, chemische oder technische Daten. Es können Wirtschaftsstatistiken (Import- und Exportzahlen, Produktionsstatistiken und Branchenstatistiken) oder Finanzdaten von Wertpapieren ermittelt werden. (Einzelheiten zu statistischen Datenbanken s. Kap. C 5). In Abb. 8 sind die mechanischen Daten eines Polyurethans aufgeführt. In integrierten Datenbanken sind Textinformationen und Statistiken recherchierbar. Diese Datenbanken erlauben eine Recherche wie in „normalen" Textdatenbanken, zusätzlich können mit besonderen Suchbefehlen die Statistiken gesondert herausgesucht und anschließend bearbeitet werden. Abb. 9 zeigt ein Beispiel aus der Datenbank PROMT bei Dialog (File 16). Diese Datenbank enthält internationale Marktinformationen, die als Textinformationen (ausführliche Abstracts und Volltexte) und Fakteninformationen (Statistiken) abgerufen werden können. So können nach einer inhaltlichen Suche zum Thema CDROM sehr einfach mit der nachfolgenden Einschränkung SF=TABLE alle Statistiken zu CD-ROMs ermittelt werden. C 3.2.2

Datenbasis

Unter Datenbasis ist die noch nicht recherchierfähige Sammlung von Informationen zu verstehen, die von einem Datenbasisproduzenten erstellt wird. Die Datenbasis besteht aus Literaturhinweisen oder Firmenhinweisen, aus Volltexten oder aus Hinweisen auf Projekte, Patente, Experten usw. Der Produzent der Datenbasis verkauft diese Informationen an den Host, der mit den Datenbankprogrammen eine suchfähige Online-Datenbank aufbaut. Entsprechend dem Design der Datenbank bauen Hosts aus der gleichen Datenbasis unterschiedliche Online-Datenbanken auf. Die Datenbanken werden in regelmäßigen Abständen mit den neuen Informationen fortgeschrieben (Update).

C 3.2 Online-Dienste für den professionellen Nutzer Oatabase: Oocument Mater1al Material Mater 1 a J

ASMOATA/Manufacturer's Number: 82289503 Type: PIastIC Class: Thermoset Subclass: Polyurethane

and Handbook

Materta 1 Information: Polyurethane: 240000: Chem i c a 1 N a m e : R o y a l c a s t 3101 CAS R e g i s t r y N u m b e r : 1 1 5 6 2 8 - 8 7 - 0 ( R o y a l c a s t C o m p a n y : Un1 r o y a l Cheroi c a 1 C o . Inc. Country: United States Process

Type:

ConditIons:

Tensile

Typical

Test Envir.

Air Air Air Air

Typical Notes: Β 264

20

Test Envir.

with

varied

ε long at Break 1 %

45.5

Note

12

0

speed

Test Flexural Temp. M o d u l u s deg C GPa

Air

20

Flexural Yield Strength MPa

1.45

62.1

Properties I ZOO Test Impact Energy Temp. Normalized deg C kJ/m -40 20

I ZOO Impact Energy NormalIzed Unnotched kj/m

0.032 0.0374

0.534 0.534

Information Test Rockwell Temp. H a r d n e s s deg C 20 20 70 100

Temperature

Basis

parts

Propertles

Typical

Hardness

large

Tensl1e Test Strength Temp, a t Y i e l d deg C MPa

in/ml η c r o s s h e a d

Basis

Air A1r

plastic

Smat1-volume,

Air

Flexural

Test Envir.

3101)

C a s t ιng

Test Envir.

Notes: D 0.2

AN:

Polyuretnane;

Properties

Basis

Fracture

Oata

Typ 1 c a l

Genera 1 Notes: Rigid, castable USES:

289

Shore Hardness

R115 M46

079 077 073

Limi t s

Test Envir.

Air

Heat Distortion Temp. deg C

Heat Distortion Pressure ps1

107

psl

Abb. 8: Datensatz aus ASMDATA (STN)

264

Note

Β

sections

140-397

Roya1 c a s t

3101

290

Kind: Online-Dienste flic l6:PROMT(R) 1972-1995/Nov 06 (c) 1995 Information Access Co. 2/5/10 DlALOOu«ctie/llitdWC 1« Telefon Γ NrchtrautJret

mem 1-Veranstaitertext 1 Hrclel Konzept 3 AusstfltillIi[j llntdl 4 .AuwtarttmqZImmer 5-Straml u. Pool 6 SpoManqebot ^-Restaurants • Nightlife

Atlontlco Bollnmar Club Amiqo llucanerr Club Amiqo Mayanab Club Tropical Comodoro Corel Cualro P a l m a s

I s t Hohe Speicherkapazität (bis 650 MB) - > Portabilität —» Standardisierung —» Daten sind schreibgeschützt —> Robustheit und Haltbarkeit —*• Kostengünstig durch geringe Herstellungskosten —» Verschiedene Einsatzmöglichkeiten (Audio, Video usw.) Die Compact Disc dient zur Speicherung von - Sprache und Musik - Daten - Graphiken - Fotos - Videobildern

C 8.3

Einsatzgebiete der CD-ROM

Datensammlungen/Datenbanken - * Datenarchivierung/Datensicherung -»· CD-ROM-Bibliotheken —» Programmspeicherung und -installation —> Lern- und Informationssysteme Programm-Anwendungen auf CD-ROM Photo-CD —> Spiele

C 8.4

CD-ROM-Standards

Um die Akzeptanz der CD-ROM beim Kunden zu erreichen, haben sich die CDROM-Entwickler schon früh entschlossen, dieses Speichermedium zu standardisieren. Es galt vor allem zu vermeiden, daß sich nicht mehrere Systeme nebeneinander entwickeln, wie das zuvor auf dem Videosektor geschehen war. Die Entwicklung der CD-ROM wurde also von Anfang an von diesen Standards begleitet, bzw. diese Normen wurden der Entwicklung immer wieder angepaßt. Daraus entstanden die heute unter dem gemeinsamen Namen Rainbow Books bekannten Dokumente zur Definition von Standards. Zu den Rainbow Books gehören: -> Red Book: Darin wurden 1982 die Audio-CD und die CD-Graphics (CD-Video) definiert. —> Yellow Book von 1985. Es baut auf dem Red Book auf und enthält alle für die CD-ROM zusätzlichen Definitionen. Auch die aus der klassischen CD-ROM entwickelte CD-ROM/XA bezieht ihre Spezifikationen aus dem Yellow Book. —> Mit High Sierra/ISO 9660 kamen bereits 1986 zwei Standards hinzu, die sich mit dem Dateiaufbau befaBten. Es wird also die logische Seite der Datenaufzeichnung festgelegt und nicht

C 8.5 Die CD-ROM in Zahlen

373

die physikalische Seite wie in den Rainbow Books. Aus diesen verschiedenen Dokumenten, die ständig ergänzt und weiterentwickelt wurden, haben sich die unterschiedlichsten Standards bzw. CD-Formate entwickelt. Der ISO 9660 Standard setzte sich mit der Zeit gegenüber dem High-Sierra-Proposal durch. Oft werden in der Literatur High-Sierra und ISO 9660 nicht mehr unterschieden, was vor allem in der Schreibweise High-Sierra/ISO 9660 zum Ausdruck kommt. -> Green Book von 1986. Basiert auf Red Book und Yellow Book. Definiert die CD-I (Compact Disclnteractive). —* Orange Book spezifiziert die beschreibbaren CDs, wie CD-WO und CD-MO. —* White Book spezifiziert die sog. Bridge-Disc, eine CD, die sowohl in einem CD-ROM/XALaufwerk als auch in einem CD-I-Player abgespielt werden kann. -» Bine Book ist noch nicht vollendet, da an der Technik des blauen Lasers noch gearbeitet wird. Mit diesem blauen Laser soll eine Informationsdichte von 6,5 GB auf einer normal großen CD erreicht werden.

C 8.5

Die CD-ROM in Zahlen

Die CD-ROM hat einen Durchmesser von 12 cm und eine Dicke von 1,2 mm. Es gibt jedoch auch Single-CD-ROMs mit einem Durchmesser von 8 cm. Die CD-ROM besteht aus einer durchsichtigen Polycarbonatscheibe, die auf der Oberseite von einer sehr dünnen Aluminiumschicht bedeckt ist. Diese wird durch einen Schutzlack und dem Aufdruck vor Umwelteinflüssen geschützt. In der Mitte der CD befindet sich ein 15 mm breites Loch, wo die CD-ROM auf dem Konus des Spindelmotors des Laufwerkes aufliegt und über den Sie fixiert und zentriert wird. Die CD-ROM hat eine Speicherkapazität von bis zu 650 Megabyte. Ein Byte entspricht einem Buchstaben, d.h. auf eine CD-ROM passen ca. 650 Millionen Buchstaben, das sind ca. 270.000 Schreibmaschinenseiten. Die Informationen sind auf

_ Lead out 1 mm

Datenbereich 33 mm

Lead in 4 mm (table of contents)

Abb. 2: Speicherbereiche auf der CD-ROM

374

Lehnhof: Die CD-ROM-Technologie

einer einzigen langen Spirale, ähnlich wie bei einer Langspielplatte, angeordnet. Auf einem Inch=Zoll (2,54 cm) befinden sich 16.000 Spuren nebeneinander (Tracks per Inch). Auf einer Floppy Disc liegen dagegen nur 96 Spuren pro Inch nebeneinander. Die hohe Speicherdichte wird durch das Verfahren der Aufzeichnung mit konstanter linearer Geschwindigkeit (CLV, Constant Linear Velocity) erreicht. Die Bitdichte auf einer Datenspur ist mit Hilfe dieses Verfahrens konstant, egal ob die Spur eher am äußeren Rand der CD oder eher nahe beim Mittelloch liegt. Das CD-Lesegerät muß deshalb mit unterschiedlichen Drehzahlen arbeiten. Liest der Lesekopf im inneren Bereich der CD, liegt die Drehzahl bei 500 UpM, im äußeren Bereich dagegen bei „nur" 200 UpM.

C 8.6

Das Funktionsprinzip: Der Lesevorgang

Die Laserdiode sendet einen gebündelten Laserstrahl aus. Dieser durchdringt auf dem Weg zur CD-ROM zuerst einen halbdurchlässigen Spiegel. Dahinter liegt der Kollimator, der den Laserstrahl parallelisiert. Anschließend folgen mehrere Linsen, die ihn noch weiter bündeln. Mit Hilfe dieser Fokussierungslinsen wird der Strahl auf 0,6 tausendstel Millimeter verengt. Der so gebündelte Strahl trifft auf die Unterseite der CD-ROM auf. Dort durchdringt er die durchsichtige Polycarbonatschicht und trifft auf die reflektierende Aluminiumschicht auf. Die Oberfläche weist die sog. Pits und Lands auf, die die Informationen der CD enthalten. Die Pits und Lands reflektieren das auftreffende Laserlicht. Der Strahl wird durch den halbdurchlässigen Spiegel auf die Fotodiode umgelenkt. Dort wird das einfallende Licht in elektronische Spannung umgewandelt, elektronisch ausgewertet und als Binärinformation an den Computer weitergeleitet.

C 8.7

CD-Varianten

CD-WORM: CD-WO oder CD-WORM steht für Write Once Read Many. Die CD-WORM befindet sich in einer Cartridge und ist nicht mit CD-Laufwerken kompatibel. Sie konnte sich auf dem Markt nicht durchsetzen und wird nur selten für die Archivierung von Daten benutzt. Das Aufzeichnungsverfahren unterscheidet sich vom CD-ROMAufzeichnungsverfahren. Als Trägermaterial dient Polycarbonat; welches mit einer organischen Farbschicht beschichtet ist. Trifft der Laser beim Schreibvorgang mit einem relativ energiereichen Strahl auf diese Farbschicht, so wird diese Stelle soweit erhitzt, das sich dort ein Bläschen bildet, welches die Reflektionseigenschaften eindeutig verändert. Gelesen werden die Informationen mit einem viel energieärmeren Laser, der die Farbschicht nicht mehr verändern kann. Der Leseprozeß basiert eigentlich darauf, daß der Laserstrahl an einer Stelle mit einem Bläschen eindeutig anders reflektiert wird, als an einer Stelle ohne Bläschen Die Kapazitäten der CD-WORM liegen bei 128 MB bei 3,5", 650 MB bei 5,25" und 6,5 GB bei 12".

C 8.8 CD-ROM-Laufwerke

375

CD-R: CD-R steht für CD-Recordable. Sie stellt eine Weiterentwicklung der CD-WO dar, benötigt jedoch keine Cartridge. Die CD-R kann nur einmal beschrieben werden. Dazu dienen CD-Recorder, die alle gängigen CD-Standards erzeugen, also z.B. CD-DA, CD-ROM, CD-ROM/ΧΑ, Photo-CD, CD-1 usw..

C 8.8

CD-ROM-Laufwerke

Bei den CD-ROM-Laufwerken gibt es inzwischen eine fast nicht mehr überschaubare Vielfalt. Prinzipiell kann man interne oder externe CD-ROM-Laufwerke unterscheiden, wobei interne Laufwerke vergleichsweise billiger sind. Externe Laufwerke werden, wie auch interne Laufwerke über spezielle Adapterkarten, EIDE oder ATAPI-Schnittstellen oder aber SCSI-Schnittstellen mit dem Rechner verbunden. Für spezielle Bedürfnisse können bestimmte externe Laufwerke über die parallele oder eine PCMCIA-Schnittstelle an z.B. Notebooks angeschlossen werden. Leistungsparameter für CD-ROM-Laufwerke sind die mittlere Zugriffszeit, die zwischen 150 und 900 ms liegt und die Datenübertragungsrate, die zwischen 150 KB und 900 KB liegt. Festplatten sind hier also deutlich schneller, die mittlere Zugriffszeiten von unter 10 ms und erreichen und in der Übertragungsrate etwa Faktor 2 bis 3 schneller sind. Single-Speed-Laufwerke sind heute quasi nicht mehr erhältlich. Ein Single-SpeedLaufwerk muß einen kontinuierlichen Datenstrom von 150 KByte pro Sekunde erreichen und darf die CPU nur zu maximal 40 % belasten. Single-Speed-Laufwerke waren ein Teil der vom MPC-1 -Standard geforderten Mindestausrüstung eines Multimedia-PCs. Double-Speed-Laufwerke liefern durch die Verdoppelung der Umdrehungsgeschwindigkeit eine Ttensferrate von mindestens 300 KByte pro Sekunde, die maximale CPU-Belastung darf bei 60 % liegen. Auch ist ein Zwischenspeicher von mindestens 64 KByte Cache Pflicht. Die mittlere Zugriffszeit muß unter 400 Millisekunden liegen, wobei Zugriffszeiten zwischen 380 und 400 ms als schlecht zu bezeichnen sind. Durchschnittliche Leistungen liegen bei 350 ms, und ein gutes Double-Speed-Laufwerk liegt bei 320 ms. Double-Speed-Laufwerke gehören dem MPC-2-Standard an. Man kann sie als A1Irounder bezeichnen, die praktisch schon nicht mehr erhältlich sind. Sie sind eigentlich für jeden Einsatzzweck geeignet; bei der Wedergabe von Video muß man jedoch Qualitätsverluste akzeptieren. Für komplexe Software, wie z.B. Corel Draw, sind Double-Speed-Laufwerke jedoch nur eingeschränkt geeignet, da es sehr langsam läuft IKple-Speed-Laufwerke wurden Ende 1993 von NEC herausgebracht und haben eine hohe Leistungsreserve: Die Datentransferrate liegt bei 450 KByte pro Sekunde, die mittlere Zugriffszeit muß bei unter 300 ms liegen. Als guter Durchschnitt gilt jedoch eine Zugriffszeit von 250 ms.

376

Lehnhof: Die CD-ROM-Technologie

Quadniple-Speed-Lanfwerke sind seit Anfang 1994 auf dem Markt. Sie verfügen über einen Datendurchsatz von max. 600 KByte, und die mittleren Zugriffszeiten liegen bei 220 ms, sehr leistungsstarke Laufwerke unterschreiten jedoch die mittlere Zugriffszeit von 200 ms.Diese Laufwerke stellen inzwischen, da schon für unter 100 DM erhältlich, die Standardlaufwerke in PCs dar. Mit ihrer Leistungsfähigkeit sind Übertragungsraten wie bei langsamen Festplatten oder Netzwerken erreichbar und eignen sich dementsprechend schon für einfachere Grafik- und VideoProgramme. Hinzu kommt, daß sich Programme mit akzeptablen Geschwindigkeiten ablaufen lassen und somit nicht mehr vollständig auf Festplatten installiert werden müssen. Sechsfach-Laufwerke werden seit der Cebit 1995 auf dem Markt angeboten und erreichen einen Datendurchsatz von ca. 900 KByte und mittlere Zugriffszeiten von ca. 150 ms. Auch bei diesen Laufwerken zeichnet sich bereits ein Preisverfall ab. Wurden seit April 1995 nur Geräte für ca. 1000 DM verkauft, so werden im Herbst 1995 schon Geräte für ca. 550 DM angeboten. Inzwischen sind solche Geräte für unter 200 DM erhältlich. Diese Geräte zielen natürlich noch mehr auf Multimedia-Anwendungen speziell mit Bewegtbildern und großen Bild- und Grafikdateien. Achtfach-Laufwerke haben seit Mitte 1995 die Leistungsspitze der optischen Speicher übernommen. Sie sind bereits ab 300 DM Straßenpreis erhältlich und glänzen mit Übertragimgsraten von bis zu 1300 KByte/Sek. Aber das Entwicklungsende ist noch nicht absehbar; schon taucht das erste Zehnfacb-Laufwerk (Optics Storage Stand Juli 1996) für ca. 500 DM auf dem Markt auf. Die Laufwerke dieser Generation erreichen eine Übertragungsgeschwindigkeit, die der „normaler" Festplatten entspricht. Spätestens mit diesen Geräten können also auch anspruchsvollere Anwendungen direkt von der CD-ROM aus gestartet werden.

377

C 9

Bürokommunikation Bernd Hamacher

C 9.1

Zum Begriff und zur Bedeutung der Bürokommunikation

C 9.1.1

Definitionen

Unter dem Schlagwort Bürokommunikation (BK) wird seit mehreren Jahren eine zunehmende Vielfalt von Geräten und Systemen angeboten. Bürokommunikation ist darüber ein verbreiteter und gängiger Terminus für moderne Informationstechnologie im Büro geworden. Die inflationäre Verwendung des Terminus steht jedoch in einem auffälligen Kontrast zu der Unbestimmtheit des Begriffs. So bezeichnet PHILIPS mit Bürokommunikation „die gesamte Menge der Informationsverarbeitungs-, -beschaffungs- und -Übertragungsaufgaben, die zur Erbringung der organisatorischen Marktleistungen direkt oder indirekt abgewickelt werden" (Lit. 17, S. 15). Diese Definition ist so breit und allgemein, daß es überhaupt keine Abgrenzung mehr zu anderen Bereichen gibt. Danach wäre beispielsweise auch Fertigung und Montage eingeschlossen, da in der Fertigung und in der Montage natürlich auch Informationen beschafft, übertragen und verarbeitet werden. Nach Töpfer/Lechelt (Lit. 16, S. 19). befaßt sich die Bürokommunikation mit der „Übertragung der Informationsform Sprache, Text und Bild (Fest- und Bewegtbild), während bei der EDV die Verarbeitung von Daten im Vordergrund steht". Mit dieser Definition wird zwar eine Unterscheidung zwischen Datenverarbeitung und Bürokommunikation versucht, aber es bleibt völlig unklar, worin sich Daten, Information und Kommunikation inhaltlich und begrifflich unterscheiden. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Datenverarbeitung nicht zur Bürokommunikation gehören soll. Eine pragmatische Definition versucht Vößbein, der unter Bürokommunikation die „Gesamtheit aller technikunterstützten und -unterstützbaren Informations- und Kommunikationsprozesse in Büro- und Verwaltungsfunktionen" (Lit. 17, S. 16) versteht. Diese Definition legt also die Betonung auf die Technikunterstützung. Dies ist insofern nachvollziehbar, da die Verwendung des Begriffs Bürokommunikation mit der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zusammenfällt. Insofern hat der Begriff der Bürokommunikation sicher etwas mit dem Einsatz moderner Technologien in Büro und Verwaltung zu tun. Aber es gibt natürlich eine Reihe von Informations- und Kommunikationsfunktionen im Büro, die nicht durch Technik unterstützt werden und auch nicht sinnvoll durch Technik unterstützbar sind. Dazu gehören viele Besprechungen und „Vier-Augen-Gespräche", in denen eine technikfreie Kommunikation eine Erfolgsbedingung ist. Weiterhin ist es nicht sinnvoll, den Begriff der Bürokommunikation ausschließlich auf den Tatort Büro oder Verwaltung zu beziehen. Abgesehen davon, daß es bis heute keine einheitliche und akzeptierte Definition des Begriffs Büro gibt, meint Bürokommunikation in den meisten Fällen nicht Büro im Sinne von Geschäftszim-

378

Hamacher: Bürokommunikation

mer und Büroeinrichtung. Vielmehr wird Büro als Synonym für Funktionen verstanden, die mit der Erzeugung, Bearbeitung, Übertragung und Speicherung von Informationen befaßt sind. Damit setzt sich „Büro" von der klassischen Güterproduktion ab, die die Produktion materieller Produkte zum Gegenstand hat. Das Büro produziert keine materiellen Produkte, aber es ist in der Lage Informationen zu produzieren oder zu verarbeiten, mit denen die Produktion von materiellen Gütern in einer arbeitsteiligen Welt gesteuert werden. Information und Kommunikation ist das Produkt von Büroarbeit in einer vernetzten, globalen Wertschöpfungskette. Diese Globalisierung und Vernetzung erfordert die informationstechnische Unterstützung und Integration der Büroarbeit. Insofern ist nicht die Unterscheidung zwischen Büro und Produktion oder zwischen Information und Daten entscheidend für das Anliegen der Bürokommunikation, sondern die Integration der Informationsmedien Text, Daten, Sprache und Bild zu einem geschlossenen Gesamtkonzept. Diese Zielsetzung ist wohl das durchgängigste Anliegen aller Ansätze, die mit Bürokommunikation verbunden oder bezeichnet werden (Lit. 12, S. 34). In dieser auf Technologien ausgerichteten Sichtweise hat Bürokommunikation heute eine doppelte Bedeutung: Einerseits als Sammelbegriff für informationstechnisch gestützte Einzellösungen im Bürobereich, wie Dokumenten- und Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Electronic Mail, Elektronische Ablage, Terminkalender und intelligente Telefonanlagen und andererseits als Sammelbegriff für Technologien, die auf eine informationstechnische Integration dieser Einzellösungen abzielen. Dazu gehören Netzwerke (LAN - Local Area Network; WAN - Wide Area Network), breitbandige Telekommunikationsdienste (ISDN - Integrated Services Digital Network; VBN - Vorläufer Breitband Netz) sowie Protokolle zur Integration von Anwendungen und Netzen (ATM - Asynchronous Transfer Mode; EDI Electronic Data Interchange; EDEFACT- Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Thinsport).

C 9.1.2

Typen von Büroarbeit

Eine wesentliche Schwierigkeit der Definition von Büroarbeit liegt in der Heterogenität der verschiedenen Bürotätigkeiten. Dies erschwert eine einheitliche Definition. Natürlich läßt sich festhalten, daß alle Büroarbeit etwas mit der Erzeugung, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Informationen zu tun hat. Diese Bestimmung ist zwar zutreffend, aber so abstrakt, daß sie die Vielfalt von Büroarbeit nicht ausdrücken kann. Deshalb haben sich in den letzten Jahren die Bemühungen darauf konzentriert, Büroarbeit zu klassifizieren. Szyperski et al. (Lit. 15, S. 21) schlagen dazu eine Aufteilung in Führungsaufgaben, Fachaufgaben, Sachbearbeitungsaufgaben und Unterstützungsaufgaben vor. Zu den Führungsaufgaben gehören nach dieser Klassifikation die Motivation und Führung von Mitarbeitern, die zielgerichtete Verbreitung von Informationen sowie der Aufbau von Kommunikationsbeziehungen. Demgegenüber sind Fachaufgaben objektbezogener und umfassen Expertisen, Gutachten, Stabsaufgaben sowie Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Die Sachbearbeitungsaufgaben zeichnen sich

C 9.1 Zum Begriff und zur Bedeutung der Bürokommunikation

379

nach dieser Klassifikation dadurch aus, daß sie festgelegte und wiederkehrende Aufgaben sind, die mit begrenztem Fachwissen lösbar sind. Mit den Unterstützungsaufgaben schließlich sind die klassischen Sekretariatsfunktionen des Schreibens, Vervielfältigens und Ablegens von Informationen gemeint. Diese Klassifikation hat in der Vergangenheit einen großen Einfluß auf die BK-gerechte Gestaltung von Organisationen und Arbeitsplätzen gehabt, indem vornehmlich die Arbeitsorganisation so gestaltet wurde, daß BK-Systeme einsetzbar wurden. Eine weitere einflußreiche Typologie, die auf die Formalisierbarkeit von Bürotätigkeiten ausgerichtet ist, wurde 1984 von Beckurts/Reichwald vorgestellt (siehe Abb. 1). Typ

Problemstellung

Informations- Formalisierbedarf barkeit

Typl: Eiitzeifall

hohe Komplexität, geringe Planbarkeit

unbestimmt

T>p 2: sachbezogener Fall

problemabmittlere Komplexität, hängig mittlere Planbarkeit

teilweise formalisierbar

Typ 3:

geringe Kom- bestimmt plexität, hohe Planbarkeit

vollständig gleichbleiformalisierbar bend, festgelegt

Routinefall

Kooperationspartner

nicht formali- wechselnd, sierbar nicht festgelegt wechselnd, festgelegt

Assistenzbedarf sehr hoch

hoch

niedrig

Abb. 1: Typen von Büroarbeit (in Anlehnung an Beckurts/Reichwald. Lit. Ol)

Diese Typologie unterscheidet zwischen dem Einzelfall, dem sachbezogenen Fall und dem Routinefall. Der Einzelfall entspricht etwa den Fach- und Führungsaufgaben Szyperskis und bezeichnet damit Aufgaben, die von hoher Komplexität sind, wenig planbar sind, einen unbestimmten Informationsbedarf haben und mit wechselnden, nicht festgelegten Kooperationspartnern anfallen. Der Typ 2 bezeichnet anspruchsvolle Sachbearbeitungsaufgaben mittlerer Planbarkeit, die problemabhängig mit wechselnden Kooperationspartnern gelöst werden müssen. Sie unterscheiden sich aber vom Typ 1 vor allem dadurch, daß sie durch Aufgabenbeschreibungen wenigstens teilweise formalisierbar sind und die Zahl der Kooperationspartner festgelegt oder festlegbar ist. Der Typ 3 schließlich bezeichnet Routineaufgaben geringer Komplexität mit klar definiertem Informationsbedarf und festgelegten, gleichbleibenden Kooperationspartnern. Dieser Typ entspricht der einfachen Sachbearbeitungstätigkeit in Büro und Verwaltung. Diese Typologien und Klassifikationen machen deutlich, daß Büroarbeit einen sehr heterogenen Arbeitsbereich beschreibt, der von einfachen Sekretariatsarbeiten bis zu komplexen Führungsaufgaben reicht. Es ist die Aufgabe von Büroorganisation und Bürokommunikation, diese Arbeitselemente und Arbeitsrollen sinnvoll und effektiv in eine konsistente Arbeitsstruktur zu integrieren. Die Vielfalt und Unter-

380

Hamacher: Bürokommunikation

schiedlichkeit der Arbeitsaufgaben im Büro macht es jedoch schwierig, rechnergestützte Systeme zu entwickeln, die Büroarbeit in ihrer ganzen Breite abdecken können. Aus diesem Grund ist es auch folgerichtig, wenn heute die Entwicklung von Gesamtsystemen hin zu Einzelsystemen geht, die benutzerorientierte Problemlösungen bieten (Client-Funktionen). Gleichzeitig besteht daraus ein Bedarf an Technologien, die eine Integration dieser Einzelfunktionen herbeiführen können. Auch hier wird die doppelte Bedeutung der Bürokommunikation unterstrichen.

C 9.1.3

Bedeutung von Büroarbeit

Mit der Zunahme von Dienstleistungs- und Koordinationsaufgaben nimmt auch die Bedeutung von Büroarbeit zu. Nach vorhandenen Statistiken ist der Anteil der Bürobeschäftigten von 36% im Jahre 1950 auf 53% im Jahr 1980 angestiegen (Lit. 13, S. 2). Damit sind heute mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Büro tätig. Der jährliche Aufwand für Bürokosten wurde 1988 auf 250 Milliarden DM geschätzt (Lit. 12, S. 16) und der Anteil der Personalkosten an den gesamten Bürokosten ist von 68% im Jahre 1966 auf 81,5% im Jahre 1980 gestiegen. Das Büro und die Büroarbeit ist damit ein erheblicher Kostenfaktor. Vor allem der Anstieg der Personalkosten im Bürobereich hat das Augenmerk auf die Produktivität von Büroarbeit gelenkt, die im Vergleich zur industriellen Fertigung noch deutlich zurückliegt. Nach vorliegenden Literaturangaben hat die Produktivität in der Fertigung in den letzten 100 Jahren um 1000% zugenommen, während sie im Bürobereich lediglich um 40% stieg (Lit. 03). Der Erfolg des Technikeinsatzes in der Fertigung konnte sich im Büro bisher nicht einstellen. Ein wichtiger Grund dafür liegt sicherlich darin, daß die klassischen Büromaschinen und Bürotechnologien auf den Assistenzkraftbereich ausgerichtet war. Es gab Schreibmaschinen und Photokopiergeräte für Sekretärinnen, während die Arbeit von Fach- und Führungskräften auch heute noch weitgehend ohne technische Hilfsmittel durchgeführt wird. Papier und Kugelschreiber bleiben hier oft die wichtigsten Utensilien. Auch die Elektronische Datenverarbeitung ist zwar in den letzten 20 Jahren in Büros fast flächendeckend eingeführt worden; ihr Einsatzgebiet beschränkt sich jedoch überwiegend auf Routinetätigkeiten, die vorher von Assistenzkräften und einfachen Sachbearbeitern durchgeführt wurden. Kostenstrukturanalysen zeigen jedoch, daß der Kostenaufwand für Assistenzkräfte nur noch 6% der Personalkosten ausmacht, während Fachkräfte und Sachbearbeiter fast 80% der Bürokosten verursachen (Lit. 13, S. 10). Betrachtet man deren Tätigkeitsstruktur, so zeigt sich, daß diese Gruppe 60 bis 75% ihrer Arbeitszeit mit „Papierkram" - also dem Analysieren, Neuordnen und Erzeugen von Papierunterlagen - verbringt. Der überwiegende Teil der Arbeitszeit sind also einfache Handhabungen. Allein die Tatsache, daß Sachbearbeiter und Bürofachkräfte fast 30% ihrer Arbeitszeit mit dem Abschreiben schon vorhandener Information verbringen, zeigt welches Rationalisierungspotential in der Büroarbeit steckt. Neben diesen dokumentenorientierten Tätigkeiten spielen bei Fachkräften und Sachbearbeitern kommunikationsbezogene Tätigkeiten wie Telefonate und Besprechungen eine erhebliche Rolle. Diese Tätigkeiten dienen vorwiegend der Koordina-

C 9.2 Leitbilder für Bürokommunikation

381

tion und Erklärung von Teilarbeiten und machen etwa 25% der Arbeitszeit aus. Bei Führungskräften entfallen sogar 60% der Arbeitszeit auf kommunikationsbezogene Tätigkeiten (Lit. 12, S. 8). Da moderne Informations- und Kommunikationstechnologien nicht mehr auf die Substitution von Routinearbeit beschränkt sind, liegt der aktuelle Schwerpunkt nicht mehr auf der Unterstützung von Routinearbeiten, sondern auf die Unterstützung von Büroarbeit als einer Gesamttätigkeit. Bürokommunikationstechnik ist damit in doppelter Hinsicht ein Wachstumsmarkt: Einerseits durch den wachsenden Anteil von Büroarbeit in der Gesamtbeschäftigung und andererseits durch die wachsende Bedeutung der Bürokommunikationstechnik innerhalb der Büroarbeit. Es geht also heute nicht mehr um Automatisierung und Rationalisierung von Routinetätigkeiten, sondern um die Integration und strategische Ausrichtung aller Bürotätigkeiten mit Hilfe der Bürokommunikationstechnik. Dies zumindest ist die aktuelle Bedeutung der Bürokommunikation.

C 9.2

Leitbilder f ü r B ö r o k o m m a n i k a t i o n

Die Geräte und Systeme für Bürokommunikation werden in der Regel nicht nach den Anforderungen einzelner Anwender entwickelt, sondern basieren auf verallgemeinerten Leitbildern von Büroarbeit und Einsatzpotentialen von Bürotechnik (Lit. 06). So wird ein Textverarbeitungssystem heute nicht mehr kundenspezifisch entwickelt, sondern stellt einen Funktionsumfang bereit, der übliche Anforderungen an Dokumentenerstellung abdecken und unterstützen soll. An dem Beispiel der Textverarbeitungssysteme läßt sich auch zeigen, daß diese Anforderungen einem Wandel unterliegen. Vor 10 Jahren waren Textverarbeitungssysteme darauf ausgerichtet, die arbeitsplatzbezogenen Anforderungen einer Schreibkraft oder Sekretärin zu erfüllen. Die Verbindung zu vor- und nachgelagerten Bürotätigkeiten verblieb in der traditionellen Papierform des Informationsträgers. Dies hat sich deutlich geändert: Moderne Textverarbeitungssysteme sind heute darauf ausgerichtet, Texte, Tabellen und Graphiken aus verschiedenen Quellen integrieren und „magnetisch" weitergeben zu können. Dahinter steht ein Wandel des Leitbildes: Nicht optimierte Insellösungen, sondern durchgängige Prozeßketten sind heute Rahmenanforderung an Textverarbeitungssysteme und damit an Bürokommunikationssysteme allgemein. An diesem Leitbild orientiert sich die Entwicklung von Einzellösungen, Standards und Integrationstechnologien und damit die Infrastruktur der Kommunikationstechnik. Dieser Wandel der Leitbilder läßt sich durch die Begriffe Substitution, Strategie und Netze kennzeichnen und soll im folgenden kurz beschrieben werden.

C 9.2.1

Substitution

Das Leitbild der Substitution war für die Bürokommunikation bis Mitte der achtziger Jahre von prägender Bedeutung. Substitution bezeichnet dabei die Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen. Die Fragestellung dieses Leitbildes ist im-

382

Hamacher: Bürokommunikation

mer: Wer kann diese Aufgabe besser, der Mensch oder die Maschine? Dieses Leitbild war bereits bei der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert von Bedeutung, erreichte Bürotätigkeiten jedoch erst wesentlich später. Der Grund liegt in der mangelnden Formalisierbarkeit von Büroarbeit. Da die Datenverarbeitungskonzepte dieser Zeit formalisierte und eindeutig beschriebene Strukturen und Abläufe voraussetzten, blieb die Elektronische Datenverarbeitung auf solche Aufgaben und Abläufe begrenzt, die formalisierbar waren. Folglich konzentrierte man sich darauf, formalisierbare Arbeitsvollzüge zu identifizieren bzw. durch Arbeitszerlegung den Einsatzbereich der Elektronischen Datenverarbeitung zu erweitern. Die oben dargestellten Klassifikationen und Typologien waren dabei wichtige Hilfsmittel, um Organisationen so zu gestalten, daß sie für Elektronische Datenverarbeitung geeignet waren. Ferner glaubte man, daß verbesserte und mächtigere Programmierverfahren die Substitution von menschlicher Arbeit durch Elektronische Datenverarbeitung beschleunigen würden. Informatiker wie Klaus Haefner waren damals überzeugt, daß es nur eine Frage der Zeit sei, bis geistige Büroarbeiten bis auf einen Rest von Führungsaufgaben von der Informationstechnik substituierbar seien (Lit. 04, S. 100). Obwohl dieses Leitbild auch heute noch in vielen Systemen enthalten ist, wurde es Mitte der achtziger Jahre zunehmend durch ein Verständnis ergänzt, das der Informationstechnik den Charakter eines Werkzeuges zuweist. Informationstechnik soll den Menschen nicht ersetzen, sondern ihm - im Sinne eines Werkzeuges - eine höhere Produktivität verleihen (Lit. 02). Viele der heute angebotenen Standardprodukte zur Bürokommunikation sind aus diesem Verständnis heraus gestaltet worden und stellen dem Benutzer eine Fülle von Funktionen zur Verfügung, die er nach seinen Wünschen arbeitsplatzbezogen einsetzen und konfigurieren kann.

C 9.2.2

Strategie

Mit der Verfügbarkeit von informationstechnischen Werkzeugen zur Unterstützung einzelner Bürofunktionen rückte die Frage nach integrierenden Leitbildern in den Vordergrund. Diese Rolle wird seit Mitte der achtziger Jahre zunehmend von der Vorstellung eines strategiegeleiteten Einsatzes von Informationstechnologien eingenommen (Lit. 17). Nicht die informationstechnische Machbarkeit, sondern die Übereinstimmung mit strategischen Zielsetzungen wird nun zum Auswahlkriterium für Bürokommunikationstechnologien. Strategie wird damit zur Leit- und Ordnungsvorstellung zur Gestaltung von Bürokommunikationssystemen, das 1987 als „geschichtetes Unternehmensmodell" Eingang in die Normung der ISO (International Standardisation Organisation) gefunden hat (siehe Abb. 2). In diesem hierarchisch strukturierten Modell wird zwischen einer strategischen Ebene, einer strukturellen oder administrativen Ebene und einer operativen Ebene unterschieden. Operationen sind danach über Strukturen zu integrieren, die wiederum aus strategischen Zielsetzungen abzuleiten. Mit der zunehmenden Akzeptanz des Leitbildes Strategie erfolgte auch eine Veränderung des Blickwinkels auf die integrierende Informationsinfrastruktur. Nicht die effiziente arbeitsplatzbezogene Anwendung, sondern die konsistente und skalierbare (erweiterungsfähige) Informationsinfra-

C 9.2 Leitbilder für Bürokommunikation

383

struktur wird damit zum Gegenstand von Entwicklung und Gestaltung. Ergebnis dieser Bemühungen sind aktuelle Technologiekonzepte wie Workflow, Client-Server-Architekturen und Data-Warehousing, mit denen eine unternehmensweite Informationsinfrastruktur im Hintergrund zur Verfügung gestellt wird. Diese unternehmensweite Integration einer Vielzahl von heterogenen Anwendungen ist gegenwärtig das aktuelle Thema der Bürokommunikation. Strategiegeleitete Integration der Informations- und Datenflüsse innerhalb eines Unternehmens ist deshalb heute auch Gegenstand von Messen, Kongressen und Seminaren. Neben den informationstechnischen Konzepten gehören dazu Managementkonzepte wie „Lean-Management", „Total Quality Management" und „Prozeßmanagement", die wiederum als operationalisierte Leitvorstellungen für eine ganzheitliche, durchgängige und unternehmensweite Informationsverarbeitung angesehen werden können.

C 9.2.3

Netze

Gegenüber der klassischen technologischen Orientierung von Bürokommunikation hat das Leitbild der Strategie die Bedeutung des Unternehmenzwecks und der Unternehmensziele wesentlich deutlicher ins Bewußtsein gehoben. Bürokommunikationstechnik ist nicht mehr nur Selbstzweck, auch nicht einfach Werkzeug für einzelne Arbeitsplätze, sondern ein strategisches Werkzeug, die Aufbau- und Ablauforganisation von Unternehmen nachhaltig und umfassend zu unterstützen. Damit ist aber zugleich eine starke Binnenorientierung ausgesprochen: Bürokommunikation soll innerhalb des Unternehmens zielgerecht und transparent gestalten; die Gestaltung der Außenwelt bleibt unberührt. Eine solche Sichtweise ist zulässig, solange die Außenbeziehungen eines Unternehmens stabil und vernachlässigbar sind. Vor allem in Angebotsmärkten mag es noch völlig ausreichen, den Kunden lediglich als Kundenauftrag zu sehen und von seinen individuellen Anforderungen abzusehen. Bürokommunikation beginnt hier erst dann, wenn der Kunde den Auftrag abgegeben hat und die Kundenorientierung reduziert sich auf Wahlmöglichkeiten aus einem Produktionsprogramm, das aus Marktstudien und nicht aus individuellen Kundenanforderungen gewonnen wurde.

Hamacher: Bürokommunikation

384

In Nachfragemärkten ist eine solche Binnenorientierung jedoch zu eng, da diese Märkte eine kommunikative Einbindung von Kunden und Lieferanten erfordern, um individuelle Kundenanforderungen umsetzen zu können. Damit sind Unternehmensformen angemessener, die nicht mehr als monolithische Einheit, sondern als Netzwerk zu verstehen sind, in denen unterschiedliche Einzelunternehmen in einem auftragsbezogenen Konsortium zusammenarbeiten (siehe Abb. 3).

/

Abb. 3: Unternehmen als Netzwerk

Nach Durchführung des Auftrags kann das Netzwerk wieder zerfallen, um später mit neuen Partnern und neuen Kunden neue Konsortien zu bilden. Mit der Globalisierung der Märkte und der Zunahme der Kundenorientierung auf vielen Märkten wird diese Unternehmensform als Netz eine wachsende Bedeutung erlangen (Lit. 05). Das Netz als Unternehmensform zur Abwicklung von Kundenaufträgen erfordert jedoch eine ganz andere Informationsinfrastruktur. Es kommt nicht darauf an, die Informationsflüsse innerhalb des einzelnen Unternehmen konsistent zu halten, sondern es kommt darauf an, die auftragsbezogenen Informationsflüsse zwischen verschiedenen Partnern unternehmensübergreifend zu organisieren. Gleichzeitig verändert sich die Stellung von Büroarbeit und Bürokommunikation. Nicht mehr die Planung und Steuerung vorgegebener Abläufe, sondern die aktive Herstellung und Koordinierung von Geschäftsbeziehungen mit einer Vielzahl von Partnern und Kunden wird hier zur zentralen Aufgabe der Büroarbeit. Damit verschieben sich auch die Anforderungen an Bürokommunikation und Informationsinfrastruktur. Nicht die unternehmensinterne Informationsinfrastruktur, sondern die Fähigkeit, komplexe Informationsflüsse unternehmensübergreifend organisieren zu können, wird zum zentralen Wettbewerbsfaktor für Büroarbeit und Bürokommunikation. Die Technologieentwicklungen zu diesem Leitbild sind heute bereits sehr vielfältig. Insbesondere die Entwicklung von Netzen und Diensten zum elektronischen Datenaustausch (EDI) hat neue Möglichkeiten geschaffen, die bisher zu 80% schriftlich abgewickelten Kommunikationsvorgänge (Lit. 11), wie etwa Anfragen, Aufträge, Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Rechnungen, Frachtbriefe, Zolldokumente, Kontoauszüge, Zahlungsanweisungen, aber auch Kon-

C 9.3 Systeme für die Bürokommunikation

385

struktionspläne, Fertigungsspezifikationen und Bildinformationen elektronisch und ohne Medienbrüche abzuwickeln. Neben der Entwicklung von weltweiten Telekommunikationsnetzen wird seit einigen Jahren an Standards für den strukturierten elektronischen Datenaustausch gearbeitet. Das bekannteste Beispiel ist der EDIFACT-Standard, mit dem genormte Regeln und einheitliche Nachrichtentypen für den elektronischen Datenaustausch zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Transport verfügbar sind. Mit diesem Standard werden genormte Lösungen für national und international aufgebaute Geschäftsvorfälle (z.B. Rechnung, Bestellung) angeboten, deren inhaltliche Bedeutung eindeutig definiert sind, so daß sich geschäftliche Transaktionen ohne Sprachprobleme und ohne starre Papierformulare durchführen lassen. Neben diesem universellen Standard gibt es eine Reihe von Standards, die in den letzten Jahren von verschiedenen Organisationen und Gremien für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch entwickelt wurden. Beispiele hierfür sind das ODIF (Office Document Interchange Format), der SWIFT-Code (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications), der X.500-Standard zum einheitlichen Aufbau von Adreßverzeichnissen oder die Arbeiten der 1993 gegründeten „Workflow Management Coalition" zur Entwicklung von Referenzmodellen für unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse. Aus diesen Beispielen heraus läßt sich bereits erkennen, daß wir uns derzeit in einer Phase befinden, die sich als Entwicklung einer weltweiten Bürokommunikationsinfrastruktur beschreiben läßt. Es geht nicht mehr um die Funktionalität und Leistungsfähigkeit einzelner Anwendungen, sondern ihre Verknüpfbarkeit zu Geschäftsprozessen in weltweiten Netzen. „Connectivity" heißt das aktuelle Schlagwort, unter dem eine ganze Palette von Entwicklungen vorangetrieben werden. Das Leitbild des Netzes ist aber noch Zukunftsmusik. Lediglich wenige Branchen, wie die Automobilindustrie oder einige Versicherungen machen heute von diesen Möglichkeiten Gebrauch. Für eine allgemeine Nutzung ist die kritische Masse der Anwender noch nicht erreicht. Aber bereits heute ist absehbar, daß die Gestaltung von Bürokommunikation die Erweiterung um weltweite Informations- und Telekommunikationsinfrastrukturen berücksichtigen muß, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bürokommunikation wird damit zur Fähigkeit, Informationsdienste und Telekommunikationseinrichtungen für Unternehmensziele effektiv einsetzen zu können. Bürokommunikation wird damit zum Informationsmanagement.

C 9.3

Systeme for die Bärokommunikation

Nach diesem historischen Streifzug durch die Entwicklung der Informationsinfrastruktur der Bürokommunikation sollen nun einige aktuelle Entwicklungen zu einzelnen Funktionsbereichen dargestellt werden. Diese Funktionsbereiche sind wie folgt gegliedert: • Datenverarbeitungssysteme • Textverarbeitungssysteme • Sprachkommunikationssysteme

386

Hamacher: Bürokommunikation

• Bildkommunikationssysteme • Multimediale Systeme • C S C W - Computer Supported Cooperative Work.

C 9.3.1

Datenverarbeitungssysteme

Bei den Datenverarbeitungssystemen bilden Systeme zur kaufmännischen Datenverarbeitung (Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Kostenrechnung) den Schwerpunkt der Anwendungen. Hier dominieren übergreifende Standardprogramme, die je nach Branche und Unternehmensgröße über Großrechner (Mainframes), Minicomputer oder Bürocomputer und daran angeschlossene Terminals dem Benutzer zur Verfügung gestellt werden. Diese Systeme sind meist Komplettlösungen, die von Softwarehäusern entwickelt und eingerichtet werden. Bei diesen Systemen hat der Anwender in der Regel kaum Spielraum für persönliche Systeme. Die organisatorische Zuordnung und innerbetriebliche Betreuung dieser Systeme wird dabei oft von Rechenzentren oder zentralen EDV-Abteilungen übernommen, die zentral die Pflege und Weiterentwicklung der Datenverarbeitungsanwendungen betreuen. Diese organisatorische Spezialisierung war insbesondere in den Anfangstagen der Datenverarbeitung sehr verbreitet, führte jedoch oft zu einer Kluft zwischen den Datenverarbeitungsspezialisten und den Anwendern (Lit. 18). Für mittlere Unternehmensgrößen und zur Realisierung von dezentralen Datenverarbeitungskonzepten entstanden Mitte der siebziger Jahre sogenannte Minicomputer oder Super-Minicomputer, die als kompakte Rechner technische oder kaufmännische Datenverarbeitungsaufgaben übernahmen. Diese Rechnerklasse wurde in Deutschland auch unter der Bezeichnung „mittlere Datentechnik" bekannt. Kennzeichnend für diese Systeme ist jedoch, daß sie auf die Verarbeitung vorstrukturierter Daten und Abläufe beschränkt sind. Weitergehende Bürokommunikationsfunktionen wurden von diesen Systemen in der Regel nicht wahrgenommen. Dies änderte sich erst mit der Entwicklung der Personalcomputer (PC) Mitte der achtziger Jahre, die dem Benutzer weitere persönliche Anwendungen (Tabellenkalkulation, Adreßbücher, Graphik) ermöglichten. Diese PCs waren andererseits nicht in der Lage, den arbeitsplatzübergreifenden Anforderungen einer kaufmännischen Datenverarbeitung zu entsprechen. Auch die Vernetzung von einzelnen PCs zu Local Area Networks brachte zwar arbeitsplatzübergreifende Austauschmöglichkeiten, konnten aber lange Zeit die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit klassischer Host-Systeme nicht erreichen. Trotz schrumpfender Märkte für Großrechner vertrauen auch heute noch viele Unternehmen auf die Zuverlässigkeit und Sicherheit klassischer Datenverarbeitungssysteme. Die Vernetzung von PCs hat damit nicht automatisch Großrechner und mittlere Datentechnik verdrängt, sondern eher neue Möglichkeiten der Kooperation und Kommunikation zwischen Anwendern geschaffen. Eine entscheidende Wende ist hier erst durch die Einführung von Client-Server-Systemen eingetreten. Unter Client-Server-Systemen versteht man Systementwicklungen, in denen die Informationsverarbeitung zwischen verschiedenen Computern

C 9.3 Systeme für die Bürokommunikation

387

funktional aufgeteilt wird. So kann ein Rechner (client) die Datenaufbereitung übernehmen, während ein anderer Rechner die Datenhaltung (server) übernimmt. Über eine Schnittstelle fordert der Client nun die Daten vom Server an, die er zur Datenaufbereitung benötigt. Damit können Anwendungsprogramme und Datenbanken sich auf Funktionen spezialisieren und müssen keinen vollständigen Funktionsumfang anbieten. Diese komplementäre Spezialisierung des Client-Server-Konzeptes hat die Möglichkeiten einer integrierenden Koexistenz von klassischen Rechnern und modernen Mikrocomputern stark befördert. So können Anwender an Personalcomputern mit Großrechnern zusammenarbeiten, ohne auf die Benutzeroberflächen und starren Abläufe der Großrechnersysteme verpflichtet zu sein.

C 9.3.2

Textverarbeitungssysteme

Textverarbeitung und Datenverarbeitung sind technisch lange Zeit unterschiedliche Wege gegangen. Dies wird schnell nachvollziehbar, wenn man sich die Unterschiede zwischen Texten und Daten vor Augen hält (Lit. 12, S. 79). Texte

Daten

-

-

unstrukturiert beschränkt sortierbar sequentielle Verarbeitung freie Formatierung anwenderbestimmt individuelle Gestaltung freie Form der Korrespondenz Mischfunktionstätigkeit

strukturiert sortierbar direkter Zugriff feste Formatierung anwendungsbestimmt gesetzliche Formvorschriften formularorientiert Spezialistentum

Abb. 4: Unterschiede zwischen Text- und Datenverarbeitung

Diese Unterschiede haben lange Zeit dafür gesorgt, daß Datenverarbeitung eine Angelegenheit der DV-Spezialisten war und Textverarbeitung eine Domäne von Schreibbüros und Sekretariaten blieb. Da jedes Unternehmen und jede Berufsgruppe unterschiedliche Anforderungen an die Strukturierung und Verarbeitung von Texten haben, blieb die Textverarbeitung auch lange Zeit von Automationskonzepten verschont. Diese Situation hat sich erst mit der Entwicklung der Mikrocomputer geändert, die erst die technologischen Möglichkeiten boten, Text- und Datenverarbeitung zur Informationsverarbeitung zusammenwachsen zu lassen. Die Textverarbeitung bildet traditionell einen zentralen Bereich der Bürokommunikation, die sich in die Erstellung von Dokumenten, die Verwaltung von Dokumenten und die Verteilung von Dokumenten aufteilen läßt. Für diese Funktionen wurden zunächst sehr unterschiedliche Technologien eingesetzt: Für die Erstellung von Dokumenten war die Schreibmaschine lange Zeit die wichtigste gerätetechnische Unterstützung. Für die Dokumentenablage gibt es eine Reihe konventioneller Systeme, die Ablegen und Wederfinden von Dokumenten mit Karteischränken und

388

Hamacher: Bürokommunikation

Ablagesystemen unterstützen. Die breite Verteilung von Dokumenten ist seit den siebziger Jahren insbesondere durch moderne Photokopierverfahren unterstützt worden. Damit gibt es eine Reihe von ausgereiften Bürotechnologien, die einer Integration durch Informationstechnologien zunächst entgegenstanden. Mit der Entwicklung von Textverarbeitungsprogrammen entstand eine neue Klasse von Rechneranwendungen, die das Erstellen, Gestaltung und Korrigieren von Dokumenten nachhaltig verändert haben. Moderne Textverarbeitungssysteme bieten vielfältige Möglichkeiten, durch Standardtexte, Formularvorlagen und Serienbriefe die üblicherweise anfallende Geschäftskorrespondenz flüssig zu erledigen. Mit der Verfügbarkeit leistungsfähiger PCs können heute Textverarbeitungsfunktionen an jedem Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden, die vormals nur durch aufwendiges Diktieren, Abschreiben, Korrigieren und Schönschreiben von Texten zu erreichen waren. Darüber hinaus bieten moderne Textverarbeitungsprogramme heute Möglichkeiten der Graphikeinbindung und Seitengestaltung, die vor wenigen Jahren noch eine Domäne der Gebrauchs- und Werbegraphiker waren. Die druckreife graphische Gestaltung von Texten und Broschüren ist technisch heute mit handelsüblichen PCs möglich. Damit verwischt sich die Grenze zu den sogenannten Desktop-Publishing-Programmen. Desktop Publishing (DTP) war anfänglich zwischen Textverarbeitung und Drucksatzerstellung angesiedelt und stand für Programmentwicklungen, die mächtige Layoutfunktionen zur Verfügung stellten, um Textdateien mit elektronisch erzeugten Graphiken zu Zeitungen, Broschüren und Büchern zusammenzuführen und druckfertig aufzubereiten. Diese Systeme bringen eine erhebliche Produktivitätssteigerung bei der Erstellung von Publikationen, Berichten und sonstigen Dokumentationen, für die Unternehmen bisher zwischen 3 und 8 Prozent ihres Umsatzes aufwenden (Lit. 12, S. 87). Zu den Desktop-Publishing-Programmen zählt man heute auch Präsentationsprogramme (wie etwa Powerpoint von Microsoft), mit denen professionelle Präsentationen und Folien für Seminare, Vorträge und ProduktProjektpräsentationen schnell und relativ einfach erstellt werden können. Mit der zunehmenden Zahl elektronisch gespeicherter Dokumente entstand der Bedarf nach leistungsfähigen Dokumentenablage- und -suchsystemen (DMS - Document Management Systems), da es teuer und umständlich ist, elektronisch verfügbare Dokumente weiterhin auszudrucken und in konventionellen Systemen abzulegen. Mit der zunehmenden Vernetzung einzelner Textverarbeitungs-PCs in unternehmensweite Netze besteht zudem der Bedarf, einmal erzeugte elektronische Dokumente auch anderen Benutzern im Unternehmen zugänglich zu machen. Hierfür wird heute eine Vielzahl von Dokumenten-Managementsystemen angeboten, die eine Erfassung, Ablage und das Retrieval von Dokumenten unterstützen. Für das Retrieval (Wiederfinden) von Dokumenten ist dabei zu unterscheiden zwischen Systemen, in denen Dokumente über Namen und Schlagwortlisten abgelegt und verwaltet werden und Systemen, die eine Volltextrecherche anbieten. Letztere sind vor allem dort sinnvoll, wo heterogene und schwach strukturierte Dokumente abgelegt und wiedergefunden werden müssen. Zuweilen bieten Dokumenten-Managementsysteme sogar beide Möglichkeiten an. Die Einsparungspotentiale durch Dokumenten-Managementsysteme werden hoch eingeschätzt. So geht Forrester Research davon aus, daß durch die Umstellung der

C 9.3 Systeme für die Bürokommunikation

389

Dokumentenverwaltung von Papier auf Computer die Verwaltungskosten um bis zu 90 Prozent gesenkt werden können, die Produktivität um 100 Prozent gesteigert wird und Arbeitsabläufe zwischen Faktor 10 und Faktor 1000 beschleunigt werden können. Dennoch ist die Marktdurchdringung zur Zeit noch gering. Hemmschwellen sind hier (Lit. 05): • Kurze Marktverfügbarkeit • Mangelnde Standardisierung • Geringe Benutzerfreundlichkeit • Unzureichende herstellerübergreifende Integrationsfunktionen • Mangelhafte Skalierbarkeit • zu hohe Anschaffungskosten. Eine Untergruppe der Dokumenten-Managementsysteme sind Archivierungssysteme, die mittlerweile ein eigenes Marktsegment bilden und in eine Vielzahl von Anwendungen integrierbar sind. Archivierungssysteme übernehmen die endgültige Speicherung und Ablage von Dokumenten und bieten insbesondere Funktionen, damit archivierte Dokumente schnell wiedergefunden und kopiert werden, jedoch nicht mehr verändert werden können. Dies ist insbesondere für Anwendungen wichtig, wo die Authentizität der Dokumente z.B. aus steuerrechtlichen Gründen während der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist sichergestellt werden muß. Da Archivierungssysteme naturgemäß sehr viel Speicherplatz benötigen, verwendet man für diese Anwendung neben großen Speicherplatten zunehmend sogenannte Jukeboxen. Jukeboxen enthalten üblicherweise mehrere CD-ROM-Laufwerke, die über einen Roboterarm mit CD-ROM-Disks versorgt werden. Wenn Daten, die sich auf einer bestimmten CD-ROM befinden, angefordert werden, entnimmt der Roboterann über eine Steuersoftware die passende CD-ROM aus einem Regalstapel und legt sie in ein CD-ROM-Laufwerk ein. Damit ergeben sich zwar etwas längere Zugriffszeiten, die Speicherkosten pro Megabyte sind bei dieser Technologie jedoch sehr gering. Ein wichtiges und noch ungelöstes Problem von Archivierungssystemen bildet die Vielfalt der existierenden File-Formate. Gerade für Langzeitarchivierungen ist hier besonders kritisch, wenn ursprüngliche File-Formate von nachfolgenden Systemen nicht mehr unterstützt werden. Dieses Problem ist bereits heute bei Graphik-Standards deutlich, da es in der Anfangszeit graphischer Anwendungen eine Vielzahl von Graphik-Formaten gab, die nachfolgend jedoch an Bedeutung verloren und heute nur noch mit der Originalsoftware „lesbar" sind. Dies hat viele Anwender dazu genötigt, sicherheitshalber doch eine Papierkopie aufzubewahren. Das Problem wird allerdings auch von Systemherstellern gesehen und neuerdings gibt es sogar eine internationale Arbeitsgruppe (DMA - Document Management Alliance) aller bedeutenden Hersteller zur Entwicklung eines weltweiten Standards für Dokumentenmanagement. Auch dieses Beispiel zeigt erneut, daß die weltweite Durchlässigkeit der Systeme gegenüber der funktionalen Effizienz eine zunehmende Bedeutung erhält.

390

C 9.3.3

Hamacher: Bürokommunikation

Sprachkommunikationssysteme

Bei den Sprachkommunikationssystemen hat es in den letzten Jahren erhebliche Entwicklungsschübe gegeben. Die Kommunikation über das gesprochene Wort spielt natürlich in der Büroarbeit eine erhebliche Rolle und lange Zeit war das Telefon die einzige Technologie, um das gesprochene Wort über größere Distanzen übertragen zu können. Mit der Entwicklung weltweiter Telekommunikationsnetze und durch die Nutzung der Mikrocomputertechnik für Telefonanlagen, konnte die Funktionalität des Telefons in den letzten Jahren deutlich erweitert werden. So verfügen moderne (digitale) Nebenstellenanlagen heute standardmäßig über Komfortmerkmale wie Rufumleitung, Rufweiterleitung, Konferenzschaltung und automatische Rückruffunktionen. Weitere Entwicklungen sind „Voice-Mail-Systeme" (VMS), mit denen gesprochene Nachrichten zeitversetzt übermittelt und zugestellt werden können, z.B. wenn der Empfänger gerade nicht erreichbar ist oder die Überbrückung von Zeitzonen eine zeitversetzte Kommunikation nahelegt. Gegenüber dem klassischen Anrufbeantworter erlauben „Voice-Mail-Systeme", Nachrichten addressatenspezifisch abzusetzen und entgegenzunehmen und damit die innerbetriebliche und außerbetriebliche Kommunikation gezielt zu strukturieren. Mit Voice-Mail-Systemen könnten zum Beispiel Verteiler für gesprochene Nachrichten hinterlegt werden, Adressaten selektive Nachrichten übermittelt werden und zu Bündeln strukturiert werden. Diese Funktionen sind zur Zeit lediglich für digitale Nebenstellenanlagen verfügbar. Mit der Entwicklung digitaler Telekommunikationnetze ist jedoch zu erwarten, daß derartige Funktionen auch beim „Fernsprechen" verfügbar sind. In der Umstellung des analogen Telefonnetzes in ein digitales Netz liegt ein gewaltiges Potential, da mit ca. 700 Millionen Telefonanschlüssen weltweit ein riesiges Potential für Bürokommunikation zur Verfügimg steht. Weltweite Erreichbarkeit wird dadurch technisch substituiert. Ebenfalls auf verbesserte Erreichbarkeit durch Sprachkommunikationssysteme zielen Mobilfunksysteme (C-Netz, D-Netz, Ε-Netz), die von verschiedenen Herstellern entwickelt und angeboten werden. Speziell die digitalen Netze (D-Netz, ENetz) bieten nicht nur eine ortsunabhängige Erreichbarkeit, sondern auch integrierte Daten- und Textübertragungsmöglichkeiten. Auch hier war die Entwicklung des gemeinsamen GSM-Standards eine wichtige Erfolgsbedingung um den Einsatz von Mobiltelefonen auch über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Europaweiter Mobilfunk bedeutete davor, für jedes europäische Land ein unterschiedliches Mobilfunksystem vorzuhalten.

C 9.3.4

BOdkommunikationssysteme

Auch bei den Bildkommunikations- und Bildverarbeitungssystemen sind in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte erzielt worden, die eine breite Nutzung in der Bürokommunikation erwarten lassen. Zu den Bildkommunikationssystemen gehören insbesondere Video-Konferenz-Systeme, die eine Zweiwegkommunikation zwischen verschiedenen Partnern ermöglichen. Bis vor kurzem waren Video-Konferenzen nur großen Unternehmen und

C 9.3 Systeme für die Bürokommunikation

391

Konzernen vorbehalten, die diese technische Möglichkeit zur internen Abstimmung und Entscheidungsvorbereitung nutzten. In den achtziger Jahren hat die Deutsche Bundespost in westdeutschen Großstädten Videokonferenz-Studios eingerichtet, die gegen Gebühr an Interessenten vermietet wurden. Die hohen Mietkosten und der hohe Planungs- und Vorbereitungsaufwand haben jedoch eine breite Nutzung dieses Angebots erschwert. Mit der Verfügbarkeit von ISDN gibt es mittlerweile einfache und preiswerte Lösungen, um Videokonferenzen durchzuführen (z.B. das System P R O S H A R E der Telekom). Neben einem ISDN-Anschluß sind dafür lediglich eine CCD-Kamera, ein PC und eine Zusatzkarte/-software erforderlich, um Videokonferenzen am Bildschirm durchführen zu können. Die Zusatzkosten pro Arbeitsstation liegen heute unter DM 1.500,-. Bei diesem Preisniveau kann damit gerechnet werden, daß Bildkommunikation eine zunehmende Bedeutung in der unternehmensübergreifenden Bürokommunikation erhalten wird. Bildkommunikationssysteme können zum Beispiel eingesetzt werden • zur Durchführung von Fernbesprechungen als Ersatz/Ergänzung von Dienstreisen • zur Vorstellung von Designvorschlägen, Layouts und Modellen innerhalb von verteilten Entwicklungsteams • zur Unterstützung von Ferndiagnosen und zur Wartungsunterstützung • für Überwachungs- und Kontrollaufgaben.

Obwohl die Bildkommunikation sich erst am Anfang ihrer Entwicklung befindet, wird damit gerechnet, daß die Zweiweg-Bildkommunikation im nächsten Jahrtausend so geläufig sein wird, wie es heute das Telefonieren ist. Im Unterschied dazu ist die Bildverarbeitung, also die digitale Erfassung, Speicherung und Manipulation von Fest- und Bewegtbildern bereits gängige Praxis. Insbesondere in den Bildredaktionen der Verlage und Presseagenturen hat das elektronische Bild die traditionelle Bildverarbeitung bald völlig abgelöst. Die Vorteile einer digitalen Bildverarbeitung liegen dabei auf der Hand: • Bildmaterial kann schnell und sicher elektronisch übertragen werden. • Die Ablage in objektorientierten Datenbanken erlaubt schnellen Zugriff und komfortable Verwaltung. • Elektronische Bilder sind leicht editierbar und schnell in Dokumente einbindbar.

Hinzu kommt, daß der andauernde Preis verfall für leistungsfähige Scanner und Farbdrucker eine breite Anwendung fördern wird. Dies gilt - mit Abstrichen - auch für Bewegtbilder (Videosequenzen), die heute wie Festbilder in Datenbanken und Anwendungen einbindbar sind. Auch hier hat der Preisverfall bei Hardware und Software zu einer Verbreitung beigetragen, die neben Spielen auch zu neuartigen rechnergestützten Lexika und Handbüchern geführt hat. Damit wird die Grenze zu multimedialen Systemen erreicht.

C 9.3.S

Multimediale Systeme

Unter multimedialen Systemen versteht man Systeme, mit denen Text, Graphiken, Ton- und Videosequenzen simultan übertragen werden können. Multimediale Systeme integrieren damit die oben beschriebenen Text-, Sprach- und Bildverarbei-

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Hamacher: Bürokommunikation

tungssysteme zu universellen Systemen. Bei multimedialen Systemen ist zwischen einer Hardwareebene, einer Softwareebene und einer Netzebene zu unterscheiden, da unter dem Stichwort „Multimedia" derzeit eine Fülle ganz verschiedenartiger Systeme angepriesen wird. Auf der Hardwareebene versteht man unter multimedialen Systemen normalerweise PCs, die neben der üblichen Ausstattung für Daten- und Textverarbeitung zusätzlich mit einer Soundkarte zur Wiedergabe/Bearbeitung digitalisierter Klänge/ Sprache, einer videofähigen Graphikkarte sowie mit einem CD-ROM-Laufwerk ausgestattet sind. Diese PCs sind damit Endgeräte, um multimediale Daten/Software darstellen und verarbeiten zu können. Das CD-ROM-Laufwerk gehört streng genommen nicht zu den multimedialen Komponenten, wird aber dazugerechnet, da die große Speicherfähigkeit von CD-ROM-Scheiben mittlerweile eine Voraussetzung für multimediale Anwendung ist. Auf der Softwareebene versteht man unter multimedialen Systemen Programme, die Daten, Text, Graphik sowie Audio- und Videosequenzen gleichermaßen verarbeiten können. Beispiele hierfür sind Programmiersprachen/-systeme (z.B. ToolBook, MACROMEDIA-Director), mit denen multimediale Anwendungen wie elektronische Lexika, Lehrbücher und Bibliotheken erstellt werden können. Weiter versteht man darunter Datenbanksysteme, die nicht nur Daten und Text, sondern auch digitalisierte Ton- und Videosequenzen als Objekte speichern und verwalten können. Auf der Netzebene schließlich spricht man von multimedialen Netzen, wenn die Übertragungsrate des Netzes multimediale Anwendungen erlaubt. Ab welcher Übertragungsbreite von multimedialen Netzen gesprochen werden kann, ist jedoch nicht eindeutig definiert. Üblicherweise wird ab einer Übertragungsrate von zwei Megabyte pro Sekunde von Breitbandkommunikation gesprochen. Derartige Übertragungsraten sind heute bei den sogenannten Wide-Area-Netzen (WAN) noch selten. Zum Vergleich: Das heutige ISDN hat eine Übertragungsrate von 64 Kilobyte pro Sekunde. Dennoch ist die Grenze von 2 Mb/s nicht verbindlich zu sehen, da auch mit ISDN bereits sinnvolle multimediale Anwendungen möglich sind. In der Bürokommunikation spielen multimediale Systeme bisher keine große Rolle. Sie sind bis jetzt eher eine Domäne von Computerspielen und digitalem Fernsehen. Aber mit der Entwicklung breitbandiger Verbundnetze, die allein von der Europäischen Union in den nächsten 8 Jahren mit 67 Milliarden ECU gefördert werden, werden eine Fülle von elektronischen Diensten entstehen, in denen multimediale Systeme einen erheblichen Raum einnehmen werden. Bereits heute werden die Pressearchive großer Verlage auf breiter Front auf digitale Bilddatenbanken umgestellt. Gleichzeitig werden dabei Voraussetzungen geschaffen, Bilder, Audio und Video zwischen verschiedenen „Kunden" und „Lieferanten" schnell und sicher auszutauschen. Insofern muß davon ausgegangen werden, daß multimediale Systeme zukünftig eine erhebliche Bedeutung in der Bürokommunikation haben werden (Lit. 05).

C 9.3 Systeme für die Bürokommunikation C 9.3.6

393

CSCW - Computer Supported Cooperative Work

Das Kürzel CSCW hat bei Systemen der Bürokommunikation in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung gewonnen. CSCW steht dabei für rechnergestützte Gruppenarbeit und damit für Systeme, mit denen Information und Kommunikation innerhalb von Gruppen gefördert werden kann. Neben der Bezeichnung CSCW wird in diesem Zusammenhang auch von „Work Group Computing" und „Groupware" gesprochen. Eine genaue Definition und Unterscheidung dieser Begriffe gibt es auch hier nicht. Eine gewisse Unterscheidung läßt sich jedoch danach machen, daß unter CSCWTheorien und Konzepte zur rechnergestützten Gruppenarbeit behandelt werden, während „Workgroup Computing" eher die Nutzung von Werkzeugen zur Unterstützung von Gruppenarbeit meint. „Groupware" schließlich ist ein Sammelbegriff für Hard- und Softwaresysteme, die zur Unterstützung von Gruppenarbeit angeboten werden. Beispiele für Groupware-Systeme sind E-Mail, elektronische „Schwarze Bretter" oder Terminkalender, mit denen Termine ganzer Arbeitsgruppen koordiniert und verwaltet werden können. Aber auch Video-Konferenz-Systeme und Workflow-Management-Systeme werden zur Groupware gerechnet. Bei der Nutzung dieser Systeme lassen sich drei Zielsetzungen unterscheiden: • Verbesserung von Information und Kommunikation in Arbeitsgruppen, • Verbesserung der Koordination von Arbeitsgruppen, • Unterstützung kooperativer Arbeitsabläufe. Mit der zunehmenden Bedeutung von Projektteams und Gruppenarbeit in Unternehmen steigt der Bedarf an Informations- und Kommunikationsmitteln, mit denen Teams und Arbeitsgruppen Informationen austauschen können und ständigen Zugriff auf aktuelle Informationen haben und zwar unabhängig davon, ob eine Arbeitsgruppe räumlich zusammenhängend untergebracht ist oder nicht. Mit E-MailSystemen können dazu Nachrichten zwischen Mitarbeitern schnell ausgetauscht werden und automatische Verteiler für elektronische Briefe definiert werden. Die Verwendung von E-Mail ist besonders hilfreich, wenn ein Mitarbeiter gerade telefonisch nicht erreichbar ist und/oder über größere Entfernungen erreicht werden soll. Die letztgenannte Funktion kann auch mit Video-Konferenz-Systemen unterstützt werden, um etwa gemeinsame Besprechungen räumlich verteilter Gruppen besser und billiger als bisher durchführen zu können. Das elektronische „Schwarze Brett" wiederum ist ein Hilfsmittel, um Informationen für alle Mitglieder einer bestimmten Gruppe zur Verfügung zu stellen. Im Unterschied zu E-Mail-Systemen sind Informationen an „Schwarzen Brettern" nicht nur dem Empfänger zugänglich, sondern gleichzeitig allen Mitgliedern einer Gruppe, die Zugang zu diesem „Schwarzen Brett" haben. Zur Verbesserung der Koordination von Arbeitsgruppen dienen vor allem Terminkalender, mit denen die Termine der Arbeitsgruppenmitglieder verwaltet werden können und die zusätzliche Funktionen haben, um gemeinsame Termine zu planen. Zu dieser Gruppe gehören auch Projektmanagement-Systeme, mit denen Aufgaben von Gruppen koordiniert und verwaltet werden können, sowie „Screen Sharing"-Systeme, mit denen die Bildschirmanzeige anderer Arbeitsgruppenmitglieder

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Hamacher: Bürokommunikation

eingesehen und verändert werden kann. Die zuletzt genannten Systeme ermöglichen damit das gemeinsame Redigieren von Texten und Entwürfen bei räumlich entfernten Arbeitsplätzen. Zur Unterstützung kooperativer Arbeitsabläufe werden vor allem „Workflow-Management-Systeme (WFMS)" angeboten. „Workflow-Management-Systeme" dienen vor allem der Vorgangsablaufautomatisierung und damit dem Ziel, die Durchlaufzeit von Vorgängen, die von verschiedenen Mitarbeitern bearbeitet werden müssen, zu verkürzen. „Workflow-Management-Systeme" bieten dazu in der Regel Werkzeuge an, mit denen Abläufe definiert und geplant werden können sowie elektronische Ablagen, über die ein Austausch und die Weiterleitung von Dokumenten organisiert werden können. Der Einsatz von CSCW und Groupware steht noch am Anfang, da marktgängige Systeme noch recht neu sind und es an akzeptierten Architekturen fehlt, Dokumente und Informationen systemübergreifend auszutauschen. Aus der rasant anschwellenden Zahl von Entwicklungen und Forschungsarbeiten läßt sich jedoch erkennen, daß sich CSCW in wenigen Jahren von einem exotischen Randgebiet zu einem vielbeachteten Forschungs- und Anwendungsgebiet gemausert hat. Ferner ist zu beachten, daß diese Systeme für aktuelle Konzepte wie Gruppenarbeit oder das Management (schlanker) Geschäftsprozesse sehr geeignet sind. Von daher ist einfach damit zu rechnen, daß CSCW in Zukunft ein wichtiges Element der Bürokommunikation sein wird.

C 9.4

Bflrokommnnikation als Unternehmensintegration

Die vorangegangene Darstellung der Infrastrukturen und der Systeme für Bürokommunikation zeigt, daß es bei der Bürokommunikation nicht mehr nur um die Unterstützung einzelner Funktionen geht, sondern die unternehmensübergreifende Integration heute das Thema von BK-Konzepten ist. Bürokommunikation gilt heute als strategischer Faktor und damit ist es notwendig, BK-Konzepte aus strategischen Zielen abzuleiten und „top-down" zu gestalten. Der Integrationsprozeß selber erfolgt dabei sinnvollerweise von unten nach oben („bottom-up"), kann sich dabei jedoch einer Architektur bedienen, wie sie in Abb. 5 dargestellt ist.

Strategieebene

Ziele

Unternehmensebene

DMS, Data-Warehouse

Funktionsebene

Längsschnittanwendungen: F&E, Vertrieb, Personal, RW„.

Gruppenebene

Querschnittanwendungen: LAN, WAN, E-Mail, WFMS, BBS

Arbeitsplatzebene

Workstations, Clients, lokale Anwendungen

Abb. 5: Architektur für Bürokommunikation

C 9.4 Bürokommunikation als Unternehmensintegration

395

Diese Architektur unterscheidet fünf Ebenen der Integration. Auf der unteren Ebene geht es um die Integration der Tätigkeiten am Arbeitsplatz. Hier stehen Arbeitsplatzrechner zur Verfügung, die verschiedene lokale Anwendungen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation sowie Zugriffe auf Datenbanken als einheitliches Gesamtsystem unter einer einheitlichen Bedieneroberfläche präsentieren. Der Benutzer muß damit an seinem Arbeitsplatz nicht mehr mit verschiedenen Systemen hantieren, sondern kann mit einem einheitlichen, aber multifunktionalen System arbeiten. Die darüberliegende Gruppenebene stellt eine Reihe von Querschnittsfunktionen zur Verfügung, die eine Kommunikation und Integration von Vorgängen in Arbeitsgruppen unterstützten. Dazu gehören lokale Netzwerke (LAN), Fernnetze (WAN), elektronische Post (E-Mail) sowie elektronische Bretter (BBS) und Workflow-Management-Systeme (WFMS). Die Definition der Arbeitsgruppen und Abläufe ist dabei keineswegs starr, sondern kann heute leicht modifiziert und den jeweiligen Anforderungen angepaßt werden. Gruppenbildung ist damit nicht mehr notwendig Gegenstand aufbauorganisatorischer Festlegungen, sondern in Abhängigkeit temporärer Problemstellungen gestaltbar. Die Integration dieser Gruppen erfolgt über die Funktionsebene, auf der Längsschnittanwendungen für das Rechnungswesen, für Personalverwaltung, für den Vertrieb sowie die Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen. Auf dieser Ebene können einzelne Verfahren wie Auftragsabwicklung, Ressourcenplanung und Logistik integriert und mit den verfügbaren Fachfunktionen ausgestattet werden. Diese funktionale Integrationsebene ist nicht mit einer funktionalen Arbeitsorganisation zu verwechseln. Funktionen sind hier als fachliche Potentiale zur Durchführung von Aufgaben - unabhängig von der gewählten Arbeitsorganisation - zu verstehen. Für den Zugriff auf das gespeicherte Wissen und Know-how eines Unternehmens stehen heute Dokumentenmanagement-Systeme und Data-Warehouse-Systeme zur Verfügung, die eine unternehmensweite Informationsbasis über Aufträge, Bestände, Liefertermine, Preise und Finanzdaten bilden. Diese Technologien beschränken den Zugriff auf Informationen nicht mehr auf die jeweiligen Fachanwendungen, sondern bilden „Informationswarenhäuser" für aufgabenorientierte Zugriffe der darunterliegenden Ebenen. Damit wird ein erheblicher Zuwachs an Flexibilität und Konsistenz der Informationen möglich. Die bisher beschriebenen Ebenen bilden lediglich die „enabling technologies", die nach den Unternehmenszielen ausgewählt und gestaltet werden müssen. Insofern bilden die strategischen Ziele die höchste Ebene, nach der Unternehmen zu gestalten sind. Die Forderung einer strategiegeleiteten Unternehmensgestaltung ist nicht neu. Neu ist jedoch, daß Unternehmensgestaltung nun nicht mehr auf die Gestaltung der unternehmensinternen Ablauf- und Aufbauorganisation beschränkt ist, sondern man auf integrierende Technologien zurückgreifen kann, um unternehmensübergreifende Netzwerke zu gestalten. Nach vorliegenden Befunden werden wir in Zukunft vermehrt „virtuelle Unternehmen" vorfinden, deren Funktionsgrundlage umfassende Kommunikationsprozesse bilden (Lit. 18). Die Bürokommunikation bildet dafür das Rückgrat.

396

Hamacher: Bürokommunikation

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C 10

Elektronisches Publizieren Knud Böhle

C 10.1

Einleitung

Auch Grundlagen sind dem Wandel unterworfen, wie die überarbeitete Neuausgabe des Handbuchs nach wenig mehr als fünf Jahren zeigt - und das Kapitel zum Elektronischen Publizieren bildet da keine Ausnahme. Nun werden Grundlagen zwar nicht einfach falsch, aber das mit der Zeit veränderte Gesamtbild - nicht zuletzt durch den Erfolg des Internet - erfordert doch einen Neuansatz. In diesem Beitrag ist allerdings nicht beabsichtigt, den technischen Entwicklungen nachzujagen und die Vielzahl der Einzelaktivitäten einzuholen. Das ist auch gar nicht nötig, weil die Beiträge in diesem Band zu Online-Diensten, Hypermedia, CD-ROM und Electronic Document Delivery dies weitgehend leisten (viele Einzelhinweise enthält auch Lit. 55; zur ergänzenden Lektüre seien außerdem empfohlen Lit. 14, Lit. 69). In diesem Beitrag soll vorrangig der Versuch unternommen werden, ein grundlegendes Verständnis des Elektronischen Publizierens im Kontext der Fachkommunikation zu entwickeln, das für die Einordnung aktuellen Geschehens trägt (vgl. dazu auch Lit. 77, S. 233-300, Lit. 07, Lit. 08, Lit. 10). Für die Betrachtung erscheint eine mittelfristige Perspektive angemessen, da die technischen Möglichkeiten des Elektronischen Publizierens stets in die soziale Praxis einzelner Fachwelten eingebunden werden müssen, was nicht nur eine entsprechende Nachfrage bzw. einen Problemdruck in bestimmten Praxisfeldern voraussetzt, der die Einführung der Technik anstößt. Der Einführungsprozeß selbst muß finanziert, rechtlich geregelt, qualifikatorisch vorbereitet und organisatorisch eingebettet werden, was nicht von heute auf morgen geht. Ausnahmen wie die spektakuläre Umstellung bestimmter hoch spezialisierter Fachwelten auf Elektronisches Publizieren binnen kurzem, wie z.B. die Hochenergiephysik (vgl. Lit. 34, Lit. 88), bestätigen eher die Regel. Im folgenden wird zunächst der Begriff Elektronisches Publizieren geklärt, auf Besonderheiten des Publizierens in der Fachkommunikation hingewiesen und das Spektrum elektronischer Publikationen aufgezeigt. Danach wird der Entwicklungsstand durch eine geschichtliche Sicht, eine Verortung im Kontext Informationsgesellschaft, und durch einen Vergleich der Größenordnungen von elektronischen und gedruckten Publikationen kenntlich gemacht. Im Anschluß daran werden zwei zentrale Problemkomplexe genauer dargestellt. Mit Blick auf die Produktionsseite wird das Ideal der integrierten Publikationskette beleuchtet; Fragen der Autor-Verlagsbeziehung, geeigneter Austauschformate und strukturorientierter Dokumentverarbeitung werden dabei angesprochen. Mit Blick auf die Angebotsseite wird exemplarisch auf elektronische Zeitschriften eingegangen, weil sich daran die wesentlichen Leistungsmerkmale und Potentiale elektronischer Publikationen zeigen lassen, und sie im Zentrum der Kontroverse um die künftige Ausgestaltung des Publizierens in der Fachkommunikation, die abschließend aufgegriffen wird, stehen.

398

Böhle: Elektronisches Publizieren

C 10.2

Elektronisches Publizieren und elektronische Publikationen

C 10.2.1

Elektronisches Publizieren in der Fachkommunikation

Elektronisches Publizieren muß als eine Ausdifferenzierung des Publikationsgeschehens verstanden werden. Insofern gelten auch weiterhin die allgemeinen Bestimmungen des Begriffs „Publizieren", die zunächst nicht auf das Technische, sondern auf eine spezifische Form der Kommunikation abzielen. Nicht jedes Dokument, das erstellt, und nicht jede Information, die verbreitet wird, ist eine Publikation. Eine Publikation ist für die Öffentlichkeit, für ein mehr oder weniger anonymes Publikum bestimmt. Publizieren ist eine indirekte Form der Kommunikation und das unterscheidet sie sowohl von der unmittelbaren Interaktion zwischen Menschen als auch von den technisch vermittelten Formen persönlicher Telekommunikation. Publizieren bezeichnet einen räumlich und zeitlich entzerrten Kommunikationsprozeß, der über ein Artefakt, die Publikation, vermittelt wird. In der Fachkommunikation, die hier gewissermaßen ideal typisch beschrieben wird, setzt der Publikationsprozeß am Ende eines Arbeitsprozesses, exemplarisch eines Forschungs- oder Entwicklungsprozesses, ein und mündet schließlich in einen anderen Arbeitsprozeß, in dem die angeeigneten Informationen verwendet werden: Arbeitsprozeß - Informationsproduktion - Vermittlungsinstanzen - Informationsaneignung - Arbeitsprozeß. In dieser Kette bilden Informationsproduzenten (Autoren) und Informationskonsumenten (Nutzer) die Endpunkte, zwischen die sich das intermediäre Publikationssystem schiebt, das für die Selektion, Veredelung, Zirkulation und Vermittlung der Informationen zuständig ist. Publikationen sind in besondererWeise sozial qualifizierte Dokumente. An die Inhalte werden Ansprüche gestellt, etwa den Grad der Ausarbeitung und Durchdringung des Stoffes, den Neuigkeitswert oder die Gültigkeit der zu publizierenden Erkenntnisse betreffend. Publiziert wird, was als publikationsreif und publikationswürdig erachtet wird. Qualitätssicherung und -kontrolle leiten sich aus den Maßstäben des Wissenschaftsbetriebs und der Wissenschaftlichkeit her. Qualität wird beim Publizieren über Selektionsprozesse erreicht, über Manuskriptauswahl oder -Zurückweisung, wobei in der Regel Begutachtungsverfahren durch namhafte Fachkollegen eingeschaltet werden. Der Verlag fungiert idealtypisch als „gatekeeper" (vgl. Lit. 17), dessen Aufgabe es ist, Publikationen zu fördern, aber auch zu verhindern. Ist einmal die Entscheidung zugunsten eines Publikationsvorhabens gefallen, setzt ein arbeitsteiliger Prozeß ein, in dem die inhaltliche Qualität des Manuskripts durch gutachterliche Kritik und lektorierende Tätigkeiten noch gesteigert wird. Im Herstellungsprozeß wird aus dem Manuskript ein gestalterisch ansprechendes, lesefreundliches, leicht benutzbares (z.B. durch Register) und marktgerechtes Produkt. Publizieren schließt folglich einen sozialen Selektionsprozeß und einen arbeitsteiligen Veredelungsprozeß ein, der Publikationen im Vergleich zu anderen Dokumenten einen höheren Status verleiht. Nachgelagerte Selektionsprozesse anderer Instanzen (Buchhandel, Bibliotheken, Produzenten von Referatediensten oder Datenbasen etc.) und letztlich der Leser schließen daran an. Publizieren kann folglich verstanden werden als ein in besondererWeise sozial geregelter Prozeß der Vermittlung von Informationen über sozial anerkannte Kommunikationskanäle.

C 10.2 Elektronisches Publizieren und elektronische Publikationen

399

Da beim Publizieren offen gehalten werden soll, wer das Kommunikationsangebot wann und wo aufgreift, muß es prinzipiell so organisiert werden, daß ein öffentlicher, allgemeiner und zeitpunktunabhängiger Zugang auch auf Dauer ermöglicht wird. D a in diesem indirekten Kommunikationsprozeß Anschlußkommunikationen wiederum über Publikationen vermittelt stattfinden, Publikationen sich folglich aufeinander beziehen und aufeinander aufbauen, wird das Sammeln, Erschließen und d a u e r h a f t e Vorhalten von Publikationen zur notwendigen Bedingung des Publizierens. Systematisch vorgesehen ist die mögliche Anschlußkommunikation und der auf D a u e r gestellte Zugang zu dem aufgelaufenen Informationsberg, einem Teil unseres kulturellen Gedächtnisses, vor allem im Rahmen der Fachkommunikation. Das Spezifikum des Elektronischen Publizierens ergibt sich daraus, daß jetzt eine Klasse von Publikationen auftritt, die einerseits die genannten Kriterien des Publizierens erfüllt, deren Nutzung jedoch andererseits an spezifische (elektronische) informationstechnische Voraussetzungen geknüpft ist. Das Besondere des Elektronischen Publizierens liegt so gesehen zunächst nur darin, daß zur Nutzung der elektronischen Publikationen technische Hilfsmittel, Software, Hardware - der Anschluß an die Netzinfrastruktur Inbegriffen - benötigt werden. Es ließe sich also in Anlehnung an eine frühere Definition (Lit. 77, S. 10) formulieren: Elektronisches Publizieren umfaßt öffentliche Formen indirekter Kommunikation über anerkannte Kanäle von derzeit vorwiegend textlichen und grafischen Informationen in digitaler Form, für deren zeitpunktunabhängigen Gebrauch gesorgt ist und für deren Nutzung Hardware und Software nötig sind; vorausgesetzt sind elektronische Dokumenterstellung und -speicherung. Obwohl sich der Bereich des Elektronischen Publizierens inzwischen selbst schon stark ausdifferenziert hat, dürfte diese Definition noch „realistisch" sein. Trotz des Auftauchens „multimedialer" und „computerspezifischer" Angebote auf C D - R O M oder im Internet bieten elektronische Publikationen immer noch vorwiegend Text. Publizieren im Fachkommunikationssystem ist, wie bereits angedeutet, ein komplexes soziales Geschehen. Gegenstrebige Handlungsmaximen, Rollenverständnisse und Interessen prägen diese sozio-technische Konfiguration (Lit. 27), und veränderte Bedingungen, wie z.B. neue technische Möglichkeiten, lassen Veränderungen in der Konstellation und ihrer Bewegungsform zu. Auf drei Besonderheiten des Publizierens in der Fachkommunikation, die für die Einschätzung des Elektronischen Publizierens von Bedeutung sind, soll deshalb noch kurz hingewiesen werden: • Publizieren in der Fachkommunikation folgt einerseits der Maxime des freien Informationsaustausches und ist gleichzeitig Ausdruck der Konkurrenz unter Fachkollegen, die über das Formulieren von Ansprüchen auf Urheberschaft ausgetragen wird. Da Publizieren als Qualitätsbeweis gilt, kann es als Vehikel für Reputation, Ruhm, Ehre und Karriere fungieren. Doch die Formel „publish or perish", auf die der amerikanische Soziologe L. Wilson (1940) den Publikationszwang der Akademiker brachte, verweist auf die Kehrseite: um jeden Preis publizieren. Elektronisches Publizieren lieBe sich im AnschluB daran auch einmal unter dem Aspekt des Publikationszwangs, neuer Profilierungschancen, mehr oder weniger konkurrenter Verhältnisse in der wissenschaftlichen Kommunikation durchdenken. Ist das Entstehen elektronischer Publikationen damit teilweise zu erklären? • Eine andere doppelte soziale Bestimmung erfährt das wissenschaftliche Publikationssystem durch die typische Mischfinanzierung, die teils durch die öffentliche Hand (Forschung, Bi-

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Böhle: Elektronisches Publizieren

bliotheken, andere Fachinformationseinrichtungen), teils über den Markt erfolgt. Der Markt verbindet ökonomisches Kalkül und Qualitätskriterium. Diese Verbindung ist zutiefst widersprüchlich, denn einerseits kann das ökonomische Kalkül zur Intensivierung der Qualitätskontrolle und zur Steigerung der Qualität durch Begutachtung, Lektorat und ansprechende Aufmachung führen, weil hohe Qualität sich letztlich besser verkauft. Andererseits mag das ökonomische Kalkül aber den unerwünschten Effekt haben, daß Wichtiges unpubliziert bleibt, weil es sich nicht rechnet. Eine gewisse Spannung besteht auch zwischen dem Prinzip der freien Zugänglichkeit und dem Marktmechanismus, der den Zugang zu Informationen an die Kaufkraft bindet, selbst wenn dieser Mangel durch die öffentliche Hand, die die Bibliotheks- und die Netzinfrastruktur unterhält, teilweise kompensiert wird. Hieran schließt sich die Frage an, wie die Chancen stehen, in elektronischen Netzen ohne das kommerziell ausgerichtete Verlagswesen auszukommen und wie die Qualität elektronischer Publikationen ohne den Kosten-Qualitäts-Nexus garantiert werden kann (vgl. dazu D. Brent, Lit. 13, der seine Skepsis gestützt auf die These Harold Innis vom eingebauten „bias of the medium" entfaltet). • Das Fachkommunikationssystem hat eine Leistung zu erbringen, nämlich die Kommunikation zwischen Fachleuten nach geltenden Qualitäts- und Effektivitätsmaßstäben zu unterstützen. Bei der Erfüllung dieser Funktion sind notorische Probleme aufgetreten, deren Bewältigung mit dem Aufkommen neuer Techniken stets neu erhofft wird. Die Flut der Publikationen, der Zugang zu „grauer Literatur", die Beschleunigung des Veröffentlichungsprozesses selbst und späterer Verteil- und Beschaffungsvorgänge und die langwährende Krise kleinauflagiger, wissenschaftlicher Zeitschriften gehören zu den Dauerthemen dieser Diskussion. Die Umstellung des Fachkommunikationssystems und des Publizierens auf eine doppelte technologische Basis, Druck- und Digitaltechnologie, ist in diesem Problemkontext zu sehen.

Es ist evident, daß Elektronisches Publizieren soziale Veränderungen impliziert. Auf den ersten Blick ist schon klar, daß nun ein erheblich erweiterter Kreis an der Erfüllung der Aufgaben der Fachkommunikation beteiligt ist. Zu den Verlegern, Lektoren, Herstellern, Setzern, Druckern, Buchbindern, Buchhändlern und Bibliothekaren gesellen sich nun Informatiker, Anwendungsdesigner, Netzwerkspezialisten. Um nur einige Fragen in diesem Zusammenhang aufzuwerfen: In welchem Umfang werden tatsächlich neue Berufe und Einrichtungen benötigt? Inwieweit sind herkömmliche Einrichtungen wie Verlage, Bibliotheken und Buchhandel in der Lage, kompetent auf die neue Technologie umzustellen? Inwieweit können traditionsreiche Akteure durch neue bedroht oder sogar durch zunehmenden Hardund Softwareeinsatz ersetzt werden? Inwieweit wird das „Mittelfeld" zwischen Autoren und Nutzern entbehrlich werden, wenn Autoren und Nutzer sich in elektronischen Netzen kurzschließen? Diese soziale Dynamik sollte man vor Augen haben, wenn über Elektronisches Publizieren gesprochen wird.

C 10.2.2

Elektronische Distributionsformen und Publikationsformen

Elektronisches Publizieren manifestiert sich heute - anders als noch vor wenigen Jahren - in einer nicht mehr im einzelnen überschaubaren Anzahl an Experimenten, Pilotprojekten, Dienstleistungen und Produkten. Elektronisches Publizieren kann als etabliert gelten, obwohl derzeit das Projekt- und Experimentierstadium wegen des hohen technischen Innovationstempos noch immer andauert. Während früher die von Online-Hosts angebotenen Volltextdatenbanken und dann eine wachsende Zahl portabler Datenbanken auf Diskette oder CD-ROM die größte

C 10.2 Elektronisches Publizieren und elektronische Publikationen

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Aufmerksamkeit auf sich zogen, stehen derzeit die wachsende Zahl der OnlineDienste (T-Online, AOL, CompuServe etc.) und fraglos das Publizieren im Internet im Mittelpunkt. Um das Feld weiter zu ordnen, verfolgen wir zunächst ausgehend von der gebräuchlichen Unterscheidung in Offline- und Online-Angebote die gängigsten Distributionsformen für elektronische Informationen. Danach schlagen wir eine Einteilung des Feldes nach Publikationstypen vor, um das Spektrum elektronischer Publikationsmöglichkeiten von dieser Seite aufzuzeigen. Zu den Offline-Angeboten rechnen Disketten- und CD-ROM-Angebote, zum Online-Segment gehören alle Angebote, die über Netzanschlüsse erreicht werden. Im Online-Bereich können gegenwärtig drei Organisationsformen, die ihre je eigene Geschichte haben, unterschieden werden: • Online-Hosts für Fachinformationen (STN, DIMDI, FIZ-Technik etc.) mit einer vergleichsweise langen Geschichte bieten Datenbanken für den professionellen Bedarf zu relativ hohen Kosten. • Online-Dienste für den allgemeinen Bedarf wie T-Online, AOL oder CompuServe zielen mit relativ günstigen Angeboten hauptsächlich auf den Markt der Verbraucher. Auch dort werden Fachinformationen geboten, Verlagsangebote beispielsweise oder - über sogenannte gateways - auch Recherchemöglichkeiten bei Online-Hosts, aber andere Nutzungsmöglichkeiten stehen im Vordergrund (Homebanking, teleshopping, Diskussionsforen, elektronische Post). Inzwischen gehört es zur fast unerläfilichen Leistung von Online-Diensten, auch als InternetProvider aufzutreten. • Das Internet als Rechner- und Kommunikationsnetz hat bekanntlich seine eigene militärische, akademische und seit einiger Zeit auch allgemein informations-infrastrukturelle Vorgeschichte. Für das Publizieren im Internet kommen verschiedene Intemetdienste in Frage: Usenet News, Mailing Lists, FTP, Gopher, WAIS oder WWW (vgl. genauer dazu Lit. 06). Die Usenet News - an der Grenze zur informellen Kommunikation - spielen für das Publizieren vielleicht die geringste Rolle, während Mailing-Lists eine verbreitete Art und Weise darstellen, um Newsletters und elektronische Zeitschriften nach dem Bringprinzip, wie bei einem Abonnement, über einen Verteiler zu verbreiten. FTP und Gopher spielen eine größere Rolle beim Angebot „grauer Literatur", von Proceedings etc. Mit WAIS, das auf einer älteren Variante des Z39.S0 Retrieval-Protokolls basiert, lassen sich Publikationen aus verteilten Datenbanken abrufen, die - obwohl räumlich verteilt - aus Nutzersicht wie ein einheitlicher Datenpool durchsucht werden können (zur weiteren Entwicklung der Z39.S0, die inzwischen auch ISO-Norm geworden ist vgl. Lit. 20). Mit dem WWW, das andere Internet-Dienste integrieren kann, wurde gleichzeitig das Hypertextprinzip im Internet eingeführt, das neue Formen verteilter Publikationsangebote vom einzelnen Artikel mit Hypertextverknüpfungen bis zu umfangreichen vernetzten Sammlungen zuläBt. Für das Publizieren im Internet ist natürlich generell bedeutsam, daß immer mehr Einrichtungen, die in der einen oder anderen Weise mit Publizieren zu tun haben (Forschungseinrichtungen, Universitäten, wissenschaftliche Gesellschaften, Bibliotheken, Verlage, Buchhändler, Fachinformationszentren, Ämter, Informationsvermittler, Autoren etc.) dort präsent sind, miteinander kommunizieren und gemeinsame, vernetzte Angebote aufbauen können. Zu betonen ist, daß die drei Online-Distributionsformen zunehmend untereinander vernetzt sind, wobei die Ausrichtung auf das Internet den übergeordneten Bezugspunkt bildet. So wie die Online-Dienste als Internet-Provider auftreten, so versuchen die Online-Hosts zunehmend als Institutionen im Internet präsent zu sein und ihre Datenbankangebote über das Internet (zunehmend komfortabler) anzubieten (vgl. für deutsche Hosts Lit. 33).

402

Böhle: Elektronisches Publizieren

Die Angebote, die über die gerade angesprochenen Distributionskanäle verteilt werden, lassen sich weiter nach Publikationsformen unterscheiden. Wie die Druckmedien sich als eine Vielzahl unterschiedlicher Publikationsarten darbieten, so auch die elektronischen Publikationen. Das Spektrum elektronischer Publikationen läßt sich aufzeigen, wenn man von gedruckten Publikationen ausgeht, die eine „neue Heimat" im elektronischen Milieu gefunden haben, und fortschreitet zu Formen, die durch ihren „computerspezifischen" Charakter (Stichworte dazu: Interaktivität, Vernetzung, Multimedialität, Informationsverarbeitung) auffallen. Man kann von einer Einteilung in sieben Gruppen ausgehen: 1. Bibliographien, Kataloge, Verzeichnisse, 2. Nachschlagewerke (z.B. Enzyklopädien, Wörterbücher), 3. Zeitungen, 4. Zeitschriften, 5. „Interaktive Monographien" (z.B. Elektronische Bücher, Hypertexte, Lernsoftware), 6. Informationspakete (z.B. Zeitschriftenarchive, Textcorpora, Textarchive), 7. Vernetzte Publikationsangebote (z.B. verteilte Datenbanken). Mit Bibliographien hat es angefangen, und dieses Segment des Elektronischen Publizierens besteht auch weiterhin: vom „Verzeichnis lieferbarer Bücher" auf CDROM über die Online-Kataloge der Buchhandelsgrossisten zu Bibliothekskatalogen im Internet und den zahlreichen fachlich ausgerichteten bibliographischen Datenbanken kommerzieller Online-Hosts reicht die Bandbreite. Die Tendenz geht dahin, die verschiedenen Ressourcen zu vernetzen, was in der Bundesrepublik wesentlich im Rahmen des DBV OSI II Projekts (ausführlicher Projekttitel: „Offene Kommunikation von Fachinformations- und Bibliothekssystemen in Deutschland") erreicht werden soll (vgl. dazu Lit. 58). Recht eindrucksvoll hat sich in den letzten Jahren der Bereich der elektronischen Nachschlagewerke - vom Wörterbuch bis zur Enzyklopädie - entwickelt: auf Diskette oder CD-ROM werden Bände des Duden, Lexika von Meyer oder Bertelsmann verbreitet, und seit einiger Zeit gibt es sogar die renommierte Encyclopaedia Britannica im WWW. Die traditionsreichen deutschsprachigen Konversationslexika, der Große Brockhaus und Meyers Enzyklopädie werden - wohl bewußt noch nicht in elektronischer Form angeboten, während in den USA die elektronischen den gedruckten Enzyklopädien, gemessen an den verkauften Exemplaren, bereits den Rang abgelaufen haben. Eine Tendenz, die elektronischen Nachschlagewerke durch Ton und Bewegtbild attraktiver zu machen, ist deutlich erkennbar. Zeitungen elektronisch anzubieten, ist keineswegs ein neues Geschäft, und die technischen Voraussetzungen dazu sind durch die allenthalben etablierten elektronischen Redaktions- und Produktionssysteme günstig. Dennoch kann man erst seit 1995 wirklich behaupten, daß nun auch in Deutschland alle bedeutenden überregionalen Tageszeitungen und Wochenblätter in elektronischer Form angeboten werden. In einem Vortrag des Präsidenten der Newspaper Association of America Anfang 1996 wurde davon gesprochen, daß von den 1500 Tageszeitungen in den USA bereits 379 über das Internet erreichbar wären (vgl. Lit. 31). Legte man Kriterien an, z.B. Vertriebskonzept, inhaltliche Vollständigkeit, zusätzliche inhaltliche Er-

C 10.2 Elektronisches Publizieren und elektronische Publikationen

403

Schließung, zeitliche Abdeckung, die technischen Voraussetzungen, die Kostenstrukturen u.a. mehr, würde sich zeigen, wie uneinheitlich diese elektronischen Angebote ausfallen. Neben den elektronischen Ausgaben gedruckter Zeitungen tauchen vermehrt neue Konzepte auf. Die „individualisierte" Tageszeitung z.B. meint ein Dienstleistungskonzept, bei dem nach Abonnentenwunsch aus einer großen Menge - manchmal gleich mehreren Pressediensten und Zeitungen - aktuelle, relevante Artikel ermittelt und an den Rechner des Kunden (oder dessen Faxgerät) versandt werden. Eine andere sich entwickelnde Variante sind multimediale, d.h. mit Ton und Video angereicherte Zeitungen (ein Beispiel: das Multimedia Forum der GMD, das über das Internet angeboten wird, Lit. 32, Lit. 65). Elektronische Zeitschriften lassen sich wiederum leicht unterteilen in solche, die lediglich elektronische Ausgaben darstellen (von denen viele über die professionellen Online-Hosts angeboten werden; vgl. die Übersicht in Lit. 68) und solche, die nur elektronisch angeboten werden. Für den Bereich des Elektronischen Publizierens sind derzeit etwa im Angebot: D-lib Magazine, Ejoumal, Electronic Journal of Virtual Culture, information research, Journal of Computer Mediated Communication Research, Journal of Electronic Publishing, PACS-R The Public-Access Computer Systems Review oder Postmodern Culture (vgl. Lit. 22, Lit. 24, Lit. 25, Lit. 46, Lit. 51, Lit. 52, Lit. 70, Lit. 71). Das ganze Feld ist in Bewegung und von einer Vielzahl von Experimenten geprägt. Multimedia-Informationen zu integrieren wie im Super Journal Project (Lit. 73, Lit. 87), ist sicherlich ein Entwicklungsstrang, der Aufmerksamkeit verdient; mindestens ebenso spannend sind jedoch Experimente, die die Verknüpfungsmöglichkeiten des WWW ausnutzen wollen, wie z.B. das InterJournal Project, in dem eine Zeitschriftendatenbank mit Abstracts, Kommentaren und weiteren Informationen zu einzelnen Artikeln vorgesehen ist, die Artikel selbst aber bei den Autoren liegen und über Hypertextverknüpfungen aus der Datenbank heraus erreicht werden (Lit. 75, Lit. 47). Neben den vielen Experimenten gibt es aber auch Bereiche, in denen das elektronische Publizieren dem Druck schon den Rang abgelaufen zu haben scheint. Das schlagende Beispiel sind die pre-print-archives, die in den Bereichen der Physik, Mathematik und Chemie, die schon vorher eine „Pre-Print-Kultur" hatten, inzwischen als entscheidende Organe für das Veröffentlichen von Forschungsergebnissen anerkannt sind (vgl. Lit. 88, Lit. 37, Lit. 34). Die Sparte der "interaktiven Monographien" ist weit gefaßt und meint hier praktisch alle inhaltlichen Angebote, die üblicherweise in Büchern abgehandelt werden, umfassenden Stoff vermitteln sollen und intensive Auseinandersetzung mit komplexen Inhalten erfordern. Es kommt uns darauf an, daß es Publikationen gibt, mit denen neue Wege der inhaltlichen Aneignung im elektronischen Medium erkundet werden. Das kann durch Zugaben von Ton, Video, Animationen, Modellen, „Demos" geschehen oder etwa durch einen geschickt aufgebauten interaktiven Rezeptionsmodus im Zusammenhang mit Menütechniken und Hypertextverknüpfungen. Die Angebote, die wir im Auge haben, reichen von Kinderbüchern, die sich vorlesen können, über speziell aufbereitete Fachbücher bis zu kompletten Studiersystemen mit dem Stoff eines Semesters (vgl. Beispiele in Lit. 07 und Hinweise in Lit. 81). Elektronische Informationspakete machen sich auf die eine oder andere Weise die Speicherdichte elektronischer Medien, die strukturierte Organisation von Informa-

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Böhle: Elektronisches Publizieren

tionen in Datenbanken und das Hypertextpotential zu nutze. Immer geht es darum, große Informationsmengen zusammenzustellen und als Gesamt verfügbar und nutzbar zu machen. Angefangen bei umfassenden „Loseblattsammlungen", Gesamtausgaben, Nachlässen, Zeitschriftensammlungen, Textarchiven (weitere Hinweise in Lit. 03, Lit. 69), Sammlungen von Forschungsberichten (vgl. dazu auch Lit. 14) auch über spezifische Zusammenstellungen heterogenen Materials - z.B. eine „Bibel-CD-ROM", die verschiedene Bibelausgaben, verschiedene Übersetzungen, klassische Kommentare, Kartenwerke und Lexika vereint - bis zum integrierten Angebot von elektronischen Arbeitsmitteln und Informationen (weitere Hinweise in Lit. 08, Lit. 10). Derzeit finden viele Versuche statt, bezogen auf bestimmte Fachgemeinschaften und Nutzergruppen, Angebote mit „kritischer Masse", d.h. mit einer auch von der Breite her praxisrelevanten Informationszusammenstellung aufzubauen. In der Bundesrepublik arbeitet beispielsweise an solch einem Angebot für den Bereich der Informatik das Projekt M E D O C (Lit. 15, Lit. 62), in den USA war das Projekt CS-TR (The Computer Science Technical Report Project) für denselben Fachbereich wegweisend (vgl. Lit. 01). Der Bereich der vernetzten und verteilten Publikationsangebote ist ein Querschnittsbereich, dem der Verbund bibliographischer Datenbanken ebenso wie einige der bereits angesprochenen Zeitschriftenprojekte oder die Versuche, „kritische Masse" durch Zusammenschluß verteilter Ressourcen zu erreichen, angehören. Von dieser aktuellen Variante des Elektronischen Publizierens geht es im nächsten Punkt zunächst wieder zurück zu den Anfängen, um von da erneut auf die Gegenwart zuzugehen.

C 10.3

Elektronisches Publizieren im Wandel

C 103.1

Zur Geschichte des Elektronischen Publizierens

Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre nehmen die Verlage als angestammte Sachwalter und Vermittler von Primärinformationen wahr, daß sie das Potential der Digitaltechnik für ihre Zwecke nutzen können - im Produktionsprozeß und für elektronische Angebote. Damit beginnt die Karriere des Begriffs „Elektronisches Publizieren" (vgl. Lit. 23) . In einer eher systematischen Perspektive muß der Ursprung des Elektronischen Publizierens dagegen an die Anfänge des Online-Retrievals zurückverlegt werden, als die Produzenten von Sekundärinformationen beginnen, den Computer sowohl zur Unterstützung der Registererstellung als auch für Online-Recherchen zu nutzen. Versteht man Online-Retrieval als eine frühe Form interaktiver Computeranwendung und gleichzeitig als frühe Form eines digitalen Medienangebots, läßt sich hier der Anfang des Elektronischen Publizierens - als Strang der Entwicklung digitaler Medien - ansetzen. Die bisherige Geschichte des Elektronischen Publizierens kann der Einfachheit halber in vier Dekaden eingeteilt werden: Die 60er Jahre bildeten die Vorlaufphase, in der in den USA die Entwicklung der ersten Online-Retrievalsysteme staatlich ge-

C 10.3 Elektronisches Publizieren im Wandel

405

fördert betrieben wurde, die bei staatsnahen oder staatlichen Steilen zum Einsatz kamen (vgl. zur Pionierphase Lit. 04, Lit. 56). Die sich herausbildende Online-Verbindung von „dummen" Terminals, häufig Fernschreibern, mit entfernt stehenden Großrechnern wurde als Revolution tituliert. Das muß nicht überraschen, denn schließlich wird die damals vorherrschende Stapelverarbeitung durch eine interaktive, datenfernverarbeitende Computeranwendung überwunden. Diese Datenbanken wurden zunächst noch nicht öffentlich angeboten, weshalb hier auch noch nicht von Publizieren die Rede sein kann. In den 70er Jahren änderte sich die Situation, denn die Fortsetzung der „OnlineRevolution" fand jetzt öffentlich statt, das Elektronische Publizieren begann. Kommerzielle Hosts etablierten sich und das Angebot an Datenbanken stieg. Meistenteils wurden bibliographische Datenbanken offeriert, Volltextdatenbanken waren noch die Ausnahme. Es herrschten weiterhin Großrechner- und Minicomputerverhältnisse vor. Parallel entstanden die ersten Videotex-Systeme (Prestel, Btx), die Vorläufer späterer Online-Dienste. In den 70er Jahren reiften viele Entwicklungen heran, deren Anfänge teilweise in die späten sechziger oder sogar noch weiter zurückreichen. In dieser Zeit, um wenigstens einige entscheidende Entwicklungen anzusprechen, wurden die ersten Microcomputer entwickelt, paketvermittelte Datennetze aufgebaut, das Potential interaktiver Computeranwendungen für Denken, Kommunizieren und Arbeiten ausgelotet (vgl. die Artikel in Lit. 35), das Hypertextkonzept ausgearbeitet, direkt-manipulative, graphische Benutzungsoberflächen erprobt; die strukturorientierte Dokumentverarbeitung würde vorangebracht und elektronische Redaktions- und Satzsysteme begannen sich durchzusetzen. Von diesen Innovationen profitiert der nächste Schub des Elektronischen Publizierens. In den 80er Jahren kamen zunehmend die Verlage ins Spiel, das Angebot an Volltexten nahm zu. Mit der weiten Verbreitung der Personal Computer setzte zum einen die „Endnutzerorientierung" ein und zum anderen wurde von da an erst die Praxis des Information Retrieval, für die eine einmalige und sofortige Ausgabe der Rechercheergebnisse auf Papier typisch war, von den Möglichkeiten der Übernahme und Weiterverarbeitung elektronischer Informationen geprägt. Mit der Zunahme der elektronischen Textverarbeitungssoftware und der Desktop Publishing Systeme bei den Autoren kam die Idee der elektronischen Manuskriptübernahme auf und allgemeiner das Leitbild des Elektronischen Publizierens als integrierter elektronischer Kette vom Autor bis zum Nutzer. Daneben begann sich aber auch ein zweites Ideal - nachdrücklich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts - Bahn zu brechen: die elektronische Publikation als interaktive Computeranwendung. Dieses zweite Leitbild hatte sein Vorbild in den unterschiedlichsten interaktiven Computeranwendungen, blieb aber in dem lange Zeit vorherrschenden Verständnis von Information Retrieved weitgehend vernachlässigt. Erst mit dem Boom der Hypertexte, elektronischer Bücher und der CD-ROM als Speichermedium setzte sich diese Sichtweise durch. Mit der zunehmenden Vernetzung der Rechner und mithin ihrer Benutzer, trat der Computer dann auch noch als Tele-Kommunikationsmittel deutlicher in Erscheinung (zur Diskussion um den Computer als Medium vgl. Lit. 12, Lit. 19, Lit. 66). Vernetzte, interaktive Computeranwendungen, die als Publikationsangebote auftreten, erschienen mit den ersten Versuchen zu elektronischen Zeitschriften.

406

Böhle: Elektronisches Publizieren

In den 90er Jahren ist das überragende Charakteristikum des Wandels unübersehbar: die elektronische Netzinfrastruktur, an die prinzipiell alle, die mit Publizieren zu tun haben, „andocken" können oder sogar müssen. Im nächsten Abschnitt wollen wir den Kontext, in dem sich Elektronisches Publizieren heute abspielt, genauer charakterisieren.

C 103.2

Elektronisches Publizieren im Kontext der Informatisierang

Verglichen mit der Situation des Elektronischen Publizierens zu Beginn der 90er Jahre (vgl. dazu die frühere Fassung dieses Artikels Lit. 09 und die breit angelegte Bestandsaufnahme in Lit. 77) drängen sich 1996 folgende Beobachtungen auf. Insgesamt wird Elektronisches Publizieren inzwischen als wichtiger Baustein des informationstechnischen Umbaus der Gesellschaft wahrgenommen. Im Kontext des politischen Projekts „Informationsgesellschaft" wird die strategische Rolle von Informationen, insbesondere von elektronischen Informationen, als Produktionsfaktor, Innovationsvoraussetzung, Standort- und Wettbewerbsfaktor betont (vgl. Lit. 05, S. 5), die Fachkommunikation samt Publikationswesen aufgewertet und ein grundsätzlicher Strukturwandel im wissenschaftlich-technischen Publikationswesen verlangt (vgl. Lit. 99, S. 29 und Lit. 05, S. 107; früher wurde Elektronisches Publizieren lediglich als Verfahrensänderung gesehen, vgl. Lit. 30; eine frühe informationswissenschaftliche Studie, die Elektronisches Publizieren und Informationsgesellschaft in einen Zusammenhang stellt, bietet Lit. 43). Tatsächlich läßt sich ein beachtlicher Digitalisierungs- und Vemetzungsschub beobachten, der sich mit den Schlagworten Infrastrukturausbau und Informatisierung verbindet und der das Umfeld des Elektronischen Publizierens grundlegend verändert. Zunächst ist festzustellen, daß die Infrastruktur, auf die das elektronische Publizieren angewiesen ist, die es mitbenutzt, ausgebaut wurde. Infrastruktur bezeichnet die technischen und nicht-technischen Voraussetzungen, die das Elektronische Publizieren auf breiter Basis und in den verschiedensten Formen erst ermöglichen. Das kann sich mit der Idee eines Netzwerkes, an das viele angeschlossen sind und das von vielen benutzt wird, verbinden. Zahlen für verkaufte PCs, Modems, CDROM-Laufwerke ebenso wie für ISDN-Anschlüsse, Internet-Anschlüsse und die verschiedenen Online-Dienste und Hosts sind gängige Indikatoren für den erreichten Stand. Daß immer mehr Menschen mit PC-Kenntnissen auch die nötige Qualifikation zum Umgang mit elektronischen Publikationsformen besitzen und viele davon bereits direkte Erfahrungen mit elektronischen Publikationsangeboten gesammelt haben, ist ebenfalls im Zusammenhang der allgemeinen Voraussetzungen anzusprechen (vgl. zur Infrastruktur auch Kap. G 6 in Band 2 des Handbuchs). Dann ist darauf hinzuweisen, daß immer mehr Arbeitsprozesse teilweise oder vollständig am Computer stattfinden. Die Digitaltechnologie wird für immer mehr Arbeitsprozesse nutzbar gemacht, ein Informatisierungsprozeß findet statt. Bezogen auf den Bereich der Fachkommunikation bedeutet das z.B., daß wissenschaftliche Autoren nicht nur ihre Texte am Computer erstellen, sondern spezielle Computeranwendungen (u.a. Computermodelle, Simulationen, Datenbanken, Visualisierungstechniken) bereits im vorgelagerten Forschungs- und Entwicklungsprozeß

C 10.3 Elektronisches Publizieren im Wandel

407

wachsende Bedeutung erlangen. Mit der Vernetzung von Rechnern bzw. Arbeitsplätzen treten Varianten der Telearbeit und Telekooperation hinzu. Die Informatisierung der Arbeit ist aber genauso bei den traditionellen Institutionen der Fachkommunikation zu verzeichnen. Ein ausgezeichnetes Beispiel liefern gegenwärtig die Bibliotheken, die Online-Kataloge erstellen, elektronische Ausleihverbuchung eingeführt haben, ein elektronisches Fernleihsystem aufbauen, Dokumente elektronisch liefern, elektronischen Datenaustausch mit Verlagen und Buchhandel praktizieren, teilweise ihre Bestände digitalisieren und elektronische Informationsangebote für ihre Nutzer entwickeln (vgl. dazu Lit. 21 und auf die europäische Ebene bezogen Lit. 89). Weiter ist herauszustellen, daß parallel die Informatisierung bzw. Digitalisierung der persönlichen Tele-Kommunikation und der Massenmedien voranschreitet. Die persönliche Tele-Kommunikation (etwa per Telefon, Bildtelefon) wird digitalisiert und die herkömmlichen Massenmedien, seien dies nun Hörfunk, Fernsehen oder Film, werden ebenfalls auf Digitaltechnik umgestellt (vgl. zur Digitalisierung von Telefon und Rundfunk Lit. 78). Ob sich das Endgerät zur Nutzung dieser Angebote sofort als Computer zu erkennen gibt oder nicht, ändert an der Sache nichts: Formen persönlicher Kommunikation und mediale Angebote können denselben Kanal benutzen, den auch die von vornherein als computerspezifisch erkennbaren Kommunikations- und Medienangebote (z.B. e-mail, Computerkonferenz, Computerspiel, Computeranimation, Datenbank) verwenden. Im Endeffekt gibt es dann (abstrakt gedacht) ein einheitliches digitales Milieu für alles: Arbeitsprozesse, persönliche Kommunikation und die Nutzung digitaler Medienangebote - wozu u.a. elektronische Publikationen gehören. Die Konsequenzen für das Publikationssystem sind beträchtlich. Auf der Ebene des Publikationssystems drängt sich stärker als früher der Eindruck auf, daß sich ein integriertes Publikationssystem herausbildet, in dem der gedruckte und der elektronische Teil überaus eng miteinander verzahnt sind. Alle Instanzen, die mit dem Publizieren in irgendeiner Weise zu tun haben, auch die, die nicht vollends im elektronischen Milieu angesiedelt werden können, wie das Bibliothekswesen, können schließlich immer noch mit ihren informatisierten Teilen an die Informationsinfrastruktur angekoppelt werden und so zu einem integrierten Publikationssystem beitragen. Ein weiteres bemerkenswertes Zeichen für den Integrationsprozeß ist die erstaunliche Verdoppelung der Textmedien, von denen viele quasi eine Zweitwohnung im elektronischen Milieu beziehen. Elektronische Ausgaben von Zeitschriften und Zeitungen, elektronische Textarchive, wir haben bereits darauf hingewiesen, sind gang und gäbe. In den meisten Fällen bildet das elektronische Angebot keinen Ersatz, sondern eine Ergänzung, und auch andersherum gilt, daß viele elektronische Angebote gedruckte Ausgaben nach sich ziehen (zu den Substitutionsbeziehungen vgl. grundlegend Lit. 64). Andere Anzeichen für die enge Anbindung von elektronischem und Druckbereich sind in der Verbindung von bibliographischen Datenbanken oder elektronischen Bibliothekskatalogen mit Bestell- und Lieferoptionen zu erblicken. Selbst auf der Ebene der Standards, die für das Elektronische Publizieren relevant sind, ist deutlich feststellbar, daß Formate erfolgreich sind, die sich sowohl für die Präsentation von Inhalten am Bildschirm als auch für die Präsentation

408

Böhle: Elektronisches Publizieren

auf Papier eignen. Elektronisches Publizieren wird schließlich auch grundlegend verändern, was herkömmlich unter dem Publikationsprozeß verstanden wird. Denn erstens können informelle Kommunikationsprozesse nun direkt an den Publikationsprozeß anschließen und ihn begleiten und zweitens können digitale Publikationen interaktive Computeranwendungen enthalten oder sogar ganz darin aufgehen. Da die Nutzung interaktiver Computeranwendungen schlechthin einen neuen Modus des Arbeitens konstituiert, werden digitale Publikationen in der Konsequenz zu unmittelbaren Arbeitsgegenständen bzw. Arbeitsmitteln, die gegebenfalls zur Mitarbeit - zur Telekooperation - einladen. Diese beiden Hinweise müssen an dieser Stelle genügen (vgl. als Konkretisierung Kap. C 10.5), um anzuzeigen, daß die volle Entfaltung des Potentials digitaler Publikationen einhergeht mit der Aufhebung des klassischen Publikationskonzepts.

C 10.3.3

Kennziffern des Elektronischen Publizierens im Vergleich zum Druckbereich

Elektronisches Publizieren reproduziert in bemerkenswertem Maße Inhalte, Formen und Funktionen der Druckmedien - auch wenn es sich darin nicht erschöpft. Der Übergang zum Elektronischen Publizieren findet nur in den Bereichen statt, in denen die elektronische Form komparative Vorteile bietet, d.h. das herkömmliche Publizieren - zumindest partiell - überboten wird. Der Siegeszug des Elektronischen Publizierens ist deshalb - trotz einiger schneller Erfolge - insgesamt eher als langwieriger und partieller Transformationsprozeß zu betrachten. Herkömmliches und elektronisches Publizieren konkurrieren und ergänzen sich zumindest mittelfristig. Experten schätzen, daß in 20 Jahren höchstens 20% der heute üblicherweise im Druck erscheinenden Publikationen allein in elektronischer Form zu haben sein werden (Lit. 79). Eine Studie für die Europäische Kommission prognostiziert für das Jahr 2000 Umsatzanteile für bestimmte Buchmarktsegmente, die mit elektronischen Publikationen erzielt werden könnten. Bei den Nachschlagewerken schätzt man einen Umsatzanteil von 15-25% für elektronische Publikationen, im Segment Wissenschaft, Technik, Medizin 20-30% und im Rechtsbereich wiederum 15-25% (Lit. 54, S.13). Der Umfang, den das Elektronische Publizieren inzwischen angenommen hat, ließe sich näherungsweise als Addition der klassischen Online-Datenbanken, der Angebote diverser Online-Dienste, der Publikationen im Internet plus der portablen Datenbanken vorstellen - aber eine saubere Zusammenstellung dieser Art wäre nicht leicht zu erstellen und liegt auch nicht vor. Solange es nur um die Größenordnung geht, mögen einige Kennziffern, die mit Zahlen aus dem Druckbereich verglichen werden, reichen. Für den klassischen Bereich der Online-Datenbanken und der portablen Datenbanken werden in einem internationalen Verzeichnis mit Stand Ende 1995 (vgl. Lit. 57, Lit. 97) ca. 10.500 Datenbankangebote gezählt, die sich nach Abzug gleicher Inhalte auf unterschiedlichen Medien auf ca. 8.500 reduzieren. Davon werden 71% als textorientiert qualifiziert, wovon wiederum 50% auf die Kategorie Volltextdatenbanken und 23% auf die Kategorie Verzeichnisse entfallen. Ziemlich geDau

C 10.3 Elektronisches Publizieren im Wandel

409

5.800 (55%) Online-Angebote und 2.400 (23%) CD-ROM-Angebote werden gezählt, um nur die beiden mit Abstand größten Angebotsformen zu nennen. Diese Zahlen beziehen sich wohlgemerkt auf Datenbanken für die Fachkommunikation, nicht auf beliebige Informationsangebote auf CD-ROM, deren Zahl mit Sicherheit eine ganze Größenordung höher anzusetzen wäre, denkt man allein an die zahllosen Ausgaben von Computerzeitschriften mit CD-ROM-Beigaben. Ein Vergleich mit der jährlichen Produktion von Buchtiteln ist schief, aber dennoch relativierend: Mit einer jährlichen Titelproduktion von etwa 850.000 ist zu rechnen (842.000 nennt eine UNESCO-Statistik für 1990); allein in der Bundesrepublik wurden 1994 mehr als 70.000 Neuerscheinungen gemeldet (Lit. 11). Etwa 4.000 wissenschaftliche und Fachzeitschriften erscheinen regelmäßig in der Bundesrepublik. Weltweit werden es auf jeden Fall mehr als 100.000 sein (vgl. Lit. 37). Wie sieht es mit den Umsätzen aus? Ein Vergleich des US-Marktes für gedruckte und Online-Informationen kommt für 1994 auf fast 100 Milliarden US-Dollar gegenüber einem Online-Umsatz von weniger als 8 Milliarden US-Dollar. Dieselbe Studie kommt für die Bundesrepublik auf ein Verhältnis von knapp 30 Mrd. USDollar zu 0,6 Mrd. US-Dollar (nach Lit. 99). Der Vergleich zeigt sowohl das Kräfteverhältnis von Druck- und Online-Medien als auch den gravierenden Unterschied zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA. Versucht man den Bereich der Fachinformation speziell herauszuziehen, summieren sich einerseits die gedruckten Informationen (wissenschaftliche Bücher, Fachund Schulbücher, wissenschaftliche Zeitschriften und Fachzeitschriften) auf ca. 7 Milliarden DM 1994 (Lit. 11) gegenüber elektronischen Fachinformationen in Höhe von ca. 1,3 Milliarden DM (ebenfalls für 1994). Dabei schlagen besonders die Online-Realtime-Dienste und die Kreditinformationen mit mehr als 880 Millionen zu Buche, während Online-Wirtschaftsinformationen, Rechtsinformationen, wissenschaftliche, technische und medizinische Informationen zusammen nur knapp 130 und die CD-ROM-Umsätze etwas über 160 Millionen DM dazu beitragen (vgl. Lit. 26). Das Ausmaß der im oder über das Internet verfügbaren elektronischen Publikationen ist kaum abzuschätzen, aber auf keinen Fall zu unterschätzen. Offensichtlich ist es kein Problem, 2.000 Datenbanken zusammenzustellen, die über das Internet erreicht werden können (vgl. die Zusammenstellung in Lit. 100); auffällig hoch ist auch der Anteil an Tageszeitungen im Internet (s.o.). Schätzungsweise 500 wissenschaftliche Zeitschriften wurden Anfang 1996 im Internet angeboten (vgl. Lit. 40, Lit. 42). Nach Abzug der elektronischen Ausgaben gedruckter Zeitschriften bleiben vielleicht noch 250 elektronische Zeitschriften ohne Druck-Pendant - wenig angesichts der in die Hunderttausende gehenden Zahl wissenschaftlicher Zeitschriften weltweit und doch Ausdruck eines Booms und offensichtlicher Gründungseuphorie. Hier käme es auf qualitative Untersuchungen an, die zeigen, welchen Stellenwert diese Zeitschriften für die wissenschaftliche Kommunikation tatsächlich haben. Manche mögen das Publikationsgeschehen in einem Fachbereich tatsächlich revolutionieren, andere sind vielleicht lediglich unnützen Profilierungs- und Neuerungsbestrebungen geschuldet.

410

C 10.4

Böhle: Elektronisches Publizieren

Integrierte Publikationskette, Austauschformate und Strnkturorientierung

Das Ideal der integrierten Publikationskette setzt voraus, daß bei ihren Gliedern vorn Autor bis zum Nutzer - Computer im Einsatz und mit der j e aufgabengemäßen Software ausgestattet sind, so daß Herstellung und Nutzung elektronischer Publikationen ohne Medienbruch - ohne die Einschaltung von Papier und Druck - vonstatten gehen können. Dazu werden anerkannte Austauschformate benötigt, die trotz unterschiedlicher Hardware und Software an den einzelnen Stationen die Übergabe und Weiterverarbeitung der Daten erlauben. Solche Austauschformate spielen auch dann eine entscheidende Rolle, wenn es nicht um die geschlossene elektronische Kette, sondern - wie in der Praxis des Elektronischen Publizierens noch vorherrschend - um die computergestützte Herstellung gedruckter Publikationen geht. Zu Recht könnte man die Druckausgabe als spezielles Ausgabeformat eines elektronischen Systems auffassen und unter einem integrierten Publikationssystem ein solches verstehen, das sowohl elektronische als auch gedruckte Ausgabeformate erzeugen kann. Zwei Beziehungen in der Publikationskette verdienen besondere Aufmerksamkeit: die Autor-Verlagsbeziehung am Anfang der Kette und die Anbieter-Nutzerbeziehung an ihrem Ende. Im ersten Fall interessiert die Gestaltung der Autor-Verlagsbeziehung unter der Voraussetzung, daß Autoren ihre Manuskripte auf Computern erstellen und Verlage diese auf ihre elektronischen Systeme übernehmen und dort weiterverarbeiten wollen, und zwar um gewöhnliche, gedruckte Publikationen zu produzieren und um von denselben Daten ausgehend, elektronische Publikationsangebote zu entwickeln. Im Fall der Anbieter-Nutzerbeziehung kommt es darauf an, daß die potentiellen Nutzer elektronischer Publikationen die angebotenen Lieferformate auch tatsächlich lesen und weiterverarbeiten können. Beide Beziehungen sind auf geeignete Austauschformate angewiesen. Das Ideal der integrierten Publikationskette, bei dem die Autoren in den technischen Produktionsprozeß eingebunden werden, wird von den Verlagen als Rationalisierungsstrategie gesehen und, unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachverwertung von Informationen für unterschiedliche Angebotsformen, als Diversifizierungsstrategie. In diesem Abschnitt soll es jedoch allein auf die Bedeutung der Austauschformate ankommen. Das gemeinsame Interesse, etwas veröffentlichen zu wollen, bringt Autoren und Verlage zusammen. Der Autor verfügt selbst in der Regel bereits über ein komplettes Dokumenterstellungssystem, mit dem er oder sie Schreiben, Gestalten und Drucken kann. J e nach Hardware und Software können dabei die unterschiedlichsten Datenformate entstehen. Die Frage ist, welche Formate besonders für die Übergabe und Weiterverarbeitung des elektronischen Manuskripts geeignet sind. In gewisser Weise scheint diese Frage heutzutage gegenüber der Frühzeit der computergestützten Dokumentverarbeitung an Brisanz verloren zu haben. Aber die Dinge liegen doch etwas komplizierter als es auf den ersten Blick aussieht. Etwas allgemeiner und abstrakter betrachtet, lassen sich fünf Ebenen unterscheiden, auf denen sich Austauschformate ansiedeln lassen. Man fasse den Dokumenterstellungsprozeß am Computer, nur für analytische Zwecke, als eine Abfolge auf von

C 10.4 Publikationskette, Austauschfonnate und Strukturorientierung

411

a) Erfassen von Zeichen b) Strukturieren von Text (z.B. Unterscheiden von Überschriften, Absätze, Fußnoten und andere Textelemente) c) typographischem Gestalten von Text d) Präsentationsaufbereitung (ein Prozeß, der in der Regel über sogenannte Treiberprogramme läuft) und e) konkretem Ausdruck. Auf jeder dieser Stufen kann die Dokumenterstellung abbrechen und dabei ein Format erzeugen, das sowohl als Ausgabeformat taugt wie auch als Input für die nächste Verarbeitungsstufe. Das veranschaulicht Abb. 1. Manuskripterstellung beim Autor

Aurtauschformate

Erfassen und Korrigieren von Zeichen

Zeichencode. *B. ASCII, UNICODE

Strukturieren von Text

neutrales Format, Texte mit Textauszeiehnung, i.B. entsprechend HTML ( = SGML-An wendung)

1

1

Gestalten von Text

I 1

Pr&sentationsauibereitung "

Prisen tationsfertiges Format, z.B. proprietäre Formate wie WORD 6 (neutral: DSSSL)

Seitenbeschreibungs· spräche. z.B. PostScript für Druckausgabe, PDF für Bildschirmauegabe

"camera ready copy"

Publikation»eratellung Im Verlag

Bsp.: LISTSERV, e-mail vgl.: EJoumal httpy/www. hanover. edu/philo&tajournal

—©

i

Bsp.: WWW •gl.: Information Research http://www.ehef.ac.uk/uni/ academic/J· M/ia/lecturer/ vi n2. html

1

Bsp.: FTP vgl: INFO 2000 http://www.kp.dlr.de/ BMWi/gip'programme/ info2000/

1 1 1 gedruckte Publikation

EP-Varianten

Bsp.: "Acrobat Reader" vgl.: CAJUN-Prqjekt http://www.ep.es.nott.ac. uk/caj vis. html

Scanpen

Bsp.: GUIDON-Software * vgl.: TULIP http^/www. eise vier. nl:80/ info/prqject&'tulip.htro* journals

Abb. 1: Varianten elektronischer Manuskriptübernahme und Formate elektronischer Publikationen

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Böhle: Elektronisches Publizieren

Als problematisch für die Weiterverarbeitung haben sich vor allem proprietäre Formate erwiesen, die die Gestaltungsinformationen in softwareabhängiger Weise intern codiert enthalten. Denn selbst wenn man diese Formate lesen kann, ist doch ihre programmtechnische Weiterverarbeitung beispielsweise für Datenbankanwendungen schwierig. Zudem ist der Verlag gar nicht unbedingt an den Gestaltungsinformationen interessiert, die der Autor seinem Manuskript aufprägt, weil der Verlag ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten und -Vorstellungen hat. Ganz verzichten kann er jedoch häufig auch nicht auf diese Informationen, weil die typographisch besonders gestalteten Textteile auch im Verlag berücksichtigt werden müssen. Gesucht wird nach einem Übergabeformat, das die gestalterische Aufbereitung ganz dem Verlag überläßt und offen für verschiedene Wege der elektronischen Weiterverarbeitung ist. Oder anders formuliert: die gestaltungsbezogenen und anwendungsabhängigen Informationen sollen aus dem elektronischen Manuskript herausgehalten werden, ohne daß die Information über die Struktur verlorengeht. Der Lösungsvorschlag, der zur Grundlage vieler Anwendungen des Elektronischen Publizierens geworden ist, geht von einem Zusammenhang von Textgestaltung und Textstruktur aus und nimmt an, daß die Textgestalt eine Funktion der Textstruktur ist. Die „logische" Textstruktur ist als solche normalerweise nicht sichtbar, sondern wird durch Formatieranweisungen bzw. typographische Gestaltung ausgedrückt. Der Ansatz, der nachfolgend erläutert wird, geht genau andersherum vor: Ein Text wird als strukturiertes Ensemble von Dokumentelementen aufgefaßt, die identifiziert und beschrieben werden können. Die Struktur eines Textes wird explizit im Text ausgedrückt und die Gestaltung dafür herausgehalten. Aus einer Kapitelüberschrift, die zuvor als zentriert, fett, in der Schrift Helvetica und der Schriftgröße 16 Punkt sichtbar war, wird nun z.B. das logische Element „Kapiteltitel", dessen Anfang mit und dessen Ende mit markiert wird; man sagt, der Text wird „logisch" ausgezeichnet oder man spricht von deskriptiver Textauszeichnung bzw. deskriptivem Markup. Zur besseren Vorstellung mag das folgende Beispiel dienen, das den Anfang dieses Beitrags mit Textauszeichnungen versieht:

Elektronisches Publizieren

Knud B&o;hle

Einleitung

Anfang des Kapitels Anfang des Kapiteltitels Ende des Kapiteltitels Absatzanfang Hervorhebung Typ a Ende Hervorhebung Typ a Absatzende Anfang Absatztitel Ende Absatztitel

Zwei Vorteile verbinden sich mit diesem neutralen Format. Erstens wird der Text samt Textauszeichnungen in einem einheitlichen Speicher- und Austauschformat auf der untersten Ebene, dem der Zeicheninformation, erfaßt, wobei sich der standardisierte ASCII-Code weitgehend durchgesetzt hat. Das Format enthält keinerlei spezifische Steuercodes mehr für irgendeine Software oder irgendein bestimmtes Ausgabegerät - es ist in dieser Hinsicht neutral. Zeichen, die nicht in dem Zeichen-

C 10.4 Publikationskette, Austauschformate und Strukturorientierung

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Vorrat vorkommen, werden codiert; in unserem Beispiel wurde der Umlaut ö als &o; codiert. Zweitens wird über die Textauszeichnungen, die „tags", die Strukturinformation in einer abstrakten, anwendungsneutralen Form bewahrt, die für unterschiedliche Weiterverarbeitungsprozesse offen ist. Der Ansatz des deskriptiven Markup wurde in den siebziger Jahren weiter entwikkelt. Von generellen Auszeichnungsschemata ging man zur Entwicklung von Dokumentbeschreibungssprachen (Markup-Sprachen) über. Damit läßt sich für eine Klasse von Dokumenten definieren, welche Elemente und Attribute in einem Dokument vorkommen, welche Datentypen für die Elemente zulässig sind und welche Werte die Attribute annehmen können. Außerdem wird die zulässige Ordnung und Abfolge der Elemente festgelegt. Eine Dokumentbeschreibungssprache besteht also aus den sprachlichen Mitteln, mit denen sowohl die Dokumentelemente als auch die Regeln, die für die Elemente eines Dokumenttyps gelten, beschrieben werden können. Dokumentbeschreibungssprachen erzeugen aber noch keine weithin anerkannten Austauschformate. Damit daraus allgemein anerkannte Austauschformate werden können, müssen sie als Norm durchgesetzt sein. Mit der Verabschiedung der SGML 1986, der Standard Generalized Markup Language als ISO 8879 (Lit. 50), kam ein zehnjähriger Normungsprozeß zu einem vorläufigen Abschluß. Inzwischen steht die ISO 8879 kurz vor ihrer zweiten Revision, die an ihren Grundlagen aber nichts ändern wird. Wichtig in unserem Zusammenhang ist lediglich, daß die SGML nicht selbst eine bestimmte Markup-Sprache beinhaltet, sondern als eine Art Metasprache vorzustellen ist, als ein übergeordnetes Regelwerk, nach dem konkrete Dokumenttypdefinitionen bzw. Markup-Sprachen entwickelt werden können, die dann SGML-Anwendungen heißen, und ihrerseits genormt werden können (vgl. das Handbuch zur Norm Lit. 36, für umfassende, fortlaufend aktualisierte Hinweise zur SGML siehe Lit. 18; Periodika, die SGML-Entwicklungen ausführlich darstellen, Lit. 82, Lit. 90). Mit der Zunahme elektronischer Manuskripte wurden von Verlegerseite Anstrengungen unternommen, SGML-Anwendungen speziell für den Verlagsbereich zu entwickeln und zu normieren. Die American Association of Publishers (AAP) begann 1983 mit der Entwicklung solcher Standards. Inzwischen ist eine überarbeitete Version dieser ΑΑΡ-Standards als ISO 12083:1994 (Lit. 49) verabschiedet worden. Die bekannteste und am weitesten verbreitete SGML-Anwendung ist mit Sicherheit die HTML, die Hypertext Markup Language, die als Grundlage für den Dokumentenaustausch und das Publizieren im WorldWideWeb verwendet wird (aktuelle Informationen zur HTML-Entwicklung finden sich unter Lit. 44). Für viele Leser eröffnet wahrscheinlich die Kenntnis des WWW einen Zugang zum Verständnis der SGML und daran geknüpfte Möglichkeiten der Dokumentverarbeitung. Unbestritten ist die strukturorientierte Textauszeichnung nach einheitlichen Richtlinien von großem praktischen Wert: Die Fremddatenübernahme aus verschiedenen Systemen bedarf keiner speziellen Konvertierungen mehr, das Datenmaterial kann flexibler für unterschiedliche Ausgabegeräte und -medien aufbereitet werden, und die Unabhängigkeit des Datenbestandes von bestimmten Geräten kann dabei auf Dauer gesichert werden; auch die Zusammenführung größerer Bestände, noch über die eines einzelnen Verlages hinaus, wird durch gemeinsam verwendete Standards er-

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leichtert. Deshalb muß es auch nicht verwundern, daß sich der SGML-Ansatz gerade bei größeren Projekten und Publikationsvorhaben durchsetzt. Das elektronische Textarchiv der University of Virginia, das elektronische Zeitschriftenangebot der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft, die Online-Zeitschriftendatenbank des OCLC, das elektronische Oxford English Dictionary und viele andere Großprojekte - von der bedeutenden Rolle der SGML in der Technischen Dokumentation und dem Inhouse-Bereich ganz abgesehen - basieren heute auf SGML·Anwendungen. Diese großen Projekte verdeutlichen aber auch, wie weit sich SGML·Projekte von dem Ausgangspunkt, einfache Austauschformate für die Autor-Verlagsbeziehung bereitzustellen, entfernt haben. SGML steht heute für einen bestimmten ausgearbeiteten Ansatz der elektronischen Dokumentverarbeitung, der ohne eine ganze Familie von Software, die diesen Ansatz unterstützt, nicht denkbar ist. Es ist ja gerade der Kern dieses Ansatzes, durch die rigorose, genormte Dokumentbeschreibung, einen Hebel für die computergestützte Kontrolle des gesamten Dokumenterstellungsprozesses und der Dokumentweiterverarbeitung für verschiedene Anwendungen in die Hand zu bekommen. SGML·EditOΓen unterstützen die korrekte Textauszeichnung, spezielle Parser prüfen programmgestützt die Korrektheit des Markup, Konvertierprogramme erzeugen SGML·Strukturen aus anderen Datenformaten und vice versa, spezielle Software unterstützt die Entwicklung neuer Dokumenttypdefinitionen und spezielle Datenbanken verwalten SGML-Dokumente und organisieren den Zugriff darauf (für einen Softwareüberblick vgl. etwa Lit. 83, frei zugängliche SGML-Software ist in Lit. 63 zusammengestellt). Mit der DSSSL, der ISO/IEC 10179: Document Style Semantics and Specification Language (Lit. 48) liegt seit 1996 eine ambitiöse Norm vor, die im Anschluß an die SGML einen Weg zeigt, wie auch Gestaltungsinformationen in einer verarbeitungsneutralen Weise ausgedrückt werden können. Kurzum, die SGML (und daran anschließende Normen) stehen für einen hochkomplexen, strukturorientierten Ansatz der Dokumentverarbeitung auf Basis internationaler Normen. Allerdings, darin sind sich die Beobachter einig (Lit. 95), wird er zunehmend von der Softwareindustrie zur Kenntnis genommen und berücksichtigt und erst das bedeutet, daß immer mehr handelsübliche, weitverbreitete Computeranwendungen neutrale Formate erzeugen oder damit umgehen können, so daß darüber dann am Ende doch eine optimierte AutorVerlagsschnittstelle entstehen könnte. Denn so vorteilhaft die strukturierte Texterfassung prinzipiell sein mag, sie stellt den Autor vor große Probleme, sobald er dafür seine etablierte Schreibumgebung verlassen muß (vgl. die ausführliche Diskussion dazu in Lit. 77). Man wird das radikale Potential des SGML-Ansatzes aber verkennen, wenn man nur die Übergabe des elektronischen Manuskripts vom Autor an den Verlag und den Prozeß der Dokumenterstellung in den Blick nimmt. Es ist zwar richtig, daß ein Autor über die Textauszeichnungen die Struktur seines Textes neutral zum Ausdruck bringen kann, in letzter Instanz hängen der Strukturierungsbedarf und die Strukturierungsanforderungen aber von den Anwendungszwecken ab, auf die hin strukturiert wird. Das wird sofort deutlich, wenn das Markup nicht mehr nur dazu dient, die hierarchisch-sequentielle Struktur eines Dokuments auszudrücken, sondern dazu, andere Strukturen im Text zu qualifizieren. Die hierarchisch-sequen-

C 10.5 Elektronische Zeitschriften und Selbstorganisation

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tielle Sicht auf ein Dokument ist nur eine Sicht von vielen. Alle linguistisch relevanten Textstrukturen, alle Typen von Datenbankstrukturen und alle möglichen fachlichen Anwendungskontexte können in konkrete Strukturierungsanforderungen und spezifische Dokumenttypdefinitionen münden. Was später ein Registereintrag werden soll, was später einem bestimmten Datenbankfeld zugeordnet werden soll, was später der Absprungpunkt einer Hypertextverknüpfung werden soll, was später als Satzteil, Wort, Graphem linguistisch weiterverarbeitet werden soll - all das Iäßt sich im Text deskriptiv durch Textauszeichnungen beschreiben. Es gibt keine neutrale, kontextfreie Struktur eines Dokuments, und es gibt nicht die eine Struktur eines Dokuments, sondern immer nur für bestimmte Anwendungen relevante Strukturen. Hier eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten des Elektronischen Publizierens - und ungeahnte Anforderungen. Das Strukturieren von Dokumenten erweist sich als Grundlage inhaltsorientierter Computeranwendungen wie Datenbanken, Hypertextsysteme, Programme linguistischer Datenverarbeitung; und wie genau eine Struktur analysiert und erfaßt wird, entscheidet darüber, welches Nutzungspotential später in der Computeranwendung realisiert werden kann. Wer sich theoretisch für diese Herangehensweise interessiert, dem seien die Arbeiten der Text Encoding Initiative empfohlen, die selbst umfängliche Textauszeichnungsrichtlinien (Lit. 86) - vor allem für textwissenschaftliche Anwendungszwecke - entwickelt hat (vgl. einführend Lit. 45). Die Textauszeichnung, die zunächst als einfaches Hilfsmittel der computergestützten Produktion gedruckter Publikationen erschien, hat sich als Schlüsseltechnik für die Entwicklung interaktiver und informationsverarbeitender Computeranwendungen bzw. Medienangebote herausgestellt.

C 10.5

Elektronische Zeitschriften und Selbstorganisation in der Fachkonununikation

Am Beispiel elektronischer Zeitschriften läßt sich sowohl das große Potential elektronischer Publikationsformen als auch die Veränderung des Fachkommunikationssystems durch solche Formen verdeutlichen. Fast täglich werden neue elektronische Zeitschriften annonciert und nationale und internationale Förderprogramme befördern diesen Trend (vgl. z.B. Lit. 89, Lit. 92). Begleitet wird dieser Prozeß von Hoffnungen, durch elektronische Zeitschriften die schon Jahrzehnte währende sogenannte „serials crisis" zu beenden und den circulus vitiosus von kleinen Auflagen hohen Preisen - (sinkenden Bibliotheksetats) - Abbestellungen wissenschaftlicher Zeitschriften - noch kleineren Auflagen etc. zu durchbrechen. Kontrovers wird die künftige Rolle der Verlage bei der Verbreitung wissenschaftlicher Primärpublikationen diskutiert. Nicht selten ist ein gewisser Vorbehalt gegenüber Verlagen spürbar, die womöglich - einer unternehmerischen Einsicht des Verlegers Robert Maxwell folgend (vgl. Lit. 29) - den Umstand ausgenutzt haben, daß Bibliotheken fast jeden Preis für wissenschaftliche Primärpublikationen zu zahlen bereit sind. Aber nicht nur deshalb werden die Chancen, diesen zentralen Teil der wissenschaftlichen Fachkommunikation in Eigenregie der Autoren und Fachgemeinschaften zu organisie-

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ren, heftig debattiert. Eine ebenso wichtige Rolle spielen Überlegungen, den wissenschaftlichen Kommunikationsprozeß durch elektronische Formen stärker nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Wissenschaftler auszurichten. Dieses Anliegen wiederum teilen die Wissenschaftler mit den Verlagen, die natürlich auch die Chancen der Digitaltechnik für verbesserte Verfahren und Angebote nutzen wollen. Die Geschichte der elektronischen Zeitschriften beginnt etwa Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre (vgl. Lit. 61, Lit. 80) noch mit relativ wenig Erfolg, teils weil die technischen Voraussetzungen nicht verbreitet genug sind, deutlich aber auch deshalb, weil diese Zeitschriften nicht genügend Prestige verleihen. Ein bezeichnendes Verfahren, diese Publikationen aufzuwerten, besteht darin, parallel entsprechende Druckpublikation zu lancieren wie im Fall der frühen Computer Compacts von 1980 (vgl. Lit. 77, S. 8) oder wenigstens ein Publikationsarrangement mit einer gedruckten Zeitschrift einzugehen, wie das im Fall des seit 1992 erscheinenden, hochgelobten Online Journal of Current Clinical Trials (OJCCT) geschehen ist, das sich an das renommierte The Lancet angehängt hat (Lit. 80, S. 79). Auch heute, so die Erkenntnis einer Studie zu elektronischen Zeitschriften (Lit. 42), ziehen aufs Gesamt gesehen, Druckpublikationen noch immer die besseren Artikel an. Es gibt aber kein zwingendes Argument dafür, daß hohe Qualität und Prestige nicht mit elektronischen Publikationen zu vereinbaren wären. Die Entwicklung elektronischer Zeitschriften hat verschiedene Richtungen genommen. Das elektronische Angebot von Zeitschriften über professionelle OnlineHosts, fast ohne Ausnahme elektronische Ausgaben gedruckter Zeitschriften, bildet einen Entwicklungsstrang. In eine andere Richtung weisen Projekte, in denen für bestimmte Fachgebiete relevante Zeitschriften zu einem Angebot zusammengestellt werden, das dann - auf CD-ROM oder über Online-Angebote in universitären Netzwerken oder im Internet - Bibliotheken und Endnutzern verfügbar gemacht wird. Namhafte Projekte in dem Zusammenhang gehen federführend von wissenschaftlichen Gesellschaften, Universitäten oder großen Wissenschaftsverlagen aus, sind im Regelfall aber Verbundprojekte. Zu den Klassikern in diesem Feld zählen CORE (Chemical Online Retrieval Experiment), das die Artikel mehrerer Jahrgänge von 20 Primärzeitschriften der American Chemical Society aufbereitete (Lit. 28);TULIP (The University Licensing Program), das 45 Zeitschriften des Elsevier Verlags im Bereich Materialwissenschaft und Physik zusammenbrachte (Lit. 60, Lit. 93); MUSE, das Projekt eines Universitätsverlags, der Johns Hopkins University Press, 40 Zeitschriften aus dem Verlagsprogramm über das WWW anzubieten (Lit. 72); das Red Sage Projekt, in dem insgesamt 71 Zeitschriften vor allem aus dem Bereich Biomedizin von verschiedenen Verlagen, federführend der SpringerVerlag, zu einer „Digital Journal Library" zusammengeführt werden (Lit. 59) und etwas anders ausgerichtet das CAJUN-Projekt (CD-ROM Acrobat Journals Using Networks), das derzeit neun Zeitschriften im Internet (im PDF-Format Acrobat) anbietet (Lit. 85, Lit. 16), darunter die für das Themenfeld Elektronisches Publizieren einschlägige Zeitschrift Electronic Publishing - Origination, Dissemination and Design. Aber nicht nur an diesen groß angelegten Projekten, sondern auch an kleineren Experimenten mit elektronischen Zeitschriften im Internet setzen die Überlegungen zur Rolle elektronischer Zeitschriften in der künftigen Fachkommunikation an.

C 10.5 Elektronische Zeitschriften und Selbstorganisation

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In der Diskussion tauchen folgende Punkte auf, die hier aus verschiedenen Quellen (vor allem Lit. 13, Lit. 38, Lit. 39, Lit. 40, Lit. 41, Lit. 42, Lit. 67, Lit. 80, Lit. 91) zusammengestellt werden (vgl. für weitere Hinweise die ständig aktualisierte Bibliographie Lit. 02). Häufig angeführte Vorteile elektronischer Zeitschriften lauten: über das Internet kann ein größeres Publikum erreicht werden, die Publikationen sind immer verfügbar, Umfang und Erscheinungsweise sind weniger festgelegt, multimediale Inhalte können zusätzlich angeboten werden, die Zeitschriften können kriteriengeleitet durchsucht werden, auf neue Artikel oder Ausgaben kann per E-mail aufmerksam gemacht werden, Interessenprofile können der Lieferung vorgeschaltet werden, aktuelle Artikel und frühere Artikel können gemeinsam in einer Datenbank angeboten werden (was gerade die Nutzung älterer Artikel erhöhen kann), gelieferte Artikel können beim Nutzer elektronisch weiterverarbeitet werden. Neben diesen Standardeinsichten kommen drei besonders herauszustellende Argumente vor: Erstens wird die Anbindung von direkter Kommunikation an Publikationsprozesse möglich, d.h. eine Verschränkung von formeller und informeller Kommunikation. Das kann bereits beim Begutachtungsprozeß vor der Veröffentlichung beginnen und sich danach fortsetzen in Rückmeldungen und Kommentaren, Erwiderungen wiederum darauf, Anhängen von Errata an die Publikation und mag möglicherweise zur Revision des ganzen Artikels führen. Der Publikationsprozeß, mit dem ein Forschungsprozeß früher abschloB, erscheint nun weniger definitiv und sein tatsächlicher Abschluß auf das Ende der Diskussion verschoben. Zweitens liegt ein bemerkenswertes Potential in dem nahtlosen Zusammenführen von Informationen in Datenbanken (kritische Masse) und der Möglichkeit, über Hypertextverknüpfungen Informationen - auch solche an unterschiedlichen Orten und unterschiedlichen Typs - aneinanderzukoppeln. Aktuelle Zeitschriftenartikel und das Archiv dieser Zeitschrift können zusammen angeboten, durchsucht und interne Verknüpfungen wahrgenommen werden. Es können aber auch Verknüpfungen von Referenzen zu den referenzierten Artikeln hergestellt werden, wenn diese sich irgendwo im Internet befinden; es können Verknüpfungen von Literaturangaben zu bibliographischen Datenbanken und Document-Delivery-Diensten hergestellt werden. Das Vernetzungspotential bindet verteilte Dokumente und Dienste zusammen. Drittens wird es möglich, daß Publikations- und Arbeitsprozesse Hand in Hand gehen: aus einem Artikel z.B. kann auf elektronische Arbeitsmittel verwiesen werden, die ein Verfasser im Forschungsprozeß verwendet hat. Computermodelle, mit denen gearbeitet, Statistikprogramme, mit denen Erhebungsdaten ausgewertet wurden, oder Computerprogramme, die beschrieben wurden, können zu Demonstrationszwecken, zur Nachprüfung von Ergebnissen und zur Weiterarbeit zugänglich gemacht werden. Aus der Publikation entsteht Tele-Kooperation. Umstritten sind vor allem die Zeit- und Kosteneffekte, die von elektronischen Zeitschriften erwartet werden. Die Zeit von der Einreichung des Manuskripts bis zur Veröffentlichung soll angeblich erheblich kürzer werden, insbesondere der Begutachtungsprozeß soll schneller erfolgen und die Rückmeldungen an den Autor nach Erscheinen der Publikation sollen schneller eingehen. Vor allem das letzte Argument leuchtet ein, während es fraglich bleibt, ob überlastete Gutachter ihre Manuskriptberge schneller abarbeiten, wenn sie es mit elektronischen Manuskripten zu

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tun haben. Auch das Argument der Kosteneinsparung ist strittig; kostspielig sei nämlich nicht so sehr das Papier, sondern der Aufwand, der medienunabhängig für die Qualitätskontrolle und Qualitätssteigerung des Manuskripts zu erbringen ist. Genauer zu untersuchen wäre nicht nur, welche Kosten dieser Prozeß tatsächlich verursacht, sondern auch, wer denn die Netz- und Übertragungskosten trägt und wie diese in die Kostenrechnung einzubeziehen wären. Denen, die glauben, daß elektronische Zeitschriften im Internet stets kostenlos angeboten werden, kann bereits jetzt mit Gegenbeispielen begegnet werden (Lit. 13). Es gibt noch weitere kritische Punkte, die den Nutzen und die Ausbreitung elektronischer Zeitschriften beschränken. Generell gilt weiterhin, daß die Lesequalität elektronischer Zeitschriften geringer als die gedruckter ist; es gilt auch weiterhin, daß es noch Probleme mit der Darstellung und dem Austausch von Sonderzeichen, Formeln und Tabellen gibt, daß es nicht immer einfach ist, komplexe Dokumentstrukturen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der im WWW verwendeten Hypertext Markup Language herunterzubrechen und sitzungsorientierte, interaktive Datenbanknutzung im WWW zu realisieren (vgl. zu diesem Punkt exemplarisch die Erfahrungen beim Angebot der Applied Physics Letters Online, Lit. 96, Lit. 94). Keineswegs alle Benutzungsoberflächen elektronischer Zeitschriften sind attraktiv gestaltet und es gibt noch zu viele unterschiedliche Benutzungsoberflächen, die jeweils neu erlernt werden müssen. Umständlich wird es auch, wenn viele Passwörter für unterschiedliche Angebote gemerkt und geheimgehalten werden müssen, wenn spezielle Software zur Nutzung bestimmter Zeitschriften auf dem Arbeitsplatzrechner vorausgesetzt wird, und fast schon ärgerlich wird es, wenn die Hypertextverknüpfungen elektronischer Zeitschriftenartikel ihr Ziel verfehlen, was nach einer neueren Studie nicht selten der Fall ist (vgl. Lit. 40). Die Diskussion zu den elektronischen Zeitschriften führt allerdings schnell über eine nüchterne Gegenüberstellung der Argumente hinaus zur Frage nach der Neuordnung des wissenschaftlichen Publizierens. Im englischsprachigen Raum ist diese Diskussion um die Zukunft eng mit den Namen Steve Harnad, Paul Ginsparg, Andrew Odlyzko und Gregory Rawlins verbunden (Lit. 38, Lit. 39, Lit. 34, Lit. 67, Lit. 74). In der Bundesrepublik wurde diese Diskussion bald aufgegriffen (vgl. Lit. 37, Lit. 84). Oft schwingen merkwürdige Idealisierungen des Wissenschaftsbetriebs und Illusionen über die Chancen, komplexe Verhältnisse zu vereinfachen - zum Teil noch mit einem radikaldemokratischen und antikommerziellen Anstrich versehen in der Auseinandersetzung mit. Diese verkürzte Interpretation neuer medientechnischer Angebote und Möglichkeiten als im Grunde demokratisch, die bereits pauschal beim Aufkommen des Desktop Publishing und des WWW verbreitet wurde, tritt in unserem Zusammenhang vor allem als überzogene Interpretation der beobachtbaren Tendenz zur „Selbstorganisation" auf (vgl. dazu bereits Lit. 10). Die Rolle der Verlage als notwendige Schaltstellen im wissenschaftlichen Publikationssystem wird zunehmend in Frage gestellt. Autoren und Nutzer scheinen in den Netzwerken so eng zusammenzurücken, daß intermediäre Instanzen scheinbar gar nicht benötigt oder ihre Funktionen durch leistungsfähige Software ersetzt werden könnten. Gegen diese verkürzte Sicht lassen sich einige Einwände vorbringen, die - diesen Beitrag abschließend - zu einer realistischeren Vorstellung vom Wandel des Publizierens in der Fachkommunikation beitragen könnten.

C 10.5 Elektronische Zeitschriften und Selbstorganisation

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Richtig ist sicher, daß wissenschaftliche Autoren einen aktiven und selbstbewußten Part bei der Gestaltung des elektronischen Teils des Publikationssystems übernehmen. Nicht nur das Aufblühen elektronischer Zeitschriften, auch der Erfolg elektronischer Pre-Print-Archive, der Aufbau elektronischer Textarchive oder Bemühungen, „graue Literatur" elektronisch anzubieten, belegen das. Diese Zeichen der „Selbstorganisation" sollten allerdings nicht vorschnell zu Verallgemeinerungen und Dramatisierungen führen. Die spezifischen Bedingungen einzelner Fachwelten lassen sich nicht generell übertragen; auch sollte der wirklich kritische Bereich kleinstauflagiger, höchst kostspieliger wissenschaftlicher Zeitschriften nicht vorschnell mit dem Gesamtgeschäft der Verlage, das z.B. auch die wissenschaftlichen Monographien einschließt, verwechselt und die offenkundige Beteiligung von Verlagen an vielen Projekten des Elektronischen Publizierens ausgeblendet werden. Idealisierungen von Autoren und Nutzern sollten vermieden werden. Weder sind wissenschaftliche Autoren und Gutachter monetären Vergütungen prinzipiell abhold, noch ist der Nutzer stets der Fachkollege, der den Dialog mit seinesgleichen sucht. Die Autor-Nutzerbeziehung ist keineswegs immer symmetrisch zu denken. Publikationen für eigene Zwecke „auszuschlachten", z.B. selektiv einzelne Daten aus einer Veröffentlichung herauszuziehen, ist legitim. Elektronische Publikationsangebote versprechen doch gerade das: Effektivere Verfahren computergestützter Informationsauswertung und -Verarbeitung. In vielen Fällen kommt außerdem hinzu, daß die Nutzer von ihrer Funktion her, z.B. in Wirtschaft und Politik, gar nicht in den freien Informationsaustausch eintreten wollen (vgl. Lit. 91). Skepsis ist angebracht gegenüber allen Versprechungen (anzutreffen etwa in Lit. 98), Arbeitsteilung und Spezialisierung rückgängig zu machen und erneut zur Obersichtlichkeit und Unmittelbarkeit der wissenschaftlichen Kommunikation des 17. Jahrhunderts zu gelangen. Tatsächlich wird das Publikationssystem durch das Zusammenwachsen des elektronischen und des Druckbereichs und die Vermehrung der elektronischen Publikationskanäle doch komplexer, was noch dadurch verstärkt wird, daß sich heutzutage riesige Mengen von Informationen unterschiedlichster Qualität und ungewissen Status im Angebot befinden. Diese Vielfalt ist nicht transparent und nicht qualifiziert und hat deshalb auch nichts mit einem globalen Dorf oder den Salons der Aufklärung zu tun. Der Kampf der Autoren um die Aufmerksamkeit anonymer Nutzer spielt in den Netzen mindestens eine ebenso große Rolle wie früher bei den Druckmedien. Im Internet an den entscheidenden Stellen mit einem ansprechenden Angebot präsent zu sein, ist eine Aufgabe, die der Verlagsfunktion, Informationen zielgruppengerecht aufbereitet im Markt zu piazieren, ziemlich ähnelt. Da diese Aufgaben den normalen Autor schnell überlasten dürften, wird der Aufwand doch wieder auf vermittelnde Instanzen verlegt. Selbst wenn wissenschaftliche Gesellschaften, Bibliotheken oder Universitätsverlage die Funktionen kommerzieller Verlage übernehmen, ändert sich dadurch wenig an der Komplexität des Systems und wenig daran, daß diejenigen, die die Leistungen erbringen, dafür entschädigt werden müssen. Statt also die beobachtbare Tendenz zur Selbstorganisation in den Kontext rückwärtsgewandter Utopien zu stellen, wäre sie wohl angemessener so zu verstehen, daß sich mit den Möglichkeiten des Elektronischen Publizierens der Handlungsspielraum der Autoren, ihre eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand zu neh-

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m e n , erweitert u n d diese C h a n c e genutzt wird. Die V e r a n t w o r t u n g wird in d e n Z u ständigkeitsbereich d e r jeweils kleinsten k o m p e t e n t e n Einheit verlegt u n d dort soweit als möglich w a h r g e n o m m e n . I n politischer Terminologie w ü r d e m a n v o m A u tonomieprinzip o d e r von Subsidiarität sprechen. Wenn die damit e i n h e r g e h e n d e n Belastungen in Konflikt mit a n d e r e n A u f g a b e n , z.B. d e r Forschung, geraten, stößt d a s E n g a g e m e n t zwangsläufig an seine G r e n z e und a n d e r e Einrichtungen werden involviert. Dieser P r o z e ß der N e u f o r m i e r u n g und Positionierung findet gegenwärtig statt. Z u b e o b a c h t e n ist dabei vielleicht keine R e v o l u t i o n , aber i m m e r h i n eine erstaunliche Verschiebung in der sozio-technischen Figuration des wissenschaftlichen Publizierens.

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Böhle: Elektronisches Publizieren

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425

C11

Electronic Document Delivery Achim Oßwald

Vorbemerkung·. Es wurde darauf verzichtet, für konkrete Projekte und Produkte, aber auch für genutzte elektronische Publikationen die entsprechenden Internet-Adressen anzugeben, da die jeweils aktuelle Netzadresse solcher Referenzen und Daten mittels leistungsstarker Suchinstrumente im Netz mittlerweile leicht ermittelt werden kann.

C 11.1

Die Zielvorstellung

Die Grundidee des Electronic Document Delivery (EDD) lautet: Öffentlich zugängliche Dokumente sollen elektronisch zum Bedarfsort übermittelt werden. EDD bietet drei wesentliche Vorteile: 1. Es ist schnell. 2. Seine TYansportfunktion ist prinzipiell formatunabhängig und 3. Es ermöglicht eine maschinelle Weiterverarbeitung der übermittelten Dokumente. Grundlage hierfür ist die digitale Repräsentation der Dokumente. Gegebenenfalls müssen daher gedruckt vorliegende Dokumente digitalisiert werden und zwar, abhängig vom jeweiligen Verfahrenskonzept, bei Bedarf oder auf Vorrat. Komplementär bzw. konkurrierend zur elektronischen Übermittlung existieren weiterhin nicht-elektronische Übermittlungsverfahren für Dokumente, wie z.B. der Versand mit der „gelben Post". Insbesondere beim physischen Transport von kopierten Dokumenten trifft die Bezeichnung „Dokumentlieferung" noch zu: Dokumente werden in einem vereinbarten Verfahren angefordert und geliefert. Die liefernde(n) Organisation(en) ist (sind) bekannt. Der Kunde wird lediglich als Besteller und Empfänger aktiv. Bei Einbeziehung elektronischer Verfahren wird die Bezeichnung Dokumentübermittlung dem Vorgang deshalb gerechter, weil sie von der konkreten TVansportvariante abstrahiert. Außerdem unterscheidet sie nicht zwischen „liefern" und „abrufen". Sie bezieht damit auch die allmähliche Verlagerung vom Konzept der Bringschuld zur Holschuld ein, die mit der fortschreitenden Digitalisierung der Dokumenterstellungs- und Übermittlungsverfahren für bestimmte Bereiche der Informationsbeschaffung implizit verbunden ist. Dies deshalb, weil Dokumente bzw. Dokumentsammlungen (wie beispielsweise elektronische Zeitschriften) immer häufiger nicht mehr geliefert werden (z.B. unaufgefordert im Rahmen eines Abonnements), sondern nur noch angezeigt werden. Das Abrufen muß durch den Interessenten dann selbst erfolgen. Ausgangspunkt der Überlegungen zu EDD war insbesondere die Diskrepanz zwischen dem Nachweis von Dokumenten bei Online-Recherchen in bibliographischen Datenbanken einerseits und der Beschaffung dieser Dokumente durch Bibliotheken andererseits. Diese Diskrepanz wurde in den 70er Jahren als ein wesentlicher Hemmschuh für die Entwicklungs- und Leistungsfälligkeit westlicher Volkswirt-

426

Oßwald: Electronic Document Delivery

Schäften erachtet. Daraufhin gaben sowohl die damalige EG-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung diverse Studien und Projekte in Auftrag. Deren Ziel war es, die Möglichkeiten der Verfahrensoptimierung, aber auch von Verfahrensalternativen ausloten zu lassen. Weitgehend orientiert an den Arbeitsabläufen der traditionellen Fernleihe wurde vor allem die folgende Frage erforscht: „Welche elektronischen Verfahren können unter welchen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen angeboten werden, um Dokumente zu beschaffen?" (Lit. 13, S. 307). Zusammenfassend sind Antworten auf diese Frage für die Aspekte Bestellung, Lokalisierung, Speicherung, Übermittlung sowie Verfügbarkeitsformen in der 3. Auflage dieses Handbuches von Oßwald (Lit. 13) dargestellt worden. Im Rückblick gesehen sind die damals dargestellten Bemühungen von geringem Erfolg geblieben, da einerseits häufig die technologischen Voraussetzungen für ihre Realisierung fehlten, andererseits im (deutschen) Bibliotheksbereich kaum die notwendige Bereitschaft zur Flexibilisierung bestand. Erst mit dem Aufkommen ernsthafter kommerzieller Konkurrenz kombiniert mit den chronischen Finanzproblemen öffentlich finanzierter Einrichtungen kam Bewegung in die bis dahin vom Fernleih-Gedanken dominierte bibliothekarische Dokumentlieferwelt (Lit. 04). Heute ist - in Anbetracht des Druckes der kommerziellen Konkurrenz - eine wachsende verfahrenstechnische Offenheit erkennbar (in der BRD z.B. in den Projekten JASON - Journal Articles Sent On demaNd, vgl. grundlegend Lit. 20; und SUBITO, vgl. Lit. 09), die sich hier wie auch weltweit in einer zunehmenden Zahl von Projekten zeigt, die Verfahren der Ermittlung, Bestellung und Übermittlung von Dokumenten zum Gegenstand haben (Lit. 08 und 18).

C 11.2

Charakteristika digitaler Dokumente

Dokumente in dem hier gebrauchten Sinne sind überwiegend wissenschaftlich-technische Veröffentlichungen, z.B. in Zeitschriften,Tagungs- und Sammelbänden, aber auch Abschnitte aus Monographien. Typisch für die Zeit Mitte der 90er Jahre ist die parallele Verfügbarkeit gedruckter und digital vorliegende Dokumente (in wachsender Typen- und Gestaltungsvielfalt). Gedruckte Dokumente sind statische, d.h. zeitlich, inhaltlich und physikalisch fixierte Ergebnisse des Publikationsprozesses. Sie besitzen normalerweise immanente Gliederungs- und Verweisstrukturen sowie Referenzen auf zeitlich zuvor publizierte Dokumente bzw. andere Quellen (so z.B. Literaturangaben, Fußnoten, Verweise, Inhaltsverzeichnisse oder Register). Digital vorliegende Dokumente, die sich am Darstellungskonzept in gedruckten Publikationen (sog. Printparadigma) orientieren, erweitern dieses Grundmodell z.B. um den Aspekt inhaltlicher Dynamik durch a) die Möglichkeit zu permanenter Aktualisierung b) Referenzen auf externe, dynamisch veränderte Quellen c) das Einbetten potentiell aktualisierter Teile anderer Dokumente in Form von digital vorliegenden - Grafiken, Bild- und Bewegtbild- sowie Sounddateien.

C 11.2 Charakteristika digitaler Dokumente

427

Digital vorliegende Dokumente bieten insofern in mehrfacher Weise das Potential, den inhaltlich statischen Charakter von Printpublikationen zu durchbrechen. Allerdings weisen sie auch Defizite auf: So ist z.B. ihre Beständigkeit (bzw. die ihrer Wiedergabemöglichkeit) offen und ihre Authentizität prinzipiell gefährdet. Ein weiteres, wesentliches Charakteristikum digitaler Dokumente ist der Umstand, daß sie bzw. ihr Inhalt in unterschiedlicher Form bereitgestellt werden können/ kann. In Anlehnung an die von Cleveland 1991 erstellte IFLA-Studie (Lit. 02) werden daher die Verfahren zur Repräsentation des Inhalts und der Layoutmerkmale als Differenzierungsmerkmal bei der Analyse der Bereitstellungsformen öffentlich zugänglicher Dokumente herangezogen. Schwerpunktmäßig zeigen sich dabei derzeit für digitale Dokumente die folgenden Varianten: a) Digital vorliegende Dokumente als Faksimiles einer gedruckten Vorlage oder orientiert auf eine zu druckende Ausgabe -

in einer vom Anwender festgelegten Auflösung (gemessen in dpi = dots per inch) im Fax-Format der Gruppe 3 gemäß CCl 1"I-Empfehlung T.4 im Fax-Format der Gruppe 4 gemäß CCl 1'1-Empfehlung T.6 als TIFF-Dateien (Tagged Image File Format) als JPEG-Dateien (Joint Photographie Experts Group) als PostScript-Dateien, in denen mittels einer Seitenbeschreibungssprache die vom Autor gewünschten Layoutinformation weitgehend systemunabhängig weitergegeben werden.

b) Digital vorliegende Dokumente ohne über das Printkonzept hinausweisende Leistungsmerkmale, auf deren zeichencodierten Inhalt zugegriffen und deren Layout in diesem Rahmen beeinflußt werden kann. Das sind - Dokumente, die mittels OCR bearbeitet wurden - Dokumente, die mittels Textverarbeitungssystemen und damit verbundener, herstellerspezifischer Textauszeichnung erstellt wurden.

c) Dokumente, die zwar zeichencodiert durchsucht werden können, deren inhaltliche und formale Gestaltung sich jedoch nur noch bedingt an den Darstellungsformen des Printkonzeptes orientiert und die beispielsweise über immanente und/oder nach außen weisende Hyperlinks verfügen: - Dokumente, die nach einem herstellerunabhängigen Konzept logisch ausgezeichnet sind, z.B. - wie bei HTML - mit einer an SGML orientierten Syntax - Dokumente, die, wie bei PDF (= Portable Document Format), zwar mit einem herstellereigenen Standard (in diesem Fall von Adobe) erstellt wurden, deren Inhalt aber mittels spezieller, für viele Systemplattformen erhältlichen Viewer-Software genutzt werden kann.

Da die meisten der genannten Bereitstellungsformen - mit mehr oder weniger Bearbeitungs- und Ergänzungsaufwand - ineinander überführbar sind, dürfte diese Einteilung durch veränderte Softwarelösungen zur Erstellung und Nutzung von Dokumenten sich vermutlich als nur bedingt stabil erweisen. Hervorgehoben werden muß in diesem Zusammenhang jedoch, daß eine Standardisierung der Verfahren bzw. der Software zur Dokumentwiedergabe schon allein deshalb wünschenswert ist, weil andernfalls beim Anwender (z.B. einer Bibliothek) unzumutbar viele Wiedergabekonfigurationen vorgehalten werden müssen.

428

C 11.3

OBwald: Electronic Document Delivery

Übennittlnngsverfahren

Unter Bezugnahme auf die o.g. Bereitstellungsformen sind gängige Übermittlungsverfahren: a) Versand der Papierkopie eines Dokumentes, gegebenenfalls auch nach Publishing-on-demand von einer elektronischen Vorlage b) Übermittlung als Telefax (Vorlage durch vorheriges Kopieren des Dokumentes, immer häufiger jedoch - diesen Zwischenschritt vermeidend - durch direktes Einscannen) c) Distribution mittels Offline-Datenträgern - auf Einzelanforderung, dann zumeist auf Disketten - im Abonnement (zumeist als Sammlung potentiell relevanter Dokumente); dann immer häufiger auf CD-ROM bzw. kundenspezifisch selektiert und gespeichert, als WORM im CD-Format (CD-R) d) Via Filetransfer, gängigerweise - auf der Grundlage des im Internet genutzten file transfer protocols (ftp) oder - angehängt an bzw. als e-mail (nur für begrenzte Datenmengen praktikabel) e) Abruf von Angeboten in Gopher-Servern oder im WWW^World Wide Web), d.h. als Gesamtdokument (dann häufig via Filetransfer) oder in - vom Anbieter vorgegebenen - Teilen (dann zumeist im HTML-Format), unter Einbeziehung des vom Anbieter gewünschten Layouts (z.B. als PostScript oder PDF-Dokument), im Format einer speziellen Textverarbeitung (z.B. WinWord 6.0) oder - unter Weglassung von Formatanweisungen - als ASCII-Datei.

In diesem Zusammenhang soll allerdings nicht unterschlagen werden, daß insbesondere in Deutschland die Netzkapazitäten wohl auch weiterhin einen wesentlichen Engpaß, wenn nicht sogar Hinderungsgrund für die elektronische Übermittlung von Dokumenten darstellen. PostScript-Dokumente belasten dabei die Übertragungskapazitäten ganz besonders stark.

C 11.4

Typische BereftsteUungsebenen in der Infonnationsveiteilungskette und dabei relevante Übermittlungs- bzw. Abrnfverfahren

Angesichts der z.T. völlig veränderten Bereitstellungs- und Übermittlungsverfahren kann Dokumentübermittlung daher heute - anders als vor 5-7 Jahren (Lit. 13) nicht mehr nur unter Aspekten der Verfahrensoptimiening betrachtet werden. Deshalb müssen neben der traditionellen Bereitstellung durch Bibliotheken, Dokumentationsstellen und andere klassische Dokumentlieferanten mindestens zwei weitere Ebenen in Betracht gezogen werden: die der Verlage (bzw. anderer auswählender und qualitätssichernder Einrichtungen) und die der Autoren. Ursache hierfür ist die veränderte Situation auf dem Informationsmarkt, bei der funktionale Rollen etablierter Akteure zur Disposition gestellt und von anderen Akteuren in der Informationsverteilungskette gänzlich oder z.T. - zumindest jedoch konkurrierend - übernommen werden (können) (vgl. hierzu grundsätzlich Lit. 10 und 14).

C 11.4 Typische Bereitstellungsebenen in der Informationsverteilungskette C 11.4.1

429

BereitsteUnng durch klassische Depotorganisationen

C 11.4.1.1 Grundsätzliche Überlegungen Bibliotheken und Dokumentationsstellen, seit Jahren aber auch kommerzielle Dokumentlieferanten mit z.T. eigenen Dokumentdepots, erbringen den Hauptanteil der Dokumentübermittlungen. Sie übernehmen dabei u.a. die Funktion des Dokumentnachweises, der Bevorratung und Bereitstellung von Dokumenten sowie der Übermittlung von Kopien. Während Bibliotheken und Dokumentationsstellen ein breites Spektrum von Kundengruppen und -wünschen mit möglichst günstigen Verfahren der Dokumentübermittlung bedienen müssen bzw. wollen, bieten kommerzielle Dokumentlieferanten schon seit Jahren für spezielle Situationen und Kundengruppen konkurrierende bzw. komplementäre Dienste (z.B. für schnelle und an den eigentlichen Bedarfsort erfolgende Dokumentübermittlung). Neue Verfahren und Techniken, die dies noch effizienter und effektiver ermöglichen, konnten sie mit höherer Flexibilität und schneller aufgreifen. In weltweit agierenden Konsortien, z.T. in Verbindung mit Verlagen - z.B. „The UnCover Company" mit CARL Corporation (Colorado Alliance of Research Libraries) und zeitweilig B.H. Blackwell Ltd. - erzeugen sie einen Konkurrenzdruck, auf den insbesondere die nicht kommerziell ausgerichteten Dokumentliefereinrichtungen immer deutlicher reagieren müssen. Die elektronische Bereitstellung und -Übermittlung von Dokumenten ist dabei ein wesentlicher Aktivitätszweig. Dieser wird durch die Flexibilisierung der Bestellverfahren oder auch des Dokumentnachweises flankiert (wie z.B. im Projekt DBV-OSI II für Zeitschriftennachweise; Lit. 12). In diesem Zusammenhang ist auch der Ankauf von CARL und UnCover durch Knight Ridder Information Systems (gleichzeitig Eigner der Hosts DIALOG und DataStar) zu sehen. Dokumentübermittlungsdienste sind offensichtlich ein zunehmend interessantes Geschäftsfeld, mit dem die Angebotspalette von Hosts abgerundet wird. Ähnliches gilt auch für Organisationen, die durch das Anbieten ohnehin vorhandener Dokumentbestände, die aus organisationseigenen Gründen gesammelt und bereitgestellt werden, zusätzliche Kostendeckung erzielen wollen, so z.B. das Beilstein-Institut mit dem Projekt FASTDOC, bei dem elektronisch gespeicherte Dokumente aus dem Anwendungsbereich Chemie bereitgestellt werden. Die klassische Rolle der Bibliotheken im Bereich der Dokumentübermittlung gerät damit in Bedrängnis. Die von ihnen bislang praktizierten Verfahren mit z.T. zweifelhafter Servicequalität (ungewisse Erfolgsquote; nicht akzeptierbar lange Lieferzeiten) erfüllen den Bedarf der Kunden immer weniger. Zwar ist der größte Wettbewerbsvorteil der (Kooperation von) Bibliotheken auch weiterhin ihr inhaltlich breit gestreuter und zeitlich weit zurückreichender Dokumentbestand. Aus Finanznot sowie z.T. auch durch technologischen Rückstand (z.B. hinsichtlich der Bereitstellung von elektronischen Publikationen) ist diese fachliche Breite und Ήβίβ der Dokumentbestände in bundesdeutschen Bibliotheken jedoch gefährdet. Das Aufgreifen neuer Bereitstellungs- und Übermittlungsverfahren und Übermittlungstechniken könnte das Dienstleistungsspektrum differenzieren und verbessern

430

Oßwald: Electronic Document Delivery

und dadurch zur funktionalen Absicherung der Organisationen beitragen. Dies gilt z.B. für das Projekt WebDOC, in dem niederländische, deutsche und ab September 1996 auch Bibliotheken der US-Research Libraries Group (RLG) zusammen mit Pica elektronische Volltexte von Dokumenten und hierfür auch die bibliographischen Nachweise (Projekt WebCAT) bereitstellen. Prinzipiell könnte eine solche Differenzierung der Dokumentlieferdienste - verbunden mit einer Differenzierung der Lieferentgelte - allerdings die Benachteiligung von Kundengruppen wie z.B. Studenten oder schlecht alimentierter Wissenschaftsbereiche auslösen. C 11.4.1.2

Der status quo

Weltweit sind auch heute noch nur kaum mehr als 5% des publizierten Wissens elektronisch verfügbar. Da sich die Kategorie „Wissen" kaum messen läßt, werden Publikationen als Maßstab herangezogen. So sind als Tendenzen identifizierbar: • TVotz deutlicher Zunahme der Anzahl elektronischer Publikationen verschiebt sich das bestehende Verhältnis zum Anteil gedruckter Publikationen nur sehr allmählich. • Die Verschiebung erfolgt vorrangig im Bereich hochaktueller Publikationen. • Inhaltlicher Schwerpunkt der Verschiebung ist eindeutig der STM-Bereich (Scientific, Technical, Medical), in dem auch das hierzu gängige Vorzeigebeispiel, der Preprint-Server der Hochenergiephysiker in Los Alamos, angesiedelt ist. Wegen dieser bislang überwiegend durch Printprodukte geprägten Depotsituation dominieren bei den Depotorganisationen auch die auf Printprodukten basierenden Übermittlungsformen. Diese Verfahren wurden in den vergangenen Jahren insbesondere im Bereich der internen Ablauforganisation wesentlich verbessert. Solche Verfahrensverbesserungen wurden in zahlreichen national und EU-geförderten Projekten erreicht. Auf der nationalen Ebene z.B. mitTIBQuick an der Technischen Informationsbibliothek (ΤΊΒ) in Hannover, mit MEDQUICK an der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZBMed) in Köln, mit DBI-LINK beim Deutschen Bibliotheksinstitut in Kooperation mit einer stetig anwachsenden Zahl von Bibliotheken sowie - seit Herbst 1994 in Planung und Ausarbeitung - mit SUBITO als Bund-Länder-Initiative (Lit. 09). Aus der Fülle internationaler Projekte sollen hier zumindest die Projekte ION und EDIL (Lit. 17) - jeweils mit Beteiligung der Ή Β - und das NAILLD-Projekt (North American Interlibrary Loan and Document Delivery; Lit. 19) in den USA genannt werden. Sie alle zielen u.a. auf eine interne Optimierung der einzelnen Arbeitsschritte der Dokumentlieferung: die Ermittlung der generellen und tatsächlichen Verfügbarkeit sowie des Depotortes, die Übernahme von Bestelldaten für Verwaltung und Versand ohne Mehrfacherfassung, Abrechnungsmodalitäten und Inkassoverfahren (siehe unten) sowie die möglichst am konkreten, aktuellen Bedarf des Kunden orientierte Lieferung bzw. Übermittlung. Die elektronische Übermittlung ist dabei nur ein - allerdings wesentlicher - Teilschritt. Die derzeit dominierenden Verfahren zur Übertragung von gedruckt vorliegenden Dokumenten sind:

C 11.4 Typische Bereitstellungsebenen in der Informationsverteilungskette

431

a) Der Versand bzw. das Faxen von Kopien von Dokumenten - ein Verfahren, dessen Rechtmäßigkeit in der BRD von Verlagsseite in Frage gestellt wurde (vgl. Lit. 06). b) Die elektronische Übermittlung gescannter Kopien von Printdokumenten - direkt an die Kunden (z.B. im Rahmen von JASON; Lit. 20) - an andere Verteilstellen (z.B. eine andere Bibliothek), von der aus die Weitergabe an die Kunden konventionell erfolgt (z.B. im ursprünglich niederländischen Projekt RAPDOC (Rapid Document Delivery), aber auch in JASON oder dem internationalen Kooperationsprojekt EDIL). Wesentlich für die beschleunigte Abwicklung des Bereitstellungs- und Übermittlungsverfahrens ist die elektronische Speicherung von Dokumenten. Diese aber unterbleibt häufig aus zwei Gründen: Zum einen ist die Bevorratung einer digitalen Kopie eines Dokumentes (in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern) urheberrechtlich nur bei entsprechenden vertraglichen Regelungen (normalerweise verbunden mit Entgelten) erlaubt. Zum anderen ist die Nachfrage derartig differenziert, daß die Nachfragewahrscheinlichkeit für ein gespeichertes, ursprünglich gedruckt vorliegendes Dokument zu gering ist, um den Aufwand für Speicherung und Pflege des Datenbestandes zu rechtfertigen. Dennoch wird die digitale Speicherung für einen Kernbestand an Zeitschriften, aber auch Monographien, immer wieder in neuen Konstellationen in Erwägung gezogen, da dieses Konzept entscheidende Vorteile aufweist. Diese beziehen sich insbesondere auf die Bereitstellungsgeschwindigkeit, die Qualität der „Kopien" sowie den reduzierten Personalaufwand bei der Reproduktion. Insbesondere für schon elektronisch erstellte Dokumente ist eine solche Bevorratung naheliegend. Allerdings ist klar, daß - je nach Fachgebiet - eine kritische Masse von Zeitschriften leicht mehrere hundert bzw. mehr als 1.000 Zeitschriften umfassen muß. Im Bereich der Verfahrensoptimierung bei der Selektion und dem Zugriff auf nachgewiesene Dokumente erwächst insbesondere den Bibliotheken auch dadurch Konkurrenz, daß ihre Zulieferer in wachsendem Maße ergänzende Mehrwertdienste anbieten. Solche Mehrwertdienste (mit Lock- und Kundenbindungsfunktion) können „table of contents", Abstracts und andere inhaltserschließende Angebote sein, aber auch Datenbanken mit Bestandsangaben und direkten Bestellfunktionen. Da diese Angebote standortunabhängig über Kommunikationsnetze erreichbar sind, verlieren Bibliotheken für bestimmte Kundengruppen und Bedarfssituationen an Bedeutung.

C 11.4.2

Bereitstellung durch Verlage

Dokumente als Teile von (Print-)Publikationen werden von Verlagen bislang normalerweise nicht geliefert. In Kombination mit elektronischer Bereitstellung und/ oder Übermittlung wurden in den vergangenen Jahren allerdings zunehmend Verfahren erprobt, die deutlich in diese Richtung weisen: a) Elektronische Kopien ausgewählter Printpublikationen (= Parallel- bzw. Sekundärpublikationen) werden im Rahmen von Abonnements auf Diskette oder CD-ROM vertrieben. Die

432

Oßwald: Electronic D o c u m e n t Delivery

elektronischen Datenträger sind hierbei lediglich Distributions- und Transport medium. Ausgewählt wird von den Anbietern sowohl auf der Ebene der Publikationsorgane (zumeist Zeitschriften) als auch im Hinblick auf die Beitragsarten (z.B. begutachtete Beiträge). Die konkrete Bereitstellung des Beitrages beim Interessenten erfolgt im Verfahren „Publishingon-demand 14 durch ihn selbst, wobei diese Rolle durchaus auch Distributoren wie Bibliotheken o.a. zufallen kann. Prototyp hierfür ist ADONIS, ein auf die Vor-Ort-Bereitstellung von faksimilierten Zeitschriftenbeiträgen ausgerichtetes Projekt/Produkt führender Verlage aus dem Bereich Pharmazie und Medizin (Lit. 03). Vorrangiges Ziel der Verlage ist dabei nicht allein die Erfüllung von Kundenwünschen, sondern insbesondere das Abschöpfen von Erträgen aus urheberrechtlich begründeten Verwertungsrechten, die beim - alternativen - Kopieren aus Printpublikationen den Verlagen weitgehend verloren gehen würden.Verfahrenstechnisch sind diese Dokumente Reprints (normalerweise im Faksimile-Format) - gleichgültig, ob die Wiedergabe gedruckt oder elektronisch erfolgt. Die elektronische Ausgabe ( = Übermittlung) der Dokumente kann allerdings auch über beliebige Distanzen erfolgen (z.B. innerhalb eines großen Betriebes), sofem die Datenübertragungskapazität und am Ausgabeort die entsprechende technische Ausstattung zur Verfügung steht. Würde dieses Konzept zu Ende gedacht - und solche Überlegungen gibt es auf Verlagsseite -, genügte im Prinzip die Produktion einer CD-R(OM) mit den entsprechenden Dokumenten bzw. die Bereitstellung auf einem Dokumentserver, um den Dokumentbedarf zu erfüllen - leistungsfähige und kostengünstige Netze vorausgesetzt. b) Vermehrt gehen Verlage auch dazu über, elektronische Primärpublikationen als Offline-Produkte auf Datenträgern (Disketten oder CD-ROM) anzubieten. Insbesondere bei multimedialen Publikationen/Dokumenten vermuten Verlage neue Geschäftsfelder, für die sie z.T. herstellereigene Anwendungs- und Wedergabeprogramme wählen und dadurch die sonst für digitale Dokumente üblichen Austausch- und Verteilverfahren unterlaufen. Deshalb sowie wegen der im Multimedia-Zusammenhang normalerweise hohen Datenmengen werden zur Verteilung zumeist Offline-Datenträger gewählt. Dieses Vermarktungskonzept stößt wegen der Vielzahl nötiger Wiedergabekonfigurationen zunehmend auf den Widerstand von Bibliotheken. c) Elektronische Primär- und Parallelpublikationen als Online-Angebote werden auf speziellen Dokumentservem bereitgestellt (z.B. die Projekte TULIP, das Projekt Red Sage mit dem RightPages-Dienst (Lit. 11), die Projekte WebDOC oder auch MeDOC; zur bibliothekarischen Sicht vgl. Lit. 15). D i e elektronische Bereitstellung im W W W - gleichgültig o b elektronische Primäroder Parallelpublikation - dürfte für bestimmte D o k u m e n t t y p e n schon bald an B e deutung gewinnen. D i e s auch deshalb, weil wissenschaftliche Organisationen ( z . B . die D e u t s c h e Mathematiker-Vereinigung) die Selektions-, Aufbereitungs- und Verteilfunktion der Verlage prinzipiell ebenfalls erfüllen können (Lit. 07), zumal die fachliche B e w e r t u n g und Selektion sowieso häufig von deren Mitgliedern - unentgeltlich - geleistet wird. Einhergehen würde dies mit der zentralen Bereitstellung und Verteilung allein digitaler D o k u m e n t e . D u r c h w e i t g e h e n d e Automatisierung könnte dies für die Bezieher wesentlich kostengünstiger als über Verlage erfolgen. Angesichts der Finanznot wissenschaftlicher Einrichtungen eine interessante Alternative und ein typisches Beispiel, w i e veränderte Bereitstellungs- und Übermittlungsmöglichkeiten direkt auf die Funktionsverteilung der A k t e u r e in der Informationsverteilkette rückwirken. A b h ä n g i g von den Organisationen (Verlage, Verbände), die die Bereitstellung auf dieser E b e n e ü b e r n e h m e n , werden die jeweiligen A n g e b o t e begrenzt und die mög-

C 11.4 Typische Bereitstellungsebenen in der Informationsverteilungskette

433

lichen Bezugsformen von den - gegebenenfalls wirtschaftlichen - Interessen der Anbieter beeinflußt sein. Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß die Anonymität des Zugriffs und der Nutzung von Dokumenten, wie wir sie von Bibliotheken kennen, aufgehoben wird, da elektronisch kontrollierte Zugangsbarrieren auf formaler (z.B. Organisationszugehörigkeit) oder wirtschaftlicher Grundlage (Entgelte; Kreditkarten oder sog. deposit accounts, d.h. vorab hinterlegte Geldbeträge) aufgebaut werden.

C 11.4.3

Bereitstellung durch Autoren

Dokumente, insbesondere aus dem und für den technisch-wissenschaftlichen Bereich, werden mittlerweile fast vollständig unter Zuhilfenahme von Textverarbeitungssystemen bzw. speziellen Editoren erstellt. Dabei machen sich die Autoren u.a. die Tatsache zunutze, daß Daten, die sie im Rahmen ihrer Texterstellung nutzen wollen, u.U. schon digital vorliegen: z.B. als Einträge in Literaturdatenbanken oder - im Normalfall - als früher erstellte (eigene) Text-, Bild- bzw. Grafikdateien. Die Übernahme bzw. Einbindung solcher Daten ist sowohl zur Arbeitserleichterung als auch zur Referenzierung relevant. Solche Dokumente werden von den Autoren selbst mindestens in den folgenden zwei Varianten bereitgestellt: a) Im Sinne des hier genutzten Dokumentbegriffes als Preprint zur Bekanntgabe der im Wissenschaftsbetrieb wichtigen Erstbearbeitung bzw. Erstentdeckung. Normalerweise fehlt solchen „Dokumenten" die qualitative Einstufung, die durch den QualitätssichemngsprozeB im Rahmen eines Veröffentlichungsverfahrens erst zustande kommt. Analog werden heute „elektronische Preprints" angezeigt und zentral auf Servern abrufbar bereitgestellt. Immer beliebter wird auch die Bereitstellung als PostScript- oder PDF-Datei sowie die gegliederte Bereitstellung im WWW auf der Grundlage von HTML-markierten Tfexten (Lit. 15). Durch Anzeige in entsprechenden fachlichen Mailinglisten ist damit das Kriterium der Veröffentlichung erfüllt. In einigen Wissenschaftsbereichen (wie z.B. oben für die Hochenergiephysik erwähnt) ist dies mittlerweile die bevorzugte Erstveröffentlichungsform. b) Verfahrenstechnisch analog zur Bereitstellung von Preprints als weitgehend zeitgleiche, elektronische Parallelveröffentlichungen mit unterschiedlich entwickelter Bezugnahme auf das Printparadigma.

In beiden elektronischen Varianten ist es den Interessenten überlassen, Dokumente abzurufen. Die Übermittlung ist nur elektronisch möglich (mittels explizitem Filetransfer, e-mail oder lokaler Speicherung eines WWW-Dokumentes). Den elektronischen Bereitstellungsverfahren durch Autoren ist gemein, daß sie normalerweise unentgeltlich auf organisationseigenen und/oder fachspezifischen Servern erfolgt. Dominierend ist hierbei das Anzeige-, Verbreitungs- und Kommunikationsinteresse der Autoren. Problematisch im Hinblick auf die Dokumentermittlung und -Übermittlung sind die Lokalisierung, die Varianzbreite der (häufig herstellerspezifischen) Dateiformate, die genutzten Komprimierungsverfahren sowie nicht zuletzt die Kontinuität der Bereitstellung. Im Falle einer tatsächlichen Veröffentlichung als gedruckte Publikation werden Fragen der Deckungsgleichheit mit dem digitalen Dokument relevant, da die elektronischen Publikationen sehr leicht aktualisiert bzw. manipuliert werden können.

434

C 11.5

Oßwald: Electronic Document Delivery

Verarbeitongsmögllchkeiten durch den Empfanger bzw. Bezieher

Prinzipielle Beschränkungen für die Verarbeitungsmöglichkeiten beim Empfänger bzw. Bezieher elektronischer Dokumente ergeben sich insbesondere aus (vertrags)rechtlichen Regelungen sowie durch den Konvertierungsaufwand (technisch und zeitlich), der bei entsprechenden Umsetzungen notwendig wird. Wesentlich ist, daß für standardisierte Verfahren der Dokumentbereitstellung (z.B. US-ASCII, Standard-Textverarbeitungssysteme, Telefax, PostScript, HTML-ausgezeichnete Dokumente) z.T. die Möglichkeit der Einbindung in andere Anwendungen, d.h. der automatisierten Weiterverarbeitung besteht. Die möglichen bzw. notwendigen Verfahren für eine solche Übernahme (der Daten) digitaler Dokumente sind vielgestaltig (Lit. Ol). Entscheidend ist jedoch, daß die Übernahme wesentliche informationelle Mehrwerte ermöglicht, die so bei nicht-elektronischen Übermittlungsverfahren nicht gegeben sind. Dies gilt insbesondere für die Übernahme und flexible Darstellung sowie Weiterverarbeitung von Grafiken und Text(teilen).

C 11.6

Bestellung, Entgelte und Abrechnungsverfahren sowie rechtliche Rahmenbedingungen der Dokumentübennittlung

Schon durch die elektronische Übermittlung alleine ergeben sich Veränderungen wie dargestellt - im Hinblick auf die Organisation der Dokumentübergabe/-übernahme sowie die Weiterverarbeitung durch den Bezieher. Entscheidenderen Einfluß hat jedoch die elektronische Verfügbarkeit der Dokumente. Diese vorausgesetzt, reduziert sich insbesondere die personalintensive Bearbeitung am Bestell- sowie Depotort. Im Prinzip kann die Entnahme (i.S. von Kopieren) aus dem Speicher sowie die Übermittlung dann automatisiert erfolgen. Schon bei herkömmlichen Systemen zur Depotorganisation (bibliographische Nachweise mit Standort- und Verfügbarkeitsdaten) kann die Lokalisierung von Dokumenten optimiert werden (s.o.). Die Entnahme aus dem Regal sowie das Kopieren wird jedoch lange Zeit noch manuell erfolgen. In elektronischen Umgebungen jedoch sind andere Verfahren des Wiederfindens und Zugriffs notwendig. Dies gilt nicht zuletzt für Dokumente im WWW (vgl. WebDOC oder MEDOC). Die dort derzeit gebräuchlichen URLs (Uniform Resource Locators) werden vermutlich schon bald von stabileren Beschreibungskonzepten abgelöst werden. Sowohl die Übermittlung einer Bestellung, die normalerweise gegen Entgelt erfolgt bzw. die Möglichkeit des Zugriffs auf Adreßdaten des Bestellers voraussetzt, als auch die eigentliche Abrechnung der Übermittlung sollte idealerweise nur elektronisch, d.h. auf der Grundlage maschinell verarbeitbarer Daten erfolgen (Lit. 05). Übertragungsaufwand sowie mögliche Übertragungsfehler werden damit weitgehend vermieden. So kann z.B. der Abgleich mit schon vorhandenen Bestellerdaten etc. automatisch stattfinden. Hier liegen wesentliche, bislang noch wenig ausgeschöpfte Rationalisieningspotentiale. Die Inkassoregelungen für gelieferte/übermittelte Dokumente befinden sich eben-

C 11.7 Entwicklungstendenzen

435

falls in e i n e m Umbruch. Obwohl z.T. noch umstritten ist, in w e l c h e m M a ß e für derartige Dienstleistungen Entgelte erhoben werden (sollen), ist das Bewußtsein für die relevanten Kostenfaktoren mittlerweile gewachsen. D i e s e sind mindestens a) Beschaffungskosten (u.U. auch als Verlagsabgabe erst bei On-demand-Bestellung anfallend): Hier ist noch keine stabile, anbieterübergreifende Preispolitik erkennbar; allerdings versuchen wissenschaftliche Vereinigungen, diese Kosten durch eigene Aktivitäten zu reduzieren (Lit. 07). b) Vorhaltekosten im Magazin oder elektronischen Depot·. Hier gibt es noch wenig Vergleiche; angenommen werden kann aber, daß die Kosten der elektronischen Depotorganisation schon kurzfristig günstiger werden; offen sind hingegen die Kosten der mittel- und langfristig unvermeidlichen Datenkonvertiemng. c) Dienstleistungsstückkosten für die konkrete Bereitstellung: Sie könnten bei elektronischer Vorhaltung und Abruforganisation wesentlich reduziert werden. d) Übermittlungskosten: Sie sind wohl am wenigsten umstritten; elektronische Verfahren erweisen sich hierbei als extrem kostengünstig. e) Urheberrechtsentgelte für die konkrete Nutzung: Sie sind bei elektronischer Übermittlung leichter der konkreten Nachfrage zuzuordnen, wodurch allerdings nicht zuletzt für Bibliotheken haushaltstechnische Probleme entstehen. Deshalb werden von diesen zumeist standortbezogene Lizenzen angestrebt. Insbesondere hinsichtlich der Urheberrechtsentgelte zeichnen sich für elektronisch bereitgestellte und übermittelte D o k u m e n t e drei Varianten ab: 1. Die Urheber verzichten auf einen finanziellen Ausgleich ihrer Verwertungsrechte und erwarten lediglich die Anerkennung der Urheberschaft als solches (derzeit noch typische Situation im WWW). 2. Die Verwertungsrechte werden mittels einer Pauschale (z.B. „Copyright Geared", Praxis des British Library Document Supply Centre, BLDSC) abgegolten. 3. Die Eigner der Verwertungsrechte treten diese - gegen Entgelt - an Dritte ab; diese wiederum erheben dann bei jeder Bestellung eine entsprechende, von Dokument zu Dokument unterschiedliche Abgabe (Regelung bei UnCover). D a die Inkassoverfahren bislang mit der Entwicklung elektronischer Bereitstellungs- und Übermittlungsverfahren nicht mithalten konnten, erweisen sie sich derzeit als H e m m s c h u h der Entwicklung. Insbesondere ihre Sicherung g e g e n ü b e r Mißbrauch ( z . B . Mitschneiden entsprechender C o d e d a t e n etc.) ist noch nicht endgültig und kostengünstig gelöst. E s kann aber a n g e n o m m e n werden, daß der Problemdruck aus nichtbibliothekarischen A n w e n d u n g s b e r e i c h e n , speziell d e n C o n s u m e r Services, hier rasch für Abhilfe sorgen wird (Lit. 16). Parallel dazu w e r d e n z . B . im E U - g e f ö r d e r t e n Projekt D E C O M A T E aus bibliothekarischer Perspektive Lösungen für das Problem gesucht.

C 11.7

Entwicklungstendenzen

Für die k o m m e n d e n Jahre ist eine deutliche Verlagerung der praktizierten D o k u mentlieferverfahren in Richtung elektronische Dokumentübermittlung zu erwarten. D i e s konkretisiert sich in

436

Oßwald: Electronic Document Delivery

1. der elektronischen Übermittlung gescannter Printvorlagen durch Bibliotheken und Bibliothekskonsortien direkt an die jeweiligen Interessenten, 2. dem elektronischen Abrufen digital vorliegender Dokumente durch die Interessenten, ohne daß die Depotorganisationen hierbei noch konkret aktiv werden müssen. Kostenpflichtige Mehrwertdienste werden dabei die Interessenten zunehmend von technischen und organisatorischen Fragen bezüglich des Abrufverfahrens entlasten. Ziel dieser Veränderungen ist eine verbesserte Servicequalität einerseits und Rationalisierung andererseits. Für den Kunden bedeutet dies schnellere Übermittlung an den Bedarfsort und reduzierter (bzw. entfallender) Verwaltungsaufwand bei Bestellung und Inkassoverfahren. Die herkömmlichen Lieferverfahren für papierne Kopien von Printprodukten werden parallel weiterexistieren, aber vermutlich immer häufiger nur noch für bestimmte Dokumentgruppen oder in Fällen unzureichender technischer Ausstattung bei der sendenden oder liefernden Stelle Bedeutung haben.

Literatur 01. Babiak, Ulrich: Download - und was dann? Dateiformate erkennen und handhaben. In: ABI-Technik 15 (1995) H. 4, S. 443-448 02. Cleveland, Gary: Electronic Document Delivery: Converging Standards and Technologies, Ottawa 1991 (IFLA, Universal Dataflow and Telecommunications (UDT) Series on Data Communication Technologies and Standards for Libraries, Report 2) 03. Compier, Henk; Campell, Robert: ADONIS gathers momentum and faces some new problems. - In: Interlending & Document Supply 23 (1995) Nr. 3, S. 22-25 04. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Dokumentlieferung für Wissenschaft und Forschung. Perspektiven zur weiteren Entwicklung. In: ZfBB 41 (1995) H. 4, S. 375-392 05. Franken, Klaus; Nagelsmeier-Linke, Marlene: Das Konstanzer Fernleihprojekt: derzeitiger Stand, Perspektiven und offene Fragen. - In: ZfBB 42 (1995) H. 3, S. 229-250 06. Goebel, Jürgen; Scheller, Jürgen: Kopieren geht über studieren. Document Delivery-Dienste beschäftigen die Gerichte. In: cogito 11 (1995) H. 4, S.16-19 07. Groetschel, Martin; Lügger, Joachim: Wissenschaftliche Kommunikation am Wendepunkt - Bibliotheken im Zeitalter globaler elektronischer Netze. In: ZfBB 42 (1995) H. 3, S. 287312 08. Heijne, Maria A.M.: Survey of Projects and Services in Document Delivery, Version 3; Utrecht 1994 09. Hirsch, Michael Christian: SUBITO - eine neue Initiative von Bund und Ländern zur schnellen Lieferung wissenschaftlicher Dokumente. In: ZfBB 42 (1995) Η. 1, S. 31-43 10. Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen, Konstanz 1995 (Schriften zur Informationswissenschaft; 15) 11. Lucier, Richard E.; Brantley, Peter: The Red Sage Project: An Experimental Digital Journal Library for the Health Sciences. A Descriptive Overview. - In: D-Lib Magazine, August 1995 (nur elektronisch verfügbar) 12. Luchner, Bernd: Das DBV-OSI II Projekt: eine Standortbestimmung. In: ZfBB 42 (1995) H. 4, S. 365-375 13. Oßwald, Achim: Electronic Document Delivery. In: Buder, Marianne; Rehfeld, Werner; Seeger, Thomas (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation.

C 11 Literatur

14. 15.

16. 17. 18.

19. 20.

437

Ein Handbuch zur Einführung in die fachliche Informationsarbeit. 3. völlig neu gefaßte Ausgabe, München u.a. 1990, Band 1, S. 305-314 Oßwald, Achim: Dokumentlieferung im Zeitalter Elektronischen Publizierens, Konstanz 1992 (Schriften zur Informationswissenschaft; Bd. 5) Ρ rice-Wilkin, John: Using the World-Wide Web to Deliver Complex Electronic Documents: Implications for Libraries. In: The Public-Access Computer Systems Review 5 (1994) H. 3, S. 5-21 Singleton, Andrew: Cash on the Wirehead. - In: Byte 20 (1995) Nr. 6, S. 71-78 Tehnzen, Heike: EDIL - Electronic Document Interchange between Libraries. Bericht über die Phasen 1 und 2 des EU-Projektes. In: ABI-Technik 15 (1995) H. 2, S. 139-153 T\ick, Bill: Document Ordering and Delivery Systems in Europe: projects of the European Commission, services, conditions and prices. Beitrag zur Tilgung „Elektronisches Publizieren und Bibliotheken - die Herausforderung neuer Partnerschaften", Stadthalle Bielefeld, 5.-7.2.1996 (maschinenschriftliches Typoskript) Himer, Fay: Document Ordering Standards: The ILL Protocol and Z39.50 Item Order. In: Library HiTech Issue 51, 13 (1995) Nr. 3, S. 25-38 Waltener, Michael: Schnellbestellsystem für Zeitschriftenaufsätze im Rahmen des Zeitschriftenschwerpunktprogrammes des Landes Nordrhein-Westfalen JASON-NRW. - In: Franken, Klaus; Neubauer, Karl-Wilhelm: Elektronische Fernleihe und Dokumentlieferung. Referate anläßlich eines Symposiums in Bonn vom 29.9. bis 1.10.1993, Konstanz 1994, S. 163-174 (Bibliothek aktuell; Sonderheft 11)

438

C12

Funktionale Informationsdienste Ralph Schmidt

„Unsere Netze strotzen vor Daten. Etwas davon ist Information. Ein Bissel dessen erscheint als Wissen. Unter Hinzufügung von Erfahrung, Kontextbezug, Mitleid, Disziplin, Humor, Toleranz und Bescheidenheit wird Wissen vielleicht zu Weisheit." [Clifford Stoll: Die Wüste Internet, 1995]

Online-Netze, Datenbanken, konventionelle Informationsdienste bieten heute jedem, der Informationen sucht, eine unüberschaubare Fülle von Daten, Fakten, Texten und Referenzen. Doch in dieser Vielfalt des Angebots ist professionelle Hilfe oft unerläßlich, um auf Fragen die richtigen Antworten zu finden. Je komplizierter die Mediengesellschaft, desto größer das Bedürfnis nach kompetenter Orientierungshilfe. Mit wachsender technischer Komplexität und struktureller Verflechtung des Informationsmarktes wächst der Bedarf an einschlägigen Informationsexperten und -dienstleistungen. C 12.1

Informationsdienstleistang

Unter „Informationsdienstleistungen" oder auch „funktionale Informationsdienste" fallen alle Betätigungen, die von geschulten Informationsspezialisten gezielt und im gegenseitigen Kontakt mit individuellen Nachfragern und in deren Auftrag für die Befriedigung aktueller und latenter Informationsbedürfnisse und zur Lösung konkreter Informationsprobleme unter Ausnutzung aller verfügbaren Ressourcen des Informationsmarktes angeboten und ausgeführt werden. Der Begriff „Informationsvermittlung" wird enger gebraucht (vgl. Lit. 10); er umfaßt die in der Regel professionelle Tätigkeit der Recherche, Selektion, Beschaffung, Bewertung, Aufbereitung und Weitergabe von Daten, Texten, Materialien und Medien zur Dekkung von Informationsbedürfnissen Dritter. Die Begrifflichkeit zur Beschreibung funktionaler Dienste hat sich in den letzten Jahren verändert. Nachdem zunächst der ursprünglich im Bibliotheksbereich verankerte Begriff der Informationsvermittlung später auch in den privatwirtschaftlichen Sektor Eingang fand, nährte bald darauf der aus den USA importierte Begriff „Information Broker" (oder eingedeutscht „Informationsmakler") Hoffnungen und Erwartungen auf neue und profitträchtige Dienstleistungsnischen (Lit. 13). Heute ist das Bild vom rein technisch versierten Informationsvermittler und online-fixierten Information Broker (Lit. 14) weitgehend vom Verständnis des beratend wirkenden Information Consultant abgelöst worden (Lit. 25). C 12.1.1

Funktionale Informationsdienste und Wissenstransfer

Als problembezogene Unterstützungs- und Beratungstätigkeit sind funktionale Informationsdienste ein Teil des Wissenstransfers, in den alle Arten von Informationen, Daten, Bewertungen und Prognosen zu einem wirkungsorientierten Bera-

C 12.2 Tätigkeitsfeld Informationsdienstleistung

439

tungskonzept integriert sind. Wissenstransfer zielt darauf ab, die in wissenschaftlichen, technischen oder praktischen Erkenntnissen enthaltenen Informationen als Handlungswissen in den Produktions- und Anwendungsbereich zu überführen und für weitergehende Problemlösungen nutzbar zu machen. Nur ein kleiner Teil aller Prozesse im Wissenstransfer stützt sich dabei auf die klassische Fachinformation und -dokumentation; von weitaus größerer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Informationstransfer durch „verkörpertes Wissen" wie ζ. B. Personaltransfer, Unternehmensberatung oder Kooperationsprojekte. C 12.1.2

Funktionen der Informationsdienstleistung

In ihrer Grundfunktion dienen funktionale Informationsdienste der Vermittlung fachlicher Information zwischen Informationsproduzenten, Informationsanbietera und den Endnutzern von Fachinformation (Lit. 02). Darüber hinaus erfüllen funktionale Informationsdienste drei zusätzliche Funktionen: - Fast immer soll die vermittelte Information die Lösung konkreter Probleme fördern, die ohne Rückgriff auf Informationsressourcen des Marktes nicht zu lösen wären; - Informationsvermittlung trägt zum horizontalen und vertikalen Informations-, Technologieoder Wissenstransfer bei und begünstigt Innovationsprozesse; - Informationsvermittlung ist ein Element der fachlichen Kommunikation und übernimmt damit eine wichtige interdisziplinäre Brückenfunktion.

Träger dieser Funktionen sind eine Vielzahl informationsvermittelnder Betriebe und Unternehmen, Institutionen oder Personen, die als professionalisierte Informationsagenturen ihre Dienste anbieten und flexibel auf Informationsnachfragen reagieren. Solche Informationsagenturen sammeln im Lauf ihrer Arbeit ein reiches Erfahrungswissen an, das sie wieder für andere Aufträge nutzen können, und sie stellen sich aktiv auf zukünftige Entwicklungen und Anforderungen in ihrem speziellen Wirkungsfeld ein (Lit. 24).

C 12.2

Tätigkeitsfeld Informationsdienstleistung

Die Fertigkeiten und Kenntnisse, die einen Informationsspezialisten für seinen Beruf qualifizieren, umfassen eine breite Skala methodischer, technischer, organisatorischer und sogar psychologischer Erfahrungen und Fähigkeiten (Lit. 07). Neben dem grundlegenden methodischen Wissen über Informationstechnik, Informationsquellen und Informationsstrukturen wird auch die Fähigkeit erwartet, komplexe Informationsprobleme erfassen, analysieren, strukturieren und lösen zu können. Zusätzlich sollten Informationsberater und -vermittler vertrauensfördernde Beraterqualitäten aufweisen, sie müssen als Übersetzer zwischen unterschiedlichen Fachsprachen und Wissensstrukturen vermitteln, sie sollten als Wissensingenieure alle Spielarten der modernen Informations- und Kommunikationstechnik beherrschen, und sie müssen als Pfadfinder im Informationsdschungel die vielfältigen Wege, Kanäle und Quellen der Informationslandschaft kennen, über die Wissen ermittelt und vermittelt wird.

440 C 12.2.1

Schmidt: Funktionale Informationsdienste Komponenten der Informationsdienstleistung

Als Bindeglied zwischen Informationsproduzenten und Informationsrezipienten schließen die funktionalen Dienste eine organisatorische Lücke zwischen Informationsangebot und -nachfrage. Je nach Art des Informationsauftrags und der Lösungserwartung des Auftraggebers werden die im folgenden beschriebenen Phasen der Informationsdienstleistung in unterschiedlicher Form und Intensität realisiert.

C 12.2.1.1 Informationsanfrage Eine Informationsanfrage erfolgt in der Regel aufgrund eines Informationsproblems bzw. eines Wissensdefizites eines Auftraggebers. Bei komplexen Informationsproblemen ist oft unbekannt, welche Informationen tatsächlich benötigt und gesucht werden. Meistens kann das Informationsdefizit des Nachfragers nur vage und unpräzise umrissen werden. Informationsvermittler müssen das dem Informationsdefizit zugrundeliegende Problem nicht nur erkennen, verstehen und analysieren, sondern auch von der Denkund Verstehenswelt des Klienten in eigene Denkstrukturen übersetzen. Dabei sind Fehlinterpretationen und Mißverständnisse nur selten auszuschließen. Der Prozeß des gegenseitigen Erklärens und Verständlichmachens eines Informationsproblems ist vielschichtig und kann je nach Komplexität des Problems in mindestens elf verschiedene Phasen aufgegliedert werden. Jede dieser Phasen birgt für die Kommunikation zwischen Klient und Informationsberater eigene Hindernisse und wirkt sich auf Erfolg und Qualität der Informationsvermittlung aus. Am Beispiel einer Informationsanfrage zum Thema „Elektrisch leitende Kunststoffe" sollen die verschiedenen Stadien, in denen Übersetzungprobleme auftreten können, verdeutlicht werden: 1. Informationsbedürfnis des Klienten (Was wird benötigt?) „Fortschrittsbericht und Marktanalyse zur Technologie elektrisch leitender Kunststoffe" 2. Informationsbedarf des Klienten (Was wird als nötig empfunden?) „Trendbezogene und marktbezogene Literatur über elektrisch leitende Kunststoffe" 3. Frageformulierung (Was wird gefragt?) ,Jch brauche neueste Daten zu elektrischen Kunststoffen" 4. Frageinhalt (Was war gemeint?) „Ich brauche neue Übersichtsartikel zum Thema elektrisch leitende Kunststoffe" 5. Interpretation des Berateis (Was wird verstanden?) „Stoffdaten und Materialeigenschaften von Kunststoffen mit elektromagnetischen Eigenschaften " 6. Operationalisierung des Informationsproblems (Wo wird gesucht?) „Formelsammlung, Chemie- und Kunststoffdatenbanken" 7. Codierung des Problems (Wie wird gesucht?) „kunststofß AND (elektr$ OR magnetS)" 8. Potentiale des Informationssystems (Was wird ermittelt?) „Daten und Texte über Kunststoffverbindungen mit elektrischen Eigenschaften und Anwendungen" 9. Form der Präsentation (Was wird wie weitergegeben?) Auszüge aus Datenbanken, Kopien aus Stoffdatensammlungen"

C 12.2 Tätigkeitsfeld Informationsdienstleistung

441

10. Interpretation des Klienten (Was wird verstanden?) „Es gibt keine ernstzunehmenden Entwicklungen im Bereich elektrisch leitender Kunststoffe" 11. Transferprodukt (Was hat das Ergebnis bewirkt?) „Das anfragende Institut beteiligt sich nicht an einer Projektausschreibung"

Nur über das persönliche Gespräch in einem Beratungsinterview lassen sich durch geeignete Gesprächstechniken die Informationsbedürfnisse des Klienten ergründen, lassen sich Rahmenbedingungen, lassen sich Motive und Verwertungsabsichten, lassen sich Bedeutungsinhalte und Konkretisierungen einer Informationsanfrage zuverlässig ermitteln. Voraussetzung für einen solchen verstehenden Dialog sind drei Eigenschaften des Vermittlers: - aktives Zuhören, - das Hineinversetzen in das Denken und in die Vorstellung anderer (Informationsempathie), - die Bereitschaft zu Verstehen und Verstandenes in einfacher Form zu wiederholen.

Diese Fähigkeit, im Gespräch von den eigenen Wertvorstellungen und Interessen abstrahieren zu können und gewissermaßen ein Problem durch die Augen anderer zu sehen, ist also wichtigste Voraussetzung dafür, Informationsanfragen verstehen und für die Nutzer befriedigend beantworten zu können (Lit. 17). C 12.2.1.2 Infonnationsbeschaffnng Die Vielfalt der elektronischen wie konventionellen Informationsmöglichkeiten erfordert von einem qualifizierten Informationsberater ein breites Spektrum fachlicher und informationsmethodischer Kenntnisse, um die gesamte Palette der zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten effektiv nutzen zu können. Neben die traditionellen bibliothekarischen, dokumentarischen und informellen Informationsquellen sind heute zunehmend neue Verfahren der elektronischen, computergestützten und technisch vermittelten Informationsbereitstellung getreten (Lit. 20). Zu einer umfassenden Informationsrecherche gehört die Kenntnis der Organisation des Fachinformationssystems und des geeigneten Informationszugangs ebenso wie die Fähigkeit, Retrievalsysteme zu bedienen, effiziente Recherchestrategien zu entwickeln oder relevante Informationen zu identifizieren und zu selektieren. C 12.2.1.3 Informationsanfbereitung Der Nachweis isolierter Daten, das Auffinden einzelner Fakten, die Recherche nach Referenzen oder die Beschaffung von Originaldokumenten reichen in der Regel nicht aus, um den gesamten Informationsbedarf eines Klienten zu befriedigen. Je nach Art der Anfrage und Vorkenntnis des Klienten müssen die recherchierten Daten zu nützlichen und brauchbaren Informationen komprimiert werden. Der Aufbereitungsgrad der Recherche hängt dabei von mehreren Faktoren ab: von den wissenschaftlichen und fachlichen Vorkenntnisse des Klienten, von dessen Auffassungsvermögen und seiner Rezeptionsbereitschaft. Zielsetzung und Verwendungszweck der Recherche sowie das zugrundeliegende Problem sollten bei der Präsentation und Gestaltung des Rechercheergebnisses ebenso berücksichtigt wer-

442

Schmidt: Funktionale Informationsdienste

den wie der zu erwartende Arbeitsaufwand, die Verfügbarkeit von Informationsressourcen, zeitliche Restriktionen und Kosten/Nutzen-Überlegungen. Nach ihrem Komplexitätsgrad können funktionale Informationsdienste in drei unterschiedliche, aber nicht eindeutig abgrenzbare Kategorien unterteilt werden: • Die synthetische Informationsdienstieisfting stellt die aufgrund einer spezifischen Anfrage recherchierten Daten zu problemorientiert strukturierten Informationssammlungen zusammen. Das Rechercheergebnis ermöglicht dem Nutzer eine systematische Orientierung in dem recherchierten Fachgebiet - eine Lösung von Informationsproblemen kann mit einer einfachen synthetischen Recherche nicht erzielt, allenfalls vorbereitet werden. Zu den synthetischen Informationsdienstleistungen ist das Information Brokering bzw. die datenbankorientierte Informationsvermittlung zu rechnen (Lit. 05) oder die Tätigkeiten von Auskunftsdiensten und Gearingstellen (Lit. 15). • Die synoptische Infonnationsdienstleistnng zielt darauf ab, zu einem oft interdisziplinären Forschungsthema, zu einer fachübergreifenden Fragestellung oder zu einem spezifischen Verfahrensproblem eine aktuelle Wissensübersicht zu geben, die den anfragenden Wissenschaftler, Techniker oder Manager in die Lage versetzt, anhand einer fachlichen Positionsbestimmung eigene Arbeiten und Zielsetzungen besser dem gegebenen Stand des Wissens anpassen zu können. In Form von Literatur- oder Fortschrittsberichten, Stand-der-Technik-Übersichten oder thematischen Sachstandsvergleichen liefern komplexe Informationssynopsen ein Orientierungswissen, mit dem Einzelfragen in einen umfassenderen Sach- und Sinnkontext eingeordnet werden können. • Die analytische Informationsdienstieistnng verdichtet recherchierte Daten zu Expertisen, thematischen Studien und wissenschaftlichen Analysen, die auf der Grundlage der Faktenund Literaturlage neue Erkenntnisse und mögliche Problemlösungen formulieren; diese Form der Wissensaufbereitung und Wissensverarbeitung gilt als wichtiges Element im Wissenstransfer und bereitet nicht selten folgende beratungsbezogene Dienstleistungen vor.

C 12.2.1.4

Umsetzung und Anwendung

Die Übertragung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in die Anwendungspraxis ist das Ziel von Informationsdienstleistungen in den Bereichen Technologie-, Innovations- und Wissenschaftstransfer. Institutionen, die ihre Klienten bei der Umsetzung und Anwendung recherchierter Fachinformation beraten und unterstützen, sind ζ. B. Unternehmensberatungen, Technologieberater, Innovationsberatungsstellen, Management Consultants, aber auch Patentanwälte und Steuerberater (Lit. 19). Das Ergebnis einer Informationsdienstleistung wird vom Auftraggeber als besonders verläßlich und relevant eingestuft, wenn es mit der persönlichen Kompetenz des Informationsexperten verknüpft wird. Beratende Informationsagenturen haben gegenüber Information Brokern deutliche Erfahrungsvorteile, wo und wie unternehmensrelevante Informationen beschafft werden können, und sie genießen darüber hinaus aufgrund der engen Kooperation mit ihren Klienten deren Vertrauen. C 12.2.2

Typologie funktionaler Informationsdienste

Es gibt eine breite Palette unterschiedlicher Modelle, Konzepte und Formen von Informationsagenturen und -dienstleistungen. Für die spezielle Form der Informationsvermittlungsstelle (IVS) lassen sich nach der organisatorischen Einbindung im wesentlichen vier Gruppen unterscheiden:

C 12.3 Rahmenbedingungen funktionaler Informationsdienste

443

• Die interne IVS (IVS-I), die sich a b innerbetriebliche Abteilung und Einheit in Produktionsund Dienstleistungsunternehmen zur Unterstützung anderer Bereiche wie ζ. B. Beratung, Forschung, Entwicklung mit Aufgaben der Marktbeobachtung, Beschaffung produktionsrelevanter Fachinformation oder Recherchen zum Stand der Technik und Methodik befaßt. IVS-1 finden sich in allen innovationsorientierten Bereichen und Branchen, insbesondere in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen oder Marketingabteilungen von Großunternehmen, im Bereich der technischen oder betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung, bei großen Ingenieurbüros oder in Unternehmen des Finanz- und Kreditwesens. • Die kommerziell orientierte, externe IVS (IVS-E), deren erklärtes Ziel es ist, mit der Vermittlung von Fachinformationen für externe Auftraggeber Profite zu erwirtschaften. Von IVSE ist nicht bekannt, ob sie tatsächlich als profitable Dienstleistungsbetriebe existieren oder ob sie nur im Stadium einer visionären, aber nie zu realisierenden Geschäftsidee stecken bleiben. IVS-E finden sich unter anderem in den Nischen Chemie- und Pharmainformation, Patentinformation, juristische Information sowie Marktinformation im weitesten Sinne. • Mischformen (IVS-M), die sowohl innerbetriebliche Funktionen erfüllen, als auch als ProfitCenter ihre Broker-Dienste für Dritte anbieten. IVS-M existieren als Instrumente der Verkaufsförderung ζ. B. im Bereich der Unternehmensberatungen, der Marktforschungsunternehmen, der Kreditberatung oder der Steuer- und Anlageberatung. • ThtditioneDe Infonnationsnnternehmen (IVS-T), die schon immer für Dritte Informationen vermittelt haben, im Zuge der IVS-Diskussion und aufgrund einer zunehmend intensiveren Nutzung elektronischer Instrumente der Informationsbeschaffung jetzt auch in den Verzeichnissen der Informationsbranche als IVS geführt werden. IVS-T finden sich vor allem im Patentbereich (Patentberichterstatter, Patentanwälte), im Bereich der Innovationsberatung (IHK, Handwerkskammern, Technologieberatungsstellen) oder im Sektor Wirtschaftsauskunft.

C 12.3

Rahmenbedingungen funktionaler Informationsdienste

P r o b l e m e der Informationsqualität, der Wirtschaftlichkeit, des Marketing s o w i e der A k z e p t a n z erschweren Markterfolg und Konsolidierung neu entstehender Informationsunternehmen. S o werden die Möglichkeiten, e i n e n n e u e n Markt für spezialisierte Informationsdienste zu entwickeln, o f t stark überschätzt. Gleichzeitig w e r d e n m a n c h e der n e u e n Dienstleistungen o h n e Rücksichtnahme auf real existierende B e darfsstrukturen entwickelt und angeboten. Hinzu k o m m t , daß kommerzielle Informationsdienste mit d e m traditionellen Informierungsverhalten der potentiellen Nutzergruppen (wie ζ . B . kleine und mittlere U n t e r n e h m e n , Handwerksbetriebe, Ingenieurbüros) konkurrieren müssen, die ihren Informationsbedarf über bewährte Informationskanäle und informelle Kommunikationsnetzwerke decken.

C 12.3.1

Qualität von Informationsdienstleistungen

E i n e nachhaltige A k z e p t a n z funktionaler Informationsdienste kann nur durch e i n e deutliche Verbesserung und damit durch e i n e stärkere Wertschätzung der Dienstleistungen bei d e n Zielgruppen erreicht werden. A l s Kriterien für die Qualität v o n Informationsdiensten werden in erster Linie Merkmale w i e Problembezug der Leistung oder Rezipierbarkeit d e s Informationsprodukts u n d erst im weiteren die Ei-

444

Schmidt: Funktionale Informationsdienste

genschaften Vollständigkeit und Aktualität der Ergebnisse genannt. Ein breit gefächertes Dienstleistungsangebot ermöglicht es dem beratenden Unternehmen, den Akquisitionsradius auszuweiten und als vielseitig kompetenter Informationspartner aufzutreten, der den ratsuchenden Klienten die Informationsprobleme abnimmt, Problemlösungen ausarbeitet und qualifizierte Resultate präsentiert. Jüngste Versuche, Informationsunternehmen nach Qualitätsnormen (wie ζ. B. ISO 9004) zu zertifizieren, d. h. normierte Kriterien für die Qualität von Dienstleistungen zu überprüfen und zu bescheinigen, scheitern allerdings an der Schwierigkeit, den Wert vermittelter Informationen und die Qualität von Problemlösungen bestimmen zu müssen. Auch erscheinen Versuche, Berufsethos, Qualitätsanspruch und Selbstwertgefühl von Informationsvermittlern durch einen freiwilligen Verhaltenskodex zu festigen, mehr als fragwürdig. Solange das Informationsgeschäft noch auf Reputation und Vertrauen gründet, sind solche Etikettierungen eher verzichtbar (Lit. 01).

C123.2

Wirtschaftlichkeit von Informations dienstleistungen

Unternehmen, die auf dem Markt informationsbezogene Dienstleistungen anbieten, können nur dann wirtschaftlich operieren, wenn die Erträge aus den Informationsdienstleistungen höher sind als deren Aufwendungen. Die auf der Ebene der Ergebnis-Rechnung angestellten Wirtschaftlichkeitsbewertungen für Informationsdienste sind eindeutig, solange sich das Informationsunternehmen auf reine Informationsvermittlungsdienste beschränkt. Die Nachfrage nach reinen Informationsdiensten ist jedoch so gering, daß ein Informationsunternehmen nur dann ökonomisch arbeiten kann, wenn es das Angebot der Dienstleistungen ausweitet und dem Kundenbedarf anpaßt. Die Ausweitung der Dienstleistungspalette und die Komplettierung des Angebots durch komplexe Informations- und Beratungsleistungen, die im Verbund mit der einfachen Informationsbeschaffung zu Mehrwertdiensten führen, erscheint daher aus ökonomischen Gründen zwingend erforderlich. Informationsunternehmen werden sich auf lange Sicht nur dann am Markt behaupten können, wenn sie weniger auf die Masse der Vermittlungsleistungen als vielmehr auf deren Qualität setzen. Eine Reihe von Broker-Firmen sind deshalb dazu übergegangen, den eigentlichen Umgang mit Online-Informationen zur Leistung untergeordneter Priorität zu machen und den Kunden umfassendere Beratungsleistungen beim Aufbau von informations- und kommunikationstechnischen Lösungen oder Unterstützungsleistungen im Informationsmanagement anzubieten. Die Wertdimension von Information ist größer einzuschätzen ist als deren Gelddimension. Jedes noch so ausgefeilte betriebswirtschaftliche Bewertungsmodell wird jedoch angesichts der Komplexität der vielfältigen Informationsbeziehungen und -bedürfnisse in einem Unternehmen versagen. Informationsprozesse sind gleichzeitig Kommunikationsprozesse, und damit soziale Prozesse. Es kann daher vermutet werden, daß die Qualität und damit die Effizienz von Informationsleistungen immer von der methodischen, kommunikativen und sozialen Kompetenz derjenigen abhängen, die sich für Informationsaufgaben engagieren. Der Meßbarkeit der Qua-

C 12.3 Rahmenbedingungen funktionaler Informationsdienste

445

lität und Effizienz von Informationsdienstleistungen sind prinzipielle Grenzen gesetzt, da die Bemessungsstandards für die Güte einer Informationsleistung zu allererst und ausschließlich von subjektiven menschlichen Werturteilen geprägt sind (Lit. 12).

C 12.3.3

Marketing für Informationsdienstleistungen

Der schwer darzustellende Wert der Ware Information mag auch Ursache dafür sein, daß manche Informationsangebote nicht erfolgreich genug im Markt piaziert werden können. Strategien des Informationsmarketings und damit der Werbung für Informationsdienste könnten bei richtiger Gestaltung und Anwendung womöglich den Bekanntheitsgrad der Branche Informationsvermittlung fördern (Lit. 11). Es hat sich jedoch gezeigt, daß der Erfolg flankierender Maßnahmen des Informatioremarketings, die den mengenmäßig rentablen Verkauf von Informationsrecherchen unterstützen sollen, im allgemeinen überschätzt werden (Lit. 09). Bei der Kundenakquisition führen nur solche Maßnahmen zum Ziel, die den potentiellen Kunden direkt und persönlich erreichen und die geeignet sind, eine größere Klientel langfristig an das Informationsunternehmen zu binden (Lit. 18). Im traditionellem Beratungsbereich, wo seit jeher Informationen recherchiert, problemorientiert aufbereitet und als Dienstleistung vermarktet werden, erübrigt sich ein spezielles und neuartiges Marketingkonzept für die etablierten Informationsdienstleistungen. Oft wird jedoch der Verweis auf firmeninterne Möglichkeiten zur Nutzung von Online-Datenbanken als imageförderndes Instrument der Public-Relations-Maßnahmen von Dienstleistungsfirmen eingesetzt. So versuchen manche Beratungsunternehmen sich dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, daß sie im Rahmen ihrer Akquisitionsbemühungen auf die Vorteile einer eigenen Informationsvermittlungsstelle aufmerksam machen, um dadurch potentielle Klienten von der technischen und fachlichen Beratungskompetenz zu überzeugen.

C 12.3.4

Bedarfs- und Akzeptanzstrukturen

Als Beratungsdienstleistung, in klassischer Auskunftsfunktion oder als gutachterliche Tätigkeit sind funktionale Informationsdienste bekannt, bewährt und akzeptiert. Die Akzeptanz neuer Dienste, die auf die Vermittlung und den Verkauf von Online-Informationen festgelegt sind, stößt in Wirtschaft und Industrie jedoch auf Barrieren. Die Nachfrage von kleinen und mittelständischen Betrieben nach online-recherchierten Datenbankinformationen ist deshalb noch sehr zurückhaltend, weil die Qualität und Aufbereitung standardisierter Informationsdienste den tatsächlichen Informationsbedürfnissen der Firmen oft nicht entspricht. Dienstleistungsangebote zur Vermittlung von Online-Information - die eigentliche Domäne der Information Broker - unterschätzen die anwendungsferne Komplexität wissenschaftlich-technischer Fakten und Ergebnisse, sie ignorieren die informatorischen Rahmenbedingungen unternehmerischen Informationsverhaltens, und sie verkennen allzu oft

446

Schmidt: Funktionale Informationsdienste

den tatsächlichen Informationsbedarf von Klein- und Mittelbetrieben. Nicht selten wird übersehen, daß die zur Zeit online abrufbaren Fachinformationen kaum auf die Bedürfnisse von Nutzern aus der mittelständischen Wirtschaft oder aus dem Handwerksbereich zugeschnitten sind (Lit. 21). Die in Datenbanken recherchierbaren Fachinformationen können lediglich den Rohstoff liefern, der durch intellektuelle Weiterbehandlung und problemorientierte Veredelung noch zu einem anwendbaren Informationsprodukt verarbeitet werden muß. Deshalb wenden sich ratsuchende Unternehmen mit ihren Fragen und Problemen in der Regel nur an solche Beratungsagenturen, zu denen sich nach einer längeren Phase der gemeinsamen Problembewertung und Zusammenarbeit ein ausreichendes Vertrauensverhältnis aufbauen läßt. Etablierte Beratungsunternehmen mit einem soliden fachlichen Ruf, die auf eine umfangreiche Liste erfolgreich abgeschlossener Referenzprojekte verweisen können und die über ein professionelles Image verfügen, haben dabei die besten Voraussetzungen. Es kommt hinzu, daß Dienstleistungen, die ausschließlich die Vermittlung von Informationsrecherchen beinhalten, von den Abnehmern in der Regel als zu teuer eingeschätzt werden. Die Bereitschaft, Entstehungs-, Vermittlungs- und Mehrwertkosten für Informationsdienste zu zahlen, ist eher gering. Als Problemursache, warum die direkte Nutzung elektronischer Fachinformation durch kleine und mittlere Unternehmen auf schwer zu überwindende Akzeptanzbarrieren trifft, lassen sich sechs eng miteinander verknüpfte Gründe nennen: 1. Ein Bedarf an elektronisch vermittelter Fachinformation im Bereich der mittelständischen Wirtschaft und des Handwerks ist kaum vorhanden, weil die bestehenden Informationsmedien und -kanäle als ausreichend angesehen werden. 2. Die Situationen, in denen innovative Betriebe ein aktuelles Fachinformationsbedürfnis haben, treten zu selten und zu sporadisch auf, um die Unternehmen an die Nutzung von Informationsvermittlungsdiensten gewöhnen zu können. 3. Die Ergebnisse der Online-Informationsvermittlung können von den Unternehmen oft nicht verwertet werden, da sie wegen der ungeeigneten formalen Gestaltung (EDV-Ausdrucke, bibliographische Nachweise, fremdsprachige Literatur) abgelehnt werden oder nicht direkt in betriebliche Problemlösungen umgesetzt werden können. 4. Die privaten Anbieter von Informationsdienstleistungen genießen bei den potentiellen Nutzem in den Unternehmen nicht das erforderliche Vertrauen, das den Beratern in Kammern und Verbänden von den Betrieben entgegengebracht wird. 5. Die Bereitschaft (nicht nur) in der mittelständischen Wirtschaft, die Leistung von Information Brokern aufwandsgerecht zu vergüten, ist eher gering, da der Markt für fachliche Information traditionellerweise über informationelle Tauschprozesse geregelt wird, bei denen die Steuerung durch Geldmittel kaum eine Rolle spielt. 6. Statt des isolierten Tatsachen- und Faktenwissens, das die derzeitige Fachinformationsvermittlung anzubieten hat, benötigt das innovative Unternehmen zur wettbewerbsorientierten Weiterentwicklung Orientierungswissen, Handlungswissen sowie erfahrungsgeprüfte und bewertete Informationen.

C 12.4 Strukturen der Informationsdienstleistung

C 12.4

447

Strukturen der Informationsdienstleistung

Die sich ändernden Bedingungen im Bereich der Informationsentstehung, -Verteilung und -nutzung lassen erwarten, daß der Bedarf für funktionale Informationsdienste in den kommenden Jahren stark anwachsen wird. In der Informationswirtschaft zeichnet sich eine Abkehr von der „Online-Euphorie" und die Besinnung auf pragmatische und funktionale Modelle der Informationsvermittlung ab.

C 12.4.1

Modelle der InformationsvennittliiDg

Am Beispiel des Modellversuchs Infonnationsvermittlung - ein experimentelles Förderprogramm des damaligen Bundesforschungsministers zur Erprobung von 134 Informationsvermittlungsstellen - konnten über die Dauer von drei Jahren unterschiedliche Strategien und Einschätzungen zur Entwicklung individueller Wirtschaftlichkeitskonzepte im Informationssektor beobachtet und bewertet werden (Lit. 16). Am Modellversuch beteiligten sich neben 22 IVS aus Forschung und Wissenschaft und weiteren 27 IVS aus dem Bereich der nicht-kommerziellen, wirtschaftsnah arbeitenden Einrichtungen, Kammern und Verbände insgesamt 113 private Unternehmen vorwiegend aus dem Dienstleistungssektor. Den 134 Stellen wurde durch den Modellversuch die Gelegenheit gegeben, die direkte Nutzung externer Fachinformationsressourcen auszuprobieren, die Ergebnisse aus den selbst durchgeführten Datenbankrecherchen im Rahmen anderer Dienstleistungen zu verwerten oder die Palette bestehender Dienstleistungsangebote ζ. B . durch online-orientierte Broker-Dienste zu erweitern (Lit. 22). Noch zu Beginn des Modellversuchs wurden die Möglichkeiten einer externen Vermarktung von Informationsvermittlungsdiensten sehr optimistisch eingeschätzt. Relativ rasch wurde jedoch vielen der extern orientierten IVS bewußt, daß die Bemühungen zum Verkauf von Online-Recherchen in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den erforderlichen Marketingaktivitäten und speziell zum Akquisitionsaufwand bei potentiellen Kundenkreisen standen. Die Effekte, die sich durch die Teilnahme am Modellversuch für ein Unternehmen oder eine Institution ergeben haben, wurden unterschiedlich gewichtet. Danach ist für die 134 befragten IVS die jetzt rationellere Informationsbeschaffung der wichtigste Effekt aus dem Modellversuch. Andererseits haben besonders jene IVS große Schwierigkeiten mit der Abwicklung von Recherchen, bei denen die Online-Station nur selten und sporadisch genutzt wird. Gleichzeitig gaben über 7 0 % der Unternehmen und Institutionen an, die Nutzung einer IVS habe die anderen Dienstleistungen und Funktionen der Stelle verbessert. Als weitere Effekte, die sich für die IVS aus der Teilnahme am Modellversuch ergaben, wurden die Verbesserung des informationstechnischen Know-hows sowie die Förderung von Marketingstrategien und Imagewirkungen der beteiligten Institutionen und Unternehmen angeführt.

448 C 12.4.2

Schmidt: Funktionale Informationsdienste Informationsvermittlniig in den 90er J a h r e n

Die Vereinigung beider deutscher Staaten führte in der ersten Zeit zu einem intensiven gemeinsamen Engagement informationspolitischer Förderinstanzen mit westdeutschen Informationsunternehmen bei der Mobilisierung neuer Datenbanknutzer und Abnehmer für Informationsleistungen in den neuen Bundesländern. Gleichzeitig zerfiel das in der ehemaligen D D R gut ausgebaute Netz von zum Teil hochspezialisierten Informationsstellen, und nur wenige der ursprünglichen Informationsvermittlungsstellen konnten überleben. Auch wenn keine verläßlichen Zahlen zur Anzahl, Struktur und wirtschaftlichen Situation funktionaler Informationsdienste in Deutschland verfügbar sind (Lit. 03), so läßt sich doch mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuten, - daß heute innerbetriebliche IVS gegenüber externen IVS und Information Brokern in der Überzahl sind; - daß sich externe Infonnationsvermittlung nach wie vor kommerziell nicht trägt; - daß funktionale Informationsdienste insbesondere dort gute Chancen haben, wo Innovationen intensiv und in größerem Maßstab gedacht, erforscht, geprüft, ermittelt und transferiert werden (dazu gehört der Bereich betrieblicher Forschung und Entwicklung, die universitäre Forschung, die Patent- und Lizenzvermittlung sowie der gesamte Bereich der Innovations- und Finanzberatung). Literatur 01. Artus, Helmut M.; von Lossow, Wilfried: Ethik und Information. Brauchen wir einen Verhaltenskodex für Informationsvermittler? In: Nachr. f. Dok. 45 (1994) H. 6, S. 325-334. 02. Beyer, Wolfgang: Informationsvermittlung in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Überblick. Frankfurt/Main: IDD 1982. 68 S. (Aktuelle Beiträge und Berichte der GID 12) 03. Bredemeier, Willi: Zur Situation der Informationsvermittlung in Deutschland. In: Password (1994) H. 10, S. 1, 6-7. 04. Herget, Josef; Hensler, Siegfried: Informationsvermittlung zu Beginn der 90er Jahre. Problembereiche. In: Nachr. f. Dok. 43 (1992) H. 5, S. 293-299. 05. Johnson, Alice: Information brokers. In: Kent, Allen (Ed.): Encyclopedia of library and information science. Vol. 46; Suppl. 11. New York: Marcel Dekker 1991, S. 171-176. 06. Kaminsky, Reiner: Erfahrungen eines privaten Informationsbrokers. In: Nachr. f. Dok. 34 (1983) Η. 4/5, S. 195-200. 07. Kaminsky, Reiner: Einige moralische und psychologische Implikationen beim Geschäft des Informationsbrokers. In: Nachr. f. Dok. 43 (1992) H. 2, S. 69-75. 08. Kaschny, Martin: Verdrängung privaten Angebotes im Markt für Online-Informationsvermittlungsstellen. In: Nachr. f. Dok. 44 (1993) H. 2, S. 89-100. 09. Klaus, Hans G.; Schmidt, Ralph: Marketing von Informationsvermittlern in den USA. In: Nachr. f. Dok. 40 (1989) H. 2, S. 87-92. 10. Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Konstanz: Univ.-Verl. Konstanz 1995. 608 S. (Schriften zur Informationswissenschaft; 15) 11. Müller-Bader, Peter: Strategisches Informationsmarketing. Wie verkauft man Wissen? In: Nachr. f. Dok. 39 (1988) H. 3, S. 163-166. 12. Müller, Raymund; Schmidt, Ralph; Schwuchow, Werner: Qualitative und quantitative Aspekte der Wirtschaftlichkeit von Informationsdienstleistungen. In: Nachr. f. Dok. 41 (1990) H. 3, S. 175-183.

C 12 Literatur

449

13. Nink, Hermann: Privatwirtschaftliche Informationsdienstleistung. Aufgaben, Möglichkeiten und Probleme. Unter besonderer Berücksichtigung der Informationsvermittlung. Köln: Greven 1984. 225 S. (Kölner Arbeiten zum Bibliotheks- und Dokumentationswesen, H. 5) 14. O'Leary, Mick: The information broker. Α modern profile. In: Online 11 (1987) Η. 4, S. 2430. 15. Schmidt, Ralph: Konzept Auskunftsagentur. Zur Vernetzung innovationsorientierter Dienstleistungen. In: Nachr. f. Dok. 42 (1991) H. 2, S. 131-139. 16. Schmidt, Ralph: Modelle der Informationsvermittlung. Analyse und Bewertung eines experimentellen Programms. Heidelberg: Physica 1992. 320 S. (Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge 71) 17. Schmidt, Ralph: Das dritte Ohr. Informationsempathie, Pflichtfach für Informationsmanager. In: Cogito 9 (1993) H. 5, S. 8-13. 18. Schmidt, Ralph; Müller, Raymund (Hrsg.): Strategien des Informationsmarketings. Praxis, Probleme, Perspektiven. Essen: Klaes 1989. 273 S. 19. Schmidt-Bogatzky, Jürgen: Daten für den Patentanwalt. Für und Wider elektronischer Informationen in der Kanzlei. In: Cogito 4 (1988) H. 2, S. 51-52. 20. Strizich, Martha: Information consulting. The tools of the trade. In: Online 12 (1988) H. 3, S. 27-31. 21. Thomalla, Ingrid: Informationstransfer im Handwerk. Praxis, Probleme, Perspektiven. In: Neubauer, Wolfram; Schneider-Briehn, Uta (Hrsg.): 1. Deutsch-Deutscher Dokumentartag in Fulda 1990. Frankfurt/Main: D G D 1991 (DGD-Schrift 1791; DOK-3), S. 529-557. 22. Wellems, Christine: Strukturen der Informationsvermittlung. Der Modellversuch in Daten und Resultaten. In: Neubauer, Wolfram; Schneider-Briehn, Uta (Hrsg.): 12. Frühjahrstagung der Online-Benutzergruppe in der D G D in Frankfurt/Main 1990. Frankfurt/Main: D G D 1990 (DGD-Schrift 3/90; OLBG-11), S. 406-426. 23. Wersig, Gemot: Neue Dienstleistungen und Informationsvermittlung. Gedanken zum Methodischen in der Information und Dokumentation. In: Nachr. f. Dok. 31 (1980) H. 4/5, S. 169-171. 24. Wieck, Hans-Α.: Informationsvermittlung in der Unternehmensberatung. Ein Bericht aus der Consulting-Praxis. In: Cogito 6 (1990) H. 2, S. 68-71. 25. Zelewski, Stephan: Der Informationsbroker. In: Betriebswirtschaft 47 (1987) H. 6, S. 745748.

451

D

Informationssysteme

D1

Einleitung und Überblick

Unter Informationssystemen, wie sie hier im Hauptkapitel D beschrieben werden, sollen in erster Linie die organisatorischen Einheiten und strukturellen Zusammenhänge professioneller Informationstätigkeit verstanden werden. Organisation, Struktur und Tätigkeiten von Informationsinstanzen hängen ab von den Quellen und Inhalten sowie dem Anwendungsspektrum der zu vermittelnden Information und von ihrer institutionellen Einbindung resp. Funktion. Darüber hinaus ist jede Informationseinrichtung geprägt durch ihre historische Entwicklung oder den Auftrag ihres Trägers, die technische Ausstattung, das Know how der Mitarbeiter sowie ihren Leistungsanspruch oder die Leistungsanforderungen der Informationssuchenden . Die Gesamtheit der in Praxis auftretenden Informationssysteme ließe sich nur in einer abstrakten Typologie widerspiegeln. Darauf wird hier verzichtet und statt dessen versucht, anhand verschiedener Beispiele aus der Informationspraxis einen Überblick zu verschaffen. Hierbei gibt es Überschneidungen zum Hauptkapitel C, da die Informationsversorgung durch Informationsdienste und -dienstleistungen die Hauptfunktion der Informationssysteme ist. In besonderen fachlichen Zusammenhängen wird auch - ergänzend zu Hauptkapitel Β - auf methodische und technische Aspekte hingewiesen. Schwerpunkte dieses Hauptkapitels bilden jedoch die Arbeitszusammenhänge, die Funktionen der Informationstätigkeit und -einrichtungen sowie exemplarisch fachliche und anwendungsspezifische (benutzungsorientierte) Besonderheiten. Weitere Aspekte der IuD-Instanzen - sowohl der Unternehmen der Informationsindustrie als auch der innerbetrieblichen Informationseinrichtungen - enthalten die Hauptkapitel Ε (Technik) und F (Infrastruktur). Die in der ersten Hälfte des Hauptkapitels D beschriebenen Informationssysteme haben Dokumente als Informationsquellen zum Gegenstand: Der Beitrag „Bibliographische Informationssysteme" (D 2, Wolfrudolf Laux) beschreibt die Arbeitsabläufe der klassischen Literaturdokumentation. Diese „Urform" der IuD-Stelle weist deutlich Verbindungen zum (Spezial-)Bibliothekswesen auf. Die Tätigkeiten und Verfahren entsprechen, wie detailliert in Hauptkapitel Β enthalten, dem traditionellen Dokumentationsprozeß. Die Verbindung zum Archivwesen zeigt das Kapitel „Schriftgutverwaltung und Archivierung" (D 3, Angelika Menne-Haritz), das insbesondere die Verfahren der Akten- und Registraturorganisation beinhaltet, auch unter dem Aspekt elektronischer Generierung und Archivierung. Noch deutlicher wird die Rolle des Anwendungsbereiches im Kapitel „Pressedokumentation" (D 4, Marianne Englert). Einerseits wird auch hier die Organisation der Dokumente - die Zeitung als Informationsquelle - in Pressearchiven vorgestellt, andererseits leiten sich die Funktionen der Presseinformation mit den verschiedenen Formen der Nachweise und Speicherung, Informationsdienste und -dienstlei-

452 stungen auch weitgehend aus den Bedürfnissen der (hier in der Regel journalistischen) Anwendung ab. Audiovisuelle Materialien" als Daten- und Informationsträger sind Gegenstand des folgenden Beitrages (D 5, Anke Leenings). Es werden die Ton-, Bild- und Filmträger beschrieben, auf die Besonderheiten ihrer Dokumentation und Archivierung hingewiesen und Institutionentypen genannt. Die beiden folgenden Kapitel gehören zur wissenschaftlich-technischen Fachinformation. In der traditionsreichen „Patentinformation" (D 6, Reinhard Schramm) haben sich international gültige Erschließungs- und Nachweissysteme herausgebildet. Die Patentklassifikation wird hier ebenso beschrieben wie die Datenbanken und Dienstleister zu Patenten. „Technische Regeln" (D 7, Horst-Werner Marschall) werden vom Deutschen Informationszentrum für technische Regeln dokumentiert und als Informationsquellen nutzbar gemacht. Ihre Funktionen, Merkmale und Inhalte der Informationsdienste werden erläutert. Der zweite Teil dieses Hauptkapitels enthält Beispiele für Branchen- bzw. Institutionen-bezogene Informationssysteme (was die besondere Berücksichtigung von Quellenspezifika nicht ausschließt): Am Beispiel der „Wirtschaftsinformation" (D 8, Josef L. Staud) werden die Besonderheiten datenspezifischer Informationssysteme vorgestellt. Informationstypen, Retrievalformen und Datenbanktypen werden hier erklärt. Eine detaillierte Auflistung verdeutlicht außerdem die thematische Vielfalt der Wirtschaftsdatenbanken. Branchenspezifika werden auch im Kapitel „Chemie-Information" (D 9, Joachim Lüstorff) behandelt. Exemplarisch für den wissenschaftlich-technischen Bereich werden vor allem die Informationsquellen und -dienste nach Anwendungskriterien vorgestellt. Anhand der ,Medieninformation" (D 10, Michael Harms) wird die inhaltliche und organisatorische Vielfalt von Informationseinrichtungen deutlich. Einerseits sind Dokumentationsstellen im Rundfunk dokumentspezifische Instanzen (siehe auch D 4 und D 5), andererseits müssen sie einen universalen Informationsbedarf mit internen und externen Informationsdiensten abdecken. Zu den archivischen Funktionen für AV-Materialien kommen die der innerbetrieblichen Informationsversorgung. Auch der Beitrag Jnformation als Ressource in der Kreditwirtschaft" ( D i l , Norbert Walter) ist über die Branche hinaus beispielhaft für betriebsinterne resp. unternehmensspezifische Kriterien der Informationsversorgung und die Bedeutung von Informationsvermittlung und Informationsmanagement (siehe auch Hauptkapitel F).

453

D 2

Bibliographische (Literatur·) Informationssysteme Wolfrudolf Laux

D 2.1

Einleitung

Unter dem Begriff „bibliographische Systeme" soll die Gesamtheit der Arbeitsvorgänge verstanden werden, die auf dem Wege von einer Quelle (Dokument) zur Bereitstellung von Informationen aus diesem Dokument bzw. dem dafür notwendigen Rückverweis auf dieses Dokument auftreten. Ziel der Arbeit ist es dabei, das in den Dokumenten fixierte Wissen zu ermitteln und verfügbar zu machen. Wenn dabei insbesondere an literarische Quellen (Bücher, Zeitschriften usw.) gedacht wird, handelt es sich um die „klassische" Form der Dokumentation, aus der sich die wesentlichsten Formen der Informationsmethodik entwickelt haben, wie sie auch in modernen (dokumentbezogenen) Informationssystemen vorkommen und wie sie auch auf andere Dokumentformen (Datenträger verschiedenster Art) anwendbar sind. Je nach Aufgaben, Umfang und den verschiedenen Voraussetzungen, unter denen solche Arbeitsabläufe stattfinden, können unterschiedliche Methoden zur Anwendung kommen. Sie hängen nicht nur von der Form der Dokumente oder der Organisationsform der sie einsetzenden Einrichtung (zentrale oder dezentrale Organisationsformen), sondern auch von den Erwartungen ab, die potentielle Benutzer hinsichtlich Umfang, Qualität, Schnelligkeit, Verläßlichkeit usw. an ein solches System richten. Im Rahmen solcher Arbeitsvorgänge werden auch Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen tätig, und es ist im Einzelfall abzuwägen, wie ein optimaler Einsatz sowohl eines gegebenen, als auch eines bereitzustellenden Personals gewährleistet werden kann und welche Dokumentationstechniken auch in Abhängigkeit davon einsetzbar sind. Ein wichtiger Grundsatz für die Organisation eines solchen Arbeitsablaufes ist es, die einzelnen Arbeitsschritte möglichst aufeinander abzustimmen und eine Kontrolle des jeweiligen Leistungsstandes in einzelnen Abschnitten des Ablaufes ebenso wie des Bearbeitungszustandes einzelner Dokumente an möglichst vielen Stellen zu ermöglichen. Obwohl ein solcher Arbeitsablauf als Einheit angesehen werden muß, ist es sinnvoll, seine Betrachtung in vier Bereiche aufzugliedern: 1. die Beschaffung der Dokumente 2. die Auswertung der Dokumente 3. die Speicherung von Dokumenten und Informationen 4. die aktive und passive Bereitstellung von Dokumenten und Informationen Im folgenden soll versucht werden, einen solchen Arbeitsablauf zu skizzieren, ohne dabei methodische oder quellenspezifische Einzelheiten zu erörtern.

454 D 2.2

Laux: Bibliographische (Literatur-) Informationssysteme

Beschaffung

Die Beschaffung von Dokumenten, unter denen hier insbesondere Literatur oder vergleichbare Datenträger verstanden werden, erfolgt mit dem Ziel, diese unmittelbar für die inhaltliche Auswertung bzw. für die spätere Nutzung vorliegen zu haben. Sie erfolgt im allgemeinen durch Kauf, durch Tausch oder durch Ausleihe. Der Kauf setzt das Vorhandensein eines entsprechenden Beschaffungsetats und Verbindungen zu Buchhandel und Verlagswesen voraus. Der Tausch setzt voraus, daß eine wertmäßig entsprechende Tauschgabe, z.B. eigene Zeitschrift, eine Bibliographie (z.B. als Ergebnis der Dokumentationsarbeit) etc. zur Verfügung steht, die für Tauschpartner, deren Adressen zu ermitteln sind, bereitgestellt werden kann. In beiden Fällen gehen die erhaltenen Dokumente in das Eigentum der beschaffenden Stelle über, was auch für die seltenere Möglichkeit der Schenkung zutrifft. Das Dokument steht bei Kauf, Tausch und Schenkung unbegrenzt zur Verfügung. Für die Ausleihe müssen entsprechende Kontakte zur u.U. externen ausleihenden Stelle (Bibliothek), z.B. durch Zulassung zum Leihverkehr der Bibliotheken, gegeben sein oder entsprechende organisatorische Verbindungen zum Leihgeber bestehen. Die ausgeliehenen Dokumente stehen allerdings nur kurzfristig (zur Auswerung) und meistens relativ verpätet (nach Eigennutzung des Eigentümers) zur Verfügung und können später nur durch erneuten Ausleihvorgang genutzt werden, weshalb das Verfahren für Dokumentationssysteme weniger zu empfehlen ist. Auf jeden Fall sollten bei der Ausleihe alle mit dem Leihvorgang verbundenen Daten (Leihgeber, Standort, Signatur, Ausleihbeschränkungen etc.) vermerkt werden. Für die Beschaffung unterschiedlicher Dokumentarten (Monographien, Zeitschriften, Konferenzberichte, Jahres- und Tätigkeitsberichte, Separatdrucke, Dissertationen usw.) sind unter Umständen sehr unterschiedliche Beschaffungswege und Methoden zu nutzen, über die im einzelnen in der Literatur nachgeschlagen werden kann. (Lit.01.) Voraussetzung aller dieser Beschaffungsvorgänge ist die Kenntnis oder die Ermittlung der zu beschaffenden Dokumente. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen, z.B. durch Durchsicht von Bibliothekskatalogen, durch Nutzung anderer Informationssysteme, durch kontinuierliche Beobachtung der Verlagsangebote, durch Beratung von Fachkollegen usw.. Hierzu wird vorteilhafterweise Personal mit Fachkenntnissen auf dem zu dokumentierenden Gebiet in Zusammenarbeit mit bibliothekarischem Fachpersonal herangezogen. Ebenso empfiehlt sich die Verwendung bewährter bibliothekarischer Methoden für die Eingangskontrolle der beschafften Dokumente. Diese Kontrolle soll den vollständigen, kontinuierlichen und schnellen Eingang der Dokumente sicherzustellen, da nur so eine aktuelle Informationsgewinnung und -bereitstellung möglich ist. Sie soll aber auch möglichst weit in den Arbeitsablauf hineinwirken und z.B. die Formalbeschreibung (s.u.) und die spätere Bereithaltung der Dokumente organisatorisch vorbereiten. Für Leihgaben ist mit der Eingangskontrolle auch Sorge für eine sichere und zügige Rückgabe zu tragen. Für die durch Kauf, Tausch und Schenkung eingehenden, also verbleibenden, Dokumente bedient man sich zur Registrierung sinnvollerweise bewährter bibliothekarischer Katalogisierungs- und Erfassungsverfahren: Bibliothekskatalogen, Zeitschriftenverzeichnissen und anderer Registrier-

D 2.3 Auswertung

455

formen. Diese sollten allgemein bekannten Regeln entsprechen oder so einfach organisiert sein, daß auch an ihrer Erstellung nicht beteiligte Personen diese nutzen können.

D 2.3

Auswertung

Die Auswertung der eingegangenen Dokumente soll möglichst unverzüglich nach dem Eingang erfolgen, damit eine schnelle Information sichergestellt wird. Die Literatur wird unter zwei Gesichtspunkten ausgewertet: a) der formalen Beschreibung des Dokumentes in Hinblick auf seine Wiederauffindbarkeit in Bibliotheken oder Dokumentenspeichern. Hierfür sollten wiederum die bewährten bibliothekarischen Verfahren angewendet und bibliothekarisch/technisches Personal herangezogen werden. b) der inhaltlichen Auswertung der Dokumente in Hinblick auf ihre Wiederauffindbarkeit unter sachlichen Gesichtspunkten. Diese Arbeit obliegt ausschließlich Personen mit Fachkenntnissen des zu bearbeitenden Gebietes, ggfs. Fachwissenschaftlern. In der Praxis erfolgt zuerst die inhaltliche Bearbeitung, indem Fachwissenschaftler zunächst die Dokumente auf ihre Relevanz für das System überprüfen. Die ausgewählten Dokumente sind zu klassifizieren oder zu deskribieren. Das heißt, der Inhalt des Dokumentes ist durch Klassifikationsmerkmale oder Deskriptoren (Schlagworte) so wiederzugeben, daß das betreffende Dokument unter verschiedenen, ggfs. kombinierten, Sachverhalten wieder aufgefunden werden kann. Für eine Klassifikation muß ein ausgefeiltes System vorliegen, das das betreffende Fachgebiet je nach seinen spezifischen Bedürfnissen abdeckt. Es empfiehlt sich dabei, (international) gebräuchliche Klassifikationen zu verwenden oder sich an solche möglichst weit anzulehnen. Für die Deskribierung, die mit Schlagworten bzw. Deskriptoren (u.U. auch Stichworten!) erfolgen kann, sollte eine genormte Wortliste, am günstigsten jedoch ein Thesaurus, vorliegen, um eine unterschiedliche Beschreibung gleicher Sachverhalte (z.B. durch verschiedene Bearbeiter oder zu verschiedenen Zeitpunkten) vermeiden zu helfen. Bei geeigneter Deskriptorenwahl ist es möglich, Dokumente unter Aspekten wieder aufzufinden, die zum Zeitpunkt der Auswertung des Dokumentes nicht erkennbar waren (vgl. Kap. Β 5). Im allgemeinen wird man eine durch Klassifikationsmerkmale und/oder Schlagworte ergänzte Titelaufnahme vornehmen, in der, neben den Autoren des Dokumentes, der Sachtitel des Dokumentes und die bibliographischen Angaben enthalten sind. Hinsichtlich des Sachtitels und der zu verwendenden Deskriptoren empfiehlt sich die Anwendung der gleichen Sprache, ggfs. durch zusätzliche entsprechende Übersetzungen, um eine Freitextsuche mit Hilfe der EDV in dem erfaßten Datenmaterial zu gewährleisten, die sowohl die vergebenen Deskriptoren als auch die im Sachtitel auftretenden Begriffe (Stichworte) berücksichtigt. Auch die bibliographischen Beschreibungselemente, wie Jahrgang, Zeitschriftentitel, Sprachangabe etc., sind für die spätere Recherche äußerst wichtige Komponenten.

456

Laux: Bibliographische (Literatur-) Informationssysteme

Nach der inhaltsbezogenen Bearbeitung folgt die formale exakte Beschreibung des Dokumentes (vgl. Kap. Β 2), möglichst nach bibliothekarischen Regeln. Auf sie ist größter Wert zu legen, da eine Informationsvermittlung sinnlos wird, wenn die betreffenden Dokumente wegen mangelhafter bibliographischer Angaben z.B. in Bibliotheken nicht wieder auffindbar sind. Hierbei sind gelegentlich Kompromisse zwischen den oft komplizierten bibliothekarischen Regln und vereinfachten Erfassungsregeln in Dokumentationsstellen zu machen. Vereinfachungen sollten jedoch nicht ohne bibliothekarischen fachlichen Rat zur Anwendung kommen. Die erfaßten formalen sowie inhaltlichen Angaben sind sodann zu speichern, wozu verschiedene Formen von Speichern (vgl. Kap. Β 7) angewendet werden können (Karteikarten, Handlochkarten, Magnetbänder, Disketten, Magnetplatten usw.). Das Speichern kann durch technisches Personal erfolgen, das mit den dafür entwikkelten Regeln gut vertraut sein muß. Mit diesem Vorgang werden das Dokument als Träger der Information einerseits und die Information andererseits voneinander getrennt und müssen für die Bereithaltung und Bereitstellung von Informationen und Dokumenten jeweils gesondert behandelt werden. Die inhaltliche Beschreibung und die formale Beschreibung (Erfassung) sowie die Speicherung dieser Daten werden im allgemeinen als „Input" bezeichnet. Die Leistungsfähigkeit eines Informationssystems hängt entscheidend von der Exaktheit und der Vollständigkeit der durchzuführenden Arbeiten ab, d.h. von der Genauigkeit, mit der die Inhalte der Dokumente erkannt, beschrieben und/oder klassifiziert worden sind. Es empfiehlt sich, die Exaktheit sowohl der inhaltlichen Beschreibung als auch der formalen Beschreibung durch eingehende Korrekturmaßnahmen sicherzustellen. Für eine Reihe von formalen Prüfungen können Computerprogramme eingesetzt werden, mit denen die Nichteinhaltung von bestimmten Regeln überprüft werden kann. Solche automatischen Kontrollen können auch auf Klassifikationsmerkmale und Deskriptoren ausgedehnt werden, indem auf das Vorhandensein ausschließlich zugelassener Klassifikationsmerkmale und Deskriptoren bzw. deren richtige Schreibweise anhand vorgegebener Listen geprüft wird. Die falsche Vergabe von Klassifikationsmerkmalen und Deskriptoren oder die falsche Schreibweise z.B. von Autoren oder Wörtern in der Titelaufnahme sind nur intellektuell überprüfbar. Korrekturvorgänge sollten hierbei so organisiert werden, daß aufgenommene Titel jeweils von anderen Mitarbeitern korrekturgelesen werden bzw. eine fachliche Korrektur an zentraler Stelle mit dem Ziel einer einheitlichen Deskribierung bzw. Klassifizierung erfolgt. Es empfiehlt sich, bei der Erfassung der Dokumente verschiedene Kontrollmerkmale anzugeben. So ist z.B. in Dokumentationsstellen mit einem größeren Personalbestand bei der Titelaufnahme durch Kurzzeichen festzuhalten, wer für die fachliche Auswertung und wer für die technische Utelaufnahme verantwortlich ist. Auf dem Dokument selbst sollte vermerkt werden, ob eine dokumentarische Bearbeitung erfolgt ist und neben der Registrierung der Dokumente beim Eingang sollte ihr Durchlauf bei der technischen Bearbeitung nochmals registriert werden, um sicherzustellen, daß die Dokumente lückenlos bearbeitet werden und um gegebenenfalls ein benötigtes Dokument während des Bearbeitungsvorgangs auffinden zu können.

D 2.4 Speicherung von Dokumenten und Informationen

457

Für jedes aufzunehmende Dokument wird im allgemeinen ein Begleitzettel oder Erfassungsformular erstellt, auf dem z.B. die KJassifikationsmerkmale und/oder Deskriptoren eingetragen werden. Der Begleitzettel muß Vermerke tragen, die eine eindeutige Zuordnung zum auszuwertenden Dokument ermöglichen. Auf dem Begleitzettel können auch technische Bearbeitungsvermerke eingetragen werden. Es empfiehlt sich, auch Bearbeitungsdaten, z.B. für die fachliche Auswertung, anzugeben, um sicherzustellen, daß die Weiterverarbeitung in einem angemessenen Zeitraum erfolgt. In manchen Dokumentationsstellen wird auf dem Begleitzettel dieTitelaufnahme insgesamt vorweggenommen. Dies ist eine im allgemeinen vermeidbare Doppelarbeit. Im Prinzip können alle in einem Dokument enthaltenen Angaben und Daten direkt aus diesem in den Speicher übernommen werden, so daß der Begleitzettel nur Daten enthalten muß, die aus dem Dokument selbst nicht oder nicht eindeutig ersichtlich sind.

D 2.4

Speicherung von Dokumenten und Informationen

D 2.4.1

Dokumente

Dokumente, die im Besitz des Systembetreibers sind, müssen in geeigneter Weise bereitgehalten werden. Sie können nach den normalen bibliothekarischen Regeln in einer Bibliothek oder in einer entsprechenden Dokumentsammlung aufbewahrt werden. Hierfür stehen bewährte bibliothekarische Methoden zur Verfügung. Nach Möglichkeit sollte die Eingangsregistrierung der Dokumente bereits auf die spätere Aufbewahrung ausgerichtet sein. Wichtig ist, daß die Dokumente so geordnet bleiben, daß sie unter unterschiedlichen Aspekten jederzeit wiederaufgefunden werden können. Wenn jedes Dokument eine in sich geschlossene Einheit bildet (nicht bei Zeitschriften und Serien!), kann z.B. eine Abstellung nach fortlaufendem Eingang (numerus currens) erfolgen, wobei eine Dokumentnummer die Verbindung zu den Informationen herstellt. Eine Aufstellung nach Autoren hat den Nachteil, daß sie Zweit- und Drittautoren benachteiligt. Eine Aufstellung unter sehr spezifischen sachlichen Gesichtspunkten empfiehlt sich ebenfalls wenig, weil eine diesbezügliche Suche leichter in der extrahierten Information vorgenommen werden kann. Der Eingang des Dokuments in die Dokumentsammlung ist ebenso zu kontrollieren wie die korrekte Rückgabe ausgeliehener Dokumente.

D 2.4.2

Dokmnentinhalte

Die im Dokument enthaltenen Informationen müssen in Speichern so bereitgehalten werden, daß sie auf beliebige, auch kombinierte, Fragestellungen hin wiedergefunden werden können bzw. die Beschreibungselemente wiedergefunden werden die zu einem Auffinden des jeweiligen Dokumentes führen. Das bedeutet, daß in dem Informationsspeicher auch Sachverhalte (Standorte, Dokumentnummern etc.)

458

Laux: Bibliographische (Literatur-) Informationssysteme

enthalten sein müssen, die einen schnellen und präzisen Zugang zum Originaldokument, z.B. zwecks Ausleihe, Überprüfung, Herstellung von Kopien usw., erlauben. Die für die Bereithaltung eingesetzten Methoden hängen wesentlich von der Menge und dem Umfang der Informationen und der spezifischen Ansprüche an das System, wie z.B. Schnelligkeit des Wiederfindens, ab. Größere Datensammlungen werden heute kaum noch ohne EDV geführt. Als Datenbanken werden sie bei darauf spezialisierten Einrichtungen (Hosts) zugänglich gehalten. Zu ihrer Nutzung sind technische (z.B. Terminals) und administrative (z.B. Zugangsgenehmigungen) Voraussetzungen zu erfüllen. Kleinere Datensammlungen, z.B. in Karteien, haben den (psychologischen) Vorzug eines direkten Zuganges, z.B. zum Blättern und Suchen, stehen aber im Prinzip nur der diese Kartei besitzenden Einrichtung zur Verfügung.

D 2.5

Bereitstellung von Dokumenten und Informationen

D 2.5.1

Dokumente

Die Dokumente sollten Interessenten bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden. Dafür sind gegebenenfalls rechtliche Voraussetzungen (Benutzungsordnung, Teilnahme am Leihverkehr der Bibliotheken) zu schaffen. Der Zugriff zu den gespeicherten Dokumenten kann verschiedene Gründe haben. Der wichtigste ist der, daß der Nutzer eines Informationssystems einen unmittelbaren Einblick in das Originaldokument nehmen oder dieses ausleihen möchte. Ein weiterer Grund wäre die Überprüfung von im Informationsspeicher vorhandenen Daten anhand des Originaldokumentes. Für die Bereitstellung der Dokumente bieten sich wiederum die bewährten bibliothekarischen Verfahren zur Ausleihe an, die möglichst durch bibliothekarisch ausgebildetes Personal praktiziert werden sollten. Bei der Dokumentbereitstellung der Ausleihe ist auf eine Registrierung des Benutzers zwecks korrekter Rückgabe zu achten. Da die Suche nach einem Originaldokument, z.B. im Leihverkehr der Bibliotheken, oft ein langwieriges Verfahren ist, ist es für ein Informationssystem von besonderem Nutzen, wenn es darauf verweisen kann, daß es bei Bedarf sämtliche Originaldokumente zu den nachgewiesenen Informationen selbst bereitstellen kann. (Lit. 02.)

D 2.5.2

Dokumentinhalte

Die aus den bearbeiteten Dokumenten erfaßten Sachverhalte, die in Form von Klassifikationsmerkmalen und/oder Deskriptoren vorliegen und/oder die sich aus sonstigen Angaben (Sachtitel, bibliographische Angaben, Beigabenvermerke usw.) ergeben, sind im Speicher so enthalten, daß auf beliebige, auch kombinierte Fragestellungen die entsprechenden Informationen aufgefunden werden können und auf das Originaldokument verwiesen wird. Wenn die erfaßten Informationen, also die Deskriptoren, die Sachtitelangaben, die bibliographischen Angaben, ggfs. ein mitgespeichertes Referat, einen großen Informationswert haben, kann der Benutzer unter Umständen auf die Einsicht in ein Originaldokument verzichten. Auf jeden

D 2 Literatur

459

Fall müssen die bereitgestellten Informationen für den Benutzer eine Selektion der für ihn besonders wichtigen und benötigten Dokumentbeschreibungen ermöglichen. D a f ü r sollten die Nachweise auch eine ansprechende Druckform haben, die einen schnellen Überblick über die einzelnen Bestandteile (inhaltliche Angaben, formale Angaben) des Nachweises erlaubt. D e r Nachweis selbst erfolgt in Form einer Recherche im jeweiligen Speicher mit den jeweils dafür anzuwendenden Methoden. Die Recherche kann von der die Datenbasis erstellenden Einrichtung durchgeführt werden für ihren eigenen Bedarf und für Dritte. Wenn die Datenbasis bei einem Datenbankbetreiber (Host) zur Benutzung aufliegt, kann auch eine Direktnutzung durch die Interessenten erfolgen. Dafür benötigen sie eine entsprechende Zulassung zur Datenbasis. Sowohl bei Direktbenutzern der Datenbasis als auch bei Informationsvermittlung durch die die Datenbasis erstellende Stelle oder andere Informationsvermittler müssen entsprechende rechtliche Voraussetzungen (Zulassungsberechtigung usw.) gegeben sein. Auch ist zu prüfen, ob für die Benutzung der Daten Entgelte zu entrichten sind, so daß eine Entgeltordnung zu erstellen ist. Diese muß eindeutig die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, insbesondere die Leistungen klarlegen, die der Benutzer für ein bestimmtes Entgelt erwarten kann. Das Ergebnis einer Recherche, z.B. aus einem EDV-Speicher, kann dem Benutzer unmittelbar zugeleitet werden. Häufig empfiehlt es sich jedoch, eine Kontrolle der ermittelten Daten vorzunehmen, sofern nicht schon beim Recherchevorgang die Relevanz der ermittelten Daten sichergestellt und unnötiger Ballast vermieden werden konnte. Bei Recherchen aus Handkarteien müssen für den Benutzer Kopien der ermittelten Nachweise erstellt werden. Niemals dürfen die originalen Informationsspeicher (Karteikarten usw.) Benutzern zur Verfügung gestellt werden, da sonst leicht unwiederbringliche und unüberprüfbare Verluste eintreten können. Die genannten Informationsdienstleistungen werden auch als „passive" Dokumentation bezeichnet, da hier nur auf Anfrage von Benutzern, z.B. mit der Durchführung einer Recherche, reagiert wird. „Aktive" Dokumentation kann die Herausgabe von gedruckten Diensten (Bibliographien, Referateorgane, Karteidienste) sein, denen trotz zunehmender EDV-Datenbasen noch erhebliche Bedeutung zukommt. Eine Zwischenstellung nehmen SDI-Dienste (Selected Dissemination of Information) ein, bei denen dem Anfragenden zu einem einmal definierten Thema mit EDV-Unterstützung regelmäßig Informationen zugeleitet werden. Angesichts eines sich entwickelnden Informationsmarktes kann es für die Dokument tationsstelle von Wichtigkeit sein, für ihre Dienstleistungen zu werben. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Anwerbung von Nutzungsaufträgen der Arbeitskapazität der Einrichtung angemessen sein soll. Die beste Werbung fir ein Informationssystem bleibt immer die schnelle und präzise Abwicklung eines Rechercheauftrages.

Literatur 01. Arbeitshilfen für Spezialbibliotheken. Band 1: Erwerbung. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1983. (dbi-Materialien 25.) 02. Arbeitshilfen für Spezialbibliotheken. Band 2: Literaturversorgung (Benutzung). Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1984. (dbi-Materialien 38.)

D3

Schrift gutverwaltung und Archivierung Angelika Menne-Haritz

D 3.1

Die Registrator: Wie entsteht der Rohstoff für die Archivierung?

Registraturen organisieren und kontrollieren die internen Abläufe großer moderner Verwaltungen. Sie sichern die sachbezogene Kommunikation und stellen das erforderliche Schriftgut bereit. Schriftgut in Verwaltungen ist Arbeitsmittel für Handlungen. Es entsteht im Arbeitsprozeß und erhält seine kostenträchtige und im Fall von persönlichen Daten ausschließlich durch Gesetze legitimierte Existenzberechtigung aus dem Bedarf der Aufgabenerledigung der Behörde. In dem Moment, wo es den Zweck, zu dem es entsteht, erfüllt hat, ist es Altpapier, wenn nicht ein anders geartetes Interesse das alte ablöst und ein neues Motiv für die Aufbewahrung entsteht. Denn Schriftgut entsteht in den Strukturen und Vernetzungen des Arbeitsprozesses und bildet sie deshalb im nachhinein ab. Es kann seine Ursprünge offenlegen und Einsicht in Motive und Gründe für seine Entstehung geben. Ziel seiner Aufbewahrung ist entweder eine zukünftige Wederaufnahme der Prozesse, falls z.B. innerhalb der Aufbewahrungsfrist Rechte von Betroffenen geltend gemacht werden, oder aber ihre Rekonstruktion als Nachweis der tatsächlichen Aktivitäten und Entscheidungsstrukturen.

D 3.1.1

Registratur und Bürokratie

Registraturen im heutigen Sinn sind eine komplementäre Erscheinung zur bürokratischen Verwaltungsform, wie sie sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat. Bürokratie bedeutet Arbeitsteiligkeit zum Einsatz von Fachkompetenz, Sachorientierung zur Verhinderung persönlicher Abhängigkeiten und Rechenschaftsfähigkeit zur Legitimation vor Steuerzahlern und Bürgern, in deren Auftrag die Verwaltung arbeitet. Bürokratische Arbeitsweisen sichern die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und bewahren sie vor der Instrumentalisierung zu persönlichen Interessen. Zielorientierung und Sachbezug bei kooperativer Entscheidungsfindung werden möglich durch schriftliche Instrumente, die die Zusammenarbeit planen und organisieren helfen.

D 3.1.2

Rolle der Registratur

Ihre Aufgaben werden in der Literatur und in den einschlägigen Richtlinien beschrieben als Bereitstellung der für die Bearbeitung von Einzelfällen oder größeren Aufgabenkomplexen notwendigen Unterlagen in dem jeweils erforderlichen Umfang, ihre Ordnung und Aufbewahrung, solange sie noch für die Erledigung der

D 3.1 Die Registratur: Wie entsteht der Rohstoff für die Archivierung?

461

Aufgaben benötigt werden sowie die anschließende Anbietung und Übergabe der Unterlagen an das zuständige Archiv. Registraturen steuern und verwalten das Zusammenspiel von Leitung, Sachbearbeitung und Assistenzdiensten wie den Schreibdienst. Leitung und Sachbearbeitung, gleich auf welcher hierarchischen Ebene diese Funktionen angesiedelt sind, haben neben der materiellen Entscheidungsbefugnis über eine angemessene Lösung des aufgeworfenen Problems die Verantwortung für das Verfahren der Entscheidungsfindung. Der Geschäftsgang, standardisiert durch Geschäftsordnungen, legt den Rahmen für die Verfahrensentscheidungen, ihren jeweiligen Zeitpunkt und Umfang fest. Er hat den Charakter eines Regelkreises, dessen einzelne Schritte aus einer Analyse und einer von ihrem Ergebnis abhängenden Aktion bestehen. So wird bei der Eingangsbearbeitung geprüft, ob ein Schreiben richtig zugestellt wurde und in die eigene Zuständigkeit fällt. Falls ja, erhält es den Eingangsstempel, der die Analyse bestätigt und gleichzeitig damit die Bearbeitung beginnen läßt. Ähnliches passiert bei Mitzeichnungen, die jedoch im Gegensatz zur Eingangsbearbeitung im Einzelfall bei der Sachbearbeitung, also der Stelle, die die materielle Federführung wahrnimmt, nach ihrem Bedarf geplant und konzipiert werden. Das Instrument für die situationsgerechte Projektierung der Abläufe ist die Verfügung. Die zu beteiligenden Stellen werden nach der Geschäftsverteilung ausgesucht und in der Verfügung in der Reihenfolge der Beteiligung aufgelistet. Haushaltsabteilung und Justitiariat sind traditionell am häufigsten beteiligt. Sie übernehmen durch ihre Mitzeichnung unter dem Entwurf einer Fachabteilung die Verantwortung für die Auswirkung auf die finanzielle Mittelausstattung und für die rechtliche Verträglichkeit der Entscheidung. Die Planung von Mitzeichnungen kann quer durch die Hierarchie gehen. Sie dienen der rationalen Zielorientierung auf das Ergebnis unabhängig von sachfremden Interessen. Die Registratur kontrolliert den Ablauf. Sie prüft die Abzeichnungen der einzelnen Verfügungsschritte und legt, falls nötig, Schleifen ein oder mahnt bei Zeitüberschreitungen. Registraturen sind an allen Phasen des Geschäftsgang beteiligt. Sie ermöglichen der Leitung und der Sachbearbeitung die Planung des Verfahrens, weil sie sie von der Umsetzung der jeweiligen Verfahrensentscheidungen entlasten. Bei jedem einzelnen Schritt des Geschäftsgangs oder von situationsbezogenen Verfügungen wird sein Abschluß und sein Ergebnis auf dem Schreiben vermerkt, damit der nächste Schritt folgen kann. Es findet so eine Ablaufkontrolle statt, die effizienter ist als eine hierarchische Kontrolle. Alle zu diesem Zweck angebrachten Kennzeichen reichern das ursprünglich Schreiben mit neuer Information für die jeweils folgenden Schritte an. Sie sagen jedoch nichts über Fakten, sondern nur über den Prozeß aus. Es ist prozeßgenerierte Information, die Abläufe steuert, während sie entsteht und die redundant wird, wenn der Prozeß abgeschlossen ist. Sie kann erneute Relevanz erhalten, soweit sie als Evidenz über den Prozeß, also als Indizien seines Auftaktes, seines Ablaufs und Abschlusses brauchbar ist und soweit ein begründbares Interesse an dieser Evidenz besteht. Beides festzustellen ist Aufgabe der Archivwissenschaft.

462 D 3.1.3

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung

Das Schriftgut

Das Schriftgut ist eines der Hilfsmittel für die Steuerungstätigkeit der Registratur. Es repräsentiert die Tätigkeiten, die mit seiner Hilfe angestoßen, gesteuert und abgeschlossen werden. In der konventionellen, papierbasierten Verfahrensform reicht die Handhabung des Schriftguts, also seine Ablage und seine Ordnung, um die Tätigkeiten selbst im Griff zu behalten. Die schriftlichen Aufzeichnungen zu einer Angelegenheit bauen aufeinander auf und werden in ihrer Abhängigkeit voneinander zum Vorgang. Eine Antwort auf einen Eingang ist nicht autonom. Sie erhält Sinn nur durch die Verknüpfung mit dem veranlassenden Schreiben. Und nur weil das Problem im Eingang schon benannt wurde, die Verfügung aber unlösbar mit ihm verknüpft ist, kann sie ohne inhaltliche Wiederholungen den Lösungsprozeß steuern und den Ausgang vorbereiten, indem sie die dafür erforderlichen Arbeitsschritte knapp und rationell angibt. So könnte ein Vorgang im Prinzip aus einem Blatt Papier bestehen, auf dem alle Elemente vorhanden sind. Dann würde auf den Eingang nach Eingangsstempel und Zuschreibung auch die Verfügung z.B. zur Ausfüllung eines Antwortformulars, von dem keine eigene Kopie in den Akten zu verbleiben braucht, sowie die Abzeichnung dieser Verfügung durch Schreibbüro und Postausgangsstelle gesetzt. Es handelt sich um einen vollständigen Vorgang. Ein idealtypischer Vorgang besteht aus vier Elementen, dem Eingang, dem Aktenvermerk, der Verfügung und dem Ausgang. Die vier Elemente sind ihrerseits zusammengesetzte Komplexe, die während des Ablaufs entstehen, jeweils aber als Einheit für die folgenden Schritte benötigt werden. Die Elemente des Eingangs sind das Schreiben, der Datumsstempel, die Identifikation durch Tagebuch- oder Ordnungsnummer und die Zuschreibung. Dazu kommen bei Bedarf Geschäftsgangsvermerke, die Zeichnungs- oder Kenntnisvorbehalte, Rücksprachen oder Besprechungen anordnen und damit den Erledigungsprozeß vorstrukturieren. Der Eingang ist geeignet, die chaotisch auf die Behörde einstürzenden Ansprüche in bearbeitbare Bahnen zu lenken. Schriftlichkeit hilft dabei, die Komplexität zu reduzieren, sie zu strukturieren und in bearbeitbare Portionen aufzuteilen. Der Eingang gibt den Auftakt zur Bearbeitung einer Sache. Der Aktenvermerk besteht aus dem Betreff oder Aktenzeichen als Verknüpfung und der Nachricht über neue Fakten oder Aspekte, die für den Fortgang der Sache wichtig sind. Der Aktenvermerk dient der Problementwicklung. Er präzisiert den Sachverhalt und orientiert die weitere Arbeit auf das angestrebte Lösungsziel. Die Verfügung besteht aus dem vorläufigen Konzept mit präzisem Lösungsvorschlag und der Liste der Verfahrensschritte, die vor der Weiterleitung der Verfügung an die nächste aufgelistete Stelle zur Erledigung des nächsten Verfahrensschrittes mit der Paraphe und dem Datum abgezeichnet werden, damit der Vorgang nicht noch einmal hierher geleitet werden muß. Die Abzeichnung dient der Rückkopplung zur Feststellung durch die Registratur, daß die Sache ihren geplanten Gang nimmt. Die interne Verfügung mit ihren durchnumerierten Absätzen ist eines der rationalsten Planungs- und Steuerungsinstrumente, die in der Verwaltungsarbeit entwickelt wurden. Der federführende Bearbeiter kann mit diesem Instrument situationsgerecht den Erledigungsprozeß gliedern, Rückfragen und zusätzliche Informationsbeschaf-

D 3 . 1 Die Registratur: Wie entsteht der Rohstoff für die Archivierung?

463

fung passend einbauen und die ihm in der Behörde zur Verfügung stehenden Assistenzdienste einsetzen. Hier zeigt sich besonders deutlich, wie Schriftlichkeit die mündliche Abstimmung am gleichen Ort und zur gleichen Zeit erübrigt. Sie erlaubt die Konzentration und Vorbereitung auf das Problem zu einem Zeitpunkt, der in die eigene Arbeitsplanung paßt, eher als ein Anruf oder ein zufälliges Treffen auf dem Flur. Das dient der gründlicheren und besseren Erledigung, indem es den Vorgang vereinfacht, also Komplexität reduziert, die bei überfallartiger, ungeplanter und spontaner Anfrage zu Ärger, Abwehr und oberflächlicher Antwort führt. Der Ausgang besteht aus dem Schlußkonzept mit der nach außen zu vermittelnden Problemlösung, der Zeichnung als Bestätigung der Verantwortlichkeit und dem Kanzleivermerk über die Herstellung der Form, die von der Sachbearbeitung für die Übermittlung an den Absender des Eingangs ausgewählt wurde. Beim Einsatz von Telefon, Fax oder E-Mail entstehen ähnliche Bestätigungen nur, falls Assistenzdienste nach schriftlicher Vorgabe daran beteiligt werden. Zum Ausgang gehört ebenso die Ausfertigung, die zur Post gegeben wird. Das ist die Form, meist als Abschrift des gezeichneten Konzepts auf Kopfbogen, in der die Entscheidung nach außen mitgeteilt werden kann. Briefkopf und Unterschrift sind sich ergänzende Kennzeichen, die dem Adressaten die Authentizität belegen. Bei anderen Übermittlungsformen muß ebenfalls der authentische Absender für den Adressaten erkennbar sein. Die Unterschrift hat eine völlig andere Bedeutung als auf einem Scheck. Sie beglaubigt nicht die Richtigkeit der Aussage, sondern nur die Übereinstimmung mit dem Konzept, dessen materieller Gehalt zuvor durch die Zeichnung bekräftigt worden war. Der Ausgang reagiert oder antwortet auf den Eingang. Er nimmt das dort aufgeworfene Problem auf und formuliert die Lösung als Entscheidung zu einer Handlungsanweisung oder einem Bescheid. Das Konzept oder der Durchschlag des Ausgangs ist für die Behörde das wichtigere Original als die abgesandte Ausfertigung. Es gibt authentisch Auskunft über die Art der Wahrnehmung von Zuständigkeiten, über den materiellen Inhalt des Bescheids und, durch entsprechende Kanzleivermerke, über die Art und den Zeitpunkt der Versendung.

D 3.1.4

Hil&mittel der Registratur

Die wichtigsten Hilfsmittel der Registratur für ihre Steuerungsaufgaben sind die Unterlagen, die im Normalfall in Form von Akten bereitgehalten werden. Abbildungen u.ä. sind meist Anlagen zu Schriftstücken. Sie verbleiben, wenn es nicht aus technischen Gründen ausgeschlossen ist, im Schriftgut. Spezialsammlungen werden außerhalb der Registratur geführt. Zu den Hilfsmitteln gehören ebenfalls der Aktenplan mit Anhängen wie Ableitungslisten und Indizes und das darauf aufbauende Aktenverzeichnis, Hilfsmittel zur Registrierung der Eingänge, seien es Tagebücher oder Ordnungskarten, Terminlisten zur Fristenüberwachung, Gittermappen als Wegweiser, Unterschriftsmappen zur Herstellung der Ausgänge und weitere Hilfsmittel nach jeweiligem Bedarf.

464 D 3.1.4.1

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung Einsäte unterschiedlicher Aktenformen

Zur Wahrnehmung ihrer Steuerungsaufgaben verwaltet die Registratur das Schriftgut und bildet einen Aktenbestand, der Abbild der Tätigkeiten ist. Die Registratur setzt verschiedene Formen und Techniken dazu ein, sowohl dem Bedarf der Sachbearbeitung an Überblick als auch an handhabbaren Einheiten von Schriftgut zu entsprechen. Dabei entstehen die folgenden Grundtypen: - Einzelsachakten (auch Sachakten genannt und oft als Typ der Verwaltungsakten schlechthin verstanden) repräsentieren jeweils einen umfangreicheren und komplexeren Vorgang eventuell mit Verschränkungen und Untervorgängen, entstanden bei einem relativ hohen Arbeitsteilungsgrad. Sie sind nützlich bei der Bearbeitung umfangreicher und komplexer Entscheidungen bei der Gesetzesvorbereitung oder langfristigen Planung auf ministerieller Ebene. - Sammelsachakten (auch Betreffakten oder Betreffserien genannt) fassen die weniger komplexen und deshalb auch weniger umfangreichen Vorgänge zu einem Aufgabengebiet zusammen. Es sind meist mehrere aus kaum mehr als Eingang und Ausgang bestehende Vorgänge, die bei geringem Arbeitsteilungsgrad wenig mit einander verknüpft sind und aus verschiedenen Anlässen im Rahmen des Aufgabengebietes entstanden sind. Sie werden in ihrer chronologischen Reihenfolge abgelegt. Diese Akten finden sich häufig in technischen Sonderverwaltungen. - Parallelakten (auch Fallakten genannt) entstehen bei Mengen von gleichförmigen Vorgängen, die nicht untereinander durch kooperative Entscheidungsfindung verknüpft sind. Ordnungsmerkmal der Akten sind Namen oder Nummern. Diese Form entsteht meist in der Leistungsverwaltung. Sie ähnelt der Aktenform in der Rechtsprechung und dem Typ der amerikanischen case-files.

D 3.1.4.2

Aktenplan und Aktenverzeichnis

Die Kennzeichnungen der einzelnen Aktenbände ergeben sich aus dem Aktenplan. Ein Aktenplan basiert auf der Gliederung der für eine Behörde definierten Aufgaben in Unterteilungen, die die Anforderungen der umgebenden Realität vorstrukturieren, für den Fall, daß die Behörde zur Lösung von dort auftretenden Problemen in Anspruch genommen wird. Die Gliederung vom Allgemeinen zum Besonderen führt zu einer exakten Abgrenzung der Einheiten untereinander, die Voraussetzung für eine eindeutige Benennung der Detailaufgaben und der korrespondierenden Akten ist. Ihnen wird ein Betreff zugeordnet, der die Aufgabenunterteilung auf der Aktenebene bezeichnet. Der Betreff hat deshalb eine andere Aussagequalität als ein Titel, auch wenn häufig vom Aktentitel gesprochen wird. Er beschreibt keine Inhalte, sondern Tätigkeiten. Der Aktenplan ist keine Systematisierung vorhandener Aktenbestände. Er zeigt lediglich die Planung, die der Aktenbildung zugrunde liegt. Notwendige Ergänzung zum Aktenplan ist das Aktenverzeichnis als Nachweis des Bestandes, oft in Form einer Kartei.

D 3.2 Das Archiv D 3.1.5

465

Perspektiven

Die Registratur sollte schon oft abgeschafft werden, weil davon Rationalisierungsgewinne durch Personaleinsparungen erhofft wurden. Die Unterbewertung der Steuerungsfunktionen hat sie in der Vorstellung vieler Organisatoren reduziert auf eine Aufbewahrungsstelle für Papier, die nicht unbedingt zentral vorgehalten werden muß. Doch setzt sie sich immer wieder durch. In den 20er Jahren sollte sie durch Sachbearbeiterablagen ersetzt werden. Die einschlägigen Akten in den Staatsarchiven zeigen, wie vehement sich die Behörden selbst dagegen gewehrt haben. Auch in der Nachkriegszeit wurde den Registraturen vielfach wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es gibt keine Ausbildung und keinen Beruf für Registratoren. Das negative Image von Akten und Geschäftsgängen, das im übrigen auf eine lange Tradition zurückblicken kann, begünstigt Vorstellungen vom papierlosen Büro, von Einsparungen an Transport- und Liegezeiten, die in den meisten Fällen kräftig überschätzt werden. Schriftgutverwaltung, eigentlich Instrument zum Verfahrensmanagement, ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend zum Selbstzweck geworden. Ihre Unterstützungsfunktion für die Ablaufsteuerung verlor sich hinter Anleitungen zum Ordnen von Ablagen. Elektronische Bürosysteme setzen meist hier an. Nicht die Funktionalität wird zum Ausgangspunkt von Automatisierung, sondern allein die dabei bisher entstandenen Instrumente. Sie verdanken jedoch ihre Form zu einem großen Teil dem Papier als Trägermaterial. Elektronische Bürosysteme machen die Schreiben selbst, nun zu Dokumenten hochstilisiert, zum Gegenstand der Bearbeitung, von dem aus die weiteren Komponenten des Dokumentenmanagement und schließlich des Work-Flow als standardisierter Vorgangsbearbeitung entwickelt werden. Sie setzen bei den Dingen, den Schriftstücken an und stellen sie nachträglich miteinander in Beziehung. Doch sind es zusätzlich angebrachte Verknüpfungen, die nicht im Prozeß der Sachbearbeitung und Verfahrenssteuerung entstanden sind. Sie erhalten dadurch einen beliebigen Charakter und ihre Auswahl ist durch nachträgliche Kriterien der Recherche, nicht solche des vorausgegangenen Arbeitsprozesses bestimmt. Die im Verfahren produzierten Elemente, die aus den Schreiben Einheiten einer neuen Qualität machen, sind in den elektronischen Systemen bisher kaum berücksichtigt worden. Die Entwicklung birgt die Gefahr, daß der Leitung und der Sachbearbeitung die Verfahrensverantwortung genommen wird und die Registratur die Kompetenz des Verfahrensmanagements endgültig verliert. Beides ist aber auch in Zukunft in dieser Arbeitsteiligkeit erforderlich, um sachorientierte Entscheidungsprozesse organisieren und durchführen zu können und um Leistungsnachweise zu erhalten.

D 3.2

Das Archiv: Öffnung von Schriftgutbeständen für eine dauerhafte Nutzung durch Dritte

Archive sind Einrichtungen zur selektiven Aufbewahrung ausgesonderten Schriftguts aus der Verwaltungstätigkeit ihrer Träger für eine neue Nutzung. Für private Archive gibt es keine Pflicht zur Öffnung. Doch zeigt ein öffentlicher Zugang die

466

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung

Bereitschaft, über die eigene Wirkung auf die Gesellschaft und über die eigene Geschichte Rechenschaft anzubieten. Transparenz schafft Legitimation, und Archive stellen Transparenz her. In der Geschichte waren Archive republikanisch verfaßter Staaten ein Instrument der Öffnung der Verwaltung nach außen. Im antiken Athen wurden Gesetze und Verträge durch Hinterlegung im Staatsarchiv im Metroon, dem Tempel der Mutter der Götter, publiziert und dadurch gültig. Das amerikanische Nationalarchiv führt bis heute das Federal Register, die Publikation der neuen Gesetze. Im europäischen Mittelalter hingegen wurden Archive zur geheimen Schatzkammer verbriefter Rechte, die dem Fürsten die Macht und Legitimation sicherten und deshalb vor jeglicher Gefahr oder Einsicht durch Dritte geschützt werden mußten. Die Vorstellung von Archiven als ausschließlichen Quellenspeichern für die Geschichtswissenschaft stammt aus dem 19. Jahrhundert. Heute sind Archive für jeden zugänglich. Archivgesetze regeln die Ausnahmen, die zum Schutz von Rechten anderer Personen erforderlich sind. Archive sind zu Dienstleistungseinrichtungen geworden, die ihre Bestände in Lesesälen zur Benutzung bereitstellen, vielfältige Anfragen beantworten und die in Zusammenwirken mit den Behörden ihres Sprengeis für die gezielte Bildung zukünftiger Überlieferung wirken. Sie erfüllen hoheitliche Aufgaben, indem sie Rechte gewähren oder in Rechte eingreifen. Archivarinnen und Archivare benötigen ein breites Spektrum an Qualifikationen. Von juristischen über historische bis zu verwaltungswissenschaftlichen Kenntnissen reichen die Ausbildungsgebiete. Kerngebiet ist die Archivwissenschaft, die ebenfalls die übrigen Fächer prägt. Wegen des hoheitlichen Charakters der Tätigkeit in den öffentlichen Archiven findet die Ausbildung für diesen Arbeitsbereich verwaltungsintern statt.

D 3.2.1

Archivierung als Umwidmung der Unterlagen

Archivierung ist Gedächtnissicherung. Sie erhält dauerhaft die Nachweise der Verwaltungstätigkeit in einer repräsentativen Auswahl und dient damit der gesellschaftlichen Amnesie-Prävention. Ablaufspuren in Akten sind Indizien zu einem Gesamtbild. Sie machen evident, was geschehen ist. Über den Wahrheitsgehalt von Evidenz zu streiten ist müßig. Sie ist immer authentisch und fälschungssicher, weil sie nur dann entsteht, wenn sie unbewußt hinterlassen wird. Sie kann im Unterschied zum Inhalt der Unterlagen nicht gezielt verändert werden, weil diese Veränderung wiederum Evidenz schafft und auf ihre Motive verweist. Evidenz kann man nur zerstören, indem die Aufzeichnungen vernichtet, geschlossen oder gelöscht werden. Verwaltungsunterlagen sind dort unbestreitbar wahr, wo sie Evidenz von Handlungen liefern. Jede verbale Information über die äußere Realität, über Personen, Orte, Sachen und Ereignisse, die sich in Unterlagen befindet, ist demgegenüber durch das auf ihre Aufgaben gerichtete Interesse der Verwaltung gefiltert und deshalb für andere Zwecke zumindest unvollständig. Es gibt keine zweckfreie, objektive und nicht funktionale Information über die Entscheidungsgegenstände in Verwaltungsunter-

D 3.2 Das Archiv

467

lagen. Doch kann der Realitätsgehalt der Angaben bei Kenntnis der Erhebungszwecke eingeschätzt werden. Deshalb ist das Verständnis für die evidenten Handlungsspuren in den Unterlagen bei jeder Auswertung, nicht nur für die Zwecke der Verwaltungsgeschichte, erforderlich. Der Zugang zur Evidenz, zur anschaulichen Vermittlung der Zusammenhänge, wird durch die Archivierung möglichst erleichtert. Die Evidenzfunktion entsteht sowohl durch die Planung vor als auch durch die Protokollierung während des Ablaufs, soweit beides im Einzelfall eingesetzt wurde und für die weiteren Schritte erforderlich war. Sie ist unbeabsichtigtes Ergebnis mit zusätzlichem Nutzen. Sie schafft aussagekräftige Unterlagen, die es der Behörde ermöglichen, Kontinuität durch Berücksichtigung von Präzedenzfällen zu wahren. Sie macht ihre Arbeit transparent für Außenstehende. Dadurch wird die Verwaltung überprüfbar von den dazu demokratisch legitimierten Organen wie parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Verwaltungsgerichten. Je besser Schriftgut bei kooperativer Aufgabenerledigung mit verteilter Zuständigkeit als Werkzeug gedient hat, je direkter es in seinen Funktionen der Formulierung der Problemstellung, der Verteilung der Arbeitsschritte, der Kommunikation von Lösungsalternativen und schließlich der Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen eingesetzt wurde, um so stärker ist der Prozeß selbst in den Unterlagen vorhanden, um so größer ist ihr Grad an Authentizität und damit die Aussagekraft über die Absichten, Pläne und tatsächlichen Arbeitsschritte. Unterlagen sind für den Nachweis erbrachter Leistungen um so aussagekräftiger, je zielstrebiger verteilte Zuständigkeiten zusammengewirkt haben und je exakter diese Arbeitsteilung mit schriftlichen Instrumenten gesteuert wurde. Archivierung widmet die Unterlagen um von der Nutzung als Instrument für die Steuerung von Verfahren zum Nachweis über ihren Ablauf. Die Archivierung ist als Querschnittsaufgabe in Form einer Sonderverwaltung mit eigenen Laufbahnen und einer eigenen Fachausbildung den Archiven anvertraut. Dort sind die fachlichen Qualifikationen angesiedelt, mit denen die Umwidmung der Unterlagen bewußt vollzogen wird, indem die Evidenz durch Bewertung von Relevanz und Redundanz für den Sekundärzweck und durch strukturierte Erschließung gezielt herausgearbeitet wird. Archive als Institutionen halten für die Öffentlichkeit repräsentative Verwaltungsunterlagen ihrer Träger nach ihrer Schließung dazu bereit, daß sie als Spuren von Tätigkeiten zeigen, was geschah. Grundlage für das Konzept der Umwidmung ist die Unterscheidung, die die Archivwissenschaft zwischen dem Primärzweck und dem Sekundärzweck von Verwaltungsunterlagen vornimmt. Der Primärzweck erfordert ein Steuerungsmanagement, traditionell durch die Registratur auf Grundlage schriftlicher Vorgaben wahrgenommen. Die Nutzung zum Sekundärzweck erfordert eine fachliche Aufbereitung nach archivwissenschaftlichen Methoden. Sie arbeitet die Zusammenhänge und Verknüpfungen heraus und stellt sie in der Form von Findbüchern als Wegweiser für die Ermittlung von Unterlagen bei der Benutzung dar. Anders als die Informationsquellen Bücher, Zeitschriften, Notizen und Datenbanken dienen Verwaltungsunterlagen zwei Nutzungszwecken. Bücher werden zu identischen Nutzungszwecken geschrieben, von Verlagen produziert und in Bibliotheken gespeichert, damit sie Informationen an Leser weitergeben. Akten entstehen

468

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung

im Unterschied dazu nicht, um Dritte mit Informationen zu versorgen. Eine falsche oder zu frühe Öffnung der Unterlagen kann im Gegenteil dem ursprünglichen Zweck, der Steuerung von Entscheidungsprozessen hinderlich sein. Deshalb sind in den Archivgesetzen Sperrfristen von 30 Jahren vor der Öffnung der Unterlagen zum Schutz der Behörden vor direkter Einflußnahme festgelegt worden. Deshalb gibt es gesetzliche Geheimhaltungsbestimmungen und die Archivgesetze sehen Vorkehrungen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts und der informationellen Selbstbestimmung vor.

D 3.2.2

Elektronische Speicherung hat mit Archivierung wenig zu tun

Elektronische Archivierung meint meist die Speicherung von Schriftstücken, die sich dadurch auszeichnet, daß sie die Veränderbarkeit einschränkt, jedoch keine Bewertung, Erschließung oder Strukturierung vorsieht. Veränderbarkeit kann gerade bei der Nutzung zum Primärzweck für die Vörgangsbildung erforderlich sein. Bei der Nutzung zum Sekundärzweck muß sie jedoch ausgeschlossen bleiben. Auch ist eine gezielte Ermittlung schneller als ziellose Suche in unüberschaubaren Mengen. Der Entstehungszusammenhang ist dabei wichtiger als das Alphabet oder die Chronologie. Der Text einer Antwort muß nicht die gleichen Stichwörter benutzen, wie die Anfrage, um verständlich zu sein. Und auch die Dauerhaftigkeit der Speicherung ist durch Hard- und Softwarevoraussetzungen begrenzt. Sie erreicht in keinem Fall die Haltbarkeit des Papiers. Ubiquitäre Verfügbarkeit von Aufzeichnungen in Netzen ist bei einem geplanten und steuerbaren Prozeß nicht erforderlich. Sie führt vielmehr zur Informationsüberflutung, die die Konzentration auf die wichtigen Sachen erschwert, ebenso wie das Sternverfahren bei Mitzeichnungen anstelle einer geplanten, den Zuständigkeiten angepaßten Reihenfolge eher das Verfahren verkompliziert und verlangsamt, als es zu beschleunigen. Viele der Funktionen der elektronischen Archive sind überflüssig oder kontraproduktiv für die Verwaltungsarbeit und die dauerhafte Erhaltung ihrer Nachweise.

D 3.2.3

Archivwissenschaft

Die Archivwissenschaft stellt Theorien, Methoden und Verfahren für die Aufbereitung von Verwaltungsschriftgut zur Nutzung als Evidenz für die Interpretation unter beliebigen Fragestellungen bereit. Archivische Methodik zur Aufbereitung von Unterlagen umfaßt zwei gleichwertige Phasen. Zunächst wird in einem selbständigen Schritt der vorgefundene Zustand auf seine immanenten Bedingungen hin analysiert. Im einem nächsten Schritt werden dann die Ergebnisse dargestellt. Erschließung arbeitet die Verknüpfungen im Schriftgut heraus und macht sie transparent. Bewertung identifiziert die unverzichtbaren Bestandteile für ein vollständiges Modell der Behördentätigkeit. Komplette Aufbewahrung des Schriftguts würde den Blick für das Wesentliche verstellen. Bewußtes Vergessen schafft dagegen Raum für neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Archivwissenschaft ist Teil der Verwaltungswissenschaften. So wie die Verwaltungs-

D 3.2 Das Archiv

469

geschichte die Entstehung und Entwicklung der Institutionen beschreibt und erläutert, so erklärt die Archivwssenschaft den Gebrauch und die Funktionen der Kommunikations- und Steuerungsinstrumente und ihre Analyse an Hand der überlieferten Spuren in jeder beliebigen Phase der Geschichte. Gerade bei den Problemen elektronischer Kooperation in Verwaltungen kann sie ihr Erklärungspotential und ihre Analysemethoden voll entfalten. Hier kann sie Erklärungen liefern. Sie zeigt, woher die Verwaltungstechniken stammen und welche latenten Ziele mit ihnen verbunden sind. Mit archivwissenschaftlichen Methoden können gleichermaßen Kanzleizusammenhänge bei mittelalterlichen Urkundenbeständen, Beteiligungsverfahren in modernen Ministerien wie auch die Anforderungen an zukünftige elektronische Kooperation geklärt werden.

D 3.2.3.1

Die Wurzeln der archivischen Fachwissenschaft

Die Archivwissenschaft hat ihre Wurzeln einerseits in der juristischen Qualifikation von Archivaren des 17. und 18. Jahrhundert, die gleichzeitig auch Registratoren waren und aus den Unterlagen rechtliche Gutachten anfertigten. Im 19. Jahrhundert waren Archivare historisch qualifiziert und werteten als privilegierte Benutzer ihre Archive stellvertretend aus, als noch kein allgemeiner Benutzungsanspruch existierte. Großangelegte Herrscher- und Dynastiegeschichten, Editionen von Rechtstexten und Korrespondenzen waren das Werk dieser Historiker-Archivare. Die weitere Entwicklung der Fachwissenschaft stand in engem Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Je leistungsfähiger die Verwaltung wurde und je mehr sie in Anspruch genommen wurde, um so wichtiger wurde die Rolle der Archive. Angesichts zunehmender Veränderungen in den Verwaltungsstrukturen und mit dem Ziel einer möglichst rationellen Ordnung der archivierten Unterlagen entstanden ähnliche methodische Überlegungen an mehreren Stellen zur gleichen Zeit am Ende des 19. Jahrhundert. In den Niederlanden und Preußen wurde fast gleichzeitig das Provenienzprinzip formuliert. Damit begann die Professionalisierung des Berufs auf der Basis einer eigenen Fachwissenschaft.

D 3.2.3.2

Das Provenienzprinzip

Das Provenienzprinzip besteht in der Forderung, daß das, was zusammengehört, auch zusammen bleiben soll. In der Form eines Regulativs wurde es 1881 als Anweisung für die Ordnung der Bestände in den preußischen Staatsarchiven formuliert. Damit war auf den Begriff gebracht, was schon zuvor schon z.T. rein pragmatisch in den Archiven praktiziert wurde, jetzt aber erst den Stellenwert einer generellen Leitlinie erhielt. Seitdem hat das Provenienzprinzip drei Bedeutungen: - Ordnungsprinzip: Es begründet das Verfahren für die innere Ordnung der Bestände und die Abgrenzung der Bestände voneinander, indem Unterlagen aus gemeinsamer Herkunft zusammen archiviert werden. - Organisationsprinzip: Es grenzt die Zuständigkeit von Archiven untereinander ab, indem es die Zuständigkeit der Institution aus dem Wirkungskreis des jeweili-

470

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung

gen Archivträgers und seiner Vorläufer ableitet. Das gilt im Bereich der öffentlichen Verwaltung sowohl für die geographische Abgrenzung der Archivsprengel als auch für die Verwaltungsebene. - Forschungsprinzip: Es ermöglicht die gezielte Ermittlung relevanter Unterlagen für bestimmte Fragestellungen und ist damit Bestandteil der Auswertungsmethoden, die vor allem für die Geschichtsforschung wichtig sind. Das Provenienzprinzip bedeutet die Berücksichtigung der gemeinsamen Herkunft eines Schriftgutkomplexes aus einem seinen Charakter bestimmenden Zusammenhang bei allen archivischen Bearbeitungsschritten. Über die Herkunft aus einem gemeinsamen organisatorischen Zusammenhang hinaus ist die „Sachgemeinschaft" (Lit. 01) konstitutiv für den Charakter von Archivgut. Sie ist damit Grundlage aller Arbeitsbereiche auch in der Archiwerwaltung und bei den Maßnahmen der Bestanderhaltung.

D 3.23.3

Archivische Arbeitsmethoden

Die archivischen Arbeitsmethoden haben das Ziel, die vorgefundenen Bedingungen zu respektieren und ihre mögliche Aussagekraft herauszuarbeiten. Die immanenten Strukturen sind Leitlinie für jede Gestaltung. Deshalb nehmen die Verfahren der Analyse breiten Raum ein. Die Darstellung der Analyseergebnisse hat das Ziel, die Bestände möglichst transparent und leicht benutzbar zumachen. Die Instrumente, vor allem das Findbuch, sollen möglichst viel Hintergrundinformationen über den Bestand liefern.

D 3.2.3.3.1 Bewertung Die Bewertung identifiziert die für die Überlieferungsbildung erforderlichen Bestandteile des behördlichen Schriftguts. Sie verdichtet es auf die wesentlichen Aussagen. Etwa 5% allen Schriftguts werden zu diesem Zweck benötigt. Seit der Wiedervereinigung hat sich in Deutschland wie auch weltweit die Diskussion um die Methoden der Bewertung erneut belebt. Die Extrempositionen werden einerseits durch die Forderung der Beteiligung an der historischen Forschung als Voraussetzung zur Bewertungsfähigkeit und der Ableitung von Kriterien aus dem zukünftigen Forschungsbedarf und andererseits durch den methodischen Ansatz der Evaluierung von Behörden und Organisationseinheiten mit dem Ziel pauschaler Entscheidungen über die Aufbewahrung von Schriftgut aus wichtigen Tätigkeitsbereichen (v.a. in den Niederlanden und Kanada) gekennzeichnet. Dazwischen hat sich eine eher pragmatische Position etabliert, verstärkt durch die Rezeption der Richtlinien des amerikanischen Nationalarchivs aus den 50er Jahren, die damals unter dem Einfluß der deutschen Diskussion der 30er Jahre entstanden waren. Das Ziel ist die Verdichtung der Aussagen ohne Blick auf eine zukünftige Auswertung. Bewertet wird der Nutzen für den Zweck des Nachweises. Irrelevant sind dabei allgemeine philosophische, immer subjektiv gefärbte Wertvorstellungen. Eine Check-Liste für die Bewertung umfaßt zwei Kategorien mit jeweils drei Grup-

D 3.2 Das Archiv

471

pen von Fragen. Sie analysiert zunächst die Verwendbarkeit für die Evidenz, also die Anschauung, nicht die verbale Beschreibung der Behördentätigkeit. Was dafür nicht verwendbar ist, wird dann auf seinen Informationsgehalt geprüft, der ebenfalls zunächst formal auf den Grad der Konzentration und auf die Zugänglichkeit analysiert wird. Im letzten Schritt können zusätzlich zu den immanenten Kriterien aus anderen Berufen stammende fachliche oder persönliche Einschätzungen eine Rolle spielen. Die Feststellung der Übereinstimmung mit den Kategorien und Fragen kann zu mehr oder weniger pauschalen Entscheidungen in der Form von befristeten Vernichtungsgenehmigungen ganzer Aktengruppen bis zur Einzelanalyse führen. Bewertungskataloge, die auf dieser Basis erstellt werden, werden ständig überprüft und neuen Entwicklungen angepaßt. Die Analyse- und Bewertungskompetenz der Archive kann nicht an die Verwaltungen abgetreten werden. Die Aufgabe der Verwaltung erschöpft sich in der Erledigung des Primärzwecks. Der Blick für den Sekundärzweck verlangt Übersicht und Uninteressiertheit an den Entscheidungen. Die Bewertung gestaltet die Form des Bestandes. Sie legt seine Aussagekraft und seinen Umfang fest. Sie schafft das Rohmaterial für die Erschließung.

D 3.2.3.3.2 Erschließung Archivische Erschließung besteht aus Ordnung und Verzeichnung. Das Ziel der Erschließung ist die Benutzbarkeit des Bestandes. Sie öffnet ihn und macht seine Aussagemöglichkeiten transparent. Ebenso wie die Bewertung ist die Erschließung eine wissenschaftliche Aufgabe. Jeder Strukturtyp von Unterlagen verlangt besondere Methoden. Ergebnis der Erschließung ist das Findbuch als Wegweiser zum Material, das durch logische Schlußfolgerungen und Ermittlungen, nicht durch Suche aufgefunden werden kann. Findbücher machen die Verknüpfungen innerhalb des Bestandes mit ihrer Gliederung und der Differenzierung von Titel, Enthält- und Darinvermerken anschaulich. Sie verdeutlichen auf nonverbalem Weg die Entstehungszusammenhänge und geben in den Titelbildungen Beschreibungen der in den Akten zu erwartenden Aussagen.

D 3.2.3.4

Perspektiven

Im letzten Jahrzehnt hat sich die internationale Diskussion in der Archivwissenschaft stark belebt. Zu Beginn der 70er Jahre wurde durch die UNESCO gefördert eine Harmonisierung der theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen der drei Bereiche Archiv, Bibliothek und Dokumentation betrieben. Hintergrund war die Einrichtung von Archivausbildungen in den oft unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassenen afrikanischen Ländern ohne Verwaltungstraditionen. Im Gegenzug setzte auf der fachlichen Ebene eine Diskussion um die Selbständigkeit der Archivwissenschaft von der Geschichtswissenschaft ein. In Nordamerika wurden spezielle Ausbildungsgänge für den Archivarberuf aus der bisherigen Spezialisierung inner-

472

Menne-Haritz: Schriftgutverwaltung und Archivierung

halb einer bibliothekarischen Ausbildung heraus entwickelt. Von dort ging eine wesentliche Belebung der fachlichen Diskussionen aus. Im Zentrum der internationalen Diskussion stehen im Moment folgende drei Fragenkomplexe, verstärkt durch die Erfahrungen mit elektronischen Kooperationsformen in Verwaltungen: - Bedeutung des Provenienzprinzips und die konsequente Ausweitung seiner Geltung als Grundlage für jede archivische Tätigkeit. - Das „record-concept": Was sind Akten? Welche Funktionen erfüllen sie? Werden diese Funktionen auch in Zukunft gebraucht und falls ja, wie können sie ohne Papier realisiert werden? - Ziele, Methoden und Verfahren der archivischen Bewertung. Sind Archive Instrumente der Rechenschaftsfähigkeit oder haben sie den Auftrag, die Gesellschaft zu dokumentieren? Bewahren sie das Gedächtnis der Nation, wie es die Romantik formulierte, oder erhalten sie die Erinnerungsfähigkeit?

Archivwissenschaft erhält durch die Entwicklungen der Informationstechnik neue Relevanz und beweist ihren Nutzen auf bisher kaum berücksichtigten Feldern. Wurde ihre Zurückhaltung gegenüber neuen Technologien ihr zu Beginn als Altertümlichkeit vorgehalten, so zeigt sich inzwischen, daß sie, weil sie an ihren theoretischen Grundlagen festgehalten hat, auch Erklärungen für aktuelle Probleme bereit hält. Akten sind keine Datenbanken. Recherchestrategien benötigen die Entstehungskontexte und die durch Kooperation bei der Entscheidung entstandenen Verknüpfungen als Ermittlungsleitlinie. Überlieferungen aus kooperativen Entscheidungsprozessen können nicht in Schemata gepreßt werden. Jeder Einzelfall ist anders. Und diese Vielfalt muß verstanden, erhalten und dargestellt werden, damit Archive benutzbar bleiben. Das müssen auch EDV-Systeme für Archivierung leisten, wenn sie nicht hinter Ergebnisse bisheriger Verfahren zurückfallen sollen.

Literatur 01. Branneke, Adolf: Archivkunde. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte des europäischen Archivwesens, bearb. nach Vorlesungsmitschriften und Nachlaßpapieren und ergänzt von Wolfgang Leesch, Leipzig 1953 02. Schatz, Rudolf: Behördenschriftgut. Aktenbildung, Aktenverwaltung, Archivierung, Schriften des Bundesarchivs, Boppard 1961 03. Papritz, Johannes: Archivwissenschaft, 2. Aufl., Marburg 1983 04. Menne-Haritz, Angelika: Schlüsselbegriffe der Archivwissenschaft. Unterrichtsmaterialien für das Fach Archivwissenschaft, Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 20, Marburg 1992 05. Menne-Haritz, Angelika: Akten, Vorgänge und elektronische Bürosysteme, Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 25, Marburg 1996

D4

Pressedokumentation Marianne Englert

D 4.1

Grundsätzliches

D 4.1.1

Einleitung

Das Pressearchiv befindet sich gegenwärtig in einer Phase des Umbruchs, in der die bisher gewohnten konventionellen und die mit der Elektronisierung einhergehenden neuen Verarbeitungsmethoden parallel laufen. Manche Pressearchive verhalten sich beim Sammeln noch so wie vor Jahrzehnten, andere bedienen sich der EDV bereits umfassend, bauen eigene Datenbanken auf und recherchieren in internen und externen Datenbanken. Da sich die alten und die neuen Methoden verschränken, lassen sie sich mit ihren unterschiedlichen Organisationsformen zwar beschreiben, allgemeinverbindliche Aussagen über die zweckmäßige Verarbeitung von Pressetexten zu treffen, ist hingegen schwierig. Die Kriterien, von denen sich der Pressedokumentar bei seiner Tätigkeit leiten Iäßt, um den Anforderungen entsprechen zu können, die an ihn herangetragen werden, lassen sich allerdings herausarbeiten. Innerhalb der fachlichen Disziplinen von Information und Dokumentation nimmt die Pressedokumentation eine Sonderstellung ein. Ihre eigenständige Entwicklung begann bereits ein Jahrhundert früher als die der naturwissenschaftlich-technischen Fachdokumentation. Später verlief sie parallel zu dieser, und erst Mitte der sechziger Jahre kam es zu einer fachlichen Annäherung, die sich allmählich intensivierte. Auch die Informations- und Kommunikationswissenschaft nimmt inzwischen von der Pressedokumentation inhaltlich Notiz. Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum die ersten Redaktionsarchive entstanden (Lit. 11), wählte man den Namen „Archiv" schon deshalb, weil es den Begriff „Dokumentation" im heutigen Wortsinn noch nicht gab. Zwar entsteht in Redaktionsarchiven, die die Produkte des eigenen Verlags speichern, auch Archivgut, von der Arbeitsmethodik her gesehen ist die Tätigkeit in einem Pressearchiv jedoch an erster Stelle eine dokumentarische. Daneben enthält sie bibliothekarische Elemente und auf der Ebene des wissenschaftlichen Medienarchivars und -dokumentäre noch eine ausgeprägte journalistische Facette.

D 4.1.2

Anforderungen an den Pressearchivar/-dokamentar

Gleich dem das Archiv nutzenden Redakteur muß der qualifizierte Pressearchivar und -dokumentär seine Themen inhaltlich beherrschen. Die fachliche Qualifikation ist in anspruchsvolleren Positionen noch immer von größerer Bedeutung als das dokumentarische Methodenwissen, dessen sich der Pressedokumentar dennoch zu bedienen hat. Das Erfassen und Analysieren von Zeitungsartikeln, das Vergeben von Suchmerkmalen ist ohne Sachkompetenz nicht möglich. Auch beim Recherchieren

474

Englert: Pressedokumentation

in konventionellen und elektronischen Informationsspeichern, bei der Zusammenstellung und Weitergabe von Daten, Fakten und Ereignissammlungen hat er sich als fachlich versierter Informationsspezialist zu bewähren. Er berät den Nutzer partnerschaftlich, muß dessen Informationsbedürfnisse einschätzen können und nutzt nicht nur die Möglichkeiten der eigenen Dokumentationsstelle, sondern hat auch Mittlerfunktionen beim Abruf von Informationen aus externen Informationsquellen. Dazu bedarf es neben dem erforderlichen Fachwissen einer guten Allgemeinbildung. Während in kleineren Pressearchiven neben der breiten Verfügbarkeit von allgemeinem Wissen vor allem Wendigkeit gefragt ist, muß sich der Pressedokumentar in größeren Dokumentationsstellen fachlich stärker spezialisieren (Lit. 55). Die sich abzeichnenden Veränderungen der Medienlandschaft tragen auch neue Anforderungen an den Pressedokumentar heran. Vor allem durch den Einsatz der EDV entwickelten sich Arbeitsgebiete, die spezielle Kenntnisse erfordern. Dazu gehören der Entwurf und die Pflege von Informationssystemen, die Entwicklung von Informationsinfrastrukturen, die Erschließung zusätzlicher Informationsressourcen und das Nutzen von Synergieeffekten. Projektplanung und Managementmethoden gewinnen an Bedeutung. Auch die Abgrenzung zwischen Dokumentär und Journalist verschiebt sich. Statusfragen und Fragen der Verantwortlichkeit für recherchierte Informationen werden an manchen Stellen lebhaft diskutiert, es gibt unterschiedliche Lösungsansätze, insgesamt aber sind die Grenzen zwischen dem Journalisten und dem Dokumentär fließender geworden und werden des öfteren in beiden Richtungen überschritten (Lit. 46, 49, 55).

D 4.1.3

Entwicklung und Aufgaben der Pressedokumentation

Pressearchive gab es schon im 18. Jahrhundert. Die Zeitungsbändesammlungen, die man so bezeichnete, wurden anfangs als reine Liebhabersammlungen geführt, später aber an manchen Stellen bereits einer professionellen Ordnung unterworfen. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts bildeten sich, zuerst in Amerika, dann auch in England, die ersten Redaktionsarchive heraus. In den deutschsprachigen Ländern Europas entstanden die ersten Redaktionsarchive in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als einige bedeutende bürgerliche Zeitungen, wie die Frankfurter Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung, das Hamburger Fremdenblatt, der Ullstein-Verlag in Berlin und die Kölner Zeitung erkannten, daß sich mit einem eigenen Archiv die redaktionellen Leistungen verbessern ließen, dem Leser damit aber auch schneller und gezielter Auskunft über erschienene Beiträge gegeben werden konnte. Denn schon von Beginn an kam dem Redaktionsarchiv eine doppelte Aufgabe zu, die ihm bis heute geblieben ist: das Pressearchiv trägt dazu bei, den Informationsbedarf der eigenen Redaktion(en) zu befriedigen, ist aber gleichzeitig eine der populärsten Anlaufstellen für Auskunftsuchende, über die die Öffentlichkeit verfügt. Der einfache Bürger, der vor dem Besuch einer Buchhandlung oder Bibliothek vielleicht zurückschreckt oder überhaupt nicht weiß, an wen er sich mit seiner Frage gezielt wenden könnte, erwartet von „seiner" Zeitung wie selbstverständlich Auskunft, Rat und Hilfe. Damit ist das Redaktionsarchiv nicht nur ein Biirgerinfomiationssystem ersten Ranges, sondern zugleich ein Instrument der von den Zeitungen traditionsge-

D 4.1 Grundsätzliches

475

mäß intensiv gepflegten Leser-Blatt-Bindung. Dies gilt noch heute, obwohl die Informationstätigkeit des Pressearchivs gegenüber Dritten durch den Einsatz elektronischer Medien inzwischen eine neue Dimension und eine andere Qualität gewonnen hat. Dank der Kommerzialisierung der Archivdienstleistungen wurde das Redaktionsarchiv zum Profitcenter. Es entwickelte sich, in den letzten Jahren verstärkt, zu einem Teilnehmer am Informationsmarkt, auf dem es seine Dienstleistungen anbietet, und übernahm damit neue Aufgaben. Pressearchive werden nicht nur von Presseverlagen unterhalten, sondern auch von vielen anderen Institutionen. Die deutschen Rundfunkanstalten verfügen fast alle über ein eigenes Pressearchiv, mit dem sie ihre Film- und Schalldokumentation ergänzen (vgl. Anhang). Zeitungen werden aber auch ausgewertet in Ministerien und Parlamenten, von Parteien und Verbänden, Behörden und Hochschulen. Das Hamburgische Weltwirtschaftsarchiv (heute HWWA - Institut für Wirtschaftsforschung; Lit. 61) und das Kieler Institut für Weltwirtschaft begannen bereits zu Beginn des Jahrhunderts mit dem Aufbau ihrer Pressearchive. Beide Archive bestehen noch heute. Auch wissenschaftliche Institute mit spezieller Fachrichtung wie das HerderInstitut in Marburg, das Institut für Zeitgeschichte in München und das Institut für Auslandskunde in Stuttgart unterhalten eigene, meist recht umfangreiche Pressedokumentationen. Ebenso gern bedienen sich viele Unternehmen der Wirtschaft, vor allem Banken und Versicherungen (Lit. 59), der Dienstleistungen eines Pressearchivs. Auch die großen Chemieunternehmen unterhalten Pressedokumentationsstellen, oft als Bestandteil einer Stabstelle für Öffentlichkeitsarbeit. Sie leisten einen Beitrag zur Wahrung des Unternehmenswissens, stärken den innerbetrieblichen Informationsfluß und registrieren sich ankündigende Veränderungen von Wettbewerbsbedingungen (Lit. 40). Inzwischen gründeten Großunternehmen der Chemie einen Informationsverbund und ersetzen das klassische Papierarchiv mehr und mehr durch ein elektronisches Informationssystem. Die spezielle Ausprägung von Pressearchiven der Wirtschaft ist stets bestimmt durch die Interessenlage des Auftraggebers, und die Informationsdienstleistungen richten sich nach dem Bedarfsprofil des Unternehmens, in dem die Dokumentationsstelle angesiedelt ist. Das breit aufgefächerte Spektrum sehr unterschiedlicher Anforderungen macht den eigentlichen Reiz der Tätigkeit in diesem speziellen Bereich der Dokumentation aus. Der Pressedokumentar übt seine Tätigkeit aus in dem Spannungsfeld zwischen den verschiedenartigen Informationsbedürfnissen, für deren Erfüllung er zuständig ist.

D 4.1.4

Typen von Press earchiven und -dokumentationsstellen

Unterscheiden lassen sich insgesamt vier Formen von Pressearchiv und Pressedokumentationsstellen: das Zeitungsbändearchiv, das Presseausschnittarchiv, das Registerarchiv und die Elektronische Datenbank, die ihrerseits wieder in unterschiedlichen Anbietungsformen verfügbar gemacht wird. Die erste und älteste Form, das Zeitungsbändearchiv, begnügt sich mit der bibliothekarischen Titelaufnahme. Diese Form des Zeitungsarchivs ist insbesondere den Bibliotheken vorbehalten und bleibt hier aus der weiteren Betrachtung heraus. Das

476

Englert: Pressedokumentation

Presseausschnittarchiv stellt trotz einer wacbhsenden Zahl elektronischer Pressedatenbanken die heute noch immer gebräuchlichste Form der Pressedokumentation dar. Der Redakteur, fast immer unter Zeitdiruck stehend, möchte schnell in einem „Dossier" blättern und sich dazu nicht an detn Bildschirm begeben müssen, der ihm weniger Komfort bietet. Daher werden in deen Redaktionen die Papierarchive - mit gleitenden Übergängen - oft auch dort nocch weitergeführt, wo man sich bereits elektronischer Verarbeitungsmethoden bediient. Angesichts der wachsenden Elektronisierung wird allerdings das Presseausstchnittarchiv seine Vorzugsposition vermutlich in Kürze verlieren. Das RegisterarcHiiv erschließt die zu dokumentierenden Zeitungsartikel über Stellvertreter und Regisster und weist damit auf die Fundstellen hin, während sich der volle Text im Zeitungssband, auf dem Mikrofilm oder auch in einer chronologisch geordneten Ausschnittssammlung befindet. Das bis in dieses Jahrhundert hinein praktizierte Verfahren eignet sich an erster Stelle für eine schnelle Weitergabe von Informationen an dien Leser, während es für den redaktionellen Gebrauch zu schwerfällig ist. Erst duirch die Elektronik wurde ihm zu einer neuen Blüte verholfen.

D 4.2

Pressedatenbanken

Mit deutlicher Zeitverzögerung gegenüber cder Entwicklung in anderen Staaten, in den letzten Jahren aber zunehmend, werdem in Deutschland elektronische Pressedatenbanken aufgelegt (vgl. Anhang) und sow 09 00 r-

N cn UI D

Zeichnung aus einer der folgenden Seiten

Abb. 4: Gebrauchsmusterschrift: Titelblatt mit Zeichnung von einer Folgeseite

D 6.2 Internationale Patentklassifikation

525

• das technische Gebiet, zu dem die Erfindung gehört • der Stand der Technik mit Zitierungen sowie die Mängel des bisherigen Standes • das technische Problem • die Mittel der Problemlösung • die Ausführungsbeispiele. Diese Komponenten sind auch in den Patentschriften anderer Patentämter vorhanden; teilweise werden sie dort durch Zwischenüberschriften kenntlich gemacht. Die Patentansprüche sind in der Regel nach Oberbegriff und kennzeichnendem Teil geteilt. Im Oberbegriff werden die Merkmale der Erfindung aufgenommen, die den Stand der Technik bilden. Der kennzeichnende Teil wird meist mit „gekennzeichnet dadurch, daß" eingeleitet und enthält jene Merkmale der Erfindung, für die Schutz angestrebt wird.

D 6.2

Internationale Patentklassifikation

Die Internationale Patentklassifikation (IPC) ist ein Mittel zur weltweit einheitlichen Klassifikation von Erfindungen. Sie dient vor allem als wirksames Recherchewerkzeug für das sprachunabhängige Wiederauffinden von Patentdokumenten durch die Nutzer. Im deutschen Bereich löste die IPC 1975 die nationale Patentklassifikation (DPK) ab. Nur die USA benutzen weiterhin die nationale Patentklassifikation (U.S. Cl.) neben der IPC, was die Qualität der Vergabe der IPC-Notationen beeinträchtigt. Seit 1968 entstanden sechs Ausgaben der IPC. Sie werden im 5-Jahres-Rhythmus revidiert. Die sechste Ausgabe ist seit dem 1.1.1995 gültig. Sie enthält ca. 65.000 Notationen, d.h. sie zerlegt das Gesamtgebiet der Technik in ca. 65.000 Teile. Die IPC wird in Englisch und Französisch erstellt; aber auch in Deutsch, Japanisch, Russisch und in anderen Sprachen werden offizielle Texte bereitgestellt. Der hierarchische Aufbau der IPC wird am Beispiel der IPC-Notationen Β 64 C 5/00 und Β 64 C 5/12 aus dem Flugzeugbau verdeutlicht: Β Sektion

64

C

Klasse Unterklasse

5/00 oder 5/12

Hauptgruppe Untergruppe

Gruppe

Die Untergruppe Β 64 C 5/12 ist nachfolgend so dargestellt, wie sie der Nutzer im systematischen Teil der Klassifikation findet: B64C

5/00

Stabaierangsflächen

5/02 5/04 S/06 S/08 5/10 S/12

(Stabilierungsflächenbefestigung am Rumpf 1/26) . am Schwanz (fest angeordnete Flossen S/06 . an der Nase . fest angeordnete Seitenflossen (am Tragflügel S/08) . am Tragflügel . verstellbar .. zurückziehbar an oder in den Rumpf oder die Gondel

526

Schramm: Patentinformation

Sie ist unter der Untergruppe 5/10 eingeordnet und muß innerhalb von deren Geltungsbereich gelesen werden: „Verstellbare Stabilitätsflächen, zurückziehbar an oder in den Rumpf oder die Gondel". Als zusätzliches Hilfsmittel steht der alphabetische Teil der Klassifikation (Stichund Schlagwörterverzeichnis) zur Verfügung. In diesem Verzeichnis gelangt der Nutzer über ein Fachwort zu dem möglichen Notationsbereich: StabOlsienuiggflädie Leitfläche; Flugzeug ... B64C 5/00*

In einem zweiten Schritt sollte in dem systematischen Teil der Klassifikation die Relevanz der Notation überprüft werden. Zu beachten ist die funktions- und anwendungsorientierte Vergabe von IPC-Notationen. So sind z.B. „Leitern im Allgemeinen" unter E06C 1/00 dem Bauwesen, aber „Außenbordleitern" unter B65B 27/14 dem Schiffbau zugeordnet.

D 6.3

Patentrecherchearten

Im Zusammenhang mit der Entwicklung, dem Patentschutz und der Vermarktung neuer technischer Produkte und Verfahren werden drei grundsätzliche Fragen gestellt: • Welcher Stand der Technik wurde in der Welt auf dem interessierenden Gebiet erreicht? • Ist die gefundene technische Lösung neu gegenüber dem Weltstand? • Verletzt die Nutzung der technischen Lösung die Rechte Dritter? Diese Fragen beantworten die Weltstands-, Neuheits- und Verletzungsrecherche. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Retrospektivität, Länderspektrum und Recherchevollständigkeit : Rechercheart

Retrospektivität

Ländenpektram

RechercheVollständigkeit

Weltstandsrecherche

5-10 Jahre

nicht notwendig

Neuheitsrecherche

bis 1920

PCT-Minimaldokumpntafinn1 PCT-Minimaldokumentation'

Verletzungsrecherche

15-25 Jahre 2

1 2

unbedingt notwendig

Konkurrenz- und Ex- unbedingt notwendig portländer

DE EP WO US JP RU GB FR (Mögüche Reihenfolge bei der Recherche) Laufdauer der Patente einschließlich möglicher Verlängerung von Arzneimittelpatenten

Die Recherchen werden in der Patentdokumentation durchgeführt; die Neuheitsrecherche schließt Nichtpatentliteratur ein. Weltstandsrecherchen sind vor allem zu Beginn jeder F&E-Arbeit notwendig, um Doppelforschung zu vermeiden. Neuheitsrecherchen sind für den Patentschutz von Ergebnissen der F&E-Arbeit zwingend. Verletzungsrecherchen garantieren, daß bei Benutzung, Produktion und Vertrieb technischer Lösungen keine fremden Patentrechte beeinträchtigt werden.

D 6.4 Patentdatenbanken

527

Patentrecherchen sind bewertete Dokumentenrecherchen. Sie werden als Inhaltsund/oder Formalrecherchen durchgeführt. Bei den Inhaltsrecherchen werden die Indexierungsergebnisse, insbesondere die IPC-Notationen genutzt. Ergänzend wird der Freitext recherchiert. Die Formalrecherchen umfassen bibliographische und Rechtsstandsrecherchen. Die Rechtsstandsrecherchen nutzen die Patentregister der Patentämter {Abb. 3).

D 6.4

Patentdatenbanken

Patentrecherchen werden zunehmend in Patentdatenbanken durchgeführt. Neben Online-Datenbanken stehen CD-ROM-Datenbanken zur Verfügung. Noch überwiegen bibliographische Patentdatenbanken, deren Nachweise meist weniger, selten mehr als die Informationen des Titelblatts der Patentschriften (Abb. 1) enthalten. Außer den rein bibliographischen Daten können die Zusammenfassung und/oder der Patentanspruch, eine ausgewählte Zeichnung sowie die Rechtsstandsdaten erfaßt sein. Volltextdatenbanken wie USPATFULL sind noch die Ausnahme. Volltextsammlungen, die nach der Recherche in bibliographischen Patentdatenbanken erforderlich sind, stehen weitgehend als CD-ROM-Produkte zur Verfügung (z.B. ESPACE für europäische und ausgewählte nationale Patentschriften-Sammlungen, DEPAROM für die deutsche Patentschriften-Sammlung). Die CD-ROM-Datenbanken enthalten die Patentschriftennachweise einzelner Patentämter (z.B. PATOS für deutsche, CAPS für US-amerikanische und ACCESS für europäische Nachweise). Bestimmte Online-Datenbanken basieren ebenfalls nur auf den Patentschriftennachweisen einzelner Patentämter (z.B. PATDPA, PATDD und PATOSDE für deutsche Nachweise). Patentschriften in der eigenen Sprache recherchieren zu können, ist aber für viele Fachleute ein erheblicher Vorteil. Größere Bedeutung kommt den internationalen Patentdatenbanken World Patent Index (WPI) von Derwent und INPADOC vom Europäischen Patentamt (EPA) zu. Diese Datenbanken besitzen wesentliche Vorzüge: Sie haben ein umfangreiches Länderspektrum und sind familienorientiert. Eine Patentfamilie ist die Summe der Patentschriften, die zu einer Erfindung gehören. Eine solche Familie entsteht, weil wesentliche Erfindungen nach der Erstanmeldung (prioritätsbegründende Anmeldung) in mehreren Ländern nachangemeldet werden und folglich zu mehreren Patentschriften führen. Die Zusammenführung der Patentfamilien reduziert die Redundanz in der Datenbank, ermöglicht die Bewertung einer Erfindung und sichert die Auswahl eines sprachlich leicht zugänglichen Familienmitglieds. Die rechnergestützte Familienzusammenführung erfolgt auf Grund identischer Prioritätsangaben. Wurde bei der Nachanmeldung die Priorität nicht in Anspruch genommen (z.B. bei Nichteinhaltung der 12-Monate-Frist), fehlen bei der Veröffentlichung die Prioritätsangaben. Es entstehen sogenannte korrespondierende Patentschriften, die nur intellektuell der Familie zugeführt werden können. Die familienorientierten Datenbanken WPI und INPADOC geben in jedem Nachweis die Adressen aller Familienmitglieder an, wobei korrespondierende Patentschriften nur im WPI ermittelt werden. Der World Patent Index enthält Patentschriftennachweise aller wesentlichen Länder. Die Nachweise besitzen eine englischsprachige Zusammenfassung (Abstract)

528

Schramm: Patentinformation

und einen erweiterten Titel sowie eine ausgewählte Zeichnung. Abb. 5 verdeutlicht anhand eines Patentschriftennachweises die Qualität des WPI.

Abb. 5: Patentdatenbank World Patent Index (WPI): Dokumentennachweis aus der STN-Version WPINDEX

D 6.6 Patentinformationsdienstleistungen

529

INPADOC besitzt Nachweise ohne Zusammenfassung und Zeichnung. Die Titel der Erfindungen werden nicht ins Englische übersetzt. INPADOC zeichnet sich durch andere Vorzüge aus: Die Datenbank erfaßt die Patentschriften aller patentrelevanten Länder und die Rechtsstandsdaten von einer Reihe wesentlicher Länder.

D 6.5

Patentometrie

Patentometrie ist ein wesentliches Mittel, die Flut relevanter Informationen auf bedeutende Informationen über den Weltstand der Technik und seine Trends, d.h. auf Kerninformationen einzuschränken. Patentometrie basiert auf der Durchführung und Bewertung informetrischer Recherchen in Patentdatenbanken (z.B. World Patent Index - WPI, Patent Citation Index - PCI), teilweise verknüpft mit Recherchen in Literaturdatenbanken (z.B. INSPEC, COMPENDEX) und patentassoziierten Literaturdatenbanken (z.B. Science Citation Index - SCI, Journal of Patent Associated Literature - JOPAL). Informetrische Recherchen führen auf der Basis von Dokumentennachweis-Mengen, die mittels statistischer Methoden analysiert werden, zu Kerninformationen, in der Regel in Form von Rangordnungen und Zeitreihen. Als Werkzeuge dienen vor allem die Statistikbefehle der Retrievalsprachen (z.B. der Messenger-Befehl SmartSELECT von STN). Patentdatenbanken sind für diese statistischen Analysen auf Grund der Frühzeitigkeit, Vollständigkeit und Detailliertheit ihrer Angaben (Abb. 5) besonders geeignet. Bewertungskriterien als Basis für die Rangierung sind u.a. die Publikationshäufigkeit, Patentfamiliengröße und Zitierhäufigkeit. Die ermittelten Werte solcher Patentindikatoren finden z.B. bei der Erstellung von Patent-Portfolios Verwendung, um die Marktchancen von Finnen zu erkennen. Einfache Patentindikatoren können auch zu komplexen Indikatoren verknüpft werden. So signalisiert der Patentindikator SPI (Science-on-Patent Influence) den Grad der Wissenschaftlichkeit von Erfindern (Erfindungen, Firmen). An Bedeutung gewinnen Patentstatistikdatenbanken wie TechLine, die Firmenrecherchen nach Patentindikatoren (z.B. Patentanzahl, Patentzuwachs, Patentwirksamkeit, Science Linkage, Innovationszyklusdauer und Technologiestärke) ermöglichen.

D 6.6

Patentinfonnationsdlenstleistangen

Den Nutzern von Patentinformation steht in Deutschland ein Netz von zentralen und regionalen Patentinformationszentren zur Verfügung (Anhang A). Bei Eigenrecherchen können die Nutzer vorrangig auf CD-ROM-Datenbanken sowie auf Patentschriften-Sammlungen (Papier, Mikrofiches und CD-ROM) zugreifen. Künftig wird das PATIS-System des Deutschen Patentamts die Nutzungsmöglichkeiten weiter verbessern. Bei Auftragsrecherchen, die in diesen Zentren, aber auch in anderen Informationsvermittlungsstellen ausgeführt werden, steht die Nutzung der Online-Datenbanken

530

Schramm: Patentinformation

im Mittelpunkt. Die Datenbankanbieter (Anhang B) sind über Datenkommunikationsnetze wie DATEX-P erreichbar, teilweise auch über das Internet. In jedem Fall sind eine spezielle User Identification und Password notwendig. Im Internet selbst sind z.Zt. nur begrenzte Patentdatenbanken mit eingeschränkten Recherchemöglichkeiten verfügbar. Es überwiegen Informationsangebote und Bestellsysteme für Patentschriften (Anhang B).

Anhang: A. Adressen deutscher Patentinformationszentren and Patentinformationsstellen Aachen. Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Bibliothek, Patentschriftenauslegestelle, Jägerstraße 17-19, 52066 Aachen, Briefadresse: 52056 Aachen, Tel:(0241)80 44 80, Fax:(0241)88 88 239 Berlin. Deutsches Patentamt, Dienststelle Berlin, Gitschiner Straße 97, 10969 Berlin, Briefadresse: 10958 Berlin, Tel:(030)25 992-220/221, Fax:(030)25 992-404 Bielefeld. Patent- und Innovations-Centrum Bielefeld e.V. (PIC), Nikolaus-Dürkopp-Straße 1113, 33602 Bielefeld, Tel:(0521)96 50 50, Fax:(0521)96 50 519 Bremen. Hochschule Bremen, Patent- und Normen-Zentrum, Neustadtswall 30,28199 Bremen, Tel:(0421)59 05 225, Fax:(0421)59 05 625 Chemnitz. Technische Universität Chemnitz-Zwickau, Universitätsbibliothek, Patentinformationszentrum, Annaberger Straße 119, 09120 Chemnitz, Briefadresse: Postfach: 964, 09111 Chemnitz, Tel:(0371)53 08 976, Fax:(0371)53 08 976 Darmstadt. Technische Hochschule Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Patentinformationszentrum, Schöfferstraße 8, 64295 Darmstadt, Tel:(06151)16 54 27, 16 55 27, Fax:(06151)16 55 28 Dortmund. Universität Dortmund, Universitätsbibliothek, Informationszentrum Technik und Patente, Vogeipothsweg 76, 44227 Dortmund, Briefadresse: 44222 Dortmund, Tel:(0231)75 54 014, Fax:(0231)75 69 02 Dresden. Technische Universität Dresden, Patentinformationszentrum, Nöthitzer-Straße 60, Flachbau 46, 01187 Dresden, Briefadresse: 01062 Dresden, Päckchen/Pakete: Mommsenstraße 13, 01069 Dresden, Tel:(0351)46 32 791, Fax:(0351)46 37 136 Halle. Mitteldeutsche Informations-, Patent- und Online-Service GmbH Halle (MIPO),RudolfErnst-Weise-Straße 18, 06112 Halle/Saale, Tel:(0345)50 21 67, 50 21 68, 50 21 69, 50 21 70, Fax: (0345)20 24 728 Hamburg. Handelskammer Hamburg, Innovations- und Patent-Centrum (IPC), Börse, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg, Briefadresse: Postfach 11 14 49 20414 Hamburg, Tel:(040)36 13 83 76, Fax:(040)36 13 82 70 Hannover. Universitätsbibliothek Hannover und Technische Informationsbibliothek, PatenteInformationen-Normen (UB/TIB, PIN),Weifengarten 1 B, 30167 Hannover, Briefadresse: Postfach 60 80, 30060 Hannover, Tel:(0511)762 3414, 7623415, Fax:(0511)71 59 36 Hof. Technisches InformationsZentrum (TIZ), Patentschriften- und Normenauslage,Fabrikzeile 21, 95028 Hof, Briefadresse: Postfach 30 48, 95006 Hof, Tel:(09281)73 75 55 , 73 75 51, Fax:(09281)400 50 Ilmenau. Technische Universität Ilmenau, Patentinformationszentrum und Online-Dienste (PATON), Campus-Center, Langewiesener Straße 37 , 98693 Ilmenau, Briefadresse: PATON, Postfach 0565, 98684 Ilmenau, Tel.-(03677)69 45 10, Fax:(03677)69 45 38 Jena. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Patentinformationsstelle, Leutragraben 1, Universitätshochhaus 18. OG, 07743 Jena, Hausadresse: Fürstengraben 1, 07740 Jena, Tel:(03641)63 08 37, 63 08 27, 63 08 28, Fax:(03641)63 08 28

D 6 Anhang

531

Kaiserslautern. Universität Kaiserslautern, Kontaktstelle für Information und Technologie (KIT) an der Universität Kaiserslautern, Patentinformationszentrum, Gebäude 32, Paul-Ehrlich-Straße, 67653 Kaiserslautern, Briefadresse: Postfach 3049, 67618 Kaiserslautern, Tel:(0631)20 52 172, Fax:(0631)20 52 925 Karlsruhe. Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Direktion Karlsruhe, Patentinformationsstelle, Karl-Friedrich-Straße 17, 76133 Karlsruhe, Briefadresse: Postfach 41 69, 76026 Karlsruhe, Tel:(0721)92 64 054, Fax:(0721)92 64 020 Kassel. Gesamthochschule Kassel, Bibliothek, Patentinformationszentrum, Diagonale 10, 34127 Kassel, Briefadresse: 34111 Kassel,Tel:(0561)80 43 480,80 43 482, Fax:(0561)80 43 427 Kiel. Technologie-Transfer-Zentrale Schleswig-Holstein GmbH, Patentinformationssstelle, Lorentzendamm 22, 24103 Kiel, Tel:(0431)51 96 222, Fax:(0431)51 96 233 Krefeld. Fachhochschule Niederrhein, Fachbibliothek Chemie, Frankenring 20, 47798 Krefeld, Tel:(02151)82 21 79, 82 21 99 Leipzig. Agentur für Innovationsförderung und Technologietransfer GmbH, Patentinformationssstelle, Goerdelerring 5, 04109 Leipzig, Tel:(0341)12 67 456, Fax:(0341)12 67 481 Magdeburg. Technische Universität Otto von Guericke, Universitätsbibliothek, Patentinformationszentrum und Auslegestelle für DIN-Normen, Universitätsplatz 2, Gebäude N, 39106 Magdeburg, Briefadresse: Postfach 41 20, 39016 Magdeburg, Tel:(0391)67 12 979, Fax:(0391)67 12 913 Mönchen. Deutsches Patentamt, Zweibrückenstraße 12, 80331 München, Briefadresse: 80297 München, Tel:(089)21 95 34 02, Fax:(089)21 95 22 21 Nürnberg. Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA), Patentinformationszentrum, Tillystraße 2, 90431 Nürnberg, Briefadresse: Postfach 3022, 90014 Nürnberg, Tel:(0911)65 54 938, 65 54 939, Fax:(0911)65 54 929 Rostock. Universität Rostock, Universitätsbibliothek, Patentinformationszentrum, RichardWagner-Straße 31 (Haus 1), 18119 Rostock-Warnemünde, Briefadresse: 18051 Rostock, Tel:(0381)49 82 388, Fax:(0381)49 82 389 Saarbrücken. Zentrale für Produktivität und Technologie Saar e.V., Patentinformationszentrum, Franz-Josef-Röder-Straße 9, 66119 Saarbrücken, Tel:(0681)52 004,95 20 461, 95 20 462, Fax:(0681)58 31 50 Schwerin. Technologie- und Gewerbezentrum e.V. Schwerin/Wismar, Patentinformationsstelle, Hagenower Straße 73, 19061 Schwerin, Tel:(0385)63 44 140, Fax:(0385)63 44 240 Stattgart. Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Informationszentrum Patente, Haus der Wirtschaft, Willi-Bleicher-Straße 19, 70174 Stuttgart, Briefadresse: Postfach 10 29 63, 70025 Stuttgart, Tel:(0711)123-25 58/25 55, Fax:(0711)12 32 560 B. Internet-Adressen für Fatentinfonnation Patentämter: http://wwiKAiistria.EU.net/epo/ Europäisches Patentamt Wien http://www.nspto.gov United States Patent and Trademark Office http://patent-jp.com/JPS.htm Japanisches Patentamt http://www.uspto.gov/wipo.htmI Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) http://www.uspto.gov/web/pct/ PCT Information http://www.netwales.co.nk/ptoffice/ The United Kingdom Patent Office

532

Schramm: Patentinformation

http://wwmat-patent.co.at/patent/ Österreichisches Patentamt http://www.prv.se/prveng/froiit.htm Schwedisches Patentamt http://www intercom .es/isem/ Spanisches Amt für Patente und Marken http://infoJc.gc.ca/opengov/dpo/ CIPO-OPIC / Canadian Intellectual Property Office http://www.honston.com.hk/hkgipd/ Intellectual Property Department Hong-Kong http://www.hdt.org.br/inpi/ Brasilianisches Patentamt http://www.govt.nz/ps/min/com/patent/ New Zealand Patent Office Patentinformationszentren: http://www.Anstria.EU.net/epo/epo/members.htm Adressen der Patentinformationszentren in Europa http://www.cis.csiro.an/cis/lib/patlih8.htnil Liste europäischer Patentinformationszentren http://www.bth.rwth-aachen.de/bibfnehr/pas.htnil Aachen: Patentschriften-Auslegestelle bttp://www. tn-chemnitz.de/jem/bibliothek/piz.htiiil Chemnitz: Patentinformationszentrum http://www.ub.nm-dortmnnd.de/rrP/rrP.htinl Dortmund: Informationszentrum Technik und Patente http://www.tn-dresden.de/bibi/sonder.html Dresden: Patentinformationszentrum http://www.tib.nni-hannover.de/aIIginfo/patente.htm Hannover: TIB http://wwwipatent-inf.tn-ilmenan.de/ Ilmenau: PATON http://www.nni-U.de/KIT/bitpiHl.htmI Kaiserslautern: Kontaktstelle für Information und Technologie http://www.nni-kassel.de/piz/ Kassel: PATIZ http://tisch.ttz-sh.de/tisch/anbieter/ttz-SH/reite/patent.htinl Kiel: ttz http://www.nni-magdebnrg.de/nm/patent/patent.html Magdeburg: Patentinformationszentrum http://www.nni-rostock.de/bibo/piz/piz.htan Rostock: Patentinformationszentrum Datenbankanbieter und -Produzenten: http://www.Gz-Kaiisrahe.de/stn.htmI STN International http://www.fiz-Karisnihe.de Fachinformationszentrum Karlsruhe http://www.rs.ch/www/i8/datastar.htnil Data Star

D 6 Literatur

533

http://www.dialog.com/dialog/dlalogl.htiiil Dialog http://www.bedrock.com:80/patents/ Questel ORBIT http://www.fachmfonnatioii.bertekinanD.de/ Wila Verlag - Bertelsmann InformationsService (wb) http://info.cas.org/welcome.htmI Chemical Abstracts Service http://www.derwent.co.ak/ Derwent Scientific and Patent Information http://www.micropat.com/ MicroPatent http://www.8po.eds.com/patent.html Shadow Patent Office Weitere Dienstleistungsanbieter: http://www.netaxs.com/äengel/ Beschaffung japanischer Patente http://www.siemi-nic.coin/interliiigiia/docs/patent.htnil Patentübersetzungen http://netpromo .com/patents/patents.html Internet Patent Search / Copy Service Online http://www.patent-inf.tn-ilmenan.de/volltext/wwwpat02.html PATON - Volltext - Service Recherchierbare Datenbanken: http://mpi.micropat.com/ MicroPatent Web Services http://patents.cni dr.org:4242/access/acce8s.html U.S. Patent Database http://apono.osti.gov/waisgate/gchome2.html US Dept. Of Energy Patent Datenbank http://best.gdb.oig/ Community of Science Web Server; u.a. US Patent Citation Datenbank http://patents.addr.org/pto/access.htmI AIDS Patents Project Datenbank des USPTO http://calypso.oit.nnc.eda/patents/mtropat.html STO's Internet Patent Search System http://www.bdt.org.br/inpi/nph-seardi.cgi Datenbank des Brasilianischen Patentamtes

Literatur 01. Internationale Patentklassifikation. Bd. 1-9. 6. Ausgabe. München; Köln; Berlin; Bonn: Carl Heymanns Verlag 1994 02. Stich- und Schlagwörterverzeichnis zur Internationalen Patentklassifikation. 6. Ausgabe. München; Köln; Berlin; Bonn: Carl Heymanns Verlag 1994 03. Wittmann, Alfred: Grundlagen der Patentinfonnation und Patentdokumentation. Berlin; Offenbach: VDE-Verlag 1992. 271 S.

534

Schramm: Patentinformation

04. Schmoch, Ulrich: Wettbewerbsvorsprung durch Patentinformation. Köln: Verlag TÜV Rheinland 1990. 233 S. 05. Cohausz, Helge B.: Patente & Muster. Ein Buch mit Programm. München: Wila Verlag 1993. 303 S. 06. Schramm, Reinhard; Bartkowski, Adam; Milde, Sabine: Japan in Online-Datenbanken. In: Manufacturing Management 2 (1995) H.l, S.5-79 07. Thomä, ElkejTribiahn, Rudolf; Böhm, Friedhelm: Leitfaden zu STN-Patentdatenbanken. Karlsruhe: FIZ Karlsruhe 1994. 141 S. 08. Patent Searching on STN. Columbus: CAS 1995. 43 S. 09. Patent Information from CAS. Columbus: CAS 1994. 54 S. 10. Derwent World Patents Index on STN International. London, Karlsruhe: Derwent, FIZ Karlsruhe 1993. 213 S. 11. Höhne, Margit; Ludwig, Jan: Patentinformation im Internet. Proceedings der 18.DGDOnline-Tagung '96. Frankfurt: DGD 1996. S. 261-280 12. Schramm, Reinhard; Bartkowski, Adam: Patentindikatoren zur Ermittlung von Kerainformationen. Proceedings des 19. Oberhofer Kolloquium über Information und Dokumentation. Frankfurt a. M.: DGD 1996. S. 255-276

535

D7

Technische Regeln als Quellen wissenschaftlich· technischer Fachinformation Horst-Werner Marschall

D 7.1

Das System der technischen Regelsetzung

D 7.1.1

Einleitung

DIN-Normen sind in der Bundesrepublik ein Ordnungselement der technischen Welt. Sie wirken in nahezu alle Lebensbereichen hinein. Sie sind Bestandteil der Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsordnung unseres Landes. Sie haben Eingang gefunden in die öffentliche Verwaltung, der Gesetzgeber bezieht sich auf sie, wenn er technische Sachverhalte festlegen will. Gerichten in allen Instanzen dienen sie zur Feststellung des Standes der Technik, Vertragsparteien in Industrie und Handel zur Definition ihrer Liefergegenstände. Arbeits- und Umweltschutz, Energieeinsparung, die technische Sicherheit von Anlagen, Gebäuden und Geräten sind ohne Normen nicht denkbar. DIN-Normen sind für Handwerker, Techniker und Juristen ein Begriff. Einer breiten Öffentlichkeit sind sie zumindest dem Namen nach bekannt. Sie verbindet damit zumeist Dinge aus dem alltäglichen Erleben, so z.B. die bekannten Papier-Formate (DIN A 4), an der Tankstelle die DIN 51 756, die die Oktanzahl von Kraftstoffen bestimmt oder aus der Zigarettenwerbung die Schadstoffbestimmung in Rauchkondensaten, gemessen in „Durchschnittswerten nach DIN" (DIN ISO 10 315) oder schließlich die Filmempfindlichkeit beim Kauf eines Kleinbildfilms für die Urlaubsfotos nach DIN 4512 („ISO 100"). Hinter DIN-Normen steht das DIN Deutsches Institut für Normung, kein Amt, keine Behörde, wie oft fälschlich vermutet, sondern als e.V. einer der großen wissenschaftlich-technischen Vereine in Deutschland, eine private Institution also, die sich selbst finanziert und die als Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft und in enger, vertraglich geregelter Zusammenarbeit mit dem Staat als nationale Normenorganisation der Bundesrepublik Deutschland eine Ordnungsfunktion in Industrie und Technik wahrnimmt. Das Wort DIN war ursprünglich die Abkürzung für Deutsche IndustrieNormen (Lit. 04). Nachdem der „Normenausschuß der deutschen Industrie" 1926 die Bezeichnung „Deutscher Normenausschuß" (DNA) erhalten hatte, wurde DIN lange Zeit und weitverbreitet als „Das Ist Norm" gedeutet (Duden 1970). Heute gilt DIN als Namensbestandteil des Instituts und Verbandskennzeichen für die Normung und das Deutsche Normenwerk. Mit seinen über 25.000 technischen Regeln ist es das bedeutendste und größte Regelwerk in Deutschland und eines der großen weltweit. Es umfaßt praktisch alle Bereich der Technik. Weit weniger bekannt ist die Tatsache, daß Nonnen Teil eines komplexen Systems der technischen Regelsetzung in der Bundesrepublik sind, zu dem neben dem Deutschen Normenwerk als „hartem Kern" eine Reihe anderer Regelwerke zählen, die

536

Marschall: Technische Regeln als Quellen

von wissenschaftlich-technischen Vereinen, Fachorganisationen und dem Staat erstellt werden. Die Regelwerke dieses Systems lassen sich in folgende Gruppen gliedern: - Nonnen der deutschen Normenorganisation DIN, aber auch regionaler und internationaler Normenorganisationen wie ISO (International Organization for Standardization, Genf) und CEN (Europäisches Komitee für Normung, Brüssel, (von franz. Comiti Europien de Normalisation); - technische Regelwerke von Fachorganisationen und anderen wissenschaftlich-technischen Vereinen, z.B. Verein deutscher Ingenieure (VDI), Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Vereinigung der technischen Überwachungsvereine e.V. (VdTÜV); - Rechtsvonchriften des Staates bzw. der von ihm beauftragten öffentlich-rechtlichen Körperschaften, z.B. Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Unfallverhütungsvorschriften; - und schließlich mit zentraler Bedeutung für den europäischen Binnenmarkt auch Vorschriften und Richtlinien der Europäischen Union (EG-Richtlinien).

Ziel dieses Beitrages ist es, die Elemente dieses Systems zu zeigen, sie auf den Begriff zu bringen und das Beziehungsgeflecht der verschiedenen Arten von technischen Regeln aufzuzeigen, soweit es für das Verständnis dieses Systems nötig ist, vor allem aber die Bedeutung technischer Regeln als einer wichtigen, hochwertigen Quelle wissenschaftlich-technischer Informationen hervorzuheben. Der zweite Abschnitt skizziert die eigens dafür geschaffene Fachinformationseinrichtung, das Deutsche Informationszentrum für technische Regeln (DiTK) sowie eine Reihe von Besonderheiten und Merkmalen der Informationen und Informationsdienste, was sie bieten und wie sie zu erhalten sind, aber auch, wodurch sie sich von der übrigen Literaturdokumentation unterscheiden.

D 7.1.2

Funktion und Bedeutung technischer Regeln/Begrifberklärung

Ttotz des hohen ordnungspolitischen Ranges, den technischen Regeln in der Technik- und Rechtsordnung dieses Landes wie allgemein in hochentwickelten Industriegesellschaften erlangt haben, besteht über die unterschiedliche Bedeutung der häufig synonym gebrauchten Fachbegriffe wie „Norm", „technische Regeln", „anerkannte Regeln der Technik" in einer breiteren Öffentlichkeit wenig Klarheit. Ursache ist nicht zuletzt die Vielzahl der an diesem System beteiligten großen und kleineren Institutionen mit ihren Regelwerken für die verschiedensten Technikbereiche - eine Folge der historisch-traditionellen Entwicklung der Regelsetzung in staatliche Normung. Der Staat als Gesetz- und Verordnungsgeber, aber auch als Rezipient der privaten technischen Regeln hat selbst auf eine enumerative Aufzählung dessen, was er in den unterschiedlichsten Technikbereichen als „anerkannte Regeln der Technik" verstanden wissen will, prinzipiell verzichtet und die fachliche Konkretisierung bewußt dem „freien Spiel der Kräfte", den sachverständigen Normen- und Fachorganisationen überlassen. Rechtssystematisch ist der Begriff „anerkannte Regel der Technik" seit einer Reichsgerichtsentscheidung von 1910 und seither unverändert ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in Rechtsnormen mit technischem Bezug als „rechtlicher Maßstab für das Erlaubte und Gebotene" auch in unseren Formulierungen wie „allge-

D 7.1 Das System der technischen Regelsetzung

537

mein anerkannte Regeln der Baukunst, der Medizin", „Stand der Technik,, oder Stand von Wissenschaft und Technik" auftritt und vielerlei Deutungen unterliegt (Lit. 03, Lit. 14). Sprachwissenschaftlich gesehen führt die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Norm" direkt auf die Bezeichnung „Regel" zurück, denn das lateinische „norma" bedeutet Winkelmaß, Richtschnur, Regel - im Sinne von allgemein anerkannten Regeln der Gesellschaft, von Menschen selbst gesetzt mit dem Willen, sich daran zu halten, sie bei Bedarf und im Konsens aber auch gewandelten Verhältnissen anzupassen. In diesem Sinne kennen, akzeptieren und verändern wir auch heute in der modernen Gesellschaft ethische, juristische und eben auch technische Normen als anerkannte Regeln unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung. Ganz ohne eine zeitgemäße Definition und Konkretisierung des technischen Normenbegriffs geht es freilich nicht, mag es auch plausible juristische Gründe dafür geben, den Begriff „Stand der Technik" wegen des ständigen Wandels der Technik rechtlich unbestimmt zu lassen. Die großen regelsetzenden Institutionen haben eine pragmatische Lösung gefunden und im „Gemeinschaftsausschuß der Technik (GdT)" technische Regeln als Niederschrift des Standes der Technik erklärt, den sie wie folgt definieren: • ,S>tand der Technik ist der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte Stand technischer Einrichtungen, Erzeugnisse, Methoden und Verfahren, der sich nach Meinung der Mehrheit der Fachleute in der Praxis bewährt hat oder dessen Eignung für die Praxis von ihnen als nachgewiesen angesehen wird. • Eine Anerkannte Regel der Technik ist die von der Mehrheit der Fachleute als zutreffend erachtete Beschreibung des Standes der Technik zum Zeitpunkt der Veröffentlichung." (Lit.

03). Erheblich weitergefaßt und unter Berücksichtigung des Ziels, des Zwecks und der Funktion von Normen und Normung definiert das DIN sein Selbstverständnis wie folgt: • "Normung ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit.... Sie fördert die Rationalisierung und Qualitätssicherung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Verwaltung. Sie dient der Sicherheit von Menschen und Sachen sowie der Information auf dem jeweiligen Normungsgebiet." (DIN 820 T l ; Lit. 05).

Zur Vereinfachung der Begriffsvielfalt und zum besseren Verständnisses wird hier im folgenden nur noch der Begriff „technische Regel" gewählt. Technische Regeln sind keine Vorschriften, sie haben kraft Entstehung, Tfrägerschaft und Inhalt den Charakter von Empfehlungen. Sie müssen im Konsens erarbeitet werden. Aus sich heraus besitzen sie keine rechtliche Verbindlichkeit. Sie werden nach Regeln aufgestellt, die für eine angemessene Abwägung ihres Inhalts nach technischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten sorgen. Wer technische Regeln anwendet, folgt einer von der Fachwelt aufgestellten Empfehlung. Ihre Allgemeinwohl-Verpflichtung wie auch ihr Anspruch auf Allgemeingültigkeit bewirken faktisch, daß sie allgemein beachtet werden. In diesem Sinne wirken sie normativ, ohne selbst Rechtsnormen zu sein (Lit. 14).

538 D 7.1.3

Marschall: Technische Regeln als Quellen Das Verhältnis von Rechtsnormen und technischen Regeln

Neben den ca. 45.000 technischen Regeln der privaten Regelsetzer in Deutschland sind weitere rund 5.000 Rechtsvorschriften zu beachten, die juristisch gesehen keine technischen Regeln darstellen, sondern als Rechtsvorschriften des Staates und bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften in unserer Rechtsordnung das „Recht der technischen Sicherheit"(kurz das Technische Recht) darstellen. Die Fachwelt rechnet sie vereinfachend, aber unpräzise den technischen Regeln zu. Sie gehören jedoch als ein eigener Bereich zum System der technischen Regelsetzung. Das Technische Recht, die Gesamtheit der Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlasse sichert den Schutz der Bürger vor Gefahren, die der Gebrauch von Technik erzeugt. Eine Rechtsordnung, die die Technik erlaubt, muß zugleich auch die technische Sicherheit gewährleisten. Daraus erwächst dem Staat die Aufgabe, Rechtsnormen bereitzustellen, deren Beachtung die erforderliche Sicherheit im Umgang mit der Technik garantiert. Diesem Ziel dienen die Rechtsnormen der technischen Sicherheit, die sich entsprechend der fortschreitenden Technisierung zu einem umfangreichen, weitverzweigten und komplizierten Rechtsgebiet entwickelt haben (Lit. 09). Rechtsnormen unterscheiden sich von technischen Regeln vor allem durch ihre unmittelbare Bindungswirkung gegenüber jedermann. Sie sind also keine Empfehlungen, sondern als Normen der Rechtsordnung allgemein und unmittelbar geltendes Recht. Das Bindeglied zwischen Rechtsordnung und Ordnung der Technik bilden die technischen Regeln. Zwar obliegt es dem Staat als Gesetz- und Verordnungsgeber, die zur sicheren Beherrschung der Technik notwendigen Rechtsnormen zu erlassen. Wollten Rechtsnormen dem Postulat der Rechtssicherheit aber vollkommen genügen, so müßten sie technische Festlegungen bis ins letzte Detail selbst regeln. Dazu fehlt den Gesetzgebungsorganen jedoch in aller Regel der dafür erforderliche Sachverstand. Zudem könnten solche Regelungen mit der rasch voranschreitenden wissenschaftlich-technischen Entwicklung nicht Schritt halten und deshalb würden sie auch den technischen Fortschritt behindern. Ein in starren sicherheitstechnischen Detailvorschriften festgeschriebener Erkenntnisstand wäre schon nach kurzer Zeit überholt. Solche Rechtsvorschriften müßten ständig novelliert werden. Aus diesen Gründen verzichtet der Gesetzgeber weitgehend auf technische Einzelregelungen. Er legt vielmehr den Schutzzweck und das Sicherheitsziel des Gesetzes verbindlich fest und verweist zur Erreichung dieser Ziele in „generalklauselhaften" Formulierungen auf den Stand der Technik, die anerkannten Regeln der Technik, kurz auf die technischen Regeln und Regelwerke der privaten Regelsetzer. Die Vorzüge dieser „Generalklausel-Methode" im technischen Recht liegen auf der Hand. Die die Technik betreffenden Rechtsnormen bleiben klar und verständlich, die technische Innovation wird nicht behindert. Die eigentliche Konkretisierung der sicherheitstechnischen Anforderungen erfolgt durch Verweisung und Bezugnahme auf technische Regeln; sie erst enthalten die Detailregelungen zur Lösung technischer Fragen und Probleme. Sie geben dem Rechtsanwender, dem Ingenieur und Handwerker den „Verhaltensmaßstab für das Gebotene und Erlaubte" (Lit. 02), nach dem sie sich richten können. Rechtsnormen und technische Regeln stehen somit in einem engen Rechtsverhältnis. Durch die Verweisung der Rechtsnormen auf technische

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

539

Regeln wird der Inhalt der von privaten Regelsetzern aufgestellten Regeln, die selbst „nur" Empfehlungen sind, in die gesetzliche Regelung „rezipiert" (inkorporiert) und nimmt damit an der rechtlichen Geltung der Rechtsnorm teil. Sie erhalten damit eine wichtige rechtliche Bedeutung. Rechtsnormen und technische Regeln sind also nicht nur eine bedeutende Quelle für wissenschaftlich-technische Informationen, sondern auch wichtige Dokumente zur Ausgestaltung unseres europäischen Rechtssystems (Lit. 13, Lit. 14; siehe auch Abschnitt D 7.2.5).

D 7.2

Das Fachlnformationssystem für technische Regeln

D 7.2.1

Anforderungen und Voraussetzungen

Nach der notwendigen Vorklärung der Bedeutung und des Zwecks technischer Regeln richtet sich die Betrachtung in diesem Abschnitt auf die Fachinformationspraxis auf diesem Spezialgebiet. Konventionelle Informationsdienste zu deutschen Regelwerken haben eine lange Tradition. Alle bedeutenden Regelsetzer veröffentlichen seit langen Jahren regelmäßig Kataloge und Verzeichnisse über den jeweils aktuellen Stand ihrer Regelwerke. Die rasant gewachsene Vielzahl der Gesamtheit aller technischen Regeln mit ihren vielfältigen Verflechtungen untereinander verlangte bei den Anwendern technischer Regeln jedoch nach mehr Transparenz und einer besseren Übersicht, um sie auch als eine wichtige Wissens- und Erkenntnisquelle für wissenschaftlichtechnische Informationen systematisch nutzbar machen zu können. Erforderlich war es also, eine zentrale Auskunfts- und Clearingstelle zu schaffen als eine für alle Fragen nach technischen Regeln eigens spezialisierte, eigenständige Informationseinrichtung: - Technische Regeln stellen wie Patente und Rechtsnormen eine quellenspezifische Dokumentenart dar, die sich keinem bestimmten Fachgebiet zuordnen läBt; - die besondere Formaldatenstruktur technischer Regeln wie auch das Erfordernis ständiger Änderungen an den Datensätzen erfordern ein daran ausgerichtetes Datenbank-Konzept mit einem geeigneten „Aktualisierungsapparat"; - Beschaffung und Verteilung technischer Regeln sowie Beobachtung des „Lieferantenmarktes" folgen anderen Gesetzmäßigkeiten als bei der üblichen Literaturbeschaffung und benötigen die dieser Dokumentenart gemäße Acquisitions- und Infrastruktur (Lit. 07).

D 7.2.2

Das Deutsche Informationszentrum für technische Regeln (DllK) im DIN

Diese Überlegungen führten in der Planung und Realisierung des „IuD-Programms" 1979 zur Gründung und zum Aufbau eines Fachinformationszentrums für technische Regeln, dem Deutschen Informationszentrum für technische Regeln (DITR) im DIN. In diesem Hause waren - nicht zuletzt auch aufgrund von langjährigen dokumentarischen Vorarbeiten - die Voraussetzungen gegeben, so daß inner-

540

Marschall: Technische Regeln als Quellen

halb von 5 Jahren (1979-1984) über 120 Regelwerke mit insgesamt 50.000 technischen Regeln einschließlich 5.000 Rechtsvorschriften beschafft, erfaßt und in einer zentralen Datenbank gespeichert wurden. Die Datenbank ist heute komplett und vor allem europäisch wie international ausgerichtet. Aus ihr wurde ein den spezifischen Benutzerbedürfnissen gerechtes Dienstleistungsangebot entwickelt, das sich inzwischen am Markt etabliert hat und zu einer soliden Grundlage der Eigenfinanzierung des DITR geworden ist. Die Verkaufserlöse aus Diensten und Dienstleistungen decken über 80% des Gesamthaushalts von ca. 11 Mio. DM (Stand 1996). Der wirtschaftliche Erfolg dieser Fachinformationseinrichtung bestätigt, daß die ursprünglich gesetzten Ziele auch tatsächlich erreicht worden sind. Angestrebt war insbesondere a) die allgemeine Öffentlichkeit über den Stand der zu beachtenden technischen Regeln zu informieren, dabei insbesondere den Informationsbedarf kleiner und mittlerer Gewerbebetriebe, Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, Verbraucherberatungsstellen, Schulen und anderer Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt auch einzelner interessierter Bürger zu berücksichtigen, also jenen zu helfen, denen keine eigene Informationseinrichtung zur Verfügung steht; b) den Staat und seine Behörden, hier vor allem die Gewerbe- und Bauaufsicht, die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden, dieTYäger der gesetzlichen Unfallversicherung über die z.T. von ihnen selbstgesetzten Vorschriften und die für ihren Bereich gültigen Regeln mit ihren vielfältigen Verknüpfungen zu informieren; c) durch aktuelle, vollständige und zuverlässige Information des Standes der Technik in der Bundesrepublik Deutschland die grenzüberschreitenden Wirtschaftsverbindungen der deutschen Industrie zu ihren europäischen und internationalen Handelspartnern zu verbessern und durch einen von technischen Handelshemmnissen freien Güteraustausch zur internationalen Verständigung gemäß dem GATT-Abkommen (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen; vom engl. General Agreement of Tariffs and TYade, heute WTO - World TYade Organisation) und dem zwischen den westeuropäischen Ländern vereinbarten sog. EG-Informationsverfahren beizutragen (Lit. 15).

Die regelmäßige Auswertung der Benutzerstatistik des DITR gibt Auskunft darüber, daß mehr als zwei Drittel der Dienste und Dienstleistungen für Betriebe und Industrie und Handwerk erbracht werden. Für diesen Anwenderkreis ist das DITR eine inzwischen selbstverständlich genutzte Informationseinrichtung, die regelmäßig und zu den geforderten Entgelten in Anspruch genommen wird. Wegen der Bedeutung technischer Normen und Vorschriften für einen von Handelshemmnissen freien europäischen Binnenmarkt ist das DITR seit 1989 auch die zentrale, offizielle „EG-Beratungsstelle für Unternehmen" (auch EIC oder EURO-INFO-Schalter genannt) für alle Fragen zu europäischen Normen und des technischen Rechts, die sich den besonderen Nutzerbedürfnissen von Klein- und Mittelbetrieben widmet. Über 35.000 Auskünfte jährlich sind ein Hinweis auf das starke Informationsbedürfnis insbesondere der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU).

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln D 7.2.3

541

Dokumentarische Besonderheiten und Merkmale technischer Regeln

Eine umfassende Darstellung des komplexen Dokumentationssystems sowie die Darstellung der Methoden und Hilfsmittel der dokumentarischen Behandlung technischer Regeln können im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden. Ebenso muß auf die Beschreibung des Datenbanksystems verzichtet werden. Hier sei auf die weiterführende Literatur zu diesem Kapitel verwiesen. Hervorgehoben werden sollen vielmehr die Besonderheiten der Dokumentation technischer Regeln, die zum Verständnis dieser Dokumentart und ihrer Wissensinhalte nötig sind und durch die sie sich deutlich von der übrigen Literaturdokumentation unterscheiden. Dazu zählen die folgenden Merkmale: • ein auffällig umfangreiches Set an Formaldaten je Dokumentationseinheit, hierbei typisch die dominierende Rolie von alphanumerischen Kennungen und Abkürzungen bei den dokumentidentifizierenden Kategorien (ζ. B. DIN EN 10155 Ausgabe August 1993, identisch mit der europäischen Norm EN 10155); • die vielfältigen Zusammenhänge und Verknüpfungen der Dokumente untereinander, die das System der technischen Regeln durch wechselseitige Bezugnahme und Verweisung teilweise eng vernetzt (siehe Abb. 1); • die durch laufende Anpassung an den fortschreitenden Stand der Technik sich ergebende Dynamik der Regelwerke, die in einer zeitlich definierten Gültigkeit der Dokumente, aber auch in einem ständigen, erheblichen Änderungsaufwand in der Datenbank zum Ausdruck kommt; • schließlich die unterschiedlichsten Veröffentlichungsformen von technischen Regeln, entweder als Einzeldruck, Liefemngswerk, Loseblatt-Ausgabe, Veröffentlichung in Amtsblättern oder Fachzeitschriften sowie die erschwerte Akquisition und Zugänglichkeit, da es sich teilweise auch um „graue Literatur" handelt (Lit. 07).

D 7.2.4

Informationskategorien

Die praktische Bedeutung der Besonderheiten und Merkmale technischer Regeln wird für den Benutzer der Informationsdienste deutlich, wenn man den Informationsgehalt eines Eintrags in einem gedruckten Dienst (z.B. dem DIN-Katalog für technische Regeln) mit dem dazugehörenden Stammdatensatz in der Datenbank vergleicht. Der Nutzer sucht beispielsweise nach der DIN EN 10155 und findet im DIN-Katalog dazu den folgenden Eintrag: DIN EN 10155 08.93 Wetterfeste Baustähle; Technische Lieferbedingungen; Deutsche Fassung (der europäischen) EN 10155:1993 Structural steel with improved atmospheric corrosion resistance; technical delivery conditions; German version EN 10155:1993, Berichtigungen siehe DIN-Mitt.,1994 Nr. 2, S. A 108 Baustahl; Stahl; Wetterbeständigkeit

Hieraus sind nur bibliographische Daten in knapper Form zu entnehmen. Für eine schnelle Übersicht reichen solche Angaben zunächst aus, und genau diesem Zweck dienen die gedruckten Dienste des DITR, die in hoher Auflage verkauft werden. Benötigt der Benutzer hingegen das gesamte dokumentspezifische „Umfeld" zu

542

Marschall: Technische Regeln als Quellen

diesem Dokument, dann gibt der Stammdatensatz in der Datenbank die gewünschte Informationen in der erforderlichen Tiefe preis (vgl. Abb. 1). DOKART Norm DOKNR DIN EN 10025 (März 1993) DTITEL Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten Baustählen; Technische Lieferbedingungen; dt. Fassung der EN 10025, 08.1990 NA Eisen und Stahl AUTOR HERAUS DIN Deutsches Institut für Normung e.V. VERLAG Beuth Verlag GmbH, 26 Seiten, Preisgruppe 14 Originalsprache : deutsch ERSATZ DIN EN 10025 (1991.01) IDENT EN 10025-1993; ISO 630-1995 AUCHIN DIN-TAB 67-1995; Stahl Tabellenbuch 1995; DIN-TAB 191-1995 DIN-EUROCODE 4 Teil 1-1-1994 ZITAT DIN 1013-1;DIN 1014-1;DIN 1015;DIN 1017-1; DIN 1018; DIN 1025-2; DIN 1025-3; DIN 1028; DIN 1029; DIN 17118; DIN 50049; DIN 50601; EURONORM 186-1986; EURONORM 162-1981; EURONORM 91-1981 GSGG 93/68/EWG Richtlinie (22. Juli 1993); 87/404/EWG Richtlinie (25. Juni 1987) BEMERK Eingeschränkter sachlicher Geltungsbereich in Abschnitt 1.2 (Anwendungsbereich) Abb. 1: Auszug aus dem Stammdatensatz zur DIN EN 10 025

Der Nutzer erfährt, daß die DIN EN 10 025 identisch ist mit der europäischen Norm EN 10025 und der internationalen ISO 630 und auch in diversen DIN-Taschenbüchern veröffentlicht ist. Die Kategorie „Zitat" verweist auf eine Reihe von weiteren Normen, die bei der Anwendung dieser Norm in einem inhaltlichen Kontext stehen und gegebenenfalls mitzuberücksichtigen sind. Hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit enthält der Stammdatensatz den Hinweis auf zwei EG-Richtlinien, die die Anwendung der harmonisierten europäischen Norm EN 10025 zwingend vorschreiben. Mit solchen gespeicherten Detailinformationen läßt sich über die gesamte Di l K-Datenbank beispielsweise abfragen: a) welche technische Regel aufgrund welcher EU-Bestimmungen und/oder nationalen Rechtsvorschriften amtlich eingeführt ist oder b) welche zusätzlichen Bestimmungen z.B. der Baubehörden zu dieser Norm erlassen worden sind c) welche inhaltliche Übereinstimmungen es ggf. mit internationalen, europäischen bzw. nationalen Normen anderer europäischer Länder gibt (sog. EURO-Konkordanzen).

Das hier stark verkürzte Beispiel läßt sich auf alle Rechtsgebiete erweitern. Es berücksichtigt auch nicht die für die Recherche erforderlichen inhaltskennzeichnenden Kategorien wie Deskriptoren, Klassifikationen und Abstracts, die im Hinblick auf die zunehmende internationale und europäische Bedeutung der DITR-Datenbank grundsätzlich in englischer (z.T. auch französischer) Sprache enthalten sind. Das nachstehend aufgeführte Schema {Abb. 2) der wichtigsten abfragbaren Kategorien soll einen allgemeinen Eindruck vermitteln, welches Informationspotential in der DITR-Datenbank steckt.

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln Dokument-Art Dokument-Nr. Ausgabe/Fassung Grunddatum Titel Englischer Titel Französischer Titel Kurztitel Abk.-Titel Herausgeber Autor Mitautor Verlag Seiten Auflage Preisgruppe Auslieferung Quelle Auch (abgedruckt) Sprache Übersetzung identisch (mit) Accesscode Deskriptor Thesaurus Register Profilregister Klassifikation GSGG: Regional (gültig) Bemerkungen Einspruch (bis) Gültig (ab) Ersatz (für) Änderung (von) Geändert (durch) Ergänzungen Zurückgezogen Ersetzt (durch) Zitate Kurzreferat

wie Verordnung, Norm, Entwurf usw. z.B. GUV 2.6, DIN 1 045 Datum der Ausgabe oder Fassung wenn formal ältere Fassung noch gültig Sachtitel des Dokumentes in deutscher oder sonstiger Sprache sofern auf dem Dokument oder sonstwie bekannt autorisierter Kurztitel des Dokumentes autorisierter Abkürzungstitel des Dokumentes Organisation oder Körperschaft i.a. Untergliederung der Organisation mitzeichnende Organisation oder Körperschaft bei Einzelveröffentlichung Anzahl der Seiten Erstausgabe, Folgeausgabe keine Einzelpreisangabe falls der Verlag nicht Vertrieb ist Fundstelle im Publikationsorgan Sekundärquelle, Nachdruck Originalsprache des Dokumentes Sprachen, in die das Dokument übersetzt ist falls Inhalt auch unter anderer Nummer vorhanden, z.B. ISO Standard 123 für Rechtsvorschriften auf CD-ROM freie Suchwörter in der Datenbank Thesaurus-Deskriptoren Schlagwörter für DIN-Katalog Schlagwörter für Standardprofil International Classification for Standards (ICS) Einteilung im Anhang des Gerätesicherheitsgesetzes z.B. nur in bestimmten Bundesländern nützliche Hinweise Frist bei einem Entwurf falls nicht ab Ausgabedatum Nummer des ersetzten Dokumentes Nummer des geänderten Dokumentes Nummer des ändernden Dokumentes nachträgliche Änderungen usw. des Dokumentes für Datensatz in der Historischen Datenbank Nummer des ersetzenden Dokumentes anderer technischer Regeln im Dokument Kurzfassung, Anwendungsbereich und Zweck technischer Regeln

Abb. 2: Kategorien in der DITR-Datenbank

543

544 D 7.2.5

Marschall: Technische Regeln als Quellen Dokumentation von Rechtsnormen

Im Abschnitt D 7.1.3 über das Verhältnis von Rechtsnormen und technischen Regeln ist begründet worden, weshalb die vom Staat erlassenen Rechtsvorschriften mit technischen Festlegungen zusammen mit den technischen Regeln dokumentiert und nachgewiesen werden. Das „Technische Recht" ist ein herausragendes Beispiel für die engen Zusammenhänge und die wechselseitige Verflechtung von Technik und Recht in der betrieblichen Praxis. Rechtsvorschriften gelten allgemein als „ubiquitäre" Informationsquellen, doch für den Informationssuchenden sind Suche und Beschaffung solcher Dokumente ohne Hilfe ein mühsames Geschäft. Aufgabe des DITR mit seiner Rechtsdokumentation ist es, speziell hier Abhilfe zu schaffen und neben der (Referenz-)Datenbank auch und insbesondere die gewünschten Dokumente im Volltext bereitzuhalten. Diesen Zweck dient die Rechtsdokumentation mit der „Sammlung Technisches Recht" auf CD-ROM, auf der über 7.000 Rechtsvorschriften mit insgesamt ca. 60.000 Seiten gespeichert sind (Lit. 17). Die Mehrzahl der Vorschriften erfährt im Laufe der Zeit naturgemäß Änderungen und Ergänzungen, die in aller Regel als eigenständige Dokumente erscheinen, folglich in der Datenbank auch als eigenständige Dokumentationseinheit gespeichert sind, die im Stammdatensatz des Ursprungsdokuments aber verankert, d.h. nachgetragen werden müssen. Am Beispiel der Bauordnung für Berlin (BauO BE) zeigt das Abb. 3.

Stammdokument: • BauO BE 28.02.1985 Bauordnung für Berlin (BauO Bin) In: GVBI BE, 1985, Nr. 16, S. 522-542, zuletzt geändert durch BauOÄndG BE 4 vom 10. Mai 1994 Änderungsdokumente • BauOÄndG BE 125.09.90 Erstes Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin In: GVBI BE, 1990, Nr. 67, S. 205 • BauOÄndG BE 211.12.92 Zweites Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin In: GVBI BE, 1992, Nr. 60, S. 471 • BauOÄndG BE 315.03.93 Drittes Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin In: GVBI BE, 1993, Nr. 15, S. 119 • BauOÄndG BE 4 10.05.94 Viertes Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin In: GVBI BE, 1994, Nr. 21, S. 140-144 Abb. 3: Änderungen im Stammdatensatz des Ursprungsdokuments

Zu einzelnen Vorschriften können so im Laufe von Jahren beliebig viele Änderungen ergangen sein, ohne daß es zu einer in solchen Fällen dringend gewünschten

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

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Neufassung des Ursprungsdokuments kommt. Im Wege des Datenbank-Ände rungsdienstes werden solche Nachträge und Ergänzungen dokumentiert. In den gedruckten Standarddiensten (z.B. DIN-Katalog) würden solche endlosen Änderungsvermerke die Übersichtlichkeit beeinträchtigen. Deshalb folgt das DITR der üblichen juristischen Zitierweise, dergemäß beim Stammdokument nur jeweils die letzte Änderung angegeben wird: BauO BE Bauordnung (Bau Ο Bin) für Berlin vom 28.02.1985, zuletzt geändert durch BauOÄndG BE 4 vom 10. Mai 1994 In: etc.

An diesem Beispiel zeigt sich erneut der Unterschied in der Hefe der Informationen zwischen gedruckten Diensten und der Datenbank. Die dort verdeckten Änderungsdaten enthalten meist Hinweise auf materielle Änderungen, die in der Rechtsanwendung von erheblicher Bedeutung sein können. Die Datenbank führt deshalb alle Änderungen im Ursprungsdokument zusammen und ergänzt damit auch die Suchhilfe für die Dokumentensammlung Technisches Recht, so daß der Benutzer mit dem Hinweis auf die Berliner Bauordnung zugleich auch alle Fundstellen und den Hinweis auf den Volltext aller Änderungsdokumente erhält. Das Beispiel ist eines von vielen für die Hefe der Information, die die Datenbank in den Stammdatensätzen enthält. Ähnliches ließe sich auch an den vielen mitgeltenden Vorschriften demonstrieren. Hieraus soll deutlich werden, daß die DITRDatenbank in Verbindung mit der Sammlung Technisches Recht sowohl für die Rechtsanwender als auch für den Gesetz- und Verordnungsgeber einen praktischen Beitrag zur besseren Nutzung der schwer überschaubaren Rechtsvorschriften und damit Transparenz des Systems technischer Regeln leistet, die gerade im Hinblick auf die Harmonisierungsbemühungen des technischen Rechts in der europäischen Union dringend erforderlich ist.

D 7.2.6

Weltweite Normeninfonnationen

Das DIN hat den Normeninformationsbedarf schon früh erkannt und mit dem Aufund Ausbau der Di l K-Datenbank als bibliographischer Datenbank für die weltweite Normeninformation die Grundlage gelegt für den gezielten elektronischen Zugriff auf heutige Referenz- und zukünftige Volltext-Datenbanken des DIN. Das prominenteste und erfolgreichste Produkt aus dieser zentralen Referenz-Datenbank ist nach wie vor der „mächtige" DIN-Katalog, der jährlich neu in 3 Bänden erscheint und inzwischen auch als Diskettenversion erhältlich ist. Er ist das Quellenverzeichnis und Nachschlagewerk für • sämtliche DIN-Normen sowie Veröffentlichungen anderer Regelsetzer in Deutschland • Rechts- und Verwaltungsvorschriften (Gesetze, Verordnungen, Richtlinien etc.) mit technischem Bezug von Bund, Ländern und der Europäischen Union • nahezu alle wichtigen und technischen Regeln des Auslands einschließlich aller europäischen und internationalen Regelwerke wie ISO, IEC, CEN/CENELEC, ETSI etc.

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Marschall: Technische Regeln als Quellen

Hervorzuheben ist die besonders benutzerfreundliche CD-ROM PERINORM, einer Offline-Datenbank mit derzeit über 360.000 Referenzen auf weltweit wichtige Normenwerke. Für den Normenanwender ist sie das geeignete Werkzeug für die Normeninformations-Recherche und für die Aktualisierung von großen Normensammlungen. Die PERINORM ist zugleich auch standardisierte Suchhilfe für die Faksimile-Datenbestände von DIN-Normen und einer Reihe weiterer FaksimileDokumentensammlungen. Sie wird als Zugangsmedium auch für zukünftige Volltext-Datenbanken weiterhin eine Schlüsselrolle spielen (Lit. 16). Abbildung 4 zeigt Inhalt und Struktur der PERINORM (Stand 1996).

Daten auf 1 S J E R I N O R M ca. 350.000 Datensätze

S T A N D A R D S AUSTRALIA Η

ANSI, ASTM, ASME, IEEE. UL

Belgien

Abb.4: Inhalt und Struktur der PERINORM

Die Sammlung Technisches Recht auf CD-ROM, die Volltext-Sammlung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften aus Bund, Ländern und der Europäischen Union (EU) umfaßt ca. 7.000 Dokumente. Sie ist in dieser Form die einzige geschlossene Dokumentensammlung des Technischen Rechts in der Bundesrepublik und vereint in sich quasi die meisten einschlägigen Loseblatt-Sammlungen. Vierteljährliche Ergänzungen verbunden mit einer benutzerfreundlichen Suchhilfe (unter DOS und WINDOWS) aktualisieren und erschließen diese Volltext-Sammlung (Lit. 17).

Die Online-Nutzung der DITR-Datenbank (z.B. über den DataStar-Host-Rechner bei FIZ Technik, Frankfurt/Main) ist, verglichen mit den Erfolgen der vorgenannten Offline-Produkte, bislang von untergeordneter Bedeutung geblieben. Zu hoch waren für kleine und mittlere Unternehmen die bisherigen Zugangsschwellen zu den großen proprietären Online-Datenbanken.

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

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Dies kann sich schnell ändern, wenn die DITR-Datenbank und das Verlagsprogramm des Beuth-Verlags demnächst auch in öffentlichen Online-Diensten verfügbar sind. Für den gelegentlichen Informationsbedarf, insbesondere aber für die an keine Geschäftszeiten gebundene direkte Online-Bestellung von recherchierten Normen- und Vorschriften-Dokumenten beim Beuth-Verlag bietet der in Deutschland rasch wachsende T-Online-Dienst der Telekom schon heute einen preiswerten und benutzerfreundlichen alternativen Zugriff auf Normeninformationen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Das gleichartige Angebot im Internet richtet sich an die internationale Klientel (http://www.din.de). Elektronisches Normenangebot: Parallel zum zügigen Ausbau der Normeninformations-Datenbanken des DIN entwickelte sich der Aufbau und das Angebot einer Faksimile-Datenbank für DINNormen. Erst vor wenigen Jahren begann eine rapide Entwicklung an Informationsspeichern großer Textmengen im Faksimile-Format. Träger dieser technischen Entwicklung war und ist auch hier die CD-ROM, die auch international bevorzugte dezentrale Offline-Informationsquelle für die Bestandsverwaltung und laufende Aktualisierung von Normensammlungen. Die Gesamtausgabe des DIN-Normenwerkes (einschließlich der im Postscript/PDF-Format vorliegenden DIN/VDE-Normen) umfaßt derzeit 29 CDs und wird monatlich aktualisiert. Zur Rationalisierung der Arbeit in den Nonnenstellen und Bibliotheken der Unternehmen trägt das Angebot von elektronischen Normen-Abonnements in Faksimile-Format (TIF-Format) bei, das sogenannte A+I-Abo („Aktuell und Individuell"). Die bisherigen, pflegeaufwendigen Papiersammlungen können nun umgestellt werden auf den kompakten CD-ROM-Zugriff im Abonnement, der überdies in Verbindung mit der Normeninformationsdatenbank PERINORM auch ein schnelles, gezieltes Wiederauffinden der gesuchten Dokumente erlaubt, die in Inhouse-Netzen dann an jedem Arbeitsplatz verfügbar sind. Auch die monatlichen Aktualisierungen werden in gleicher Weise zur Verfügung gestellt und mindern in erheblichem Maße den Aufwand zur Verwaltung und Pflege der DIN-Nonnensammlungen. Wenn auch erkennbar ist, daß sich die technische Entwicklung in Richtung zeichencodierter Volltext-Datenbanken bewegt, so werden die Faksimile-Datenbanken als auch heute noch wirtschaftlichste Form der Speicherung großer Dokumentensammlungen für eine Übergangszeit von mindestens weiteren fünf Jahren ihre Bedeutung haben.

D 7.2.7

Zukünftige Entwicklungen der elektronischen Bereitstellung von Normen

Auf dem Feld des elektronischen Publizierens und des Dokumententransfers im wissenschaftlich-technischen Bereich findet gegenwärtig und weltweit ein technologischer Umbruch mit weitreichenden Folgen statt. Die Entwicklung und Bereitstellung der digitalen Information schreitet rasant voran und das Angebot an multimedialen Informationsprodukten ist jetzt schon kaum noch überschaubar. Mit weltumspannenden öffentlichen Netzwerken wie dem Internet und der dadurch allgegenwärtigen und freien Verfügbarkeit digitaler und multimedialer Information ist in den letzten

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Marschall: Technische Regeln als Quellen

Jahren eine intakte globale Informations-Infrastniktur entstanden, die völlig neue Möglichkeiten der digitalen Bereitstellung auch von Normen und Normeninformationen zu jedem beliebigen Zeitpunkt und an jedem beliebigen Ort eröffnet. Im Hinblick darauf hat eine internationale Koordinierungsgruppe (ITSCG), gemeinsam getragen von ISO, IEC, ITU und unter Mitarbeit weiterer regionaler und nationaler Nonnenorganisationen diese technologische Entwicklung unter dem Blickwinkel der weltweiten Normung aufgegriffen und ein breit angelegtes Strategiekonzept (Lit. 19) entworfen. Daraus wurde ein Katalog konkreter Empfehlungen zum praktischen Technologietransfer, zur internationalen Vereinheitlichung der anzuwendenden technischen Verfahren, Werkzeuge und Datenbestände und zur koordinierten Nutzung dieser globalen Informations-Infrastniktur speziell für die internationale Normungsgemeinschaft abgeleitet, die nun von den Mitgliedern dieser Organisationen nach Maßgabe ihrer jeweiligen Entwicklungsstände und technischen Möglichkeiten praktisch umgesetzt werden sollen. Jede Normenorganisation wird diese Strategie-Empfehlungen auch vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen, konkreten Bedürfnisse ihrer Normenanwender betrachten müssen, denn auch hier gilt, daß das technologisch Machbare nicht notwendigerweise immer auch das in der Alltagspraxis tatsächlich Gewollte ist. Das DIN hat sich der technologischen Herausforderung durch die globale Informations-Infrastruktur und ihren Erfolgen frühzeitig gestellt, die Themen aufgegriffen und gerade in letzter Zeit in diversen Diskussionsforen die neuen und künftigen Entwicklungen im technischen Publizieren zur Diskussion gestellt. Das Ergebnis dieses Klärungsprozesses ist ein durchaus differenziertes, an heutigen Praxisbelangen der Normenanwender orientiertes Meinungsbild. Klar ist demnach, daß die Normenanwender die praxisgerechte elektronische Bereitstellung von Normen und Normeninformation in entsprechenden Datenbanken wünschen. Deutlich erkennbar ist ferner, daß zunehmend mehr das gesamte verfügbare Normungsspektrum gewünscht wird, also keineswegs nur die Beschränkung auf die DIN-Normensammlung. In enger Kooperation mit seinen Partner-Organisationen wird das DIN deshalb sein Daten- und Dienstleistungsangebot diesem Bedarf entsprechend erweitern. Als Mittel des elektronischen Informations- und Dokumentenzugriffs haben sich zweifellos PCs durchgesetzt und man kann davon ausgehen, daß in absehbarer Zeit jeder Büroarbeitsplatz in Industrie, Technik und Dienstleistungsunternehmen multimediafähig ausgestattet und zugleich an einem öffentlichen, weltweiten Kommunikationsnetz angeschlossen sein wird. Für die elektronische Normenbereitstellung werden damit alle Möglichkeiten für ein breites Online- und Offline-Angebot eröffnet, d.h. dem Anwender von Normeninformations- und Volltext-Datenbanken werden Normeninhalte gezielter, schneller und damit wirtschaftlicher zugänglich sein. Das fördert zugleich die Normenanwendung an sich und erzielt somit beim Anbieter und Anwender einen doppelten ökonomischen Nutzen. SGML-Einsatz im DIN: Die Forderung vornehmlich großer Unternehmen nach strukturierten Normen-Dokumenten in elektronischer Form ist evident. Es ist inzwischen auch klar, daß diese

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

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Unternehmen im Hinblick auf ihre eigenen Volltext-Aktivitäten nach anfänglichen Unsicherheiten nunmehr dem DIN eine Vorreiter-Rolle zuweisen und darauf drängen, die faktisch erlangte Spitzenstellung gegebenenfalls auch international geltend zu machen. Das ist für das DIN Chance und Herausforderung zugleich. Der Stand der Technik im elektronischen Publizieren wissenschaftlich-technischer Dokumente erlaubt schon heute die elektronische Erstellung und Bereitstellung von strukturierten Normendokumenten, auch unter Einbindung aller komplexen Inhaltselemente wie Tabellen, Formeln, Bilder, Vektor- und Pixel-Grafiken. Grundlage hierfür ist der SGML-Ansatz nach ISO 8879 und DIN EN ISO 28879 (SGML = Standard Generalized Markup Language). Es gibt bereits eine Vielzahl von Institutionen und Organisationen - und damit ein auch für das DIN nutzbares Erfahrungspotential -, in denen eine SGML-basierte Dokumentenerstellung erfolgreich durchgeführt wird, z.B. in den Großforschungseinrichtungen der EU, den Patentämtern, Unternehmen in der Luft- und Raumfahrt und der Automobilindustrie auch in Deutschland. Allen diesen Ansätzen ist gemeinsam, daß mit ihnen nicht nur SGML-strukturierte, zeichencodierte Volltext-Datensammlungen aufgebaut und für Anwender bereitgestellt werden können, sondern daß zugleich auch eine grundlegende Reorganisation des herkömmlichen Herstell- und Distributionsprozesses in der eigenen Organisation erreicht werden soll. Mögen Unterschiede zwischen diesen Einrichtungen und einer Normenorganisation im einzelnen auch erkennbar sein, so soll der im DIN (und in der ISO!) zu entwickelnde SGML-Ansatz sich nicht signifikant von dem der benachbarten Organisationen unterscheiden. Zumindest gegenwärtig gibt es in den übrigen Normenorganisationen nur geringe praktische Erfahrungen mit SGML. Dort, wo sie vorhanden sind, reduziert sich die Anwendung derzeit lediglich auf die satztechnische Herstellung von Nonnen. Das erhebliche Rationalisierungspotential sowie die eigentlichen Vorteile und Nutzen des SGML-Ansatzes erschließen sich jedoch nur in der zentralen Datenhattung in vollständigen Volltext-Datenbanken und deren unmittelbaren Auswirkungen auf die Neuorganisation des gesamten elektronischen Normen-Herstell- und Verteilungsprozesses {siehe Abb. 5). Ziel der SGML-Einführung im DIN ist der Aufbau einer zentralen Datenbank, aus denen SGML-strukturierte Normen wie bisher sowohl auf Papier, als elektronische Produkte auf marktgängigen Medien (CD-ROM, magnetischen Datenträgern) als auch unter bestimmten Voraussetzungen „online" über öffentliche Netzwerke hergestellt bzw. bereitgestellt werden können. Der Vorzug des SGML-Ansatzes für das DIN bietet sich vor allem durch - Kostensenkung durch Rationalisierung und Automatisierung des Herstellund Aktualisierungsprozesses durch konsistente, zentrale Datenhaltung - Beschleunigung des Produktionsprozesses (time to market) - Mehrfachnutzung der Inhalte für unterschiedliche Ausgabe-Medien - Flexibilisierung im Einsatz neuer Medien und Vertriebswege - Austauschbarkeit von Daten durch genormte Datenschnittstellen - Publishing on demand (PoD) - Unabhängigkeit von bestimmten Hard- und Softwareerfordemissen.

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Marschall: Technische Regeln als Quellen

Auch für den Normen-Anwender SGML-strukturierter Dokumente ergeben sich deutliche Vorteile: - schnelles, gezieltes Wiederauffinden relevanter Dokumente und Inhalte durch Volltext-Suche - schnelle Aktualisierung der Dokumentensammlung - Weiterverarbeitung von Inhalten in beliebigen Datensammlungen, Einbindung in, Verknüpfung mit Werknormen-Sammlungen - Nutzung der Hyperlinks zur besseren Ausbeutung der Normen-Inhalte - Unabhängigkeit von bestimmten Hard- und Softwareerfordernissen.

Elektronisches Publizieren im DIN

Abb. 5: Neugestaltung von Arbeitsabläufen in der Normen-Erstellung

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

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Im Rahmen eines Pilotprojektes über die Einführung von SGML im DIN haben im Herbst 1994 die ersten Vorarbeiten für den Aufbau einer SGML-basierten VolltextDatenbank begonnen. Ziel des Pilotprojekts ist es, eine Produktionskette für eine SGML-basierte Herstellung und Speicherung von zunächst ca. 1.000 DIN-Normen unter möglichst realistischen Produktionsbedingungen durchzuführen. In einer zu entwickelnden Gesamtkonzeption sollen Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts festgehalten werden, so daß die Entscheidung getroffen werden kann, ob und unter welchen technischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen SGML im Regelbetrieb eingesetzt werden kann. Als erstes wichtiges Arbeitsergebnis der ersten Projektphase liegt nun als Kernstück des Vorhabens eine Vereinbarung einer gemeinsamen Dokumentstruktur und Dokumenttypfestlegung (Dokumententypdefinition - DTD) für DIN- und DIN VDE-Normen vor, die auch Besonderheiten von ISO- und CEN-Dokumenten einzubinden vermag. Eine der eingangs erwähnten Strategie-Empfehlungen der ISO/ ITSCG ist die Festlegung einer internationalen Austausch-DTD. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen im SGML-Projekt wird das DIN intensiv an der Harmonisierung von DIN 820 mit den Gestaltungsregeln von ISO/IEC und CEN/CENELEC mitwirken, um zügig zu einem systematischen Daten- und Dokumententransfer-Format für die Übernahme von Norm-Inhalten zu gelangen (siehe Abb. 6). SGML-Derivate - Strukturierte Daten und Electronic Books: Der Aufbau einer kompletten Volltext-Datenbank aller DIN-Normen in SGMLStruktur wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Hinzu kommt die notwendige Neuordnung der Arbeitsabläufe des Herstellprozesses für Normen-Dokumente und der Aufbau eines integrierten Datenbanksystems im Netz (siehe Abb. 7). Bis dahin werden die neuen Verfahren des elektronischen Publizierens schrittweise erprobt und fortentwickelt werden müssen. Zur praktischen Erprobung dieser Verfahren und Werkzeuge sollen interessierten Kreisen solche SGML-Volltext-Dateien zur Weiterverwendung in den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Auf ausgewählten Teilgebieten der Normung werden bereits jetzt drei SGML-basierte Offline-Produkte (sog. Electronic Books mit voller Hypertext-Datenbank-Funktionalitat) angeboten und der Öffentlichkeit als erste Zwischenergebnisse des SGMLProjekts präsentiert (Lit. 18). Die für diese SGML-Produkte ausgewählten NormenDokumente sind bereits präzise nach der DIN-DTD strukturiert und damit auch Bestandteil der zukünftigen SGML-Volltext-Datenbank. Mit solchen elektronischen Fachsegment-Produkten, im Inhalt vergleichbar den bisherigen konventionellen DINTaschenbüchern, bedingt durch Hypertext-Funktionen jedoch mit deutlich besseren Nutzungsmöglichkeiten, denn sie erlauben das Recherchieren im Volltext, Navigieren, Exportieren oder Hinzufügen oder sonstige Bearbeitungen der elektronischen Dokumente. Damit sollen Erfahrungen im Produktionsprozeß gesammelt, vor allem aber die Anwenderakzeptanz für diese neuen Medien getestet werden, um frühzeitig Fehlentwicklungen beim Datenbankaufbau und der Produktentwicklung zu vermeiden. Informationsangebote im Internet/World Wide Web: Mit den SGML-Volltext-Datenbanken und der eingangs erwähnten globalen Informations-Infrastruktur, die z.B. das Internet bietet, eröffnen sich völlig neue Mög-

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Marschall: Technische Regeln als Quellen

Bestandteile eines SGML-Dokuments - virtuelle DIN-Norm Grafik

DIN-DTD

SGMLInstanz (Texte, Tabellen ...) Für die Prüfung Ist die erste Seite des Prüflings nach den In der Tabelle angegebenen Werten auszurichten. Die Einwirfedauer darf nicht

Abb. 6: Komponenten einer DIN-Norm in SGML-Stniktur

lichkeiten der elektronischen Bereitstellung und Vermarktung von Normen-Dokumenten. Das DIN wird die positiven Seiten des populären World Wide Web (WWW) vor allem im Produkt-Marketing nutzen und bietet nunmehr über einen eigenen Web-Server einen öffentlichen Online-Zugriff auf allgemeine selbstdarstellende Informationen über DIN/BV (sog. home pages), so z.B. Werbung für neue Verlagsprodukte, verbunden mit einer direkten Bestellmöglichkeit, Veranstaltungstermine, Katalogdaten für einfache Anfragen zum DIN-Normenwerk und dem gesamten Verlagsprogramm etc. Die nahezu gleiche Informationspalette wird im On-

D 7.2 Das Fachinformationssystem für technische Regeln

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line-Dienst der deutschen Telekom (T-Online) vornehmlich für den deutschen Markt angeboten, weil in diesem deutschen Dienst überwiegend die professionellen Nutzer in den Unternehmen als Zielgruppe für das Verlagsangebot angesprochen werden. Parallel dazu laufen konkrete Überlegungen, die hervorragenden Eigenschaften des europäischen ISDN insbesondere für die Datei-TVansferdienste mit Verlagskunden und Abonnenten des DITR-Datendienstes sowie im Verkehr mit den europäischen Partner-Organisationen einzusetzen.

Konzept eines integrierten

Abb. 7: Integriertes Datenbanksystem im DIN

DIΝ

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Marschall: Technische Regeln als Quellen

In der kommerziellen Nutzung der Bereitstellung von Normen-Dokumenten in öffentlichen Netzen gibt es bislang jedoch noch wenig Erfahrung. Das Internet mit seinen derzeitigen Merkmalen gilt unter kommerziellen Nutzungsinteressen zumindest bis heute als äußerst unsicher. Eine Alternative zum Internet ist die Nutzung von proprietären Netzwerken für geschlossene Benutzergrnppen, wie z.B. CompuServe, America Online oder das WIN-Netz des DFN-Vereins in Deutschland. Diese Netzwerke gelten aufgrund ihrer rigiden Eingangs- und Ausgangskontrollen als technisch sicher und werden durch vorgeschaltete sogenannte Service Provider professionell verwaltet. Hierdurch entstehen jedoch für Anbieter (Content Provider) und Nutzer zusätzliche Kosten. Überlegungen über einen Online-Zugriff auf SGML-strukturierte DIN-Normen werden zumindest in einer Testphase auf dieser Ebene ansetzen. Für alle weiteren Aktivitäten des Elektronischen Publizierens in öffentlichen Netzen sind neben den organisatorisch-technischen Umstrukturierungen zunächst einmal bestimmte Voraussetzungen zu klären, insbesondere • sichere Methoden zum Schutz des Urheberrechts am Inhalt elektronischer Dokumente in Netzen • ein neues Preis-System für den elektronischen Dokumentenzugriff sowie • ein zuverlässiges Fakturierungs- und Abrechnungsverfahren für Nutzungsentgelte im elektronischen Dokumentenzugriff in Netzen.

Es wird einer der weiteren Schwerpunkte im Elektronischen Publizieren im DIN sein, unter Beteiligung der internationalen Partner-Organisationen und natürlich auch interessierter Nutzer- und Anwendergruppen in diesen schwierigen technischen Fragen zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Erst dann sind die Voraussetzungen geschaffen, DIN-Normen im Volltext im Online-Zugriff in öffentlichen Netzen zur Verfügung zu stellen. Literatur 01. Anleitung zur formalen Erfassung und inhaltliche Erschließung von technischen Regeln Indexierungsanleitung. Deutsches Informationszentrum für technische Regeln (Dl l K) 2. Auflage, Berlin: 1989. 110 S. 02. Budde, Eckhart: Die rechtliche Bedeutung der überbetrieblichen technischen Normen. In: DIN-Mitteilungen 53 (1974) Nr. 4, S. 103-106. 03. Budde, Eckart; Reihlen, Helmut: Zur Bedeutung technischer Regeln in der Rechtsprechungspraxis der Richter. In: DIN-Mitteilungen 63 (1984) Nr. 5, S. 95-97. 04. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): Normung. Geschichtliche Daten. Aufgaben, Organisation und Geschäftsgang. 1. Aufl. Berlin: 1979. 16 S. 05. DIN 820Teil 1 Normungsarbeit: Grundsätze. Januar 1986. 06. Geschäftsbericht 1986/87. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin: 1987. 34 S. 07. Janke, Eberhard: Nutzung in- und ausländischer Normendatenbanken in Bibliotheken. In: Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB): Bericht über die 20. Tagung in Stuttgart. Leverkusen: 1985. S. 124-145. 08. Marburger, Peter: Die Regeln der Technik im Recht. Köln, Berlin, München: Carl Heymanns Verlag 1979. 638 S. 09. Marburger, Peter: Technische Normen im Recht der technischen Sicherheit. In: Der Betriebs-Berater (1985) H.4. S. 119-209.

D 7 Literatur

555

10. Marschall, Horst-Werner: Dl I K -Technische Regeln im Online-Zugriff. In: Nachr. f. Dok. 36 (1985) Nr. 4/5. S. 203-209. 11. Marschall, Horst-Werner; Wernicke, Andreas: SGML-Einfühning im DIN. Projektskizze. Manuskript. Berlin: 1994/1995, 15 S. 12. Marschall, Horst-Werner: Zehn Jahre DM Κ - eine Bilanz für Europa. In: DIN-Mitteilungen 70 (1989) Nr. 11. S. 581-588. 13. Nicklisch, Fritz: Funktion und Bedeutung technischer Standards in der Rechtsordnung. In: Der Betriebs-Berater (1983) H. 5. S. 109-117. 14. Müller-Foell, Martina: Die Bedeutung technischer Normen für die Konkretisierung von Rechtsvorschriften. In: Technologie und Recht, Band 9; Heidelberg: C.F. Müller Juristischer Verlag 1987. 192 S. 15. Einzelheiten zum sogenannten EG-Informationsverfahren und den Besonderheiten der europäischen Normung. In: Europäische Normung. Ein Leitfaden des DIN. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) 2. Auflage. Berlin: 1995. 31 S. 16. PERINORM CD-ROM Jahresabonnement mit 12 Aktualisierungslieferungen. Berlin, Wien Zürich: Beuth-Verlag, ISBN 3^10-12790-9. 17. Sammlung Technisches Recht auf CD-ROM. 8 CD-ROMs, Jahresabonnement mit 4 Aktualisierungslieferungen. Berlin, Wien, Zürich: Beuth Verlag. 18. - Electronic Book Schweißtechnik. Nonnen zur Schweißtechnik in SGML 1 CD-ROM. - Qualitätsmanagement - DIN EN ISO 9000 als SGML-Anwendung auf CD-ROM - Leitfaden Maschinensicherheit in Europa. SGML-Anwendung auf CD-ROM. DIN, IVSS (Hrsg.) ISBN 3-410-13575-8, alle DIN (Hrsg.). Berlin, Wien, Zürich: Beuth Verlag. 19. ITSCG Draft Report to ISO, IEC, ITU (ITSCG N39 [Rev.2]): The world standardization system as a major user of the new information and telecommunication technologies. Manuskript. ISO/IEC (Hrsg.) Genf: 1996. 28 S.

556

D 8

Wirtschaftsinformation Josef L. Staud

D 8.1

Einleitung und Begriffsklärung

Wirtschaftsinformationen sind Informationen für und über „die Wirtschaft". Im Kernbereich, wo sich die beiden Aspekte überlappen, wird für Wirtschaftspartizipanten aus dem Wirtschaftsgeschehen berichtet. Daneben spielt aber noch der darüberhinausgehende Aspekt des Berichtens „für die Wirtschaft" aus anderen Bereichen wie Rechtsprechung, Gesetzgebung, Wissenschaft, Technik, Sozialwesen usw. eine wichtige Rolle. Dieses „für die Wirtschaft" scheint auch zu dominieren in den Vorstellung der großen Beratungsfirmen wie z.B. Knowledge Industry Publications, die in einer Marktanalyse zu „Business Information Markets 1982-87" Wirtschaftsinformation wie folgt klassifizieren: „Business information can be classified not only by medium (magazine, newsletter, book, etc.) but also how it is used in the decision-making process: for a transaction, for skills improvement" (Lit. 05, S. 1). Hier ist der gesamte Bereich abgedeckt und die Definition erfolgt über die Tätigkeit des in der Wirtschaft Handelnden. Das Ziel von Wirtschaftsinformation ist dabei die informationelle Absicherung des im Wirtschaftsgeschehen Tätigen und dementsprechend kann sie definiert werden. Schwierigkeiten bereitet die konkrete Umsetzung der Definition, z.B. beim Versuch, Datenbanken zusammenzustellen mit Wirtschaftsinformationen. Nicht so sehr die engere Definition („über"): Hier werden einfach Informationen über das Wirtschaftsgeschehen, seine Objekte (Personen, Firmen usw.), Subjekte (Produkte, Dienstleistungen usw.), die Transaktionen und Austauschprozesse (Waren, Geld, Wertpapiere, . . . ) zusammengepackt. Diese Informationen bilden Aspekte des Wirtschaftsgeschehens ab; sie modellieren, datenbanktechnisch gesprochen, einzelne Ausschnitte dieser „Welt". Weniger einfach verhält es sich mit der weiter gefaßten Definition („für"). Da die Definition nicht von direkten Eigenschaften der Information ausgeht, sondern sich auf deren (mögliche) Funktion beim wirtschaftlich Handelnden bezieht, ist jede Abgrenzung subjektiv gefärbt. Z.B. im Bereich technisch-naturwissenschaftlicher Information. Wann ist eine Datenbank über Produkte noch eine Wirtschaftsdatenbank? Wenn sie nur Produktionsziffern angibt, auf Hersteller verweist oder auch noch, wenn sie die Zusammensetzung der Produkte (unter physikalischen oder chemischen Gesichtspunkten) angibt. Wird letzteres bejaht, wie steht es dann mit einer Datenbank über die kristalline Struktur? Jede Abgrenzung ist hier schwierig. Sie wird etwas erleichtert durch ein weiteres Kriterium: Die Verständlichkeit der abgespeicherten Information für die in Leitungsfunktionen Tätigen. Informationen aus Datenbanken, die sehr viel „Fachwissen" erfordern, werden eher nicht zu den Wirtschaftsdatenbanken gezählt, als die anderen, die „vom Management" selbst verarbeitbar sind. Damit ergibt sich eine weitere Trennlinie: die zwischen „dem Ingenieur" (oder sonstigen Wissenschaftler) und seinen Informationsquellen und „dem Manager" mit den Datenbanken zur Absicherung seines Handelns. In der Praxis des florierenden Marktes für Wirtschaftsin-

D 8.2 Informationstypen

557

formation erweist sich dieses Problem allerdings als nicht so schwierig. Neue Märkte werden versuchsweise erschlossen und Produkte werden nur weitergeführt, wenn sie Absatz finden. So wird quasi täglich, durch das Marktverhalten, Wirtschaftsinformation neu definiert, beeinflußt von gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Man beobachte nur die ständigen Versuche, neue Zeitschriften, Online-Datenbanken, Newsletter usw. auf dem Markt einzuführen. Wirtschaftsinformationen werden über eine Vielzahl von Medien angeboten. Neben gedruckten Veröffentlichungen wie Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Newsletter, Loseblatt-Werken (z.B. zu Steuern, Rechtsprechung, Gesetzgebung) werden in entsprechenden Marktanalysen auch „face-to-face services" wie Messen, Seminare und Konferenzen sowie Online-Datenbanken genannt. In den letzten Jahren gewannen Wirtschaftsdatenbanken auf CD-ROM eine wachsende Bedeutung. Hier werden im folgenden die Online-Datenbanken im Vordergrund stehen. Sie stellen als externe (vom Benutzer aus gesehen) und öffentlich verfügbare Informationsspeicher ein zentrales Instrument der Informationsversorgung dar mit unmittelbarem Bezug zum Dokumentationswesen.

D 8.2

Informationstypen

Der Begriff „Informationstyp" wird hier weitgehend synonym zum datenbanktechnischen Begriff „Datentyp" verwendet. Mit einbezogen werden allerdings Informationstypen wie Graphiken, chemische Strukturformeln, Daten physikalischer Modelle und andere (alle die als „Ausprägungen" von Datentypen bzw. Datenmodellen auftreten), die in Online-Datenbanken eine wichtige Rolle spielen, die aber nicht ohne weiteres unter den Begriff des Datentyps gefaßt werden können (vgl. näheres hierzu in Lit. 13, Lit. 14, eine umfassende Darstellung der Grundlagen von Online-Datenbanken findet sich in Lit. 20). Erfassung von Information bedeutet immer auch die Notwendigkeit, Information in eine Form zu bringen, die von möglichen Kommunikationspartnern verstanden wird. Geschieht dies zusätzlich für Datenbanken, müssen darüberhinaus Formen gefunden werden, die der gegenwärtigen Datenbanktechnologie entsprechen. In der heutigen Situation bedeutet dies immer noch in erster Linie eine Erfassung durch Attribute (der Begriff wird unten erläutert) und durch Texte. Daneben finden sich aber in Online-Datenbanken (und gerade da) eine Vielzahl weiterer sehr unterschiedlicher Informationstypen. Diese sollen, soweit sie Wirtschaftsinformationen betreffen, ebenfalls betrachtet werden. Texte stehen, da dieses Kapitel im Bereich „Daten-/Faktenspezifische Systeme" angesiedelt ist, hier nicht im Vordergrund. Diese Informationstypen werden hier aus zwei Gründen betrachtet: erstens, weil sie die Abspeicherung, das Retrieval und - vor allem - die möglichen Verarbeitungsschritte der jeweiligen Daten weitgehend festlegen und zweitens, weil damit eine strukturell orientierte Typisierung der Online-Datenbanken möglich wird.

558 D 8.2.1

Staud: Wirtschaftsinformation Attribute und Merkmale

In der Datenbankliteratur werden Attribute, soweit sie überhaupt definiert werden, entweder mit Merkmalen gleichgesetzt (vgl. Lit. 09, S. 15), mit Beispielen als Felder (eines Datensatzes) definiert (Lit. Ol, S. 7) oder vom (umgangssprachlichen) Eigenschaftsbegriff abgeleitet. Dabei werden „Entities" definiert (in Übernahme des „entity-Begriffs" der angelsächsischen Datenbankliteratur), womit „wohlunterscheidbare Dinge, welche in der realen Welt existieren" bezeichnet werden. Die Eigenschaften dieser „Entities" werden dann als „Werte" (vom englischen „value") bezeichnet, die Zusammenfassung aller Werte einer Eigenschaft wird Wertebereich und die so mit Wertebereich und Entities definierten Eigenschaften werden Attribute genannt (vgl. zum Zitat und beispielhaft für diese Ableitung Lit. 18, S. 39). Etwas abweichend, wenn auch im grundsätzlichen übereinstimmend, definieren Tsichritzis/Lochovsky (Lit. 16). Ausgehend vom Mengenbegriff definieren sie „domains" als Mengen mit einer bestimmten homogenen Struktur: „There are some sets whose members are more or less homogeneous: for example, the set of integers between 10 and 20, the alphabetic strings of length up to 20, and so forth. These homogeneous sets are called domains in data modeling. Domains are used as sets of values from which certain sementically meaningful objects and their properties can take values over time" (Lit. 16, S. 23). Sie kommen dann zu der folgenden Definition des Attributsbegriffs: „A named domain that represents a semantically meaningful object is called an attribute and represents the intension of the domain (e.g., Salary). The extension of the domain corresponds to (attribute) values (e.g., salary values). Attributes and their values are interpretations of real-world objects and their properties" (Lit. 16, S. 24). Das Konzept der Attribute stellt damit einen zentralen Aspekt unserer Wahrnehmung dar. Wenn wir Realität wahrnehmen oder, um in der Sprechweise der Datenbanktheorie zu bleiben, einen Weltausschnitt modellieren, nehmen wir zuerst Eigenschaften und Dinge wahr. Die Eigenschaften über die Dinge, die Dinge über die Eigenschaften. Es ist daher nicht überraschend, daß dieser Mechanismus auch in der Erstellung einer Datenbank (Modellierung eines Weltausschnitts) eine Rolle spielt. In der Statistik und der Meßtheorie ist ein ähnliches, wenn auch stärker ausgearbeitetes Konzept vorhanden, das des Merkmals. Merkmale werden einem bestimmten Weltausschnitt (einer Menge von Objekten: Grundgesamtheit oder Objektklasse) zugewiesen bzw. auf ihn angewandt. Diese Zuweisung bedeutet eine Klassenbildung in einem bestimmten Weltausschnitt. Die Klassenbildung muß zu disjunkten (sich gegenseitig nicht überlappenden) Teilmengen führen. Jede dieser Teilmengen wird durch eine Merkmalsausprägung klassifiziert, die Zuweisung der Merkmalsausprägungen zu diesen Klassen wird als Messung bezeichnet. Damit ergibt sich für die zugrundeliegende Objektklasse, daß alle Objekte durch das Merkmal meßbar sein müssen. Einfache Beispiele sind das Merkmal Geschlecht in Bezug auf die Objektklasse Menschen mit den Ausprägungen männlich und weiblich und das Merkmal Gehalt in bezug auf die Objektklasse, die aus den Angestellten einer Organisation besteht. Auf dieselbe Weise, wie damit beliebigen Objekten Merkmale zugeordnet werden

D 8.2 Informationstypen

559

können, ist dies für die Merkmale selbst der Fall. Eines führt zu der Einteilung von Merkmalen in qualitative, rangmäßige und quantitative Merkmale (auf die weiteren Ausprägungen wird hier verzichtet). Qualitative Merkmale erfassen nur die Gleichheit bzw. Ungleichheit von Objekten, so daß nur die Gleich/Ungleich-Relation betrachtet werden kann. Die Ausprägungen eines solchen Merkmals sind nicht numerisch, sondern begrifflich (männlich/weiblich), sie werden allerdings für die statistische Verarbeitung oft numerisch vercodet. Rangmerkmale liefern zusätzlich Informationen über eine bestimmte Rangfolge zwischen den betrachteten Objekten, d.h. hier kann auch noch die kleiner/größer-Relation bestimmt werden. Die Ausprägungen sind hier oft begrifflich, z.B. „sehr gut/gut/ . . .", sie können aber auch auf jede Zahlenfolge abgebildet werden, welche die Ordnungsrelation erfüllt. Am weitesten verbreitet außerhalb der Textdatenbanken sind quantitative Merkmale mit ihren numerischen Ausprägungen. Sie können weiter danach unterschieden werden, welche Operationen in ihrem Zahlenraum zulässig sind (vgl. für eine fundierte Darstellung Lit. 06). Zu einem Merkmal gehören also, neben der Merkmalsbezeichnung, die Merkmalsausprägungen und die Angabe der jeweiligen Objektklasse. Informationen als Merkmale zu erkennen hat verschiedene Konsequenzen. Eine betrifft das Retrieval dieses Informationstyps (vgl. unten), eine andere hängt mit den Möglichkeiten der rechnerischen und statistischen Verarbeitung zusammen: Ausprägungen qualitativer Merkmale (Nominaldaten) können nicht addiert, multipliziert usw. werden. Es ist sinnlos, den Mittelwert von 1 und 2 zu berechnen, wenn 1 „weiblich" und 2 „männlich" bedeutet. Dementsprechend sind auch für die übrigen Merkmalstypen nur bestimmte mathematische und statistische Operationen erlaubt. In der Regel wird bezüglich einer ausgewählten Objektklasse nicht nur ein Merkmal erhoben, sondern mehrere. Insbesondere gilt dies, wenn ein Ziel die statistische Analyse der erhobenen Daten ist und, zum Beispiel, Beziehungen zwischen mehreren Merkmalen von Interesse sind. Ist die Erhebung sinnvoll angelegt, kann jedem Objekt für jedes Merkmal jeweils eine Merkmalsausprägung zugeordnet werden. Ein solches Datenmodell wird Merkmalsraum (oder mehrdimensionales Merkmal) genannt (vgl. auch Kapitel C 5). Die meisten der gegenwärtig in Faktenretrievalsystemen zur Verfügung gestellten numerischen Informationen bestehen aus aggregierten Daten. Eine Aggregation bezieht sich auf Merkmalsinformationen im Sinne eines Merkmalsraumes. Dabei wird von der Vielfalt der Merkmalsausprägungen abstrahiert, indem Objekte mit bestimmten Ausprägungstupeln zusammengefaßt werden, z.B. zu nur noch zwei Klassen (bezüglich eines Merkmals) (Dichotomisierung). Dabei erfüllen die Merkmale hier eine unterschiedliche Funktion. Merkmale, die zur Zusammenfassung benutzt werden, sind meist qualitativer Natur. Z.B. wird dann aus einer 30-teiligen Brancheneinteilung eine dreiteilige. Die damit verbundene Gruppenbildung muß alle Objekte erfassen. Sie führt zu disjunkten Teilmengen. Die übrigen Merkmale, die zusammengefaßt werden müssen, werden nun für die Teilmengen neu bestimmt. Sie müssen also von einem Typ sein, der die Zusammenfassung erlaubt. Meist sind sie quantitativ, wodurch Summen, Durchschnitte usw. berechnet werden können. Sehr viele Wirtschaftsdatenbanken bestehen aus Zeitreihen (meist aus aggregierten Werten). Auch diese beruhen auf Merkmalen, wobei das Merkmal „Zeitpunkt"

560

Staud: Wirtschaftsinformation

eine besondere Rolle spielt. Eine nähere Beschreibung dieses Informationstyps findet sich im Kapitel C 5 (Statistische Informationen). D 8.2.2

Nomenklaturen

Im gesamten Bereich der Wirtschaftsinformationen spielt ein weiterer auf dem Merkmalsbegriff aufbauender Informationstyp eine wichtige Rolle: Nomenklaturen. Sie beruhen auf den vielfältigen, z.T. schon sehr alten und vor dem Entstehen der EDV benutzten Werkzeugen zur mehrstufigen Klassifikation von Objekten. Beispiele im Wirtschaftsbereich sind die Produktklassifikationen der UN für den Außenhandel (SITC: Standard International Ttade Classification) oder die NIMEXE-Klassifikation der EG. Nomenklaturen bestehen, bei der hier gewählten Sichtweise, auf der obersten Ebene aus einem qualitativen Merkmal mit allen Konsequenzen (Bildung disjunkter Klassen,. . .). Im Unterschied zu qualitativen Merkmalen werden hier nun aber weitere Ebenen der Klassifizierung eingerichtet. Jede Ausprägung des „obersten" Merkmals wird wiederum unterteilt, gemäß den Anforderungen qualitativer Merkmale. D.h. jede Ausprägung wird zu einem Merkmal für die darunterliegende Ebene, so daß die disjunkte Menge der ersten Ebene wiederum (alle Objekte umfassend) in disjunkte Teilmengen aufgeteilt wird. Dieser Prozeß kann fortgesetzt werden. Viele Nomenklaturen im Bereich der Wirtschaftsinformation weisen bis zu 4 oder 5 Ebenen auf. D 8.2.3

Texte in Faktendatenbanken

Auch wenn sie im Bereich der Wirtschaftsinformation außerhalb des Literaturbereichs nicht eine zentrale Rolle spielen, tauchen Texte doch in vielerlei Form in Faktendatenbanken auf. Zum einen als längerer Text, der einen Auszug aus entsprechendem Quellmaterial (z.B. aus Geschäftsberichten) darstellt. Dies können dann mehrere Datensätze sein (vgl. z.B. die TEXTUAL ABSTRACTS in der Datenbank Predicasts Annual Reports Abstracts). Zum anderen auch in Form eines kurzen Kommentars, mit einer fixierten Feldlänge. Hier liegt meist auch eine inhaltliche Einschränkung vor (Kommentare zum Geschäftsjahr des Unternehmens usw.). In beiden Fällen liegt jedoch eine weniger tiefe Strukturierung vor als bei den oben angeführten (Fakten-)lnformationstypen. Retrieval in diesen Feldern, soweit er hier überhaupt angeboten wird, unterliegt den gleichen Gesetzen wie der sonstige Textretrieval. D 8.2.4

Grafik

Auch graphische Darstellungen finden zunehmend Berücksichtigung in Wirtschaftsdatenbanken. Ein Beispiel sind die Patent- und Warenzeichendatenbanken. Besonders ausgeprägt ist die Integration von Grafik bei Datenbanken auf CD-ROM, allerdings betrifft dies v.a. den Bereich populärer Information, nicht so sehr den der Fachinformation.

D 8.2 Informationstypen

561

Eine höher entwickelte Form der Erschließung von Grafik ist erst in der nächsten Generation von Datenbanksystemen zu erwarten und wird in Online-Datenbanken noch länger auf sich warten lassen. Gemeint ist die Bereitstellung der Grafik als Datentyp, was sich z.B. so äußern könnte, daß mit Teilen einer Grafik recherchiert werden kann. Die bei Chemiedatenbanken zum Teil vorliegende Möglichkeit, den Suchbegriff (die Strukturformel) als Graphik zu erzeugen und einzugeben, spielt hier keine Rolle, da Chemiedatenbanken nicht zum engeren Bereich der Wirtschaftsdatenbanken gezählt werden und weil sie in diesem Handbuch an anderer Stelle betrachtet werden. Der Kasten unten faßt die derzeit in Wirtschaftsdatenbanken vorliegenden Informationstypen zusammen. Betont wurde hier auch der Unterschied zwischen dem Modellierungswerkzeug (Merkmal, Merkmalsraum, . . .), der Metainformation und der eigentlichen Information. Letztere (z.B. die „Ausprägungen") wird in der Datenbank abgespeichert und steht für Retrieval und Ausgabe zur Verfügung. Die Metainformation wird entweder im Dateiverzeichnis oder Data Dictionary festgehalten oder sie wird zusammen mit dem Eintrag abgespeichert. Das Wissen um den Daten- oder Informationstyp bzw. das Datenmodell betrifft die semantische Ebene, die in den derzeitigen Online-Datenbanken noch nicht Berücksichtigung findet. Die Aufnahme weiterer strukturierter (durch eine formale Sprache beschreibbarer) und unstrukturierter Informationstypen auch in Online-Datenbanken ist zu erwarten. Ein ganzer Bereich der gegenwärtigen datenbanktheoretischen Diskussion beschäftigt sich mit den Problemen, die bei der datenbankmäßigen Erfassung und Verwaltung von Graphiken (strukturiert und unstrukturiert), Satellitenbildern, CADZeichnungen, Objekten der Büromodellierung, Bildern, Plänen von Integrierten Schaltkreisen, um nur einige zu nennen, zu lösen sind. Einen starken „Schub" erhält dieser Ttend durch das Internet, insbesondere das WorldWideWeb (WWW). Hier ist vieles von dem realisiert, was bis vor einigen Jahren im Bereich der Online-Datenbanken als unmöglich dargestellt wurde. Dabei ist der „Trick" sehr einfach. Nicht die gesamte Grafik, die gesamte Animation usw. wird über das Netz übertragen, sondern nur ein Teil der Information, der durch eine auf dem lokalen PC vorhandene Software (hier „Browser" genannt) interpretiert und zur Darstellung gebracht wird. Auch wenn sich dies nicht auf alle Bereiche bei Online-Datenbanken übertragen läßt (eine Pixelgrafik einer Patentschrift bleibt „speicherhungrig", so oder so), könnte hiervon ein starker Impuls für die Präsentation von Online-Datenbanken ausgehen.

Infonnationstypen in Wirtschaftsdatenbanken - Ausprägungen von Attributen - Ausprägungen einfacher Merkmale (mit einer festgelegten Menge möglicher Ausprägungen, dem Wertebereich) - Ausprägungen von Merkmalsräumen (mit einer festgelegten Menge möglicher Ausprägungen für jedes Merkmal und mit Kombination dieser Ausprägungen) - Text (als Lang- oder Volltext) - Inhalte formatierter Felder (kurzer Ttxt mit fixierter Länge und inhaltlich eingeschränkten Einträgen) - Graphiken (zur Ausgabe)

562

Staud: Wirtschaftsinformation

D 8.3

Retrieval

D 8.3.1

Retrieval von Attributen und Merkmalen

Das Retrieval von Merkmalen ist dadurch gekennzeichnet, daß die Menge der „möglichen Werte", d.h. der Merkmalsausprägungen, eingeschränkt ist. Dies können sehr wenige sein, z.B. beim qualitativen Merkmal „Meldeland" der Datenbank CRONOS-FRIC, oder sehr viele, z.B. bei den Partnerländern derselben Datenbank. Immer aber ist die Menge der möglichen Ausprägungen abgrenzbar. Das Retrieval erfolgt dann mit Hilfe der Bezeichnung des Merkmals, der Angabe einer Merkmalsausprägung und dem Abgleich des eingegebenen Ausprägungswerts mit den tatsächlichen Feldeinträgen durch die Retrievalsprache. In der Realität werden allerdings oft mit dem Eintrag auch der Merkmalsname und weitere spezifizierende Information abgespeichert, was das Retrieval vom Abgleich zweier Zeichenketten („gleich/ungleich") in Richtung der eher für Textinformation typischen Zeichenkettensuche (prüfen, ob eine kurze Zeichenkette in einer längeren enthalten ist) hin verändert. Typisch für qualitative Merkmale, wie auch und vor allem für die weiter unten diskutierten Nomenklaturen und Merkmalsräume, sind Verzeichnisse der zulässigen Ausprägungen (z.B. Codepläne). Diese dienen der Fixierung der zulässigen Werte und sind eine wichtige Hilfe bei der Recherche. Eine gewisse Modifikation ergibt sich, wenn die Menge der Merkmalsausprägungen nicht grundsätzlich, sondern nur zu einem bestimmten Zeitpunkt als abgeschlossen betrachtet werden kann. Zum Beispiel die Namen der Datenbanken in einem Datenbankverzeichnis, die Namen der Firmen in einer Firmendatenbank usw. Dies sind meist Merkmale mit Schlüsselcharakter (im datenbanktechnischen Sinn). Ganz ähnliches gilt für Attribute, nur daß hier der kategoriale Aspekt lediglich auf dem Mengenbegriff, der Bildung des kartesischen Produktes von Mengen und der Auswahl einer Teilmenge daraus beruht und nicht auf semantischen Überlegungen. Für qualitative Merkmale stehen beim Retrieval der Gleichheitsoperator und die logischen Operatoren zur Verfügung. Alle Merkmale mit höherem Skalenniveau erlauben die Anwendung weiterer Operatoren auf die Merkmalsausprägungen. Dies wirkt sich auch auf den Retrievalprozeß aus. So kann z.B. bei Rangmerkmalen zusätzlich der kleiner/größer-Operator in der Suchfrage verwendet werden. Liegt z. B. ein Feld (Rangmerkmal) JAHR vor, können auch (z.B.) Dokumente mit der Eigenschaft JAHR > 1986 gesucht werden. Diese Ausweitung der verwendbaren Operatoren gilt grundsätzlich auch bei höheren Skalenniveaus. Werden z.B. die Abstände zwischen den Ausprägungen (Intervalle einer Skala) interpretierbar, könnte durchaus damit recherchiert werden. Zum Beispiel, indem bei Firmeninformationen nach den Unternehmen (direkt) recherchiert wird, bei denen der Quotient aus dem Jahresumsatz und der Zahl der Beschäftigten einen bestimmten Wert übersteigt. Dies geschieht aber derzeit noch nicht. Die höheren Skalenniveaus (hier als „quantitative Merkmale" zusammengefaßt, vgl. für eine weitere Aufgliederung die Literatur zur sozialwissenschaftlichen Methodenlehre, z.B. Lit. 07) gewinnen vor

D 8.3 Retrieval

563

allem Bedeutung für die Verarbeitung der recherchierten Information. Dies spiegelt eine wichtige „Arbeitsteilung" zwischen den Merkmalen eines Datensatzes wieder: die qualitativen und rangmäßigen Merkmale dienen der Ansteuerung der Information, die Werte der quantitativen werden ausgegeben.

D 8.3.2

Retrieval in und mit Nomenklaturen

Für Nomenklaturen gelten ähnliche Regeln wie für Merkmale. Die Menge der möglichen Ausprägungswerte ist auf jeder Ebene immer angebbar. Der Retrievalprozeß könnte nun dahingehend unterstützt werden, daß dem System die gesamte Baumstruktur und die Stellung der zuletzt eingegebenen Ausprägung in der Struktur bekannt ist. Damit wäre es möglich, in einem Schritt die jeweils übergeordnete oder eine der untergeordneten Klassen (den übergeordneten oder einen der untergeordneten Knoten) anzusprechen. Dies wird allerdings von den gegenwärtigen Systemen noch nicht geleistet. Ähnlich wie bei Merkmalen ganz allgemein, spielen auch bei Nomenklaturen schriftliche (oder online aufliegende) Verzeichnisse eine entscheidende Rolle. Wünschenswert wäre, daß diese (ähnlich einem Thesaurus in Referenzretrievalsystemen) während der Recherche zum „vertikalen und horizontalen Blättern und Suchen" zur Verfügung stünden.

D 8.3.3

Retrieval von Text

Alle Faktendatenbanken, die Texte enthalten und dies nicht nur zur Ausgabe (wie viele Faktendatenbanken), sondern auch zum Retrieval, erlauben die Suche nach der in den Texten enthaltenen Information mit Hilfe der üblichen Verfahren des Textretrieval, die in diesem Handbuch an anderer Stelle beschrieben werden. Dies gilt gleichermaßen für Texte in Faktendatenbanken, in Völltextdatenbanken, wie in bibliographischen, obwohl hier ein Unterschied hinzukommt: in Fakten- und Volltextdatenbanken beschreibt der Text ein Objekt (oder mehrere) direkt, in bibliographischen Datenbanken beschreibt der Text als Kurzreferat den Text, der erst auf den oder die gesuchten Objekte verweist. Im Falle eines Textes liegt keine Vörstrukturierung vor, die über die durch die Sprache selbst gegebene hinausgeht. Die Suche nach den im Text enthaltenen Informationen muß sich der üblichen, auf der Kombination von Begriffen beruhenden Suchtechniken bedienen, auf der (technischen) Basis der Zeichenkettensuche („string search"), mit Hilfe invertierter Listen oder neuerer Techniken. Ähnliches gilt für kurze Felder, die meist eine textlich formulierte Information enthalten. Auch sie sind nur inhaltlich bzw. in ihrem Bezug (zu einer anderen Information) festgelegt. Darüberhinaus wird textlich gefaßten Informationen oftmals durch inhaltliche und formale Kategorien eine „Struktur aufgedrückt". Da dies aber die Ebene der Datensätze betrifft und nicht die der einzelnen Felder (Informationstypen), spielt es hier, wo Texte nur als Teil einer faktenmäßigen Beschreibung betrachtet werden, keine Rolle.

564 D 8.4

Staud: Wirtschaftsinformation Typen von Wirtschaftsdatenbanken

Alle oben eingeführten Informationstypen finden sich in mehr oder weniger großer Häufigkeit und in verschiedenen Formen in Wirtschaftsdatenbanken. Im folgenden wird nun die Ebene der Informationstypen verlassen und betrachtet, in welcher Form (Zusammenstellung) sie sich in den Strukturen der Datenbanken wiederfinden. Was für die klassische Datenbank gilt, hat auch hier Bedeutung: jede Online-Datenbank modelliert einen bestimmten Weltausschnitt bzw. repräsentiert einen bestimmten Wissensbereich (vgl. hierzu die Literatur zur Datenmodellierung bzw. zum „Conceptual Modeling", beispielhaft Lit. 16, Lit. 17 (einführend); bezüglich neuerer Ansätze Lit. 02 sowie Lit. 03). Im Gegensatz zu den konventionellen Datenbankanwendungen und in großer Nähe zu den seit einigen Jahren verstärkt diskutierten „nicht-konventionellen" Datenbankanwendungen (vgl. z.B. die in den Gl-Fachtagungen „Datenbanksysteme in Büro, Technik und Wissenschaft" vorgestellten Systeme, Lit. 08) werden Wirtschaftsdatenbanken (wie Online-Datenbanken ganz allgemein) nur teilweise mit Attributen und unter Verwendung eines der üblichen Datenmodelle erstellt, sondern mit anderen Informationstypen, Datenmodellen und Datensatzstrukturen. Die hier zur Modellierung verwendeten Werkzeuge sind (neben Attributen, die immer und grundsätzlich eine wichtige Rolle spielen) auch Merkmale, Merkmalsräume, Nomenklaturen, Graphiken, Texte. Die im folgenden dargestellte Typisierung beruht im wesentlichen auf den in den einzelnen Datenbanken vorkommenden bzw. dominierenden Informationstypen.

D 8.4.1

„One-Record-Databases" und Datenbanken ohne Datensätze

Auffallend an der Modellierung bei Online-Datenbanken im allgemeinen und bei Wirtschaftsdatenbanken im besonderen ist, daß sie, soweit sie überhaupt datensatzorientiert sind, jedes Objekt und alle mit ihm zusammenhängenden Informationen mit jeweils einem Datensatz beschreiben bzw. darstellen. Es wird quasi (in der Sprache der relationalen Datenbanktheorie) eine unnormalisierte Universalrelation in einen Datensatz gepackt. Somit entstehen nicht mehrere Relationen, die unter Vermeidung von Redundanz und (Update-, Delete-, Insert-)Anomalien den Weltausschnitt beschreiben. Der Grund für diese Struktur dürfte in der Absicht liegen, den Benutzern eine möglichst einfache Struktur anzubieten, denn es ist einfacher, auf einen Datensatz zuzugreifen, als mehrere (Relationen) in der Abfrage miteinander in Beziehung zu setzen (vgl. beispielhaft SQL mit DIALOG). Es versteht sich von selbst, daß eine solche Struktur meist nur für den Benutzer erzeugt wird. Intern liegt oftmals eine andere Struktur vor, z.B. eine normalisierte oder eine andere, die, abhängig vom jeweiligen Datentyp, eine einfachere Verwaltung erlaubt. Diese Regel der „Ein-Datensatz-Struktur" durchbrechen einige Wirtschaftsdatenbanken, bei denen für unterschiedliche Informationstypen jeweils ein Datensatz vorliegt. Sie sind v.a. im Bereich der Firmeninformation anzutreffen und verbinden faktenmäßige Information mit textlicher und statistischer. Diese Integrierten Datenbanken, wie sie hier genannt werden, sind weiter unten beschrieben.

D 8.4 Typen von Wirtschaftsdatenbanken

565

Typen von Online-Datenbanken (durchgezogene Kastenlinie: Wirtschaftsdatenbanken)

(Online- Datenbanken) Statistische Datenbanken Zeitreihen ί Merkmalsraume | FaktenbasierteL .Datenbanken J

Quasl-Statistische Datenbanken Faktendatenbanken Modelldatenbanken Fonmalismendatenbanken Volltextdatenbanken

Textbasierte Ί Datenbanken I Integrierte I Datenbanken

Bibliographische Datenbanken "Text + Fakten • Tabelle" "Daten + bibl. Inf." "Graphiken • Fakten" —Josefl Stoud J

Abb. 1: Typen von Online-Datenbanken

Ganz anders organisiert sind die Datenbanken, die Merkmalsräume verwalten (statistische Datenbanken). Sie weisen keine Datensätze im herkömmlichen Sinn auf, da hier ein beliebiger Zugriff möglich ist. In den Beschreibungen der Anbieter dieser Datenbanken werden dementsprechend nicht Datensätze, sondern die für den Zugriff zur Verfügung stehenden Merkmale angegeben.

D 8.4.2

Hauptgruppen

Die erste grundlegende Unterscheidung in dieser Typisierung ist die zwischen textbasierten und faktenbasierten Datenbanken (vgl. hierzu und zur gesamten Typisierung die Abbildung 1). Dieser Unterschied ist zentral, weil er andere Speichertechniken, andere Datenmodelle und andere Retrievalprozesse bedingt. Er schlug sich im übrigen auch in einer Differenzierung der „zuständigen" Wissenschaftsdisziplinen nieder. Wahrend Texte überwiegend (zumindest in der Vergangenheit) von der Informationswissenschaft und (natürlich) Linguistik „bearbeitet" wurden, sind Fakten zentrales Arbeitsfeld der klassischen Datenbanktheorie (Attribute sind Fakteninformation) und, soweit es um nichtkonventionelle Datenbanken geht, größtenteils Arbeitsgegenstand von Wissenschaftlern innerhalb der jeweiligen Fachdisziplin (Chemie, Physik, . . .). Dies wird sich erst mit den Systemen einer neuen Daten-

566

Staud: Wirtschaftsinformation

bankgeneration ändern, die sich unter den Schlagworten „objektorientierte Datenbanken", „Experten-Datenbanksteme" und „Knowledge-Based Management Systems" gerade um die Berücksichtigung und Integration „nicht-konventioneller" Informationstypen bemühen. Ganz allgemein kann der Faktenbegriff so interpretiert werden, daß hinter ihm eine stärker strukturierte Information steht als hinter Texten. Texte sind durch unsere komplexe natürliche Sprache und weitere Konventionen festgelegt. Hinter faktenbasierten Informationen stehen dagegen Konzepte (Attribute, Merkmale usw.), die eine weitergehende Strukturierung bedingen. Als dritte Obergruppe in dieser Typisierung von Online-Datenbanken werden noch Integrierte Datenbanken unterschieden. Alle drei können noch weiter unterteilt werden. Für Wirtschaftsinformationen spielen nur die folgenden Unterteilungen eine Rolle: faktenbasierte Datenbanken in Statistische, Quasi-Statistische und Faktendatenbanken, die textbasierten Datenbanken in Volltextdatenbanken und bibüographische Datenbanken. Bei den Integrierten Datenbanken sind es die auf Finneninformation bezogenen, die Texte, Fakten und Tabellen zusammenfassen (vgl. Abb. 1, wo die Wirtschaftsdatenbanken hervorgehoben sind).

D 8.43

Statistische Datenbanken

Ein wichtiger Teil der Wirtschaftsdatenbanken besteht aus Merkmalsräumen (und nur aus solchen), in allen oben beschriebenen Varianten. Meist handelt es sich um makroökonomische Daten. Statistische Datenbanken gehören zu den Datenbanken, deren Konzept nicht auf Datensätzen aufbaut (auch wenn letztendlich alle konzeptuellen Strukturen das Schicksal der Abbildung in die heutigen Speichertechniken erleiden). Da Statistische Informationen Gegenstand des Kapitels C 5 sind, wird dort die Beschreibung vertieft.

D 8.4.4

Quasi-Statistische Datenbanken

Informationen aus Merkmalsräumen werden oftmals in Form einzelner Tabellen veröffentlicht. Z.B. in den Jahrbüchern der Statistischen Ämter. Hier werden aus dem Gesamtdatenbestand einzelne, als wichtig erachtete, Tabellen veröffentlicht. Alle anderen möglichen Tabellen sind für den Leser in der Regel nicht erstellbar. Einen ähnlichen Ansatz findet man auch in Wirtschaftsdatenbanken, wo einzelne Tabellen aus einem Merkmalsraum herausgenommen, mit Attributen und weiteren beschreibenden Informationen versehen und dann in einer datensatzorientierten Datenbank angeboten werden. Diese einzelnen Tabellen können dann wie in solchen Datenbanken üblich abgefragt werden. Dies ist dann auch der einzige Zugriff auf die Daten. Andere Tabellen können nicht extrahiert werden. Wegen dieser eingeschränkten Art des Angebots sollen sie Quasi-Statistische Datenbanken genannt werden.

D 8.4 Typen von Wirtschaftsdatenbanken D 8.4.5

567

Faktendatenbanken

Eine weitere Gruppe von Wirtschaftsdatenbanken beschreibt ihre Weltausschnitte v.a. mit Attributen, Merkmalen, Nomenklaturen und kurzen Texten. Ziel ist hier eine nichttextliche Beschreibung, wobei nicht auf die Verarbeitungsmöglichkeiten durch Merkmalsräume gezielt wird. Sie sollten Faktendatenbanken genannt werden, nicht zu verwechseln mit der Obergruppe der faktenbasierten Datenbanken. Den Namen Faktendatenbanken erhalten sie, weil aus der großen Gruppe der faktenbasierten Datenbanken vor allem an sie gedacht wird, wenn von Faktendatenbanken die Rede ist. Die Datenbanken sind datensatz-orientiert („record-oriented"). Sie sind allerdings in der Regel nicht normalisiert.

D 8.4.6

Integrierte Datenbanken

Inzwischen hat sich ein weiterer Datenbanktyp etabliert, der mehrere der im letzten Abschnitt eingeführten Informationstypen integriert anbietet und verwaltet. Diese Datenbanken werden Integrierte Datenbanken genannt. Sie sind derzeit v.a. im Bereich der Firmeninformation anzutreffen, wo sie textliche Fakten, Tabellen und Texte integrieren. Weiter ist die Integration bisher noch nicht fortgeschritten. Andere Ansätze zur Integration finden sich nur noch in sehr einfacher Form bei Datenbanken zu Chemie und Physik, indem die eigentlichen Daten ergänzt sind um Dateien mit bibliographischen Informationen zu Literatur bzgl. der modellierten Stoffe usw. In der Zukunft werden solche Datenbanken eine immer wichtigere Rolle spielen, die zur Modellierung ihres Weltausschnitts alle verfügbaren (und sinnvollen) Informationstypen (d.h.: informationserzeugenden Werkzeuge) einsetzen. Warum sollten z.B. nicht in einer Datenbank zu bestimmten Produkten die Fakten (im engeren Sinn) zum Produkt ergänzt werden durch statistische Daten (Herstellung, Ein- und Ausfuhren usw.), durch Daten der produzierenden Firmen, durch einschlägige Rechtsvorschriften (Produktion, Umweltverträglichkeit usw.), durch Formalismenund Modelldaten der in den Produkten enthaltenen Stoffe, durch Patentinformationen usw. Die derzeitigen Integrierten Datenbanken sind erste Vorläufer dieser Entwicklung. Weitgehend realisiert ist die Integration - dank des Hypertext- bzw. HypermediaAnsatzes - bereits bei CD-ROMs, allerdings mehr im Bereich populärer Information als in dem der Fachinformation. Soweit die Betrachtungen der Typen von Wirtschaftsdatenbanken. In der folgenden Aufstellung sind noch weitere Typen angegeben, die im Bereich der Wirtschaftsinformationen aber keine zentrale Rolle spielen. Ein solcher Ansatz zur Typisierung von Datenbanken nach den dominierenden Informationstypen wird immer mit dem Problem zu tun haben, daß die Typisierung durch die Entwicklung u.U. schnell überholt wird, wenn neue Informationstypen (Modellierungswerkzeuge) in der Datenbanktheorie und -praxis Einzug halten. Eine einfache Lösung wäre es deshalb, zu jeder Datenbank nur anzugeben, welche

568

Staud: Wirtschaftsinformation

Informationstypen sie enthält. Eine solche Zuordnung würde erst dann teilweise ihren Wert verlieren, wenn in (ferner) Zukunft Datenbanken alle sinnvollen Informationstypen integriert verwalten. Sie würde dann allerdings Auskunft über die für einen Weltausschnitt sinnvollen Informationstypen geben. Ttotz dieser Überlegungen kann natürlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit nur zeitweiliger Gültigkeit, die Menge der real vorliegenden Datenbanken unter Hinzuziehung der angeführten und weiterer Kriterien klassifiziert werden.

D 8.5

Themen in Wirtschaftsdatenbanken

Welche Themen werden von den heutigen Wirtschaftsdatenbanken abgedeckt? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Analyse der Unterlagen aller wichtigen Anbieter vorgenommen. Daraus wurde eine Themengliederung gewonnen, die unten angegeben ist. Es wird bewußt das Gesamtspektrum angegeben, da die Abgrenzung von Wirtschaftsdatenbanken fließend ist. Ein Vorschlag des Verfassers ist in den Text integriert, durch Hervorhebung und Kursivsetzung der Themen. Nur hervorgehoben sind dabei die Datenbanken für die Wirtschaft, zusätzlich kursiv gesetzt sind die „fiber die Wirtschaft". Aktuelle Beschreibungen und Verzeichnisse werden vom Verfasser regelmäßig veröffentlicht. Die Angabe des Gesamtspektrums erlaubt dem Leser, diese Abgrenzung mit seiner eigenen zu vergleichen. Ein umfassender thematischer Überblick findet sich in Lit. 19, ein Verzeichnis Statistischer Datenbanken, die ja fast ausschließlich auch Wirtschaftsdatenbanken sind in Lit. 21. Die Themengliederung: 1 Wirtschaft 1.1 Firmen 1.2 Geschäftskontakte, Ausschreibungen 1.3 Management 1.4 Marketing 1.5 Produkte 1.5.1 Prodoktverzeichnisse, -ankündignngen 1.5.2 Verbrancherinformation 1.5.3 Rohstoffe 1.6 Märkte 1.7 Wirtschaftszweige, Industrie, Sektoren 1.8 Länder 1.9 Makroökonomie 1.9.1 Wirtschaftskennzjffern 1.9.2 Handel 1.9.3 Umsätze, Angebot, Nachfrage 1.9.4 Einkommen, Löhne 1.9.5 Preise 1.9.6 Arbeitsverhältnisse 1.9.7 Ansgaben 1.9.8 Produktion 1.9.9 Sonstige

D 8.5 Themen in Wirtschaftsdatenbanken 1.10 Betriebswirtschaft 1.11 Prognosen, Oends, Entwicklungen 1.12 Landwirtschaft 2 Presse, Nachrichten, Nachrichtendienste 2.1 Presse 2.2 Nachrichten 2.3 Newsletter 3 Patente, Warenzeichen 3.1 Patente 3.1.1 Patentdokumente 3.1.2 Patentliteratur 3.1.3 Muster 3.2 Warenzeichen 4 Finanz· und Bankwesen 4.1 Finanzen 4.2 Börsen 4.3 Bankwesen 5 Recht, Regelungen 5.1 Recht, Wirtschaftsrecht 5.2 Normen, Richtlinien, Verwaltung 6 Zeitgeschehen, Politik, Biographien 6.1 Zeitgeschichte 6.2 Allgemeine Politik, Wirtschaftspolitik 6.3 Biographien 7 Energie 7.1 öl 7.2 Gas 7.3 Energie 8 Technik, Ingenieurwesen, Werkstoffe 8.1 Technik 8.1.1 Sicherheitstechnologie 8.1.2 Biotechnologie 8.1.3 Telekommunikation 8.2 Luftfahrt, Raumfahrt 8.3 Bauwesen 8.3.1 Stadtplanung 8.3.2 Regionalplanung 8.4 Rüstung 8.5 Computer, Elektronik 8.6 Ingenieurwesen 8.7 Werkstoffe 9 Chemie 10 Naturwissenschaften 10.1 Biologie, Botanik 10.2 Biochemie 10.3 Biowissenschaften

570 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9 10.10

Staud: Wirtschaftsinfonnation Physik Kernenergie Agrar- und Ernährungswissenschaften Metallurgie Geowissenschaften Umwelt Sonstige

11 Medizin, Pharmazie, Gesundheitswesen 11.1 Human-und Biomedizin 11.2 Veterinärmedizin 11.3 Gesundheitswesen 12 Pharmazie, Toxikologie 12.1 Pharmazie 12.2 Toxikologie 13 Mathematik, Statistik 13.1 Mathematik 13.2 Statistik 14 Sozialwesen, Sozialwissenschaften 14.1 Sozialwissenschaften 14.2 Sozialwesen 14.3 Erziehung, Schulen, Hochschulen 14.4 Arbeitsbeziehungen 15 Bevölkerung, Wohnungswesen, Verkehr, Umwelt 15.1 Bevölkerung 15.2 Wohnungswesen 15.3 Verkehr 15.4 Geographie 15.5 Umwelt 16 Geisteswissenschaften, Linguistik, Kunst 16.1 Geisteswissenschaften 16.2 Kunst 16.3 Sonstige 17 Verweise, Verzeichnisse 17.1 Verweise 17.2 Bibliographien 17.3 Informations- und Dokumentationszentren 17.4 Forschungsprojekte 18 Staatliches Handeln 19 Sonstige

Literatur 01. Bastian, Michael: Datenbanksysteme, Königstein/Ti. 1982. 02. Brodie, Michael L.; Mylopoulos John; Schmidt, Joachim W. (Hrsg.): On Conceptual Modeling Perspectives from Artificial Intelligence, Databases, and Programming Languages, New York u.a. 1984.

D 8 Literatur

571

03. Durich, Klaus; Dayal, Umeshwar (Hrsg.): Proceedings International Workshop on ObjectOriented Database Systems, September 23-26, 1986. 04. Gebhardt, Friedrich: Dokumentationssysteme. Berlin, Heidelberg, New York 1981. 05. Knowledge Industry Publications: The Business Information Markets 1982-87, Knowledge Industry Publications, Inc., White Plains, NY 1982. 06. Pfanzagl, Johann: Theory of Measurement, Würzburg, Wien 1971. 07. Roth, Erwin (Hrsg., unter Mitarbeit von Klaus Heidenreich): Sozialwissenschaftliche Methode. Lehr- und Handbuch für Forschung und Praxis. München 1984. 08. Schek, H.-J.; Schlageter, G. (Hrsg.): Datenbanksysteme in Büro, Technik und Wissenschaft (GI-Fachtagung, Darmstadt, 1.-3. April 1987, Proceedings), Berlin u.a. 1987. 09. Schlageter, Gunter: Stucky, Wolfried: Datenbanksysteme: Konzepte und Modelle, Stuttgart 1983. 10. Scientific Consulting Dr. Schulte Hillen: Handbuch der Wirtschaftsdatenbanken 1985. Inhalte und Anbieter - weltweit. Darmstadt 1985 (erscheint jährlich neu). 11. Staud, Josef L.: Wirtschaftsdatenbanken 1987. Typen und Themen. In: Deutsche Gesellschaft für Dokumentation e.V., 9. Frühjahrstagung der Online-Benutzergruppe der DGD in Frankfurt am Main vom 12. bis 14. Mai 1987, Frankfurt 1987, S. 191-204. 12. Staud, Josef L.: Online Wirtschaftsdatenbanken 1987. Mit einem Verzeichnis von Datenbanken, Anbietern und Produzenten (Bilingual - Zweisprachig). Frankfurt u.a. 1987. 13. Staud, Josef L.: Öffentliche Datenbanken -Typen,Themen, Theoretische Grundlagen (in Vorbereitung). 14. Staud, Josef L.: (Conceptual) Modeling For Existing and Future Databases (in Vorbereitung). 15. Staud, Josef L.: Fakten in öffentlichen Datenbanken: Informationstypen und Strukturmerkmale, In: Nachrichten für Dokumentation 1/89. 16. Tsichritzis, Dionysios C.; Lochovsky, Frederick H.: Data Models, Englewood Cliffs, N.Y. 1982. 17. Vetter, Max: Aufbau betrieblicher Informationssysteme mittels konzeptioneller Datenmodelliemng, Stuttgart 1987. 18. Vossen, Gottfried: Datenmodelle, Datenbanksprachen und Datenbank-Management-Systeme, Bonn u.a. 1987. 19. Staud, Josef L.: Fachinformation Online. Ein Überblick über Online-Datenbanken unter besonderer Berücksichtigung von Wirtschaftsinformationen. Berlin u.a. 1992 (SpringerVerlag). 20. Staud, Josef L.: Online-Datenbanken. Aufbau, Struktur, Abfragen. Bonn u.a. 1991 (Addison-Wesley). 21. Staud, Josef L.: Statistische Datenbanken, ihre Anbieter und Produzenten. Frankfurt u.a. 1991 (Verlag Peter Lang).

572

D9

Chemie-Information Joachim Lüstorff

D 9.1

Einleitung

Die informationellen Beziehungen innerhalb einer wissenschaftlichen Geraeinschaft folgen, so komplex sie im Einzelfall auch sein mögen, zunächst einem recht einfachen, in Abb. 1 dargestellten Grundmuster. Neue Erkenntisse werden publiziert (Schritt 1); auf dem Gebiet der Chemie geschieht dies zu nahezu 75% in Form eines Zeitschriftenaufsatzes und zu rund 15% in Form eines Patentdokumentes. Die restlichen zehn Prozent teilen sich die Publikationsformen Kongreßschrift, Report (mit steigender Tendenz), Hochschulschrift und Monographie. Bedenkt man, daß sich allein die chemische Zeitschriftenliteratur auf mindestens 9.000 Publikationsorgane verteilt (dies ist die Zahl der Zeitschriften, die vom Chemical Abstracts Service, dem weltweit größten Hersteller von chemischen Datenbanken und Fachbibliographien, regelmäßig ausgewertet werden) und daß die Zahl der jährlich neu erscheinenden Veröffentlichungen in der Chemie bei über 500.000 liegt, so wird deutlich, daß das gezielte Auffinden einer bestimmten Publikation in dieser riesigen Menge ohne leistungsfähige Nachweisinstrumente praktisch unmöglich ist. Die Produktion dieser Nachweisinstrumente liegt in den Händen einer Reihe von Institutionen, deren größte der bereits erwähnte Chemical Abstracts Service in Columbus, Ohio, ist. Traditionell sind aber auch deutsche Stellen auf diesem Gebiet stark engagiert; von besonderer Bedeutung sind das Gmelin-Institut für den Bereich der anorganischen und metall-organischen Chemie sowie das Beilstein-Institut für den Bereich der organischen Chemie.

Abb. 1: Informationelle Beziehungen: Erläuterungen im Text

D 9.1 Einleitung

573

Diese Institutionen sichten, erschließen, ordnen und verzeichnen das chemische Schrifttum in einer Vielzahl von sehr unterschiedlich gearteten Informationsdiensten (Schritt 2). Auf diese Dienste greift nun der an einer bestimmten Thematik interessierte Nutzer zu, wobei naturgemäß die Art der Fragestellung die Auswahl der jeweils bestgeeigneten Quelle bestimmt (Schritt 5). Es ist an dieser Stelle wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß zahlreiche dieser Dienste das verzeichnete Schrifttum tatsächlich nur nachweisen (in Form bibliographischer Angaben, Schritt 6a), nicht aber im Volltext zur Verfügung stellen. Von bestimmten Fällen abgesehen, ist daher am Ende der Recherche in solchen Diensten das Problem des Nutzers noch nicht vollständig gelöst; er muß sich die nachgewiesene Literatur zunächst noch im Original beschaffen, da erst das Studium der vollständigen Publikation ihm die benötigten Informationen vermittelt. Der klassische Weg, Originalliteratur zu studieren, führt bekanntlich in die Bibliotheken (Schritte 7 und 8a), die das wissenschaftliche Schrifttum sammeln und bewahren (Schritt 3). Dieser Weg ist vielen jedoch zu aufwendig, zumal in Zeiten knapper Mittel sehr spezielle Literatur nur von wenigen Bibliotheken beschafft wird und daher zunehmend häufig per Fernleihe besorgt werden muß, was zu großen zeitlichen Verzögerungen führen kann. Dies hat in den letzten Jahren zur Entstehung einer ganzen Reihe kommerzieller Document Supplier geführt, die - wie die Bibliotheken - wissenschaftliche Literatur erwerben (Schritt 4), diese dann allerdings nicht zur kostenlosen Einsichtnahme vorhalten, sondern nur gegen nicht unerhebliche Gebühren in Kopie direkt ins Haus senden (Schritt 8b). Den Service eines Document Suppliers in Anspruch zu nehmen, wird besonders interessant, wenn (im Schritt 5) Online-Datenbanken genutzt werden, denn dann besteht die Möglichkeit, das Ergebnis der Recherche, also die ermittelten bibliographischen Angaben, direkt, d.h. auf elektronischem Wege, an den Document Supplier weiterzuleiten (Schritt 6b). Es liegt auf der Hand, daß dieses Verfahren, das sogenannte Online Ordering, in Verbindung mit dem Direktversand des bestellten Dokuments (Schritt 8b) gegenüber dem herkömmlichen Verfahren (Schritte 6a, 7 und 8a) einen erheblichen Zeitgewinn bietet. Das hier beschriebene Grundmuster berücksichtigt nicht eine Entwicklung, die in den letzten Monaten eine enorme Dynamik entwickelt hat, nämlich die zunehmende Vernetzung innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Die Möglichkeit, eine Publikation nicht mehr „zu Papier zu bringen", sondern sie auf einem Server abzulegen, zu dem alle Interessenten direkten Zugang haben, wird die Rolle der Bibliotheken und Document Supplier nachhaltig verändern. Auf ordnende und erschließende Informationsdienstleistungen allerdings wird man angesichts des völlig unkontrollierten Wachstums der Netze künftig wohl weniger denn je verzichten können. Die Chemie-Information im traditionellen Sinne beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Herstellung von Informationsdiensten sowie deren Nutzung als Informationsquellen (Abb. 1, Schritte 2 und 5). „Traditionell" darf hier nicht verwechselt werden mit „konventionell". Unter konventionellen Methoden der Information und Dokumentation versteht man üblicherweise edv-unabhängige Verfahren, die in der Chemie-Information eine stetig kleiner werdende Rolle spielen. Tatsächlich ist aber inzwischen die EDV auch in Bereiche des Umgangs mit chemischen Informa-

574

Lüstorff: Chemie-Information

tionen vorgedrungen, die vom traditionellen Begriff „Chemie-Information" nicht mehr abgedeckt werden. Vieles befindet sich allerdings noch im experimentellen Stadium, und nur weniges hat bisher Eingang in die tägliche Routine der Chemikerinnen und Chemiker gefunden. Daher soll der Hauptteil dieser Ausführungen der traditionellen Chemie-Information vorbehalten bleiben, die neueren Aspekte werden abschließend in Form eines kurzen Ausblicks nur gestreift.

D 9.2

Chemische Informationsquellen

Es wurde erwähnt, daß die Wahl der geeigneten Informationsquelle abhängt von der Art der Fragestellung. Für die weitere Darstellung soll daher eine grobe Unterteilung vorgenommen werden in - die Suche nach Sachverhalten - die Suche nach Verbindungen - die Suche nach Reaktionen - die Suche nach Eigenschaften, wobei sich zeigen wird, daß die Übergänge fließend sind und auch nicht einem Fragetypus genau eine Art der Informationsquelle gegenübersteht. Dennoch scheint diese Gliederung geeignet, das sehr komplexe Gefüge der chemischen Informationsdienste einigermaßen transparent zu machen.

D 9.2.1

Die Sache nach Sachverhalten

Für Fragestellungen dieser Art stehen zwei Typen von Informationsdiensten zur Verfügung. Betrachten wir zunächst den Print-Bereich, so sind dies zum einen die Fachlexika wie etwa Oilman's Encyclopaedia of Industrial Chemistry und zum anderen die Fachbibliographien, deren herausragender Vertreter die Chemical Abstracts sind. Eine umfassende Einführung in die Nutzung solcher Informationsquellen gibt Mücke (Lit. 03); an dieser Stelle soll der Hinweis genügen, daß bei beiden Typen der Zugriff über ein Sachregister erfolgt und daß dieser Zugriff wie bei allen gedruckten Diensten eindimensional bleiben muß. Eine Verknüpfung mehrerer Suchbegriffe ist dagegen bei der Suche in Datenbanken möglich. Tatsächlich liegen inzwischen zahlreiche Fachlexika als Vb/ftexf-Datenbanken vor, wobei die Form der CD-ROM hier der Form der Online-Datenbank den Rang abzulaufen scheint. Es bleibt aber festzuhalten, daß der Vorteil des elektronischen Mediums allein in der Geschwindigkeit und im Komfort der Suche liegt; inhaltlich gibt es keine Unterschiede zum gedruckten Werk. Letzteres gilt auch für die bibliographischen Datenbanken - jedenfalls dort, wo weiterhin gedruckte Bibliographie und Datenbank parallel angeboten werden. Allerdings sind die Vorteile des elektronischen Mediums so gravierend, daß neuere Produkte dieser Art kaum noch in gedruckter Form herausgegeben werden, und früher oder später wird dieses Schicksal wohl auch die (zum Teil bereits seit vielen Jahrzehnten) laufenden Bibliographien ereilen. Sehr eindrucksvoll gegenübergestellt

D 9.2 Chemische Informationsquellen

575

werden die Suche in den gedruckten Chemical Abstracts und die Suche in der inhaltlich identischen Online-Datenbank von Schulz und Georgy (Lit. 04).

D 9.2.2

Die Suche nach Verbindungen

Betrachten wir als erstes die Suche nach einer einzelnen Verbindung, so stehen auch hier wieder zwei Typen von Informationsquellen zur Verfügung. Im Print-Bereich begegnen uns zunächst die schon im vorigen Abschnitt eingeführten Fachbibliographien wieder. Allerdings erfolgt der Zugriff jetzt anders, nämlich über ein Formeloder ein Verbindungsnamenregister. Während wir aber bei der Suche in einer Fachbibliographie gegebenenfalls eine Vielzahl einschlägiger Literaturangaben erhalten, erbringt die Suche im zweiten Typus stets ein Ergebnis, da hier die gesamte Information zu einer Verbindung - nota bene: die Information selbst, nicht nur die entsprechenden Literaturangaben ! - an einer Stelle zusammengefaßt ist. Werke dieser Art bezeichnet man als Handbücher. (Leider ist dieser Begriff unscharf und nicht auf diese Art Nachschlagewerk beschränkt.) Wichtige Vertreter sind das Handbook of Organic Chemistry und das Handbook of Inorganic and Organometallic Chemistry, unter Chemikern allgemein bekannt als „Beilstein" und „Gmelin", so genannt nach ihren ersten Herausgebern. Auch zu diesen Handbüchern findet sich eine Fülle weiterer Informationen bei Mücke (Lit.03). Seit einigen Jahren gibt es auch vom „Beilstein" und vom „Gmelin" Online-Datenbank-Versionen, allerdings sind diese inhaltlich nicht mit den Handbüchern identisch. Auf Einzelheiten einzugehen, würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen; es empfiehlt sich, da beide Hersteller außerordentlich innovationsfreudig sind, die jeweils neuesten Informationen zum Inhalt von Handbuch und Datenbank direkt beim Beilstein- bzw. Gmelin-Institut (beide Varrentrappstr. 40-42, 60486 Frankfurt) anzufordern. Der überragende Vorteil, den die Nutzung der Datenbanken bietet, ist die Möglichkeit der Substrukturrecherche, d.h. der simultanen Suche mehrerer Verbindungen mit einer gemeinsamen Teilstruktur. Ausführliche Darstellungen der theoretischen Grundlagen, der erforderlichen Software und der Technik einer solchen topologischen Recherche geben Barth (Lit. 01, S. 323 - 357) sowie Schulz und Georgy (Lit. 04, S. 162-184). Knapp zusammengefaßt verläuft eine solche Recherche folgendermaßen: Mit einem entsprechenden Formeleditor wird eine Substruktur aufgebaut und zum Datenbankrechner „hochgeladen". Ein Beispiel zeigt Abb. 2, wo als Substruktur diejenige des Alanins gewählt wurde. Eine uneingeschränkte Recherche würde nun u.a. die in Abb. 2 gezeigten TVeffer ergeben, aber auch alle Alanin enthaltenden Peptide usw. Man sieht, daß bei einer solchen uneingeschränkten Recherche die Tteffermenge schnell ins Uferlose gehen kann, und wählt daher oft den Weg, bestimmte Atome der Substruktur für eine Substitution zu sperren oder noch restriktiver - eine Closed Structure Search durchzuführen, bei der von vornherein nur bestimmte Atome für die Substitution geöffnet werden.

576

Lüstorff: Chemie-Information

Ν Ο

C

Ο

CH,

Ο

ο

ο

Abb. 2: Substrukturrecherche: Wird die links gezeigte Struktur (Alanin) einer uneingeschränkten Substrukturrecherche unterworfen, so erhält man u. a. die unten angezeigten TYeffer.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Substrukturrecherche nach in den Chemical Abstracts verzeichneten Verbindungen nicht in der Chemical Abstracts-Datenbank selbst, sondern in der flegwfry-Datenbank erfolgt. Als Ergebnis werden die Registernummern der gefundenen Substanzen ausgegeben, mit Hilfe derer dann in der Chemical Afcjfractt-Datenbank die zugehörige Literatur gesucht werden kann. Die Übernahme der Registernummern von der einen in die andere Datenbank geschieht automatisch und ist für den Rechercheur mit keinerlei Mühe verbunden. In der angegebenen Literatur noch nicht beschrieben ist die erst seit kurzem bestehende Möglichkeit der stereospezifischen Recherche, die sich für den Nutzer verblüffend einfach gestaltet. Wird beispielsweise spezifisch nach der R-Konfiguration des Alanins gesucht (oder in einer Substrukturrecherche nach allen Verbindungen, die diese Struktur als Substruktur enthalten), so ist es lediglich erforderlich, die in Abb. 2 gezeigte Struktur mit den bekannten keilförmigen bzw. gestrichelten Bindungssyrabolen so zu modifizieren, daß nach den Cahn-Ingold-Prelog-Regeln die gewünschte R-Form entsteht. Das System erkennt dann selbständig die absolute Konfiguration und ermittelt die gespeicherte(n) Verbindung(en). Die bisher genannten Struktur-Datenbanken enthalten ausschließlich einzelne definierte Verbindungen. Darüber hinaus gibt es aber auch spezielle Datenbanken, in denen nach den in chemischen Patenten sehr gebräuchlichen Markush-Forme\n (Abb. 3) recherchiert werden kann, z.B. ΜAR PAT oder WPIM (= World Patent Index Markush). Dabei ist WPIM - ähnlich wie Registry - nur eine „Hilfsdatenbank", in der lediglich die Registernummern der gefundenen (Mar&uiA-)Verbindungen ausgegeben werden. Diese müssen, um die Patentdokumente selbst zu finden, in denen diese Verbindungen beschrieben sind, wiederum in die „eigentliche" Datenbank WPI überführt werden. (Dieser Umweg ist bei ΜAR Ρ AT nicht erforderlich.) Auch in der Datenbank WPI selbst ist eine Recherche nach Markush-Stniktuiea möglich, allerdings nicht in Form der oben beschriebenen topologischen Recherche. Stattdessen werden die gesuchten Strukturen fragmentiert, genauer gesagt: auf das Vorkommen von bestimmten vordefinierten Fragmenten untersucht. So enthält

D 9.2 Chemische Informationsquellen

577

G1 Ο

Var G1=OH/SH/NH2 Var G2=H/Ak NH, «Η, H,C\OH ο

NH, j 1 Η,Ο^γ^ΟΗ, Ο

G1 .0 G2 Ο

Var G1=H/0H/CI Var G2=Low«ralkyeffer"-)Dokumente bereits digitalisiert gespeichert sind, unmittelbar am Bildschirmarbeitsplatz des Nutzers angesehen bzw. angehört werden. Die Titelauswahlen unterstützen die programmgestaltende Arbeit des Journalisten, indem sie seine Assoziationen anregen, Vergessenes in Erinnerung rufen und ihm vor allem mehrere Gestaltungsoptionen anbieten. Die Informationsauswertung soll hier das kombinatorische Element journalistischer Arbeit unterstützen. Dabei muß der Dokumentär den Programmzusammenhang, in den das Dokument gestellt werden soll, bis zu einem bestimmten Grad antizipieren, um erstens die Angebotsmenge nicht überborden zu lassen und zweitens nur die wirklich relevanten Informationen zu liefern. Dieses vorausschauende Element der Dokumentation ist noch stärker bei der notwendigen aktiven Information ausgeprägt. Aktive Information heißt, den Journalistenkollegen Dossiers, Kataloge und Dokumentenauswahlen anzubieten für mögliche, in der Programmplanung noch nicht festgeschriebene Themen, die aber voraussichtlich journalistische Relevanz erlangen und deshalb in absehbarer Zukunft bearbeitet werden. Die Frage, was in Fernseh- und Hörfunkarchiven aufgehoben wird, beantwortet sich ebenfalls nach dem Gesichtspunkt der Verwendung und Wiederverwertung. Selbstverständlich gibt es keine objektiven Kriterien der Selektion. Man war nur bisher übereinstimmend der Meinung, daß die Totalarchivierung aus Raum- und Kostengründen, aber auch wegen der zu gewährleistenden Zugriffssicherheit, die ein Minimum formaler Erfassung und inhaltlicher Erschließung voraussetzt, nicht in Frage kommen kann. Übereinstimmung herrscht auch darüber, daß ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen dem Entstehungszeitpunkt des Dokuments und der archivarischen Bewertung liegen soll, weil dadurch die Bewertungssicherheit wächst. Über alle anderen Fragen der Kassation wurde und wird kontrovers diskutiert, auch wenn die Rundfunkanstalten in verschiedenen Regelwerken grobe Richtlinien für die Kassation erarbeitet haben. Neuerdings ändert sich unter dem Eindruck miniaturisierender Speichertechniken und weniger komplizierter, sehr schneller und hoch leistungsfähiger Retrievalsysteme die Blickweise auf das Mengenproblem: weniger

D 10.3 Schnittstellen zwischen Archiv und Dokumentation

587

rigide Kassationsprinzipien werden - zumindest technisch - möglich. Doch die Kostenargumente bleiben; sie verschärfen das Bewertungsproblem sogar noch. Und auch das Nadelöhr der intellektuellen Verarbeitung durch den Dokumentär bleibt vorläufig unverändert bestehen. Wiederverwendung im Programm ist jedoch nicht das einzige Kriterium für die Frage der Aufbewahrung oder Vernichtung von Produktionen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sich in verschiedenen Erklärungen gegenüber der nationalen und internationalen Öffentlichkeit (z.B. UNESCO, Belgrad 1960) verpflichtet, ihre Produktionen als Teil des kulturellen Erbes zu begreifen und für seine Überlieferung selbst zu sorgen. Die Rundfunkanstalten wurden deshalb in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder nicht genannt und so implizit von der Abgabe- und Belegpflicht an staatliche Archive ausgenommen. Die Bewertung der Eigenproduktionen des Rundfunks hat also auch unter solchem Gesichtspunkt zu erfolgen, und es müssen auch Beiträge und Sendungen unabhängig von der Frage archiviert werden, ob sie im Programm wiederverwendet werden, weil ihnen ein kulturhistorischer Wert zukommt. In naher Zukunft werden rechtliche Regelungen europäischer Institutionen die Frage der Bewahrung des AV-Erbes für öffentlichrechtliche wie für die privatrechtlich organisierten AV-Produzenten auch explizit lösen. Die Selektion des archivwürdigen Materials durch den Akt der Bewertung erfolgt also im Spannungsfeld zwischen den eher kurzfristigen Verwertungsinteressen der Programmgestalter und den eher langfristigen Überlieferungsinteressen der Gesellschaft. Dabei gibt es sicherlich eine Koinzidenz von Verwertungsinteressen und Überlieferungsinteressen auf der Zeitachse: von dem kulturgeschichtlich wertvollen Material kann auch angenommen werden, daß es für eine zukünftige Programmgestaltung entweder als Werk (Repertoire) oder als Beleg (Zitat, O-Ton, Bildmotiv) erneut interessant wird. Archivare und Dokumentare in den Rundfunkanstalten sind die Korrektivinstanzen, die in die Bewertung eine Langzeitperspektive einbringen müssen, wollen sie ihre Aufgabe gegenüber Programmveranstaltern und Gesellschaft erfüllen. Die Magazinierung, die bislang ein von den Materialeigenschaften dominiertes Problem war, erweist sich inzwischen als materialunabhängig, nämlich im Rahmen der digitalen Massenspeicherung, lösbar. Der klassische Raumbedarf und der aufwendige Transport von Tonbändern und Filmbehältern von den Magazinen an die Abspielorte und zurück wird zwar noch einige Zeit vertraute Arbeitswelt des ABDPersonals bleiben, aber bereits in wenigen Jahren wird, im Hörfunk bereits eingeführt, der Ton und schließlich auch das Fernsehbild vielfach digital über Leitungen vom Archiv-Massenspeicher an die Redaktionsarbeitsplätze und in die Sendekomplexe geliefert werden. Mit diesem technischen Quantensprung hat auch die Aufgabe der Materialerhaltung ihre furchteinflößenden Dimensionen verloren und reduziert sich auf die vollautomatisch, d.h. personalfrei im Hintergrund laufende Kontrolle und Regenerierung von Bit-Ketten auf elektronischen Datenträgern.

588

D 10.4

Harms: Medieninformation

Professionalisierong: Von der Registratur zum Informationsmanagement

Die Geschichte der Rundfunkarchive ist geprägt vom Fortschreiten von der mehr laienhaft geführten Registratur und Ablage der Archivalien durch die Redaktionen oder Sendeleitungen selber, über eine Phase, in der ehemalige Redakteure sich ganz auf das Archivieren konzentrierten, eine weitere Phase semi-professioneller Verhältnisse, in der archivarisch vorgebildete Archivleitungen installiert wurden, bis zu dem heutigen Zustand, der durch professionelle Führung der Archive und fachlich geschulte Mitarbeiter in Verhältnissen hoher Arbeitsteiligkeit gekennzeichnet ist. So sind die Einstellungsvoraussetzungen und Ausbildungsgänge für die meisten Rundfunkarchive mittlerweile genau definiert. Diese Professionalisierung ging Hand in Hand mit der technologischen Entwicklung, die ihrerseits erhöhte Qualifikationsanforderungen stellte. Die wesentliche Qualifikation für Archivare und Dokumentare im Rundfunkbereich, von der die Professionalisierung vorangetrieben wurde, war die Kenntnis großrechnergestützter Informationsauswertungstechniken, die das System der Mediendokumentation zunehmend prägten. Die computergestützte Dokumentation hat zu großen Zeitersparnissen bei der Recherche, also der Titelauswahl geführt; gleichzeitig stieg aber der Zeitbedarf für die Titelaufnahme erheblich an. Die Grenzen der zeichenorientierten, großrechnergestützten Datenverarbeitungstechniken drückten sich in komplizierten Erfassungsprozeduren und immer noch recht beschränkten Recherchemöglichkeiten aus. Die Geld- und Zeitinvestitionen für Entwicklung, Installation, Anpassung, Pflege und Austausch (Generationswechsel) der Systeme müssen dem Input-Aufwand hinzugerechnet werden. Vereinfachend gesagt: Das Verhältnis „hoher Rechercheaufwand bei geringerem Verzeichnungsaufwand" zu Karteikarten-Zeiten hatte sich umgekehrt. Positive Folgen waren eine insgesamt stark angestiegene (referenzierende) Datenmenge, über die verfügt werden konnte, die Einführung von Endnutzerkonzepten der Informationsversorgung (die Redakteure selbst recherchieren nach Sendungen) und vor allem, daß der Zeitaufwand, um eine bestimmte Produktion zu finden, nun nicht mehr gerade dann getrieben werden mußte, wenn der Nutzer in der Tür stand. War es in der Vergangenheit vielleicht noch vertretbar, die verschiedenen Archivbereiche (Hörfunk-Wort, Hörfunk-Musik, Fernsehen, Presse, Aktenarchive . . . ) getrennt zu organisieren, verlangten die moderneren Archiv- und Dokumentationstechniken wegen ihrer zentralen Architektur, ihrer Komplexität und ihres Investitionswertes eine integrierte Archivorganisation, ein System der Informationsauswertung, in dem Fragen des Systementwurfs, der Systembeschaffung und der Systemhandhabung für alle Bereiche gemeinsam und zugleich bedacht werden mußten, wollte man kostenintensive Doppelentwicklungen und Mehrfachbearbeitungen vermeiden. Dabei beschränkten sich die integrativen Notwendigkeiten gar nicht auf die jeweiligen Rundfunkanstalten allein, sondern sie betrafen die Kooperation der Rundfunkanstalten untereinander und ebenso die Kooperation mit externen Informationsdienstleistern. Fragen der Kompatibilität der Systeme und damit der Kommunikationsfähigkeit der Dienstleister gewannen im Zeichen der Programmzusammenarbeit - vom bloßen Programmaustausch bis zur gemeinsamen Programmkoor-

D 10.4 Professionalisierung

589

dination und -koproduktion, aber auch im Zeichen des Wettbewerbs zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern immer größere Bedeutung. Im Bereich der textlichen Information (z.B. Nachrichtenverteilung) wie im Fernsehbereich und erst recht auf dem zukunftsträchtigen Multimediamarkt spielen internationale und mehrsprachig funktionierende Verbünde von Informationssystemen eine immer größere Rolle. Praktisches, doch noch fernes Ziel aller Integrationsanstrengungen war und ist dabei die Vernetzung der Datensammlungen und die Herstellung einheitlicher Benutzeroberflächen, die es erlauben, zu jeder Zeit an jedem Sendeort über die gespeicherten Daten aller Teilarchive der Kooperationspartner zu verfügen. Die Abkehr von puren Großrechneranwendungen, die Entwicklung von offenen Client-Server-Architekturen, die flächendeckende Einführung von intelligenten, grafikfähigen PCs mit preiswerter Speicherkapazität, die Software-Entwicklungen unter WINDOWS und OS/2 und vor allem Fortschritte in der Datennetz- und Datenkomprimierungstechnik haben mit Beginn der Neunziger Jahre veränderte Bedingungen auch für die ABD-Bereiche geschaffen. Der Trend zur Dezentralisierung scheint die ABD-Bereiche in die Situation noch vor Beginn ihres Entstehens als zentrale Dienstleistungsbereiche der Rundfunkanstalten zurückzuführen. Redaktionen und Produktionsteams entdecken ihre Fähigkeit, mit einfach zu erlangenden Kauflösungen PC-gestützt bestimmte Archivierungsaufgaben selber zu lösen. Hinzu kommen Möglichkeiten des Outsourcing, also der Informationsbeschaffung aus externen Quellen. Da zugleich die zentralen Organisationsstrukturen zugunsten selbständiger Unternehmenseinheiten mit eigenem Entscheidungsspielraum zerfallen, wachsen die Möglichkeiten dieser Teams, sich nach eigenem Belieben informationstechnisch auszurüsten. Die sogenannten Wellenspeicher mit den (schmalen) Musikrepertoires des Formatradios sind hierfür Beispiele. Folgen dieser Entwicklung sind einerseits eine höhere Flexibilität bei der Methodenwahl und damit eine raschere Befriedigung eines akuten Informationsbedarfs der Redaktionen oder Wellen; andererseits entstehen inkompatible Anwendungsinseln mit je eigenen, nicht standardisierten und deshalb für andere nicht nutzbaren Datenbeständen. Die selbständiger gewordenen Unternehmenseinheiten verachten also auf die Vorteile einer zentral gesteuerten, zumindest koordinierten Informationsversorgung, d.h. auf eine perspektivisch und systematisch angelegte, breite Informationsbasis, die in der Tat den Nachteil aufweist, sich nicht so leicht einer plötzlich eintretenden, besonderen Bedarfssituation anpassen zu können. Gleichzeitig wachsen mit den Techniken der digitalen Massenspeicherung und Vernetzung wiederum die Möglichkeiten, alle Unternehmensbereiche und damit alle Wellen technisch unaufwendig zentral (und standortunabhängig) mit Informationen jeder Art zu versorgen, nicht nur mit referenzierenden Daten, sondern ebenso einfach auch mit den Originaldokumenten (dem Bewegtbild, d e m l b n , dem Text) selber. Die Vorteile des schnellen Zugriffs auf eine wirklich breite Materialbasis werden dann, wenn die Geschwindigkeitsvorteile der dezentralen Systeme eingeholt sind, wieder sichtbar und von den Nutzern verlangt werden. Der Itend zur Dezentralisierung verlagert ABD-Arbeit aus den zentralen Dienstleistungseinrichtungen hinein in dezentrale, selbständig operierende Produktionsteams, und zwar auch in der Art, daß Planstellen dorthin verschoben werden. Sol-

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Harms: Medieninformation HÖRFUNK-ARCHIV

SWF/HF-Archiv/Hf/Jan.

1995

Abb. 1: Digitaler Massenspeicher im Hörfunk mit Vernetzung

che Teams können auch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Organisationen strukturell selbständige Unternehmenseinheiten sein, die mit eigenem Budget und eigenen betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen zusätzlich auf dem offenen Markt tätig sind, d.h. textliche und audiovisuelle Information für die außerprogrammliche Verwertung anbieten. Ein Stichwort unter vielen bieten die „on-demand-Dienste", die von den Rundfunkanstalten angestrebt werden. Entwicklungen in dieser Richtung werden zur Zeit aber noch von den rechtlichen Rahmenbedingungen (Klärung des ver-

D 10.5 Schallarchive/Tonträger-Dokumentationsstellen

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fassungsgemäßen Rundfunkbegriffs, Rundfunkgesetze und Staatsverträge, Satzungen, Urheberrecht, Leistungsschutzrechte) gebremst. Die produktions- und marktnahe, kreativere Tätigkeit innerhalb selbständig handelnder Produktionsteams prägt jedoch zunehmend das Berufsbild des Archivars und Dokumentars und wirft deshalb die Frage auf, ob unter solcherart veränderten Bedingungen nicht eine zutreffendere Berufsbezeichnung gefunden werden muß, die den Aspekt des Managens von Informationen deutlich hervorhebt und deshalb berufsständisch positiver wirken kann. Umgekehrt entwickelt sich für bestimmte „Materialbereiche" (feste Repertoires, historisches Material) eine dauerhaft zentrale - standortunabhängige - Dienstleistung, die auf allgemeine Verfügbarkeit der Information, ihre Konsistenz, Breite und Tiefe und die Programmrelevanz über den Tag hinaus ausgerichtet ist, und die Redaktionen mit ebenso schnellen und leistungsfähigen Mitteln versorgen, wie es die Redaktionsequipments selber vermögen. Die gegenwärtige und zukünftige Situation ist also gekennzeichnet durch die Entwicklung einer neuen Arbeitsteiligkeit in einem Mischsystem zentraler, dezentraler und externer Komponenten. Für den Gesichtspunkt der Integration der verschiedenen Medien innerhalb einer AB D-Organisation bedeuten diese Entwicklungen die noch zunehmende Notwendigkeit, auf den Gebieten „Datenkonsistenz" und „allgemeine Verfügbarkeit" die Mittel so abzustimmen, daß diese Ziele DV-technisch und dokumentationsfachlich erreicht werden können. Die Einigung auf durchgängig identische Wortschätze (Stichworte: Kontrolliertes Vokabular, Thesauri), also eine einheitliche Dokumentationssprache, und Regeln zur Bewertung und Bestimmung der notwendigen Erschließungstiefe sind dafür Voraussetzungen. Aber auch die Kooperation mit immer mehr Standorten und Anbietern außerhalb würde durch die organisatorische Zersplitterung in Hörfunk-, Feraseh-, Text- und Bibliotheksbereiche unnötig erschwert. Im folgenden werden nun die einzelnen ABD-Einrichtungen in Rundfunkanstalten gesondert betrachtet, um keine allzu abstrakte Darstellung zu geben. Dabei können viele Aussagen und Beschreibungen modifiziert auch auf die übrigen Medien übertragen werden, denn trotz der bestehenden Aufgabenverteilung und den technologischen und betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu verdankenden Itend zur Dezentralisierung ist in den Rundfunkanstalten doch immer die Rede von einem komplexen System der Informationsversorgung.

D 10.5

Schallarchlve/Tonträger-Dokumentationsstellen

D 10.5.1

„Musikarchive" bzw. Musik-Dokumentationsstellen

Ausgangspunkt für die Archivierung von Tonträgern war die Musikarchivierung, zunächst von den Musikredaktionen selbst vorgenommen. Mit dem Anwachsen der hauseigenen Tonaufzeichnungsproduktion, vor allem aber mit dem immer reichhaltigeren Schallplattenangebot (Industrietonträger) ergab sich die Notwendigkeit der

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Hanns: Medieninformation

systematischen Archivierung durch eine gesonderte Archivorganisation. Es entstanden die Schall- oder Lautarchive. Dabei stand die bloße Aufbewahrung der Tonträger in Magazinregalen noch lange im Vordergrund. Einfache, oft noch fragmenthafte Titel-, Komponisten- und Interpretenangaben auf Karteikarten oder die Verzeichnung unter dem jeweiligen Tagesdatum der Übernahme ins Archiv in Kladden (Geschäftsbüchern), jeweils unter Hinzufügung einer fortlaufenden Nummer für den hereinkommenden Tonträger, waren zunächst die Findmittel. Auf diesem Stand der Materialerfassung spielte das Kopfwissen des Archivars für das Wiederauffinden bestimmter Titel eine große Rolle. Die Aufstellung von Titellisten nach gemeinsamen Merkmalen war mühevoll und zeitraubend. Mit steigendem Anteil vorproduzierter, d.h. auf Tonband konservierter Beiträge mußten sich die Dokumentationstechniken verfeinern. Meist wurden die Produktionen auf verschiedene Nummernkreise aufgeteilt und so nach Genres unterscheidbar. Oft standen die den Ziffern vorangestellten Buchstabenelemente der Archivnummer (= Tonträgernummer) als „sprechender" Bestandteil für Sendegattungen, also die funkische Form, Abteilungen innerhalb des Hauses, Redaktionen („EM" wie „Ernste Musik") oder Sendereihen bzw. Genres („SK" wie „Sonntagskonzert"; „KO" wie „Kleines Orchester"). Dabei blieben die Archivnummern immer noch identisch mit den Tonträgernummem, eine Indexierung einzelner Beiträge innerhalb einer geschlossenen Sendung oder innerhalb eines Bandes war nicht üblich. Mit der Unterscheidung von Nummernkreisen entstanden in den Magazinen in sich geschlossene Teilbestände (Sammlungen), für die wiederum Spezialkarteien erstellt werden konnten. Damit wurde das Recherchieren von verschiedenen Ausgangspunkten möglich. Man suchte in Karteien wie „Weihnachtslied", „Fastnachtslied", „Ethnische Musik" usw. Die Erstellung mehrerer unterschiedlich aufgebauter Karteikarten für ein und denselben Beitrag bedeutete hohen Schreib- und Sortieraufwand, wobei die Anzahl der Zugriffswege dennoch sehr begrenzt blieb. Neben diesen Karteien benutzten die Archivare selbsterstellte, und was Schallplatten anging, vor allem die von Handel und Industrie herausgegebenen Kataloge („Bielefelder Katalog", oder heute CD-ROM-Kataloge). Die Lieferkataloge der Industrie sind nach wie vor wesentliche Hilfsmittel der Informationserschließung. Mit der Einführung der Hollerithmaschinen und später der elektronischen Datenverarbeitung wuchs die Zahl möglicher Sortierungen der einmal eingegebenen Daten je nach Systemkomfort auf unvergleichlich höhere Werte. (Parallel vervielfachte sich der Titelumschlag in der Recherche und im Magazinverkehr durch die größere Anzahl von Radioprogrammen und ihre zeitlich größere Ausdehnung.) Zugleich bewirkte die EDV, daß hereinkommende Neuproduktionen nun nicht mehr in einzelne Sammlungen (= Nummernkreise) einsortiert, sondern hintereinander weg in die Regale gestellt werden konnten (numerus currens), was eine beträchtliche Raumersparnis und kürzere Transportwege bedeutete. Diese Form der fortlaufenden Archivnummer (jetzt auch mit Indizes für die enthaltenen Einzelbeiträge versehen) ermöglichte auch die Automatisierung der Tonträgerexpedition aus und in die Magazine durch Robotsysteme (Beispiel: SEKAMOS, vollautomatisches Kassettenabspielsystem, installiert beim Süddeutschen Rundfunk, das allerdings wiederum nur einen Teilbestand bearbeitete), die man sich zeitweise durchaus als zukünftigen Ma-

D 10.5 Schallarchive/Tonträger-Dokumentationsstellen

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gazinstandard vorstellte. Mittlerweile ersetzt der elektronische Massenspeicher, möglichst festplattengestützt und daher mechanikarm, diese mechanisch aufwendigen Installationen. Das Ziel, auch auf die Daten von Musik-Dokumentationsstellen der anderen Rundfunkanstalten zuzugreifen, machte zunächst die Standardisierung der Dokumentation durch Regelwerke notwendig. Seit 1975 ist das von einer Arbeitsgruppe der A R D und des ORF erstellte „Regelwerk Hörfunk Musik" in Kraft. Es handelt sich um „Richtlinien für die Formalbeschreibung sowie für die Sach- und Inhaltserschließung von Musikproduktionen auf Tonträgern" (3., revidierte Auflage, Saarbrücken 1992). Diese Richtlinien sind für die beteiligten Rundfunkanstalten verbindlich. Dennoch entstanden überall Anwendungsbesonderheiten, die bei der Formulierung der revidierten Auflage berücksichtigt wurden. Der Datenaustausch mit dem Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) in Frankfurt bei der Zentralen Schallplattenkatalogisierung (ZSK) wurde und wird ebenfalls auf der Basis des Regelwerkes ausgeführt. Im übrigen erscheint das Regelwerk in LoseBlatt-Form, um ständig weiter ergänzt und aktualisiert werden zu können. Die Musikdokumentation kennt auch eine inhaltliche, d.h. klassifizierende Erschließung ihrer Dokumente durch Kategorien oder Datenelemente wie „Teilbereich" (Folklore, Jazz, Tanzmusik, Chormusik, Militärmusik, . . . ) oder „Art/Charakter" (Melodienfolge, Potpourri, Medley, Tango, TVvist, Ballade, Slow,...). Auch thematische „Deskriptoren" sind vorgesehen (Beispiel: Jahrmarkt). Darüber hinaus hat es immer wieder Versuche gegeben, die inhaltliche Kategorisierung noch weiter zu treiben und durchaus subjektive Einschätzungen zum Teil der musikalischen Sacherschließung zu machen. Das Regelwerk nennt das Datenelement „Ausdruckscharakter" . Wie für die thematischen Deskriptoren wird die Verwendung eines kontrollierten Vokabulars empfohlen. Einfache Beispiele für „Ausdruckscharakter" sind Kennzeichnungen wie „hart" und „weich", „heiter", „traurig". Problematischer erscheinen Kategorisierungen wie „für den Morgen geeignet" oder „für graue läge", Kennzeichnungen, die in den „Fachvermerken" und „Individualvermerken" unterzubringen sind. Hier treten die Anmutungsqualitäten der Musik in den Blickpunkt, Eigenschaften, die nicht nur von Codierer zu Codierer, sondern auch von Zeitpunkt zu Zeitpunkt unterschiedlich beurteilt werden dürften. Das Regelwerk Musik erscheint an dieser Stelle kaum ausgebaut, weil es wie jedes Regelwerk auf die Feststellung quasi objektiver Sachverhalte abzielt; für viele Redaktionen sind aber solche weitergehenden Einordnungen von Musiktiteln wegen der automatischen oder halbautomatischen Programmplanung wichtig geworden. Im Rahmen definierter Musikformate unterstützen Computerprogramme die Zusammenstellung der Sendefahrpläne und bestimmen die einzusetzenden Musiktitel anhand solcher und anderer Kategorien (Stichwort: Musikuhren). Die dazu notwendige Erschließungsarbeit ist ein typisches Beispiel für Dokumentationsleistungen, die dezentral, d.h. in engster (auch räumlicher) Zusammenarbeit mit der nutzenden Redaktion, erbracht werden. Die Eingabe der Daten in elektronische Voll-Retrievalsysteme ist, was die Altbestände angeht, bei weitem nicht abgeschlossen. Der Südwestfunk z.B. begann 1970 mit einem einfachen Datensammelsystem, dann installierte man 1980 das EDV-System MUSIS (Musik-Informations-System); es stellte sich heraus, daß in der An-

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Harms: Medieninformation

fangsphase der Erfassung, also vor 1980, viele Eingaben noch fehlerhaft oder, gemessen an heutigen Standards, unvollständig erfolgten, was ein Nachdokumentieren notwendig machte. Daneben existieren überall Bestände, meist Spezialsammlungen, die noch nicht übernommen werden konnten, die also nach wie vor konventionell verwaltet werden. Titelneuzugänge aus der Industrieproduktion (Leichte Musik) können jedoch vor allem dank der ZSK mengenmäßig bewältigt werden, obwohl es sich jährlich um ca. 65.000Titel handelt. Der quantitativ gewaltige Industrieausstoß auf diesem Sektor wird mittlerweile bei weitem nicht mehr in Rundfunksendungen eingesetzt. Galt 1992 noch, daß eine Popmusikwelle bis zu 18.000 verschiedene Musiktitel innerhalb eines Jahres einsetzte, ist im Zeichen der „Formatierung" und in Anpassung an Gewohnheiten der kommerziellen Rundfunkveranstalter diese Anzahl aufwerte zwischen 1.000 und 6.000 Titel zurückgegangen. Es wird also nur noch ein geringer Teil der am Markt neu erscheinenden Titel verwendet, was die bisherige Methode der Gesamterfassung der Industrieproduktion durch die ZSK und ihre Übernahme durch die Rundfunkanstalten fragwürdig erscheinen läßt. Weniger umfangreich ist die E-Musik-Produktion der Industrie. Zugleich ist auch der Bedarf der Rundfunkanstalten an solchen Titeln wegen der schmaleren Sendeflächen (heute nur noch in den sogenannten Kulturprogrammen) sehr viel geringer als in der Populärmusik. Hinzu kommt, daß ein Teil des Bedarfs durch Eigenproduktionen, d.h. die Einspielungen der eigenen Orchester und Ensembles, abgedeckt wird. Die E-Musik-Industrieproduktion wird von den Rundfunkanstalten deshalb nur selektiv ausgewertet, eine zentrale Einrichtung für diese Zwecke, der ZSK vergleichbar, wäre unwirtschaftlich; nutzbringender sind auf diesem Feld Kooperationen, Verabredungen der Rundfunkanstalten zur Arbeitsteiligkeit, verbunden mit einem ergänzenden Datenaustausch. Die technischen Voraussetzungen dafür sind mit der Vernetzung der Musik-Datenbanken und dokumentationsfachlich mit der Verbreitung des Regelwerk Musik auch durchaus gegeben. Ein inzwischen vertrautes, historisches aber noch junges Arbeitsgebiet des Musikdokumentars ist die Beratung von Fernsehjournalisten bei Planung und Einsatz von Hintergrundmusiken für Fernsehbeiträge, ein Arbeitsgebiet, das wieder die Tätigkeitskomponente aktive Informationsauswertung belegt. Obwohl Fernsehbeiträge häufig musikalische Elemente enthalten, gibt es die Berufsrolle „Musikberater für Fernsehjournalisten" nicht, diese im eigentlichen Sinne redaktionelle Aufgabe nehmen in steigendem Umfang Musikdokumentare mit entsprechenden Programmkenntnissen wahr. Die Musik-Dokumentationsstellen der Rundfunkanstalten verwalten mancherorts außer den Tonträgern auch die Notenbestände (vor allem dort wesentlich, wo Rundfunkorchester tätig sind) und das musikbezogene Schrifttum. Oft gibt es eine Musik-Spezialbibliothek; sie kann zur zentralen Bibliothek gehören, bei den Musikredaktionen liegen oder den Musik-Dokumentationsstellen zugeordnet sein.

D 10.5 Schallarchive/Tonträger-Dokumentationsstellen D 10.5.2

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„Wortarchive" bzw. Wort-Dokumentationsstellen

Diejenigen Einrichtungen der Hörfunkarchive, die Wortsendungen archivieren und dokumentieren, haben es im Wesentlichen mit den sendereigenen Hörfunkproduktionen zu tun. Die Wortdokumentation sieht sich zwei schwierigen Aufgaben gegenüber: Erstens liegt der Anteil sogenannter weicher Merkmale, also subjektiver Einschätzungen, höher als bei der Musik; zweitens - beides hängt jedoch zusammen ist der Anteil noch nicht DV-mäßig erfaßter Altbeiträge ungleich größer. Die Relation von 6,5 : 1 drückt ungefähr die Titelmengen aus, die von der Musik (6,5) bzw. vom Wort (1) im gleichen Zeitraum dokumentarisch bearbeitet werden können. Die weichen Merkmale bezeichnen Zugriffswege außerhalb der harten Formaldaten eines Dokuments (wie Autor/Komponist, Titel, Abspieldauer, Interpret), also Zugriffswege über den Inhalt des Tondokuments, der nur durch den subjektiven Akt des Interpretierens zu erschließen ist, aber immerhin im Rahmen festgelegter Begriffsfelder (Thesauri) erfolgen kann. Die Inhaltserschließung (die es in der Musikdokumentation in einer begrenzteren Dimension auch gibt) soll dem Rechercheur durch Abstract und Deskriptoren (Schlagwörter) eine möglichst zutreffende Vorstellung vom Inhalt des Hörfunkbeitrags geben. Insofern ist die Inhaltserschließung mit dem wissenschaftlichen Abstracting vergleichbar. Außerdem soll sie aber den Rechercheur auf Besonderheiten wie Originaltöne (O-Töne) hinweisen, auf Äußerungen wichtiger Personen, auf das Vorkommen besonderer sprachlicher Prägungen (Beispiel: zum ersten Mal wird der Begriff „Waldsterben" benutzt), auf Besonderheiten der „funkischen" Gestaltung (Features, Hörspiele), auf Reportageteile, Atmosphären und dergleichen mehr. Die Inhaltserschließung nimmt nach einer gern benutzten Faustregel etwa die dreifache Abspieldauer des Beitrags in Anspruch. Besondere Genres, z.B. Kabarett und Satire, verlangen aber die doppelte bis dreifache durchschnittliche Bearbeitungszeit. Es leuchtet ein, daß die Redaktionen, wenn sie Wortbeiträge ganz oder in Teilen (häufig nur die O-Töne als Einblendungen) wiederholen wollen, auf das Findmittel „Inhaltsdatei" viel stärker angewiesen sind als im Musikbereich, wo die Identifizierung von Musikstücken anhand von Titeln, Interpreten und Komponisten wegen des Werkcharakters des Dokuments, also anhand formaler Daten häufiger möglich ist. Auch für den Wortbereich wurde ab 1985 ein Regelwerk entwickelt (2., ergänzte Auflage, Stuttgart 1993). Es gliedert sich in drei Teile: - Richtlinien und Kriterien zur Feststellung der Dokumentationswürdigkeit von Hörfunkproduktionen (Bewertung) - die Aufführung der Datenelemente zur formalen Erfassung, sowie deren Definition, Ansetzungs regeln und Ausführungsbestimmungen und - eine Anleitung zu ihrer dokumentationsgerechten, d.h. strukturierten inhaltlichen Erschließung.

Das Regelwerk Wort entstand in Abstimmung mit den Regelwerken „Musik" und „Fernsehen". Eine theoretische Grundlage bilden die „Deutschen Normen des Bibliotheks- und Dokumentationswesens". Auch das Regelwerk Wort läßt sich, wie

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Harms: Medieninformation

„Musik" und „Fernsehen", auf DV-gestützte Dokumentationsverfahren und auf konventionelle anwenden. Wie die übrigen wird das Regelwerk Wort kontinuierlich neuen Bedürfnissen angepaßt und schreibt Dokumentationsregeln verbindlich vor. Es werden den beteiligten Dokumentationsstellen aber auch eigene, meist traditionelle Detaillösungen ermöglicht. Auch das Regelwerk „Wort" unterscheidet Muß-, Soll- und Kann-Elemente. Die Muß-Elemente sind: Rundfunkanstalt (RFA), Sendehaupttitel (SHTI), Archivnummer (ANR), Sendedauer (SD), Geschwindigkeit (GES), Betriebsart (BA) und Materialart (MAT). Ohne die Angabe dieser Merkmale, so lautet die Vereinbarung, soll das Tondokument nicht in ein (EDV-)Informationssystem übernommen werden. Die Soll-Datenelemente sind keine Bedingung für eine solche Übernahme, gehören aber wesentlich zur Dokumentbeschreibung. Die Kann-Datenelemente vervollständigen die Dokumentbeschreibung nach den Bedürfnissen der jeweiligen Dokumentationsstelle. Diese und alle übrigen im Regelwerk getroffenen Vereinbarungen dienen dazu, die Dokumentationsleistungen an den verschiedenen Arbeitsplätzen innerhalb der Rundfunkanstalt auf gleichen Standard zu bringen, bezwecken aber auch, den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Rundfunkanstalten schneller und zuverlässiger zu machen. Im Wortbereich stellt sich wegen der täglich erzeugten Materialmenge, die anders als in der Musik nicht ohne weiteres Repertoirecharakter besitzt, die Frage der archivarischen Bewertung und Kassation. Unter dem Gesichtspunkt der Wiederverwertung könnten etwa „Berichte zum Tage" (Aktuelles Zeitgeschehen) eher wertlos erscheinen. Anders verhält es sich offenbar mit Hörspielen oder Sketchen, deren Wiederholung auf der Hand zu liegen scheint. Das Regelwerk versucht Kriterien für die Dokumentationswürdigkeit aufzuzeigen, schränkt aber ein: Hörfunkproduktionen sind Teile der nichtschriftlichen kulturellen Überlieferung; wie der schriftlichen Überlieferung kann ihnen ein historischer und wissenschaftlicher Quellen- und Erkenntniswert zukommen. Objektive Kriterien, nach denen die Wertigkeit von Wortproduktionen auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft bestimmbar wäre, gibt es nicht. Weder zukünftige Nutzung für das Hörfunkprogramm noch die zukünftige Bedeutung einzelner Dokumente für die Wissenschaft lassen sich voraussagen. Die Maßstäbe und Aspekte, die zum Zeitpunkt der Bearbeitimg die Werturteile hauptsächlich prägen, sind allerdings bekannt. Von der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Öffentlichkeit werden Ereignissen und Persönlichkeiten des Zeitgeschehens, aber auch denen der Geschichte, bestimmte Geltungen zugeschrieben, die in die Bewertung der Dokumente durch die Mediendokumentare mit einfließen. Diese Geltungszuschreibungen durch die öffentliche Meinung unterliegen jedoch einem ständigen Wandel, der sich auch in Veränderungen der dokumentarischen Bewertungspraxis widerspiegelt. Der „Wert" der Beurteilungsobjekte kann demzufolge nicht letztgültig festgestellt werden, sondern nur in Bezug auf die von den Dokumentaren selbst gelebte und erlebte Epoche.

Das Regelwerk führt inhaltliche, medienspezifische und gestalterische Kriterien auf. Daß herausragende Ereignisse dokumentationswürdig sind, und ebenso Indikatoren längerfristiger Entwicklungen, ist schnell einsehbar. Weniger geläufig ist vielleicht das Kriterium Wiedergabe der Alltagsrealität·, es bestimmt den Wert des Tondoku-

D 10.5 SchallarchiveATonträger-Dokumentationsstellen

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ments nach der Wiedergabe bzw. Bearbeitung der Berufswelt, der Freizeit, der Familie, Nachbarschaft, des Brauchtums . . . Einen wichtigen Platz nehmen hier Beiträge zur oral history ein. Die medienspezifischen Kriterien betreffen die Dokumentation der Programm- und Sendergeschichte; die Programmarbeit der Redaktionen soll im Bestand repräsentiert sein, ebenso „produktions- und sendetechnische Gegebenheiten und Innovationen" und alles, was die allgemeine Rundfunkgeschichte belegen kann. Die „gestalterischen bzw. ästhetischen Kriterien" heben vor allem auf die funkspezifischen Umsetzungs- und Realisierungsmittel und -formen ab. Das Regelwerk verweist an diesem heiklen Punkt ausdrücklich auf den Fachbeistand der Redaktionen bzw. Regisseure (es handelt sich in der Regel um Beiträge mit Werkcharakter) zur Beurteilung dieser Eigenschaften. Auf dem Gebiet der formalen Erfassung treten vor allem definitorische Probleme und Fragen der Ansetzung auf. Die Inhaltserschließung soll erfolgen durch eine Kategorisierung des Gebietes, in das der Beitrag thematisch gehört, und der (Funk-)Gattung; durch das Kurzreferat oder Abstract, sowie durch die Schlagwörter oder Deskriptoren. Zur sachgerechten Inhaltserschließung durch Deskriptoren gehört für viele Dokumentare ein Thesaurus, also ein systematisch und hierarchisch strukturierter Wortschatz, der die Deskriptorenwahl vorschreibt und umgekehrt bei der Wahl des zutreffenden Suchbegriffs hilft (vgl. Kapitel Β 6). An dieser Stelle sei zu diesem Thema nur bemerkt, daß die verschiedenen Dokumentationsreferate in den Rundfunkanstalten seit Jahren bemüht sind, die Thesaurusfrage auch für die Mediendokumentation im Rundfunk zu lösen. Die größten Schwierigkeiten dabei scheinen zu sein: die thematische Breite des Materials erfordert einen Universalthesaurus - ein Anspruch, der über das Ziel der Erstellung engerer Fachvokabulare weit hinausgeht und bisher nirgends eingelöst wurde. Die Pflege eines solchen Thesaurus würde wegen des schnellen begrifflichen Wandels der journalistischen Sprache einen extrem hohen Aufwand bedeuten, der unter Umständen größer wäre als der konkrete (bei der Suche helfende) Nutzen eines kontrollierten Vokabulars. Mit der Vernetzung zahlreicher Dokumentationsstellen wächst allerdings dieser Nutzen, so daß inzwischen vielleicht der Punkt erreicht ist, an dem sich auch ein sehr hoher Pflegeaufwand für ein gemeinsames Vokabular lohnt. Entsprechend haben sich die Bemühungen verstärkt, zu einem modellhaften Wortschatz vorzudringen, der dann Grundlage für eine verbindliche Dokumentationssprache nicht nur in den Wörtdokumentationsstellen, sondern auch in der Fernseh- und Textdokumentation werden könnte. Es wurde schon erwähnt, daß bei weitem nicht alle Wortbeiträge EDV-mäßig erfaßt sind. Der tatsächlich voll recherchierbare Anteil ist im Verhältnis zu den noch nicht erfaßten Produktionen immer noch der kleinere. Man kann deshalb für den Wortbereich feststellen, daß nach wie vor ein gemischt konventionell/elektronisches Arbeiten vorherrscht, wobei die Recherche oft konventionell ablaufen muß. Der Input erfolgt aber selbstverständlich DV-gestützt. Noch unterscheiden sich die jeweils DV-gestützt erreichbaren Datenmengen zwischen den Rundfunkanstalten. Einige Sender haben relativ lange konventionell gearbeitet und dabei hervorragende Katalogarbeit geleistet (z.B. die NDR-Katalogreihe „Tondokumente im Schallarchiv des Norddeutschen Rundfunks", Bde. 1- 17). Kataloge in klassischer Papierform

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Harms: Medieninformation

werden nach wie vor hergestellt, allerdings im Rahmen besonderer thematischer Projekte, mit denen eine größere Öffentlichkeit - also nicht nur die Programm-Macher - erreicht werden soll. Ein herausragendes Beispiel ist die ARD-Dokumentation von Sendungen und Produktionen aller ARD-Rundfunkanstalten zur Verfolgung der Juden während der Naziherrschaft (Frankfurt 1996). Eine mengenmäßig und technisch dem Musikbereich vergleichbare zentrale Erfassungsarbeit über das DRA gibt es im Wortbereich nicht, wohl aber melden die einzelnen Rundfunkanstalten die Daten zu besonders archivierungswürdigen Produktionen, die als Nachweise Eingang in die zentralen Datenbanken (ZWM) des DRA finden. Außerdem gibt das DRA Kataloge zu dem dort archivierten, historischen Eigenbestand (einschließlich der Produktionen des DDR-Rundfunks, die am Standort Berlin archiviert sind) heraus. Zu den DRA-Datenbanken haben die Rundfunkhäuser jeweils Online-Zugriff, können sich also auf diesem Weg über die herausragenden Produktionen ihrer Schwesteranstalten informieren. Die Information über Alltagsproduktionen jedoch, in denen oft genug wichtiges „Steinbruchmaterial" für neue Sendungen steckt, muß dagegen über die Vernetzung der Nachweissysteme erfolgen, damit die Dokumentationsstellen direkt auf die Masse des im Rahmen des Programmaustausches Verfügbaren zugreifen können. Wie für den Musikbereich oder das Fernsehen gibt es auch im Wortbereich das Arbeiten mit Zwischenarchiven, in die Neuproduktionen zunächst wandern, um dann nach einer Bewertung entweder kassiert oder in das Hauptarchiv hinein abgearbeitet zu werden. Zwischenarchive (öfter auch „Zwischenmagazin" genannt) stellen einen „Verfügungspuffer" dar. Das Material wartet hier mehr oder weniger unvollständig, höchstens aber formal erfaßt, auf die Ausstrahlung oder weitere Bearbeitung und steht für die rasche Wederverwendung griffbereit. Häufig den Wort-Dokumentationsstellen angegliedert ist auch - vergleichbar dem Notenarchiv in der Musik - das Manuskriptarchiv, wo Manuskripte von Wortsendungen gesammelt werden. Nutzer sind die Redaktionen, die Manuskripte für Neuproduktionen oder zu Verifizierungszwecken anfordern, aber auch die Publikumsdienste, die solche Texte an interessierte Hörer ausliefern. Klassisch gehört der Programmaustausch, also die Auslieferung bzw. Entgegennahme solcher Produktionen, die von kooperierenden Rundfunkanstalten für Sende- oder Abhörzwecke angefordert bzw. zugesandt werden, in die (Material-)Nähe der Hörfunkarchive, ist vielerorts auch organisatorisch dort angebunden.

D 10.6

Fernseharchive bzw. Fernseh-DokumentationssteUen

Fernseharchive gliedern sich alles in allem in die Bereiche Dokumentation, Filmund Bildbeschaffung, MagazinlExpedition!Zwischenarchiv und Programmaustausch. Je nach Größe der Rundfunkanstalt werden jährlich zwischen 1.000 und 10.000 Einzeltitel nach dem für alle ARD-Anstalten verbindlichen Regelwerk Fernsehen dokumentiert und archiviert. Als das verbreitetste Informationssystem ist die Fernsehdatenbank FESAD (Fernseharchivdokumentation) zu nennen, ein Volltextre-

D 10.6 Fernseharchive bzw. Fernseh-Dokumentationsstellen

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trievalsystem auf der Basis von STAIRS (IBM), mit dem 1995 acht der dreizehn ARD-Rundfunkanstalten, nicht aber deren größtes Mitglied WDR (RUDI), nicht das DRA (DB2) und auch nicht das ZDF (ADABAS) arbeiten. Im FESAD-Verbund können aber alle Rundfunkanstalten auf die Bestände der übrigen Partner zugreifen und sich informieren, um ggf. Produktionen im Rahmen des Programmaustausches anzufordern. Die technische Entwicklung läßt absehen, daß der Materialtransport zwischen den Sendern sich drastisch verringern wird, wenn nicht nur die Nachweise, sondern auch Bilder und Filme in digitaler Form über Leitungen ausgetauscht werden können. Erste Pilotprojekte hierzu (Beispiel: WDR) wurden 1996 gestartet. Von dieser Entwicklung bleiben allerdings die echten (und inzwischen aus Qualitätsgründen wieder zahlreicheren) Fi/mproduktionen auf 16- oder 35-mm-Material auf absehbare Zeit ausgenommen. Auch im Fernsehbereich wird aber über Strecken nach wie vor konventionell recherchiert, denn es gibt noch umfangreiche, nach wenigen formalen Kriterien auf Karteikarten erfaßte Bestände aus den frühen Produktionsjahren; häufig reichte auch die Personalkapazität nicht aus, jüngere Produktionen aus Zeiten, als eine DV-gestützte Dokumentation technisch schon möglich war, vollständig in die Fernsehinformationssysteme zu übernehmen. Wie im Hörfunk besteht also auch für das Fernsehen ein von Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt unterschiedlich großer Bedarf an Rückwärtsdokumentation. Das Regelwerk Fernsehen (2., revidierte Auflage 1994) betont schon im Vorwort den wirtschaftlichen Wert der in den Magazinen lagernden Bestände: „ ... (Sie) bilden einen einzigartigen kultur- und zeitgeschichtlichen Fundus, ebenso aber auch ein unersetzliches Programm vermögen, dem im Wettbewerb mit kommerziellen Programmveranstaltern und angesichts der erweiterten Verbreitungsmöglichkeiten von Rundfunk über Kabel und Satellit eine kaum abzuschätzende Bedeutung zukommt." Die Herstellungskosten für die Minute Fernsehen liegen (im Unterschied zum Hörfunk) so hoch, daß die Wiederverwendung ein beinahe selbstverständliches Gebot wirtschaftlicher Vernunft ist. Entsprechend liegt der Anteil des archivierten Materials am Gesamt-Produktionsumfang prozentual viel höher als im Hörfunk, ja, man kann von einer „Fast-Totalarchivierung" sprechen. Genau wie in den übrigen Regelwerken werden die formale Beschreibung und die inhaltliche Erschließung geregelt und damit die „Richtlinien zur Datenerfassung in Fernseh-Archiven" von 1973 bzw. deren ergänzende Fassung von 1976 abgelöst. Der Aufbau des Regelwerkes entspricht im Wesentlichen dem der Hörfunk-Regelwerke. Die Anzahl der notwendigen Datenelemente zur vollständigen dokumentarischen Beschreibung der Fernsehbeiträge und die durchschnittliche Datensatzlänge sind, weil hier Bild und Ton zu erfassen und die Ton/Bildträger zahlreicher sind, jedoch höher. Außerdem tauchen zusätzliche Kategorien wie „Zielgruppe", „Einschaltquote" oder „Auszeichnung für Programmacher" (preisgekrönte Beiträge) und einige mehr auf, die das Hauptziel der Archivierung - die programmliche Auswertung - noch deutlicher werden läßt als in den Hörfunkregelwerken. Entsprechend ist die inhaltliche Erschließung angelegt: Neben einer Kategorie „Verwendung", mit der ein Beitrag etwa als Pausenfüller oder als Thiiler gekennzeichnet werden kann, tritt zusätzlich zu der aus den Hörfunk-Regelwerken bekannten Inhaltsangabe (sie heißt hier: sachbeschreibender Text) die Bildbeschrei-

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Harms: Medieninformation Titel SRTI Europabrücke: Rheinreise SHTI Faszination eines Stromes: Der Rhein T: 2 UNTI Von Speyer bis Rotterdam Urheberschaft / Produktion / Mitwirkung RON Neue Programme RDL Krystof. Gerd PRO Müller. Marco REO Habermehl, Wolf Henning AUT Habermehl. Wolf Henning KAM Becker. Wilbert CUT Habermehl. Katja Abstract Κ Umwelt: Dokumentarbericht; Τ Landschaftsportrait: Oer Rhein von Speyer bis zur Nordsee. Fortsetzung des Features über den Rhein und seine Landschaft, seine Geschichte. Wirtschaft und Kunst. Zitate von Friedrich Engels. Carl Zuckmayer. Bertil Fuchs. Cart Gustav Carus. Karl Korn. Victor Hugo. J. W. v. Goethe. Albrecht OOrer und Wilma Sturm und Lieder von Jürgen Schöntges. Stat. Fritz Busch (Hafenmeister. Germersheim). Β Schwenk über den Pfälzer Wald im Morgennebel / Walthari-Brunnen in Dahn / Frankenweide mit Blick auf Trifels im Sommer / Dom von Speyer außen und innen / Altrhein bei Lingenfeld im Sommer / Graphiken zur Rheinbegradigung bei Neuenburg / Schwenk Ober Pfälzer Dörfer mit Weinbergen an der Deutschen Weinstraße im Sommer: Hainfeld mit Sündenfallstatue und reich geschmückten Bürgerhäusern / Ludwigshalen: Industrieanlagen. Rheinhafen und Rheinbrücke / Neckarmündung in Mannheim / Worms: Dom und Nibelungendenkmal / Theaterszene aus "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer mit H.-J. Kulenkampff als General Harras / Mainz: Dom, Rheinansichten. Platz der Köpfe (Skulpturen von Horst Antes) vor dem ZDF-Gebäude / Originalgraphiken von Laurenz Janscha / Verschiedene Perspektiven des Rheins zwischen Bingen und Koblenz im Sommer / Blick auf die Schönburg nach morgendlichem Gewitter; Pfalzgrafenstein im Nebel; Pfalz bei Kaub: Hunsrück im Spätsommer (Schwenk) / Bacharach: Wirtshausschiid "Post". Fachwerkhäuser / Oberwesel (Luftaufnahme) / Loreley; Burg und Festung Rheinfels; Burgen Katz und Maus; Marksburg; Burg Stolzenfels ' Koblenz: Feste Ehrenbreitstein und Deutsches Eck / Regierungsviertel in Bonn / Köln: Domplatz mit neuem Wallraf-Richartz-Museum; Museum Ludwig und Philharmonie / Hafen von Duisburg (versch. Einst.) / Windmühlen bei Emmerich / Rheinmündungsgebiet (NL): ausgedehnte Gewächshäuser. Kanäle und Schleusen; Zugbrücken; Windmühlen; Häuserfronten / Rotterdam: Hafen; Hochseeschiff; Wohngebiet mit modemer Architektur; Rheinmündung in die Nordsee < HD Rhein; Mittelrhein; Niederrhein; Schiffahrt; Rechte Materialdaten Beh R L-Zeit Material 01 1 57'22" 1 - Zoll MAZ Sendeband

Abb. 2: Beispiel eines FESAD-Datensatzes

Beitrag

E-Datum

D 10.7 Pressearchiv, Recherchestellen, Bibliothek

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bung. Sie dient dazu, aus archivierten Beiträgen einzelne Bildmotive oder Bildsequenzen zur Illustration für neue Sendungen herausnehmen zu können, um Neuaufnahmen längst vorhandener Motive überflüssig zu machen. Diese Verwendung von Bildmotiven entspricht im Prinzip der von O-Tönen im Hörfunk. Die Dokumentationsstelle wird von den Programmredaktionen der eigenen, aber mehr als im Hörfunk - auch von denen anderer Rundfunkanstalten für Recherchen genutzt. Der Anteil solcher externen Nutzung liegt hier höher, weil ein regerer Programmaustausch (Dritte Fernsehprogramme und auch ausländische TV-Sender) stattfindet. Bei einer mittleren Rundfunkanstalt werden täglich ca. 70 interne und externe Anfragen bearbeitet. Ergebnis solcher Recherchen ist häufig die konkrete Anforderung von Programmbeiträgen, was zu einer Dienstleistung führt, die wegen der technischen Eigenschaften des Materials wiederum weitaus aufwendiger abzuwickeln ist und daher auch sichtbarer ausfällt als beim Hörfunk. Das Ansehen bestimmter Bildsequenzen gestaltet sich nicht so relativ einfach wie im Hörfunk, wo die Abhörtechnik für Bänder, Schallplatten und CDs in jedem Redaktionsbüro zur Verfügung steht. Deshalb muß die Sichtung an den wenigen Plätzen, die eine passende Technik bieten, stattfinden. Wenn im Hörfunk oder Textbereich Endnutzerkonzepte mittlerweile Planungsstandard sind, gilt im Fernsehen, daß hierzu die Realisierung von Techniken der Digitalisierung, komprimierter Massenspeicherung und Verteilung über Leitungsnetze abgewartet werden muß, bevor wenigstens ein Teil des Archivmaterials online am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Dem Materialaustausch geht in der Regel die Recherche voraus, wo im In- oder Ausland sich das Passende finden könnte. Mit derartigen Recherchen, die sich nicht nur auf Film- und MAZ-Material, sondern auch auf Fotos beziehen können, ist die Film-, MAZ- und Bildbeschaffung beschäftigt. Die Bildbeschaffungsstellen ordern ihr Fotomaterial bei Bildagenturen, Fotostellen öffentlicher Einrichtungen wie Bibliotheken und Archiven oder auch bei Privaten. In einigen Fällen verfügen Fernseharchive auch über eigene Fotobestände.

D 10.7

Pressearchiv, Recherchestellen, Bibliothek

Über die Pressedokumentation ist in Kapitel D 4 bereits ausführlich berichtet worden. Die Pressearchive in den Rundfunkanstalten sind denen großer Tageszeitungen und Zeitschriften durchaus vergleichbar, sowohl was die auszuwertenden Quellen als auch die Art der an die Dokumentare herangetragenen Fragen angeht. Im Unterschied zur Presse (und auch zu den bisher behandelten Unternehmensteilen) stellen die Rundfunk-Pressearchive aber keine Sammlungen von Eigenproduziertem dar, sondern es werden ausschließlich Fremdprodukte dokumentiert und archiviert. Die Pressearchive der Rundfunkanstalten arbeiten in der Hauptsache noch konventionell; den Schwerpunkt bilden jeweils die Ausschnittarchive. Eine geringere Bedeutung besitzen die Ganzstücksammlungen. Die elektronische Datenverarbeitung hatte lange Zeit in den Pressearchiven der Rundfunkanstalten nur am Rande Be-

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Harms: Medieninformation

deutung, dort nämlich, wo man mit Hilfe von PCs Stichwortkarteien ablösen oder bestimmte ausgewählte Quellen (Beispiel: „Spiegel") differenzierter erschlossen wissen wollte. Im übrigen herrschen die traditionellen Mappensysteme mit möglicher Mehrfachablage vor, bei denen der systematische Katalog auch die Ordnung der physischen Aufbewahrung wiedergibt: jede Systemstelle repräsentiert eine Mappe oder ein Fach in einer Mappe. Dort lagert das Material so lange, bis es durchgesehen, kassiert und das Dokumentationswürdige als „Altbestand" abgelegt wird. Die Zeitspanne bis zu dieser Kassation und zur Umwandlung der Mappeninhalte in Altbestand ist von Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt verschieden; sie dürfte im Schnitt bei eineinhalb Jahren liegen. Neben dem systematisch geordneten Hauptbestand gibt es in der Regel umfangreiche Biographische Archive, also Presseausschnittsammlungen mit personenbezogenen Informationen, die alphabetisch, nur nach Personennamen geordnet sind. Auf biographische Daten zielen ca. 50 Prozent aller Anfragen. Eine ähnliche Behandlung wie die personenbezogenen erfahren die finnenbezogenen Informationen; auch auf sie wird häufig zugegriffen. Eine dritte Art Spezialsammlung stellen die Presseausschnitte zur Mediengeschichte und Medienpolitik dar, also Informationen, die das Haus unmittelbar betreffen und deshalb bedeutsam sind. Diese Bestände bauen sich aus denselben Quellen wie die übrigen auf; hinzu kommen aber noch die Branchendienste und Fachzeitschriften, die gesondert und mancherorts nach einer eigenen feinmaschigen Systematik ausgewertet werden. Registerarchive spielen in den Pressearchiven der Rundfunkanstalten keine größere Rolle. Häufiger wird aber die „Graue Literatur", d.h. Broschüren, Berichte, Drucksachen, Pressedienste, PR-Material etc., auf diese Weise erschlossen und greifbar. Unterschiedlich ist die Frage geregelt, ob der Nutzer - der Journalist - mit dem Systematischen Katalog in der Hand selbst in den Mappen recherchiert oder ob dies der Dokumentär für ihn erledigt und ihm eine fertige Auswahl von Presseausschnitten vorlegt. Es gibt beide Praktiken, die aber jeweils immer ergänzt werden durch das Angebot der gemeinsamen Recherche. Die Pressedokumentationsstellen spielen für die aktive Information eine besonders wichtige Rolle. Sie speisen in die Programmproduktion eigeninitiativ mehr oder weniger umfangreiche Sonderdokumentationen zu voraussehbaren Medienereignissen (Beispiel: 200. Jahrestag des Sturms auf die Bastille) und Großthemen ein und informieren so den Rundfunkjournalisten über die wichtigen Beiträge der übrigen Publizistik. Eine andere Form der aktiven Information ist die-journalistisch aufbereitete - Argumentenliste (Beispiel: „Mit welchen Argumentationen haben die Tageszeitungen auf Lokalfunk versuche reagiert?"). Probleme der Materialerhaltung stellen sich in den Pressearchiven immer dringlicher. Da das Zeitungspapier irgendwann zerfällt, die Kopierbarkeit des Materials sogar schon vorher verloren geht, müssen die Bestände auf andere Informationsträger übertragen werden. Die Umsetzung auf Mikrofilm bot sich dafür bisher an. Mittlerweile erfolgt die Sicherung in digitalisierter Form auf CD-ROM oder MOD (Optische Speichermedien). Auch Magnetbänder mit hoher Packungsdichte sind für die digitalisierte Speicherung denkbar. Diese Lösungen verlangen leistungsfä-

D 10.7 Pressearchiv, Recherchestellen, Bibliothek

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hige Retrievalsysteme und einen höheren Aufwand bei der Erschließung (Codierung, Verschlagwortung) der Dokumente als bei der konventionellen Archivierung. Wie bei Fernsehen und Hörfunk stellte sich auch im Pressearchiv die Frage, ob die notwendigen Investitionen an Geld und Arbeitsleistung von einzelnen Rundfunkanstalten erbracht werden können. Sie war eindeutig zu verneinen, und es sind deshalb sowohl Wege des Outsourcing, also der Informationsbeschaffung bei Externen (Beispiel für einen Anbieter: Gruner&Jahr), als auch der Kooperation mit Externen (Beispiel: BR und Süddeutsche Zeitung) wie mit Schwesteranstalten beschritten worden. In den Rundfunkanstalten dringen auch in den Pressearchiven sogenannte Endnutzerkonzepte weiter vor. Die Informationsvermittlungsstellen sind immer weniger als Agenten zwischen der Information und dem nutzenden Journalisten tätig. Vielmehr erfolgt die Informationsauswertung nun so, daß möglichst viel der Information auf bildschirmgestützte Informationssysteme gelegt und über Leitung am Arbeitsplatz des Endnutzers zur Verfügung gestellt wird. Diesem Ziel dient die Digitalisierung der bisher in Papierform vorgehaltenen Information des Pressearchivs ebenso wie die Anbindung der Redaktionen an die nationalen und internationalen Nachrichtenagenturen. Nachrichtenverteilsysteme entwickeln sich, indem sie mit den übrigen Informationsquellen an der Bildschinnoberfläche in einem Infosystem verschmelzen, zu integrierten Bestandteilen des Redakteurs-Arbeitsplatzes, an dem auch abgehört, gesichtet, getextet, gesprochen, geschnitten - kurz: produziert wird. Weniger wichtig ist für den Redakteur unter solchen Bedingungen, wo die Information erzeugt, aufbereitet, in das Netz geleitet wird. Der früher so wichtige persönliche Kontakt zum Informationsvermittler - etwa dem im Pressearchiv - verliert an Bedeutung. Dieses Element der Informationsversorgung muß nun aber ausgeglichen werden durch eine sorgfältigere und umfassendere Aufbereitung des Materials, das schließlich auf dem Bildschirm des Redakteurs erscheint. Unter diesem Gesichtspunkt scheinen standortunabhängige Arbeitsteiligkeiten zwischen ABD-Mitarbeitern verschiedener Institutionen plan- und machbar. Allerdings muß zunächst eine Grundfrage beantwortet werden: Wieviel eigenes Profil benötigt die jeweilige Informationsbasis eines Rundfunkveranstalters? Die meisten Pressearchive der Rundfunkanstalten verfügen schon lange zur ergänzenden Beschaffung von Informationen über besondere Recherchestellen, die konventionell oder Online bei externen IuD-Stellen und vor allem bei professionellen Datenbankanbietern anfragen. Ausrüstungskernstücke dieser Stellen sind an das Telefonnetz angeschlossene PCs. Die Erfahrung zeigt, daß diese Stellen mit Spezialisten besetzt sein müssen, die nicht nur die gebräuchlichen Retrievalsprachen beherrschen, sondern vor allem Aufbau und Angebote der zahlreichen wichtigen Datenbanken kennen müssen, um zu einigermaßen vertretbaren Kosten dort mit der notwendigen Genauigkeit und Ausbeute recherchieren zu können. Die Bibliotheken in Rundfunkanstalten sind nicht nur zuständig für das Beschaffen, Katalogisieren und Bereitstellen von Büchern und Druckschriften, sondern stehen den Redaktionen auch für die Informationsvermittlung zur Verfügung, die alle Informationen betrifft, die aus Büchern entnommen werden können. Häufig müssen Recherchen in allen drei Pools vorgenommen werden, um zum Ziel zu gelangen: im

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Harms: Medieninformation

Pressearchiv und/oder in externen Datenbanken und in den Nachschlagewerken und Büchern der Bibliothek. Eine Untersuchung beim Südwestfunk ergab, daß in ca. 13 Prozent aller Auftragsrecherchen auch die Bibliothek zur Informationsfindung herangezogen werden mußte (Baden-Baden, 1988). Diese Zahl zeigt, daß ein organisatorischer und räumlicher Verbund der drei Pools sehr sinnvoll sein kann. Der Nutzen eines solchen Verbundes wird wieder im Rahmen von Online-Informationssystemen deutlich, die ebenso wie Nachrichtenagenturen oder digitalisierte Presseausschnitte Referenzen und Volltexte aus Büchern und Zeitschriften auswerten und damit den Endnutzern eine besonders valide Information zur Verfügung stellen. Die Bibliotheken leisten ebenso wie die übrigen Dokumentationsstellen ihren Beitrag zur aktiven Information, beispielsweise durch Verzeichnisse verschlagworteter Buchneuerscheinungen oder (Fach-)Aufsatzverzeichnisse, die auch den Partnerrundfunkanstalten zur Verfügung gestellt werden.

D 10.8

Historisches Archiv

Dieser Bereich, in nur wenigen Rundfunkanstalten eigenständiges Glied in der ABD-Kette, archiviert das meist aktenförmig vorliegende, vom Haus selbsterzeugte Schriftgut, das von der Aktenregistratur (als Zwischenarchiv) oder direkt von den Redaktionen und Verwaltungen übernommen wird. Das Material unterliegt in Teilen eindeutigen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Sobald oder soweit es frei wird, erfolgt eine Bewertung und Kassation. Das in das Historische Archiv auf Dauer übernommene Aktenmaterial wird archivisch verzeichnet und in besonderen Fällen auch fein erschlossen. Die Nutzung des Registraturguts erfolgt in der Regel durch die aktenabliefernden Stellen selber bzw. durch ihre Rechtsnachfolger und unterscheidet sich kaum von der Nutzung der Registraturen anderer Unternehmen. Das schließlich durch Bewertung in das Historische Archiv übernommene Schriftgut wird in den Rundfunkanstalten häufig von Redaktionen genutzt, die durch Korrespondenzen, Produktions- und Besetzungslisten, Manuskripte, Aktennotizen und dergleichen mehr Informationen über Einzelheiten und Zusammenhänge früherer Produktionen rekonstruieren und für neue Produktionen nutzbar machen. Häufig bietet das Historische Archiv einen Zugriffsweg auf bisher nicht dokumentierte, also anders nicht zu ermittelnde Hörfunk- oder Fernsehproduktionen. Kernaufgabe des Historischen Archivs ist jedoch die Bewahrung und Verfügbarmachung der schriftlichen Überlieferung der Rundfunkanstalt als Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten zur Rundfunkgeschichte. Mögliche Aufgaben des Historischen Archivs bestehen in der Archivierung von Fotomaterial und grafischem Material (z.B. Plakate) und sonstigen Realien zur Geschichte des Hauses. Publikationen des Hauses werden in eigenständigen Sammlungen geführt und dokumentiert. Fotos, am häufigsten Standfotos aus Fernsehproduktionen und Portraits von Schauspielern, Sprechern und Mitarbeitern, gehen mancherorts in Historische Bildarchive ein und werden dort personen- oder produktionsbezogen dokumentiert. Historische Bildarchive versorgen dann die Presse

D 10 Literatur

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(über die Pressestellen) mit Bildmaterial, liefern für Hauspublikationen zu und stellen Material für Ausstellungszwecke oder zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung.

D 10.9

Zusammenfassung

Es sollte deutlich werden, daß das System der Informationsauswertung im Rundfunk geprägt wird von -

der Vielfalt der Quellen der Heterogenität der Informationsträger der Breite abzudeckender Themen der Kürze der für Recherchen zur Verfügung stehenden Zeit der spezifischen Art der Informationsverwendung durch den Rundfunkjournalisten der wachsenden Professionalisierung der zunehmenden Vernetzung durch Online-Informationssysteme, die sich auf digitalisiert gespeicherte Information stützen - dem Vordringen von Endnutzerkonzepten.

Die Komplexität des Bereiches wird durch die Außenarchive noch erhöht, die jede Rundfunkanstalt in Landes- und Regionalstudios unterhält, und die im regen Austausch mit dem Zentralarchiv stehen. Diese Studios unterhalten u.U. eigene Fernseh-, Hörfunk- und Textarchive, jeweils zugeschnitten auf die speziellen Programmerfordernisse vor Ort. Es leuchtet ein, daß die Dokumentationsziele, -verfahren und -Instrumente dort, im Zentralarchiv und in den kooperierenden Archiven der Partneranstalten aufeinander abgestimmt sein müssen, und daß bei jeder technischen Innovation Verträglichkeits- und Kommunikationsfragen zu berücksichtigen sind. Diese Verhältnisse erfordern mehr Kooperation im eigenen Haus und mit den Partneranstalten, eine integrierte Archivorganisation und immer dringlicher, wegen des wachsenden Kostendrucks und wegen der Ausbreitung von Computertechniken, ein leistungsfähiges (Informations-)Management. Sie erfordern aber auch eine Nachwuchsausbildung, die dem einschlägigen dokumentarischen Handwerkszeug Kenntnisse auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und im Bereich der Programmherstellung hinzufügt, sowie eine betriebliche Weiterbildung, die ABD-Mitarbeiter befähigt, auch in Zukunft den schwierigen technologischen und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen der Informationsauswertung im Rundfunk gerecht werden zu können. Literatur 01. Abraham, Wolfgang Α.: Der schnelle Dokumentär - Lean Management im Pressearchiv. In: Info 7 (1994) H. 2, S. 95-98 02. Angermeyer, Hans Christoph: Die Einführung von Informations-Management - eine Führungsaufgabe. In: Z f O (1993) H. 4, S. 235-241 03. Birtel, Wolfgang: Bewertung und Kassation von Musiktonträgern in einer Fernsehanstalt. In: Lange, Eckhard (Hrsg.), a.a.O., S. 158-167

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H a n n s : Medieninfonnation

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D 10 Literatur

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Information als Ressource in der Kreditwirtschaft Norbert Walter

Das Management im Unternehmen wird heute zunehmend gemessen an seiner Problemlösungskompetenz. Diese Kompetenz wird aber nur dann optimal wahrgenommen, wenn sich die Entscheidungen des Managements auf zutreffende Informationen stützen. Und daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung des Managements für Informationen. Einerseits die Verantwortung für die Informationen, die man selbst benötigt und andererseits die Verantwortung für die Informationen, die man an andere weitergeben sollte. Die Forderung an das Management zur Übernahme für Informationsverantwortung spiegelt den gesamtgesellschaftlichen Wandel wieder, wie er sich heute vollzieht. Unsere Zeit ist geprägt von einer Verkürzung der Innovationszyklen bei gleichzeitig steigendem Wettbewerbsdruck auf internationaler Ebene. Der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens liegt zunehmend in seiner Innovationskraft begründet. Zwischen Information und Innovation wiederum besteht ein untrennbarer Zusammenhang: Information ist nicht nur die Basis jeder geschäftlichen Aktivität, sondern auch jeder geplanten Neuentwicklung. Kurz, wir befinden uns auf dem Weg vom Industriezeitalter zur Ära der Information.

D 11.1

Information und Dokumentation im Kreditwesen

Traditionell benötigen Kreditinstitute zur Ausübung ihrer Funktion Informationen über Geschäftspartner, Branchen und Länder, über Wirtschaft und Politik. Der Bandbreite der Themen sowie dem Detail- bzw. Aggregationsgrad der Informationen sind keine Grenzen gesetzt. Realtime Informationen für Anlageentscheidungen gehören ebenso dazu wie historische Daten von Volkswirtschaften und Branchen zur Berechnung von Trends. Die Vorbereitung von Kreditvergaben an Individuen, Unternehmen oder gar Länder erfordert - sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Sinne - den größten Aufwand. Dies beginnt bei der Finanzauskunft über die Bonität eines potentiellen Kunden oder bei den Brancheninformationen zur Beurteilung eines Kreditrisikos und reicht bis hin zu Informationen über die wirtschaftliche und politische Lage eines Landes, die Einfluß auf ein Engagement haben können. Dem Trend in angelsächsischen Ländern folgend, hatten Banken in der Bundesrepublik seit Beginn der 80er Jahre verstärkt begonnen, Informationsbestände zu zentralisieren und Know-how für den professionellen Umgang mit Information aufzubauen. Bei der Mehrzahl der Institute entstanden eigene Kapazitäten in Form von Informations- und Dokumentationsstellen. Der personelle und technische Ausstattungsgrad war jedoch sehr unterschiedlich. Organisatorisch wurden diese Stellen in der Regel direkt dem Vorstand zugeordnet oder der Volkswirtschaftlichen Abteilung, da beide Bereiche zu dieser Zeit als Hauptabnehmer von Informationsleistungen galten. In diesen Stellen wurden Pressedokumentationen aufgebaut,

D 11.1 Information und Dokumentation im Kreditwesen

609

Zeitschriften abonniert und oft auch Buchbestände etabliert. Die Kosten für diese Informationsbestände schlugen als Managementkosten zu Buche. Man schaffte Synergieeffekte, in dem man die beständige Informationssuche und -beschaffung bei Dritten abbaute und mehrfach und rascher auf die nun intern vorhandenen Materialien Zugriff; gleichzeitig bedeutete dies Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Der so entstandene Informationsfluß sicherte - wenn nicht quantitativ nachgewiesene, so doch qualitativ deutlich spürbare - Wettbewerbsvorteile und vor allem auch Informationsautonomie. Sicherlich spielten auch Prestigegründe eine gewisse Rolle bei der Entscheidung der Unternehmensführung, eigene Informationsstellen aufzubauen.

D 11.1.1

Banken und Information Brokering

Das Konzept der Allfinanz hat ein Jahrzehnt lang die Produktausrichtung der Banken bestimmt. Unter diesem Konzept war natürlich auch die Ausweitung der Dienstleistungen in das Informationsgeschäft hinein naheliegend. Mitte der 80er Jahre begannen die Kreditinstitute im deutschsprachigen Raum, ihre intern vorhandenen Informationsstellen - und hier insbesondere die Informationsvermittlungskapazitäten - ihren Kunden verfügbar zu machen: man fing an, sich im Information Brokering zu betätigen. Die Basis für einen solchen Service schaffte, wie bereits erwähnt, die Tatsache, daß Banken traditionell einen Pool für wirtschaftliche Informationen aller Art bildeten. Informationen über Branchen, Unternehmen und Länder, über Gesetze, Politik und Tagesgeschehen, alle haben Einfluß auf Geschäftsentscheidungen einer Bank. Kein anderer Unternehmenstyp muß mit soviel verschiedenartigen Informationen arbeiten wie Kreditinstitute. Die erworbenen Erfahrungen im effizienten Umgang mit Informationen, wie Speicherung, Verarbeitung und Weiterleitung, verliehen Kreditinstituten eine besondere Kompetenz im Informationsgeschäft. Was waren aber die Gründe der Banken, eine zwar intern erforderliche, aber nicht zur traditionellen Palette der Bankdienstleistungen zählende Serviceleistimg auch ihren Kunden anzubieten? Anlaß für den Start in das Informationsvermittlungsgeschäft war zunächst einmal der - insbesondere von Firmenkunden - zunehmend geäußerte Wunsch nach Information von der Hausbank. Schon bald realisierte man, daß dieser neue Service das Potential bietet, Kundenbeziehungen zu intensivieren bzw. Neukunden zu akquirieren. Durch die Einbindung der Kundenbetreuer vor Ort bei der Distribution des Informationsvermitthingsservices ergab sich gleichzeitig ein Cross Selling Potential für die orginären Bankdienstleistungen. Und die Bereicherung der Leistungspalette der Bank hat zum Imagegewinn des Instituts beigetragen. Für die - früher ausschließlich nach innen tätige - Informationsstelle beinhaltete die externe Vermittlertätigkeit überdies die Chance, die technisch-methodische Kompetenz, das Knowhow zu vergrößern und den internen Stellenwert auch durch finanzielle Einkünfte von dritter Seite zu steigern. Insbesondere der letzte Aspekt hat in den letzten Jahren - durch den Zwang zu gesteigertem Kostenbewußtsein - an Bedeutung gewonnen und die Entwicklung hin zum Information Brokering verstärkt.

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Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

Das Erscheinungsbild vieler Informationsvermittlungsstellen hat sich dieser Entwicklung bereits angepaßt. Besonderer Bedeutung fällt heute einer kundenorientierten, professionellen Arbeitsweise zu. Das beinhaltet die Implementierung eines effektiven Qualitäts- und Beschwerdemanagements und die Verwendung von betriebswirtschaftlichen Standards, wie z.B. die intensive Ausgestaltung des Marketingmix. Zudem muß es zu einer merklichen Steigerung der Produktivität durch den Einsatz moderner Technologien in Produktion und Verwaltung kommen. Das Ziel ist eine tiefgreifende Imageveränderung: von der Servicestelle zum Dienstleister, vom Archivar zum Informationsspezialisten und von der Informationsvermittlungsstelle zum Center of Competence in Sachen Information.

D 11.1.2

Informationsring Kreditwirtschaft (IK) e.V.

Besondere Bedeutung für die Entwicklung des Informationswesens in der Kreditwirtschaft hat die Arbeitsgemeinschaft Informationsring Kreditwirtschaft. Ende der 60er Jahre entstanden die ersten Bestrebungen, die lockeren, bilateralen Kontakte zwischen einzelnen Dokumentaren und Bibliothekaren Frankfurter Banken zu festigen. Am Anfang stand der Erfahrungsaustausch im Vordergrund, erst später, trotz Wettbewerbsbedenken, auch Kooperation und Arbeitsteilung. Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit entschloß man sich Ende der 70er Jahre einen institutionell organisierten Rahmen für einen Informationsverbund deutscher Kreditinstitute zu schaffen. Unter dem Namen „Dokumentationsring Kreditwirtschaft (DK)" firmierte die Arbeitsgemeinschaft, bis 1987 der „Informationsring Kreditwirtschaft" gegründet wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als 35 Banken aus Deutschland, Schweiz, Österreich und Liechtenstein Mitglied. Die Ziele und Aufgaben des IK haben sich im Laufe der Jahre an die Entwicklungen - insbesondere im technischen Bereich des Informationswesens - angepaßt. Neben dem praktischen Erfahrungsaustausch und der direkten Arbeitsteilung geht es heute um den Aufbau und Betrieb von gemeinsamen Informationseinrichtungen, wie z.B. die MIND Datenbank, die Aus- und Fortbildung von IuD Mitarbeitern sowie die Behandlung grundsätzlicher Fragen des Informationswesens.

D 11.2

Entwicklung von Infonnationskapazitäten bei der Deutschen Bank

In der Deutschen Bank begannen Anfang der 80er Jahre die Planungen für eine Integration der vielen nebeneinander geführten Wissensbestände in der Zentrale zu einem gemeinsamen Fundus. Es wurde eine zentrale Informations- und Dokumentationsstelle „ZID" geschaffen, die die Archive der Volkswirtschaftlichen Abteilung, insbesondere die Branchen- und Länderarchive, als Grundstock übernahm. Ziel dieser Abteilung war es, die Mitarbeiter des Deutsche Bank-Konzerns mit Fachinformationen zu versorgen und damit einen Beitrag zu den geschäftspolitischen Zielen des Hauses zu leisten.

D 11.2 Entwicklung von Informationskapazitäten bei der Deutschen Bank

611

Parallel zu diesen Entwicklungen und den Leistungen der ZID entwickelte man im Geschäftsbereich Firmenkunden einen Informationsvermittlungsservice, der unter dem Namen „db-data" seit 1986 angeboten wurde. Im Rahmen von db-data wurden Datenbankrecherchen, vorwiegend für die mittelständische Firmenkundschaft, durchgeführt. Aufgrund von Aufgabenüberschneidungen begann man gegen Ende der 80er Jahre, beide Gruppen zu einem Jointventure zusammenzuführen. Anfang 1991 wurden sie endgültig integriert, um damit Synergieeffekte zu erzielen, das interne Know-how zu vergrößern und Unklarheiten bei der Zuständigkeit zu vermeiden. Die ZID, heute „Information und Dokumentation", war nun Ansprechpartner für Mitarbeiter des Deutschen Bank-Konzerns und für Externe - Kunden wie Nichtkunden - gleichermaßen. So begann die Emanzipation des Information Brokering als eigenständige Bankdienstleistung. Anfangs waren die Informationsdienstleistungen ohne Kostenübertragung an die Nutzer - intern wie extern - abgegeben worden. Später wurden zumindest Fremdkosten dem Anfrager zugewiesen. Heute werden alle Informationsdienstleistungen - vom Presse Clipping bis zur umfangreichen Datenbankrecherche - zu Marktpreisen an die Kunden abgegeben. Dies gilt für die externe Klientel ebenso wie für die Mitarbeiter der Deutschen Bank.

D 11.2.1

Operative Information versus Research-Information

Die Fähigkeit, mit Informationen umzugehen, bestimmt in zunehmendem Maß den Unternehmenserfolg. Dies gilt in besonderer Weise für ein Unternehmen, dessen Geschäftszweck die Wirtschafts- und Finanzanalyse ist und dessen Produkte im Kern wiederum nichts anderes als veredelte und für den Kunden maßgeschneiderte Informationen sind. W e jedes Unternehmen benötigt die DB Research die für den Geschäftsverlauf notwendigen operativen Informationen: Daten für das Rechnungswesen, Personalinformationen, Bonitäts- und Kreditauskünfte über Kunden, Kundeninteressen, Mitbewerber etc. Hinzu kommen, als Grundlage der Arbeit der Analysten, die researchspezifischen Informationen. Dies sind Sekundärinformationen zu den Themen und Fragestellungen, die aktuell in der Bearbeitung stehen. Die Research-Informationen entstammen Zeitungen und Zeitschriften, wissenschaftlichen Studien, Kommentaren, Konferenzen, Datenbanken, natürlich auch persönlichen Gesprächen. Hinzu kommen in letzter Zeit Informationen, die aus den neuen Medien, wie z.B. dem Internet oder Online-Diensten gewonnen werden können.

D 11.2.2

Informationspraxis bei Dentsche Bank Research

Es sind die Research-Informationen, die die Gruppe Information und Dokumentation (IuD) beschafft, verarbeitet, organisiert, speichert und vermittelt. Die intern verfügbaren Informationsbestände werden gemäß dem Bedarf der Nutzer laufend aktualisiert und ergänzt. Es steht sowohl Text- als auch numerische Information zur Verfügung. Thematische Schwerpunkte sind Kreditwirtschaft, Volkswirtschaft, Finanzmärkte, Wirtschaftspolitik, Branchen und Unternehmen. Externe Quellen und

612

Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

Spezialisten müssen dann herangezogen werden, wenn ein Informationswunsch einmal den intern vorgegebenen Themenrahmen sprengt: In diesen Fällen recherchieren die Informationsspezialisten in Online- und CD-ROM-Datenbanken. Oder sie starten eine telefonische Direktrecherche, indem sie Experten bei Forschungsinstituten und Universitäten, Verbänden, Ministerien, Statistischen Ämtern etc. befragen. Um eine Informationsanfrage zu beantworten, wird notfalls auch ein anderer Informationsbroker eingeschaltet, wenn dieser über besondere Erfahrung auf dem entsprechen Gebiet verfügt. Bei der Nutzung der im Hause physisch vorhandenen Sekundärinformationen haben die Mitarbeiter bei Deutsche Bank Research die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Viele Analysten geben dem „Browsing", dem Stöbern in Pressematerialien und Zeitschriften, den Vorzug vor dem Rechercheauftrag an die Informationsspezialisten. Andere Kunden des db-data Informations-Services können einen Informationswunsch persönlich, schriftlich, telefonisch, per Fax, Email oder mittels hausinterner Email an IuD richten: Mitarbeiter der Deutsche Bank Gruppe weltweit sind die wichtigste Nutzergruppe. Bei den Kunden der Bank ist es besonders die mittelständische Firmenkundschaft, die aufgrund mangelnder eigener Informationskapazitäten den db-data Service nutzt. Aber auch Großunternehmen und die interessierte Öffentlichkeit nutzen die Möglichkeit, Zugriff auf den Deutsche Bank Research-Informationsfundus zu nehmen. Zur Bearbeitung einer individuellen Kundenanfrage können in der Regel keine vorgefertigten Lösungsmechanismen eingesetzt werden. Eine Recherche ist meist aufwendiger und folgerichtig auch teurer. Jedoch ist nur ein kleiner Teil des kundenseitigen Informationsbedarfs so komplex. Um in diesem Sinne die Herstellung von Dienstleistungen produktiver zu machen und um Zugangsbarrieren für Erstkunden zu senken, wird versucht, Dienste bzw. Produkte in standardisierter, vorbereiteter Form anzubieten. Vorläufiger Abschluß dieser Produktentwicklung ist die monatliche Produktion von Dokumentationen zu verschiedenen aktuellen Themen aus Wirtschaft, Politik, über Branchen, Märkte oder Länder. Information ist nicht nur Holschuld, sondern auch Bringschuld; daher werden verstärkt Monitor- und Profildienste für Kunden angeboten. Dieses aktive Vorgehen schafft neben Folgeaufträgen auch eine engere Kundenbindung.

D 11.2.3

IuD als Katalysator für die Prodnktion von Mehrwert

Eine der ersten Aufgaben von IuD ist es, die Mitarbeiter im Haus von Deutsche Bank Research informatorisch in ihrer Arbeit zu unterstützen, z.B. durch das Angebot eines täglichen Presse Monitors. Hinzu kommt das Ziel, die internen Informationsbestände, den Zugriff auf externe Quellen und das bei den Informationsspezialisten vorhandene Know-how nach außen zu vermarkten: der db-data Informations-Service ist hierbei die Basis in der Produktpalette von Deutsche Bank Research. Aber man muß auch über die Informationsvermittlung hinaus an den Mehrwert denken. Die Informationsarbeit, die IuD auf der Ebene Sekundärinformation leistet, ist die Grundlage für die Produktion von Mehrwert in Form von Primärinformation, dem Research. Die Vielzahl von Publikationen und individuellen Bera-

D 11.3 Informationsdefizite durch Kommunikationsbarrieren

613

tungsleistungen von Deutsche Bank Research - Analysen, Prognosen, Consulting, Anlageempfehlungen - kann weder der Qualität noch der Menge nach ohne die bei IuD recherchierten, gesammelten und aktiv angebotenen Informationen produziert werden. Aber auch die Researchergebnisse stellen selbst nicht das Ziel, sondern die nächsthöhere Stufe im Prozeß der Wertschöpfung dar. Sie sind Handlungsmotivation und Entscheidungsgrundlage und müssen dem Anwender auch mitgeteilt werden, um das Instrument Research zum Einsatz zu bringen. Wenn man ein koordiniertes Informationsmanagement anstrebt, so muß man neben der Dimension Information und Kommunikation innerhalb von Deutsche Bank Research auch die Informationsströme zwischen Deutsche Bank Research und seiner Außenwelt mit einbeziehen.

D 11.2.4

Zusammenarbeit

Das Gros der in einem Unternehmen benötigten Informationen wird im Unternehmen selbst erarbeitet bzw. liegt intern bereits vor. Sind die entsprechenden informationslogistischen Ressourcen vorhanden, so kann manches innerhalb des Hauses sehr viel schneller und kostengünstiger ermittelt werden als extern. Bei Deutsche Bank Research selbst sind es die Analysten mit ihren jeweiligen Spezialgebieten, die im Bedarfsfall gebeten werden, mit ihrem Know-how auch in der Informationsvermittlung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Im größeren Rahmen der Deutsche Bank AG betrachtet, zählen die Mitarbeiter vieler Fachabteilungen, Tochtergesellschaften und beteiligter Unternehmen im In- und Ausland zu den „informationsreichen" Abteilungen. Das bedeutet, daß dort große Mengen an Informationen umgeschlagen, verarbeitet, benötigt und bisweilen auch erzeugt werden. Auch Stabsabteilungen wie Presse- und Werbeabteilung, in denen hausintern Informationspools vorhanden sind, sind wichtige Ansprechpartner im Informationssystem Deutsche Bank.

D 11.3

Informationsdefizlte durch Kommnnikationsbarrieren

Genau wie in der Gesellschaft gibt es aber auch in einem Unternehmen immer eine ganze Anzahl von Barrieren, die Kommunikation behindern und den Dialog unmöglich machen. Dazu gehören: • Die Kommunikation kann durch das Vorhandensein unterschiedlicher Muttersprachen und Kulturen der Mitarbeiter einerseits und einem Mangel an Sprachkenntnissen andererseits behindert werden. Ein Problem, das sich in den letzten Jahren durch die fortschreitende Internationalisierung im Bankenbereich verstärkt bemerkbar gemacht hat. • In einem traditionell geführten Großunternehmen mit ausgeprägten Hierarchien - dazu gehören auch Kreditinstitute - besteht die Gefahr, daß zwischen den einzelnen hierarchischen Ebenen nur eingeschränkt kommuniziert wird. Diese Mauer wirkt sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben.

614

Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

• Ressortegoismen können entstehen; untereinander konkurrierende Gruppen können willkürlich den Umgang mit Informationen beeinflussen und eine Blokkadepolitik betreiben. • Das Übermaß an Information, das täglich auf die Mitarbeiter einstürzt, kann nicht oder nicht zeitgerecht aufgenommen und verarbeitet werden. • Heute werden technische Hilfsmittel eingesetzt, um miteinander zu kommunizieren. Aber noch immer hegen viele Menschen ein gewisses Maß an Technikangst und geben trotz Allgegenwärtigkeit von Computern und Bürokommunikationstechnik der persönlichen Kommunikation gegenüber der technisch unterstützen den Vorzug.

D 11.4

Problemfeld Kosten und Nutzen von Informationen

Die Tatsache, daß Informationsdefizite betriebswirtschaftlich eher zu Buche schlagen als Informationserfolge, zählt zu den Besonderheiten des Gutes Information. Den relativ hohen laufenden Kosten für die Beschaffung und Weiterverarbeitung der Information, die Produktion von Research sowie deren Vermittlung steht der nur schwer quantifizierbare Nutzen gegenüber. Erschwert wird diese Situation durch die mangelnde Wertschätzung von Informationen in unserer Gesellschaft. Man hat es mit einem Paradoxon zu tun: Einerseits hält man an alten Traditionen fest, nach denen eine Information nichts kosten soll. Information Broker machen in der Bundesrepublik, anders als in den USA oder in Japan, weiterhin die Erfahrung, daß kostenpflichtige Informationsdienstleistungen nur langsam Akzeptanz finden. Dabei macht man mit dem Argument, man könne sich Informationen selbst kostenfrei beschaffen, einmal mehr eine „Milchmädchenrechnung" auf. Mindestens Telekommunikations- oder Portogebühren, Kopierkosten und Personalkosten fallen in der Regel an bei der Suche nach intern vorhandener oder extern zu beschaffender Information. Und der Informationsbeschaffungsaufwand ist für den Laien höher als für den Informationsspezialisten. Andererseits ist in unserer Gesellschaft Wertschätzung allzu häufig an ein Preisschild gebunden: „Was nichts kostet, kann auch nichts wert sein."

D 11.5

Computer als unerläßliches Hilfsmittel im Informationswesen

Unbestritten ist, daß Informationsleistung heute nicht ohne die elektronische Datenverarbeitung erbracht werden kann. Ein modernes Informationsmanagement wäre ohne den Einsatz vernetzter Computer und elektronischer Speichermedien nicht möglich. Sie erlauben uns, riesige Datenmengen zu speichern und zu transportieren. Aus den so verarbeiteten Daten werden aber erst mit der subjektiven Wertzuweisung Informationen. Die bloße Sammlung und Verteilung von Daten macht noch kein Informationsmanagement aus, wie Abteilungsbezeichnungen oft suggerieren. Aufbereitung und Analyse machen den Unterschied, mit der die EDV chronisch überfordert ist. Im Gegenteil, Computer erhöhen den Vorrat an Daten gewal-

D 11.6 Informationsmanagement und Unternehmenskultur

615

tig und tragen damit zur Wissensflut bei; sie lösen aber nicht die Informationsprobleme. Die neuen Kommunikationsmedien, namentlich das Internet, führen uns diese Problematik tagtäglich vor Augen. Information und Kommunikation sind im Kern strategische und organisatorische Aufgaben - erst nachrangig werden daraus EDV-technische Problemstellungen. Die Verantwortung für die Technik wird heute zunehmend nach dem Prinzip des Outsourcing Dienstleistern außerhalb des Unternehmens überlassen. Das Informationsmanagement im Sinne der optimalen Organisation von Informationsflüssen im Unternehmen sowie der Übernahme von Verantwortung für die Ressource Information aber ist dagegen eine genuine Managementaufgabe.

D 11.6

Informationsmanagement und Unternehmenskultur

Ansatz und Stil im Informationsmanagement sind unmittelbar Ausdruck der Unternehmenskultur. Nach einer Definition des Instituts der Deutschen Wirtschaft ist Untemehmenskultur „ein Gefüge von Normen, Werten, Verhaltens- und Arbeitsweisen, das die betriebsinternen Strukturen, Abläufe und Entscheidungen auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen, der Technik und des Produkts bestimmt". Sie spiegelt sich in den Grundsätzen der Geschäftspolitik bis hin zu den Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Und sie betrifft das Verantwortungsbewußtsein, das Engagement, die Kreativität sowie die Loyalität der Mitarbeiter dem Unternehmen gegenüber. Einfluß auf die Unternehmenskultur haben zum Beispiel Unternehmensstruktur und -führung: Werte und Handlungsmaximen werden nur dann von den Mitarbeitern akzeptiert, wenn sie sich auch im Verhalten der Manager wiederfinden. Zwischen innerbetrieblicher Information und Kommunikation zum einen und der Kultur des Unternehmens zum anderen besteht ein untrennbarer Bezug. Kultur beruht auf Kommunikation. Kommunikation benötigt eine offene, eine dialogische Unternehmenskultur. Innerbetriebliche Informations- und Kommunikationsdefizite können zu einem Mangel an Motivation und Identifikation, zu allgemeiner Gleichgültigkeit und Mißstimmung führen. Ohne zeitgemäße Führungs- und Kommunikationsstrukturen entsteht keine Motivation, Mehrwert zu erarbeiten. Beide Faktoren, Kommunikation und Untemehmenskultur, werden heute schon als immaterielles Kapital bezeichnet. Untemehmenskultur aber ist gestaltbar. Zivilcourage der Mitarbeiter und Führungsverantwortung der Unternehmensführung sind Vorausbedingungen, Informationen zu optimieren und Kommunikation materiell zu gewährleisten. Damit entsteht Untemehmenskultur. Informations- und Kommunikationsprozesse sind soziale Prozesse. Untersuchungen zum Informationsverhalten z.B. von mittelständischen Unternehmen zeigen immer wieder, daß persönliche Kontakte der unpersönlichen Informationsquelle Datenbanken und sogar Printmedien vorgezogen werden. Es ist die aktive, operative Rolle der Menschen, die die Qualität von Information und Kommunikation bestimmt. Und Qualität und Effizienz von Informationsarbeit steht und fällt mit der kommunikativen Kompetenz der Informationsproduzenten und -vermittler.

616

D 11.7

Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

Perspektiven

Die Zukunft des Informationsmanagements und der Informationsvermittlung in Kreditinstituten wird offensichtlich von vielen Einflußgrößen bestimmt werden: • In bestimmten Bereichen erfolgt durch Einsatz vereinfachter Recherchesysteme eine Zunahme des End-User-Retrievals und somit ein Übergang von der Recherche zur Beratung und Schulung des Kunden. Für den Informationsvermittler bedeutet dies eine Verlagerung von Aufgabenschwerpunkten und eine Ausweitung seiner Qualifikation. • Information entwickelt sich zunehmend von der Holschuld zur Bringschuld, denn eine aktive Informationsversorgung kann einen größeren Beitrag zum Research leisten. Information wird künftig weniger häufig auf Einzelanforderung weitergegeben werden. Sie soll zu dem Zeitpunkt, wenn sie erstmals vorliegt, auf ihre Relevanz überprüft werden und an die potentiellen Nutzer weitergegeben werden. Umgekehrt wird die Informationsweitergabe auch vom Mitarbeiter in der Fachabteilung zum Informationsspezialisten selbstverständlich werden. Notwendig ist eine Zweibahnstraße, ein Dialog. • Die Qualität der Informationsarbeit wird zunehmend wichtiger: die richtige Information soll zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Qualität in diesem Sinne meint also die Ausrichtung des Informationsservice auf die Bedürfnisse der Kunden. Dies beginnt bei der einheitlichen Darstellung von Informationsprodukten und endet bei Bewertungssystemen zur Kontrolle inhaltlicher Qualität von Recherchen. Total Quality Management wird auch beim Informationsmanagement Einzug halten. • Mit der Qualität geht auch die Flexibilität des Informationsservice einher. Informationsdienstleistungen können in der Regel nur zu einem geringen Teil standardisiert werden. Sie müssen sich an den Interessen, Erwartungen und Wissenbeständen derer orientieren, die informiert werden wollen und auf die Information wirken soll. Unumgänglich sind maßgeschneiderte Informationsproblemlösungen. Dazu muß zunächst exakt der Bedarf ermittelt werden. • Nötig ist daher ein Feedback. Es ermöglicht die Kontrolle und die Optimierung der Qualität von Information und Kommunikation. Innerhalb der Bank sollte eine solche Bewertung zu einer selbstverständlichen Einrichtung werden. Bei externen Kunden bieten sich Instrumente wie Fragebögen oder Telefoninterviews an. Die Implementierung eines effizienten Beschwerdemanagements ist wesentlich. • Die Aktualität in der Informationsvermittlung ist seit langem ein Schwerpunktthema und wird es auch künftig sein. Eine verspätete Information ist im Grunde gar keine Information, da sie keine Veränderung mehr bewirkt. Das Informationsmanagement muß für eine möglichst zeitnahe Produktion und für prompten Zugang zu relevanter Information sorgen. Für eine Informationsvermittlungsstelle ist die Aktualität und schnelle Lieferung von Informationen ein wichtiges Verkaufsargument. Dies gilt insbesondere für Informationen, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. • Bedarfsgerechte Informationsversorgung heißt auch sachgerechte und ansprechende Form der Präsentation. Die Wahl des Formats, z.B. Text, Grafiken oder

D 11.7 Perspektiven











617

Tabellen, hängt unter anderem vom kognitiven Vermögen des Kunden ab. Menschen haben unterschiedliche Lern- und Betrachtungsweisen, die, wenn möglich, berücksichtigt werden sollten. Um trotz der Informationsflut eine Zielgruppe gezielt und effektiv zu informieren, muß man der Form der Kommunikation, der Übermittlung von Information, stärkere Beachtung schenken. Informationsmarketing und Public Relations sind ein Schlüsselelement auf dem Wege zum koordinierten Informationsmanagement. Marketing, „to manage demand", konzentriert sich auf den Verkauf von Leistungen. Public Relation, „to manage image", zielt ab auf das Meinungsbild und die Einstellung der Kunden, der Öffentlichkeit und der eigenen Mitarbeiter. Beide Funktionen haben viele Facetten und können nicht klar voneinander getrennt werden. Der Marketingplan mit Zielsetzung und Teilzielen, Identifikation von Zielgruppen und deren Bedürfnissen, Konzeption von Produkten und Services und schließlich deren Vermarktung intern wie extern steht im Mittelpunkt des Marketingmix. In den letzten Jahren steigt die Zahl der Informationsvermittlungsstellen, die am Markt anbieten und andere, „neue" Informationsdienstleister, die spezifische Nischenprodukte bereitstellen, wie z.B. elektronische Zeitungsausschnittsdienste. Neben der bekannten Tendenz zum Abbau von innerbetrieblichen Informationsvermittlungsstellen, gibt es offensichtlich auch die Flucht nach vorn, d.h. in den Markt. Trotz Internet und Datenautobahn sind viele Informationen, insbesondere von öffentlichen Institutionen oder Wirtschaftsverbänden, nicht mehr ohne Entgelt zu haben. Die Möglichkeit durch telefonische Recherche schnell und günstig an Informationen zu gelangen, wird eingeschränkt. Eine weitere Ursache für die Erhöhung der Endpreise. Das gewaltige Aufkommen neuer Technologien ermöglicht die Erschließung neuer, potentieller Informationsquellen und die Chance neue Informationsprodukte zu entwerfen und zu vermarkten. Andererseits bedeutet dies für den Vermittler, daß solche Systeme erforscht, bewertet und ggf. erlernt werden müssen. Dieser Erschließungsaufwand ist zwar notwendig, aber nicht immer am Ende auch produktiv.

D 11.7.1

Schweipunkt Added Value

Schwerpunkt Added Value meint die Bewußtseinsbildung bei Entscheidungsträgern, bei Kunden und bei Informationsspezialisten, daß Information, Informationsaufbereitung und Research unverzichtbare Elemente in der Wertschöpfungskette sind. Ausgehend vom Informationsproblem wird mit jedem Bearbeitungsschritt über Formulierung und Darstellung des Problems, die Umsetzung in Recherchestrategien, Recherche, Ergebnisaufbereitung und abschließende Umsetzung und somit Problemlösung ein Wertzuwachs geschaffen. Aus Daten werden Informationen. Aus Informationen wird Wissen. Für die Informationsarbeit bedeutet dies die Hinwendung zu besserer Aufbereitung von Information, zu Spezialisierung und Flexibilität, zu optimalem Service und zur Informationsberatung.

618

D 11.7.2

Walter: Information als Ressource in der Kreditwirtschaft

Von InD zum Information Clearinghouse

Die Funktionen von Deutsche Bank Research bezüglich Information sind vielfältig. Die Analysten sind Jäger und Sammler, Systematisierer und Filter, Transporteure und Verteiler. Die Rolle des Informationsmanagement ist die des Gatekeepers beim Import und Export von Information, des Filters für relevante Information und des Initiators der Produktion von „mehrwerthaltiger" Information. Informationsspezialisten müssen Entdecker zukünftig relevanter Themen sein und als „Frühwarnsystem" für neue Entwicklungen fungieren. Das voll entwickelte Informationsmanagement koordiniert Informationsströme innerhalb des Unternehmens und zu seiner Außenwelt. Es wirkt sich positiv auf die Unternehmenskultur aus, indem es die Kommunikation fördert. Es sorgt für ein stärkeres Wechselspiel zwischen Primärund Sekundärresearch und für die effektive und effiziente Übermittlung und erfolgreiche Anwendung von Researchergebnissen: Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs. Die Gruppe Information und Dokumentation bei Deutsche Bank Research ist der Nukleus eines Information Clearinghouse, das die oben beschriebenen Funktionen erfüllt. Der Schlüssel für die Weiterentwicklung von IuD zum Information Clearinghouse ist ein Bewußtseinswandel bei Geschäftsleitung, Analysten, Informationsspezialisten und Nutzern. Entscheidungsträger müssen erkennen, daß der Umgang mit Information eine Managementaufgabe ist. Die Geschäftsleitung muß um den Wert eines effektiven Informationsmanagements wissen und dessen Entwicklung durch das Anstoßen entsprechender Denkvorgänge ermöglichen. Personalpolitik gewinnt angesichts der Bedeutung der Human Resources im Informationsmanagement neue Relevanz. Informationsspezialisten müssen Information als Bindeglied begreifen, müssen versuchen, in Eigeninitiative zu erkennen, wer im Unternehmen welche Informationen benötigt und wer sie besitzt bzw. wo sich geeignete Informationsquellen befinden sie benötigen informationslogistisches Wissen. Wichtig sind darüber hinaus Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und Problemlösungsfähigkeit. Das Information Clearinghouse erfordert Informationsstrategen, -praktiker und -marketers. Alle Mitarbeiter schließlich müssen sensibilisiert werden für die Relevanz und die Probleme des Informationsmanagements. Es zählt nicht nur, welche Information man selbst wann und in welcher Form benötigt. Man wird sich fragen müssen, was die Informationen des eigenen Bereichs für andere im Unternehmen bedeuten und welche Aktivitäten sie auslösen sollten. Die Übernahme von Informationsverantwortung auf allen Ebenen ist der Schlüssel für die Entstehung eines erfolgreichen Information Clearinghouse.

619

Ε

Informations- und Kommunikationstechnik

Ε1

Einleitung und Überblick

Dieses Hauptkapitel befaßt sich mit den wichtigsten Werkzeugen der Informationsarbeit: Hardware, Software und Netzen. Das heißt aber nicht, daß nur hier Aussagen zu technischen Konstrukten zu finden wären. Auch in vielen anderen Kapiteln wird auf die entsprechenden Entwicklungen hingewiesen. Und wie ein roter Faden zieht sich die Erkenntnis durch dieses Handbuch, daß neuartige technische Potentiale - Stichwort: Weltweite Vernetzung im Internet - für die Informationsarbeit zukünftig von großer Bedeutung sein werden. Ausdrücklich hingewiesen sei auf die folgenden Kapitel, in denen - wenn auch unter anderem Blickwinkel - auf technische Möglichkeiten und Entwicklungen eingegangen wird: —*• Speicherung (B 8) —» Wissensverarbeitung (B 9) —» Online-Dienste (C 3) Hypertext (C 7) CD-ROM (C 8) —» Bürokommunikation (C 9) —» Elektronisches Publizieren (C 10). Im Kapitel Computer-Hardware, Betriebssysteme (E 2) beschreibt und klassifiziert Klaus Löns die einzelnen Komponenten von Rechnersystemen, deren Peripherie sowie die zum Betrieb der Rechner erforderliche Grundsoftware. Willi Reinicke und Joachim Schwandt geben im nächsten Kapitel zur Software für Information und Dokumentation (E 3) nicht nur einen Überblick über Standardund allgemeine Anwendungsprogramme, sondern erläutern auch spezielle IuDSoftware wie beispielsweise Software zur Terminologiearbeit, für bibliothekarische Funktionen oder zur Telekommunikation mit Hosts. Gerhard Knorz vermittelt in Datenbank-Entwurfsmethoden (E 4) die Bedeutung und Funktionsweise von Datenbank-Managamentsystemen und widmet sich speziell den neueren Anwendungen der relationalen Datenbanken, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. In einem ausführlichen Beispiel wird die Konzeption und der Aufbau einer derartigen Datenbank dargestellt. Ein weiterer Abschnitt befaßt sich mit Ansätzen zur Datenmodellierung, insbesondere mit dem Entity-Relationship-Modell. Einem zunehmend wichtiger werdenden Teilbereich der Gestaltungsmerkmale von Programmen widmet sich Jürgen Krause in seinem Beitrag zur Softwareergonomie (E 5). Deutlich wird in seinen Ausführungen, daß die Entwicklung hin zu grafikorientierten Benutzungsoberflächen unumkehrbar ist und die Zeit der - gerade bei online-Datenbanken weit verbreiteten - traditionellen Kommandosprachen der Vergangenheit angehört. Gleichzeitig weist er auf die noch offenen Fragen bei der Gestaltung von Oberflächen bei multimedialen Informationssystemen hin. Das nächste Kapitel über Kommunikationsnetze und Datenkommunikation (E 6, Klaus Löns) beschreibt die Grundlagen der Datenübertragung mit Hinweisen auf

620 die entsprechenden Protokolle und Schnittstellen. Die einzelnen Möglichkeiten der Datenkommunikation über verschiedene öffentliche oder private Netze werden ausführlich erläutert. Abschließend werden die Internet-Protokolle und -Dienste angesprochen (zu Internet vgl. auch das Kapitel C 3 zu Online-Diensten). Erstmalig in diesem Handbuch findet sich ein Beitrag zur Informationstechnik für blinde und sehbehinderte Menschen (E 7, Anne Schwindling). Durch entsprechende Computerprogramme und Zusatzgeräte konnten blinden und sehgeschädigten Menschen neue Berufsfelder im dokumentarischen Bereich, in der Datenverarbeitung und in der Bürokommunikation eröffnet werden - auch zum Beispiel als Wissenschaftliche/r Dokumentar/in. Die Autorin weist darauf hin, daß die Entwicklung hin zu graphisch orientierten Oberflächen gerade für diese Menschen besondere Probleme aufwirft, die aber lösbar sind - unter der Voraussetzung, daß diese Probleme bei der Standardisierung und Software-Entwicklung auch beachtet werden.

621

Ε2

Computer-Hardware, Betriebssysteme Klaus Löns

Ε 2.1

Systematik der Darstellung

Die Leistung der Computer-Hardware hängt sehr stark von dem Betriebssystem ab, mit dem die Hardwarebetriebsmittel (Ressourcen) für den Endanwender erst nutzbar gemacht werden. Hardware (im folgenden als HW abgekürzt) und Betriebssystem (engl. Operating System, OS) können daher bezüglich der Leistungsmerkmale eines Computersystems nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Nachfolgend wird daher zunächst eine Klassifikation von Computersystemen vorgenommen, die dem aktuellen Stand der Technik (bezogen auf das Jahr 1996) entspricht. Bei der Erläuterung der Aufgaben und Leistungsmerkmale der HW-Komponenten moderner Computersysteme wird am Ende das jeweiligen Kapitels ein Ausblick auf die absehbare technische Weiterentwicklung für die ΗW-Komponente gegeben. Am Ende des Kapitels über Betriebssysteme wird auf den Entwicklungstrend für die OS hingewiesen.

Ε 2.2

Klassifikation von Computersystemen

Die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Computersysteme (= speicherprogrammierte digitale Verarbeitungsautomaten), welche die Basis für alle Formen computergestützter Anwendungen bilden, verläuft seit einer Dekade in Innovationszyklen, die in Quartalen gemessen werden. Unabhängig davon, wie und in welche Leistungsklasse ein Computersystem eingestuft wird, ist seine Lebensdauer als vermarktungsfähiges Hardwareprodukt auf ca. 8 Quartale (d.h. 2 Jahre) begrenzt. Dies bedeutet, daß die Produkte der Hersteller von Computer-Hardware spätestens nach 2 Jahren vollständig durch modernere Produkte mit signifikant gesteigerten Leistungswerten zu erheblich geringeren Preisen ersetzt werden. Die Entwicklung von Systemfamilien mit neuen Hardwarearchitekturmerkmalen nimmt nur noch einen Zeitraum von weniger als 4 Jahren in Anspruch, wobei die führenden Hersteller gleichzeitig an mehreren Nachfolgeprodukten arbeiten. Oberlagert mit den unterschiedlichen Systemarchitekturen verschiedener Hersteller und den spezifischen Anwendungsanforderungen ergibt sich daraus eine Situation, in der die Klassifizierung von Computersystemen in kleine, mittlere oder große Systeme keine globale Relevanz mehr besitzt und einer laufenden Revision bedarf. Die Leistungsfähigkeit von Computersystemen hängt grundsätzlich auch vom jeweiligen Einsatzbereich der Systeme ab. Ein 10 Mio. DM teurer Supercomputer ist z.B. für den Bereich der Textverarbeitung nicht signifikant leistungsfähiger als ein PC zum Preis von 3.000 DM. Vom Preis/Leistungs-Verhältnis her ist der PC daher für die Textverarbeitung das angemessene Werkzeug.

622

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

Für die nachfolgenden Ausführungen wird folgende Abgrenzung getroffen: - Personalcomputer (PC): Ein PC ist ein Einzelplatzsystem in dem Sinne, daß zu einer gegebenen Zeit immer nur eine Person interaktiv mit dem PC arbeiten kann, da das Betriebssystem den Simultanbetrieb mehrerer Bildschirme und Tastaturen nicht unterstützt. Diese Systeme kann man als „kleine" Systeme bezeichnen, obwohl sie selbst in der preiswertesten HW-Konfiguration für bestimmte Applikationen große Leistungen erbringen können. Typische Systeme dieser Klasse sind die auf Intel-Prozessoren basierenden Systeme mit dem Betriebssystem MS DOS/MS-Windows (MS ist eine Kurzbezeichnung für die Microsoft Corporation) sowie die auf Motorola- bzw. IBM-Prozessoren basierenden sogenannten Macintosh-Computer der Firma Apple Computer Inc. mit dem Betriebssystem MacOS. - Workstation (WS): Eine WS unterscheidet sich von einem PC primär dadurch, daß seine Ressourcen von einem Mehrplatz-Betriebssystem (engl. Multiuser OS) verwaltet werden. Das am weitesten verbreitete OS für Workstations ist Unix. Je nach Einsatzgebiet der WS kann die verwendete Hardwarekonfiguration sich wenig oder auch signifikant von der Konfiguration eines PC unterscheiden. - Mlttelldasse-System (engl. Midrange System): Diese Systemklasse stellt Mehrplatzsysteme mit herstellerspezifischen Multiuser-OS für kommerzielle Anwendungen dar. Sie zeichnet sich, im Vergleich zum Mainframe, durch eine geringere Leistung und einen entsprechend niedrigeren Preis aus. Diese Klasse von Computersystemen ist heute von den Leistungsmerkmalen her von den WS nicht mehr zu unterscheiden und wird preislich von den WS noch unterboten. Anmerkung: Der bis Mitte der 80er Jahre verwendete Begriff „Mittlere Datentechnik" hat nichts mit den Midrange-Systemen zu tun und bezieht sich auf kompakte Einplatzsysteme für kommerzielle Anwendungen. Diese Systeme wurden ab 1985 durch die viel preiswerteren PCs vollständig abgelöst! - Mainframe (MF): Dies ist die klassische, seit den 70er Jahren verwendete Bezeichnung für Großrechner. Diese wurden (bzw. werden) durch herstellerepezifische Mehrplatz-Betriebssysteme verwaltet und beanspruchten bis vor wenigen Jahren viel räumlichen Platz und ein großes Budget. Dafür boten sie eine hohe, von den Mittelklasse-Systemen nicht erreichte Speicherkapazität und Verarbeitungsleistung, speziell für kommerzielle Anwendungen. Heute werden, für bestimmte Einsatzgebiete, MF-Leistungen auch von vernetzten WS erreicht. Ein Endanwender kann heute an seinem Terminal kaum noch feststellen, ob er mit einem Mainframe, einem Midrange-System oder vernetzten Workstations (sogen. WS-Cluster) kommuniziert. - Supercomputer: Diese Bezeichnung wird seit Anfang der 60er Jahre für Höchstleistungsrechner im technisch-wissenschaftlichen Anwendungsbereich (z.B. Nuklearphysik, Aerodynamik, Wettervorhersage, Bildverarbeitung usw.) verwendet. Während bis Ende der 80er Jahre ein Supercomputer durch eine zentrale Systemarchitektur realisiert wurde, ist ein erheblicher Prozentsatz der heutigen Supercomputer durch Workstation-Cluster oder sogen. Massiv Parallele Prozessoren systemtechnisch realisiert. Auf die Architektur dieser Systeme, die speziell im Bereich der Computer-Animation und der Lösung von Simulationsaufgaben erfolgreich eingesetzt werden, wird später noch eingegangen.

Ε 2.3 Computer-Hardware

Ε 2.3

Computer-Hardware

Ε 2.3.1

Begriffsabgrenzung

623

Mit Hardware (HW) bezeichnet man alle sichtbaren und/oder prinzipiell anfaßbaren Komponenten eines Computersystems, also Bausteine aus Metall, Kunststoffen (speziell: Chips), Kabel etc. Die auf einer Halbleitertechnologie basierenden Chips zerfallen entsprechend ihrer Aufgabe in zwei Klassen: Speicherchips (zur Speicherung von Daten und/oder Programmen) und Logik-Chips (zur elektronischen Ausführung von Verarbeitungsvorgängen gemäß den durch die Programme spezifizierten Befehlen). Die HW wiederum läßt sich in zwei Klassen einteilen: 1. Zentrale Systembausteine wie Arbeitsspeicher, Verarbeitungseinheit(en) und Transportsysteme (sogenannte Bus-Systeme) zur Verbindung der Systembausteine untereinander und mit den nicht-zentralen Geräten (sogenannte Peripheriegeräte). 2. Die Peripherie-Geräte (engl, peripheral devices), oft auch als externe Geräte bezeichnet, bilden die zweite HW-Klasse und repräsentieren Eingabegeräte, Ausgaberäte und externe Speichergeräte verschiedenster Bauart.

Ε 2.3.2

Zentrale Hardware-Komponenten

Ε 2.3.2.1

Definition des Begriffs „Computer"

Ein Computer ist ein speicherprogrammierter digitaler (binärer) Verarbeitungsautomat. Die von der Verarbeitungseinheit (engl, processor) auszuführenden Befehle (genauer: die Maschinencode-Befehle) sowie die von den Befehlen zu bearbeitenden Daten werden in einem Arbeitsspeicher (engl, main memory) zwischengespeichert. Über ein Bus-System werden Befehle automatisch aus dem Arbeitsspeicher in die Verarbeitungseinheit transportiert und dort elektronisch dekodiert und ausgeführt. Entsprechend der Aufgabe des Befehls werden die zu verarbeitenden Daten aus dem Arbeitsspeicher geholt (in der Fachterminologie: gelesen) bzw. die Verarbeitungsergebnisse im Arbeitsspeicher abelegt (in den Speicher geschrieben). Alle Befehle und die zu verarbeitenden Daten sind binär codiert, d.h. auf eine Folge von 2-wertigen Informationseinheiten, sogenannten Bits (Bit = Binary digit) abgebildet. Ein Programm, d.h. eine Folge von Befehlen kann daher ohne menschliche Interaktion mit einer Geschwindigkeit, die durch die Leistungsmerkmale von Arbeitsspeicher, Bus-System und Verarbeitungseinheit definiert sind, abgearbeitet werden. Die Abb. 1 gibt einen groben, schematischen Überblick über die Einordnung von Verarbeitungseinheit (engl. Kürzel: CPU), Bus-System (Speicherbus) und Arbeitsspeicher (engl. Random Access Memory, RAM).

624

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

Abb. 1: Zusammenhang zwischen CPU, Bus-System und RAM

Ε 2.3.2.2

Informationsdarstellung im Computer

Digitale Computer-Systeme basieren auf der Darstellung aller Informationen im Computer durch eine endliche Folge von elementaren binären Datenelementen, den Bits. Ein Bit ist ein physikalisches Datenelement mit nur zwei Zuständen bzw. möglichen Inhalten: den Werten 0 oder 1. Alle modernen Digitalrechner arbeiten intern mit einer Abbildung aller Informationstypen (das sind Maschinenbefehle, Anwenderdaten und systeminterne Daten) auf eine oder mehrere elementare Speicherzellen, sogenannte Bytes. Ein Byte ist eine logische wie auch eine physikalische Folge von 8 Bits, wobei jedes dieser Bits den Wert 0 oder 1 haben kann. Um mit

Abb. 2: Binäre Informations- und Befehlskodierung

Ε 2.3 Computer-Hardware

625

einem modernen Computer arbeiten zu können, ist die Abbildung von fünf „Informations"-Kategorien auf Folgen von Bytes notwendig. Es handelt sich um Texte, Zahlen, Bilder, Ton und Maschinenbefehle. Die Abb. 2 gibt einen globalen Überblick über die binäre Informations- und Befehlscodierung. Während die Darstellung von Zahlen und insbesondere Maschinenbefehlen von der jeweiligen spezifischen CPU-Architektur abhängt, ist die Codierung (d.h. eineindeutige Zuordnung) von Zeichen aus einem Zeichenvorrat („Alphabet") zu ByteInhalten international normiert. Während für Zwecke der Datenübertragung und im Bereich der PC und WS der sogenannte ISO-7 Bit Code (auch ASCII-Code genannt) Verwendung findet, ist bei den größeren Systemen die Verwendung des 8 Bit-EBCDIC-Codes üblich. ISO ist die Abkürzung für die International Standards Organisation; ASCII bedeutet American Standard Code for Information Interchange; EBCDIC ist ein von der Firma IBM kreiertes Kürzel.

Ε 2.3.2.3

Verarbeitnngseiiiheit (CPU)

Für die Verarbeitungseinheit eines Computers werden viele Begriffe synonym benutzt. Die heute gebräuchlichste ist CPU (engl. Abkürzung für Central Processing Unit) oder, mit gleicher Bedeutung, Prozessor. Das Wort „central" rührt noch aus der Zeit der klassischen Großrechner her, ist jedoch heute ohne Bedeutung. Dasselbe gilt für den Begriff „Zentraleinheit" (Kürzel: ZE). Dieser Begriff wurde für klassische Mainframe- und Midrange-Systeme benutzt und umfaßte die Verarbeitungseinheit und den Arbeitsspeicher. Er ist heute aufgrund der Architektur moderner Computersysteme nicht mehr relevant. In der älteren Literatur wird auch noch das Kürzel ALU (Arithmetic and Logical Unit) synonym zu Prozessor benutzt. Diese Bezeichnung ist nach wie vor korrekt, während die deutsche Bezeichnung „Rechenwerk" irreführend ist, da ein Prozessor erheblich mehr können muß als nur „rechnen"! Im folgenden wird das Kürzel CPU oder die Bezeichnung Prozessor für die Verarbeitungseinheit eines Computers benutzt. Aufgabe der CPU ist die Ausführung von Maschinencode(MC)-Befehlen. Die Gesamtheit der verschiedenen MC-Befehle (syn. MC-Instruktionen), die eine CPU ausführen kann, wird mit „Instruktions-Satz" (engl, instruction set) bezeichnet. Umgekehrt kann man sagen, daß der Umfang des Instruktionssatzes und die Art der elektronischen Realisierung der einzelnen Instruktionen ein wesentliches Merkmal einer CPU ist. Die Grundstruktur moderner CPUs ist bei allen modernen Produkten ähnlich: Die CPU enthält Speicherbausteine, die Register genannt werden. Die Anzahl und die Verwendung der Register ist CPU-spezifisch. Generell sind Register für die Zwischenspeicherung und Bearbeitung ganzer und nichtganzer Zahlen, für die temporäre Speicherung von Befehlen und Adressen sowie von CPU-Zustands-Informationen zu unterscheiden. Die CPU enthält ferner sogenannte Logikbausteine für die Verarbeitungsfunktionen, wie z.B. eine oder mehrere Integer Units zur Bearbeitung ganzer Zahlen, mindestens eine Floating Point Unit (FPU) zur Bearbeitung nichtganzer Zahlen (Gleitkomma-Zahlen), eine Logical Unit oder Branch Unit zur Durchführung von Vergleichsoperationen und Verzweigungs-Operationen (Sprungbefehlen). Alle diese Units können in einem gewissem Umfang

626

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

physikalisch parallel arbeiten. Bestandteil der CPU ist ferner ein von Programmen nicht beeinflußbarer Zwischenspeicher (internes Cache Memory oder auch Level 1Cache oder Ll-Cache genannt) zur temporären Aufnahme von Befehlen und Daten. Die modernsten CPUs verfügen über getrennte Ll-Caches jeweils für Daten und Befehle. Von den Ll-Cache aus werden Befehle zu den Befehlsregistern und Daten zu den Datenregistern transportiert. Alle diese CPU-Komponenten (Register, Level 1-Cache und Verarbeitungsfunktionen) bzw. Units befinden sich auf einem einzigen Chip (Integrated Circuit, IC) mit einer Fläche von 1 bis 2 cm2! Dadurch werden die Laufzeiten für die elektronischen Signale auf ein Minimum reduziert und enorm kurze Schaltzeiten und Verarbeitungszeiten ermöglicht. Die Speicher-, Verarbeitungs- und Transport-Systeme digitaler Computer sind getaktete Systeme, die ihre Grundfunktionen in festen, elementaren Zeitschritten (sogen. Taktschritten, engl, cycle) durchführen. Je nach CPU-Typ kann z.B. eine numerische Operation nur einen einzigen Taktschritt oder auch mehrere Takschritte benötigen. Die Länge eines Taktschrittes ist durch die Taktfrequenz der CPU definiert. Eine für heutige PCs übliche Taktfrequenz von 100 MHz (100 Megaherz) impliziert 100 Mio. Taktschritte pro Sekunde, also eine Schrittdauer ( = Schaltzeit) von 10 ns (1 ns = 1 Nano-Sekunde = 1 Milliardstel Sekunde). Alle derzeitig verwendeten CPUs haben eine Byte-Architektur. Dies bedeutet, daß Speicher-, Transport- und Bearbeitungs-Operationen sich immer auf ein oder mehrere Bytes beziehen. Die Kapazität von Speicherbausteinen wird in Bytes angegeben (1 KB = 1024 Bytes, 1 MB =1024 KB, 1GB =1024 MB, 1TB =1024 GB, dabei bedeuten: K=Kilo, M=Mega, G=Giga, T=Tera). Eine weitere leistungssteigernde Eigenschaft moderner CPUs ist das sogenannte Pipeline-Prinzip, nach dem die Ausführungseinheiten der CPU arbeiten: da jeder Befehl in mehreren (4 bis 6) Schritten (syn. Stufen) elektronisch abgearbeitet wird, lag es nahe, eine parallele Ausführung der verschiedenen Stufen zu realisieren. Eine 5stufige Pipeline für die Gleitkomma-Division z.B. erlaubt die gleichzeitige Bearbeitung von bis zu 5 Gleitkomma-Divisions-Befehlen, wobei sich jeder Befehl in einer verschiedenen Ausführungsstufe befindet. Auf diese Weise können bei modernen CPUs mehr Befehle pro Sekunde ausgeführt werden als formal durch die Taktfrequenz definiert ist. Dies gilt speziell für die sogen. RISC-CPUs. RISC (Reduced Instruction Set Computer)-Prozessoren verfügen nur über eine relativ geringe Anzahl (80 bis ca. 150) von MC-Befehlen, sind daher einfacher, kompakter und billiger herzustellen als die bis vor kurzem verwendeten CPUs, die bis zu 350 verschiedene MC-Befehle „verstanden". Diese CPUs waren entsprechend komplex in ihrer elektronischen Struktur, weshalb sie heute CISC (Complex Instruction Set Computer)CPUs genannt werden. Moderne RISC-CPUs verfügen (mindestens) über mehrere Ausführungseinheiten für die Verarbeitung ganzer Zahlen (Integer Units). Dieses mehrfache Vorhandensein von Ausführungseinheiten desselben Typs auf dem CPUChip nennt man Superskalarität. Dadurch wird die Parallelarbeit der Verarbeitung innerhalb der CPU noch erhöht. Alle modernen CPUs sind superskalare RISCCPUs oder CPUs mit einer gemischten CISC/RISC-Architektur. Für den Anwender bedeutet RISC, daß die CPU in jedem Taktschritt mehrere MC-Befehle komplett ausführen kann, und dies unabhängig vom Befehlstyp, weil die Verarbeitungszeit für alle Instruktionen gleich lang ist. Eine mit 100 MHz getaktete RISC-CPU

Ε 2.3 Computer-Hardware

627

verarbeitet daher mindestens 100 Mio. Befehle pro Sekunde. Diese Aussage kann für eine 100 MHz CISC-CPU nicht gemacht werden, da die Ausführungszeit der verschiedenen Instruktionen verschieden lang ist und mehrere (bei älteren Systemen bis zu 20) Taktschritte umfaßt. Man kann ohne Übertreibung konstatieren, daß die Leistung einer modernen RISC-CPU (Preis: unter 1.000 US $) die Leistung einer Supercomputer-CPU vom Typ CRAY 1, Jahrgang 1975 (Preis: mindestens 5 Mio. US $) erreicht ! Die Leistung von CPUs für technisch-wissenschaftliche Anwendungen wird oft in der Einheit Gleitkomma-Operationen pro Sekunde ( FLOPs = FLOating Point operations per second). Eine moderne RISC-CPU erreicht Leistungswerte bis zu mehreren 100 Mega-FLOPs (MFLOPs). Ein weiteres Merkmal einer CPU ist Zahl der Bytes, die parallel zwischen dem LlCache Memory und dem Arbeitsspeicher bzw. dem Level 2-Cache Memory (syn. external cache), der dem Arbeitsspeicher vorgeschaltet ist, übertragen werden können. Das für diese Übertragung zuständige Bus-System wird lokaler Bus (syn. Speicherbus, engl, memory bus) genannt. Eine sogenannte 32 Bit-CPU überträgt 4 Bytes (= 32 Bits) in einem Bus-Übertragungstakt zum L2-Cache. Moderne Hochleistungs-RISC-CPUs sind 64 Bit-Systeme, die eine 8 Bytes „breite" Schnittstelle (engl, port) zum lokalen Bus (z.B. 64 Bit-PCI-Bus) haben. Dies bedeutet jedoch, daß alle Register der CPU auch jeweils mindestens 8 Bytes aufnehmen können. Der Ll-Cache wird mit der Taktfrequenz der CPU betrieben, während der L2-Cache in der Taktfrequenz zwischen RAM und Ll-Cache liegt. Cache-Speicher sind als sogen, statische RAM-Chips realisiert; diese sind viel teuerer als die Chips des Arbeitsspeichers (sogen. DRAM-Chips, Dynamic RAM). Da die Arbeitsspeicher im Vergleich zur CPU relativ langsam sind und die CPU durch häufige RAM-Zugriffe daher auf Daten- oder Befehls-Bytes aus dem RAM warten muß, wurden die Cache-Speicher entwickelt. Ein RAM-Zugriff unterbleibt dann, wenn sich von der CPU benötigte Daten oder Befehle bereits im LI- oder L2-Cache befinden. Bei kurzen Befehlsschleifen wirkt sich insbesondere das Ll-Cache, das mit dem CPUTakt betrieben wird, extrem zeitsparend aus. Zusammenfassend sind folgende Leistungsmerkmale für CPUs derzeitig (1996) typisch: 32 Bit CPU mit Pipeline-Architektur, Taktfrequenz zwischen 75 und ca. 160 MHz, Kapazität des Ll-Cache: 8 KB für Befehle und 8 KB für Daten, Kapazität des L2-Cache: 256 KB; unterstützte Kapazität des Arbeitsspeichers: maximal 2 GB (entsprechend der Darstellung der RAM-Adressen durch 4 Bytes). Entwicklungstendenz: 64 Bit superskalare RISC CPUs; CPU-Taktfrequenz bis über 250 MHz; größere und schnellere Cache-Speicher. CPUs dieser Klasse sind in Höchstleistungs-WS für spezielle Anwendungen (z.B. Simulation, Computer-Animation) bereits heute verfügbar. Sie werden in wenigen Jahren jedoch der Standard für jeden PC-Benutzer werden.

E 2.3.2.4

Arbeitsspeicher (RAM)

Der Arbeitsspeicher (syn.: Hauptspeicher, engl, main memory; syn.: Random Access Memory, RAM) dient zur (temporären) Speicherung von Befehlen an die CPU sowie zur temporären Speicherung von Daten (wie z.B. Zahlen, Texte und Bilder),

628

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

die durch die CPU zu bearbeiten sind, oder von Verarbeitungsergebnissen, die von der CPU zum RAM übertragen werden. Der Arbeitsspeicher verliert seinen Inhalt bei einem Stromausfall, also bei einer geplanten oder ungewollten Abschaltung des Computers. Speicher mit dieser Eigenschaft nennt man „flüchtig" (engl, volatile). Diese Eigenschaft hängt damit zusammen, daß der Inhalt des RAM sowohl im Auftrag der CPU durch das Bus-System wie auch durch Peripheriegeräte über den sogen. direkten Speicherzugriff (engl. Direct Memory Access, DMA) verändert („überschrieben") werden kann. Der Arbeitsspeicher ist daher ein „Schreib-Lese"Speicher. „Schreiben" bedeutet: übertragen von digitalen Daten in bzw. auf ein Speichermedium; „lesen" bedeutet: herausholen von digitalen Daten aus einem Speichermedium. Der Arbeitsspeicher eines Digitalcoraputers ist aus einer Folge von Bytes aufgebaut. Jedes dieser Bytes kann über eine Nummer, seine sogenannte Speicheradresse, physikalisch lokalisiert („adressiert") werden. Die Zuordnung zwischen Speicheradresse und physikalischer Lage des Bytes im Arbeitsspeicher wird elektronisch hergestellt, d.h. die zu einem Byte gehörige Adresse ist nicht mit dem Byte abgespeichert. Damit ist es möglich, auf jedes Byte im Speicher über die Adresse direkt (d.h. ohne den Speicher sequentiell zu durchsuchen) zuzugreifen und den Inhalt dieses Bytes zu lesen oder zu überschreiben. Dies führte zur engl. Bezeichnung Random Access Memory. Die Zeitspanne (sogenannte Speicher-Zugriffszeit) zur elektronischen Lokalisierung des 1. Bytes einer Folge von 4 (oder 8) Bytes und zum Transport dieser Bytes an die Schnittstelle (engl, memory port) zum Bus-System ist unabhängig von der Lage (Adresse) dieser Bytes im RAM und eine feste Größe, die nur von der physikalischen Bauart der Speicherchips abhängt. Für PCs beträgt diese Zugriffszeit heute i.d.R. 70 ns für 4 Bytes (bei 32 Bit-CPUs). Diese Zugriffszeit ist damit ein Leistungsmerkmal für den Arbeitsspeicher. Zum Vergleich: für CRAY-Supercomputer ist eine Zugriffszeit von 5 ns für 8 Bytes typisch. Anmerkung·. Da bis Ende der 70er Jahre die Arbeitsspeicher technisch als Ferritkemspeicher realisiert wurden, hat sich auch die Bezeichnung Kernspeicher (engl, core memory, syn. core) bis heute in der Literatur und in der englischen Fachterminologie gehalten.

Nichtflüchtige Speicher mit byteweisem Direktzugriff heißen Read-Only Memory (ROM). Sie sind i.d.R. in verschiedene Komponenten eines Computer-Systems integriert und enthalten Steuerprogramme (ROM-BIOS), die zum Starten eines Computersystems bzw. einzelner HW-Komponenten (insbesondere Controller) erforderlich sind. ROM-Chips verlieren also bei einer Stromabschaltung ihren Inhalt nicht. Alle modernen Computersysteme verwenden für die Verwaltung des Arbeitsspeichers das Prinzip der „virtuellen" Speicherverwaltung. Dieses Verfahren bedeutet, daß der Arbeitsspeicher in Blöcken von aufeinanderfolgenden Bytes - sogenannten „Seiten" (engl, page) - einzelnen Programmen oder internen Ablaufeinheiten (Prozessen) zugeordnet wird, wobei jedoch die zu einem Programm gehörigen Pages beliebig im realen Arbeitsspeicher verteilt sein können und nicht alle Pages eines Programms gleichzeitig im Arbeitsspeicher vorhanden sein müssen. Pages eines Programms, die sich nicht im RAM befinden, werden auf einen externen Speicher mit

Ε 2.3 Computer-Hardware

629

Direktzugriff (Magnetplattenspeicher als sogenannte Paging Device, syn. Swapping Device) ausgelagert (engl, swap-out oder page-out) und werden bei Bedarf automatisch in den Arbeitsspeicher rückübertragen (engl, swap-in oder page-in). Temporär nicht mehr benötigte Pages werden, falls Teile des Arbeitsspeichers für andere Programme freizumachen sind, automatisch auf den Swap-Bereich (engl. Swap-Partition) eines Magnetplattenspeichers ausgelagert. Diese Paging (syn. Swapping)-Vorgänge laufen in einer für den Anwender nicht sichtbaren und nicht beeinflußbaren Form ab. Sie werden durch ein System zur virtuellen Speicherverwaltung gesteuert. Dieses System bringt insbesondere im Multiuser-Betrieb folgende Vorteile: ein einzelnes Programm kann erheblich größer sein (d.h. mehr Speicherplatz beanspruchen) als durch den real vorhandenen Arbeitsspeicher vorgegeben ist, und der gesamte Arbeitsspeicher kann durch viele Programme gleichzeitig in sehr effektiver Weise genutzt werden. Eine Fragmentierung des Speichers in viele unbenutzte Bereiche entfällt damit weitgehend. Die Blockgrößen bei der virtuellen Speicherverwaltung liegen je nach Speicherkonfiguration zwischen 4 und 64 KB. Als „Block" bezeichnet man in der Computertechnik grundsätzlich Folgen von Bytes (oder auch Bits, wie bei der grundsätzlich seriellen Datenkommunikation zwischen vernetzten Computern), die in einem einzelnen Übertragungsvorgang zwischen zwei Systemkomponenten physikalisch übertragen werden.

CPU Register

Integer Unit

Register

Float. Point U n i t

Logical U n i t Register Weitere

Units

Register

Memory-Bus Verb, zum I/O-Bus L2-Cache I

Memory Port

DMA-Port

Abb. 3: Zentrale Komponenten eines Computersystems

Zum I/O-Bus

630

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

Die heute verwendeten Arbeitsspeicher haben zwei Schnittstellen (ports) für die Übertragung von Bytes: einen Port zum Memory Bus und einen sogenannten DMA-Port für den direkten RAM-Zugriff über einen I/O-Bus durch Peripheriegeräte. Ein RAM mit dieser Architektur nennt man (engl.) dual-ported RAM. Es gibt zwei Arten des Datentransfers (Input/Output, Kürzel: I/O, zu deutsch: E/A) zwischen externen Geräten und RAM: Bei der ersten Variante nutzt der E/A-Vorgang den Memory-Port und die CPU ist mit Steuerfunktionen während des E/A-Vorgangs belastet. Beim E/A über den DMA-Port wird der E/A-Vorgang von der CPU durch einen E/A-Befehl lediglich initialisiert. Der E/A-Vorgang läuft danach selbständig ab; die CPU kann gleichzeitig andere Arbeiten ausführen. Das Ende eines E/A-Vorgangs oder das Auftreten einer Fehlersituation wird der CPU über ein elektronisches Signal (sogenanntes Interrupt) mitgeteilt. Auf diese Weise ist die physikalische Parallelarbeit vieler Computerkomponenten prinzipiell gewährleistet. Der Umfang dieser Parallelarbeit hängt jedoch signifikant von dem jeweils verwendeten Operating System ab (s. Abschnitt Ε 2.4). Die Abb. 3 gibt einen Überblick über die zentralen Komponenten eines modernen Computersystems.

E 2.3.2.5

Bus-Systeme und Geräte-Controller

Bus-Systeme dienen zum Datentransfer zwischen dem Arbeitsspeicher und anderen Computerkomponenten wie der CPU und den externen Eingabe-, Ausgabe- und Speichergeräten (Peripheriegeräten). Moderne Computersysteme besitzen i.d.R. mehrere Bus-Systeme, um die Geschwindigkeitsdiskrepanz zwischen der Leistung der CPU, dem RAM und der Peripheriegeräte auszugleichen. Bei den PCs ist das Bus-System in die Mutterplatine (engl, motherboard) integriert. Sichtbar sind nur die Sockel (syn. Steckplätze), die zum Anschluß der übrigen PC-Komponenten dienen. Moderne PCs verfügen, wie zuvor schon die Workstations, Midrange-Systeme, Mainframes und Supercomputer, über ein mehrstufiges Bus-System. Der MemoryBus früherer Systeme wurde zu einem sogenannten Lokalen Bus weiterentwickelt, an dem die CPU (oder auch mehrere CPUs) sowie Geräte mit besonders großer Datentransferleistung (insbes. Bildschirm, Magnetplatte, Magnetband, CD-ROM) angeschlossen werden. Der lokale Bus hat eine Verbindungsstelle (Schnittstelle) zu einem Erweiterungsbus (I/O-Bus), der wiederum Steckplätze für den Anschluß weiterer peripherer Geräte besitzt. Die gerätespezifische Anpassung zum Steckplatz sowohl am lokalen Bus als auch am Erweiterungsbus wird durch eine GeräteSteuereinheit (engl, device controller, syn. controller) realisiert. Controller gibt es in mehreren Versionen: dedizierte Controller für genau ein Gerät, Controller mit Anschlüssen für mehrere Geräte (z.B. für 2 Diskettenlaufwerke und/oder 2 Magnetplattenlaufwerke). Bei vielen Geräten sind alle oder einige Controller-Funktionen in die Geräte selbst integriert, wie z.B. bei den IDE-Festplatten (IDE = Integrated Disc Electronic). Auch bei den verschiedenen Druckertypen z.B. sind die Controller in die Geräte integriert. Besonders leistungsfähige und flexibel einsetzbare Controller sind sogenannte SCSI-Adapter (syn. SCSI Host Adapter), an die bis zu 7 verschiedene periphere Geräte angeschlossen werden können, die jeweils über einen internen SCSI-Controller verfügen (SCSI = Small Computer Systems

Ε 2.3 Computer-Hardware

631

Interface). SCSI-Adapter gibt es sowohl für den Anschluß an einen PCI-Steckplatz als auch für einen Steckplatz am ISA-Bus. Bei moderneren Geräten ist oft auch ein SCSI-Adapter in die Mutterplatine integriert. Bei den PCs hat sich neben dem 32 Β it-VESA-Local Bus (Kürzel: VLB; V E S A = Video Electronics Standards Association) besonders das von der Intel Corp. entwickelte PCI-Bus-Konzept durchgesetzt. PCI-Mutterplatinen gibt es in einer 32 Bit- und in einer 64 Bit-Variante (zur Nutzung durch 64 Bit-CPUs). PCI ist ein Kürzel für Peripheral Component Interconnect. Das PCI-Konzept, das auch von der IBM akzeptiert wurde, scheint sich nunmehr auch bei den Workstations durchzusetzen. Aufgrund der Dominanz von Intel im PC-Bereich (derzeitig werden weltweit 95% aller PCs mit Intel-CPUs betrieben) ist mit dem PCI-Bus ein Quasi-Standard geschaffen worden. Abb. 4 zeigt eine typische PC-Konfiguration auf VLB-Basis. Als Erweiterungsbus dient ein ISA-Bus (syn. AT-Bus). ISA steht für Industry Standard Architecture, ein von der IBM Corp. geschaffenes Synonym für den AT-Bus ( = 16 Bit-Bus). Dieser wurde von der IBM Corp. für PCs mit dem Intel 80286-Prozessor 1984 entwickelt. Eine Erweiterung des ISA-Bus-Konzepts auf ein ISA-kompatibles 32 Bit-Bus-System stellt der von einem Firmenkonsortium (dem die IBM nicht angehörte) entwickelte EISA-Bus (EISA = Extended ISA) dar, der in Zusammenhang mit der Einführung der Intel 80386-Prozessoren (dies sind 32 Bit-CPUs) entwickelt wurde. Die von der IBM seinerzeit eingeführte sogenannte Micro Channnel Architecture ( M C A , 32 Bit-Bus), die nicht (!) ISA-kompatibel war, wurde von der IBM 1995 zugunsten des PCI-Systems von Intel aufgegeben.

C = Controller für I/O-Geräte Hill = Sockel. Steckplatz

Abb. 4: PC-Konfiguration auf VESA-Local-Bus-Basis

632

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

Die Abb. 5 zeigt eine typische PC-Konfiguration auf der Grundlage der PCI-Architektur der Intel Corp.

Anschluß langsamer Peripherie-Geräte [ z.B. Drucker, Scanner. ... ].

Abb. 5: PC-Konfiguration auf PCI-Basis

Der technische Entwicklungstrend läuft auf eine Standardisierung der PCI-Architektur (speziell in der 64-Bit-Variante) und auf eine Erweiterung des SCSI-Konzepts (Ultra SCSI) hinaus. Das Primärziel ist dabei die Erhöhung der Durchsatzleistung und größere Flexibilität durch Erweiterung der Funktionalität (Intelligenz) der Controller. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß die meisten Controller über ein internes RAM (Cache-Speicher) zur Zwischenspeicherung (syn. Pufferung, engl, buffering) von Daten verfügen. Peripheriegeräte und Controller werden dann als intelligent bezeichnet, wenn in ihnen mit Hilfe spezieller Prozessor-Chips Programme ablaufen. Diese Programme befinden sich i.d.R. auf ROM-Chips des Geräts bzw. des Controllers und entlasten die CPU von unnötigen Verwaltungsarbeiten (engl, overhead) in Zusammenhang mit der Durchführung von E/A-Operationen. Als typisches Beispiel sei hier der Grafik-Prozessor auf einem BildschirmController (syn. Grafik-Karte, Bildschirmadapter) sowie der Bildspeicher (syn. Video-RAM) genannt.

Ε 2.3 Computer-Hardware

633

Grundsätzlich kann jedes physikalische Gerät an einen Computer angeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit eines auf das Bus-System abgestimmten Gerätecontrollers und der zugehörigen Steuerprogramme (syn. Treiberprogramme, engl, device driver).

Ε 2.3.3

Multiprozessor-Systeme

Multiprozessor-Systeme zeichnen sich dadurch aus, daß mehrere CPUs den gleichen Arbeitsspeicher benutzen. Während bereits Ende 1969 mit dem CDC 6500-Computersystem (CDC = Control Data Corporation) der erste Supercomputer mit zwei CPUs auf den Markt kam, sind seit einigen Jahren Multiprozessor-PCs mit mehreren, kommerziell preiswert verfügbaren CPUs (Intel 80486 bzw. Pentium) auf dem Markt. Voraussetzung zum gleichzeitigen Betrieb mehrerer CPUs ist die Verfügbarkeit eines Betriebssystems, das die Ressourcen dieser CPUs verwaltet. Ziel ist die Erhöhung der Gesamtleistung eines Computersystems für Anwendungen, bei denen die Verarbeitungsleistung der CPU einen Engpaß bildet. Supercomputer von CDC oder CRAY-Research wurden daher stets in Multiprozessor-Konfigurationen (mit bis zu 16 CPUs) angeboten. Auch die US-Firma Sun Inc., einer der Marktführer bei RISC-Workstations, bietet Multiprozessor-WS auf Basis der Sun-SPARC-Prozessoren an. Da die CPUs bei den genannten Systemen von den Bus-Systemen und vom OS völlig gleichrangig behandelt werden, bezeichnet man diese Konfigurationen als symmetrisch (engl. Symmetrie Multi-Processing, Kürzel: SMP). Die entsprechenden Operating-Systeme tragen daher die Zusatzbezeichnung /SMP. Die Grenzen einer SMP-Konfiguration sind durch die limitierte Übertragungsleistung des Bus-Systems definiert, das die Verbindung zwischen den CPUs und dem RAM herstellt. SMP-Systeme haben daher derzeitig mit 16 CPUs ihre maximale Ausbaustufe erreicht. Ein grundsätzliches Problem ergibt sich dann, wenn Befehle eines einzigen Programms (z.B. zur Wettervorhersage) parallel auf mehreren CPUs ausgeführt werden sollen. Das Lösungsverfahren (syn. Algorithmus) und das daraus resultierende Programm müssen daher auf die SMP-Architektur abgestimmt werden. Dies nennt man das Problem der

Abb. 6: Struktur eines SMP-Systems

634

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

Parallelisierung von Prozessen, wobei mit Prozeß eine Ablaufeinheit unter einem Betriebssystem bezeichnet wird. Der künftige Entwicklungstrend ist dadurch gekennzeichnet, daß Workstations mit 64 Bit-RISC-CPUs in SMP-Konfigurationen als sogenannte SMP-Server Aufgaben übernehmen, die bis vor kurzem noch Supercomputern oder Mainframes vorbehalten waren. Dies gilt z.B. auch für dieThinsaktionsverarbeitung im Rahmen zeitkritischer interaktiver Datenbankanwendungen auf der Grundlage relationaler Datenbankverwaltungssysteme. Die am weitesten verbreiteten OS für den SMP-Betrieb sind Varianten des Betriebssystems Unix. Der Anteil der Unix/SMP-Betriebssysteme wird in absehbarer Zeit weiter zunehmen (s. Abschnitt Ε 2.4). In der Abb. 6 wird die Topologie eines SMP-Systems gezeigt. Der I/O-Bus sowie die von allen CPUs gemeinsam genutzten Peripherie-Geräte wurden dabei der Übersichtlichkeit halber nicht aufgeführt.

Ε 2.3.4

Vernetzte Workstations (WS Ouster)

Eine andere Möglichkeit, Verarbeitungsvorgänge physikalisch parallel durchzuführen, ist Kopplung von sonst eigenständigen Computersystemen über eine Hochgeschwindigkeitsverbindung. Im Bereich der Supercomputer hat es solche Kopplungen mittels herstellerspezifischen Hochgeschwindigkeitskanälen schon länger gegeben. Durch die generelle Möglichkeit der Vernetzung von Computersystemen über Glasfaserkabel bietet es sich an, Hochleistungs-WS mit Breitbandübertragungsmedien (sogen. High Speed LAN) zu koppeln und Verarbeitungsdaten zwischen den parallel arbeitenden WS auszutauschen. Nach diesem Konzept wurden bereits in einigen Forschungszentren mehrere (bis zu 16) WS miteinander vernetzt, wobei das Unix-Betriebssystem dieser WS entsprechend adaptiert werden mußte. Die in den USA gebräuchliche Bezeichnung für vernetzte WS ist WS-Cluster. Bei diesem Konzept vermeidet man den Engpaß beim RAM-Zugriff, da jede WS über ihr eigenes RAM verfügt. Andererseits müssen größere Datenmengen in kürzester Zeit zwischen den WS ausgetauscht werden. Das grundsätzliche Problem der Parallelisierung von Programmen besteht jedoch auch bei diesem Konzept. In mehreren Fällen

WS

WS

Τ

WS

··•···>

Τ

WS

Τ

1f High Speed LAN (Glasfaser)

WS

' WS

WS

WS = Workstation Abb. 7: Struktur eines Workstation-Clusters

Ε 2.3 Computer-Hardware

635

wurden Supercomputer erfolgreich durch viel preiswertere WS-Cluster ersetzt. Es ist davon auszugehen, daß sich dieser Ttend für spezielle Anwendungsgebiete (z.B. Computeranimation, Simulation) fortsetzen wird. In der Abb. 7 ist die globale Struktur eines WS-Clusters skizziert. Dazu ist anzumerken, daß jede WS insofern autonom ist, als sie über eigene Peripheriegeräte und ein eigenes OS verfügt.

E 2.3.5

Massiv Parallele Prozessoren (MPP)

Ein weiteres Konzept zur Erhöhung der Verarbeitungsleistung für ein Computersystem besteht in der zweidimensionalen oder dreidimensionalen Anordnung vieler (bis über 1.000) eigenständiger Prozessoren (syn. Knoten, engl. Node), wobei jeder Prozessor über eine CPU und ein eigenes RAM verfügt. Jeder Prozessor kommuniziert durch Datenkanäle mit den jeweils benachbarten Prozessoren. Eine solche Anordnung (engl, array) von Prozessoren nennt man massiv parallel. Das Gesamtsystem wird als MPP-System bezeichnet. Das Netz von Kommunikationsleitungen, das besonders komplex ist, wird oft (engl.) als Crossbar bezeichnet. Auch die Entwicklung geeigneter MPP-Betriebssysteme stellte (und stellt) ein erhebliches technisches und finanzielles Problem dar. Speziell bei den MPP-Systemen stellt sich das Problem der Parallelisierung von Programmen in einer extremen Form. Dies sind die Gründe, daß es seit Anfang der 70er Jahre viele Entwicklungsprojekte und Einsatzversuche für MPP-Systeme gab, die zwar wertvolle Erfahrungen für technisch-wissenschaftliche Anwendungen brachten, aber nicht zu MPP-Produkten für den breiten Einsatz führten. Obwohl in den vergangenen Jahren viele auf MPP-Systeme spezialisierte Firmen (speziell in den USA) die Produktion von MPP-Systemen eingestellt haben, sind gleichzeitig auf der Basis der kommerziell verfügbaren RISC-CPUs neue MPP-Systeme durch finanzkräftige amerikanische und japanische Computerfirmen auf den Markt gekommen. Ihr Einsatzgebiet liegt im technisch-wissenschaftlichen Bereich, wobei die Aufgaben klassischer Supercomputer zunehmend durch MPP-Systeme übernommen werden. Speziell im nukleartechnischen Bereich sind die MPP-Systeme für die Simulation von Atomexplosionen von großer Bedeutung. Die US-Regierung hat daher kürzlich die Entwicklung eines MMP-Systems auf der Basis von mehreren tausend Intel Pentium-CPUs in Auftrag gegeben. Die Abb. 8 zeigt die Struktur des MPP-Systems PARAGON der Intel Corp. Dieses System ist seit 1994 auf dem Markt und basiert auf Intel-RISC-CPUs in einer zweidimensionalen Anordnung. In der Abb. 8 werden die CPUs (RAM inklusive) als Node bezeichnet. Als Betriebssystem wird eine modifizierte Unix-Version verwendet. Die eigentliche Verarbeitungsleistung wird durch die sogenannten Computer Nodes erbracht, während die Kommunikation mit den Peripheriegeräten und LANs durch sogenannte Service Nodes bzw. dedizierte Nodes hergestellt wird. Die MPP-Systeme werden künftig für spezielle Anwendungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, weil sie auf Basis vorhandener Hardware- und Softwaretechnologien kostengünstiger zu fertigen sind, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

636

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme Computing Partition [ 2D ]

Service Partition

Partition

Service Node

Computer Node

Computer Node

Computer Node

Service Node

ConfUv

Computer Node

Computer Node

Node

t

1' i Service Node



1 1 1 I

'

Computer Node

, ι , 1 1

I

Computer Node

MagTapes

SCSI Node

II

Service

: Computer Node '

1 1 1 1

*

ι

HIPP1 Node

Abb. 8: Struktur des MPP-Systems PARAGON der Intel Corp.

Ε 2.3.6

Periphere Geräte

Ε 2.3.6.1

Grundsätzliches, Klassifikation

Peripherie-Geräte dienen als Ein- oder Ausgabe-Geräte zur Kommunikation zwischen den zentralen Computerkomponenten und der Außenwelt (letztlich dem Anwender) und zur Kommunikation mit externen Speichermedien. Grundsätzlich kann jedes physikalische Gerät (z.B. ein Sensor, ein Meßwertgeber oder ein Musikinstrument) als Peripheriegerät an einen Computer angeschlossen werden, sofern der Computer über eine entsprechende Schnittstelle (engl, interface) verfügt. Als Schnittstellen werden normierte physikalische und programmtechnische Verbindungsstellen zwischen den verschiedenen Computerkomponenten (inkl. Peripheriegeräten) bezeichnet. Sockel auf der Mutterplatine eines PCs z.B. bilden die HWSchnittstellen für den Anschluß von Controllern an den lokalen Bus oder den I/O-Bus. Die Controller wiederum haben Steckeranschlüsse zur Kabelverbindung mit den zugehörigen Peripheriegeräten. Auch diese Anschlüsse stellen Schnittstellen dar. Softwaremäßig kommunizieren die sogenanntenIteiberprogramme (engl, device driver), die als Teil des OS betrachtet werden müssen, mit den Controllern. Ein für Multimedia-Anwendungen wichtiger Controller stellt die sog. Sound-Karte dar, an die Lautsprecher, ein Mikrophon und, über eine MIDI-Schnittstelle, Musikinstrumente angeschlossen werden können (MIDI ist ein Kürzel für Music Instrument Digital Interface). Das MIDI-Interface hat dabei u.a. die Funktion eines A/D- und D/A-Wandlers (A/D = Analog/Digital, D/A = Digital/Analog).

Ε 2.3 Computer-Hardware

637

Auf eine detaillierte Beschreibung der Peripheriegeräte, die systemtechnisch i.d.R. extrem komplex sind, muß hier verzichtet werden. Wesentlich sind, aus der Sicht der Endanwenders oder des Käufers eines Computers (PCs), die Funktionalität und die Leistungsmerkmale von den Peripheriegeräten, die für die Nutzung des Gesamtsystems grundsätzlich von kritischer Bedeutung sind, nämlich dem Bildschirm (syn. Monitor) und der (den) Festplatte(n).

Ε 2.3.6.2

Übersicht über Peripherie-Geräte

Die nachfolgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient zur Orientierung über die derzeitig auf dem Markt verfügbaren Geräte. • EINGABE-Geräte: -Tastatur (engl, keyboard) - Maus - Scanner - Mikrofon - Synthesizer • AUSGABE-Geräte: -Bildschirm (engl. Monitor) - Drucker - Lautsprecher - Kurvenzeichner (engl, plotter) • SPEICHER-Gerete: - Disketten-Laufwerk (engl. Floppy Disk Drive, FD) - Magnetplatten - Laufwerk (engl. Hard Disk Drive, HD) - Magneto-Optische Speicher (engl. MO Disk) - CD-ROM-Laufwerk - Magnetband - Laufwerk (engl. Tfcpe Drive, syn. Streamer Tape) - Digital Audio Tbpe (DAT)

Ε 2.3.6.3

Magnetplattenspeicher und -Controller

Magnetplattenspeichergeräte speichern Bytes bitsequentiell auf konzentrischen Spuren auf magnetisierbaren Plattenoberflächen. Die Daten werden mit einem Schreib/Lese-Kopf, der auf die Position der entsprechenden Spur positioniert (sogen. SEEK-Operation) wird, auf die Platte geschrieben bzw. von der Platte gelesen. Die Datenspuren sind in Sektoren (syn. Blöcke) fester Länge (i.d.R. 512 Bytes) aufgeteilt. Bei einem Übertragungsvorgang zwischen Magnetplattenspeicher und Bus-System werden stets nur ganze Sektoren, die pro Spur durch eine Identifizierungsnummer selektierbar sind, angesprochen. Der Plattenstapel eines Festplattenlaufwerks dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit (derzeitig bis zu 7200 U/Min) um seine Mittelachse, während der Zugriffskamm mit den Schreib/Leseköpfen jeweils auf eine bestimmte Spur positioniert werden kann. Der Magnetplattenspei-

638

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

eher ist daher ein Speicher mit blockweisem Direktzugriff, wobei ein Datenblock (Sektor) auf einem Plattenstapel identifiziert (und damit adressiert) wird durch die Nr. der Plattenfläche ( = Nr. des Schreib/Lese-Kopfes) plus Spur-Nr. auf der Oberfläche plus Sektor-Nr. in der Spur. Die Schreib/Lese-Köpfe berühren die Plattenoberfläche nicht, sondern schweben in extrem kurzen Abstand über der Fläche. Die Magnetplattenspeicher behalten ihren Inhalt auch nach einer Abschaltung des Gerätes (d.h. des Stromes); sie sind also nicht-flüchtige Speicher. Da die Daten eines Sektors auch mit neuen Daten überschrieben werden können, sind sie Schreib/ Lese-Speicher. Die Zeit zum Auffinden eines bestimmten Sektors ist aber keine Gerätekonstante, sondern ist abhängig von der momentanen Stellung des Zugriffskamms mit den Schreib-/Lese-Köpfen relativ zur Position der gesuchten Spur. Die mittlere Zugriffszeit liefert eine Aussage darüber, wie schnell im Mittel ein Sektor gefunden werden kann. Dies hängt primär von der Positionierungsgeschwindigkeit des Zugriffskamms und der Drehgeschwindigkeit des Plattenstapels, sekundär aber auch von der Dichte der Spuren auf der Plattenoberfäche und dem Durchmesser der Platten ab. Die Zahl der Spuren pro Plattenfläche kann über 1.000 betragen. Die Kapazität der Magnetplattenstapel wird in MB oder GB angegeben. Während im Bereich der PCs typische Festplattenlaufwerke z.Z. eine Kapazität zwischen 700 MB und 1 GB haben, liegen die typischen Kapazitäten in der WS- Klasse zwischen 1 GB und 8 GB pro Stapel. Die mittlere Zugriffszeit beträgt, je nach Plattenbauart, derzeitig zwischen 7 ms und 16 ms. Zum Vergleich sei angemerkt, daß die typische RAM-Zugriffszeit bei einem PC 70 ns beträgt, was eine Leistungsdiskrepanz im Zugriff zwischen RAM und HD von 100.000 bedeutet! Neben der mittleren Zugriffszeit spielt die Übertragungsgeschwindigkeit von der Festplatte zum Bus-System eine bedeutende Rolle. Diese ist primär vom Plattencontroller abhängig, der i.d.R. auch über einen eigenen RAM-Pufferspeicher (Disk-Cache, derzeitig bis 1 MB groß) zur Zwischenspeicherung der Inhalte mehrerer Spuren verfügt. Jedes Plattenlaufwerk kann physikalisch parallel zu anderen Laufwerken arbeiten (d.h. eine Spur aufsuchen oder Inhalte von Sektoren lesen bzw. überschreiben). Ferner können mehrere SCSI-Platten an verschiedene SCSIHostadapter angeschlossen werden, die wiederum parallel arbeiten können und ebenfalls über interne Cache-Speicher verfügen. Dies ist bei der Optimierung von zeitkritischen interaktiven Datenbankanwendungen (engl. On-Line Transaction Processing, OLTP) von großer Bedeutung. Controller für Festplattenlaufwerke gibt es in zwei Versionen: IDE-Platte und SCSI-Platte. IDE-Plattenlaufwerke enthalten einen integrierten Controller (IDE = Integrated Disk Electronic) und sind normalerweise an den ISA-Bus eines PCs angeschlossen. Für Hochleistungs-PCs und Workstations werden SCSI-Plattenlaufwerke angeboten. Diese enthalten einen integrierten intelligenten SCSI-Controller, der mit dem SCSI-Hostadapter kommuniziert. SCSI-Hostadapter gibt es sowohl für den ISA (syn. AT)-Bus als auch für den PCI-Bus, wobei wegen der viel höheren Übertragungsrate ein Anschluß an den PCI-Bus zu bevorzugen ist. Komplette SCSI-Festplatten-Subsysteme werden zunehmend in Form von sogenannten RAID-Speichern angeboten. RAID ist ein Kürzel für Redundant Array of Independent (oder Inexpensive) Disks und beinhaltet mehrfach ausgelegte SGSIPlattencontroller, wobei jeder Controller mit mehreren Festplatten kommunizieren

Ε 2.3 Computer-Hardware

639

kann. Daten werden automatisch auf mehreren Festplatten gespeichert und/oder es wird Sicherungsinformation für die Daten einer Platte auf einer anderen Platte abgelegt. Das Ziel ist eine hohe Verfügbarkeit (d.h. Ausfallsicherheit) für die Daten auf Festplatten-Systemen. RAID-Speicher haben eine große Bedeutung für Hochleistungs-PCs und WS im kommerziellen Einsatz, speziell für Transaktions-Systeme (d.h.: OLTP-Anwendungen). Die Entwicklungstendenz bei Festplatten und deren Controller geht, bei weiter fallenden Preisen, in Richtung noch größerer Plattenkapazität und erhöhter Intelligenz des Plattencontrollers mit eigenem Prozessor zur Zugriffsoptimierung. Mittelfristig dürften preiswerte RAID-Subsysteme auch für den normalen PC-Anwender verfügbar werden. Eine Reduzierung der mittleren Zugriffszeit auf unter 5 ms dürfte bei der gegenwärtig verwendeten Plattentechnologie kaum möglich sein.

Ε 2.3.6.4

Bildschirmgeräte und Grafik-Controller

Moderne Bildschirmgeräte sind i.d.R. Farbbildschirme, die nach dem sogenannten Rasterverfahren arbeiten. Bei diesem Verfahren wird die Bildschirmfläche aufgeteilt in Zeilen, und jede Zeile wiederum in Bildpunkte (syn. Pixel, abgeleitet aus picture element). Die Bildauflösung, welche die Präzision der Darstellung von Grafiken auf dem Bildschirm definiert, wird angegeben in Anzahl der Bildpunkte pro Zeile mutlipliziert mit der Anzahl der Zeilen auf der Bildschirmfläche. Die für die Nutzung von grafischen Benutzeroberflächen erforderliche Mindestauflösung von 800 χ 600 bedeutet, daß das Bild aus 800 Pixeln pro Zeile und 600 Zeilen besteht. Für jeden Bildpunkt sind bis zu 16 Mio. verschiedene Farben darstellbar. Diese Farbtiefe kann über die Treiberprogramme für den Bildschirmcontroller (syn. Grafik-Karte, Grafikadapter) eingestellt werden. Möglich sind, entsprechend der binären Darstellung des Bildes im Bildschirmspeicher (syn. Video-RAM) der GrafikKarte, 256 oder 64.000 und 16,7 Mio. Farbwerte. Die letztere Darstellung wird mit bezeichnet, da sie den vom menschlichen Auge wahrgenommenen Farbwerten am nächsten kommt. Für das ergonomische Arbeiten an einem Bildschirm sind zwei Faktoren wichtig: die sichtbare Bildschirmfläche (definiert durch die Bildschirmdiagonale) und die Bildwiederholfrequenz zur Darstellung eines flimmerfreien Bildes. Ein flimmerfreies Bild setzt eine Bildauffrischung durch den Grafikadapter mindestens 60 mal pro Sekunde (60 Hz) voraus. Je nach der physischen Augenkonstitution ist eine Bildwiederholfrequenz (syn. Vertikalfrequenz) von 70 oder auch 80 Hz nötig, um eine flimmerfreie Bildwahraehmung zu erreichen. Bei einer Bildwiederholfrequenz von 70 Hz und einer Auflösung von 800 χ 600 sind 56.000 Zeilen pro Sekunde (Zeilenfrequenz = 56 kHz) auf den Bildschirm zu schreiben. Die Geschwindigkeit, mit welcher der Elektronenstrahl eine Bildschirmzeile abtastet, definiert die sogenannte Horizontalfrequenz (syn. Zeilenfrequenz), die im o.g. Fall daher 56 kHz beträgt. Die Fähigkeit moderner Bildschirme, sich automatisch auf verschiedene, vom Grafikcontroller generierte Zeilenfrequenzen einzustellen, nennt man auch Multisync-Fähigkeit. Je größer die eingestellte Auflösung ist, desto größer muß auch die Bildschirmfläche sein, um die dargestellten Objekte noch erkennen zu können. Für eine Auflösung von 800 χ 600 ist ein 15-Zoll-Monitor ausrei-

640

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

chend, für eine Auflösung von 1024 χ 768 ist ein 17-Zoll-Monitor und für noch höhere Auflösungen ein 19-, 20- oder 21-Zoll-Monitor erforderlich. Moderne Bildschirme verfügen zur Bildregelung (Helligkeit, Kontraste, Entzerrung etc.) einen internen Mikroprozessor. Ein weiteres Merkmal des Monitors ist die physikalische Größe eines Bildpunktes, der durch eine Lochmaske oder eine Schlitzmaske erzeugt wird. Bei einer Lochmaske sollten die Lochabstände höchstens 0,26 mm betragen; bei höherwertigen Monitoren betragen sie maximal 0,24 mm. Der Grafikadapter selbst wird ebenfalls von einem Mikroprozessor gesteuert, der auch Grafik-Prozessor genannt wird. Die Mindestgröße des Video-RAM auf der Grafikkarte ergibt sich aus der eingestellten Bildauflösung multipliziert mit dem Wert der Farbtiefe. Eine Auflösung von 800 χ 600 bei einer Farbtiefe von 8 Bit (256 verschiedene Farbwerte) ergibt einen Speicherbedarf von 800 χ 600 χ 8 Bits, und das sind 480 KB. Eine Farbtiefe von 12 Bit (64.000 Farben) oder 16 Bit bei der gleichen Auflösung läßt sich noch mit einem Video-RAM von 1 MB bewältigen. Bei einer höheren Auflösung und ab 12 Bit Farbtiefe sind mindestens 2 MB VideoR A M erforderlich. Hochleistungsgrafikkarten enthalten auch einen speziellen Prozessor zur Dekompression von digital gespeicherten komprimierten Bildsequenzen. Dieser Prozessor heißt MPEG-Chip, da er ein Kompressions/Dekompressions-Verfahren beherrscht, das von der sogen. Motion Picture Expert Group (Kürzel: MPEG) definiert wurde.

Monitor

Abb. 9: Anschluß eines Monitors an einen PC

Ε 2.4 Betriebssysteme

641

Entwicklungstendenzen: Bei den Monitoren ist speziell die Anforderung von MultiMedia-Anwendungen nach möglichst hoher Auflösung zu erfüllen. In absehbarer Zeit dürften, bei gleichzeitigem Preisverfall, 17-Zoll-Monitore der Standard für den normalen Anwender werden. Bei den WS gehören 20-Zoll- bzw. 21-Zoll-Monitore schon seit Jahren zur Standardausrüstung. Bei den Grafikkarten sind VRAMs (das sind dual-ported Video RAMs) und 64 BitGrafikprozessoren (syn. Grafik-Beschleuniger) schon verfügbar, aber noch teuer. Auch sie werden in naher Zukunft für Multi-Media-Systeme (Multi-Media-PCs, Kürzel: MMPC) der Standard sein. Abb. 9 zeigt exemplarisch die Rolle des Grafikadapters für den Anschluß eines Monitors an einen PC.

Ε 2.4

Betriebssysteme

Ε 2.4.1

Grundsätzliches

Unter Software (Kürzel: SW) versteht man die prograramtechnischen Komponenten eines Computersystems. Die SW läßt sich grob klassifizieren in anwendungsbezogene SW und System-SW. Anwendungsbezogene SW dient zur Lösung einer anwenderspezifischen Aufgabenstellung, wie sie sich z.B. auch im Information Retrieval darstellt. Die System-SW dient zur Verwaltung der Ressourcen (insbes. CPUZeit, Speicherplatz des RAM und der Festplatten) eines Computersystems und ist daher sowohl für die Entwicklung als auch für den Ablauf von Anwenderprogrammen erforderlich. Der Kern der Systemsoftware ist das Betriebssystem (engl. Operating System, OS), dessen zentraler Baustein daher oft als (engl.) Kernel bezeichnet wird. Alle anderen Programme der Systemsoftware (z.B. graphische Benutzeroberflächen) haben Dienstleistungsfunktionen und benötigen, ebenso wie die Anwendungsprogramme (syn. Applikationen), das OS als Ablaufumgebung und Schnittstelle zur HW. Ohne ein OS ist ein Computersystem nicht funktionsfähig, da erst das OS die ablauftechnische Verbindung zwischen den verschiedenen HWKomponenten und den Anwenderprogrammen sowie einer Bedienungsoberfläche (engl. syn. Shell) bereitstellt. Der Kernel eines OS ist immer auf die jeweilige CPUArchitektur zugeschnitten und von dieser abhängig. Für jeden spezifischen CPUlyp muß daher grundsätzlich auch ein spezifisches OS verfügbar sein. Für PCs insbesondere hat der Käufer die Wahl zwischen verschiedenen OS mit durchaus sehr unterschiedlichen Leistungsmerkmalen.

Ε 2.4.2

Funktionalität eines Betriebssystems

Die Aufgaben eines Betriebssystems sind u.a. speziell folgende: - Ablaufkoordination und -Steuerung zwischen den Hardwarekomponenten eines Computeisystems als Ergänzung elektronischer Steuerungsfunktionen. - Bereitstellung von Tteiberprogrammen für die Peripheriegeräte.

642

Löns: Computer-Hardware, Betriebssysteme

- Verwaltung (Zuteilung, Entzug) der Betriebsmittel des Computersystems für die internen Ablaufeinheiten. - Verwaltung verschiedener und gleichzeitig miteinander konkurrierender Arbeitsaufträge (Programme) für das Computersystem. Diese Aufträge werden systemintern in Form von Prozessen oder Tasks vom Betriebssystem nach vorgegebenen (aber adaptierbaren) Strategien abgearbeitet. - Bereitstellung eines Dateiverwaltungssystems (engl, file manager) für externe Speichermedien, insbesondere für Dateien auf Magnetplatten und CD-ROM. - Bereitstellung einer Bedienerschnittstelle für das OS, möglichst in Form einer grafischen Benutzeroberfläche (engl. Graphical User Interface, GUI).

Die Abb. 10 visualisiert die Stellung des OS-Kernels als Koordinations- und Vermittlungsinstanz zwischen den System- und Anwendungsprogrammen einerseits und der Hardware andererseits.

HARDWARE Abb. 10 : Das OS als Vermittlungsinstanz zwischen HW und SW

In der Vergangenheit spielte das vom Computerhersteller mitgelieferte OS als sogenannte proprietäre (d.h. im Besitz des Computerherstellers befindliche) Software für den Käufer eines Computers eine kritische Rolle. Der Käufer war durch seine Entscheidung für eine bestimmte HW auch zur Lizensierung eines bestimmten OS gezwungen und damit abhängig vom Wohlwollen, den Plänen und den Zielen des jeweiligen HW-Herstellers. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch die weltweite Etablierung des Unix-Betriebssystems drastisch zugunsten der Computeranwender geändert. Unix wurde ursprünglich in den Bell Laboratorien von AT&T entwickelt und ist, in verschiedenen Varianten, heute auf fast allen CPUs (vom PC bis zum Supercomputer) verfügbar. Durch die Standardisierung der Unix-Funktionalität über eine X/Open genannte Organisation und die Verfügbarkeit aller Dokumentationen

Ε 2.4 Betriebssysteme

643

und der OS-Quellprogramme ist Unix ein offenes System und damit nicht proprietär. Unix hat als OS für Workstations wesentlich zur Wegbereitung für das Internet beigetragen. Die Entwicklungstendenz im OS-Bereich läßt sich durch die weiter drastisch zunehmende Bedeutung von Unix und die Konfrontation mit den proprietären Betriebssystemen der Microsoft Corporation für den PC-Endanwender- und den Server-Bereich charakterisieren. Literatur Bauknecht, Kurt; Zehnder, Carl August: Grundzüge der Datenverarbeitung. 3. Auflage, B.G. Teubner, Stuttgart 1985. 293 S. mit 148 Figuren und 14 Tabellen. (Leitfäden der angewandten Informatik)

644

Ε3

Software für Information und Dokumentation Willi Reinicke und Joachim Schwandt

E 3.1

Einleitung

Die Entwicklung in der Wirtschaft und der Gesellschaft wird vielfältig diskutiert und ist Gegenstand vieler Veröffentlichungen und Kommentare. Aus der Vielzahl der Meinungsäußerungen hier zwei Zitate: 1. „Derzeit kann man kaum ein besseres Hotel betreten, ohne dort in eine Tagung über das schöne Thema Multimedia zu geraten. Der Jet-set der Medienindustrie gibt sich die Klinken in die Hand. Deutschland, sagen alle, sei auf dem Weg zur Informationsgesellschaft" (Lit. 04). 2. „Alle Welt redet von Dokument Delivery. Bibliotheksverbundsysteme bilden Joint Ventures mit Zeitschriftenagenturen und bieten elektronische Inhaltsverzeichnisse an. Elektronische Archivierungssysteme für Image-Management und Dokumenten-Management setzen sich durch. Internet und WIN werden für die akademische Kommunikation immer mehr genutzt" (Lit. 08).

Die Arbeit in Bibliotheken, in Informations- und Dokumentationseinrichtungen und in Archiven ist in diese Entwicklung eingebunden. Die Arbeitsprozesse sind einer fortschreitenden Technisierung unterworfen. Elektronische Arbeitsmittel sind unverzichtbar geworden und elektronische Medien erfreuen sich einer zunehmenden Verbreitung. Technische Mittel, wie die Hosts mit Online-Datenbasen, das Internet, WWW, CompuServe und ihre Weiterentwicklungen mit den Zugangsmöglichkeiten zu Datenbanken, zu elektronischen Katalogen und E-Mails, zu Softwarebörsen, werden in Bibliotheken sowie Informations- und Dokumentationseinrichtungen genutzt. Tageszeitungen und Zeitschriften werden im Volltext als OnlineDatenbasen oder über C D - R O M angeboten. Lexika, Nachschlagewerke und Kataloge erscheinen als C D - R O M . Informations- und Auskunftsdienste sind online abfragbar oder werden ebenfalls auf C D - R O M angeboten. Kataloge von Bibliotheken sind über Internet erreichbar. Informationen werden multimedial in der Kombination von Text, Daten, Bild, Ton und Animationen präsentiert. Die Anpassung der Arbeitsmethoden von Bibliotheken sowie von Informationsund Dokumentationseinrichtungen an die wissenschaftlich-technische Entwicklung ist mit dem Einsatz entsprechender EDV-Technik verbunden. Ein technischer Schwerpunkt liegt hier bei der Hard- und Software, auf die sich die Dokumentare, Bibliothekare und Archivare mit ihren Arbeitsmethoden einstellen müssen. Allgemein ist die für den IuD-Prozeß relevante EDV-Entwicklung gekennzeichnet durch: - ein großes Angebot leistungsfähiger Standardsoftware für allgemeine Aufgaben in der IuDTätigkeit, wie z.B. der Erstellung von Texten, der Speicherung von Daten, der Herstellung von Graphiken und Diagrammen usw., - Großrechner-Datenbanken, die über Netze online abgefragt werden können, - Datenbasen, die über C D - R O M angeboten werden,

Ε 3.2 Anwendungssoftware

645

- Volltext-Angebote online und auf CD-ROM, u.a. aus dem Bereich der Zeitungen, Zeitschriften, Nachschlagewerke usw., - Kataloge, Nachschlagewerke, Lexika und Enzyklopädien mit multimedialem Charakter.

Diese Entwicklungen werden durch leistungsfähige Hard- und Softwaresysteme unterstützt. Für den IuD-Prozeß sind auf der Softwareseite die folgenden Komponenten von Bedeutung: -

Betriebssysteme, Tools zur Lösung häufig wiederkehrender Operationen, Netzwerksoftware für den lokalen Betrieb, Kommunikationssoftware für die Arbeit in öffentlichen Netzen, Anwendungssoftware, untergliedert in Standardsoftware und prozeßspezifische Software, in diesem Fall die IuD-spezifische Software, - Graphikprogramme.

Die Betriebssysteme und die Netzwerksoftware werden ebenso wie die Hardware in anderen Kapiteln dieses Buches behandelt.

Ε 3.2

Anwendungssoftware

Der Personal Computer ist zu einem wesentlichen Hilfsmittel am Arbeitsplatz in der Information und Dokumentation, in Bibliotheken und Archiven geworden. Dabei geht es nicht nur um eine Anwendung, die auf eine spezifische Aufgabe zugeschnitten ist, sondern auch um Aufgaben, die durchaus auch in anderen Branchen auftreten. U.a. sind Texte zu erstellen und zu layouten, es sind Rechenoperationen auszuführen, es muß gezeichnet werden usw. Die Gruppe der Anwendungssoftware, die branchenübergreifend verwendet wird, nennt man Standardsoftware. Neben branchenübergreifenden Aufgaben gibt es noch eine ganze Reihe von branchenspezifischen Problemen, für die Software zur Verfügung steht. Im IuD-Wesen betrifft dies z.B. den Aufbau und die Pflege von Dokumentationssprachen. Ausgehend von den unterschiedlichen Aufgabenbereichen soll die Anwendungssoftware unterschieden werden in - Standardsoftware, - IuD- spezifische Software sowie - Graphiksysteme. Der Markt auf dem Gebiet der Anwendungssoftware unterliegt einer großen Dynamik. Während bei den Tools und der Standardsoftware für die einzelnen Aufgabengruppen bestimmte Produkte marktbeherrschend sind und eigentlich nur durch Versionen, die an neue Betriebssysteme angepaßt sind bzw. verbesserte Leistungsparameter besitzen, aktualisiert werden, ist bei der IuD-spezifischen Software eine große Vielfalt, aber auch Unübersichtlichkeit zu verzeichnen (Lit. 17). Deshalb soll bei dieser Softwareart auf eine Aufzählung und Wertung einzelner Produkte verzichtet werden. Es erfolgt die Darstellung des technischen Standes und der Entwicklungstendenzen. Wer sich einen Überblick über das konkrete Produktangebot

646

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

verschaffen möchte, der sei auf Lit. 13 und Lit. 17 bzw. die Softwaredatenbank des Berliner Arbeitskreises für Information (BÄK) verwiesen.

Ε 3.2.1

Standardsoftware

Das Feld der Standardsoftware wird von den führenden Softwareherstellern hart umkämpft. Einen Marktvorteil haben die Produkte, die unter Windows laufen, denn Windows hat als benutzerfreundliche Oberfläche, die das DOS-Betriebssystem ergänzt, eine weite Verbreitung gefunden. Mit der Version Windows 95 ist die Integration von Betriebssystem und fensterorientierter Benutzeroberfläche umfassend vollzogen. In Ergänzung zum Windows wird eine Reihe von Softwareprodukten aus der Gruppe der Standardsoftware angeboten, die wahlweise einzeln oder zusammen als ein Integrationsprogramm, dem sogenannten Office-Paket, auf dem Markt sind. Standardsoftware ist so weit entwickelt und verbreitet, daß heute für die allgemein üblichen Aufgabenklassen kaum noch eigene Programmierungsarbeiten oder Programmanpassungen des Anwenders notwendig sind. Standardsoftware wird aufgrund der erfolgreichen internationalen Vermarktung sehr preisgünstig angeboten. Bei der Anschaffung von Standardsoftware kann man allgemein von einem günstigen Preis/Leistungs-Verhältnis ausgehen. Demnach sind für die Auswahl einige grundsätzliche Kriterien zu beachten. Es sind dies unter anderem die HardwareAnforderungen und die Kompatibilität. Schließlich muß man davon ausgehen, daß mehrere Softwareprodukte auf einem Rechner laufen. Bei der Umstellung von einem Programm auf das andere dürfen nur minimale Umrüstungsoperationen erforderlich sein. Außerdem sollen die Daten leicht aus einem Programm in ein anderes übertragen werden können (Portabilität). Gerade für die Übertragung der Daten zwischen unterschiedlichen Programmen wurden diverse Transformationsoperationen entwickelt. Dazu zählt die Umwandlung von Daten in ein Transportformat (Austauschformat), wobei die Ausgangstransformation als Export und die Eingangstransformation als Import bezeichnet werden. Eine elegante Methode, Daten, die unter der Regie eines Programms erstellt wurden, in Daten, die unter der Regie eines anderen Programmes laufen, einzufügen, ist das DDE (dynamic data exchange). Dabei bleibt die Regie des Ursprungsprogramms über die zu transportierenden Daten erhalten. Das hat den Vorteil, daß Veränderungen in den Daten keine separate Aktualisierung der Kopie erfordern. Durch das DDE werden Veränderungen in den Quelldaten auf alle verknüpften Kopien übertragen (Lit. 19). Beispiel: In den Text eines Textverarbeitungsprogramms wird ein Diagramm eingefügt, das mit Hilfe eines Tkbellenkalkulationsprogramms erstellt wurde. Wenn nun in dem Tabellenkalkulationsprogramm Zahlenwerte geändert werden, ändert sich die Form des Diagramms. Diese Veränderung wird automatisch auf das im Text eingefügte Diagramm übertragen. Eine weitere Möglichkeit, Daten aus der Regie unterschiedlicher Programme zu verknüpfen, ist OLE (object linking and embedding). OLE erlaubt, unter der Re-

Ε 3.2 Anwendungssoftware

647

gie eines Programmes, z.B. einer Textverarbeitung, ein weiteres Programm, z.B. ein Graphikprogramm zur Erstellung einer Graphik aufzurufen. DDE und OLE sind insbesondere für die unter Windows laufenden Programme MS-Word, MS-Excel und MS-Access realisiert. Aber auch Spezialprogramme, die für den Betrieb unter Windows konzipiert wurden, machen zunehmend von den Verknüpfungsmöglichkeiten Gebrauch. Zur Ausnutzung der vollen Funktionalität einer Software sind die Hardwareanforderungen zu beachten. Um einen reibungslosen Umgang mit den Daten ohne Verzögerungen durch langwierige Verarbeitungs- und Auslagerungsprozesse zu gewährleisten, sollte ein PC mit mindestens 486-iger Prozessor und mit mindestens 8 MByte Hauptspeicherkapazität sowie einer Festplattenkapazität oberhalb von 500 MByte zur Verfügung stehen. In Bezug auf den Hauptspeicherbedarf und die benötigte Festplattenkapazität steigen die Anforderungen mit neuen Programmen oder Programmversionen weiterhin. So werden für den Einsatz von Windows 95 ein Pentium-Prozessor und ein Hauptspeicher von 16 Mbyte empfohlen. Eine elegante Form, Daten mehrfach zu nutzen, z.B. bei der sofortigen Einbindung in einen Text, ist das sogenannte Workgroupcomputing. Voraussetzung ist, daß die Rechner mehrerer Arbeitsplätze zusammengeschaltet sind. Dazu wurde bereits in vielen Fällen ein LAN (local area network) installiert. Es genügt aber auch, mehrere Rechner (bis zu vier) zu verbinden und die Steuerung mit dem Programm „Windows für Workgroups" zu realisieren. Die Mehrplatzarbeitsweise soll hier nicht weiter beschrieben werden.

Ε 3.2.1.1

Textverarbeitung

Die Textverarbeitung wird im IuD-Wesen, in Bibliotheken und Archiven vielfältig angewendet. Man braucht beispielsweise nur an die Korrespondenz oder die Gestaltung von Textvorlagen zu denken. Hier sollen jedoch die spezifischen Aufgaben aus dem IuD-Prozeß im Vordergrund stehen. Gesammelte und erschlossene Daten sind einzugeben, zu speichern, zu suchen, zu ersetzen oder zu sortieren und auszugeben. Danach sind sie für die Auslieferung an den Auftraggeber bzw. für den Nutzer aufzubereiten. Während es für den ersten Komplex IuD-spezifische Datenbankund Retrievalsoftware gibt, wird die Layout-Bearbeitung von Retrieval-Ergebnissen in der Regel mit Standardsoftware vorgenommen. Textverarbeitungssoftware wird in der Regel für die Eingabe und die Aufbereitung von Daten eingesetzt. Bei einfachen, textbasierten Daten könnte die Eingabe prinzipiell auch mit einem der einfachen Editorprogramme erfolgen, die als Bestandteil von Betriebssystemen zur Verfügung stehen. An die Aufbereitung der ausgegebenen Daten werden jedoch allgemein höhere Anforderungen gestellt, die den Einsatz eines Textverarbeitungsprogrammes oder gar eines DTP-Programms (desk top publishing) erforderlich machen. Die Leistungsmerkmale moderner Textverarbeitungsprogramme sind - Texteingabe großer Variabilität, - Variabilität in der Seitengestaltung,

648 -

-

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

Zugriff auf bestehende Texte - in der Regel mit einfachen Suchmechanismen, Suchen und ersetzen von Tfextelementen, Grammatik- und Rechtschreibprüfung, beliebige Korrekturmöglichkeiten, Verschieben von Textpassagen, einblenden von Daten und Datenobjekten aus anderen Programmen, diverse Möglichkeiten zur Layoutgestaltung (u. a. Schriftart, Schriftgröße, Schriftformat, Schriftfarbe, Einrückungen, Numerierungen und Aufzählungen, Rahmen und Schattierungen, Tabellen), Fonnatvorlagen, beispielsweise für Briefe/Serienbriefe, Etiketten und Umschläge, Formulare, Berichte, Importmöglichkeiten von Texten, Tabellen, Indizes, Verzeichnissen, von Graphiken unterschiedlicher Formate, Kommunikationsfähigkeit mit anderen Programmen, z.B. Textverarbeitungsprogramme und DTP-Programme, unterschiedliche Druckmöglichkeiten.

Die Textverarbeitungsprogramme mit der größten Verbreitung sind (Lit. 05): - AmiPro (Lotus Development), - StarWriter (Star Division), - Word (Microsoft), - WordPerfect (Novell/WordPerfect).

Ε 3.2.1.2

Tabellenkalkulation

Unter Tabellenkalkulation versteht man ein Rechen verfahren, bei dem in Zeilen und Spalten - also in einer Tabelle - angeordnete Werte miteinander verknüpft werden. Tabellenkalkulationsprogramme sorgen dafür, daß bereits bei Veränderung nur eines Wertes innerhalb der Tabelle die rechnerische Verknüpfung aller Werte der Tabelle nach den eingefügten Formeln neu ausgeführt wird (Lit. 15). So sind beispielsweise Rechnungen für den Fall „was wäre wenn" möglich. Programme zur Tabellenkalkulation werden häufig für die Erstellung von Bilanzen, Budgets, Prognosen, Statistiken benutzt. Recherchekostenerfassong Datum

Projekt 1

16.01.1995

63,75 DM

17.01.1995

324,36 DM

18.01.1995

Projekt 2

Projekt 3

54,86 DM 220,33 DM

379,22 DM 77,05 DM 433,46 DM

21.01.1995 388,11 DM

Summe 63,75 DM

20.01.1995

Ausgaben

Projekt 4

275,19 DM

510,51 DM

Abb. 1: Einbindung einer Berechnungstabelle in einen Text

297,38 DM 66,05 DM

499,51 DM

322,36 DM

322,36 DM

388,41 DM

1.562,22 DM

Ε 3.2 Anwendungssoftware

649

Jedes Element einer Tabelle ist eine Zelle (Lit. Ol). Die Tabellen werden auch als Arbeitsblätter bezeichnet. Die horizontale Anordnung von Zellen bildet eine Zeile, die vertikale Anordnung bildet eine Spalte. Jede Zelle ist durch ihre Zeilen- und Spaltenposition eindeutig adressiert. Zeilen und Spalten können mit verbalen Beschriftungen, d.h. mit Zeilen- oder Spaltenköpfen versehen sein (Abb. 1). Es stehen eine Vielzahl von Formeln zur Verfügung, bei deren Verwendung auf einfache Weise komplexe Rechnungen durchgeführt werden können. Außerdem besteht die Möglichkeit, eigene Formeln über die Tastatur einzugeben. Die Mehrheit der Tabellenkalkulationsprogramme ist auch für die Präsentation der Ergebnisse in Diagrammform vorbereitet. Hierbei kann die dem Anwendungsfall angemessene Diagrammform ausgewählt werden. Programme mit derzeit großer Verbreitung sind (Lit. 05): - CA Complete (Computer Associats), - Excel (Microsoft), - Improve (Lotus Development), - Lotus 1-2-3 (Lotus Development), - Quattro Pro (Novell/Borland).

Ε 3.2.1.3

Datenbanken

PC-Datenbankprogramme sollen in erster Linie leistungsstark und einfach zu bedienen sein. Außerdem erwartet man kurze Reaktionszeiten. Natürlich wird diese Eigenschaft von der gespeicherten Datenmenge beeinflußt. Umfangreiche Datenbanken stoßen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit derzeit verbreiteter PC, d. h. PC in 486-ger Ausführung mit 8 MByte Hauptspeicher. Basisoperationen bei Datenbankprogrammen sind das Anlegen von Indexlisten, das Sortieren und Suchen von Datensätzen, das Aktualisieren von Tabellen, das Einfügen von Daten, das Streichen von Daten aus einer vorhandenen Datei, das Anfügen von Daten an eine Datei (Lit. 09). Installation und Handhabung von Datenbankprogrammen stellen heute für einen erfahrenen PC-Benutzer keine größeren Hindernisse mehr dar. Die Vorgänge laufen nach heute üblichen Regeln ab, sind einfach und selbsterklärend. Die Abfrage kann sehr komplex gestaltet sein. Dabei können durchaus mehrere in Relation zueinander stehende Tkbellen zu einem Bericht (Ergebnispräsentation) verarbeitet werden. Die Daten werden im Ergebnis eines Suchprozesses nicht nur in der Form wiedergegeben, wie sie eingelesen wurden. Insbesondere bei numerischen Daten können rechnerische Operationen durchgeführt werden, so daß im Ergebnis der Datenbankauswertung neue, von der Eingabe unterschiedliche Werte entstehen. Datenbankprogramme, die zur Zeit eine große Verbreitung gefunden haben, sind (Lit. 05): - Access (Microsoft), - Approach (Lotus Development), - dBase (Borland), - Paradox (Borland).

650 Ε 3.2.1.4

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation DTP - Desk Top Publishing

Eine in ihrer Bedeutung wichtige Softwaregruppe stellen die DTP-Programme dar. DTP steht für „desk top publishing" und bedeutet soviel wie Erstellen druckreifer Manuskripte am Arbeitsplatz des Autors. DTP-Programme sind insbesondere für die Herstellung elektronischer Zeitschriften und Bücher sowie von Literaturarten von Bedeutung, die nicht mehr in den konventionellen Buchhandel kommen und deshalb von Informationsstellen und Bibliotheken mit Hilfe eines Rechners am Arbeitsplatz ausgewertet werden müssen. Sicher sollten Informationseinrichtungen und Bibliotheken in der Lage sein, potentiellen Autoren aus dem Nutzerkreis beim Anfertigen und Einspeichern von Beiträgen elektronischer Zeitschriften und Bücher Hilfestellung zu geben. Der Leistungsumfang von DTP-Programmen übersteigt den von Textverarbeitungsprogrammen, obwohl letztere ihre Funktionen in der jüngsten Zeit erheblich erweitert haben und für einfache Aufgaben durchaus ein DTP-Programm ersetzten können. Dennoch bleibt eine Reihe von Funktionen, die für eine professionelle Layoutgestaltung zur Anwendung kommen (Lit. 07). Eine wichtige Funktion ist beispielsweise das Anordnen von Textelementen in Kolumnen. Eine weitere Spezialfunktion in dieser Umgebung ist die Einbeziehung von Datenobjekten unterschiedlicher Herkunft, insbesondere die Kombination von Bildern und Graphiken mit Texten, die unter DTP-Programmen gespeichert oder erzeugt werden. Unbedingte Voraussetzung für ein DTP-Programm ist die Realisierung des WYSIWYG-Prinzips (what you see is what you get - was am Bildschirm angezeigt wird, stimmt deckungsgleich mit dem überein, was gedruckt wird). DTP-Programme zeichnen sich auch durch ein professionelles Schriftenangebot aus. Einige Beispiele für DTP-Programme sind: - FrameMaker (Frame Technologies), - PageMaker (Aldus), - Ventura Publisher (Corel).

E 3.2.2

Kommunikationssoftware

Eine spezielle Computeranwendung ist die Datenkommunikation. Damit ein Computer mit einem anderen kommunizieren kann, bedarf es einer Reihe von Voraussetzungen. Als Grundvoraussetzung muß eine Verbindung zur Datenkommunikation geschaltet sein. Man kann drei Stufen der Datenkommunikation unterscheiden: - Workgroup-Computing, - Netzbetrieb und - Terminalbetrieb. Beim Workgroup-Computing können bis zu vier Rechner gleichberechtigt miteinander verschaltet sein.

Ε 3.2 Anwendungssoftware

651

Weit mehr Rechner können in einem lokalen Netz zusammenarbeiten. Hierbei gibt es mindestens einen privilegierten Rechner, den Netzwerk-Server, auf dem das Netzwerkbetriebssystem installiert ist. Daneben gibt es weitere Server, wie z.B. Druck-Server, File-Server, Kommunikations-Server. Jeder Arbeitsplatzrechner kann prinzipiell sowohl als Client (Inanspruchnahme von Netzleistungen) wie auch als Server (Bereitstellung von netzweit verfügbaren Leistungen) fungieren. Bei der dritten Betriebsart, dem Terminal-Betrieb, reduziert sich die Funktionalität des Arbeitsplatzrechners darauf, Bedienerkonsole eines anderen Rechners zu sein. Dieser Rechner kann ein Server aus der Welt der Netzwerke oder ein Host aus der Großrechnerwelt sein. Damit der Arbeitsplatzrechner im Terminal-Betrieb arbeiten kann, muß er die Funktionen eines Terminals übernehmen. Dies geschieht mit Hilfe eines Kommunikationsprogramms; es kann auch als Terminalprogramm oder DFÜProgramm bezeichnet werden (DFÜ - Datenfernübertragung).

Ε 3.2.2.1

Terminalbetrieb

Programme für den Terminalbetrieb haben im wesenlichen zwei Funktionen zu erfüllen (Lit. 06, Lit. 11, Lit. 10, Lit. 12, Lit. 16): - Es ist die Datenübertragung (der Datentransfer) zu realisieren, und - es wird die Terminalfunktion emuliert. Für die Datenübetragung stehen eine Reihe von Protokollen (Lit. 14) zur Verfügung, darunter sind beispielsweise einfache Protokolle wie Kermit und XModem, das moderne ZModem und Β + , das für den Datentransfer mit dem Gateway- und Mailbox-Dienst Compuserve benötigt wird. Die Terminalemulation richtet sich nach den Hardware-Produkten, die durch die Software nachzubilden sind. Unter den häufig verwendeten (und emulierten) Produkten sind die von DEC (Digital Equipment Corp.) produzierte VT-Reihe mit VT100, VT-52, VT-220, VT-300 usw. sowie ANSI, RIP (speziell für graphische Elemente) und CEPT-1 (BTX-Standard) von Bedeutung. Auch für die Datenkommunikation gibt es eine Fülle von Programmen auf dem Markt. Die meisten dieser Programme berücksichtigen in erster Linie den FileTransfer, die Arbeit mit Mail-Boxen und die Nutzung von Software und Daten auf entfernten Rechnern. Man kann sie als allgemeine Kommunikationsprogramme bezeichnen. Im Internet werden alle Datentransferoperationen über die einheitliche Client-Server-Architektur abgewickelt, die mit dem Programm TCP/IP realisiert wird. Für den Terminalbetrieb kommt die Funktion „telnet" zum Einsatz. Beim Zugriff auf externe Hosts über das Internet herrschen für den Rechercheur vergleichbare Bedingungen, wie bei Benutzung eines allgemeinen Kommunikationsprogramms. Die Funktionalität des eingesetzten Kommunikationsprogramms hat, zusammen mit den Kenntnissen und Fertigkeiten des Rechercheurs, entscheidenden Einfluß auf die Effektivität des Online-Retrieval. Es ist daher angeraten, der Auswahl der Software einige Aufmerksamkeit zu schenken. Neben den allgemeinen Kommunikationsprogrammen gibt es auch Terminalprogramme, die mit speziellen Funktio-

652

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

nen nach den Anforderungen der Fachinformation ausgestattet sind. Diese speziell gestatteten Programme nennt man IuD-Kommunikationsprogramme. Eine dritte Gruppe von Kommunikationsprogrammen wird von Datenbasenherstellern (CD-ROM-Dienste) und Hostbetreibern (Online-Dienste) zur Verfügung gestellt und ist dazu ausgelegt, die Funktionalität der Retrieval-Software eines bestimmten Hosts an der DEE (Daten-End-Einrichtung, d. h. am Terminal) optimal zu unterstützen (gleiche Symbolik, gleiche Terminologie, Bereitstellung von Daten zur Vororientierung, die gegebenenfalls online aktualisiert werden, wie beispielsweise die Liste der Datenbasen, das Klassifikationssystem, der Thesaurus u.a.). Programme dieser Art können darauf zugeschnitten sein, als Benutzeroberfläche eines bestimmten Retrievalsystems oder gar einer einzigen Datenbank zu dienen. Einige Programme gehen so weit, daß sie dem Benutzer die Auseinandersetzung mit der Retrievalsprache abnehmen. Wenn das so ist, können diese Programme auch nur in der vorgesehenen Umgebung (Verbindung zu einem bestimmten Host, CD-ROM-Betrieb) ihre volle Funktionalität entfalten. Man nennt sie Front-EndProgramme. Im Fernzugriff eingesetzte Front-End-Programme sind aber in erster Linie Kommunikationsprogramme. Auch die unter MS-DOS laufenden Kommunikationsprogramme arbeiten in der Regel mit einer Menüführung, zumindest im Hinblick auf die notwendigen Parametereinstellungen. Es ist zu erkennen, daß sich in der Zukunft solche Programme, die unter Windows laufen und die Funktionalität des Windows benutzen, durchsetzen werden. Allgemeine Kommunikationsprogramme, die unter Windows laufen und derzeit die größte Verbreitung haben, sind (Lit. 10, Lit. 16): - Crosstalk (Computer 2000), - Procomm Plus (Online Store), - RSV-COM (RSV Datentechnik), - Teil·* (CDV Software), - Unicom (CDV Software), - Terminal/Windows 3.1 (Microsoft), - Hyperaccess Lite/OS/2 (IBM), - Qmodem Pro (Ingenieurbüro Nonnast), - Telemate (White River Software), - Comra Plus (BMETelematix).

Ε 3.2.2.2

Besonderheiten der Kommunikationssoftware für IuD-Aufgaben

In vielen IuD-Einrichtungen und Bibliotheken trifft man auf Produkte aus der Gruppe der allgemeinen Kommunikationssoftware. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die IuD-Kommunikationssoftware, mit Ausnahme der Front-End-Programme, relativ teuer. Allgemeine Kommunikationsprogramme stehen aber auch als Shareware bzw. zu Preisen bis zu 500,- DM zur Verfügung. Oft haben oder nehmen aber auch Dokumentare, Bibliothekare oder Archivare keinen oder nur geringen Einfluß auf die Entscheidungen zur EDV-Ausstattung ihrer Einrichtungen, so daß in den Entscheidungsgremien das Angebot spezieller IuD-Kommunikationssoftware oftmals gar nicht bekannt ist.

Ε 3.2 Anwendungssoftware

653

Die spezifischen Anforderungen der IuD-Arbeit an die Kommunikationsprogramme resultieren aus dem Streben nach effektiven Arbeitsmethoden beim Online-Retrieval. Hier stehen das Erreichen optimaler Qualitätsparameter in bezug auf Precision und Recall und die Zeit- und Kosteneffizienz im Vordergrund. Forderungen, wie sie auch an allgemeine Kommunikationsprogramme gestellt sind, wie beispielsweise zuverlässiger Verbindungsaufbau, stabiler Betrieb und weitestgehend fehlerfreie Prozeßabläufe, werden dabei als selbstverständlich vorausgesetzt. Was macht nun die spezifischen Anforderungen der IuD-Arbeit an die Kommunikationssoftware aus? Es sind dies u.a. (vgl. Lit. 11): - Mitspeichern des gesamten Sitzungsprotokolls, möglicherweise mit der Umschaltmöglichkeit zwischen dem Dialog-Protokoll und Ergebnisausgabe, - großer Online-Puffer, - Übertragung der Break-Funktion, - Wiederholung der letzten Kommandozeile mit Editieroption, - nutzerabhängige Belegung der Funktionstasten, möglicherweise mit einem vorinstallierten, allgemein anwendbaren Belegungsangebot, - Unterstützung der Offline-Vorbereitung von Suchaniragen (zeilenorientiert) mit der Möglichkeit, sie im Online-Dialog zu aktivieren, zu editieren und zu senden, - getrennte Kostenerfassung für die einzelnen Benutzer der Online-Arbeitsstation.

Der TYend zur Kommunikationssoftware mit fensterorientierter Technik, die die Kenntnis spezieller Befehle überflüssig macht, ist unübersehbar. Die neueren Programme dieser Art laufen unter Windows und nutzen die Funktionalität von Windows optimal aus. Bemerkenswert ist, daß diese Entwicklung auch von den Hosts vorangetrieben wird. Die Windows-Oberfläche soll die Attraktivität des Hostangebotes erhöhen und zeitgemäß darbieten. Allerdings stellt ein solches Programm höhere Anforderungen an die Hardwareausstattung als MS-DOS-Kommunikationssysteme. So benötigt man beispielsweise für das Front-End-Programm ProBase, das für Knight Ridder Information (Data-Star) und FIZ Technik zum Einsatz kommt, einen 486-er PC mit einem RAM von 8 MByte. Auf der Festplatte muß freier Speicherplatz von mindestens 16 MByte vorhanden sein. Es muß Windows geladen sein mit einer Version von 3.1 oder höher. Außerdem benötigt man eine Maus. Als Modem wird ein Gerät empfohlen, das mit einem 50 MHz-Prozessor ausgestattet ist, eine Übertragungsrate von 9 600 Bit/s erreicht und mit der MNP-V.42-Fehlerkorrektur arbeitet. Beim Start von ProBase erhält man eine Reihe informativer Angaben, die eine Datenbankrecherche wesentlich erleichtern. So wird die Liste der zur Verfügung stehenden Datenbasen in einem Fenster angezeigt. Ein anderes Fenster zeigt die Datenbanken nach thematischer Sortierung an. Natürlich ist auch ein Fenster vorhanden, in dem die ausgewählte (durch Mausklick) Datenbank angegeben wird. Im nächsten Schritt steht die aktuelle Suchzeile im Mittelpunkt. Daneben gibt es ein Fenster, in dem die bereits abgearbeiteten Suchschritte protokolliert werden. Es werden sowohl die Dokumentenstruktur als auch Suchhilfen angezeigt. Aus den begleitenden Fenstern können einzelne Eintragungen in die Suchzeile übernommen, aber auch offline vorbereitete Suchschritte angezeigt und aktiviert werden. Die Ergebnisanzeige erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst erhält man eine Liste der Dokumententitel. Daneben wird die Struktur der Datensätze und ein Kontroll-

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Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

feld zur Auswahl angezeigt. Bevor man eine kostenpflichtige Ausgabe in Auftrag gibt, wird man aufgefordert, sich über die Kosten zu informieren, die angezeigt werden können. Zur Kostenkontrolle kann ein Budget eingerichtet werden, bei dessen Erreichen eine eindeutige Warnung erfolgt. Die ausgegebenen Datensätze werden ordnungsgemäß gespeichert. Texte und Tabellen können leicht in andere Windows-Anwendungen übertragen werden. Solange die Online-Verbindung zum Host besteht, können einzelne Textpassagen markiert und als Suchformulierung eingesetzt werden. Hostunabhängige IuD-Kommunikationsprogramme sind: - A.Com (Softwarehaus Graf & Partner), - Genesys (Genesys), - Genios PCplus (Genios), - Infolog (luK Dieter Rieth), - Tecon (F1ZTechnik). Hostabhängige Front-End-Programme sind beispielsweise: - Braque (ESA/IRS), - InMedia (Genios), - ProBase (Knight Ridder Information (Data-Star) und FIZ Technik), - STN-Express (STN International).

Ε 3.2.3

IuD-spezifische Software

Die IuD-spezifische Software ist ein Spiegelbild der folgenden Entwicklung: - Verschmelzung von IuD-Prozessen und Bibliotheksaufgaben, - Rasche Verbreitung selbsterklärender graphischer Bedienoberflächen, - Angebot von Komplexsoftware für die gesamte technologische Kette der IuDProzesse, - Angebot von Software für Einzelprozesse, wie z.B. Dokumentationssprachen, OPAC, Ausleihverbuchung, Bibliotheksstatistik usw. IuD-Software, Software für Bibliotheken und Archive wird angeboten für - das Betriebssystemen MS-DOS, - die Oberfläche Windows bzw. das Betriebsssystem Windows 95, - OS/2, - UNIX bzw. XENIX/SINIX und - das Apple Macintosh-Betriebssystem. Die größte Verbreitung besitzen Programmsysteme unter MS-DOS, unter Windows und UNIX. Welche Software für welches Betriebssystem bei einem Anwender zum Einsatz kommt, hängt nicht nur von den Leistungsparametern ab, sondern auch von dem bereits vorhandenen betrieblichen Umfeld (Rechnerausstattung, Betriebssystem, Organisationsregime). In einem Umfeld, in dem die Gewährleistung der Kommunikationsfähigkeit auf der lokalen Ebene und darüber hinaus die Integration in internationale Netze für eine moderne Informations- und Dokumentationsarbeit notwendig sind, gehört die

Ε 3.2 Anwendungssoftware

655

Netzwerkfähigkeit zur Selbstverständlichkeit. Für den IuD-Bereich bedeutet das die Integration in NOVELL-Netze oder Netze unter dem Betriebssystem UNIX. Eine zunehmende Wichtung bei der Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit von Programmsystemen erfährt die Bedienoberfläche. Maßgebliche Beurteilungskriterien sind dabei: -

der Aufbau der Oberfläche allgemein, d.h. Menü-, Masken- oder Fenstertechnik, das allgemeine Bildschirmlayout, die Übersichtlichkeit und Farbgestaltung des Bildschirms, die Benutzerführung (möglichst selbsterklärend), die Verfügbarkeit von Navigations- und Orientienmgshilfen.

Graphische Bedienoberflächen sind bei dem gegenwärtigen Stand der Technik unverzichtbar. Daraus resultiert eine Favorisierung der unter Windows, OS/2 oder Macintosh laufenden Systeme. IuD-Software ist in einer großen Anzahl auf dem Markt. So sind allein in Lit. 17 2000 Anwendungsprogramme für Bibliothekare und Dokumentare zusammengestellt, wobei hier auf die Unübersichtlichkeit des Marktes, irreführende Programmtitel und insbesondere grundverschiedene Programme unter gleichem Titel usw. hingewiesen wird .

Ε 3.2.3.1

Komplexe Softwaresysteme für den InD-Bereich

Programme unterschiedlicher Komplexität, Leistungsfähigkeit und mit unterschiedlichem Preisniveau werden als Software für den IuD-Bereich auf dem Markt angeboten. Dabei werden sowohl die herkömmlichen IuD-Aufgaben als auch Aufgaben in der Bibliotheks- und Archivarbeit abgedeckt. Software dieser Art gibt es auch in zunehmendem Maße für CD-ROM-Anwendungen. Quantitativ bieten einige Systeme die Möglichkeit, einige Hunderttausend Datensätze zu speichern, so daß die Leistungsfähigkeit früherer Großrechnersysteme, wie sie z.B. mit STAIRS realisiert wurden, erreicht wird. Diese Entwicklung wird durch die Speichermedien CD-ROM und MO beschleunigt. Festzustellen ist bei dieser Entwicklung das Bedürfnis potentieller Anwender, parallel zur Übertragung von Online-Datenbasen auf die PC-Ebene die von den Hosts gewohnten Funktionen auch auf der PC-Ebene vorzufinden. Programmsysteme mit einem komplexen Funktionsangebot gibt es in vielerlei Ausprägungen: -

als Datenbank und Retrievalsystem für Referenzdaten, Fakten und Volltexte, als Datenbank- und Retrievalsysteme mit integrierter Thesauruskomponente, als komplexe Bibliothekssysteme für alle in einer Bibliothek anfallenden Arbeitsaufgaben, als Archivsysteme für Ton-, Bild-, Film- und Textdokumente, als Systeme mit Schnittstellen zu Großrechnern bzw. zu anderen PC-Systemen, als Systeme mit Schnittstellen zu modernen Textverarbeitungssystemen oder DTP-Systemen, als fachorientierte Systeme (z.B. für die medizinische Dokumentation, für chemische Strukturen, für Rechtsdokumente, für Normen und technische Regeln, Patente usw.).

Kernstück solcher Programmsysteme ist eine Datenbank. Diese ist in der Regel, je nach Systemkonzept und Leistungsfähigkeit, als relationale, objektorientierte, line-

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Reinicke/Schwandt: Software für Information und D o k u m e n t a t i o n

are o d e r hierarchische D a t e n b a n k aufgebaut. B e i vielen Programmsystemen werden K o m b i n a t i o n e n dieser D a t e n b a n k - G r u n d t y p e n benutzt. Ein M e r k m a l leistungsfähiger K o m p l e x s y s t e m e im I u D - B e r e i c h ist, daß sie Bausteine für alle Arbeitsgänge der technologischen Kette des I u D - P r o z e s s e s enthalten. E s handelt sich dabei u m K o m p o n e n t e n für: - die Erfassung mit Erfassungshilfen, Erfassungsschablonen bzw. -fenstern, - die syntaktische und semantische Prüfung bei der Erfassung und die sofortige Anzeige von Erfassungsfehlern, - die Duplizitätskontrolle (hat besondere Bedeutung bei dezentraler Arbeitsorganisation), - das Einfügen und das Löschen von Datensätzen, - die Pflege bzw. Korrektur von Datensätzen, - das sequentielle Retrieval oder die schnelle direkte Suche in Indexdateien, - die Ausgabe von Rechercheergebnissen mit der Wahlmöglichkeit zwischen individuell generierbaren Ausgabeformen und Ausgabeformaten gemäß geltender Standards, z.B. RAK, - die Möglichkeit des Datenimports und -exports zu Großrechnerdatenbanken bzw. zu anderen PC-Systemen mittels vorgefertigter Routinen oder mittels einer einfachen Programmiermöglichkeit für individuelle Routinen, - die Möglichkeit zur Herstellung von Bibliographien und Katalogen, - die Herstellung von SDI (selective dissimination of Information - periodische Recherche in den Neuzugängen), - die Integrationsmöglichkeit von Volltexten, Bildern und Diagrammen. Solche k o m p l e x e n Programme w e r d e n unter d e m Betriebssystemen M S - D O S , als Windows-orientierte S y s t e m e und unter U N I X a n g e b o t e n . Entsprechend d e m allg e m e i n e n Ttend der Kommunikationstechnik sind die n i v e a u b e s t i m m e n d e n Sys t e m e netzwerkfähig.

Ε 3.2.3.2

Software für Teilprozesse

Software dieser Art wird angeboten: - für bibliothekarische Einzelfunktionen, wie z.B. Erwerbung, Zeitschriftenverwaltung, Zeitschriftenkontrolle, Katalogisierung, OPAC (online public access catalogue - öffentlich zugänglicher Computer-Katalog in Bibliotheken), Bibliographiebearbeitung, Ausleihverwaltung, Ausleihverbuchung, Mahnung, HaushaltkontroUe, Abrechnung, - für die Datenbankpflege (Einfügen und Löschen von Datensätzen), - für dokumentalistische Einzelfunktionen, wie Erfassung, Datenprüfung, Datenkorrektur, - für Terminologiearbeiten, - für die automatische Indexierung, - für die Rechtschreibkontrolle, - für den Datenimport und -export, - für das Controlling von Informationseinrichtungen, - für die Druckaufbereitung von Informationsprodukten, - für die Duplizitätskontrolle in Datenbasen und für weitere Aufgaben. D i e s e S y s t e m e sind, e b e n s o w i e die k o m p l e x e n S y s t e m e , in der Mehrzahl auf MSD O S , Windows o d e r U N I X orientiert, vereinzelt auch auf OS/2.

Ε 3.2 Anwendungssoftware

657

Ε 3.2.3.2.1 Software für die Tennmologiearbeit - Thesaurusprogramme Die Terminologiearbeit ist eine der wichtigsten Aufgaben bei Referenzdatenbanken. Über die Dokumentationssprachen wird die Kommunikation zwischen Nutzer und den gespeicherten Daten hergestellt. Deshalb ist die Erstellung und Pflege von Ordnungssystemen eine wesentliche Aufgabe in Informations- und Dokumentationssystemen. Daraus resultiert die Bedeutung der Thesaurussoftware. Thesaurussoftware wird auf dem Markt in zwei Varianten angeboten: - als Stand-alone-System oder als - Komponente komplexer Systeme. Das Angebot von Thesaurussoftware auf dem deutschen Markt ist gegenwärtig nicht übermäßig groß und vorwiegend auf das Betriebssystem MS-DOS zugeschnitten. Zur Beurteilung von Thesaurussoftware können allgemein die folgenden Kriterien angesetzt werden: -

die die die die die

allgemeinen Systemeigenschaften, Relationsarten, Konsistenz, Benutzeroberfläche, Aufbereitungsmöglichkeiten.

Konkrete Beurteilungskriterien für die Leistungsfähigkeit von Thesaurussoftware sind: - die Relationen, die für einen Deskriptor oder Nichtdeskriptor eingegeben werden können, - die Möglichkeit, Erläuterungen zum Gebrauch zu machen (scope notes), - die Möglichkeit der Aufnahme von Definitionen, Notationen, Facetten, verschiedenen Sprachversionen, der Aufnahme von Quellenangaben, Angaben zur Erfassung, - die Vorgabe von Relationen oder die Möglichkeit, nutzerspezifische Relationen einzuführen, - die Berücksichtigung der in den zutreffenden Normen geforderten Relationsarten (Äquivalenz, Hierarchie, Assoziationen, Kombinationen), - die Duplizitätskontrolle, mit der festgestellt werden kann, ob ein Deskriptor oder ein Nichtdeskriptor schon mit einer bestimmten Eintragung vorhanden ist, - die automatische Oberprüfung der logischen Richtigkeit bei der Begriffseingabe. Darüber hinaus ist leistungsfähige Thesaurussoftware durch eine komfortable Aufbereitungskomponente gekennzeichnet. Man versteht darunter: - die direkte Druckerausgabe oder die Dateiausgabe, - die Wahlmöglichkeit von Schrifttyp und Schriftgröße, - bei der Dateiausgabe Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Dateitypen, die die layoutmäfiige Weiterverarbeitung mit komfortablen Textverarbeitungs- oder DTP-Programmen gestatten (z.B. „rtf"-Format - rich text format.). - die Ausgabe von Systematik, Thesaurusstatistik, Thesaurus alphabetisch und systematisch geordnet, - die Wahlmöglichkeit für die in die Ausgabe einzubeziehenden Relationen, - die Ausgabe einer Deskriptorstatistik für die einzelnen Relationen.

658

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

Ε 3.2.3.2.2 Programme for bibliothekarische Einzelfunktionen Dazu zählen: - Bibliographieprogramme, - Programme für die Bibliotheksverwaltung, - Programme für die Bestands- und Kundenverwaltung für Medienarchive, Zeitschriften Verwaltung, Zeitschrifteneingangskontrolle, - Recherche- und Ausgabeprogramme, - Programme für Statistik, Haushaltskontrolle, - Katalogisierungsprogramme, - Schlagwortlistenprogramme, - Programme für die Bestands- und Kundenverwaltung sowie die Ausleihverwaltung und Fernleihe.

Die derzeit auf dem Markt zu diesen Problemkreisen angebotenen Programme laufen unter den Betriebssystemen MS-DOS, UNIX, XENIX, SINIX und OS/2.

Ε 3.2.3.3

Volltextsysteme

Mit den wachsenden Möglichkeiten der Speichermedien finden Volltextsysteme (Texte und Graphiken) rasche Verbreitung. Volltextinformationen werden online und über CD-ROM angeboten. Das Informationsangebot, das für die Zwecke der Information und Dokumentation zur Verfügung steht, wird komplexer. Waren früher vorrangig Retrievalsysteme zum Speichern und Wiederfinden von Referenzdaten Hauptinstrument der Informationsvermittlung, so sind sie gegenwärtig nur noch eine Komponente unter vielen unterschiedlichen Angeboten. Mit den Volltextsystemen wird das Grundziel der Informationstätigkeit, die direkte Informationsvermittlung in einem einstufigen Verfahren, möglich. Gefördert wird diese Entwicklung durch Verlage und auch öffentliche Informationsanbieter (Deutsches Patentamt, Deutsches Institut für Normung), die Werke (Zeitschriften, Kataloge, Enzyklopädien, Informationsdienste ) im vollständigen Umfang (Text, Bilder, Diagramme) auf elektronischen Medien anbieten. Durch den raschen Fortschritt auf dem Gebiet der multimedialen Informationsmittel wird diese Entwicklung beschleunigt. Bei den Völltextsystemen sind zwei Entwicklungslinien zu verzeichnen: - die Darbietung in Faksimile-Form und - die Darbietung als editierfähige ASCII-Files. Welche Form benutzt wird, hängt von dem Verwendungszweck ab. Dort, wo Informationen angesehen und ausgedruckt werden sollen, bietet sich eine Faksimil6Darstellung an. Sollen Volltexte direkt recherchiert und weiterverarbeitet werden, so ist eine editierfähige Form notwendig. Bei der Faksimile-Darbietung werden die Informationen als Graphikdateien in einem verbreiteten Graphikformat (tif-, pcx-, gif-, bmp-, prs-, eps-Format usw.) gespeichert. Dieses Graphikformat kann mit Hilfe von Bilderkennungssoftware durch Scannen erzeugt werden. Mit entsprechenden Graphikprogrammen sind solche Da-

Ε 3.2 Anwendungssoftware

659

teien lesbar und ausdruckbar. Um die Inhalte von Faksimili-Informationen recherchierbar zu machen, müssen sie bibliographisch oder inhaltlich erschlossen werden. Diese Erschließung erfolgt nach den Regeln der Referenzsysteme. Sollen Volltexte editierbar und recherchierbar sein, so müssen sie in einem Textformat vorliegen. Solche Textformate lassen sich beispielsweise durch die Benutzung von OCR-Software beim Scannen von Dokumenten erzeugen. Eine andere, effektivere Möglichkeit ist die Benutzung der Druckvorlagen von Dokumenten. Auf dieser Basis werden recherchierbare und editierfähige Volltexte der unterschiedlichsten Disziplinen bereitgestellt. Die Retrieval-Software für Volltextsysteme wird in der Regel in Kopplung mit dem jeweiligen Informationsprodukt angeboten.

Ε 3.2.4

Graphiksysteme (Lit. 02, Lit. 03, Lit. 18)

Im Geschäftsleben, in weiten Bereichen der Industrie, in der Wissenschaft, in öffentlichen Einrichtungen, wie Verwaltungen, Lehreinrichtungen und im Management wird die Technik der graphischen Datenverarbeitung eingesetzt. Hauptgebiete sind dabei Entwurfs- und Konstruktionsprozesse in der Technik, die Kartographie, die Architektur, die Herstellung von Präsentationsgraphiken, Simulationssysteme. Aber auch für Information-Retrievalsysteme werden zur Darstellung technischer Konstruktionen oder von chemischen Strukturen (Lit. 18) Graphikprogramrne genutzt. Zwei wichtige Gründe gibt es für die sich rasch verbreitende Anwendung von Graphiken als ein Element der visuellen Information (Lit. 03): 1. Der Mensch kann bei visueller Darbietung große Informationsmengen und komplexe Zusammenhänge, z.B. mathematische, physikalische oder ökonomische Funktionen in Form von Diagrammen, besser wahrnehmen als in jeder anderen Form und 2. die allgemeine Stellung der Computergraphik als ein wesentliches Element im Rahmen der Mensch-Maschine-Interaktion.

Graphiken, Bilder, Diagramme zur Ergänzung von Volltextsystemen oder als Bestandteil von Informationsprodukten sind wesentliche Elemente einer nutzerfreundlichen und effektiven Informationsvermittlung. Sie haben sich als feste Bestandteile moderner Datenbank- und Retrievalsysteme etabliert (Lit. 18). In seiner Rolle als Hersteller von Informationsprodukten steht der Dokumentär vor der Aufgabe, Systeme der graphischen Datenverarbeitung einzusetzen. Neben der entsprechenden Hardware erfordert diese Technik eine geeignete Software. Man kann die benötigte Graphiksoftware in zwei Gruppen einteilen: - Programme, die man als „aktive" Programme bezeichnen kann, für das Erzeugen und die aktive Bearbeitung von Graphiken (Bilder, Diagramme) und - Graphikprogramme, mit denen ohne Veränderung des Bildinhaltes die Parameter von Graphikdateien verändert werden können, so daß die Erkennung des Bildinhaltes verbessert bzw. die Weiterverarbeitung mit anderen Programmen möglich wird („passive" Graphikprogramme).

Graphikprogramme werden als Standardsoftware, in Netzen und als Shareware auf CD-ROM angeboten.

660 Ε 3.2.4.1

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation „Aktive" Graphikprogramme zur Herstellung und Bearbeitung von Graphiken

Programme dieser Art werden zur Gestaltung von Illustrationen, zur Fotobearbeitung, zur Herstellung von Geschäftsgraphiken und Multimediapräsentationen bis hin zu 3D-Animationen benutzt. Sie arbeiten auf folgender Grundlage: 1. Dem Nutzer werden in der Form von Rechtecken, Quadraten, Kreisen, Ellipsen, Linien, Pfeilen, Balken- und Kreisdiagrammen, Symbolen usw. frei skalierbare und bearbeitungsfähige Formen zur Verfügung gestellt, die zum Erstellen einer Graphik verwendet bzw. mit anderen Graphikarten kombiniert werden können. Ein großes Angebot vorgefertigter Formen, die über Icons aufgerufen werden können, erlaubt eine große Variabilität bei der Graphikgestaltung. Dabei ist sowohl die 2D- als auch die 3D-Darstellung möglich. 2. Der Anwender kann Formen, auch im „Freihandbetrieb", selbst gestalten. Diese Graphikprogramme werden unter dem Apple-Macintosh-Betriebssystem und unter Windows angeboten und besitzen dementsprechend graphische Bedienoberflächen. Besonders zu erwähnen sind unter dem Macintosh-Betriebssystem laufende Graphikprogramme, die insbesondere im professionellen Einsatz große Verbreitung gefunden haben, z.B. in der Werbebranche. Allgemein entstehen bei der Benutzung dieser Programme spezielle Graphikdateien. An der Extension der Graphikdatei kann man in der Regel erkennen, mit welchem Programm sie erstellt wurde. Die Kompatibilität zwischen den einzelnen Graphikprogrammen ist begrenzt. Die sogenannten „passiven" Programme, mit denen beispielsweise auch die Umwandlung von einem Dateiformat in ein anderes möglich ist, schaffen hier Abhilfe. Welche Möglichkeiten bieten diese Programme noch? Durch Schriftbausteine (Fonts) ist eine in Schriftart, Schriftgröße und Farbe variable Beschriftung möglich. Vielfältig sind in der Regel die Möglichkeiten der Diagrammgestaltung. Die Herstellung der verschiedensten Typen von Kreis- und Balkendiagrammen (Liniendiagramme, Balkendiagramme, Kreisdiagramme usw.) in 2D- und 3D-Ansicht ist möglich. Für die Herstellung und Bearbeitung von Graphiken gibt es ein Angebot von Standardsoftware. Aus der Gruppe häuGg genutzter Graphikprogramme sollen genannt werden: -

Paintbrush (Microsoft), CorelDraw (Corel), Corel Art Show (Corel), Flowcharter (ABC), Freelance Graphics (Lotus), Harvard Graphics (SPC), Picture Publisher (Corel), SnapGrafx (Micrografx), WinDraw (Micrografx).

Ε 3 . 3 Ausblick, Tendenzen

Ε 3.2.4.2

661

Passive Graphikprogramme

Diese P r o g r a m m e dienen d e r Durchführung passiver Operationen an Graphikdateien, weniger d e r Durchführung inhaltlicher Ä n d e r u n g e n . Diese P r o g r a m m e werden häufig als Shareware auf C D - R O M o d e r über C o m p u t e r - N e t z e und Netzdienste ( z . B . C o m p u s e r v e ) a n g e b o t e n . In d e r R e g e l unterstützen diese P r o g r a m m e die B e arbeitung von Graphikdateien, die mit den unterschiedlichsten P r o g r a m m s y s t e m e n hergestellt sind. Z u m grundlegenden Funktionsangebot solcher P r o g r a m m e , die sowohl unter M S - D O S als auch unter Windows a n g e b o t e n werden, gehören: - Anzeige von Graphikdateien (View-Funktion) - Anzeige der Parameter einer Graphikdatei, z.B. Speicherumfang, Farbenzahl, Auflösung in dpi - Änderung des Dateiformates einer Graphik. Dabei wird die Datei in dem vorliegenden Dateiformat eingelesen und in ein Dateiformat transformiert, das beim Anwender weiterverarbeitungsfähig ist. Auf diese Weise kann eine Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Graphikprogrammen, so auch bei unterschiedlichen Betriebssystemen, hergestellt werden. Gängige Dateiformate solcher Graphikdateien sind: bmp, eps, dib, gif, iff, ico, lbm, msp, pcx, rle, tif, wpg und Mac-Formate - Farbreduktion. J e größer die Anzahl der Farben einer Graphikdatei ist, desto besser ist die Farbqualität, aber desto größer wird auch der erforderliche Speicherplatz. In Fällen, in denen die Farbansprüche nicht so hoch sind oder wo die Leistungsfähigkeit der vorliegenden Graphikkarte das erforderlich macht, kann eine Reduzierung der Farbenzahl durchgeführt werden, z.B. von 16.700.000 Farben auf 65.000 Farben oder von 65.000 Farben auf 256 Farben. - Drehen einer Graphik - Veränderung der Größe einer Graphik (Scalierfunktion). Mit dieser Funktion können Graphiken an die Bildschirmgröße angepaßt bzw. bei der Integration in vorhandene Anwendungen auf die erforderliche Größe gebracht werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß das „Scalieren" von Graphikdateien mit einem Qualitätsverlust verbunden ist - Anfertigung von Ausschnitten von Graphikdateien - einfache, auch von den Betriebsystemen bzw. Tbols her bekannte Operationen, die das Umbenennen (rename), das Kopieren (copy) oder das Löschen (delete) von Dateien ermöglichen. Mit d e m vorliegenden A n g e b o t a n Standardsoftware zur Herstellung von Graphiken und den sogenannten „passiven" G r a p h i k p r o g r a m m e n ist eine große Variabilität in der A r b e i t mit Graphiken möglich.

Ε 3.3

Aasblick, Tendenzen

A u s der Fülle d e r Entwicklungen sollen einige Entwicklungstrends herausgegriffen werden. D i e m a r k a n t e s t e n E n t w i c k l u n g e n , wie: - die wachsende Funktionalität und der verbesserte Bedienkomfort bei Standardsoftware und Graphiksystemen, - das Angebot von Online-Referenz-Datenbasen auch auf C D - R O M für die dezentrale Nutzung (Hosts gehen dazu über, Informationsprodukte aus Datenbanken auch auf am PC-Arbeitsplatz nutzbaren Medien anzubieten), - das Angebot von Volltextsystemen,

662

Reinicke/Schwandt: Software für Information und Dokumentation

- die schnelle Ausbreitung multimedialer elektronischer Produkte, die (Voll-)Text-, Fakteninformationen, Graphiken, Toninformationen, Animationen miteinander verknüpfen, - das expandierende Informationsangebot über nationale und internationale Netze, - die wachsende Funktionalität und der wachsende Komfort bei den Betriebssystemen mit graphischen Bedienoberflächen, bestimmen die Entwicklung und nehmen Einfluß auf die Softwareentwicklung, besonders auf die IuD-spezifische Software. Niveaubestimmende, produktneutrale Programmsysteme werden weiterentwickelt und den Entwicklungstrends bei Betriebssystemen und Speichermedien angepaßt. Mit dem sich rasch entwickelnden Angebot von multimedialen Informationsprodukten auf elektronischen Medien, wie z.B. C D - R O M , wird auch durch die Produzenten (in wachsendem Maße Verlage) entsprechende Software bereitgestellt, die speziell an diese Produkte gekoppelt ist. D i e Herausgeber solcher Informationsprodukte werden auch zum Softwareentwickler bzw. -bereitsteller. D e r U m f a n g der produktspezifischen Softwaresysteme, die graphische Bedienoberflächen besitzen und in lokalen Netzen nutzbar sind, wird weiterhin zunehmen. Mit der Vergrößerung der Komplexität der Programmsysteme verändern sich auch die Hardwareanforderungen hinsichtlich Hauptspeicherbedarf und Speicherkapazität. Bei multimedialen Anwendungen z.B. schaffen in der Regel erst Hauptspeicher ab 8 M B (16 M B sind zu erwarten) akzeptable Voraussetzungen.

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Ε 3 Literatur

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664

Ε4

Datenbank-Entwurfsmethoden Gerhard Knorz

E 4.1

Datenbank-Managementsysteme

E 4.1.1

Airfgaben und Bedeutung

D i e wirtschaftliche Bedeutung von Datenbankmanagement-Systemen und darauf aufbauenden datenbankgestützten Anwendungen hat wesentlich den heutigen Stellenwert der Informatik mit begründet. Aus dem Rückblick scheint die Entwicklung des Begriffs und Teilfaches Datenbanksysteme so zwangsläufig, daß man sich nur schwer gedanklich in die historische Situation zurückversetzen kann, in der sich das Konzept als Ergebnis einer intensiven und kontroversen Diskussion herausgebildet hat. In der „Steinzeit" der Datenverarbeitung war jedes Programm selbst für das Schreiben und Lesen derjenigen Daten, die den Programmlauf überdauern sollten, vollständig zuständig. Konsequenz: Der weitaus größte Anteü der Programmierbefehle beschäftigte sich mit dem Ansteuern der Speicherhardware und war demzufolge von dieser Hardware auch abhängig. Hin Fortschritt in der Speichertechnologie bedeutete ein Umschreiben der Programme. Das „Mittelalter" ist gekennzeichnet durch eine Dateiverwaltung, die den Programmen geeignete Zugriffsmethoden zur Verfügung stellt und diese somit unabhängig von der Hardware macht. Aber immer noch verwaltet jedes Programm seine Daten und dies hat bei der Vielzahl von Programmen einen grundlegenden Nachteil: identische Daten finden sich in vielen verschiedenen Dateien wieder und sind kaum zuverlässig konsistent zu halten. Abhilfe schafft nur die gemeinsame Nutzung einer Datei durch viele Programme mit wiederum einem höchst unerwünschten Nebeneffekt: Die Programme sind insofern voneinander abhängig geworden, als eine Änderung der Dateistruktur, die für ein Programm notwendig wird, die Anpassung aller Programme verlangt, die diese Datei ebenfalls benutzen. Der „Neuzeit" wollen wir das Datenbank-Konzept zuschreiben, mit dem wir das Ziel der Datenunabhängigkeit anstreben: Wir zentralisieren die Verwaltung der Daten und heben die strikte Zuordnung einzelner Datenelemente zu einzelnen Programmen auf. Ein Programm „weiß" nicht, wie die Daten tatsächlich gespeichert sind, sondern fordert die Daten in der benötigten Zusammenstellung und im richtigen Format vom Datenbankmanagement-System an. Eine strukturelle Änderung des Datenbestandes (z.B. durch Aufnahme neuer Datenelemente) bleibt den Programmen verborgen: Die Datenbank beliefert sie mit einer Sicht auf den Datenbestand, der vollständig der alten unveränderten Situation entspricht. D i e Zentralisierung der D a t e n vergrößert entscheidend den S c h a d e n , der durch Verfälschung oder Verlust der D a t e n droht. Gleichzeitig schafft sie e i n e Situation, in der die Wahrscheinlichkeit für einen Schadensfall beliebig minimiert w e r d e n kann: durch zentrale M a ß n a h m e n der Qualitätssicherung (Datenintegrität) und der Datensicherung (Recovery). I m Hinblick auf das T h e m a dieses Beitrags zu D a t e n b a n k - E n t w u r f s m e t h o d e n erscheint verzichtbar, auf andere wichtige Ziele und Eigenschaften v o n D a t e n b a n k managementsystemen ( D B M S ) einzugehen, z . B . den der gleichzeitigen N u t z u n g durch mehrere Programme bzw. Personen.

Ε 4.2 Konzeptioneller Datenbankentwurf Ε 4.1.2

665

Technologie

Die Szene der Datenbanknutzung wurde in einer ersten und keineswegs kurzen Zeit von sogenannten hierarchischen DBMS bzw. von deren Erweiterungen hin zu Systemen mit einer Netzwerk-Architektur beherrscht. Daß man mit diesen Datenbank-Architekturen vom Ziel der Datenunabhängigkeit recht weit entfernt blieb, beeindruckte die Praktiker weniger als die Vorteile auf der Performance-Seite. Die Theorie relationaler Datenbanken wurde dagegen lange Zeit als Spielwiese der Hochschulforschung abgetan und hat erst nach etwa zehn Jahren Praxisrelevanz erlangt. Sie gilt heute - zumindest was neue Anwendungen betrifft - als Standardtechnologie. 1993 erreichten die Marktumsätze relationaler Datenbanksysteme die der nichtrelationalen. Allerdings befanden sich zum gleichen Zeitpunkt 80% der Unternehmensdaten noch in nicht-relationalen Systemen. Mit dem Vordringen der Datenbanktechnik in die vielfältigen Bereiche der Praxis stellte es sich überraschenderweise (!) heraus, daß auch die relationalen Systeme durchaus nicht so anwendungsunabhängig sind, wie die Hochschulwelt postuliert hatte. Statt dessen stecken in dem gewählten Ansatz implizite Annahmen über die abzubildende Datenwelt, die keineswegs von jeder Anwendung erfüllt werden. Non-Standard-Datenbanken für Non-Standard-Anwendungen heißt die Antwort. Schlagwörter für diese Datenmodelle der 3. Generation sind aktive, deduktive und insbesondere objektorientierte Datenbanken.

Ε 4.2

Konzeptioneller Datenbankentwurf

DBMS als Werkzeuge Wer seine D a t e n mit einem verfügbaren Datenbankmanagement-System verwalten will, hat sich mit dieser Software zunächst nicht eine Lösung, sondern ein Werkzeug eingekauft: Vergleichbar einer Thesaurus-Software, die dem Nutzer die Arbeit der eigentlichen Entwicklung des Thesaurus nicht abnehmen kann. Eine sinnvoll aufgebaute Datenbank muß in gewisser Weise die Struktur des Weltausschnittes widerspiegeln, dessen Daten zu speichern und zu verwenden sind: Diese Struktur ist nicht einfach gegeben, sie muß z.T. entdeckt und z.T. konstruktiv entworfen werden, und zwar beim konzeptionellen Datenbankentwurf. Schichtenmodell: Wie alle komplexe Systeme versteht man Datenbankmanagementsysteme und den Umgang mit ihnen besser, wenn man sie auf verschiedenen Abstraktionsniveaus (Schichten) betrachtet und beschreibt: - Zugriffsmethoden, die auf den physikalischen Speicherstrukturen arbeiten, setzen wir als Schnittstelle zum DBMS voraus. Damit ist Geräteunabhängigkeit gegeben. - Die interne Sicht schafft darauf aufbauend Unabhängigkeit von Zugriffspfaden und Speicherstrukturen. Aus interner Sicht ist der Speicher homogen und unbeschränkt. Begriffe zur Realisierung der internen Sicht sind Dateien, Sätze, Felder, Indexing-Techniken, Datenkompression, symbolische Pointer. - Die konzeptionelle Sicht beschreibt umfassend und integrierend die Struktur der Datenbank. Soweit diese Struktur frei von vordefinierten Zugriffspfaden ist, schafft diese Ebene Daten-

666

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden

Unabhängigkeit. Im relationalen Modell (siehe Abschnitt Ε 4.4) besteht die konzeptionelle Sicht aus einer Menge von Relationen (Tabellen), die Objekte und Objektbeziehungen uniform repräsentieren. Andere Ansätze wie das Entity-Relationship-Modell (Abschnitt Ε 4.5) bieten hier ein „Mehr" an Semantik. - Die externen Sichten definieren für die einzelnen Anwendungen individuelle Sichten auf die Datenbank: Jede Anwendung soll den Eindruck haben, als sei die Datenbank einzig und ausschließlich für ihre Zwecke definiert.

Anwendungsbereiche: Dem konzeptionellen Datenbankentwurf geht die Einschätzung voraus, daß es sich im vorliegenden Fall überhaupt um ein Informationsproblem handelt, für das Datenbankmanagementsysteme geeignet sind. Es wird sich also um einen Anwendungsfall mit etwa der folgenden Charakterisierung handeln: - In der abzubildenden Welt lassen sich einzelne Datenelemente mit festumrissener Interpretation abgrenzen. Wenn prinzipiell die Organisation der benötigten Daten in einerTabellenform sinnvoll erscheint, ist diese Voraussetzung erfüllt. - Die Vorteile heutiger Datenbank-Managementsysteme lassen sich gerade dann gut nutzen, wenn eine gewisse strukturelle Komplexität gegeben ist, wenn also dieselben Daten - unter verschiedenen Perspektiven betrachtet - unterschiedlich zusammengestellt werden können. Andererseits wird die Eignung konventioneller DBMS fraglich (siehe dazu Abschnitt Ε 4.7), wenn das, was aus Anwendungssicht ein zusammengehöriges Ganzes ist, sich - wiederum in Tabellen gedacht - auf zu viele Tabellen verteilt. - Zusammenfassend kann man sagen, daß es ein vergleichsweise überschaubares Schema gibt, in das sich beliebig viele Daten einpassen und speichern lassen.

Haben beispielsweise die zu speichernden Daten in erster Linie Textcharakter (z.B. wie dieser Beitrag hier) so wäre ein Textretrievalsystem und nicht ein Datenbankmanagementsystem das System der Wahl. Sofern man sich dabei auf den ISO-Standard SGML abstützt, entspricht die Dokumentenanalyse und die Entwicklung einer Document Type Definition (DTD) genau dem, was auf der Datenbankseite konzeptioneller Datenbankentwurf heißt. Miniwelt: Es mag beim Lesen in einem Lehrbuch schwer nachzuvollziehen sein, aber eine der tatsächlich besonders wichtigen und auch schwierigen Aufgaben beim konzeptionellen Datenbankentwurf ist die präzise Bestimmung des abzubildenden Weltausschnittes, der sogenannten Miniwelt. Zu klären ist also, welche der potentiell relevanten Daten und strukturellen Zusammenhänge tatsächlich in der Datenbank gebraucht werden. Es bedarf oft vieler Diskussionen mit verschiedenen Anwendern, um hier zu einer klar begründeten und allgemein akzeptierten Entscheidung zu kommen. Stellenwert der Anwendungen: Wenngleich eine wesentliche Motivation für das Entstehen von DBMS gerade die Unabhängigkeit der Datenbank von den sie nutzenden Anwendungen ist, so ist aber andererseits ein richtiger Datenbankentwurf nur vor dem Hintergrund einer klaren Vorstellung dessen möglich, was man mit den zu speichernden Daten anstellen will: welches also die Anwendungen sind. Ein gleichartiges Spannungsfeld zwischen Anwendungsabhängigkeit und -Unabhängigkeit gilt auch für den Einsatz von SGML, wenn es um die Verwaltung von Textdaten geht.

Ε 4.3 Ein Anwendungsbeispiel

667

Ansätze der Datenmodellierung: Für den Datenbankentwurf wurden zunächst - in guter Informatik-Tradition - formale Modelle entwickelt, die offensichtlich eine gute Grundlage für ein tiefes Verständnis des Problembereichs liefern und sich auch im praktischen Einsatz bewährt haben: Nach den elementaren Anfängen (File-Modelle) die klassischen Datenmodelle (Hierarchisch, Netzwerk, Relational). Allerdings haben Anwender nachvollziehbarerweise große Schwierigkeiten, die Ergebnisse des Datenbankentwurfs kritisch zu überprüfen oder gar selbst diese Modelle zu erstellen. Als Alternative bieten sich Methoden der semantischen Datenmodellierung an. Hierbei geht man von der Sicht aus, die der Benutzer auf die darzustellende Welt hat, also von der Bedeutung der Daten und den dadurch repräsentierten Eigenschaften der Welt. Dieser Ansatz ist dem Nutzer sehr viel näher, sowohl in seiner Rolle als Gesprächspartner (und evtl. Auftraggeber) des Datenbank-Entwicklers als auch eventuell selbst als Entwerfer der Datenbank. Zunehmende Bedeutung erlangen Modelle für Non-Standard-Anwendungen.

Ε 4.3

Ein Anwendungsbeispiel

Als ein durchgängiges Anwendungsbeispiel für das Folgende betrachten wir einen fiktiven Weltauschnitt vom Hildeshofer Zentrum für berufliche Weiterbildung. Hildeshofer Zentrum für berufliche Weiterbildung Das Hildeshofer Zentrum für berufliche Weiterbildung hat in HILDESHOFER den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht und kann inzwischen mit einem breiten Angebot an Fortbildungsveranstaltungen aufwarten. Das ist für die Mitarbeiterinnen erfreulich, bringt aber auch Probleme mit sich, da das halbjährliche Drucken der Kataloge, das Führen der Teilnehmerlisten etc. auf der Basis manuell geführter Listen und Weiterbildung Kursankündigungen doch recht mühsam geworden ist. Denn außer einer kleinen Kunden Adreßdatenbank gibt es bisher keine technische Unterstützung ... Was wir damit zu tun haben, fragen Sie? Nun, uns ist es gelungen, einen tollen Job an Land zu ziehen. Wir sollen die Verwaltungsangestellte unterstützen, der die Arbeit mittlerweile über den Kopf wächst. Wir sollen für Kursangebot und Kursanmeldungen und -teilnähme einen Datenbankentwurf liefern und später daraus eine Anwendung „stricken". Nun, Katrin Kleitz, eben jene Verwaltungsangestellte, hat uns mittlerweile folgendes klargemacht: 1. Das Kursangebot ist in Bereiche gegliedert, die auch den Kursprospekt strukturieren. Jeder Bereich hat einen eindeutigen Kennbuchstaben, eine Bezeichnung sowie einen Kurz- und einen Langtext zur näheren Erläuterung. Der Bereich „E" beispielsweise umfaßt alle Kurse zum Thema „EDV-Grundwissen". Im Kursprospekt findet sich im einführenden Teil eine ausführliche Erläuterung dazu. Eine kurze Erläuterung leitet dagegen im Hauptteil des Prospektes die nachfolgenden Kursankündigungen ein.

668

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden

2. Auf den letzten Seiten des Kursprospektes stellen sich die Dozentinnen mit ihrem Namen, ihrer Telefonnummer und einem kurzen Statement über ihren Kompetenzbereich vor. Das verwaltungsintern verwendete 2-stellige Namenskürzel erscheint nicht ausgedruckt. 3. Jeder Kurs hat zusätzlich zur Kursbezeichnung eine eindeutige Kursnummer. Weiterhin gehören zu jedem Kurs eine Beschreibung der Kursinhalte, Halbjahr, Kursgebühr und die verantwortlichen Dozentinnen. Die Kurse erscheinen im Prospekt unter genau einer Bereichsüberschrift. Der Einfachheit wegen unterschlagen wir weitere Einzelheiten wie Beschreibung der Zielgruppen, minimale und maximale Teilnehmeranzahl, Kursdauer, Anmeldeschluß, regelmäßiger Termin u.a.

4. Die Kursteilnehmer müssen sich anmelden und bekommen nach Eingang der Zahlung ihre Anmeldungsbestätigung unter Angabe des Zahlungsdatums schriftlich an ihre Adresse zugeschickt. Da bereits eine Adreßdatenbank besteht und man sich über die Zahlungsverwaltung noch nicht ganz im klaren ist, sollen diese Aspekte (Adresse, Verwaltung des Kundenkontos) zunächst ausgeklammert bleiben. Wichtig ist allerdings, daß die bisher verwendete Kundennummer (eine fortlaufende Nummer in der Adreßdatenbank) auch in der neuen Datenbank ihren Platz hat.

5. Am Ende eines Kurses werden den teilnehmenden Personen Teilnahmebestätigungen ausgehändigt. Die Kursleiter übermitteln der Verwaltung für jede Kursteilnahme eine Textnummer, die für das Zertifikat in einen freundlichen Text über den Teilnahmeerfolg umgesetzt wird. Frau Sabine Sandmann-Süllenberger hat im zweiten Halbjahr 1996 an dem Kurs „Englisch für das Büro" teilgenommen. Ihr Abschlußzertifikat liest sich etwa wie folgt: Das Hildeshofer Zentrum für berufliche Weiterbildung bestätigt Frau Sabine Sandmann-Süllenberger die erfolgreiche Teilnahme am Kurs „Englisch für das Büro" (96/2). Die Teilnehmerin hat sich an den schriftlichen und mündlichen Übungen mit ausdauerndem Fleiß und recht gutem Erfolg beteiligt.

Die zu entwickelnde Datenbank wird die Verwaltung in verschiedener Hinsicht unterstützen müssen: Beim Drucken der Teilnehmerlisten und Teilnahmebestätigungen, bei der Aktualisierung der Kursdaten und -beschreibungen, bei Auskünften am Telefon, bei Druck und Versand des Prospektes. Beispielsweise wird Kunden, die in den letzen drei Jahren an mindestens zwei Kursen teilgenommen haben, halbjährlich unaufgefordert der jeweils neue Prospekt zugeschickt. Nach Vervollständigung der Datenbank soll auch die Anmeldung mit Erfassung der Personaldaten, Verwaltung der Einzahlungen und das Mahnwesen unterstützt werden.

Ε 4.4 Relationaler Datenbankentwurf: Normalformenlehre

669

Ε 4.4

Relationaler Datenbankentwurf: Normalformenlehre

Ε 4.4.1

Erste und zweite Normalform

Relationale DBMS: Die Normalformenlehre ist eine formale Entwurfsmethode für relationale Datenbanken. Für die Zwecke dieses Beitrags mag es einführend ausreichen, relationale Datenbankmanagementsysteme (RDBMS) als Programme zu charakterisieren, die Daten in Form von Tabellen verwalten. Identische Tabellenzeilen gibt es in solchen Tabellen allerdings nicht. Datenbankentwurf heißt nun, die benötigten Tabellen im einzelnen festzulegen. Zur späteren Nutzung stellen RDBMS ein klar umrissenes (und theoretisch gut begründetes) Inventar an Operationen zur Verfügung, mit der sich neue Tabellen (nämlich solche mit dem Ergebnis einer Anfrage) aus den vorhandenen Tabellen ableiten lassen. Der Name „relationale" Datenbanken kommt daher, daß die Tabellen nichts anderes sind als die DarsteUungsform dessen, was die Mathematik Relationen nennt, die dann mit formalen Sprachen auf der Basis des Relationenkalküls oder der Relationenalgebra manipuliert und abgefragt werden. Die Gründe für den Erfolg des relationalen Datenbankkonzeptes sind ein überzeugender Beleg für die Behauptung, derzufolge „nichts so praktisch ist wie eine gute Theorie". "Richtige" Tabellen: Nun stellt es sich schnell heraus, daß dieselbe Datenwelt durchaus unterschiedlich in Tkbellen organisiert werden kann und daß diese unterschiedlichen Entwürfe keineswegs gleichwertig sein müssen. Vielmehr können bei ungeschickter Tabellendefinition sehr unerwünschte Fälle auftreten, die man als Anomalien bezeichnet und denen man unbedingt ausweichen will. Die Lösimg für dieses Problem liefert die von Codd (und im weiteren Ausbau auch von anderen) entwickelte Normalformenlehre, die diejenigen Regeln formalisiert, die die intuiti-

Kurs Nr Kurt_B(2 47 W i n d o w s - E N ä h r u n g

KURS Halbjahr Doj.Kürctl 95a S R

Doz.NN

Om.VN

Dw.Tel

Raben

Susanne

7148554

103

Business-English I

95/2

WK

Kühnel

Winfried

3397631

142

Windows-Einfiihrunq

96/1

SR

Raben

Susanne

7148554

w 144

DOS-Einführung

9B/2

AH

Huller

Anna

"

Englisch auf Reisen

96/2

WK

Kühnel

Winfried

153

Lüsch A n o m a l i e : L ö s c h e n »on Kurs 144 löscht evtl. einzigen Eintrag von Α Huller, und damit ungewollt

Ä

„ a u c h die Dozentin

Abb. 1: Lösch-, Einfüge- und Änderungs-Anomalien am Beispiel

4788497 13397631

670

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden

ven Entscheidungen umsichtiger Datenbankentwickler bereits vorher bestimmt haben. Die verschiedenen „unerwünschten Effekte" lassen sich in Lösch-, Einfügeund Änderungs-Anomalien (siehe Abb. 1) systematisieren: - Lösch-Anomalie: Sollte es nur einen Eintrag für die Dozentin Anna Huller geben, so wird mit dem Kurs 144 unabsichtlich auch diese Dozentin aus der Datenbank gelöscht. - Einfüge-Anomalie: Soll die neue Dozentin Tina Wolf eingetragen werden, noch bevor ein Kurs bekannt ist, den sie zu halten hat, so ist dies hier nicht möglich. Der Ausweg einer unvollständigen Tabellenzeile führt nicht weiter, weil (wie in Zusammenhang mit Definition 4 diskutiert wird) die Datenbank die Zeile ohne den Schlüssel Kurs—Nr nicht akzeptiert. - Änderungs-Anomalie: Das Ändern der Telefonnummer kann zu Inkonsistenzen führen, wenn nach der Änderung dieselbe Person mit unterschiedlichen Telefonnummern in der Datenbank steht. Universal Relation und Normalformenlehre: Zumindest vom gedanklichen Ansatz her beginnt die Normalformenlehre mit einer einzigen umfassenden Tabelle, der Universal Relation. Diese Tabelle soll später schrittweise so in Teiltabellen zerlegt werden, daß keine Information und keine Datenabhängigkeiten verlorengehen (siehe Abb. 2), keine Anomalien mehr auftreten können und die Zahl der Tabellen möglichst klein gehalten wird. Um die Universal Relation zu konstruieren, müssen alle Datenelemente zusammengestellt werden, die in die Datenbank aufgenommen werden sollen. Solche Datenelemente nennen wir Attribute einer Relation: sie werden beschrieben durch eine Definition und durch Angabe eines Datentyps bzw. Wertebereichs. Gängige Datentypen sind Zeichenstrings fester oder variabler Länge, Fest- oder Gleitkommazahlen (Integer, Floating Point), Datumsangaben, Geldbeträge. Eine häufige Form sind auch enumerative Datentypen, bei der man die einzelnen Werte aufzählt: beispielsweise als rot, grün, blau. Bei unserem Hildeshofer Beispiel besteht die Universal Relation aus folgenden Attributen vom Typ Integer: Geldbetrag: Datum: Zeichenstring variabler Länge:

Zeichenstring fester Länge: Anfeählnngstyp:

Kursnummer, Kundennummer, Textbaustein-Nummer Kursgebühr Zahlungseingang. Bereich-Bezeichnung, Bereich-Kurztext, Bereich-Langtext, Dozent-Vorname, Dozent-Nachname, Dozent-Telefonnummer, Kompetenzbereich, Kursbezeichnung, Kurs-Inhalte, Kunde-Vorname, Kunde-Nachname, Textbaustein Bereich-Kennbuchstabe, Dozent-Namenskürzel, Halbjahr Kundengeschlecht m, f.

Eine reale Datenbankentwicklung erfordert, die Wertebereiche der Attribute noch weitergehend zu spezifizieren (Beispiele: Telefonnummer, Halbjahr) und den Inhalt der Attribute genauer zu dokumentieren. Darauf wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Gegebenenfalls siehe dazu auch Abb. 7.

Ε 4.4 Relationaler Datenbankentwurf: Normalformenlehxe

671

Im folgenden werden z.T. informelle und selbsterklärende Abkürzungen als Attributnamen verwendet. KURS Halbjahr

Kurs Nr B»r_KB B*r_Btz«ichnung Kurs_B*z 47

Ε

EDV-Grundwissen

IWindows-EinfÜhiunq

95a

103

F

Fremdsprachen

iBusiness-Enqlish I

95/2

142

Ε

EDV-Grundwissen

[Windows-Einführung

96/1

144 153

Ε F

EDV-Grundwissen Fremdsprachen

DOS-Einführunq

96/2 96/2

lEnqlisch auf Reisen

Β

Κ Kurl Nr B.r_KB

Β«r KB

47

Ε

Ε

103 142

F Ε

Ε Ε

144

Ε

153

F

Ber Bezeichnun{ Kurs B«z

Halblahr

Windows-Einführunq

95/2

EDV-Grundwissen

Windows-Einführunq DOS-Einführunq

96/1 96η

F

Fremdsprachen

Business-Enqlish 1

95/2

F

Fremdsprachen

Enqlisch auf Reisen

96/2

EDV-Grundwissen EDV-Grundwissen

Abb. 2: Verlustfreiheit von TabeUenzerlegungen. Nicht jede Tabellenzerlegung ist verlustfrei.· Aus den Teiltabellen Κ und Β läßt sich die Ursprungstabelle KURS nicht mehr rekonstruieren. Der innere Zusammenhang der Daten wurde zerrissen.

Erste Nonnalfonn: Die Universal Relation wird in der sogenannten ersten Normalform vorausgesetzt. Dazu wird gefordert, daß alle Attributwerte atomaren Charakter haben, also aus Sicht des Datenbank keine interne Struktur besitzen: wie z.B. ein Nachname, eine Kursnummer oder ein Kursgebühr. Tabellenzeilen, die sogenannte Mehrwertattribute enthalten, müssen so vervielfacht werden, daß jede Zeile in jedem Attribut nur einen einzigen Attributwert speichert (siehe Abb. 3). Relationen in der ersten Normalform sind also „flache Tabellen" ohne jede „Schachtelung". Hier wird schon deutlich, daß Texte eigentlich nicht so recht ins System passen. Nehmen wir beispielsweise den Kurs-Inhalt, so handelt es sich kaum tatsächlich um einen atomaren Attributwert, denn er besteht aus einzelnen Wörtern. Im Kontext relationaler Datenbanken fassen wir jedoch zweckmäßigerweise Kurs-Inhalt als einen Zeichenstring ohne interne Struktur auf. Funktionale Abhängigkeiten: Um nun von der ersten zu den weiteren Normalformen zu kommen, müssen wir das grundlegende Konzept von der funktionalen Abhängigkeit verstanden haben: —* Definition 1: Ein Attribut Β ist von einer Attributmenge A , . . . A n funktional abhängig, wenn es keine TabellenzeUen (Datensätze) mit verschiedenen Werten für B, aber derselben Attributwertkombinationen aj ... an geben kann. Beispiel (1): Das Attribut Textbaustein_Nummer ist funktional abhängig von (Kurs_Nr, Kundennummer), weil es ausgeschlossen ist, daß für eine Kursteilnahme verschiedene Textbausteine angegeben werden.

672

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden KURS Kurs Nr K u r s _ B « 47 104 140 144

Windows-Einführung Business-English II Programmieren mit C DOS-Einführung

Halbjahr 95/2 95/2 96/1 96/2

Dez.NN Raben KQhnel, Morx Thaler. Maler Huller

KURS Kurs Nr Kurs Bez Windows-Einführung -~7 104 104 140 140 144

Business-English II Business-Enqlish II Programmieren mit C Programmieren mit C DOS-Einführung

Halbjahr

DO2 NN

95/2 95/2 95/2

Raben Kühnel Morx

96/1

Thaler

96/1 96/2

Maler Huller

Abb. 3: Mehrwertige Attribute können immer ohne Informationsverlust beseitigt werden

Beispiel (2): Das Attribut Ber_Bezeichnung ist funktional abhängig von Ber_ KB, weil es ausgeschlossen ist, daß es für einen Bereichs-Kennbuchstaben verschiedene Bereichsbezeichnungen geben kann. Umgekehrt gilt dies auch, so daß zusätzlich Ber_KB funktional abhängig ist von BerJBezeichnung (siehe Abb. 4) Im weiteren brauchen wir eine Verschärfung des Konzeptes der funktionalen Abhängigkeit: Wir sagen —» Definition 2: Ein Attribut Β ist von einer Attributmenge A j . ..A n voll funktional abhängig, wenn es funktional abhängig ist und die Attributmenge A, ... A n gewissermaßen minimal definiert ist: Bei Weglassen irgendeines der A ; darf die Abhängigkeit nicht mehr gelten. Konsequenz: Ist Β von genau einem Attribut Α funktional abhängig, dann gilt notwendigerweise auch die volle Abhängigkeit. In Abb. 4 sind all diejenigen voll funktionalen Abhängigkeiten graphisch dargestellt, die sich nicht transitiv ableiten lassen: Wenn nämlich Ber_Kurztext abhängig ist von Ber_KB und Ber_KB abhängig ist von Kurs_Nr, dann gilt nach dem Gesetz der TYansitivität: Ber_Kurztext ist abhängig von Kurs_Nr. Solche erschließbaren Abhängigkeiten sind zur besseren Obersicht nicht eingezeichnet. Zweite Normalform: Die zweite Normalform bricht nun die Universal Relation in sinnvolle Teiltabellen auf. Um diesen Prozeß formulieren zu können, benötigen wir ein weiteres zentrales Konzept der relationalen Datenbanktheorie: Die Schlüsseleigenschaft von Attributen für eine Relation. —> Definition 3: Eine Kombination von Attributen A, ... A n heißt Schlässelkandidat und besitzt die Schlüsseleigenschaft für eine Relation, wenn es keine zwei Tabellenzeilen geben kann mit einer identischen Wertebelegung a t ... a n . Die

Ε 4.4 Relationaler Datenbankentwurf: Normalformenlehre

673

Attribute A j ... A n identifizieren also eine Tabellenzeile.Die Attributkombination muß überdies minimal gewählt sein: Bei Weglassen eines der Attribute Af darf die identifizierende Eigenschaft nicht mehr gelten. Beispiel: Betrachten wir die zwei Tabellen: KURS (Kurs-Nr, Kurs_Bez, Halbjahr, Kurs_Inhalt, Kursgebühr) TEILNAHME (Kurs-Nr, Kunden—Nr, Zahlungseingang), dann identifizieren die unterstrichenen Attribute jeweils eineTabellenzeile. Wer z.B. mit dem Schlüssel Kurs_Nr in der Tabelle KURS sucht, kann immer nur eine Tabellenzeile als Antwort bekommen, denn Kurs_Nr identifiziert jeweils eine Zeile. Es kann keine zwei verschiedenen Zeilen mit derselben Kursnummer geben! Es ist für das weitere zweckmäßig, eine einfache Definitionen nachzuschieben: Definition 4: Gibt es in einer Relation mehrere Schlüsselkandidaten, so wird einer davon zum Schlüssel der Relation bestimmt. Die Angabe des Schlüssels ist für jede Relation wichtig und obligatorisch. Damit haben wir den die schlimmsten Zumutungen durch Definitionen überstanden und können wir die zweite Normalform relativ einfach festlegen: —* Definition 5: Eine Relation befindet sich in der zweiten Nonuniform, wenn sie sich in der ersten Normalform befindet und wenn kein Attribut in der Relation, das nicht zum Schlüssel gehört, nur von einem Teil des Schlüssels voll funktional abhängt. Konsequenz·. Besteht der Schlüssel einer Relation in erster Normalform nur aus einem Attribut, so befindet sie sich automatisch auch bereits in zweiter Normalform. DOZ_NK

•nraNN

:

Ber-6eze)chn BeHftiztexf •Ber_longlext

Abb. 4: Voll funktionale Abhängigkeiten in der exemplarischen Miniwelt

674

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden

Beispiel: Aus der Universal Relation werden in unserem Beispiel folgende Relationen in zweiter Normalform abgeleitet: DOZENT (Doz_NK, Doz_NN, DOZL_VN, Doz_Tel, Kompetenzbereich) KURS (Kurs-Nr, Ber_KB, Ber_Bezeichn, Ber_Kurztext, Ber_Langtext, Kurs_ Bez, Halbjahr, Kurs_Inhalt, Kursgebühr) LEITUNG (Doz-NK, Kure_Nr) KUNDE (Kunden-Nr, Kunde_NN, Kunde_VN, Kundengeschlecht) TEILNAHME (Kurs_Nr, Kunden_Nr, Zahlungseingang, Textb_Nr, Textbaustein) Beim Lesen ist zu beachten, daß jede Tabelle (Relation) einen Namen zugeordnet bekommt und daß in der Liste seiner Attribute der Schlüssel durch Unterstreichung und Fettschrift gekennzeichnet ist. Eventuelle weitere Schlüsselkandidaten wären durch Fettdruck hervorgehoben. Als Beispiel für eine Relation, die sich nicht in zweiter Normalform befindet, mag folgende Tabelle dienen: KURS-TEILNAHME (Kurs_Nr, Kunden-Nr, Ber_KB, Zahlungseingang) Hier ist das Attribut Ber_KB nicht vom gesamten Schlüssel, sondern nur von einem Teil, dem Attribut Kurs_Nr, voll funktional abhängig.

Ε 4.4.2

Dritte Normalform

Bei genauer Analyse fällt auf, daß die zweite Normalform noch nicht gegen Anomalien gefeit ist. Ein neuer Bereich kann nur eingetragen werden, wenn es schon einen Kurs dafür gibt (Einfüge-Anomalie in KURS). Soll z.B. der Textbaustein Nr. 4 für das mäßig gute Abschneiden etwas freundlicher formuliert werden, treten Inkonsistenzen auf, wenn er nicht korrekt überall dort geändert wird, wo Textbaustein Nr. 4 verwendet wird (Änderungs-Anomalie in TEILNAHME). Gibt es in einem Bereich nur einen Kurs und dieser wird gelöscht, so ist auch dieser Bereich in der Datenbank nicht mehr gespeichert (Lösch-Anomalie in KURS). Der Grund liegt darin, daß manche Attribute nur indirekt (transitiv) vom Schlüssel abhängig sind. Diese Fälle soll die dritte Normalform beseitigen. —* Definition 6: Eine Relation befindet sich in dritter Normalform, wenn sie der zweiten Normalform genügt und kein Attribut transitiv von einem Schlüsselkandidaten abhängig ist. Als Beispiel dient uns die Relation KURS, in der das Attribut Ber_Kurztext von Ber_KB und dieses wiederum vom Schlüssel Kurs_Nr abhängig ist. Abb. 5 zeigt den nunmehr endgültigen Datenbankentwurf für das Hildeshofer Zentrum für berufliche Weiterbildung in dritter Normalform. Wir sehen hier deutlicher noch als bei den Relationen der zweiten Normalform ein Strukturprinzip relationaler Datenbanken: Zwischen den einzelnen Tabellen werden Bezüge dadurch hergestellt, daß Attribute, die Schlüssel einer Relation sind,

Ε 4.4 Relationaler Datenbankentwurf: Normalformenlehre

675

DOZENT (Doz—NK, Doz_NN, Doz-VN, Doz_Tel, Kompetenzbereich) BEREICH (Ber_KB, Ber_Bezeichn, Ber_Kurztext, BerJLangtext) KURS (Knra_Nr, Ber_KB, Kurs_Bez, Halbjahr, KursJnhalt, Kursgebühr) LEITUNG (Doz-NK, Kurs_Nr) KUNDE (Kanden_Nr, Kunde_NN, Kunde_VN, Kundengeschlecht) TEILNAHME (Knra_Nr, Kunden-Nr, Zahlungseingang, Textb_Nr) URTEIL TEXTE (Textb-Nr, Textbaustein) Abb. 5: Datenbankentwurf in dritter Normalform

auch in anderen Tabellen verwendet werden. Textb_Nr ist Schlüssel der Relation URTEIL-TEXTE und tritt darüber hinaus in der Relation TEILNAHME auf. Dies führt und zu einem neuen Begriff: —» Definition 7: Ein Attribut heißt Fremdschlüssel in einer Relation Rl, wenn es eine Relation R j gibt, in der es Schlüssel ist. —»· Definition 8: Referenzielle Integrität liegt in einer Datenbank vor, wenn jedem Wert, der unter einem Fremdschlüssel eingetragen wird, auch tatsächlich ein identischer Eintrag in der Relation entspricht, in der das Attribut Schlüssel ist.Beispiel: Die referenzielle Integrität ist verletzt, wenn in der Tabelle TEILNAHME eine Textbaustein-Nummer verwendet wird, die in der Tabelle URTEIL_TEXTE gar nicht auftritt. Das Ziel des „Praktikers" ist in der Regel ein Datenbankentwurf in der dritten Normalform, die damit eine Art Gütesiegel für einen „richtigen" Datenbankentwurf darstellt. Zwar mag es durchaus gute Gründe dafür geben, im Einzelfall eine Verletzung der dritten Normalform in Kauf zu nehmen, aber diese Gründe müssen dann aber auch stichhaltig sein. Man wird es als schweren „Kunstfehler" ansehen, wenn die dritte Normalform aus schlichter Unkenntnis nicht erreicht wurde.

Ε 4.4.3

Weitere Normalformen

Die vierte und fünfte Normalform sind wohl deswegen nicht so populär, weil die Situationen unwahrscheinlicher sind, in denen eine Verletzung der Normalformenbedingungen zu erwarten ist. Dies vor allen Dingen deshalb, weil man bereits intuitiv solche Verletzungen vermeidet. Insbesondere wenn man den Weg wählt, zunächst ein ER-Modell aufzustellen (wie es im nächsten Abschnitt beschrieben wird), das dann in einen relationalen Entwurf umgesetzt wird, reicht die Prüfung auf dritte Normalform. Verletzungen der zweiten oder dritten Normalform sind zwar nicht zu erwarten, aber immerhin denkbar und sollten durch Nachprüfen ausgeschlossen werden. In allen praktisch relevanten Fällen kann davon ausgegangen werden, daß dann auch die Bedingungen der vierten und fünften Normalform nicht verletzt sind.

676 Ε 4.4.4

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden Integritätsbedingiingen

Die Forderung nach Integrität einer Datenbank zielt darauf, daß das gespeicherte Datenabbild tatsächlich auch der Wirklichkeit entsprechen muß. Fehlerhafte Eingaben, unterlassene Pflege (Updates) stellen schnell den Nutzen einer Datenbank in Frage. Datenintegrität läßt sich beim Datenbankentwurf nicht erzwingen, jedoch in speziellen wichtigen Fällen unterstützen: - Datentypen und Wertebereiche sind auf der Ebene einzelner Attribute ein wichtiges Instrument, um Datenfehler zu entdecken und auszuschließen. - Eine weitere Klasse möglicher Fehler wird durch strukturelle Eigenschaften der Datenbank in Verbindung mit der Überprüfung von SchlQsseleigenschaft und von Fremdschlüsseln (Referenzielle Integrität; siehe Def. 8) sichergestellt.Wollte man versehentlich einem Kurs einen zweiten Bereich zuordnen, so müßte man zwei Datensätze mit gleichem Schlüsselwert eintragen. Wollte man einen Bereich X zuordnen, den es gar nicht gibt, so tritt X als Schlüsselwert in BEREICH gar nicht auf. - Zusätzliche Bedingungen können formalsprachlich (Aussagenlogik, Prädikatenlogik, Programmiersprachen-Notation) oder natürlichsprachig als eigener Teil des Datenmodells definiert werden. Beispielsweise könnte für Kurse aus dem Bereich Technik eine Teilnehmerbeschränkung auf 16 Personen gelten. Mehr als 16 Teilnehmer dürfen dann nicht in der Datenbank eingetragen sein.

Ε 4.5

Entity-Relationship-Modell

Ε 4.5.1

Entstehung und Stellenwert

Das Entity-Relationship-Modell benennt im Grunde eine Klasse von Ansätzen zur Datenmodellierung, die auf einem Vorschlag von Chen (Lit. 02) basieren und von denen es viele Varianten gibt, die sich in Notation und Ausdruckskraft unterscheiden. Chen hatte - erfolgreich - versucht, eine Entwurfsmethode vorzuschlagen, die unabhängig vom verwendeten Datenmodell (relational, hierarchisch, netzwerk) ist. Er ging davon aus, daß es für den Menschen natürlich ist, die Welt so wahrzunehmen, daß Dinge (Objekte, Entitäten, „Entities") existieren, zwischen denen gegebenenfalls Beziehungen („Relationships") bestehen. Ein Datenbankschema für eine solche Welt muß also die Klassen relevanter Entitäten sowie die Klassen relevanter Beziehungstypen umfassen. Es steht demnach nicht ein formaler Begriff wie der der funktionalen Abhängigkeit im Zentrum der Betrachtung, sondern die Art und Weise, wie der Anwender die Welt sieht und interpretiert. Es geht darum festzustellen, welches die Objekte und welches die Beziehungen sind, die dieser Anwender wahrnimmt. Es handelt sich also um einen Ansatz, der von der Bedeutung der Welt für den Anwender ausgeht, um einen semantischen Ansatz der Datenmodellierung. Es hat sich für die Verbreitung der ER-Methode sicher sehr günstig erwiesen, daß der zentralen Rolle des Anwenders und seiner Weltsicht eine Form der Darstellung entspricht, die sich für eine Kommunikation besonders gut eignet: die der graphischen Darstellung. Ein ER-Modell hat demnach drei Aufgaben zu erfüllen:

Ε 4.5 Entity-Relationship-Modell

677

- Es ist das Medium, in der der Datenbankentwickler seine Überlegungen formuliert und entwickelt. - Es dient als Medium zur Verständigung zwischen Entwickler und Anwender, insbesondere zu Verifizierung des Datenbankentwurfs. - Es ist der Ausgangspunkt für die Festlegung des Datenbankschemas, also - im Falle einer relationalen Datenbank - für die Festlegung der einzelnen Tabellen.

Ε 4.5.2

Basis-Elemente des ERM

Abb. 6 zeigt einen Ausschnitt aus unserer Beispielwelt (Abschnitt E4.3) und soll zur Einführung und Erläuterung dienen. Wir bedienen uns dabei einer Notation wie sie in Lit. 04 verwendet wird und die nach Meinung des Verfassers einen besonders guten Kompromiß zwischen Einfachheit in der Darstellung und Präzision der Modellierung darstellt.

Abb. 6: Ein erstes ER-Modell: Ein Ausschnitt aus der Welt des Hildeshofer Weiterbildungszentrums

Objektklassen Frau Sabine Sandmann-Süllenberger oder Herr Winfried Meiher sind im Sinne des Entity-Relationship-Modells Objekte (Entitäten, Entities) der darzustellenden Welt, genauso wie die Kurse Nr. 153 („Englisch auf Reisen") oder 142 („DOS-Einführung"). Sie sind Instanzen (Exemplare) der Objektklassen KUNDE und KURS, denen in der beruflichen Welt von Frau Katrin Kleitz vom Hildeshofer Zentrum eine große Bedeutung zukommt. Semantische Datenmodellierung beschäftigt sich also zunächst damit, die relevanten Objekte einer Miniwelt zu identifizieren und anschließend zu Objektklassen zu generalisieren. Diese Objektklassen sind ein erstes Teilergebnis für die konzeptionelle Datenmodellierung, die Objekte selbst werden später in der Datenbank repräsentiert. In Abb. 6 erkennen wir, wie Objektklassen im Entity-Relationship-Modell dargestellt werden: als Rechtecke mit der Objektklassenbenennung und in der Regel mit einem (im Ausnahmefall können es auch mehrere sein) Attribut mit identifizierender Eigenschaft (Schlüsselattribut, siehe Def. 3). Die Objektklassen benötigen darüber hinaus eine detailliertere Beschreibung durch Attribute: Die Objektklasse KUNDE wird über das Schlüsselattribut Kunden_Nr

678

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden

hinaus beschrieben durch Attribute für den Vornamen, den Nachnamen und - weil in der Teilnehmerbestätigung bei der Anrede differenziert werden muß - das Geschlecht. Weitere Attribute zu Kunde erübrigen sich, da eine eigene Adreßdatenbank über die Kundennummer angeschlossen werden soll (Vorgabe in Abschnitt E4.3). Das Gesamtergebnis der Detailbeschreibung sehen wir in Abb. 7 als Ergänzung zu Abb. 6. DOZENT

BEREICH

Doz_NK character(2) Namenskürzel

Ber_KB

Doz_NN varchar(40) Nachname

Ber_Bezeichn varchar(SO)

Doz_VN varchar(20) Vorname

Ber_Kurztext varchar(255) Kurzbeschreibung

Doz_Tel varchar(lO) Durchwahl, privat

Ber_Langtext long varchar

character(l)

Kennbuchstabe Bereichsbezeichnung Prospekt-Einführungsteil

Kompetenzbereich

longvarchar Prospekt-Statement KUNDE

KURS Kurs_Nr

smallint

Kunden_Nr

smallint

Kurs_Bez

varchar(70) Titel des Kurses

Fortlaufende Nr.

Kunde_NN

varchar(40) Nachname

Halbjahr

character(4) Muster: JJ/X; Bsp: 96/2

Kunde_VN

varchar(20) Vorname

Geschlecht

enum

Kurs_Inhalt varchar

Beschreibung im Prospekt

Kursgebühr

in DM, mit 2 Kommastellen

money

Fortlaufende Nr.

(f, m) für feminin, masculin

Abb. 7: Objektklassen mit Attributen, Ergänzung zu Abb. 6. Datentypen in Anlehnung an SQL, die genormte Definitions- und Abfragesprache für RDBMS TEILNAHME Kunden-Nr, KURS-Nr Zahlungseingang

date

Kombinationsschlüssel Eingang der Kursgebühr

Abb. 8: Informationstragende Beziehung, Ergänzung zu Abb. 7

Beim Vergleich mit den Relationen, die der Normalisierungsprozeß geliefert hat (Abb. 5) fällt auf, daß in Abb. 7 der Fremdschlüssel BER_KB nicht zur Beschreibung der Objektklasse KURS gehört. Beim Relationenmodell dient dieser Fremdschlüssel der Verbindung der Tabellen KURS und BEREICH. Beim Entity-Relationship-Modell treten Fremdschlüssel grundsätzlich niemals auf, denn die Beziehungen (Verbindungen) zwischen Objektklassen werden anders und viel deutlicher modelliert als im Relationenmodell. Beziehungstypen In der Welt des Hildesheimer Zentrums gibt es nicht nur Objekte, sondern auch Beziehungen zwischen Objekten (Relationships): Frau Sabine Sandmann-Süllenberger nimmt am Kurs Nr. 153 („Englisch auf Reisen") teil, die Dozenten W. Kühnel und A. Morx halten den Kurs Nr. 104 („Business English Π"). Analog zur bisherigen Vorgehensweise können auch diese Beziehungen zu Beziehungstypen generali-

Ε 4.5 Entity-Relationship-Modell

679

siert werden: TEILNAHME ist dann beispielsweise ein Beziehungstyp, der KUNDE und KURS verbindet. Wir werden zunächst zwei verschiedene Arten von Beziehungstypen unterscheiden: - Infonnationstragende Beziehungstypen, denen eigene Attribute zugeordnet werden müssen. Sie werden durch ein eigenes Symbol dargestellt (Abb. 6, Beispiel TEILNAHME), benannt und bekommen eine Beschreibung analog zu der der Objektklassen (Abb. 8). - Einfache Beziehungstypen, die durch eine schlichte Verbindungslinie zwischen den Objektklassen dargestellt werden (Beispiele in Abb. 6 KURS - BEREICH, KURS - DOZENT). Es dürfte unmittelbar einleuchten, warum im ER-Modell die Verwendung von Fremdschlüsseln bei Objektklassen zu den „Todsünden" gehört: Entweder sind Fremdschlüssel redundant zur Darstellung der Beziehungstypen und damit überflüssig. Oder aber - viel schlimmer - sie werden alternativ verwendet. In diesem Fall sagt das ER-Modell fälschlicherweise, daß zwischen zwei Objektklassen keine Beziehung besteht, wobei erst das Studium der Attributlisten aufdeckt, daß doch eine Beziehung existiert: versteckt realisiert durch einen Fremdschlüssel! Spezielle Konstellationen Anfänger scheuen sich in der Regel, Beziehungstypen in Betracht zu ziehen, die eine Objektklasse mit sich selbst verbinden. Tatsächlich gibt es aber Gegebenheiten, die genau so modelliert werden müssen. Ein Beziehungstyp, der beispielsweise KURS mit KURS verbindet, definiert keineswegs die Beziehung eines Kurses mit sich selbst, sondern eine Beziehung zwischen zwei Objekten, die eben beide vom Typ KURS sind. Das könnte eine Beziehung sein, die den Besuch gewisser Kurse zur Voraussetzung des Besuchs anderer Kurse macht. Andere gleichartige Standardfälle sind Stücklisten (Bauteile bestehen aus anderen Bauteilen) oder andere Hierarchien (ein Deskriptor ist Oberbegriff anderer Deskriptoren). Ein weiterer Spezialfall sind Beziehungen, an denen mehr als zwei Objektklassen beteiligt sind. Damit gehen unterschiedliche ERM-Varianten unterschiedlich um. Unsere Lösung für diesen Fall wird in Abschnitt E4.5.3 behandelt. Kardinalitätsangaben Einfache und informationstragende Beziehungen werden in einem wichtigen Aspekt noch genauer kategorisiert: Es geht um die Anzahl der Objekte, die in Beziehung gesetzt werden können. Altere und schlichtere Notationen verwenden eine Typisierung mit 4 Fällen: Ein Beziehungstyp zwischen Ol und 0 2 ist vom Typ 1:1, wenn jedem Exemplar von Ol maximal eine Instanz von 0 2 zugeordnet werden kann und umgekehrt (eins-zu-eins-Beziehung) l:n, wenn jedem Exemplar von O l viele Instanzen von 0 2 zugeordnet werden können, aber jedem 0 2 nur maximal ein O l (eins-zu-viele-Beziehung). Der Beziehungstyp BEREICH - KURS ist vom Typ l:n, denn zu je einem Bereich gehören viele Kurse, aber jeder Kurs gehört in genau nur einen Bereich. n:l, wenn... - dieser Fall entspricht l:n, nur mit vertauschten Rollen hinsichtlich O l und 0 2 n:ra, wenn jedem Exemplar von Ol viele Instanzen von 0 2 zugeordnet werden können und umgekehrt (viele-zu-viele-Beziehung).

680

Knorz: Datenbank-Entwurfsmethoden Der Beziehungstyp D O Z E N T - KURS ist vom Typ n:m, denn ein Dozent kann viele Kurse halten und ein Kurs kann von mehr als einem Dozenten gehalten werden.

Die Verwendung dieser Notation wird in Abschnitt E4.5.4 illustriert - in Abb. 6 wird dagegen differenzierter gearbeitet. Das Prinzip ist einfach: Wir stellen uns vor, daß wir für den betrachteten Beziehungstyp eine Tabelle einrichten und fragen danach, wie häufig Werte der beteiligten Fremdschlüssel in dieser Tabelle vorkommen können: η

Ein Fremdschlüsselwert muß genau η mal in der Tabelle vorkommen. Den häufigsten Fall gibt n = l ab [min,max] Ein Fremdschlüsselwert muß mindestens min mal und darf höchstens max mal in der Tabelle vorkommen. Den häufigsten Fall liefert min=0, max=l. * ist eine auch in vielen anderen Fällen gebräuchliche Abkürzung für [0, Marketing für die Informationsvermittlung (F 5, Stefan Grudowski): Informationsangebotspolitik, Preispolitik und Distributionspolitik sind die Schwerpunkte dieses Beitrages mit Hinweisen zum Marketing von Informationseinrichtungen, einem immer wichtigeren Aktivitätsfeld der Informationswirtschaft. In Kapitel F 6 - Informationspolitik zeichnet Thomas Seeger die unterschiedlichen Phasen staatlicher IuD-Politik, der entsprechenden Förderprogramme und deren Einbettung in die Forschungs- und Technologiepolitik bis in die Gegenwart nach. Deutlich werden hierbei insbesondere zwei Tendenzen: Zum einen wird Informationspolitik heute nicht mehr als Teil staatlicher Infrastruktur- und Forschungsförderung betrachtet, sondern im Kern als marktorientierte Wirtschaftspolitik; zum anderen stehen nicht mehr die nationalen Probleme im Mittelpunkt des Interesses, sondern mehr und mehr europaweite und internationale Ansätze. Jürgen W Goebel spricht in Kapitel F 7 die Rechtsfragen der Informationswirtschaft an. Als wichtigste Problemfelder werden die Bereiche des Urheberrechts, des Datenschutzrechts sowie des Vertragsrechts kommentiert; sehr nützlich für die tägliche

750 Praxis sind die Hinweise zu Lizenz- und Nutzungsverträgen bei Online- und CDROM-Anwendungen. Kapitel F 8 von Eva-Maria Baxmann-Krafft und Edith Lechner befaßt sich mit dem Bereich der Normung, einem Tätigkeitsfeld, das schon seit jeher für die Informationspraxis von großer Bedeutung ist. Dargestellt werden die wichtigsten Akteure der Normung im nationalen und internationalen Rahmen. Wichtig sind hier die Normungsschwerpunkte der neueren Zeit, z.B. Codierungssysteme oder SGMLund OSI-Anwendungen. Im Anhang wird eine nützliche Übersicht über die einschlägigen deutschen und internationalen IuD-Normen gegeben. Mit dem Beitrag von Thomas Seeger zur Professionalisierung (F 9) werden das Berufsfeld und die Qualifikationsstrukturen der im Bereich Information und Dokumentation Tätigen beleuchtet. Die unterschiedlichen Ebenen und Differenzierungen werden analysiert und - auch mit Hilfe von Zahlenmaterial - die aktuelle Situation in den neunziger Jahren illustriert. Speziell dem Thema Informationswissenschaft (F 10) widmet sich Norbert Henrichs. Ihm geht es dabei weniger um die „Berichterstattung" über Verfassung und Situation informationswissenschaftlicher Studienangebote, sondern um die Positionen und Potentiale einer Informationswissenschaft, die im gesellschaftlichen Diskurs die Kultur einer künftigen „Informationsgesellschaft" mitzugestalten versucht.

751 F2

Informationsökonomie Werner Schwuchow

F2.1

Einführung

Das überproportionale Wachstum des Dienstleistungssektors in allen entwickelten Volkswirtschaften, der Trend zur Globalisierung von Märkten, das Entstehen weltweiter Kommunikationsnetze mit hohen Kapazitäten und die Digitalisierung von Daten, Texten, Tönen und Bewegtbildern (multimedia) haben die strategische Bedeutung moderner (elektronischer) Informationstechnologien und Informationsgüter und -dienstleistungen für die Entwicklung unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften offenkundig gemacht. Die aktuellen Schlagworte sind: „Informationsgesellschaft", „postindustrielle Gesellschaft", „Datenautobahnen", „Informationswirtschaft", „Informationsindustrie" usw. Die Nutzung von „Information" als sog. „viertem Produktionsfaktor" erfordert es, „Information" (wie auch immer definiert) nicht nur als den vielleicht entscheidenden Input in modernen Wertschöpfungsprozessen zu betrachten, sondern gleichzeitig die „Umweltfaktoren" für eine erfolgreiche Nutzung dieses Faktors zu berücksichtigen: das heißt die ökonomischen, kulturellen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für das Funktionieren unserer „InformationsgeseUschaften". Diese Rahmenbedingungen unterscheiden sich signifikant von denen für andere ökonomische Güter und Dienstleistungen. Die Dynamik der Veränderungen auf den neu entstehenden, weltweiten Informationsmärkten gilt es zu verstehen und zu interpretieren, damit die Teilnehmer an diesen Märkten sowohl im privaten wie im öffentlichen Sektor der Volkswirtschaften einen effektiven Einfluß auf die Entwicklung dieser Märkte ausüben können. Hierzu sind ganz neue Perspektiven erforderlich: 1. Bezüglich des Einflusses modemer Informationsgüter und -dienstleistungen und der ihnen zugrundeliegenden Informations- und Kommunikationstechnologien auf Individuen, Organisationen, Gesellschaften und auf die internationale Zusammenarbeit. 2. Bezüglich der Marktmechanismen auf den verschiedenartigen lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Märkten für die verschiedenen Arten von Informationsgütem und -dienstleistungen. 3. Bezüglich der politischen, regulatorischen, kulturellen und soziologischen Rahmenbedingungen für eine optimale Gestaltung dieser Entwicklungsprozesse.

Unter diesen breitgefächerten Perspektiven hat das Forschungsgebiet „Informationsökonomie" sowohl betriebswirtschaftliche als auch gesamtwirtschaftliche (einschließlich einiger gesellschaftlicher und politischer) Aspekte der Produktion, Distribution und Nutzung von (modernen) Informationsgütern und Dienstleistungen abzudecken, zum Beispiel: 1. Die Fragen einer wirtschaftlichen Erstellung verschiedenartiger Informationsgüter und -dienstleistungen. 2. Die neue Rolle von „Information" innerhalb von verschiedenartigen Organisationen: „Informationsmanagement", „Information resources management", Information und Leistungs-

752

Schwichow: Informationsökonomie

bzw. Wettbewerbsfähigkeit, neuartige Organisationsstrukturen aufgrund moderner Informationstechnologien: „the virtual enterprise", „network economics" usw. 3. Die Entwicklung von Märkten für neuartige Informationsgüter und -dienstleistungen: Online-Informationsdienste (Realtime-Dienste, retrospektive Datenbankdienste, VideotexDienste, Audiotex-Dienste usw.), Offline-Informationsprodukte (CD-ROM-Produkte, Disketten, Magnetbänder usw.). 4. Die Rollen des Marktes einerseits und des Staates andererseits bei der Produktion und Distribution verschiedenartiger Informationsgüter und -dienstleistungen. 5. Informationspolitische Fragestellungen: z. B. Vergleich informationspolitischer Ansätze in verschiedenen Ländern oder Regionen: USA, Japan, E U usw. („Information Infrastructures", „Info 2000" der Europäischen Kommission usw.); Regulatorische Aspekte: Copyright für elektronische Informationsdienste, Liberalisierung von Telekommunikationsdiensten, Haftungsfragen usw.; Aspekte des gleichen Zugangs zu bestimmten Informationsquellen für jedermann (Information als sog. „öffentliches Gut"?) usw.

Nicht alle diese Fragen können natürlich in diesem kurzen Beitrag in einiger Ausführlichkeit behandelt werden. Für eine ausführlichere Darstellung einiger besonders wichtiger Punkte sei auf die folgenden Beiträge unter F 3 bis F 7 verwiesen. Eine umfangreichere Darstellung des Gesamtgebietes „Informationsökonomie" ist für 1997 geplant (Lit. 1). Die wirtschaftswissenschaftliche Beschäftigung mit Informationsaktivitäten begann bereits in den 60er Jahren in den USA. Zunächst standen gesamtwirtschaftliche Aspekte im Vordergrund, z. B. die Beobachtung der signifikanten Zunahme von Informationsverarbeitungs- und -vermittlungsaktivitäten innerhalb der Volkswirtschaft. Diese Untersuchungen sind mit Namen wie Machlup (Lit. 2), Bell (Lit. 3) oder Porat (Lit. 4) verbunden. Ab Anfang oder Mitte der 70er Jahre dominierte ganz eindeutig die Literatur zu betriebswirtschaftlichen Aspekten von Informationsaktivitäten. Herausragende Beiträge (wiederum überwiegend aus den USA und Großbritannien) kamen hierzu z. B. von Lancaster (Lit. 5), Lamberton (Lit. 6), Flowerdew und Whitehead (Lit. 7), Gilchrist (Lit. 8), Cronin (Lit. 9) oder Griffiths und King (Lit. 10). Wesentliche Beiträge zur „Informationsökonomie" kamen aber auch aus den Arbeiten der 1973 gegründeten Kommission Wirtschaftlichkeit der Information und Dokumentation (KWID) der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation e.V. (DGD). So veranstaltet die KWID seit 1981 in zweijährigen Abständen internationale Fachkonferenzen zu diesem Themenbereich. Darüber hinaus gibt es in Deutschland eine kontinuierliche Forschung zu diesem Themenbereich, von 1967 bis 1978 innerhalb der Studiengruppe für Systemforschung e.V. in Heidelberg, von 1978 bis 1987 innerhalb der Sektion für Ökonomie der Gesellschaft für Information und Dokumentation mbH (GID) in Frankfurt am Main, von 1987 bis 1995 innerhalb der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH (GMD) in Köln und Sankt Augustin und parallel dazu seit etwa Mitte der 80er Jahre auch an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen (insbesondere an der Universität Konstanz). 1994 wurde das international tätige IIE Institute for Information Economics mit Sitz in Hattingen und Köln gegründet.

F 2.2 Generelle Probleme der ökonomischen Bewertung

F 2.2

753

Generelle Probleme der ökonomischen Bewertung von Informationsaktivitäten

Die Wirtschaftlichkeit einer Aktivität mißt man im allgemeinen an dem Verhältnis zwischen dem damit erzielten Ergebnis (Leistung, Wirkung, Nutzen, Erlös) und dem dafür getätigten Mitteleinsatz (Ausgaben, Aufwand, Kosten), durch das der Ergiebigkeits- und Sparsamkeitsgrad bei der Leistungserstellung durch die betreffende Aktivität bestimmt wird (Lit. 11). Die Wirtschaftlichkeit zeigt also, inwieweit nach dem sog. ökonomischen Prinzip gehandelt, d. h. ein bestimmtes Ergebnis mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz oder ein größtmögliches Ergebnis mit einem bestimmten Mitteleinsatz erzielt wurde. Der Wirtschaftlichkeitsbegriff ist mit Begriffen wie Effizienz, Produktivität und Rentabilität eng verwandt (vgl. dazu unter F 2.3.1). Üblicherweise wird versucht, bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse beide Seiten in Geldeinheiten zu bewerten (Umsatz minus Kosten, vgl. dazu unter F 2.3.1). Die Bestimmung der Wirtschaftlichkeit von Infonnationsaktivitäten (z. B. die Erbringung bestimmter Informationsdienste durch bestimmte Organisationen) stößt in der Praxis auf erhebliche Meß- und Bewertungsprobleme, Probleme der Erfassung qualitativer Größen im Kosten- und insbesondere im Leistungs- bzw. Nutzenbereich. Diese Probleme wurden von Reichwald (Lit. 11) in bezug auf die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung des Einsatzes von Informationstechniken im Bürobereich - in ihrer Allgemeinheit jedoch auch für die Bestimmung der Wirtschaftlichkeit der Erstellung von Informationsdiensten gültig - wie folgt formuliert: 1. Das Maßgrößenproblem: Es besteht im Auffinden geeigneter Maßgrößen (Indikatoren), die die Veränderungen der Wirtschaftlichkeit bei der Erstellung von Informationsgütern und -dienstleistungen (kurz: Informationsdiensten) möglichst genau widerspiegeln. Da sowohl auf der Kosten- als auch auf der Leistungs- bzw. Nutzenseite eine Vielzahl von Maßgrößen denkbar ist, ist häufig eine Auswahl erforderlich. Besondere Probleme ergeben sich bei der Wahl geeigneter Maßgrößen auf der Leistungs- bzw. Nutzenseite, z. B. bei der Messung und Bewertung von Leistungseffekten, die nicht in Geldeinheiten ausgedrückt werden können (vgl. dazu unter F2.3.1 und F 2.3.3). 2. Das Situationsproblem: Produktion und Vertrieb von Informationsdiensten geschieht auf höchst unterschiedliche Weise und ist von einer Vielzahl unterschiedlicher situativer Faktoren abhängig: z. B. den Informationsbedürfnissen (bzw. dem Informationsbedarf oder der Informationsnachfrage) ganz unterschiedlicher Benutzergruppen, unterschiedlichen Informationsquellen, unterschiedlichen Strukturen der aufzubereitenden Daten (oder Texte, Bilder, Töne), unterschiedlichen Erschließungs- und Klassifikationsmethoden, unterschiedlicher Speicher- und Nachweistechnik, unterschiedlichem Management, unterschiedlichen rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen usw.

754

Schwichow: Informationsökonomie

Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bestimmter Informationsdienste bzw. der sie produzierenden Einrichtungen sollte daher stets situationsbezogen, d. h. unter Berücksichtigung der jeweils vorliegenden konkreten Bedingungen erfolgen. 3. Das Verbnndproblem: Die Arbeit in Organisationen und Gesellschaften ist heute in hohem Maße arbeitsteilig. Stets sind mehrere Stellen oder Personen an einer Aufgabe beteiligt. Dies gilt z. B. auch für innerbetriebliche Informationseinrichtungen, für die Arbeitsorganisation in größeren selbständigen Informationszentren oder für das Zusammenwirken von Informationseinrichtungen im nationalen oder internationalen Maßstab. Deshalb sind bei Beurteilungen der Wirtschaftlichkeit einzelner Informationsfunktionen, -aktivitäten oder -dienste stets diese Zusammenhänge der arbeitsteiligen Organisation zu berücksichtigen. Eine Nichtbeachtung der Wechselbeziehungen zwischen isoliert betrachteten Teilbereichen und dem Umfeld könnte im Ergebnis zu einer Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit führen, obwohl vielleicht in einem isolierten Bereich „produktiver" gearbeitet wurde. 4. Das Zurechnungsproblem: Das Problem der Zurechenbarkeit von Kosten- und Leistungswirkungen zeigt sich vornehmlich in zwei Formen: a) Kosten- und Leistungseffekte treten zeitlich verzögert auf (z. B. wenn spätere Kosten zum Planungszeitpunkt noch nicht vorhersehbar waren oder wenn Nutzen erst geraume Zeit nach Nutzung eines Gutes eintritt - der für Informationsdienste eigentlich typische Fall). b) Kosten- und Leistungseffekte treten räumlich verteilt auf (z. B. wenn die Lieferung falscher oder unvollständiger Daten durch einen Datenbasisproduzenten bei einem Informationsanbieter zu imageschädigenden Reklamationen führt oder aber wenn z. B. die Lieferung bestimmter Informationen an einen Nutzer positive ökonomische Effekte bei Personen hat, die mit diesem Nutzer in wirtschaftlichen Beziehungen stehen). 5. Das Innovationsproblem: Innovationen führen meist auch zur Entdeckung neuartiger Möglichkeiten (neue Produkte, neue Anwendungen, neue Arbeitsverfahren usw.), deren ökonomische Wirkungen nicht oder nur schwer voraussehbar sind. Dies macht ökonomische Bewertungen von Informations- bzw. Informationstechnikaktivitäten so schwierig. Wer bei der Bewertung neuartiger Maßnahmen in diesem Bereich davon ausgeht, daß lediglich alte durch neue Prozeduren ersetzt werden, wird den wirtschaftlichen Auswirkungen innovativer Ideen, Konzepte und Techniken nicht gerecht. Diese fünf so von Reichwald formulierten generellen Probleme ökonomischer Bewertungen sind bei der Bestimmung der Wirtschaftlichkeit von Informationsdiensten (Abschnitt F 2.3) zu beachten. Hinzu kommt aber noch ein weiteres grundsätzliches Problem: „Information" ist nicht ein Gut wie viele andere, sondern hat ganz spezifische Merkmale, die es von herkömmlichen Sachgütern und Dienstleistungen unterscheiden und seine ökonomische Bewertung so schwierig machen.

F 2.2 Generelle Probleme der ökonomischen Bewertung

755

Ich will an dieser Stelle nur sehr kurz auf diese besonderen Merkmale des Gutes „Information" eingehen (ausführliche Darstellungen und Diskussionen findet man z. B. bei Flowerdew und Whitehead (Lit. 7) oder bei Braman (Lit. 12): - Zum Zeitpunkt des Kaufs ist der Wert einer Information meist nicht bestimmbar (er zeigt sich - wenn überhaupt - in der Regel erst zu einem viel späteren Zeitpunkt). - Information hat keinen Wert an sich. Am falschen Platz und zur falschen Zeit ist sie wertlos, unabhängig von den Kosten ihrer Produktion, Speicherong und Vermittlung. - Information wird durch Konsum nicht „verbraucht". Unter Umständen kann sie ihren Wert sogar durch häufige Nutzung erhöhen. Eigentum an Information muß nicht unbedingt ihren Wert erhöhen. - Der Verkäufer verliert die Information nicht durch den Kaufakt. In der klassischen Marktwirtschaft jedoch (genauer gesagt: in der sog. „neoklassischen") gibt es keine Waren ohne Eigentum und keine Märkte ohne Waren. Bei materiellen Wirtschaftsgütem bedeutet „Verkauf' den Transfer eines Gutes vom Verkäufer zum Käufer. Bei Informationsgütem ist es dagegen oft sogar für den Nichtkäufer sehr leicht, die entsprechenden Informationsinhalte zu nutzen. Dieses Problem verschärft sich mit fallenden Reproduktions- und Übermittlungskosten. - Eines der am häufigsten zitierten Probleme in der Informationsökonomie besteht in der Schwierigkeit, zwischen dem ökonomischen Wert der „Information" und dem Wert der Materie, in der diese Information eingebettet ist, zu unterscheiden (z. B. ein Buch, eine CD-ROM, ein Fax, ein Brief oder eine E-Mail). Dies hat z. B. Konsequenzen für das Feststellen von „intellektuellen Eigentumsrechten" („Ideen" können viele physische Manifestationen haben). - Im Gegensatz zur klassischen Ökonomie müssen die Konsumenten in der Informationsvermittlung von vornherein stärker in den Produktionsprozeß eingebunden werden. Zum Beispiel das Produkt des Fernsehens ist eigentlich die erreichte Öffentlichkeit (Werbeeinnahmen bemessen sich nach der „Reichweite"). Produktion und Konsumtion von Informationsgütern erfolgt häufig simultan (z. B. in der Wissenschaft). Dies macht die ökonomische Bewertung dieser Güter schwierig. - Viele „Informationen" werden gar nicht als Reaktion auf eine Marktnachfrage erzeugt. Beispiele: Wir sprechen miteinander, um zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Wir schreiben Gedichte oder Romane aus einem inneren Antrieb. - Man kann sagen, daß der „Ort" als wichtiger Faktor in der klassischen Ökonomie mit dem Ausbreiten moderner Kommunikationsnetze (z. B. Internet) keine Rolle mehr spielt. Information kann heute gleichzeitig weltweit angeboten werden, über alle politischen und geographischen Grenzen hinweg. Es erfolgt also in einem gewissen Sinne kein „Transport" mehr in diesem Bereich ökonomischen Handelns. Mit anderen Worten: Viele Informationsdienste werden ohne Kenntnis der tatsächlichen Abnehmer geliefert. - Viele Arten von „Information" erreichen nie eine materielle Form, sind statt dessen in „Beziehungen" eingebettet. - Ein bestimmtes Informationsprodukt kann eine Vielzahl von Funktionen in der Wirtschaft haben: Zum Beispiel ein bestimmtes Abrechnungssystem ist einmal ein verkaufbares Produkt, zum anderen aber auch ein Hilfsmittel (eine Ressource) für die Produktion anderer Wirtschaftsgüter, zum dritten dient es der Koordination innerhalb einer Organisation oder der Abstimmung mit anderen Organisationen usw. Das heißt Infonnationsprodukte sind häufig Produktionsfaktoren an anderen Stellen des Wertschöpfungsprozesses in der Wirtschaft. Auch dieses Phänomen macht die ökonomische Bewertung schwierig. - Information ist völlig abhängig von den sozialen, kulturellen, politischen und ökologischen Elementen ihres Umfelds. Kosten und Nutzen bestimmter Informationsdienste sind daher in der Regel nicht allein ihren Produzenten und Konsumenten zuzurechnen. (Solche „externen Effekte" werden jedoch in der herrschenden neoklassischen Ökonomie kaum berücksichtigt)

756

Schwuchow: Informationsökonomie

Diese - und weitere - besonderen Merkmale des Gutes „Information" machen es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Instrumente der neoklassischen Wirtschaftstheorie („Dinge werden nur erzeugt und sind nur lebensfähig in Reaktion auf eine Marktnachfrage") in der Informationsökonomie anzuwenden. Statt dessen ist eine eigene analytische Methodik zu entwickeln, die im folgenden in ersten Umrissen dargestellt werden soll. Wir sind heute in einer Situation, die Herbert Brinberg, früher u. a. Präsident der Associated Information Managers und der Information Industry Association in den USA, bereits 1988 so formulierte (Lit. 13): "Welcome to the bewildering world of information economics! It is bewildering because, on the one hand, it is a world without shape or substance, while on the other hand, it belies study within the realm of economics because information per se has no particular value. And, yet, as information is perceived as an increasingly significant resource for national growth and well-being and the furtherance of an organization's mission, information managers search for measures to calculate its true value, to assess its effectiveness, and to evaluate its impacts."

F 2.3

Betriebswirtschaftliche Aspekte

Zurückkommend auf die Definition des Wirtschaftlichkeitsbegriffs im vorangegangenen Kapitel mit der Fragestellung: Wie läßt sich konkret die Wirtschaftlichkeit bestimmter Informationsdienste (z. B. Online-Recherchen, Profildienste, Diskettendienste, CD-ROM-Produkte, Auskunftsdienste usw.) bzw. die Wirtschaftlichkeit der diese Dienste produzierenden und anbietenden Einrichtungen messen bzw. bewerten? Hierzu ist es zweckmäßig, verschiedene Ebenen oder Ansätze zur Beurteilung dieser Wirtschaftlichkeit zu unterscheiden.

F 2.3.1

Ebenen zur ökonomischen Bewertung von Informationsdiensten

Ich unterscheide die folgenden fünf Bewertungsebenen, wobei auf der linken Seite der Gegenüberstellung (im Deutschen sagt man häufig auch: „Inputseite") der Einfachheit halber zunächst nur von „Kosten" gesprochen werden soll (zum Kostenbegriff und seinen Abgrenzungen zu Aufwendungen oder Ausgaben vgl. unter F 2.3.2): (1) (2) (3) (4) (5)

Kosten - Leistung Kosten - Leistung Kosten - Leistung Kosten - Nutzen Kosten- Nutzen

(quantitativ) (monetär) (quantitativ und qualitativ) (monetär) (quantitativ und qualitativ)

Die rechte Seite dieser Gegenüberstellungen birgt die ungleich größere Definitionsund Meßproblematik, wobei zu bemerken ist, daß in der Praxis gleich mehrere Begriffe für gleiche Phänomene konkurrierend verwendet werden. Dabei nimmt die Komplexität von „oben nach unten" in dieser Darstellung zu. Dieses 5-Ebenen-

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

757

schema ist dabei aus didaktischen Gründen noch stark vereinfacht. Mindestens auf den zwei unteren Ebenen können (bzw. sollten) beide Seiten der Bewertung weiter differenziert werden - z . B. nach betrieblichen und gesellschaftlichen Kosten einerseits und nach individuellem und gesellschaftlichem Nutzen andererseits. Im folgenden werden die Meß- und Bewertungsprobleme auf diesen 5 Ebenen kurz beschrieben, während in den dann folgenden Abschnitten dieses Kapitels einige praktikable Ansätze und Methoden dargestellt werden: Zu (1): Kosten - Leistung (quantitativ) Auf dieser Ebene, d. h. bei der Gegenüberstellung von Kosten und quantitativer Leistung in einer bestimmten Zeitperiode, liegen - auf Informationsdienste bzw. Informationseinrichtungen bezogen - auch im internationalen Vergleich naturgemäß bisher die meisten empirischen Untersuchungen vor. Dies ist die Ebene der klassischen Kostenrechnung (genauer: Kosten- und Leistungsrechnung), wobei die Leistungsseite nur quantitativ (Zahl von Recherchen, von gelieferten CD-ROMs oder Disketten usw. - jeweils pro Zeitperiode) erfaßt wird, d. h. nicht in ihrer Qualität bewertet wird. Im Abschnitt F 2.3.2 werden die wichtigsten Ansätze und Methoden auf dieser Ebene behandelt. Dabei wird klar, daß auch auf dieser Bewertungsebene bereits ein großer Meß- und Analyseaufwand notwendig ist, z. B. um Stückkosten für bestimmte Informationsdienste über mehrere Stufen der Zuordnung von Personal- und Sachkosten mit hinreichender Genauigkeit zu berechnen. Zu (2): Kosten - Leistung (monetär) Diese Ebene gilt als der Wirtschaftlichkeitsmaßstab für alle Informationsdienste, die auf Märkten angeboten werden - mit dem Ziel, ihre gesamten Kosten durch Markterlöse (oder „Umsätze") zu decken. Der Markt bewertet hier also gewissermaßen auch die Qualität oder Güte dieser Dienste: durch den damit erzielten Umsatz. In diesem Fall hat man einen eindeutig und leicht zu bestimmenden Wirtschaftlichkeitsindikator: den Gewinn oder Verlust (d. h. die Differenz zwischen Umsatz und Kosten - jeweils auf eine bestimmte Zeitperiode bezogen). Meß- oder Bewertungsprobleme gibt es hier kaum, da beide Seiten in Geldeinheiten gemessen werden können. Leider ist diese Bewertungsebene heute nur in relativ seltenen Fällen anwendbar, da in weiten Bereichen (z. B. dem Bibliotheksbereich oder den Informationsdiensten in den Bereichen Wissenschaft und Technik) Informationsdienste nicht rein kommerziell produziert und angeboten werden. Es ist jedoch zu bemerken, daß es durchaus einen Itend zu mehr kommerziellen Angeboten auch in diesen Bereichen gibt (vgl. dazu die folgenden Ausführungen, insbesondere in Abschnitt F2.5). Zu (3): Kosten - Leistung (auch qualitativ) Wo die ökonomische Bewertung nicht auf Märkten erfolgen kann, müssen andere Methoden der Leistungsbewertung entwickelt werden. Die Leistung einer Informationseinrichtung läßt sich grundsätzlich unter quantitativen und qualitativen Aspekten messen bzw. bewerten. Beispiele für solche Aspekte sind:

758

Schwichow: Informationsökonomie Quantität

Qualität

- Absatzmenge pro Zeiteinheit (nach Arten von Informationsdiensten zu spezifizieren) - Verhältnis zwischen tatsächlichen und potentiellen Nutzern (sog. „Marktdurchdringung") - Schnelligkeit oder Häufigkeit der Informationsvermittlung (nach Arten von Informationsdiensten zu spezifizieren) - Aktualität der übermittelten Informationen - Vollständigkeit der übermittelten Informationen - Selektionsgüte (Grad, in dem relevante Informationsquellen nachgewiesen und nicht relevante nicht nachgewiesen werden) - Neuheitswert der übermittelten Informationen (z. B. Anteil der unbekannten an allen übermittelten relevanten Informationen) - Benutzungsbequemlichkeit (Formen der übermittelten Informationen, Benutzungsaufwand usw.) - Zuverlässigkeit des Dienstleistungsangebotes (z. B. Öffnungs- bzw. Zugangszeiten, Häufigkeit von Betriebsstörungen usw.) - Flexibilität des Dienstleistungsangebotes (z. B. Schnelligkeit der Reaktion auf Änderungen der Benutzeranforderungen).

U n t e r einigen dieser A s p e k t e kann die Leistung einer I n f o r m a t i o n s e i n r i c h t u n g quantitativ b e s t i m m t (d. h. relativ g e n a u gemessen) w e r d e n . D a z u d i e n e n d e M a ß g r ö ß e n bezeichnet m a n als Leistungsindikatoren. Z u r L e i s t u n g s b e w e r t u n g w u r d e n , b e s o n d e r s in d e n 70er J a h r e n , e i n e R e i h e von S t a n d a r d m e t h o d e n f ü r I n f o r m a t i o n s e i n r i c h t u n g e n entwickelt, die bis h e u t e ständig weiterentwickelt w e r d e n (vgl. z. B . Lit. 14, Lit. 15, Lit. 16., Lit. 17, Lit. 18 u n d Lit. 10). E s ist j e d o c h zu b e m e r k e n , d a ß diese M e t h o d e n , M a ß s t ä b e u n d I n d i k a t o r e n jeweils nach v e r s c h i e d e n e n Typen von I n f o r m a t i o n s e i n r i c h t u n g e n (z. B . i n n e r b e t r i e b l i c h e Informationsvermittlungsstellen, F a c h i n f o r m a t i o n s e i n r i c h t u n g e n , ö f f e n t l i c h e Bib l i o t h e k e n ) u n d nach v e r s c h i e d e n e n A r t e n von I n f o r m a t i o n s g ü t e r n u n d -dienstleistungen ( g e d r u c k t e D i e n s t e , C D - R O M s , D i s k e t t e n d i e n s t e , R e c h e r c h e n , Profildienste usw.) zu spezifizieren sind. D i e s e S p e z i f i k a t i o n s a n f o r d e r u n g gilt übrigens auch f ü r alle a n d e r e n F e l d e r d e r W i r t s c h a f t l i c h k e i t s a n a l y s e , d. h. a u c h f ü r K o s t e n r e c h n u n g e n u n d N u t z e n b e w e r t u n g e n (siehe d a z u weiter u n t e n ) ! Als Beispiel w e r d e n im f o l g e n d e n einige f ü r die Dienstleistungsart retrospektive Literaturrecherchen entwickelte Leistungsindikatoren a n g e g e b e n (Lit. 17): - Anzahl der jährlich durchgeführten Recherchen - Teil der potentiellen Nutzer, der den Recherchedienst in Anspruch nimmt (zu einem bestimmten Zeitpunkt) - Durchschnittliche Zeitspanne zwischen dem Eingang einer Anfrage und der Ausgabe der Antwort - Durchschnittliche Trefferquote (recall ratio) - Durchschnittliche Relevanzquote (precision ratio) - Durchschnittliche Aktualität der gelieferten Nachweise - Anteil der unbeantworteten Anfragen an der Gesamtzahl der Anfragen pro Jahr - Benutzungsaufwand (z. B. der zeitliche Aufwand des Nutzers für die Formulierung der Suchfrage und das Aussortieren nichtrelevanter Titel aus dem Suchergebnis).

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

759

Dabei hängt die Definition der Leistungsindikatoren auch z. B. davon ab, ob der Benutzer direkt von seinem PC auf eine Datenbank zugreift oder ein Informationsvermittler zwischengeschaltet ist (der hier angenommene Fall). Wie diese Indikatoren im einzelnen gemessen werden können, kann hier aus Platzgründen nicht angegeben werden (dazu sei auf die zahlreiche Literatur verwiesen, vgl. z. B. in Lit. 17). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß nicht für alle der oben genannten Leistungsaspekte genau meßbare Indikatoren definiert werden können. Unter einigen dieser Aspekte muß man sich mit qualitativen Bewertungen begnügen. Solche Bewertungen erfolgen durch Abbildung von subjektiven Urteilen der Nutzer dieser Informationsdienste auf sog. ordinalen Skalen: vollständig - weniger vollständig - unvollständig; sehr gut - gut - befriedigend - mangelhaft - ungenügend; zufrieden - weniger zufrieden - unzufrieden usw. (vgl. z. B. Lit. 17). Dabei sollte eine Gesamtbewertung eines bestimmten Informationsdienstes durch die Gesamtheit seiner Nutzer (oder eines repräsentativen Teils derselben) auch alle durch Indikatoren exakt quantifizierbaren Leistungsaspekte einbeziehen. Gesamtbewertungen dieser Art sind im Idealfall sehr aufwendig und können sich natürlich auch auf die Gesamtheit aller Dienste einer Informationseinrichtung beziehen. Eine derartige Gesamtbewertung erfolgt in folgenden Schritten (vgl. Lit. 17): 1. Ermittlung des Gesamturteiis eines Nutzen Ober einen bestimmten Dienst durch Aggregation seiner Teilurteile über einzelne Leistungsaspekte (wobei er diese Leistungsaspekte und ihre relativen Gewichte auf seiner Präferenzskala selbst vorgibt). 2. Ermittlung des Gesamturteils aller Nutzer eines bestimmten Dienstes durch Aggregation der Gesamturteile der einzelnen Nutzer (wobei man sich vorher auf eine einheitliche Liste von Leistungsaspekten geeinigt haben muß). 3. Ermittlung des Gesamturteiis aller Nutzer über alle Informationsdienste dieser Einrichtung (wobei man im Idealfall diese Dienste auch noch nach ihrer Bedeutung für alle Benutzer gewichtet).

Dieses wäre eine ideale Leistungsbewertung durch alle Nutzer über alle Dienste und alle Leistungsaspekte. Es ist klar, daß dies in der Praxis kaum möglich ist. Deshalb begnügt man sich immer mit Teilbewertungen, die oft nur wenige Aspekte (meist die leicht meßbaren) berücksichtigen. Dabei ist es jedoch wichtig, sich der Einschränkungen (die meist gravierend sind) immer bewußt zu bleiben. Es sei an dieser Stelle noch bemerkt, daß auf dieser Bewertungsebene häufig auch der Begriff Effektivität etwa als Synonym für den hier definierten Leistungsbegriff (im Englischen: cost-effectiveness) benutzt wird. Ich selbst vermeide, wenn es geht, diesen Begriff, da er in der deutschsprachigen Literatur sehr mehrdeutig und unterschiedlich verwendet wird: z. B. als Synonym für Nutzen, Wirkung, Wirksamkeit, Leistung, Leistungsfähigkeit usw. und manchmal sogar als Relation von Nutzen oder Wirkungen zu Kosten oder Faktoreinsatzmengen. Der Begriff Effizienz wird einheitlich verwendet für die Relation zwischen Einsatzmengen von Produktionsfaktoren und der Menge und Qualität der mit ihnen hergestellten Güter (in unserem Fall: Informationsdienste). Es ist zu beachten, daß hier beide Seiten noch nicht in Geldeinheiten bewertet sind!

760

Schwichow: Informationsökonomie

Auf den Einsatz einzelner Produktionsfaktoren bezogen, wird hierfür häufig auch der Begriff Produktivität verwendet (z. B. Arbeitsproduktivität, auf den Faktor Arbeit bezogen). Schließlich spricht man von Rentabilität, wenn man das Verhältnis zwischen Kosten und Gewinn meint. Hier befinden wir uns also wieder auf unserer zweiten Bewertungsebene. Zu (4) und (5): Kosten - Nutzen (monetär/quantitativ und qualitativ) Die Meß- und Bewertungsebenen (4) und (5) sollen der Einfachheit halber hier gemeinsam behandelt werden. Beide Ebenen unterscheiden sich grundsätzlich dadurch, daß auf der vierten alle Nutzen (einzel- und gesamtwirtschaftlich) monetär bewertet bzw. abgeschätzt werden, während auf der fünften Ebene auch alle nichtmonetären positiven und negativen, einzel- und gesamtwirtschaftlichen Wirkungen von Informationsdiensten in die Analyse einbezogen werden sollten. Der Nutzen einer Informationseinrichtung wird allgemein definiert als der Grad, in dem sie durch ihre verschiedenen Dienste zur Erreichung bestimmter gesellschaftlicher und individueller Ziele beiträgt. Dabei wird die folgende Unterscheidung gemacht: - Gesellschaftlicher Nutzen (indirekter Nutzen) von Informationseinrichtungen besteht beispielsweise in der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bürger und in der Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Forschung und Entwicklung, Lehre und Ausbildung, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung usw. - Individueller Nützen (direkter Nutzen) von Informationseinrichtungen besteht beispielsweise in der Erhöhung von Leistungen, Erträgen, Umsätzen, Gewinnen der direkten Nutzer bzw. ihrer Organisationen; in der Förderung der Kreativität und Produktivität von Individuen; in der Verkürzung von Forschungs- und Entwicklungszeiten; in der Vermeidung unnötiger Doppelarbeit in der Forschung; in der Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit von Individuen usw.

Das Hauptproblem besteht darin, daß es mehr oder weniger schwierig ist, alle diese Nutzen (positiven Wirkungen) von Informationsdiensten in der Praxis nachzuweisen (vgl. einige ausgewählte empirische Projekte unter F 2.3.3). Dabei sind gesellschaftlicher und individueller Nutzen oftmals nicht leicht zu unterscheiden. Beispielsweise kann ein bestimmter Profildienst dem individuellen Nutzer Arbeitszeit und Geld sparen und/oder sein Einkommen und sein Sozialprestige erhöhen. Es kann aber auch ein Unternehmen von einem dadurch besseren oder schneller erzielten Forschungsergebnis profitieren. Der zusätzliche Firmengewinn kann wiederum zu höheren Steuereinnahmen, besserer Konjunktur, neuen Arbeitsplätzen usw. beitragen. Bei der Beurteilung von Nutzenkriterien und Nutzenindikatoren ist daran zu erinnern, daß einige der vorher behandelten Leistungsaspekte und -indikatoren für Informationsdienste im weiteren Sinne auch als Nutzenindikatoren anzusehen sind, nämlich dann, wenn ihre Werte auf subjektiven Beurteilungen der Benutzer beruhen. Eine Methode, die auf unserer Bewertungsebene (5) Anwendung findet, ist deshalb die von Zangemeister in den 60er und 70er Jahren entwickelte Nutzwertanalyse (Lit. 19). Hier werden alle Nutzenaspekte, auch die nicht monetär abschätzbaren,

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

761

in die Analyse einbezogen. Es handelt sich um ein multidimensionales Bewertungsverfahren, wie auf Ebene (3) skizziert. Der Ebene (4) entspricht die klassische, in den USA nach dem 2. Weltkrieg entwikkelte „cost-benefit-analysis", innerhalb der versucht wird, alle positiven und negativen individuellen und gesellschaftlichen Wirkungen in Geldeinheiten auszudrücken (vgl. Lit. 17). Ein relativ gut meßbarer Nutzenindikator auf der individuellen Ebene sind Einsparungen von Zeit und Geld, die sich bei den direkten Nutzern (oder ihren Institutionen) daraus ergeben, daß Informationen durch bestimmte Informationsdienste gezielter, schneller, bequemer, billiger usw. zu erhalten sind, als auf anderen Wegen (vgl. mehr dazu unter F 2.3.3). Als weiterer wichtiger Nutzenindikator auf dieser Ebene gilt die Reduzierung von Foischungs- und Entwicklungskosten durch Vermeidung unnötiger Doppelarbeit aufgrund bestimmter Informationsdienste. Als ein umfassender Indikator des individuellen Nutzens wird die Zahlungsbereitschaft von Individuen für die in Frage stehenden Informationsdienste angesehen (Voraussetzung ist wieder: ein funktionierendes marktwirtschaftliches System). Der gesellschaftliche (indirekte) Nutzen von Informationsdiensten umfaßt alle Vorteile, die Personen oder Institutionen von diesen Diensten haben, obwohl sie nicht direkte Nutzer sind. Gesellschaftlicher Nutzen kann auch als Grad definiert werden, in dem Informationsdienste zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele beitragen (sozusagen „dem Gemeinwohl dienen"), beispielsweise zur - Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bürger in einem Gemeinwesen; - Erhöhung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft (Verbesserung der Konjunktur, Sicherung von Arbeitsplätzen usw.); - Erhöhung des allgemeinen Bildungsstandes der Bürger, Sicherung einer größeren Chancengleichheit im Beruf; - Beschleunigung von Innovationsvorgängen; - Verbesserung der Flämings- und Entscheidungstätigkeit von Parlamenten, Regierungen, öffentlichen Verwaltungen, Organen der Rechtsprechung usw.

Der gesellschaftliche Nutzen ist also mehr als die Summe der primären oder direkten Nutzen von Informationsdiensten (vgl. dazu auch F 2.4). Konkrete Beispiele gesellschaftlichen Nutzens wären: - ein aufgrund eines bestimmten Informationsdienstes verbessertes Herstellungsverfahren ermöglicht einer Firma die Erzeugung eines billigeren Produktes, wovon alle Konsumenten des Produktes einen Vorteil haben, sofern die niedrigeren Produktionskosten zu einem niedrigeren Preis führen; - eine bestimmte Informationsdienstleistung sichert einer Firma einen Vorsprung auf dem internationalen Markt, was zu höheren Gewinnen, mehr Arbeitsplätzen, höheren Löhnen usw. führen kann; - ein bestimmter Informationsdienst ermöglicht die Entwicklung eines Medikamentes oder Behandlungsverfahrens gegen eine bisher unheilbare Krankheit.

Es ist besonders schwierig, den gesellschaftlichen Nutzen von Informationsdiensten zu messen oder abzuschätzen. Deshalb ist mir bis heute auch keine Kosten-Nutzen-

762

Schwichow: Informationsökonomie

Untersuchung im Informationsbereich bekannt, die diese Bewertungsdimension auch nur annähernd angemessen berücksichtigt. Wie beim individuellen Nutzen besteht auch hier das Hauptproblem darin, den Anteil zu definieren, den bestimmte Informationsdienste an der Verbesserung einer bestimmten Leistung haben. Im Gesundheitswesen z. B. genügt die Entwicklung eines neuen Medikamentes oder Behandlungsverfahrens allein noch nicht, um eine Krankheit zu besiegen oder einzudämmen. Zusätzlich sind beträchtliche Investitionen notwendig, um einen derartigen Erfolg zu erreichen. Bei der Betrachtung der gesellschaftlichen Wirkungen von Informationsdiensten dürfen nicht nur die Vorteile, sondern müssen auch mögliche Nachteile, die sog. gesellschaftlichen Kosten, dieser Dienste in Rechnung gestellt werden. Ein Beispiel: Gelänge es, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich aus leicht erhältlichen Stoffen in jeder Küche Heroin produzieren ließe, so wäre die Information über dieses Verfahren sicher nicht von gesellschaftlichem Nutzen. Bei gesellschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit elektronischen Informationsdiensten ist z. B. auch an die größere Verletzlichkeit der Intimsphäre, intellektueller Eigentumsrechte, Computerkriminalität u. ä. zu denken. Auch für den gesellschaftlichen Nutzen kann man die Zahlungsbereitschaft (in diesem Fall: der Gesellschaft oder der sog. „öffentlichen Hand") als umfassenden Indikator betrachten, der einzelne Bewertungskriterien (Verbesserung der Konjunktur, Erhöhung des Bildungsstandes, Verminderung von Kosten für die Allgemeinheit usw.) mitberücksichtigt. Allerdings wird sich diese Zahlungsbereitschaft kaum durch ständige Befragungen aller Bürger bestimmen lassen. Vielmehr schätzen Parlamente und Regierungen den gesellschaftlichen Nutzen von bestimmten Informationsdiensten intuitiv. Sie setzen daraufhin und nach Vergleich mit ähnlich geschätzten Nutzen anderer öffentlicher Dienste oder Tätigkeiten den Anteil der öffentlichen Mittel fest, der für diese Informationsdienste aufzuwenden ist (vgl. hierzu auch die Ausführungen in F 2.4).

F 2.3.2

Kosten- und Leistungsrechnung in Informationseinrichtangen

Die Kosten- und Leistungsrechnung (Kurzform: Kostenrechnung) gilt als das Kernstück der Wirtschaftlichkeitsanalyse auf betrieblicher Ebene (bzw. Unternehmensebene). Ihr Hauptziel ist es, die Kosten der Erstellung von betrieblichen Leistungen verursachungsgerecht den einzelnen Einheiten der verschiedenen Leistungsarten zuzurechnen. Damit bildet sie die Voraussetzung für die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit: auf unserer 1. Bewertungsebene und bei Marktorientierung auch auf unserer 2. Bewertungsebene (vgl. die obigen Ausführungen). Hier können nur einige Grundelemente einer Kostenrechnung für Informationseinrichtungen skizziert werden. Zur Vertiefung wird auf die allgemeine betriebswirtschaftliche Literatur und auf SpezialVeröffentlichungen (z. B. Lit. 20) verwiesen. Kosten sind monetär bewerteter, durch eine Leistungserstellung bedingter Güteroder Dienstleistungsverbrauch in einer bestimmten Zeitperiode. Das heißt, der Kostenbegriff ist durch drei Merkmale bestimmt:

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

763

1. Es muß ein Güterverbrauch vorliegen. Unter einem „Gut" ist jedes werthabende (nützliche und knappe) Ding zu verstehen: z. B. Sachgüter, Dienstleistungen, Rechte, Geld, Informationen. „Verbrauch" bedeutet sowohl den physischen Verzehr von Rohstoffen, als auch z. B. die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen (-kraft) sowie die räumlich-zeitliche Nutzung von Betriebsmitteln und Rechten. 2. Der Güterverbrauch muß leistungsbezogen sein. Das ist nur der Güterverbrauch, der zum Zwecke der Erstellung und Verwertung betrieblicher Leistungen und zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft (Kapazität) erfolgt. Diese verbrauchten Güter nennt man deshalb auch „Produktionsfaktoren". 3. Der leistungsbezogene Güterverbrauch muß in Geldeinheiten bewertet werden, weil sich heterogene Verbrauchsmengen unterschiedlicher Produktionsfaktoren nicht unmittelbar addieren lassen.

Kosten unterscheiden sich damit von verwandten Begriffen wie Aufwand oder Ausgaben. Aufwand (oder Aufwendungen) stellt den Wert der in einer Rechnungsperiode verbrauchten oder verzehrten Güter und Dienstleistungen einer Unternehmung dar, d. h. Aufwendungen sind auf eine bestimmte Rechnungsperiode bezogene Ausgaben (= Zahlungen, die nicht unbedingt innerhalb dieser Periode getätigt wurden). Das wichtigste Unterscheidungskriterium zwischen Kosten und Aufwendungen ist, ob die in einer Rechnungsperiode verzehrten Sachgüter und Dienstleistungen der Erfüllung des Betriebszweckes dienten oder nicht. In der betriebswirtschaftlichen Terminologie heißen Aufwendungen, die nicht der Erfüllung des betrieblichen Zweckes dienen, neutrale Aufwendungen. Beispiele: Spenden, Aufwendungen für Wohnhäuser und Sportplätze, Sonderabschreibungen bei Wertminderung von Vermögensteilen. Kosten, die keinen Aufwand darstellen, heißen Zusatzkosten oder kalkulatorische Kosten. Beispiele: Kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalzinsen. Die Kostenrechnung ist also eine kalkulatorische Rechnung. Im Gegensatz zur pagatorischen Rechnung, die an Zahlungsströme anknüpft (z. B. in der sog. Kameralistik), baut die kalkulatorische Rechnung auf Realgüterbewegungen auf (d. h. auf den tatsächlichen Werteverzehr der eingesetzten Güter). Informationseinrichtungen der unterschiedlichsten Art (innerbetriebliche Informationsvermittlungsstellen, Datenbankanbieter, Bibliotheken usw.) stellen durch Beschaffen, Aufbereiten und Verarbeiten von Informationen aus verschiedenen Quellen bestimmte Informationsdienste her bzw. bieten diese an. Betriebswirtschaftlich betrachtet sind solche Einrichtungen Inforaiationsdienstleistungsbetriebe, für die das Instrumentarium für betriebswirtschaftlich rationelle Entscheidungen anzuwenden ist - dazu gehört insbesondere die Kostenrechnung. Dabei ist die Kostenrechnung im konkreten Fall natürlich auf den speziellen Typ der Informationseinrichtung zuzuschneiden. Generell entstehen für die Erstellung bestimmter Informationsdienste Kosten z. B. durch den Einsatz menschlicher Arbeitskraft (Personalkosten), die Nutzung von Grundstücken und Gebäuden, den Ge- oder Verbrauch materieller Güter (wie Büromaterial, Möbel, Computer usw.), die Nutzung von Rechten usw. (diese Kostenarten werden unter Sachkosten zusammengefaßt).

764

Schwuchow: I n f o r m a t i o n s ö k o n o m i e

D i e Kostenrechnung dient u. a. der Ermittlung der Kosten für innerbetriebliche Leistungen und für die z u m Absatz bestimmten Informationsgüter und -dienstleistungen und ermöglicht damit zwischenbetriebliche Vergleichsrechnungen, die A b leitung v o n Kostenrichtwerten für Planungszwecke und die Bereitstellung v o n Kalkulationsunterlagen für die Preisgestaltung. D i e Kostenrechnung kann eine Voll- oder Teilkostenrechnung sein. In beiden Rechnungssystemen werden alle anfallenden Kosten berücksichtigt. In der Teilkostenrechnung fallen also, entgegen der landläufigen Vermutung, k e i n e Kosten unter den Tisch. D e r Unterschied besteht lediglich in der (Weiter)Verrechnung von K o s t e n auf die Kostenträger (Endprodukteinheiten). In der Vollkostenrechnung w e r d e n alle Kosten auf die Endprodukteinheiten verrechnet, in der Teilkostenrechnung nur solche Kosten, die sich den Endprodukteinheiten eindeutig zurechnen lassen. Hinsichtlich dieser Zurechenbarkeit unterscheidet man zwischen Einzel- und G e meinkosten. - Einzelkosten sind solche Kosten, die den einzelnen Endprodukteinheiten oder Aufträgen aufgrund genauer Aufzeichnungen direkt zugerechnet werden können. - Gemeinkosten sind solche Kosten, die nicht unmittelbar für die einzelnen Erzeugnisse oder den einzelnen Auftrag anfallen. Sie betreffen vielmehr eine Gesamtheit von Aufträgen, mehrere Kostenverursachungsbereiche oder den Betrieb insgesamt. Beispiele: Versicherungen, Vermögenssteuer, Gehalt für kaufmännisches Personal, Gehälter des Personaldirektors und des Pförtners. Die Zurechnung von Gemeinkosten auf die Endprodukteinheiten (Kostenträger) kann deshalb nur indirekt über die Kostenstellenrechnung erfolgen (vgl. dazu weiter unten). D i e s gilt, wie gesagt, für die Vollkostenrechnung, die j e d o c h heute in der betrieblichen Praxis noch weit überwiegt und deren Ablauf im folgenden skizzenhaft dargestellt werden soll. D a b e i ist darauf hinzuweisen, daß eine Standardmethodik für e i n e solche Kostenrechnung in Informationseinrichtungen bereits vor circa 20 Jahren entwickelt wurde (Lit. 21, Lit. 22). D e r Abrechnungsgang in der klassischen Vollkostenrechnung erfolgt in drei Stufen: 1. In der Kostenartenrechnung werden alle in der Rechnungsperiode nach Art des Ge- oder Verbrauchs von Produktionsfaktoren entstandenen Kosten erfaßt. Die übliche Aufteilung erfolgt nach Personal- und Sachkosten und letztere können je nach Bedarf weiter untergliedert werden, z. B. in: Maschinen-, Material-, Grundstücks- und Gebäudekosten usw. Die Kostenartenrechnung gibt Auskunft darüber, welche Produktionsfaktoren in der Rechnungsperiode ge- oder verbraucht wurden. 2. In der KostensteUenrechnnng werden die angefallenen Kosten auf die sog. Kostenstellen verteilt (Funktionsbereiche der Kostenentstehung, bzw. betriebliche Teilbereiche, die kostenrechnerisch selbständig abgegrenzt werden können). Problematisch ist dabei immer die Zurechnung der Gemeinkosten (s. oben). Diese werden in dem sog. Betriebsabrechnungsbogen (vgl. einen solchen für Fachinformationszentren in Lit. 21) mit Hilfe von Verteilungsschlüsseln auf die Kostenstellen und von dort auf die Kostenträger (Endprodukte) zugerechnet. Diese Verteilungsschlüssel sind aus praktischen Gründen in der Regel aber mehr oder weniger ungenau, um den Rechenaufwand in Grenzen zu halten. Neben der verursachungsgerechten Zurechnung aller Kosten auf die Endprodukte besteht die Aufgabe der Kostenstellenrechnung auch in einer nach Kostenentstehungsbereichen differenzierten Kontrolle der Wirtschaftlichkeit. Etwaige Kostenstellenabweichungen zwischen Soll und Ist können dem jeweiligen Kostenstellenleiter als Verantwortlichem zugeordnet werden. Die Kostenstellen-

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

765

rechnung beantwortet also die Frage: Wo sind in der Abrechnungsperiode in welcher Höhe Kosten angefallen, die nicht unmittelbar den Endprodukten zugerechnet werden können? 3. In der Kostenträgerrechnong werden die angefallenen Kosten nicht mehr wie in der Kostenartenrechnung herkunftsbezogen nach Verbrauchsart (z. B. Kosten für Personal, Material usw.) erfaßt, sondern verwendungsbezogen nach Endprodukten, die letztlich die Kosten „tragen" müssen. Die Kostenträgerrechnung beantwortet die Frage, wofür bzw. für welche Produkte Kosten in welcher Höhe angefallen sind. Diese Frage kann für eine einzelne Produkteinheit oder auch für die Gesamtheit einer Produktart gestellt werden. Im ersten Fall spricht man von einer Kostenträgerstückrechnung (oder auch: Stückkostenrechnung), im zweiten von einer Kostenträgerzeitrechnung. Im Falle eines marktwirtschaftlichen Systems können ausschließend die in der Kostenträgerrechnung ermittelten Gesamtkosten der Produkte den entsprechenden Erlösen gegenübergestellt werden, um den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Produkte zu bestimmen (vgl. unsere Bewertungsebene (2)).

Ausgangspunkt für die Entwicklung von Teilkostenrechnungssystemen ist die Kritik an der Vollkostenrechnung: - Die Vollkostenrechnung berücksichtigt die sog. „Beschäftigung" (Auslastung der vorhandenen Kapazität) nicht: Je weniger Aufträge vorliegen, desto teurer werden sie (hohe Fixkosten pro Mengeneinheit). Dies kann dazu führen, daß sich ein Unternehmen aus dem Markt herauskalkuliert: Zu den höheren Preisen erhält das Unternehmen weniger Aufträge, erhöbt die Preise weiter, erhält noch weniger Aufträge usw. - Bei der Berechnung der Zuschlagssätze wird eine Abhängigkeit zwischen Gemeinkosten und Zuschlagssatz unterstellt. Dies trifft aber häufig nicht zu. Beispielsweise läßt sich die Zurechnung der Verwaltungsgemeinkosten wie üblich auf der Grundlage der Produkteinzelkosten kaum mit einer entsprechenden Beanspruchung der Verwaltung durch die einzelnen Kostenträger begründen. - Bei der Vollkostenrechnung wird der Verkaufspreis aus den Stückkosten der Produkte abgeleitet. Tatsächlich ergibt sich der Preis jedoch aus dem Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage (bei einem marktwirtschaftlichen System).

Wegen dieser Mängel kann es zweckmäßig sein, von der Vollkostenrechnung abzurücken. Statt dessen wird das Prinzip der relevanten Kosten angewendet: Es werden nur die kostenmäßigen Konsequenzen berücksichtigt, die durch eine bestimmte Entscheidung hervorgerufen werden. Kosten, die unabhängig von dieser Entscheidung entstehen, werden vernachlässigt. Teilkostenrechnungen sind also dadurch charakterisiert, daß sie den Produkten nur einen Teil der Kosten zurechnen, überwiegend nur die sog. variablen Kosten (= die mit der Produktmenge variieren). Die nicht zugerechneten Kosten werden gewissermaßen als „Block" in die kurzfristige Erfolgsrechnung übernommen. Man spricht deshalb hier auch von „Blockkosten". Die sog. fixen Kosten (= bleiben bei Veränderungen der Produktmengen konstant) erscheinen nicht in der Kostenträgerstückrechnung und werden also auch nicht auf die Kostenträger verteilt. Mit der Entwicklung marktwirtschaftlicher Systeme im Informationsbereich können Teilkostenrechnungen für Informationsdienste in Zukunft von großer Bedeutung werden, da der Anteil von fixen Kosten in Informationseinrichtungen in der Regel sehr hoch ist. Es wurden bereits verschiedene Teilkostenrechnungssysteme entwickelt, die hier nicht im einzelnen wiedergegeben werden können, z. B. die sog. Deckungsbeitrags-

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Schwuchow: Informationsökonomie

rechnung, oder das System der relativen Einzelkosten (dieses wurde für den Fall eines großen Fachinformationszentrums im Jahre 1981 spezifiziert, vgl. Lit. 23). Aus der Vielzahl empirischer Kostenrechnungen in Informationseinrichtungen seien hier beispielhaft nur zwei genannt (beides Vollkostenrechnungen). Dorothea Zimmermann hat im Jahre 1985 eine Stückkostenvergleichsrechnung in der Informationsvermittlungsstelle (IVS) eines großen pharmazeutischen Unternehmens durchgeführt, die in ihrer Sorgfalt und Genauigkeit beispielhaft ist (Lit. 24 und Lit. 25). Diese Kostenrechnung nimmt bereits Elemente der heute so heftig geführten „Profit-Center-Diskussion" für betriebsinterne Informationsvermittlungsstellen vorweg. So wird z. B. großer Wert darauf gelegt, die von dieser Stelle erbrachten Informationsdienste eindeutig zu beschreiben und so voneinander abzugrenzen, daß sie nicht nur für den (internen und externen) Kunden leicht identifizierbar sind, sondern daß auch die Kosten den unterschiedlichen Diensten verursachungsgerecht zugeordnet werden können. Deshalb wurden hier nicht weniger als 10 verschiedene Arten von Informationsdiensten unterschieden. In einem 1. Schritt wurden die Arbeitsstunden der damals 23 Mitarbeiter dieser Stelle (1760 Arbeitsstunden pro Mitarbeiter und Jahr bei Vollbeschäftigung) auf insgesamt 28 verschiedene Tätigkeitsarten zugerechnet: Formales Erfassen, Inhaltliches Erschließen, Recherchevorbereitung, Durchführung von Recherchen, Nachbearbeitung des recherchierten Materials usw. In einem 2. Schritt wurden die jährlichen Personalkosten in DM pro Tätigkeitsart und pro Mitarbeiter berechnet. In einem 3. Schritt wurden die Sachkosten den verschiedenen Tätigkeitsarten zugerechnet. Im 4. Schritt erfolgte eine mengenmäßige Zuordnung aller im Jahre 1985 erbrachten Dienste (nach den 10 verschiedenen Arten) zu den 28 Tätigkeitsarten. Im 5. Schritt wurde dann ermittelt, welche „Teilstückkosten" auf jede Tätigkeitsart entfallen. Im 6. Schritt wurden durch Addition über alle Tätigkeitsarten dann die Stückkosten pro Dienstleistungseinheit (für alle 10 Dienstleistungsarten) ermittelt. Für die Hauptdienstleistungsart „Anfragenbeantwortung" (Anfragen interner Kunden) ergaben sich so z. B. D M 77,- als Stückkosten pro Recherche (Auftrag). Ähnliche aufwendige Kostenrechnungen wurden für drei alternative Versorgungsmodelle für diese Dienstleistungsart durchgeführt, mit folgenden Ergebnissen: Modell II:

Die internen Kunden recherchieren selbst. Die IVS macht den Input und beschafft die nachgewiesene Literatur. Mehrkosten pro Recherche (gegenüber Modell I): DM 170,98. (Gesamtmehrkosten bei 6.137 Anfragen interner Kunden 1985: DM 1.049.300,-) Modell ΙΠ: Die internen Kunden recherchieren bei externen Informationsvermittlern. Die IVS beschafft nur die Literatur. Mehrkosten pro Recherche (gegenüber Modell I): DM289,52. (Gesamtmehrkosten für diese Dienstleistungsart: DM 1.771.550,-)

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

767

Modell IV: Die internen Kunden besorgen sich ihre Informationen auf konventionelle Weise (Lesen von Zeitschriften, Bibliotheksbesuche, eigene Ablagen usw.). Die IVS beschafft nur die Literatur. Mehrkosten pro Recherche (gegenüber Modell I): DM 197,36. (Gesamtmehrkosten für diese Dienstleistungsart: DM 1.211.200,-) Damit erwies sich die totale Informationsversorgung durch die firaieninterne IVS als die mit Abstand kostengünstigste Lösung (für diese Dienstleistungsart). Diese Vergleichsrechnung hatte für die IVS den ganz praktischen Nutzen, daß sie bestehende Rationalisierungspläne der Firmenleitung verhindern konnte, indem sie dem Controlling vorrechnete, daß sie im Jahre 1985 allein bei der Anfragenbeantwortung f ü r firmeninterne Kunden durch ihre Tätigkeit der Firma mindestens 1 Million D M eingespart hat. Dieses Argument allein hat ausgereicht, um diese Rationalisierungspläne zu verhindern. D a b e i ist noch außer Ansatz geblieben, daß nicht nur 6.137 Anfragen von internen Kunden (sog. „Primärbereich" der IVS), sondern zusätzlich auch noch 5.613 Ärzteanfragen im Jahre 1985 beantwortet wurden. Damit würde sich der Multiplikator f ü r die Mehrkosten bei den Modellen II bis IV um mehr als 90 % erhöhen. Außerdem waren bei den Vergleichsrechnungen in den Modellen II bis IV vorsichtshalber außerordentlich niedrige Personalkosten für die internen Kunden angesetzt worden. Es wurde deshalb geschätzt, daß allein bei dieser Dienstleistungsart dem Unternehmen im Jahre 1985 rund 2,5 bis 3 Millionen D M durch die Tätigkeit der IVS eingespart werden konnten. Sabine G r a u m a n n hat im Jahre 1994 eine ähnliche Vergleichsrechnung für die zentrale IuD-Abteilung der Infratest Burke A G in München durchgeführt ( = „IuD"). Auch hier wurden, ebenfalls für die Dienstleistungsart „Anfragenbeantwortung", die folgenden Versorgungsmodelle durchgerechnet (hier mit fiktiven Zahlen publiziert, vgl. Lit. 26): Modell I:

Totale Versorgung durch IuD. Stückkosten pro Recherche: DM 102,Gesamtkosten bei 2.143 Recherchen pro Jahr: DM 218.586,Modell II: IuD übernimmt den Input. Die internen Kunden recherchieren selbst in den Datenbanken von IuD. Stückkosten pro Recherche schwanken je nach Annahmen über die Stundensätze der internen Kunden (zwischen DM 90,- und DM 180,- pro Stunde). Bei einer Proberechnung für 252 Recherchen kam man auf Gesamtkosten zwischen knapp DM 400.000,- und knapp DM 800.000,-. (Bei dieser Recherchenzahl käme man mit Modell I lediglich auf ca. DM 25.700,- Gesamtkosten.) Modell III: IuD greift auf externe Datenbanken zu, selektiert die Rechercheergebnisse und liefert das Ergebnis an die Tochtergesellschaft. Gesamtkosten bei 252 Recherchen: DM 126.000,(Ausgehend von einem innerbetrieblichen Erfahrungswert von DM 500,- pro Recherche.) Modell IV: Der interne Kunde greift direkt auf externe Datenbanken zu. Gesamtkosten je nach Stundensatz des internen Kunden zwischen ca. DM 225.000,- und ca. DM 259.000,- bei 252 Recherchen. (90 Minuten

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Schwichow: Informationsökonomie Nachbereitung pro Recherche durch den internen Kunden, Stundensatz von DM 220,- für externe Broker als Annahmen.)

Das Ergebnis ist also, daß Modell I die mit großem Abstand kostengünstigste Versorgungsart ist, vor Modell III, Modell IV und Modell II. Die IuD-Abteilung von Infratest Burke ging aber über eine Kostenvergleichsrechnung hinaus (und damit haben wir bereits einen Obergang zu unserem nächsten Abschnitt F 2.3.3). Die internen Kunden (in diesem Fall Projektleiter in den Tochtergesellschaften) wurden zusätzlich gebeten, die verschiedenen Dienste der IuD-Abteilung zu bewerten. Zunächst wurde nach der Einschätzung der Wichtigkeit dieser Dienste auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 4 (weniger wichtig) gefragt. Die Einschätzungen lagen zwischen 1,4 und 2,2. Dann wurde gebeten, die Qualität der Dienste auf der Schulnotenskala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) zu bewerten. Bei 9 Arten von Diensten lagen die Werte zwischen 1,5 und 2,7. Nur beim Zeitschriftenumlauf (3,4) und dem CD-ROM-Angebot (3,0) ergaben sich schlechtere Werte. Diese Leistungsbewertung war also insgesamt sehr positiv. Zum Nutzennachweis wurde versucht, die geldwerten Vorteile durch Inanspruchnahme der Dienste der IuD-Abteilung zu quantifizieren. Die an die Abteilung gerichteten internen Anfragen stehen häufig in Verbindung mit der Erstellung von Angeboten oder Studien durch die verschiedenen Tochtergesellschaften des Unternehmens. In geeigneten Fällen werden die von „IuD" beschafften Sekundärinformationen nach entsprechender Aufbereitung direkt an die Kunden verkauft, wodurch bei der Analyse von Fallbeispielen ein nicht unerheblicher monetärer Nutzen dieser Dienste nachgewiesen werden konnte. Nutzenindikatoren waren dabei: - Produktivitätssteigerung durch Nutzung eines qualitativ hochwertigen Informationsdienstleistungs-Netzwerks; - Reduktion von Studien- und Angebotserstellungskosten; - Wertschöpfung bei den Tochtergesellschaften durch Sekundärforschungsprozesse auf Basis gelieferter Daten durch „IuD"; - Vermittlung und Akquisition von Aufträgen bzw. Fblgeprojekten für die Tochtergesellschaften; - Akquisitionsunterstützung für die Tochtergesellschaften durch Nachweis von Ausschreibungen.

F 2.3.3

Ausgewählte Beispiele von Wirtschaftlichkeitskriterien für Informationseinrichtungen

Bei allen gezeigten Problemen der Leistungs- und Nutzenbewertungen im Informationsbereich haben vor allem Griffiths und King im Rahmen zahlreicher empirischer Studien vor allem in US-amerikanischen Unternehmen pragmatische Bewertungen insbesondere von Informationsdiensten innerbetrieblicher Informationsvermittlungsstellen durchgeführt. Sie haben damit einen gewissen „state of the art" empirischer betriebswirtschaftlicher Analysen in diesem Bereich geschaffen. Die wichtigsten Elemente dieser Analysen sollen deshalb an dieser Stelle in aller Kürze dargestellt werden (vgl. Lit. 10 und Lit. 27, aber auch die Darstellung in Lit. 20).

F 2.3 Betriebswirtschaftliche Aspekte

769

Griffiths und King unterscheiden in ihren Analysen generell drei Betrachtungsebenen: 1. Die Informationseinrichtung. 2. Den Nutzer ihrer Dienste. 3. Die übergeordnete Organisation des Nutzers. Entscheidungen auf jeder dieser Ebenen wirken sich immer auch auf die anderen beiden Ebenen aus. Wenn z. B. das Management der Informationseinrichtung entscheidet, seine Online-Recherchen durch das Einstellen eines Spezialisten zu verbessern, so wird sich die Schnelligkeit und Qualität dieser Recherchen erhöhen. Dies kann dazu führen, daß mehr Recherchen durchgeführt werden (die Outputmenge wächst), wertvolle Zeit der Nutzer eingespart wird (der individuelle Nutzen wächst), die Leistung der übergeordneten Organisation (z. B. Firma) des Nutzers verbessert wird usw. (vgl. im einzelnen die Darstellung in Lit. 20, S. 107 ff.). Griffiths und King verwenden hauptsächlich drei Nntzenindikatoren: 1. Wieviel sind die Nutzer bereit, für die Informationsdienste zu zahlen? (Zahlungsbereitschaft) 2. Was würde es die Nutzer kosten, alternative Informationsdienste zu nutzen (sog. Opportunitätskosten alternativer Informationsversorgungsarten)? 3. Welche Einsparungen (Vermeidung von Doppelarbeit in der Forschung usw.) würden verlorengehen, wenn es die zu bewertenden Informationsdienste nicht gäbe (sog. komplementärer Nutzen)?

Der zweite Bewertungsansatz entspricht in etwa den oben zitierten Analysen von Zimmermann und Graumann. Der erste Ansatz beschäftigt sich mit der Frage, ob den Kosten, die z. B. einer Unternehmung für ihre interne Informationsvermittlungsstelle entstehen, ein begleitender Wert (concomitant value) gegenübersteht. Ungeachtet der Frage, ob die vermittelten Informationen für eine bestimmte Aufgabe/Entscheidung wirklich nützlich waren oder ob sie etwa zu einer höheren Profitabilität eines Geschäftsabschlusses geführt haben, investieren Nutzer viel Zeit und Geld in die Identifizierung, Beschaffung und Verarbeitung dieser Informationen. Dieser (Zweck-)Aufwand entspricht dem Preis, den Nutzer tatsächlich für bestimmte Informationsdienste bezahlen, d. h. es ist der Preis, den die Nutzer mindestens zu zahlen bereit sind. Er stellt nach Griffiths und King den sog. Basiswert dar, den die Nutzer diesen Informationsdiensten beimessen. Die gesamte Zeit (in Geldeinheiten bewertet), die Nutzer für die Informationsbeschaffung und aufbereitung aufwenden, repräsentiert somit den Basiswert der Informationsvermittlungsstelle für die Unternehmung. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, daß dieser Wert einem Vielfachen der Gesamtkosten einer internen Informationsvermittlungsstelle entsprechen kann (vgl. Lit. 10, S. 109). Beim dritten Bewertungsansatz (komplementärer Nutzen) kann man zwei Betrachtungsweisen unterscheiden (vgl. Lit. 20, S. 277 ff.): 1. Empirische Untersuchungen deuten daraufhin, daß Nutzer von Informationsdiensten einen relativ konstanten Teil ihrer Gesamtarbeitszeit für die Informationsbeschaffung und Verarbeitung aufwenden, wobei es lediglich zu einer Verschiebung zwischen dem Beschaffungsund Verarbeitungsanteil kommt. In diesem Fall besteht der komplementäre Nutzen darin, daß die Nutzer der IVS weniger Zeit für die Informaüonsbeschaffung aufbringen müssen. Sie

770

Schwuchow: Informationsökonomie

erhalten von der IVS darüber hinaus in der Regel mehr und bessere (relevantere) Informationen als beispielsweise durch eine Eigenrecherche. Durch die Reduktion der Beschaffungszeit haben die Nutzer Zeit gewonnen, die sie zur Verarbeitung der umfangreicheren und höherwertigen Informationen nutzen können. Da letztlich nur die Verarbeitung der Informationen tatsächlich nutzenstiftend ist, verstärkt sich also der nutzenbringende Anteil des Gesamtzeitaufwandes. Das wiederum wirkt positiv auf den Grad der Informiertheit der Nutzer sowie auf die Qualität und Produktivität ihrer Arbeitsergebnisse und damit auf den gesamten Leistungserstellungsprozeß der Unternehmung. Mit dem sog. „High-Order-Value-Model" wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem dieses komplementäre Nutzenpotential bewertet werden kann (vgl. Lit. 20, S. 281 ff.). 2. Es kann auch unterstellt werden, daß die gewonnene Zeit nicht (nur) dafür genutzt wird, die Informationsverarbeitungszeit zu steigern (mehr zu lesen), sondern die eigentlich primären Aufgaben des internen Kunden der IVS zu erledigen. Diese Aufgaben wird er dann schneller und sorgfältiger erfüllen können, wodurch sich wiederum eine Produktivitätsverbesserung ergeben kann. In diesem Fall kommt es also zu einer Verschiebung der gesamten Arbeitsstruktur eines Nutzers. Mit dem sog. „Hedonic-Wage-Model" wurde ein Verfahren zur Bewertung dieses komplementären Nutzenpotentials entwickelt (vgl. Lit. 20, S. 279 ff.).

Es gibt darüber hinaus zahlreiche weitere Ansätze und Verfahren für Kosten-Nutzen-Untersuchungen bei Informationsdiensten, die hier nicht im einzelnen vorgestellt werden können (vgl. z. B. Lit. 28). Auch moderne integrative Managementansätze, wie das „Total Quality Management (TQM)", „Kaizen" (= ständige Verbesserung der betrieblichen Abläufe in Verbindung mit Benchmarketing, TQM usw.) oder die sog. Zielkostenrechnung (Target Costing) haben im Informationsbereich Einzug gehalten (vgl. dazu Lit. 20, S. 292-317).

F2.4

Gesamtwirtschaftliche Aspekte

Das Forschungsgebiet „Informationsökonomie" entwickelt sich in Reaktion auf die strukturellen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft - bewirkt durch die neuen Möglichkeiten der Informationsvermittlung und -Verarbeitung, insbesondere durch das Entstehen globaler Kommunikationsnetze.

F 2.4.1

Konzepte der „information economy"

Seit den frühen 60er Jahren sind drei unterschiedliche Konzepte der „information economy" (Informationswirtschaft, Informationsgesellschaft, informationsintensive Gesellschaft, postindustrielle Gesellschaft usw.) entwickelt worden. Diese Konzepte unterscheiden sich nicht nur in ihren theoretischen Grundannahmen, sondern auch darin, wie sie die oben skizzierten Probleme der Behandlung von „Information" als Wirtschaftsgut (oder Ware) in Angriff nehmen (Lit. 12): 1. Das klassische Konzept von Machlnp, Bell, Pont u.a., entwickelt seit den frühen 60er Jahren (vor allem in den USA), dominiert heute noch alle praktischen informationspolitischen Konzeptionen. Es ist eine evolutionäre Sichtweise, die die gegenwärtige wirtschaftliche und

F 2.4 Gesamtwirtschaftliche Aspekte

771

gesellschaftliche Entwicklungsphase („InformationsgeseUschaft") in der Folge der „Jägerund Sammlergesellschaft", Agrargesellschaft, Industriegesellschaft usw. sieht. Diese Betrachtungsweise geht davon aus, daß Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin so gut funktionieren, wie sie immer funktioniert haben. Nur die Schwerpunkte des Wirtschaftens verschieben sich jetzt anteilmäßig: Die „Informationsindustrien" bzw. die informationsintensiven Dienstleistungsbereiche dominieren. Dieses Konzept wurde in den 70er Jahren zuerst vom US-amerikanischen Wirtschaftsmmisterium und später auch von anderen Staaten und von internationalen Organisationen (z. B. der O E C D ) akzeptiert. Dieses durchaus konservative Konzept bezieht seine große Anziehungskraft einmal daraus, daß es zuerst da war, zum anderen daraus, daß es sich nicht die Mühe macht, die oben diskutierten Probleme der Anpassung neoklassischer Wirtschaftsmodelle an die Erzeugung, Verarbeitung, Vermittlung und Nutzung von „Information" zu beherrschen und zum dritten (und dies mag vielleicht der wichtigste Grund sein): Dieses Konzept paßt zu unseren existierenden Ansätzen und Definitionen gesamtwirtschaftlicher Statistiken. Das heißt, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung kann so statistisch fortgeschrieben werden. Das Problem liegt allerdings darin, daß diese Statistiken nur materielle Objekte erfassen, die oben skizzierten anderen Dimensionen von „Information" (vgl. die Erörterung unter F2.2) also gar nicht erfassen können. 2. Das zweite Konzept entwickelte sich aus der sog. „kritischen Gesellschaftswissenschaft" seit den 70er Jahren und ist mit Namen wie Schüler (Lit. 29), Mosco (Lit. 30) u. a. verbunden. Dieser Ansatz rückt ins Bewußtsein, daß wir vor allem deshalb von einer „information economy" sprechen können, weil sich die Strukturen unserer Wirtschaft und Gesellschaft vor allem dadurch radikal verändern, daß immer mehr „Informationsaktivitäten" zu Wirtschaftsgütern (Waren) werden, die nie zuvor so behandelt wurden. Das reiche von ganz privaten Dingen (Was ist in Deinen Gedanken, in Deinem Blut, in Deinem Urin usw.?) bis zu öffentlichen (z. B. dem Angebot staatlicher Informationssammlungen gegen Entgelt). Dieser Ansatz behandelt die potentiellen Gefahren der „Informatisierung" von Wirtschaft und Gesellschaft und die kulturellen, sozialen und politischen Konsequenzen der „Verwirtschaftlichung" von immer mehr und mehr Bereichen der Informationsverarbeitung und -Vermittlung. Konsequenzen, die durchaus nicht immer erwünscht sein mögen: zum Beispiel Machtverschiebungen in Richtung multinationaler Konzerne. Innerhalb dieses Konzeptes werden auch die Probleme der Anpassung neoklassiscber Wirtschaftsmodelle für den Informationsbereich behandelt. 3. Der dritte Ansatz wurde erst in den 90er Jahren entwickelt und ist mit Namen wie Antonelli (Lit. 31), Grabher (Lit. 32) oder Goldstein (Lit. 33) verbunden. Hier spricht man deshalb von „information economy", weil sich die Struktur der Wirtschaft selbst qualitativ verändert hat. Der Markt als entscheidender Koordinationsmechanismus der Wirtschaft wird mehr und mehr ersetzt durch harmonisierte Informationsflüsse. Man spricht deshalb auch von „elektronischen Märkten" oder von „network economics". Dieses Konzept basiert auf empirischen Untersuchungen verschiedener Formen der Organisation und Verhaltensweisen transnationaler Unternehmen. Die wachsende Anziehungskraft dieses Ansatzes stammt aus seiner fundierten empirischen Basis; dem Bestreben, konstruktive Antworten auf Probleme zu finden (und nicht alles nur zu kritisieren, wie es im 2. Konzept manchmal geschieht) und der Übereinstimmung mit gegenwärtig herrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Theorien (moderne Ansätze der Betriebswirtschaftslehre und Organisationstheorie: die vernetzte Organisation, lean management, die virtuelle Unternehmung usw.). Innerhalb dieses Konzeptes ersetzt eine Kombination von Kooperation, Koordination und Konkurrenz den Wettbewerb als alleinige Strategie zum erfolgreichen Wirtschaften. Organisationen werden als Informationsverarbeitungssysteme begriffen. Das Netz ist das Medium und die Wirtschaft der Inhalt (vgl. dazu auch F2.3).

772

F 2.4.2

Schwichow: Iiiformationsökonomie

Die Rolle des Staates im Informationsbereich

Die laufenden Diskussionen über das Thema „Staat vs. Markt" im Informationsbereich lassen sich besser verstehen, wenn man einen Blick auf die Entwicklung der Informationspolitik der letzten circa 40 Jahre wirft. In den U S A - und mit einiger Zeitverzögerung auch in anderen hochentwickelten Ländern - lassen sich drei informationspolitische Entwicklungsphasen unterscheiden (vgl. auch Lit. 34): 1. Die Zeit bis etwa Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre in den USA (in der damaligen Bundesrepublik Deutschland dauerte diese Phase etwa bis Ende der 70er Jahre). In dieser Phase herrschte die Ansicht vor, daß es sich beim wissenschaftlichen Informationstransfer (und hierum ging es damals in der staatlichen Informationspolitik Im wesentlichen) um eine Aufgabe handelt, die vorwiegend staatliches Handeln erfordert, weil private Träger damit überfordert seien. Staatliche Gelder flössen in dieser Phase für die (natur)wissenschaftliche und technische Information im Überfluß. Besonders in den USA gab es als Reaktion auf den sog. „Sputnik-Schock" (1957) eine Reihe von staatlichen Förderprogrammen für naturwissenschaftliche und technische Informationsaktivitäten (die damalige Bundesrepublik Deutschland gab sich ihr erstes sog. „IuD-Programm" von 1974 bis 1978). 2. Die 2. Phase von etwa Anfang der 70er Jahre bis Anfang der 90er Jahre in den USA (und von etwa Ende der 70er bis Mitte der 90er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland). In dieser Phase flössen die staatlichen Gelder für den Informationsbereich (der jetzt etwas erweitert wurde, auch Teile der Wirtschaftsinformation wurden einbezogen; statt „IuD" hieß es jetzt in der Bundesrepublik „Fachinformation") nicht mehr im Überfluß. Das hatte verschiedene Gründe: Vietnamkrise und Bildungskrise Ende der 60er Jahre in den USA, Beginn der weltweiten Rezession der Volkswirtschaften in den 70er Jahren, die zunehmenden Umweltkrisen, die Grenzen des Wirtschaftswachstums usw. Staatliche Gelder wurden von den Bereichen „Bildung" und „Information" für andere Zwecke abgezogen. Staatliche Mittel wurden generell immer knapper. Eine Politik der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit setzte sich auch im Informationsbereich immer mehr durch. In dieser Phase kam man immer stärker zu der Auffassung, bestimmte (elektronische) Informationsdienste soweit als möglich nach privatwirtschaftlichen Maximen zu erbringen. Die sog. „information industry" gewann - zunächst in den USA - immer mehr an Raum und Gewicht. Die Wirtschaftlichkeitsanforderungen wurden auch im öffentlichen Sektor immer stärker. 3. Die 3. Phase seit etwa Anfang der 90er Jahre ist gekennzeichnet durch das Schlagwort „Informationsgesellschaft". Die neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung und -Vermittlung (Schlagworte: „Digitalisierung", „Multimedia", „globale Vernetzung" usw.) werden jetzt auch im Bewußtsein der Politiker und der Öffentlichkeit als die Triebkräfte für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung angesehen. Beispielhaft sind die Initiativen der US-amerikanischen Bundesregierung (z. B. das „National Infrastructures Programme" von 1993) und der Europäischen Kommission (z.B. das Programm „Info 2000" für den Zeitraum 1996 - 2000). Der Informationsbegriff ist jetzt total. Auch Bereiche der Unterhaltung (Fernsehen, Videospiele, Musik usw.) werden nicht mehr prinzipiell aus den staatlichen Planungen ausgeschlossen. Es soll das sog. Subsidiaritätsprinzip gelten, d. h. zuerst soll versucht werden, alles durch den „Markt" zu regeln, erst dann soll der „Staat" eingreifen, und zunächst auch erst auf den unteren Ebenen („lokal", z. B. in den Kommunen, danach auf Länderebene, danach auf Bundesebene, danach auf europäischer Ebene). Das ist die zur Zeit in der Politik vorherrschende Meinung.

F 2.4 Gesamtwirtschaftliche Aspekte

773

Vom Standpunkt der Wirtschaftswissenschaften aus betrachtet läßt sich die Rolle des Staates im Informationsbereich prinzipiell unter vier Punkten zusammenfassen (Lit. 35): 1. Staaten (genauer: die öffentlichen Verwaltungen) sind zunächst selbst Produzenten, Vermittler und Konsumenten großer Informationsmengen. So könnten sie in einigen Teilbereichen beträchtlichen Einfluß auf die Preise von Informationsdiensten haben - falls sie dies wünschen. Häufig sind dabei jedoch gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Gesichtspunkte zu beachten (z. B. Schutz sozial schwacher Gruppen, freier Zugang zu bestimmten Informationsquellen für jeden Staatsbürger usw.). 2. Staaten könnten Informationsangebote auf Märkten durch Besteuerung einerseits und Subventionierung andererseits beeinflussen. 3. Staaten könnten die Entwicklung des Informationsbereichs durch ordnungspolitische Maßnahmen beeinflussen: zum Beispiel durch Formulierung informationspolitischer Ziele, durch Gesetze und rechtliche Vorschriften (z. B. zum Wettbewerbsrecht, Datenschutzrecht, Copyright, Grundrecht des freien Informationszugangs usw.). 4. Staaten könnten den Wunsch haben, die verschiedenen Teilnehmer auf den Informationsmärkten (Produzenten, Anbieter, Konsumenten) in ihrem Verhalten zu beeinflussen: zum Beispiel durch Aufklärung, Schulung, Ausbildung, Unterstützung von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich usw.

Für den Ökonomen stellt sich die Frage, welche dieser staatlichen Rollen - die sich manchmal widersprechen können - unter bestimmten Voraussetzungen wünschenswert sind. Um darauf antworten zu können, muß man die grundsätzliche Frage nach dem Charakter des Gutes „Information" bzw. dem Charakter bestimmter Informationsgüter und -dienstleistungen aufwerfen.

F 2.4.3

Informationsdienste als öffentliches oder privates Gut

Gehören bestimmte Informationsdienste zu den sog. öffentlichen Gütern, deren Produktion und Verteilung der staatlichen Kontrolle unterliegen müssen oder sollen - im Gegensatz zu den sog. privaten Gütern, deren Produktion und Verteilung dann am effizientesten geschieht, wenn man sie privatwirtschaftlichen Entscheidungen und dem Wirken des sog. Marktmechanismus überläßt? Die Meinungen hierzu im politischen Raum differieren sehr. Der Standpunkt der Wirtschaftswissenschaften (genauer: der Finanzwissenschaft) läßt sich wie folgt referieren. Der Einfachheit halber will ich hier nur einige Thesen zur Diskussion stellen, deren genauere Ableitung an anderer Stelle zu finden ist (Lit. 36, Lit. 37). Man unterscheidet zwei Arten von öffentlichen Gütern: 1. Güter, die innerhalb einer staatlichen Ordnung allen im gleichen Umfang zugute kommen und von deren Nutznießung sich keiner ausschließen kann bzw. bei denen der Ausschluß von Nutznießern aus technischen Gründen nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist (es gilt nicht das sog. AiuschlnBpriiizip). Beispiele für solche öffentlichen Güter erster Art: nationale Verteidigung, innere Sicherheit, Rechtsschutz, Umweltschutz usw. Marktwirtschaftlich können solche Güter deshalb nicht produziert und angeboten werden, weil diejenigen, die nicht bereit sind, dafür zu zahlen, trotzdem von ihrem Genuß nicht ausgeschlossen werden können. Aus diesem Grund kann kein Produzent eines solchen Gutes mit einem Erlös rechnen, der seine Kosten deckt.

774

Schwichow: Informationsökonomie

2. Güter, bei denen das Ausschlußprinzip zwar technisch anwendbar ist, und deren Produktion und Verteilung deshalb auch prinzipiell durch den Marktmechanismus gesteuert werden kann (die also rein technisch als private Güter anzusehen sind), bei denen jedoch die Versorgung über den Markt im Sinne des Gemeinwohls als unzureichend angesehen werden kann (man spricht hier auch von „Marktversagen"). Beispiele für solche öffentlichen Güter zweiter Art (auch „meritorische Güter"): Schulbildung, öffentliche Parks und Sportstätten, Theater, Museen, öffentliches Gesundheitswesen, sozialer Wohnungsbau, öffentliche Verkehrsleistungen, Strom- und Wasserversorgung (bisher), Post- und Fernmeldewesen (bisher) usw. Ob und in welchem Umfang der Staat bei diesen Gütern in den Marktmechanismus eingreifen soll, ist durchaus umstritten. Die politische Meinung zu dieser Frage ändert sich auch ständig im Zeitablauf. Solche Güter können von privaten Wirtschaftssubjekten am Markt oft nur zu solchen Preisen angeboten werden, die bestimmte Gruppen von Staatsbürgern von ihrem Konsum ausschließen. Dem Staat kann aber daran gelegen sein, daß der Benutzerkreis größer ist, als er sein würde, wenn nur diejenigen diese Güter in Anspruch nehmen würden, die bereit sind, dafür einen kostendeckenden Preis zu zahlen. Der Grund: Diese Güter stiften neben dem individuellen Nutzen einen besonderen gesellschaftlichen Nutzen (vgl. dazu unter F 2.3.1). Aus diesem Grunde greift der Staat hier in die Konsumentensouveränität ein. Er richtet sich nicht nach den in der marktmäßigen Nachfrage zum Ausdruck kommenden Präferenzen der Staatsbürger, sondern bemißt die Produktion und Verteilung solcher Güter nach politischen Gesichtspunkten. Das heißt, der Staat hält die Bedürfnisse, die mittels solcher Güter befriedigt werden können, für wichtiger, als dies die einzelnen Staatsbürger vielleicht tun würden. Er subventioniert deshalb die Produktion von solchen Gütern in irgendeiner Weise, um deren Inanspruchnahme auszuweiten.

Die Beantwortung der Fragen, ob Informationsdienste der oben geschilderten Art zu den privaten oder öffentlichen Gütern und gegebenenfalls zu welcher der beiden Arten von öffentlichen Gütern zu rechnen sind, wird durch folgende Umstände erschwert. Die Grenzziehung zwischen privaten und öffentlichen Gütern bzw. zwischen öffentlichen Gütern erster und zweiter Art ist strittig. Sie ist einerseits fließend und andererseits das Ergebnis politischer Entscheidungen, die sich an den Grundwerten der betreffenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung orientieren. Beispiele für Güter in diesem Grenzbereich: Lehrmittel an Schulen, ärztliche Betreuung. Das Ausschlußprinzip trifft hier nur auf Teile des erzielten Nutzens zu, nicht aber auf den Gesamtnutzen, den diese Güter stiften. Die betroffenen Schüler und Patienten in den genannten Beispielen haben von diesen Gütern zunächst einen direkten Nutzen. Darüberhinaus gewinnt aber jeder vom Leben in einem Gemeinwesen, dessen Ausbildungsstand und Gesundheitsdienst ein höheres Niveau haben. In vielen Staaten werden deshalb Lehrmittel an Schulen und ärztliche Dienstleistungen vom Staat subventioniert, teilweise werden sie den Benutzern sogar kostenlos zur Verfügung gestellt. Informationsdienste der oben beschriebenen Art sind nun genau diesem fließenden Grenzbereich zwischen öffentlichen und privaten Gütern zuzuordnen. Sie gehören grundsätzlich sicher nicht zu den öffentlichen Gütern erster Art, da sie weder allen innerhalb der staatlichen Ordnung automatisch in gleichem Umfang zugute kommen, noch der Ausschluß des einzelnen von ihrer Nutzung unmöglich ist. Jedoch gilt das Ausschlußprinzip nicht für den Gesamtnutzen, den Informationsdienste stif-

F 2.5 Entwicklung der Märkte für elektronische Informationsdienste

775

ten. Sie kommen in gewissem Umfang über den individuellen Nutznießer hinaus auch der gesamten Gesellschaft zugute: zum Beispiel funktionieren demokratische Staatsformen besser in einer gebildeten und informierten Gesellschaft. Ein effizienter Transfer von wissenschaftlicher und technischer Information, z. B. in die industrielle Produktion, erhöht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze und wirkt sich positiv auf den Lebensstandard aller Staatsbürger aus usw. Informationsdienste der oben beschriebenen Art können deshalb generell zu den öffentlichen Gütern zweiter Art (meritorischen Gütern) gerechnet werden. Das heißt ihre Produktion und Verteilung sollte in unserem „gemischten Wirtschaftssystem" (soziale Marktwirtschaft) nicht allein dem Markt überlassen werden. Informationsdienste sollte man jedoch nicht pauschal in eine Kategorie einordnen. Vielmehr sind die ganz unterschiedlichen Arten dieser Dienste auf dem Kontinuum zwischen öffentlichen und privaten Gütern einzuordnen. Ein Beispiel: Der Bereich Wirtschaftsinfonnation ist auf diesem Kontinuum sicher woanders einzuordnen als die Bereiche der wissenschaftlichen und technischen Information. Im Bereich Wirtschaftsinformation (auch diesen Bereich müßte man unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten weiter differenzieren) erscheint eine staatliche Subventionierung auf D a u e r wenig angebracht. In diesem Bereich hat sich in vielen Segmenten (Börseninformation, Kreditinformation usw.) für elektronische Informationsdienste von selbst eine ausreichende Nachfrage entwickelt.

F2.5

Entwicklung der Märkte für elektronische Informationsdienste

In den vergangenen circa 25 Jahren haben sich in einigen Bereichen der Informationsvermittlung schnell wachsende, weltweite Märkte entwickelt - und zwar auch in solchen Bereichen, in denen die Informationsvermittlung als „öffentliches G u t " angesehen wurde (zum Teil auch noch wird): zum Beispiel im Gesundheitswesen, in Wissenschaft und Technik, im Bildungsbereich. Bestimmend für diese Entwicklung waren: 1. Die staatliche Förderung von neuen (elektronischen) Informations- und Kommunikationstechnologien (insbesondere: Software-Entwicklung) zum verbesserten (gezielteren, schnelleren) Nachweis und zur verbesserten Übermittlung von Informationen. In den USA begann diese Förderung bereits in den 60er Jahren (auf naturwissenschaftliche und technische Information bezogen). 2. Die neuen Möglichkeiten, bisher getrennte Produktionsprozesse für Informationsgüter und -dienstleistungen zu integrieren und zu rationalisieren. Beispiele: Erstellung von gedruckten, Online- und Offline-Produkten aus einer „Datenbasis"; Verbund zwischen Verlagen, Datenbankanbietera, Buchhandel, Bibliotheken usw.; „electronic publishing" als integrierter Prozeß vom Autor zum Leser; Verbund zwischen Informationsnachweis, Informationsversorgung und individueller Beratung. 3. Die Möglichkeiten, bestimmte Informations inh alte gleichzeitig weltweit anzubieten. Dies wurde durch das Entstehen weltweiter Telekommunikationsnetze mit großen Kapazitäten ermöglicht. Dadurch wurden z. B. die traditionellen Dienste von Nachrichtenagenturen revolutioniert.

776

Schwuchow: Informationsökonomie

4. Die neuen Möglichkeiten (ab etwa 1970), auch andere Arten von Informationen als Zahlen zu digitalisieren: etwa Töne (Audio) oder bewegte Bilder (Video). Dadurch wurde das sog. „Multimedia-Zeitalter" ermöglicht, mit einer zunehmenden Verschmelzung von PC und Fernsehen (interaktives Femsehen), Infotainment, Edutainment usw.

Zuerst entwickelten sich die Märkte für Online-Informationsdienste ab Ende der 60er Jahre, darunter zunächst die der klassischen retrospektiven Datenbankdienste (mit Anbietern wie MEDLARS, DIMDI, DIALOG, DATASTAR, ESA-IRS, STN, FIZ-TECHNIK usw.). Etwas später und parallel dazu die volumenmäßig viel größeren Märkte für Realtime-Informationsdienste. Hier zunächst mit Anbietern von Finanzinformationen (vor allem Börseninformationen) wie Reuters, Telerate, Telekurs usw. Später boten auch die Nachrichtenagenturen ihre früheren „Tickerdienste" als Online-Informationsdienste über die modernen Telekommunikationsnetze an („Newswire Services"). Danach entwickelten sich die sog. Videotex-Dienste (insbesondere in Frankreich überTeletel; in Deutschland: Btx, dann DATEX-J, heute T-Online) und die sog. Audiotex-Dienste (in Deutschland z. B. Angebote über die Rufnummer 0190). Nach den Online-Informationsdiensten entwickelten sich ab etwa Anfang der 90er Jahre auch die Märkte für Offfine-Informationsprodukte. Hier insbesondere die Märkte für CD-ROM-Produkte, aber auch für Diskettendienste, Informationsdienste auf Magnetbändern oder anderen optischen Speichermedien (als CD-ROM). CD-ROM-Produkte transportieren heute zunehmend Multimedia-Inhalte (Verbindungen von Texten, Daten, Tönen, stehenden Bildern und Bewegtbildern). Multimedia-Inhalte werden in Zukunft aber auch durch die erhöhten Kapazitäten der Übertragungsnetze verstärkt online übermittelt werden. Demzufolge kündigt sich heute eine Renaissance der Online-Informationsdienste an, vor allem jetzt in den Bereichen der sog. „consumer services" (Informationsdienste, die sich weniger an professionelle Nutzer in Wirtschaft und Wissenschaft, sondern eher an den Privatmann oder die Privatfrau richten). Hierzu gehören z. B. die Angebote von „electronic shopping, „electronic banking", elektronischen Informationsdiensten im Bereich Verkehr und Touristik (mit Buchungsmöglichkeiten), im Bereich der Aus- und Weiterbildung, im Bereich der „Kommunikation" (chatlines, Partnervermittlung usw.), von Computerspielen, Filmen usw. Diese Angebote von „consumer services" sind gerade im Begriff, Massenmärkte zu erobern (über Anbieter wie CompuServe, America Online, Prodigy, Europe Online, T-Online, Microsoft Network usw. - nicht zuletzt auch die kommenden kommerziellen Angebote über das weltweite Internet). Im Gegensatz zu den ersten Angeboten von Online-Informationsdiensten vor circa 25 Jahren, die damals nur einen relativ begrenzten Benutzerkreis vor allem in Wissenschaft und Technik hatten, dringen die Online-Angebote der „consumer services" jetzt in das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit. Sie werden in den Massenmedien täglich unter dem Begriff „Online Services" gehandelt (als wenn dieser Begriff gerade jetzt erst erfunden wurde). Diese Angebote sind geradezu zu einem Synonym der entstehenden Informationsgesellschaft in der zweiten Hälfte der 90er Jahre unseres Jahrhunderts geworden (neben dem Aufbau leistungsfähigerer Telekommunikationsnetze). Gerade die Wachstumsaussichten in diesen Bereichen der Online-Angebote haben zu einem

F 2.5 Entwicklung der Märkte für elektronische Informationsdienste

777

Engagement weltweit tätiger Unternehmen (Microsoft, Bertelsmann, Burda, Knight-Ridder, Read Elsevier, Thompson usw.) auf den Märkten für elektronische Informationsdienste geführt. Es ist hier nicht der Raum, die Dynamik der Entwicklung dieser Märkte im Detail zahlenmäßig darzustellen (vgl. z. B. Lit. 38, Lit. 39, Lit. 40). An dieser Stelle sollen zur Illustration nur einige Größenordnungen angegeben werden. Die weltweiten Umsätze mit elektronischen Informationsdiensten wurden für das Jahr 1994 auf 23,6 Milliarden US-Dollar geschätzt (1993 circa 20,3 Milliarden USDollar). Davon wurden mit Online-Informationsdiensten circa 13,8 Milliarden USDollar umgesetzt (1993 circa 11,9 Milliarden US-Dollar). Diese Online-Umsätze wurden 1994 zu etwa 59% durch nordamerikanische Anbieter (mit ihrem Hauptsitz in den USA oder Canada), zu etwa 34% durch westeuropäische Anbieter (in den EU- und EFTA-Ländern) und nur zu etwa 7% durch Anbieter aus sonstigen Teilen der Welt (insbesondere aus ostasiatischen Ländern) erzielt (vgl. Electronic Information Report, vol. 16 [1995], No. 32 and 33, September 1 and 15). Dieser Markt für Online-Informationsdienste hat seit mehr als 20 Jahren jährliche Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Er wächst damit, von Land zu Land unterschiedlich und tendenziell natürlich auch mit abnehmenden Raten, wesentlich stärker als fast alle anderen Wirtschaftsbereiche in den hochentwickelten Ländern - trotz weltweiter Rezessionstendenzen! Bemerkenswert ist, daß in diesem Markt eine sehr hohe Konzentration auf der Angebotsseite besteht. Nur 10 Anbieter (die britische Firma Reuters plus 9 US-amerikanische Anbieter, vor allem aus dem Bereich der Börsen- und Kreditinformation) erzielten zusammen fast 75% der weltweiten Umsätze im Jahre 1993 (Lit. 39). Deutsche Anbieter spielten in diesem Markt eine Nebenrolle, sie erzielten 1993 lediglich etwa 7% der Umsätze aller westeuropäischen Anbieter. Die weltweiten Umsätze auf diesem Markt gliederten sich nach größeren Fachbereichen im Jahre 1993 etwa folgendermaßen (Lit. 41): circa 44% im Bereich Börseninformation, circa 18% im Bereich Kreditinformation, circa 18% im Bereich sonstiger Wirtschaftsinformation, circa 8% im Bereich wissenschaftlicher und technischer Information im weiteren Sinne (mit abnehmender Tendenz), circa 7% im Bereich rechtlicher und politischer Information (inkl. politischer Nachrichten), circa 5% im Bereich „consumer services" (mit steigender Tendenz). Rainer Kohlen differenziert in seinem neuesten Buch zwischen den beiden „Informationsmärkten" der Wissenschaft und der Wirtschaft (Lit. 40). Während der erstere als „Forum" des (heute weltweiten) freien Austauschs von Wissen gesehen wird (angesichts des Erfolges von Internet ist diese Sicht überzeugend), wird der zweite als der relativ wachsende Teil der Volkswirtschaften entwickelter Länder beschrieben, in dem Informationsgüter und -dienstleistungen als frei handelbare Waren angeboten und nachgefragt werden (dies also der „Informationsmarkt" im eigentlichen Sinne). Kuhlen behandelt die Frage, ob diese beiden „Märkte" in Zukunft miteinander bestehen werden, ob sie sich bedrohen oder vielleicht sogar befördern. Er leitet aus

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Schwuchow: Informationsökonomie

dieser Fragestellung die Forderung nach einer gestaltenden (nicht: regulierenden) staatlichen Informationspolitik ab. Im Diskurs der Partizipanden dieser beiden „Märkte", so fordert er, müsse ein Interessensausgleich gefunden werden, so zwischen den Forderungen der internationalen Online-, Mehrwerte- und MultimediaIndustrie nach völliger Freigabe der Märkte, den Interessen der Wissenschaft an fortgesetzten, auch experimentellen Handlungsspielräumen und dem in Informationsgesellschaften konstitutiven Recht aller Bürger nach informationeller Selbstbestimmung.

Literatur 01. Schwuchow, Werner: Informationsökonomie (ca. 500 Seiten, geplant für 1997). 02. Machlup, Fritz: The Production and Distribution of Knowledge in the United States. Princeton, NJ: Princeton University Press 1962. 03. Bell, Daniel: The Coming of Post-Industrial Society: a Venture in Social Forecasting. New York: Basic Books 1973. 04. Porat, Mark U.: The Information Economy: Definition and Measurement. Vol. I. Washington, D.C.: US Department of Commerce 1977. 05. Lancaster, Wilfred: The Cost-effectiveness Analysis of Information Retrieval and Dissemination Systems. In: Journal of the American Society for Information Science. Jan. - Feb. 1971, S. 1 2 - 2 7 . 06. Lamberton, Donald (Ed.): Economics of Information and Knowledge. Harmondsworth (UK): Penguin Books 1971. 07. Flowerdew, Anthony; Whitehead, Christine: Cost-effectiveness and cost/benefit analysis in information science. London: London School of Economics and Political Science 1974 (OSTI Report 5 206). 08. Gilchrist, Alan: Cost-effectiveness. In: Aslib Proceedings 23 (1971), H. 9, S. 455 - 464. 09. Cronin, Blaise: Taking the measure of service. In: Aslib Proceedings 34 (1986), Η. 6Π, S. 272 - 294. 10. Griffiths, Jos6-Marie; Donald W. King: A manual on the evaluation of information centers and services. AGARDograph No. 310, Advisory Group for Aerospace Research Development, Neuilly-Sur-Seine: NATO 1991. 11. Reichwald, Ralf: Ein mehrstufiger Bewertungsansatz zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung der Bürokommunikation. In: Hoyer, Rudolf; Georg Kölzer (Hrsg.): Wirtschaftlichkeitsrechnungen im Bürobereich. Konzepte und Erfahrungen, Berlin: Erich Schmidt Verlag 1987, S. 23 - 33 (Reihe: Betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme. Herausgegeben von Prof. Dr. Herrmann Krallmann. Bd. 9). 12. Braman, Sandra: Alternative conceptualizations of the information economy. Contribution to the conference „iconomie de l'information", Lyon-Villeurbanne (France), 18, 19 et 20 Mai 1995. 13. Brinberg, Herbert, R.: Information Economics: Forum for Discussion. In: Information Management Review, 3 (1988) H. 3, S. 65 - 69. 14. Bundesministerium für Forschung und Technologie (Hrsg.): Wirtschaftlichkeit von Informations· und Dokumentationseinrichtungen. Eggenstein-Leopoldshafen 2: ZAED 1978. 365 S. (Forschungsbericht BMFT - FBID 77-01, sog. „W1D I-Projekt"). 15. Bundesministerium für Forschung und Technologie (Hrsg.): Wirtschaftlichkeit von Information und Dokumentation. Ergebnisbericht des WID Ii-Projektes. Eggenstein-Leopoldshafen 2: FIZ Karlsruhe 1980. 153 S. (Forschungsbericht BMFT - FBID 80-003).

F 2 Literatur

779

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780

Schwichow: Informationsökonomie

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781 F3

Informationsmanagement Josef Herget

F3.1

Zur Bedeutung von Information für die Unternehmensführung

Zunehmende Dynamik und Komplexität der Wettbewerbssituation, die Innovationspotentiale von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie der Wertewandel in Arbeitswelt und Gesellschaft zwingen Unternehmen (und Verwaltungen) zu einem neuen Verständnis im Umgang mit Informationen. Sämtliche Wahrnehmungen aus der Umwelt und aus dem internen Bereich von Unternehmen vollziehen sich über Informationen. Ebenso beruht die betriebliche LeistungserstelIung auf der Kombination von Produktionsfaktoren, deren optimale Beschaffung und Transformation die Nutzung und Verwendung von Informationen erfordert. Schließlich verlangen sämtliche moderne Managementkonzepte nach dem selbstverantwortlichen Mitarbeiter, der zur Erfüllung seiner Aufgaben eine transparente Informationsinfrastruktur, die Bereitstellung und den Zugriff auf die zur Aufgabenbewältigung erforderlichen Informationen benötigt. Die Ressource Information hat sich daher zu einem zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung entwickelt und wird mittlerweile als der vierte Produktionsfaktor anerkannt. Insbesondere die starke Durchdringung der Unternehmen mit Informations- und Kommunikationstechnologien stellt eine wesentliche Herausforderung für das Management dar. Die Planung und Gestaltung der Informationsverarbeitung in Organisationen hat zum Ziel, die Informationsversorgung und -nutzung in allen Unternehmensbereichen zu optimieren, um die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt optimal aufbereitet am richtigen Ort und möglichst wirtschaftlich zur Verfügung zu stellen. Allerdings verleitet die bis heute andauernde rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien durch ihre zunehmende Komplexität sowie den vorhandenen Möglichkeiten, strategische Wettbewerbsvorteile zu erzielen, dazu, die Technologie in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Zudem ist die betriebliche Datenverarbeitung meistens zentral organisiert, während die unterschiedlichen Informationstätigkeiten, wie beispielsweise die Beschaffung, Erschließung und Aufbereitung von Informationen (Informationserarbeitung und -Verwaltung) von verschiedenen Fachabteilungen weitgehend unkoordiniert durchgeführt werden und somit auch keine einheitliche Planung, Kontrolle und Steuerung oder eine übergreifende Führung stattfindet. In vielen Unternehmen können im Umgang mit Informationen und der Informationsverarbeitung folgende Problemfelder identifiziert werden (Lit. 03, S. 71f.; Lit. 19, S. 28f.): • Es gibt kein einheitliches Verständnis über die Aufgaben und die institutionelle Verankerung des Informationsmanagements; • Es gibt häufig keine strategische Planung und folglich auch keine klar und einheitlich definierten Ziele für das Informationsmanagement;

782

Herget: Informationsmanagement

• Die Budgetierung erfolgt durch Fortschreibung des Vorjahresbudgets und nicht aufgrund einer fundierten Kosten- und Investitionsrechnung; • Die Komplexität der Informationssysteme und damit auch der gesamten Informationsverarbeitung nimmt stetig zu; • Es gibt keine regelmäßige Kontrolle von Prozessen, Verfahren und eingesetzten Systemen und somit keine kurskorrigierenden Maßnahmen; • Es gibt keine allgemein anwendbaren Instrumente zur Ermittlung des quantitativen und qualitativen Informationsnutzens; • Dadurch werden keine aussagekräftigen Untersuchungen bezüglich der Effizienz und Effektivität der Informationsverarbeitung durchgeführt. Vor dem Hintergrund der strategischen Bedeutung der Ressource Information und der aufgezeigten Problemfelder des Informationsmanagements wird der Bedarf an einer koordinierten Zielbildung und Planung sowie an einer Überwachung der Zielerreichungsgrade und der entsprechenden Steuerung im Rahmen des Informationsmanagements deutlich.

F3.2

Charakteristika der Ressource Information

Beim Management der Ressource Information sind deren spezielle Eigenschaften zu beachten, die sie von anderen Ressourcen unterscheiden. Rüttler (Lit. 17 S. 35 f.) hat diese zusammengestellt: • Informationen sind immaterielle Güter, die sich auch bei mehrfacher Nutzung in der Regel nicht verbrauchen. • Informationen sind keine „freien" Güter, sie verursachen vielmehr Kosten, die durch ihre Beschaffung, Entstehung, Nutzung, Verarbeitung und Weiterleitung entstehen. • Informationen sind knappe Güter und kommen nicht im Überfluß vor. Im Überfluß existieren lediglich Daten und Nachrichten (unselektierte Informationen). • Informationen besitzen einen Wert bzw. einen Nutzen, der von der Art ihrer Verwendung abhängt. Dieser Wert bzw. Nutzen kann in der Regel nur subjektiv beurteilt und durch das Hinzufügen, Selektieren, Aggregieren und Weglassen weiterer Daten und Nachrichten erheblich verändert werden. • Informationen können wie materielle Güter auch als Ware auftreten und gegen finanzielle oder sonstige Vergütung gehandelt werden. • Informationen sind zutiefst an das informationsverarbeitende Individuum gekoppelt. Im Rahmen persönlicher Verarbeitungsprozesse werden aus Daten und Nachrichten, d.h. unselektierten Informationen, durch Hinzufügen einer Zweckbestimmung erst selektierte, d.h. Informationen im eigentlichen Sinne. • Informationen besitzen die Fähigkeit, sich während ihrer Nutzung zu erweitern bzw. zu vermehren, da sie durch parallel ablaufende Informationsprozesse während ihres Gebrauchs immer weiter angereichert werden können. • Informationen sind Stromgrößen und besitzen Prozeßcharakter, die die übrigen betrieblichen Funktionen überlagern und die funktionsfähige Ausführung dieser

F 3.3 Was ist Informationsmanageraent?





• •

• •





783

Aktivitäten erst ermöglichen. Sie sind damit ein zentrales Medium der Unternehmensführung. Informationen bzw. entsprechend gestaltete Informationsprozesse erlauben eine zielgerichtete Information und Kommunikation aller Unternehmensmitglieder. Informationen sind somit ein Mittel der Personalführung und damit der Verhaltensbeeinflussung. Informationen sind häufig auch Auslöser individueller oder auch institutioneller Lernprozesse, sofern ein Mindestbestand an Informationen existiert, der es erst erlaubt, weitere Fragen zu stellen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Informationen können auch als Machtmittel genutzt bzw. mißbraucht werden. Ihre betriebliche Handhabung muß daher ethischen Aspekten unterworfen werden. Informationen durchlaufen, ähnlich wie andere Güter auch, einen Lebenszyklus, der sie von ihrer Entstehung an der Informationsquelle über ihre Nutzung, Pflege und Verteilung bis zum Informationsbenutzer führt. Informationen sind sehr leicht transportierbar, im Extremfall sogar mit Lichtgeschwindigkeit. Informationen sind nicht exklusiv übertragbar, sondern vielmehr beliebig teilbar. Informationskäufer müssen sich deshalb in der Regel mit einer „Kopie" zufriedengeben, da der Informationslieferant die Informationen ebenfalls weiterhin besitzt. Informationen sind sehr „Süchtig"; sie haben die Neigung zur Diffusion und zur Überwindung aller ihr auferlegten Grenzen. Vertraulichkeit, intellektuelle Eigentumsrechte, Geheimhaltungsgrenzen etc. sind davon erheblich betroffen. Informationen besitzen die Fähigkeit, Beziehungen anzubahnen, sei es zu Individuen, Unternehmen oder Institutionen.

Diese skizzierten Charakteristika erfordern für das Management der Ressource Information adäquate Instrumente. Die herkömmlichen Methoden und Instrumente müssen diese Besonderheiten berücksichtigen.

F3.3

W a s ist I n f o r m a t i o n s m a n a g e m e n t ?

Gegenstandsbereich des Informationsmanagements ist die effektive und effiziente Bewirtschaftung des Produktionsfaktors Information in Organisationen. Effektivität bezieht sich auf die Zielgerichtetheit der informationsbezogenen Aktivitäten, die sich an den Organisationszielen zu orientieren haben. Effizienz stellt die Rahmenbedingungen des ökonomischen Kalküls: Der Nutzen des Informationsmanagements sollte die Kosten übersteigen. Information als Betrachtungsgegenstand kann aus internen oder externen Quellen stammen. Dabei ist die Repräsentationsform der Information unerheblich: ob auf Papier (Akten, Dossiers, Zeitschriften, Berichte, Bücher etc.), in elektronischer Form (z.B. in Datenbanksystemen gespeichert) oder gar als Know-how in den Köpfen der Mitarbeiter (Wissen) verfügbar. Informationen sind in verschiedenen Abteilungen und Hierarchieebenen innerbetrieblich auf den unterschiedlichsten Medien verfügbar, aber auch außerhalb der

784

Herget: Informationsmanagement

Organisationsgrenzen lokal, regional oder global in den verschiedensten Formaten und auf den unterschiedlichsten TYägern gespeichert, organisiert und zugreifbar. All diese informationellen Ressourcen erfordern eine integrierte Sichtweise. Eines der zentralen Probleme ist es also, wie die organisationsinternen Informationen (oder Wissensbestände), die in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen organisiert sind, als eine Ressourcenkategorie begriffen und zu einer möglichst optimalen Ausschöpfung durch die Organisationsmitglieder gebracht werden können. Gleichrangig gilt es, die organisationsexternen Informationen für die Organisationsmitglieder nutzbar zu machen. Koordination und Kooperation stellen daher wichtige Anknüpfungspunkte dar. Informationsplanung wird allerdings immer noch nur von einer Minderheit von Unternehmen als Bestandteil strategischer Geschäftsplanung (Lit. 10, Lit. 11) angesehen. Auch findet eine integrierte Betrachtung sämtlicher Informationsressourcen in Organisationen in der Funktion des Informationsmanagements bis jetzt so gut wie gar nicht statt (Lit. 11). Informationsmanagement stellt also den Umgang mit Informationen in Organisationen ins Zentrum der Betrachtung. Damit greift das Informationsmanagement in sämtliche Phasen des Informationslebenszyklus ein: • Informationsbedarfsbestimmung (Welche Informationen werden benötigt?) • Suche und Beschaffung von Informationen (intem und extern) • Produktion von Informationsgütern (Wie und in welcher Qualität sollen Informationsprodukte hergestellt und Informationsdienste angeboten werden?) • Distribution (Auf welchen Kanälen soll wer welche Informationsprodukte und Informationsdienste erhalten?) • Nutzung und Verwertung der zur Verfügung stehenden Informationen (Wie können eine Informationssensibilität gefördert und vorhandene Informationsbarrieren abgebaut werden?) • Organisation des gesamten Prozesses der Informationsversorgung (Wie kann die Erreichung der Organisationsziele durch professionelle Informationsarbeit optimiert werden?). Im Zuge dieser Betrachtung hat sich auch der zunehmend wichtiger werdende Gedanke der Informationslogistik (vgl. Lit. 01, Lit. 21) immer mehr zum Leitprinzip des Informationsmanagements entwickelt. Das verfolgte Ziel: • Die richtige Information • im richtigen Umfang • in der richtigen Qualität • zur richtigen Zeit • mit möglichst geringem Aufwand • bei der richtigen Person. Zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Konzept des Informationsmanagements und mit ausgewählten Praxisbeiträgen sei auf folgende Literatur verwiesen: Best - Lit. 02; Cronin/Davenport - Lit. 04; Marchand/Horton - Lit. 12; Matarazzo/Drake - Lit. 13; McGee/Prusak - Lit. 14; Pejova/Horton - Lit. 15; Vogel Lit. 23.

F 3.3 Was ist Informationsmanagement? F 3.3.1

785

Zur historischen Entwicklung des Informationsmanagements

Die Anfänge des Informationsmanagements im hier verstandenen Sinne sind in der vom amerikanischen Kongreß einberufenen Federal Paperwork Commission zu finden. Diese sollte Ursachen für Ineffizienzen im Umgang mit Daten und Informationen identifizieren und Lösungskonzepte erarbeiten. Im 1977 erschienenen Endbericht stellte der Leiter dieser Kommission, F.W. Horton, die Forderung auf, Informationen nicht länger als freies und unentgeltliches Gut zu betrachten, sondern als Ressource wie die klassischen Wirtschaftsgüter Kapital, Arbeit und Boden (oder im betriebswirtschaftlichen Sinne: Betriebsmittel, menschliche Arbeit und Werkstoffe) auch (Lit. 08, S. 4). Dies führte in US-amerikanischen Behörden zur Einführung des Paperwork Reduction Act und damit zusammenhängend zur Etablierung der Funktion Information Resource Management. So trivial die formulierte Forderung auch anmutet, so zentral ist sie für das Verständnis des Informationsmanagements: Der Umgang mit Information (individuell, in Organisationen und Gesellschaften) muß geplant, organisiert und evaluiert werden. Die informationsbezogenen Tätigkeiten in Unternehmen müssen koordiniert und gesteuert werden. Zur optimalen Ressourcenallokation ist die Bewirtschaftung der Ressource Information den gängigen Managementprinzipien zu unterwerfen. Die mittlerweile eher übliche Bezeichnung Informationsmanagement konzentriert sich dabei nicht nur auf die optimale Ausschöpfung der Ressource Information, sondern verbreitert die Perspektive um die sonstigen zur Bewirtschaftung des Produktionsfaktors Information notwendigen Strukturen und Prozesse und eröffnet damit eine integrative Sichtweise.

F 3.3.2

Konzepte des Informationsmanagements

Informationsmanagement ist mittlerweile aber auch ein schillernder Begriff, der von Vertretern verschiedener Disziplinen sehr unterschiedlich definiert wird. Neben der Informationswissenschaft hat er sich vor allem in der Wirtschaftsinformatik nachhaltig etabliert. Eine trennscharfe Abgrenzung ist allerdings nicht ohne weiteres möglich und macht zudem auch nur wenig Sinn. Will man dennoch eine Differenzierung herausarbeiten, können die unterschiedlichen Schwerpunkte der Beschäftigung mit Fragen des Informationsmanagements am ehesten folgendermaßen abgegrenzt werden: Stellt die informationswissenschaftliche Perspektive mehr den „Umgang mit Informationen in Organisationen" in den Vordergrund der Betrachtung, so fokussiert hingegen die Wirtschaftsinformatik den Blick mehr auf das „Management von Informationssystemen in Unternehmen". Aus der Sicht der Informationswissenschaft umfaßt das Informationsmanagement folgende Elemente:

Herget: Informationsmanagement

786 Information Quellen

IKT Standards

Medien

Hardware

Inhalte

Anwendungssysteme Netzwerke

Datenstrukturen

Individuum Informationsverhallen Informationsbedarf Informationsbameren

Organisation Aufbauorganisation Ablauforganisation Kommunikationskultur

Umwelt Copyright Datenschutz Informationsökologie Informationskultur

Querschnittsbereiche: Qualitätsmanagement, Budgetierung, Controlling, Marketing, Führung/Management etc. Abb. 1: E l e m e n t e des I n f o r m a t i o n s m a n a g e m e n t s

Als Beispiel eines umfassenden Konzeptes des Informationsmanagements aus der Sicht der Wirtschaftsinformatik kann die Darstellung von Seibt (Lit. 20, S. 16) gelten: Management der Netze und Rechnerressourcen

Management der SystemLebenszyklen

Strategische Planung des Technikeinsatzes

Strategische Planung von InformationssystemProjektportfolios

ArchitekturManagement (Technik)

NetzwerkManagement Rechner- und InstallationsManagement SicherheitsManagement Erfolgscontrolling von Technikeinsatz, Wissensversorgung

Management der Informations- und Wissensversorgung

Strategische Planung der betrieblichen Informations- und Wissensversorgung ArchitekturUnternehmens- und Management (Metho- Geschäftsprozettden, Werkzeuge. modellierung Anwendungen, Software-Systeme) Erfolgscontrolling der Globale Daten-, Entwicklung, Pflege, Funktionen-, WeiterentwicklungsAbläufemodellierung prozesse Erfolgscontrolling der Daten-Management Informationssysteme

Management der Erfolgssteigerung und Potentialvergrößerung Strategische Erfolgsund Potentialplanung

Planung von luKbasierten Produkten und Dienstleistungen

Organisationsentwicklung

Controlling der Erfolgssteigerung / Potentialvergrötterunq

WissensManagement Erfolgscontrolling der Informations- und Wissensversorgung

Abb. 2: K o n z e p t d e s I n f o r m a t i o n s m a n a g e m e n t s aus d e r Sicht d e r W i r t s c h a f t s i n f o r m a t i k (Lit. 20, S. 16)

Diese Akzentsetzung der Ansätze aus dem Bereich der Wirtschaftsinformatik ist letztlich im Zusammenhang mit den „IKT-lastigen" Definitionen der Informationsverarbeitung und des Informationsmanagements zu sehen. Allerdings zeichnet sich auch hier ein erster Umdenkprozeß ab, der in verschiedenen aktuellen Arbeiten (Lit. 05, Lit. 06, Lit. 07, Lit. 16) dokumentiert wird. Nicht mehr die Informationsverarbeitung im Sinne einer Gestaltung von IKTund Informationssystemen, sondern das Management der Ressource Information steht im Vordergrund. Die IKT erhält ihre (reduzierte) Bedeutung als unterstützendes Werkzeug zur Informations-

F 3.3 Was ist Informationsmanagement?

787

Verarbeitung. Damit nähert man sich schließlich einer alten Forderung der Informationswissenschaft an. Zusammenfassend betrachtet umfassen die in Wissenschaft und Praxis skizzierten Konzepte des Informationsmanagements folgende Aufgaben (Lit. 17, S. llOff.): • Die Planung, Gestaltung, Organisation, Koordination, Steuerung und Kontrolle von allen persönlich-individuellen und informationstechnischen Informationsaktivitäten und -prozessen. • Die Beschaffung, Erfassung, Speicherung, Verteilung, Pflege und Bereitstellung von Daten und Informationen. • Die Einführung und Wahrung wirtschaftlicher Prinzipien im Zusammenhang mit Informationen und Informationstechnologien. • Die Erarbeitung eines technisch-organisatorischen Gesamtkonzeptes für das betriebliche Informationswesen. • Die Unterstützung der Unternehmensziele durch erfolgswirksame Beiträge des Informationswesens. • Die Nutzung von Informationstechnologien zur Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens. • Die Vorbereitung und Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter hinsichtlich einer aktiven Informations- und Informationstechnologie-Nutzung. • Die informationsflußorientierte (Um-)Gestaltung der Unternehmensorganisation. • Die Einbeziehung von Unternehmensleitung, Fachabteilungen und DV-Abteilung in die Aktivitäten des betrieblichen Informationswesens. • Die Verfolgung einer ganzheitlichen Perspektive und die Zurückdrängung einer verbreiteten, teilweise zu informationstechnischen Orientierung. • Die adäquate Unterstützung von Mitarbeitern und Führungskräften in den wahrzunehmenden Entscheidungsprozessen. • Die Bereitstellung eines (informationsorientierten) unternehmenspolitischen und organisatorischen Bezugsrahmens und somit die Etablierung einer informationsorientierten Unteraehmensführung. Versucht man eine kurze Charakterisierung des Informationsmanagementkonzeptes, so bietet sich der Ansatz von Vickers (Lit. 22, S. 152) an, der es durch folgende Eigenschaften umschreibt: • Information muß als eine Ressource akzeptiert werden, die zur Bewirtschaftung den gleichen Managementprinzipien zu unterwerfen ist, wie die anderen Ressourcen auch. • Die Zuständigkeit für das Informationsmanagement muß in Organisationen etabliert werden. • Das Informationsmanagement sollte zumindest die Verantwortung für die Planung und Koordination, wenn nicht gar direkte Kontrolle, über - Informationshandhabungsfähigkeiten, - Informationstechnologie, - Informationsquellen und -Speicher umfassen. • Die Koordination sollte sich auf alle Ausgaben bezüglich Informationsressourcen erstrecken.

788

Herget: Informationsmanagement

• Das Informationsmanagement stellt sicher, daß neue Entwicklungen, die den Umgang mit Informationen verbessern können, verfolgt werden. • Das Informationsmanagement muß die Strukturen und Muster des Informationsflusses in Organisationen verstehen und entsprechende Modellierungs- und Monitoringtechniken anwenden. Das Informationsmanagement zeichnet sich folglich durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen, Akzentuierungen und Aufgabenbeschreibungen aus. Die meisten Ansätze sind hinsichtlich ihres Blickwinkels zumeist eingeschränkt und berücksichtigen nicht den umfassenden Charakter des Informationsmanagements. Auch im Bereich der Information und Dokumentation besteht eine starke Fokussierung auf den Umgang mit Informationsquellen, -systemen und -diensten. Diese Perspektive muß im Sinne des hier vorgezeichneten Konzeptes erweitert werden.

F 3.3.3

Zum Zusammenhang von Informationsmanagement und Unternehmenserfolg

Zahlreiche Untersuchungen zum Zusammenhang des Einsatzes von Informationstechnologien (ausgedrückt in der Höhe des Investments) und Produktivität oder Wettbewerbsfähigkeit sind durchgeführt worden, ohne allerdings eine positive Korrelation nachgewiesen zu haben. Dies belegt an sich nichts überraschendes: Nicht das bloße Vorhandensein von Informationstechnologie führt zu neuen Produkten, besseren Entscheidungen oder schnelleren Produktentwicklungszeiten, sondern erst die verarbeitete oder produzierte Information und der Umgang mit der Information in Organisationen in konkreten Nutzungssituationen führt zu einer Steigerung der Produktivität oder zu einem Wettbewerbsvorteil. Damit zeigt sich, daß die Art der Erarbeitung, Verarbeitung, Organisation, Distribution und Nutzung die entscheidenden Prozesse im Umgang mit Informationen darstellen. Dies sind folglich auch die zentralen Ansatzpunkte des Informationsmanagements. Die Informationstechnologie stellt dabei das wichtigste Hilfsmittel zur Unterstützung dieser Prozesse, nicht mehr. Dennoch lassen sich bestimmte Erkenntnisse zum erfolgreichen Informationsmanagement aus den empirischen Untersuchungen ableiten. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich danach durch folgende Eigenschaften aus (Lit. 18, S. 18ff.; Lit. 17, S. 198): • Die strategische Planung hat einen hohen Stellenwert. • Die Unternehmen haben vor allem in marktnahen Bereichen ein hochentwickeltes Informationsmanagement, das zunehmend zu einer eigenständigen Funktion im Unternehmen wird. • Sie setzen Informationstechnologien differenziert und konsequent ausgerichtet auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren und an den strategisch relevanten Punkten der Wertschöpfungskette ein. • Sie weisen eine relativ gleichmäßige funktionale informationstechnische Durchdringung auf.

F 3.4 Aktionsfelder des Informationsmanagements

789

• Sie stellen weniger die operative Effizienz als vielmehr die intelligente Unterstützung interner Entscheidungs- und Steuerungsprozesse in den Vordergrund ihrer informationstechnischen Anwendungen. • Sie besitzen einen erheblichen Know-how-Vorsprung bei der Nutzung dieser Technologien. Der Zufriedenheitsgrad bezüglich der benutzten Anwendungssysteme ist überdurchschnittlich hoch. • Sie benutzen Informationstechnologien hauptsächlich, um die formulierten Unternehmensziele zu erreichen. Ihre zukünftigen Planungsanstrengungen konzentrieren sich auf die Verbesserung der strategischen Wettbewerbsposition des Unternehmens. • Sie räumen dem Informationsmanagement organisatorisch einen relativ hohen Stellenwert im Unternehmen ein. Weiterhin führten Untersuchungen zum Informationswesen von innovationsorientierten Unternehmen zu interessanten Befunden. Erfolgreichere Unternehmen zeichnen sich danach durch folgende Merkmale aus (Lit. 09, S. 71): • Größere Offenheit gegenüber externer Information • Weniger Besorgnis um Schutz von unternehmenseigener Information • Größere Anstrengungen zur Entwicklung von Informationssystemen • Breitere Nutzung von Informationssystemen durch Endnutzer und größere Ermutigung zu „browsing" und „serendipity" • Höhere technische und fachbezogene Kompetenz von Mitarbeitern im Informationsdienstleistungsbereich • Relative Unauffälligkeit von Managementstrukturen und Statussymbolen in Forschungs- und Entwicklungsumgebungen. Offensichtlich kommt es also nicht auf die Höhe der Investitionen in die Informationstechnologie an, sondern vor allem auf den intelligenten Einsatz dieser Technologie und die grundsätzliche Haltung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter gegenüber der Information.

F 3.4

Aktionsfelder des Informationsmanagements

Dem Informationsmanagement wird je nach Perspektive eine Vielzahl von Aktionsfeldern mit unterschiedlichen Prioritäten zugeordnet. Unter der Vielzahl der verschiedenen möglichen Strukturierungsansätze verdient der Ansatz von Rüttler (Lit. 17) eine Hervorhebung. Dieser ganzheitliche und umfassende Ansatz soll auch der folgenden Aufgabenskizzierung zu Grunde gelegt werden. Rüttler unterscheidet vier unterschiedliche Gestaltungsfelder des Informationsmanagements: 1. Informationsstrategie (strategisch-konzeptionelle und wettbewerbsorientierte Aspekte) 2. Informationsbereitschaft (Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiter, organisatorische Bedingungen und bestehende unternehmensindividuelle Informationskultur) 3. Informationspotential (Menge und Qualität verfügbarer interner und externen Informationen)

790

Herget: Informationsmanagement

4. Informationsfähigkeit (technische Aspekte (Netze, Hard- und Software) sowie die eingesetzten Methoden, Instrumente und Systeme). Rüttler (Lit. 17, S. 131ff.) weist diesen Aktionsfeldern folgende Aufgabenschwerpunkte zu: Informationsstrategie: • Die Erarbeitung eines unternehmensweit gültigen Informationskonzeptes und einer Informationsstrategie durch: - Bestimmung der Informationsintensität von Produkten, Dienstleistungen, Produktions- und Geschäftsprozessen und damit der strategischen Rolle von Informationen und Informationstechnologien im Unternehmen. - Analyse der Wirkungen von Informationen und Informationstechnologien auf Branche, Markt, Wettbewerb sowie Lieferanten- und Kundenbeziehungen und innerbetriebliche Abläufe. - Bestimmung der kritischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens. - Bestimmung der derzeitigen informationsorientierten Stärken und Schwächen der betrieblichen Informationsfunktion. - Berücksichtigung der Ziele und Ergebnisse, die bei der Erarbeitung einer Informationsstrategie gewonnen wurden, in den Prozeß des strategischen Managements im Unternehmen. • Die Integration der Ziele und Planungsergebnisse, die bei der Erarbeitung einer Informationsstrategie gewonnen wurden, in den Prozeß des strategischen Managements im Unternehmen. Infonnationsberehschaft: • Die Gestaltung, Pflege und Weiterentwicklung einer informationsflußorientierten Unternehmensorganisation durch: -Ausrichtung der Unternehmensorganisation an den betrieblichen Geschäftsprozessen und Informationsflüssen. - Re-Integration zersplitterter Arbeitsinhalte. - Erhebung und Pflege der betrieblichen Informationswege, -beziehungen und -strukturen. • Die Gestaltung, Pflege und Weiterentwicklung einer informationsorientierten Unternehmenskultur durch: - Erarbeitung und Verabschiedung von informationsadäquaten Regeln für das Mitarbeiter- und Führungskräfteverhalten. -Etablierung von offenen Informationsmärkten und -zirkeln. -Anpassung der dafür erforderlichen Einstellungen und Werthaltungen. - Berücksichtigung von Macht- und Hierarchieaspekten. • Die frühzeitige Ausarbeitung von Schulungs- und Weiterbildungskonzeptionen für Mitarbeiter und Führungskräfte zu deren rechtzeitiger Motivation und Vorbereitung. • Die Anpassung der im Unternehmen praktizierten Führungsprozesse und -Stile an die veränderte Rolle von Informationen und Informationstechnologien im Unternehmen.

F 3.4 Aktionsfelder des Informationsmanagements

791

Informationspotential: • Die Analyse der betrieblichen Informationsbedarfe. • Die Analyse der Stärken und Schwächen der betrieblichen Informations- und Wissensbasen. • Die Beschaffung der erforderlichen Informationen aus internen und externen Informationsquellen sowie deren Pflege. • Die Erarbeitung einer entsprechenden unternehmensweit gültigen Informationssystematik. • Die Bereitstellung der beschafften und systematisierten Informationen (Informationslogistik). Informationsfähigkeit: • Das zentrale Informationstechnologie-Management durch: - Erarbeitung einer informationstechnischen Gesamtkonzeption aus den Vorgaben der Informationsstrategie. - P l a n u n g , Organisation, Beschaffung, Aufbau und Koordination der informationstechnischen Infrastruktur. - Integration bestehender informationstechnischer Insellösungen. - A k t i v e Suche nach wettbewerbsorientierten informationstechnischen Einsatzmöglichkeiten und Innovationen. - Entwicklung und Implementierung zentral genutzter Anwendungsprogramme. - Erarbeitung von Sicherheitskonzepten für den Betrieb von Informationstechnologien. • Das dezentrale Informationstechnologie-Management durch: - Planung, Organisation und Steuerung der individuellen Datenverarbeitung. -Entwicklung und Implementierung dezentral genutzter Anwendungsprogramme. - Schulung und Betreuung der Anwender. • Das „Produktionsmanagement" und der Systembetrieb aller zentralen informationstechnischen Einrichtungen. Die Gestaltung der beschriebenen Prozesse kann nicht kurzfristig bewerkstelligt werden. Notwendig ist ein Organisationswandel und eine Entwicklung, die neben neuen Technologien auch die Organisationsstrukturen und in gleicher Weise die Menschen berücksichtigen. Dieser Prozeß erfordert vor allem die Anwendung von adaptierten Methoden der strategischen Planung. Als potentielle methodische Bausteine zur aktiven Gestaltung dieses Prozesses können betrachtet werden:

792

Herget: Informationsmanagement

Untersuch an gsobjekt

Methoden/Instrumente

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des Informationsmanagements

Wertschöpfungskette Informationsintensitäts-Matrix, Branchenattraktivitäts-Geschäftsfeldstärken-Matrix Umweltkomplexitäts-Umweltdynamik-Matrix

Externe Umweltfaktoren (Informationsmarkt, Informationstechnologien

Umweltanalyse, Marktbeobachtung, Informationmapping, Szenariotechnik

Untemehmensinterne Vorgaben (Ziele, Strategien, Führungskonzepte, organisationeller Aufbau)

Dokumentenanalyse, Befragungen (Kritische Erfolgsfaktoren-Methode), Workshops

Interne Strukturen (Produkte und Dienstleistungen, Arbeits- und Managementprozesse, IKT-Ausstattung, Mitarbeiterqualifikation, Know-how-Verfügbarkeit, Informationsund Kommunikationsverhalten, Informationskultur)

Stärken-/Schwächen-Analyse, Management-Audit, Erfolgsfaktoren-Analyse, Potentialanalyse, Business Process Reengineering

Interne Umwelt Informationsressourcen, Vernetzung Kundenstruktur (Differenzierung der Kunden und ihrer Anforderungen)

Informationmapping, Potentialanalyse, Dokumentenanalyse, Kommunikationsstrukturanalyse, Analyse der Kundenstruktur und der Kundenerwartungen

Untemehmensinterne Kooperationen (Komm unikationsabteilungen, Bibliothek, Archiv, Dokumentation, DV-Abteilung, Marktforschung etc.)

Dokumentenanalyse: Organigramme, Aufgabenbeschreibungen, Zielvereinbarungen; Befragungen, ProzeBanalysen

Verhalten und Strategien anderer Informationsmanagementbereiche (gleiche oder verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen)

Benchmarking

Abb. 3: Methoden und Instrumente für das strategische Informationsmanagement B e i der Entwicklung der strategischen Ziele müssen diese K o m p o n e n t e n - imman e n t e Strukturen, unternehmensinterne Vorgaben, externe Umweltfaktoren, Kundenstruktur, unternehmensinterae und -externe Kooperationen sowie der Blick auf das H a n d e l n von Stellen mit ähnlichen Voraussetzungen - Berücksichtigung finden. D i e s e r Planungsprozeß m u ß die Kunden, die Mitarbeiter, das M a n a g e m e n t und die sonstigen Stakeholder umfassend beteiligen und in der R e g e l von (externen) Beratern begleitet werden.

F 3 Literatur

F 3.5

793

Die lernende informierte Organisation als Ziel

Die heterogene, unsystematische Informationsinfrastruktur, die sich über Jahre hinweg entwickelt hat, verursacht heute massive Probleme beim Management der unternehmensweiten Informationsressourcen. Welche Informationen im Unternehmen wo vorhanden sind und wie auf sie zugegriffen werden kann, ist meist nicht oder nur zufällig bekannt. Trotz hoher Investitionen in Informationstechnologie können die Informationsressourcen so nur unzureichend genutzt werden. Voraussetzung ist eine transparente Informationsinfrastruktur, welche die richtigen Informationsinhalte - die das umfassende organisationale Wissen repräsentieren in den auf verschiedenen Medien basierenden Informationssystemen erfaßt. Ebenso müssen Kanäle zur Beschaffung externer Informationen implementiert werden. Verwirklicht werden kann diese Vision einer unternehmensweiten oder gar unternehmensübergreifenden Informationsmanagements allerdings nur auf der Grundlage einer offenen Informationskultur, die sich auf eine allgemein akzeptierte Informationspolitik gründet. Unternehmen sind offene informationsverarbeitende Systeme. Erst die Fähigkeit zur effektiven und effizienten Informationsverarbeitung hat unmittelbaren Einfluß auf den Unternehmenserfolg. Für das Informationsmanagement ergibt sich folglich als Essenz: Die betriebliche Informationsinfrastruktur ist durch folgende drei grundsätzlichen Aufgabenkomplexe des Informationsmanagements integrativ zu koordinieren: • Gestaltung (Aufbau von Informationssystemen - Menschen, Informationsressourcen, Informations- und Kommunikationstechnologien) • Lenkung (Steuerung von Informationsprozessen) und • Entwicklung (permanente Adaptionsfähigkeit von Informationssystemen an wechselnde Umweltsituationen). Als Ziel gilt es, die Geschäftsprozesse im Sinne der Unteraehmensstrategie optimal zu unterstützen und dadurch die Positionierung im Wettbewerb nachhaltig zu sichern. Der Ausgangs- und Endpunkt ist identisch: der Informationen benötigende und produzierende Mensch als wichtigster Aktionsträger in Organisationen.

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795

F4

Methoden der Informationsanalyse Eine Einführung in die empirischen Methoden der Informationsbedarfsanalyse und der Markt- und Benutzerforschung Michael Kluck

F 4.1

Einleitung: Empirische Methoden und ihr Einsatz in der Informationsarbeit

Die Notwendigkeit des professionellen Einsatzes von empirischen Methoden als Grundvoraussetzung für den Entwurf und die Gestaltung von Informationsdiensten, Informationsprodukten und Informationssystemen ist seit den frühen sechziger Jahren in der Informationsarbeit erkannt worden. Anfänglich wurde - ausgedrückt durch die Bezeichnung „Benutzerforschung" oder „fachliche Rezipientenforschung" - versucht, den Informationsbedarf von unterschiedlichen Benutzergruppen (im Rahmen einer Typologie der Benutzer von Informationssystemen) zu messen und aufgrund dieser Daten zu Einschätzungen von Art, Menge, Umfang und Tiefe von Informationsbedürfnissen zu gelangen. In den siebziger und achtziger Jahren traten dann Fragestellungen in den Vordergrund, die den allgemeinen Nutzen der Information und besonders der Strukturen und Prozesse der Informationsvermittlung empirisch zu beschreiben versuchten. Darüber hinaus wurden mit dem in den siebziger Jahren dann vollzogenen Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien in den Informationsstellen Fragestellungen wichtig, die unter dem Begriff „Kommunikationsanalysen" etwa die Ansätze der Informationsbedarfsmessung (Benutzerforschung) mit der empirischen Analyse des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien verbanden. Ein weiteres Einsatzfeld empirischer Untersuchungen ergab sich aus dem langsamen Entstehen eines Marktes für elektronische Informationsprodukte, wodurch sowohl empirische Marktforschungsstrategien als auch empirische Marketingansätze in die Informationsarbeit hineingebracht wurden. Schließlich traten Untersuchungen der Benutzerfreundlichkeit von Informationssystemen, ihre Bedienbarkeit sowie dann die allgemeinen Kriterien der Softwareergonomie hinzu. Allen Konzepten ist gemeinsam, daß sie im weitesten Sinne den Prozeß der gesellschaftlichen Informationsvermittlung auf einer übergreifenden Ebene verstehbar machen: Aus der Sicht des Nutzers von Information, aus der Sicht manifester und latenter Informationsbedürfnisse oder aus der Sicht technisch unterstützter fachlicher Informations- und Kommunikationsprozesse der Information und Dokumentation. Diese drei hier grob unterschiedenen Ansätze sollen unter dem Begriff Informationsanalyse zusammengefaßt werden. In diesem Gebiet werden die verschiedenen Methoden der empirischen Sozialforschung angewandt. Unabhängig von der theoretischen Grundausrichtung werden die Verfahrensweisen der quantitativen Sozialforschung weitgehend von allen Theorierichtungen der Sozialwissenschaften gleichermaßen geteilt (vgl. Lit. 23, S.31,

796

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

Fn 11 u. S. 32, Fn 13). Bei der theoretischen Fundierung der quantitativen Sozialforschung geht man davon aus, daß alle Aussagen einer empirischen Wissenschaft prinzipiell an der Erfahrung scheitern können müssen (vgl. Lit. 23, S. 33 bzw. Lit. 29, S. 15; Lit. 03, S. 26-38; dagegen Lit. 17). Es wird demnach festgestellt: „Aussagen der Erfahrungswissenschaften (Hypothesen, Theorien) sollen über die Realität eines Gegenstandsbereiches, für den sie aufgestellt wurden, informieren. Sie müssen an eben dieser Realität, für die sie gelten sollen, scheitern können. Dieser Anspruch grenzt [quantitative, d. Verf.] empirische Theorien von anderen wissenschaftlichen und sonstigen Aussagesystemen ab..." (Lit. 23, S. 35). Die idealtypische Vorgehensweise für den Entwurf und die Realisierung eines empirischen (quantitativen) Forschungsdesigns ist also nach diesem Ansatz: • • • •

Explikation der Theorie oder des theoretisch fundierten Modells, Formulierung von Hypothesen, empirischer Test der Hypothesen, bei Falsifikation: Umformulierung der Hypothesen bzw. Korrektur der Theorie oder des Modells, • bei Verifikation: Verschärfung bzw. Ausdifferenzierung der Testbedingungen und Weiterentwicklung der Theorie oder des Modells.

Für die quantitative Sozialforschung gilt: „Die empirische Sozialforschung ermittelt durch Meßprozesse Daten über die untersuchte Wirklichkeit, um von dieser Basis Aussagen über soziale Phänomene abzuleiten oder behauptete Zusammenhänge zu überprüfen." (Lit. 26, S. 121) Auf der Basis wissenschaftstheoretisch fundierter Kritik an den Methoden und Ergebnissen der quantitativen Sozialforschung haben sich qualitative Untersuchungsansätze etabliert, die gerade in der methodischen Anlage und den Meßverfahren der quantitativen Sozialforschung eine Quelle für die unzureichende Erfassung der sozialen Wirklichkeit sehen und einen grundsätzlich anderen theoretischen Ansatz wählen (vgl. u.a. Lit. 35, Lit. 38, Lit. 24, Bd. 1, Lit. 17). Dennoch kann man als gemeinsame Gütekriterien für beide Theorierichtungen „die Zunahme an empirischem Gehalt, die Erhöhung der internen Konsistenz und die Steigerung der Anschlußfähigkeit" formulieren (Lit. 17, S. 25 f). Zu den qualitativen Auswertungsverfahren werden weiter unten noch Anmerkungen gemacht. In der folgenden Darstellung werden primär die quantitativen Methoden behandelt, andernfalls wird dies ausdrücklich vermerkt.

F 4.3 Betrachtungsebenen der empirischen Untersuchung

F 4.2

797

Abfolge des Untersuchungsprozesses

Die generelle Abfolge des Untersuchungsprozesses läßt sich anhand der Abbildung 1 veranschaulichen (leicht modifizierte Darstellung nach Lit. 10, S. 51): Γ-» s o z i a l e s Problei

Hypothesen

Definition v o n Begriffen

I

geeignete Methode

Isolierung relevanter Variablen „ Operationalisierung

Stichprobe statistische Prlifkrlterien Pretest

i

Datenerhebung Auswertung und statistische Prüfung Interpretation

( B e s c h r e i b u n g — » - A n a l y s e — * Erklärung)

1

Hypothesen

J

Theorie

J

Publikationen u n d Vorträge »> soziale P l a n u n g

Abb. I: Forschuηgslogischer Ablaufplan

F 4.3

Betrachtungsebenen der empirischen Untersuchung

Um den empirischen Forschungsprozeß genauer analysieren zu können, ist es sinnvoll, sich die verschiedenen Betrachtungsebenen einer empirischen Untersuchung genauer vor Augen zu führen. In der folgenden Übersicht sind für jede Ebene des Forschungsprozesses die jeweils zu bearbeitenden Fragestellungen bzw. die zugehörigen Arbeitsbereiche beispielhaft dargestellt( vgl. auch Lit. 01). Betrachtungsebenen empirischer Untersuchungen:

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

798 Ebene Qualität der Erkenntnisgewinnung

Theorie / Modellbildung

Methodologie / Untersuchungsstrategie

Methoden

Instrumente

Datensammlung und Durchführung der Erhebung

Datenaufbereitung und Datenanalyse

Interpretation und Darstellung theoretische Schlußfolgerungen Umsetzung In die Praxis

F4.4

Fragestellung / Arbeitsbereich 1. Verhältnis von Subjekt und Objekt in der sozialen Realität 2. Verhältnis von Begriffen und sozialen Objekten im jeweiligen Realitätsausschnitt 3. Rolle des Empirikers im Untersuchungsprozeß 1. Aufarbeiten der bekannten Daten, Theorien und Modelle 2. Einbeziehung spezieller Modelle der Informationswissenschaft: Informationsverhalten, Informationsfluß, Kommunikationsmodell, Informationsbedarf, Rezipientenforschung 1. qualitativer oder quantitativer Ansatz, Umfang der Untersuchung: z.B. repräsentative Erhebung, Exploration, Vollerhebung, Handlungsforschung, Grounded Theory 2. Formulierung von Hypothesen 3. Festlegung der Untersuchungsanordnung (Methoden-Mix, Abfolge) 4. Validitätsüberlegungen 5.Verläßllchkeitserwägungen 1. Testverfahren 2. Methodenfestlegung 3. Auswahlverfahren 4. statistische Auswertungsverfahren 1. Fragebogen, Intervlewerieitfaden, Kodeplan, Zeitplan. Kodeblatt, Auswertungsbogen, Kategorienschema 2. Anschreiben, Einleitungstext: Aufklärung über Absicht und Zweck, Datenschutzhinweis, Anonymitätszusage 3. Adressenakqulsltlon 1. Pretest 2. Hauptuntersuchung (Interview, Befragung, Expertengespräch, teilnehmende Beobachtung, Inhaltsanalyse usw.) 3. Nachfaßaktion, Rücklaufkontrolle, Rücklaufstatistik 1. Auswertungsbögen ausfüllen, Kodierungen vornehmen 2. Datenerfassung (manuell, technik- oder programmgestützt) 3. Kontrolle und Korrektur der Datenerfassung 4. Statistikprogramm einsetzen: Grundtabellen erstellen, höhere Statistikverfahren anwenden 5. Erstellen von Tabellen 6. Erstellen von Grafiken 1. professionelle Standards einhalten 2. Veröffentlichung der Ergebnisse 1. Erweiterungen bzw. Korrekturen der Theorie oder des Modells 2. Formulierung von Desiderata der Forschunq 1. Anwendungsbezug realisieren 2. Vorschläge zur Umsetzung formulieren

Grnndprobleme einzelner Stufen des Erhebungsprozesses bei Primäruntersuchungen

Die grundsätzlichen Probleme und Regeln, die auf den verschiedenen Stufen des Untersuchungsprozesses bei Primäruntersuchungen zu beachten sind, werden in diesem Kapitel entsprechend ihrer Relevanz für die Informationsanalyse dargestellt. Dabei werden die wissenschaftstheoretischen, philosophischen und begriffslogischen Probleme nicht näher behandelt (vgl. hierzu z.B. Lit. 17 oder Lit. 33). Sekundäranalysen werden hier ebenfalls nicht näher betrachtet; sie sind jedoch methodisch nach denselben Prinzipien wie Primäruntersuchungen zu behandeln.

F 4.4 Grundprobleme einzelner Stufen des Erhebungsprozesses F 4.4.1

799

Hypothesengenerierung

Während man unter einer Theorie ein System logisch widerspruchsfreier Aussagen über den betreffenden Untersuchungsgegenstand einschließlich der verwendeten Definitionen der Begriffe versteht, sind Hypothesen Vermutungen über den Zusammenhang von Sachverhalten, wobei zunächst noch das tatsächliche Verhältnis dieser Beziehungen offen ist. Die Formulierung von Hypothesen muß am Beginn der Überlegungen zur Gestaltung des eigentlichen Forschungsprozesses liegen. Erst die Formulierung von Hypothesen erlaubt es, die angemessenen Untersuchungsmethoden und Analyseverfahren auszuwählen. Bei der qualitativen Sozialforschung erfolgt die Hypothesengenerierung oder Begriffsbildung erst im Zuge der Auswertung (vgl. z.B. Lit. 38). Die Hypothesen werden aus bereits bekannten Vorarbeiten, Untersuchungen und Theorien entwickelt. Sie enthalten daraus deduzierte Annahmen über die jeweiligen zu untersuchenden Strukturen und Beziehungen, Verhaltensweisen und Einstellungen. Für die Formulierung von Hypothesen gelten folgende Regeln: • Sie müssen sich aus dem theoretischen Bezugsrahmen bzw. aus dem Modell plausibel ableiten lassen. • Sie müssen sich zunächst einmal prinzipiell auf erfahrbare Realität beziehen. Sie müssen also empirisch überprüfbar sein; d. h. sie müssen für empirische Beobachtungen und statistische Analyse geeignet sein. • Sie müssen in einem systematischen Zusammenhang miteinander stehen, sich auf den gleichen Gegenstandsbereich beziehen und aus den Untersuchungsfragestellungen abgeleitet werden. • Sie müssen auf den operationalisierten Begriffsbestimmungen aufbauen. • Sie dürfen sich nicht gegenseitig logisch ausschließen. • Sinnvollerweise werden die Hypothesen nach Axiomen (unabhängigen Aussagen, Postulaten, Prämissen) und Theoremen (abgeleiteten Aussagen) geordnet, dadurch können logische Widersprüche besser aufgedeckt werden (vgl. Lit. 23, S. 42). • Die als Hypothesen formulierten Beziehungen dürfen nicht zufällig oder einmalig sein, sondern müssen im Rahmen des zugrunde gelegten Modells konsistent, realistisch und plausibel sein. Einschränkende Bedingungen müssen deutlich gemacht werden.

F 4.4.2

Variablen und Kodierung

Die Umsetzung des theoretischen Konzepts und der Hypothesen in erhebbare Informationen erfordert die Operationalisierung der Begriffe. Zur Operationalisierung eines Begriffs sollten mehrere Indikatoren benutzt werden. „Beim Vorliegen unsystematischer Meßfehler sind Messungen mit mehreren Indikatoren genauer als Einzelmessungen. (... ) Allerdings sollte vermieden werden, theorielos einfach mehrere Indikatoren zu suchen..." (Lit. 33, S. 140) Variablen sind Merkmale von Elementen (d. h. der Untersuchungseinheiten, siehe Abschnitt F 4.4.3); diese Merkmale haben verschiedene Ausprägungen, die für den Zweck der Auswertung durch Kodes repräsentiert werden. Als unabhängige Variablen werden diejenigen Merkmale bezeichnet, die Bedingungen bzw. Voraussetzungen für bestimmte Strukturen, bestimmtes Verhalten oder bestimmte Einstel-

800

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

lunge η darstellen. Abhängige Variablen sind diejenigen Merkmale, die sich in der Folge anderer Merkmale ergeben bzw. verändern. Z.B. wären bei der folgenden fiktiven Aussage: „Je größer die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge ist, desto höher ist die Zahl der Verkehrsunfälle" die Zahl der Kfz-Zulassungen die unabhängige Variable und die Zahl der Verkehrsunfälle die abhängige Variable. Von intervenierenden Variablen spricht man dann, wenn die Beziehung zwischen der abhängigen und der unabhängigen Variablen von einer weiteren Bedingung abhängt, die auf die abhängige Variable einwirkt bzw. interveniert; diese weitere Bedingung heißt dann intervenierende Variable. Genaugenommen zeigt das Vorhandensein einer intervenierenden Variablen, daß die Hypothese nicht ausreichend durchdacht war und unter Einbeziehung der intervenierenden Variablen reformuliert werden sollte. Als Kontrollvariablen bezeichnet man dritte Variablen, die man einführt, um zu testen, ob ein anderes - logisch dem untersuchten Zusammenhang vorhergehendes Merkmal den vermuteten Zusammenhang zwischen der abhängigen und der unabhängigen Variablen beeinflußt. Gibt es eine solche Kontrollvariable, dann hat sich die Vermutung als Scheinbeziehung entpuppt und muß durch den nunmehr aufgedeckten Zusammenhang erklärt werden (vgl. dazu näher Lit. 04, S. 280 ff und Procter in: Lit. 12, S. 250 ff). Unter Kodierung versteht man die Zuweisung von Aussagen und/oder Werten zu den untersuchten Merkmalen. Die Kodierung der Variablen soll in der Weise erfolgen, daß sich erstens jede Ausprägung einem Kode zuordnen läßt, daß sich zweitens die Kodes gegenseitig ausschließen und daß drittens der Kode nur eine Dimension hat und vollständig ist. Mehrere Variablen oder Indikatoren können zu einem sogenannten Index zusammengefaßt werden, der praktisch eine neue, zusammengesetzte Variable darstellt.

F 4.4.3

Analyseebenen

Zwischen folgenden Ebenen der Analyse kann prinzipiell unterschieden werden: Erhebungseinheit, Untersuchungseinheit und Aussageeinheit. Erhebungseinheit ist die Einheit, auf die sich die Stichprobe bezieht (z.B. alle Haushalte). Untersuchungseinheit ist die Einheit, auf die sich die Untersuchung bezieht (z.B. bestimmte Personen im Haushalt). Aussageeinheit ist die Einheit, auf die sich die Ergebnisse und Aussagen beziehen (z.B. die Familien). Alle drei Ebenen oder zwei der drei Ebenen können auch zusammenfallen (nach Lit. 10, S. 126).

F 4.4.4

Auswahlyerfahren

Nur in wenigen Fällen wird es möglich sein, alle Elemente eines Objektbereiches zu untersuchen. Dieser Ausnahmefall wird als Vollerhebung oder Totalerhebung bezeichnet. In der Regel wird man sich wegen der großen Anzahl der zu untersuchenden Elemente auf die Untersuchung einer Auswahl von Elementen beschränken müssen. Diese Auswahl nennt man eine Stichprobe, die aus der Grundgesamtheit

F 4 . 4 Grundprobleme einzelner Stufen des Erhebungsprozesses

801

aller betreffenden Elemente gezogen wird. Dabei ist es notwendig, die Stichprobe in der Weise anzulegen (zu ziehen), daß anhand der Ergebnisse eine Verallgemeinerung für die Grundgesamtheit möglich ist. D i e s e Verallgemeinerung beruht auf der A n w e n d u n g statistischer Annahmen und Verfahren, die hier nicht näher diskutiert werden. Eine Stichprobe hat daher die folgenden Bedingungen zu erfüllen: • Die Stichprobe muß ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit hinsichtlich der Heterogenität der Elemente und in bezug auf die zu prüfenden Variablen sein. • Die Analyseebenen (Erhebungseinheit, Untersuchungseinheit, Analyseeinheit) müssen definierbar sein. • Die Elemente der Grundgesamtheit und der Stichprobe müssen definierbar und angebbar sein. • Ebenso muß das Auswahlverfahren angebbar und repräsentativ sein.

Abb. 2: Auswahlverfahren und Stichprobenziehung (Quelle: Lit. 33, S. 285)

802

Kluck: Methoden der Inforniationsanalyse

Von der möglichst exakten Bestimmung und Bestimmbarkeit der Grundgesamtheit hängt es ab, wie gut die Stichprobe gezogen werden kann und welche Exaktheit die Aussage über die Repräsentativität hat. Auch die Überlegungen zur Bestimmung der Grundgesamtheit sind alles andere als trivial: Schon das Beispiel „Bevölkerung" zeigt die unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten. „Bevölkerung" kann beispielsweise heißen: 1. alle Bewohner des Staatsgebietes, des Bundeslandes, des Landkreises oder der Gemeinde, die sich zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung dort aufhalten, unabhängig davon, welcher Nationalität sie angehören, ob sie in Anstalten (Klöstern, Kasernen, Gefängnissen) wohnen und wie alt sie sind; oder 2. alle inländischen Erwachsenen ab 18 Jahren, die außerhalb von Anstalten wohnen und einen festen Wohnsitz haben. Eine willkürliche Auswahl entspricht demnach nicht den Ansprüchen für ein wissenschaftliches Vorgehen; sie kann allenfalls für explorative Zwecke nützlich sein. Auch ein Pretest sollte mit Hilfe einer Zufallsstichprobe ausgeführt werden. Die Auswahl kann bewußt (bzw. gezielt) oder aufgrund einer Zufallsstichprobe erfolgen. Bei der bewußten Auswahl haben nicht alle Elemente die gleiche Chance, in die Auswahl einbezogen zu werden; d.h. die Elemente werden anhand eines oder mehrerer Merkmale oder anhand der Ausprägungen eines Merkmals ausgewählt, ohne daß man genau weiß, ob und inwieweit gerade diese Elemente bzw. deren Eigenschaften repräsentativ für die Grundgesamtheit sind. Weitere spezielle Möglichkeiten der bewußten Auswahl sind die Auswahl extremer Fälle, die Auswahl typischer Fälle und das Schneeball verfahren. Ein anderes Verfahren der bewußten Auswahl, das auch in der Informationspraxis Anwendung finden kann, ist die Auswahl nach dem Konzentrationsprinzip. Dabei werden nur diejenigen Fälle ausgewählt, bei denen ein Merkmal so stark ausgeprägt ist, daß davon fast die gesamte Grundgesamtheit betroffen bzw. geprägt ist. Ein weiteres spezielles Verfahren der bewußten Auswahl ist die Quota-Stichprobe, die vielfach aus Kostengründen in der Markt- und Meinungsforschung eingesetzt wird, jedoch nach der Meinung vieler Soziologen keinen statistisch gesicherten Schluß auf die Grundgesamtheit zuläßt (s. dazu Lit. 10, S. 133 ff u. Lit. 33, S. 309 ff). Die Zufallsstichprobe gibt die bessere Möglichkeit, von der Stichprobe mit einer angebbaren Wahrscheinlichkeit auf die Grundgesamtheit zu schließen. Die Zufallsstichprobe kann mit Hilfe einer einfachen Zufallsstichprobe, einer systematischen Auswahl, einer Klumpenstichprobe oder einer geschichteten Auswahl erfolgen. Diese Verfahren können auch mehrstufig angewendet werden (vgl. dazu Lit. 10, S. 135 ff, Lit. 23, S. 207 ff, Lit. 33, S. 288 ff). Für repräsentative Aussagen über die Gesamtbevölkerung eines Landes bewegen sich die Stichprobengrößen zwischen 1.000 und 3.000 Personen.

F 4.4.5

Meßinstrumente

Die in der jeweiligen Untersuchung gewonnenen Informationen müssen im Rahmen des Prozesses der Beobachtung, der Interpretation oder Befragung festgehalten werden, um der weiteren Analyse als Daten zur Verfügung stehen zu können. „Daten sind also die in geeigneter Form festgehaltene und abrufbare symbolische

F 4.4 Grundprobleme einzelner Stufen des Erhebungsprozesses

803

Repräsentation der bei den Untersuchungseinheiten beobachteten Merkmale (Eigenschaften)." (Lit. 23, S. 162) Um mit den Daten statistische Operationen durchführen zu können, sind einige Grundregeln des Messens und der Skalenbildung zu beachten. Messen ist die systematische Zuordnung einer Menge von Zahlen oder Symbolen zu den Ausprägungen einer Variablen. Dies sei an zwei Beispielen demonstriert: 1. Die Zuordnung von Zahlen zu einer Altersangabe: a) als Einzelwert: 27 Jahre b) als Altersklasse: 25 bis weniger als 30 Jahre 2. Die Zuordnung von Zemtimetern als Längenangaben: a) als Einzelwert: 15 cm b) als Längenklasse 10 cm bis weniger als 20 cm. Die Zuordnung (d.h. die Zahlenvorgabe oder die Klassenvorgabe) muß eindeutig sein und alle möglichen Wertebereiche, die bei den Objekten zu erwarten sind, abdecken. Ferner soll die Zuordnung (oder genauer: Abbildung) so erfolgen, daß die Relationen unter den Zahlenwerten den Relationen unter den Objekten entsprechen (vgl. Lit. 10, S. 97), d.h. die Reihenfolge der Werte muß der Reihenfolge der Objekte/Objekteigenschaften entsprechen und die entsprechenden Eigenschaften angemessen ordnen. Also in dem Beispiel muß die Reihenfolge vom niedrigen zum hohen Alter oder umgekehrt, aber in stetiger Abfolge führen und darf nicht bunt durcheinandergewürfelt sein, oder sie muß von der kürzeren zur längeren Strecke führen. Nur so können sinnvoll weitere (zulässige) Rechenoperationen auf die Werte angewendet werden, ohne die Relationen zwischen den Objekten/Objekteigenschaften zu verschieben. Die Messung beruht auf der Übertragung der Ausprägungen einer Variablen in Werte auf einer Skala. Eine Skala kann man sich als die Übertragung dieses Einteilungsprinzips auf eine horizontale Achse vorstellen, indem auf deren Abschnitte die Ausprägungen abgetragen werden. Die gebräuchlichste Klassifizierung von Skalen unterscheidet zwischen Nominal-, Ordinal-, Intervall- und Ratioskalen. Diese Skalentypen unterscheiden sich hinsichtlich der auf sie anwendbaren Transformationen bzw. Rechenoperationen. Bei Nominalskalen ist jedes Objekt genau einer Klasse zugeordnet, z. B. das Geschlecht (männlich - weiblich) oder die Automarke (VW - Opel - BMW usw.). Die Zuordnung ist eindeutig und vollständig und gibt keine Abstände oder Wertigkeiten an. Die den Klassen zugeordneten Zahlen sind beliebig, sie müssen nur eindeutig sein. Durch mathematischen Operationen darf sich die Eindeutigkeit der Zuordnung einer Klasse zu einer Zahl nicht verändern. Ordinalskalen geben darüber hinaus Auskunft über die Rangordnung der Objekte. Dementsprechend müssen die jeweils zugeordneten Zahlen diese Rangordnung wiedergeben und die mathematischen Operationen dürfen diese Reihenfolge nicht verändern. Beispiele sind: 1. Schulnoten, die zwar die Rangordnung der Leistung abbilden sollen, aber nicht äquidistant sind, oder 2. Aussagen über die Zufriedenheit in der Form „sehr zufrieden - zufrieden - weder/noch - unzufrieden - sehr unzufrieden". Eine Skala, die zusätzlich zur Rangordnung noch die Bedingung der Äquidistanz einhält, nennt man Intervallskala. Die Intervalle und die ihnen entsprechenden

804

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

Zahlen müssen also gleiche Größe bzw. Distanz haben. Die mathematischen Operationen, die auf diese Zahlen angewendet werden, dürfen also die Größe der Intervalle nicht oder alle Intervalle nur in gleichem Ausmaß verändern. Beispiele sind die Temperatur nach Celsius oder der Intelligenzquotient. Als Ratioskalen werden solche Skalen bezeichnet, die zusätzlich zur Rangordnung und zur Äquidistanz einen natürlichen Nullpunkt aufweisen können. Hier ist als mathematische Operation nur noch die Multiplikation mit einer Konstanten (ungleich 0) erlaubt. Beispiel sind die Temperatur nach Kelvin oder das Alter. Die Zuordnung einer Skala zu einem dieser Skalentypen wird auch Skalenniveau oder Meßniveau genannt. „Das Meßniveau einer Skala wird um so höher, je weniger Transformationen der Meßwerte zulässig sind. Je höher das Meßniveau einer Skala wird, um so mehr mathematische Verfahren können auf die gewonnenen Daten angewendet werden. Im allgemeinen wird der Informationsgehalt einer Messung um so höher, je höher das Meßniveau wird." (Lit. 33, S. 150 f) Allerdings basieren „die meisten Messungen in den Sozialwissenschaften auf vermuteten Zusammenhängen zwischen Indikatoren und den eigentlich interessierenden Konstrukten" (ebd., S. 151).

F 4.4.6

Methoden der Datenerhebung

Die sozialwissenschaftlichen Methoden der Datenerhebung sind die Inhaltsanalyse, die Beobachtung und die Befragung. Die empirische Inhaltsanalyse (zur Inhaltsanalyse als Auswertungsverfahren siehe weiter unten in Abschnitt F 4.6.4) ist eine Forschungsmethode, mit deren Hilfe man aus jedweder Art von Bedeutungsträgern (Texte, Bilder, Gegenstände, Filme, Musik usw.) durch systematische und objektivierte Identifizierung ihrer Elemente Schlüsse ziehen kann, die über das einzelne analysierte Element hinaus verallgemeinerbar sind (vgl. Lit. 23, S. 232). Die Beobachtung als Verfahren zielt auf das Erfassen des Ablaufs und der Bedeutung von einzelnen Handlungen und Handlungszusammenhängen, die sich während des Beobachtens ständig verändern (vgl. Lit. 23, S. 255). Es lassen sich fünf Dimensionen der Beobachtung benennen (vgl. Lit. 23, S. 258 f): 1. mit verdecktem oder offenem Beobachter 2. mit teilnehmendem oder nicht teilnehmendem Beobachter 3. als systematische oder unsystematische Beobachtung 4. in natürlicher oder künstlicher Beobachtungssituation (Labor) 5. als Selbstbeobachtung oder Fremdbeobachtung. Alle vollstandardisierten Verfahren können als quantitative Sozialforschung bezeichnet werden. Bei teilstandardisierten und nicht-standardisierten Verfahren der Datenerhebung wird von qualitativer Sozialforschung gesprochen. Zur qualitativen Sozialforschung gehören neben dem mündlichen Experteninterview, der Gruppendiskussion, dem narrativen, situationsflexiblen Interview, dem Leitfadengespräch und der schriftlichen informellen Expertenbefragung u.a. die Inhaltsanalyse, die objektive Hermeneutik und die biographische Methode. Qualitative Erhebungsme-

F 4.4 Grundprobleme einzelner Stufen des Erhebungsprozesses

805

soziale Wirklichkeit

Produkte menschlicher Tätigkeit

aktuelles menschliches Verhatten

(wie ζ Β. Bauten und Werkzeuge. Kleidung. Watten, Texte. Tonautzeichnungen, Bilder. Bildaufzeichnungen) Verhalten in vom Forscher bestimmten Situationen (-Labor·)

Verhalten in •natürlichen· Situationen (•Feld')

Inhaltsanalyse

offenes Verhalten

Gespräche über..., Stellungnahmen zu ...

(Bindung an Zeit und Raum des Verhaltens erforderlich)

(Lösung von Zeit und Raum des Besprochenen beziehungsweise Geantworteten möglich)

Beobachtung

Befragung

Experiment

Abb. 3: Gegenstandsbereich und Methoden der empirischen Sozialforschung

thoden korrelieren häufig mit qualitativen Auswertungsverfahren wie z.B. der Interpretation im Sinne der Hermeneutik (vgl. Lit. 31). Der Vollständigkeit halber seien hier noch das Experiment, die Soziometrie und die Handlungsforschung als weitere Erhebungsverfahren genannt, die sich in die obige Rubrizierung nicht vollständig einfügen lassen und die für den Bereich der Informationsbedarfsanalyse selten in Betracht kommen werden. Bei komplexeren Fragestellungen, insbesondere bei Längsschnittuntersuchungen oder Prognosen, werden häufig quantitative und qualitative Verfahren kombiniert oder in wiederkehrenden Abständen angewendet (siehe hierzu die weiter unten genannten Verfahren DelphiMethode oder Paneluntersuchung).

806 F 4.4.7

Kluck: Methoden der Informationsanalyse Pretest

Vor der eigentlichen Hauptuntersuchung sollte - zumindest bei neuen, bislang noch nicht ausgetesteten Fragestellungen - soweit nur irgend möglich ein Pretest (= Voruntersuchung) durchgeführt werden. Während die Exploration der Ideen- und Hypothesengenerierung dient, richtet sich der Pretest auf die Überprüfung der Handhabbarkeit des entwickelten Forschungsplanes und insbesondere des Fragebogens. Mit Hilfe des Pretests können die Struktur und die Formulierung der Fragen, der Aufbau des Fragebogens (Abfolge der Fragen, Benutzerfreundlichkeit), die Angemessenheit der gewählten Indikatoren und die Annahmen über den Zugang zum Feld überprüft werden. Es finden sich in jeder Untersuchung Punkte, die durch einen Pretest vorgeklärt werden können. Damit kann z.T. erheblicher Aufwand bei der Hauptuntersuchung und vor allem bei der Auswertung vermieden werden.

F 4.4.8

Interpretation und Darstellung der Ergebnisse

Die Darstellung der Ergebnisse sollte die Mindeststandards erfüllen, wie sie z.B. von der American Association for Public Opinion Research (AAPOR) (vgl. Lit. 25, S. 243 ff) oder von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und dem Berufsverband Deutscher Soziologen (Lit. 07, S. 190 ff) formuliert worden sind. Diese Standards fordern die Darstellung folgender Punkte im Ergebnisbericht: • den Namen des Auftraggebers, des Förderers, des Finanzierers oder des Veranlassenden der Studie, • die Definition der Hypothesen, • die Festlegung der Grundgesamtheit, • die Größe der Stichprobe, • die Methode der Stichprobenziehung, • die Abbildung oder Kopie der vollständigen Instrumente, die tatsächlich verwendet wurden (Fragebögen, Leitfäden, Anschreiben usw.) • die Angabe der Zeitpunkte bzw. der Zeitintervalle für die einzelnen Untersuchungsschritte und die Angabe der Gesamtzeit, • die Angabe über die Menge der Daten, die den jeweiligen Interpretationen zugrunde liegen (Grundgesamtheit, volle Stichprobe, Teilmengen, jeweils zu jeder Frage).

F4.5

Kriterienkatalog zur Planung einer empirischen Untersuchung

In Anlehnung an die von Friedrichs (Lit. 10, S. 160 ff, Übersicht 14) und Kromrey (Lit. 23, S. 59 f) vorgelegten Übersichten werden im folgenden Kriterien für die Planung einer empirischen Untersuchung aufgelistet. „Bei jedem der genannten Punkte sollte man sich fragen, warum man sich für die jeweilige Alternative entscheidet und welche Konsequenzen diese Entscheidung für die anderen Teile des Forschungsplanes hat." (Lit. 10, S. 160)

F 4.5 Kriterienkatalog zur Planung einer empirischen Untersuchung

F 4.5.1

807

Konzeptualisierang

1.1. Welches ist das Forschungsproblem oder das allgemeine Forschungsgebiet? 1.2. Für welche Zwecke sollen die Ergebnisse verwendet werden? Gibt es einen speziellen Auftraggeber oder Förderer, für den das Forschungsvorhaben durchgeführt wird? 1.3. Welche Dimensionen der Realität werden durch die Problemstellung direkt angesprochen, welche werden berührt, ohne direkt angesprochen zu sein? 1.4. Auf welche vorangegangenen Forschungen kann man sich beziehen? In welchen generellen theoretischen Bezugsrahmen läßt sich die Studie einordnen? 1.5. Welche hauptsächlichen Begriffe werden als Variablen verwendet, und wie sind sie definiert? Sind die Definitionen für die Fragestellung zweckmäßig und umfassen sie die Komplexität oder schränken sie diese ein? 1.6. Haben die Begriffe einen direkten empirischen Bezug, d. h. sind sie direkt beobachtbar bzw. meßbar? Welche Dimensionen der Realität werden durch die Begriffe abgebildet? 1.7. Wie können Indikatoren für nicht direkt beobachtbare Sachverhalte gewonnen werden? 1.8. Welche Annahmen liegen der Einbeziehung bestimmter Variablen in die Untersuchung zu Grunde? Lassen sich diese Annahmen in Form von Hypothesen explizieren? Läßt sich ein Diagramm der Beziehungen zwischen den Variablen anfertigen? 1.9. In welcher Form lassen sich die generellen Annahmen in Hypothesen und Unterhypothesen transformieren? Läßt sich anhand der Hypothesen und Unterhypothesen spezifizieren, welche Variablen als unabhängige, abhängige, intervenierende oder Kontrollvariablen anzusehen sind? 1.10. Welche operationale Definition der einzelnen Variablen ist möglich? Welche Operationalisierungen haben andere Autoren vorgenommen? Ist die Operationalisierung (oder das empirische Relativ) ein valider Indikator der Variablen? 1.11. Exaktheit: Lassen sich die Hypothesen durch mehrfache Operationalisierung der in ihnen enthaltenen Variablen prüfen? Reicht die Skalenqualität der Variablen aus, um die gewünschte Exaktheit der Hypothesenprüfung zu gewährleisten? 1.12. Welche Indizes, Skalen, Tests etc. lassen sich aus anderen Untersuchungen übernehmen oder müssen entwickelt werden?

F 4.5.2

Untersuchungsplan

2.1. Welche Art von Untersuchung (z. B. Stichprobenerhebung, Experiment, Sekundäranalyse) ist dem Problem angemessen? 2.2. Welches ist die geeignete Forschungsmethode? Ist sie die einzig angemessene Methode oder sollten auch andere Methoden angewendet werden? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Wahl der Methode für die Operationalisierung der Hypothesen und der Unterhypothesen? Wie zuverlässig ist die Forschungsmethode für das zu untersuchende Problem? Welche Gültigkeit können die Aussagen beanspruchen (oder sind sie nur plausibel)? 2.3. Was sind die Erhebungseinheit, die Untersuchungseinheit und die Aussageeinheit der geplanten Studie? 2.4. Ist die Stichprobe der Hypothesenprüfung angemessen? Ist die Stichprobe groß genug, um die angestrebte Generalisierung der Aussagen zu rechtfertigen? Welches Stichprobenverfahren ist sinnvoll? Welche Quellen stehen zur Verfügung, um die Stichprobe zu ziehen? Mit welchen Ausfallquoten muß man rechnen? 2.5. Wie ist die Erhebungssituation beschaffen? 2.6. Ist ein Pretest erforderlich?

808 F 4.5.3

Kluck: Methoden der Informationsanalyse Ausführung der Studie

3.1. Datenerhebung: Wer führt die Feldarbeit durch (Forscher, Forschungsteam, Hilfskräfte, kommerzielles Institut)? Zu welchem Zeitpunkt soll die Untersuchung durchgeführt werden? Ist dieser Zeitpunkt zur Prüfung der Hypothesen geeignet? Läßt sich zu diesem Zeitpunkt die beabsichtigte Stichprobe ziehen? Wo soll die Untersuchung durchgeführt werden? Welchen Einfluß wird die Befragungssituation auf die Betroffenen haben? Welche Kontrollmöglichkeiten bestehen, wenn Dritte die Erhebung durchführen? 3.2. Welche Arbeitsschritte werden bei der Kodierung und der maschinellen Verarbeitung der Daten anfallen? Welche Statistik- und Grafikprogramme stehen zur Verfügung? 3.3. Welche statistischen Methoden zur Überprüfung der Hypothesen sollen herangezogen werden? Wird bei einer mehrdimensionalen Tabellierung die Zahl der Fälle groß genug sein? Welches Signifikanzniveau ist zur Prüfung der Hypothesen angemessen? 3.4. Welche Schlüsse wird man aus den erhaltenen Ergebnissen ziehen können? Was besagt ein bestimmter Prozentsatz? Welche Schlüsse lassen sich aus den nichtsignifikanten Ergebnissen ziehen? Welche Erklärungen lassen sich finden, wenn sich einzelne oder alle Hypothesen nicht bewähren (methodische Fehler, methodologische Fehler, alternative Hypothesen)?

F 4.6

Spezielle Probleme wichtiger Untersuchangstechniken

Bezüglich ausgewählter Problembereiche und der für die Informationsanalyse besonders relevanten Untersuchungstechniken werden die spezifischen Probleme und Anwendungsbereiche skizziert. Zu anderen Methoden wie z.B. dem Leitfadengespräch (vgl. Lit. 33, S. 390) und zu komplexeren Methoden wie z.B. der Prognose mit Hilfe der Delphi-Methode (vgl. Lit. 34) oder wie der Paneluntersuchung (vgl. Lit. 13) ist die einschlägige Literatur heranzuziehen (siehe Literaturverzeichnis). Gleiches gilt für die Inhaltsanalyse, die sich auf ein bereits vorher festgelegtes Auswertungsschema (z.B. ein Kategorienschema oder ein Begriffslexikon) stützt oder das jeweilige Objekt daraufhin untersucht, inwieweit sich in ihm selbst Indikatoren für die Analyse finden lassen (vgl. Lit. 14 und Lit. 33, S. 326).

F 4.6.1

Befragung

Das immer noch dominierende Verfahren in der empirischen Sozialforschung ist die Befragung. Die verschiedenen Formen der Befragung lassen sich anhand der Abbildung 4 klassifizieren. Allerdings ist dabei zu beachten, daß die Antworten auf die gestellten Fragen in der Regel nicht unmittelbar die Ausprägungen der untersuchten Merkmale darstellen, sondern nur als Indikatoren für diese Ausprägungen verwendet werden können. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Aussagen der Befragten auf ihren Kenntnissen oder ihren Annahmen und den zugehörigen Fähigkeiten und der entsprechenden Bereitschaft, sie mitzuteilen, beruhen. Die Befragung ist also ein indirektes Verfahren der Ermittlung von Aussagen über Sachverhalte bzw. über Eigenschaften von Sachverhalten. Durch eine Befragung werden speziell für die jeweilige Untersuchung Daten „künstlich" produziert. Es werden

F 4.6 Spezielle Probleme wichtiger Untersuchungstechniken

809

also nicht normale soziale Prozesse beobachtet, sondern ein spezifischer Ausschnitt wird erzeugt. Insofern kann man sagen, daß jede Befragung „etwas von der Künstlichkeit einer Laborsituation an sich hat" (Lit. 23, S. 269).

informelle U m frage bei E x perten oder Ztelgruppen nanative*. situationsflexible* Interview

Abb. 4: Formen der Befragung (Quelle: Lit. 23, S. 287)

Hinsichtlich der Validität und Repräsentativität von Befragungen ist zu berücksichtigen, „daß sich trotz systematischer Auswahl mit dem Ziel, repräsentative Untersuchungseinheiten zu erhalten, vor allem Befragte einer Erhebungssituation stellen, die über entsprechend hoch ausgebildete Komponenten der Individualebene (Motivation, Kognition, Empathie) verfügen (Lit. 30, S. 8)".

F 4.6.1.1

Fragen- und Fragebogengestaltung

Ausgehend von den formulierten Hypothesen sind die Fragen zu formulieren, die von den Befragten beantwortet werden sollen. Die Fragen sind Transformationen der Forschungsfragestellung in die Sprache bzw. in den Bezugsrahmen des Befragten. Dabei sind einige Grundsätze zu beachten: • Erstens sollten die Fragen so einfach wie möglich formuliert sein. Die elaborierte Sprache des Wissenschaftlers muß in eine eher gegenständlich orientierte, dem Erfahrungs- und Bildungshintergmnd der Befragten angemessene Sprache verwandelt werden. Einfache, möglichst wenig verschachtelte Sätze sollten benutzt werden. Schwierige Zusammenhänge sollten stufenweise erfragt werden. • Zweitens müssen Fragen eindeutig und möglichst konkret sein. Der jeweils erwartete Bezugsrahmen ist klar anzugeben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der verwendeten Begriffe als auch hinsichtlich der Angaben zu Zeit(punkt) und Raum. Beispielsweise ist die Frage nach dem Einkommen so zu präzisieren, daß klar wird, daß z.B. nur das Nettoeinkommen erfragt wird und welche Bestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw.) dazugehören oder nicht. • Es darf jeweils nur eine Frage zur gleichen Zeit gestellt werden, d. h. in einem Fragetext dürfen nicht zwei Antworten bzw. Antwortdimensionen abgefragt werden. Teilaspekte oder Präzisierungen müssen stufenweise abgearbeitet werden. • Fragen dürfen keine doppelten Negationen enthalten.

Kluck: M e t h o d e n d e r I n f o r m a t i o n s a n a l y s e

810

• Die Fragen sollten ausbalanciert sein, d. h. sie sollten alle sinnvollen und vor allem die positiven und die negativen Antwortmöglichkeiten enthalten. • D e r Befragte darf nicht überlastet werden. Hilfsmittel wie Antwortvorgaben, visualisierte Skalen, Listen und Karten mit alternativen Antworten sollten genutzt werden, um eine Überfrachtung mit Fragen zu vermeiden. • Die Fragen dürfen nicht suggestiv formuliert oder einseitig geladen sein, sondern müssen möglichst neutralen Text enthalten, um nicht von vornherein die Antworten zu verfälschen. • Die Abfolge der Fragen sollte thematisch gebündelt sein (aufier bei Kontrollfragen, mit deren Hilfe die Zuverlässigkeit von Antworten getestet werden soll) und von allgemeinen zum besonderen führen. • Z u einem Themenbereich sollten möglichst mehrere Fragen gestellt werden. • D e r Fragebogen darf nicht langweilen. • Durch Filterfragen sollte auf die jeweils zutreffenden Unterpunkte einer Frage hingelenkt werden. • Bei schriftlichen Befragungen ist auch auf die graphische Gestaltung und die Übersichtlichkeit des Fragebogens zu achten. • D e r Ausstrahlungseffekt der unmittelbar vorher gestellten Fragen und der Plazierungseffekt für die jeweiligen Fragenkomplexe ist zu berücksichtigen. • Fragen zu Handlungsabsichten, Einstellungsfragen, Fragen zu hypothetischem Verhalten, Meinungsfragen sollten weitgehend vermieden werden. Hinsichtlich der F o r m der Fragen unterscheidet man zwischen o f f e n e n Fragen und g e s c h l o s s e n e n F r a g e n . D i e o f f e n e F r a g e überläßt d e m B e f r a g t e n d i e F o r m u l i e r u n g s e i n e r A n t w o r t in e i g e n e n W o r t e n . D i e g e s c h l o s s e n e Frage gibt d e m B e f r a g t e n f e s t e A n t w o r t m ö g l i c h k e i t e n vor, z . B . „ja - n e i n " , „ist wichtig - ist unwichtig".

Welche Chance haben Wissenschaftliche Dokumentarinnen in Ihrem Betrieb/Unternehmen hinsichtlich eines Arbeitsplatzes? - zum jetzigen Zeitpunkt sehr gute



gute

mittlere



geringe





keine



- voraussichtlich innerhalb der nächsten 3-5 Jahre sehr gute •

gute

mittlere •



geringe D

keine D

Abb. 5: Beispiel geschlossener Fragen (Lit. 19, S. 135) Teilweise w e r d e n A n t w o r t v o r g a b e n gemacht, die eine Rangordnung beinhalten, sog e n a n n t e R a t i n g s k a l e n ; d i e s k a n n verbal o d e r in graphischer F o r m ( Z e i c h n u n g , F l ä c h e n v e r g l e i c h , b e z i f f e r t e S k a l a ) e r f o l g e n . E i n i g e anschauliche B e i s p i e l e für R a t i n g s k a l e n z e i g t A b b i l d u n g 6 . D i e k o n k r e t e U m s e t z u n g v o n R a t i n g s k a l e n in e i n e r I n f o r m a t i o n s a n a l y s e zeigt A b b i l d u n g 7.

811

gqiaill mir Sfhf L St'mm· ganz und gar nicht lu. ist taisch t 1 0 1 Stimm» überhaupt n«cht l u J f

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1 2 j

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ι eines K o n l i n u u m

monopolars Skalen mit Z a h l e n v e r g a b e u. v e r b a l e r E x l r e m punktumschreibung

ι

Slimm« * nicht zu I

Stimm· g,v nicht »υ ι

monopolare Skala mil verbaler Umschreibung aller A n t w o r t a b s i u l u n g e n

Inlll nicht zu preis gOnslig 1

ooOOO

monopolare S k a l a mit graphischer UnterSKjlZung

L.

bipolare Skala 0

+1

+2

+3

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sehr sympathisch

senr unsympathisch -2

-1

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b i p o l a r e S k a l a mit graphischer UnterSlülzung

+3

gelallt (Zuslimmung)

würde ich kaufen

©

würde ich kaufen graphische Skala

|

würde ich kaufen f würde ich kaufen"! I

miniain (Ablehnung)

würde ich kaulen

I

würde Ich kaulen w4rrMfchkMiJtn

A b b . 6 : Typische B e i s p i e l e für Ratingskalen ( Q u e l l e : L i t . 0 5 , S . 7 2 )

1

Flachenskala

812

Kluck: Methoden der Informationsanalyse P l e a s e r a t e e a c h o f t h e f o l l o w i n g S T N E x p r e s s f e a t u r e s o n its e a s e of u s e , u s i n g the f o l l o w i n g scale: 1 = E a s y to use 2 = Somewhat easy to use 3 = Somewhat difficult to use Scale

4 = Difficult to use 5 = N o opinion or I don't use this feature

1

Documentation Installation Preferences Logon/Terminal Emulation for A c c e s s i n g S T N Logon/Terminal Emulation for A c c e s s i n g Other Services Guided Search Setup

2··

No Opinion 5 5 5

Script L a n g u a g e ( C o m m n a d Files) Structure Drawing ( M o u s e ) Stereo Structure Queries Query Refinement Export Transcript T I F F I m a g e Handling

A b b . 7 : A n w e n d u n g s b e i s p i e l e i n e r R a t i n g s k a l a ( Q u e l l e : S T N U s e r s P o l l 1995, S . 3 )

Machmal werden geschlossene Fragen um die Möglichkeit einer offen Antwortvorgabe ergänzt, z.B. „sonstiges, und zwar ..." oder „weitere Gründe, und zwar...". Solche Fragen werden auch Hybridfragen genannt. W h i c h O N E o f the f o l l o w i n g b e s t describes y o u r job function at y o u r current place of w o r k ? Practicing Scientist Manager/Group Leader/Supervisor Professor/Academic Faculty Member... Technician Patent Lawyer

1 2 3 4 5

Librarian/Library Manager Information Specialist/Scientist Research Assistant/Student Other (please specify)

6 7 8 9

A b b . 8: A n w e n d u n g s b e i s p i e l f ü r h a l b o f f e n e F r a g e n ( H y b r i d f r a g e n ) ( Q u e l l e : S T N U s e r s Poll 1995, S. 1)

„Nicht zuletzt erfordern offene Fragen einen erheblichen zusätzlichen Auswertungsaufwand insofern, als im nachhinein Auswertungskategorien (mit den dazugehörigen Merkmalsausprägungen) gebildet werden müssen. Da hierbei in aller Regel auch wieder Zusammenfassungen von Antwortmustern vorgenommen werden müssen, um eine quantifizierende Analyse zu ermöglichen, sollte die Verwendung gut konzeptualisierter, theoretisch begründeter und durch einen Pretest geprüfter geschlossener Fragen vorgezogen werden." (Lit. 33, S. 341)

F 4.6 Spezielle Probleme wichtiger Untersuchungstechniken F 4.6.1.2

813

Schriftliche Befragung

Bei der schriftlichen Befragung entfällt die persönliche Kommunikation zwischen Interviewer und Befragtem; sie ist ein indirektes Verfahren der Kommunikation. Gegenüber dem mündlichen Interview ist die schriftliche Befragung wesentlich kostengünstiger. Dies ist besonders bedeutsam, wenn die Befragten räumlich weit verstreut sind oder die Zahl der Befragten sehr groß ist. Die schriftliche Befragung hat jedoch eine Reihe von Problemen, die ihren Wert beeinträchtigen können: • geringe Rücklaufquote von ca. 15% bis 40%, wobei nicht sicher ist, ob nicht die Ausfälle die Ergebnisse systematisch verzerren. • verzerrte Stichproben durch unbekannte oder fehlerhafte Adressen. • Unkontrollierbarkeit der Erhebungssituation, d. h. es ist nicht feststellbar, ob der Befragte tatsächlich selbst den Fragebogen ausgefüllt hat oder ob er die Reihenfolge der Fragen eingehalten hat. • die Motivation des Befragten kann nur durch das Anschreiben und den Fragebogen selbst erreicht werden, d.h. Fragebogengestaltung, Fragebogenlänge, Frageart und Frageinhalt sind stärker begrenzt als bei der mündlichen Befragung. • die Beantwortung ist selbst bei genereller Antwortbereitschaft nicht bzw. nicht zeitgerecht bis zum Abschluß der Auswertung sichergestellt.

Dagegen hat die Länge des Fragebogens offensichtlich keinen negativen Einfluß auf die Antwortrate, solange der Fragebogen maximal zwölf Seiten lang ist und die Zahl der Items kleiner als 125 ist. (vgl. die Hinweise dazu in Lit. 09, S. 50) Wesentlich bedeutsamer sind die Gestaltung und der Inhalt des Begleitschreibens zur Befragung. Das Schreiben soll die Befragten über Inhalt und Ziel der Befragung informieren und die Wichtigkeit der Teilnahme aufzeigen. Um die Motivation zu erhöhen, sollte ein persönlich adressierter (Anschrift, Anrede) und vom Untersuchungsleiter original unterschriebener und auf dem Kopfbogen der Institution gedruckter Begleitbrief verfaßt werden. Folgende Elemente sollte also das Begleitschreiben enthalten: • • • • •

die untersuchende Institution und den Auftraggeber, Inhalt, Zweck und Ziel der Befragung, Art der Auswahl der Befragten, Betonung der Wichtigkeit der Befragung und Überzeugung zur Beantwortung der Fragen, überzeugende Zusicherung der Vertraulichkeit der Datenerhebung und Datenaufbereitung sowie der Gewährleistung der anonymisierten Datenanalyse, • Dank für die Mitarbeit, • gegebenenfalls das Angebot, den Befragten die Ergebnisse oder Informationen über die Form der Veröffentlichung zukommen zu lassen.

Die schriftliche Befragung eignet sich besonders als Untersuchungsverfahren • "je mehr Interesse am Untersuchungsthema von den Auskunftspersonen zu erwarten ist, • je homogener die Zielgruppe ist und je weniger bildungsbedingte Schwierigkeiten (Lese-, Verständnis-, Schreib- und Formulierungsschwierigkeiten, Reaktionshemmnisse usw.) zu befürchten sind, • je quantitativer der Charakter der zu erhebenden Daten ist, • je weniger Frageverzweigungen erforderlich sind,

814

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

• je mehr sich die Fragen streng systematisieren lassen (geschlossene Fragen, einfache Antwortmöglichkeiten)" (Lit. 05, S. 107)

Das Kodebuch oder der Kodeplan sollte zu demselben Zeitpunkt fertiggestellt sein wie der Fragebogen. Im Kodebuch sind die Fragenummern, die Fragetexte, die Variablennamen, die Antwortvorgaben und die den Antwortvorgaben zugeordneten Werte (u. a. auch die Werte für „weiß nicht", „keine Angabe") festzuhalten. Organisatorisch sind die Kontrolle des Rücklaufs und die Durchführung von Nachfaßaktionen bei den Befragten, die noch nicht geantwortet haben, von großer Wichtigkeit.

F 4.6.1.3

Telefonnmfrage

Die Telefonumfrage ist eine - in der Regel standardisierte - Befragung, bei der das Interview nicht in einer Situation von Angesicht zu Angesicht erfolgt, sondern mittels des Telefons. Spezielle Probleme des Telefoninterviews sind die Auswahl, die Ziehung der Stichprobe, die Ausfälle und zusätzliche Anforderungen an die Fragebogenkonstruktion und an die Führung des Interviews. Als Medium der Interaktion steht nur die Sprache zur Verfügung; eine Unterstützung durch Visualisierung z.B. der Anwortalternativen besteht nicht. Die Sprachkompetenz der Interviewpartner spielt eine noch stärkere Rolle als beim Face-to-face-Interview oder bei der schriftlichen Befragung. Hinsichtlich der Auswahl sind die Ausstattung der Haushalte eines Landes mit Telefonanschlüssen und die Verzerrungen bei der Verteilung auf die Haushalte zu berücksichtigen: z. B. sind Arme, Junge, Kranke, Behinderte, Schichtarbeiter signifikant geringer in Telefonumfragen vertreten (vgl. Newell in: Lit. 12, S. 97 f). Die Stichprobenziehung erfolgt entweder durch Random-Digit-Dialing (Generierung von Telefonnummern aus zufälligen Zahlenkombinationen) oder durch Auswahl der Stichprobe mit Hilfe eines Telefonbuches und anhand eines einfachen Zahlenschlüssels (ausführlich in Lit. 09 und Lit. 11). Bei der Telefonumfrage muß in besonderer Weise die Bereitschaft des Angerufenen zur Teilnahme am Telefoninterview geweckt werden. Das gesamte Interview muß vom Befragten und vom Interviewer leicht zu handhaben und zu verfolgen sein. Andererseits ermöglicht das Telefoninterview den unmittelbaren Einsatz von Computerprogrammen (CATI = computer assisted telephone interview system), was den Aufwand für die Erhebung und für die Auswertung erheblich verringern kann (siehe insbesondere Lit. 11).

F 4.6.2

Persönliche Interviews

Das persönliche Interview ist ein reaktives Meßinstrument das in einer asymmetrischen Kommunikationssituation angewandt wird (vgl. Lit. 23, S. 301). Für den Erfolg des Interviews ist eine intensive Interviewerschulung eine wichtige Voraussetzung. Die Interviewerschulung sollte folgende Aspekte umfassen: die Ziele und In-

F 4.6 Spezielle Probleme wichtiger Untersuchungstechniken

815

halte der Untersuchung, die Methoden der Auswahl der Befragten, die Erläuterung des Fragebogens (alle Fragen, Filterfragen, Besonderheiten einzelner Fragekomplexe), die Sicherstellung der Vertraulichkeit und Anonymität, das Verfahren der Kodierung geschlossener Fragen und der Notierung offener Fragen, die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit den zu befragenden Personen, die Vorstellung und Begründung der Untersuchung gegenüber dem Befragten, Verhaltensregeln für die Interviewsituation (Neutralität, non-verbales Verhalten, Vermeidung von systematischen Verzerrungen) (vgl. Lit. 08, S. 112 f). Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten von Antwortverzerrungen, die sich zwei Hauptursachengruppen zuordnen lassen: 1. der Zustimmungstendenz, 2. den sozial erwünschten Antworten (vgl. Lit. 33, S. 386 ff). Dieser Gefahr der Verzerrung sollte möglichst vorgebeugt werden.

F 4.6.3

Gruppendiskussion und Gnippeninterview

Nach dem Schema von Kromrey (siehe Abbildung 4) wird nur das nicht-standardisierte Gespräch in einer Gruppensituation als Gruppendiskussion bezeichnet. Im allgemeinen wird in der Literatur nicht so streng zwischen standardisierten, teilstandardisierten und nicht-standardisierten Befragungssituationen für Gruppen getrennt, obwohl dies wünschenswert wäre. Im folgenden beziehen wir uns auf das teilstandardisierte Gruppeninterview, das als Gruppendiskussion bezeichnet wird. „Die Gruppendiskussion ist eine in der Markt- und Sozialforschung häufig angewendete Kreativtechnik, bei der etwa sechs bis acht Personen unter Betreuung eines Diskussionsleiters über ein festgelegtes Thema anhand eines Gesprächsleitfadens diskutieren. Die Gruppendiskussionen sollen einen ersten Einstieg in einen Problembereich ermöglichen, sie dienen der Informationssammlung und können gleichzeitig zu einer gemeinsamen Problemlösung führen. Die Diskussionsergebnisse sind nicht quantifizierbar und können auch nicht repräsentativ für alle tatsächlichen und potentiellen Benutzer des untersuchten Fachbereichs sein. Wir haben hier aber ein Instrument zur Verfügung, das kostengünstig und schnell Einstellungen, Motive und Meinungen ermittelt, die auch eine IuD-Stelle mit häufigem Nutzerkontakt nicht alle selbst erfahren kann. Außerdem sind Gruppendiskussionen eine notwendige Vorbereitung zur Fragebogenerstellung einer repräsentativen Benutzerbefragung." (Lit. 15, S. 143 f) „Die Teilnehmer wurden nach Merkmalen wie Fachbereich, berufliche Tätigkeit, Funktion und Ausbildungsniveau ausgewählt. Eine Homogenität der Gruppen wurde in dem Maße angestrebt, daß ein gemeinsames Problemverständnis bei allen Teilnehmern gewährleistet war. Heterogenität ist in bezug auf einige statistische Merkmale erforderlich, um unterschiedliche Standpunkte erfahren zu können." (ebd. S. 144) Um eine Beeinflussung zu vermeiden darf der Diskussionsleiter keinesfalls Kritik oder Wertungen äußern. Er soll versuchen, die Diskussion um das vorgegebene Thema zu zentrieren und alle Teilnehmer zu Wort kommen zu lassen.

816

F4.7

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

Anwendungsfälle in der Informationspraxis

Anhand mehrerer Beispiele sollen die Einsatzmöglichkeiten empirischer Verfahren in der betrieblichen Praxis und bei der Planung von Informationsstellen illustriert werden. Die dargestellten Fälle sind realen Situationen und Analysen entlehnt, so daß der Praxisbezug deutlich wird. Andererseits werden sie in der Realität nicht immer so systematisch vorbereitet und durchgeführt, wie es den vorher diskutierten Verfahren angemessen wäre. Die Beispiele beziehen sich auf die Bereiche Benutzer- bzw. Rezipientenforschung, Marktforschung, Informationsbedarfsanalyse und Kommunikationsanalyse.

F 4.7.1

Benntzerforschung

„Benutzerforschung sollte den Lebensweg von Informationsprodukten beziehungsweise Informationsdiensten begleiten. Sie kann erste Anregungen geben, sie liefert Entscheidungshilfen im Planungsstadium und kontrolliert dann, ob, wo und wie sich der geplante Erfolg tatsächlich eingestellt hat." (Lit. 15, S. 154) Die Benutzerforschung richtet sich auf die Analyse unterschiedlicher Problemkomplexe; einige seien hier beispielhaft aufgeführt (vgl. auch Lit. 32, S. 1021 f): • Informationsflußstudien • Studien zur Benutzungssituation • Benutzerstudien: soziostrukturelle Untersuchungen zur Zielgruppe, Definition von Benutzertypen • Studien zur Zielgruppe der Nicht-Nutzer von bestimmten Informationsdienstleistungen • Studien über Struktur und Verhaltensgewohnheiten von potentiellen oder tatsächlichen Benutzern • Untersuchungen der Benutzerzufriedenheit und der Benutzerfreundlichkeit, auch in Bezug auf die Softwareergonomie • Analysen des Benutzerbedarfs • Studien zu Nutzungsbarrieren • medienbezogene Studien zur Leistungsfähigkeit von einzelnen Informationsdienstleistungen • Multiplikatorenforschung.

Ein konkretes Beispiel sinnvoller, anwendungsbezogener Benutzerforschung ist die Befragung der Abonnenten eines gedruckten SDI-Dienstes (SDI = selective dissemination of information; im deutschen Sprachgebrauch auch als Profildienst bezeichnet). Um festzustellen, ob das Produkt in seiner formalen und inhaltlichen Gestalt sowie der Erscheinungsweise (Periodizität) den Bedürfnissen der tatsächlichen Käufer, soweit sie selbst die Endnutzer sind, oder der durch die Käufer versorgten Endnutzer entspricht, wurde an die Abonnenten des SDI-Dienstes ein Fragebogen versandt. Durch die Entscheidung, nur die Abonnenten und nicht die Gelegenheitskäufer einzelner Exemplare anzuschreiben, sollte die Homogenität der Befragten - nämlich im Hinblick auf ein auf längere Frist angelegtes Nutzungsbedürfnis - gesichert werden. Die schriftliche Befragung wurde als geeignetes Mittel angesehen, unterschiedliche Benutzergruppen (Einzelpersonen, Institute, Bibliotheken), die zudem

F 4.7 Anwendungsfälle in der Informationspraxis

817

über den ganzen deutschsprachigen Raum verteilt waren, gleichermaßen erreichen und ansprechen zu können. Der Fragebogen selbst enthielt nur eine geringe Anzahl von Fragen. Sie bezogen sich auf die bisherige Art des Produktes und auf mögliche neue Formen. In den Vorschlägen für die neue Form wurden bereits Anregungen aus dem Bereich der Bibliotheken aufgegriffen und ökonomische Zwänge berücksichtigt. Gleichzeitig sollte der Fragebogen der Imagepflege dienen: Anknüpfen an Nutzerwünsche, Beteiligung der Benutzer an der Entscheidung, allgemeine Kontaktpflege. Wenn auch der Rücklauf im Verhältnis zu sozialwissenschaftlichen Standards niedrig war, so verdeutlichte er doch die Bereitschaft der Kunden, sich an der Neugestaltung des Produktes zu beteiligen, und erbrachte erstmals empirisch ermittelte Erkenntnisse zu den Nutzungsgewohnheiten. Recht überzeugende Beispiele von gezielten, auf konkret Zwecke ausgerichteten Benutzerbefragungen gibt es inzwischen auch im Bereich öffentlicher Bibliotheken (vgl. Lit. 36 mit einer guten praxisorientierten Einleitung und konkreten Beispielen).

F 4.7.2

Marktforschung (Prodnktgestattiing, Verbesserung des Service, Qualftätsmanagement)

Ein interessantes Beispiel zur Nutzung der Auswahl der Befragten nach dem Konzentrationsverfahren ist eine Telefonumfrage bei den wichtigsten (= häufigsten oder den umsatzstärksten) Nutzern der Informationsvennittlungsstelle. Um einen Eindruck von der Bandbreite der Anwendung von Rechercheergebnissen, die im Auftrag von Kunden durch die Informationsvermittlungsstelle erstellt wurden, zu erhalten, wurden nur die umsatzstärksten Mehrfachkunden befragt, d. h. die Auswahl der Befragten erfolgte nach dem Konzentrationsprinzip. Damit war die große Zahl der Einzelnutzer ausgeschlossen, deren Interesse sich oft schon direkt aus ihrem Status (Student, Doktorand, Forschungsinstitut) ergab. Untersuchungsziel war es, zu erfahren, für welche Verwendungszwecke die Mehrfachkunden die Ergebnisse benutzen und welche Kritik oder Anregungen von ihrer Seite kommen. Gleichzeitig sollte auch hier eine Imagepflege bei einem festen Kundenstamm erfolgen. Der Verwendungszusammenhang war eine Legitimation gegenüber den Aufsichtsgremien des Institutes dafür zu erhalten, daß die Aufgabe als Informationsvermittlungsstelle wahrgenommen wurde. Die Telefonumfrage bot sich als Instrument an, weil die Zahl der Befragten klein war und weil kurzfristig Ergebnisse vorgelegt werden sollten. Die Befragung wurde durch einen Interviewleitfaden und die telefonische Vorankündigung und Terminabsprache vorbereitet. Die Befragten waren fast ausnahmslos zur Teilnahme bereit und zeitlich auch in der Lage. Die Ergebnisse haben einen ersten empirischen Eindruck von den Verwendungszusammenhängen ergeben und führten zu einigen Überlegungen, wie diese Dienstleistung verbessert werden könnte. Die Ziele der Imagepflege und der Legitimation der eigenen Aufgabenstellung konnten erreicht werden.

818 F 4.7.3

Kluck: Methoden der Informationsanalyse Informationsbedarfsanalyse

In der Phase der Planung der Informationssysteme im Rahmen des ersten IuD-Programms der deutschen Bundesregierung wurden u. a. das Informationsverhalten und der Informationsbedarf von Juristen untersucht. Zur Vorbereitung der Untersuchung wurden Gruppendiskussionen mit Richtern und Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Professoren, Dozenten, Assistenten und Studenten der Rechtswissenschaft, Verwaltungsjuristen sowie Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern durchgeführt. „Aufgabe der Gruppendiskussion war es, Einstellungen, Präferenzen und Vorbehalte von Juristen zu bestimmten Problemen der fachlichen Informationsgewinnung, -aufbereitung, und -Verarbeitung qualitativ zu erfassen. ( . . . ) Die Gruppendiskussionen dienten der unmittelbaren anschaulichen Information und lieferten zudem Hypothesen und Fragestellungen, die später in normierten Interviews bei einem repräsentativen Sample von Juristen überprüft und quantifiziert werden konnten." (Lit. 16, S. 1) Nach einem Pretest wurde der Fragebogen überarbeitet. Um die Frage zu prüfen, welche Informationsquellen nutzen die Juristen, um fachlich auf dem laufenden zu bleiben, wurde u.a. die folgende Frage gestellt und anhand einer Liste mit einer vorgegebenen Einstufungsskala beantwortet: „Könnten Sie mir bitte anhand der obenstehenden Skala sagen, wie wichtig die einzelnen Informationsquellen für Sie persönlich sind, um fachlich auf dem laufenden zu bleiben?" (ebd. S. 129, Liste S. 112) Als Informationsquellen wurden benannt: (A) Fachzeitschriften, (B) Kommentare, (C) Lehrbücher, (D) Monographien, (E) Gesetz· und Verordnungsblätter, (F) Ergänzungslieferungen zu Gesetzessammlungen, (G) Entscheidungssammlungen, (H) Behördliche Umläufe, (J) Ministerialblätter, (K) Skripten, (L) Repetitorien, (M)Tkgespresse, (N) Vorträge, (O) Arbeitsgemeinschaften, (P) Dienstbesprechungen, (Q) Gespräche mit Kollegen, (R) Tagungen. Zur Einstufung der Wichtigkeit dieser Informationsquellen standen die folgenden Bewertungskriterien zur Verfügung: „(-3) völlig unwichtig, (-2), (-1), (+1), (+2), (+3) sehr wichtig". Die Untersuchung hat wichtige Entscheidungshilfen für den Aufbau des juristischen Informationssystems erbracht.

F 4.7.4

Kommunikatioiisanalyse (Informationsquellen, Informationswege)

Ein Beispiel für eine Untersuchung zum Zwecke des Information Resources Management in Form einer Kommunikationsanalyse ist ein Expertengespräch über die Gewinnung und Verwendung von Adreßdaten und -dateien in verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens. Hier ist die Methode des Expertengesprächs am sinnvollsten, da sowohl die Analyse der objektiven Zusammenhänge komplex ist als auch vorhandene Interessenkonflikte (z. B. Informationszurückhaltung aus Machtaspekten, Angst vor der Aufdeckung von Unzulänglichkeiten) beachtet werden müssen. Ein standardisiertes Interview, gleichgültig ob schriftlich oder mündlich durchgeführt, würde einerseits ein Antizipieren vieler noch offener Fragen erfordern und andererseits die vorhandenen Vorbehalte nur schwer aufbrechen können. Außerdem würde die Chance ver-

F 4 Literatur

819

tan, den Analysator als sensibles und - in diesem Kontext - einzig wirklich verläßliches Instrument zu nutzen (vgl. Lit. 40, S. 188). Im Expertengespräch kann flexibler auf die jeweiligen Befindlichkeiten der Akteure und die inhaltlichen Schwerpunkte eingegangen werden. Natürlich ist eine vorgängige Systematisierung der relevanten Problembereiche erforderlich, aber eben nur als grober Leitfaden für die Gespräche mit den einzelnen Experten der verschiedenen Organisationseinheiten. Auf die Auswahl der Experten sollte große Sorgfalt verwendet werden, um einen problemadäquaten Querschnitt der Mitarbeiter (z.B. Vorgesetzte, Sachbearbeiter) einzubeziehen. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, die Befragung zunächst als Expertengespräch mit den einzelnen Abteilungen und in einer zweiten Runde, gestützt auf die Auswertung der ersten Gespräche, als Gruppendiskussion in der Gesamtheit aller beteiligten Experten zu fuhren, um die Ergebnisse zu verdichten, zu validieren und ein kooperatives Klima für die spätere Implementation einer Systemlösung zu schaffen. Dieses Vorgehen wäre der Delphi-Methode angenähert (vgl. Lit. 34 und Lit. 28 als neuere Studie, die mit Hilfe der Delphi-Methode durchgeführt wurde). Eine solche empirische Basis, die auf formalisierten Gesprächen und einem definierten Adressatenkreis beruht, kann verläßlichere Informationen bieten als Gespräche mit beliebigen Gesprächspartnern in unterschiedlichen, nicht kontrollierten Gesprächssituationen. Durch das nachprüfbare Verfahren kann die Akzeptanz der Ergebnisse erhöht und ein einigermaßen verläßlicher Einblick in die Herkunft der Informationen, ihre Verarbeitung und ihre Einsatzzwecke gewonnen werden. Ein anderes Beispiel dafür, wie bei explorativen Studien qualitative und quantitative Verfahren verbunden werden, stellt die Untersuchung von Kovacs/Robinson/ Dixon (Lit. 21) dar: Die Analyse der Nutzung von elektronischen Konferenzen wurde via E-Mail durchgeführt und der elektronische Fragebogen enthielt eine große Zahl offener Fragen. Es werden im Ergebnis Tfrendaussagen zum Nutzen, zur Nutzung und zu den Nutzern elektronischer Konferenzen im BID-Bereich gemacht.

Literatur 01. Heine von Alemann: Der ForschungsprozeB. Eine Einführung in die Praxis der empirischen Sozialforschung. Stuttgart: Teubner 1977 (Teubner Studienskripten Bd. 30) 02. Peter Atteslander, Christiane Bender, Jürgen Cromm, Busso Grabow, Gisela Zipp: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: de Gruyter 1991 (7. neu bearb. Aufl.) (Sammlung Göschen, Bd. 2100) 03. Wilhelm Baum, Kay E. Gonzälez: Karl R. Popper. Berlin: Morgenbuch Verl. 1994 (Köpfe des 20. Jahrhunderts, Bd. 126) 04. Hans Benninghaus: Einführung in die sozialwissenschaftliche Datenanalyse. München: Oldenbourg 1991 (2., völlig Überarb. Aufl., mit Diskette) 05. Ludwig Berekoven, Werner Eckert, Peter Ellenrieder: Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: Gabler 1991 (5., durchges. u. erg. Aufl.) 06. Ralf Bohnsack: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in die Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1991

820

Kluck: Methoden der Informationsanalyse

07. Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS), Berufeverband Deutscher Soziologen (BDS) (Hrsg.): Ethik-Kodex. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 45. Jg., 1993, H. 1, S. 190-194 08. Floyd J. Fowler: Survey Research Methods. Newbury Park: Sage 1993 (2. Aufl.) (Applied Social Research Methods, Vol. 1) 09. James H. Frey, Gerhard Kunz, Günther Lüschen: Telefonumfragen in der Sozialforschung. Methoden, Techniken, Befragungspraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag 1990 10. Jürgen Friedrichs: Methoden empirischer Sozialforschung. Reinbeck: Rowohlt 1973 (rororo Studium, Bd. 28) [neue Auflage: 14. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag 1990 (WVStudium, Bd. 28)] 11. Marek Fuchs: Umfrageforschung mit Telefon und Computer. Einführung in die computergestützte telefonische Befragung. Weinheim: Beltz 1994 12. Nigel Gilbert (Hrsg.): Researching Social Life. London: Sage 1993 13. Ute Hanefeld: Das sozio-ökonomische Panel. Grundlagen und Konzeption. Frankfurt am Main: Campus 1987 (Sozioökonomische Analysen für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1) 14. Günter L. Huber (Hrsg.): Qualitative Analyse. Computereinsatz in der Sozialforschung. München: Oldenbourg 1992 15. Knut Jungjohann: Erfahrung und Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen. In: Stegemann/Funk (Lit. 37) 1980, S. 140 - 154 16. Knut Jungjohann, Ulrich Seidel, Werner Sörgel, Sigmar Uhlig: Informationsverhalten und Informationsbedarf von Juristen. Eine Erhebung von Infratest Sozialforschung, München, im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung. Teil 1: Analyse-Band. Berlin: Schweitzer 1974 (Datenverarbeitung im Recht, Beiheft 2) 17. Udo Kelle: Empirisch begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer Sozialforschung. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1994 (Status Passages and the Life Course, Vol. 6) 18. Gerhard Kleining: Qualitativ-heuristische Sozialforschung. Schriften zur Theorie und Praxis. Hamburg: Fechner 1994 19. Michael Kluck, Thomas Seeger: Qualifikation und Bedarf im Berufefeld der Informationsarbeit. Eine Befragung von Arbeitgebern aus den Berufsbereichen Dokumentation, Information, Informationsvermittlung und Informationswirtschaft. Potsdam: 1993 (Universität Potsdam, Informations Wissenschaft, Modellversuch BEI iL), Bericht Nr. 2) 20. Heinz Koch: Fehlerminimierungsstrategien bei der sozialwissenschaftlichen Datengewinnung am Beispiel der postalischen Befragung in einem epidemiologischen Forschungsbereich. Ein Leitfaden für Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, Epidemiologen und Mediziner. Bochum: Brockmeyer 1993 (Aus der Praxis empirischer Sozialforschung) 21. Diane K. Kovacs, Kara L. Robinson, Jeanne Dixon: Scholarly Ε-Conferences on the Academic Networks. How Library and Information Science Professionals Use Them. In: Journal of the American Society for Information Science, 1995, Jg. 46, H. 4, S. 244 - 253 22. Klaus Krippendorff: Content Analysis: An Introduction to its Methodology. Beverly Hills: Sage 1980 (The Sage CommText Series, Bd. 5) 23. Helmut Kromrey: Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung. Opladen: Leske u. Büdlich 1991 (5. Überarb. u. erw. Aufl.) (Uni-Taschenbücher, Bd. 1040) 24. Siegfried Lamneck: Qualitative Sozialforschung. Band 1: Methodologie; Band 2: Methoden und Techniken. Weinheim: Beltz, Psychlogie-Verlags-Union 1993 (2., korrigierte u. erw. Aufl.) 25. M. Miller, H. Hurd: Conformity to AAPOR-Standards, In: Public Opinion Quarterly, Vol. 46,1982, S. 243 - 249

F 4 Literatur

821

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822 F5

Marketing für die Informationsvermittlung Stefan Grudowski

Dieser Aufsatz beschreibt mögliche Marketingmaßnahmen für das Leistungsangebot der Informationsvermittlungsabteilung (IVA) im innerbetrieblichen und außerbetrieblichen, unternehmens-externen Bereich. Beide werden hier kurz erörtert. Unter innerbetrieblicher Informationsvermittlung wird hier eine Berufstätigkeit verstanden, die darin besteht, zum einen in Medien, beispielsweise in Online-Datenbanken, CD-ROMs, Fachzeitschriften, Büchern und Verzeichnissen gezielt nach Informationen zu recherchieren, zum anderen von Institutionen wie Bibliotheken, Verbänden, Presseorganen, Fachtagungen und -messen, Unternehmen sowie Ämtern Informationen zu beschaffen und diese dann an die eigenen Beschäftigten weiterzuvermitteln. In der Regel schließt dieser Vermittlungsprozeß eine Bearbeitung der Information mit ein, die in der Dokumentation, Zusammenfassung, Bewertung, Verdichtung, der grafischen und inhaltlichen Aufarbeitung sowie der Ergänzung der beschafften Information mit eigenem Fachwissen besteht. Das Ergebnis der Bearbeitung der beschafften Information rechtfertigt es, von einem sog. Infonnationsprodukt zu sprechen, das als Produkt der Informationsvermittlungstätigkeit an den Informationsnutzer übergeben wird. Dieses Informationsprodukt kann im einfachsten Fall eine Literaturliste zu einem bestimmten Thema sein, die an ein Unternehmensmitglied weitergeleitet wird, das die Anfrage gestellt hat, „welche Literatur gibt es zu diesem bestimmten Thema?" In anspruchsvolleren Fällen kann das Informationsprodukt beispielsweise ein erarbeitetes Firmen-, Branchen-, Technologiedossier, ein Trendbericht, eine Marktanalyse oder eine Entscheidungsgrundlage für Entscheidungsträger im Management sein, die aus komprimiert zusammengefaßter Information besteht. Die Informationsvermittlung ist meist als innerbetriebliche Infonnationsveraiitt· lungsabteilung (IVA) institutionalisiert, die die Mitarbeiter des Betriebes mit Informationen versorgt. Möglich ist es auch, daß die innerbetriebliche IVA zudem Informationsdienstleistungen auf dem Markt öffentlich bzw. außerhalb des Unternehmens anbietet. Mit „Infonnationsmarketing" ist im Zusammenhang dieses Buches das Marketing für die eben angesprochene innerbetriebliche Informationsvermittlung bzw. für die daraus resultierenden Informationsprodukte gemeint. Das Marketing für diese Informationsvermittlung hat folgende Ziele: - ein für das Unternehmen spezifisches Informationsangebot zum richtigen Verrechnungspreis zu entwickeln; - die Informationsvermittlung und den betrieblichen Nutzen als Dienstleistung für die Unternehmensmitglieder, die keine Informationsfachleute sind, publik zu machen; - die entstehenden betrieblichen Kosten für die WA zu rechtfertigen; - die Informationsdienstleistung mit marketingorientierten Serviceleistungen intern wie auch extern zu ergänzen sowie - eine gute Auslastung der IVA zu erreichen, d.h. nicht zu wenig Informationsnachfrage im Unternehmen zu haben, aber auch nicht mehr Informationsaufträge zu erhalten, als von der zur

F5.1 Informationsangebotspolitik

823

Verfügung stehenden Arbeitszeit und der Qualifikation der Mitarbeiter her machbar ist (Informationsnachfragesteuerung).

Im Rahmen der innerbetrieblichen Informationsvermittlung ist es auch eine Marketingaufgabe, über die spezifischen Probleme der Informationsvermittlung aufzuklären und für diese Verständnis zu gewinnen, damit die fachspezifischen Probleme nicht als Schwächen ausgelegt werden. So gibt es beispielsweise den Erklärungstatbestand, wenn trotz sorgfältiger Recherche keine oder nicht ausreichende Informationen gefunden wurden, dem Nutzer aber trotzdem ein Verrechnungspreis für die Informationssuche berechnet werden mußte. Die Marketingziele schließen damit eine Leistungsübersicht, eine Angebots-, Vertriebs-, Preis- und Kommunikationspolitik, wie auch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit mit ein.

F5.1

Informationsangebotspolitik

Die Informationsangebotspolitik orientiert sich an der Frage „Welche Informationsleistungen bzw. Problemlösungen sollen angeboten werden?" Die Informationsangebotspolitik umfaßt somit alle Entscheidungstatbestände hinsichtlich der Dienstleistungen und Informationsprodukte die den Nutzern/Kunden angeboten werden. Dazu gehört, Entscheidungen über Neuentwicklung, Differenzierung, Änderung sowie Eliminierung von Informationsprodukten und Informationsdienstleistungen zu fällen. Der Marketingbegriff wird manchmal falsch verstanden, indem manche im Marketing eine besonders intensive, wenn nicht sogar raffinierte Verkaufs- und Werbemethode sehen. Nach einem richtigen Marketingverständnis können auf Dauer aggressive Verkaufs- und Werbemethoden versagen, wenn Produkte am Markt bzw. an den Bedürfnissen des Unternehmens vorbei produziert werden.

F 5.1.1

Stimmt das Fit zwischen möglichen nnd erwarteten Informationsangeboten?

Der erste Ansatzpunkt für ein erfolgreiches Marketing ist, ein zielgruppenspezifisches Informationsangebot zu entwickeln. Das setzt ein sog. Fit („Fit'Vpassend bzw. „Misfit'Vnicht passend stellen zentrale Begriffe des situativen Managementansatzes dar. Sie geben an, ob zwei Variablengruppen - wie hier leistbares Informationsangebot - übereinstimmen oder nicht.) zwischen den von der IVA leistbaren und den von der Zielgruppe erwarteten Informationsangeboten voraus. Die möglichen und üblichen Informationsangebote einer IVA reichen von der Buchbeschaffung über Online-Recherchen und der Bereitstellung von Dokumentationen bis hin zur Erstellung verschiedenartiger Reports (vgl. Abb. 1). Die Qualifikationsprofile der Mitarbeiter einer IVA umfassen das Spektrum vom Bibliothekar, über den OnlineRechercheur, Dokumentär bis hin zum Informationsspezialisten für bestimmte Fachgebiete (vgl. Abb. 1). Die Abb. 1 stellt ein Diagramm dar, welches dieses Spektrum von Angebot und Qualifikation differenziert darstellt: Die Vierecke in der

824

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

Mitte stellen exemplarisch Angebote dar, die von der Qualifikation der Mitarbeiter einer fiktiv angenommenen IVA möglich sind. Die Kreise stellen das von einem fiktiv angenommenen Unternehmen gewünschtes Angebot dar. Während in Abb. 1 das hinsichtlich der Qualifikation mögliche Informationsangebot (Vierecke) und das vom Unternehmen gewünschte Angebot (Kreise) zum Teil auseinander liegen, würde ein gelungenes Fit zwischen beiden einen engeren Zusammenhang zeigen. Es ist ersichtlich, daß die IVA langfristig nur ein für das Unternehmen befriedigendes Informationsangebot anbieten kann, wenn ein solches Fit besteht. Außerdem ist ersichtlich, daß die Informationsangebotspolitik einer IVA mit Weiterbildungsmaßnahmen und Personalpolitik zusammenhängt. Man wird von einem in einer IVA angestellten Bibliothekar nicht erwarten können, daß er Marktstudien erstellt, weil er hierfür nicht ausgebildet ist. Auf der anderen Seite kann sich der OnlineRechercheur, der bis dahin Datenbankrecherchen gemacht hat und seine Rechercheergebnisse mit der Textverarbeitung grafisch aufgearbeitet hat, zum Ersteller kompletter und inhaltlich aufbereiteter Reports weiterentwickeln. Eine IVA sollte auch stetig Freiräume zum Ausprobieren der Erstellung neuartiger Informationsprodukte nutzen, um ihre Leistungsfähigkeit zu testen und ihren Nutzern diese neuen Produkte zur Diskussion vorlegen zu können.

Buchbeschaffung und Literaturlisten bzw. Buchvorschläge

Datenbank inhalte und Dokumentationen

OnlineRechercheergebniese mit Textverarbeltung

Reports, Marktstudien, D o s s l e r J

Komprimierte Entscheidungsgrundlagen für das Management

Abb. 1: Qualifikations- und Informationsnachfrageprofil der IVA

F 5.1.2

Sind die Infonnationsprodnkte klar definiert?

Information ist ein komplexer von Fall zu Fall unterschiedlich definierter Sachverhalt. Fragt man im Unternehmen Unternehmensmitglieder, was sie unter einer „idealen Information", die ihre Informationsprobleme lösen kann und sollte, erwarten, stellt man in der Regel verblüfft fest, wieviel unterschiedliche Vorstellungen

F5.1 Informationsangebotspolitik

825

und Definitionen man vorgetragen bekommt. Häufig besteht eine Diskrepanz zwischen den Informationswünschen des einzelnen Unternehmensmitglieds und der leistbaren Information durch die IVA, denn die IVA kann nicht jegliche Art von Informationsbedürfnissen im Unternehmen befriedigen. Sehr wichtig im Rahmen der Informationsangebotspolitik ist, eindeutig zu definieren, welche Information die IVA leistet und welche Art von Information sie nicht leisten kann. Dieses muß im Einverständnis mit den Informationsnutzern und allen Mitarbeitern der IVA geschehen. Am besten definiert man die Informationsprodukte anhand von praktischen, vorzeigbaren Beispielen. Stellt eine IVA dies nicht klar, bekommt sie häufig Anfragen, für die sie nicht zuständig ist bzw. die sie nicht beantworten kann, weil der Nutzer über deren Zuständigkeiten und Kompetenzen nicht Bescheid weiß. Dies ist auf Dauer ein unerfreulicher Zustand, der dem Image der IVA und den dort arbeitenden Mitarbeitern schadet. Z.B. besteht beim Nutzer oft der Eindruck, daß man über Online-Datenbanken jegliche Informationen findet, wie zum Beispiel die „Durchschnittstemperatur in verschiedenen Regionen Rußlands zu unterschiedlichen Jahreszeiten". Dieser Eindruck wird zunächst verstärkt, wenn der angesprochene Onlinerechercheur tatsächlich versucht, eine derartige Anfrage durch Datenbank-Recherchen nach der THal-und-Error-Methode zu beantworten. Findet der Rechercheur nach ca. einer Stunde Arbeit die Antwort nicht, sind Arbeits- und Datenbankkosten entstanden und es wurde Zeit verloren. Der Anfrager ist deshalb unzufriedener, als wenn die IVA gleich bei der Anfrage gesagt hätte, daß sie hierauf keine Antwort geben kann, sondern statt dessen ein anderer Experte konsultiert werden müßte. Der Informationsvermittler darf nicht in die Lage versetzt werden, daß es im Unternehmen heißt, er könne als Informationsspezialist jegliche Art von Information beschaffen. Häufig entsteht durch laienhafte Vorstellungen von Nutzern solch ein falsches Verständnis, dem durch Aufklärung unbedingt Abhilfe geschaffen werden muß. Auf der anderen Seite können die Nutzer bzw. Unternehmensmitglieder von dem Informationsspezialisten verlangen, daß sie über die Möglichkeit und Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung klare Antworten und Begründungen bekommen. Die Definition der Informationsprodukte einer IVA ist nicht einfach und viele Informationsfachleute schrecken davor ein wenig zurück: zum einen befürchten sie, daß, wenn sie mit offenen Karten spielen, die leistbare Information zu eng definiert im Räume steht und die Unternehmensführung annimmt, daß der Anteil der Information von der im Unternehmen benötigten Information in Wirklichkeit zu klein ist. Zum anderen scheuen sich IVAs oft, feste Standardprodukte zu definieren, weil dies aufgrund der Vielzahl von Informationsquellen - insbesondere Online-Datenbanken - sehr schwer ist. Der Verfasser kann jedoch allen IVA-Managern raten, zumindest 50% als abgrenzbare Informationsangebote, besser noch als Standardangebote für den Informationslaien klar zu definieren. Das Ziel sollte sein, daß der Nutzer in 50% seiner Informationsanfragen eine gute Vorstellung hat von den Informationen, die er bekommt und den Informationsquellen, die für seine Informationsrecherche genutzt werden können.

826 F 5.1.3

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung Ist die Zielgrnppe genauestens bekannt?

Der zweite Schritt ist die Zielgruppenanalyse. Um ein effektives Informationsangebot für das Unternehmen entwickeln zu können, ist es notwendig die Zielgruppen der IVA genau zu analysieren. Bei der Zielgruppenanalyse ist es wichtig zwischen der faktischen Zielgruppe, also der bestehenden Nutzerschaft und der potentiellen Zielgruppe, den möglichen Nutzern zu unterscheiden. So ist möglich, daß eine IVA die Hauptzielgruppe im mittleren Management und bei Ingenieuren der F+E-Abteilung hat, das Top-Management jedoch die IVA nicht nutzt. Hier ist die Frage, ob auch das Top-Management eine potentielle Zielgruppe bei einem veränderten Informationsangebot sein könnte. Nur wenn man die Zielgruppen, ihre Informationsbedürfnisse, ihren Kenntnisstand bezüglich der Informationsversorgung und ihre übliche Arbeitsweise studiert, kann ein gutes Informationsangebot geleistet werden. Zielgruppen für IVA werden analog der Organisationsstruktur des Unternehmens gegliedert und nach der jeweiligen Nutzungshäufigkeit. Das Erstellen eines Diagramms, wie es im Ansatz Abb. 2 zeigt, stellt dafür den Ausgangspunkt dar. Ein solches oder ähnliches Diagramm sollte jede IVA erstellt haben. Es ist auch eine Hilfe, bei Bedarf der Unternehmensführung über die Nutzerschaft und -Intensität der IVA übersichtlich Auskunft zu geben. In den meisten Fällen sind IVAs gut beraten, klare Zielgnippen zu definieren und diese mit der Unternehmensführung zu diskutieren. Man kann allerdings aufgrund der Vielfältigkeit der Informationsmöglichkeiten es nicht jeglicher anfragenden Person im Unternehmen rechtmachen, sondern muß klare Schwerpunkte hinsichtlich der Befriedigung einzelner Zielgruppen setzen.

Nutzungshäufigkeit groß

weniger wichtig als potentielle Zielgruppe

Nutzungshäufigkeit niedrig Abb. 2: Beispiel einer Zielgruppen-Darstellung

F5.1 Informationsangebotspolitik

827

Für umfangreiche Zielgruppenanalysen können die Methoden der sog. Benutzerforschung und Informationsbedarfsanalyse (siehe Kapitel F4) genutzt werden. Speziell für den IuD-Bereich ist die sog. Benutzerforschung (moderner: Nutzerforschung) von der Informationswissenschaft als Methode entwickelt worden. Sie stellt in einigen Teilen eine Konkretisierung der Marktforschung hinsichtlich spezieller IuD-Fragestellungen dar. Die Benutzerforschung ist ein Hilfsmittel zur Erforschung der Kundenwünsche bzw. Informationsnutzerwünsche und des Informationsbedarfs von bestimmten Zielgruppen. Aus den Ergebnissen einer Benutzerforschung kann eine Informationseinrichtung Rückschlüsse bezüglich der Verbesserung ihrer Produkte und Dienstleistungen ziehen. Sie erhält auch Informationen darüber, warum potentielle Nutzer keinen oder nur wenig Gebrauch von ihrem Angebot machen. Die Benutzerforschung als Methode besteht aus besonderen Anwendungsmöglichkeiten der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung für IuD-Einrichtungen. Auch hier stehen spezielle Fragebögen und Interviewtechniken im Vordergrund.

F 5.1.4

Informationen kaufen oder selber produzieren?

Aufgrund des wachsenden und anspruchsvoller werdenden elektronischen Informationsmarktes ergibt sich für die IVA eine neuartige Situation: Es gibt mehr und mehr Informationsanbieter mit spezialisierten Informationsdienstleistungen auf dem freien Markt, die den Angeboten einer betrieblichen IVA Konkurrenz machen, weil das Unternehmen die Wahl hat, die Information von der IVA zu beziehen oder von externen Informationsanbietern. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. So bietet z.B. die Firma „Disclosure" gescannte Geschäftsberichte von Unternehmen an. Diese recht kostengünstige Dienstleistung macht demjenigen Dokumentär bzw. Bibliothekar Konkurrenz, der eine eigene Sammlung von Geschäftsberichten im Unternehmen pflegt. So kann es kostengünstiger sein, Geschäftsberichte bei Bedarf gezielt anzufordern, als sie in der IVA in einer Sammlung von 1.000 Geschäftsberichten zu sammeln und permanent zu aktualisieren. Auch die innerbetriebliche Dokumentation von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln kann dadurch entfallen, daß man die Artikel bei Bedarf aus den entsprechenden Volltextdatenbanken ausdrucken läßt, die von den Medienkonzernen online angeboten werden. Es ergibt zunehmend weniger Sinn, Artikel aus Zeitungen auszuschneiden und nach Sachgebieten abzulegen, da diese schon durch die Volltextdatenbanken der Medienkonzerne elektronisch dokumentiert sind. Ahnlich sieht dies mit anderen gedruckten Informationsmedien aus. So brauchen in Zukunft zum Beispiel gedruckte Branchenberichte der Banken nicht mehr vollständig sortiert und abgeheftet zu werden, sondern können per Internet direkt und gezielt abgerufen werden. Ein neuer Ttend ist es, innerbetriebliche Informationsdienstleistungen auszugliedern, weil sie auf dem Informationsmarkt billiger oder besser eingekauft werden können. So kann eine IVA Konkurrenz von sog. Informationsbrokern oder Informationsagenturen bekommen, kann deren Angebot allerdings auch zum Komplettieren des eigenen Angebots nutzen. Eine neuartige Dienstleistung der IVA für das Unternehmen ist jedoch wiederum, die Auftragsabwicklung und Vertragsverhand-

828

Gnidowski: Marketing für die Informationsvermittlung

lung mit diesen externen Informationszulieferern für das eigene Unternehmen zu koordinieren. Die Dienstleistung „Informationseinkauf" liegt im Trend und erfordert Informationsspezialisten im Unternehmen, die das Informationsangebot auf dem freien Markt beobachten und dessen Qualität permanent bewerten. Die IVA muß also entscheiden, welche Informationsdienstleistungen und -produkte es im Sinne des Unternehmens besser selber produzieren oder wenn möglich kostengünstiger von externen Anbietern für das Unternehmen einkaufen sollte.

F 5.1.5

Paßt das vermittelte Informationsprodukt in den „CorporateInformation-Presentation-Style"?

In vielen Unternehmen wird daran gearbeitet, einen einheitlichen Präsentationsstandard bzw. -Stil für Information zu entwickeln. So gibt es in manchen informationsorientierten Unternehmen Handbücher mit Standardvorlagen und guten Beispielen für Präsentationsgrafiken. Ein neuer Trend dabei ist, Standardvorlagen für die Informationensverdichtung und Visualisierung für die Mitarbeiter elektronisch im Server bereitzustellen. Dies gilt insbesondere für Informationen, die eine gut und schnell lesbare Entscheidungsgrundlage für das Management sein soll. So ist es zum Beispiel im Unternehmen des Verfassers, bei Arthur D. Little, üblich, wichtige internationale Aktivitäten von Konzernen visuell mit einer vorformatierten Weltkugel darzustellen. Entsprechende Mustervorlagen mit Grafiken, ausfüllbaren Textfeldern und vorformatierten Überschriften usw., wie z.B. die Weltkugel, sind vom Archiv-Server am Arbeitsplatz abrufbar und als MS Powerpoint-Dateien entwickelt worden und brauchen nur noch mit dem Programm MS Powerpoint ausgefüllt zu werden. Besteht kein einheitlicher Stil, kann es die IVA auch als ihre Aufgabe ansehen, entsprechende Präsentationsformen für das Unternehmen zu entwickeln.

F 5.1.6

Besteht ein Qnalitätsmaßstab und eine Qualitätskontrolle?

Im Rahmen der Informationsangebotspolitik gewinnt das sog. Qualitätsmanagement an Bedeutung. Es dient dazu, die Qualität der Informationsprodukte aus der Sicht der Informationsnutzer zu definieren und Qualitätsforderungen der Nutzer bei Produktentwicklungen zu berücksichtigen. Die Qualitätsnormen werden also nicht allein von den Mitarbeitern der IVA festgelegt, sondern nach den Kriterien, die der Nutzer der IVA bzw. Kunde fordert. Gängige Qualitätskriterien sind: -

Schnelligkeit der Informations beschaffung für den Nutzer, Aktualität der Information, Relevanz der Information, nutzeispezifische Aus- bzw. Aufarbeitung der Information, gute Beratung und Serviceinformation sowie gute persönliche Beziehung zwischen den Informationsfachleuten der IVA und den Kunden.

Innerhalb der IVA ist es jedoch die Aufgabe, unabhängig von Kundenforderungen bestimmte Qualitätsakzente zu setzen, denn selten können alle geforderten Quali-

F 5.2 Preispolitik

829

tätsnormen gleich stark umgesetzt werden; vielmehr müssen sie gewichtet und unter Abwägung der Produktkosten und der Mitarbeiter- bzw. Arbeitszeitkapazität festgelegt werden. Wichtig ist vor allen Dingen, daß die Mitarbeiter der IVA übereinstimmende Qualitätsdefinitionen hinsichtlich der Informationsprodukte haben. Oft zeigt sich, daß bei einer Befragung der Mitarbeiter keine derartige gemeinsame Vorstellung über die Qualität der Information besteht; im Gegenteil bricht bei einer Adhoc-Befragung eine lebhafte Diskussion unter den Mitarbeitern der IVA aus, die dem externen Beobachter bzw. Befrager zeigt, daß keine Übereinstimmung über Qualitätsnormen der Information besteht. Auch besteht häufig keine genaue Erkenntnis über die Qualitätsvorstellungen der Informationsnutzer der IVA. Es ist deshalb sinnvoll, innerhalb der Weiterentwicklung von Informationsprodukten sog. Qualitätszirkel einzuplanen, die den Mitarbeitern der IVA sowie den Nutzern der IVA Gelegenheit zu einer Qualitätsdiskussion geben.

F5.2

Preispolitik

Im Rahmen des Marketings ist es wichtig, sich Gedanken über den Preis für Informationsangebote zu machen. Bei innerbetrieblichen IVA wird der Preis in Form eines internen Verrechnungspreises als Kosten auf Kostenstellen oder Kostenträger umgeschlagen oder von Projektetats abgebucht. Manche Unternehmen, wie beispielsweise Unternehmensberatungsfirmen, können auch Informationsprodukte externen Kunden berechnen. Sinnvoll ist es, den Preis einer Informationsdienstleistung ausgehend von der Arbeitszeit bzw. dem Stundensatz der an der Informationsdienstleistung beteiligten Mitarbeiter zu berechnen. Zusätzlich addiert werden können die Kosten, die für die Informationsbeschaffung aus externen Quellen entstehen. Angenommen, ein Informationsvermittler recherchiert eine Stunde in den Wirtschaftsdatenbanken von Genios mit einem Stundensatz von DM 200,- und wendet zusätzlich noch eine Stunde für die Auswertung und Bearbeitung der Informationen auf, dann entstehen Arbeitszeitkosten von DM 400,-. Addieren müßte man dann noch die Datenbankbenutzungskosten von Genios von ca. DM 200,- Anschaltzeit für diese eine Stunde und DM 100,- für die Dokumentenausdruckkosten. So kostet dann die Recherche schließlich ca. DM 700,-. Wie hoch der Verrechnungs- oder Marktpreis im jeweiligen Unternehmen sein sollte, ist nicht allein eine Marketingfrage, sondern auch eine Frage der Kostenrechnung des jeweiligen Unternehmens, in das die IVA eingebettet ist. Inwieweit diese Kosten innerbetrieblich umverteilt werden, sollte von Fall zu Fall entschieden werden, denn jedes Unternehmen hat hier unterschiedliche Verrechnungsmodi und interne Verrechnungspreise. Zudem kann die interne Kostenverrechnung ein Kontrollmechanismus sein: Das soll heißen, nur wenn andere Abteilungen des Unternehmens bereit sind, von ihrem Etat die IVA zu bezahlen, hat sie eine Existenzberechtigung. Denn wenn keine oder zu wenig Abteilungen bereit sind für die Information Geld zu zahlen, dann ist die Information diesen Abteilungen auch nicht viel wert. Die Preise für die Informationsprodukte einer IVA schwanken also zwischen

830

Grudowski: Marketing für die Infonnationsvermittlung

dem, was die Kostenrechnung des Unternehmens vorgibt und dem Marketinggesichtspunkt der Nachfragesteuerung. Für die IVA besteht die Möglichkeit, die Nachfrage durch innerbetriebliche Verrechnungspreise zu steuern. Bei dem oben angenommenen Beispiel wird sich ein Auftraggeber schon überlegen, ob er die IVA beauftragt und ihm diese zwei Stunden Datenbankrecherche die DM 700,- wirklich wert sind. Mitarbeiter können durch hohe Stundensätze von Trivialanfragen entlastet werden, denn nur wenn die Information wirklich wichtig ist und selber vom Anfrager nicht beschafft werden kann, wird der Auftraggeber den verhältnismäßig hohen Preis dafür bezahlen. Auf der anderen Seite können logischerweise hohe Stundensätze der IVA auch die Informationsnachfrage zu sehr einschränken. Ziel des IVA-Leiters sollte die volle, aber nicht übermäßige Auslastung der Abteilung sein. Erhebt die IVA keine Preise oder nur zu geringe, ist klar, daß sie unter Auftragsfülle erstickt, denn jedes Unternehmensmitglied würde versuchen, sich das Leben durch kostenlose Informationsbelieferung zu erleichtern. In dem oben genannten Stundensatz von DM 200,- könnte eine Profitspanne von 50%, also DM 100,- eingerechnet sein, so daß der IVA im oben geschilderten Beispiel, wo die Recherche ca. DM 700,- kostet, ein Gewinn von ca. DM 200,- bleibt. Als dritte Determinante wird der Preis vom freien Markt bestimmt, sofern vergleichbare Informationsdienstleistungen und -produkte auf dem Markt angeboten werden, was nur selten der Fall ist. Der Preis wird also zusammenfassend bestimmt durch - Ertragsziele (Kostendeckung, Umsatzsteigerung, Gewinnmaximierung), - im öffentlichen Bereich durch vorgeschriebene Gebühren bzw. Gebührenordnung, - Nachfragesteuerung (Erhöhung der Nutzerzahl durch niedrige Preise oder Begrenzung der Nachfrage durch hohe Preise oder Schutzgebühren), - Imageüberlegungen der IVA, - Make-or-Buy-Überlegungen und - Benchmarking (Vergleich mit dem, was in der Branche üblich ist und sich als erfolgreich erwiesen hat).

F 5.3

Distributionsplanimg

Die Distributionsplanung besteht darin, zu planen, wie die Information am besten und sinnvollsten zum Endnutzer gelangt. Die Distribution ist die Brücke, über die der Informationsaustausch zwischen der IVA und dem Endnutzer erfolgt, also eine wichtige Entscheidungsvariable für das Informationsmarketing. Im Rahmen der Distributionsplanung sind sieben grundsätzliche Entscheidungen zu fällen, die in den folgenden sieben Unterpunkten erläutert werden.

F 5.3 Distributionsplanung F 5.3.1

831

Welche Distributionstechnologien bzw. Medien sind für eine optimale Informationsdienstleistung notwendig?

Diese Entscheidung betrifft die Wahl der technischen Übermittlungsformen und Informationsmedien. Die Informationsmedien für eine IVA haben sich in den letzten Jahren vervielfältigt und werden sich in der Zukunft revolutionär wandeln. Neben Papier sind Diskette, Telefax, Datenaustausch über LANs bzw. Client-Server-/Archiv-Server-Netzwerke, CD-ROMs bzw. WORMS, Elektronischer Datenaustausch über Modems, und besonders E-Mail-Systeme, wie CC-Mail, Lotus-Notes oder Internet als Medien verwendbar. Mit CC-Mail lassen sich zum Beispiel weltweit Word-, Powerpoint oder Excel-Dateien zu verschiedenen Industriestandorten oder Unternehmensniederlassungen übermitteln. Längere Dokumente von vielleicht 40 oder mehr Seiten können mit diesem System schneller als mit Telefax übermittelt werden. Auch erlaubt die elektronische Übertragung die elektronische Weiterverarbeitung eines Dokuments unter Windows, z.B. mit MS Word-Textverarbeitung. IVAs sollten sich die elektronischen Übermittlungswege, insbesondere Internet, erschließen. International und informationsintensiv arbeitende Unternehmen wie z.B. die internationalen Unternehmensberatungsfirmen, nutzen ein Informations- und Kommunikationssystem, welches es ermöglicht, eine Information weltweit zwischen den Büros in über 30 Ländern austauschen zu können unter der Prämisse, daß es egal sein muß von wo, zu wem und zu welcher Zeit die Information ausgetauscht wird. Die Zukunft liegt darin, dem Nutzer Orts- und Zeitprobleme abzunehmen und

3000 öffentlich angebotene Fachintormationsdatenbanken Unternehmens-Interne Datenbanken

Nachrichtenagenturen

Computerkonfereruschaltungen

Abb. 3: Die Zukunft für den Vertrieb von Fachinformation: Egal von wo, zu welcher Zeit von diversen Online-Informationsbanken

832

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

einen eigenen Zugriff auf Online-Informationsquellen zu bieten, so daß er selbständig mit seinem Notebook Information gezielt abrufen kann. Die Vision ist, daß der Nutzer egal von wo und zu welcher Zeit mit seinem Notebook weltweit Online-Informationen von anwenderfreundlichen Hypermedien abrufen kann, und dies in Zukunft per Funk, das heißt kabellos, ähnlich der Mobilfunkkommunikation (vgl. Abb. 3). In Zukunft werden PCs standardmäßig mit eingebauten Modems ausgerüstet sein. ISDN bietet bereits heute eine schnelle Datenübertragung von jedem Arbeitsplatz aus. Ein Zukunftsthema ist die kabellose (wireless) Datenübertragung per Funkkommunikation: Ähnlich wie heute Mobilfunk eine selbstverständliche Technologie ist, wird sich auch die mobile Datenübertragung von Notebook zu Notebook oder von Notebook zu Netzserver in Zukunft durchsetzen. Unter Marketinggesichtspunkten sollte sich die IVA in die modernen Kommunikationstechnologien, die das Unternehmen nutzen kann, technisch integrieren.

F 5.3.2

Soll der Standort der IVA zentral oder dezentral im Unternehmen strukturiert sein?

Eine wichtige Entscheidung ist, ob man bei einer dezentralen Organisationsstruktur des Unternehmens auch die IVA des Unternehmens dezentral organisieren soll. Der Vorteil der Dezentralisierung besteht darin, daß dezentral arbeitende Unternehmenszweige einen direkten Zugang zur Informationsstelle haben. Ist beispielsweise die F+E-Abteilung eines Unternehmens dezentral organisiert, kann es von Vorteil sein, wenn auch entsprechende Informationsfachleute parallel dezentral angesiedelt sind. Z.B. kann dann ein Chemiker der F+E-Abteilung „Chemie" ein paar Bürotüren weiter zum Informationsvermittler oder zur Dokumentation gehen, während er bei einer zentralen IVA vielleicht erst 500 Meter über das Werksgelände laufen müßte oder als anderes Beispiel von Frankfurt nach Berlin telefonieren müßte und einen Stapel Papier, als Vorlage für die Recherche, dem Informationsvermittler erst faxen müßte. Der Informationsvermittler selber müßte ebenfalls die Rechercheergebnisse über eine lange Strecke übermitteln. Die persönliche Kontaktpflege zwischen der Kernzielgruppe der IVA und dem Informationsvermittler spielt aus Marketinggesichtspunkten ebenfalls eine große Rolle. Auch ist zu überlegen, ob durch die Mitwirkung des Nutzers am Ort der Informationsvermittlung die Qualität dieser Dienstleistung gesteigert werden könnte und deswegen eine dezentrale geführte IVA sinnvoll ist.

F 5.3.3

Planung der Informationsbeschaffung

IVAs sind nicht nur Sender von Informationen, sondern auch selber Empfänger. Das heißt, daß jede IVA Informationen von anderen Stellen benötigt, um mit ihnen arbeiten zu können. Seien es externe Online-Datenbanken, Presseinformationen von anderen Firmen, die Auskunft von staatlichen Stellen, die Mitbenutzung anderer Bibliotheken usw. Auch in dieser Richtung muß Marketing betrieben werden,

F5.3 Distributionsplanung

833

welches diese Informationsbeschaffung erleichtert. Zum einen ist an die richtige Kommunikationstechnik zu denken, aber auch an persönliche Kontakte, die aufgebaut werden müssen. Entscheidend ist auch, daß die Informationsnachfrage bei externen Stellen marketingorientiert geschieht. Fragen dazu sind beispielsweise: Wird ein bestehendes gutes Firmenimage für die Informationsbeschaffung genutzt? Sind die Mitarbeiter gut vorbereitete Kommunikatoren? Verhandeln sie geschickt, um Informationen zu erhalten und wirken sie am Telefon seriös? Beachten sie ethische Grundsätze bei der Informationsnachfrage; wenn das nicht geschieht, können spätere Anfragen auf Ablehnung stoßen. Diese und andere Fragen sollen hier nur kurz angedeutet werden.

F 5.3.4

Sollen Informationen außerhalb des Unternehmens verkauft werden?

Um Informationen nach außen verkaufen zu können, ist ein erfolgversprechender Vertriebsweg nötig. Folgende Möglichkeiten bieten sich an: - Vertrieb einer Datenbasis über Hosts bzw. Online-Datenbankanbieter, - Produktion von gedruckten oder als CD-ROM-Version gepreßter Informationsprodukte im Direktvertrieb, - Angebot von Informationen über Internet oder - kostenlose Versendung von Informationen an Kunden des Unternehmens im Sinne einer Unternehmenswerbung (evtl. Versendung mit Schutzgebühr).

Zukunftsweisend ist die Nutzung eines Internet-Servers für das Informationsangebot nach außen. Es gibt bereits eine große Zahl von Firmen, die ihren an Internet angeschlossenen Server gegen Entgeld für Informationsanbieter zur Verfügung stellen. Neue Internet-Standards, wie z.B. der Web-Standard HTML (HyperText Markup Language) erlauben Informationsangebote mit Hypertext-Funktionen, die sehr anwenderfreundlich sind und dem Informationsnutzer mit Bildern und Grafiken und anderen diversen Multimedia-Tools eine einfache und interessante Benutzerführung geben. Der Informationsnutzer bzw. -empfänger bewegt sich im WorldWide-Web des Internets, um Informationen abzurufen, ohne komplizierte Retrievalsprachkenntnisse zu brauchen. Durch neue Medien wie Internet können Informationen multimedial und damit zielgruppenspezifisch angeboten werden. Das heißt, daß je nach Zielgruppenwünschen die Information mit unterschiedlichen Multimedia-Tools dargestellt werden kann. Die Kosten dafür werden in Zukunft verhältnismäßig günstig sein. Relativ schwierig sind noch die verschiedenen Abrechnungsmodi mit dem Informationsnutzer, auf die hier jedoch nicht eingegangen werden kann. Erfahrungen des Verfassers zeigen, daß man sehr anspruchsvolle Multimedia-Informationen über Internet anbieten kann. Problematisch ist noch, daß viele Nutzer nur langsam arbeitende Internetanschlüsse haben und dadurch der Abruf von Informationen bzw. der Seitenaufbau von multimedialen Informationsinhalten am Bildschirm zu lange dauert. Nutzer, die einen ISDN-Anschluß haben, können wiederum multimediale Informationsangebote in kurzer Zeit vom Internet abrufen, worin auch der Trend besteht. Die eigene Firma des Verfassers - Arthur D. Little Int. - hat bisher gute Erfahrungen mit ihrem Internet-Informationsangebot

834

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

gesammelt. Zwar bemängelten auch hier ca. 50% der Nutzer den langsamen Seitenaufbau bei der Datenübertragung, während sich die andere Hälfte der Nutzer, die ISDN nutzen, sich über die anspruchsvollen Multimedia-Tools freuten und ein positives Feedback gaben.

F 5.3.5

Welche Präferenzen hat die Zielgrnppe des Informationsangebots hinsichtlich der Informationsübennittlung?

Kunden bzw. Nutzer von IVA haben ganz bestimmte Präferenzen, wie ihnen die Informationsdienstleistung angeboten werden soll. Diese Präferenzen können sich bei einer Nutzerschaft über Jahre entwickelt haben und fest verwurzelt sein. Obwohl sie manchmal altmodisch sind, sind sie trotzdem nicht leicht zu verändern. Die IVA muß sie genau analysieren, manchmal ihnen auch nachgeben. Wichtige Präferenzen, die auf alle Fälle analysiert werden sollten, sind: - Wertvorstellungen und Gewohnheiten der Kunden, - Akzeptanz technischer Informations- und Kommunikationsmedien und ihr Beeinflussungsgrad der Informationsnutzung der Zielgruppe, - Bequemlichkeit bei der Erteilung des Informationsauftrags, - Bequemlichkeit bei der Informationsabnahme und -nutzung, - technische Grundausstattung der Nutzerschaft, - Wunsch nach Exklusivität von erhaltener Information, - Präferenzen für bestimmte Informationsvermittler-Persönlichkeiten (z.B. feste Ansprechpartner, die mit individuellen Infonnationsbedürfnissen vertraut sind) und nicht zuletzt - Nonnen, die die Informationskultur des Unternehmens vorgibt.

F 5.3.6

Welche gegenseitige Abhängigkeit besteht zwischen dem Informationsprodukt und dem Distributionsweg?

Informationsprodukt und Distributionsweg beeinflussen sich in ihrer Ausgestaltung gegenseitig. Teilweise sind sie nicht unabhängig voneinander zu planen. Folgende Fragen sollen dies veranschaulichen: - Wie wird die Qualität des Informationsproduktes vom Vertriebsweg beeinflußt (z.B. Schnelligkeit der Übermittlung)? - Was ist für ein Informationsprodukt der billigste Übermittlungsweg? - Welche Art und Qualität des Kundenservice wird benötigt, um sowohl die Informationsdienstleistung als auch die Distribution des Informationsproduktes zu unterstützen? - Inwieweit lassen sich Informationen elektronisch übermitteln; lohnt es sich, Informationen, die in gedruckter Form vorliegen, zu scannen, damit sie elektronisch übermitteln und gespeichert werden können?

F 5.4 Marketingkommunikation F 5.3.7

835

Welche Informationsmedien sollen zur Selbstrecherche den Mitarbeitern des gesamten Unternehmens frei zugänglich gemacht werden?

Diese Frage ist nicht trivial. Es gibt zunehmend mehr Informationsmedien, die für Nicht-Informationsfachleute bedienbar bzw. einfach zu nutzen sind. Zahlreiche CD-ROM-Programme unter Windows sind inzwischen kinderleicht zu bedienen. Damit wird der Umgang mit Volltext-Retrieval zum Allgemeinwissen. Ahnlich kommen einfach unter Windows zu steuernde Online-Datenbank-Retrieval-Softwareprodukte auf den Markt. Diese modernen Programme sind für den Nicht-Informationsfachmann einfach zu erlernen. Daraus leiten sich folgende Fragen ab, die den Vertrieb von Information bzw. die Organisation der Nutzung von Informationsmedien im Unternehmen betreffen: Sollen über einen Netzserver CD-ROMs zur Selbstrecherche für die Nicht-Informationsfachleute im Unternehmen eingerichtet werden? Oder ist es besser, die Informationsrecherchen auf diesen CDROMs nur von Informationsfachleuten durchführen zu lassen? Ist es sinnvoll, Nicht-Informationsfachleuten im Unternehmen die Online-Recherche zu erklären bzw. die Recherche-Software auf deren eigenen PC einzurichten? Oder sollen Online-Recherchen nur von den Mitarbeitern der IVA durchgeführt werden? Es gibt verschiedene Argumente für die eine wie für die andere Alternative. Aus der Sicht der Verfassers kann die IVA moderner Prägung nicht der alleinige Flaschenhals sein, durch den die Informationen fließen. Die Distribution von Information im Unternehmen wird sich wandeln, indem die Informationsvermittlung zunehmend darin bestehen wird, Informationsmedien bereitzustellen und deren Anwendungsmöglichkeiten zu zeigen und zu schulen. Während heute noch der Nicht-Informationsfachmann auf den Informationsvermittler angewiesen ist, der ihm Informationen aus den Datenbanken beschafft, wird dies in naher Zukunft nicht mehr in allen Fällen bzw. für jegliche Informationsnachfrage der Fall sein. Auch hier ist Internet als neues Medium ein Vorbote, der den Wandel des Vertriebs von Information andeutet, denn Internet boomt als Medium der Nicht-Informationsfachleute.

F5.4

Marketingkommiinikation

Eine Informationseinrichtung darf nicht nur an die reine Fachinformation denken. Um erfolgreich zu sein, muß sie gegenüber Nutzern, Kunden und Geldgebern auch Meta-Information betreiben. Meta-Information bedeutet in diesem Zusammenhang: Information über die Fachinformation. Das heißt, die IVA sollte planmäßig und kontinuierlich über den Nutzen ihrer Arbeit, über ihre Informationsprodukte außenstehende Mitarbeiter informieren, insbesondere die Unternehmensführung, die allzu oft nur diffuse Vorstellungen über die Arbeit der IVA hat. Erfahrungsgemäß werden aber derartige Informationen, wenn sie erst einmal bekannt sind, interessiert und dankbar aufgenommen. Diese Informations- und Kommunikationsaktivitäten umfassen im Rahmen des Marketings:

836

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

- Werbung für die IVA und ihre Leistungen, - Einleitung von Verständigungsprozessen über die Arbeit und die Ziele der IVA mit Nicht-Informationsfachleuten bzw. Laien, - Persönliche Beratung von Nutzern der IVA, - Erstellung und Verteilung von sachlich-technischen Informationsmedien wie Broschüren, Ratgebern, Demo-Informationsprodukten, - Präsentation der IVA auf innerbetrieblichen Ausstellungen, Versammlungen, Informationsbörsen oder sonstigen Kommunikationsanlässen sowie - Verkaufsförderungsmaßnahmen.

In der Marketingsprache werden diese Informations- und Kommunikationsaktivitäten auch als Kommunikationspolitik eines Unternehmens bezeichnet. Für eine Informationseinrichtung verstehen wir unter Kommunikationspolitik die Möglichkeiten, in Kommunikation mit potentiellen Informationsnutzern zu treten, für die Aufnahme der Kommunikation mit der Informationseinrichtung sowie für deren Leistungen zu werben, die erfolgreiche fachliche Kommunikation mit dem Nutzer durch geeignete Hilfsmittel positiv zu fördern, bei der fachlichen Kommunikation mit dem Nutzer ein bestimmtes Kommunikationsklima zu erwirken und letztlich auf der Nutzerseite einen positiven Eindruck von der Informationseinrichtung entstehen zu lassen. Die direkte Kommunikation mit dem Kunden bzw. dem Nutzer ist der wichtigste Ansatz der Kommunikationspolitik für die IVA. Sie hat keine Streuverluste und ist von der Kontaktqualität jeder anderen Werbeform überlegen. Der Nutzer einer Informationseinrichtung ist in der Regel im Gespräch freigiebig in der Preisgabe seiner Informationsbedürfnisse und willig, neue Lösungen seiner Informationsprobleme, die ihm die Einrichtung anbietet, auszuprobieren. Im Verlauf des Gesprächs hat der Informationsvermittler die Möglichkeit, irrige Annahmen zu revidieren und direkt auf den Kunden einzugehen. Zwar wird er mit einer gebotenen Zurückhaltung zu agieren haben, um nicht sofort in den Verdacht zu kommen, doch nur verkaufen zu wollen, aber seine Möglichkeiten, ein positives, vertrauensvolles Gesprächsklima zu schaffen, sind sehr groß. Deshalb sollte die Auftragsannahme möglichst in Form eines persönlichen Gesprächs vonstatten gehen. Von der schriftlichen Auftragsannahme, z.B. in Form von ausgefüllten Anfrageformularen, ist, wenn möglich, abzuraten. Dies gilt auch für die Übergabe des Informationsprodukts; auch hier sollte das persönliche Gespräch ggf. mit Erklärungen des Ergebnisses genutzt werden. Im Rahmen der persönlichen Beratung und des persönlichen Verkaufs von Informationsdienstleistungen kann oder sollte der Informationsvermittler folgende Ziele umsetzen: - Verkaufsunterstützung durch Beratung, - Erlangung von Aufträgen, - Gewinnung von Informationen über den Kunden und weiterer potentieller Kunden (z.B. zur Verbesserung der Informationsprodukte oder weiterer Akquisition), - Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, - Bildung einer positiven Einstellung gegenüber der Informationseinrichtung (Imagebildung), - Abwicklung bzw. Entgegennahme von Aufträgen und damit zugleich Erledigung eines Teils der Dienstleistung.

F 5 . 4 Marketingkommunikation

837

D a b e i sollte mindestens gedacht werden an: - Hauptsäulen der Verkaufsarbeit im persönlichen Kontakt sind: Sympathie, Fachwissen, Autorität, Unkompliziertheit. - Informationsdienstleistungen sind häufig sehr erklärungsbedürftig. Eine Unkenntnis und Unsicherheit auf Kundenseite hemmt oft die Nutzung. Deshalb hat der Informationsvermittler im Gespräch mit dem Kunden die Chance, Dienstleistungen und technische Produkte und Hilfsmittel zu erklären. - Dabei darf jedoch das Bewußtsein, daß der Kunde unerfahren, kenntnisarm oder unsicher ist, nicht zum gesprächsbestimmenden Thema werden. Der Kunde will sich nicht anders behandelt fühlen als ein mit der Informationsnutzung erfahrener Kunde; wenigstens dürfen ihm seine Informationsdefizite nicht laufend verdeutlicht werden. Letzten Endes sollte der Kunde das Gefühl haben, seine Entscheidung allein getroffen zu haben. - Es sollte Interesse an den Informationsproblemen des Kunden gezeigt werden. - Negative Informationen über Konkurrenzeinrichtungen oder alternative Informationsmöglichkeiten sollten, wenn überhaupt, nur vorsichtig bzw. dezent gemacht werden. F o r m e n und Inhalte der Werbung sind zumindest im allgemeinen d e m Leser bekannt. Aufgrund des relativ kleinen Etats von Informationseinrichtungen sind den Werbemöglichkeiten hier oft e n g e Grenzen gesetzt. Jedoch können Informationsfachleute aufgrund moderner Informationswerkzeuge, die ihnen zugänglich sind, w i e z . B . D e s k t o p Publishing, einige Werbemedien (bzw. Druckvorlagen für diese) selber und daher kostengünstig erstellen. Informationseinrichtungen k ö n n e n j e nach Etatvolumen folgende Werbemedien in Erwägung ziehen: - Prospekte, - Anzeigen und Beilagen in Fachzeitschriften, Werkzeitschriften sowie in Verbandszeitschriften, Messe- und Ausstellungskatalogen und Nachschlagewerken, - Werbeartikel, - Werbebriefe (Direktwerbung), - Telefonmarketing (rechtlich jedoch umstritten, in manchen Fällen verboten, ähnlich Werbung per Telefax), - Beilagen zu Informationsprodukten sowie - anspruchsvolle Visitenkarten. D a n e b e n sollten auch die im folgenden aufgelisteten M e d i e n zur Sekundärnutzung für Werbezwecke in Erwägung g e z o g e n werden. D a s heißt, daß sich in diese M e dien Werbeinhalte integrieren lassen und daß diese M e d i e n zu Imagezwecken der I V A genutzt werden können und auch aus diesem Blickwinkel analysiert und gestaltet w e r d e n müssen: - Geschäftsberichte, - Tätigkeitsberichte, - Informationsmaterialien aller Art (z.B. Bluesheets bzw. Datenbasen- und Datenbankenverzeichnisse, Kurzübersichten über Retrievalsprachen), - Handbücher, - Schulungsunterlagen (z.B. für Schulung von Retrievalsprachen), - Informationsträger und Verpackung (z.B. Mappe, in der Ausdrucke übergeben werden), - Preislisten, - Briefköpfe bzw. Briefwechsel.

838

Grudowski: Marketing für die Infonnationsvermittlung

Sogar Rechnungsformulare und -ausdrucke, die d e m Kunden z u g e h e n , k ö n n e n einen imagebildenden Faktor darstellen. D e s h a l b sind alle M e d i e n zwischen Informationseinrichtung und Kunden bzw. Nutzer hinsichtlich möglicher Werbenutzung und -Wirkung zu analysieren. Wichtig ist es, in der I u D zwei grundsätzliche Werbearten und -formen zu unterscheiden: Image- und Aktionswerbung. Bei der Imagewerbung geht es darum, das Image, welches Nutzer v o n einer Informationseinrichtung o d e r von Informationsdienstleistungen haben, positiv zu beeinflussen. Unter positiver Beeinflussung ist beispielsweise zu verstehen: - Personen, die nur wenige oder sehr undeutliche Vorstellungen über eine Informationsdienstleistung und deren Nutzen haben, aufzuklären. - „Gut informiert zu sein" ist ein gesellschaftlich hoch anerkannter Wert, insbesondere im Berufsleben. Imagewerbung für die Informationseinrichtung bedeutet, diese Einstellung werblich a b Imagefaktor für sich zu nutzen (Begriff: Imagetransfer). - Der Nutzen einer Informationseinrichtung bzw. deren Produkte wird häufig nicht eindeutig und objektiv gemessen. Er wird deshalb häufig durch subjektive Werturteile und Erfahrungen bestimmt. Eine Informationseinrichtung kann im Rahmen der Imagepflege versuchen, objektive Nutzenkriterien herauszustellen, die sie erfüllt. Die subjektive Bewertung des Nutzens derselben Informationseinrichtung kann aufgrund der Subjektivität von Person zu Person recht unterschiedlich sein. Aufgabe der Imagewerbung einer Informationseinrichtung ist deshalb auch, schlechten subjektiven Urteilen positive gegenüberzustellen. - Das Anbieten glaubwürdiger Referenzen von bereits zufriedenen Kunden, welche die Informationsprodukte regelmäßig nutzen. - Informationen sind aufgrund ihres immateriellen Charakters nicht materiell greifbar. Im Gegensatz zu physischen Produkten kann man sie nicht begutachten, bevor man sie erwirbt. Wenn ein Kunde eine IVS mit einer Literaturrecherche beauftragt, kann er das Resultat der Recherche, den Literaturbericht, nicht vor Bezug der Leistung sehen; erst nach Ausführung der Recherchetätigkeit weiB er, ob Literaturangaben zu seiner Themenstellung gefunden wurden und welchen Nutzen sie für ihn haben. Dies führt zu einer gewissen Unsicherheit des Kunden bei Erstaufträgen. Hat der Kunde beim ersten Mal Pech, wird sein Bild von der Qualität der Informationsprodukte der IVS zunächst vielleicht negativ geprägt sein. „Aus der dargestellten Immaterialität von Dienstleistungs-Ergebnissen und DienstleistungsPotential folgt unmittelbar, daß der Dienstleistungs-Anbieter - im Gegensatz zu Sachleistungsbetrieben - den möglichen Dienstleistungs-Nachfragern im wahrsten Sinne des Wortes .nichts Greifbares' als Dienstleistungs-Angebot vorzuzeigen vermag (Hilke 1989)." „Um seine Unsicherheit abzubauen, sucht daher der Leistungsabnehmer nach Zeichen und Hinweisen, welche die Qualität einer Dienstleistung .bezeugen'. Aus einzelnen Elementen wie Leistungsort, Personal, Ausstattung, Informationsbroschüren, Namen bzw. Symbolen und Preis zieht er Rückschlüsse auf die Qualität der gebotenen Dienstleistung (Lit. 11)." In dieser Hinsicht spielt das Image der IVS, welches N e u k u n d e n von Informationsprodukten und -dienstleistungen sowie von der Informationseinrichtung insgesamt haben, e i n e besondere Rolle. D a s wichtigste Ziel der Imagewerbung in der I u D ist die Stärkung d e s Informationsbewußtseins bei potentiellen Kunden. D a s heißt, aufklären, w i e wichtig die Fachinformation ist, welchen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Nutzen sie bringt und aufklären über die Bedeutung der staatlichen Förderung in diesem B e reich. D i e Imagewerbung kann das Informationsbewußtsein auf drei E b e n e n beeinflussen:

F 5.4 Marketingkommunikation

839

1. Auf gesellschaftlicher Ebene (Bedeutung der Information für die Informationsgesellschaft) 2. Auf organisational Ebene (Bedeutung der Information für eine effiziente und effektive Unternehmensführung) 3. Auf individueller Ebene (Bedeutung der Information für einzelne Individuen bzw. stark eingegrenzte Gruppen). Im Gegensatz zur Imagewerbung sollen Aktionswerbemaßnahmen den Nutzer direkt zum Informationshandeln motivieren bzw. aktivieren, um eine bestimmte Informationsdienstleistung zu nutzen. Aktionswerbemaßnahmen richten sich deshalb auf - Darstellung konkreter Angebote und Produkte, - Aktivierung des Nutzers zum Informationshandeln und - Kopplung mit besonderen Promotionaktionen, wie z.B. Anbieten einer Gratis-Recherche innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

Ein typisches Beispiel für eine Form der Aktionswerbung, welches sich als Instrument des Informationsmarketings besonders eignet, ist die sog. Dialogwerbung, die den Nutzer/Kunden zur Kontaktaufnahme - die ja letztendliches Ziel der Werbung ist, um persönliche Beratung ansetzen zu können - auffordert. Sie ist sinnvoller werblicher Ansatz zur Neukundenakquisition, da sie dem Kunden die Kontaktaufnahme direkt vorschlägt, deren Abwicklung u.U. erleichtert und die Entscheidung forciert, vom Lesen der Anzeige oder des Internet-Angebots aus eigener Motivation zur Aufnahme eines Kontaktes der werbenden Informationseinrichtung zu kommen. Zudem bietet sie die Möglichkeit, Feedback-Mechanismen einzubauen, wie zum Beispiel einen Antwortkupon in einer Werbeanzeige oder in einem Internet-Angebot. Die Antwort des Kunden zum Beispiel in Form eines Antwortkupons kann dazu genutzt werden, - neue Interessenten aufzuspüren, die dann von einem Informationsvermittler persönlich angesprochen werden können, - ihm gezielt weiteres evtl. ausführlicheres Informationsmaterial zu schicken, - WerbewirkungskontroUen zu machen (z.B.: Welche Fachzeitschrift hat am meisten Rückantworten gebracht und somit die Zielgruppe am besten erreicht?).

Auch gibt es Möglichkeiten innerbetriebliche Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen: Öffentlichkeitsarbeit hat nach neuerer Ansicht für Großunternehmen einen externen und einen internen Aspekt. Das heißt, daß nicht nur in der das Unternehmen umgebenden Öffentlichkeit, um Verständnis, Vertrauen und Anerkennung geworben wird, sondern Großunternehmen auch interne Öffentlichkeitsarbeit betreiben, wobei die Zielgruppe dafür die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens sind. Öffentlichkeitsarbeit wird so im Sinne von innerbetrieblicher Mitarbeiterinformation betrieben. Innerbetriebliche Informationseinrichtungen können darauf achten, daß sie bei Maßnahmen der internen Öffentlichkeitsarbeit bzw. Mitarbeiterinformation berücksichtigt werden, sich quasi in diese „einschalten". Sie können sich dafür einsetzen, daß über ihre Arbeit und Leistungen im Unternehmen informiert wird. Auch können sie z.B. darauf achten, daß sie in Einführungsprogrammen für neue Mitarbeiter (Betriebsführung, Trainee-Programme u.a.) berücksichtigt werden

840

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

oder über ihre Abteilung in der Betriebszeitschrift berichten dürfen. Für die innerbetriebliche Öffentlichkeitsarbeit einer Informationseinrichtung stehen in der Regel folgende Instrumente zur Verfügung: - Veröffentlichungen in Tätigkeitsberichten, Geschäftsberichten, Jubiläumsschriften, Prospekten, audiovisuellen Materialien, - Veranstaltungen (Pressekonferenzen, Seminare, „Tag der offenen Tür" für Kunden und Nutzer, Feiern, Beteiligung an Ausstellungen und Messen sowie Tagungen), - Reden und Vorträge. Neben den Medien der Werbung und der Öffentlichkeitsarbeit sind auch sachlichtechnische Informationsmedien (z.B. Bluesheets, Preislisten, technische Ratschläge, Schulungen und Schulungsunterlagen, Vorträge, Beiträge im redaktionellen Teil von Fachzeitschriften) innerhalb der Kommunikationspolitik zu berücksichtigen. Da diese den Informationsvermittlungsprozeß in vielfältiger Weise unterstützen, wollen wir hier kurz auf ihre Funktion für die Marketingkommunikation hinweisen: - In sachlich-technische Informationen können Werbe- und PR-Elemente integriert werden. Dies gilt besonders für - Vorträge, die von Mitarbeitern der Informationseinrichtung gehalten werden, - Schulungen, die die Informationseinrichtung für Nutzer durchführt, - Beiträge in Fachzeitschriften. - Sachlich-technische Informationen haben einen imagebildenden Effekt bzw. können Bestandteil der Imagewerbung sein: Sie zeugen für die Fachkompetenz der Einrichtung! Sind die Informationsmaterialien der Informationseinrichtung über ihre eigenen Belange schlecht, kann sie wahrscheinlich auch keine guten Informationsdienstleistungen für Kunden erfüllen. - Sie sind häufig für den Nutzer von höherem beruflichen bzw. fachlichen Interesse als Werbemittel, da sie detaillierte technische Erklärungen, Begriffsdefinition und Fakten enthalten. Sie werden deshalb vom Nutzer eher gründlich gelesen, aufgehoben und an Kollegen weitergereicht als dies bei reinen Werbemitteln der Fall ist. Ihnen ist deshalb - ähnlich den Werbemitteln - ästhetische Aufmerksamkeit bei der Herstellung zu widmen. Diese Medien sollten nicht weniger aufwendig gestaltet sein als Werbemedien. Im günstigen Falle können sie für Image- und Produktwerbung sekundär genutzt werden, indem werbliche Inhalte geschickt integriert werden. - Sie können durch neuartige Medien vermittelt werden und diese dem Kunden gegenüber bekannt machen. Dem Kunden wird beim Rezipieren der Informationen dann gleich das für ihn neuartige Medium bzw. die neuartige Präsentation von Information bewußt und über einen längeren Zeitraum vertraut. Beispiele sind: Sachlich-technische Kundeninformationen auf einer Demo-CD-ROM oder Einsatz einer Multimedia-Präsentation während einer Schulung. Für erwerbswirtschaftliche Informationseinrichtungen gilt es schließlich, noch innerhalb der Kommunikationspolitik die Verkaufsförderung zu berücksichtigen. Unter Verkaufsförderung (engl, sales promotion) werden alle räumlichen, optischen und psychologischen Maßnahmen verstanden, die am Ort des Angebots, dem Point of Sale (POS), dem Kunden den Kaufentscheid bzw. die Auftragserteilung für ein bestimmtes Informationsprodukt oder ein bestimmte Informationsdienstleistung erleichtern. Einige Dienstleistungsunternehmen, wie z.B. Banken, haben in den letzten Jahrzehnten eine durchdachte Verkaufsförderung in ihr Marketing integriert. Für Informationseinrichtungen fehlen hier noch weitgehend Ansätze. Allerdings kann folgendes hierzu gesagt werden:

F 5.4 Marketingkommunikation

841

Verkaufsförderung umfaßt auch die Gestaltung bzw. Atmosphäre der Räumlichkeiten, der Beratungszone und der Verkaufsmöbel, wo der Kundenkontakt stattfindet. Dies ist auch hinsichtlich der Informationseinrichtungen zu berücksichtigen, da dies wesentlich darüber entscheidet, ob sich ein Kunde gerne in einer solchen Einrichtung aufhält und sich während des Beratungs- und Verkaufsgesprächs wohlfühlt. Auffällig ist hier beispielsweise der Vergleich zwischen einer wissenschaftlichen Bibliothek, wie sie uns in der Regel begegnet, und der einer Bank. So wenden die Banken für das Ambiente zunehmend mehr auf (Büroeinrichtung, Kunst am Point of Sale usw.) und die wissenschaftlichen Bibliotheken aufgrund von Etatkürzungen immer weniger. Für die Kundenzufriedenheit ist natürlich in erster Linie das Ergebnis der Dienstleistung ausschlaggebend, also Qualität der erhaltenen Information. Allerdings muß eine Informationseinrichtung davon ausgehen, daß diese nicht zu 100% die Kundenzufriedenheit bestimmt. Der Kunde verlangt von der Informationseinrichtung mehr: Wenn er auf Personal der Informationseinrichtung trifft, um sein Informationsproblem zu beschreiben, erwartet er eine kompetente, sympathische und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Kompetentes Personal gehört somit zum Angebot der Informationseinrichtung und muß als solches bei der Angebotsofferierung auch so in Erscheinung treten. Weiter gehören neben dem Preis der Dienstleistung auch die Zeitspanne der Auftragserfüllung sowie kundenfreundliche Öffnungs- und Dienstzeiten der Informationseinrichtung zum Angebot. „Wenn eine Dienstleistung durch eine Person erbracht wird, ist diese Person Teil der Dienstleistung. Wenn dazu noch der Empfänger bei der Leistungserbringung anwesend ist, sind die Interaktionen zwischen ihm und der leistungserbringenden Person ein wichtiger Bestandteil des Dienstleistungsmanagements (Lit. 11)."

Langfristig soll die interne Verkaufsförderung darauf hinwirken, im eigenen Verkaufsapparat eine bessere Beratungs- und Verkaufstechnik sowie Argumentationstechnik und eine größere Produktkenntnis sicherzustellen, den Einsatzwillen des Beratungs- und Verkaufspersonals hinsichtlich einer intensiveren und überzeugenderen Beratung positiv zu beeinflussen. Im Sinne der Bereitstellung optimalen Beratungspotentials ist die Qualität der Informationsvermittler durch intensive und wiederholte Weiterbildungsmaßnahmen sicherzustellen. Gesprächsführungs-, Beratungs- und Verkaufstechniken sind folglich auch im Informationswesen wichtige Instrumente des Marketings. Zur Beratungs- und Verkaufsförderung gehören auch Mittel der Verkaufsunterstützung. Zu denken ist an die Bereithaltung von Argumentarien, Beratungsanleitungen, Recherchebeispielen, Verkaufshandbüchern (engl. Sales Manuals), Zeigebroschüren (mit Diagrammen, Ablaufschemata, Präsentationen) und anderen Verkaufshilfen. Wichtig sind vorgedruckte Formulare, die die Auftragserfassung bzw. Erfassung des Informationsproblems erleichtern. Diese müssen klar gegliedert sein, Arbeitszeit einsparen helfen und, sofern der Kunde die Vordrucke ausfüllen muß, verständlich sein.

842 F5.5

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung Marketing-Mix

Die zur Umsetzung der Produkt-, Distributions-, und Kommunikationspolitik eingesetzten Methoden und Mittel stellt Abb. 4 im zusammenfassenden Überblick dar. Die produkt- oder firmenspezifische Anwendung und Kombination von Marketinginstrumenten bezeichnet man - je nach Bereich - als - Produkt-Mix - Distributions-Mix - Kommunikations-Mix.

Peisönhche Weitung Beiatung und peraönllcher Verhaut

Öffentlichkeit«· aibett bxw. Public Relation·

Sachlich-technische Intormatlontmedlen

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Kommunlkations-Mlx Abb. 4: Marketing-Mix

Der Begriff Marketing-Mix ist der Oberbegriff, der die oben genannten Bereiche Produkt-Mix, Distributions-Mix und Kommunikations-Mix integriert (vgl. Abb. 4). Dieser Begriff wird als ein Schlüsselbegriff im Marketing angesehen, den Kotler/ Bliemel folgendermaßen definieren: „Der Marketing-Mix ist die Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzt. (Lit. 11, S. 98)"

Vergegenwärtigen wir uns Abb. 4. Diese Abbildung zeigt eine Reihe von Marketinginstrumenten zur Umsetzung der Produkt-, Distributions-, und Kommunikationspolitik. Einen erfolgreichen Marketing-Mix herzustellen besteht in der schwierigen Aufgabe, diese Instrumente zusammen so einzusetzen, daß sie sich gegenseitig sinnvoll ergänzen und so Synergieeffekte entfalten. Es kommt also darauf an, daß die Marketinginstrumente - nicht widersprüchlich eingesetzt werden, - auf ein gemeinsames übergeordnetes Marketingziel ausgerichtet sind und

F 5 Literatur

843

- einen einheitlichen Marketing-Stil erkennen lassen, der das gesamte Marketinghandeln der Informationseinrichtung für die angesprochene Zielgruppe überzeugend macht. Man spricht somit von dem sog. Marketing-Mix, der alle Marketinginstrumente einer Informationseinrichtung umfaßt bzw. integriert und bezüglich des eben Gesagten durchdacht sein muß. D i e s ist gerade im Informationsmarketing eine sehr schwierige Aufgabe, da Vorbilder häufig fehlen. Man kann sich die Plausibilität des eben Gesagten leicht klar machen: So nimmt beispielsweise der Informationsvermittler, der Geschäftsbeziehungen anbahnt, also als Absatzmittler agiert, einen Werbeprospekt mit, der seine Argumente visuell bzw. in gedruckter Form untermauert und für den Kunden gleichzeitig eine Erinnerungshilfe ist; Vertrieb und Werbung arbeiten so abgestimmt einander zu. Oder es darf zum Beispiel die Produktqualität nicht im Widerspruch zum Produktpreis stehen; Qualitätsakzente und Preisgestaltung eines Produkts müssen zusätzlich auch von der Werbung plausibel gerechtfertigt oder herausgestellt werden. Ohne Abstimmung stehen leicht Produktqualität, Produktpreis, Verkaufsargumente in der Werbung und Vertriebssystem im Widerspruch. Durch Widersprüche heben sich die Marketinginstrumente in gefährlicher Weise gegenseitig auf. Weiter muß die Informationseinrichtung entscheiden, wie sie ihr Marketingbudget am wirksamsten auf die einzelnen Instrumente des Marketing-Mix verteilt. D a z u sind notwendig: - Festlegung der Höhe der Marketingausgaben (Marketing-Etat), - Überlegung, welche Marketinginstrumente mit diesem Etat kostenmäßig umsetzbar sind, und - Einteilung des Marketing-Etats auf einzelne Marketinginstrumente.

Literatur 01. Böcker, Franz: Marketing. 2. Aufl. Stuttgart 1987. 02. Dallmer, Heinz; Helmut Kuhnle; Jürgen Witt: Einführung in das Marketing. Wiesbaden 1991. 03. Drotos, Patrick Volker: Nieten nicht ausgeschlossen. Marketing von Online-Datenbanken. In: Cogito (Heft 2) 1993, S. 5 - 8. 04. Fritz, Rolf: Marketing von Informationsdiensten bei individueller Nachfrage (z.B. Recherche, individueller Profildienst). In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 73 - 79. 05. Herget, Josef: Qualitätsbewertung von Informationsdiensten - Ansätze, Methoden, Ergebnisse. Vortragsmanuskript. In: Qualität von Informationsdiensten. Proceedings. 7. Internationale Fachkonferenz der Kommission Wirtschaftlichkeit der Information und Dokumentation (KWID) in der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation e.V. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Informatik e.V. und der International Federation for Information and Dokumentation. Hrsg. von Werner Schwuchow. Frankfurt a.M. 1993. S. 1 7 2 - 1 8 1 . 06. Hess, Igor: Der Markt für elektronische Fachinformation. In: Deutscher Dokumentartag 1989. Informationsmethoden: Neue Ansätze und Techniken. 4. bis 6. Oktober Universität Bremen. Proceedings. Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (Hrsg.). Frankfurt a. M. 1990. S. 370 - 382.

844

Grudowski: Marketing für die Informationsvermittlung

07. Jurgeleit, Ulrich: Datenbanken erfolgreich präsentieren. In: 14. Online-Tagung der DGD. Frankfurt am Main 27. bis 30. April 1992. Proceedings. Hrsg. von Wolfram Neubauer u. Susanne Plagemann. S. 463 - 468. 08. Jurgeleit, Ulrich: Informationsveranstaltungen über Fachinformation an Hochschulen. In: Nachrichten für Dokumentation 1985, S. 195 - 200. 09. Käfer, Gerhard: Die Kostenstruktur bei JURIS. In: 14. Online-Tagung der DGD. Frankfurt am Main 27. bis 30. April 1992. Proceedings. Hrsg. von Wolfram Neubauer u. Susanne Plagemann. S. 13 - 18. 10. Kotier, Philip: Marketing für Nonprofit-Organisationen. Stuttgart 1978. 11. Kotler, Philip; Friedhelm Bliemel: Marketing-Management. Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 7. Aufl. Stuttgart 1992. 12. Landgrebe, Klaus P.: Informationsdienstleistungen aus der Sicht der Marketing-Beratung. In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 31 - 36. 13. Meffert, Heribert: Marketing. 3. Aufl. Wiesbaden 1978. 14. Müller, Doris; Udo Winand: Fachinformations-Marketing. Das absatzpolitische Instrumentarium für elektronische Informationsdienstleistungen (mit Fallstudien). Sankt Augustin 1988. 15. Müller-Bader: Situation und Entwicklungsmöglichkeiten des Marketing von elektronischen Wirtschaftsinfonnationen. In: 14. Online-Tagung der DGD. Frankfurt am Main 27. bis 30. April 1992. Proceedings. Hrsg. von Wolfram Neubauer u. Susanne Plagemann. S. 391-400. 16. Nieschlag, Robert; Erwin Dichtl; Hans Hörschgen: Marketing. 13. Aufl. Berlin 1983. 17. Schmidt, Ralph; Raymund Müller (Hrsg.): Strategien des Informationsmarketings. Praxis - Probleme - Perspektiven. Essen 1989. 18. Schmidt, Ralph: Fachinformation - der träge Markt. In: 14. Online-Tagung der DGD. Frankfurt am Main 27. bis 30. April 1992. Proceedings. Hrsg. von Wolfram Neubauer u. Susanne Plagemann. S. 367 - 390. 19. Schmidt, Ralph: Informationsmarketing zwischen Euphorie und Enttäuschung. In: Cogito 1987 (Heft 3), S. 56 - 60. 20. Schwuchow, Werner: Finanzierung und Preisgestaltung in Information und Dokumentation. Forschungsbericht Nr. 6/79 des Projektes „Wirtschaftlichkeit von Information und Dokumentation II". Gesellschaft für Information und Dokumentation mbH. München u.a. 1979. 21. Specht, Kurt: Innerbetriebliche Marketingprobleme. In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 80 - 83. 22. Stegemann, Hagen: Marketing von Informationsdienstleistungen - Einführung. In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 13. 23. Teschke, Lothar; Gerd Tittlbach: Marketing von Informationsdienstleistungen aus der Sicht von IuD-Einrichtungen. In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Inform ationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 37 - 56. 24. Unruh, Betty: The Information Marketing Handbook. USA, Philadelphia 1989. 25. Weigang, Karl-Heinz: Informationsmarketing - Relevanz von Methoden und Instrumenten des Konsum- und Investitionsgüter-Marketing für den IuD-Bereich. In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken, Dokumentations- und Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 14 - 30.

F 5 Literatur

845

26. Weiske, Christian: Marketing von allgemein angebotenen Informationsdiensten (z.B. Referatediensten, Standardprofilen). In: Stegemann, Hagen; Robert Funk: Informationsmarketing und Benutzerforschung. Aktuelle Probleme in Bibliotheken und Dokumentationsund Informationseinrichtungen. Berlin Verlag 1980. S. 67 - 72. 27. Wersig, Gernot: Organisations-Kommunikation. Baden-Baden 1989. 28. Winand, Udo: Gegen verträumtes Marketing-Nichtstun. In: Cogito 1987 (Nr. 2), S. 51 - 52.

846 F 6

Informationspolitik - IuD-Politik

-

Fachinformationspolitik Thomas Seeger

F 6.1

Zur Einordnung staatlicher IuD-Programme in Deutschland

Nach gut 20jährigen programmatischen staatlichen Förderungen des Bereichs Information und Dokumentation (IuD), die federführend vom Bundesministerium f ü r Forschung und Technologie initiiert und ausgestaltet wurden, fällt zunächst einmal auf, daß die Bezugspunkte der Förderung für I u D , ab Anfang der 80er Jahre dann „Fachinformation" genannt, wechselten. Stützt das erste Förderungsprogramm, das sogenannte IuD-Programm von 1974 (Lit. 17), in seiner Einleitung sich auf den Bundesbericht Forschung IV von 1972 ab und der darin geäußerten großen Bedeutung der wissenschaftlich-technischen Information für den Fortschritt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und vermerkt, daß dieses Problem - nach dem Umweltschutz - zweite Priorität unter den zu fördernden Programmen genießen sollte, sieht die programmatische Zuordnung zu anderen Programmen staatlicher Forschungsförderung in den späteren Jahren entschieden anders aus. Es haftet diesem Programm von 1974 noch der Charakter des Allgemeingültigen, des Disziplinen-übergreifenden und Grundlagenschaffenden an, das wenige Jahre später in die systematische Nähe der Programmatiken für die Entwicklung der Informationsund Kommunikationstechnologien gestellt wurde, womit ein sicherlich gewollter Zusammenhang zu den seit den 60er Jahren laufenden Datenverarbeitungs-Programmen (DV-Programmen der Bundesrepublik) hergestellt wurde (Lit. 56). Diese systematische Anbindung an die Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie ist zumindest für die Anfangszeit der IuD-Förderung einsichtig. Sehr klar wird dieser Zusammenhang in Abb. 1, die dem Programm der Bundesregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Technischen Kommunikation 1978-1982 entnommen wurde (Lit. 18, S. 112). InformationsI

Verarbeitung

I

Bereitstellung

I

Übermittlung

Programm

Anwendung 3. D V -

Information und

Programm

Dokumentation

Technische

Programm technische Geräte und

Kommunikation

Systeme

Technologie

Programm Elektronische Bauelemente

Abb. 1: Das IuD-Programm 1974 im Förderzusammenhang der Informationstechnik

I

F 6.2 Forschungs- und Technologiepolitik

847

Fünf Jahre später wird 1983 das nun Fachinformationsprogramrn genannte Förderungsprogramm in der Bilanz unter der Überschrift „Programme zur Beschleunigung des Innovationstempos in ausgewählten Schlüsseltechnologiebereichen" in die programmatische Nähe zu den Förderungsprogrammen Informationstechnologie, Biotechnologie, Materialforschung und Fertigungstechnik gestellt (Lit. 16, S. 74 ff). Ein anderer Versuch, IuD-Programmatiken systematisch anzubinden, kann unter dem Stichwort Medienpolitik bzw. Kommunikationspolitik vorgenommen werden. In einer 1985 vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebenen Broschüre (Lit. 61) wird unter den Stichworten „Neue Techniken - Neue Medien" das Fachinformationsprogramm von 1985 unter dem Aspekt der Nutzung von Fachinformationen - vergleichbar der Nutzung publizistischer Informationsangebote, die ja gleichermaßen über weltumspannende Technologie-Konfigurationen vermittelt werden, gesehen. Diese Zuordnung zu den Entwicklungen des grenzüberschreitenden Datenaustausches im Sinne einer internationalen Medien- und Kommunikationsordnung ist angesichts der technologischen Entwicklung seit Ende der 70er Jahre im Gespräch (Lit. 57) und legt es nahe, die Bereiche Massenkommunikation und Fachinformation als integrale Bestandteile zu begreifen und sie unter einem entsprechenden gemeinsamen Politikverständnis zusammenzufassen. Schließlich gaben die Diskussionen über mögliche Störungen bzw. Versorgungsverknappungen von elektronischen Informationen im Ost-West-Verhältnis (Lit. 02) und über mögliche Abhängigkeiten von anglo-amerikanischen Datenbanken Anlaß, den Bereich der Information und Dokumentation nicht nur unter dem Stichwort Forschungs- und Technologiepolitik (Lit. 08) zu betrachten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des internationalen Kommunikationsgefüges zu begreifen. Beide Sichtweisen sind einsichtig und begriindbar. Sie verdeutlichen beispielhaft, daß die Tätigkeit der Informationsvermittlung im weiteren Sinne von ihrer technisch-methodischen Fundierung her gesehen werden kann, von ihrer Ausrichtung her Sinn für die allgemeine Entwicklung eines Staates bedeuten kann und von ihrer Wirkung her einen Beitrag für den internationalen Austausch von Kommunikationsinhalten leisten kann. Die im folgenden vorgenommene Anbindung an die allgemeine Forschungs- und Technologiepolitik (F+E-Politik) erfolgt ausschließlich wegen der bis in die 80er Jahre hineinreichenden Zuständigkeit des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) für die Information und Dokumentation/Fachinformation.

F 6.2

Forschungs· und Technologiepolitik

Der Teil des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der politischen Steuerungen unterliegt, hat sich seit dem Aufkommen staatlicher Förderungsprogramme für einzelne wissenschaftlich-technische Bereiche und der Etablierung eines selbständigen Bundesressorts für Forschung und Technologie (1956 als „Atomministerium" gegründet) besonders zu rechtfertigen. Unter den Aspekten der optimalen Forschungsorganisation (Lit. 63, Lit. 82), des Einflusses der Politik auf die Wissenschaftsentwicklung (Lit. 39), der Veränderungen auf die kognitiven Strukturen

848

Seeger: Infonnationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

(Lit. 05) und der politischen Steuerungen von Wissenschaft (Lit. 26) sind gerade in den 70er Jahren viele Beiträge erarbeitet worden, die das Verständnis von politischer Gestaltung von Wissenschaft transparenter machten. Der hier vorzunehmende Rückgriff auf ein einfaches Beschreibungsmodell zur Begründung des wissenschafts- und forschungspolitischen Handelns und der Rechtfertigung dient ausschließlich dem Zweck, strukturelle Vergleichbarkeiten unter den verschiedenen Förderungsprogrammen deutlich zu machen. Es ersetzt in keiner Weise andere Aspekte der Forschungs- und Technologiepolitik, die hier nicht vertieft werden können. In einer vergleichenden Studie, die die Zielkriterien verschiedener staatlicher Förderungsprogramme analysierte, erarbeiteten van der Daele, Krohn und Weingart (Lit. 26) einen Kriterien-Katalog, der mit kleineren Unscharfen Handlungsziele und Projektionen staatlicher Förderungsprogrammatiken zu beschreiben in der Lage ist. Hinter jedem Förderungsprogramm liegen - das Reagieren auf ein soziales Problem (soziale Probleme können sowohl wirtschaftlicher als auch gesamtgesellschaftlicher Natur sein); - ein technisches Handlungsziel, welches die Aspekte des Problems umsetzt in globale konstruktive Zielorientienmgen; - die Beteiligung von institutionellen Disziplinen bzw. Forschungsfeldern, die für die Bearbeitung des Programmes entweder herangezogen werden können oder erst durch entsprechende Maßnahmen entwickelt werden müssen; - problemorientierte Forschungsprogramme: Spezifikationen von abgrenzbaren Aufgabenbündeln bzw. Aspekten der Gesamtthematik.

Über dieses einfache Raster hinaus, auf das später bei der Beurteilung der IuD-Programme zurückgekommen wird, soll noch auf die wichtigsten Phasen in der Forschungs- und Technologiepolitik hingewiesen werden, sowie die wesentlichen Steuerungsinstrumente für die Erreichimg der Forschungsziele staatlicher Programmatiken vorgestellt werden. Rückblickend können wir global vier Phasen in der Forschungs- und Technologiepolitik der Bundesrepublik Deutschland feststellen, deren genaue zeitliche Abgrenzung durch viele Langzeitprogramme nur annäherungsweise erfolgen kann (Lit. 08): - Die Wiederaußauphase, die bis ca. Mitte der 50er Jahre dauerte, ist im wesentlichen gekennzeichnet durch unspezifische Globalförderung und fällt zusammen mit dem Wiederauf- und -ausbau der Grundlagenforschungsinstitutionen. - Die Imitations· und Aufliolphase, die von Mitte der 50er Jahre bis zum Ende der 60er Jahre reichte, stand im Zeichen des Nachstellens der Entwicklungen in den USA. Neben der institutionellen Globalförderung werden in diesem Zeitraum auch erstmals institutionell abgesicherte Programmförderungen (wie z.B. Kernforschung) initiiert. Die Steuerung der speziellen Programme erfolgte in der Annahme, daß eine Ausstrahlung der Forschungsergebnisse in die Produktionssphäre naturwüchsig erfolgen wird. - Die Nachhol-IInnovations- und Spitzenreiterphase, die von Mitte der 60er Jahre bis Mitte der 70er Jahre sich erstreckte, war zunächst gekennzeichnet durch die vielen Diskussionen um die „technologische Lücke" und die Sorge, daß ein weiteres Zurückfallen in vielen zukunftsträchtigen F+E-Bereichen weder politisch und wirtschaftlich noch kulturell hinnehmbar wäre. In diese Zeit fällt die Entwicklung spezieller Förderungsprogramme, wie etwa Meeresforschung,

F 6.2 Forschungs- und Technologiepolitik

849

Datenverarbeitung, Neue Technologien und Umweltschutz, die insgesamt die Erweiterung staatlicher Förderung bewirkte und ursächlich mit der „technologischen Lücke" nicht notwendigerweise in Beziehung stand. Interessant in dieser Phase ist die Tatsache, daß die F + E Struktur selbst weitere staatliche institutionelle Förderung erfahren hat, wie z.B. die Fraunhofer-Gesellschaft. - Die Effizienzsteigerungsphase, die ab Anfang der 70er Jahre einsetzte, war und ist dadurch gekennzeichnet, daß die durch die krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklungen und die geringen Zuwachsraten des Bruttosozialproduktes ebenfalls stagnierenden Förderungsmittel effizienter angelegt werden sollten. In dieser Phase wurde in die staatliche F+E-Politik zunehmend auch die Innovationspolitik integriert, was zu einer weiteren Ebene in der Förderung führte: Auch die Anwendungen von zunächst rein F+E-bezogenen neuen Entwicklungen wurden gefördert. Das Steuerungsbestreben der Politik konzentrierte sich auf jene Bereiche, in denen Unzulänglichkeiten in der Marktsteuerung vermutet wurden (deutliches Beispiel dafür ist das Programm „Humanisiening des Arbeitslebens").

Zur Steuerung und Durchsetzung forschungs- und technologiepolitischer Zielorientierungen sind den Förderungsinstanzen eine Reihe von Instrumenten an die Hand gegeben, mit denen je nach Aufgabe und Zweckbestimmung diese Ziele eingelöst werden können. Dabei wird grundsätzlich von zwei sehr verschiedenen (theoretischen) Denkmodellen ausgegangen, die beschreiben, wie wissenschaftlich-technischer Fortschritt über die verschiedenen Phasen im technologischen Entwicklungsprozeß (Grundlagenforschung bis hin zu Anwendungsentwicklung etwa) zu Produkt- oder Verfahrensinnovation führt. Der sogenannte „Technology-push"-Ansatz geht davon aus, daß im wesentlichen exogene (unbeeinflußbare) Fortschritte in der Erkenntnis über Grundlagen der Natur und Technik hinreichend Substanz für den Transfer in anwendungsorientierte Produktionstechnologie zur Verfügung halten. Er geht davon aus, daß Technologietransfer gleichermaßen urwüchsig von den potentiellen Anwendern betrieben wird. Dem gegenüber steht der Ansatz des „Demand-pull", der davon ausgeht, daß Innovationen in der anwendungsorientierten Entwicklung wegen der Gewinnrealisierungschancen vorangetrieben werden und sich von der Seite der Verwertung Nachfragebereiche an wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen einstellen werden. Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten eröffnen sich zwangsläufig dort, wo im Sinne des Ansatzes „Technology-push" Erleichterungen/Subventionen bei der Produktion von F + E gewährt werden können. Andererseits ist es im Sinne des „Demand-pull" ebenfalls möglich, durch geeignete förderungspolitische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die Nachfrage nach High-tech-Gütem stimuliert wird, die ihrerseits Nachfrage nach wissenschaftlich-technischer Innovation schafft. Ungeachtet der Entwicklungsphasen haben sich - natürlich mit wechselndem Schwerpunkt - Instrumente der Förderungspolitik herauskristallisiert, deren Wirkungen und Effektivitäten mehr oder weniger den beiden oben erwähnten Ansätzen zugeordnet werden können. Innerhalb der Gruppe der direkten Maßnahmen kann man zunächst das klassische Instrument des Technology-push ausmachen: die institutionelle Förderung. Empfänger sind u.a. die Max-Planck-Gesellschaft, Großforschungseinrichtungen, Bundesanstalten und Institutionen der Blauen Liste. Ziel dieser Maßnahmen ist die kontinuierliche Sicherstellung der Grundlagenforschung. Modalitäten: Vollfinanzierung

850

Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinforraationspolitik

der Personal- und Sachmittel. Mögliche Wirkung: Verselbständigung der F+EZiele. Als zweites Instrument der direkten Maßnahmen ist die projektorientierte Förderung zu nennen. Empfänger sind gleichermaßen Forschungsinstitutionen und Wirtschaft. Ziel dieser Maßnahmen ist es, F+E-Kapazitäten und Investitionen in den Bereichen zu fördern, in denen unter Gewinnmaximierungsgesichtspunkten privatwirtschaftliches Engagement nicht oder nur in einem geringen Umfang erwartet werden kann. Hier ist die zeitliche Begrenzung der Projektförderung ein weiteres Unterscheidungsmerkmal. Modalitäten: Zuschüsse zu Projekten, Steuererleichterungen für die Wirtschaft, Investitionszulagen. Mögliche Wirkung: Mit dem Stichwort „Mitnahme-Effekt" wird eine mögliche Gefahr der Fehllenkung dieser Förderung beschrieben, die darin besteht, daß staatliche Hilfen in Bereiche hineinfließen, in denen ohnehin Innovationen notwendig sind. Als zweite Gruppe sind die indirekten Maßnahmen zu nennen: Empfänger ist die Privatwirtschaft, wobei die Förderungsbedingungen keine Bindung an spezifische Projekte haben. Ziel dieser Maßnahmen ist es, das allgemeine Niveau der F + E in der Wirtschaft über eine Veränderung der relativen Preise zu erhöhen, ohne daß Einfluß auf Gegenstand und Zielrichtung der F + E genommen wird. Modalitäten: Aufwandsbezogene Zuschüsse, Steuererleichterungen, Sonderabschreibungen. Mögliche Wirkungen: Neben den bereits beschriebenen Mitnahme-Effekten sind Gießkannen-Wirkungen zu befürchten, ebenso wie der Verdacht naheliegt, daß gesamtgesellschaftlich unerwünschte Projekte gefördert werden können. Als dritte Gruppe können indirekt-spezifische Maßnahmen abgegrenzt werden, deren Stellung zwischen direkt-projektorientierten und indirekten Maßnahmen angesiedelt werden kann. Empfänger ist die Privatwirtschaft und hier an erster Stelle die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Ziel dieser Maßnahme ist es, den Transfer zwischen Innovation und Produktion im Sinne der Produkt-Innovation für die Gruppe der zumeist sehr spezialisiert arbeitenden KMU zu forcieren. Modalitäten: Projektbezogene Zuschüsse, Steuererleichterungen, Zuschüsse. Weitere Wirkungen: Zielgerichtete (d.h. gegenstandsbezogene) Vermittlung von Know-how in die kleineren und mittleren Wirtschaftsbetriebe zu leisten. Als letztes Instrument bleibt die Gruppe der verhaltensregulierenden Maßnahmen zu erwähnen, die unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten das Patentwesen und den Bereich von Normen und Standards regelt. Nicht unerheblich hierbei ist die Tatsache, daß beide Bereiche unter dem Gesichtspunkt der Informationsvermittlung aus der und für die Wirtschaft einen hohen Stellenwert genießen.

F6.3

Etappen in der Formulierung der deutseben IuD-Politik (Fachinformationspolitik)

Im folgenden sollen chronologisch - und soweit möglich unkommentiert - die zentralen offiziellen (offiziösen) Aussagen referiert werden, wobei es hier nur darum gehen kann, die konzeptionellen und in förderungspolitische Kategorien umsetzbaren Ideen zusammenzutragen. Auf eine Referierung der Stellungnahmen aus der

F 6.3 Etappen in der Formulierung der deutschen IuD-Politik

851

breiten Fachöffentlichkeit ist bewußt verzichtet worden (vgl. dazu etwa Lit. 23, Lit. 75, Lit. 68, Lit. 55). Eine offizielle Beschäftigung mit dem damals noch „Wissenschaftliche Dokumentation" genannten Gegenstandsbereich läßt sich in das Jahr 1962 zurück verfolgen. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, in seiner Funktion als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit für die Verwaltung, legte ein Gutachten vor, in dem Dokumentation als kostensparendes Hilfsmittel für die Wissenschaft charakterisiert wurde (Lit. 62). Hervorstechendes Merkmal dieser Studie ist die eindeutige Bestimmung, daß Dokumentation staatliche Aufgabe sei und dies sowohl hinsichtich der Organisation der „Landschaft" als auch der Förderung der Dokumentationsleistungen, auch wenn finanzielle und praktische Beteiligungen der Wirtschaft explizit nicht ausgeschlossen werden. Als Organisationsprinzip wird ein Modell der koordinierten Dezentralisation empfohlen, welches an das vorhandene Institutionengerüst der IuD anknüpfen und dieses übergreifend und flächendeckend weiterentwickeln sollte. Als Kernaussagen des Gutachtens sind festzuhalten: - Dokumentation wird als Mittel der Leistungssteigerung in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung gesehen. - Organisation und Förderung der Dokumentation werden wegen des allgemeinen übergreifenden Nutzens als staatliche Aufgabe erklärt, was eine Beteiligung Privater nicht ausschließt. - Internationale, arbeitsteilige Kooperation mit anderen Ländern wird aus ökonomischen Gründen für sinnvoll und notwendig erachtet. - Der vorherrschenden Zersplitterung und dem strukturlosen Zusammenhang unter den IuDStellen soll durch ein nationales Dokumentationsnetz entgegengewirkt werden.

Ein Jahr vor der Veröffentlichung dieses Gutachtens war unter dem Namen „Institut für Dokumentationswesen (IDW)" in Frankfurt eine Einrichtung der Infrastruktur gegründet worden. Damit war bereits ein Grundstein für die Förderung des Dokumentationswesens, ihrer Koordination und ihres institutionellen Zusammenhaltens entstanden. Der Gründung dieser Einrichtung folgte dann 1964 eine weitere: Die „Zentralstelle für Maschinelle Dokumentation (ZMD)", ebenfalls in Frankfurt am Main ansässig, wurde mit der Ausrichtung auf die organisatorisch-methodische Beratung EDV-gestützter Verfahren im Dokumentationsbereich gegründet. Beide Institutionen waren im Umfeld der Max-Planck-Gesellschaft institutionell angesiedelt und sind von daher eindeutig dem Instrument der institutionellen Förderung zuzuordnen. Die nächste Etappe in der Weckung und Festigung staatlichen Interesses an der Dokumentation kann in der Einrichtung eines Referates für die Dokumentation im damaligen Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (später BMFT) im Jahre 1963 gesehen werden (Lit. 23, S. 114 ff). Aus diesem Referat sind dann 1964 (Lit. 51) und vor allem 1967 (Lit. 52) durch den Referatsleiter H. Lechmann zwei Beiträge entstanden, die die Vorstellung über die Gestaltung einer nationalen IuDPolitik zum Gegenstand hatten. War der Beitrag von 1964 noch von dem Bemühen gekennzeichnet, daß die IuD für die effektive Organisation von Wissenstransfer in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung Nutzen bringen und folgerichtig der Staat für diese allgemeine nutzenstiftende Aufgabe die erforderlichen or-

852

Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

ganisatorischen und finanziellen Voraussetzungen schaffen müsse, stellt der Beitrag zwei Jahre später (Lit. 52) eine Reihe von konkreten Ansätzen für die Entwicklung der IuD-Landschaft vor. In 20 Leitsätzen werden hier die Konturen eines nationalen Gefüges der IuD-Organisationsstruktur vorgestellt sowie die Bedingungen genannt, die zu erfüllen sind, um auch international eingebunden werden zu können. Vorausgesetzt werden dabei einige Positionen, die im Verlauf der weiteren Entwicklungen Ansatzpunkte zur Kritik gegeben haben: IuD-Förderung als Staatsaufgabe, Entwicklung eines nationalen Systems auf überregionaler Ebene, Einbindung in das internationale IuD-Gefüge durch das Prinzip der arbeitsteiligen Kooperation. Neben den Aussagen zur organisatorischen Gliederung dieses Systems, dem ein Muster der koordinierten Dezentralisation zugrunde gelegt wurde, sind diejenigen Aussagen auch heute noch wichtig, die auf die Barrieren für eine weitere Entwicklung hindeuten. Dies waren: - Zuwächse in der Produktion von Wissen erzwingen maschinelle Verfahren zu deren effektiverer Bewältigung. - Der Förderung von theoretischen und praktischen Methoden der IuD müsse besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um die methodische Rückständigkeit auszugleichen. - Nutzung von Dienstleistungen ist durch Aufklärung der Informationsverbraucher zu fördern. - Aus- und Fortbildung sei zu entwickeln, ebenso wie der Professionalisierungsgedanke weiter voranzutreiben sei.

Mit diesen hier kurz zusammengefaßten Leitsätzen sind - ausgehend von den Vorstellungen, die im Gutachten des Bundesrechnungshofes bereits vorformuliert waren - Eckpunkte für das erste nationale IuD-Förderungsprogramm 1974 (Lit. 17) aufgezeigt. Zuvor sollte jedoch - nicht nur der Vollständigkeit halber - eine Initiative erwähnt werden, die, ebenfalls vom Bund angeregt, sich der Gestaltung und Strukturierung des Informationswesens zu Beginn der 70er Jahre annahm. Am 09.04.1970 wurde durch Kabinettsbeschluß die Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe angeregt, in der Vertreter aus den wichtigsten beteiligten Bundesressorts Vorschläge erarbeiten sollten, wie ein nationales arbeitsteiliges Informationsbankensystem (unter Einsatz modernster Technik und unter Einschluß aller Wissensgebiete und aller denkbaren Nutzerkreise) geplant und realisiert werden könne. Darüber hinaus sollten die Bezüge zu den ebenfalls in Planung befindlichen supranationalen Datenund Informationsbanken berücksichtigt werden (Lit. 21). Neben der Ermöglichung von freiem Zugang zu allen Informationsangeboten bei der Wahrung der Schutzrechte des einzelnen war hervorstechendes Merkmal des Konzeptes des Informationsbankensystems, daß dieTYägerschaft kein staatliches Monopol darstellen müsse. Das Organisationsmodell ging von einer Zentralstelle für die Definition der allgemeinen Ziele und der gesamten Koordination aus und setzte sich über ein System von Leitstellen und Fachinformationsbanken, über Bereichsgliederungen bis zu den einzelnen Institutionen in viergliedrigem hierarchischen Aufbau fort. Obwohl es sich bei diesem Systemdesign um ein gemäßigt dezentrales System auf freiwilliger Basis handeln sollte (so zumindest der Anspruch der Planer), ist doch

F 6.3 Etappen in der Formulierung der deutschen IuD-Politik

853

auffallend, daß die Struktur des Organisationskonzeptes eine hierarchische ist, welche in einer Realisierung von der Festlegung der Zielvorgaben auf der obersten Leitungsebene ausging und stufenweise die Zwischenebenen soweit aufbauen sollte, bis die Ebene der bereits vorhandenen Institutionen der praktischen IuD einzubeziehen wären. Für den Planungsverlauf werden 3 bis 5 Jahre angegeben; die Realisierung des Gesamtprojektes hätte nach Angaben der Planer 10 bis 20 Jahre gedauert. Angaben über den zu erwartenden Finanzbedarf fehlen in dem Gutachten völlig. Es ist vielleicht überflüssig zu erwähnen, daß dieses Großprojekt nicht weiter verfolgt wurde und einschlief. Jedoch finden wir in den Grundprinzipien dieser Planungen Elemente, die in den Förderungsplänen des B M F T wieder auftauchen: Alle Bereiche des Wissens, alle denkbaren Benutzergruppen, koordinierter, aber dezentral organisierter und lokalisierter Institutionenaufbau. Mit der Verabschiedung des IuD-Programms 1974 (Lit. 17), welches genau als „Programm der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation 1 9 7 4 - 1 9 7 7 " bezeichnet ist, liegt nun erstmals ein Handlungsmuster für die Entwicklung der IuD-Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland vor. Aus der Analyse der zentralen Hemmnisse für eine moderne Entwicklung der IuD im Sinne dieser Programmabsichten werden Ziele genannt, an denen konkrete Förderungen einsetzen sollen. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Programms wurden Mängel der IuD-Landschaft festgemacht an: - der strukturlosen Vielfalt der IuD-Einrichtungen, - ihrer unterschiedlichen Leistungsfähigkeit, - der mangelnden Zusammenarbeit zwischen Dokumentations- und Bibliotheksdiensten, - dem unzureichenden Einsatz moderner technischer Hilfsmittel, - dem erheblichen Forschungs- und Entwicklungsrückstand auf dem Gebiet der IuD, - dem Mangel bzw. der Nichtverfügbarkeit an qualifizierten Fachpersonal. Als Globalziele, die durch die Förderung erreicht werden sollten, werden genannt: Steigender Wissenszuwachs und zunehmender Informationsbedarf erfordern einen Ausbau der Informationsdienstleistungen, zu denen ein leichter Zugang sichergestellt werden müsse, damit das weltweit erarbeitete Wissen zur Lösung der Probleme in der Gesellschaft fruchtbar eingebracht werden kann. Als weitere Ziele werden genannt: - Erhöhung der Effizienz von Forschung, Entwicklung und Ausbildung - Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Technik - Unterstützung der Planungs- und Entscheidungstätigkeit von Parlament, Regierung, Verwaltung und Rechtsprechung - Verbesserte Informationsmöglichkeit für Bürger und die gesellschaftlichen Gruppen.

Um die wenig stimulierende Ausgangssituation der IuD-Praxis mit ihren noch nicht sehr weit entwickelten Methoden und Techniken in Einklang mit den weitgespannten Zielen bringen zu können, müssen Förderungsansätze auf zwei Ebenen gleichzeitig ansetzen: 1. Die Umorganisation und Umgestaltung der „strukturlosen" IuD-Landschaft durch Schaffung leistungsfähiger Betriebseinheiten (Fachinformationssysteme), die sich zudem auf kompa-

854

Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

tible Methoden und Technologien für die Erstellung der Informationsdienstleistungen einzustellen haben. 2. Die Schaffung bzw. Verbesserung der Infrastruktur auf breiter Basis, welche im einzelnen bestehen soll aus - einer zentralen Einrichtung für Infrastruktur mit dem Namen „Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID)", die die bisher vom Bund geförderten zentralen Einrichtungen des IuD-Bereiches zusammenfaßt. - Stärkung der F+E im Rahmen eines umfassenden F+E-Programm für die IuD (welches zu einem späteren Zeitpunkt ausgearbeitet wurde und Starthilfen für die Entwicklung der Informationswissenschaft an Hochschulen geben sollte (vgl. dazu genauer Lit. 50). - Realisierung einer geschlossenen Ausbildungskonzeption für den Gesamtbereich Dokumentation, Bibliothekswesen und Archivwesen. Hiermit ist also unter der Bezeichnung „Strukturkonzept" die anspruchsvolle Aufgabe formuliert, durch organisatorische und methodische Innovation die bestehenden IuD-Stellen in ein nationales virtuelles Gesamtsystem einzubringen und gleichzeitig F+E-Kapazität aufzubauen, die an der Verbesserung der Methoden und Technologien für das wirkungsvollere Funktionieren dieses noch gar nicht existierenden Gesamtsystems arbeiten sollte. Darüberhinaus war - jedenfalls in nicht nennenswertem Umfang - die Verfügbarkeit der fachlichen Qualifikation, die benötigt wird, um diese neuen Systeme fachgerecht betreiben können, nicht sichergestellt. Die „Aktionsprogramm" genannte Sach- und Finanzierungsplanung setzte sich zum Ziel - eine Überführung der bestehenden IuD-Aktivitäten in das Strukturkonzept zu leisten, - für die Schaffung der Grundlagen (technisch, methodisch, organisatorisch) für den Auf- und Ausbau effizienter Informationssysteme in Wirtschaft und Technik zu sorgen, - die Voraussetzungen für die Erfüllung internationaler IuD-Aktivitäten zu schaffen. Im Mittelpunkt des Aktionsprogramms steht - abgesehen von der Schaffung des infrastrukturellen Vorlaufes - der sukzessive Aufbau von 16 Fachinformationssystemen und 4 Informationseinrichtungen mit besonderer Zweckbindung. Die 16 fachbezogenen Informationssysteme sind: - Gesundheitswesen, Medizin, Biologie, Sport (FIS 1) - Ernährung, Land- und Forstwirtschaft (FIS 2) - Chemie (FIS 3) - Energie, Physik, Mathematik (FIS 4) - Hüttenkunde, Werkstoffe, Metallbe- und -Verarbeitung (FIS 5) - Rohstoffgewinnung und Geowissenschaften (FIS 6) - Verkehr (FIS 7) - Raumordnung, Bauwesen, Städtebau (FIS 8) - Verbrauchsgüter (FIS 9) - Wirtschaft (FIS 10) - Recht (FIS 11) - Bildung (FIS 12) - Sozialwissenschaften (FIS 13) - Geisteswissenschaften (FIS 14) - Auslandskunde (FIS 15) - Elektrotechnik, Feinwerktechnik, Kraftfahrwesen, Maschinenbau (FIS 16).

F 6.3 Etappen in der Formulierung der deutschen IuD-Politik

855

Die Informationssysteme mit besonderer Zweckbestimmung sind: - Patente - Forschungsprojekte - Umwelt - Technische Regelwerke. Die neue Organisationsstruktur sollte die genannten Ziele der flächendeckenden Informationsvermittlung und -Versorgung für alle Bürger und die gesellschaftlichen Gruppen einlösen. Instrument der Umsetzung von Modellvorstellung in Realität bildeten die für jedes Fachinformationssystem gebildeten „Fachplanungsgruppen", die sich mit methodischen, technischen, rechtlichen, organisatorischen und bürokratischen Problemen bei der Findung eines gemeinsamen Nenners beschäftigen mußten. Die Ergebnisse dieser Planung wurden in Planungsberichten zusammengefaßt. Von den ursprünglich 20 geplanten Informationssystemen hatten Anfang 1978 (dem Zeitpunkt des Auslaufens des IuD-Programmes) lediglich einige die formelle Gründung vollzogen - lediglich 10 der 20 Planungsberichte waren zu diesem Zeitpunkt verfügbar. Auf das in Abschnitt F 6.2 vorgestellte Raster abgebildet kann das IuD-Programm von 1974 folgendermaßen beschrieben werden: • Name: IuD-Programm • Soziales Problem: Bewältigung der Informationsflut, die die Grundlage für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt für alle Teile der Bevölkerung bildet. • Technisches Handlungsziel: Schaffung einer flächendeckenden Organisationsstniktur für die effektive Informationsvermittlung und gleichzeitig Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzung (neue Methoden, Anwendung moderner Techniken, Entwicklung der Informationswissenschaft, Aufbau moderner Ausbildungen). • Disziplinen/Forschungsfelder: - Informatik-Anwendung (Datenbanken, Information Retrieval) - Informationswissenschaft (im Entstehen) - eine wenig professionalisierte IuD-Praxis (Handlungslehre Dokumentation). • Problemorientiertes Forschungsprogramm: Entwicklung von neuen Methoden und Techniken für die optimale Gestaltung von Informationssystemen, teilweise nicht ausformuliert. Vergleicht man dieses mit anderen Förderungsprogrammen (z.B. der Informatik, Lit. 56, Lit. 64, Lit. 14), so kann als vorsichtiges Resümee gezogen werden: - Ziel der Bemühungen war eine Verbesserung einer bestehenden alltäglichen IuD-Praxis und nicht das Bemühen, einen neuen strategischen Ansatz für die Erfüllung der Ziele zu finden. Von daher ist das IuD-Programm kaum vergleichbar mit anderen Forschungsprogrammen. - Die zeitgleiche Aufgabenzuweisung an Praxis und Infrastruktur, jeweils auf ihrem Gebiet weitreichende Innovationen anzustellen, hat nicht nur die zumeist bürokratische IuD-Praxis überfordert, sondern ging von einem angenommenen Reifegrad der beteiligten Disziplinen/ Forschungsfelder aus, der faktisch nicht erreicht war. Im übrigen ist die kurze, wenig gradlinige Geschichte des Forschungsprogrammes „Informationswissenschaft" (Lit. 50) kein Musterbeispiel einer notwendigerweise auf Kontinuität angelegten Entwicklung, die die in der Wissenschaftsbetrachtung so oft gestellte Frage der autonomen oder finalisierten Steuerimg wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion „mangels Masse" einfach nicht zuließ (Lit. OS).

856

Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

- Die organisatorischen Strukturvorstellungen waren dem institutionellen Gefüge der traditionellen IuD-Landschaft wohl angemessen und vergleichbar. Das Instrument der institutionellen Förderung ist - abgesehen von den vielen kleinen und input-bezogenen projektorientierten Maßnahmen (vgl. etwa Lit. 33, Lit. 34) - das Hauptwerkzeug zur Durchsetzung der globalen Ziele gewesen, wobei offenbar die Vorstellung überwog, daß eine Strukturveränderung nachhaltig durchsetzbar ist, wenn „von oben durchgezogen" eine stabile Verwaltungsstruktur errichtet ist.

Natürlich ist ein erstmals aufgelegtes ambitioniertes Programm dieser Art nicht unbestritten: So z.B. sind aus dem Kreis der Profession Einwände seitens der Bibliothekare geäußert worden (Stichwort: Literaturversorgung), von Verlagen und Buchhändlern der Einwand vorgebracht worden, daß mit diesem Programm ein staatlicher Eingriff in ihren angestammten Wirkungsbereich vorgenommen werden könnte, und auch Insider meldeten sich zu Wort, die Kritik an Anlage und Durchführung übten (Lit. 54, Lit. 55, Lit. 65, Lit. 68 u.a.). Die wesentlichen Problemzonen bei der Realisierung des Programmes zentrierten sich um zwei Fragestellungen, die im späteren Verlauf an Bedeutung gewannen: - Der politisch-rechtliche Komplex, der im wesentlichen mit dem Problem der Abgrenzung von Bundes- und Länderkompetenzen skizziert werden kann und vielfältige Regelungen notwendig gemacht hatte (z.B. der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft für Information und Dokumentation GID). Darüberhinaus war das Axiom der Gründerzeit, „IuD ist Staatsaufgabe", auch unter dem Eindruck des Einspruchs der Verleger und Buchhändler ins Wanken geraten und hatte den Grenzverlauf von Staatsaufgaben versus privatwirtschaftlichen Aktivitäten im Sinne eines neuen Schubes der Deregulation neu zu bestimmen (Lit. 54, Lit. 55). Daneben ist auch für die Zeit Anfang der 80er Jahre festzuhalten, daß die zentrale Zuständigkeit für die IuD auf der Ebene des Bundes nicht mehr weiter wirkte. Es hat eine Rückverlagerung von IuD-Verantwortlichkeiten in die fachlich zuständigen Bundesressorts stattgefunden, die dem ehemaligen geschlossenen IuD-Strukturkonzept natürlich widersprach. - Der Komplex der langfristigen Finanzierung der Dienstleistungen, der mit Einsetzen der allgemeinen Rezession besonders geballt diskutiert wurde. Durch die Veränderimg der politischökonomischen Verhältnisse Ende der 70er Jahre und der schrittweisen Abkehr von sozialstaatlichen Grundsätzen (etwa im Sinne IuD ist als Ganzes Staatsaufgabe) ist der Weg hin zu marktwirtschaftlichen Überlegungen gekennzeichnet. Auf der Grundlage eines sich langsam entwickelnden, bescheidenen Marktes für IuD-Dienstleistungen bildete das zunehmend marktwirtschaftliche Denken den Ansatzpunkt dafür, die ehemaligen Verpflichtungen für die IuD-Landschaft über eine gestaffelte Preispolitik von IuD-Leistungen abzumildern, wobei unbestritten ist, daß der Finanzierungsbedarf für eine Vollunterstützung des IuD-Bereiches langfristig nicht durchzuhalten war (Lit. 01, Lit. 29, Lit. 38, Lit. 60, Lit. 73, Lit. 74).

Nachdem die oben skizzierte, vitale Diskussion Ende der 70er Jahre/Anfang der 80er Jahre geführt war und die Zwischenphase bis zur Formulierung der folgenden Förderprogramme durch Fortschreibungen des IuD-Programmes überbrückt wurde, wurde 1982 der „Leistungsplan Fachinformation - Planperiode 1982-1984" veröffentlicht (Lit. 15). Offenbar als Brücke zu einem späteren Programm angelegt, beschränkt sich das Programm in seinen politischen Zielorientierungen auf die Feststellung, daß „Ziele und Aufgaben dieses Leistungsplans Teil staatlicher Leitvorstellungen über Bedeutung, Entwicklung und Organisation von Informations- und Kommunikationsprozessen [sei], die in der Fachwelt zunehmend unter den Begriff Informationspolitik

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zusammengefaßt werden" (Lit. 15, S. 22, siehe dazu auch Abschnitt F6.1). Dieses auszuformulieren sei nicht Aufgabe dieses Leistungsplans. Dennoch wird hier mit vielen Verweisungen auf privatwirtschaftliches Engagement und dem Aufkommen des sogenannten Informationsmarktes eine Zweiteilung in den möglichen Zielsetzungen vorgenommen: Nicht das (auch im alten IuD-Programm enthaltene) Globalziel, wonach IuD die Leistungsfähigkeit von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung steigere, markiert den Unterschied, sondern der "Zusatz" durch billig verfügbare und bequem nutzbare Fachinformation (Lit. 15, Lit. 39). Zudem ist eine Einengung im Gegenstandsbereich zu konstatieren: Es fehlen die expliziten Erwähnungen der Wirtschaft (als potentielle Abnehmer), der Politik und der gesellschaftlichen Gruppen. Der Leistungsplan enthält darüberhinaus Hinweise über das Ausmaß des staatlichen Engagements in Abgrenzung zu kommerziell erschließbaren Teilmärkten am Markt. Für den Teilmarkt der privatwirtschaftlichen Bestätigung gelte es, Investitions- und Risikobarrieren zu vermindern, um ein Engagement des privaten Kapitals zu fördern. Aus dieser vorsichtigen Zweiteilung der Ziele ergeben sich dann folgerichtig Aufgaben, - den Leistungsstand der durch das IuD-Programm zusammengefaßten Einrichtungen und Dienste solange zu sichern, bis über höhere Erlöse und breitere Nutzung der Zuschußbedarf entfällt - Lücken im bestehenden Dienstleistungsbereich dadurch zu füllen, daß neue Daten- und Fakteninfonnationsdienste neben den Literaturdatenbanken aufgebaut werden - den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken für die Erstellung und die Vermittlung von Diensten vorantreiben - die informationswissenschaftliche Forschung und Entwicklung in ihren praxisrelevanten Fragestellungen zu fördern.

Keine Erwähnung finden mehr das Informationswissenschaftliche Forschungsprogramm sowie die drängende Frage der fachspezifischen Ausbildung. Statt dessen wird - gerade in Bezug auf das Aufgabenbündel informationswissenschaftliche F + E - deutlich darauf hingewiesen, daß über das Instrument der Projektförderung Unternehmen und Forschungseinrichtungen aufgefordert werden, sich um entsprechende auf den Kanon der Teilprogramme beziehende Aufträge zu bewerben. Die institutionelle Förderung wird begrenzt auf die Förderung der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) sowie 5 Fachinformationszentren und eine technische Informationsbibliothek. Ober das Instrument der Preispolitik (Lit. 15, S. 27 ff.) und der Vermarktung von elektronischen Dienstleistungen werden die Zuschußbedarfe im institutionellen Förderungsbereich zu minimieren versucht. Entsprechend dieser neuen Zweiteiligkeit gruppieren sich die Förderbereiche des Leistungsplanes um folgende Teilprogramme: - wissenschaftlich-technische Literaturinformation und -Versorgung („Altlasten" des IuD-Programms) - Innovationen bei neuen Datenbanktypen durch Förderungen für Daten- und Fakteninformationssysteme - Elektronische Informationsverteilung, um technische Behenschbarkeit der (auch privatwirtschaftlichen, Anbieter) sicherzustellen

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

- Erschließung des Marktes für Fachinformation (Rahmenbedingungen für das Eintreten Privater ermitteln und entsprechende Anreize schaffen) - Grundlagen der Fachinformation, informationswissenschaftliche F+E.

Innerhalb von weniger als acht Jahren haben sich die Prämissen und Ansatzpunkte für staatliche Förderungen erheblich gewandelt. Vom vielleicht recht idealistischen Ansatz, alles Wissen allen ohne Berücksichtigung der Kosten zugänglich machen zu wollen in einem Organisationskonzept, welches als zentralen Ansprechknoten die zuständige IuD-Stelle vorsah und Forschung und Ausbildung an Hochschulen angemessen berücksichtigte, ist nicht viel Übergreifendes übrig geblieben. Der neue Leistungsplan vermittelt eher den Eindruck eines defensiven Stückwerkes, welches aus den Lektionen der Wandlungen in Politik und Wirtschaft Rücksicht zu nehmen gelernt hat, dem aber (vielleicht aus finanziellen Mitteln) die längere Perspektive fehlt. Daß diese Vermutung auch einen realen Anknüpfungspunkt hat, wird deutlich an dem „Gutachten des Bundesrechnungshofes über die Fachinformation in der Bundesrepublik Deutschland" (Lit. 22). In diesem 1983 veröffentlichten Gutachten wird - unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit - die IuD bzw. Fachinformation allgemein (und nicht das IuD-Programm im besonderen) bewertet und Vorschläge für eine Neugestaltung unterbreitet. Die hier angesprochenen Kritikpunkte zusammen mit der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gutachten vom gleichen Jahr (Lit. 19) und eine vom Wissenschaftsrat gefertigte Stellungnahme zur Gesellschaft für Information und Dokumentation im Jahre 1984 (Lit. 81) bilden die Marksteine der Demontage der informationspolitischen Weichenstellung der 70er Jahre und münden über die Neuformulierung der Forschungs- und Technologiepolitik (Lit. 64, Lit. 16) in das 1985 veröffentlichte Fachinformationsprogramm (Lit. 12). Doch diese Zusammenhänge sollten in einzelnen Etappen nachvollzogen werden. Im Gutachten des Bundesrechnungshofes von 1983 geht es im wesentlichen um folgende Grundsatzfragen, von deren Beantwortung eine Neugestaltung der Informationspolitik abhängig gemacht werden müsse: - Die Notwendigkeit eines staaüichen Engagements ist in der Vergangenheit nicht im gebotenen MaBe begründet worden. - Es wurde in der Vergangenheit von einem Bedarf an Dokumentation ausgegangen, der nie hinreichend untersucht wurde. - Das IuD-Programm von 1974 habe zu weitreichende Ziele formuliert (etwa flächendeckende Erschließung der gesamten relevanten Fachliteratur), deren Nichteinlösung eine Neuformulierung der Fachinformationspolitik erfordere. - Zunächst müssen die Grundzüge einer neuen Fachinformationspolitik die Frage klarstellen, ob IuD als Infrastruktur öffentliche Aufgabe sei oder ein privatwirtschaftlicher Teilmarkt, für den der Staat lediglich die Rahmenbedingungen setzen soll. - Mit der durch das Scheitern des Strukturkonzeptes verursachten Aufgabe des flächendeckenden Ansatz muß die Frage beantwortet werden, welche Felder der Privatinitiative vorbehalten bleiben, um Verlegern, Datenbankanbietern, Informationsvermittlern langfristige Orientierungen und Handlungssicherheit zu geben. - Staatlich finanzierte Datenbankangebote müssen darauf geprüft werden, inwieweit der Bund dafür über Zuständigkeiten verfügt, inwiefern vergleichbare Angebote bereits am Markt existieren; wenn diese nicht existieren, sollten sie in Kooperation mit dem Ausland nach den Kri-

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terien der Kosten-Nutzen-Abwägung und unter finanzieller Beteiligung der Nachfrager erstellt werden. - Zur Frage der Finanzierung der IuD-Dienstleistungen wird das Modell der nachfrageorientierten Finanzierung vorgeschlagen, wobei kostendeckende Entgelte nur in wenigen Bereichen erreichbar sind. - Die Aufgaben der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) werden im Sinne der weiteren Standardisierung der Arbeitsmittel und Methoden präzisiert. - Die Ausbildung von qualifiziertem Fachpersonal wird als notwendig und wichtig dargestellt, jedoch auf die Nichtzuständigkeit des Bundes für Ausbüdungsfragen verwiesen.

Die in diesem Gutachten genannten Erklärungs- und Entscheidungsdefizite der IuD-Politik stellten nun - nicht unvorbereitet durch Fachbeiträge in der Öffentlichkeit - die Grundlagen und Grundannahmen, auf denen ein jeder Politikbereich nun einmal aufbaut, in Frage und dies in einer Deutlichkeit und Dringlichkeit, die es einer Widerlegung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie im gleichen Jahre sehr schwer machte (Lit. 19). Waren im Gutachten des Bundesrechnungshofes die Passagen über die Leistungen der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) noch recht neutral auf die Präzisierung der Arbeitsschwerpunkte hin ausgerichtet, spricht das 1984 fertiggestellte Gutachten des Wissenschaftsrates „Stellungnahme zur Gesellschaft für Information und Dokumentation" schon eine sehr viel deutlichere Sprache (Lit. 81). Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hatte im Mai 1983 diese Stellungnahme in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob die GID noch die Voraussetzungen für die gemeinsame Förderung durch Bund und Länder erfülle. Nach der Nennung der vielfältigen Gründe für die insgesamt wenig brillante und im wesentlichen erfolglose Arbeit der GID (mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter; mangelnde Kompetenz, zukünftige Entwicklungsaufgaben anzupacken; unklare Aufgabenbeschreibungen und ungenügende Realisierungskontrollen; organisatorische Schwierigkeiten usw.) kommt die Stellungnahme zu dem Schluß, daß die GID die Voraussetzungen für die gemeinsame Förderung durch Bund und Länder nicht erfüllt (Lit. 81, S. 77). Den Außenstellen der GID in Tokio und Washington dagegen bescheinigt das Gutachten eine positive Arbeit. Da die Entwicklung der Fachinformation besonders durch die Anwendung moderner Informationstechniken zunehmend komplexer wird, empfiehlt das Gutachten, daß für die Erfüllung der Dienstleistungen und Forschungsaufgaben des Gegenstandsbereicbes eine Einrichtung außerhalb der Hochschulen zur Verfügung stehen müsse (Lit. 81, S. 80). Die Teilung der Infrastrukturaufgaben der GID in ein Konzept Dienstleistungen (Beratung, Praxisorientierte Entwicklung, Vorhaltung bestimmter Standardleistungen etwa) und einen Komplex Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die in dieser Stellungnahme anklingt, ist dann in den späteren Jahren realisiert worden. Die GID wurde schrittweise aufgelöst und - neben anderen kleineren institutionellen Neuzuordnungen - in einen Dienstleistungsbereich mit dem Namen „Gesellschaft für Elektronische Medien" und einen Forschungsbereich in die „Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)" überführt. Der Forschungszweig der Fachinformation wurde mit dem Namen „Institut für integrierte Publikations- und Informationssysteme" als Forschungsinstitut bei der GMD überführt, wobei der Name des neuen Instituts eine Veränderung im Gegenstandsbereich signalisiert.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

In der 1983 erschienenen Broschüre „Neuorientierungen der Forschungs- und Technologiepolitik" legt das Bundesministerium für Forschung und Technologie die neuen Ziele und Grundsätze dar (Lit. 16). In Bezug zu den förderpolitischen Maßnahmen wird deutlich darauf hingewiesen, daß eine Akzentverschiebung von der direkten Förderung von Einzelprojekten in der Wirtschaft zugunsten von Maßnahmen der indirekten und indirekt-spezifischen Forschungsförderung vorgenommen werden sollte. Insbesondere wird auf die Wiedereinführung der Sonderabschreibungen hingewiesen. Die Ziele dieser Neuorientierung sind: - Erweiterung und Vertiefung der wissenschaftlichen Forschung, - Ressourcen- und Umweltschonung sowie menschengerechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, - Steigerung der wirtschaftlichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit.

Ansatzpunkte zur Erreichung dieser globalen Ziele sieht das Ministerium in - der Stärkung der Grundlagenforschung, - der Forschung in den Bereichen staatlicher Daseins- und Zukunftsvorsorge (Umwelt, Klima, Gesundheit), - der „Großforschung" (Weltraum, Energie, Verkehr, Meer), - Verbesserung der Ausgangs- und Rahmenbedingungen für Innovation in der Wirtschaft, - Technologische Forschung und Entwicklung in der Industrie.

Als neue programmatische Ideen sind die Punkte Infrastrukturverbesserung in der Forschung und Innovationsbelebung für die Wirtschaft anzusehen, die den Grundsatz der „Notwendigkeit einer konsequent marktwirtschaftlich orientierten Politik" mit verläßlichen wirtschafts-, gesellschafts- und forschungspolitischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der Eigeninitiative (Lit. 16, S. 10) bekräftigen. Entlang dieser Linie der Argumentation neuer Schwerpunkte und wirtschaftsnaher Förderungsmaßnahmen ist dieser Schrift auch der neue Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der Fachinformation zu entnehmen. Mit Hinweis auf das bereits behandelte Gutachten des Bundesrechnungshofes (Lit. 62) und der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gutachten (Lit. 19) wird sehr deutlich gesagt, - daß die „vollständige Verfügbarkeit der Fachinformation für Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft eine Voraussetzung sein (wird), die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern". - daß aber andererseits im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft Produktion und Vertrieb von Fachinformationen in der Regel Aufgabe der privaten Wirtschaft ist und damit privater Initiative unterliegt (Lit. 16, S. 74). Diese Dichotomie von Vollständigkeitsanspruch und partiellem Engagement privater Anbieter wird aufgelöst durch die folgende Feststellung, die abgerundet wird durch die Ankündigung, daß der Staat selbst Fachinformation produzieren, verwalten und vertreiben kann: „Staatliche Förderung der Fachinformation zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Infrastruktur für Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ist in Teilbereichen in Betracht zu ziehen, wenn die im öffentlichen Interesse wünschenswerten Ergebnisse über den Markt nicht zu erzielen sind" (Lit. 16, S. 74).

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Diese Leitgedanken finden dann in dem 1985 vorgelegten „Fachinformationsprogramm 1985-1988 der Bundesregierung" (Lit. 12) ihre Präzisierung in der Abgrenzung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft. Die Zuständigkeiten des Bundes sind hier auf die im Grundgesetz ausdrücklich genannten und die ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten sowie jene Aufgaben begrenzt worden, die sich auf die Zusammenarbeit mit den Ländern beziehen (Lit. 12, S. 15). Die Ziele der neuen Fachinformationspolitik sind im Sinne der oben genannten Begrenzungen ausgerichtet auf - die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Fachinformationsmarktes, - die Stärkung des Informationstransfers innerhalb der Wissenschaft und zwischen Forschung und Wirtschaft (über Technologietransfer und Innovationsförderung), - die Sicherung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs, - die Erhöhung der Nutzung und Akzeptanz der Fachinformation in allen Bereichen der Gesellschaft, - die Verbesserung der Marktchancen der deutschen Wirtschaft und der Zukunftssicherung der Arbeitsplätze auch in der Informationswirtschaft.

Aus diesen allgemeinen Zielen werden dann fünf Schwerpunkte abgeleitet, die die Grundlage für die neue Ära der Förderung bilden: - Produktion und Herausgabe von Fachinformation mit Schwerpunkt der Förderung von Faktenbanken in den Bereichen Chemie, Physik, Gesundheitswesen und Umweltschutz (ca. 405 Mio. DM in den Jahren 1985-1988; dies entspricht ca. 45% der im Berichtszeitraum vorgesehenen Förderungsmittel). - Angebot der elektronischen Fachinformation mit dem Schwerpunkt der Förderung von internationalen Verbundsystemen für Fachinformation und der Verknüpfung mit dem Deutschen Forschungsnetz (ca. 124 Mio. DM = 13%). - Nutzung der Fachinformation mit besonderem Schwerpunkt auf Modellversuchen innovationsfördernder Informationsvermittlung (ca. 304 Mio. DM = ca. 32%). - Informationswissenschaft mit dem Schwerpunkt auf Projekten über Untersuchungen zu Produkt- und Verfahrensinnovation sowie rechnergestützte Übersetzungssysteme (ca. 106 Mio. DM = ca. 11%). - Internationale Zusammenarbeit zur Vermeidung von Abhängigkeiten und Verletzlichkeit der Fachinformationsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland (hier sind keine gesonderten Mittel ausgewiesen).

Über die Durchsetzungsfähigkeit dieses neuen Förderungsansatzes innovationsfördernder Informationsvermittlung, welcher immerhin 32% des Fördervolumens des Fachinformationsprogramms ausmachte, ist in vielfältiger Weise berichtet worden (Lit. 66, Lit. 67, Lit. 25, Lit. 41). Unter dem Schlagwort „Modellversuch Informationsvermittlung" wurde ab Mitte der 80er Jahre versucht, insgesamt ca. 135 verschiedene staatliche und private Informationsvermittlungsstellen durch ein Modell regressiver Förderungszuschüsse an die freie Existenz im deutschen Informationsmarkt heranzuführen. Mit der Einrichtung dieser zunächst überwiegend, dann nach einigen Jahren nur noch geringgradig geförderten, zumeist kleinen Informationsvermittlungsstellen, sollte die Nachfrage und Nutzung nach Fachinformation (im engeren Sinne) stimuliert und dem aufkeimenden deutschen Informationsmarkt die ersten staatlich unabhängigen Akteure hinzu gewonnen werden.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

Die Ergebnisse aus diesem gut fünf Jahre währenden Modellversuch sind zugleich interessant und ernüchternd: Es existiert kein nennenswerter Markt für spezielle kommerzielle Informationsdienste (Fachinformation) in Deutschland außerhalb des Bereiches Wirtschaftsinformation. Es existiert kaum Nachfrage nach On-lineInformation im Bereich der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU), da die Informationsversorgung als ausreichend empfunden wird, die Innovationen zu selten sind, Aufmachung und Anmutung der Informationsdienstleistungen nicht akzeptiert werden, sowie wenig Bereitschaft vorhanden ist, diese Dienste zu vergüten. Die wichtigste Lehre jedoch, die man aus diesen Förderungen schlußfolgern konnte, ist die Erkenntnis, daß sich die Tätigkeit der „reinen" Informationsvermittlung ohne zusätzliche Beratungsdienstleistungen auf dem deutschen Informationsmarkt der ausgehenden 80er Jahre nicht als ausschließliche und sichere Erwerbsgrundlage eigne. Deshalb sei es sinnvoll, die Dienste der Informationsbeschaffung und -Vermittlung mit anderen informationellen Mehrwert schaffenden Dienstleistungen, wie Aggregation der Information hinsichtlich von Consulting, Beratung und anderen dem Auftraggeber angemessenen Problemlösungen zu verknüpfen. Dies gäbe Gewähr für eine längerfristige Verankerung im Informationsmarkt außerhalb staatlicher Verantwortung. Zeitlich einhergehend mit den Prozessen der Auflösung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und den Vorbereitungen zur Wiedervereinigung Deutschlands wurde das vorläufig letzte Fachinformationsprogramm der Bundesregierung für die Planperiode 1990-1994 dann 1990 erarbeitet (Lit. 13). Noch ganz auf die Belange der Entwicklungen der alten Bundesländer abgestellt, konnte das Programm - gleichermaßen in allerletzter Minute vor der Verabschiedung - die Belange der neuen Bundesländer nur global in dem Sonderabschnitt „Innerdeutsche Zusammenarbeit" ansprechen. In dieser kurzen Passage wurde jedoch versucht, die Harmonisierung der verschiedenen Informationssysteme im europäischen Rahmen anzugehen und durch gemeinsame Projekte und unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit die spezifischen informationspolitischen Ziele und Programmatiken auch auf das Beitrittsgebiet zu erweitern. Dennoch kann es wohl als unbestritten gelten, daß es im Rahmen dieses Förderungsprogrammes Schwerpunkte im Ausbau des Angebotes und der Nutzung von Fachinformation in den Neuen Bundesländern gegeben hat (Lit. 11). Insbesondere wird die moderne Informations- und Literaturversorgung für Forschung, Lehre, Wissenschaft und Wirtschaft als essentiell eingeschätzt, um die „unbefriedigende wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rasch zu steigern" (Lit. 11, S. 62). Als zweite wichtige Tendenz ist festzuhalten, daß sich die deutsche nationale Informationspolitik zunehmend den Rahmenbedingungen und Programmen der Europäischen Gemeinschaft (EG) und ab 1995 dann der Europäischen Union (EU) anzupassen hat, was den Aktionsraum einer selbständigen nationalen Politik eingrenzt und ihn längerfristig sogar erheblich einschränken wird. Entsprechende Hinweise auf die EU-Programme IMPACT 1 und IMPACT 2 (Lit. 12, Lit. 13, Lit. 40, Lit. 25, Lit. 49, Lit. 76, Lit. 45) und das künftige Programm IMPACT III (Lit. 32) zeigen deutlich, daß die übergreifenden europäischen Initiativen, die weiter unten detaillierter dargestellt werden, deutlicher berücksichtigt werden müssen.

F 6.3 Etappen in der Formulierung der deutschen IuD-Politik

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Der im Fachinformationsprogramm 1985-88 (Lit. 12) eingeschlagenen Richtung der Deregulierung und Privatisierung von Informationsprozessen folgend, versucht das Folgeprogramm (Lit. 13) zunächst die Frage der Verantwortung des Staates für die Fachinformation zu klären. Fachinformation sei inzwischen selbstverständliches Instrument der Infrastruktur moderner Industriestaaten im Forschungs- und Entwicklungsprozeß geworden. Durch die kaum noch bewältigbare Informationsflut entstehen Engpässe in der Sicherung der Informationsversorgung im Bereich Wissenschaft und Forschung, die dem wettbewerbsfähigen Forschungs- und Entwicklungsprozeß im Wege stehen. Staatliche Eingriffe in die Informationsvermittlung und -Versorgung dürfen grundsätzlich nur dort geschehen, wo die Informationsversorgung über den Markt nicht regulierbar ist. Darüber hinaus ist es natürlich angezeigt, wenn der Staat mit der Fachinformation hoheitliche Aufgaben oder gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnimmt, die von keiner anderen gesellschaftlichen Instanz erfüllt werden können. Von daher sind Herstellung und Angebot von elektronischen Informationsdiensten grundsätzlich privatwirtschaftlichen Aktivitäten vorbehalten; der Staat wird keinen Einfluß darauf nehmen. Neben dem Eigenbedarf an Information der staatlichen Einrichtungen (sog. ressortspezifische Informationen) wird er sich lediglich in solchen Bereichen engagieren, die im allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen, wie etwa für Zwecke der Grundlagenforschung, der Daseinsvorsorge und ähnlichen Bereichen. Diese zunächst recht allgemein gehaltene Abgrenzung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft, die angesichts der flächendeckenden Konzeption des ersten IuDProgrammes von 1974 unter zentralistischer staatlicher Regie die fast genaue Kehrtwendung bedeutet, wird im folgenden dann mit erstaunlich einfachen Argumentationen präzisiert. Der gesamte Informationsmarkt gliedere sich zunächst in zwei Blöcke: den Markt der Aktuellen Information und den der Nicht-aktuellen Information, dem Teil der Informationen, der über die Barrieren Raum und Zeit zur Verfügung gehalten werden müsse, selektierte Information also, der auch retrospektiv problembezogene Informationsvermittlungsprozesse auslöse. Im Bereich der Aktuellen Information sei der deutsche und internationale Buchhandel und das Verlagswesen erfolgreich tätig, das Angebot gesichert und das Marktsegment insgesamt gut entwickelt. Im Bereich der Nicht-aktuellen Information spaltet sich der Markt in den erfolgreichen Teil der Wirtschaftsinformation, der privatwirtschaftlich verfaßt ist und den Teil der Wissenschaftlich-technischen Information (WTI), der neben den Fakteninformationen als staatliche Infrastruktur für die Garantie einer leistungsfähigen Forschung und Entwicklung angesehen wird und deshalb auch staatliche Unterstützung genießen kann. Nach dieser Legitimation und recht klaren Abgrenzung werden dann im Programm die Ziele dieses selbstbegrenzten Gegenstandsbereiches WTI und Faktendokumentation genannt: - Auf- und Ausbau einer leistungsstarken Infrastruktur zum Nachweis und Bereitstellung von Fachinformation. - Sicherung des Zugriffs auf das internationale Fachinformationsangebot durch geeignete Kooperationsformen bei der Produktion und beim Vertrieb. - Erweiterung des deutschen Fachinfonnationsangebotes durch besonders hochwertige Produkte für das In- und Ausland.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

- Steigerung der Nutzung der Fachinformation im Bereich der Hochschulen und hier besonders in den Naturwissenschaften (Lit. 78, Lit. 79, Lit. 25) sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). - Förderung der Aus- und Fortbildung im Bereich der Fachinformation. - Förderung der Forschung und Entwicklung in der Fachinformation.

Diesen fünf Förderzielen wurden dann die folgenden sechs Förderschwerpunkte an die Seite gestellt, deren Fördervolumen in den Jahren 1989-1994 insgesamt 2.216,7 Mio. DM ausmachen soll: 1. Fachinformationseinrichtungen Nachweis und Bereitstellung von Fachinformation) 2. Wissenschaftliche Bibliotheken (Dokumentversorgung) 3. Nutzungssteigerung in Hochschulen und KMU 4. Produktion und Angebot von neuen hochwertigen Fachinformationsdiensten 5. Forschung und Entwicklung in der Fachinformation 6. Computer Aided Translation/Maschinelle Übersetzung

32 % der Mittel 35 % der Mittel 4 % der Mittel 22 % der Mittel 6 % der Mittel 1 % der Mittel

Auffällig ist, daß die Positionen 1 und 2 zusammen bereits zwei Drittel des gesamten Fördervolumens beanspruchen, obwohl im Programm selbst sehr genau Nachweis darüber geführt wird, daß beispielsweise der Kostendeckungsgrad der Fachinformationszentren sich auf etwa 50% habe steigern lassen. Obwohl es die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in ihrer Stellungnahme Endes des Jahres 1994 (Lit. 27) nicht für dringend geboten erachtet, daß ein weiteres gesondertes Fachinformationsprogramm aufgelegt werden sollte, wenn nur zentrale (überwiegend marktwirtschaftliche) Kernpunkte künftiger informationspolitischer Ziele berücksichtigt werden., liegt zum Ende des Jahres 1995 ein Entwurf für ein neues Programm vor. Unter dem Titel „Wissenschaftlich-technische Information für das 21.Jahrhundert" Programm der Bundesregierung 1996-2000. Stand 1.12.1995 kündigt das (umbenannte) Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie an, daß die Bundesregierung mit diesem Programm ein neues Konzept verfolge. Folgende Schwerpunkte, die im letzten Fachinformationsprogramm eine recht große Rolle gespielt hatten, sollen nun nicht weiter gefördert werden: - Integriertes Chemieinformationssystem - Nutzungssteigerung in Hochschulen und Forschungseinrichtungen - Nutzungssteigerung in Kleinen und Mittleren Unternehmen einschl. Handwerksbetrieben - Integration der neuen Länder. Statt dessen wird nun der Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung des wissenschaftlich- technischen Publikationswesens in der stärker gewordenen wissenschaftichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung dieser Systeme gelegt. Für die staatliche Förderung ergeben sich aus dieser neuen Orientierung, daß die institutionelle Förderung der staatlichen Fachinformationseinrichtungen langfristig eingestellt werden wird, wenn der Kostendeckungsgrad einmal die 100%-Hürde genommen haben wird und Informationsdienste zu marktwirtschaftlichen Bedingungen angeboten werden können. In den vergangenen Jahren hat sich dieser Kostendeckungsgrad

F 6.3 Etappen in der Formulierung der deutschen IuD-Politik

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der Fachinformationseinrichtungen von 39% (1988) auf 58% (1994) steigern lassen. Durch befristete Anschubfinanzierungen sollen Entwicklungsprojekte gefördert werden, die das wissenschaftlich-technische Publikationswesen auf eine neue Stufe der Entwicklung heben sollen. Hierbei sind insbesonders die Aufbereitung und Nutzung der Information und die damit verbundene Software-Entwicklung angesprochen. Aus diesen globalen Förderungszielen werden dann folgende Förderbereiche im einzelnen ausgeführt: - Wissenschaftlich-technische Information und Kommunikation in Datennetzen - Elektronische Publikation und multimediale wissenschaftlich-technische Information - Literatur- und Faktendatenbanken - Elektronische Bibliothek - Nutzung der wissenschaftlich-technischen Information. Mit den neuen Förderbereichen wird offenbar versucht, den Blick für die Entstehung und Verbreitung wissenschaftlich-technischer Information zu verbreitern und dieses Konzept mit den technischen und organisatorischen Erfordernissen der Informationsgesellschaft in Einklang zu bringen. Die Beibehaltung der Förderbereiche Literatur- und Faktendatenbanken sowie der Verstärkung der Nutzung der Informationsangebote läßt auf eine (offenbar mehr erzwungene als gewollte) Kontinuität schließen, die darin begründet liegt, daß der „Rohstoff' wissenschaftlichtechnische Information noch immer zu großen Teilen in Form von Literatur (in welcher medialen Form auch immer) verbreitet wird. Zweifellos wird der Bereich der Förderung für die Nutzung von Information auch künftig sinnvoll und notwendig sein, denn schon die Nutzung traditioneller Formen wissenschaftlich-technischer Informationsdienste ließ zu wünschen übrig und verlangte nach Maßnahmen zur Verbesserung von „Informationsbewußtsem". Um wieviel größer müssen künftig die Maßnahmen zur Nutzung veranschlagt werden, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß diese Informationen nun in sehr verschiedenen elektronischen und multimedialen Formen erscheinen werden (Online-Datenbanken, CD-ROM, Datennetze mit unterschiedlichsten Zugriffssystemen usw.). Dafür muß nicht nur das Informationsbewußtsein sensibilisiert werden, sondern auch und vor allem sehr konkret Nutzungs- und Zugriffehilfen gestellt werden. In der bisherigen Nachzeichnung der Etappen in der deutschen staatlichen Informationspolitik ist über Förderungssummen, die den einzelnen Programmen zur Verfügung standen, nur in Ausnahmefällen berichtet worden. Diese sollen hier abschließend nachgetragen werden, jedoch sind diese Angaben nur unter bestimmten Einschränkungen zu machen, da die Zahlenangaben (gestützt auf die amtlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie/ BMFT) in den einzelnen Planungsperioden voneinander abweichen. Eine genaue Gegenüberstellung der Ausgaben des BMFT der Jahre 1973-1988 anhand der verschiedenen Quellen findet sich in (Lit. 72). Als Gründe für die festzustellenden Abweichungen in den Angaben sind anzuführen: - Unterscheidung von Haushaltsansätzen und tatsächlichen Ausgaben in den verschiedenen Planungsperioden.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

- Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von Ausgaben der anderen Bundesressorts für die Information und Dokumentation in verschiedenen Förderungsperioden. So ist beispielsweise zu Beginn der 80er Jahre festzustellen, daß die ehemals vollständig dem BMFT (und seinen Vorgängern) zugeordnete Zuständigkeit für den Bereich der Information und Dokumentation dann teilweise wieder abgenommen wurde und in verschiedene Bundesressorts wieder rückverlagert worden ist. - Unterschiedliche Rechnungsverfahren und Definitionen. Tfrotz dieser methodischen Einschränkungen, die sich auf einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren Bundesförderungen durch den BMFT beziehen, geben die letzten Zahlen aus den beiden Fachinformationsprogrammen ein recht realistisches Bild über die Förderungsgrößen. Hierbei soll allerdings noch einmal deutlich gemacht werden, daß es sich nur um Bundesaufwendungen handelt, die zusätzlich zu den Aufwendungen für den Betrieb der Information und Dokumentation bzw. Fachinformation von Ländern, Gemeinden, der Privatwirtschaft, Stiftungen, Verbänden, Forschungseinrichtungen und anderen ausgegeben wurden. Jahr

Mio. DM

Zuwachs in % zum Voijahr

1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994

84,1 115,8 122,2 133,9 160,4 166,4 181,2 179,5 186,6 189,6 193,0 221,0 235,0 240,0 243,0 294,5 (Soll) 308,9 (Soll) 348,9 (Soll) 386,1 (Soll) 425,6 (Soll) 453,0 (Soll)

0 37,7 5,5 9,6 19,8 3,7 8,9 -0,9 3,9 1,6 1,8 14,5 6,3 2,1 1,2 21,2 4,9 12,9 10,7 10,2 6,4

Abb. 2: Aufwendungen der Bundesrepublik Deutschland für Information und Dokumentation 1974-1994 (vgl. Lit. 12, Lit. 13)

F6.4 Ausblick

F6.4

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Ausblick

Waren die 60er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gekennzeichnet durch ein stetig anwachsendes gesellschaftliches und politisches Bewußtsein um die Bedeutung von Information, zeichnen sich die 70er Jahre aus durch den Versuch der Schaffung einer staatlichen zentralen institutionellen Infrastruktur. Nach einem knappen Jahrzehnt der Förderung in diesem fest definierten Bereich staatlicher Zuständigkeit und Einflußnahme zum Nutzen der Allgemeinheit, setzt zu Beginn der 80er Jahre eine zunehmende Deregulierung ein, die die Grundannahmen bisheriger staatlichen Förderungen radikal in Frage stellt und schrittweise den Rückzug des Staates aus den von ihm geschaffenen Strukturen zugunsten einer marktwirtschaftlich orientierten subsidiären Förderpolitik einleitet. Die zweite Hälfte der 80er Jahre ist dann förderpolitisch gekennzeichnet von den Konzepten der (privatwirtschaftlich zu organisierenden) Informationsvermittlung und der Vermarktung von Online-Diensten. Die 90er Jahre sind bislang in der nationalen Perspektive getragen von dem Bemühen, die Konzepte der alten Bundesländer auch in die neuen zu übertragen und beim Aufbau und Ausbau entsprechender gleichartiger Strukturen der Informationsvermittlung zunächst die technischen Voraussetzungen zu schaffen und zu fördern. Hierin ist sicher ein faktischer Förderschwerpunkt zu sehen, der auch sicher seine Berechtigung hat (Lit. 11); ein programmatischer Schwerpunkt im Fachinformationsprogramm ist er aber nie explizit gewesen. Zudem werden nationale Orientierungen in der Informationspolitik zunehmend stärker auf die europäische Informationspolitik abgestimmt. Gleichzeitig ist ein Rückzug bei der Bestimmung des Förderungsbereiches auf den Gegenstand der wissenschaftlich-technischen Information (WTI), wie er in den Anfängen der IuD bereits sehr üblich war, festzustellen. Deutlich festgeschrieben sind die Förderbereiche, in denen der Staat künftig tätig werden soll. Die hier genannten Bereiche sind eben die „klassischen" und tradierten Literatur-Nachweis- und Bereitstellungssysteme, die die Pionierzeit der Information und Dokumentation ausgemacht und gestaltet haben. Das Fachinformationsprogramm 1990-1994 ist somit faktisch gekennzeichnet durch Rückzüge aus vielen Sparten und Segmenten der Information, es ist eher durch eine Verwaltung der historisch überkommenden „Altlasten" aus früheren Programmen gekennzeichnet, als durch eine irgendwo erkennbare Vorwärtsstrategie. Es soll abschließend versucht werden, den Bezug zu den in Abschnitt F6.2 aufgezeigten Entwicklungslinien der Forschungs- und Technologiepolitik herzustellen. Das soziale Problem, auf welches im Falle der IuD reagiert wird, ist in der Anfangsphase im Kern charakterisiert worden als die Bewältigung des Erkenntnis- und Wissenszuwachses (Informationsflut) zum Nutzen von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und alle Bürger. Die Beherrschung dieser Flut an wichtigem Wissen wurde im Sinne des technischen Handlungsziels durch den Auf- und Ausbau eines flächendeckenden Netzes von Fachinformationseinrichtungen und dazugehörige InfrastrukturEinrichtungen angegangen. Vergröbernd kann dieser Lösungsansatz - zumindest in der Anfangszeit - als input-orientiert charakterisiert werden, der weitere Dimensionen des Grundproblems weitgehend außer acht ließ: die Verteilung, die bedarfsgerechte und zielgenaue Vermittlung des Rohstoffes „Information" an die Nutzer.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

Nicht eindeutig ist die Frage beantwortbar, ob mit den Förderungsprogrammen die Bedingungen erfüllt waren (oder werden konnten), die unter dem Aspekt der Spezifizierung der Forschungsprogrammatik gestellt werden müssen. Daß dies in den entsprechenden Teilprogrammen der Förderung für Hochschulen und im Zusammenhang mit der Formulierung entsprechender Schwerpunkte für die GID versucht wurde, ist wohl unbestritten. Zweifel sind wohl angebracht darüber, ob diese Aufgaben zielbestimmt, systematisch aus dem Gegenstand abgeleitet, umfassend und nachvollziehbar waren und ob sie in der Technologieperspektive strategisch angemessen eingeordnet waren. Zweifel an der Fähigkeit, diese mehr oder weniger deutlich formulierten Zielvorgaben umzusetzen, sind an anderer Stelle geäußert worden (Lit. 81). Die Entwicklung in den 80er Jahren ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Output-Orientierung, der Hinwendung zur Nutzung der IuD-Dienstleistungen, wie dies in den Konzepten der Informationsvermittlung und des Informationsmarktes zum Ausdruck kommt. Gestützt wird diese Entwicklung durch den partiellen Rückzug des Staates aus der umfassenden Verantwortung für die IuD, der institutionensprengenden Auswirkungen der zunehmenden Anwendungen der Informationsund Kommunikationstechnologien, sowie einem sehr plötzlich einsetzenden „Vertrauen" in die Mechanismen des sich sehr schüchtern entwickelnden Informationsmarktes (Stichpunkt: marktwirtschaftlich orientierte Förderungspolitik). Bezüglich der Zeitphasen in der Formulierung von F+E-Programmatiken läßt sich das IuD-Programm von 1974 wohl recht eindeutig in die Nachhol- und Innovationsphase einordnen. Dort wird der Zusammenhang zwischen der Schließung der technologischen Lücke und der Schaffung neuer F+E-Infrastruktur hergestellt. Für die programmatischen Ziele in den 80er Jahren gelten dann allerdings mehr die Merkmale der EfSzienzsteigerungsphase; festmachbar z. B. an dem Konzept der Innovationsförderung mit Blick auf die Vermittlung von know-how in die Wirtschaft. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, daß scharfkantig deutliche Umorientierungen feststellbar sind, sondern vielmehr neuere Zielorientierungen zu den bereits bestehenden hinzukamen. Die Ereignisse seit ca. 1983 lassen zudem vermuten, daß durch stärkere Deregulierungen, weiteren Rückzug aus der direkten Verantwortung, institutionelle Neuzuordnungen, Vervollständigung der Rückverlagerung der IuD-Zuständigkeit in die Fachressorts des Bundes u.ä. eine eigenständige Fachinformationspolitik aufgegeben wurde, ohne eine deutliche Perspektive für eine Neuverortung aufzuzeigen. Durch die schrittweise Einschränkung des ursprünglichen flächendeckenden Konzeptes der Fachinformationsversorgung, welches von einer Vorstellung ausging, daß Information unteilbar und in ihrem Nutzen grundsätzlich gleich ist und deshalb alle Bereiche des menschlichen Wissens einschließen müsse, ist zumindest ein Anzeichen für einen Wechsel in der Begründung des Nutzens festzuhalten. Während das ursprünglich ganzheitliche Informationskonzept dem Technology-push-Ansatz verpflichtet ist, trägt das in den letzteren Jahren stärker vertretene Konzept der privatwirtschaftlichen Vermarktung von Informationen deutlich die Handschrift des Demand-Pull-Ansatzes, auch wenn hier im Detail noch stärkere Differenzierungen vorzunehmen wären. In der Frage der Anwendung des förderungspolitischen Instrumentariums ist eine schrittweise und schwerpunktsetzende Verlagerung von den anfänglichen direkten

F 6.5 Internationalisierung der Informationspolitik

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zu den späteren indirekten Maßnahmen zu verzeichnen. Waren es zu Beginn der Förderung im IuD-Bereich zunächst Maßnahmen der institutionellen Förderung, unterstützt durch projektorientierte Maßnahmen, so wurden in den 80er Jahren indirekte Maßnahmen zusätzlich eingeführt, von denen der Typus der indirekt-spezifischen Maßnahmen dominierte.

F 6.5

Internationalisierung der Inforraationspolitik

Die bislang dargestellte fast ausschließlich auf den nationalen Einzugsbereich abgestellte Entwicklung hat unberücksichtigt gelassen, daß es eigentlich von Beginn an auch (zunächst politisch nur formulierte, dann aber später auch zunehmend praktizierte) Integrationsbestrebungen zu den internationalen Entwicklungen gegeben hat. Dies war bereits durch die in den 60er Jahren begonnenen internationalen Kooperationsvorhaben der klassischen Information und Dokumentation angelegt und wird angesichts der ökonomischen und technischen Entwicklungen der Informations· und Kommunikationssysteme von Wissenschaft, Technik, Verwaltung und Wirtschaft in der Folgezeit zunehmend deutlicher. So ist es in den 90er Jahren wohl kaum noch möglich, die Entwicklung der deutschen nationalen Informationspolitik unabhängig von den übergreifenden Entwicklungen in der Europäischen Union und anderen internationalen und multinationalen Organisationen sehen zu können. Ebenso wie es kaum noch möglich ist, eine klare Abgrenzung von Telekommunikationspolitik und Kommunikationspolitik von dem hier behandelten Bereich der Informationspolitik/Fachinformationspolitik vorzunehmen, da die (zumindest in der nationalen Perspektive) ehemals getrennten Politikbereiche nun ineinander verschmolzen sind. Die stürmischen technischen Errungenschaften in den Informations- und Kommunikationstechnologien der letzten 20 Jahre und die massenweise Ausbreitung von Online- und Telekommunikationsdiensten geht einher mit dem Hineinwachsen massen- und multimedialer Dienste und Systeme in die internationale Telekommunikationsinfrastruktur, die einen neuen gemeinsamen Bereich von Telekommunikation, Massenkommunikation und Information geschaffen hat. Schon im ersten nationalen IuD-Programm (Lit. 17, S. 84-96, Lit. 53) wurde deutlich gemacht, daß durch die damals bestehenden ca. 40 Verbundsysteme der internationalen arbeitsteiligen Datenbasis-Produktion auf den verschiedensten Gebieten eine Internationalität vorhanden sei, wobei die Bearbeitung der immensen Informationsflut die ökonomischen Ressourcen eines einzelnen Landes überfordert hätte. Der zweite wichtige Hinweis auf die (im Gegenstand implizit angelegte ) Internationalität wurde im Aufkommen der damals als „Informationsnetze" bezeichneten technischen Telekommunikationssysteme gesehen und in diesem Zusammenhang besonders deutlich an das im Entstehen befindliche europäische Informations- und Dokumentationsnetz EURONET der Europäischen Gemeinschaften (EG) Mitte der 70er Jahre. Grundlage dafür bildet die Entschließung der EG vom 24. Juni 1971, in der festgelegt wurde, daß die Länder der EG eine stufenweise Entwicklung

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

hin zu einem gesamteuropäischen Netz angehen sollen mit dem Ziel, allen Benutzern auf einheitlicher Grundlage Informationen aus Wissenschaft und Technik zu liefern (Lit. 40). Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß neben den prioritären Bezügen zu den Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaften auch explizite Anknüpfungspunkte zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zur Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO; Lit. 58) sowie zu einer Reihe weiterer nicht-staatlicher Organisationen wie professionellen Verbänden (z.B. International Federation of Information and Dokumentation, FID) und Standardisierungsinstitutionen (z. B. International Standardization Organization, ISO) hergestellt wurden. Im Fachinformationsprogramm 1985-1988 (Lit. 12, S. 67-70) kommen dann zu den bereits vorgestellten Zielen der internationalen Kooperation und der Weiterentwicklung der Verbundsysteme noch hinzu, daß es auch gelte, die Bedingungen für ein weltweites Angebot an deutscher Fachinformation zu verbessern und für die deutschen Nutzer den Zugang zu den weltweiten Fachinformationen zu sichern. Dieses habe sich auf alle übernationalen staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen zu beziehen. Im Einzelnen ist jedoch in den Aussagen über die Kooperationsziele innerhalb der Europäischen Gemeinschaft deutlich eine Öffnung zu innovativen und kreativen Informationsdiensten und deren Verbreitung zu erkennen. Dieses wurde damals noch „Fachinformationsmarkt" genannt und hat im Kern bereits das umschrieben, was heute mit Begriffen wie etwa Mehrwertdienste und Informationsmarkt beschrieben wird. Hier wolle man - besonders angeregt durch die Aktionspläne der Europäischen Gemeinschaften - die Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines solchen Marktes durch Beseitigung der technischen, sprachlichen oder kommerziellen Hindernisse verbessern (Lit. 04, Lit. 09, Lit. 07, Lit. 77, Lit. 69). Der Aspekt der Internationalität der staatlichen Förderprogramme aus der Sicht der deutschen Informationspolitik konzentriert sich dann im bislang letzten Programm (Lit. 13, S. 53-55) eindeutig auf die Entwicklungslinien, die durch die Perspektiven des Rates der Europäischen Gemeinschaft aufgezeigt worden waren. Unter den Prämissen eines europaweiten Binnenmarktes ist bereits 1988 ein Aktionsplan zur Schaffung eines Marktes für Informationsdienste mit dem Namen IMPACT 1 (Information Market Policy Action) verabschiedet worden (Lit. 45, Lit. 76, Lit. 40). Entlang dieser marktwirtschaftlichen Betrachtung von Information, seiner Nutzung, Vermittlung und Vermarktung waren die Ziele dieses Programms darauf gerichtet, den EG-weiten Binnenmarkt bis 1992 zu errichten (oder zumindest merklich auf den Weg zu bringen), indem die Angebotskapazität der europäischen Informationsanbieter zu stimulieren und zu stärken und fortschrittliche und zukunftsweisende Informationsdienste zu fördern sind, die im internationalen Wettbewerb bestehen können. Gegenüber diesen dezidierten Aussagen haben die kurzen und recht allgemeinen Aussagen über andere internationale Kooperationen in diesem Programm (etwa UNESCO, General Information Programm, GPI) bestenfalls Erwähnungscharakter. Wegen der überragenden Bedeutung informationspolitischer Weichenstellung innerhalb der EU und auch aus Platzgründen können die anderen (durchaus interessanten) internationalen Entwicklungslinien hier nicht weiter nachgezeichnet werden.

F 6.6 Etappen in der Europäischen Informationspolitik

F 6.6

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Etappen in der Europäischen Informationspolitik

Bereits zu Beginn der 70er Jahre formierten sich innerhalb der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (KEG) Aktionen zur europaweiten Gestaltung von Informations· und Kommunikationsflüssen in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Zuständig für die Programme und Aktionen war und ist bis heute das Generaldirektorat XIII (DG XIII), welches heute die Bezeichnung „Telekommunikation, Informationsmarkt und Nutzung der Forschungsergebnisse" trägt, in den Anfängen jedoch mit den „klassischen" Aufgaben der Information und Dokumentation befaßt war. Als Ansatzpunkt für eine europaweite, nationenübergreifende Informationsversorgung bot sich zunächst der Aufbau einer übergreifenden Telekommunikationsinfrastruktur für den Bereich der Wissenschaft und Forschung an. Ganz grob können wir zwei hauptsächliche Entwicklungslinien in der europäischen Informationspolitik unterscheiden: den Aspekt der Telekommunikation und den Aspekt des Informationsmarktes, wobei die Bemühungen um Schaffung einer angemessenen Infrastruktur und die vielen Initiativen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Information nicht unerwähnt bleiben sollen. Im Aspekt der Telekommunikation hatte die KEG bereits ab 1975 in verschiedenen Aktionsplänen die Errichtung eines technischen Netzwerkes für Informationszentren und -Vermittlungsstellen unter dem Namen EURONET/DIANE beschlossen und gefördert (Lit. 40, Lit. 49, Lit. 06). Am Aufbau wurden die EG-Staaten beteiligt und eingebunden. Dies bildete die Grundlage hinsichtlich der Technik, Organisation und Anwendung einer übergreifenden Informationsvermittlung. Mit dem Jahr 1983 war die Entwicklung von EURONET/DIANE abgeschlossen und z.T. durch andere internationale Netzwerke und -konfigurationen abgelöst worden (Lit. 49). Im Aspekt des Aufbaus einer leistungsstarken Telekommunikationsinfrastruktur wurde dann im Rahmen des „EUREKA-Programmes" 1985 das COSINE-Projekt beschlossen (Cooperation for Open Systems Interconnections in Europe). COSINE sollte eine anwendemeutrale Infrastruktur für die Wissenschaft, Industrie und Verwaltung schaffen, um diese Bereiche in den verschiedensten Anwendungsbereichen telekommunikativ zusammenzubinden, was dem Ziel einer zunehmenden Kooperation und Integration innerhalb Europas dienlich war. Im folgenden Jahr 1986 wurde dann - gleichsam als Antwort auf die inzwischen auf nationaler Ebene eingerichteten Netzwerke im Bereich von Wissenschaft und Forschung - das RARE-Projekt aufgelegt, welches sich als Dachorganisation der Vernetzung im Wissenschaftssektor definierte (R6seaux Associ6s pour Ia Recherche Europdenne). Aus deutscher Sicht wurden in diesem Konzept die Belange der nationalen Netzwerke untereinander und weltweit abgestimmt; etwa DFN/WIN, ERWIN, EARN und andere (Lit. 06). Im gleichen Jahr wurde dann das Projekt RACE beschlossen, welches die Einführung der Integrierten Breitbandkommunikation (IBC) unter Berücksichtigung von ISDN zum Ziel hatte. Somit war unter zunächst rein technischen Vorzeichen der Zusammenschluß von massenkommunikativen und Multimedia-Systemen angegangen, da die breitbandigen Übertragungsmöglichkeiten die bislang noch technisch bedingte Trennung von überwiegend textlichen einerseits und audiovisuellen Systemen anderseits aufhob.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Poiitik - Fachinformationspolitik

Im 1987 vorgelegten „Grünbuch" der KEG werden erstmals die Forderungen der Harmonisierung der europäischen Telekommunikationsstrukturen angegangen und ein Programm für die Deregulierung und Liberalisierung für TelekommunikationsDienste unter Berücksichtigung öffentlicher (staatlicher) TelekommunikationsDienste beschlossen. Kernstück dieses Programms ist es, die verschiedenen - oft staatlich geregelten und untereinander nicht vergleichbaren - Strukturen in der Telekommunikation soweit zu deregulieren oder zu privatisieren, daß ein gleicher, offener Zugang zu gleichen Bedingungen zu den Telekommunikationsdiensten für alle Europäer ermöglicht wird und im Telekommunikationsmarkt international gleiche Wettbewerbschancen entstehen. Im Jahre 1994 und zu Beginn des Jahres 1995 sind dann weitere Teile des Grünbuches über die Liberalisierung der Telekommunikations-Infrastruktur und der Kabelfunknetze und ein gemeinsames Konzept zur Bereitstellung einer Infrastruktur für Telekommunikation in der Europäischen Union (EU) erarbeitet worden, die es zum Ziel haben, die geforderten gleichen Zugangsbedingungen für alle Europäer bis zum Jahre 1998 zu schaffen (Lit. 07). Hinsichtlich des Aspektes Informationsmarkt in Europa ist die Entwicklung programmatisch gefaßt im Aktionsprogramm 1984-1988 (Lit. 40). Hierin wurde die Entwicklung eines Europäischen Informationsmarktes beschlossen, welches sich zunächst an der Frage des Wettbewerbs auf dem weltweiten Online-Markt festmachte und sich dann auf Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der Datenbanken der Europäischen Gemeinschaften konzentrierte. In diesem programmatischen Zusammenhang ist der Ausbau des Hosts der Europäischen Gemeinschaften ECHO in Luxemburg mit seinem reichen Angebot an Datenbanken einzuordnen (Lit. 30, Lit. 59). 1989 wurde dann das zunächst nur auf zwei Jahre begrenzte Programm IMPACT 1 (Information Market Policy Action) mit einem Fördervolumen von 36 Mio. ECU beschlossen. Ziel dieses Programms war es, einen Beitrag zur Schaffung des Binnenmarktes für Information zu leisten, die Wettbewerbsfähigkeit der Informationsprodukte zu stärken und die Nutzung von Informationsdienstleistungen zu beleben. Dazu wurden Maßnahmen durchgeführt, die die Beobachtung des Informationsmarktes zum Gegenstand hatten, die Nutzung dieser Produkte aktiv propagieren sollte und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für einen europäischen Informationsmarkt schaffen sollten. Darüberhinaus wurden weitere Förderungsmittel zur Erstellung von Informationsdiensten in den Bereichen Touristik, Patente, Normen und Verkehr investiert. Im zeitlich direkt anschließenden Folgeprogramm IMPACT Π (Lit. 48), welches eine Laufzeit von 1991 bis 1995 hat, wurden die Erfordernisse zur Etablierung eines wettbewerbsfähigen europäischen Informationsmarktes durch entsprechende Maßnahmen weiter gefestigt. Es galt und gilt immer noch, den Binnenmarkt für elektronische Informationsprodukte aufzubauen, die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und Japan durch geeignete Maßnahmen zu festigen und eine gleichartige Entwicklung innerhalb der Länder der Europäischen Gemeinschaft sicherzustellen. Letztlich müsse als oberstes strategisches Ziel die Erleichterung des Zugangs zu elektronischer Information eingelöst werden. Unter diesen Zielvorgaben schälen sich dann zwei Bündel von förderungswürdigen Maßnahmen heraus (Lit. 09):

F 6.6 Etappen in der Europäischen Informationspolitik

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Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Information (INFO EURO ACCESS): -

Abbau von rechtlichen, technischen und administrativen Barrieren ökonomische Gleichstellung aller durch gleichartige Gebühren Vereinheitlichung von Benutzerschnittstellen (Standardisierungen) Multilinguale Systemzuschnitte/Mehrsprachigkeit der Systeme Verbesserung der Informationskultur (auch Informationsbewußtsein) Verbesserung der Telekommunikations-Technologien mit dem Ziel, multimediale elektronische Informationsbeschaffung über eine Station möglich zu machen (one-stop-shopping).

Maßnahmen zur Förderung der Technologie und Anwendung: - Elektronisches Publizieren; Umstellung auf elektronische (multimediale) Produkte - Förderung der Akzeptanz und Nutzung, Public Relation für elektronische Produkte - Entwicklung von Methoden und Werkzeugen für die bessere Benutzbarkeit und Vereinfachung des Zugangs - Neue Formen von Informationsdienstleistungen und elektronischen Distributionsformen - Neugestaltung von Informationprodukten, sowie Darstellungsformen von Wissen - Verbesserungen in den Kommunikationswegen von Wissen/Verteilung von Diensten - Optimierung von Zugriffsmethoden auf Wissensbestände/Information Retrieval und Selektion von Wissen - Optimierungen in der Benutzerführung, des Informationszugangs und beim Navigieren in Wissensbeständen.

Eine nochmalige Aufwertung und perspektivische Verallgemeinerung in der europäischen Informationspolitik ist dann in den Jahren 1993/1994 erfolgt. Vor dem Hintergrund der Rolle der Information in der künftigen ökonomischen Entwicklung in Europa, die im Weißbuch über Wachstum, Wettbewerb und Beschäftigung im Dezember 1993 festgeschrieben ist, wurde beschlossen, daß noch im gleichen Monat unter der Leitung des EG-Kommissars Bangemann eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt werden sollte mit den Ziel, Vorschläge für die Gestaltung Europas in einer globalen Informationsgesellschaft zu erarbeiten. Diese als „Bangemann-Gruppe" bezeichneten Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft haben dann unter dem Titel „Europa und die globale Informationsgesellschaft" (Lit. 44) dem Rat der Europäischen Gemeinschaft Vorschläge unterbreitet, die auf dem Gipfeltreffen auf Korfu am 24. und 25. Juni 1994 von den Regierungschefs angenommen wurden (Lit. 24, Lit. 31). In den Empfehlungen wird die zukunftsgestaltende Kraft der Informationsrevolution politisch erkannt und beschlossen, daß ein dauerhaftes Koordinationsinstrument eingerichtet werden muß. So wurde für die inneren Belange der Kommission ein „Büro für die Informationsgesellschaft" (BIG) eingerichtet, welches als zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für Projekte, Partner, Vorschläge und Aufklärung dient (Lit. 04). In jedem Mitgliedsland soll darüberhinaus eine Person auf ministerieller Ebene beauftragt werden, die für alle Aspekte der Informationsgesellschaft zuständig sei und diese Fragestellung auch zentral zu koordinieren habe (Lit. 24). Den in den Empfehlungen genannten 10 Anwendungsprojekten wird grundsätzlich zugestimmt und die Kommission beauftragt, bis zum Ende des Jahres 1994 Maßnahmen zu ergreifen und Projekte auf den Weg zu bringen. Auf dem Gipfel in Essen am 10.12.1994 ist dann über den Fortschritt der Arbeiten berichtet worden.

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Seeger: Informationspolitik - IuD-Politik - Fachinformationspolitik

Ansatzpunkt des Bangemann-Berichtes bildet das wirtschaftsliberale Credo der Liberalisierung und Deregulierung, die allein die Kräfte freisetzen werde, die künftig Wachstum, Beschäftigung und Lebensstandard in den Ländern der E U bestimmen werde. Im Vertrauen auf die private Initiative - gegen staatlichen Dirigismus und Protektionismus - werde es durch die Verfügbarkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien gänzlich neue Arbeits-, Lebens- und Kommunikationsformen geben durch den unbegrenzten Austausch von multimedialen Informationen. Die Informationsrevolution ist demnach Ausdruck der Veränderung menschlichen Wissens (und nicht mehr der Technologie per se), weil die alte Vision der Verfügbarkeit jeglicher Information in jeder Menge und Gestalt über die Barrieren Zeit und Raum der technischen Realität der Systeme schon recht nahe gekommen ist. Diese Revolution eröffne der menschlichen Intelligenz ungeahnte neue Kapazitäten, die nachhaltig die Arbeitswelt und den Alltag verändern werden. Diesen Herausforderungen habe sich Europa bislang nur ansatzweise gestellt; es komme aber darauf an, in diesem bislang noch wenig entwickelten Feld angemessene ordnungs- und strukturpolitische Voraussetzungen für die Ausgestaltung der Informationsgesellschaft zu schaffen. In der Perspektive der Informationsgesellschaft werden sich dann in folgenden Bereiche positive Effekte einstellen: - Telekommunikations- , Kabel - und Satelliten- Betreiber werden durch Deregulierung und Privatisierung ihre Marktanteile ausweiten können. - Dienste-Anbieter und Inhaltsproduzenten (Content Provider) können attraktive Produkte zu günstigen Preisen anbieten. - Bürger und Nutzer profitieren vom breiten Spektrum konkurrierender Angebote. - Telekommunikations-Anbieter und Software-Hersteller profitieren vom expandierenden Markt.

Als strategischer Ansatzpunkt wird unter ordnungspolitischem Aspekt die Liberalisierung und Deregulierung der Telekommunikation gewählt, der als zentral für die Entstehung und Weiterentwicklung für einen künftigen Informationsmarkt angesehen wird. Im Telekommunikationssektor soll zunächst die Öffnung in den monopolartigen Bereichen erfolgen, wie im Grünbuch gefordert und ausformuliert wird. Des weiteren wird ein Abbau nicht-kommerzieller (d.h. politischer) Lasten gefordert und eine Festlegung von klaren Zeiträumen angemahnt, in denen die schrittweise Heranführung an eine Wettbewerbsumgebung geschehen soll. Diesem Komplex werden dann noch folgende Grundpositionen des notwendigen ordnungspolitischen Rahmens an die Seite gestellt: -

Wettbewerbssicherung (gemeinsame Regeln und Anpassung an die Marktbedingungen) Schutz des geistigen Eigentums Datenschutz, Wahrung der Privatsphäre Schutz vor Mißbrauch durch elektronische Verschlüsselung Eigentumsschutz im Mediensektor, um Pluralismus zu wahren Anwendungsorientierung der Technologie (Nutzungsmöglichkeiten, Effizienzerwägungen usw.).

Die strukturpolitischen Vorschläge werden dann für die Ebenen Telekommunikationsnetze, Grunddienste und Anwendungen vorgebracht: • Netze: Priorität solle es bei der Einrichtung und im Ausbau des Breitbandnetzes EURO-ISDN geben, das als Infrastruktur die Interkonnektivität zwischen Tele-

F 6.6 E t a p p e n in der Europäischen Informationspolitik

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kom-, Kabel- und Satellitennetzen sicherstellen soll. Dazu soll ein „European Broadband Steering Committee" eingerichtet werden. • Grunddienste der Telekommunikation: Grunddienste wie e-mail, file transfer, interactive media sollen auf breiter Ebene verfügbar sein. Dazu sind eindeutige Standards zu entwickeln und eine gewisse Grundauslastung („kritische Masse") zu gewährleisten. Zur Erreichung dieser Ziele ist ein „European Basic Services Forum" einzurichten (Lit. 07). • Zehn anwendungsbezogene Pilotprojekte zur Stimulierung von Angebot und Nachfrage und zur Erreichung der kritischen Masse in den Systemen werden vorgeschlagen, die als transeuropäische Initiativen zwischen öffentlichen und privaten Partnern durchgeführt werden sollen: - Telearbeit (Errichtung von 20 Telearbeitszentren in der EU) - Fernlernen (distance learning) in Bereichen der Schulung und Berufsausbildung - Netzwerke für Hochschulen, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen mit Zugang zu Bibliotheken -Telematik-Dienste für Kleine und mittlere Unternehmen (e-mail, Videokonferenzen und Elektronischer Dokumenten-Austausch, Vernetzung zu Kunden und Lieferanten) - Straßenverkehrsmanagement (Verkehrs-Info, Flottenmanagement, Leitsysteme) - Flugsicherung in Europa (Flugkontrolle) - Netze für das Gesundheitswesen (Netzwerk der Netzwerke zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Pharmazie, Sozialeinrichtungen u.ä.) - Elektronische Ausschreibungen der öffentlichen Hand und Lieferanten (European Electronic Tendering Network) -TVanseuropäisches Netz öffentlicher Verwaltungen mit Schwerpunkt des elektronischen Dokumenten-Austausches (EDI) zur Vermeidung von Papierverbrauch -Informationsautobahnen für Städte. Bereitstellung von Multimedia-Dienste für Freizeit, Telearbeit, Home-shopping, Home-banking, video on demand u.ä.

Ziel dieser anwendungsbezogenen Projekte soll es sein, daß damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden, neue Organisationsformen und veränderte Lebensbedingungen erprobt, sowie neue soziale Bedürfnisse befriedigt werden können. Schließlich verspricht man sich auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Dienste. Noch einen Schritt weiter in Richtung der Stärkung des Angebots von MultimediaInhalten geht ein Vorschlag der Kommission über ein mehrjähriges Programm zur Anregung der Entwicklung einer europäischen Industrie für Multimedia-Inhalte, das im Sommer 1995 dem Rat vorgelegt wurde. Im diesem I N F O 2000 genannten Programm wird sehr deutlich herausgearbeitet, daß der Entwicklung von elektronischen Multimedia-Produkten und Förderung der Nutzergruppen, sowie der Propagierung und Schulung eine zentrale Bedeutung zukomme, da diese neuen Dienste auch und im besonderen Maße Tiäger kultureller Identität und sprachlicher Vielfalt sind (Lit. 48). Parallel zu der Entwicklung einer Strategie für die künftige Informationsgesellschaft wurden die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Gestaltung dieser Informationszukunft im 4. Rahmenprogramm der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Forschung, Technologie und Entwicklung 1994-1998 geschaffen. Im Förderungsschwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologien (IuKT),

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der mit insgesamt 3,4 Mrd. ECU stattliche 39% des Gesamthaushaltes ausmacht, werden die folgenden drei Schwerpunkte ausgewiesen (Lit. 47, Lit. 49, S. 190 ff.): - Telematik (Anwendungen der IuKT im allgemeinen Interesse, wie etwa im Gemeinwesen, Gesundheitswesen, Fernstudien, Datenaustausch); Fördervolumen: 843 Mio. ECU für den Zeitraum 1994-1998. - Kommunikationstechnologien (Multimedia) mit den Schwerpunkten der Entwicklung von Text-Transfer-Systemen, Austauschformate für digitale Multimedia-Systeme, Weiterentwicklung der Radio-, Video- und Glasfasertechnik u.a.; Fördervolumen: 630 Mio. ECU im gleichen Zeitraum. - Informationstechnologien: Halbleitertechnik, Display-Entwicklungen und Netzwerke; Fördervolumen: 1932 Mio. ECU für den Förderzeitraum 1994-1998.

Die bis hierhin aufgezeigte Entwicklung macht deutlich, daß die europäische Perspektive in der Informationspolitik von Beginn an einen allgemeineren Ansatzpunkt als die nationale deutsche wählen mußte, da sie ja „über" den nationalstaatlichen politischen Entscheidungen und Entwicklungen anzusetzen gezwungen war. Mit der Einleitung der Liberalisierung der Telekommunikation in den Ländern der EG bzw. EU und der Artikulation eines in den Anfängen befindlichen (elektronischen) Informationsmarktes werden die Ziele der deutschen und europäischen Informationspolitik gleichartiger und mehr und mehr aufeinander abgestimmt. Hierbei spielen dann in der europäischen Sphäre allgemeinere politische Kategorien, wie die Gleichartigkeit hinsichtlich ordnungspolitischer und -rechtlicher Rahmenbedingungen, Deregulierung ehemals als Staatsaufgaben definierter Bereiche (wie etwa Telekommunikation, Teile der Massenkommunikation u. ä.) eine große Rolle, wobei auch für politische Visionen, wie etwa das Zusammenwachsen der Europäer durch solcherart Informationsdienste, Raum bleibt. Daß diese weitreichende Perspektive nicht nur schönes Gerede bleibt, garantiert faktisch der förderungspolitische Unterbau, der mit einem guten Drittel aller zur Verfügung stehenden Mittel deutlich macht, daß die Informationsgesellschaft nach vorne gebracht werden soll. Die deutsche Entwicklung hingegen ist in seinen wesentlichen Zügen auf die nationale Wissenschafts- und Technologiepolitik fixiert gewesen, was zum Teil erklären hilft, warum die künftige gesellschaftliche Gestaltungskraft der Information in der postindustriellen Gesellschaft nicht stärker und offensiver in den Vordergrund gestellt wurde.

Literatur 01. Augustin, S.: Versagt die marktwirtschaftliche Koordinierung - der Wettbewerb - im Informations· und Dokumentationsbereich?. In: Nachrichten für Dokumentation. Vol. 29,1978. S. 61 - 67. 02. Becker, J.: Datenbanken im Ost-West-Konflikt. Arnoldshein: Evang. Akademie 1985.119 S. 03. Becker, J.: Von der Informationsgesellschaft zur Wissensgesellschaft. In: ik-Report. Bd. 7. 1994. S. 12 - 23. 04. Beiz, Dorothee: Europa und die globale Informationsgesellschaft. Rahmenrichtlinien der Europäischen Union. In: Hessische Staatskanzlei (Hrsg.): Forum Neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Dokumentation des Forums vom 12. Dez. 1994 in Frankfurt am Main. Wiesbaden: Hessische Staatskanzlei März 1995. S. 29 - 39.

F 6 Literatur

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881 F7

Rechtsfragen der Informationswirtschaft Jürgen W. Goebel

F7.1

Einführung und Überblick

F 7.1.1

Einführung

Iiiformationsprozesse schaffen ebenso wie die Produktion und der Vertrieb von Waren sowie die Erbringung von Dienstleistungen eine Reihe von Konflikten, die aus der unterschiedlichen Interessenlage der daran Beteiligten oder davon Betroffenen natürlicherweise herrühren. J e mehr sich diese Interessengegensätze im Laufe des weiteren Ausbaus des Informationsmarktes und dessen verstärkter Kommerzialisierung zuspitzen und j e mehr wir uns tatsächlich von einem hochindustrialisierten Gemeinwesen zu einer InformationsgeseUschaft entwickeln, um so mehr erscheint die Schaffung und Anwendung eines rechtlichen Regelwerkes zu deren Befriedung erforderlich. Gleiches gilt für die Bereitstellung gesellschaftlich akzeptierter rechtlicher Rahmenbedingungen, die als Strukturvorgabe für diese InformationsgeseUschaft unerläßlich sind. Von Seiten der Rechtswissenschaften - aber auch des Gesetzgebers - ist dabei allerdings nach wie vor im Hinblick auf die Bereitstellung eines spezifischen Instrumentariums ein bemerkenswertes Defizit zu verzeichnen. Sicherlich lassen sich durch einzelne Gesetzesnovellierungen (Beispiel: §§ 69a ff. Urheberrechtsgesetz = UrhG) punktuelle Probleme beseitigen und bei entsprechender Neukonkretisierung herkömmlicher Rechtsnormen und Rechtsinstitute diese zum Teil auch auf Probleme des Informationswesens anwenden. Eine durchgängige praxisorientierte Vermittlung zwischen der normativen und der tatsächlichen Ebene wurde in diesem Bereich aber bisher kaum in Ansätzen erreicht. Erst recht kann bisher auch nur unter Vorbehalt von einem Recht der Informationswirtschaft oder gar, insgesamt auf die Informationsgesellschaft bezogen, von einem in sich geschlossenen „Informationsrecht" gesprochen werden. Auch die immer zahlreicher werdenden Veranstaltungen und Publikationen etwa zu einem „Multimedia-Recht" können daran nichts ändern. Es lassen sich jedoch immerhin einige Rechtsmaterien identifizieren und einige spezielle Rechtsfragen verorten, denen in dieser „InformationsgeseUschaft" eine hervorragende Bedeutung zukommt und die als Grundstock für ein pragmatisch verstandenes „Informationsrecht" fungieren können. Aus Gründen der Bedeutung dieser Rechtsmaterien und der Übersichtlichkeit der folgenden Ausführungen woUen wir uns dabei hier auf drei Schwerpunkte beschränken: das Urheberrecht (Abschnitt F 7.2); das Datenschutzrecht (Abschnitt F 7.3) und das Informationsvertragsrecht (Abschnitt F 7.4). Um die Spannweite des Gesamtbereichs einschlägiger Rechtsaspekte aufzuzeigen, seien aber zuvor kurz noch einige weitere Problemfelder erwähnt, denen in der Praxis der Informationswirtschaft eine herausgehobene Bedeutung zukommt.

882 F 7.1.2

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft Einschlägige Problemfelder

Blendet man die genannten Schwerpunktbereiche Urheberrecht, Datenschutzrecht und Vertragsrecht aus dem Überblick aus und wendet man sich dann Regelungen auf der obersten Ebene unserer Rechtsordnung, nämlich dem Verfassungsrecht, zu und sichtet die insoweit einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), so wird man bereits dort Regelungselemente feststellen, die auch für den Bereich der Informationswirtschaft von großem Interesse sind. Das beginnt mit organisationsrechtlichen Aspekten, die sich aus der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Hinblick auf die Wahrnehmung von Informationsaufgaben durch staatliche und andere öffentliche Funktionsträger ergeben (hierher gehört etwa die Frage, ob der Bund kompetenzrechtlich in der Lage ist, ein umfassendes juristisches Informationssystem, das Bundes- und Länderrecht enthält, zu betreiben), und endet mit der Frage, ob jedermann nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berechtigt ist, jede beliebige staatliche oder private Informationseinrichtung zu nutzen. Zutreffenderweise gilt letzteres entsprechend dem Wortlaut dieser Vorschrift nur für Informationsquellen, die nach dem Willen ihrer Begründer und Betreiber als „allgemein zugänglich" definiert sind. Das verstärkte kommerzielle Begreifen von Information als „Rohstoff" oder „Ware" wirft auch eine ganze Reihe wirtschaftsrechtlicher Probleme vor allem zum gewerblichen Rechtsschutz auf. Dabei fragt es sich zunächst, ob der „Stoff" Information und daraus hergestellte Informationsprodukte und -dienstleistungen grundsätzlich den gleichen rechtlichen Regeln unterworfen werden können, die auch für den Waren- und Dienstleistungsverkehr vom Gesetzgeber geschaffen wurden. Ist Information, sind Informationsprodukte einem dieser Sektoren rechtlich zurechenbar oder sind insofern neue juristische Kategorien zu entwickeln? Im einzelnen ergeben sich Fragen, die vom Wettbewerbsrecht (etwa dem Verbot von Preis- und Gebietsabsprachen) bis wiederum in das Verfassungsrecht hinein reichen (etwa: Inwieweit ist der Staat unter Zugrundelegung der Prinzipien des Wirtschaftsverfassungsrechts befugt, in den Informationsbereich direkt oder indirekt einzugreifen?). Ferner ergeben sich vielfältige Einzelfragen im Hinblick auf den Unternehmens-, Namens· und Produktschutz, wie diese auch bei anderen am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Subjekten und in anderen Marktsektoren auftreten können. Steuerrechtliche Fragen stellen sich bei der Tätigkeit von Informationseinrichtungen ebenso (verminderter Umsatzsteuersatz in Höhe von 7% für gedruckte Dienste, Regelsteuersatz von 15% für alle anderen Informationsprodukte), wie sich im Einzelfall durch Mißbrauchs- und Schädigungsfälle Bezüge zu den Vorschriften über die Computer-Kriminalität (Beispiele: §§263a, 303a, 303b Strafgesetzbuch = StGB) herstellen lassen. Weitere Detailfragen in der praktischen Arbeit der Informationseinrichtungen und der Informationsschaffenden können im Einzelfall auch die Bearbeitung abgelegener Rechtsmaterien (etwa die Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes beim Informationstransfer in bestimmte ausländische Staaten) erfordern. Hierauf kann und soll aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Damit würde der Rahmen dieser kursorischen Übersicht überschritten.

F 7.2 Urheberrechtliche Aspekte F 7.1.3

883

Von den Rechtsfragen des Informationsmarkts zum Infonnationsrecht?

Die Beschäftigung mit diesen Detailfragen führt zu dem über den Einzelfall hinausgehenden generellen Problem, wie solche Rechtsaspekte, die sich aus informationellen Phänomenen ergeben, in Zukunft grundsätzlich behandelt werden sollen. Reicht es aus, einzelfallorientiert und kasuistisch-pragmatisch an die einzelnen Themen heranzugehen und singuläre Lösungen zu suchen? Oder ist es sinnvoller und effektiver, ein übergreifendes theoretisch fundiertes Gesamtkonzept für alle diese Probleme - eben ein umfassendes „Infonnationsrecht" - zu entwickeln? Gegen letzteres spricht auf den ersten Blick, daß die damit beschriebene Materie sowohl auf der tatsächlichen als auch auf der rechtlichen Seite äußerst vielgestaltig und uneinheitlich erscheint. Dagegen ist aber eingewendet worden, daß alle diese tatsächlichen Phänomene und rechtlichen Regeln doch eine sogenannte Querschnittmaterie bilden, die einer übergreifenden Betrachtung zugänglich ist. Mehrere Überlegungen bestätigen dies: Zum einen sei an die zunehmende Bedeutung von Information für alle Bereiche von Staat und Gesellschaft erinnert. Diese Gleichzeitigkeit und Gleichgerichtetheit des Bedeutungszuwachses, die letztlich zu dem geführt hat, was wir heute Informationsgesellschaft nennen, spricht dafür, daß insoweit auch gleichartige, verbindende inhaltliche Phänomene verantwortlich sind und neu entstehen, die auch einer in etwa gleichen rechtlichen Beurteilung zugänglich sind. Es kommt hinzu, daß die Bedeutung der Information inzwischen einen Stellenwert überschritten hat, der durchaus einen Vergleich mit anderen Bereichen wie etwa dem Umweltschutz, der sozialen Sicherung, der Situation im Arbeitsmarkt usw. zuläßt. Es liegt dann aber nahe, auch in rechtlicher Hinsicht eine Vereinheitlichung und Strukturierung der derzeit noch sehr verstreuten Materie vorzunehmen. Eine übergreifende Betrachtung informationeller Probleme aus rechtlicher Sicht erscheint ferner auch deshalb zulässig und notwendig, weil die insofern bisher existenten einschlägigen Rechtsvorschriften doch gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, was hier aber nicht näher ausgeführt werden kann. Geleistet werden kann dies auf lange Sicht über die Entwicklung eines an generellen und einheitlichen Leitlinien orientierten „Informationsrechts". Solange ein solches aber noch nicht anerkannt ist, empfiehlt es sich, nur von den „Rechtsfragen des Informationsmarkts bzw. der Informationswirtschaft" (zu dem letztlich auch die Massenmedien und die Anbieter von Kommunikationsmitteln und -diensten zählen) zu sprechen.

F 7.2

Urheberrechtliche Aspekte

Besondere Bedeutung für die tägliche Arbeit im Informationsbereich kommt aus juristischer Sicht dem Urheberrecht zu. Es tangiert diesen Bereich nicht nur im Hinblick auf die sogenannte Kopierproblematik, sondern hat beispielsweise auch Auswirkungen für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen dort geschaffenen Produkten ihrerseits urheberrechtlicher Schutz zukommt und in welchem Fall Urhebervergütungen zu zahlen sind. Herausragende Bedeutung kommt dem Urheberschutz von Datenbanken zu.

884 F 7.2.1

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft Grundlagen des Urheberrechts

Bei der Abgrenzung von den übrigen privatrechtlichen Rechtsgebieten zeigt sich, daß das Urheberrecht vornehmlich das literarische und künstlerische „Eigentum" schützt. Dieses wird begründet durch die persönliche geistige Schöpfung als eine Entäußerung der Persönlichkeit des Urhebers. Daraus resultieren die Individualität und damit die engen geistigen Beziehungen zwischen dem Urheber und seinem Werk. Deshalb ist es ihm letztlich auch ideell und materiell zugeordnet. Verfassungsrechtlich ist der Schutz der ideellen Interessen des Urhebers in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verankert. Urheber kann dementsprechend auch nur eine natürliche Person sein; bei ihr entsteht originär das Urheberrecht. Die materiellen Interessen des Urhebers finden in vermögensrechtlichen Befugnissen ihren Ausdruck und sind verfassungsrechtlich als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG anerkannt. Seine konkrete Ausgestaltung hat das Urheberrecht im Gesetz über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz = UrhG) vom 09. September 1965 gefunden. Danach genießt der Urheber Schutz für seine Werke, oder wie das Gesetz dies nennt: für seine persönlichen geistigen Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG). Betont sei an dieser Stelle, daß der Schutz des Urheberrechts nur für die Formgebung und Gestaltung des Werkes gilt, nicht aber für die in dem Werk verarbeiteten Ideen. Die chemische Formel beispielsweise, die ein Forscher im Labor erarbeitet hat, ist als Gegenstand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse urheberrechtlich nicht geschützt, wohl aber die Beschreibung der Experimente, die zu ihrer Entdeckung geführt haben. Keinen urheberrechtlichen Schutz genießen auch Lebensweisheiten, wohl aber Erzählungen, in denen sie verdeutlicht werden. Dasselbe gilt etwa für Zahlenwerte und andere Einzelinformationen. Im Gegensatz zu diesen selbst kann deren Darstellung in tabellarischer Form und deren Gliederung nach verschiedenen inhaltlichen Gesichtspunkten aber durchaus als eine persönliche geistige Schöpfung anzusehen sein. Entscheidend für die Urheberschutzfähigkeit eines Werkes ist jedenfalls eine geistige Leistung, die das Werk über die Trivialität alltäglicher Erscheinungsformen hinaushebt. Voraussetzimg dafür ist, daß Möglichkeiten zu individueller Entfaltung bestehen und vom Urheber auch genutzt werden. Darin drückt sich die „Schöpfungshöhe" eines Werkes aus; für diese ist allerdings ausreichend, daß der individuelle Geist des Schöpfers erkennbar wird. Allzu strenge Anforderungen werden insoweit nicht gestellt, wie die im Urheberrecht anerkannte sogenannte kleine Münze deutlich macht. Diese dogmatische Figur besagt, daß Urheberschutz schon dann gewährt wird, wenn ein anderer das Werk möglicherweise anders geschaffen hätte. Das kann bereits auf Tkbellen, Formulare, Firmenschriften u.ä. zutreffen, denen eine bestimmte Eigenheit zukommt. Die Position des Urhebers eines Werkes besteht aus zwei rechtlichen Komponenten, dem Urheberpersönlichkeitsrecht und den sogenannten Verwertungsrechten. Ersteres beruht darauf, daß das Werk Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers ist. Deshalb kann auch nur er darüber entscheiden, ob und wenn ja, in welcher Form sein Werk veröffentlicht wird. Solange dies nicht geschehen ist, ist es dem Urheber vorbehalten, den Inhalt des Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben (§ 12

F7.2 Urheberrechtliche Aspekte

885

UrhG). Ferner hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft nach § 13 UrhG. Dieses Recht schlägt sich etwa in der Pflicht zur Quellenangabe im Rahmen der gesetzlich verbürgten Zitierfreiheit (§ 51 UrhG) nieder. Schließlich kann sich der Urheber auch gegen Entstellungen seines Werkes wehren, zum Beispiel gegen eine inhaltlich fehlerhafte Darstellung seines Werkes (§ 14 UrhG). Bei den Verwertungsrechten, dem anderen wichtigen Element des Urheberrechts, sind zu unterscheiden das Recht zur Verwertung eines Werkes in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 UrhG) und das Recht, ein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (§ 15 Abs. 2 UrhG). Zu den erstgenannten Rechten gehören das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) und das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG); von der zweiten Gruppe sei nur das allgemeine Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) genannt. Diese Rechte sind dem Urheber zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen. Er allein ist berechtigt, Dritten die Nutzung zu gestatten oder zu verwehren. Diese Verwertungsrechte kann der Berechtigte auf Dritte (etwa einen Verlag oder einen Host) übertragen. Hit er dies im Hinblick auf ein „einfaches Verwertungsrecht" (Beispiel: einmalige Veröffentlichung eines Beitrags in einer Fachzeitschrift), so kann der Dritte dieses Recht seinerseits nicht weiterübertragen. Wird dem Dritten aber ein „ausschließliches Verwertungsrecht" eingeräumt, so kann er wie ein Autor frei über die einzelnen Verwertungsarten bestimmen und auch einzelne Rechte oder seine gesamte Rechtsposition weiterübertragen. Diese Grundregeln können allerdings durch das Urhebervertragsrecht modifiziert werden, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden kann.

F 7.2.2

Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke

Das Urheberrecht bezweckt aber durchaus nicht nur den Schutz des Urhebers oder eines sonst Verwertungsberechtigten. Es enthält auch Regelungen, die den freien Fluß der Information gewährleisten sollen. So haben insbesondere die Regelungen des § 53 UrhG zum Ziel, einen Ausgleich zwischen den Rechten des Berechtigten und dem freien Informationsfluß zu schaffen. Daneben sind auch die §§ 54 ff. UrhG zu erwähnen, die durch ihre Vergütungsregelungen einen materiellen Interessenausgleich zum Gegenstand haben. Das Vervielfältigungsrecht berechtigt in diesem Zusammenhang zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken. Dabei ist es völlig unerheblich, welches Verfahren dabei gewählt wird und welche konkrete Gestalt dieses letztlich hat. So macht es keinen Unterschied, ob das Werk durch Abschreiben, im Fotokopierverfahren oder in gedruckter Form, auf Magnetband, Diskette oder in sonstigerWeise vervielfältigt wird. Es kommt auch nicht darauf an, daß das betreffende Trägermaterial nur das jeweilige Werk aufnehmen kann. Für die Annahme einer Vervielfältigung ist ferner nicht erforderlich, daß das Werk unlösbar mit dem Träger verbunden ist. Die Dauer der Fixierung spielt ebenfalls keine Rolle. Ausreichend ist selbst die von vornherein beabsichtigte nur vorübergehende körperliche Festlegung des Werkes. Auch der maschinenlesbare Datenträger, auf den ein Werk überspielt wurde, stellt mithin ein Vervielfältigungsstück dar. § 53 UrhG enthält nun eine Reihe von Einzelfällen, in denen Vervielfältigungen ohne weiteres vorgenommen werden dürfen. Das Gesetz differenziert dabei nach

886

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch (§ 53 Abs. 1 UrhG) und zum sonstigen eigenen Gebrauch (§53 Abs. 2 UrhG). Im ersten Fall dürfen einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch gefertigt werden. Die Vervielfältigungsstücke darf der Nutzungsberechtigte auch durch Dritte herstellen lassen. Berechtigt ist jeder, also jede natürliche oder juristische Person oder Personenmehrheit. Mit Ausnahme der Schulen (§ 53 Abs. 3 UrhG) dürfen nur einzelne, d.h. bis zu sieben Vervielfältigungsstücke hergestellt werden. Zu erwähnen sind auch die Fälle der Vervielfältigungsfreiheit für den eigenen wissenschaftlichen, archivarischen und sonstigen Gebrauch. Eigener Gebrauch ist der betriebsinterne Gebrauch im Rahmen der Berufstätigkeit. Die Vervielfältigungsstücke dürfen dabei die Sphäre des zur Vervielfältigung Berechtigten nicht verlassen. Ausgenommen sind Zeitungen und vergriffene Bücher, die, wenn sie im Rahmen des § 53 UrhG kopiert wurden, auch verliehen werden dürfen. Dasselbe gilt auch für Bücher, Zeitschriftenbände etc., in denen beschädigte oder abhanden gekommene Seiten (kleine Teile) durch Vervielfältigsstücke ersetzt worden sind. Zulässig ist die Vervielfältigung eines Werkes zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch allerdings nur, wenn die Vervielfältigung auch geboten ist. Das beurteilt sich nach dem Aufwand für die Beschaffung des Beitrags und dem Verhältnis, in dem dieser zu den Vervielfältigungskosten steht. Geboten ist danach eine Vervielfältigung, wenn beispielsweise aus einem teuren Sammelwerk nur ein oder zwei Beiträge kopiert werden sollen oder es sich um nicht ausleihbare oder nur unter großem Aufwand beschaffbare Literatur handelt. Zulässig ist ferner die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks zur Aufnahme in ein eigenes Archiv; vorausgesetzt wird auch hier, daß die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist. Ferner darf als Vorlage für die Vervielfältigung nur ein eigenes Werkexemplar benutzt werden. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber insbesondere dem Bedürfnis der Bibliotheken nach einer raumsparenden Archivierung Rechnung tragen. Die Nutzung der als Archivexemplare dienenden Kopien zur Versorgung Dritter mit Fachliteratur war demgegenüber nicht beabsichtigt. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 4a UrhG dürfen kleine Teile (d.h. bis zu circa 20 %) eines erschienenen Werkes oder einzelne Beiträge einer Zeitung oder Zeitschrift (wiederum maximal 2 0 % ) kopiert werden, ohne daß es auf einen bestimmten Gebrauchszweck ankommt. Allerdings müssen das Werk, die Zeitschrift bzw. Zeitung erschienen sein. Zum sonstigen eigenen Gebrauch dürfen schließlich solche Werke vervielfältigt werden, die seit mindestens zwei Jahre vergriffen sind (§ 53 Abs. 2 Nr. 4b UrhG). Zum eigenen wissenschaftlichen und archivarischen Gebrauch sowie zum sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 Abs. 2 Nr. 4b UrhG ist auch die Vervielfältigung ganzer Werke zulässig. Für den erstgenannten Fall des wissenschaftlichen Gebrauchs (§ 53 Abs. 2 Nr. 1 UrhG) gilt jedoch eine bedeutsame Einschränkung. Außer durch Abschreiben darf ein Buch oder eine Zeitschrift im wesentlichen vollständig nur mit Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt werden (§ 53 Abs. 4b UrhG). Ergänzt sei, daß diese Regelung auch die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gemäß § 53 Abs. 1 UrhG betrifft. Der Gesetzgeber will damit unzumutbare Eingriffe in das Vervielfältigungsrecht des Berechtigten verhindern; insbesondere soll einer Schädigung der Primärliteratur entgegengewirkt werden.

F 7.2 Urheberrechtliche Aspekte F 7.2.3

887

Vergütung für Vervielfältigungen

Neu gestaltet hat der Gesetzgeber in den Novellen von 1985 und 1994 die Vergütungspflicht für die zum privaten und eigenen Gebrauch hergestellten Vervielfältigungsstücke in § 54 ff. UrhG. Dabei soll im folgenden allein die Vergütung für die Vervielfältigung von Werken im Wege der Ablichtung oder in Verfahren vergleichbarer Wirkung (§ 54a UrhG) dargestellt werden. Grundlage für die Bemessung der Vergütung sind dabei die Geräte- und die Betreiberabgabe. Die Geräteabgabe richtet sich gegen die Hersteller und Importeure von Vervielfältigungsgeräten; ausgenommen sind nur die Geräte, die für den Export bestimmt sind (§ 54a Abs. 1 UrhG). Die Betreiberabgabe wird nur von sogenannten Großkopierern erhoben. Das sind namentlich Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung, der sonstigen Aus- und Weiterbildung, Forschungseinrichtungen, öffentliche Bibliotheken und solche Einrichtungen, die in ihren Räumen Geräte für die Herstellung von Ablichtungen entgeltlich bereithalten (insbesondere Kopierläden). Von der Betreiberabgabe ausgenommen sind dagegen die Behörden und die gewerbliche Wirtschaft. Für Vervielfältigungen zu gewerblichen Zwecken ist auch sonst - anders als früher - keine besondere Vergütung mehr zu zahlen. Die Vergütungsansprüche werden von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht; korrespondierend dazu ist die Auskunftspflicht des Abgabepflichtigen gegenüber den Verwertungsgesellschaften gesetzlich festgeschrieben. Erfaßt werden durch die Geräte- und Betreiberabgabe nach dem Willen des Gesetzgebers nur Geräte zur reprographischen Vervielfältigung. Dem Wortlaut des Gesetzes zufolge („durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung") können aber auch zum Beispiel RückVergrößerungen mikroverfilmter Dokumente, im Telekopier-Verfahren gewonnene Vervielfältigungsstücke oder Computerausdrucke dieser Vorschrift unterfallen, die das Originaldokument bildlich wiedergeben. Die Höhe der Vergütung bemißt sich nach der Art und dem Umfang der Nutzung des Gerätes, die nach den Umständen, insbesondere nach dem Standort und der üblichen Verwendung wahrscheinlich ist (§54d UrhG). Es muß also geschätzt werden, wie hoch der Anteil des urheberrechtlich relevanten Materials am Gesamtkopieraufkommen ist. Entsprechend der danach ermittelten Kopienzahl und den in der Anlage zu § 54a UrhG festgelegten Vergütungssätzen (in der Regel DM 0,02 pro Ablichtung) wird die Vergütung bemessen. Der Anspruch wird in Vertretung der Rechteinhaber von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht (hier VG WORT).

F 7.2.4

Urheberschutz für Informationsprodukte

Die vorstehend erläuterten Vorschriften des Urheberrechts sind aber von den Einrichtungen im Informationsbereich nicht nur im Hinblick auf fremde Werke zu beachten. Den von ihnen selbst erstellten Produkten (bibliographische Hinweise, Kurzreferate, Referatedienste, Register, Bibliographien, Datenbanken etc.) kann auch selbst ein Urheberschutz zukommen. Das setzt allerdings voraus, daß diese Produkte jeweils selbst den Werkbegriff des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen.

888

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

Die Dokumentationseinheit als solche genießt dabei keinen urheberrechtlichen Schutz, da ihr Aufbau allein Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu genügen hat und für eine individuelle Gestaltung nur sehr begrenzt Raum läßt. Für ihre einzelnen Kategorien gilt dies ebenfalls, soweit ihre Ausfüllung sich eher als handwerkliche, weniger als eigenschöpferische Tätigkeit darstellt. Genannt sei hier die Vergabe von Schlagwörtern, die dem Dokument entnommen werden, oder von Deskriptoren, die aus einem Thesaurus herrühren. In der Wahl der Begriffe liegt zwar in gewisser Weise auch eine individuelle, auf Grund der verhältnismäßig beschränkten Möglichkeiten zur Vergabe von inhaltserschließenden Begriffen jedoch keine schutzwürdige eigenschöpferische Leistung. Urheberschutz ist wohl auch Annotationen und Schlagwortreferaten zu versagen. Auch ihnen fehlt die notwendige Schöpfungshöhe. Anders verhält es sich hingegen bei Kurzreferaten als Inhaltsmitteilungen oder -beschreibungen. Zwar ist auch bei diesen informativen und indikativen Referaten bzw. deren Mischformen der urheberrechtliche Schutz angesichts ihrer Kürze nicht unproblematisch. Soweit dies dem Urheberschutz aber nicht entgegensteht, ist zu beachten, daß sich zwar die Referate an das Original anlehnen; bei indikativen Referaten geschieht dies beispielsweise dadurch, daß neben dem Hinweis auf die behandelten Sachverhalte auch die Art ihrer Behandlung angedeutet wird. Bei informativen Referaten scheinen die Eigentümlichkeiten des Originals etwa in der Zusammenstellung der mitgeteilten Informationen, den Zielsetzungen und Schlußfolgerungen durch. Gleichwohl können derartige Abstracts aber nicht als „abhängige Bearbeitungen" eingestuft werden. Dafür spricht, daß die Inhaltskomponenten und Eigentümlichkeiten des Originals nur in Auswahl den Bedürfnissen des angesprochenen Leserkreises entsprechend übernommen werden können. Der vom Original selbständige Charakter des Referats wird ferner auch dadurch unterstützt, daß der Referiertätigkeit in der Regel besondere Auswerterichtlinien zugrundegelegt werden. Indikative und informative Kurzreferate können danach durchaus urheberrechtlichen Schutz als vom Original selbständige Werke beanspruchen. Sie dürfen gemäß § 24 Abs. 1 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Ausgangswerkes veröffentlicht oder verwertet werden. Die von verschiedenen Institutionen angebotenen Referatedienste in gedruckter oder kl maschinenlesbarer Form genießen urheberrechtlichen Schutz, soweit sie als Sammelwerk durch Auslese oder Anordnung der aufgenommenen Referate eine persönliche geistige Schöpfung darstellen (§ 4 UrhG). Voraussetzung ist allerdings, daß die Gestaltung der Gliederung nicht durch fachliche Gesichtspunkte bereits derart festgelegt ist, daß für ihren eigenschöpferischen Aufbau kein Raum mehr bleibt. Auch die Zusammenstellung der Dokumentationseinheiten genießt nur dann Schutz, wenn nicht alle zu dem betreffenden Fachgebiet in einer Datenbank gespeicherten Dokumentationseinheiten aufgenommen wurden; wichtig ist, daß tatsächlich eine Auswahlmöglichkeit bestanden hat und auch in schöpferischer Weise genutzt wurde. Gegebenenfalls scheidet danach ein Urheberschutz für den Referatedienst als Sammelwerk aus, wenn eine strenge fachliche Ausrichtung der Gliederung und Zusammenstellung der Dokumentationseinheiten, für eine individuelle schöpferische Leistung keinen Raum läßt. Gleichwohl ist der Referatedienst geschützt, wenn er das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tätigkeit darstellt und

F 7.2 Urheberrechtliche Aspekte

889

sich wesentlich von bisher bekannten Ausgaben der Werke unterscheidet (§ 70 Abs. 1 UrhG). Gleiches wie für Referatedienste gilt auch für die Anfertigung von Registern und Bibliographien. Sofern in ihnen eine eigenschöpferische Leistung des Urhebers zum Ausdruck kommt, genießen sie als Werk im Sinne der §§ 2 Abs. 2 und 4 UrhG den vollen urheberrechtlichen Schutz.

F7.2.5

Sonderfall: Datenbanken

Vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob auch Datenbanken unter den urheberrechtlichen Werkbegriff nach § 2 Abs. 2 UrhG oder zumindest unter die Kategorie Sammelwerk im Sinne des § 4 UrhG fallen. Es spricht im Ergebnis sicher wenig dagegen, eine Datenbank als persönliche geistige Schöpfung aufzufassen, wobei diese insbesondere in der speziellen Auslese oder Anordnung des in die Datenbank aufgenommenen Materials zu sehen ist. Dennoch kann insbesondere in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte (jedenfalls derzeit) noch keine klare Tendenz zur Anerkennung des Urheberschutzes für Datenbanken ausgemacht werden. Dies sowie die insgesamt uneinheitliche urheberrechtliche Schutzsituation in der Europäischen Union (EU) hat die EU-Kommission ihrerseits veranlaßt, aktiv zu werden und einen Entwurf einer Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken zu erarbeiten. Nach mehrfacher Modifizierung dieses Entwurfs wurde dieser inzwischen als sogenannter Gemeinsamer Standpunkt vom 10. Juli 1995 festgestellt (Fundstelle: Amtsblatt der E G vom 30. Oktober 1995, Nr. C 288, Seiten 14 ff.). Dieser Gemeinsame Standpunkt hat gute Chancen noch im Jahr 1996 als förmliche Richtlinie verkündet zu werden, die dann bis spätestens zum 31. Dezember 1997 in nationales Recht umzusetzen ist. Dies ist am 11. März 1996 geschehen. Nach Art. 3 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts werden Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen, als solche urheberrechtlich geschützt. Andere Kriterien sind für die Bestimmung der Schutzfähigkeit nicht anzuwenden. Nach Art. 1 Abs. 2 des Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck „Datenbank" eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind. Ob darunter auch Multimedia-Systeme zu verstehen sind, ist noch nicht geklärt, obwohl der relativ weite Datenbank-Begriff dies durchaus zulassen würde. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß der Gemeinsame Standpunkt einen weiteren Schutzansatz neben dem Urheberschutz enthält. Er ist in den Art. 7 ff. geregelt und wird dort als Schutzrecht sui generis bezeichnet. Dieser Schutz, der primär den Herstellern von Datenbanken zugute kommen soll, erinnert sehr stark an den wettbewerbsrechtlichen Schutz, den § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) auch schon jetzt nach deutschem Recht gewährt.

890 F7.3

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft Datenschutzfragen im Informationsmarkt

Auch bei Informationsanbietern, Datenbasenproduzenten, Informationsvermittlern und ähnlichen Einrichtungen werden personenbezogene Daten in großer Anzahl verarbeitet. Im wesentlichen kann man dabei folgende vier Gruppen unterscheiden: (1) personenbezogene Daten, die in den Inhalten der zu verarbeitenden Dokumente enthalten sind; (2) personenbezogene Daten, die Bestandteil der Beschreibungsdaten eines Dokuments sind (Beispiel: Autorenangaben); (3) personenbezogene Daten, die sich auf die Nutzer der Einrichtung beziehen; (4) personenbezogene Daten der Dokumentverwalter, also der Mitarbeiter der Informationseinrichtung.

Mit den Problemen, die sich im Hinblick auf diese Daten aus datenschutzrechtlicher Sicht ergeben können, befassen sich die folgenden Ausführungen. Zuvor werden jedoch die Grundlagen des Datenschutzrechts kurz skizziert. Im Prinzip gelten aber für Stellen im Informationsmarkt mit wenigen Ausnahmen keine Besonderheiten gegenüber anderen personenbezogene Daten verarbeitenden Stellen.

F 7.3.1

Grundlagen des Datenschutzrechts

Die datenschutzrechtliche Problematik, also der rechtmäßige Umgang mit Daten, die sich auf natürliche Personen beziehen, ist keine Erfindung der letzten Zeit. Schon sehr früh in den 50er Jahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß jedem Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung, ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit vorbehalten sei, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Erst in jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht dann im sogenannten Volkszählungsurteil ausdrücklich betont, daß es verfassungsrechtlich unzulässig sei, den einzelnen Menschen in allen seinen Persönlichkeitsausprägungen zu erfassen und damit quasi zum Objekt zu machen. Dies verbiete das jedem Menschen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG zustehende „Recht auf informationelle Selbstbestimmung". Unter anderem führt das Gericht dazu aus (BVerfGE 65, 42 f.): „Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen."

Dieser vom Bundesverfassungsgericht mit bindender Wirkung festgeschriebene Maßstab zieht eine Reihe von Konsequenzen nach sich, deren Tragweite bis heute noch nicht völlig geklärt ist. Unter anderem wurde es dadurch notwendig, durch gesetzgeberische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die informationelle Betätigung von Staat und Privaten eine ausreichende normative Grundlage erhält. Dies gilt

F 7.3 Datenschutzfragen im Informationsmarkt

891

auch für das gesamte Informationswesen. Eine effektive Durchsetzung der einschlägigen Vorschriften stößt aber angesichts der Komplexität der modernen Informationsgesellschaft auf immer größere Probleme und wird wohl in absehbarer Zeit zu einer Novellierung der Datenschutzgesetze führen.

F 7.3.2

Anzuwendende Vorschriften

Das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Datenschutzrecht ist keine einheitlich normierte Materie. Es zerfällt vielmehr in eine Fülle von Einzelnormierungen, wie etwa in die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), die Regelungen der Länderdatenschutzgesetze sowie spezialgesetzliche Regelungen, verstreut in allen möglichen Gesetzen. Wir wollen uns hier vor allem mit dem Verhältnis der Regelungen zueinander und damit mit dem jeweiligen Anwendungsbereich der verschiedenen Normierungen befassen. Das BDSG wurde am 10. November 1976 vom Bundestag verabschiedet. Über sechs Jahre waren vergangen, seitdem sich die Bundesregierung erstmals im Oktober 1970 mit der Datenschutzproblematik beschäftigt hatte (BT-Drs. VI/1223). Mit dem Inkrafttreten des BDSG zum 01. Januar 1978 wurde eine Diskussion beendet, die schon Mitte der 60er Jahre begann. Sie wurde ausgelöst durch die zunehmende massenhafte Verarbeitung von personenbezogenen Daten, insbesondere mit Hilfe der EDV. Zur Zeit existiert das BDSG in der Fassung vom 20. Dezember 1990. Das BDSG gliedert sich nach seinem Aufbau in fünf Abschnitte: Erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften (§§1 bis 11) Zweiter Abschnitt: Datenverarbeitung der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes (§§ 12 bis 26) Dritter Abschnitt: Datenverarbeitung nicht-öffentlicher Stellen (§§ 27 bis 38) Vierter Abschnitt: Sondervorschriften für Spezialgebiete (Forschung, Rundfunk etc.) (§§ 39 bis 42) Fünfter Abschnitt: Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 43 und 44). Bemerkenswert ist, daß das BDSG in § 1 Regelungen enthält, die das Gesetz gegenüber anderen Vorschriften für nur subsidiär anwendbar erklären, die bereichsspezifische Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten enthalten. Diese gehen also dem BDSG vor. Das BDSG ist ein „allgemeines" Datenschutzgesetz, das gegenüber „speziellen" Datenschutzvorschriften nur Auffangcharakter hat. Spezialgesetzliche Regelungen für Informationsstellen im hier interessierenden Bereich der Informationswirtschaft existieren derzeit aber nicht (mit Ausnahme der Archivgesetze). Inzwischen haben alle Bundesländer (auch die fünf neuen Länder) ein Landesdatenschutzgesetz erlassen. Die Gesetze ähneln sich bis auf einige Besonderheiten stark. Sie gelten jeweils nur, wenn personenbezogene Daten durch eine öffentliche Stelle des jeweiligen Landes verarbeitet werden. Einige Bereiche werden allerdings aus dem Anwendungsgebiet des Datenschutzrechts ausdrücklich ausgeklammert. Dies gilt insbesondere gemäß § 41 BDSG für die Medien. Voraussetzung für das Eingreifen des insoweit geltenden Medienprivi-

892

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

legs ist aber, daß personenbezogene Daten von Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse oder des Films oder von Hilfsunternehmen des Rundfunks ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden. Ob darunter auch Datenbasenproduzenten und Informationsanbieter (etwa Hostbetreiber) fallen, ist umstritten und kann nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft und beantwortet werden. In der jüngeren Vergangenheit hat es immerhin einige Fälle gegeben, in denen die Anwendbarkeit des Medienprivilegs für diese Stellen bejaht und damit die Anwendbarkeit der datenschutzrechtlichen Vorschriften für die betreffende Informationseinrichtung verneint wurde. Ansonsten sind aber auf die eingangs in Abschnitt F 7.3 genannten Arten personenbezogener Daten die Vorschriften des Datenschutzrechts unbeschränkt anwendbar. Das im Einzelfall einschlägige Gesetz richtet sich dabei nach dem rechtlichen Status der datenverarbeitenden Stelle (öffentliche Stelle des Bundes oder eines Landes; nicht-öffentliche Stelle; im letztgenannten Fall ist allein der 3. Abschnitt des BDSG anzuwenden).

F 7.3.3

Sonderfan: Datenschutz nnd Marketing

Personenbezogene Daten, die für Werbezwecke verwendet werden sollen, unterliegen prinzipiell auch den allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften. Das sind im wesentlichen die Bestimmungen der §§ 27 ff. BDSG. Allerdings gibt es für das, was umgangssprachlich „Adressenhandel" oder in der Sprache des Marketing „Database-Marketing" genannt wird, einige Sonderregelungen. Die wichtigste ist in §28 Abs. 2 S. 1 Nr. lb) BDSG enthalten. Danach ist die Übermittlung oder Nutzung personenbezogener Daten auch zulässig, wenn es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefaßte Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf bestimmte Angaben beschränken. Das Gesetz nennt dabei abschließend diese bestimmten Angaben. Es handelt sich dabei um das sogenannte Gruppenmerkmal, also eine Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe. Ferner nennt § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. lb) BDSG noch die Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung; ferner den Namen der Person, seine Titel, seine akademischen Grade, seine Anschrift und sein Geburtsjahr (nicht den genauen Geburtstag!). Diese Angaben dürfen verarbeitet werden (etwa für Mailings, den Handel mit Adressenlisten und ähnlichem), wenn zusätzlich kein Grund zu der Annahme besteht, daß der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluß der Übermittlung hat. Nach § 28 Abs. 2 S. 2 BDSG kann in diesen Fällen davon ausgegangen werden, daß ein solches schutzwürdiges Interesse am Ausschluß der Datenverarbeitung besteht, wenn im Rahmen eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses Daten an Dritte übermittelt werden sollen, die sich auf gesundheitliche Verhältnisse, auf strafbare Handlungen, auf Ordnungswidrigkeiten, auf religiöse oder politische Anschauungen sowie bei der Übermittlung durch den Arbeitgeber auf arbeitsrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen. Nach Ansicht der datenschutzrechtlichen Kontrollinstitution hat der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluß der Übermittlung aber auch dann, wenn diese ins Ausland und dort in eine Rechtsordnung transferiert werden, die für die

F 7.3 Datenschutzfragen im Informationsmarkt

893

betroffenen personenbezogenen Daten nicht das gleiche datenschutzrechtliche Schutzniveau garantieren wie die deutschen Bestimmungen. In einem solchen Fall darf eine Übermittlung ins Ausland nur vorgenommen werden, wenn der Betroffene zuvor gemäß § 4 BDSG eingewilligt hat. Eine listenmäßige Zusammenfassung und Übermittlung an Dritte ist ferner auch dann unzulässig, wenn der Betroffene dieser Nutzung gemäß § 28 Abs. 3 BDSG widersprochen hat. Das kann er auch in der Weise tun, daß er sich in die sogenannte Robinsonliste des Deutschen Direktmarketing Verband e.V. eintragen läßt.

F 7.3.4

Kontrolle des Datenschutzrechts

Wie in anderen Rechtsbereichen auch, gibt es beim Schutz personenbezogener Daten bestimmte Kontrollinstanzen, die die Ordnungsmäßigkeit der Datenverarbeitung und die zutreffende Anwendung des Datenschutzrechts überwachen. Im einzelnen üben dabei folgende Instanzen eine Kontrollfunktion aus: der von der Datenverarbeitung Betroffene; der betriebliche Datenschutzbeauftragte; externe Datenschutzkontrollinstitutionen, wie etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Aufsichtsbehörden der Länder und die Länderdatenschutzbeauftragten; ferner aber auch die Gerichte. Eine Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Datenverarbeitung durch den Betroffenen geschieht zunächst dadurch, daß er seine Rechte, die in § 6 BDSG aufgelistet werden, geltend macht, also neben der Informationsverweigerung die Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Sperrung und Löschung. Insbesondere das Recht auf Auskunft erlaubt es ihm, diese Kontrolle auszuüben und entsprechende Gegenmaßnahmen (etwa einen Antrag auf Berichtigung, Sperrung oder Löschung) zu ergreifen. Diese Maßnahmen könnte man als unmittelbare Kontrolle bezeichnen. Daneben gibt es aber auch noch eine mittelbare Kontrolle, die darin besteht, daß sich der Betroffene an andere Datenschutzkontrollinstanzen wendet, etwa den Bundesbeauftragten für Datenschutz, die Länderdatenschutzbeauftragten, die Aufsichtsbehörden, aber auch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Bei diesen kann er anregen oder beantragen, eine Kontrolle darüber auszuüben, ob die speichernde Stelle seine personenbezogenen Daten korrekt behandelt. Die Einrichtung und Befugnisse des betrieblichen Datenschutzbeauftragten bei der Datenverarbeitung nicht-öffentlicher Stellen sind geregelt in §§ 36 und 37 BDSG. Im einzelnen gilt zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten folgendes. Eine Pflicht zu dessen Bestellung besteht, wenn bei maschineller Datenverarbeitung mindestens fünf Personen in der DV-Abteilung tätig sind; bei manueller Datenverarbeitung, wenn in der entsprechenden Abteilung mindestens 20 Arbeitnehmer ständig beschäftigt sind (§ 36 Abs. 1 BDSG). Der betriebliche Datenschutzbeauftragte muß die erforderliche Sachkunde (Kenntnis des Datenschutzrechts, der betrieblichen Organisation und der Datenverarbeitung) aufweisen und zuverlässig sein (§36 Abs. 2 BDSG). Er ist bei seiner Tätigkeit allein der Geschäftsführung verantwortlich; ihr gegenüber hat er ein unmittelbares Vortragsrecht (§ 36 Abs. 3 BDSG). Für kleinere Betriebe wird es sich aus Kostengründen empfehlen, einen Betriebsfremden als Datenschutzbeauftragten zu bestellen (etwa einen Rechtsan-

894

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

wait oder EDV-Berater). Die Aufgaben des betrieblichen Datenschutzbeauftragten sind im einzelnen in § 37 BDSG geregelt. Gegenüber dem Betriebsrat, der ebenfalls zur „speichernden Stelle" gehört, hat der betriebliche Datenschutzbeauftragte im Hinblick auf die dort gespeicherten personenbezogenen Daten ein volles Kontrollrecht. Da aber andererseits auch der Betriebsrat im gewissen Umfang Kontrollrechte im Hinblick auf die gespeicherten personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer hat, ergeben sich bei der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Betriebsrat und betrieblichem Datenschutzbeauftragten häufig Probleme. Eine Art betrieblicher Datenschutzbeauftragter für den öffentlichen Bereich ist in § 18 BDSG geregelt. Nach dieser Vorschrift ist die Behördenspitze für die Einhaltung des Datenschutzrechts verantwortlich. Eine externe Kontrolle der datenverarbeitenden Stellen wird ausgeübt durch die Aufsichtsbehörden für den privaten Bereich (§ 38 BDSG), den Bundesbeauftragten für den Datenschutz (§§20 bis 26 BDSG) und, entsprechend für Länderstellen, durch die Landesbeauftragten für den Datenschutz. Die von den Ländern für den nicht-öffentlichen Bereich einzurichtenden Aufsichtsbehörden (bei den Regierungspräsidien oder beim Innenministerium) können tätig werden, wenn der Betroffene ihnen gegenüber begründet darlegt, daß er in seinen Rechten verletzt wurde. Eine Behauptung allein reicht nicht aus. Ferner hat die Aufsichtsbehörde den Beauftragten für den Datenschutz beratend zu unterstützen. Die speichernden Stellen haben gegenüber der Aufsichtsbehörde eine Auskunftspflicht. Die Auskunft ist unverzüglich und in der Regel schriftlich zu erteilen. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht ist ordnungswidrig. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf solche Daten, die dem Betroffenen gegenüber nicht mitgeteilt werden müssen. Der Aufsichtsbehörde steht der speichernden Stelle gegenüber ein Zutrittsrecht zu. Erklärt sich die speichernde Stelle nach Eingreifen der Aufsichtsbehörde bereit, den Mißstand abzustellen, ist die Aufgabe der Aufsichtsbehörde beendet. Bei besonders schweren Verstößen gegen die Bestimmungen des Datenschutzrechts können gegen die speichernde Stelle gemäß § 38 Abs. 7 BDSG auch gewerberechtliche Sanktionen verhängt werden (bis hin zur Gewerbeuntersagung). Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz steht als Mittler zwischen Bürger und Verwaltung, die er - es muß sich dabei um Stellen des Bundes handeln - datenschutzmäßig überwacht. Der Bürger kann sich an ihn wenden, wenn er sich in seinen Rechten verletzt sieht. Der Bundesbeauftragte hat zu überprüfen, ob Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Bundes, ausgenommen Gerichte, soweit sie nicht in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden, die Vorschriften des BDSG oder anderer Datenschutzvorschriften einhalten. Er kann dabei lediglich beraten, empfehlen und beanstanden. Die öffentlichen Stellen haben den Bundesbeauftragten bei seiner Tätigkeit zu unterstützen, ihm Auskünfte zu geben und jederzeit Zutritt in alle Diensträume und Einsicht in alle Unterlagen und Akten zu gewähren. Sicherheitsbehörden sowie die Steuerverwaltung unterliegen nicht der uneingeschränkten Überwachung des Bundesbeauftragten, die nur der Beauftragte selbst oder ein von ihm schriftlich besonders Beauftragter ausüben darf. Bundestag und Bundesregierung können vom Beauftragten Gutachten und Berichte anfordern, der ohnehin dem Bundestag alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht zu erstatten hat.

F 7.4 Vertragliche Grundlagen des Informationsgeschäfts

895

Der Bundesbeauftragte hat Verstöße gegen das BDSG oder andere Datenschutzbestimmungen oder „sonstige Mängel" der Verarbeitung personenbezogener Daten zu beanstanden. Er fordert gleichzeitig die gerügten Stellen zur Stellungnahme auf. Handelt es sich um unerhebliche Mängel, kann der Bundesbeauftragte von einer Beanstandung absehen oder auf eine Stellungnahme verzichten. Mit der Beanstandung kann er Vorschläge verbinden, wie die Mängel zu beheben sind oder wie der Datenschutz verbessert werden kann. Die zur Stellungnahme Aufgeforderten sollen angeben, welche Maßnahmen auf Grund der Beanstandung getroffen wurden. Jedermann kann sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden, der sich in seinen Rechten verletzt sieht (§ 21 BDSG). Der Beauftragte versteht sich damit zu recht als „Ombudsman" (Bürgeranwalt) in Datenschutzaufgaben. Eine Stellung, die besonders bedeutsam im Sicherheitsbereich sein dürfte. Ähnliche Aufgaben und Kompetenzen wie der Bundesbeauftragte haben auf der Ebene der Bundesländer die Landesdatenschutzbeauftragten. Sofern die speichernden Stellen weder auf Kontrollmaßnahmen des Betroffenen noch auf solche der nach dem BDSG oder einem Landesdatenschutzgesetz vorgesehenen Kontrollinstanzen reagieren, kann der Betroffene sich zur Durchsetzung seiner Rechte auch an die Gerichte wenden. Das Datenschutzrecht sieht dafür keinen einheitlichen Rechtsweg vor. Im Streitfall hat das Gericht zu entscheiden, in dessen fachliche Zuständigkeit das Rechtsverhältnis fällt, für das die umstrittenen Daten gespeichert wurden. Im öffentlichen Bereich sind danach die Verwaltungsgerichte, die Sozial- und Finanzgerichte zuständig. Im privaten und gewerblichen Bereich führt der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten. Die Vollstreckung geschieht entsprechend den einschlägigen Vorschriften der Prozeßordnungen also in der Regel durch Zwangsgeld und Zwangshaft bzw. Ersatzvornahme (z.B. nach §§ 887,888 ZPO). Der beste Weg, diesen Zwangsmaßnahmen zu entgehen, ist für die datenverarbeitende Stelle die peinlich genaue Einhaltung der für sie geltenden Datenschutzvorschriften.

F 7.4

Vertragliche Grundlagen des Informationsgeschäfts

Die Erbringung von Informationsdiensten und der Vertrieb von Informationsprodukten stellt rechtlich (und natürlich auch wirtschaftlich) keine Gefälligkeit dar. Vielmehr liegen dem jeweiligen Verhältnis zwischen Informationsanbieter, Informationsvermittler und Nutzer vertragliche Abreden zugrunde, die für beide Seiten bestimmte Rechte und Pflichten beinhalten. Mit der Art dieses Rechtsverhältnisses, den daraus folgenden Konsequenzen für Gewährleistungs- und Haftungsfragen sowie typischen Regelungspunkten für einzelne Informationsgeschäfte befaßt sich dieser Abschnitt.

896 F 7.4.1

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft Vertragstypologische Einordnung

Welche Gewährleistungs- und Haftungsregeln beispielsweise im Einzelfall eingreifen, hängt zum einen von der rechtlichen Konstruktion des Informationsanbieters ab; rechtliche Auswirkungen gehen aber zum anderen auch von der Art der angebotenen Informationsdienste bzw. der Ausgestaltung des individuellen Informationsprodukts aus. Wie die Gewährleistung und Haftung für fehlerhafte oder gar schadenverursachende Informationen im einzelnen ausgestaltet sind, richtet sich insbesondere nach der Qualifizierung der Rechtsbeziehung zwischen Informationsanbieter und Benutzer in Abhängigkeit von der Art des Informationsproduktes. Es soll dabei im folgenden davon ausgegangen werden, daß die zwischen Informationsanbieter und -nutzer bestehende Rechtsbeziehung (wie in der Regel) privatrechtlicher Natur ist. Denkbar sind im Einzelfall natürlich auch öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnisse. Nach wie vor ungeklärt ist aber noch immer die abschließende vertragstypologische Einordnung des Informationsgeschäfts in das Vertragssystem des Bürgerlichen Rechts. Zwar gibt es dazu einige interessante Literaturbeiträge (vergl. etwa M. Hackemann, Fragen des Austauschverhältnisses beim Online-Vertrag, in: Computer und Recht = CR 1987, S. 660 ff., mit weiteren Nachweisen), nicht jedoch eine einschlägige und klärende höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof und andere Obergerichte haben es bisher stets erfolgreich vermieden, eine eindeutige und abschließende Stellungnahme zur Rechtsnatur von Informationsverträgen abzugeben (vergl. dazu etwa die „Kommafehler"-Entscheidung, in: Neue Juristische Wochenschrift = NJW 1970, S. 1963 ff. ; die „Nottestamentmappe"-Entscheidung, in: NJW 1978, S. 843 ff.; die „Börsendienst"-Entscheidung, in: NJW 1978, S. 997 ff.). In den beiden erstgenannten Entscheidungen, in denen es um fehlerhafte Informationen in gedruckten Diensten ging, prüfte der BGH eine Gewährleistungspflicht des Anbieters nach Kaufvertragsrecht. In der sogenannten Börsendienst-Entscheidung bejahte der BGH darüber hinaus einen entgeltlichen Beratungsvertrag und eine Haftung hieraus, soweit es um eine auf einer unzureichenden Recherche beruhende Anlage-Empfehlung ging. In der sogenannten „Doppelparker"-Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht = GRUR 1979, S. 267 ff.) blieb dahingestellt, ob für einen mangelhaft ausgeführten Recherche-Auftrag das Werkvertragsrecht anzuwenden oder ob von einem auf Geschäftsbesorgung ausgerichteten Dienstvertrag auszugehen sei.

F 7.4.2

Gewährleistung und Haftung

Diese ungeklärte Rechtssituation wirkt sich insbesondere dann aus, wenn die Fragen zu beantworten sind, welche Gewährleistungsrechte einem Nutzer zustehen, der fehlerhafte Informationen, Informationsprodukte oder -dienste erhalten hat, und in welchen Fällen ein Informationsanbieter oder -vermittler sogar für Schäden haften muß, die aus diesen fehlerhaften Informationen adäquat kausal entstanden sind. Denn die im Einzelfall gegebenen Ansprüche richten sich wiederum nach dem

F 7.4 Vertragliche Grundlagen des Informationsgeschäfts

897

Vertragstyp, der dem jeweiligen Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Nimmt man etwa einen Kaufvertrag an, so stehen dem Nutzer auch die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte zu. Zu denken ist in diesem Zusammenhang bei mehr äußerlichen Fehlern des Dienstes etwa an die Rechte, den Vertrag rückgängig zu machen, also die Wandlung gemäß § 462 BGB, die Herabsetzung des Entgelts (= Minderung) oder die Neulieferung gemäß § 480 Abs. 1 BGB. Treten Fehler in den Inhalten des Dienstes auf, so ist dieser fehlerhaft im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB, wenn er für den gewöhnlichen Gebrauch untauglich ist, wenn er also die ihm beigelegten Funktionen nicht (mehr) erfüllen kann. Dem Nutzer stehen in diesem Fall ebenfalls die kaufvertraglichen Ansprüche auf Wandlung, Minderung oder Neulieferung gemäß §§ 480 Abs. 1, 459 Abs. 1, 462, 465, 467 BGB zu. Die Haftung des Informationsanbieters für die durch die Schlechtlieferung entstandenen weiteren Schäden richtet sich grundsätzlich nach den Regeln der positiven Vertragsverletzung (sogenannte pVV). Als solche weiteren Schäden sind diejenigen anzusehen, die dem Benutzer infolge der Mangelhaftigkeit des Dienstes an anderen Rechtsgütern, etwa seinem Eigentum oder Vermögen, entstehen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Kaufvertrags nach §§ 433, 242, 325, 326 BGB anlog sind: die Lieferung eines fehlerhaften Produktes, der Eintritt eines Mangelfolgeschadens, die Ursächlichkeit des auf fehlerhaften Informationen beruhenden Verhaltens für den geltendgemachten Mangelfolgeschaden sowie das Verschulden. Um zu ermitteln, inwieweit den Informationsanbieter an der Fehlerhaftigkeit des Informationsproduktes ein Verschulden trifft, ist der zum Informationsprodukt führende Verarbeitungsprozeß in seinen einzelnen Phasen auf ein mögliches schuldhaftes Fehlverhalten der Angestellten oder der externen Mitarbeiter des Anbieters hin zu untersuchen; deren Verschulden hat er sich gemäß § 278 BGB zurechnen zu lassen. Bei fahrlässigem Handeln der informationsverarbeitenden Stelle muß der später eingetretene Schaden schließlich auch voraussehbar und vermeidbar gewesen sein. Die Gewährleistungsrechte sowie die Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Kaufvertrag verjähren gemäß § 477 BGB in sechs Monaten. Diese Regeln über den Kaufvertrag werden auf ein Informationsgeschäft aber wiederum nicht mehr angewendet werden können, wenn dessen Gegenstand eher die Erbringung eines individuellen Informationsservice (Datenbank-Recherche mit zusätzlicher Analyse der gefundenen Dokumente oder ähnliches) darstellt. In diesem Fall dürfte eher das Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) mit den ihm spezifischen Gewährleistungsansprüchen zur Geltung kommen. In einem dritten Fall mögen vielleicht eher das Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB) oder die Regelungen der Miete (§§ 535 ff. BGB) einschlägig sein. In jedem Fall ist eine individuelle Würdigung des Informationsgeschäfts im Hinblick auf seine vertragstypologische Einordnung unumgänglich. Um diese unsichere Rechtssituation zu beseitigen, sind viele Informationsproduzenten, -anbieter und -vermittler dazu übergegangen, sich für die mit ihren Kunden abzuschließenden Verträge eine eigene Rechtsordnung zu schaffen. Dies geschieht in der Praxis durch die Formulierung und Verwendung standardisierter Verträge (sogenannte Formularverträge) oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Zwei Beispiele dafür seien im folgenden kurz skizziert.

898 F 7.4.3

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft Online-Nutzuiigsbedingiingen

Prinzipiell können in Online-AGB beliebige und zahlreiche Punkte geregelt werden, vorausgesetzt es liegt kein Verstoß gegen zwingende Gesetzesvorschriften, insbesondere des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vor. In jedem Fall sind aber die folgenden Aspekte regelungswürdig und meistens auch -bedürftig. (1) Leistungsbeschreibung Hier ist in generalisierter Form festzulegen, welche Leistungen des Informationsanbieters der Nutzer erwarten kann. Zur näheren Ausgestaltung kann auf Datenbankbeschreibungen und ähnliche Unterlagen verwiesen werden, die dann als Anlage zum Vertrag zu nehmen sind und damit auch Vertragsinhalt werden. (2) Rechte und Pflichten des Nutzers Hierher gehört die grundsätzliche Pflicht des Nutzers, die für die Datenbank-Recherche anfallenden Entgelte zu bezahlen ebenso wie sein Recht, in diesen Datenbanken (etwa zu bestimmten Zeiten oder rund um die Uhr) zu recherchieren, die Datenbanken aber nicht zu zweckfremden Zielen zu verwenden. (3) Erteilung der Zugriffsberechtigung In diesem Punkt ist festzulegen, wie die Prozedur zur Erlangung des Passwort erfolgt; gegebenenfalls kann hier auch klargestellt werden, daß der Nutzer für die Schaffung der technischen Infrastruktur zur Online-Recherche selbst verantwortlich ist. (4) Nutzungsrechte Ein zentraler Punkt von Online-AGB ist die Festlegung, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Nutzer in den Datenbanken recherchieren darf. Dabei ist auch zu regeln, ob Recherche-Ergebnisse an Dritte weitergegeben werden dürfen und ob dies entgeltlich oder unentgeltlich geschehen darf. Auch die Zulässigkeit/ Unzulässigkeit einer professionellen Informationsvermittlung aus den Datenbanken ist hier festzulegen. In der Praxis finden sich häufig zu diesem Aspekt sehr detaillierte Regelungen, die allerdings ebenso häufig den Nachteil haben, daß ihre Einhaltung nicht kontrolliert werden kann. (5) Downloading Als Spezialfall der Datenbank-Nutzung kann das Downloading separat geregelt werden. Darunter versteht man das langfristige Speichern von Recherche-Ergebnissen in maschinenlesbarer Form beim Nutzer, um später in anderen Zusammenhängen wieder auf die gefundenen Dokumente zurückgreifen zu können. Bisweilen wird ein Downloading mengenmäßig begrenzt oder auch ausdrücklich untersagt. (6) Urheberrecht In dieser Klausel behält sich der Informationsanbieter üblicherweise alle Rechte an den Datenbanken vor. Dies ist deshalb durchaus sinnvoll, als nach wie vor im Hinblick auf den Urheberschutz von Datenbanken noch keine gesetzliche Regelung besteht, die den Werkcharakter von Datenbanken bejaht.

F 7.4 Vertragliche Grundlagen des Informationsgeschäfts

899

(7) Preise and Verzug Unter dieser Überschrift werden in der Praxis die Preislisten der Informationsanbieter in den Vertrag mit einbezogen. Außerdem werden der Fälligkeitszeitpunkt für Entgeltforderungen sowie die Folgen des Zahlungsverzugs des Nutzers (Zinsen, Sperrung des Anschlusses etc.) geregelt. (8) Gewährleistung und Haftung Dieser Klausel kommt häufig eine zentrale Bedeutung zu. Einerseits werden hier die Gewährleistungsrechte des Nutzers festgelegt (meistens ein Recht auf Nachrecherche = Nachbesserung und im Falle des Scheiterns der Nachbesserung auf Wandlung des Vertrags). Andererseits versuchen in dieser Klausel die Informationsanbieter ihre Haftung für Schäden aus fehlerhaften Informationen so weit als möglich einzuschränken (Haftung nur für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln). (9) Vertragsdauer/Beendigung Da Online-Verträge in der Regel auf Dauer angelegt sind, bedarf die Frist für eine Beendigung des Vertrags durch ordentliche Kündigung der Festlegung. Das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt selbstverständlich vorbehalten. (10) Datenschutz/Vertraulichkeit In dieser Klausel wird dem Nutzer häufig eine vertrauliche Behandlung seiner Suchanfragen und -profile zugesichert. Außerdem wird er auf die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im Rahmen des Vertragsverhältnisses hingewiesen. (11) Sonstiges Schließlich findet man in Online-AGB häufig noch Regelungen über das anzuwendende Recht, den Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten, das Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen und -aufhebungen sowie Regelungen über die Teilnichtigkeit einzelner AGB-Klauseln. Wie schon eingangs erwähnt, kann dabei jedweder Aspekt geregelt werden, der den Vertragsparteien wichtig erscheint.

F 7.4.4

CD-ROM-Lizenzverträge

Bei der Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die CD-ROM-Nutzung (häufig Lizenzbedingungen genannt) sind im wesentlichen die gleichen Aspekte zu regeln wie in Online-AGB. Dies gilt etwa für die Produktbeschreibung, die Festlegung der Rechte und Pflichten des Nutzers (Lizenznehmer), die Ausgestaltung der Nutzungsrechte, die Zuordnung der Urheberrechte zum Anbieter (Lizenzgeber), die nähere Regelung von Gewährleistung und Haftung sowie der Aspekte Vertragsdauer/Beendigung, Datenschutz, Rechtswahl, Gerichtsstand und Schlußbestimmungen. Von großer Bedeutung bei der AGB-Formulierung ist aber die Grundentscheidung des Informationsanbieters (Lizenzgeber), ob er sein Produkt dem Nutzer endgültig und auf Dauer zur Nutzung überläßt, oder ob er ihm nur ein ganz bestimmtes, eingeschränktes und auf Zeit ausgerichtetes Nutzungsrecht einräumt. Im ersten Fall ist durchaus daran zu denken, das gesamte Vertragsverhältnis in Anlehnung an das

900

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) auszugestalten mit der Folge, daß etwa auch das Eigentum am Datenträger endgültig auf den Erwerber der CD-ROM übergeht. Im zweiten Fall wird sich demgegenüber der Informationsanbieter das Eigentum am Datenträger vorbehalten und diesen beispielsweise zurückzufordern, wenn die Laufzeit des eingeräumten Nutzungsrechts verstrichen ist. Ähnlich wird in der Praxis verfahren, wenn für einen CD-ROM-Dienst auch ein Update-Service angeboten wird. In diesem Fall besteht in der Regel für den Nutzer die Pflicht, die Vorauflage der CD-ROM bei Erhalt des Update an der Informationsanbieter zurückzugeben. Die Lizenzversion hat ferner für den Informationsanbieter den Vorteil, daß er im Hinblick auf die dem Nutzer eingeräumten Nutzungsrechte eine viel differenziertere (und häufig auch restriktivere) Regelung treffen kann als bei der Kaufversion. Das hat juristisch-dogmatische Gründe, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann. Im übrigen können natürlich auch in CD-ROM-AGB beliebige weitere Aspekte geregelt werden bis hin zur differenzierten Lizenzgestaltung für die Nutzungssoftware und/oder einzelne Datenbestände auf dem Datenträger. Bei allem juristischem Scharfsinn, der für derartige Klauseln aufgewendet wird, ist aber stets zu berücksichtigen, daß allzu fein ausdifferenzierte Lizenzbedingungen in der Praxis häufig gar nicht nachvollzogen oder gar kontrolliert werden können.

F 7.4.5

Wirksamkeit von Lizenz- und Nutznngsbedingungen

Die vorstehend exemplarisch skizzierten Allgemeinen Geschäfts- oder Lizenzbedingungen entfalten im Vertragsverhältnis des jeweiligen Informationsgeschäfts allerdings nur dann Wirkung, wenn sie einerseits rechtlich zulässig und andererseits korrekt in den jeweiligen Vertrag einbezogen wurden. Die rechtliche Zulässigkeit von AGB bzw. einzelner Klauseln richtet sich im wesentlichen nach dem oben bereits erwähnten Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 09. Dezember 1976. Nach § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders (hier also den Nutzer) entgegen den Geboten von Tteu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist nach § 9 Abs. 2 AGBG im Zweifel anzunehmen, wenn eine AGB- oder Lizenzklausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der durch die Klausel abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. In den §§ 10 und 11 AGBG hat der Gesetzgeber dann eine Reihe von Fällen detailliert aufgeführt, in denen von einer Unwirksamkeit der betreffenden Klausel auszugehen ist. Als besonders wichtiges Beispiel sei dabei etwa auf § 11 Nr. 7 AGBG hingewiesen. Danach ist in AGB stets unwirksam ein Ausschluß oder eine Begrenzung der Haftung für einen Schaden, der auf einer grob fahrlässigen Vertragsverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlich oder grob fahrlässigen Vertragsverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruht; dies gilt auch für Schäden aus der Verletzung von Pflichten bei den Vertragsverhandlungen. Zur Wirksamkeit von AGB oder Lizenzbedingungen ist neben der Beachtung dieser inhaltlichen Anforderungen aber auch in formaler Hinsicht notwendig, daß diese in

F7.5 Schlußbemerkung

901

rechtlich einwandfreier Weise in das jeweilige Vertragsverhältnis einbezogen werden. Nach § 2 Abs. 1AGBG ist dazu erforderlich, daß der AGB-Verwender bei Vertragsschluß die andere Vertragspartei (also den Nutzer oder Lizenznehmer) ausdrücklich oder (in bestimmten Fällen) durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsabschlusses (also im Geschäftslokal) auf sie hinweist. Der Verwender muß ferner der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Schließlich und endlich muß die andere Vertragspartei mit der Geltung der AGB einverstanden sein; häufig wird ihr aber insoweit gar nichts anderes übrig bleiben als diese zu akzeptieren. Besondere Probleme bei der Einbeziehung von AGB in den Vertrag entstehen häufig bei telefonischer Auftragserteilung (etwa eines Nutzers an einen Informationsvermittler) oder gar beim Abschluß von Verträgen über Online-Systeme. Auch hier müssen in spezifischer Weise die Vorschriften des AGB beachtet werden, wobei auf das typische Gepräge des jeweiligen technikgestützten Kommunikationsvorgangs Rücksicht zu nehmen ist. Kann etwa ein Nutzer einen Vertrag über eine Datenbankrecherche im Online-Dialog abschließen, so muß er vor dem eigentlichen Abschluß die Möglichkeit gehabt haben, sich auch die entsprechenden Nutzungsbedingungen am Bildschirm ansehen zu können und zwar kostenlos. Im übrigen ist stets unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob eine wirksame AGB-Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien getroffen wurde oder nicht.

F7.5

Schlußbemerkung

Die in den vorstehenden Abschnitten behandelten Bereiche Urheberrecht, Datenschutzrecht und Vertragsrecht stellen sicherlich die Rechtsmaterien dar, denen die größte Bedeutung für die heutige Informationswirtschaft zukommt. Wie schon in den einleitenden Ausführungen dargestellt, ist das sich dabei ergebende Problempotential aber nicht auf diese drei Schwerpunkte beschränkt. Neben Aspekten, die wir im Oberblick in Abschnitt F 7.1.2 angesprochen haben, treten in unserer multimedialen Informationsgesellschaft weitere Problemkreise in den Vordergrund, die bisher für den fachlichen „Informationsprofi" eher von untergeordneter Bedeutung waren. Als Beispiel seien aus juristischer Sicht etwa das Telekommunikationsrecht und das Recht der Massenmedien (Presse- und Rundfunkrecht) genannt. Hier zeigen sich besonders deutlich Assimilations- und Konvergenztendenzen, denen sich auch der Berufsstand der Dokumentare und Informationsschaffenden mittelfristig nicht verschließen kann. Es ist daher dringend zu empfehlen, auch für die dort rechtlich geregelten Aspekte sensibel und offen zu sein und bei Bedarf Rechtsexperten auf diesen Gebieten zur Lösung der Probleme hinzuzuziehen. Nichts kann unbefriedigender sein, als ein sinnvolles und erfolgversprechendes Informationsprojekt aus rechtlichen Gründen scheitern zu sehen. In jedem Fall empfiehlt es sich aber, den Überblick auch über diese Fragen zu behalten, um für die gegebenenfalls auftretenden Rechtsprobleme der täglichen praktischen Informationsarbeit sensibilisiert zu sein. Zur Erreichung dieses Ziels kann

902

Goebel: Rechtsfragen der Informationswirtschaft

die Lektüre der im folgenden aufgeführten Überblicksliteratur ebenso beitragen wie die Verfolgung der technischen und rechtlichen Entwicklung in den einschlägigen Fachzeitschriften.

Literatur Neben den traditionellen dokumentarischen Fachzeitschriften, die auch hin und wieder Beiträge zu wichtigen rechtlichen Fragestellungen enthalten, sei immer einmal wieder auch ein Blick in einschlägige juristische Fachzeitschriften wie das „Archiv für Presserecht" (AfP), die „Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht" (ZUM) oder die Fachzeitschrift „Computer und Recht" (CR) empfohlen. Ansonsten mögen die wenigen nachfolgend aufgeführten Beiträge dazu dienen, den Blick für juristische „Stolpersteine" zu schärfen. 01. 02. 03. 04. 05.

06. 07.

08. 09. 10.

Bull, H.P.: Die Grundprobleme des Informationsrechts, Frankfurt am Main 1985. Fromm, F.K.; Nordemann, W.: Urheberrecht, 8. Auflage, Stuttgart 1994. Goebel, J.W.: Die Vertragsgestaltung beim Downloading, CR 1986, S. 73 ff. Hackemann, M.: Information und Dokumentation aus urheberrechtlicher Sicht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 1982, S. 262 ff. Hackemann, M.: Urheberrechtlicher Schutz von Datenbanken - rechtsvergleichend und nach internationalem Recht, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 1987, S. 269 ff. Hoebbel, C.: EG-Richtlinienentwurf über den Rechtsschutz von Datenbanken, CR 1993, S. 12 ff. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Grünbuch Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, Dokument KOM (95) 382 endg., Brüssel 1995. Mehrings, J.: Der Rechtsschutz computergestützter Fachinformationen, Baden-Baden 1990. Meilinger, F.: Datenschutz im Bereich von Information und Dokumentation, Baden-Baden 1984. Simitis, S.; Dammann, U.; Mallmann, O.; Reh, H.J.: Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Loseblatt, Baden-Baden 1992 ff.

903

F8

Normung im Bereich Information und Dokumentation Eva-Maria Baxmann-Krafft und Edith Lechner

F 8.1

Die Grundgedanken der Normung

Normung ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit (Lit. 01). In einem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN hat 1975 die Bundesregierung das DIN nach Maßgabe der in der Norm DIN 820 getroffenen Festlegungen als die zuständige Normungsorganisation für das Bundesgebiet sowie als die nationale Normungsorganisation in nichtstaatlichen internationalen Normungsorganisationen anerkannt (Lit. 01). Das DIN orientiert seine Arbeiten an zehn Grundgedanken: -

Freiwilligkeit Öffentlichkeit Beteiligung aller interessierten Kreise Konsens Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit Sachbezogenheit Ausrichtung am Stand der Technik Ausrichtung an den wirtschaftlichen Gegebenheiten Ausrichtung am allgemeinen Nutzen Internationalität.

Bei der Erarbeitung von Nonnen haben die einzelnen Normenausschüsse des DIN für ihre Arbeitsbereiche den satzungsgemäßen Zweck des DIN zu wahren, in dem sie durch Gemeinschaftsarbeit der interessierten Kreise, zum Nutzen der Allgemeinheit, Deutsche Nonnen oder andere Arbeitsergebnisse aufstellen, die der Rationalisierung, der Qualitätssicherung, dem Umweltschutz, der Sicherheit und der Verständigung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit dienen (Lit. 02). Bei den internationalen und europäischen Normungsinstituten (ISO/IEC, CEN/ CENELEC) ist das DIN mit seinen Normenausschüssen und anderen Gremien das Mitglied für Deutschland und nimmt somit die deutschen Interessen wahr. Das DIN als Organisation versteht sich als ein strikt neutrales Forum, dessen inhaltliche Arbeitsergebnisse ausschließlich von den Festlegungen seiner ausgewogen zusammengesetzten Expertengremien abhängen. In der Normungsarbeit stellt das DIN selbst keine Partei dar, die inhaltliche Auffassungen zur Sache gegen andere beteiligte Kreise durchsetzt. Die Normenausschüsse sind mit ihren Arbeitsausschüssen das fachliche Forum für die Festlegung übergreifender Regeln, die über die Ebene einer einzelnen Institution hinausgehen. Die fachliche Arbeit wird in den verschiedenen Arbeitsausschüssen eines Normenausschusses von ehrenamtlichen Mitarbeitern, d. h. Fachleuten und Experten aus den interessierten Kreisen, geleistet, die dabei von hauptamtli-

904

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

chen Mitarbeitern des DIN unterstützt werden (Lit. 03). Die interessierten Kreise bringen die Themenvorschläge für Normungsvorhaben ein und erarbeiten in den Arbeitsausschüssen entsprechende Normen mit der Maßgabe, einen Konsens zu erreichen. Die hauptamtlichen Mitarbeiter des DIN haben neben der organisatorischen Betreuung der einzelnen Normungsvorhaben auch die Aufgabe der Koordinierung zwischen den Vorhaben der verschiedenen Normenausschüsse im Hinblick auf übergreifende Regelfestlegungen für unterschiedliche Anwender, Benutzer, Gremien und Institutionen im nationalen, internationalen und europäischen Rahmen.

F 8.2

Internationale und europäische Normung

F 8.2.1

Internationale Normung

ISO - International Organization for Standardization (Internationale Organisation für Normung, Sitz in Genf/Schweiz) ist die internationale Dachorganisation und weltweite Vereinigung nationaler Normungsinstitute, die im Jahre 1947 gegründet wurde. Die Erarbeitung der Internationalen Normen vollzieht sich in Technischen Komitees (TC) und deren Unterkomitees (SC) und Arbeitsgruppen (WG), die die verschiedenen Aspekte der Nonnungsarbeit abdecken. Alle ISO-Mitglieder und alle Nationalen Komitees der IEC (Internationale Elektrotechnische Kommission) haben das Recht, in jedem beliebigen TC oder SC ihrer internationalen Organisation mitzuarbeiten. Die Arbeit ist dezentralisiert; die Sekretariate dieser Gremien werden jeweils durch ein Mitglied betreut. Gegenwärtig gibt es ca. 185 Technische Komitees (TCs) verschiedenster Fachgebiete innerhalb der ISO.

F 8.2.2

Europäische Normung

Das Europäische Komitee für Normung (CEN) und das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC) entstanden Anfang der 60er Jahre als regionale Normungsorganisationen. CEN bildet zusammen mit CENELEC die Gemeinsame Europäische Normungsinstitution. In CEN/CENELEC sind die nationalen Normungsinstitute sowohl aller EU-Länder als auch aller EFTA-Länder Mitglied (Sitz in Brüssel). Es sind dieselben Normungsinstitute, die auch Mitglied in der ISO und in der IEC (International Electrotechnical Commission) sind. CEN ist ein „europäisches Forum", das Kontakte mit allen interessierten Kreisen fördert und organisiert: mit Regierungen, Körperschaften öffentlichen Rechts, Herstellern, Anwendern, Verbrauchern, Gewerkschaften, usw. Das Ziel der europäischen Normungsarbeit ist es, ein einheitliches und modernes Normenwerk für den Binnenmarkt zu schaffen. Das soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

F 8.3 Normung in Wissenschaft und Technik

905

- Harmonisierung der nationalen von den CEN-Mitgliedern veröffentlichten Normen - Förderung der einheitlichen Einführung von Normen der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und anderer internationaler Normen oder Empfehlungen durch die CENMitglieder - Erarbeitung Europäischer Normen (EN) von Grund auf, wenn dies durch Erfordernisse in Europa gerechtfertigt ist und keine geeigneten internationalen oder anderen Normen vorhanden sind, die als Bezugsdokument benutzt werden können - Bereitstellung von Verfahren für die gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen und Zertifizierungssystemen auf europäischer Ebene - Unterstützung der weltweiten Normung innerhalb der ISO - Zusammenarbeit mit den Europäischen Gemeinschaften (EG), der Europäischen Freihandelszone (EFTA) und anderen internationalen staatlichen Organisationen, so daß in deren Richtlinien und anderen Rechtsgrundlagen auf Europäische Normen und Harmonisieningsdokumente verwiesen werden kann - Zusammenarbeit mit anderen internationalen Regierungs-, Wirtschafts-, Berufs- und Wissenschaftsorganisationen in Fragen, wo ein Zusammenhaag mit Normung besteht - Zusammenarbeit mit dem Europäischen Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC), dem anderen Bestandteil der Gemeinsamen Europäischen Normungsinstitution.

Die Normungsarbeiten auf internationaler und europäischer Ebene werden von den deutschen Experten mitgetragen. Dazu gehört, den nationalen Standpunkt zu den von anderen Mitgliedsländern in ISO- oder CEN-Arbeitsgremien vorgelegten Vorschlägen darzulegen und so die Interessen der deutschen Fachkreise zu vertreten.

F8.3

Normung in Wissenschaft und Technik

Eine repräsentative Umfrage hat vor einiger Zeit ergeben, daß 98% aller Deutschen das DIN kennen - wahrscheinlich dachten die Befragten dabei in erster Linie an DIN A4, eventuell an Nonnen für das Bauwesen, z. B. über Brandschutz, vielleicht noch an Alltagsgegenstände wie Kugelschreiberminen nach DIN 16554. Spricht man von Normung allgemein, so hat bei verschiedensten Kreisen in letzter Zeit die internationale Normung der ISO 9000-Reihe über Qualitätsmanagement einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Die weitaus meisten Normen richten sich jedoch an die Spezialisten der jeweiligen Fachgebiete. Insgesamt gibt es zur Zeit ca. 23.500 DIN-Normen, 4.800 Europäische Normen (EN) und 14.000 Internationale Normen (ISO) für nahezu alle Bereiche von Wissenschaft und Technik. DIN-Normen werden ständig dem neuesten Stand der Technik und den wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt. Die Erarbeitung von DIN-Normen auf nationaler Ebene wird zunehmend von der länderübergreifenden europäischen und weltweiten Zusammenarbeit der Normungsorganisationen geprägt. Die europäischen und internationalen Arbeitsergebnisse werden als DIN-Normen, DIN-EN- oder DIN-ISO-Normen in das Deutsche Normenwerk übernommen; auch hier ist es durch die Beteiligung der Öffentlichkeit möglich, fachliche Stellungnahmen einzubringen. Der jährlich erscheinende DIN-Katalog für technische Regeln gibt einen Überblick über alle DIN-Normen, Norm-Entwürfe und technischen Regeln anderer Organisationen.

906

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

Zentrale Auskunftsstelle über die in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Normen, technisch relevanten gesetzlichen Vorschriften und sonstigen technischen Regeln ist das Deutsche Informationszentrum für technische Regeln (DITR) im DIN. Das DITR betreibt eine Datenbank mit den bibliographischen Angaben über diese Dokumente, die monatlich aktualisiert werden (vgl. auch Kapitel D 7).

F 8.4

Aufgaben im Bereich Information und Dokumentation

Das DIN wurde 1917 unter der Bezeichnung Normenausschuß der Deutschen Industrie gegründet. In den folgenden Jahren weitete sich die Tätigkeit auf viele Bereiche in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik aus, so daß bereits im Jahre 1927 der Normenausschuß Bibliotheks- und Dokumentationswesen (NABD) ins Leben gerufen wurde. In etwa 100 Normenausschüssen des DIN werden Nonnen für nahezu alle Bereiche von Wissenschaft und Technik erarbeitet. Für den Bereich Information und Dokumentation sind vor allem der - Normenausschuß Bibliotheks- und Dokumentationswesen (NABD) und der - Normenausschuß Terminologie (NAT) verantwortlich. Die Arbeiten der Normenausschüsse Bibliotheks- und Dokumentationswesen sowie Terminologie sind eng verknüpft mit der internationalen Normung in den Technischen Komitees ISO/TC 46 „Information und Dokumentation" und ISO/TC 37 „Terminologie (Grundsätze and Koordination)". Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß das Sekretariat von ISO/TC 46 „Information und Dokumentation" vom NABD und das Sekretariat für das Unterkomitee des ISO/TC 37 „Computeranwendungen in der Terminologiearbeit" vom NAT geführt wird. Weitere Normen zu einzelnen Fragen der Information und Dokumentation werden von folgenden Normenausschüssen und den entsprechenden Technischen Komitees (TC) der ISO erstellt: -

Bürowesen (ISO/TC 68, ISO/TC 154) Papier und Pappe (ISO/TC 6) Druck- und Reproduktionstechnik (ISO/TC 130) Bild und Film (ISO/TC 36, ISO/TC 42, ISO/TC 171 - zuständig auch für Mikrographie) Informationstechnik (ISO/IEC JTC 1) Technische Produktdokumentation (ISO/TC 10) Einheiten und Formelgrößen (ISO/TC 12, ISO/TC 145).

Der Normenausschuß Bibliotheks- und Dokumentationswesen ist der für die nationale Normung zuständige Ausschuß für das gesamte Bibliotheks-, Informationsund Dokumentationswesen. In seinen Verantwortungsbereich fällt die Erarbeitung von Regeln für das Erstellen, Publizieren, Erschließen, Speichern, Wiederauffinden, Vermitteln und die Nutzung von Dokumenten und Informationen im Bereich des gesamten Bibliotheks-, Infor-

F 8.5 Konsensbildung national und international

907

mations- und Dokumentationswesens, insbesondere im Archiv-, Bibliotheks-, Dokumentations-, Museums- und Verlagswesen. Schwerpunktmäßig werden national und international Normen zu folgenden Bereichen erarbeitet: -

Datenelemente und Austauschformate Zeichenvorräte und Transliteration OSI-Anwendungen in Bibliotheken Bibliotheksmanagement Codierungssysteme Gestaltung, Identifizierung und Beschreibung von Dokumenten Elektronisches Publizieren Alterungsbeständigkeit von Datenträgern.

Die Arbeit des Normenausschusses Terminologie (NAT) richtet sich sowohl auf die grundlegende Bedeutung der Fachsprachen für die gesamte Normung als auch auf die Werkzeuge der Terminologiearbeit, Übersetzungspraxis und Lexikographie. Die wesentlichen Arbeitsbereiche sind die folgenden Schwerpunkte: -

Grundsätze der Begriffs- und Benennungsbildung Erarbeitung und Gestaltung von Fachwörterbüchern Übersetzungspraxis Computeranwendungen für die Terminologiearbeit und Lexikographie Terminologie der Terminologiearbeit.

Auch für den Bereich der Information und Dokumentation hat der NAT damit eine wichtige Grundlagenfunktion, insbesondere in den Bereichen Datenelemente, Klassifikation, Indexierung und Thesauri.

F 8.5

Konsensbildung national und international

Für den Bereich Information und Dokumentation bildet der NABD im Rahmen des DIN ein Forum zur Konsensbildung zwischen den Vertretern von Datenbankanbietern, Bibliotheken, Informations- und Dokumentationsstellen, Archiven, Verlagen und Museen. Neben zentralen Einrichtungen wie Bundesarchiv, Die Deutsche Bibliothek, Deutsches Bibliotheksinstitut sind auch einzelne Bibliotheken, Bibliotheksverbunde, Informations- und Dokumentationsstellen von Großunternehmen und der mittelständischen Industrie sowie die Fachinformationszentren beteiligt. Darüber hinaus sind auch Bibliotheksverbände und die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation vertreten. An den Arbeiten des NAT beteiligen sich Sprachwissenschaftler (insbesondere Fachsprachenlinguisten), Obersetzer, Lexikographen und Experten aus der Terminologiepraxis. Dabei steht die Umsetzung der sprachwissenschaftlichen Grundlagen für die praktischen Anwendungen der Terminologie in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und Verwaltung im Mittelpunkt. Der NAT fühlt sich dabei der Pflege sprachkultureller Gesichtspunkte besonders verpflichtet. Für alle genannten Arbeitsgebiete bilden der NABD und der NAT nicht nur das nationale Forum für die interessierten Kreise, sondern übernehmen auch die Vertre-

908

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

tung der deutschen Interessen auf internationaler Ebene. So arbeiten deutsche Experten an allen wichtigen Vorhaben im ISO/TC 46 und im ISO/TC 37 mit. Die Übernahme und Integration von Ergebnissen und Überlegungen anderer internationaler und europäischer Organisationen, z. B. IFLA, UNESCO, FIT sind Bestandteil der nationalen und internationalen Normungsarbeit.

F 8.6

Normung für einen reibungslosen Informationskreislauf

Die Effektivität des gesamten Informationskreislaufs hängt von möglichst hoher Vernetzung und einer reibungslosen Gestaltung der Schnittstellen ab, zu der die Normung durch Regelfestlegungen für folgende Bereiche beiträgt: - Infonnationsdarstellung auf Zeichenebene (alphabetische Ordnung, elektronische Codierung, graphische Symbole, Transliteration, Umschrift) - abkürzende ErsatzdarsteDiuig durch Codes (ISBN, ISSN etc., genormte Länder- und Sprachenzeichen) - Gestaltung und Strnktariemng von Dokumenten, die eine einfache und einheitliche Verarbeitung ermöglicht und die Informationsnutzung erleichtert - Katalogisierung von Dokumenten sowie deren Sammlung und Speicherung in Bibliotheken, IuD-Stellen und Archiven - Datenelemente, die für die Katalogisierung und Erschließung benötigt werden - inhaltliche Erschließung von Dokumenten durch Schlagworte, Indexierung, Klassifikation und Kurzreferate - Definitionsregeln and Grundsätze für Begriffssysteme als Grundlage für die Erarbeitung einer einheitlichen Terminologie in Standardlisten und Thesauri - elektronische Übermittlung und Speicherang von Dokumentennachweisen und Volltextdokumenten - Konservierung und Lagernngsbedingangen als Maßnahmen für die physische Erhaltung von Dokumenten - Arbeitsverfahren nnd Qnalitätsmanagement des Informations-, Bibliotheks- und Dokumentationsbereiches (Leistungsmessung und Statistik, Bibliotheksbau, Aufbau von Dokumentationssystemen).

Es ist entscheidend, daß die einzelnen Prozesse des Informationskreislaufes so reibungslos wie möglich ineinandergreifen. Normen als Grundlage für einheitliche Verfahrensweisen erlauben die Weiterverarbeitung von bereits vorhandenen Informationen, vermeiden Doppelarbeit und stellen durch ausreichende Eindeutigkeit der Regeln sicher, daß kein Informationsverlust entsteht. Angesichts der Komplexität dieser Prozesse sind neben dem Normenausschuß Bibliotheks- und Dokumentationswesen auch Normenausschüsse zu den Gebieten Bürowesen, Photographie, Druck- und Reproduktionstechnik, Technische Produktdokumentation, Papier und Pappe und Informationstechnik an den Festlegungen beteiligt.

F 8.7 Schwerpunktthemen

F 8.7

Schwerpunktthemen

F 8.7.1

Codierangssysteme

909

Einheitliche Codierungssysteme werden in den unterschiedlichen Systemen der Datenverarbeitung angewendet, dazu gehören z. B. international einheitliche Länderzeichen, Sprachen- und Währungszeichen sowie Nummeruogssysterae wie ISBN, ISSN, ISMN, ISRC, ISRN. Für die Codierung von Ländernamen wurde die Internationale Norm ISO 3166 „Codes for the representation of names of countries" erstellt, die auch als Europäische Norm (EN 23166) übernommen wurde und jetzt als DIN EN 23166 „Codes für Ländernamen" vorliegt. Für viele große Informationssysteme ist ein korrekter Gebrauch dieser Norm von immenser Bedeutung, da sie auf den offiziellen Schreibweisen der Staatennamen beruht. Die offiziellen Staatennamen stammen aus Verzeichnissen der UNO bzw. für die deutsche Fassung aus dem Verzeichnis des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Generell ist eines der Grundprobleme bei der Codierung von Ländernamen in der Festlegung vereinheitlichter Namensschreibweisen als Grundlage für die Code-Vergabe zu sehen. Hier tangiert die Normungsarbeit den diplomatischen Bereich und erfordert u. a. deshalb ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und Anwenderbetreuung. Die praktische Anwendung dieses Länderzeichensystems erfordert aber auch ein Höchstmaß an Aktualität. Für den optimalen Einsatz wurde eine Internationale Agentur (ISO 3166/MA) eingerichtet, deren Sekretariat beim NABD liegt. Zu den Aufgaben gehört die laufende Überwachung der Entwicklungen auf dem Gebiet der Ländernamen, des Neuentstehens und der damit verbundenen Codierungen von Ländern. Nach einem festgelegten Verfahren in Absprache u. a. mit dem Auswärtigen Amt, den Vereinten Nationen und großen Informationseinrichtungen werden neue Länderzeichen, wo dies erforderlich ist, vergeben. Eine weitere Norm, die u. a. genormte Codierungen für Gebietsuntereinheiten aller Länder der Welt enthalten wird, ist im Entstehen. Ein weiterer Themenkomplex, der mit der Normung von LändeTzeichen in direktem Zusammenhang steht, ist die Festlegung von Währungszeichen (DIN EN 24217 „Codes für Währungen und Zahlungsmittel"; ISO 4217 „Codes for the representation of currencies and funds"). Die Ergänzung der bereits vorliegenden Sprachenzeichen in den Normen DIN 2335 und ISO 639, die einen Zweibuchstabencode für die Amts- und Verkehrssprachen festlegen, durch einen Dreibuchstabencode für die Codierung zahlreicher weiterer Sprachen, in denen Dokumente verfaßt sind, ist ebenfalls ein umfangreiches Vorhaben. Für die Identifizierung und Verwaltung von Dokumenten sind die auf internationaler Ebene entwickelten Nummerungssysteme aus Gründen der Maschinenlesbarkeit von entscheidender Bedeutung. Dies sind z. B. ISBN für Bücher und andere monographische Veröffentlichungen, ISSN für fortlaufende Sammelwerke, ISRC für Ton- und Videoaufnahmen ein-

910

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

schließlich Copyright, ISMN für Musikalien, d. h. für Musikdrucke, und ISRN für Forschungsberichte. Diese Nummerungssysteme sind in länderübergreifender Zusammenarbeit im Rahmen der ISO unter Mitwirkung deutscher Experten entstanden, zuerst als ISO-Normen veröffentlicht und dann als DIN- oder DIN-ISO-Normen herausgegeben worden. Ein Codierungssystem, mit dem schnell, eindeutig und maschinell jede Ausgabe eines Buches ermittelt werden kann, ist die ISBN (Internationale Standardbuchnummer), die u. a. für die Geschäftsabwicklung im Buchhandel eingesetzt wird. Für die Einführung und Anwendung dieser internationalen Standardnummern sind Internationale Agenturen (Registration Authorities) eingerichtet worden. Die Einführung eines Nummerungssystems erfordert ein hohes Maß an Koordination, dazu gehört u. a. die Verwaltung und Betreuung des Gesamtsystems, der Anwender sowie der nationalen und regionalen Agenturen.

F 8.7.2

Struktniierung elektronischer Dokumente

Die allgemeine formale Auszeichnungssprache SGML (ISO 8879 übernommen als DIN EN 28879) bietet den Rahmen, für einzelne Anwendungsfälle Dokumenttypdefinitionen zu erarbeiten. Diese Dokumenttypdefinitionen bieten vielfältige Möglichkeiten, eine durchgängige Informationsverarbeitung vom Autor über Verlage und Bibliotheken oder Datenbanken bis hin zum Nutzer zu organisieren. Die Dokumentbearbeitung, Dokumentverteilung und die anschließende Informationsnutzung können so erheblich vereinfacht werden. Die grundlegende Internationale Norm ISO 8879 über SGML wurde bereits 1986 veröffentlicht. Schon früh wurde erkannt, daß SGML die Grundlage für weitere Festlegungen zum Dokumentenaustausch bietet. So legte die Association of American Publishers (AAP) 1987 eine Dokumenttypdefinition für Buchmanuskripte und Zeitschriftenartikel vor, die später auch im internationalen Rahmen weiterentwikkelt und schließlich Ende 1994 als ISO 12083 veröffentlicht wurde. Die Verarbeitung von Dokumenten mit SGML-Struktur bereitete lange Zeit mit gängigen Computerausstattungen Schwierigkeiten, die jedoch nunmehr im Zuge ständig wachsender Verarbeitungs- und Speicherkapazitäten als überwunden gelten können. Neben den Verlagen entwickelten auch die Normenanwender der deutschen Industrie in Zusammenarbeit mit dem DIN eine Dokumenttypdefinition für Normen als spezifische SGML-Anwendung. DIN-Normen werden heute in der Regel mit Hilfe von Text- und Satzsystemen erstellt, aber bislang nur in Papierform publiziert. Ein elektronischer Datenaustausch schied wegen der mangelhaften Kompatibilität der verwendeten Systeme bisher aus. Insbesondere steht den Käufern der Normen zur Bearbeitung und Weiterverwendung nur die Papierform zur Verfügung. Die Normenanwender müssen die in den Normen enthaltenen Informationen dann in manueller Form weiterverarbeiten. Für größere Unternehmen bedeutet das einen hohen personellen Aufwand, da z. B. häufig eigene Werknormen auf der Grundlage von DIN-Normen erstellt werden.

F 8.7 Schwerpunktthemen

911

Die Problematik wird verschärft durch den Umfang der zu pflegenden Normensammlungen, ihre Aktualisierung in kurzen Abständen sowie die Notwendigkeit, einen problemlosen Zugriff möglichst am Arbeitsplatz für eine große Zahl von Entwicklungsingenieuren zu ermöglichen. Ein weiterer zu bedenkender Aspekt ist die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der Produktionsbetriebe. Dadurch wird es in immer größerem Umfang erforderlich, daß die aus DIN-Normen abgeleiteten Werknormen großer Firmen auch der Zulieferindustrie rasch, vollständig und aktuell zur Verfügung gestellt werden. Die Entwicklung einer Dokumenttypdefinition erwies sich hier jedoch aufgrund der Vielfalt der in Normen enthaltenen Daten (z. B. Formeln, Tabellen und Graphiken) und der internationalen Verflechtung der Normungsorganisationen als besonders langwierig. Die Entwicklungen wurden prozeßbegleitend durch die Veröffentlichung von DIN-Vornormen (Reihe DIN V 33900) sowie von DIN- und ISO-Fachberichten (DIN-Fachbericht 27; ISO/IECTR 9573-11) abgesichert. Einen wesentlichen Anteil an dieser entwicklungsbegleitenden Normung hat ein Arbeitsausschuß des NABD. Am Ende dieser Entwicklung steht nun das zweijährige Pilotprojekt zur SGML-Einführung im DIN, das die Umsetzung der Entwicklungsergebnisse in die Praxis zum Ziel hat. Auch im Bereich der computergestützten Terminologiearbeit werden die Möglichkeiten von SGML zur Strukturierung und Weiterverarbeitung von Datenbeständen genutzt. Unter Federführung des NAT und mit starker internationaler Beteiligung wird im ISO/TC 37/SC 3 an einem SGML-Austauschformat für terminologische Datenbestände gearbeitet. Als erstes Ergebnis liegt der internationale Norm-Entwurf ISO/DIS 12200 vor.

F 8.7.3

OSI-Anwendungen im Bibliothekswesen und in der Fachinfonnation

Neue Möglichkeiten bei der Datenfernübertragung, der weitgehende Einsatz von Online-Systemen und die rasch fortschreitende Vernetzung von Rechnern und Systemen bedingten die Einführung neuer genormter Protokolle, die auch für die Bibliotheken von entscheidender Bedeutung sind. In der Welt der Informationstechnik ist das grundlegende Referenz-Modell „OSI" („Open Systems Interconnection") gut eingeführt (ISO 7498 Teil 1 : 1984). Innerhalb des Bibliotheksbereichs wurde der Bedarf nach Normen für die Übermittlung und den Austausch bibliographischer Daten und Dokumente deutlich, die die allgemeinen OSI-Protokolle für die speziellen Systeme, Abfragetechniken und Informationselemente im Bibliothekswesen konkretisieren. Für die Bereiche - Search and Retrieve (SR; Such- und Nachweisfunktion) - Interlibrary Loan (ILL; elektronischer bibliothekarischer Leihverkehr) - Document Delivery Service (Volltextlieferung) wurden und werden Protokolle und Dienste international auf der Basis dieses Referenzmodells erarbeitet. In diesen Normen über OSI-Anwendungen in Bibliotheken sind offene Schnittstellen definiert, über welche bibliographische Datenbanken mit-

912

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

einander kommunizieren und im Dialog Daten auch von einem weiter entfernten System direkt in das andere übergeben werden können. Neue Vorhaben zu diesen Themen, die anwendungsorientierte Regelungen enthalten, sind in der Entwicklung.

F 8.7.4

Datenelemente

Die inhaltliche und formale Erschließung von Dokumenten erfolgt im Bibliotheksund Dokumentationswesen nach unterschiedlichen Regelwerken, die nach den Bedürfnissen der jeweiligen Bibliothek oder Dokumentationsstelle gestaltet sind. Als Grundlage für die formale Erschließung haben sich die „Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK)" des Deutschen Bibliotheksinstituts und DIN 1505 durchgesetzt. Die formale und inhaltliche Erschließung erfolgt grundsätzlich durch die Zuordnung von Informationen über das Dokument zu den durch das Regelwerk vorgegebenen Kategorien. Die Regelwerke können auch die Verwendung von bestimmten Codes für einzelne Kategorien vorschreiben. Der nunmehr fast ausschließliche Einsatz von Datenbanken als Speicher- und Organisationsmedium für Erschließungsdaten und der damit mögliche Austausch, z. B. im Rahmen von OSI-Anwendungen (siehe Abschnitt F 8.7.3), haben die Notwendigkeit zur Vereinheitlichung und Präzisierung der verwendeten Regelwerke deutlich werden lassen. Für Datenbanken hat sich hier die Benennung Datenkategorie oder auch Datenelement als Bezugsgröße durchgesetzt. Mitte bis Ende der 80er Jahre wurden die Normen der Reihe DIN 31631 veröffentlicht, die einen Kategorienkatalog für Dokumente festlegen. Dieser Kategorienkatalog enthält alle für die formale und inhaltliche Erschließung gebräuchlichen Datenelemente und ermöglicht dem Anwender, eine Auswahl zu treffen, die seinen Bedürfnissen gerecht wird. Im Zusammenhang mit der internationalen Normung von OSI-Anwendungen im Bibliothekswesen wurden auch im ISO/TC 46 einige Kategorienkataloge für spezielle Bibliotheksanwendungen wie z. B. den Fernleihverkehr und die Erwerbung erarbeitet (Normen der Reihe ISO 8459). Die Verbreitung des elektronischen Datenaustausches in nahezu allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung hat auch in anderen Anwendungsbereichen zur Entwicklung von Kategorienkatalogen geführt, die häufig jedoch nicht nur zur Erschließung, sondern auch zur Strukturierung von Dokumenten eingesetzt werden. Eine besondere Bedeutung kommt hier den EDIFACT-Normen zu, die den elektronischen Datenaustausch für Verwaltung, Industrie und Handel regeln. Auch im Rahmen der terminologischen Grundlagen-Normung im ISO/TC 37 wird an einem Kategorienkatalog für Terminologiedatensammlungen gearbeitet, der als Entwurf ISO/DIS 12620 vorliegt. Um der immer stärkeren Vernetzung der einzelnen Anwendungsgebiete durch den weltweiten elektronischen Datenverkehr gerecht zu werden, wurde von den internationalen Normungsorganisationen die Initiative zur Koordination der verschiedenen Datenelementsammlungen ergriffen. An den laufenden Verhandlungen sind auch Vertreter von ISO/TC 46 beteiligt. Die Vertreter des Bibliotheks- und Dokumentationswesens haben hier insbesondere

F 8.7 Schwerpunktthemen

913

die Aufgabe, die elektronischen Schnittstellen zu folgenden Bereichen mitzugestalten: - Handelsdatenaustausch mit dem Buchhandel bei der Erwerbung - Einbindung elektronischer Verlagsdaten in bibliographische Nachweissysteme. Die Probleme bei der Koordination und Harmonisierung der Datenkategorien in den verschiedenen Anwendungsbereichen sind häufig begrifflicher Natur, da die Grundlage für jede Datenkategorie eine exakte Verständigung über ihren Inhalt und ihre Abgrenzung zu anderen Datenkategorien voraussetzt. Kategorienkataloge basieren also auf exakt definierten Begriffen und ihrer Zusammenfassung zu Begriffssystemen. Dadurch ist wiederum die terminologische Grundsatznormung gefordert, die den Fachleuten hier die geeigneten Werkzeuge zur Verfügung stellt.

F 8.7.5

Physische Erhaltung von Dokumenten

Innerhalb des Informationskreislaufs gewinnt neben Gestaltungsregeln für die Präsentation von Information und Verfahren für ihre Übermittlung und das Retrieval zunehmend eine dritte Komponente an Bedeutung: die Eigenschaft der Datenträger, auf ihnen gespeicherte Informationen über lange Zeiträume haltbar zu machen, und somit den Fortbestand der Informationen, unterstützt durch sachgerechte Lagerung, zu sichern. Fragen der Alterungsbeständigkeit und der physischen Aufbewahrung von Datenträgern werden national wie international in den entsprechenden Gremien behandelt, dazu gehören: - Anforderungen an die Aufbewahrung und Voraussetzungen für die Alterungsbeständigkeit von Papier für Dokumente, d. h. für Bücher, Akten, Schriftstücke und sonstige Unterlagen, und für dauerhafte Dokumente - Langzeitsicherung von Aufzeichnungen in maschinenlesbarer Form, von Datenträgern wie CD-ROM, Magnetbändern, Musikkassetten und Mikroformen ebenso wie von Schreib-, Druck- und Kopiermaterialien - Anforderungen an die Lagerung von Dokumenten - Empfehlungen für Buchbindematerialien und -methoden und für Bedmckfähigkeit von Bibliotheksmaterialien.

F 8.7.6

Statistik und Leistungsmessung

Als Grundlage zur Qualitätssicherung, vor allem im Bereich der direkten Dienstleistung für Nutzergruppen, wird eine internationale Norm über Indikatoren zur Effektivitäts- und Leistungsmessung in Bibliotheken erarbeitet (ISO 11620). Die internationale Norm über Bibliotheksstatistik (ISO 2789) stellt eine Grundlage f ü r einen einheitlichen Nachweis von Leistungen und Leistungsmöglichkeiten dar. ISO 9230 über Preisindizes für Bücher und Zeitschriften sowie ISO 9707 zur Herstellungsstatistik für Bücher und andere Veröffentlichungen bieten eine weitere Grundlage f ü r international vergleichbare Analyseinstrumente. Somit stellen diese

914

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

Normen auch eine Entscheidungsgrundlage für den Auf- und Ausbau von Bibliotheken und ihre Zusammenarbeit untereinander dar.

Literatur 01. DIN-Normenheft 10, Grundlagen der Normungsarbeit, 6. geänd. Auflage, Beuth Verlag GmbH, Berlin. Wien. Zürich, Hrsg.: DIN 02. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Satzung in: DIN Normenheft 10 03. DIN 820 in: DIN-Normenheft 10 ebenda

Anhang A1 DIN DIN DIN DIN DIN DIN

Verzeichnis zitierter Nonnen 820-1 1430 1505 2335 16554-1 16554-2

DIN 31621 DIN 31631 V DIN 33900-1

V DIN 33900-2

V DIN 33900-3

V DIN 33900 Bbl 1

DIN EN 23166 DIN EN 24217 DIN EN 28879

DIN ISO 2108 DIN ISO 10957

Nonnungsarbeit - Grundsätze Internationale Standardnummer für fortlaufende Sammelwerke (ISSN) Titelangaben von Dokumenten Sprachenzeichen Kugelschreiber-Minen - Minen, Maße Kugelschreiber-Minen - Schriftgutqualität - Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung Internationaler Standard Ton- und Bildtonaufnahmeschlüssel (ISRC) Kategorienkatalog für Dokumente Elektronisches Publizieren in der Fachinformation - Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Normen - Teil 1: SGML-Syntax und gemeinsamer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für Normen Elektronisches Publizieren in der Fachinformation - Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Normen - Teil 2: Spezifischer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für DIN-Normen (einschließlich DIN-VDENormen) Elektronisches Publizieren in der Fachinformation - Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Nonnen - Teil 3: Spezifischer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für Werknormen Elektronisches Publizieren in der Fachinformation - Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Nonnen - Beiblatt 1: Erläuterung der Elementnamen und typographische Empfehlungen Codes für Ländernamen (ISO 3166 :1993); Deutsche Fassung EN 23166 : 1993 Codes für Währungen und Zahlungsmittel (ISO 4217 : 1990); Deutsche Fassung EN 24217 : 1993 Informationsverarbeitung -Textverarbeitung und -kommunikation - Genormte Verallgemeinerte Auszeichnungssprache (SGML) (ISO 8879 : 1986 + A l : 1988) - EN 28 879 : 1990 Information und Dokumentation - Internationale Standard-Buchnummer (ISBN); Identisch mit ISO 2108 : 1992 Information und Dokumentation - Internationale Standardnummer für Musikalien (ISMN); Identisch mit ISO 10957 : 1993

F 8 Anhang

915

DIN ISO 10444

Information und Dokumentation - Internationale Standardnummer für Forschungsberichte (ISRN) (ISO 10444 : 1994) DIN-Fachbericht 27 Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Nonnen - Austausch- und Bearbeitungsformat in SGML ISO 639 Codes for the representation of names of languages ISO 2789 Information and documentation - International library statistics 2nd ed. ISO 3166 Codes for the representation of names of countries 4th ed. ISO 4217 Codes for the representation of currencies and funds ISO 7498-1 Information technology - Open System Interconnection - Basic reference model - Part 1: The Basic Model ISO 8459-1 Documentation - Bibliographic data element directory - Part 1: Interloan applications ISO 8459-2 Information and documentation - Bibliographic data element directory Part 2: Acquisitions applications ISO 8459-3 Information and documentation - Bibliographic data element directory Part 3: Information retrieval applications Information processing - Text and office systems - Standard Generalized ISO 8879 Markup Language (SGML) Quality management and quality assurance standards ISO 9000 Information and documentation - Determination of price indexes for ISO 9230 books and serials purchased by libraries ISO 9707 Information and documentation - Statistics on the production and distribution of books, newspapers, periodicals and electronic publications ISO 12083 Information and documentation - Electronic manuscript preparation and markup ISO/DIS 12200 Terminology - Computer applications - Machine-readable terminology interchange format (MARTTF) ISO/DIS 12620 Terminology - Computer applications - Data categories ISO/CD 11620 Information and documentation - Library performance indicators ISO/IECTR 9573-11 Information processing - SGML support facilities - Techniques for using SGML - Part 11: Application at ISO Central Secretariat for International Standards and Technical reports

A2

Verzeichnis der zitierten ISO-Komitees

ISO/1EC JTC 1 ISO/TC 6 ISO/TC10 ISO/TC 12 ISO/TC 36 ISO/TC 37 ISO/TC 42 ISO/TC 46 ISO/TC 68 ISO/TC 130 ISO/TC 145 SO/TC154 ISO/TC 171

Information technology Paper, board and pulps Technical drawings, product definition and related documentation Quantities, units, symbols, conversion factors Cinematography Terminology (principles and coordination) Photography Information and documentation Banking and related financial services Graphic technology Graphical symbols Documents and data elements in administration, commerce and industry Document imaging applications

916

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

A3

Verzeichnis von Normen und Norm-Entwürfen des Bereichs Information und Dokumentation sowie angrenzender Gebiete (Stand April 1996)

Dok.

Ausg.

Titel

Gestaltung von Veröffentlichungen DIN 1421

01.83

DIN 1422-1

02.83

DIN 1422-2

04.84

DIN 1422-3

04.84

DIN 1422-4

08.86

DIN 1429 Ε DIN 1429 DIN 1464

08.75 03.96 12.76

DIN 2336

03.79

DIN 5007 DIN 5007-2

04.91 05.96

DIN 6789-1

09.90

DIN 6789-2

09.90

DIN 6789-3

09.90

DIN 6789-4

10.95

DIN 6789-5

10.95

Ε DIN 16507-2

05.84

DIN 16511 DIN 31630-1

01.66 06.88

DIN 31643

10.92

Gliederung und Benummerung in Texten; Abschnitte, Absätze, Aufzählungen Veröffentlichungen aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung; Gestaltung von Manuskripten und Typoskripten Veröffentlichungen aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung; Gestaltung von Reinschriften für reprographische Verfahren Veröffentlichungen aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung; Typographische Gestaltung Veröffentlichungen aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung; Gestaltung von Forschungsberichten Titelblätter und Einbandbeschriftung von Büchern Titelblätter und Einbandbeschriftung von Büchern Loseblattausgaben (-werke); Ergänzungslieferungen, Form und Einordnung Lexikographische Zeichen für manuell erstellte Fachwörterbücher Ordnen von Schriftzeichenfolgen (ABC-Regeln) Ordnen von Schriftzeichenfolgen - Teil 2: Ansetzungsregeln für die alphabetische Ordnung von Namen Dokumentationssystematik; Aufbau Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik; Dokumentensätze Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik; Änderung von Dokumenten und Gegenständen; Allgemeine Anforderungen Dokumentationssystematik - Teil 4: Inhaltliche Gliederung Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik - Teil 5: Freigabe in der Technischen Produktdokumentation Drucktechnik; Typographische Maße und Begriffe; Fotosatz und verwandte Techniken Korrekturzeichen Registererstellung; Begriffe, Formale Gestaltung von gedruckten Registern Bibliographische Identifikation (Biblid) von Beiträgen in fortlaufenden Sammelwerken und Büchern

Schriften, Schreibweisen, Bilder, Grundbegriffe DIN 15-1 DIN 15-2 DIN 461

06.84 06.84 03.73

Technische Zeichnungen; Linien; Grundlagen Technische Zeichnungen; Linien; Allgemeine Anwendung Graphische Darstellung in Koordinatensystemen

F 8 Anhang DIN DIN DIN DIN DIN DIN

1301-1 1301-1 Bbl 1 1301-2 1302 1304-1 1313

917 12.93 04.82 02.78 04.94 03.94 04.78

DIN 1338 Ε DIN 1338 DIN 1338 Bbl 1 DIN 1338 Bbl 2 DIN 1450 DIN 1451-1 DIN 1451-2 DIN 1451-3

07.77 11.94 04.96 04.96 07.93 05.81 02.86 12.87

DIN 1451-3 Bbl 1

12.87

DIN 1451-3 Bbl 2

12.87

DIN 1451-3 Bbl 3

12.87

DIN 1451-3 Bbl 4

05.83

DIN 5008 DIN 5008 DIN 5478 DIN 6774-1

11.86 05.96 10.73 12.86

DIN 674-3

06.82

DIN 6774-4

04.82

DIN 6774-5

05.85

DIN 6774-10

12.84

DIN 6776-1 DIN 6789-1

04.76 09.90

DIN 6789-2

09.90

DIN 6789-3

09.90

DIN 6789-4

10.95

DIN 6789-5

10.95

DIN 16518 DIN 30640

08.64 04.91

Einheiten; Einheitennamen, Einheitenzeichen Einheiten; Einheitenähnliche Namen und Zeichen Einheiten; Allgemein angewendete Teile und Vielfache Allgemeine mathematische Zeichen und Begriffe Formelzeichen; Allgemeine Formelzeichen Physikalische Größen und Gleichungen; Begriffe, Schreibweisen Formelschreibweise und Formelsatz Formelschreibweise und Formelsatz Formelschreibweise und Formelsatz - Form der Schriftzeichen Formelschreibweise und Formelsatz - Ausschluß in Formeln Schriften; Leserlichkeit Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Allgemeines Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Verkehrsschrift Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften für Beschriftungen Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften; Akzidenz-Grotesk Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften; Akzidenz-Grotesk-Buch Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften; Helvetica Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften, EdelGrotesk Regeln für Maschinenschreiben Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung Maßstäbe in graphischen Darstellungen Technische Zeichnungen; Ausführungsregeln; Vervielfältigungsgerechte Ausführung Technische Zeichnungen; Ausführungsregeln; Gezeichnete Vorlagen für Dias Technische Zeichnungen; Ausführungsregeln; Gezeichnete Vorlagen für Druckzwecke Technische Zeichnungen; Ausführungsregeln; Arbeitstransparente und Vorlagen für Arbeitstransparente Technische Zeichnungen; Ausführungsregeln, rechnerunterstützt erstellte Zeichnung Technische Zeichnungen; Beschriftung, Schriftzeichen Dokumentationssystematik; Aufbau Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik; Dokumentensätze Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik; Änderung von Dokumenten und Gegenständen; Allgemeine Anforderungen Dokumentationssystematik - Teil 4: Inhaltliche Gliederung Technischer Produktdokumentationen Dokumentationssystematik - Teil 5: Freigabe in der Technischen Produktdokumentation Klassifikation der Schriften Schriften; Serifenlose Linear-Antiqua; Druckschriften für Beschriftungen in Schriftart Neuzeit-Grotesk

918

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

DIN 66002

06.75

DIN EN 28601

02.93

Ε DIN ISO 3098-0

12.94

Ε DIN ISO 3098-3

08.85

DIN ISO 5455

12.79

Informationsverarbeitung; Handschriftliche Darstellung der Ziffer 0 und des Großbuchstaben Ο Datenelemente und Austauschformate; Informationsaustausch; Darstellung von Datum und Uhrzeit (ISO 8601:1988 und Technical Corrigendum 1 : 1991); Deutsche Fassung EN 28601:1992 Technische Produktdokumentation - Schriften - Teil 0: Grundregeln; Identisch mit ISO/DIS 3098-0 Technische Zeichnungen; Beschriftung; Diakritische und besondere Zeichen in Latein-Alphabeten Technische Zeichnungen; Maßstäbe

Terminologische Grundsätze DIN 1502

01.84

DIN 2330 DIN 2331 DIN 2332 DIN 2333 DIN 2335 DIN 2339-1

12.93 04.80 02.88 12.87 10.86 05.87

Ε DIN 2339-2

08.86

DIN 2340

12.87

DIN 2342-1 Ε DIN 31639-2

10.92 06.89

Regeln für das Kürzen von Wörtern in Titeln und für das Kürzen der Titel von Veröffentlichungen Begriffe und Benennungen; Allgemeine Grundsätze Begriffssysteme und ihre Darstellung Benennen international übereinstimmender Begriffe Fachwörterbücher; Stufen der Ausarbeitung Sprachenzeichen Ausarbeitung und Gestaltung von Veröffentlichungen mit terminologischen Festlegungen; Stufen der Terminologiearbeit Ausarbeitung und Gestaltung von Veröffentlichungen mit terminologischen Festlegungen; Normen Kurzformen für Benennungen und Namen; Bilden von Abkürzungen und Ersatzkürzungen; Begriffe und Regeln Begriffe der Terminologielehre; Grundbegriffe Fachwörterbuch der Information und Dokumentation; Dokumente; Teil 2: Traditionelle Dokumente

Drucktechnik DIN 198

12.76

DIN 476-1

02.91

DIN 476-2 DIN 6730 DIN 16500 DIN 16500-2 DIN 16500-11 DIN 16507 Ε DIN 16507-2

02.91 05.96 02.79 01.87 09.94 12.64 05.84

DIN 16511 DIN 16514 DIN 16515-1 DIN 16515-2 DIN 16518

01.66 11.82 10.63 12.63 08.64

Papier-Endformate nach DIN 476; Beispiele für die Anwendung der A-Reihe Schreibpapier und bestimmte Gruppen von Drucksachen; Endformate Α und B-Reihen (ISO 216:1975); Deutsche Fassung EN 20216:1990 Papier-Endformate; C-Reihe Papier und Pappe; Begriffe Drucktechnik (Technik des Druckens); Grundbegriffe Drucktechnik; Verfahrensübergreifende Begriffe Drucktechnik - Teil 11: Druckweiterverarbeitung; Begriffe Typographische Maße Drucktechnik; Typographische Maße und Begriffe; Fotosatz und verwandte Techniken Korrekturzeichen Drucktechnik; Begriffe für den Hochdruck Farbbegriffe im graphischen Gewerbe; Drucktechnik Farbbegriffe im graphischen Gewerbe; Photographie Klassifikation der Schriften

F 8 Anhang

919

DIN 16521 DIN 16528 DIN 16529 DIN 16543 DIN 16544 DIN 16545 DIN 16549-1 Ε DIN 16549-1

09.59 03.88 11.82 09.63 04.88 09.60 05.77 02.95

DIN 16604

03.73

Ε DIN 16604 DIN 16609 DIN 16610 DIN 19306

09.91 05.81 12.84 09.77

DIN 19307

08.95

DIN 53124

11.88

DIN 54357 DIN EN ISO 186

08.78 02.96

DIN ISO 536

02.85

Linien im graphischen Gewerbe; Arten und Dicken Drucktechnik; Begriffe für den Tiefdruck Drucktechnik; Begriffe für den Flachdruck Aufsichts-Grauskala für die Reproduktionstechnik, 14stufig Drucktechnik; Begriffe der Reproduktionstechnik Durchsichts-Grauskala für die Reproduktionstechnik, 20stufig Sinnbilder für Reproduktionstechnik; Korrekturzeichen Drucktechnik - Vorstufe - Korrekturzeichen für Bild und ergänzende Angaben Zeitungen; Papierformate, Anzeigen-Satzspiegel, AnzeigenSpaltenbreite, Anzeigenspalten-Zwischenschlag Zeitungen; Papierformate und Anzeigen-Satzmaße Drucktechnik; Durchdruck; Begriffe Drucktechnik; Durchdruck; Begriffe für den Siebdruck Ungestrichene Druckpapiere; Hochdruckpapier, Flachdruckpapier, Tiefdruckpapier, Technische Lieferbedingungen Büropapiere - Ungestrichen, unbeschichtet - Anforderungen, Prüfung Papier, Pappe und Zellstoff; Bestimmung des pH-Wertes in wäßrigen Extrakten; ISO 6588:1981 modifiziert Prüfung von Zellstoff; Bestimmung der Kappa-Zahl Papier und Pappe - Probenahme zur Bestimmung der Durchschnittsqualität (ISO 186:1994); Deutsche Fassung EN ISO 186:1995 Papier und Pappe; Bestimmung der flächenbezogenen Masse

Alternngsbeständigkeit von Datenträgern, Lagerungsbedingungen DIN 6738 DIN 19070-1

04.92 09.85

DIN 19070-3

03.90

DIN 19070-5

05.81

DIN 53126 DIN ISO 5630-1

05.90 08.93

DIN ISO 5630-3

08.93

DIN ISO 9706

10.95

DIN ISO 10214

11.94

Papier und Karton; Lebensdauer-Klassen Haltbarkeit verarbeiteter strahlungsempfindlicher Materialien; Filme vom Silber-Gelatine-Typ auf Celluloseester-Unterlage und auf Polyethylenterephthalat-Unterlage; Eigenschaften und Prüfung Haltbarkeit verarbeiteter strahlungsempfindlicher Materialien; Aufbewahrung verarbeiteter Sicherheitsfilme Haltbarkeit verarbeiteter strahlungsempfindlicher Materialien; Aufbewahrung und Lagerung von verarbeiteten photographischen SchwarzweiB-Papierbildern Prüfung von Papier; Bestimmung der Beschieibbarkeit mit Tinte Papier und Pappe; Beschleunigte Alterung; Teil 1: "Itockenwärmebehandlung bei 105 Grad C; Identisch mit ISO 5630-1:1991 Papier und Pappe; Beschleunigte Alterung; Teil 3: Feuchtwärmebehandlung bei 80 Grad C und 65% relativer Luftfeuchte; Identisch mit ISO 5630-3:1986 Information und Dokumentation - Papier für Schriftgut und Druckerzeugnisse - Voraussetzungen für die Alterungsbeständigkeit (ISO 9706:1994) Photographie - Verarbeitete photographische Materialien - Aufbewahrungsmittel für die Lagerung; Identisch mit ISO 10214:1991

Β axmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

920

Bibliographie (FonnalerschlieBung) DIN 1460 DIN 1461 Ε DIN 1505 B b l l V D I N 1505-1 DIN 1505-2 DIN 1505-3

04.82 09.69 03.78 05.84 01.84 12.95

Ε DIN 1505-4

02.95

DIN 31631-1 DIN 31631-2 DIN 31631-2 B b l l

01.84 05.85 05.85

DIN 31631-3

02.90

DIN 31631-4

05.87

DIN 31631-5

09.88

DIN 31631-6

09.88

DIN 31631-7

10.89

DIN DIN DIN DIN DIN

04.82 04.82 04.82 08.94 01.87

31634 31635 31636 31638 32705

Umschrift kyrillischer Alphabete slawischer Sprachen Lochung in Katalogkarten und zugehörige Schließstangen Titelangaben von Schrifttum; Abkürzungen Titelangaben von Dokumenten; Titelaufnahme von Schrifttum Titelangaben von Dokumenten; Zitierregeln Titelangaben von Dokumenten - Teil 3: Verzeichnisse zitierter Dokumente (Literaturverzeichnisse) Titelangaben von Dokumenten - Teil 4: Titelaufnahmen von audio-visuellen Materialien Kategorienkatalog für Dokumente; Begriffe und Gestaltung Kategorienkatalog für Dokumente; Systematischer Teil Kategorienkatalog für Dokumente; Alphabetisches Register zum systematischen Teil Kategorienkatalog für Dokumente; Indikator zur Verarbeitungssteuerung von Kategorien Kategorienkatalog für Dokumente; Codes für Einträge zu Datenkategorien Kategorienkatalog für Dokumente; Behandlung von Datenkategorien mit einem Eintrag oder mehreren Einträgen in Datenformaten Kategorienkatalog für Dokumente; Kategorienkatalog für die Beschreibung von Institutionen Kategorienkatalog für Dokumente; Kategorienkatalog für die Beschreibung von Projekten Umschrift des griechischen Alphabets Umschrift des arabischen Alphabets Umschrift des hebräischen Alphabets Bibliographische Ordnungsregeln Klassifikationssysteme; Erstellung und Weiterentwicklung von Klassifikationssystemen

Dokumentation (IntaaltseischlieBung) DIN 1426

10.88

DIN 1463-1

11.87

DIN 1463-2

10.93

DIN 31623-1

09.88

DIN 31623-2

09.88

DIN 31623-3

09.88

DIN 32705

01.87

Inhaltsangaben von Dokumenten; Kurzreferate, Literaturberichte Erstellung und Weiterentwicklung von Thesauri; Einsprachige Thesauri Erstellung und Weiterentwicklung von Thesauri; Mehrsprachige Thesauri Indexierung zur inhaltlichen Erschließung von Dokumenten; Begriffe, Grundlagen Indexierung zur inhaltlichen Erschließung von Dokumenten; Gleichordnende Indexierung mit Deskriptoren Indexierung zur inhaltlichen Erschließung von Dokumenten; Syntaktische Indexierung mit Deskriptoren Klassifikationssysteme; Erstellung und Weiterentwicklung von Klassifikationssystemen

921

F 8 Anhang

DV-Anwendungen in Information und Dokumentation DIN 1430

08.92

DIN 1506 Ε DIN 2341-1

03.78 10.86

DIN 31621

05.84

DIN 31621 Bbl 1

05.84

DIN 31624

05.78

DIN 31625 DIN 31628

12.78 10.83

DIN 31629 DIN 31631-1 DIN 31631-2 DIN 31631-2 Bbl 1

09.82 01.84 05.85 05.85

DIN 31631-3

02.90

DIN 31631-4

05.87

DIN 31631-5

09.88

DIN 31631-6

09.88

DIN 31631-7

10.89

DIN 31632 DIN 32742-1

12.87 07.95

DIN 32742-2

07.95

DIN 32742-3 DIN 32742-5

08.95 05.92

DIN 32742-6

03.94

DIN 32742-7 DIN 32757-1

05.84 01.95

DIN V 33900 Bbl 1

10.92

DINV33900-1

10.92

Internationale Standardnummer für fortlaufende Sammelwerke (ISSN) Format für den Austausch von bibliographischen Daten Format für den maschinellen Austausch terminologischer/lexikographischer Daten - MATER; Kategorienkatalog Internationaler Standard Ton- und Bildtonaufnahmeschlüssel (ISRC) Internationaler Standard Ton- und Bildtonaufnahmeschlüssel (ISRC); Benutzerhinweise Erweiterter Zeichenvorrat für bibliographische Daten bei Verwendung lateinischer Schriftzeichen Erweiterter Zeichenvorrat für afrikanische Sprachen Bibliographische Zeichenvorräte; Zeichenvorratsstufen für die Dateneingabe Bibliographische Zeichenvorräte; Griechischer Zeichenvorrat Kategorienkatalog für Dokumente; Begriffe und Gestaltung Kategorienkatalog für Dokumente; Systematischer Teil Kategorienkatalog für Dokumente; Alphabetisches Register zum systematischen Teil Kategorienkatalog für Dokumente; Indikator zur Verarbeitungssteuerung von Kategorien Kategorienkatalog für Dokumente; Codes für Einträge zu Datenkategorien Kategorienkatalog für Dokumente; Behandlung von Datenkategorien mit einem Eintrag oder mehreren Einträgen in Datenformaten Kategorienkatalog für Dokumente; Kategorienkatalog für die Beschreibung von Institutionen Kategorienkatalog für Dokumente; Kategorienkatalog für die Beschreibung von Projekten Begleitformular für Magnetbänder zum Datenaustausch Büro- und Datentechnik - Femkopierer - Teil 1: Begriffe und Einteilung Büro- und Datentechnik - Fernkopierer - Teil 2: Grundlegende Anforderungen Büro- und Datentechnik - Fernkopierer - Teil 3: Mindestangaben Büro- und Datentechnik; Fernkopierer; Mindestanforderungen an Übertragungsvorlagen Büro- und Datentechnik; Fernkopierer; Mindestanforderungen an Empfangskopien Büro- und Datentechnik; Fernkopierer; Testvorlage Büro- und Datentechnik - Vernichten von Informationsträgern Teil 1: Anforderungen und Prüfungen an Maschinen und Einrichtungen Elektronisches Publizieren in der Fachinformation; Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Normen; Erläuterung der Elementnamen und typographische Empfehlungen Elektronisches Publizieren in der Fachinformation; Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Nonnen; SGML-Syntax

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

922

DIN V 33900-2

10.92

DIN V 33900-3

10.92

DIN 44300 Bbl 2

11.88

DIN 44300-1 Ε DIN 44300-1

11.88 03.95

DIN DIN DIN DIN

11.88 11.88 11.88 11.88

44300-2 44300-3 44300-4 44300-5

DIN 44300-6 DIN 44300-7 DIN 44300-8 DIN 44300-9 DIN 44301 Ε DIN 44301-16

11.88 11.88 11.88 11.88 11.84 02.95

DIN 44302

02.87

DIN 66001 DIN 66001 Bbl 1

12.83 12.83

DIN 66003 DIN 66004-1

06.74 01.83

DIN 66004-2

09.82

DIN 66004-3

01.83

DIN 66004-4

09.82

DIN 66004-5

08.81

Ε DIN 66004-5/A1

04.88

DIN 66010

09.88

DIN 66029

09.87

DIN 66200

03.92

und gemeinsamer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für Nonnen Elektronisches Publizieren in der Fachinformation; Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Nonnen; Spezifischer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für DIN-Normen (einschließlich DIN-VDE-Normen) Elektronisches Publizieren in der Fachinformation; Rechnergestützte Dokumentbearbeitung von Normen; Spezifischer Teil der Dokumenttypfestlegung (DTD) für Werknormen Informationsverarbeitung; Begriffe; Alphabetisches Gesamtverzeichnis Informationsverarbeitung; Begriffe; Allgemeine Begriffe Informationsverarbeitung - Begriffe - Teil 1: Allgemeine Begriffe Informationsverarbeitung; Begriffe; Informationsdarstellung Informationsverarbeitung; Begriffe; Datenstrukturen Informationsverarbeitung; Begriffe; Programmierung Informationsverarbeitung; Begriffe; Aufbau digitaler Rechensysteme Informationsverarbeitung; Begriffe; Speicherung Informationsverarbeitung; Begriffe; Zeiten Informationsverarbeitung; Begriffe; Verarbeitungsfunktionen Informationsverarbeitung; Begriffe; Verarbeitungsabläufe Informationstheorie; Begriffe Informationstechnik, Begriffe - Teil 16: Informationstheorie (ISO/IEC DIS 2382-16:1993, modifiziert) Informationsverarbeitung; Datenübertragung, Datenübermittlung; Begriffe Informationsverarbeitung; Sinnbilder und ihre Anwendung Informationsverarbeitung; Sinnbilder und ihre Anwendung; Anordnung der Sinnbilder auf einer Zeichenschablone Informationsverarbeitung; 7-Bit-Code Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code auf Lochstreifen 25 Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code und des 8-Bit-Code auf Lochkarten Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code und des 8-Bit-Code auf Magnetband 12 Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code und des 8-Bit-Code auf Magnetbandkassette 3,8 Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code und des 8-Bit-Code auf Diskette Informationsverarbeitung; Codierung auf Datenträgern; Darstellung des 7-Bit-Code und des 8-Bit-Code auf Diskette; Änderung 1 Informationsverarbeitung; Flexible magnetische Datenträger zur Speicherung und zum Austausch digitaler Daten; Begriffe Kennsätze und Dateianordnung auf Magnetbändern für den Datenaustausch Betrieb von Rechensystemen; Begriffe, Auftragsbeziehungen

F 8 Anhang

923

DIN 66201-1 DIN 66203 DIN 66211-1

05.81 12.75 02.88

DIN 66211-2

03.88

DIN 66212

03.88

DIN 66225

01.79

DIN 66226

09.87

DIN 66230 DIN 66230 Bbll

01.81 01.81

DIN 66231 DIN 66232 DIN 66233-1 DIN 66233-2

10.82 08.85 04.83 12.84

DIN 66234-6 DIN 66234-6 Bbl 1 DIN 66234-7

12.84 12.84 12.84

Ε DIN 66234-7/A1

09.85

DIN 66234-8

02.88

DIN 66235

09.80

DIN 66239

07.89

DIN 66245

10.80

DIN 66250

05.87

DIN 66269

04.88

DIN 66303 Ε DIN EN 1922

11.86 08.95

Ε DIN EN 1923

08.95

DIN EN 23166

04.95

DIN EN 28879

03.91

Prozeßrechensysteme; Begriffe Informationsverarbeitung; 7-Bit-Code, Regeln zur Erweiterung Magnetbandkassette 3,8 für Informationsverarbeitung; Mechanische Eigenschaften Magnetbandkassette 3,8 für Informationsverarbeitung; elektromagnetische Eigenschaften des Magnetbandes Magnetbandkassette 3,8 für Informationsverarbeitung; Beschriebenes Magnetband Schrift Η für die maschinelle optische Zeichenerkennung; Zeichen, Schreibregeln und Maße Informationsverarbeitung; Codierung maschinell lesbarer Zeichen, MICR und OCR Informationsverarbeitung; Programmdokumentation Informationsverarbeitung; Programmdokumentation mit fester Gliederung Informationsverarbeitung; Programmentwicklungsdokumentation Informationsverarbeitung; Datendokumentation Bildschirmarbeitsplätze; Begriffe Bildschirmarbeitsplätze; Übersicht von Begriffen aus anderen Normen Bildschirmarbeitsplätze; Gestaltung des Arbeitsplatzes Bildschirmarbeitsplätze; Gestaltung des Arbeitsplatzes; Beispiele Bildschirmarbeitsplätze; Ergonomische Gestaltung des Arbeitsraumes; Beleuchtung und Anordnung Bildschirmarbeitsplätze; Ergonomische Gestaltung des Arbeitsraumes; Beleuchtung und Anordnung; Änderung 1 Bildschirmarbeitsplätze; Grundsätze ergonomischer Dialoggestaltung Magnetbandkassette mit Magnetband 4 zur Meßwertspeicherung; Maße, mechanische Eigenschaften Kennsätze und Dateianordnung auf Disketten 200 für den Datenaustausch Beschriebene Magnetbandkassette zur Meßwertspeicherung; Geometrische Verhältnisse auf dem Magnetband und Aufzeichnungsverfahren Informationsverarbeitung; Zahlendarstellung für den Datenaustausch Austausch von Texten auf Disketten; Dateiorganisation und Zeichenvorrat Informationsverarbeitung; 8-Bit-Code Informationstechnik - Zeichenvorrat und Codierung für die Zusammenarbeit mit Telex-Diensten; Deutsche Fassung prEN 1922:1995 Informationstechnik - Europäische Zeichenvorräte und ihre Codierung - 8-Bit-Einzelbyte-Codiening; Deutsche Fassung prEN 1923:1995 Codes für Ländernamen (ISO 3166:1993); Deutsche Fassung EN 23166:1993 Informationsverarbeitung; Tbxtverarbeitung und -kommunikation; Genormte Verallgemeinerte Auszeichnungssprache (SGML) (ISO 8879:1986 + Al:1988); EN 28879:1990

924

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

DIN EN 29070

03.93

DIN ISO 2108

12.94

Ε DIN ISO 2382-18

10.94

Informationstechnik; SGML; Unterstützende Elemente; Registrierverfahren von Inhaberbezeichner für öffentlich zugängliche Texte (ISO/IEC 9070:1991); Englische Fassung EN 29070:1992 Information und Dokumentation - Internationale StandardBuchnummer (ISBN); Identisch mit ISO 2108:1992 Informationstechnik - Begriffe - Teil 18: Verteilte Datenverarbeitung; Identisch mit ISO 2382-18:1987

Ε DIN ISO/IEC 2382-23

12.94

Ε DIN ISO/IEC 2382-25

10.94

DIN ISO 9069 DIN ISO 9660

07.91 12.90

DIN ISO 10444

03.96

DIN ISO 10957

12.94

Informationstechnik - Begriffe - Teil 23: Textverarbeitung; Identisch mit ISO/IEC 2382-23:1994 Informationstechnik - Begriffe - Teil 25: Lokale und Regionale Neue; Identisch mit ISO/IEC 2382-25:1992 Informationsverarbeitung; SGML Unterstützung; SGML Dokumentenaustauschformat (SD IF); Identisch mit ISO 9069:1988 Informationsverarbeitung; Datenträger- und Dateistruktur von CD-ROM für den Informationsaustausch; (ISO 9660:1988) EN 29660 Information und Dokumentation - Internationale Standardnummer für Forschungsberichte (ISRN) (ISO 10444:1994) Information und Dokumentation - Internationale Standardnummer für Musikalien (ISMN); Identisch mit ISO 10957:1993

Reprographie, Photographie, MikroSlmtechnik DIN 108-1

05.88

DIN 108-2

12.87

DIN 108-7

12.88

DIN 108-7 Bbl 1

07.73

DIN 108-7 Bbl 2

12.81

DIN 108-17

12.88

DIN 4506-1

05.88

DIN 4518-1

07.88

DIN 4518-2

07.88

DIN 15551-1

09.83

Diaprojektoren und Diapositive; Dias für allgemeine Zwecke und zur Verwendung in Filmtheatern; Nenngrößen, Bildbegrenzungen, Bildlage, Kennzeichnung Diaprojektoren und Diapositive; Dias mit wissenschaftlichtechnischem Informationsinhalt; Originalvorlagen, Ausführung, Prüfung, Vorführbedingungen Diaprojektoren und Diapositive; Arbeitsprojektoren; Nutzfläche, Haltestifte, Projektionsfläche, Bewertung Diaprojektion; Arbeitsprojektoren, DIN-Prüftransparent für Mindestanforderungen mit 9 DIN-Testfeidern, Linien und Schriften für die praktische Anwendung Diaprojektoren und Diapositive; Arbeitsprojektoren; DIN-Einstelltransparent für Betrachtungs- und Projektionsbedingungen Diaprojektoren und Diapositive; Arbeitsprojektoren; Folien, Transparente, Vorführhilfen Photographische Papiere; Papiere in Blattform für allgemeine Zwecke; Maße und Lieferart Strahlungsempfindliche Materialien für die Reprographie und Mikrographie; Silberhalogenidmaterialien; Maße Strahlungsempfindliche Materialien für die Reprographie und Mikrographie; Diazomaterialien; Maße Strahlungsempfindliche Filme; Sicherheitsfilm; Begriffe, Anforderungen, Prüfung

F 8 Anhang

925

DIN 15556

04.86

DIN 16543 DIN 16545 DIN 16549-1 Ε DIN 16549-1

09.63 09.60 05.77 02.95

DIN 16604

03.73

Ε DIN 16604 DIN 19045-3

09.91 12.81

DIN 19051-1

09.80

DIN 19051-2

09.80

DIN 19051-2 Bbll

04.89

DIN 19051-2 Bbl 2

04.84

DIN 19051-3

11.85

DIN 19051-4

05.91

DIN 19051-20

03.91

DIN 19051-21

03.91

DIN 19052-1

10.79

DIN 19052-2

10.79

DIN 19052-3

03.80

DIN 19052-4

10.79

DIN 19052-6

04.86

DIN 19053 DIN 19054

01.91 02.86

DIN 19056

09.79

DIN 19057

07.85

Lagern und Bearbeiten von strahlungsempfindlichen Filmen und Papieren; Umwelteinflüsse Aufsichts-Grauskala für die Reproduktionstechnik, 14stufig Durchsichts-Grauskala für die Reproduktionstechnik, 20stufig Sinnbilder für Reproduktionstechnik; Korrekturzeichen Drucktechnik - Vorstufe - Korrekturzeichen für Bild und ergänzende Angaben Zeitungen; Papierformate, Anzeigen-Satzspiegel, AnzeigenSpaltenbreite, Anzeigenspalten-Zwischenschlag Zeitungen; Papierformate und Anzeigen-Satzmaße Lehr- und Heimprojektion für Steh- und Laufbild; Mindestmaße für kleinste Bildelemente, Linienbreiten, Schrift- und Bildzeichengrößen in Originalvorlagen für die Projektion Testvorlagen für die Reprographie; ISO-Testzeichen Nr. 1 und Nr. 2 als Grundelemente für Testfelder Testvorlagen für die Reprographie; Testfelder zum Prüfen der Lesbarkeit und Messung des Auflösungsvermögens Testvorlagen für die Mikrographie; DIN-Testfeld zur Prüfung der Lesbarkeit; Testblatt mit 20 DIN-Testfeldern zur praktischen Anwendung Testvorlagen für die Reprographie; DIN-Tfestfeld zur Prüfung der Lesbarkeit, Testblatt mit 20 DIN-Testfeldern zur praktischen Anwendung bei Mikrofilm-Durchlaufkameras Testvorlagen für die Reprographie; Testanordnung (Testtafel) zur Prüfung der Mikroverfilmung mit Schrittkamera von technischen Zeichnungen Testvorlagen für die Mikrographie; DIN-Testblatt Β zum Prüfen der optischen Dichte und zum Ermitteln des Abbildungsmaßstabes der Aufnahme Testvorlagen für die Mikrographie; Probeaufnahmen zum Festlegen der Aufnahmebedingungen für die Zeichnungsverfilmung Testvorlagen für die Mikrographie; Probeaufnahmen zum Festlegen der Aufnahmebedingungen für die Verfilmung von Schriftgut, Schrifttum und Zeitungen Mikrofilmtechnik, Zeichnungsverfilmung; Mikrofilm 35 mm, Maße Mikrofilmtechnik, Zeichnungsverfilmung; Mikrofilm 35 mm, Aufnahmetechnik Mikrofilmtechnik, Zeichnungsverfilmung; Mikrofilm 35 mm, Verkleinemngs- und VergröBerungsfaktoren Mikrofilmtechnik, Zeichnungsverfilmung; Aufnahme in Teilen auf Mikrofilm 35 mm Mikrofilmtechnik, Zeichnungsverfilmung; Mikrofilm 35 mm; Mindestanforderungen an Vergrößerungen Mikrofilmkarte für Film 35 mm Mikroplanfilm (Microfiche), Format A6; Allgemeine Anforderungen, Aufnahmearten, Raster- und Utelfelder Mikrofilmtechnik; Diazo-Kopien, Ermittlung der optimalen Belichtung Mikrofilmtechnik; Verfilmung von Zeitungen; Aufnahme auf Film 35 mm

926

Baxmann-Krafft/Lechner: Normung im Bereich IuD

DIN 19058

02.95

DIN 19059-2

11.85

DIN 19059-2 Bbll

11.85

Ε DIN 19061 DIN 19063-1

05.94 05.89

DIN 19063-2

05.89

DIN 19069

05.90

DIN 19071-3 DIN 19078-1

06.90 03.90

DIN 19078-4

03.86

DIN 19090-1

03.82

DIN 30600 Ε DIN ISO 6051

11.85 10.91

DIN ISO 6199

06.95

Farbmikrofilm - Aufnahmetechnik, Herstellen von OriginalStrichvorlagen und Halbton-Vorlagen, Bewertung Mikrofilme; Bildzeichen für die Mikroverfilmung; Anwendung und Übersicht Mikrofilme; Bildzeichen für die Mikroverfilmung; Vorlagen für die praktische Anwendung Digitale Ausgabe auf Mikrofilmkarte für Film 35 mm Mikrofilmtasche (Microfilm Jacket); Allgemeine Anforderungen Mikrofilmtasche (Microfilm Jacket); Format 105 mm χ 148 mm (A6); Maße Bestimmen des Restgehalts an Thiosulfat und anderer Chemikalien in verarbeiteten photographischen Filmen, Platten und Papieren; Iod-Stärke-Methode, Methylenblau-Methode und densitometrische Silber-Methode Mikrofilm 16 mm; Bildmarken Mikrofilmtechnik; Mikrofilm-Lesegeräte; Anforderungen an Durchlicht-Mikrofilm-Lesegeräte Mikrofilmtechnik; Mikrofilm-Lesegeräte; Mindestangaben in Datenblättern Projektionsgeräte; Begriffe; Zuordnung sicherheitstechnischer Festlegungen Graphische Symbole; Registrierung, Bezeichnung Photographie; Verarbeitete photographische Papierbilder; Lagerbedingungen; Identisch mit ISO/DIS 6051:1990 Mikrographie - Mikroverfilmung von Dokumenten auf Mikrofilm 16 mm und 35 mm vom Silber-Gelatine-Typ - Verfahrensweisen; Identisch mit ISO 6199:1991

Bibliotheks- und Verlagsstatistik DIN EN ISO 2789

02.95

DIN EN ISO 9707

02.95

Information und Dokumentation - Internationale Bibliotheksstatistik (ISO 2789:1991); Deutsche Fassung EN ISO 2789:1994 Information und Dokumentation - Statistik zu Herstellung und Vertrieb von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und elektronischen Veröffentlichungen (ISO 9707:1991); Deutsche Fassung EN ISO 9707:1994

927

F9

Zum Stand der Professionalisierang: Beruf und Ausbildung in Deutschland Thomas Seeger

F 9.1

Die horizontale und vertikale Differenzierung des Berufsfeldes

Wie bei allen in Entstehung und Festigung befindlichen Tätigkeitsfeldern und Berufen, so sind auch im Feld der Information die Konturen noch verschwommen, die Grenzen zu anderen Tätigkeitsfeldern fließend, das Tätigkeitsspektrum recht vielfältig, weil bislang noch wenig normiert und das professionelle Selbstbild (sowie auch das professionelle Bewußtsein) oft nur gering ausgeprägt. So ist der Berufsund Tätigkeitsbereich der „Information", zu dem neben den klassischen Teilbereichen des Archiv- und Bibliothekswesens die „Information und Dokumentation" gehört, umgeben von Tätigkeitsfeldern, die mit jeweils anderer Ziel- und Zwecksetzung ebenfalls etwas mit der Gestaltung von Informationssystemen oder Informationsflüssen zu tun haben: - Elektronische Dokumentverwaltung - Innerbetriebliches Informationsmanagement - Spezielle Informatik-Anwendungen mit besonderer Berücksichtigung der Datenbanktechnologie - Aspekte der Wirtschaftsinformatik - Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien mit besonderer Berücksichtigung von neuen Formen und Typen von Informationssystemen (außerhalb von Information-Retrieval-Systemen) - Publizistik/Kommunikation/Public Relation und Öffentlichkeitsarbeit - Elektronisches Publizieren/Verlags- und Buchwesen.

Ttotz einer insgesamt nicht ganz gefestigten professionellen Situation konnten wir in den letzten 25 Jahren eine ständige Erweiterung des Funktionsfeldes „Information" und damit einhergehend auch des Berufs- und Tätigkeitsfeldes verzeichnen, sowie auch eine zunehmende innere Differenzierung (Lit. 70, Lit. 06, Lit. 13). War es zu Beginn der 70er Jahre noch möglich und sinnvoll, das gesamte Tätigkeitsfeld „Informationsarbeit" in Kriterien der drei Institutionentypen Archiv, Bibliothek, Information und Dokumentation (sog. ABD-Bereich) zu beschreiben (Lit. 91, Lit. 13), so sind angesichts des umgreifenden Einflusses der Informations- und Kommunikationstechnologien neue Funktionsbereiche neben und anstelle der alten Institutionen getreten (Lit. 67). Mit dem Aufkommen und der breiteren Nutzung von elektronisch gespeicherten Daten bzw. Informationen sehr unterschiedlichen Zuschnitts (z. B. Bildschirmtext; jetzt T-Online, relationalen Datenbanken, die neben die klassisch gewordenen Information Retrieval Systeme getreten sind, CD-ROM-Technik, Multi-Media-Systeme, Hypermedia-Systeme, Daten/FaktenRetrievalsysteme, Volltextdatenbanken, dem inzwischen erheblich angewachsenen Datenbankangebot aus den und für die Bereiche(n) Wirtschaft, Publizistik oder Statistik) hat sich der Betrachtungsraum des Feldes „Informationsarbeit" erheblich

928

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

ausgeweitet. Die Ausweitung des Feldes erfolgte - wenngleich zunächst eher schleppend - in dem selben Maße wie die Bedeutung der Information für Wirtschaft, Staat und Wissenschaft als strategisches Instrument in der staatlichen Daseinsvorsorge bzw. im internationalen Wettbewerb begriffen wurde und half, die Grundlagen für die inzwischen allerorten proklamierte „Informationsgesellschaft" und „Informationskultur" (Lit. 25) zu legen. Die anfänglichen Selbstbeschränkungen auf die rein dokumentarische Auswertung von zumeist wissenschaftlich-technischer Literatur (Input-Orientierung) hat zunächst schrittweise einem übergreifenden Verständnis von Informationsvermittlung Platz gemacht (Lit. 06) und dann die umfassenden Konzepte des Information Management (IM) und Inforrnation-Ressourcen-Management (IRM), die sowohl die Organisation von Informationsprozessen und -abläufen als auch den funktionsgerechten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie im Auge hatten, entstehen lassen (Lit. 88, Lit. 18, Lit. 20, Lit. 27, Lit. 49). War der Blickwinkel auf die Informationsarbeit zunächst gekennzeichnet durch die Orientierung auf den Öffentlichen Dienst und seine Ebenendifferenzierungen, so zeichnet sich heute eine globalere Betrachtungsweise ab, die besonders auch die Informationsarbeit als privatwirtschaftlichen Erwerbssektor im internationalen Zusammenhang der Informationsmärkte in den Vordergrund stellt (Lit. 19, Lit. 63, Lit. 64, Lit. 79). Als Stichworte seien hierfür innerbetriebliche Informationsvermittlung, Informationsmarkt, Vermarktung von Informationsdiensten, Erzeugung informationellen Mehrwertes, Qualitätsmanagement, Informationsmanagement, Wissenstransfer (Lit. 92) usw. genannt. Im folgenden werden die institutionellen Bereiche des Universal-Bibliotheks- und Spezialbibliothekswesens, des Archivwesens sowie der Medizinischen Statistik, Datenverarbeitung und Dokumentation nicht weiter berücksichtigt, da für diese Teilbereiche eigene Ausbildungsstrukturen und Berufszugangsmechanismen existieren (Lit. 11, Lit. 22, Lit. 23, Lit. 24, Lit. 35, Lit. 47, Lit. 55, Lit. 66). Die schrittweise Abkehr in der Orientierung auf Tätigkeitsstrukturen und -ebenen des öffentlichen Dienstes sowie die zunehmende Entinstitutionalisierung der Informationsvermittlung - weg von dem starren Institutionengefüge der Informationsund Dokumentationsstellen und hin zu den virtuellen, auf Flexibilität der Informations- und Kommunikationstechnologien beruhenden Konzepten der Organisation des Wissenstransfers - hat dem Berufs- und Tätigkeitsfeld ständig neue Impulse gegeben, ihm aber ebenfalls und gleichermaßen neue interne Differenzierungen aufgenötigt. Dies brachte in großem Umfang die Notwendigkeit des Umdenkens und der Umorganisation überkommener Arbeitsroutinen mit sich, die oft zu Irritationen im Berufsfeld führten. Somit kann nach den technischen Entwicklungen und konzeptionellen Veränderungen der letzten 25 Jahre das Berufs- und Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation nicht mehr auf einen Institutionentypus, wie etwa die Informations- und Dokumentationsstelle (IuD-Stelle) oder die Informationsvermittlungsstelle ausgerichtet werden. Statt dessen muß die Funktion und der Prozeß des Informierens in sehr unterschiedlichen organisatorischen Umgebungen unter Verwendung von beliebigen Systemen der Informations- und Kommunikationstechnologien in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden (Lit. 27). Nur so wird es möglich sein, mit den technischen und organisatorischen Entwicklungen und Umstellungen Schritt zu halten und das expandierende Berufsfeld Informati-

F 9.1 Die Differenzierung des Berufsfeldes

929

onsarbeit von einer starren Bindung an einen besonderen Typus von Institutionen zu befreien und damit insgesamt den modernen Erfordernissen anzupassen. Hinsichtlich der sogenannten horizontalen (auf die innere Gliederung des Berufsfeldes bezogene) Differenzierung des Berufsfeldes Information und Dokumentation können wir heute von der folgenden Unterteilung des Berufs- und Tätigkeitsbereiches ausgehen:

(uD-Stellen

A n w e n d u n g e n neuer

Informationsinarkt

Technologien

Information Ressourcen M a n a g e m e n t (1RM)

FIS/FIZe

Hosts. Verlage als

Inf-Vermittlung;

Einsatz und

IuD-S teilen

Daten bank anbi et er.

Vermarktung von

Steuerung

in Behörden

OnJine-S) sleme.

Informationsdiensten;

inncrorgani-

und Betrieben

Qürokommunikations-

1 nfontiations- Broker;

salonscher

Svsteme, CD-ROM-

Unternehmens-

lu Κ-Technolo-

Anbieter. BTX, Hyper-

beralungen

gien und Infor-

media, Anbieter von

mationsflüsse

Expalensyslcmen Institutioneller

Aufbau von

Vermarktung von

Innerbetriebliche

Kernbercich

Wissensspeichern

ΙιιΓ-produklcn

Struktur iening

der formellen

und Informationsdiensten

(z.B. Wirtschafts·

von Informations-

information)

angeboten und flössen

Informierung

Abb. 1: Horizontale Differenzierung des Tätigkeitsbereiches Information und Dokumentation

Die hier vorgenommene Unterteilung ist bei der Analyse der Funktionen und Tätigkeiten in den Arbeits- und Funktionsbereichen der Informationsarbeit (IuD-Stellen, Informationsvermittlungsstellen usw.) nicht in jedem Falle trennscharf und eindeutig nachzuvollziehen; jedoch ist global der Ttend beobachtbar und durch empirische Erhebungen belegbar, daß Input-Funktionen (z.B. Erstellung von Datenbankangeboten) sich von sog. Output-Funktionen (z.B. Informations-Brokerage, Informationsmarkt, Informationsvermittlung) trennen und dahin tendieren, sich in unterschiedlichen Organisationszusammenhängen neu zu etablieren (Lit. 71). Ein in diesem Sinne typischer Umorganisationsprozeß ist in dem derzeit oft praktizierten „Outsourcing" von ehemals innerbetrieblichen Informationsvermittlungsstellen zu erkennen. Hinsichtlich der berufs- und tätigkeitsinternen Differenzierung der sog. vertikalen Differenzierung haben wir eine mit der Ebenendifferenzierung im öffentlichen Dienst vergleichbare Qualifikationsstruktur. Diese zunächst dienstrechtlich begründete Ebenendifferenzierung findet ihre Entsprechung in den Ausbildungs- und Qualifikationsabschlüssen, da sie die Eingangsberechtigung für die Wahrnehmung von Funktionen (und Arbeitsstellen) auf den Dienstebenen bedeutet. Für den Be-

930

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

rufe- und Arbeitsbereich der privaten Informationswirtschaft gilt dies jedoch nur eingeschränkt. Ebene

Typ

Bez./Abschlüsse

1. Ebene

Postgraduale Ausbildung

Dipl.-lnf-wiss

Aufbaustudium

Wiss- Dokumentär^

Berufsbegleitende Ausbildung Ergänzungsstudium 2.Ebene

Universitätsstudium Hauptfach/Nebenfach.

3. Ebene

4. Ebene

(Fachinfbrmator) Informationswissenschaftlerln

Informationswiss

M.A.; Dr. phil

Fachhochschul-

Dipl-Dokumentarln

studium

Dipl-Infbrniationswirlln

Berufefachschule

Dok Assistentin

(Ausbildungsberuf)

(derzeit noch nicht anerkannt)

A b b . 2: Vertikale Differenzierung der Qualifikation in der Information und Dokumentation

F9.2

Zum Stand der Professionalisierang in Deutschland

Zentrales Anliegen jeder Profession sollte es sein, das für sich beanspruchte Berufsfeld möglichst vollständig mit Personen zu besetzen, die bestimmte Merkmale (z.B. Handlungscharakteristika, Qualifikationen, Fähigkeiten, professionelles Zugehörigkeitsbewußtsein u.ä.) aufweisen können. Ziel dieser Professionalisierang muß es sein, die Zugangswege (zumindest in der Regel) von dem Nachweis bestimmter (besonders auch qualifikatorischer) Erfordernisse abhängig zu machen. Dies ist natürlich ein langwieriger, über viele Berufsgenerationen gehender Prozeß, an dessen Ende sicher nicht eine abgeschottete Professionalisierang zu stehen hat. Aber mindestens sollte es gelingen, den Berufszugang zu regeln und dem Zustand der Beliebigkeit in der Rekrutierung von Fachpersonal ein Ende zu bereiten und damit dem Tätigkeits- und Berafsfeld ein übergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln. Auf diesem langen Weg der Entstehung und Festigung von Berufen sind folgende Meilensteine zu durchlaufen, die den Entwicklungsstand der Professionalisierang anzeigen (Lit. 14, Lit. 32). Ausgangspunkt einer beginnenden Professionalisierang ist zunächst ein (zumeist von den „Pionieren" vorgebrachtes) allgemeineres Bewußtsein, welches die spezifischen Aufgaben und Funktionen des Berufslebens als originär und unverwechselbar begreift, weil diese eben verschieden sind und gleichermaßen bedeutsam von denen anderer Berufsbereiche. Dementsprechend sollen diesen besonderen und herausge-

F 9.2 Zum Stand der Professionalisierung in Deutschland

931

hobenen Tätigkeiten (und ihren Trägern) Geltung und längerfristig gesellschaftliche Anerkennung verschafft werden. In diesem Bemühen werden dann eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die ganz typisch und notwendig sind für die Verankerung der Profession in Staat und Gesellschaft: - Gründung eines Verbandes, dessen Ziel es ist, Gleichgesinnte um sich zu versammeln und einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zu organisieren und „Unbefugten" (d. h. nicht dem Berufs- und Tätigkeitsfeld Zugehörigen) den Zugang zu diesem zu verwehren oder zumindest von bestimmten Kriterien abhängig zu machen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, eine gewisse Kontrolle über den Zugang zu den Berufspositionen zu erhalten. - Wahl einer (möglichst einheitlichen) Berufsbezeichnung, mit der gleichzeitig ein exklusiver Anspruch auf ein Tätigkeitsgebiet formuliert und angemeldet wird. - Entwicklung eines Ehrenkodex für die Berufsgruppe, die unter Beweis stellen kann, daB die Profession auch über den funktionalen Aspekt der Arbeitsvemchtungen weiterreichende (ethisch und moralisch begründete) Qualitätsansprüche stellt. - Staatliche Anerkennung der Verbandsmaßnahmen, wie etwa Anerkennung der Berufsbezeichnungen, Verankerung der professionellen Tätigkeiten in Vereinbarungen und Tarifverträgen usw. - Etablierung und Ausbau von Qualifikationsmaßnahmen über alle funktionalen Ebenen sowie staatliche Anerkennung der Ausbildungen und Abschlüsse, ggf. sogar die Einführung neuer akademischer Grade. Dies erleichtert die Zugangskontrolle zum Berufs- und Tätigkeitsfeld für die Verbände.

Verfolgen wir anhand der institutionellen Entwicklung, inwieweit sich die Tätigen in der Information und Dokumentation bislang im positiven Sinne professionalisiert haben (Lit. 71). Die Gründung eines Verbandes (Vereins), der die in dem Tätigkeitssektor Dokumentation Beschäftigten um sich zu scharen beabsichtigte, ist bereits in den Jahren 1943 und 1948 erfolgt. Der Name dieser Vereinigung ist bis heute fast unverändert: „Deutsche Gesellschaft für Dokumentation" (DGD), lediglich im Untertitel ist seit einem guten Jahrzehnt der Zusatz „Vereinigung für Informationswissenschaft und -praxis" hinzugefügt worden. Heute wie damals hatte diese Gesellschaft den Anspruch, sowohl wissenschaftlich als auch praktisch Interessierten ein Forum des Austausches von methodischen, technischen und institutionellen Problemen der Information und Dokumentation zu bieten. Als typische Mittel zur Gewährleistung dieser Funktionen wurden die Jahrestagung „Deutscher Dokumentartag" eingeführt und verschiedene Schriftenreihen herausgegeben, sowie eine Fachzeitschrift gegründet. Bereits zu Beginn der 60er Jahre wurde es offenbar, daß die konkreten, am Arbeitsplatz auftretenden sozialen und statusbezogenen Problemen nicht im gewünschten Umfang behandelt werden konnten. Obwohl bereits 1961 ein erster Vorschlag für die Tätigkeitsabgrenzungen in der Dokumentation von der DGD erarbeitet wurde (Lit. 15), so wurde auf Initiative einiger Mitglieder der DGD am 14.04.1961 in Bonn ein weiterer Verein gegründet, der sich ganz besonders den berufspolitischen Fragen der Information und Dokumentation widmen sollte: - den drängenden Fragen der Ausbildung, als dem zentralen Instrument der Zukunftssicherung des Berufsfeldes,

932

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

- der tarifpolitischen Einordnung der im Bereich Beschäftigten, wie etwa in den verschiedenen Überarbeitungen der „Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Dokumentationsdienst" (Lit. 86, Lit. 87) geschehen.

Als Name wurde „Verein Deutscher Dokumentare" (VDD) gewählt, der dann im Jahr 1985 bei Beibehaltung der Abkürzung VDD in „Berufsverband Dokumentation, Information, Kommunikation" umbenannt wurde. Wenige Jahre nach dieser Umbenennung hat sich der Verein dann selbst aufgelöst und wird seit ca. 1993 als Komitee „Human Resources" in der DGD weitergeführt. Ende der 80er Jahre ist dann - auf besondere Initiative der Hochschulen - der „Hochschulverband Informationswissenschaft" (HI) gegründet worden, der die besonderen Bedürfnisse der Informationswissenschaft und der Hochschulen nach gemeinsamen Kongressen und Tagungen sowie einer eigenen Schriftenreihe abdecken sollte. Nicht unerwähnt bleiben sollten die Gründungen bzw. Umbenennungen von anderen Vereinigungen, die spezielle Teilaspekte des Berufsfeldes Information und Dokumentation abdecken, wie etwa: - Gesellschaft der Medizinischen Dokumentation, Statistik und Datenverarbeitung (GMDS) - Fachgruppe 7 (Medienarchivare und -dokumentäre) im Verein Deutscher Archivare (FG 7/VDA) - Informationsring Kreditwirtschaft (ik). Ist in Bezug auf die Organisation der professionell Tätigen sicherlich schon eine ganze Menge erreicht und voran gebracht worden, sind wir hinsichtlich der Wahl einer einheitlichen Berufs- oder Gattungsbezeichnung einer derzeit verwirrenden Zahl von konkurrierenden Bezeichnungen ausgesetzt: Dem/der klassischen „Dokumentar/in" (Lit. 02) (überwiegend in der Bundesrepublik gebräuchlich) steht der „Dokumentarist/in" oder „Dokumentalist/in" (in Österreich gebräuchlich) gegenüber. Aus der ehemaligen DDR (Lit. 45) sind die Bezeichnungen „Informator" bzw. „Fachinformator" überkommen, ebenso wie die Bezeichnungen „Informationsmanager" (Lit. 17), „Informations-Broker", „Informations-Consultant" oder in den letzten Jahren zunehmend „Informationsvermittler" (Lit. 06) besondere Berufsrollen im aufkommenden Informationsmarkt auszudrücken beabsichtigen. Vorschläge wie etwa „Wissensingenieur" oder „Wissensvermittler" haben sich im Bereich der Information und Dokumentation nicht durchsetzen können. Jedoch sind Bezeichnungen wie etwa „Informationspraktiker" und „Informationswissenschaftler", die die Arbeitsschwerpunkte verschiedener Berufsgruppen zusammenfassen, immer noch gebräuchlich und werden (mit guten Gründen übrigens) oft auch global unter dem Begriff „Informationspersonal" zusammengefaßt. Immer mehr aber scheint sich - in Anlehnung an die innerhalb der Europäischen Union üblichen Bezeichnungen - der Ausdruck „Informationsspezialist" (in Anlehnung an den anglo-amerikanischen „information specialist") durchzusetzen, wenn man nach einer übergeordneten Bezeichnung sucht. Somit besteht in der Zukunft noch die Aufgabe, eine übergreifende Bezeichnung für die Berufsgattung im Bewußtsein der professionell Tätigen zu verankern, was aber nicht bedeuten soll und kann, daß es für bestimmte Teilberufsrollen innerhalb der Profession nicht auch andere Benennungen geben kann.

F 9.2 Zum Stand der Professionalisierung in Deutschland

933

Bezüglich der Ausarbeitung eines Verhaltenskodex ist festzuhalten, daß seit Beginn der 90er Jahre an Vorschlägen zur Verankerung von ethischen Grundlagen der Informationsarbeit gearbeitet wird (siehe dazu den Beitrag von R. Capurro in diesem Band unter G 3 und Lit. 03). Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist das Konzept der Informationskultur, welches in einer kleinen Schrift vorliegt, die von einem guten halben Dutzend Vereinigungen im Bereich der Informationstechnik und -arbeit herausgegeben wurde (Lit. 25). Darüber hinaus liegt bereits seit 1994 ein Verhaltenskodex für Informationsvermittler vor (Lit. 18), der von der Europäischen Gesellschaft für Informationsdienste ( E U R O S I D I C ) erarbeitet wurde. In diesem werden die Qualitätsmerkmale der Informationsvermittlungsleistungen dargestellt und die Normen der Informationsvermittler genannt. Bezüglich der staatlichen Anerkennung von Berufsbezeichnungen und fachspezifischen akademischen Graden sowie dem Aufbau und der Übernahme von Ausbildungsangeboten im Kontext staatlicher Bildungseinrichtungen wird im nächsten Abschnitt berichtet. Auf dem Weg der professionellen Festigung sind Bestandsaufnahmen in der Berufspraxis und Befragungen von professionell Tätigen ebenso notwendig, wie die empirisch saubere - möglichst flächendeckende und kontinuierliche - Erhebung von Berufsverläufen von Absolventen professionsspezifischer Q u a M k a t i o n s m a ß n a h m e n (Lit. 84) sowie methodisch gut abgesicherte Prognosen über den künftigen Bedarf an Fachpersonal (Lit. 30). Leider ist in der Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) in dieser Hinsicht nur wenig und wenig Systematisches getan worden. Anders als in Großbritannien (Lit. 68), wo kontinuierlich Beschäftigungsstand und Absolventenbefragungen durchgeführt wurden, sind empirische Erhebungen bei uns nur vereinzelt und eher zufällig durchgeführt worden. Sie sind untereinander methodisch und strukturell nicht direkt vergleichbar und über weite Zeiträume verteilt; über sie ist an anderer Stelle ausführlicher berichtet worden (Lit. 75). Im einzelnen handelt es sich um folgende Einzelstudien: - Verbleibstudie von Absolventen (diplom-)bibliothekarischer und dokumentarischer Ausbildungsgänge 1977 (Lit. 16) - Berufseinmündung zweier Absolventenjahrgänge der Ausbildung zum/zur Diplom-Dokumentar/in 1980 und 1981 (Lit. 43) - Berufsverläufe von Wissenschaftlichen Dokumentaren/innen der Absolventenjahrgänge 19681976 (Lit. 16) - Beruheinmündung von Fachhochschulabsolventen der Studiengänge Bibliotheks- und Dokumentationswesen von 1980 (Lit. SO) - Dokumentare/innen im Beruf: Status, Einkommen, Arbeitsaufgaben von 1982 (Lit. 28) - Berufsverlaufsstudie von Wissenschaftlichen Dokumentären/innen in den 80er Jahren. Absolventenbefragungen der AbschluBjahrgänge 1981-1991 (Lit. 54) - Absolventenbefragung von Wissenschaftlichen Dokumentaren/innen. Ausbildungsbewertung und Berufseinmündung der Abschlußjahrgänge 1978-1992 (Lit. 37) - Absolventenbefragungen von Diplom-Informationswirten/innen der AbschluBjahrgänge 1989-1994 über Ausbildungsbewertung und Bemfsverlauf (Lit. 70, Lit. 77, Lit. 51).

934

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

F9.3

Ausbildung In der Information and Dokumentation

F 9.3.1

Entwicklungen in den 90er Jahren in der Ausbildung Information und Dokumentation

Betrachtet man die Ausbildungssituation in den 90er Jahren, so ist zu konstatieren, daß sich große Veränderungen ergeben haben und daß ganz erhebliche neue Ausbildungsanstrengungen für den Gesamtbereich der Informationsarbeit (unter Einschluß des Archiv-, Bibliotheks-, Museums- und Verlagswesens) unternommen wurden. Ein großer Teil der in den 90er Jahren entstandenen neuen Ausbildungsstrukturen ist direkt oder indirekt durch die Wiedervereinigung Deutschlands beeinflußt oder initiiert worden. Im gleichen Zug ist jedoch auch zu konstatieren, daß ein recht großer Teil der ehemaligen Aus- und Fortbildungsaktivitäten in den neuen Bundesländern begrenzt, beschnitten oder gar ganz eingestellt wurde (Lit. 08, Lit. 09, Lit. 34, Lit. 44, Lit. 45, Lit. 90). Die noch in den 80er Jahren bestehenden Ausbildungsgänge (teils noch in privater Regie geführt, teils als verwaltungsinterne Studienangebote für Beamte des gehobenen und höheren Dienstes organisiert) sind hinsichtlich der Zahl der Ausbildungs- bzw. Studienplätze ausgebaut worden, und private und interne Studienangebote sind auf „freie" Studien im Rahmen der staatlichen Bildungsinstitutionen, besonders an Fachhochschulen, umgestellt worden (Lit. 76). Darüber hinaus sind neue Ausbildungs- bzw. Studienangebote mit spezifischen Schwerpunkten und Ausrichtungen hinzugekommen. Dabei ist ebenso bemerkenswert, daß sich in dieser relativ kurzen Zeit die Ausbildungsstrukturen und -inhalte in ganz erheblichen Umfang geändert haben, zum einen der Innovationsgeschwindigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien geschuldet, zum anderen den bildungs- und hochschulpolitischen Strukturveränderungen angepaßt (z.B. Anpassungen an Regelstudienzeiten, Verkürzungen der Praktikumsphasen, Einpassung von Ausbildungsangeboten in Hinblick auf das duale System, Anerkennung der akademischen Abschlüsse und Titel, Europäisierung und internationale Anerkennung von Abschlüssen usw.). Die folgende Abbildung versucht auf engem Raum den aktuellen Stand der „Ausbildungslandschaft" Informationswissenschaft und -praxis ohne die angrenzenden Bereiche darzustellen (Lit. 10, Lit. 11, Lit. 22, Lit. 23, Lit. 24, Lit. 74). Mit Ausnahme der Ausbildung zum/zur Dokumentationsassistenten/in (künftig wohl Fachangestellte an Dokumentationsstellen genannt), für die auch derzeit noch die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD), zumindest was den theoretischen Teil der Ausbildung anbetrifft, verantwortlich zeichnet, sind alle formellen Ausbildungsstrukturen in das Gefüge des staatlichen Hochschulsystems aufgegangen bzw. übernommen worden. Aber auch für die letzte noch privat geführte Ausbildung bietet der seit 1992 vorliegende Vorschlag des Bundesinstituts für Berufsbildung (Lit. 16) eine gute Grundlage, die seit mehreren Jahrzehnten geforderte „staatliche" Anerkennung zu erreichen, bei gleichzeitiger Integration der Assistentenausbildung für das Archiv- und Bibliothekswesen unter Berücksichtigung der Ausbildungsbedürfnisse der Bildagenturen. Gerade in letzter Zeit haben sich über diese Ausbildungsrichtung, die das Funktionsfeld der Information und Dokumenta-

F 9.3 Ausbildung in der Information und Dokumentation A u f n a h m e p.a. D a u e r ( M o n ) Praktikum ( M o n )

935

Status

Abschluß

POSTGRADUAL FH P o t s d a m / I I D T U. I l m e n a u Uni K o n s t a n z

ca. 48 ca 2 0

24

21

berufsbez. Ausb. Weiterbildungsst.

Wiss. Dok.

18 24

3

Freies S t u d i u m

Dipl I n f - W i s s .

empfohlen empfohlen

Freies S t u d i u m

M . A . ; Dr. phil.

empfohlen

Freies S t u d i u m Freies S t u d i u m

>48

erwünscht

Freies S t u d i u m

M . A . ; Dr. phil. M . A . ; Dr. phil. M . A . ; Dr. phil.

48

6

13 ca. 17 ca. 25

36 48 42

6 6 17 7

Freies S t u d i u m Freies S t u d i u m

ca. 50

48 48

Freies S t u d i u m Venv.-intem Freies S t u d i u m

8

Freies S t u d i u m

Dipl.-Inf.-Wirt ( F H ) Dipl.-Dok. ( F H ) Dipl.-Dok. (FH) Laufbahn-Prüfung Dipl - D o k ( F H ) Dipl.-Dok. (FH)

ca. 2 0

24

21

privat

Dok.-Ass.

ca. 6 0

UNIVERSITÄT F.U. Berlin

40 ( H F ) , 4 0 ( N F

>48

45 (NF)

>48 >48

U. D ü s s e l d o r f U. R e g e n s b u r g U. S a a r b r ü c k e n

12 ( H F ) 17 ( H F )

FACHHOCHSCHULE FH Darmstadt FH FH FH FH

Hannover/A Hannover/B Köln/Bund Potsdam

F H Stuttgart

ca. 6 0 ca. 30

FACHSCHULE D G D (verantwortl.) HF=Hauptfachstudenten NF=Nebenfachstudenten

Abb. 3: Ausbildung im IuD-Bereich 1995 in Deutschland

tion von der Qualifikationsseite erst abrundet, viele interessante Stimmen zu Wort gemeldet, die besonders auch auf die Schwierigkeiten von Integration im System der dualen Ausbildung und die Integration von bislang getrennt gehaltenen Ausbildungsstrukturen hinweisen (Lit. 05, Lit. 42, Lit. 81, Lit. 80). Es ist im Sinne der Festigung der Professionalisierung aller Funktionsebenen im Berufsfeld Information zu hoffen, daß diese gebotene Chance auch konsequent genutzt wird und nicht dem kleinmütigen Egoismus partikularer Interessen geopfert wird. Durch die endgültige Einstellung der Zuwendungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) für die Ausbildung zum/r Wissenschaftlichen Dokumentar/in zum Jahresende 1991 war zeitgleich die Auflösung des Lehrinstitutes für Dokumentation (LID) in der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) unausweichlich geworden, da eine Fortführung dieser Ausbildung ohne staatliche Zuschüsse die Finanzkraft der DGD bei weitem überfordert hätte (Lit. 56). Seit 1957 hatte das LID für das Tätigkeitsfeld Information und Dokumentation zentral Aus-, Fort- und Weiterbildungsaktivitäten durchgeführt und war - zumindest in den Anfängen - die einzig kontinuierlich arbeitende Ausbildungsinstitution in der Bundesrepublik Deutschland (Lit. 01). Nach der erfolgten Überführung der Ausbildung zum/zur diplomierten Dokumentar/in vom LID an die Fachhochschule Darmstadt Mitte der 80er Jahre (Lit. 69) wurde seit Ende der 80er Jahre versucht, die berufsbegleitende postgraduale Ausbildung des LID für die Profession zu erhalten und Konzeptionen für eine mögliche Überführung dieser Ausbildungsspezialität in den Kanon staatlicher Bildungsträger zu erarbeiten (Lit. 39). Viele Initiativen wurden ergriffen und zu realisieren versucht, bevor sich dann im Frühjahr 1991 die Möglichkeit eröffnete, diese postgraduale Ausbildung an der neu gegründeten Universität Potsdam vorläufig weiterzuführen, ohne daß eine Diskon-

936

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

tinuität in der Lehre in Kauf genommen werden mußte. Die nun Institut für Information und Dokumentation (HD) genannte Ausbildungseinrichtung konnte dann im Februar 1992 turnusgerecht und ohne Unterbrechung ihren Lehrbetrieb weiterführen. Die endgültige organisatorische Zuordnung zur Fachhochschule Potsdam erfolgte dann zum Ende des Jahres 1992, die einen weiteren Umzug dann im Jahre 1993 zur Folge hatte. Zum Ende des Jahres 1992 wurde dann die staatliche Anerkennung der Ausbildung zum/r Wissenschaftlichen Dokumentar/in durch das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Form der Genehmigung der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung ausgesprochen (Lit. 72, Lit. 73, Lit. 82). Verwaltungsinterne Ausbildungsstrukturen im Fachhochschulbereich sind zugunsten freier Ausbildungsgänge in diesem Bereich deutlich abgebaut worden, so daß auch in dieser Hinsicht eine deutliche Öffnung zur „Normalität" und Gleichartigkeit von Hochschulausbildung stattgefunden hat. Die Aufgabe von verwaltungsintemen Ausbildungs- und Studienangeboten, für die damals kaum und heute wohl keinerlei arbeitsmarktbezogene, noch hoheitliche, noch beamtenrechtliche Notwendigkeiten mehr gesehen werden, geht zeitlich einher mit der Entwicklung von Integrationsbestrebungen der verschiedenen getrennten Ausbildungswege im gesamten Informations-, Bibliotheks- und Dokumentationswesen. Das Archivwesen wurde zunächst in diese Überlegungen nicht mit einbezogen. Bereits ab Mitte der 70er Jahre wurden Projekte durchgeführt, die es sich zur Aufgabe gesetzt hatten, Vorschläge für eine integrative Konzeption von Ausbildungsstrukturen im Bereich des Wissenschaftlichen Bibliothekswesens und des Informations- und Dokumentationswesens zu erarbeiten (Lit. 13, Lit. 91). Ein breit angelegter Modellversuch der Fachhochschule Hannover führte dann Anfang der 80er Jahre zur Errichtung einer teilintegrierten Fachhochschulausbildung für die Bereiche Bibliothekswesen und Information und Dokumentation mit insgesamt drei verschiedenen Studienrichtungen (Lit. 06, Lit. 12). Die daraus gewonnenen Erfahrungen führten dann zur Errichtung von neuen IuD-spezifischen Studienangeboten, die eher neben die bibliothekarischen als in diese hinein gestellt wurden. Nachdem eine gute Dekade keine deutlich integrativen Ausbildungsgänge mehr realisiert wurden, war es dem neu gegründeten Fachbereich Archiv, Bibliothek, Dokumentation der Fachhochschule Potsdam dann Ende 1992 vorbehalten, einen neuen Versuch in der Integration von Archiv-, Bibliotheks- und Dokumentationswesen zu starten (Lit. 31). Dies wird im folgenden Abschnitt noch einmal kurz angesprochen werden. Hinsichtlich der Gesamtlänge und der Dauer der Praktikumssphasen sind die Studienstrukturen der Fachhochschulstudiengänge gleichartiger geworden, ohne nun deshalb gleichförmig zu sein. Die teilweise überlangen Praktikumszeiten der verwaltungsinternen Ausbildungs- und Studiengänge an Fachhochschulen sind mit der Umstellung auf freie Studiengänge zurückgenommen worden, ebenso, wie sich die Gesamtdauer der freien Studiengänge sich wohl längerfristig auf eine übliche Regelstudienzeit von 8 Semestern an Fachhochschulen (Prüfungssemester eingeschlossen) einpendeln wird. Zahl und Bezeichnungen der akademischen Grade sind in diesem Bereich nur um die Bezeichnung Diplom-Informationswirt/in (FH), die als Grad bislang allein von

F 9.3 Ausbildung in der Information und Dokumentation

937

der Fachhochschule Darmstadt verliehen wird (Lit. 38, Lit. 68), angereichert worden. Namen, Bezeichnungen und organisatorische Anbindungen der eigenständigen Fachhochschulen oder der einschlägigen Fachbereiche an Fachhochschulen haben sich jedoch gewandelt. So sind in einigen Fällen den „klassischen" Institutionenbezeichnungen, wie etwa Bibliothekswesen oder Bibliothek, Dokumentation usw. Bezeichnungen wie Information und Kommunikation hinzugefügt worden bzw. vollständig durch diese ersetzt worden (Lit. 26). Es kann unterstellt werden, daß mit diesen Umbenennungen auch ein Anspruch (und letztlich eine gemeinsame professionelle Perspektive) für eine allgemeinere Betrachtung von Informationsprozessen verbunden ist, der die bis dahin überkommene Auffassung, Informationsarbeit spiele sich exklusiv in besonderen Institutionentypen (wie etwa Informations- und Dokumentationsstellen oder Bibliotheken) ab, zugunsten einer funktionalen Auffassung von Informationsprozessen aufgibt. Damit wäre auch den vitalen und expandierenden professionellen Teilberufsfeldern, wie etwa dem Informationsmarkt, den Datenbasenanbietern sowie den Produzenten von elektronischen Informationsprodukten und -systemen, angemessen Rechnung getragen. Mit der Neugründung von zwei weiteren Ausbildungsgängen im Feld der Information und Dokumentation an der Fachhochschule Hamburg (mit dem Schwerpunkt Mediendokumentation; Lit. 57, Lit. 58, Lit. 59, Lit. 60) und an der Fachhochschule Potsdam (Gründung des Fachbereichs Archiv-, Bibliotheks- Dokumentationswesen ABD) mit einem integrierten gemeinsamen Grundstudium und einer psi-Verzweigung im Hauptstudium, sind den Studiengängen an den Fachhochschulen Darmstadt, Hannover, Köln und Stuttgart weitere Studienrichtungen zugewachsen. Die Ausdifferenzierung der Studienangebote im Fachhochschulbereich ist sicher auch Ausfluß von neuen aufkommenden Funktionen in den Berufsbildern, wie sie sich beispielsweise im Bereich der Medieninformation (Lit. 48, Lit. 57, Lit. 60) oder im Teilbereich der on-line-Datenbanken (Lit. 17, Lit. 20, Lit. 49) abzeichnen. Im Bereich der Ausbildungsstrukturen der Universitäten konnte jedoch keine Ausweitung der Studienangebote und informationswissenschaftlicher Forschungskapazitäten stattfinden. An den Universitäten der „alten" Bundesländer Berlin (Freie Universität; Lit. 53), Düsseldorf, Konstanz (Lit. 40, Lit. 41), Saarbrücken (Lit. 29, Lit. 92), Universität Regensburg (Lit. 33) und in Österreich, Graz (Lit. 52) konnte die Substanz wohl gehalten werden und in dem einen und anderen Fall die Ausbildungskapazität noch erhöht werden. Lediglich in Konstanz wird an Plänen gearbeitet, einen grundständigen Diplom-Studiengang über 8 Semester einzurichten, der im Bereich von Informationsmanagement und Informationswirtschaft mit dem akademischen Grad Diplom-Informationswirt/in abgeschlossen werden soll (Lit. 41). Anders dagegen an den Hochschulen der neuen Bundesländer Humboldt-Universität Berlin (Lit. 90) und Technische Universität Ilmenau (Lit. 36, Lit. 44, Lit. 45), an denen das Fortbestehen der Ausbildungsangebote und die Etablierung von informationswissenschaftlichen Forschungsgruppen nicht oder nur auf allerkleinstem Level ermöglicht wurde (z.B. Lit. 34, Lit. 78, Lit. 45). Der (offenbar) ersatzlosen Streichung von etablierten Einrichtungen in den neuen Bundesländern ist natürlich von den wissenschaftlichen und professionellen Organisationen entgegengewirkt worden. Bis auf die jüngsten Entwicklungen an der Technischen Universität Ilmenau, die eine Fortführung des informationswissenschaftlichen Weiterbildungsstudi-

938

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

ums auf „kleinster Flamme" ermöglichen, hatten andere Initiativen bislang wenig bis keinen Erfolg. Umstände und Hintergründe der „Abwicklung" der informationswissenschaftlichen Ausbildungs- und Forschungskapazitäten und das was an ihre Stelle dann gesetzt wurde, wird die Fachöffentlichkeit wohl noch länger beschäftigen; zum inneren Ausgleich sowie zur fachlichen Integration von Ost und West haben diese Entwicklungen und Entscheidungen sicher nichts beigetragen. In quantitativer Hinsicht (Grundlage bildeten hierzu wesentlich, aber nicht ausschließlich Lit. 10, Lit. 11, Lit. 12, Lit. 22, Lit. 23, Lit. 24) kann für den Bereich der informationswissenschaftlichen und -praktischen Hochschulausbildung (ohne den Bereich der Medizinischen Statistik, Dokumentation und Datenverarbeitung und den Qualifikationsbereich Assistenten bzw. höhere Fachschulausbildung) festgestellt werden, daß eine Ausweitung der Kapazitäten zu verzeichnen ist - zumindest was die Aufnahmequoten anbetrifft. Im postgradualen Qualifikationsbereich (Universität Konstanz und Institut für Information und Dokumentation der Fachhochschule Potsdam) hat sich die Aufnahmekapazität in der letzten Dekade von ca. 55 auf über 100 knapp verdoppelt, im Bereich der universitären grundständigen Studienangebote ist ebenfalls eine Zunahme feststellbar - jedoch wegen der Differenzierungen von Hauptfach- und Nebenfachstudien und der internen Änderungen nicht so eindeutig zu beziffern. Auffällig ist auch der Zuwachs an Kapazitäten im Fachhochschulbereich, in dem ebenso wie im postgradualen Bereich eine knappe Verdopplung in den letzten 10 Jahren festzustellen ist (Lit. 74). Im Vergleich zu den in etwa gleichbleibenden Zulassungsquoten im Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliothekswesen verzeichnet im selben Berichtszeitraum der ungleich viel kleinere Qualifikationsbereich der Information und Dokumentation (IuD) einen stetigen Zuwachs.

F 9.3.2

Neuere Entwicklungen in den angrenzenden Ansbfldungsbereicben

Die vielfältigen Diskussionen um die Entwicklungen im Bibliothekswesen und ihrer Ausbildungsstrukturen sind aus Sicht der Information und Dokumentation insofern interessant, ob und in welche Richtung sich die Profile des Berufsbildes der Spezialbibliothekare (z.B. Lit. 66) entwickeln. Dies nicht allein aus den historischen Entwicklungslinien und Begründungszusammenhängen heraus, nach denen es immer schon eine starke Affinität des „klassischen" Dokumentationswesens mit dem Spezialbibliothekswesens gegeben hat. Viele Dokumentationsaktivitäten sind aus dem Kontext des Spezialbibliothekswesen entsprungen und auch heute noch ist dies immer noch oder gar schon wieder verstärkt der Fall; oder ist dies als eine neue Initiative der Integration zu benachbarten Bereichen zu verstehen? (Lit. 12) In der Diskussion um die Orientierungspunkte im Archivwesen und ihrer besonderen Qualifikationsprofile (s. etwa Lit. 35, Lit. 46, Lit. 47, Lit. 55) sind in den 90er Jahren neuere Berufsprofile und -bilder für einzelne Funktionsebenen erarbeitet (s. z. B. Lit. 85) worden und neue Anforderungen an die Arbeitswelt des Archivwesens und ihrer Qualifikationsbemühungen zur Diskussion gestellt worden. Hierbei ist offenbar keine Einigkeit über eine Integration von Bibliothekar- und Archivarausbildung im Zusammenhang mit der klassischen Dokumentarausbildung vorhanden

F 9 Literatur

939

(Lit. 47). Nicht verschwiegen werden soll, daß im Qualifikationsfeld Archivwesen (universitäre E b e n e ) die Ausbildung zum/r Wissenschaftliche(r) Archivar/in an der Humboldt-Universität in Kürze endgültig auslaufen soll (Lit. 08, Lit. 09). Hinsichtlich der Vervollständigungen der Qualifikationsanstrengungen im übergreifenden Verständnis des Berufsfeldes Informationsarbeit verdienen die Neu-Etablierungen bzw. Weiterführungen von ehemals in der D D R gegründeten Ausbildungsund Studiengängen besondere Erwähnung. Mit dem Beginn des Fachhochschulstudiums „Technischer Redakteur" an der Fachhochschule Hannover, Fachbereich Information und Kommunikation (Lit. 04), dem Studiengang Museologie (Lit. 21) an der Hochschule f ü r Technik, Wirtschaft und Kultur sowie des Studienganges Buchhandel/ Verlagswirtschaft (Lit. 21) an dieser Hochschule, sind neben den Studienangeboten der Buchwissenschaft und Verlagsherstellung (Lit. 83) weitere Facetten des Informationswesens, die bislang nicht besetzt waren, qualifikatorisch ausgefüllt worden. Somit wird abschließend eine quantitative Zusammenfassung der Ausbildungsbestrebungen des Gesamtbereiches Informationsarbeit gegeben, die den Bereich der Medizinischen Dokumentation sowie die gesamte Assistenten-Ebene nicht berücksichtigen kann, wobei dies nicht bedeuten soll, daß diese Bereiche nicht dem Gesamtberufsfeld Information zugehörig ist.

Ausbildung Informationswesen 1995 Aufhahmekapazitäten pro Jahr Archiv Bibliothek luD/lnf. Wissenschaft Museum Techn. Redaktion Verlagswirlschaft Summe

POST 13 33 108

UNI

FH

-

-

-

-

-

-

-

33 813 195 20 40 50

ca. 150

ca. 100

ca. 1150

ca. 30 ca. 70

POST= Postgraduale Ausbitdung (inkl. Referendar-Ausb.) UNI = Universitäre, grundständige Studien (ohne Nebenfach) FH = Fachhochschulstudiengänge

Abb. 4: Ausbildungskapazitäten (Aufnahmequoten pro Jahr) im Gesamtbereich des Informationswesens 1995

Literatur 01. Anders, Α.; Buder, M.; Seeger, T.: 25 Jahre Aus- und Weiterbildung in der DGD. In: Nachrichten für Dokumentation 33,1982, S. 237 - 245. 02. Anders, M.: Diplom-Dokumentar/Diplom-Dokumentarin. 5. Aufl. Stand: März 1994. Bielefeld: Bertelsmann 1994. 46 S. (Blätter zur Berufskunde. Bd. 2- XC 30) 03. Artus, M.; Lossow, W. von: Ethik und Information: Brauchen wir einen Verhaltenskodex für Informationsvermittler. In: Nachrichten für Dokumentation 45, 1994, S. 325 - 334.

940

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

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Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

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944

Seeger: Beruf und Ausbildung in Deutschland

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945 F10

Informationswissenschaft Norbert Henrichs

F 10.1

Anfange

Das „Henne-Ei-Problem" stellt sich nicht: Die Praxis der modernen Fachinformation kann gegenüber ihrer Theorie, genauer gesagt, gegenüber ihrer explizit und systematisch erforschten, entwickelten und beschriebenen Theorie im Sinne einer Wissenschaft von der Information, unzweifelhaft auf einen erheblichen zeitlichen Vorlauf verweisen. Im Anfang war also, darüber kann es wenigstens hierzulande keinen Streit geben, die Praxis. Und es war auch eben diese Praxis, die erstes wissenschaftliches Interesse an Fragen der Informationsverarbeitung äußerte. Konkret geschah dies im Organisations- und Arbeitsrahmen von Komitees der einschlägigen Gesellschaften und Berufsverbände des Bibliotheks- und Dokumentationsbereichs und nicht etwa im institutionalisierten Wissenschaftsbereich und seinen Domänen, also in den Hochschulen und außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen. Informationswissenschaft als Wissenschaft entstand nicht im Zuge heute gängiger disziplinärer und interdisziplinärer Spezialisierungstendenzen und Ausgrenzungen. Ausgelöst wurde das wissenschaftliche Interesse der IuD-Praktiker an ihrem Arbeitsgebiet von einem in den 60er Jahren wachsenden Bewußtsein für eine zwingend notwendige Professionalisierung des in der frühen Nachkriegszeit lediglich wiederbelebten Dokumentationswesens, das durch spontane Initiativen in vielfältigen Formen zwischen den Weltkriegen entstanden war. Die aufkommende neue Einschätzung der Dokumentationsarbeit ließ nicht länger eine bloß intuitive Methodenanwendung zu, sondern verlangte nach Standardisierungen, zumal aber nach theoretischer Absicherung und Evaluierung ihrer Verfahren und Produkte. Hinzukam zur gleichen Zeit eine gewisse Verunsicherung durch eine zunächst schwer einschätzbare und nur langsam angenommene Herausforderung durch die sich auffällig schnell entwickelnden elektronischen Techniken, für deren Leistungsbeurteilung und Einsatz es im klassischen Dokumentationsbereich keine ausgearbeiteten Kriterien und vor allem kaum Kompetenzen und Qualifikationen gab. Ausdruck jenes aufkommenden wissenschaftlichen Interesses waren im Methodenbereich beispielhaft die Diskussionen zwischen Anhängern der traditionellen Ordnungssysteme, insbesondere der Dezimalklassifikation, und Verfechtern eines sich neu entwickelnden Typs von Dokumentationssprachen, dem Thesaurus, der höheren Text-Erschließungsansprüchen zu genügen versprach, allerdings einen kaum zu unterschätzenden konzeptionellen Entwicklungs- und Pflegeaufwand erwarten ließ. Zu erinnern ist auch an die richtungsweisenden Terminologiedebatten, die das gesamte Aufgabengebiet geradezu systematisch durchbuchstabierten und das fachliche Selbstbewußtsein von IuD durch die Entwicklung und Anwendung einer eigenen Fachsprache untermauerten. Hinzukamen aber vor allem auch - es wurde schon darauf hingewiesen - die nicht selten leidenschaftlichen Auseinandersetzungen um den Einsatz von Technik, der bis dahin bestenfalls mit dem Einsatz reprographischer Verfahren sowie von (Hand-)Lochkartensystemen identisch war. Die

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Henrichs: Informationswissenschaft

Diskussionen etwa auf Dokumentartagen um einen überhaupt sinnvoll möglichen DV-Einsatz, um erste Datenbank- und Retrievalkonzeptionen - man sprach von nichtnumerischen Anwendungen -, riefen zu Häuf Skeptiker auf den Plan und diffamierten in jener Zeit nicht selten die Pioniere der elektronischen Fachinformation. Diese Diskussionen führten andererseits aber gerade auch zu vorteilhaften Verbesserungen der Systeme, weil sie die Reflexionen der Strukturkonzepte und Zugriffsverfahren erheblich vorantrieben und ihre theoretische Basis absichern halfen. So gab es also in der genannten Zeit eine Reihe unterschiedlicher Motive für eine vermehrt wissenschaftliche Befassung mit der Problematik Information und ihrer Dokumentation. Freilich, das muß zugleich festgestellt werden, jene Wissenschaftsanfänge wurden wegen ihres Praxisursprungs in der etablierten Wissenschaftswelt kaum registriert und waren deshalb dort zunächst noch weitgehend heimatlos, sieht man von gewissen Ansätzen in Berlin ab. Um im Wissenschaftsraum selbst einen gehörigen Schritt nach vorne zu tun und festen Fuß zu fassen, war deshalb eine Schubkraft nötig, die nicht nur von wissenschaftlichem Interesse an Tageslösungen f ü r die Fachinformation ausging, sondern vielmehr kontinuierliche Forschungsarbeit und Ausbildungsprogramme intendierte und daher die Etablierung einer entsprechenden Fachdisziplin im Wissenschaftsbereich selbst anstrebte und diese Etablierung auch voranzutreiben in der Lage war. Die zitierte Praxis war abgesehen von ihren etwas anders gelagerten Engagements freilich auch zu schwach, jedenfalls was kurzfristige Lösungen betroffen hätte. Das hier notwendige Interesse an einer institutionalisierten Informationswissenschaft und die erforderliche Durchsetzungskraft mußten daher von woandersher kommen, und sie fanden sich tatsächlich auch, nämlich im politischen Raum. Denn - ohne den Entwicklungsprozeß, den die IuDPraxis damals durchlief, und ohne in diesem Zusammenhang den Entstehungsprozeß der Informationswissenschaft und den ihrer Etablierung im akademischen Bereich im einzelnen nachzeichnen zu wollen - ist festzustellen, treibende Kraft war hierzulande letztenendes nicht der tätige Wille der immer komplexer und vielfältiger werdenden Dokumentationspraxis, das selbst empfundene Theoriendefizit durch Gründung der Informationswissenschaft zu überwinden, treibende Kraft für deren Institutionalisierung war vielmehr die Bonner Fachinformationspolitik, die entsprechende Entwicklungen im In- und Ausland intensiv beobachtend den Aufbau eines professionellen Informationswesens als eine aus der Pflicht staatlicher Daseinsvorsorge resultierende Infrastrukturaufgabe verstand und daher durch die Vorbereitung und Umsetzung von Förderprogrammen vorantrieb. Dabei mußte diese Fachinformationspolitik zwangsläufig auch das Dilemma erheblicher Forschungs- und Ausbildungsrückstände im Informationssektor konstatieren und sann folglich auch hier auf Abhilfe (vgl. die sogen. Kunz-Rittel-Studie). Für die bereits zu Anfang der 70er Jahre von Bonn aus konkret ins Auge gefaßte Einrichtung einer Anzahl informationswissenschaftlicher Lehrstühle und Hochschulinstitute hat sich freilich der bundesdeutsche Föderalismus zunächst einmal erst als Hemmschuh erwiesen, da die für den Hochschulbereich zuständigen Länder, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich und vor allem nur in Ausnahmen auf die Initiative des Bundes und sein Starthilfe- und Kooperationsangebot reagierten. Und auch die Wissenschaftswelt selbst war eher lediglich an dem einen oder anderen Aspekt der Informationsproblematik interessiert (so z.B. die Linguistik, Infor-

F 10.2 Selbstverständnis und Forschungsperspektiven

947

matik, Soziologie, Ökonomie, Rechtswissenschaft), als daß sie spontan die Gründung eines eigenständigen Faches mit umfassenden informationsbezogenen Erkenntnisinteressen und Zielsetzungen vorangetrieben hätte, wenn man nicht überhaupt glaubte, in der Informatik bereits ein solches Fach zu besitzen. Und so kam es damals nicht (und auch später nicht mehr) zu einer der Einrichtung der Informatik analogen Gründungswelle informationswissenschaftlicher Hochschulinstitute und Studiengänge. Gleichwohl ließ der Bund im Rahmen seiner Kompetenzen und seiner Förderpolitik nicht locker. Wie auch immer man die Maßnahmen im einzelnen zu bewerten hat, er förderte immerhin - wenn auch in großer Streubreite, d.h. in zahlreichen Hochschuldisziplinen - über viele Jahre hin informationswissenschaftliche Projekte, und konnte damit nicht zuletzt auch die sich aus persönlicher Initiative von Wissenschaftlern regenden Keimzellen der Informationswissenschaft stärken und diesen Initiativen da und dort sogar zum Durchbruch verhelfen und so an der Institutionalisierung doch noch mitwirken. Und was in der Folgezeit, dann freilich unter dem Einfluß einer sich dramatisch verschlechternden Finanzlage, noch von den Ländern geschaffen wurde - und hier muß auch der Fachhochschulbereich mit einbezogen werden - nahm und nimmt sich zwar objektiv bescheiden aus, kann aber keineswegs als quantitd ndgligeable abgetan werden. Daß die Entwicklung der neuen Wissenschaftsdisziplin Informationswissenschaft offensichtlich längerfristige Bewußtseinsprozesse erfordert, wird man der betroffenen Gesellschaft, die ihre Rolle im Informationszeitalter erst noch zu finden hat, wohl zugestehen müssen. Wie schwierig z.B. allein schon die Verortung der Informationswissenschaft, da wo man sie einführte, in den klassischen Fächerkanon der jeweiligen Hochschulen war und ist und wie abhängig vom persönlichen Engagement und von der ursprünglichen wissenschaftlichen Herkunft und Verwurzelung der Akteure der ersten und nicht zuletzt wohl auch noch vom Einsatz der jetzt allmählich nachrückenden zweiten Generation, das zeigt etwa auch ein Blick auf die nach Wiedererlangung der deutschen Einheit erfolgte wissenschaftspolitische Willensbildung, wie ein Blick auf die getroffenen Maßnahmen zur Errichtung informationswissenschaftlicher Forschungs- und Lehrkapazität in den neuen Bundesländern. Gleichwohl, die Informationswissenschaft darf heute als etabliert gelten, das ist Faktum. Und zum Glück gilt das erst recht, wenn man die Blicke über den deutschen Raum hinaus auf Europa und auf Obersee richtet. Konturen und Rolle dieser Informationswissenschaft sind dabei übrigens keineswegs uniform, sie lassen sich aber ablesen an dem - neuerdings meist im Internet mitgeteilten - Selbstverständnis und Forschungshandeln ihrer jeweiligen Vertreter, an der Anziehungskraft ihrer Lehre sowie an ihrer auf die Zukunft der Informationsgesellschaft gerichteten visionären Kraft. Von den genannten drei Momenten ist im folgenden die Rede.

F 10.2

Selbstverständnis und Forschungsperspektiven

Das Informationszeitalter erfordert spezifische Einsichten und nicht unerhebliche (intellektuelle) Kompetenzen wie auch (praktische) Fertigkeiten im Umgang mit Informationstechniken und Informationsverarbeitungsprozeduren und dies nicht nur von wenigen Spezialisten. Was heißt das inhaltlich und wo ist die Vermittlungs-

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Henrichs: Informationswissenschaft

instanz für solche Einsichten und Kompetenzen? Die Antwort ist nicht schnell formuliert, auch wenn Konsens darüber besteht, daß die benötigten Einsichten nicht bloß Einsichten meinen in technische Zusammenhänge und daß dementsprechend auch die im Ausbildungsprozeß zu vermittelnden und anzueignenden Kompetenzen nicht nur technische Kompetenzen sein können. Gewiß ist der Informatisierungsprozeß unübersehbar mit der Installation von Technik verbunden, aber es wäre für seine Einschätzung fatal, würde man ihn auf diese Installationen reduzieren. Die vielfältigen Veränderungen, die die Gesellschaft derzeit treffen, beschränken sich offensichtlich nämlich keineswegs darauf, daß sie mehr und mehr ihren Lebensraum - sozusagen von technischen Apparaten umstellt - mit diesen Maschinen teilen muß. Nicht übersehen werden darf vielmehr, daß wir mit Hilfe dieser Systeme inzwischen in einer völlig neuen Art und in nicht bekanntem Ausmaß unsere Lebenswelt manipulieren, indem wir z.B. diese Lebenswelt in noch nicht abschätzbarem Ausmaße auf immaterielle Weise ergänzen. Sind wir doch dabei, neben der realen virtuelle, verdatete Lebenswelten zu schaffen, die der Bedeutung und ihrer praktischen Wirksamkeit nach der realen Lebenswelt kaum nachstehen werden. Die allenthalben generierten und aktiven Computerassembles dürfen somit keineswegs nur vordergründig verstanden werden als das bloße Arrangement von Rechnern, Bildschirmen, Leitungsnetzen etc., sondern müssen vor allem gesehen werden als Ausdruck einer Weltanschauung in codiertem Zustand, nämlich als Gesamt des (programmierten) „Weltkönnens" und als Gesamt des (retrievalfähig gespeicherten) „Weltwissens". Diese Codierungen stellen dabei keineswegs nur zu Archivierungszwecken geschaffene und somit weitgehend passive Verdoppelungen bzw. Vervielfältigungen oder Widerspiegelungen menschlichen Wissens und Könnens dar, sondern bilden ein ingangesetztes und permanent über Netze aktives, also agierendes und Wirkungen setzendes Weltkönnen, das Weltwissen verwertet, aber auch selbständig neues Weltwissen produziert und sich integriert. Diese allenthalben in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung virulenten Computer-(Daten/Programm-)Welten sind Ergebnis und Ausdruck eines gewissermaßen geistigen „Outsourcing" menschlicher Entscheidungs- und Handlungsfunktionen und Handlungskompetenz. Das aber bedeutet, daß diese Computerwelten, als virtuelle „Verlängerungen" der (realen) Menschenwelt begriffen, im Grunde keine bloße distanzierte Objekthaftigkeit und keine bloße, jederzeit abkoppelbare Instrumentalfunktion mehr besitzen, sondern gewissermaßen mit „Organ"-Charakter eine „Einheit" mit der aktuellen Menschheit bilden. Ein Indiz dafür ist, daß für vom Computereinsatz Betroffene oder an ihm interagierend Beteiligte („Mensch-Maschine-Dialog" in globalen Netzen) menschliches und maschinelles Handeln („real time") zunehmend ununterscheidbar werden. Auch wenn die Computerwelten - zur Zeit jedenfalls immer noch abhängig erscheinen von menschlicher Befehlsgewalt (wir sprechen hier vom „Programmierprimat des Menschen", der freilich gefährdet ist), wachsen sie doch zunehmend in den Status komplementärer „Partnerwelten" hinein, in denen das Abhängigkeitsverhältnis durchaus ein gegenseitiges oder wechselseitiges ist. So ist z.B. die Komplexität einiger Programmsysteme heute schon bereits so groß, daß durch sie produzierte Ergebnisse keiner systemunabhängigen (vom gesunden Menschenverstand allein vorgenommenen) Plausibilitätskontrolle mehr unterzogen werden können, was diese Systeme faktisch etwa extrem änderungs-

F 10.2 Selbstverständnis und Forschungsperspektiven

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resistent und -feindlich sein läßt oder - anders gesagt - strukturkonservativ, was ihre Anwender damit nolens volens über nicht ohne weiteres kalkulierbare Zeit hin ihrem status quo unterwirft. Mühelos lassen sich weitere Beispiele dafür nennen, daß Systembenutzer ihre ursprüngliche Handlungsinitiative nicht behalten und Auswirkungen ihrer Systemnutzung höchstens auf eine kurze Distanz (im Netz) verfolgen können, die Systeme also eine Eigendynamik entwickeln, der sich der Nutzer vermutlich eher anpassen als sich verweigern wird, falls er nicht über überlegene Einsichten und Kenntnisse verfügt. Damit kommen wir - mit verstärktem Problembewußtsein - aber auf die oben bereits gestellte Frage nach der diese geforderten Kompetenzen erarbeitenden und vermittelnden Instanz zurück. Diese Frage zu stellen, heißt, nach einer Wissenschaft zu fragen, die Forschungsprogramme und Lehrangebote vorzulegen vermag, die sich den unverkennbaren Herausforderungen der Informatisierung stellen, denn offensichtlich werden dezidierte und zusammenhängende Erklärungskonzepte der Eigenschaften und Strukturen des verdateten Modus unserer Lebenswelt benötigt. Benötigt werden eine Systematik der Navigationsstrategien für die entstehenden virtuellen Welten, Entwurfskriterien für die diese Welten abbildenden Speichersysteme, eine Methodologie des beherrschbaren Einsatzes solcher Systeme, d.h. eine Methodenlehre für die strukturierte (unerwünschte Manipulationen und Verluste minimierende) Informationsverwaltung und -Verarbeitung und Managementkonzepte sowie Organisationsmodelle für erfolgreiches Informationshandeln und Informationsverhalten. Erforderlich sind nicht zuletzt aber auch prognostische und diagnostische Instrumente und rationale Bewertungskriterien für mögliche gesellschaftliche Folgen der genannten Informatisierung. Was wir soeben beschrieben haben ist nun aber nichts anderes als - das zweifellos sehr ambitiöse - Erkenntnis- und Forschungsprogramm der Informationswissenschaft, die sich in umfassender Weise auseinanderzusetzen versucht mit Informationen, Informationsflüssen, Informationsprozessen, Informationssystemen und -techniken in vielfältigen kommunikativen Situationen und Lebensweltzusammenhängen. Ihr Gegenstand sind in gleicherweise die Methodenprobleme der Ermittlung, Verwaltung und Vermittlung von Informationen und ihrer spezifischen Strukturen und Funktionen in Wirtschaft, Verwaltung und Kultur und in einzelnen Fachund Querschnittsgebieten, wie z.B. Chemie, Medizin, dem Ingenieurwesen, dem Umweltschutz. Ihr Gegenstand sind darüber hinaus auch kognitionspsychologische Fragen des Informationshandelns und dessen gesellschaftliche, ökonomische und rechtliche Bedingungen wie Wirkungen. Diese Informationswissenschaft ist sodann aber vor allem auch die Wissenschaft des organisationsbezogenen strategischen Informationsmanagements und Wissenschaft der Informationswirtschaft und ihrer Funktionalität. Sie ist die vergleichende Wissenschaft der Prinzipien nationaler wie internationaler Informationspolitiken. Sie untersucht mit sozialwissenschaftlichem Engagement mögliche gesellschaftliche Folgen der Informatisierung und sieht sich vor der Aufgabe der Entwicklung einer Informationsethik zur Handlungsorientierung im anbrechenden Zeitalter einer informationstechnischen bzw. kommunikationstechnischen Revolution. Die oben formulierten Postulate erscheinen somit durch die Informationswissenschaft - jedenfalls ihrem Selbstverständnis nach - abgedeckt. Die aufgeführte Vielfalt der Gegenstände und Erkenntnisinteressen bringt

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Henrichs: Informationswissenschaft

die Informationswissenschaft naturgemäß mit zahlreichen anderen Disziplinen und wissenschaftlichen Teilbereichen in enge thematische und methodologische Berührung (z.B. mit Erkenntnistheorie und Hermeneutik, Logik, Wissenschaftstheorie, Psychologie, Linguistik, Sozialwissenschaft, Betriebswirtschaft, Rechtswissenschaft etc.), woraus sich einerseits Abgrenzungsfragen ergeben, andererseits aber auch Möglichkeiten der Arbeitsteilung und (örtliche) Ansätze zu fruchtbarer Kooperation. Mit der Computerwissenschaft (Informatik) beispielsweise teilt Informationswissenschaft über weite Strecken die Beschäftigung mit den Einsatzmöglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechniken, hebt sich aber etwa durch ihr primäres Interesse an Informations- und Kommunikationsprozessen, d.h. an informationell unterstütztem kommunikativen Handeln („pragmatischer Primat der Informationswissenschaft") zwar auch deutlich, aber doch komplementär von ihr ab. Eine traditionelle arbeitsteilige Verbindung besteht zur Bibliotheks- und zur Archivwissenschaft, jedenfalls soweit sich Informationswissenschaft auch noch als Dokumentationswissenschaft versteht und nicht eher unter dem Eindruck wachsender gesellschaftlicher Bedeutung multimedialer Informationsdienste und -systeme zu den Medien- und Kommunikationswissenschaften hintendiert, was übrigens durchaus vorteilhaft auf den klassischen Bibliotheksbereich zurückwirken könnte. Schließlich sei noch ein Kooperationsbereich genannt, der sich seit wenigen Jahren als höchst bedeutsam und zukunftsträchtig erweist und Informationswissenschaft mit Organisations- und Managementwissenschaften in Verbindung bringt. Daß solche und weitere interdisziplinäre Annäherungen und Kooperationen nicht unbedeutende Konsequenzen haben für das ohnehin schon facettenreiche Anforderungsprofil der Vertreter der Informationswissenschaft, mag man aus dem Gesagten leicht ableiten. So fordert und fördert Informationswissenschaft - und das macht sie zweifellos attraktiv - eher den multiwissenschaftlichen Generalisten. Das Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramm muß dem entsprechen.

F 10.3

Akademische Lehre

Curriculare Konzepte sind von Natur aus kurzlebig, sollen sie nicht nur überdauernden allgemeinen Bildungsbelangen dienen, sondern konkreten und zugleich wechselnden Ausbildungsanforderungen genügen. So lassen sich selbst in der noch jungen Geschichte informationswissenschaftlicher Hochschullehre - von den Auswirkungen örtlicher Besonderheiten einmal völlig abgesehen - schon bereits mehrere deutliche Akzentverschiebungen bei den Lehrinhalten nachzeichnen. Erinnert sei an den Wandel von einer anfangs eher (dokumentarischen) methodologischen Ausrichtung über eine mit der Einführung der Arbeitsplatzrechner aufkommenden starken Betonung technischer Ausbildungsinhalte bis hin zu einer Ende der 80er Jahre einsetzenden Interessensverlagerung auf organisationstheoretische bzw. wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen. Stichworte sind hier „Informationsmanagement" einerseits und „Informationsmarkt" andererseits, die in den Bezeichnungen der Lehrveranstaltungen erst vereinzelt, dann planmäßig auftraten. Curricula dürfen freilich nie nur eine an ggf. modischen Ttends der Praxis orientierte Stoffauswahl bedienen, sondern müssen immer den unverzichtbaren Kern der Gegenstands-

F 10.3 Akademische Lehre

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systematik des Fachs im Auge behalten. Ein entsprechender Kompromiß läßt sich derzeit etwa aus der folgenden Liste und Anordnung von Lehrinhalten und Lernzielen ablesen: Grundlagen 1. Einführung in die Informationswissenschaft • Gegenstand und Erkenntnisinteresse der Informationswissenschaft • Kommunikation, Information, Dokumentation: semiotische, hermeneutische, kognitionspsychologische Grundlagen/handlungstheoretische und informationstechnische Modelle • Prozesse der Informationsvermittlung/Kategorien des Informationsmarktes • Politik und Praxis des organisierten Informationswesens • Informationsberufe Methodik und Technik 2. Methodenlehre der Informationsvermittlung • Methoden der Informationsermittlung (Konzepte der Wissensrepräsentation und Wissensordnung; Verfahren der Text-, Fakten- und Bild-Erschließung) • Methoden der Informationsverwaltung (Daten(bank)strukturen, Speichermanagement, Zugriffe- und Verarbeitungsverfahren) • Methoden der Informationsvermittlung (Information-Retrieval, Entwurf von Informations-(Mehrwert)-Diensten) 3. Informationstechnologie, Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen • DV-Techniken: Rechnerarchitekturen, Anwendersoftware (Büroautomation, OCR-Systeme, Elektronisches Publizieren, Datenarchivierung) • Speiebersysteme, Datenbanktypen und Anwendersysteme, Hyper-/Multimedia-Systeme • Planungssysteme, Workflow- und Projektmanagement • Telematik: Rechnerverbünde und Netztechniken, Kommunikationstechniken (Netzdienste, Mail-/News-/Konferenzsysteme, mobile Fernsprechtechnik) • Repro-Techniken: Kopier-/Druck-/Fax-/Mikrofilm-Techniken 4. Kognitive Informationspsychologie • Informationsbedarfsermittlung: Benutzertypologien, benutzer- und problembezogene Informationsangebote • Nachfrage verhalten: Informationsbe wußtsein, Akzeptanzbarrieren, Rezeptions- und Lemverhalten Focus 5. Informationsmanagement • Organisationsbezogenes Kommunikations- und Informationsmanagement (Aufbau-/Ablauforganisation, Systemanalyse von Informations- und Kommunikationsprozessen) • Planung, Realisierung, Qualitätskontrolle organisationsbezogener Informationssysteme und Prozesse (Einsatz von Netzplantechniken, Workflowsystemen) • Information-Resources-Management (Einrichtung und Betrieb organisationsinterner IS, Beschaffung externer Information, DV-Mangement) Umfeld 6. Informationsökonomie • Wirtschaftlichkeitskriterien für Informationseinrichtungen und Informationssysteme (betriebswirtschaftliche Grundlagen und Instrumente, Leistungskriterien, Kosten-NutzenAnalyse) • Informationsmarktentwicklung (Struktur der Informationswirtschaft, staatliche/private Informationswirtschaft, Produktpolitik, Preisgestaltung, Informationsmarketing)

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7. Informationsrecht und -politik • Informationsgrundrechte (Verfassungsrechtliche Grundlagen, Internationale Konventionen) • Schutzrechte (Datenschutzrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Haftungsrecht, Telekommunikationsrecht/DV-Recht) • Nationale und internationale Informationspolitik und -programme • Weltinformationsordnung

Reflexion 8. Information und Gesellschaft • Informationsgesellschaft: Informatisierung als geistige Industrialisierung • Auswirkungen der Informatisierung auf soziale Makro- und Mikrobereiche • Humanisierung der Informationsarbeitswelt/Telearbeit • Informationsethik.

Mit einem an diesen Schwerpunkten bei örtlich unterschiedlichen Akzentsetzungen orientierten Studienangebot, das sich einer beachtlichen Nachfrage erfreut, werden in Deutschland seit Jahren erfolgreich Eingangsvoraussetzungen geschaffen für explizite Informationsberufe wie Wissenschaftliche Dokumentare, Informationsvermittler, Wissensingenieure, Informationsredakteure, Informationsmanager, Informationswissenschaftler etc. in öffentlich-rechtlichen wie in privatwirtschaftlichen Einrichtungen, Unternehmen und Organisationen. Darüber hinaus bieten die Studiengänge, die von vielen Studierenden auch im Nebenfach oder im Sinne des klassischen Studium Generale belegt werden können, nicht zuletzt auch die Möglichkeit des Erwerbs einer gefragten Zusatzqualifikation, die befähigt, die Herausforderungen der Informationstechnologien, die mehr oder weniger alle Berufe treffen, annehmen und sie erfolgreich bestehen zu können. Schließlich stellen die informationswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen ein attraktives Forum dar für eine fundierte Auseinandersetzung mit dem heute so oft beschworenen gesellschaftlichen Veränderungen und leisten so einen Beitrag zu Analyse und Kritik des Zeitgeistes.

F10.4

Visionen

Jede Praxis, deshalb auch die Informationspraxis, hat eine Tendenz zur Standardisierung ihrer methodisch-technischen Handlungsformen, sofern sie sich bewähren, und hat damit auch die Tendenz zu einer Standardisierung ihrer Handlungslegitimationen, mit denen sie in der Öffentlichkeit auftritt. Bekannt sind diese Vorgänge unter dem Begriff der Normenbildung. Diese Standardisierungen wirken nicht nur nach außen, sondern auf die Praxis selbst zurück, schaffen Handlungssicherheit und verstärken Selbstbewußtsein und erfolgen in der Regel durch Ausformung von festen, nach und nach von einem breitem Konsens getragenen sogenannten Paradigmen, man kann sagen, von Musterstrategien und Musterbegründungen des Handelns, in unserem Falle also des Informationshandelns, die auf einer gegebenen universellen Ein- und Wertschätzung von Information beruhen. Den Ursprung solcher Paradigmenbildung einwandfrei ausfindig zu machen, ist nicht immer leicht. Praxis und anwendungsorientierte Wissenschaft kommen je beide als Quelle in Frage; im allgemeinen dürfte die Paradigmenbildung aber wohl im Wechselspiel beider erfol-

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gen. Da nun das Wirkpotential dieser Paradigmen erheblich ist, wird man eine kritische Beobachtung fordern müssen, und da die naturgemäß nicht von der Praxis zu erwarten ist, kann der Wissenschaft die Rolle einer diesbezüglichen Wächterin nicht erspart bleiben, ja man wird ihr dementsprechend auch ein höheres Maß an Verantwortlichkeit für diese Paradigmen zuschreiben müssen. Konkret heißt dies aber: Da wir heutzutage der gesellschaftpolitischen Funktion des Informationshandelns eine herausragende zukunftsbestimmende Bedeutung zumessen, müssen wir eine aktive Rolle der Informationswissenschaft bei der Entwicklung, Förderung oder Kritik, aber auch bei einer ggf. notwendigen Korrektur oder Überwindung der Paradigmen dieses Informationshandelns fordern und formulieren. Wir nennen die Fähigkeit der Informationswissenschaft, diese Paradigmen in ihrer Verantwortung vor der Gesellschaft zu beeinflussen, ihre visionäre Kraft. Wo aber wäre diese zu erkennen und wie könnte sie sich äußern? Betrachtet man nämlich das bisher skizzierte Bild der Informationswissenschaft näher, ist einwandfrei festzustellen, daß bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt - sicherlich bedarfsgerecht - ihr anwendungsorientierter Teil am weitesten entwickelt ist. Der Vorrang dieser „Angewandten Informationswissenschaft" erklärt sich eben leicht mit dem oben erwähnten Herauswachsen aus einer vorgängigen Praxis, die nach einer systematisierten Methodenentwicklung und -Evaluation verlangte und daher nicht primär diese vorausliegenden „axiomatischen" bzw. vorauseilende visionären „teleologischen" Fragen stellte. Die inzwischen aber unverkennbare Metamorphose der menschlichen Gesellschaft zu einer Informationsgesellschaft läßt eine weitere Zurückstellung und Formulierung einer bisher ausstehenden „Allgemeinen Informationswissenschaft" oder Informationsphilosophie, die Sinnfragen stellt und zu beantworten versucht, jedoch nicht länger mehr zu. Es ist an der Zeit, sich nicht mehr nur pragmatisch, methodologisch-technisch mit möglichen Lösungen der Informationsproblematik auseinanderzusetzen, sondern nach grundsätzlicheren Orientierungsmustern für die Informationsgesellschaft zu forschen. Angesprochen ist damit eine Grundlagenarbeit, die sich leiten läßt von einem explizit sozialanthropologischen bzw. kulturanthropologischem Interesse, das Informationen, Informationssysteme und Informationprozesse in erster Linie und prinzipiell als (zwischenmenschliche) „kulturstiftende Ereignisse" interpretiert, deren Wesen sich aus dem Wesen menschlicher Rationalität ergibt, sofern diese nämlich als prinzipiell „kommunikable", d.h. „kommunikationsoffene" Rationalität verstanden wird. Anders gesagt, gemeint ist ein Interesse, dem es um die Klärung der Frage geht, was Menschen zu (in spezifisch menschlicher Weise) intersubjektiv-vernetzten informationsverarbeitenden Systemen macht, wie diese intersubjektiv funktionieren und wo der evolutionäre Nutzen dieser Funktionalität liegt z.B. im Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen Individuen und zwischen Individuum und Gesellschaft. Die hier intendierte Konstitutionstheorie von Information im Sinne eines existenzialen Prozesses betrachtet das Informationshandeln und -verhalten des Menschen, um es noch einmal anders zu sagen, als einen den Menschen charakterisierenden Wesenszug, der konstitutiv für seine kulturstiftenden und kulturtradierenden und damit gesellschaftbegründenden Aktivitäten ist, im Unterschied etwa zu einer (bloß) biologisch-organismischen Informationstheorie vom Menschen mit (primär) arterhaltender Funktion oder im Unterschied zu einer nachrichtentechnischen Informations-

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theorie, die primär die Bedingungen der Funktionalität (nichtmenschlicher) technischer Systeme in den Mittelpunkt ihres Erkenntnisinteresses stellt und kommunikationssemantische Fragen außer Acht läßt, oder zumal auch im Unterschied zu einer verkommerzialisierten Betrachtungsweise des Informationswesens, die es einseitig als Marktsegment (Stichwort „Information als Ware") interpretiert, den Einflüssen von Marktmechanismen ausgesetzt, einer Sichtweise, der es nur um den geldwerten Ressourcencharakter von Information geht. Was können demgegenüber sozialanthropologisch bzw. kulturanthropologisch fundierte Orientierungsmuster dagegensetzen und wie können sie allererst überhaupt aussehen? An einer kurzen Kritik derzeit vorherrschender Paradigmen des Informationshandelns sei verdeutlicht, daß sich Informationswissenschaft die geforderte Wächterrolle bislang noch nicht deutlich genug zu eigen gemacht hat. Wer eine solche Rolle ablehnt, mag immerhin der Sache nach nachdenklich werden. Gewissermaßen als Etiketten solcher derzeit geltenden Paradigmen, die vorwiegend im Bereich der Wirtschaft ihren Ursprung haben, mehr und mehr aber ihrer metaphorischen Eindringlichkeit willen auch in anderen Bereichen nachgeredet und beachtet werden, nicht zuletzt auch im Wissenschaftsraum, seien die folgenden Schlagworte bzw. Formeln genannt, die sich in zahllosen Publikationen und auch in Regierungspapieren finden und damit geläufig und verbreitet sind. Ein erstes solches paradigmatisches Schlagwort lautet z.B.: „Information ist Rohstoff', Rohstoff im Sinne verwertbaren und zu verwertenden (Fakten-)Wissens. Information gilt in diesem Verständnis als wichtige Ressource und löst entsprechende planvolle Maßnahmen des Umgangs mit dieser Ressource aus, d.h. Maßnahmen zur Beschaffung und Verwaltung und Nutzung (ja Ausbeutung) dieser Ressource. Man spricht folgerichtig im Zusammenhang mit einer solchen Informationsbewertung auch vom Erfordernis eines entsprechenden Ressourcenmanagements. Das Wertsystem, das dieses Grundverständnis von Information leitet, läßt sich als „Informationsmaterialismus" charakterisieren. Ein anderes Paradigma wird angesprochen, wenn Information als „Produktionsfaktor" ausgegeben wird, als erforderliches und verfügbar zu machendes know how, das neben Kapital und Arbeit, z.B. in Form von Managementleistung (im Sinne von Entscheidungen auf der Grundlage komplexer Informationsanalysen), Produktionsprozesse oder allgemeine Problemlösungsprozesse steuert, das dabei u. U. auch kompensatorisch zu anderen Produktionsfaktoren auftritt und zum Exportartikel wird. Wichtig sind in diesem Zusammenhang z.B. Fragen des Besitzverhältnisses und der Verfügbarkeit von Information, die ihre Bewertung und Beantwortung nach Maßgabe des zugrunde liegenden Gesellschaftssystems erfahren, also ggf. Ausdruck eines „Informationskapitalismus" sind. Ein drittes noch zu nennendes Paradigma äußert sich in der Bestimmung von Information als wichtigem „Wettbewerbsfaktor". Gerade an diesem Beispiel läßt sich auf die nicht unerheblichen Folgen der praktischen Verwertung dieser Handlungsparadigmen aufmerksam machen: Im Wettbewerbskontext heißt z.B. ein oft wiederholter Werbeslogan: „Vorsprung durch Information". Die inzwischen meist kommerziellen Anbieter von Informationsprodukten und -diensten haben mit diesem Slogan einmal ihren eigenen Vorteil im Auge, denn Information gilt längst selbst als marktfähige „Ware". Sie appellieren mit diesem Slogan aber vor allem an das Informationbewußtsein ihrer Kunden und verheißen durch konsequente Inför-

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mationsnutzung größere Wettbewerbsfähigkeit und damit größere Erfolgschancen auf Inlands- und Auslandsmärkten. „Vorsprung durch Information" wendet sich inzwischen konsequenterweise auch an die Wettbewerber in Wissenschaft und Technik und verspricht auch dort schnellere und größere Erfolge und Entwicklungsleistungen. „Vorsprung durch Information" präsentiert sich so als erfolgreicher Slogan des Absatzmarketings, aber nicht nur das. „Vörsprung durch Information" oder auch „Erfolg durch Information" sind zugleich auch wirkungsvolle Formeln des „Legitimationsmarketings" zur Rechtfertigung nicht geringer Investitionen z.B. in Informationstechnik, aber auch zur Rechtfertigung für die Politik der Industriestaaten, die schon vor Jahren begannen, das moderne Informationswesen als gewichtigen weltwirtschaftlichen Faktor zu werten und durch millionenschwere Förderprogramme zu subventionieren. Daß Information damit auch zu einem gewichtigen Machtfaktor wird, weil als Herrschaftswissen einsetzbar und auszuspielen, mag hier nur noch angedeutet werden. Im Sinne der demgegenüber vorgeschlagenen künftig stärker sozial- und kulturanthropologisch orientierten Informationswissenschaft müssen die soeben skizzierten Paradigmen, die ausschließlich im technologischen und ökonomischen Denkraum wurzeln, sicher kritisch als einseitig, wenn nicht sogar als defizitär bezeichnet werden. Den Beweis liefern die unerwünschten Folgen der konsequenten Verwendung dieser Paradigmen, wie die Praxis zeigt: Die Herausbildung von Informationsmonopolen und folglich auch die Herausbildung von Verdrängungswettbewerb, Zugangsprohibition über Preise infolge extremer Überbewertung des Warencharakters der Information und schließlich die Herausbildung einer Informationsklassengesellschaft von Informationsbesitzern auf der einen und von Informationshabenichtsen auf der anderen Seite. Diese Folgen sind human und sozial unzweifelhaft weitgehend unverträglich, was die geschilderten Handlungsmodelle aber eindeutig disqualifiziert. Da werden dann aber neue Paradigmen erforderlich. Nun ist ein tiefgreifender Paradigmenwechsel - jedenfalls in absehbarer Zeit kaum realistisch, gleichwohl muß wenigstens eine Korrektur und Ergänzung der skizzierten herrschenden Handlungsmuster eingeleitet werden und zwar eben durch solche Paradigmen, unter deren Maximen wir uns menschendienlicher den Herausforderungen der Informatisierung zu stellen vermögen. W e aber könnten solche Paradigmen aussehen? Hier sind einige Vorschläge solcher Leitsätze, die Kennzeichen künftigen alternativen Informationshandelns sein sollten: • "Information überwindet kommunikationshemmende Barrieren" • "Information gleicht Bildungsunterschiede aus und hilft Bildungsrückstände aufzuholen" • "Information wehrt einseitigem Spezialistentum und unheilvoller sozialer Isolation" • "Information hat transkulturelle Brückenfunktion und fördert multikulturelle Toleranz" • "Information ist die Voraussetzung selbstbestimmter freiheitlicher Lebensführung" • "Information ist Aufklärungsfaktor und bewahrt vor Barbarismen"

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usw.; vorausgesetzt ist jeweils die Grundüberzeugung, daß Informationshandeln ein verbürgtes Grundrecht des Menschen ist, basierend auf einem Grundbestand des Gutes Information, auf den jedermann Anspruch hat bzw. von dem wenigstens niemand ausgeschlossen werden darf. Alle diese möglichen das Informations- und Kommunikationshandeln bestimmenden Maximen - die meisten sprechen für sich, wiewohl ihnen natürlich noch detaillierte Inhalte und Begründungen und auch Strategieempfehlungen zu entsprechendem konkreten Handeln zugeordnet werden müssen, was im Rahmen dieses Kapitels aber nicht geleistet werden kann, alle diese Maximen haben eines gemeinsam: Sie stellen den Menschen, den einzelnen Menschen wie auch sein Agieren in gesellschaftlichen Gruppen in ihren Mittelpunkt, denn sie dienen ihrem Wesen nach den Formen dialogischer Kommunikation, die den Menschen existenziell bestimmen. Die dialogische Kommunikation macht damit aber unzweifelhaft den Kernbereich der geforderten neuen Informationskultur aus, die nicht mehr allein beherrscht wird von den i.d.R. nur mit Ellenbogen realisierten Gesetzen des Marktes. Eine Informationswissenschaft, die die beispielhaft formulierten und darüber hinaus ähnliche Paradigmen entwirft und in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs wie in die Informationspraxis zu diffundieren versteht, wird unbestreitbar einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der vorerst noch kaum zu erkennenden Kultur der gegenwärtigen und künftigen Informationsgesellschaft leisten. Hinzuzufügen ist noch, daß es sich bei dieser hier intendierten Informationskultur um nichts anderes als um eine globale Kultur (auf der Grundlage einer impliziten Weltinformationsordnung) zu handeln hat, das meint zumal eine Informationskultur unter Einschluß auch der heute noch von den Entwicklungen im Informationsbereichs weitgehend ausgeschlossenen Länder der sogenannten Dritten Welt. Damit eine globale Informationskultur dieser Qualität aber tatsächlich entsteht und befördert wird und als Ziel nicht völlig utopisch bleibt, muß sich Informationswissenschaft für dieses Ziel so schnell als möglich entscheiden und einsetzen. So benötigen wir heute die Vision einer „Informationswissenschaft 2000", die sich primär weder von der Technik noch auch vom Markt her definiert, die vielmehr in erster Linie als Kultur- und Entwicklungswissenschaft agiert und sich in Forschung und Lehre umfassend mit Ermöglichung und Verbesserung der als existenziell angesehenen interkulturellen dialogischen Kommunikation auseinandersetzt.

Literatur Da ziemlich alle in diesem Werk genannte Literatur den Gegenstandsbereich der Informationswissenschaft berührt und damit auch Auskunft gibt über Methodenfragen und Technikbewertung, wird hier auf eine wiederholende Auflistung verzichtet und auf die Schrifttumsangaben zu den einzelnen Kapiteln verwiesen. Selbstdarstellungen, die über die jeweils aktuelle Programmatik Auskunft geben, finden sich auf den Internet-Seiten der informationswissenschaftlichen Institute z.B. an den Universitäten in Berlin, Düsseldorf, Konstanz, Saarbrücken; von dort aus sind fachlich wichtige Einrichtungen und Inhalte in aller Welt erreichbar. Genannt werden hier darüber hinaus folgende Studienführer:

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01. Gaus, Wilhelm: Berufe im Archiv-, Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen. Ein Wegweiser zur Ausbildung, 3. Aufl., Springer Verlag. Berlin, Heidelberg, New York etc. 1994 02. Schröder, Thomas Α.: Information Science in Europe. Α Study Guide, IOS-Press. Amsterdam, Oxford, Washington, Tokyo 1994

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Tendenzen der Information und Dokumentation

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Reisen wir auf den Datenautobahnen in eine neue (Un-) Gewißheit?

Statt einer Einleitung stellen aktuelle Fragen Hans-Dieter Burneleit, Rafael Capurro, Werner Rehfeld, Wilhelm Wissmann und Gernot Wersig, zum Beispiel: Wächst mit unserem Tempo auf den Datenantobahnen unser Wissen? Internet: Informationstransport vorbei an Verlagen, Bibliotheken, Buchhandlungen? Förderungspolitik: Auf alte Fragen neue Antworten? Rehfeld: Leider können nicht alle Autoren des Kapitels „Tendenzen der Information und Dokumentation" an diesem Gespräch teilnehmen; um so mehr soll es unsere Aufgabe sein, auf Trends und Entwicklungen hinzuweisen, die in den Textbeiträgen nicht genügend berücksichtigt werden konnten; hierbei soll es uns, wie auch in den Textbeiträgen geschehen, hauptsächlich darauf ankommen, Aspekte und Tendenzen facettenartig anzusprechen. Wir wollen und können keinen systematischen Ansprüchen genügen und die angeschnittenen Themen nicht erschöpfend analysieren. Herr Wersig konnte leider nicht kommen. Ihn mit einer Konferenzschaltung zu uns zu holen, wäre weniger ein technisches Problem gewesen; diese Kooperationstechnik war vielmehr ein finanzielles, für uns unlösbares Problem. Ich habe deshalb mit Herrn Wersig vereinbart, ihm bei anderer Gelegenheit einige unser Gespräch ergänzende Fragen zu stellen (siehe am Ende dieses Beitrages). Unsere Fragen sollen für die aktuelle „Information und Dokumentation" relevant sein; gewiß eine Gratwanderung zwischen einem zu weiten und einem zu engen Begriffsverständnis, zwischen ehrwürdiger Dokumentationstradition und modisch angepaßter Abschweifigkeit. Solche Fragen zu stellen erleichtert aber sicherlich die eigene Identitätsfindung in Zeiten des radikalen Wandels. Wir werden uns mit soziokulturellen Aspekten beschäftigen müssen; beispielsweise mit Konsequenzen der neuen Techniken für unsere Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz. Aber wir vergessen trotz notwendiger Exkurse selbstverständlich nicht, immer wieder auf den Boden der praktischen Information und Dokumentation zurückzukehren. Ein Leitmotiv wird unser Gespräch durchziehen: Internet! Alle sprechen über Internet und Datenautobahnen, über globale Vernetzung und die große Freiheit des Publizierens. Jeder Internet-Teilnehmer kann jederzeit veröffentlichen und weltweit seine Produkte anbieten; und jeder Internet-Teilnehmer kann diese Angebote nutzen: Ein Austauschprozeß, der über leistungsstarke Netze mit großer Geschwindigkeit stattfindet. Wir werden darüber sprechen müssen, immer wieder während unserer Diskussion. Aber zunächst die Frage nach der Rolle des Verlages in einer durch Informationstechnik radikal veränderten Situation. Inwieweit ist die historische Verlagsrolle, orientiert am Druckmedium, neu zu bestimmen? Der Verlag verfügt mit Lektorat

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und Redaktion über inhaltliche, fachliche Kompetenz, und im kritischen Dialog mit den Autoren geschieht eine Qualitätskontrolle und -Steigerung des entstehenden Produktes. Der Verlag selektiert als Filterinstanz; er ist eine Sammelstelle, wo Inhalte systematisch dargestellt und geordnet werden; er tritt in finanzielle Vorlage und finanziert zunächst auf sein Risiko die Auflage. Ist in Zeiten des Internets und der Datenautobahnen die Instanz Verlag für den Produktions- und Distributionsprozeß überhaupt noch erforderlich? Wenn jeder seine Botschaft weltweit öffentlich anbieten kann? Erscheint nicht wieder ein Benutzerbild, die Vision von einem Benutzer, aus den Anfängen der Btx-Diskussion in bleibender Erinnerung? Der total emanzipierte Benutzer, der sein eigener Lektor und Redakteur ist, niemandem Untertan, durch niemand und nichts manipuliert? Unabhängig von jeder Filterfunktion? Oder ist das Bild von diesem emanzipierten Benutzer eine Illusion, eine Sinnestäuschung, verursacht durch allzu emphatische Einschätzungen technischer Möglichkeiten? Burneleit: Der Verlag hat in Zeiten des Internets eine noch größere Existenzberechtigung als früher; trifft er doch die Entscheidung über wichtig und unwichtig. Der Verlag wählt aus in Zeiten des Internet-Angebots, das ans Maßlose grenzt. Er tut prinzipiell nichts anderes als bisher: Auch aus Unmengen von Papier hat der Verlag immer schon nach Qualitätskriterien ausgesondert. Für die Produktqualität bürgte und bürgt sein Name, manchmal schon jahrhundertelang. Daran wird sich in Zeiten der elektronischen Medien nichts ändern. Rehfeld: Je höher die Informationsflut steigt, um so nötiger sind die Lotsen, die nach Qualitätskriterien navigieren. Sind die besonderen Vorzüge des Internets unter solchen Qualitätsansprüchen auch als Nachteil zu sehen? Burneleit: Wir sprechen im Zusammenhang mit „Fachinformation" über einen kleinen Bruchteil des Internets. Der größte Teil beschäftigt sich mit Warenverkauf, mit verschiedenen Formen des Entertainments, mit dem Austausch von Hobbyinformationen, mit aktuellen Diskussionsthemen usw. In diesen Bereichen ist Internet sicherlich konkurrenzlos. Aber im Bereich der Fachinformation und Fachliteratur bietet Internet hauptsächlich einen veränderten Vertriebsweg. Die historische Verlagsrolle ist geblieben, wozu auch gehört, den Erhalt dokumentationswürdiger Information für die Zukunft zu garantieren; ein sehr wichtiger Aspekt, der nicht dem freien Spiel der dynamischen Tfechnikentwicklung überlassen werden darf. Wissmann: Internet besitzt auch für die Fachinformation Vorzüge, die nicht zu unterschätzen sind. Ein Autor wartet auf das Lektorat eines Verlages oft Monate, manchmal auch mehr als ein Jahr, bis sein Beitrag veröffentlicht wird. Im Internet kann er schnell und billig publizieren. Hier ist er sein eigener Herr. Zweifelsohne hilft Internet dem Autor, der seine Ideen schnellstens „an den Mann" bringen und der erste sein möchte, der sie publiziert. Aber hilft es auch dem Benutzer? Ist es nicht rein zufällig, ob er eine für ihn relevante Veröffentlichung findet oder nicht? Wird der potentielle Leser sich eine Veröffentlichung von 300 Seiten ausdrucken lassen? Ich meine: Nein. In den meisten Fällen wird er es bevorzugen, wenn das Verlagslektorat eine Veröffentlichung vorgeschaltet hat und diese ausgedruckt auf Papier vorliegt. Er wird mehr Sicherheit gegenüber dem, was er liest, empfinden. Für Kurz-, für Ausschnittinformationen ist Internet gut brauchbar; hier funktioniert

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es ähnlich wie eine Zeitschriftendatenbank. Was darüber hinausgeht, bleibt Sache des Verlages, seines Lektorates und der Buch- oder Zeitschriftenpublikation. Rehfeld: Herr Wissmann, der zukünftige Verlag wird über digitalisierte Informationen verfügen. Er kann aus seinem Speicher Produkte auf verschiedenen Trägern z.B. Papier, CD-ROM herstellen; er kann diesen Speicher aber auch über ein Netz der Öffentlichkeit anbieten, online für den allgemeinen Zugriff öffnen. Damit hätte der Verlag eine Hostfunktion übernommen. Sie haben in Ihrem Beitrag anschaulich dargestellt, wie sich eine Dokumentationsstelle aus traditionellen Ursprüngen in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat; Sie haben einen eigenen Verlag gegründet, der Bücher herausbringt. Pointiert gesagt: Der historische Verlag hat mit Büchern und Zeitschriften begonnen und mußte sich im Zuge der technischen Entwicklung als Produktionsmittel einen Speicher aneignen und die Host-Funktion übernehmen. Für die historische Dokumentationsstelle geschah der Prozeß umgekehrt; zunächst war der Speicher da, dann folgten die Bücher. Sind die traditionellen Grenzen zwischen Verlag und Hostbetreiber durchlässig geworden? Verfügt nicht jeder über einen guten Teil des anderen? Wissmann: Ja, sicherlich! Das IRB verfügt beispielsweise über die Datenbank SCHADIS, das Informationssystem zu den Bauschäden. SCHADIS enthält Volltexte und Bilder. In dieser Datenbank kann der Benutzer schnell erfolgreich recherchieren, sich Ausschnittinformationen beschaffen. Wenn ihn aber komplexe Zusammenhänge interessieren oder theoretische Ableitungen, wird er auf das zugrundeliegende Buch zurückgreifen, das im IRB Verlag erschienen ist. Wir haben Autoren, die für uns schreiben wie für jeden anderen Verlag; und wir haben Lektoren wie jeder Verlag. Burneleit: Wenn wir davon ausgehen, daß auch in Zukunft die traditionellen Verlagsaufgaben benötigt werden, ist damit nicht gesagt, daß allein die traditionellen Verlage elektronische Medien publizieren werden. Es werden ganz neue Produzenten und Konkurrenten dazukommen; und nur diejenigen werden auf Dauer erfolgreich sein, die sich auf das elektronische Publizieren am besten verstehen; das können beispielsweise der Leiter eines Forschungsinstitutes oder ein Hostbetreiber sein. Wir alle müssen uns auf fremde Wettbewerber einstellen. Hehfeld: Herr Burneleit, Sie weisen in Ihrem Beitrag darauf hin, daß das Wissen, das in einem Verlag existiert - Sie sprechen von „Substanz" - durchaus mit verschiedenen Medien, auf verschiedenen Trägern publiziert werden kann, auf Papier, einer CD-ROM oder online angeboten wird. Sie sprechen bei diesem Prozeß von einer Qualitätssteigerung, von einem Mehrwert, der dadurch entsteht, daß eine Information auf verschiedenen Medien zur Verfügung steht und der Benutzer individuell entscheiden kann, welches Medium für ihn den größten Vorteil hat. Einem solchen „Medienmix" liegt der komplementäre Charakter der verschiedenen Medien zugrunde. Wenn sich die Medien auf diese Weise ergänzen, läßt sich dann von vornherein ein multimediales Produkt planen? Läßt sich entscheiden, welcher Teil der Botschaft mit welchem Medium zu transportieren ist? Was sind die besonderen Eigenschaften einer Information? Was sind die besonderen Eigenschaften eines Mediums? Und wie passen diese Eigenschaften Information/Medium zusammen? Gibt es ein solches multimediales Produktdesign? Burneleit: Wir haben im Verlag C.H. Beck das „Bürgerliche Gesetzbuch" in fünf Varianten herausgebracht: als CD-ROM und als Buch und als Diskette und Kombi-

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nationen des Buches mit CD-ROM bzw. Diskette. Die Benutzer entscheiden, welche Variante sie bevorzugen. Dieses Benutzerverhalten ist kaum zu prognostizieren. Was sind Benutzerbedürfnisse in fünf oder zehn Jahren? Heute weiß niemand die Antwort. Deshalb ist es wichtig, daß der Verlag oder jeder andere „Publikateur" sein Wissen, seine „Substanz" möglichst medienneutral für die Zukunft bereit hält und speichert, damit jederzeit entschieden werden kann, welches Medium für die Publikation benutzt werden soll. Wichtig ist, diesen Speicher so zu organisieren, daß er für den Zugriff immer transparent bleibt, etwa mit SGML. Capurro: Wir sprechen über verschiedene Medien, dürfen aber nicht vergessen, daß die gesprochene Sprache das natürliche Medium ist und trotz aller Technikentwicklung bleibt: Von Angesicht zu Angesicht miteinander reden. Ich als Hochschullehrer rede mit den Studenten. Die neuen elektronischen Medien stellen aber die Notwendigkeit meiner physischen Anwesenheit prinzipiell in Frage. Mit welchen Folgen ist beispielsweise für Schulen und Universitäten zu rechnen? Schon aus Kostenund Platzgründen kann es nicht so weitergehen wie bisher. Wir dürfen hierbei aber nicht vergessen, daß jedes Medium eine spezifische Eigenschaft und Leistung besitzt, die nicht auf andere Medien übertragbar sind; nur Teile sind übertragbar. Schon Piaton hat den Verlust des gesprochenen Wortes beklagt, verglichen mit dem geschriebenen Wort. Wenn wir über die verschiedenen Medien sprechen, über die Möglichkeiten ihrer komplementären Ergänzung, müssen wir auch die eigene, nicht austauschbare Leistung eines Mediums kennen. Wir haben von der Aufgabe des Verlages gesprochen, durch Lektorat und Redaktion Qualität zu garantieren und zu steigern. Diese historische Verlagsaufgabe bleibt auch in Zukunft erhalten. Daneben hat es aber immer schon Kommunikationskanäle ohne Verlag gegeben. Beispielsweise haben sich in früheren Jahrhunderten die Gelehrten Briefe geschrieben. So hat früher die „scientific community" funktioniert; Luther, Erasmus, Leibniz, Voltaire usw. waren hervorragende Briefschreiber. Sie haben ihre Bücher als Verlagsprodukte veröffentlicht und gleichzeitig bilateral rege korrespondiert. Die E-Mail ist ein modernes Korrespondenzmedium; das Briefeschreiben erlebt mit der E-Mail eine Renaissance, allerdings mit dem Unterschied, daß heute für den Briefschreiber eine große Empfängerzahl zu erreichen ist. Ein Publikationsweg am Verlag vorbei, ohne Lektor und Redakteur, ohne jede Fremdkontrolle. Hehfeld: Sie sprachen über das gesprochene Wort als Medium. Die Kommunikation mittels des gesprochenen Wortes verlangt, daß ich, will ich mir beispielsweise eine Information beschaffen, auf die Agora, das Forum oder in die Kneipe gehen muß, daß ich mit anderen reden und soziale Kontakte suchen muß. Vielleicht noch bei einem Glas Wein, um die guten Geister zu wecken. Zur Informationsbeschaffung und zum Informationsaustausch gehört diese „sinnliche" Atmosphäre: Ich höre das Timbre einer Stimme, beobachte die Körpersprache des Partners, habe Blickkontakte, vielleicht Körperkontakte usw. Welche Situation entsteht durch die modernen Medien? Muß ich meine vier Wände überhaupt noch verlassen? Wird mein soziales Verhalten, meine soziale Sensibilität nicht reduziert? Ist das nicht eine gefährliche Entwicklung im doppelten Sinn? Meine soziale Kommunikationsfähigkeit wird geringer, was meinem psychischen Befinden schaden muß, und gleichzeitig wird meine gesellschaftliche Integration schwieriger. Hat die Art der Mediennut-

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zung nicht ganz unmittelbare Auswirkungen auf unser Vermögen, kommunizieren zu wollen und zu müssen? Capurro: Diese Gefahr sehe ich genauso. Vermutlich wird aber die Kommunikationstechnik in anderer Hinsicht eine kaum vorstellbare Bereicherung interkultureller Kontakte ermöglichen. Wissmann: Das Fernsehen hatte schon diesen Effekt zur Folge. Alte Menschen sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher und ruinieren die letzten Reste ihrer sozialen Kontaktfähigkeit. Zu unserer Diskussion über die zentralen Verlagsfunktionen ist noch nachzutragen, daß der Verlag mit seiner Vertriebsorganisation auch dafür zu sorgen hat, eine möglichst große Zahl von Empfängern zu erreichen. Rehfeld: Der Verlag übernimmt das Risiko, die Auflage vorzufinanzieren. Wissmann: Der Verlag ist für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, für den Vertrieb. Capurro: Im Internet entfallen aber genau diese traditionellen Verlagsaufgaben. Der Autor ist sein eigener Verleger und überhaupt nicht auf die Unterstützung eines Verlages angewiesen, weder auf seine fachliche Kompetenz noch auf sein Kapital, weder für die Produktion noch für die Distribution. Rehfeld: Noch eine Frage zur Renaissance des Briefeschreibens mit E-Mail. Die frühere Briefkultur hat ganze Epochen geprägt. Goethe und Schiller waren beide hervorragende Briefschreiber, und Goethes erster großer internationaler Erfolg war ein Briefroman „Die Leiden des jungen Werther". In der Romantik entwickelte sich der Brief zu einer literarischen Kunstform. Herr Capurro, Sie sagten, mit der E-Mail erlebe das Βriefschreiben eine Renaissance. Allerdings ist mir aufgefallen, daß die Sprache vieler E-Mail-Briefe oft nur bescheidenen Ansprüchen genügt. Höflich gefragt: Woran liegt es, daß das Ausdrucksvermögen vieler E-Mail-Schreiber so beschränkt ist? Daß Sprache besonders in diesem Medium so weit verkommt, daß sehr oft gegen die einfachsten Grammatik-Regeln verstoßen wird? Ist jedes Medium so Stil- und sprachprägend? Burneleit: Jedes Medium hat seine eigene Sprache. Die Telefonsprache unterscheidet sich von der Briefsprache. Mit einem wertenden Urteil sollten wir allerdings vorsichtig sein. Wer eine Zeichnung von Dürer oder Rembrandt genau studiert hat, kann sich kaum vorstellen, daß ein bedeutender Künstler mit dem Kugelschreiber zeichnet; und doch ist eine Hochkultur mit diesem Instrument denkbar. Neue Medien, die zunächst im Vergleich mit früheren Medien als primitiv eingeschätzt werden, eröffnen für eine kreative Phantasie plötzlich neue, andere Ausdrucksmöglichkeiten. Capurro: Die Materialität eines TVägers verändert eine Botschaft. Die Vorstellung eines wertneutralen Mediums wäre falsch. Burneleit: Als Lektor glaube ich manchmal erkennen zu können, ob ein Autor seinen Text zunächst mit der Hand auf Papier geschrieben, ob er ein Diktiergerät oder eine Textverarbeitung benutzt hat. Capurro: Die Instrumente, die Medien sind ein Stück von uns, sind wir selbst. Rehfeld: Die Historie lehrt uns, daß neue Medien wie eine geschichtliche Basis-Innovation wirken können und rückblickend mit ganzen Epochen gleichgesetzt werden. Die Erfindung des Buchdrucks als Voraussetzung der Reformation, die des Rundfunks als Voraussetzung für Faschismus und Nazismus und die moderne Infor-

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mationstechnologie als Voraussetzung für welche gesellschaftliche Entwicklung? Mediengeschichte als Kultur- und Politikgeschichte? Burneleit: Auch in Zeiten des Internets hat der Tag 24 Stunden, mit denen auszukommen ist. Wir brauchen eine gewisse Zeit für unseren Schlaf, für unser Essen, für unsere Arbeit. Wieviel bleibt dann noch für die Mediennutzung? Dabei müssen wir von einem wachsenden Verdrängungswettbewerb der Medien ausgehen. Die Mediennutzer werden sich entscheiden müssen, ob sie Internet benutzen, ein Buch lesen, fernsehen usw. Es werden sich ausgeprägte individuelle Prioritäten entwickeln. Die Medien Vielfalt fördert den Individualismus. Wissmann: Entscheidend für die individuelle Mediennutzung werden auch persönliche Suchtmomente sein. Surfen im Internet kann zwanghaften Charakter annehmen, ähnlich einer Drogenabhängigkeit. Der unkontrollierte Fernsehkonsum, die ständige Musikkulisse zu Hause, im Auto, im Kaufhaus, auf dem Flughafen usw. Wie schnell wird man von solchen Angeboten abhängig, will und kann gar nicht mehr darauf verzichten! Schon heute muß ich mich bei einem umfangreichen, verführerischen Angebot entscheiden, ob ich montags den „Spiegel" und donnerstags die „Zeit" lese oder mir eine verquatschte Talkshow ansehe usw. Die Benutzerentscheidung wird immer mehr gefordert. Rehfeld: Eine Reaktion auf dieses pluralistische, verführerische Angebot ist schon festzustellen. Dem damit verbundenen Verlust von Zusammenhang, dem Mangel an Hintergrundinformation wird begegnet durch Themenabende im Rundfunk und Fernsehen, durch Dossiers in den Zeitungen und Zeitschriften. Das sind Angebote für den bewußten, anspruchsvollen Umgang mit Information; und es gibt auch eine große Zahl von Benutzern dieser Angebote, ausgebildet und geübt im Umgang mit Information. Aber es gibt eine noch größere Zahl, die in diesem pluralistischen, verführerischen Angebot versacken, fasziniert von diesem oberflächlich zurechtgemachten „Infotainment". Besteht unter diesen Umständen nicht die Gefahr, daß die sogenannte Informationsgesellschaft in zwei Klassen zerfällt, in eine gut informierte Klasse, die komplexe Zusammenhänge verstehen will und verstanden hat; und in eine Klasse, die sich mit griffigen Parolen und Vereinfachungen begnügt? Besteht nicht die Gefahr einer Polarisierung der Gesellschaft in „Informations-Reiche" und „Informations-Arme"? Capurro: Die Begriffe „reich" bzw. „arm" an Information sind sehr komplex und müssen differenziert betrachtet werden. Sie sprachen bereits vom Kontext, vom Zusammenhang, der vom Sender, aber auch vom Empfänger einer Information hergestellt wird, indem er sich Fragen stellt; und die richtigen Fragen zu stellen, muß gelernt sein wie Lesen und Schreiben und ist eine kulturelle Leistung. Diese Fähigkeit muß der Benutzer mitbringen, gleichgültig ob er im Internet unterwegs ist oder ein Buch liest. Als „reich" an Information würde ich jemanden bezeichnen, dem es gelingt, solche Zusammenhänge herzustellen. Rehfeld: Wer ist der „informierte Bürger", und was ist die „Informationsgesellschaft"? Capnrro: Die Bürger oder eine Gesellschaft, mit einem wachsenden Informationsangebot konfrontiert, sind als „arm" zu bezeichnen, wenn die angebotenen Informationen zerstückelt und ohne Kontext sind und es den Empfängern nicht gelingt, einen Zusammenhang herzustellen, d.h. das Informationsangebot nicht verstehen. „Reich" und „arm" sind weniger vom Technikniveau als vom Rezipientenniveau zu definieren.

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Rehfeld: Die Datenautobahnen stellen für den globalen Transport digitalisierte Information rund um die Uhr zur Verfügung. Das Transporttempo geht gegen null. Entsteht mit dieser Technik und der Möglichkeit, das umfangreiche Angebot zu nutzen, schon die „Informationsgesellschaft"? Capurro: Ein Habermas-Zitat: „Was Kant nicht voraussehen konnte, war der Strukturwandel dieser bürgerlichen Öffentlichkeit zu einer von elektronischen Massenmedien beherrschten, semantisch degenerierten (sie!), von Bildern und virtuellen Realitäten besetzten Öffentlichkeit." Habermas versteht diese Entwicklung als Bedrohung des Vernunftdiskurses. In der TVadition der Aufklärung und der Frankfurter Schule muß er diese Entwicklung verdammen. Als Rationalist vermißt er Argumente, fürchtet er Emotionen. Im Gegensatz dazu verweise ich auf den italienischen Philosophen Gianni Vattimo. Er sieht die Entwicklung, die Habermas fürchtet, positiv. Wir, in der abendländischen Tradition erzogen, müssen lernen, mit unseren Emotionen neu umzugehen und auf die Radikalität unserer „aufklärerischen" Rationalität zu verzichten. Es gibt eine neue (Un-)Ordnung! Rehfeld: ...eine neue (Un-)Gewißheit! Auf die Gernot Wersig in seinem Beitrag besonders hinweist. Borneleit: Interessant ist zu beobachten, daß sich auch prominente Vertreter der Frankfurter Schule inzwischen durch strukturkonservative Denk- und Charakterzüge auszeichnen; Eigenschaften, die sie früher leidenschaftlich abgelehnt haben. Ich wollte zurückkommen auf den Begriff der „Zweiklassen-Informationsgesellschaft". Mir gefällt dieser Begriff überhaupt nicht, weil er an die Diskussionen erinnert, die vor etwa 15 Jahren sehr lebhaft geführt worden sind. Es wurde da auch in Bezug auf Fachinformation von der Klasse der Manipulierer und der Klasse der Manipulierten gesprochen, eine unzulässige Vereinfachung und Vergröberung. Jeder Herausgeber und Lektor muß selektieren, ohne diese Selektion ist, wie wir sahen, das Geschäft des qualitätskontrollierten Publizierens unmöglich. Er tut dies allerdings nicht aus subjektivem Interesse, sondern um Wertvolles vom Belanglosen zu trennen. Mir mißfällt der Begriff der „Zweiklassen-Informationsgesellschaft" außerdem deshalb, weil er an die Diskussion über die Frage erinnert: „Soll Information in Bibliotheken Geld kosten oder gratis zur Verfügung stehen?" Rehfeld: Das Recht des Staatsbürgers auf freien Zugang zur Information steht im Grundgesetz. Wisstnann: Die Juristen sind gefordert, dieses Recht des Staatsbürgers in Zeiten der elektronischen Medien neu zu definieren. Borneleit: Wer hat denn heute überhaupt noch das Privileg, über soviel Zeit zu verfügen, in eine Bibliothek zu gehen und sich gratis zu informieren? Ruheständler, Studenten und ein paar Fachleute. In dieser Situation ist Internet für alle eine große Erleichterung; Internet kostet Geld, und die Bibliotheksnutzung kann dort auch nicht umsonst sein. Capnrro: Wenn Sie diesen Gedanken zu Ende denken, brauchen Sie keine Bibliotheken mehr. In USA gibt es Hochschulkonzepte, die auf Bibliotheken verzichten und statt dessen über Netzwerke und Rechner verfügen. Burneleit: In Paris wurde neuerdings ein riesiges modernes Gebäude der Nationalbibliothek eröffnet.

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Rehfeld: Gehen wir mit dem Begriff „Information" überhaupt genau genug um? Müssen wir nicht ganz verschiedene Arten von Information unterscheiden, wenn wir über Datenautobahnen und TVansportgeschwindigkeiten sprechen? Zum Beispiel Wirtschaftsinformationen, die laufend aktualisiert und deshalb möglichst schnell transportiert werden müssen? Börseninformationen, Export- und Importdaten? Termininformationen? Wissmann: Informationen, die praktisches Handeln bestimmen. Hehfeld: Im Unterschied dazu Informationen, die ausführlich komplexe Zusammenhänge vermitteln wollen? Die zu verstehen und sich anzueignen anstrengend ist, deren Nutzung Zeit, Geduld und Ausdauer verlangt? Die längerfristig gültig sind? Müssen solche Informationen mit dem gleichen Tempo transportiert werden, mit den gleichen Medien wie die kurzfristig aktuellen Informationen, die selbstverständlich schneller transportiert werden müssen als sie veralten? Capurro: Ist der Unterschied tatsächlich so groß? In beiden Fällen muß der Benutzer den Kontext herstellen, der auch für Wirtschaftsinformationen sehr komplex sein kann. Wissmann: Herr Capurro, lesen Sie Kant oder Heidegger auf dem Bildschirm? Wenn Sie Theorien und Konzepte verstehen wollen, die in dicken Büchern abgehandelt werden, und darüber nachdenken, brauchen Sie dann nicht die Bücher? Capurro: Wir in Europa sind in unserer Mediennutzung noch stark durch das Buch geprägt. Aber die Entwicklung auch in der Philosophie ist rasant. Rehfeld: Herr Capurro, Sie haben eine ganz neue Veröffentlichung vorgelegt: „Leben im Informationszeitalter". Ein Buch, einen fortlaufenden „linearen" Text. Warum so traditionell? Warum nicht ein elektronisches Produkt? Capnrro: Tatsächlich habe ich einen Hypertext verfaßt mit vielen Links und Knoten. Ich hätte das Buch als ein Hypertextdokument veröffentlichen sollen. Rehfeld: Ihr Buch enthält auch durch Fußnoten, Verweise, Register dieses Hypertextnetzwerk, wenn für den Leser zunächst auch nur auf latente Weise. Durch sein Lesen und Verstehen aktualisiert er Schritt für Schritt dieses Netzwerk für sich ganz persönlich und individuell - das Netzwerk, das Sie mit einem digitalisierten Hypertextdokument visualisiert ausweisen würden. Wenn wir uns das Produkt als digitalisiertes Hypertextdokument vorstellen, müssen wir fragen, ob wir mit dem herkömmlichen Dokumentbegriff überhaupt noch zurecht kommen. Was ist bei einer solchen Hypertextstruktur ein Dokument? Wo hat dieses Netzwerk seine Grenzen? Herr Burneleit, zum Programm des Verlages C.H. Beck gehört die Theologie, die Jurisprudenz, die Geschichte, die Mystik und die Ökologie und viele andere Sachgebiete. Stellen wir uns dieses Wissen in digitalisierter Form vor: Ein Speicher mit einer - in Ihren Worten - riesigen Substanz. Und noch hypertextstrukturiert! Die Grenzen der verschiedenen Druckpublikationen bestehen nicht mehr. Was ist in dieser Situation ein Dokument? Burneleit: Die Frage „Was ist ein Dokument?" ist für das elektronische Publizieren von entscheidender Bedeutung; eine Schlüsselfrage, die mich als Lektor ganz praktisch beschäftigt, wenn ich mir die Strukturierung einer Wissensbasis etwa für eine CD-ROM überlegen muß. Wenn ich Urteile, Kommentare, Beiträge aus Fachzeitschriften usw. zu einem Thema zusammengestellt habe, muß ich sie unter genauester Analyse der jeweiligen Benutzerbedürfnisse in ausgewogene Dokumentein-

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heiten teilen - sozusagen portionieren. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die derzeitige CD-ROM-Produktion, ist leider festzustellen, daß 80 Prozent die Möglichkeiten einer optimalen Datenbanknutzung gar nicht ausnutzen. Rehfeld: Sie als Lektor müssen entscheiden, was aus Ihrer Sicht zum Thema gehört und berücksichtigt werden muß. In einem hypertextstrukturierten Netzwerk ist allerdings auch die Frage zu stellen, welches Link und welcher Knoten sollen in den elektronischen Bestand. Bnmeleit: Mit solchen Dokumenten, die die Möglichkeiten einer Hypertextstruktur tatsächlich ausschöpfen, sammeln wir zur Zeit erste Erfahrungen. Im banalen Sinne ist Hypertext die Möglichkeit, auf Mausklick in Fußnoten, Zitate, Begriffserläuterungen oder andere Stellen zu springen. Darauf basieren heute noch die meisten CD-ROM mit Hypertext. Rehfeld: Trotz der Gefahr des „Lost in Hypertext" muß es bei allen Exkursionen immer wieder möglich sein, die Autorenmeinung zu identifizieren, d.h. zur „guided tour" zurückzukehren. Wissmann: Was man früher „Schmökern" nannte, ist doch dem Navigieren in Hypertextstrukturen oder dem Surfen im Internet sehr ähnlich. Ich erinnere mich an wunderschöne Nachmittage, als ich in Lexika unterwegs war; oder in Lehrbüchern, wo das Springen und Überspringen Methode hatte. Hypertextstrukturen hat es immer gegeben. Burneleit: Hilfsmittel, sich zurechtzufinden, haben eine lange Tradition. So ist das Hilfsmittel „Register" etwa um 1200 erfunden worden, als es eine Informationsflut lateinischsprachiger Publikationen gab. Mit Hilfe des Registers konnten die Gelehrten auf das Lesen ganzer Bücher in liebevoller Versenkung verzichten und statt dessen nur auf die Stellen springen, die sie speziell interessierten. Capurro: „Was ist die Autorenmeinung?"; „Wie ist die Autorenmeinung identifizierbar?" Die Gefahr ist groß, daß wir mit solchen Fragen von einem emphatischen Autorenbegriff ausgehen. Der Autor als schöpferisches Genie. So hat die abendländische Kultur Geschichte gemacht. Ein Paradigmenwechsel könnte weiterhelfen. Der Autor ist von vielen Quellen abhängig. Er existiert in seiner historischen Situation in komplexen Zusammenhängen. Der Autor ist ein Knoten, eine Kreuzung, ein Brennpunkt von vielen Einflüssen. Rehfeld: Andere Kulturen haben auf den Autorenbegriff in unserem Sinne ganz verzichtet. Zurückgekehrt auf den Boden der finanziellen Tatsachen, hätten Sie aber nichts dagegen, den abendländischen Autorenbegriff sofort wiedereinzuführen? Capurro: Leider, gezwungenermaßen. Rehfeld: Die Copyrightfrage ist angesichts der Möglichkeiten des elektronischen Publizierens noch lange nicht gelöst. Herr Capurro, Sie hatten schon den Begriff der „Ordnung" in unser Gespräch eingeführt; von Kritikern der Medienentwicklung wird immer wieder darauf hingewiesen, daß mit dem wachsenden pluralistischen Angebot ein Verlust von Übersichtlichkeit zu beklagen sei; daß die Dialogund Diskursfähigkeit erheblich abnähme. Läßt sich diese Entwicklung auch anders, nämlich positiv beurteilen? Capurro: Im Zeitalter der modernen Kommunikationstechnologien müssen wir lernen, neue Formen der Unübersichtlichkeit und Konfusion zu ertragen. Es gibt nicht

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mehr ein globales, weltweit gültiges Ordnungsprinzip. Es wird eine Pluralität von lokalen Rationalitäten und Normen geben. Dafür ist die Praxis von Internet schon ein Beispiel; ein Beispiel gegen alle Versuche dogmatischer Gleichmacherei. Wissmann: Die Benutzer neuer Kommunikationstechnologien werden längerfristig weder auf Rationalität noch auf kreatives Assoziieren verzichten wollen, weder auf analytische, systematische Methoden noch auf intuitive, spontane Phantasie. Hehfeld: Wer länger in einer fremden Kultur gelebt und gearbeitet hat, behält in lebendiger Erinnerung, daß beispielsweise indische Universitätslehrer lange darauf verzichten können, mit einem wissenschaftlichen Problem sofort in unserem Sinne „wissenschaftlich" und „systematisch" umgehen zu müssen. Unsere Rationalität definierte Zielvorgaben, analytische, logische Vorgehensweise - hat uns zwar Technik, Zivilisation und einen hohen allgemeinen Standard gebracht. Aber steht diesem Gewinn nicht auch ein Verlust gegenüber an Sensibiliät, Kreativität, Phantasie und Emotionalität? Eine Frage, die wir zwar noch stellen, auf die wir aber nicht mehr ausführlich genug eingehen können. Vielleicht bei anderer Gelegenheit? Vielleicht kann jeder von uns aus seiner Sicht noch auf einen besonders wichtigen Aspekt hinweisen? Capnrro: Bei aller angebrachten Skepsis gegenüber der Entwicklung der Informationstechnik scheint mir ein Positivum zumindest in Industrieländern oft vergessen zu werden. Ich meine die Bedeutung der Netzwerke, der Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für die Länder der 3. Welt. Es gibt Universitäten in Südamerika, die für zu importierende Bücher und Zeitschriften überhaupt kein Geld haben. Für diese Länder ist Internet ein riesiger Vorteil. Hier öffnet Internet die Informations· und Kommunikationstür zur Industriewelt. Die meisten Studenten und Dozenten haben auch keine Reisemöglichkeiten. Für sie sind die Datenautobahnen tatsächlich Wege in die Welt und ihre Zukunft. Wissmann: Die rasante Technikentwicklung wird zur Zeit entweder sehr emphatisch, optimistisch oder sehr kritisch, pessimistisch beurteilt. Einerseits bringt die Informationstechnik einen großen wirtschaftlichen Fortschritt, andererseits wirtschaftliche Probleme wie zunehmende Arbeitslosigkeit; einerseits mit den riesigen Angeboten eine Verflachung auch der Ansprüche, andererseits wächst das Bedürfnis, kritisch nachzufragen und nachzudenken, Ursachen und Zusammenhänge verstehen zu wollen. Der modisch aufgemachte, kleinteilige, hektische Videoclip neben dem sorgfältig durchgearbeiteten Buch. Diese widersprüchlichen Entwicklungen und Gegenentwicklungen gehören zusammen, sie finden gleichzeitig statt. Die Wirklichkeit wird sich längerfristig dazwischen einpendeln. Burneleit: Ich beurteile die Entwicklung ähnlich. Die verschiedenen Medien werden sich mit der Zeit ergänzen; insofern wird ein Medienverbund und eine Multimedialität entstehen. Es wird immer Bücher und Zeitschriften geben, weil bestimmte Benutzer-Situationen sie verlangen. Dann will der Benutzer lesen, weil das Lesen seine Phantasie und Intelligenz auf Glück bringende Weise beschäftigt; oder er liest, weil er schwierige Zusammenhänge verstehen will. In einer anderen Situation wird er Teilnehmer einer User group im Internet sein, weil er mit Hobbyfreunden in Neuseeland Informationen austauscht. Die euphorische Begeisterung für die Entwicklung der Informationstechnik wird dann vorbei sein, aber auch die Ängste sind ausgestanden.

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Rehfeld: Informationsbeschaffung und -austausch, Kommunikation sind auch sinnliche Prozesse. Den Gesprächspartner sehen, hören, vielleicht auch fühlen. Mimik, Gestik zu beobachten und Augenkontakt sind unverzichtbar, auch für meine harmonische Psyche. Bei aller Technikentwicklung kommt es deshalb darauf an, daß dieser Prozeß nicht immer mehr „entsinnlicht" wird. Extrem wäre beispielsweise Cyber-Sex. Die entscheidende Frage heißt: Bauen Medien und Informationstechniken soziale Kontakte auf oder ab? Fördern oder schädigen sie soziales Verhalten und soziale Kompetenz? Die globale Vernetzung könnte einen bisher kaum reflektierten positiven Effekt bewirken, nämlich die weltweit surfenden Netzbenutzer davon überzeugen, daß auf der Welt sehr unterschiedlich Kulturen mit sehr unterschiedlichen Sitten und Manieren existieren. Wir essen mit Messer und Gabel, andere mit Stäbchen, andere mit den Händen; wir setzen uns auf einen Stuhl, andere auf den Boden. Die Frage „Wie hast Du's mit der Religion?" wird weltweit sehr verschieden beantwortet. Und so weiter! Die globale Vernetzung bietet eine bisher ungeahnte Gelegenheit, diese Unterschiede kennenzulernen, zu respektieren und zu verstehen; die eigene kulturelle Identität im Vergleich zu anderen kulturellen Identitäten zu erkennen. So entstände das Bewußtsein einer weltweiten Multikultur, getragen von aktiver, reflektierter Toleranz. Dieser wechselseitige Respekt ist auch die Voraussetzung für eine friedliche, globale wirtschaftliche Kooperation. Auch unsere Export-/Importkasse kann auf Dauer nur stimmen, wenn wir bereit und fähig sind, uns im Zeitalter der globalen technischen Kommunikationsnetze in dieses globale multikulturelle Netzwerk ohne dominierende Ansprüche einzuordnen. Meine Herrn, ich danke Ihnen. Vielleicht unterhalten wir uns wieder anläßlich der nächsten Auflage des LaiLuMu nach der Jahrtausendwende? W e werden wir dann über Gegenwart und Zukunft sprechen und uns an unsere Vergangenheit im Jahre 1996 erinnern? Rehfeld: Herr Wersig, Sie konnten an diesem Gespräch nicht teilnehmen. Deshalb würde ich Ihnen gerne bei dieser Gelegenheit Fragen zu einem Thema stellen, das wir bisher noch gar nicht berücksichtigt haben. Ich denke an die Forschungs- und Förderungspolitik im Bereich der Information und Dokumentation. Sie haben 30 Jahre staatliches Handeln und Nicht-Handeln kritisch beobachtet und kommentiert. Sie haben Phasen des Aufschwungs und des Abschwungs erlebt. Anfang der 70er Jahre haben Sie aktiv daran teilgenommen, ein staatlich sanktioniertes Förderungs- und Entwicklungsprogramm für den Bereich Information und Dokumentation zu konzipieren. Als Sachverständiger haben Sie die Bonner Exekutive beraten, als das erste luD-Programm der Bundesregierung entstand. Welche Leitmotive und Entwicklungstrends, welche Ziele und Visionen charakterisieren dieses Programm? Wie wurde später mit diesen Konzepten und Intentionen umgegangen? Lohnt es sich nach 25 Jahren für uns, noch damit umzugehen? Können wir mit dem Blick zurück etwas lernen? Wersig: Die Interessen derjenigen, die an der Erarbeitung des Programms beteiligt waren, waren natürlich unterschiedlich. Ich möchte nur über die meinigen - aus heutiger Sicht - sprechen. Im Grunde waren drei Dimensionen für mich wichtig: (1) Jenseits aller Kompetenzstreitigkeiten eine dauerhafte Verantwortlichkeit für fachliches Wissen zu etablieren.

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(2) Damit eine Organisationsform zu finden, die sich nicht nur für ökonomisch oder wissenschaftlich wichtige Wissensbereiche zuständig fühlt, sondern auch für die Informationsbedürfnisse der breiten Bevölkerung. (3) Für die weitere Untersuchung von Problemen der Wissensaufbereitung, -nutzung und -kommunikation eine einschlägige Wissenschaft zu entwickeln, die sich nicht ingenieurwissenschaftlich, sondern menschenwissenschaftlich versteht. Das konnte in den Programmtext in Ansätzen eingebracht werden, in der Umsetzung interessierte dies dann niemanden mehr; da ging es jedem nur noch um die eigenen Vorteile. Inzwischen haben Technik- und Medienentwicklung einiges davon umgesetzt, unorganisiert und chaotisch, ohne besonders auf wirtschaftliche Interessen der Bundesrepublik in diesem Markt oder auf Informationsbedürfnisse der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Mit Bürokratien kann man keine großen Programme machen. Vielleicht ist es ohnehin besser, bürokratieferne Einrichtungen so zu dimensionieren, daß sie punktuell Fehlentwicklungen korrigieren können. Rehfeld: Ein aufwendiger jahrelanger Planungsprozeß wurde in Gang gesetzt, um dieses erste luD-Programm zu realisieren. Nach dem bekanntesten Motto dieser Zeit „Mehr Demokratie wagen!" sollten möglichst alle betroffenen Personen und Institutionen beteiligt werden. Es wurde demokratisch, kooperativ und gruppendynamisch verfahren. Die Betroffenen haben mitgemacht und mitbestimmt. Erfolgte aber nicht mit dieser Beschränkung auf die traditionelle luD-Szene eine Abschottung? Blieb man auf diese Weise nicht unter sich und verhinderte notwendige Innovationen von außen? Anstöße von außerhalb, beispielsweise aus dem Verlags-, Hardware- und Software-Bereich? Wie ist die mangelhafte Affinität des traditionellen luD-Bereiches zu Entwicklungen angrenzender Bereiche zu erklären, nicht nur zu dieser Zeit? Wersig: Die deutsche Tradition, Professionen nicht sich selbst zu überlassen, sondern staatlich zu regulieren, hat sich im Informationsbereich besonders ausgewirkt: Archivare, Bibliothekare, Museen sind streng abgeschottet; die Dokumentation meinte, dies genauso regeln zu müssen, obgleich sie über die betriebliche Dokumentation auch andere Entwicklungsmöglichkeiten gehabt hätte, die allerdings deshalb nicht genutzt werden konnten, weil die betriebliche Dokumentation in den Betrieben auch isoliert war. Es war schon unmöglich, die traditionellen Informationsbereiche aufeinander zuzubewegen; die Öffnungen in die Bereiche, die erfolgversprechender gewesen wären - Verlagswesen, Unternehmensberatung, Kommunikationsdesign etwa - konnten nicht angesprochen werden, weil sie auf der anderen Seite der Grenze zwischen öffentlichem Dienst und privater Wirtschaft standen. Der luD-Bereich war offensichtlich ganz glücklich, sich auf eine kleinkarierte, öffentlich einigermaßen abgesicherte Praxisposition zurückziehen zu können. Wahrscheinlich war es risikoloser, eine Nische zu bewahren als zu versuchen, die Entwicklung mitzubeeinflussen - der Informationswissenschaft ging es übrigens genauso. Nun kommt die Informationsgesellschaft und die IuD zottelt in einem der unattraktiveren Bereiche irgendwie mit. Rehfeld: Die Förderungsprogramme der Bundesregierung haben sich neben den funktionalen Zielen von Fachinformation mit Fragen der Organisation und Institutionalisierung von Produzenten und Anbietern beschäftigen müssen. Bestand nicht

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von vornherein die Gefahr, daß diese organisatorischen und institutionellen Fragen unbeabsichtigt einseitige Förderung bestimmter Einrichtungen zur Folge hatte, während andere, innovationsbereiter und innovationsfähiger, keine Chancen hatten und nicht gefördert werden? Wurde Förderung nicht allzu sehr an einem aktuellen Ist-Zustand von Betriebsgröße und Technik festgemacht? Zu wenig an Experimenten mit zukünftigen Trends? Wie beurteilen Sie in dieser Hinsicht die heutige Situation? Wersig: Von Förderung konnte ja eigentlich nicht die Rede sein. Letztlich haben die Förderprogramme sehr bald keinen anderen Sinn gehabt, als das zu erhalten, was ohnehin bestand. Für eine Förderung dessen, was interessant und wichtig gewesen wäre, hatten die Konkursabwickler des BMFT weder Kompetenz noch Phantasie. Die einseitige Förderpolitik von Technologien ließ den Informationsbereich in permanenter Abwicklung. Schon 1982 hätte man anfangen müssen, von der schmalbrüstigen Fachinformations/online-Orientierung wegzugehen in Richtung komplexer Wissens- und Multimedia-Produkte, hybrider Wissenssysteme, Navigationssysteme usw. Dies hätte aber Forschung, Mut und Phantasie erfordert - dann wären wir heute an vielen Fronten konkurrenzfähiger. Tatsächlich sind die einzigen Initiativen in dieser Richtung bei der Informatik gefördert worden, aber diese ist eben nicht zuständig für Inhalte. Die heute so verzweifelt gesuchten Inhalte für die Datenautobahnen hätte man schon damals anpeilen müssen und können. Potential hätte es genug gegeben. Rehfeld: In der Bundesrepublik hatte die Frage „Soll Fachinformation Geld kosten?" und deshalb Aufgabe wirtschaftlicher Unternehmen sein, entscheidende Konsequenzen. Oder ist es auch eine staatliche Aufgabe, Fachinformation zumindest in bestimmten Bereichen unentgeltlich öffentlich anzubieten? W e beurteilen Sie das Privatisierungsdogma, das Anfang der 80er Jahre als politisches Programm konsequent exekutiert wurde? Und seine Folgen? Wersig: Man muß dabei mehrere Ebenen unterscheiden: Infrastrukturen kann und muß man eine Zeitlang öffentlich finanzieren, aber mit dem Ziel der Marktfähigkeit. Der Fachinformationsbereich war dafür immer zu eng. Produkte sollten sehr früh marktgängig werden, aber hier war ebenso klar, daß die online-Fachinformationsprodukte diese Schwelle nur in Ausnahmefällen erreichen konnten. Wenn das Produkt nicht stimmt, nutzen auch verzweifelte Marktentwicklungsprogramme wie Informationsvermittlungsstellen nichts. Fachinformation konnte immer nur als defizitärer Bestandteil einer breiten Produktpalette angesehen werden. Dies hätte aber das Verlassen der luD-TVadition bedeutet, und hierzu waren wohl die Förderer und die Praktiker zu feige und zu phantasielos. Fachinformation öffentlich zu fördern ist dort richtig, wo ein staatliches Interesse an ihrer Verfügbarkeit besteht also bei den Benutzergruppen, die dem Staat am Herzen liegen - aber nur, damit die Information dort verfügbar wird, nicht als Nachfrageförderung für die Produkte. Die Privatisierungsidee war schon richtig, sie wurde nur am falschen Objekt, mit falschen Mitteln, falschen Leuten und ohne Gespür für strategische Allianzen umgesetzt. Rehfeld: Es wird immer wieder beklagt, daß, wie auch auf anderen Gebieten, die deutschen Informationsproduzenten zu selten Innovationen wagen. Liegt es an zu geringer Risikobereitschaft der Unternehmen? Liegt es an der Forschung in Univer-

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sitäten und Großforschungseinrichtungen? Warum ist der Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis so schwierig? Ist nicht für die meisten deutschen Forschungseinrichtungen das typische Syndrom einer Exklusivgruppe festzustellen, die sich, nationale Grenzen überschreitend, selbst in der weltweiten „scientific community" mit großem Aktionismus beschäftigt und organisiert? Mit wenig Rücksicht auf Relevanz und Akzeptanz zu Hause? Wersig: Man muß natürlich den Fehlschlag der deutschen Informationswissenschaft beklagen. Auf halbem Weg hat man sie weit unterhalb der kritischen Masse stehenlassen, sie auf die unergiebige Fachinformations- und Retrieval-Schiene beschränkt, ihre Infrastruktur verspielt und verschenkt. Dies aber auch deshalb, weil die deutschen Informationsproduzenten von der Informationswissenschaft nichts gehalten haben. Auch sie glaubten, sie könnten die neuen technischen Entwicklungen inhaltlich und medial bewältigen und brauchten vielleicht nur ein wenig Hilfe von der Informatik. So ist ihnen gemeinsam nicht viel eingefallen. Alle haben das weiter gemacht, was sie schon immer gemacht hatten und was in gewissen Grenzen erfolgreich war. Dies gilt auch für die meisten Informationswissenschaftler und -praktiker, die weniger den Schulterschluß im eigenen Lande als die Zerstreuung im Ausland suchten. Der Transfer von Forschungsergebnissen ist - übrigens auch bei der Informatik - deshalb wenig erfolgreich, weil einerseits nicht viel Praxisrelevantes aus der Forschung kam, andererseits aber auch die Unternehmen davor zurückschrecken, Risiken in der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen einzugehen. Sie wenden sich immer an die wenigen scheinbaren Marktführer, unabhängig davon, ob diese auch fachlich kompetent oder phantasievoll genug waren. Hier hätte Förderpolitik einsetzen müssen, etwa durch Risikoabsicherung, Teilfinanzierung von Wissenschaftskompetenzen in Praxisprojekten, Innovationsprämien. Hehfeld: Welche Schwerpunkte und Ziele müßten - auf Grund Ihrer jahrzehntelangen Erfahrungen - ein Förderungsprogramm und eine Forschungspolitik im Bereich der Fachinformation besonders berücksichtigen? Wersig: Ich bin nicht sicher, ob ich mich heute von der Notwendigkeit eines Fachinformations-Förderprogramms überzeugen lassen könnte. Wichtig wären wohl drei Dinge: (1) Endlich ein Forschungsprogramm, das die neuen Probleme im Umgang mit dem Wissen untersucht und in neue Formen von Wissensprodukten umsetzt. Nicht Institutionen, Technologien oder Programm-Software wäre zu fördern, sondern die Entwicklung neuer Inhalte und Wissensprodukte, die nun einmal nicht ohne entsprechende Forschung zustande kommen. (2) Die Einbindung der Fachinformationseinrichtungen in größere, wirtschaftlich tragfähige Zusammenhänge, innerhalb derer nur die Produkte staatlich gefördert werden, an denen ein öffentliches Interesse besteht. (3) Die Bereitstellung von Mitteln für Nutzung der Fachinformation und eigene Fachinformationsprojekte bei den Nutzern, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Da das große Projekt einer leistungsfähigen, flächendeckenden, flexiblen und zukunftsfähigen Organisation schon lange gescheitert ist, muß man die Halbheiten der letzten 15 Jahre langsam aufgeben. Die Subvention von Fachinformation als

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solcher muß aufgegeben werden: Entweder sie wird im Rahmen eines Wirtschaftsbetriebes mitbetrieben - das kann man möglicherweise anschieben - oder sie wird von den fachlichen Interessenten getragen, die man dazu allerdings in die Lage versetzen muß. Letztlich muß man nunmehr endlich daran denken, mindestens eine leistungsfähige Forschungs-, Abschätzungs- und Beratungseinrichtung für die Entwicklungs- und Folgeprobleme von „Informationsgesellschaft" aufzubauen. Multimedia, digitales Fernsehen, multifunktionale Chipkarte, Dienstleistungsautomatisierung, Informatisierung sind nun wirklich wichtiger als die Fachinformation, die ohnehin irgendwo ihre Nischen findet. Dieser muß man den schwerwiegenden Vorwurf machen, daß sie als der eigentlich berufene Bereich darauf nicht rechtzeitig aufmerksam gemacht hat, sondern sich doch lange Zeit recht bequem in den Fördertöpfen zurückgelehnt hat. Rehfeld: Vielleicht waren Jahrzehnte des Experimentierens nötig, um aus teuren Erfahrungen Brauchbares zu lernen? Ich danke Ihnen.

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Der Weg in die Informationsgesellschaft Gemot Wersig

G 2.1

Information und Ungewißheit

G 2.1.1

„Informationsgesellschaft" als Kategorie der Ungewißheit

Seit Beginn der siebziger Jahre mehren sich die Versuche, die Zeit, in der wir leben neu zu benennen: „Unsere Zeit hat viele Namen. Sie gilt als .Industriezeitalter' oder .Spätkapitalismus' oder .Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Zivilisation' oder .Atomzeitalter'; sie gilt als Zeitalter der .Arbeitsgesellschaft' oder ,Freizeitgesellschaft' oder .Informationsgesellschaft'; sie gilt als Zeitalter der .funktionalen Differenzierung' oder .Epoche der Epochisierungen' oder .postkonventionelles Zeitalter' oder einfach als .Moderne' oder auch schon als ,Postmoderne' und so fort. Die Vielnamigkeit ist indirekte Anonymität: unsere Zeit und Welt befindet sich - scheint es - auch deswegen in einer Orientierungskrise, weil sie zunehmend nicht mehr weiß, mit welcher dieser Kennzeichnungen sie sich identifizieren muß (Lit. 32, S. 76)." Diese Aufzählung ist sicher noch ganz unvollständig (Postkapitalismus, Freizeitgesellschaft, Erlebnisgesellschaft, Computerzeitalter fehlen darin), verweist aber auf den zentralen Bezugspunkt, in dem der Gebrauch von „Informationsgesellschaft" steht: Es ist keineswegs eine einheitliche Idee der Kennzeichnung unserer Zeit dahinter, sondern „Informationsgesellschaft" ist ein Versuch unter vielen, eine Periode des Wandels, des Umschwungs, der Transformation zu bezeichnen. Dieser Wandel stellt die „Moderne" insgesamt in Frage, eine Moderne, die in mehrfacher Hinsicht Sicherheit geboten hatte: • Sie war dominiert von der Idee eines positiven Ziels der Geschichte, wie dies etwa in Hegels Idealismus zum Ausdruck kommt, aber auch viel alltäglicher in dem Vorherrschen eines Fortschrittsglaubens (Lit. 47), der sich nicht nur im technischen Fortschritt, sondern auch im sozialen Fortschritt des Wohlfahrtsstaats und dem kognitiven Fortschritt moderner Wissenschaft realisiert. Selbst die ideologischen Verwirrungen der Moderne folgten diesem Schema einer sich in der Geschichte verwirklichenden positiv bewerteten Idee (ob es nun das tausendjährige Reich oder die klassenlose Gesellschaft war). • Die Welt der Moderne wurde immer mehr eine Welt, in der die Unsicherheiten des Waltens transzendenter und damit unvorhersehbarer Mächte zurückgedrängt wurden zugunsten einer rationalen Einsicht in das Funktionieren dieser Welt und die Möglichkeiten der rationalen Organisation und Beherrschung der Vorgänge in dieser Welt (es blieb die Unberechenbarkeit der Natur, die aber auch weitgehend kanalisierbar schien). • Die Welt unserer Moderne entstand - folgt man Toulmin (Lit. 44) - gerade aus diesem Bedürfnis nach Sicherheit: Auf die humanistische Renaissance, die einige der Triebkräfte der Moderne erst freisetzte wie Individualisierung, Pluralisierung, Technisierung, aber mit eben diesen Triebkräften auch Glaubenskriege und Ungewißheiten hervorrief, folgte die Gegenrenaissance (für Toulmin symbolisiert in der Ermordung Heinrichs IV., die dann der Ausgangspunkt des Dreißigjährigen Kriegs war), der es vor allem um den Aufbau von mentaler und po-

G 2.1 Information und Ungewißheit

975

litischer Sicherheit ging, einer Kosmopolis, in der Natur und Staat in einer Gewißheiten verschaffenden Ordnung gesehen werden konnten.

Die Einschätzungen zum Charakter der Transformation und ihrer Bewältigung gehen auseinander - ob die Moderne jetzt ihrem Ende zugeht (wie etwa Lyotard, Lit. 30) oder nur in eine neue Phase übergeht (die einige Autoren wie Beck, Lit. 03, die „reflexive Moderne" nennen) oder ob sie durch Rückgriff auf eine vernachlässigte Rationalität wieder zu sich selbst gebracht werden kann (etwa Habermas, Lit. 17). Fast einig sind sich aber alle Autoren, daß die Zeit der Gewißheit vorbei ist. Habermas nennt als Charakteristikum dieser Zeit die „neue Unübersichtlichkeit" (Lit. 18). Beck verweist auf die „Risikogesellschaft" und das mit ihr verbundene Schwinden von Gewißheit (Lit. 03). Antony Giddens akzentuiert dies ähnlich: „Unter Modernitätsbedingungen kann die soziale Welt mit Bezug auf den Input neuer Erkenntnisse über ihre Beschaffenheit und ihr Funktionieren niemals ein stabiles Umfeld bilden. Neue Erkenntnisse (...) führen nicht einfach dazu, daß die soziale Welt durchsichtiger wird, sondern sie verändern das Wesen dieser Welt und lassen sie in bisher unbekannte Richtungen schlingern (Lit. 14, S. 189)." Ein entscheidender Faktor für die neue Ungewißheit ist, daß das Streben nach Gewißheit einen Punkt erreicht hat, an dem es durch seine Erfolge wieder Ungewißheit produziert. Vordergründig sind dies die ökologischen Probleme, die gerade der technische und soziale Fortschritt hervorgebracht haben, die verdeutlichen, daß alles mit allem zusammenhängt und eindeutige Lösungen nicht möglich sind. Die Naturwissenschaft, die unser Weltbild seit Descartes dominiert, ist nach und nach ebenfalls an die Grenzen von Gewißheit gestoßen: Die Quantentheorie rückt die Rolle des Zufalls in den Mittelpunkt, die Heisenbergsche Unschärferelation zeigt natürliche Grenzen des Messens, die Chaosforschung findet immer mehr Anwendungen, in denen Nichtlinearität und Unprognostizierbarkeit die Regel sind.

G 2.1.2

Die Geburt der Ungewißheit

Man könnte diese Zeit daher auch eine „Zeit der Ungewißheit" nennen. Die Gewißheit, die Naturgesetze, philosophischer Idealismus und Fortschrittsidee vermittelten, war letztlich auch - ganz im kartesischen Sinne - gestützt durch ein immer noch mitschwingendes Vertrauen in eine göttlich hergestellte Harmonie, die der Welt zugrundeliegt. Mit dem Tod Gottes, wie ihn Nietzsche proklamiert hat, ist der Mensch endgültig in seine Welt zurückgeworfen, die eine Welt der Ungewißheiten ist, ist er allein auf sich gestellt. Mit der „Zeit der Ungewißheit" wäre zunächst ein scheinbarer Widerspruch zur „Informationsgesellschaft" hergestellt, wenn nicht ein tieferer Zusammenhang zwischen „Gewißheit" und „Information" bestehen würde, der möglicherweise unbewußt und ungewollt auch gerade die Faszination des „Informations"-Konzepts ausmacht. Dieser Zusammenhang wurde allerdings nicht in menschlich-gesellschaftlichen Zusammenhängen artikuliert, sondern in ganz formal-technischen. Dennoch ist es rückblickend in gewisser Weise konsequent, daß in dem Jahrhundert, in dem sich die neue Ungewißheit herausschält, ein technisches Konzept von Ungewißheit

976

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

einen rasanten Siegeszug angetreten hat, der seinerseits die Technik um einen neuen Quantensprung vorangebracht hat, der wiederum in der Transformationsphase der Gegenwart einen wesentlichen Anteil an dem Zustandekommen der Transformation, an ihrer Bewußtwerdung, aber auch an ihrer Geschwindigkeit, die uns zu überfordern droht, hat. Es ist dies die mathematische Informationstheorie von Shannon, die dieser bereits in den frühen vierziger Jahren formuliert hatte (die also im kleinen Kreis anderen Zentralfiguren wie J.v. Neumann oder N. Wiener bekannt war) und die zu einem der zentralen Fundamente der informations- und kommunikationstechnologischen Entwicklung wurde (Lit. 41). Die mathematische Informationstheorie besagt - vereinfacht -, daß in einem definierten Sender-Empfänger-Zusammenhang der Informationsgehalt eines übermittelten Zeichens umgekehrt proportional seiner Wahrscheinlichkeit ist, also: Je wahrscheinlicher ein Zeichen ist (in der Regel festgelegt durch seine Verwendungshäufigkeit), desto geringer ist sein Informationsgehalt und umgekehrt. Verallgemeinert man diesen Ansatz, dann läßt er sich auch folgendermaßen formulieren: Ein Empfänger ist in einem Zustand der Ungewißheit, welches Zeichen er als nächstes empfangen wird. Empfängt er ein Zeichen, wird seine Ungewißheit beseitigt (und natürlich durch eine neue Ungewißheit bezüglich des nächsten Zeichens ersetzt). Bezüglich eines sehr wahrscheinlichen (also häufigen) Zeichens ist seine Ungewißheit relativ gering, erscheint also ein sehr wahrscheinliches Zeichen, ist die beseitigte Ungewißheit gering, erscheint ein unwahrscheinliches Zeichen, ist die dadurch beseitigte Ungewißheit sehr viel größer. „Information" wird in dieser Darstellung zur Beseitigung oder Verringerung von Ungewißheit - zunächst in einem wohldefinierten Sender-Empfänger-System mit begrenzten Zeichenvorräten und bekannten Wahrscheinlichkeiten.

G 2.1.3

Die wissenschaftlich-technologische Ansklammerang des Menschen

Hier hätte eine Verallgemeinerung vorgenommen werden können, um Mensch und Information in Beziehung zu setzen: Information als Verringerung von Ungewißheit aufgrund von Kommunikation (Lit. 48). Sie hat sich aber nicht durchsetzen können, vor allem wohl auch, weil damit als Bezugspunkt eine kognitive und mentale Größe der „Ungewißheit" ins Spiel gekommen wäre (erst jetzt beginnen ähnliche Überlegungen wieder unter dem Stichwort der „pragmatischen Information", die insbesondere bei E.U. v. Weizsäcker ansetzen, vgl. Lit. 24). Der Haupttrend der Entwicklung ging eher einen Weg, der der klassischen Wissenschaft folgte, nämlich „Information" in solchen Kontexten zu definieren, die überschaubar, berechenbar und damit „sicher" waren: • In der Computer Science/InformatLk setzte sich die mathematische Informationstheorie in einer problematischen Vereinfachung durch: Da der Informationsgehalt mittels Zeichen/Signalen über einen Kanal transportiert wird, wurde im Sprachgebrauch das Zeichen selbst zur Information, fortan wurden alle Zeichen, die über Kanäle transportiert wurden, „Informationen" - unabhängig davon, welche Bedeutung sie tragen bzw. von welcher Bedeutung sie für den Empfänger sind. Zum Hauptproblem entwickelte sich nicht, möglichst viel an Bedeutung

G 2.1 Information und Ungewißheit

977

zu übertragen, sondern möglichst viele dieser „Informationen" mit möglichst wenig Aufwand bzw. in möglichst kurzer Zeit zu übertragen (dies war allerdings auch der Ausgangspunkt von Shannon gewesen). Mit der Bereitstellung von Kanälen und der Erhöhung derer Übertragungskapazitäten war dann eine Erweiterung von „Information" identisch. Daß „Information" etwas mit den handelnden Menschen zu tun hat, mußte dabei ausgeklammert werden. • Die Kybernetik (Wiener 1948, Lit. 54) verabsolutierte den Gesichtspunkt der „Information", indem sie einerseits neben die klassischen physikalischen Erscheinungsformen von Materie und Energie „Information" als immaterielles Drittes setzte, das gewissermaßen in den materiell-energetischen Erscheinungsweisen eingebunden ist. Damit wurde an vielen Stellen die Wahrscheinlichkeit des Shannonschen Informationskonzepts ersetzt durch alles Meßbare. Beschreibungen abstrahierten von der Realität, indem sie sich auf Merkmalsausprägungen (in Form von Meßwerten) konzentrierten. • Zum anderen bot die Kybernetik als Wissenschaft, die sich mit der Steuerung und Regelung befaßte, die Möglichkeit, mittels dieses immateriellen Informationsbegriffs Systeme unabhängig von ihrer materiell-energetischen Erscheinungsform zu beschreiben, also lediglich auf ihrer informationellen Basis. Damit entwickelte sich ein Denken, das sich - insbesondere in menschlich-sozialen Zusammenhängen - wegbewegte von den realen Erscheinungen und Phänomenen hin zu den abstrakten Beschreibungen von „Lnformationsströraen", wobei hier die „Informationen" in der Regel die Signale waren, die an anderen Stellen etwas bewirkten, d.h. zur Steuerung und Regelung beitrugen. • Diese Abstraktion steigerte die Systemtheorie (zunächst als Allgemeine Systemtheorie von Bertalanffy, Lit. 06), die sich zwar unabhängig von der Kybernetik entwickelte, aber dann von ihr doch erheblich beeinflußt wurde. Der Begriff des Systems war zwar im amerikanischen Pragmatismus des späten 19. Jahrhunderts (Lit. 21) noch eingeführt worden, um daraufhinzuweisen, daß alles mit allem zusammenhängt, wurde aber von der Systemtheorie mehr und mehr darauf eingeschränkt, daß die Zusammenhänge von allem mit allem nur innerhalb eines Systems, das von seiner Umwelt nicht nur abgrenzbar ist, sondern abgegrenzt wird, betrachtet werden. Mit der Einführung von „informationell geschlossenen" (autopoietischen) Systemen wurde die Systemtheorie nur noch ein abstraktes Abgrenzungsinstrument. Dies verdeutlicht insbesondere die Theorie der sozialen Systeme, wie sie etwa von Luhmann entwickelt wurde, in der soziale Systeme zwar Menschen irgendwo noch voraussetzen, sie aber nicht enthalten (Lit. 28). „Information" ist hier die Selektion einer von mehreren Möglichkeiten, Anschlußzustände des Systems möglich zu machen. Je mehr Anschlußmöglichkeiten es gibt, desto mehr Information entsteht (auch dies ist als eine Verallgemeinerung von Shannon aufzufassen). Der Mensch spielt in diesen Abstraktionen, die sich um das mathematische Informationskonzept ranken, keine Rolle mehr, dafür waren diese Entwicklungen aber sehr erfolgreich in der Hervorbringung komplexer technischer Systeme: D i e Computertechnik und die Telekommunikation konnten über das bei Shannon abgeleitete Prinzip der binären Zeichendarstellung und der damit verknüpften Digitalisierung analoger Erscheinungen zusammenwachsen; die Kybernetik lieferte das Handwerkszeug, immer komplexere Informationsströme zu lenken, zu verteilen, zu interagierenden Systemen zusammenzuschließen; die Systemtheorie ermöglichte es, gewissermaßen nach Belieben Menschen auszuklammern und abstrakte Systeme zu definieren, in denen nur noch Funktionseinheiten „Information" austauschen, die lediglich bezüglich des Funktionierens dieser Funktionseinheiten relevant wurde. Auf die Gesellschaft wurde unmerklich ein Schleier von „Information" gelegt, in dem „Information" ein Schlagwort für alles wurde, das zeichenhaft/signalhaft trans-

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

978

portiert wurde, um abstrakte Funktionseinheiten oder Maschinen zu versorgen. Diese Schicht von „Informationsgesellschaft" ist in einem paradoxen Sinne menschenleer - und gewährt zumindest ihren Beherrschern damit im Sinne der Moderne Gewißheit, denn letztlich ist die Hauptquelle von Ungewißheit der Mensch.

G 2.2

Utopien and Planungen

G 2.2.1

Die negative Utopie

Im Entstehungsjahr dieser „menschenleeren Informationsgesellschaft" (interessanterweise bildet für alle diese Theorien das Jahr 1948 einen wichtigen Ausgangspunkt) machen sich allerdings auch die Menschen auf den Weg, ihre Ansprüche anzumelden, so als hätten sie es geahnt, daß die aufbrechende Ungewißheit die technisierte Moderne zu einer neuen Höchstform von Gewißheitsherstellung veranlassen würde, gegen die sich zur Wehr zu setzen ist. Es ist zunächst die Verteidigung in Form der negativen Utopie, die George Orwell in seinem Roman „1984" formuliert, der eigentlich „1948" heißen sollte (in diesem Jahr ist er geschrieben), dessen Utopie aber für viele nicht so nahe an der Gegenwart liegen sollte und daher in die Zukunft verlegt wurde. Es ist die Utopie einer Gesellschaft, in der eine Partei unumschränkt herrscht, indem sie konsequent alle Informationen und Kanäle kontrolliert. Je nach veränderter Situation wird die gesamte Geschichte umgeschrieben, die Sprache wird neu konstruiert, um nur noch bestimmte Gedanken ausdrücken zu können, die Menschen stehen unter permanentem Druck, nicht nur das im Sinne der Partei Richtige zu sagen, sondern es auch zu denken, jeder ist jedes anderen Denunziant, die Zentrale weiß alles über alle. Selbst der Widerstand wird kontrolliert und kanalisiert, der „große Bruder" sieht alles und weiß alles. In gewisser Weise ist dies eine konsequente Umsetzung des technologischen Imperativs der Ungewißheit: Wenn der Mensch die Quelle von Ungewißheit ist, dann ist es konsequent, nicht nur unterschiedslos alle „Informationen" zu kontrollieren, sondern bereits an dieser ursächlichsten Schwachstelle anzusetzen. Die Aufwandsminimierung liegt hier in der Herstellung von höchsten Wahrscheinlichkeiten, der Unterdrückung von störenden, weil informationsreichen UnWahrscheinlichkeiten. Diese Utopie war zu ihrer Entstehung sicherlich weniger technisch veranlaßt, sondern eher politisch motiviert, indem sie Kontrollpraktiken des Nationalsozialismus und Kommunismus aufgriff und konsequent mit den sich anbahnenden technischen Möglichkeiten weiterentwickelte. Auch sie schilderte eine Variante von „Informationsgesellschaft", die durchaus möglich ist. 1948 war die Technologie bei weitem nicht auf einem Stand, eine derartige Informationskontrolle zu ermöglichen, selbst 1984 war sie noch ein gutes Stück weiter davon entfernt als heute. Dies ist allerdings nicht der Grund dafür, daß 1984 zwar dieser Utopie reichlich gedacht wurde, sie aber ansonsten wieder relativ bald ins Hinterfeld der Aktualität zurückfiel. Sie hatte sich nämlich - wie alle guten negativen Utopien - teilweise selbst an der Verwirklichung gehindert. Gerade die Informa-

G 2.2 Utopien und Planungen

979

tionsgesellschaft des Großen Bruders war es, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Phänomen der informationstechnischen Kontrolle durch Staat oder Partei richtete und diese mit veranlaßte, jeden Anfängen zu wehren. Natürlich wäre dies nicht möglich gewesen, wenn nicht im gesellschaftlichen Hintergrund Demokratisierung, Pluralisierung, Individualisierung bereits das Entstehen eines solchen Herrschaftskomplexes relativ unmöglich gemacht hätten, aber wer weiß, ob nicht doch die unbeobachtete Entwicklung von mehr und mehr zentralisierbaren Kontrollmechanismen das Instrument geschaffen hätten, dessen sich irgendwann einmal jemand relativ handstreichartig hätte bedienen können. Gegen diese Möglichkeit wandten sich die Auseinandersetzungen gegen das bundesweite Personenkennzeichen, gegen Rasterfahndung und „Sonnenstaat", gegen den fälschungssicheren Personalausweis, um Datenschutz, um informationelle Selbstbestimmung, und sie konnten immer auf die dankbare Metapher des Großen Bruders zurückgreifen. In diesen Auseinandersetzungen kam wieder eine andere Seite von Informationsgesellschaft zum Vorschein: Wenn schon alle Meßwerte (wie von der Kybernetik nahegelegt) als Information aufgefaßt werden, die dann in kybernetische Steuerungssysteme eingebracht werden können, dann müssen die Bürger über das Einbringen der Meßwerte, die von ihnen genommen werden, mitbestimmen können, dann können und dürfen diese immateriellen Repräsentanten von ihnen nicht unkontrolliert in immer andere Systeme, deren Zusammenhang unüberschaubar wird, eingehen. Auch dies ist ein Streben nach Gewißheit (und damit wahrscheinlich auf Dauer nicht zu halten), nämlich aus Angst vor dem ungewissen Schicksal der eigenen Daten im immer unüberschaubarer werdenden Netz von Systemen darauf bestehen zu wollen, daß diese Daten geschützt werden, indem man sie der informationstechnischen Schleiermaschine nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen überläßt. Damit wird aber an anderen Stellen die Möglichkeit der Gewißheit reduziert, d.h. Ungewißheit und Unsicherheit produziert: Die Sicherheit - soziale, private, wirtschaftliche - produzierenden Systeme sind in guter kybernetischer Manier auf Informationen angelegt, werden ihnen diese verweigert, können sie ihren Aufgaben nicht mehr in dem Sinne nachkommen. Das Streben nach individueller Sicherheit produziert ein höheres Unsicherheitsniveau und trägt damit zum Abbau der Moderne bei. Dies gilt dann weiterhin auch für andere Dimensionen des Sicherheitsstrebens, die sich in der Diskussion um die „Verletzlichkeit" der Informationsgesellschaft widerspiegeln (Lit. 38): Die Sicherheit verheißenden Systeme sind nur bedingt sicher, natürlich sind sie anfällig gegen technische Fehler, gegen ihre eigene Komplexität, gegen Sabotage. Und je mehr diese Systeme die Gesellschaft durchziehen, desto weitreichender können die Folgerungen sein. Die zur Herstellung von Sicherheit unter diesen Bedingungen einzubauenden Sicherungen gefährden dann ihrerseits wieder andere Errungenschaften. Man kann sich allerdings auch anders gegen Verletzlichkeit schützen - das Internet ist z.B. entstanden, weil man die Verletzlichkeit eines zentralisierten Netzes fürchtete. Dies bedeutet dann aber notwendigerweise einen geringeren Grad an Ordnung und Kontrolle.

980 G 2.2.2

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft Die naive Utopie

Die sich entwickelnde Ungewißheit sucht im Sinne der auslaufenden Moderne nach neuen Quellen der Gewißheit und entdeckt dabei naturgemäß wieder das Konzept der Information. Der Kampf um mehr Demokratie, Pluralität, individuelle Freiheit war ein Kampf, der vor allem kommunikativ geführt wurde, mit der Presse und um deren Freiheit von staatlicher Zensur. Dabei galt der Kampf weniger der Unterdrückung oder Publikation von „Nachrichten" (wie man in dieser Phase „Informationen" genannt hätte), sondern vor allem der Freiheit, Meinungen zu bilden und zu verbreiten (Meinungsfreiheit als das höhere Gut, als dessen Umsetzung die Pressefreiheit, aber auch die Versammlungsfreiheit gilt). In der informationsgesellschaftlichen Neusprache werden - und hier auch wieder unterschiedslos in bester Shannon-Thidition - alle Produkte der Medien und Objekte der Kommunikation zu „Information". Untersagt der Böse in der negativen Utopie die freie Verbreitung (auch in „1984" gibt es weiter Medien), wird in der positiv orientierten Utopie der erhebliche Zuwachs an Kanälen, auf denen alles Mögliche verbreitet werden kann, zum erstrebenswerten modernen Zustand. Es entsteht das Zukunftsbild einer „informierten Gesellschaft". Dieses entsteht allerdings nicht deshalb, weil sich tatsächlich der Informationsstand aller Menschen erweitert (die betreffenden Autoren hätten auch große Schwierigkeiten gehabt, einen derartigen Zustand zu beschreiben), sondern weil sich die Menge und Art der Kanäle und damit die Menge und Art der über diese Kanäle möglichen Botschaften erweitern. Dies ist die typische Utopie der Techniker, die den enormen Zuwachs an Informationskanälen und -kapazitäten im Shannonschen Sinne sehen. Naturwissenschaftler und Techniker gehen davon aus, daß neue technische Möglichkeiten (für die sie aus ihrer Lebenswelt bestimmte Nutzungsformen sehen) nicht nur genutzt werden, sondern so genutzt werden, wie sie sich das gedacht haben. Dies war - insbesondere was die Geschichte der Informations- und Kommunikationstechnik angeht - häufig genug ein Irrtum (wenn man nur an die Beispiele denkt: das Telefon dachte man ursprünglich gar nicht als Alltags-Individualkommunikationsinstrument, das Telefax schlummerte als technische Entwicklung viele Jahrzehnte, Telex hat sich fast nur in Deutschland durchgesetzt, Teletex verschwand von der Bildfläche, bevor die meisten Menschen den Namen kannten usw.). Von daher sind Utopien dieser Art eher gut gemeinte Versuche, an der Sache auch das Positive zu sehen, als realistische Projektionen. Relativ früh bringt Steinbuch (Lit. 43) diese Utopie ein: „Die zukünftige Gesellschaft wird nicht nur eine Gesellschaft ohne Mangel an materiellen Gütern und Energie sein, die zukünftige Gesellschaft wird im besonderen eine informierte Gesellschaft sein... Das zukünftig zu erwartende Informiertsein über die Konsequenzen menschlichen Verhaltens ermöglicht es, spezielle Verhaltensmuster an deren Konsequenzen zu bewerten, nicht - wie es bisher üblich war - durch Vergleich mit der Tradition... Das Grundgesetz wird sein: Zukunft geht vorVergangenheit!" Unscharf ahnt Steinbuch, daß nach dem Wegfall von Religion und Ideologie die Zukunft ein Gewißheitsproblem darstellen wird, und er setzt auf Zukunftsforschung und Informationsbanken, deren Datenfülle die Zukunft beherrschbar machen. Wenn nur genügend „Information" für jedermann zur Verfügung steht, dann ist Ge-

G 2.2 Utopien und Planungen

981

wißheit zu gewinnen - eine Hoffnung, die Zukunftsforschung inzwischen so nicht mehr formulieren könnte. Deutlich später folgt Haefner, der sein Buch zwar in Anspielung auf Orwell „Der Große Bruder" nennt, dessen negativer Utopie aber keineswegs folgt, sondern im Gegenteil in den - 1980 bereits erheblich entwickelten - Technologien eine Möglichkeit darstellt, Gewißheit über informationstechnisch vermittelte „Informationen" wiederzuerlangen: „Die wichtigsten Eigenschaften einer Informierten Gesellschaft könnte man so darstellen: • Jeder hat Zugang zu der Information, die er braucht, um den für ihn relevanten Teil der Gesellschaft und seiner Umwelt zu verstehen und zu nutzen. • Jeder kann sich die Informationsverarbeitungskapazität beschaffen, um bedeutsame Information aufzufinden, zu werten und zu nutzen. • Die Umsetzung von Energie und Materie zur Strukturiening der physischen Umwelt ist zweitrangig geworden gegenüber der Ausgestaltung der Informationsumwelt... • Die Bedeutung des Kapitals als Voraussetzung für wichtige Produktionsmittel ist gegenüber heute zurückgegangen, da die Informationsproduktion im Vordergrund steht... • Die Existenz technisch zugänglicher Speicher der globalen Information wirkt ausgleichend und koordinierend... • Die Informierte Gesellschaft ist eine demokratische Gesellschaft mit hoher Partizipation aller Bürger... • Der Anteil der Zeit für Lernen und Arbeiten ist deutlich geringer als heute... • Die Informierte Gesellschaft schafft es, im Gleichgewicht mit der physischen Umwelt zu leben... • Die militärische Gefährdung heutiger Gesellschaften ist in Informierten Gesellschaften abgebaut..." (Lit. 19, S. 234-235)

Dies klingt so, als würde hiermit endlich der Mensch wieder in die Informationsgesellschaft eingeholt, aber dies ist nur an der Oberfläche der Fall: Die stillschweigende Voraussetzung ist die, daß „Information" vorhanden ist und diese gewissermaßen nur abgeholt zu werden braucht, eine Information, die auch wieder gegenüber der Materie und Energie, gegenüber den Menschen und deren Gesellungsformen abgehoben ist, die als solche bereits sichert, daß Kapital an Einfluß verliert, daß Umwelt schonend behandelt wird, daß Gewalt abgebaut wird. Hier wird „Information" - ohne Berücksichtigung ihrer Art und Verwendung - bereits zum Retter. Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, die technischen Möglichkeiten sind gewachsen, viel mehr „Information" ist aufgehäuft worden und steht zur Verfügung, aber Entwicklungen in diesem Sinne sind kaum zu beobachten (sieht man davon ab, daß in den industrialisierten Gesellschaften die Zeit für Arbeit tatsächlich geringer geworden ist, was aber dort keinesfalls als positive Utopieeinlösung begrüßt wird).

G 2.2.3

Die Planung der Infonnationsgesellschaft

Haben die negativen Utopien den Kampf gegen ihre Realisierung hervorgerufen, sind die positiven Utopisten mit daran beteiligt, die moderne Umsetzung ihrer Utopien zu gestalten. In dem Maße, in dem durch Gottes Tod der Moderne die Zukunftsperspektive ausging, d.h. sie vom historischen Fernziel abrückte zu einer Art

982

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

„erweiterten Gegenwart" (Lit. 36), in der ein Fernziel nicht mehr gegeben ist und die gerade vergangene Gegenwart sehr schnell zur entfernten Vergangenheit wird, wird Gewißheit in der Zukunft in das Instrument der Planung verlagert. Planung schafft zumindest für einen überschaubaren Zukunftszeitraum Sicherheit. Da sich Utopien nicht von allein einstellen, muß ihre Umsetzung geplant werden. Die siebziger Jahre waren in der Bundesrepublik der Zeitraum, in dem entschlossen etwas geplant wurde, was man vielleicht nicht so bestimmt „Informationsgesellschaft" genannt hat, was aber auch nicht sehr weit davon entfernt war. Da man aber Menschen nicht planen kann, bezog sich die Planung vorzugsweise auf den Bereich, den man heute „Infrastruktur" nennen würde, d.h. auch wieder diejenigen Komponenten, die im besten Shannonschen Sinne „Information" ermöglichen sollten: Technologien und Instanzen. Dabei spielte ein für die Bundesrepublik wichtiger anderer Gewißheits-Faktor eine Rolle: Die Frage der Kompetenzen (Zuständigkeit verschafft Gewißheit, ungeklärte Zuständigkeiten sind für Bürokratien gewissermaßen das Schreckensbild der Ungewißheit). Wissenschaft und Forschung sind nach der Grundkonstruktion der Bundesrepublik Kompetenz der Länder, die sich aber gegenüber den Herausforderungen der Infrastrukturen, die zur Informationsgesellschaft führen sollten, überfordert sahen. Dies führte zu einer stillschweigenden Kompetenzübertragung an den Bund, der im Rahmen von Förderprogrammen eine Leitfunktion für den Infrastrukturaufbau übernahm. Bezogen auf die Informationsgesellschaft begann dies seit 1967 mit dem Aufbau der „Computer Science", die sich in der Bundesrepublik Informatik nannte, als universitäres Lehr- und Forschungsfach (in mehreren DV-Programmen, vgl. Lit. 55, S. 6162). Dabei stand unübersehbar der Gesichtspunkt im Vordergrund, daß die informationstechnische Industrie die Informatik-Lehre und -Forschung brauchte, wie überhaupt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - der Infrastrukturaufbau im wesentlichen als eine Frage des Stärkung der Wirtschaftskraft angesehen wurde. Die so entstehende Informatik war von Anfang an sehr technisch ausgerichtet und etablierte sich - auch aufgrund der vom Bund und nicht mehr von den Universitäten gesteuerten Aufbausituation - wenig in die Universitäten hinein, sondern formte in den meisten Fällen recht eigenständige Blöcke. Den Universitäten ihrerseits gelang es nicht, entsprechende Kapazitäten bei den Fächern aufzubauen, die sich um die Anwendungsfragen und Folgenforschung kümmern mußten. Der hard- und softwareorientierten Informatik ist es bis heute nicht gelungen, sich selbst in diese Gebiete einigermaßen sachverständig zu entwickeln. Der Versuch, gewissermaßen in einem für die Informationsgesellschaft zentralen Anwendungsbereich, nämlich dem der Informationsvermittlung, ein Pendant zu schaffen mit dem Bundesförderungsprogramm Information und Dokumentation von 1975 (Lit. 07) scheiterte mehr oder weniger. Die Ausgangsidee war sicherlich richtig: Wissen, insbesondere das, das in Zusammenhang mit Wissenschaft und Technik entsteht oder benötigt wird, wird weltweit produziert und benötigt, ein Industrieland wie die Bundesrepublik muß sichern, daß dieses Wissen verfügbar ist und zwar allen, die es benötigen. Dazu bedarf es einer wissenserfassenden, wissensordnenden und wissensvermittelnden Infrastruktur von Einrichtungen und Medien, die dieses Programm ebenso herstellen wollte, wie es an den Universitäten ein Pendant zur technikzentrierten Informatik in Form der Informationswissenschaft

G 2.2 Utopien und Planungen

983

etablieren wollte. Die Planung wäre hiermit von einer rein technisch-wirtschaftlichen Basis der Informationsgesellschaft abgerückt hin zu einer Planung, die nahe an den Stellen gelegen hätte, die Wissen benötigen und umsetzen. Diese Infrastruktur konnte allerdings nur rudimentär umgesetzt werden, weil sich dagegen zu viele Widerstände regten und letztlich der Bund diesen Weg zur Informationsgesellschaft auch nicht wirklich wollte (vgl. Lit. 55): • Die noch sehr junge Informatik sah darin einen Konkurrenten, tolerierte das Programm einige Zeit, bis es einige seiner Überreste in sich aufsog (mit der Eingliederung der „Gesellschaft für Information und Dokumentation" in die „Gesellschaft für Datenverarbeitung"). • Das privatwirtschaftliche Verlagswesen sah darin ebenso eine Konkurrenz wie das öffentlich organisierte Bibliothekswesen. Beide versuchten einerseits ihre tradierten Positionen so lange wie möglich zu behaupten und andererseits die neuen Entwicklungen aus ihrer eigenen Sicht zu nutzen. Im Verlagswesen ging so viele wertvolle Zeit verloren, die andere Konkurrenten nutzten, im Bibliothekswesen sind die inzwischen entstandenen Rückstände gegenüber den anderen industrialisierten Ländern nicht übersehbar. • Den Rest besorgten Kompetenzstreitigkeiten auf der Ebene des Bundes: das Wirtschaftsministerium wollte überhaupt keine Förderung, das Innenministerium eigentlich ein eigenes Datenbanksystem (Informationsbankensystem 1971), die Fachressorts wollten die Informationstätigkeit in ihren Bereichen selber organisieren. • Schließlich brachen auch die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern wieder auf, als dem Bund aufgrund der Rezession der späten siebziger Jahre das Geld knapp wurde.

Die Etablierung einer Wissenschaft, die sich um die Informationsgesellschaft aus der Sicht der Menschen kümmern sollte, scheiterte: Das Modell der Förderung der Informatik ließ sich - weil auch das Interesse der informationstechnischen Industrie fehlte - nicht wiederholen, die zaghaften Ansätze blieben unterhalb einer kritischen Masse und die Wissenschaften selber waren offensichtlich mit anderen Problemen beschäftigt - die Informationswissenschaft blieb von wenigen Ausnahmen abgesehen bis heute eine Wissenschaft, die sich mit Retrievalsystemen beschäftigt. Die Informationsgesellschaft als ein Konzept, das von der Wissensnutzung ausging, war offensichtlich nicht planbar, so daß sich diese Ansätze bald in eine reine Wetterführung des Wenigen, das erreicht wurde, verloren (als Fachinformationsprogramme) - eine Weiterführung, die mehr einer schleichenden Abwicklung gleicht. Aber die Planung der Infrastrukturen ging weiter. Nachdem die informationstechnische Industrie ihre Informatik hatte, wurde deutlich, daß die nächste Stufe des Wegs zur Informationsgesellschaft die Netzinfrastruktur sein würde. Die „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK, Lit. 26) war es, die die Weichen für diesen Planungsbereich stellte, aus dem sich dann die Einführung des Kabelfernsehens, die Umgestaltung des Telefonsystems, die Einführung von Bildschirmtext usw. ableiteten. Flankiert wurde dies von immer neuen technikzentrierten Förderungsprogrammen, bis dieser Ansatz in die Hände der europäischen Gemeinschaft gelegt wurde - Mitte der Achtziger Jahre war deutlich geworden, daß • trotz aller Förderung die informationstechnische und nachrichtentechnische Industrie durch andere Länder überholt und teilweise abgehängt worden war, • die Infrastrukturen keine nationalen Infrastrukturen bleiben konnten, sondern global werden mußten.

984

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

Die Planung der Informationsgesellschaft war keine Planung von „Gesellschaft", sondern eine der Techniken und der damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen. Auch ihr ging es wesentlich um Sicherung - aber nicht Sicherheit und Gewißheit, die direkt mit den Situationen der Gesellschaftsmitglieder zu tun hatten, sondern um die des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Abgefedert wurde diese Planung durch die naiven Utopien, auf die man sich zurückziehen konnte - wenn die Techniken erst einmal da sind und nicht zu teuer sind, dann wird sich ein wahres Informationsdorado für jedermann einstellen. Die Probleme wurden leicht in den Kontext der negativen Utopie verwiesen, die mit der Datenschutzgesetzgebung kanalisiert worden war.

G 2.3

Tieferliegende Entwicklungen

G 2.3.1

Der nachindustrieDe Wandel

Hinter den vordergründigen und immer recht kurzfristigen Orientierungen mit wirtschaftspolitischer Motivation vollzogen sich jedoch reale Entwicklungen, die andeuteten, daß „Informationsgesellschaft" ein Konzept ist, das eng mit einer grundlegenden Veränderung der Entwicklungsgeschichte der Menschheit verknüpft ist. Schon in den sechziger Jahren wurde deutlich, daß die Industriegesellschaft, die die Agrargesellschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts abgelöst hatte, vor einem grundlegenden Wandel stand (Lit. 31): Mit der enormen Steigerung der Produktivität der Warenproduktion (die dann durch die Informatik weitere Schübe erhielt) sank der Bedarf an produktiven Arbeitsplätzen, die Beschäftigung - die einmal von der Landwirtschaft in die Industrie gewandert war - wanderte nun in einen sogenannten tertiären Sektor, den der Dienstleistungen, so daß heute in den industrialisierten Staaten bereits die Mehrzahl der Beschäftigten in Dienstleistungsberufen tätig ist. Da sich ein Großteil der Dienstleistungsberufe damit beschäftigt, „Informationen" in dem sehr allgemeinen Sinn, den die Shannon-Nachfolgediskussion hervorgebracht hatte, zu produzieren oder zu verarbeiten, wurde bereits sehr früh ein Trend zur „Informationsgesellschaft" konstatiert als einer Gesellschaft, in der die Mehrzahl der Beschäftigung in diesen Dienstleistungsberufen tätig sein würde. Gelegentlich wurde sogar proklamiert, daß sich aus dem Dienstleistungssektor ein quartärer „Informationssektor" herauslösen würde, so daß in einer Zukunft die Mehrzahl der Beschäftigten nicht mehr in den nicht-informationsverarbeitenden Dienstleistungsberufen tätig sein würde, sondern in den informationsorientierten (Lit. 37, Lit. 39). Diese nach- oder postindustrielle Gesellschaft ist mit großem Ernst von Daniel Bell 1973 beschrieben worden (Lit. 04). Bells These war, daß die nachindustrielle Gesellschaft aufgrund der Produktivitätszuwächse materiell eine Überflußgesellschaft sein würde. Der materielle Mangel wird ersetzt durch einen Mangel an Information. Die nachindustrielle Gesellschaft wird nicht mehr durch die Differenzen der Sozialstrukturen gekennzeichnet sein, sondern durch Differenzierungen um die Be-

G 2.3 Tieferliegende Entwicklungen

985

herrschung des Wissens. Die Beherrscher des Wissens (Wissenschaftler und Technokraten) bilden neue Klassen aus in Anlehnung an das Wissen, das sie beherrschen. Sie bilden damit einen neuen Machtfaktor, von dem Politik immer abhängiger wird.

G 2.3.2

Die WLssensgesellschaft

Die These der nachindustriellen Gesellschaft ist von Bell auch als „Informationsgesellschaft" charakterisiert worden (Lit. 04, S. 353), allerdings als eine, die eine Reihe von Problemen mit sich bringt, wie daß mehr Information nicht gleichbedeutend sei mit umfassender Information, daß Information immer fachtechnischer und damit eine Geheimwissenschaft werden wird, daß mehr fachtechnische Information steigende gesellschaftliche Kosten bedingt und daß in dieser Situation der Einzelne immer weniger informiert sein wird. Damit hat er zumindest begonnen, die wichtige Differenzierung zwischen „Wissen" (das bei ihm der zentrale Bezugspunkt ist) und „Information" anzugehen. Die Diskussion seiner Analyse hat aber häufig genug seine Konzentration auf „Wissen" im Sinne der Oberflächlichkeit des Informationsbegriffs als „Information" uminterpretiert, bis er selber dann auch zur „Informationsgesellschaft" kommt, die wesentlich infrastrukturell definiert ist (Lit. 05). Dabei ist leider der Gesichtspunkt des Wissens etwas auf der Strecke geblieben, obwohl an vielen Stellen deutlich wurde, daß nicht der Gesichtspunkt des Transports von Signalen (der letztlich den oberflächlichen Informationsbegriffen zugrundeliegt) ein wesentlicher Faktor der Veränderung ist, sondern die Veränderungen, die mit der Funktion des Wissens verbunden sind. Die Autoren, die sehr ernsthaft auf diese Veränderungen hingewiesen haben, sind durchaus prominent - etwa Foucault (Lit. 11, Lit. 12), der zwar seine Archäologie des Wissens selten bis in die Gegenwart geführt hat, aber durchaus so hätte verarbeitet werden können, oder Lyotard (Lit. 30), dessen gesamte Postmoderne-These auf der veränderten Wissensfunktion beruht, oder Bühl (Lit. 08), der eine neue Wissenssoziologie hätte begründen können. Alle diese Autoren wurden diskutiert und waren einflußreich - allerdings nicht mit ihren wissenbezogenen Arbeitsbestandteilen. E s hat den Anschein, als wäre weltweit ein mentaler Block vorhanden gewesen, der sich weigerte jenseits der Oberflächlichkeit des Informationsbegriffs auf diese Ebene durchzustoßen. Selbst die Informationswissenschaft ist dieser Analyse nur ein ganz kleines Stück gefolgt. Dabei ist es unübersehbar, daß durch die neuen Wissenstechnologien die Rolle und Funktion des Wissens neu definiert werden muß (Lit. 52, Lit. 53) und sich daraus grundlegende Veränderungen für das Leben der Menschen ergeben werden - vielleicht nicht die von Bell postulierten, aber so gravierende, daß das Nachdenken darüber unverzichtbar ist: • Durch die Kommunikationstechnologien wird das Wissen immer unpersönlicher und auch unpersönlicher verbreitet. Die bisher geltende Grundlage, daß Wissen auch immer das Wissen von jemand ist, dem man vertrauen kann, weil man ihn kennt, wird damit zunehmend abgelöst (so daß Giddens dann auch den Begriff des Vertrauens in das Zentrum seiner Überlegungen stellt, Lit. 14).

986

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

• Durch die Beobachtungstechnologien insbesondere in der Wissenschaft wird Wissen immer mehr technisch basiert produziert. Wir sind gezwungen Wissen zu glauben, von dem wir nicht mehr nachvollziehen können, wie es entstanden ist. • Durch die Präsentationstechnologien und die Medien wird Wissen immer zahlreicher, aber auch immer fragmentierter verbreitet. Wer kann Wissen schon zusammenführen? Es ist zwar richtig, daß die Menschen der Jetztzeit mehr wissen als Menschen jemals gewußt haben, aber das Wissen des Einzelnen war noch nie so gering gegenüber der Gesamtmenge des Wißbaren wie heute. • Durch die Informationstechnologien wird Wissen immer mehr technisch rationalisiert in Form von Kalkülen, die einem Algorithmus unterworfen werden können.

Bell hatte sicherlich damit recht, daß Wissen zu einer zentralen Fragestellung der zukünftigen Gesellschaft wird (die man dann auch - da Wissen irgendwie mit Information zusammenhängt - etwa als „Information ist Wissen in Aktion" gekennzeichnet hat, Lit. 27), aber die nachfolgenden Diskussionen haben nicht dazu geführt, daß dieser Aspekt der Informationsgesellschaft sonderliche Beachtung gefunden hätte. Die Versuche, etwa von Kreibich (Lit. 25), auf die „Wissensgesellschaft" hinzuweisen oder von Spinner (Lit. 42), das Problem von „Wissensordnungen" anzusprechen, sind bisher weitgehend ungehört verhallt. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, daß die Neudefinition von „Wissen" auch gleichzeitig eine Neubesinnung von „Wissenschaft" notwendig gemacht hätte (vgl. Lit. 51). Auch diese ist sehr prominent gefordert worden, etwa von Feyerabend (Lit. 10) oder dem frühen Habermas (Lit. 16), aber auch gerade von außerhalb wie etwa dem Feminismus oder den neuen sozialen Bewegungen, hat sich aber nicht deutlich entwickeln können. Allerdings scheint sich hier etwas zu bewegen, wenn sogar Luhmann (Lit. 29) der gegenwärtigen Form von Wissenschaft wenig Alltagsrelevanz bescheinigt. Die Veränderungen des Wissens und seiner Verwendung als Grundlage einer „Informationsgesellschaft" bleiben zur Zeit zwar sichtbar als eine wichtige Fragestellung, die aber noch keine weitreichende Aufmerksamkeit gefunden hat.

G 2.33

Die Informatisiening der Gesellschaft

Dabei ist nicht nur das Wissen von den technischen Veränderungsbewegungen betroffen, es ist letztlich das gesamte Leben. Diesen Gesichtspunkt haben bereits recht früh Nora/Mine (Lit. 35) in die Diskussion gebracht - eigentlich eher nebenbei in einem Gutachten für die französische Regierung, das eigentlich feststellen sollte, wie die defizitäre französische Außenhandelsbilanz durch Informationstechnik verbessert werden könnte. Für die „Informationsgesellschaft" weisen sie auf drei wesentliche Punkte hin: • Die zukünftige Entwicklung wird bestimmt durch das Zusammenwachsen von Telekommunikation und Informationstechnik, wofür sie das Wort „Telematik" einbringen. • Die Telematik wird nach und nach alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, privaten Lebens erreichen und verändern. Dafür verwenden sie den Ausdruck „Informatisiening". • Mit der Informatisierung der Gesellschaft wird ein Pluralisierungsprozeß einhergehen, in dem immer mehr und kleinere Gruppen miteinander sich um Macht und Problemlösungen ausein-

G 2.4 Die Offensive der Telematik

987

andersetzen, indem sie über die Telematik Positionen einbringen. Diese Gesellschaft nennen sie „polymorphe Informationsgesellschaft". Diese Thesen wurden zwar seinerzeit zur Kenntnis genommen, haben aber nur an einigen Stellen etwas bewirkt, da sie offensichtlich der realen Entwicklung etwas Vorgriffen (Lit. 49). Wahrscheinlich konnte sich auch niemand so richtig vorstellen, was es denn bedeutet, wenn alle Bereiche des menschlichen Handelns telematisch durchdrungen sind. Vielleicht wollte es sich auch niemand vorstellen. Der technische Durchbruch, der die Informatisierung eigentlich erst umsetzbar machte, ihr aber eine ganz neue Dimension verlieh, wurde kaum zur Kenntnis genommen: Die Mikroelektronik, die die informationstechnischen Komponenten so verkleinerte, daß sie inzwischen praktisch überall eingesetzt werden können und durch die Telematik auch von Ferne her angesprochen werden können. Zwar hat sich recht früh der „Club of Rome" mit dieser Frage befaßt (Lit. 13) und auch sehr richtig auf eine Fülle der Veränderungen, die damit zu erwarten sind, hingewiesen, doch blieb auch dieser Hinweis relativ ungehört. Dies mag damit zusammenhängen, daß dieser Bericht, der stark gewerkschaftlich geprägt war, auf ein Problem aufmerksam gemacht hat, das niemand gerne zur Kenntnis nehmen wollte, nämlich daß die Informatisierung der Gesellschaft • vor allem eine gleichzeitige Automatisierung von Produktion und Dienstleistungen darstellt • und daß diese Automatisierung notwendigerweise eine weltweite Dimension hat, • wodurch sich zwangsläufig ein unaufhaltsamerlYend zum Abbau von Arbeitsplätzen und zum Anstieg von Arbeitslosigkeit ergibt (was man schon aus den Xnput-Output-Analysen von Leontief hätte entnehmen können), • der dazu zwingt sich Gedanken zu machen, was mit diesen nicht mehr an den Arbeitsprozeß gebundenen Personen anzufangen sei. Die Informationsgesellschaft wird so auch zu einer Gesellschaft, in der das Verhältnis von Arbeit und Freizeit neu zu ordnen wäre. Das konnte man bereits sehr früh sehen (vgl. Lit. 50), fand aber keine weitere Aufmerksamkeit. Diese heute sehr aktuellen Aspekte von Informationsgesellschaft sind entweder nicht ernst genommen oder verdrängt worden.

G 2.4

Die Offensive der Telematik

G 2.4.1

Infrastrukturen als Vorstufen

Diese Verdrängungseffekte mögen mit zwei Eigentümlichkeiten der Diskussionen, die wir öffentlich über Zukunftsentwicklungen führen, zusammenhängen: • Die öffentliche Diskussion überzeichnet immer deutlich, muß sie vielleicht auch, um im Mediengewirr überhaupt Konturen gewinnen zu können. Sie tut es auch deshalb, weil Journalisten und solche, die sich dafür halten, in der Regel nur geringen Sachverstand mitbringen und auf sehr kurzfristige Erfolge ausgerichtet sind. Die Diskussion konzentriert sich daher auf wenige Protagonisten und dies auch nur, wenn sie medienwirksam sind und übertreiben. Der warnende Protagonist der achtziger Jahre, den sich die Medien auserkoren hatten, war Jo-

988

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

seph Weizenbaum (beginnend 1977 mit Lit. 45), der letztlich eine sehr emotionale und kontrafaktische Position vertrat, die zwar von vielen als liebenswert angesehen wurde, aber die Entwicklung einer realistischen Position eher verhinderte. • Die Diskussion wird immer wieder überdeckt durch neue Faszinationen, die die technische Entwicklung lieferte. Dabei handelte es sich nicht nur um Faszinationen, sondern auch um Entwicklungen, die immer wieder gewissermaßen als das Münchhausensche Haupthaar benutzt werden konnten - die Effekte, die die Technologien haben (etwa im Bereich der Arbeitsplätze), lassen sich durch die Weiterentwicklung eben dieser Technologien aufhalten oder sogar zurückholen. Das informationstechnisch-wirtschaftliche Argumentationsmuster, das bereits am Anfang mit dem Informatik-Aufbau stand, hat sich die gesamte Zeit erhalten und durchgesetzt.

Die Infrastruktur der „Informationsgesellschaft" ist auf dem Vormarsch, wichtige Durchgangsetappen waren in Deutschland • die Einführung des Privatfernsehens und damit die Multiplizierung der Programmangebote, eine weitere Fragmentierung der Wissensvermittlung sowie die Weiterführung der Kommerzialisierung des Kommunikationswesens, • die Einführung des Kabelfernsehens und damit die technischen Voraussetzungen für eine Angebotsmultiplikation, der Übergang zur (kabel)weggebundenen Kommunikation als Grundstruktur der „Informationsgesellschaft", • die Verbreitung der Audio-CD, die das Prinzip der Digitalisierung praktisch unbemerkt in jeden Haushalt brachte und mit positiven Merkmalen belegt wurde, • die Verbreitung des Videorecorders, der die Virtualisierung der Zeit ermöglichte, • die schrittweise Digitalisierung des Telefonnetzes und damit der Obergang von der analogen zur digitalen Technik an der Kommunikationsstruktur, die gewissermaßen das Nervensystem der Gesellschaft repräsentiert, • der enorme Erfolg des Telefaxdienstes, der praktisch allen Menschen verdeutlichte, daß das Telefon nicht nur zum Telefonieren benutzt werden kann, • die Verbreitung kabelloser Kommunikationssysteme als Ergänzung der kabelgebundenen, die eine neue Form der Kombination von Mobilität und Kommunikation anbot, φ die Automatisierungen an den verschiedenen Kundenschnittstellen wie Geldautomat, Kontoauszugsdrucker, Barcode-Kassen etc., • die Geräteautomatisierungen, insbesondere im Bereich des Pkw, aber auch der Haushaltsgeräte.

G 2.4.2

Innovative Prinzipien

Dies waren einige der in den Alltag eindringen Stationen (flankiert von weniger spektakulären Vorläufern wie der Scheckkarte). Dazu traten die technischen Neuentwicklungen, die einerseits immer wieder heftige und meist positiv-faszinierte öffentliche Diskussionen auslösten und andererseits auch relativ bald Eingang in die Produktwelt fanden, wie • das Multimedia-Prinzip, d.h. die Koppelung unterschiedlicher Datentypen (Bild, Text, Ton) in einen Benutzungsvorgang und dessen Zurverfügungstellung in Form von einigermaßen billigen Geräten und Datenträgern (CD-ROM), • die Prinzipien der Künstlichen Intelligenz (etwa Mustererkennung, wissensbasierte Systeme), die zwar in der öffentlichen Diskussion weit übertrieben wurden, aber nunmehr doch an vielen Stellen zumindest in unspektakulären Zusammenhängen Einsatz finden,

G 2.4 Die Offensive der Telematik

989

• das Hypermedia-Prinzip, das zwar weniger spektakulär war, aber auf der praktischen Ebene erhebliche Benutzervorteile mit sich brachte (deutlich erkennbar etwa am durchschlagenden Erfolg des World Wide Web), • die Prinzipien der Virtuellen Realitäten, die neue Möglichkeiten der Koppelung von bisher im Vordergrund stehenden Fernsinnen mit Nahsinnen brachten, • die Prinzipien der Farbverfügung auf allen Ebenen der Verarbeitung (bis hin zum preisgünstigen Farbdrucker), • die Prinzipien der benutzerfreundlicheren Oberflächen (lkons, Metaphern, Agenten), die tendenziell auch den „Normalmenschen" zum Benutzer machen können, • die Prinzipien der Objektorientierung, die zwar den Benutzem in der Regel verborgen bleiben, aber auf der Ebene der Anwendbarkeit zu erheblichen Verbesserungen beitragen (etwa im Bereich Grafik- und Bildbearbeitung, Datenbanken).

Die Produkte und Dienste konnten sich diese Prinzipien sehr schnei) verfügbar machen und miteinander mischen, besonders deutlich an den öffentlichen Anwendungsbereichen der elektronischen Spiele und der CD-ROM (bzw. multimedialen Anwendungen an Kundenschnittstellen). Weniger spektakulär, aber von erheblicher Durchsetzungskraft sind die gewerblichen und wissenschaftlichen Kombinationen dieser Prinzipien. Noch sind die Umsetzungen der - weitgehend vorhandenen - Technologien zu einer vollständigen Informatisierung der Gesellschaft behindert durch zumindest zwei infrastrukturelle Bedingungen, die teilweise voneinander abhängig sind: • Die Haupttransportschiene gewerblicher kommunikativer Güter - das Fernsehen - ist noch analog und damit weder in die digitale Infonnatisierungslandschaft eingepaßt noch voll kompatibel mit den anderen digitalen Produkten. Außerdem handelt es sich bislang noch um ein Medium der Verteilkommunikation, das nicht auf Interaktivität angelegt ist. • Die interaktiven Haupttransportwege, die prinzipiell in alle Winkel reichen, d.h. Informatisierung flächendeckend telekommunikativ umsetzen - die Telefonleitungen - sind kapazitativ zu begrenzt, um größere multimediale Durchsätze zu ermöglichen.

G 2.4.3

Gore, Bangemann, G7

Diese wahrscheinlich die telekommunikative Durchdringung komplettierende Entwicklung ist nunmehr eingeleitet worden - wiederum weniger, weil damit eine bestimmte Qualität von Gesellschaft erreicht werden soll, sondern eher weil man sich davon eine Belebung des Wirtschaftslebens erwartet. Den Anfang machte die amerikanische Bundesregierung mit der Rede des Vizepräsidenten Al Gore (Lit. 15), in der er die Idee der „Information Highways" einbrachte: So wie die Highways die Weite des Landes physisch erschließen, sollen Datenautobahnen praktisch in jeden Haushalt führen, auf denen praktisch alle bekannten Übertragungskapazitäten interaktiv realisiert werden können, so daß jedermann aktiv und passiv relativ beliebige Multimedialität benutzen kann. Das Beispiel dafür gibt es bereits, allerdings mit eingeschränkter Multimedialität und Übertragungskapazität - das Internet. „Die Verwaltung hat vor, eine Umgebung hervorzubringen, die ein privates System frei fließender Informationswege stimuliert. Es wird eine Vielfalt von Anwendungen und Produkten einschließen, die innovativ sind und die man sich leisten kann

990

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

und die Individuen und öffentlichen Einrichtungen die bestmögliche Gelegenheit geben, gleichermaßen Informationsnachfrager und -anbieter zu sein. Jedermann, der ein Geschäft zur Verbreitung von Information vorhat, wird die Mittel haben, um Kunden zu erreichen. Und jede Person, die Information haben möchte, wird in der Lage sein, zwischen verschiedenen Wettbewerbern zu vernünftigen Preisen zu wählen (Gore 1993, Obers, d. Verf.)." Das System soll nach folgenden Prinzipien aufgebaut sein: 1. private Investition, 2. Förderung und Schutz des Wettbewerbs, 3. offener Zugang zum Netzwerk, 4. Vermeidung einer Gesellschaft mit Klüften zwischen solchen, die Information haben, und solchen, die sie nicht haben, 5. Anregung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. In einem nächsten Schritt zog die Europäische Gemeinschaft nach mit dem sogenannten Bangemann-Bericht, der eine derartige Zielkonzeption für die Europäische Gemeinschaft vorschlug: „Die breite Verfügbarkeit neuer Informationstechniken und -dienste bietet die Chance für mehr Gleichberechtigung und Ausgewogenheit in der Gesellschaft und fördert die Selbstverwirklichung. Die Informationsgesellschaft verfügt über das notwendige Potential, um die Lebensqualität der europäischen Bürger und die Effizienz unserer Gesellschaft und Wirtschaftsorganisation zu verbessern sowie den europäischen Zusammenhalt zu stärken. Die informationstechnische Revolution bewirkt einen tiefgreifenden Wandel in unserer Sicht von der Gesellschaft wie auch in deren Organisation und Aufbau. Dies stellt uns vor eine große Herausforderung. Entweder wir ergreifen die vor uns liegende Chance und bewältigen die Risiken, oder wir beugen uns ihnen mit allen damit verbundenen Unsicherheiten... Dieser Gefahr, die der Strukturwandel unweigerlich mit sich bringt, müssen wir begegnen, indem wir die Menschen davon überzeugen, daß die neuen Technologien einen großen Schritt vorwärts in Richtung auf eine europäische Gesellschaft bedeuten können, die weniger von Inflexibilität, TYägheit und Gruppendenken beherrscht wird. Durch Bündelung von traditionell räumlich getrennter Ressourcen setzt die Informationsinfrastruktur ein unbegrenztes Potential zur Erweiterung des Wissens, für Innovationen und zur Entfaltung von Kreativität frei (Lit. 09, S. 807)." Dazu I. II. III.

dienen die folgenden Projekte: Telearbeit: Mehr Arbeitsplätze und neue Arbeitsplätze für eine mobile Gesellschaft Femlernen: Lebenslange Aus- und Weiterbildung für eine Gesellschaft im Wandel Ein Netzwerk für Hochschulen und Forschungszentren: Vernetzung des europäischen Wissens IV. Telematikdienste für Kleine und mittlere Unternehmen: Neubelebung des wichtigsten Motors für Wachstum und Beschäftigung in Europa V. Straßenverkehrsmanagement: Mehr Lebensqualität dank Straßen mit elektronischer Infrastruktur VI. Flugsicherung: Elektronische Luftstraßen für Europa VII. Netze für das Gesundheitswesen: Eine kostengünstigere und effizientere medizinische Versorgung für Europas Bürger VIII. Elektronische Ausschreibungen: Effizientere Gestaltung der öffentlichen Verwaltung IX. Thinseuropäisches Netz öffentlicher Verwaltungen: Bessere Leistungen, geringere Kosten X. InformationsschnellstraBen für Städte: Einbeziehung der privaten Haushalte in die Informationsgesellschaft.

G 2.4 Die Offensive derTelematik

991

In beiden Projektentwürfen steht also vor allem die wirtschaftspolitische Zielsetzung im Vordergrund. Daß diese mindestens ein Hauptziel ist, kann man daran erkennen, daß die sieben führenden Industrienationen der Welt, die sich von Zeit zu Zeit auf sogenannten G7-Gipfeln über Fragen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzpolitik abstimmen, einen speziellen Gipfel am 26.3.1995 zu den Fragen der „Information Highways" abgehalten haben und sich dabei auf ein weltweites Programm geeinigt haben: 1. Zusammenstellung einer computergestützten Liste aller Projekte und Studien, die für die Entwicklung der globalen Informationsgesellschaft relevant sind 2. Angleichung der unterschiedlichen Hochgeschwindigkeits-Netzwerke 3. Schüler, Studenten und andere Interessierte können über Computer Informationen abrufen, die das Erlernen von Sprachen erleichtern 4. Über Computernetzwerke wird das in Bibliotheken gesammelte Wissen zugänglich gemacht 5. Über Netzwerke ist es möglich, sich Ausstellungsstücke in Museen anzusehen 6. Weltweite Vernetzung von Informationen, die für den Umweltschutz von Bedeutung sind 7. Per Computernetzwerk können Informationen ausgetauscht werden, die eine rasche Reaktion auf Notfälle ermöglichen 8. Durch „Telemedizin" sollen die Bemühungen im Kampf gegen Krankheiten koordiniert werden 9. Behörden können ihre Erfahrungen im Einsatz der neuen Technologien austauschen 10. Unternehmen sollten per Netzwerk Geschäfte abwickeln 11. Weltweiter Informationsaustausch dient der Verbesserung des Schutzes der Meere und der Konkurrenzfähigkeit der maritimen Industrien.

G 2.4.4

Multimedia und Zweifel

„Informationsgesellschaft" wird propagiert als: Gesellschaften, die durchzogen sind von hochkapazitativen digitalen Netzen, die im Prinzip bis in jeden Winkel reichen, und über die rezeptiv und interaktiv fast alle denkbaren kommunikativen Vorgänge abgewickelt werden können. Die Liste der Dienste, die in naher Zukunft angeboten oder angedacht sind, enthielte etwa Video-on-Demand, Bild-/Ton-/Film-Datenbanken, interaktives Fernsehen, Telearbeit, Teleshopping, Telekooperation, Televerwaltung, Telespiele, Telebildung - insgesamt gälte es bei dem Stand der Technik etwa 500 Kanäle von der Mächtigkeit gegenwärtiger Fernsehkanäle zu füllen. Meist wird dieses Programm als „Multimedia" angesprochen. Kaum ein Abend, in dem nicht ein Fernsehprogramm das Thema aufgreift, die Menge der Bücher und Aufsätze ist urplötzlich ins kaum noch Überschaubare und Zitierbare angewachsen. Das globale Kapital setzt ganz offensichtlich seine Renditeerwartungen auf den Kommunikationsbereich, die Politik folgt ihm, weil sie es für die Weiterverfolgung des Prinzips der Wachstumswirtschaft braucht. Allerdings mischen sich gelegentlich doch noch einige Zweifel ein, vor allem, • ob die Leute tatsächlich diese ganzen neuen Dienste und Kommunikationsmöglichkeiten so schnell nutzen werden, daB sich der immense Aufwand des Aufbaus der Netze und der Entwicklung der Dienste in absehbarer Zeit lohnen könnte. Den schlechten Erfahrungen bei der Einführung neuer Dienste wie der Bildplatte, des Bildschirmtext und auch des ISDN werden

992

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

dann die euphorischen Nutzungen des Internet vorgehalten (das allerdings über weite Strekken noch relativ billig ist und deutlich erkennbar bisher nur eine ganz bestimmte Gruppe von Benutzem anzieht). • wo die Leute denn bei sinkenden Realeinkommen die Ressourcen hernehmen sollen, um diese Möglichkeiten kommerziell zu nutzen. Der Besorgnis, daß damit ganze bisher existierende Branchen austrocknen könnten - die einen (wie die Reisebüros) weil sie telekommunikativ ersetzt werden, die anderen (wie vielleicht Reiseveranstalter) weil sie von der Umschichtung der privaten Haushalte in die Information Highways betroffen sind - , werden die arbeitsplatzschaffenden Erwartungen entgegengehalten. • ob nicht alle Erwartungen von der bereits von Friedrichs/Schaff angedeuteten „globalen Falle" erfaßt werden: Die „Information Highways" machen nur dann Sinn, wenn sie global sind und es läßt sich nicht vermeiden, daß sie von einer globalen Wirtschaft realisiert werden. Unvermeidbarerweise werden sie einen weiteren Schritt in der Automatisierung des Dienstleistungssektors darstellen bzw. wenn man von einem quartären „Informationssektor" sprechen will, auch dieses quartären Sektors. Den erwarteten positiven wirtschaftlichen Folgen werden unvermeidlich Arbeitsplatzreduktionen gegenüberzustellen sein. Vielleicht wird die weltweite Bilanz sogar positiv werden, allerdings ist z.Zt. nicht übersehbar, wo sich die Bilanzgewinne niederlassen werden (ob überhaupt in den industrialisierten Staaten).

G 2.5

Die Notwendigkeit einer realistischen Utopie

G 2.5.1

Defizitanalyse und -abbau

Vielleicht ist dieses Konzept der „Informationsgesellschaft" für lange Zeit das letzte Aufbäumen einer Welt, die bereits am Vergehen ist, die in der Informations- und Kommunikationstechnik die letzte Gelegenheit ergreift, den Traum der Industriegesellschaft mit eingebauter Fortschrittsgarantie und automatischem Wachstum, das es ermöglicht soziale und kulturelle Spannungen durch Verteilung des Gewinns zu kanalisieren, zu Ende zu träumen. Vielleicht ist es auch ein letztes Aufbäumen der Gewißheits-Fraktion, die in einem Endausbau der Informations- und Kommunikationswege den Sicherheitsfaktor zu finden hofft, der ihr unaufhaltsam entschwindet. Denn die Stimmen mehren sich, die unter dem Stichwort der „Postmoderne" bzw. der „reflexiven Moderne" diese Zeit zu Ende gehen sehen, die neue Zeit der Ungewißheit kristallisiert sich immer mehr als relativ gemeinsame Auffassung derjenigen heraus, die sich Gedanken um Gesellschaft machen müssen. Das Interessante ist, daß ein Großteil dieser Stimmen zwar einen Übergang in eine andere Phase der Gesellschafts- und Menschheitsentwicklung sieht, daß aber diese Phase auch - unter bestimmten Bedingungen - als Informationsgesellschaft verstanden werden kann. Dann allerdings nicht mehr als eine Gesellschaft, die sich automatisch dann einstellt, wenn man nur die entsprechenden Kabel verlegt, sondern als eine Gesellschaft, die wir erreichen und gestalten müssen, um die Defizite der Moderne zu beseitigen - und diese Defizite können wir als einen utopischen Realismus unter dem Stichwort „Information" einfordern. Dies ist der Gesichtspunkt, den Giddens einbringt: Die Moderne, die gefestigt war im Vertrauen auf den technischen Fortschritt, der ihr Sicherheit und ein historisches

G 2.5 Die Notwendigkeit einer realistischen Utopie

993

Ziel verhieß, geht ihrem Ende entgegen - noch nicht in den sozialen und institutionellen Strukturen, die sie geschaffen hat, aber gedanklich und philosophisch. „Die .Geschichte' ist nicht auf unserer Seite, sie hat keine Teleologie und liefert uns keine Garantien. Doch das stark kontrafaktische Gepräge zukunftsorientierten Denkens, das ein wesentliches Element der Reflexivität der Moderne ausmacht, hat sowohl positive als auch negative Implikationen. Denn wir können uns alternative Zukunftsverläufe ausmalen, deren bloße Propagierung zu ihrer Verwirklichung beitragen können. Was not tut, ist die Schaffung von Modellen eines utopischen Realismus (Lit. 14, S. 190)." Die Defizite der scheidenden Moderne müßten danach im Mittelpunkt stehen und nicht die vordergründigen technischen Möglichkeiten. Vielleicht den größten Rahmen für eine derartige Defizitanalyse spannt Toulmin (Lit. 44) auf: Wenn die Moderne eine Zeit war, die sich nach Gewißheit gesehnt hat, eine Gewißheit, die sie nicht mehr durchgängig in der christlichen Heilsgewißheit gefunden hat, sondern in der Gewißheit der Rationalität, der modernen Wissenschaft, des Fortschritts und wenn sie nun zu Ende geht, dann weil die eigentliche Aufgabe der Renaissance noch unvollendet ist (so auch Nietzsche, Lit. 34, S. 433). Damit bricht wieder eine Zeit an, die mit mehr Ungewißheit fertig werden muß, eine Ungewißheit, die auch damit zu tun hat, daß wieder mehr Mündliches, Besonderes, Kontexthaftes und Zeitbedingtes zu berücksichtigen sein wird. Die Postmoderne muß mit mehr Ungewißheit leben. Ähnlich, wenn auch in anderen Argumentationszusammenhängen Beck (Lit. 03): Die Moderne geht an ihren eigenen Erfolgen zugrunde, sie tritt in eine neue Phase ein, in der ihr als „Risikogesellschaft" nicht mehr Ordnung als positives Handlungsziel vorschweben kann, sondern Vermeiden als eher negatives Handlungsziel. Wenn nichts mehr gewiß genommen werden kann (weil auch alles ganz anders sein kann), dann muß die Moderne alles und insbesondere sich selbst kritisch reflektieren. Wie Toulmin für die neue Phase in Montaigne den Hinweis auf die Beachtung des Besonderen, Singulären findet, findet Beck bei eben dem Montaigne den Zweifel als notwendige Neubelebung von Aufklärung unter den Bedingungen der gewachsenen Individualisierung. Auch der Gedankengang von Giddens geht in diese Richtung: Die Hauptursache der Diskontinuitäten der Moderne ist für ihn die „Reflexivität oder Zirkularität des Wissens". Das sich ständig erweiternde Wissen sorgt einerseits dafür, daß es keine feste Basis gibt, ständig verändert sich etwas, Ungewißheit ist gewissermaßen eingebaut. Daneben treten die technischen Großsysteme, die Vertrauen erfordern, Vertrauen, das eben bei der Zunahme an Anonymität und Technisierung immer schwerer zu legitimieren ist.

G 2.5.2

Komplexität und Offenheit

Diese Gesellschaft, in die wir mit den „Information Highways" hineinwachsen, ist eine Gesellschaft voller Ungewißheiten, Individualismen, Zweifeln, Vertrauenskrisen, eine Welt gewachsener Komplexität, die die Individuen überfordert. Die Symptome der Überforderung liegen deutlich vor uns: Postmoderne-Krankheiten wie Allergien, Neurosen, Depressionen, Fluchtverhalten wie Sucht und Aktivismus,

994

Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

Resignation wie innere Emigration und Narzißmus. Die kulturellen Werkzeuge der Moderne - einer Gutenberg-Galaxis, einer durch einen industriellen Arbeitsbegriff geprägten Klassengesellschaft, einer Gesellschaft, in der die verschiedenen Reste von Religionen und Ideologien mit archaischen Resten sich artikulieren (im Beckschen Sinne „Gegenmodernen") - sind diesen Komplexitäten des Wissens und der Handlungsbedingungen noch nicht gewachsen (Lit. 40). Hinzu tritt das Phänomen einer zunehmenden Offenheit oder auch des Nachlassens vertrauter Ordnungskräfte und Schemata (Lit. 02). Die Kehrseite der Individualität ist die gewachsene Pluralität, die Welsch (Lit. 46) überhaupt für das Hauptkennzeichen der Postmoderne hält, eine Pluralität, wie sie die Menschheit noch nicht gekannt hat und die noch nach der These der „polymorphen Informationsgesellschaft" von Nora/Mine weiter wachsen wird - unvermeidlicherweise übrigens durch die „Information Highways". Die Pluralität verbindet sich mit Mobilität als Hauptkennzeichen der Spätphase der Moderne - nicht nur die räumliche Mobilität, wie sie das Auto und der Fernverkehr ermöglicht, sondern auch die soziale Mobilität, die die Klassen- und Schichtengrenzen beseitigt hat, die kulturelle Mobilität, wie sie in Ausdrücken wie „multikulturell" zumindest angedeutet ist, die kognitive Mobilität, die jeder einigermaßen bewußte Konsument in dieser Gesellschaft braucht, und schließlich die existentielle Mobilität, wie sie im zunehmenden Wechsel von Partnerschaften, Lebensstilen, Milieus etc. zum Ausdruck kommt. Die Steigerung der Mobilität wird die Virtualität sein: Die Virtualität der Zeit, indem wir zu einem relativ beliebigen Zeitpunkt etwas bewirken können, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu tun; die Virtualität des Raums, indem wir an einem relativ beliebigen Platz etwas bewirken können, ohne dort zu sein; die Virtualität von Realität, indem wir zwischen den verschiedenen Weltinterpretationen der Medien global pendeln. Diese Postmoderne, der das geschichtliche Ziel fehlt, die von Umbruch zu Umbruch wandert und so sich weiterentwickelt ohne die tröstliche Kontinuität früherer Geschichtsauffassungen, wird eine widersprüchliche, offene, plurale Welt sein, eine Welt mit sehr viel weniger Ordnungen, als sie die Industriegesellschaft aufwies.

G 2.5.3

Eine andere Interpretation von „Informationsgesellschaft"

Nimmt man beide Befunde - Ungewißheit und geringer Ordnungsgrad - dann läßt sich daraus als utopischer Realismus ableiten: Wir brauchen in einer solchen Welt, in der die kulturellen Werkzeuge der allseits beklagten Entwicklungsgeschwindigkeit nicht nachgekommen sind, • effiziente Hilfsmittel der Reduktion von Komplexität, um Ungewißheit zu reduzieren • Hilfsmittel, die uns in der gewachsenen Offenheit, im neuen Durcheinander Orientierung ermöglichen. Hier könnte nun die andere Interpretation von „Informationsgesellschaft" ansetzen: WennToulmin eine Rückkehr zum Humanismus der Renaissance fordert, dann ist es auch zulässig, die Ausgangsformel der „Informationsgesellschaft" - das Shan-

G 2.6 Die offenen Fragen

995

nonsche Informationsmaß - zu humanisieren: Liest man die Formel wie eingangs angedeutet als „Verringerung von Ungewißheit", dann wäre Informationsgesellschaft eine Gesellschaft, auf die wir uns zubewegen müssen, in der die existierende Komplexität durch geeignete, die Errungenschaften der Moderne nicht gefährdende Hilfsmittel reduziert wird. Gerade die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (aber auch unsere handlungsleitenden Maximen, die uns über die Medien vermittelt werden) müssen daraufhin abgeklopft werden, wo ihre Potentiale liegen, um diese Form der „Information" bereitzustellen. Auch die zweite Interpretation der Informationsgesellschaft kann bei Shannon ansetzen: Die Shannonsche Formel hat bekanntermaßen die gleiche Form wie der Entropiesatz der Wärmelehre, der besagt, daß in einem geschlossenen System die Entropie, d.h. der Grad an Unordnung wächst, allerdings hat sie ein negatives Vorzeichen, ist also der „Unordnung" entgegengesetzt. „Information" ist also etwas, das sehr eng mit Ordnung verbunden ist. Wenn sich unsere zukünftige Gesellschaft durch einen höheren Grad an Unordnung auszeichnet, dann ist es notwendig, daß wir Hilfsmittel entwickeln, mit denen wir uns in dieser „Unordnung" (die eine Errungenschaft der Moderne ist) orientieren und verorten können. Auch diese können wir „Information" nennen. Informationsgesellschaft ist dann nicht eine Gesellschaft, die sich bereits aus der Bereitstellung von Technologien und Signalen, die über sie massenhaft verbreitet werden, ergibt, sondern eine Zielvorstellung dessen, was wir mit diesen Technologien anfangen können, um in einer - weitgehend schon vor der Entwicklung dieser Technologien begonnenen - Entwicklung unserer Welt und Gesellschaft die notwendigen Anpassungsleistungen zu erbringen, um die Errungenschaften der Moderne dauerhaft (oder zumindest bis auf weiteres) zu genießen. „Informationsgesellschaft" ist eine Gesellschaft, die ihre Kreativität darauf verwendet, die Komplexitätsreduktionsmittel und Orientierungshilfen zu entwickeln, die dringend benötigt werden. Dies kann sie höchstwahrscheinlich nur durch bestimmte, bewußte Nutzungsformen der neuen Technologien und Infrastrukturen. Diese sind nur dann überflüssig, wenn wir mit ihnen nicht diese Form von „Information" produzieren, sondern nur diejenige, die wir bisher meist recht gedankenlos, oberflächlich und undifferenziert so nennen. Vielleicht ist tatsächlich diese Form der Bekämpfung von Postmoderne-Krankheiten und Überforderungssymptomen der Produktivitätsschub, den Gesellschaft und Wirtschaft als nächsten brauchen - soziale Produktivität, die sich nicht in geschaffenen Werten, sondern vermiedenen Verlusten ausdrückt (Lit. 33).

G 2.6

Die offenen Fragen

Eine derartige Zielsetzung erscheint nicht ausgeschlossen, da sich bereits eine Reihe von entsprechenden „Informationstypen" andeutet, die nur genauer als solche betrachtet, untersucht und geübt werden müßten (vgl. Lit. 53, S. 15f). Da wäre etwa die Idee der Entwicklung neuer Sinne für „Kontinuitäten" (Lit. 32), Authentizitäten, Einzigartigkeiten, Ästhetiken, da ist auf die Entwicklung von Lebensstilen

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Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

zu verweisen, die bereits solche Funktionen übernehmen, da kommen einem neue Formen des Alltags- und Zeitmanagements in den Sinn. Blickt man in den Bereich der neuen Technologien, dann wäre auf die komplexitätsreduzierenden Potentiale von Bildern und narrativen Strukturen zu verweisen, auf die Nutzung von Interaktivitäten, auf Hypermedialität, auf Agenten. Schließlich wären virtuelle Realitäten auch zu begreifen als TVainingsräume für die Phantasie (deren Nachlassen so beklagt wird), auch könnten mit ihnen ganz neue Orientierungsformen entwickelt werden. Die Potentiale wären vorhanden, mit den neuen Technologien auch tatsächlich das zu machen, was benötigt würde. Die Entwicklung geht allerdings bisher nicht in diese Richtung: Produziert werden immer schlechtere Fernsehprodukte (die aufgrund von Budget- und Kreativitätsgrenzen immer weniger Komplexität einfangen und reduzieren), CD-ROMs mit erbärmlicher Wissens- und Orientierungsqualität, virtuelle Realitäten, Spiele und Multimediaprodukte, die sich eher an kulturellen Standards vormoderner Gestaltungen sozialer Beziehungen orientieren, als daß sie in die Postmoderne verweisen (also vereinfacht gesagt „primitiv" sind). Vielleicht ist dies in Zeiten der Überhitzung, in denen die „Informationsgesellschaft" für viele der rettende Strohhalm ist, nach dem alle greifen, unvermeidbar, aber der hier gemeinten „Informationsgesellschaft" bringt uns dies nicht weiter entgegen. Dazu kommt, daß in dieser sich entwickelnden Gesellschaft eine Lücke gefüllt werden muß, die nicht mehr als „Information" zu begreifen ist, eine Lücke, auf die schon Bell verwiesen hatte - die Ethik-Lücke. Sie wird besonders von Jonas beklagt, der darauf hinweist, daß die traditionelle Ethik vor allem deshalb nicht mehr greift, weil sich durch das gesteigerte Wissen und die damit verknüpfte Technik die Reichweite des menschlichen Handelns erheblich erweitert hat, so daß das menschliche Handeln Natur und Gesellschaft in Frage stellen kann (Lit. 23; ähnlich hat Anders diese Frage gestellt - Lit. Ol). Das von ihm geforderte „Prinzip Verantwortung" könnte möglicherweise in Teilbereichen greifen (und dafür ist es auch vor allem gedacht), aber nicht das grundsätzliche Problem lösen, wie Menschen in der auf sie zukommenden Flut von fragmentiertem Wissen, multimedialen Signalen, anonymen Kommunikationen ihren Weg durch diese Welt finden. Die geforderten Formen von „Information" mögen ihnen helfen, aber nur dann, wenn sie in einer Situation entwickelt werden, in denen die Menschen einen zeitgemäßen Weg zwischen dem Individualismus, der die neue Zeit mit herbeigeführt hat, und den sozialen Strukturen, in denen sie sich bewegen, finden. Eine Schlüsselrolle scheint dabei das Problem des „Selbst" einzunehmen - auch dies schon bei Nietzsche zentrales Thema. In Zeiten der Ungewißheit, ohne historische oder religiöse Zielrichtung ist die letzte Instanz, die die ganzen Kommunikationen zusammenhält und ihnen einen Sinn verleiht, das Selbst, das sich in dieser Zeit der Pluralitäten nicht mehr auf eine maßgebliche soziale Bezugsgruppe zurückziehen kann (sondern sich im Gegenteil wechselnde und mehrfache Bezugsgruppen suchen muß). Die Bedeutung des Selbst ist in dieser Situation naiv auch schon weitgehend gesehen worden, wie die Literaturberge und Unmengen von Selbstfindungskursen anzeigen. Was in einer Informationsgesellschaft aber in jedem Fall benötigt wird, wäre ein Verständnis des Verhältnisses von Selbst und Kommunikation, das in eine individualistische und dennoch soziale Ethik mündet.

G 2 Literatur

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Ein solches für die Informationsgesellschaft grundlegendes Verständnis scheint sich anzudeuten (Lit. 53, S. 31ff): Der Mensch als Akteur in einem Wissensraum, den er für sich selbst durch Komplexitätsreduktionen zu beherrschen sucht, wird in seiner Zielstruktur wesentlich durch sein Selbstbild bestimmt. Dieses Selbstbild muß weil der Mensch ein offener Komplex ohne feste Grenzen und mit einer Fülle von Außenstellen ist - ständig getestet, überprüft, angepaßt werden. Dies ist ein zentraler Bestandteil aller Kommunikationen des Menschen mit seiner Umwelt. Kommunikation ist also nicht nur Verständigung mit anderen, sondern benutzt diese anderen auch, um das Selbst in ihnen zu spiegeln, zu reflektieren, zu bestätigen. So wie das eine Individuum die anderen braucht, um sein Selbst zu reflektieren, brauchen die anderen auch dieses eine Individuum zu dem gleichen Zweck. Ein gesunder Egoismus deutet sich - zumindest auf kommunikativer Ebene - an, in dem verschiedene Egoismen aufeinander angewiesen sind und demzufolge ihre Kompromisse miteinander schließen müssen. Ein derartiges Selbst im Schnittpunkt vieler Kommunikationen, die es integriert und auf zukünftiges Handeln hin abstimmt, kann nicht - wie dies in vielen gegenwärtigen Aussagen zur „Selbstverwirklichung" anklingt - als eines angesehen werden, das gewissermaßen genetisch im Organismus vorgeprägt ist und nur noch zur Entfaltung gebracht werden kann, sondern als eines, das sich insbesondere in den Formen der Kompromisse des alltäglichen Handelns, der Planung der eigenen Zukunft, der A u f n a h m e und Verarbeitung von Wissen und Komplexitäten kreativ entwickelt (Lit. 22). Damit könnte der realistisch-utopischen Sicht der Informationsgesellschaft auch noch eine visionäre Entwicklungsperspektive hinzugefügt werden.

Literatur 01. 02. 03. 04. 05. 06. 07.

08. 09. 10. 11. 12. 13. 14.

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Wersig: Der Weg in die Informationsgesellschaft

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Ethik im Cyberspace Rafael Capurro

G 3.1

Digitaler Humanismus

Ich lese Arthur Kroker: „Digital Humanism. The Processed World of Marshall McLuhan" in der Internet-Version (Lit. 12). Die Medien sind Erweiterungen („extensions") des Menschen. Die Fusion von Technik und Biologie läßt uns aber ratlos. Denn bisher glaubten wir, selbst die Spitze der Evolution zu sein. Wir merken aber täglich wie die Technobiologie auf uns wirkt und uns transformiert. Die artifizielle Erweiterung unserer sinnlichen und geistigen Vermögen strahlt auf uns zurück. Der Katholik McLuhan war keine lamentierende protestantische Seele. Er erkannte aber die Ambivalenz der Medien. Als schöpferische Erweiterung unseres Selbst und als ihre Verselbständigung in Form eines technischen evolutionären Prinzips. Die Wahrnehmung verselbständigt sich in den visuellen Medien, das Gehirn im Computer. Angesichts dieser Verselbständigung schlagen wir Alarm, setzen uns zur Wehr und - sind gestreßt. Wir begreifen nicht, was mit uns geschieht. Was uns schöpferisch nützt, erschöpft uns zugleich. Und wie bei einer Krankheit - denn für McLuhan ist die Theorie der Medien eng mit der Theorie der Krankheiten verbunden - führt der Streß zur Amputation oder zur Isolierung des jeweiligen Organs. Wie aber ließe sich das Gleichgewicht wiederherstellen? Denn das, was innen war, ist jetzt außen, ausgesetzt, und das, was außen war, unser Leib, befindet sich innerhalb einer weltumspannenden Computervernetzung, des Cyberspace, wie wir heute, dreißig Jahre nach „Understanding Media", sagen (Lit. 17). Soweit die Diagnose. McLuhans Therapie der schöpferischen Einbildungskraft („creative imagination") stellt sich als Alternative gegenüber einer uns verblendenden Nichtwahrnehmung der Chancen, die das neue elektronische Paradigma mit sich bringt, dar. Wo liegen aber die Grenzen einer solchen Therapie, die nach der Vernunft in den Medien sucht, der Hegeischen Suche nach der Vernunft in der Geschichte nicht ganz unähnlich? Kroker hebt zwei Aspekte hervor: Nämlich das von McLuhan unberücksichtigte Verhältnis von Technologie und Ökonomie und den von ihm überschätzten technologisch zu bewirkenden Universalismus. Die Großprojekte der Tycoons der Medien- und Computerbranche lassen auf der einen Seite keinen Zweifel darüber, wer über unsere veräußerten Organe und Vermögen entscheidend mitbestimmt. Auf der anderen Seite sind die Grenzen eines naiven technologischen Universalismus inzwischen deutlicher sichtbar. Wir sind uns der Gefahren des kulturellen Kolonialismus, der Verflachung und Vergleichgültigung aller ,messages' in der Einheitsbrühe der Multimedialität, des Verlusts des Reichtums unterschiedlicher symbolischer Welten und vor allem der nicht aufhebbaren Spannung zwischen der Realität und ihrer Simulation bewußter. Daß eine globale Vernetzung die Zeit aufheben und die Welt mit der Pfingststimmung einer 'global village' vereinen wird, ist nicht nur eine säkularisierte Informationsphantasie, sondern sie übersieht die positive Seite der Interkulturalität und die damit zusammenhängende heilsame Ernüchterung bezüglich jeglicher Art von in-

G 3.2 Vom Mythos Bibliothek zum Mythos Information?

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formationeilen Heilsutopien. Trotz Lichtgeschwindigkeit und der forcierten Anstrengungen beim Bau von Datenautobahnen ist nicht zu erwarten, daß so etwas wie eine gottähnliche Gleichzeitigkeit und eine bisher nur kontrafaktisch postulierte ideale (idealisierte) Kommunikationsgemeinschaft als Epiphänomen dieser Vernetzung hervorgeht. Zeit und Raum verschwinden nicht mit der Lichtgeschwindigkeit der Kommunikationstechnik, wie Paul Virilio befürchtet (Lit. 21), sondern wir können neue Formen unseres In-der-Zeit-und-im-Raum-seins gestalten, allerdings auf der Basis von nur teilweise beherrschbaren und vorhersehbaren ökonomischen, kulturellen und technischen Bedingungen. Auch dies sehe ich als eine positive Einschränkung unseres Gestaltungswillens (Lit. 03).

G 3.2

Vom Mythos Bibliothek zum Mythos Information?

Die Überschreitung der eigenen Lokalität durch den Sprung in die Fluten der Netze hat nichts Pfingstähnliches, sondern sie ist eine unter Umständen kostspielige Zeitreise, die uns die Arbeit der lokalen Sammlung, Verdichtung und Umwandlung der meistens zunächst auf Verdacht vorselektierten Informationen keineswegs abnimmt. Diese lokale Sammlung verstehe ich sowohl im Sinne einer persönlichen Selektion, als auch im institutionellen Sinne, wie im Falle des bibliothekarischen Sammlungsauftrags, der sich jetzt auf die Netze im Sinne eines Zugangsauftrags ausweitet. Der Mythos Bibliothek, die Vorstellung, das Weltwissen an einem Ort sammeln zu können, sollte aber nicht durch den Mythos Information, das heißt durch die Vorstellung, alles Wissen in einem virtuellen Hier und Jetzt verfügbar zu machen, ersetzt werden (Lit. 04). Demgegenüber gilt, daß die Bibliotheken Auskünfte über ihre Bestände und ihre Dienste mittels Internet verbreiten sollten, und umgekehrt, das vernetzte Informationsangebot sollte über öffentliche Bibliotheken lokal zugänglich gemacht werden, um den Grundsatz der Grundversorgung einer demokratischen Öffentlichkeit unter den Bedingungen von Cyberspace zu gewährleisten. Der Vergleich mit dem Straßenverkehr ist vielleicht hilfreich, um das Verhältnis zwischen Bibliotheken und Cyberspace zu erläutern. Die Zunahme des motorisierten Verkehrs hat den Sinn von Fußgängerzonen deutlich werden lassen. Bibliotheken sind gewissermaßen informationelle Fußgängerzonen, aber Fußgängerzonen leben letztlich von den Nah- und Femanschlüssen der Stadt, wozu sie gehören. Mit anderen Worten, es wäre fatal die Bibliotheken und Cyberspace gegeneinander auszuspielen. Lokale öffentliche informationelle Räume werden gerade vor dem Hintergrund des Cyberspace immer kostbarer im doppelten Sinne des Wortes. Dieses Verhältnis stellt eine Herausforderung sowohl für Recht und Politik als auch für das kulturelle Leben insgesamt dar.

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G 3.3

Capurro: Ethik im Cyberspace

Das Menschenrecht auf Kommnnikationsfreiheit im Cyberspace

Daß die bibliothekarische lokale Raum-Zeit-Ordnung ihren Vorrang teilweise verliert und den Charakter des Peripheren gegenüber dem globalen Cyberspace einnimmt, läßt die Frage nach einer neuen weltweiten nach-Gutenbergschen Spaltung zwischen Informationsarmen und -reichen entstehen. Wir brauchen, im Anklang und als Konkretisierung des Menscheniechts auf Informationsfreiheit, eine Proklamation des Menschenrechtes auf Kommunikationsfreiheit im Cyberspace. Man kann sagen, daß erst durch eine allgemeine physische und geistige Mobilität, die durch unterschiedliche Kulturtechniken (Rad, Schrift, Schiffahrt, Drucktechnik, Elektrizität, motorisierter Verkehr, Luftfahrt, Rundfunk, Telefon, Film, Fernsehen, Computer...) immer umfassender wurde, die Zusammengehörigkeit unterschiedlicher Ethnien und die Vorstellung eines allen Menschen gemeinsamen Raumes und einer gemeinsamen Geschichte konkret wurde. Die Erfahrung der globalen Vernetzung im Cyberspace ist nicht weniger entscheidend für die Ermöglichung dieses Zusammengehörigkeitsgefühls als der Blick auf unseren blauen Planet vom Mond aus. Und dennoch stellen solche technischen Fortschritte nicht zugleich die hinreichende Bedingung für eine Versittlichung der Menschheit dar. Sie bleiben ambivalent, denn sie scheinen etwas zu versprechen, was sie aber nicht halten können. Ein Telefongespräch kann eine Freundschaft beenden, es kann aber auch ein Menschenleben retten. Der Blick aus dem All kann kosmische Gefühle entstehen lassen, er kann aber auch totalitäre Phantasien nähren. Die Atombombe ist das negative Beispiel für eine Technologie, die die Menschheit nur im Horizont ihrer Vernichtung zu einigen vermag. Das Zeitalter der Aufklärung brachte das Ideal einer zensurfreien wissenschaftlichen Mitteilung auf der Basis der Drucktechnik hervor. So macht es für Kant der Unterschied zwischen dem „öffentlichen" und dem „privaten Gebrauch" der Vernunft aus, ob jemand als Gelehrter seine gedruckten Schriften zensurfrei einer potentiell unbeschränkten „Leserwelt" der kritischen Beurteilung zur Verfügung stellt, oder ob seine Äußerungen durch die Vorgaben eines kirchlichen, politischen oder militärischen Amtes von vornherein eingeschränkt (deshalb „privat") sind. Im ersten Fall ist zusätzlich entscheidend, daß das Medium des Gedruckten eingesetzt wird, da sonst keine potentielle (!) Universalität erreicht wird (Lit. 03). Das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung ist seit der Aufklärung eng mit der Drucktechnik gedacht und auch verwirklicht worden, wie am Beispiel der Pressefreiheit sowie der öffentlich zugänglichen Bibliotheken ersichtlich. Wir brauchen eine entsprechende Gesetzesnovellierung des Verständnisses dieses Menschenrechtes im Zeitalter der elektronischen Weltvernetzung. Es ist schließlich die Frage, ob und inwieweit die kulturelle Bedeutung des Buches durch die neuen Medien verdrängt oder, wie schon in anderen Fällen, ersetzt wird. Auch der Papyrus war zunächst dem Pergament, dem Stein und den Tontäfelchen in vieler Hinsicht überlegen, was aber nicht daran hinderte, daß bis zur Erfindung des Buchdrucks das Pergament aufgrund seiner Robustheit den Vorzug behielt. Man sieht, daß die Wahl eines Mediums mit der Kultur eines ganzen Zeitalters zu-

G 3.4 Vernetzte Unsterblichkeit

1003

sammenhängt. Eine auf die Permanenz eines ewigen Textes bezogene kirchliche Praxis hatte andere informationelle Bedürfnisse als eine auf technische und wissenschaftliche Veränderungen sowie auf marktwirtschaftliche Universalität ausgerichtete Weltzivilisation.

G 3.4

Vernetzte Unsterblichkeit

Mein Navigieren im Internet hat mit einer Net-Search-Suche über „media ethics" begonnen und dauert drei Abendstunden. Zunächst sind die Übertragungen etwas zögerlich. Bereits beim ersten Menü erscheinen vielfältige Links. Ich versuche Schritt für Schritt vorzugehen, komme aber gleich vom Hundertsten ins Tausendste und bin 'lost in the net'. So kehre ich also zum Anfang zurück und speichere des späteren Überblicks halber die URL-Addressen. Dann fange ich wieder von vorne an und zwar mit einem vielversprechenden Link, der folgende Überschrift trägt: „Principia Cybernetica" von Francis Heylighen, Senior Researcher des Belgian National Fund for Scientific Research und Valentin TUrchin, Informatik-Professor an der City University in New York (Lit. 10). Die Autoren gehen gleich 'in medias res', nämlich auf die Frage nach der vernetzten Unsterblichkeit ein! Ihrer Meinung nach befinden wir uns durch die neuen Informationstechnologien im Übergang zu einer höheren Evolutionsstufe, wodurch ein Superwesen („superbeing" oder „metabeing") uns so etwas wie eine kybernetische Unsterblichkeit bieten kann und zwar aufgrund unserer Integration in elektronischen Netzwerken. Sie geben zu, daß dabei das Problem einer Versöhnung zwischen der individuellen, der sozialen und der planetarischen Ebene offen ist. Die höchste Fähigkeit des Menschen besteht ihrer Ansicht nach in unserer Kontrolle über die höchsten Ziele, nämlich über den Sinn des Lebens, über unsere Ethik also. Diese Ziele lassen sich nicht von der natürlichen Evolution ableiten, bemerken sie in kritischer Distanz gegenüber dem Fehlschluß einer naturalistischen Einstellung. Das führt zu der bekannten Vielfalt von ethischen Ansätzen, deren gemeinsamer Nenner aber der Wille zur Unsterblichkeit, eine Fortsetzung des animalischen Willens zum Leben, ist. Dieser Wille zur Unsterblichkeit ist aber letztlich Sache der freien und schöpferischen Entscheidung und nicht der rationalen Rechtfertigung. Die kybernetische Unsterblichkeit unterscheidet sich von der metaphysischen Unsterblichkeit, die von der wissenschaftlichen Kritik in Frage gestellt wurde. Während jene sich in einer neuen Form organisierter Materie zu verwirklichen sucht, verliert sich die letztere in rein geistigen Abstraktionen. Gleichzeitig wird betont, daß die kybernetische Unsterblichkeit ein Überleben kognitiver Inhalte ermöglichen soll, obwohl wir uns dies heute noch sehr vage vorstellen können. Eine unmittelbare Verbindung unseres Nervensystems mit einer Maschine würde zum Beispiel bedeuten, daß der Tod eines einzelnen Individuums nicht zugleich der Tod des gesamten Systems ist. Wir wären in Metasysteme integriert, wobei offen bleibt, ob diese wiederum als eine eigene Individualität (ein „Metawesen") oder als eine Gemeinschaft von Einzelwesen („Superwesen") aufzufassen wären. Letzteres scheint für die Verfasser eher der Fall zu sein, wobei nicht alle Menschen sich für eine sol-

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Capurro: Ethik im Cyberspace

che Integration entscheiden müßten. Aber auch eine Teilintegration bildet für Heylighen und Tlirchin die Voraussetzung für die Herrschaft des Menschen im All! Dieses Thema wird dann in weiteren Links ausgeführt. Das World Wide Web ist eine Vorstufe zu einem „Supergehirn". Bisher findet eine sehr mühsame Verbindung zwischen unserem internen und dem externen Gehirn statt. Diese Verbindung könnte aber zum Beispiel mit Hilfe von Sensoren, die unsere Gedanken direkt, ohne Hilfe von Bildschirm und Tastatur, ans System weitergeben, verringert werden. Wir würden dann selbst Web-Knoten werden. Ich unterbreche diese techno-metaphysischen Spekulationen, die sehr stark nach jener religiös-metaphysischen Utopie schmecken, die sie durch eine angebliche technische Konkretheit zu überbieten glauben. Man lese erneut Teilhard de Chardin zum Beispiel, und man wird dort eine keineswegs abstrakte oder metaphysische Vorstellung kosmischer Verbundenheit finden. Demgegenüber muten die „Principia Cyberaetica" eindeutig gnostisch an. Man findet sie in viel höherer literarischer Qualität bei Stanislaw Lern in seiner „Summa technologiae" sowie im Roman „Also sprach Golem" vor (Lit. 13, Lit. 14).

G 3.5

Kommunikationskompensation

Wenn wir auf der einen Seite auf die Rückstrahlung der Informationstechnologien mit dem Hang zum Utopischen reagieren, dann besteht auf der anderen Seite eine umgekehrte kompensatorische Möglichkeit in der Betonung vom Gegenteil dessen, was diese Technologien zu überbieten scheinen. Der Philosoph Odo Marquard, dem der Gedanke der Kompensation ein Schlüsselbegriff ist, hat dies in Zusammenhang mit unserer Illusionsbereitschaft gegenüber dem von Hermann Lübbe oder auch von Paul Virilio hervorgehobenen Phänomen der Beschleunigung in unserer Kultur analysiert (Lit. 16). Ich möchte seine Gedanken in bezug auf unsere informationellen und kommunikativen Utopien folgendermaßen weiterführen. Unser nicht nur mediologisches Illusionsproblem besteht nämlich darin, daß der Illusionsgehalt menschlicher Kommunikation mit moderner Kommunikationstechnik zunimmt. Die menschliche Isolation scheint im Cyberspace aufgehoben zu sein. Sodann aber sieht es so aus, als ob unter Kommunikation nichts anderes als Kommunikationstechnik verstanden werden soll. Die tieferen Dimensionen menschlicher Kommunikation bleiben auf der Strecke, da sie ein ebenso schwieriges Unterfangen sind - und bleiben. Damit wächst die Illusionsbereitschaft. Was aber wie Therapie ausschaut, kann als Krankheitssympton verstanden werden. Schon Piaton war die Spannung zwischen dem lebendigen Logos und der Schrift ein zentrales Problem. Seine Schriftkritik läßt sich, gegen den Strich gelesen, als eine Erinnerung an die notwendige kompensatorische Funktion des lebendigen Gesprächs im einbrechenden Zeitalter der Schrift verstehen. Wir befinden uns paradoxerweise in der umgekehrten Situation. Jenes Medium, nämlich die globale Vernetzung, daß sich vordergründig als ein schriftliches ausgibt, hebt in Wahrheit den bleibenden Charakter der Schrift auf und nimmt die Attribute der Oralität an. Das gilt vor allem für die Metapher der Vernetzung selbst, denn, was kann man sich als ein

G 3.6 Ethik im Cyberspace

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besseres Bild für menschliche Vernetzung vorstellen, als ein lebendiger Dialog, bei dem die Teilnehmer sich gegenseitig beeinflussen, indem sie miteinander, durcheinander, nebeneinander und gegeneinander reden, so daß nur schwer die Autorschaft eines Gedankens, geschweige denn eine originäre, unwandelbare Formulierung auszumachen ist, denn letztlich kommt es eben nicht darauf an. Wenn der offizielle Sinn der Kommunikationstechnik die globale schriftliche und orale Vernetzung ist, dann gilt, daß wir einen kompensatorischen Bedarf für das Abgetrennte, Unvernetzte, Insularische, haben.

G 3.6

Ethik im Cyberspace

Ethik im Cyberspace - das bedeutet unser Leben lokal und global so zu gestalten, daß subversive Praktiken sowohl auf verkrustete Isolationsstrukturen als auch totalitäre Kommunikationsutopien im doppelten Sinne des Wortes 'anstößig' wirken. Theoretisch müßten sie durch eine philosophische Anthropologie begleitet werden, in deren Mitte eine Reflexion über Technik, Medien und Kultur steht. Ansätze dazu findet man zum Beispiel bei Ernst Cassirers Begriff der „symbolischen Formen" (Lit. 05) sowie bei Helmuth Plessner (Lit. 19). Kultur im Sinne von Arbeit des Menschen an sich selbst ('cultura animi') bedeutet nicht die gespenstische Formung eines inneren Phantoms, sondern die Gestaltung unserer „exzentrischen Positionalität" (Plessner), oder, mit anderen Worten, unserer evolutionär offenen Existenz. Selbstgestaltung als Weltgestaltung findet vor dem Hintergrund einer Unbestimmtheit statt, wodurch alle unsere Formungen den Stempel der Kontingenz oder Vorläufigkeit in sich tragen. Was wir tun, tun wir aber nicht nur vor einem Horizont offener Möglichkeiten, sondern auch in Gemeinschaft. Ein weltoffener dialogischer Konstruktivismus, so wie ihn zum Beispiel Heinz von Foerster (Lit. 07) und Christiane Floyd (Lit. 06) vertreten, ist die Antipode eines solipsistischen Zerebralismus im Sinne von Weltgestaltung als Gehirnkonstruktion. Ethisches Können, so der konstruktivistische Biologe Francisco Varela, ist aber nicht gleichzusetzen mit reflexiver Normenbegründung, sondern betrifft das gesamte leiblich-geistige Verhalten unseres In-der-Welt-seins und läßt sich nur anhand von entsprechenden Praktiken des Loslassens lernen (Lit. 20). So dienen zum Beispiel Zen-Praktiken dazu, uns jener Unbestimmtheit oder Leere zu öffnen und uns von festgelegten Zielen zu dezentrieren, so daß wir uns dann gelassen(er) verhalten können. Wilhelm Kamlah spricht vom „Gebot der Gelöstheit" (Lit. 11). Die Techniken, wodurch wir uns in dieser Dimension der Offenheit einüben, sind immer schon, wie Michel Foucault (Lit. 08) gezeigt hat, in einer Spannung zu sehen mit jenen Techniken, wodurch wir Stoffe transformieren, sowie mit denen, womit wir uns rechtlich und politisch formen und schließlich mit denen, wodurch wir unsere symbolischen Welten semiotisch austauschen, mit den Informations- und Kommunikationstechnologien also (Lit. 03). Solche Praktiken der Lebensformung machten den eigentlichen Sinn der antiken Philosophie war, wie Pierre Hadot gezeigt hat (Lit. 09). Vor diesem Hintergrund weist der Titel 'Ethik im Cyberspace' auf die Frage: „Wie ist (philosophisches) Leben im Informationszeitalter möglich?" (Lit. 03).

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Capurro: Ethik im Cyberspace

Nicht weniger wichtig und gleichsam in Spannung zu Varelas ethischem Können ist die Kultivierung des universalen ethischen Blickes, des „Blickes von nirgendwo" („view from nowhere") (Lit. 18), der aber untrennbar bleibt vom Blick 'from NowHere'! Ich denke dabei konkret an die möglichen Funktionen einer UN-Informationsagentur (Lit. 02), aber auch an Internet im Sinne einer soziotechnischen universalen Praxis, die zwar kein Pfingstwunder mit sich bringt, die in uns aber das Gefühl des individuell, national und ethnisch sich selbst relativierenden, also vernetzten Weltbürgers weiter und anders ausbildet, als dies schon aufgrund anderer Techniken der Fall war. Die bisherigen Fragen einer Informationsethik im engeren Sinne (Lit. 01) müssen vor diesem Hintergrund neu durchdacht werden. Das Ziel eines gemeinsamen Sprechens ist nicht primär und notwendigerweise, wie Lyotard gegenüber Jürgen Habermas hervorhebt (Lit. 15), der Konsens, die rationale Transparenz und das kommunikative Handeln, sondern diesen liegen folgende Erfahrungen zugrunde: Kontingenz mitten in einem (inzwischen nicht mehr so sehr) deterministischen Universum, Relativität mitten in einer Fülle von notwendigen praktischen Normen und Gesetzen, Paradoxien mitten in einer stets zu achtenden logischen Stringenz, Ungewißheit mitten in über Jahrtausende sanktionierten religiösen Traditionen. Durch solche Kontingenzerfahrungen wird die Geschlossenheit einer kommunikativen Wissens- und Konsenssituation gebrochen, so daß das scheinbare Wissen und seine konsequente botmäßige Mitteilung sich als Nicht-Wissen entpuppen kann und der Dialog dorthin geführt wird, von wo aus neu entfaltet werden kann, zur Aporie. Denn das entscheidende am zwischenmenschlichen Dialog, ob als 'face to face' oder als 'interface', ist letztlich, daß es einen Dialog gibt. Diese scheinbar banale Tatsache ist, emphatisch ausgedrückt, das Wunder aller Wunder, denn ohne sie können wir uns alle anderen Wunder, einschließlich des 'Cyberspace-Wunders', im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal vorstellen, geschweige denn sie technisch realisieren. Nichts anderes als ein Vorund Nachdenken darüber ist gemeint, wenn hier von Ethik im Cyberspace die Rede ist.

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G 3 Literatur

1007

09. Hadot, Pierre: Philosophie als Lebensform. Geistige Übungen in der Antike. Berlin: Gatza 1991. 10. Heylighen, Francis;Turchin, Valentin: Prmcipia Cybernetica. In: http://pespmcl.vub.ac.be/ ETHlCS.html 11. Kamiah, Wilhelm: Philosophische Anthropologie. Sprachkritische Grundlegung und Ethik. Mannheim u.a.: BI-Wissenschaftsverl. 1973. 12. Kroker, Arthur: Digital Humanism. The processed World of Marshall McLuhan. In: http:// english-www.hss.cmu.edu/CrHEORY/ctheory.html. 13. Lern, Stanislaw: Summa technologiae. 3. Aufl. Frankfurt: Suhrkamp 1982. 14. Lern, Stanislaw: Also sprach Golem. Frankfurt: Suhrkamp 1984. 15. Lyotard, Jean-Fran^ois: Zeit heute. In: H. Meier (Hrsg.): Zur Diagnose der Moderne. Mönchen/Zürich: Piper 1990, S. 149- 172. 16. Marquard, Odo: Wandlungsbeschleunigung und Illusionsbereitschaft. In: G. Kohler; H. Kleger (Hrsg.): Diskurs und Dezision. Wien: Passagen Verlag 1990, S. 167 - 181. 17. McLuhan, Marshall: Understanding Media: The Extensions of Man. New York: McGrawHill 1964. 18. Nagl, Thomas: Der Blick von nirgendwo. Frankfurt: Suhrkamp 1992. 19. Plessner, Helmut: Mit anderen Augen. Aspekte einer philosophischen Anthropologie. Stuttgart: Reclam 1982. 20. Varela, Francisco J.: Ethisches Können. Frankfurt a.M.: Campus 1994. 21. Virilio, Paul: Rasender Stillstand. München: Hanser 1992.

1008

G4

Elektronische Medien und Verlagswesen Hans-Dieter Burneleit

G 4.1

Ausgangslage

G 4.1.1

Die Revolutionen

Einige behaupten, Peisistratos, der Tyrann (in einem milderen Sinne zu verstehen als heute) von Athen, habe um 560 vor Chr. erstmals schriftstellerische Werke sammeln lassen; insbesondere ging es um die Werke Homers (Lit. 02, S. 113). Vielleicht war er einer der ersten, der eine Vorform einer verlegerischen Tätigkeit ausübte. Die Gutenbergsche Revolution gehört zum Allgemeingut; Wissen wurde damit relativ kostengünstig vervielfältigbar. Die Folgen: Verbreitung von Wissen über eine elitäre Schicht von Gelehrten hinaus bis hin zur allgemeinen Schulpflicht und der Zugänglichkeit für jeden, der sich Bücher kaufen kann bzw. der die Zeit hat, Bibliotheken aufzusuchen. Die elektrische Revolution erlaubte die Übermittlung von Texten über große Entfernungen (TELEX). In den 60er Jahren kamen die Großrechner, deren Bedienung Fachkräfte erforderte. Mit dem PC standen diese Möglichkeiten breiten Kreisen zur Verfügung. Der PC erlaubte auch schon den Anschluß an entfernte Datenbanken. Innerhalb der großen Revolutionen der Elektrizität, Elektronik und Digitalisierung spielt sich mit größter Brisanz vor unseren Augen gerade der Prozeß der weltweiten Vernetzung der Computer ab: das WorldWide Web. Damit werden nicht nur neue Formen der Kommunikation (E-Mail, Diskussionsforen) möglich, sondern in unserem Kontext vor allem interessant: Das weltweit vorhandene Wissen kann nach seiner Digitalisierung grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt von jedermann abgerufen werden. Al Gore spricht vom Internet als der Global Digital Library. G 4.1.2

Konkurrenz der Medien

Ist der Autor künftig sein eigener Verleger, der seine Texte nur ins Internet zu legen braucht, um sie weltweit zu verbreiten? Sind Buch- und Zeitschriftenverlage sowie Buchhändler zum Tode verurteilt, weil bald nur noch elektronische Informationen gefragt sind? Müssen Druckereien schließen, weil gedruckte Bücher und Zeitschriften bald untergehen? Sind Bibliotheken überflüssig, wenn Online-Datenbanken Buchinhalte bereitstellen? Nein! Ein Blick zurück zeigt, wie früher auf neue Medien reagiert wurde: Die ersten schriftlichen Zeugnisse finden sich in Wände geritzt oder in Stein gehauen. Zeichen und Worte auf handfesten Gegenständen begegnen uns heute noch als Verkehrsschilder, Warntafeln, Werbeplakate, Firmenzeichen, Monumente und Grabsteine. Handgeschriebene Texte auf Blättern und in Büchern werden immer noch, meist zu privaten Zwecken, verfertigt; das abgeschriebene Buch ist freilich ausge-

G 4 . 1 Ausgangslage

1009

storben. Film und Fernsehen haben Schauspiel und Oper nicht verdrängt. Die mündliche Wissensvermittlung durch Lehrer und Professoren macht nach Aufkommen der Lehrbücher, Lernkassetten und Sprachstudios weiterhin Sinn.

G 4.1.3

Die Frage nach den medienspezifischen Vorteilen

Die genauere Beobachtung zeigt, daß der Wissensdurstige als Schüler, Student, Verbraucher, Wissenschaftler, Angestellter oder Beamter einer besonderen Zielgruppe angehört und das jeweils gewünschte spezifische Wissen in der für den jeweiligen Zweck optimalen Form wünscht. Man muß daher nach den jeweiligen medienspezifischen Vor- und Nachteilen fragen. Betrachtet man z. B. Printmedien, so sind sie stromunabhängig, leicht trag- und haltbar, flimmer- und reflexfrei, am schnellsten les- und überschaubar; zusammengenommen ergibt dies für Texte, die man besser geschlossen für mehr als 10 Minuten liest, daß das gedruckte Material dem elektronischen überlegen ist. Für Wissensdokumentation von unschätzbarem Vorteil ist die gesicherte Aufbewahrungsmöglichkeit und Lesbarkeit von über 500 Jahren. CDROM oder Online-Informationen haben dort einen besonderen Vorteil, wo das schnelle Finden aus großen Mengen, das Suchen nach bestimmten Begriffen, das Erschließen von Inhalten über mehrere Hypertext-Links (Verweisungen), die Weiterverarbeitung durch Ausdruck oder Abspeicherung, die leichte Datenübermittlung, die Platzersparnis gefragt sind.

G 4.1.4

Koexistenz oder Konfrontation der Medien

Es ist daher zu erwarten, daß es weiterhin Printmedien geben wird, daß diese freilich in bestimmten Bereichen (umfangreiche Nachschlagewerke, Fachzeitschriften, Sammlungen, Loseblattwerke, Karteien) zurückgedrängt werden. Wenn der Absatz einer gedruckten Ausgabe so gering ist, daß bereits ein kleiner Schwund aufgrund einer elektronischen Edition die UnWirtschaftlichkeit der Papierausgabe zur Folge hat, kann es auch zum Ersatz des Printmediums durch die elektronische Ausgabe kommen. Ein konkretes und akutes Beispiel dazu: Wissenschaftliche Zeitschriften mit kleinen Auflagen können durch Publikationen im Internet gefährdet werden. Druck, Papier und Versand sind i. d. R. aufwendiger als die Bereitstellung im Internet, das auch in Bezug auf Aktualität und speziell für die internationale Verbreitung in englischer Sprache Vorteile bietet. Thomas Laukamm von der Unternehmensberatung Consulting Thist weist in diesem Zusammenhang immer wieder zurecht darauf hin, daß das wertvollste Betriebsvermögen der Verlage nicht die inhaltliche Substanz, sondern der Kundenstamm sei (Lit. 12, Lit. 06, siehe auch FAZ vom 9.11.1995). Man kann daher als Verleger nicht zusehen, wie der eigene Kundenstamm durch Internetangebote von Konkurrenten oder Außenseitern ausgehöhlt wird, sondern muß selbst aktiv werden. Das neue Medium ersetzt also in einigen Bereichen das alte. Dies haben einige Verlage schon erfahren müssen, ein noch stärkerer Ersetzungsprozeß steht uns bevor (zum Wandel im Verlagsbereich bei Mitgliedern des Arbeitskreises Elektronisches

1010

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen

Publizieren des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vgl. die - allerdings nicht repräsentative - Magisterarbeit von Berkemeyer, Lit. 01). Zu einem ganz nennenswerten Teil wird aber anstelle des „Entweder-Oder" das „Sowohl-als-Auch" treten. Das macht Sinn: Wer aus riesigen Textmengen lange Dokumente sucht, wird dazu E D V einsetzen. Wenn er die gefundenen langen Dokumente lesen will, wird er das gedruckte Werk oder einen Ausdruck vorziehen. Oder ein anderes Beispiel: Wer eine Fachzeitschrift wöchentlich verfolgen möchte, kann den Inhalt in einem gedruckten Heft schneller und bequemer überfliegen und ggf. gleich am Stück lesen. Demgegenüber erlaubt die Computertechnik nur gewisse Voreinstellungen (Profildienste, Suchprofile), die den Nachteil haben, den Leser in einem stärkeren Maße zum Fachidioten heranzubilden, indem alles was rechts und links der Recherche liegt, ausgeblendet wird. Es ist freilich auch eine Frage des Geldbeutels, ob man sich dieselbe Wissensbasis in mehreren Formen für den jeweils optimalen Zweck leisten kann.

G 4.2

Was ist und was leistet ein Verlag?

G 4.2.1

Der Verlag im klassischen Sinne

Zu den Aufgaben des Verlegers im klassischen Sinne gehört das Werten und Auswählen zur Vervielfältigung geeigneten Materials, die Beschaffung des Materials durch Sammlung und Bearbeitung sowie der Abschluß von Verlagsverträgen mit Urhebern, die technische Herstellung einschließlich der Gestaltung des Produkts, der Vertrieb mit Lagerhaltung, Werbung, Verkauf und Kundenpflege. Nicht zuletzt muß der „Verleger" die notwendigen Mittel „vorlegen", um die technische Herstellung, die Werbung und Voraushonorare zu finanzieren.

G 4.2.2

Die Veränderungen durch das elektronische Zeitalter

Die technische Entwicklung hat jetzt lediglich zu einer einzigen zentralen Veränderung in diesem Bereich geführt: Der Herstellungsprozeß umfaßt nicht mehr nur die Produktion von Printmedien, sondern auch von CD-ROM und Datenbanken. Die übrigen Aufgaben bleiben und erfordern gerade im Internet sogar eine besondere Aufwertung: Statt im diffusen Datenschrott zu ertrinken, wird geprüftes, selektiertes Qualitätsmaterial von Markenanbietern im Wert besonders steigen; ein geschicktes Marketing, das auch für die rechten Verweisungen (links) sorgt, gehört freilich dazu. Es gibt natürlich auch noch weitere Verwertungsformen (Verfilmung, Rundfunksendung, Aufnahme auf Tonband-Cassetten oder Audio-CD), die der Verleger selbst wahrnehmen könnte, sofern er nicht eine Lizenz erteilt und die Realisation Spezialisten überläßt. Dieser Weg besteht auch in Bezug auf elektronische Medien. Er kann aber nur kleinen Verlagen oder Projekten im Randbereich eines Verlags-

G 4.2 Was ist und was leistet ein Verlag?

1011

Programms als Alternative empfohlen werden. Der dem Druck vorausgehende Satz wird heute nahezu ausschließlich mit Hilfe von Computern erstellt. Mit erträglichen zusätzlichen Investitionen und dem nötigen Know-how lassen sich bei der Satzerfassung die Strukturen in den Text einbauen, die für eine elektronische Nutzung benötigt werden. Es entsteht dabei zwingend ein Mehraufwand: Welche Strukturen werden benötigt? Welche Hypertext-Verknüpfungen sind zu schaffen und geht das automatisch oder manuell? Welche Materialien muß man einer elektronischen Version zusätzlich zu einer gedruckten Version hinzufügen (z. B. im Buch nicht abgedruckte Texte, auf die verwiesen wird, oder multimediale Elemente wie Bild, Ton, Video, Rechenprogramme)? Wie muß das elektronische Produkt graphisch im Hinblick auf die Gegebenheiten eines Bildschirms neu gestaltet werden? Nicht zu vergessen ist, daß die Herstellung eines elektronischen neben oder anstelle eines gedruckten Mediums eine Fülle von organisatorischen Fragen aufwirft, denen nicht ausgewichen werden kann (Rechteerwerb, neue Verträge - dazu Lit. 05, Ausstattung aller Abteilungen mit PC, Schulung der Mitarbeiter und Autoren als Daueraufgabe, Beratungsaufwand gegenüber Handel und Kunden, Virenschutz, Händler- und Kundenberatung, neue Vertriebswege). Da bis heute die elektronische Form eines klassischen Verlagsprodukts in der Regel nur den Bruchteil des Absatzes der Printversion erreicht, verwundert es nicht, daß viele Verlage mit elektronischen Editionen kein oder nur wenig Geld verdienen; man befindet sich auch wegen der stürmischen technischen Weiterentwicklung (eine DOS-Version muß jetzt eben auf Windows umgestellt werden und der CD-ROM muß manchmal auch noch der Online-Dienst folgen) in einer jahrelangen Forschungs- und Entwicklungssituation. Inzwischen weiß aber (fast) jeder, daß man sich dem spätestens jetzt stellen muß (Lit. 12, Lit. 08, S. 56-60).

G 4.2.3

Die Struktarierung der Texte

Zurück zur Textaufbearbeitung, bei der zunächst die Textgattung nach linearem Text, feldorientiertem Inhalt, Hypertext und Mischformen zu unterscheiden ist (Lit. 07). Die Strukturierung der linearen Texte erfolgt nach dem sich immer mehr durchsetzenden SGML-Standard. Die Abkürzung steht für „standardized generalized markup language", wörtlich: allgemeine, standardisierte Sprache zur Auszeichnung von Text (nach Lit. 09). Es handelt sich dabei um eine 1986 in den USA entwickelte Norm, bei der zunächst eine Dokumenttyp-Definition (DTD) festzulegen ist. Danach werden die Texte (z. B. die Überschriftenhierarchien) mit Anfangsund Ende-Kodierungen versehen, die eine eindeutige, logische Definition der Textstelle ergeben. Für Hypermedia-Dokumente im World-Wide Web des Internet werden die Dokumente mit Hilfe der Beschreibungssprache HTML (Hypertext Markup Language) definiert. Verlegern, die nur im Internet publizieren wollen, können sich notfalls mit HTML begnügen; wer alle Medien bedienen will, sollte die Strukturierung primär mit SGML als dem reicheren System vornehmen. In einigen Fällen mag zur Aufbereitung des Satzes für die elektronische Nutzung PostScript ausreichen, insbesondere dann, wenn eine anspruchsvolle graphische

1012

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen

Gestaltung des gedruckten Werkes am Bildschirm weitgehend identisch erscheinen soll. PostScript ist eine von der Firma Adobe entwickelte Seitenbeschreibungssprache, die zur Ansteuerung von Laserdruckern und Belichtern dient. Eine relativ gute Möglichkeit zur Vielfachnutzung besteht in Sonderfällen auch dann, wenn Texte bereits in einer Datenbank strukturiert enthalten sind. Von dort lassen sich die Texte meist leicht für andere Zwecke konvertieren (DatabasePublishing). Hypertext hat eine Doppelnatur. Einerseits ist er im banalen Sinne nur eine Möglichkeit, einer Verweisung technisch unterstützt mit einem Tastendruck zu folgen; dies führt dazu, daß viele primär lineare oder datenbankmäßig angelegte Informationsbasen mit Hypertextlinks versehen werden. In einem umfassenderen Sinne ist Hypertext die Möglichkeit, Informationen vollständig zu entlinearisieren und nur noch in Beziehungsnetzen zueinander darzustellen; dies läßt sich in komplexen Systemen sinnvoll nur noch elektronisch verwalten und erschließen (als internes Hypertextsystem in Bezug auf eine Wissensbasis, im Internet als weltweit offenes Hypertextsystem; Lit. 11, S. 427 m.w.N.).

G 4.2.4

Die Neudefmition von Verlegern und Lesern

Der Verleger ist also nicht mehr nur der Produzent von Büchern, sondern der Unternehmer, der wertvolle Texte und Wissensbasen beschafft, bearbeitet und anreichert, um sie in den Medien anzubieten, die der Kunde wünscht. Ganz entscheidend ist dabei auch, Änderungen der Benutzerbedürfnisse Rechnung tragen zu können, also einen Text heute zu drucken, morgen auf CD-ROM zu pressen und übermorgen im Internet bereitzustellen. Auch dafür scheint heute im wesentlichen die logische Strukturierung der Texte mit SGML als der optimale Weg. Der Leser wird aufgrund der Mehrwerte heute auch User, Nutzer, Benutzer oder Anwender genannt - und das durchaus zurecht, auch wenn es sprachlich nicht befriedigt. Der Nutzer will gute Qualität in inhaltlicher und funktioneller Hinsicht und der Verlag muß diese liefern. Während der Konsumentenmarkt mit seinem erhöhten Bedürfnis für graphische Aufbereitung und Multimedia zunehmend nach Infotainment fragt, wird sich dies bei der Fachinformation (die Gegenstand dieses Buches ist) nicht in gleichem Ausmaß widerspiegeln (mit Ausnahme vielleicht beim Edutainment). Theologische, philosophische oder juristische Texte bedürfen einer ausgefeilten, sich ständig wandelnden, unterhaltsamen graphischen Gestaltung und multimedialer Anreicherung nicht. Sind jedoch medizinische, technische, biologische Befunde, Prozesse oder Handlungen in Texten zu beschreiben, muß eine sachgerechte multimediale Anreicherung (nicht Überflutung und Unterhaltung) in Betracht gezogen werden (Lit. 10). Verlegen heißt daher in Zukunft, Information medienneutral elektronisch bereit zu halten und je nach Kundenbedürfnis gedruckt und/oder elektronisch anzubieten. Das Elektronische umfaßt hier Online-Dienste (zunehmend insbesondere Internet und WWW), CD-ROM (später vielleicht andere Offline-Tfräger-Medien) sowie nur elektronisch denkbare individuelle Dienstleistungen wie die Übermittlung von Profildiensten (laufende Aktualitäten zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema), ganz egal, ob über Telefax, E-Mail, ge-

G 4.3 Dokumentationswesen im Verlag

1013

druckt per Post oder individuell beim Nutzer ausgedruckt über den eigenen Drukker. Bei vielgefragten Substanzen, bei denen je nach den unterschiedlichen Bedürfnissen alle diese Formen Sinn machen, kann es sein, daß ein Verleger sie in mehreren oder gar in allen genannten Formen bereitstellt.

G 4.3

Dokumentationswesen im Verlag

G 4.3.1

Dokumentation zur Schaffung von Mehrwerten

Es soll hier noch einmal aufgegriffen und vertieft werden, daß die elektronische Aufbereitung und Bereitstellung nur sinnvoll ist, wenn mit ihr Mehrwerte geschaffen werden, die dem Buch nicht anhaften (grundlegend dazu das als opus magnum insgesamt lesenswerte Werk von Kuhlen, Lit. 11, S. 80-94 und S. 421-438). Der Begriff „Mehrwertdienste" ist m. E. unglücklich. Ihm stehen eben auch Minderwerte gegenüber. Entscheidend ist daher die deutlich andere Mischung von medienspezifischen Vor- und Nachteilen, wobei dem Nutzer nach Saldierung ein Mehrwert verbleiben muß.

G 4.3.2

Neues Workflow-Management

Ein Verlag muß jetzt die bislang nur gedruckten Informationen, aber auch solche, die eigens für elektronische Verwendungen neu akquiriert werden, in einer homogenen, redundanzfreien Form vom Autor (Redakteur, Herausgeber) bis hin zum Endnutzer vorhalten. Ideal ist es, wenn bereits der Informationslieferant vorstrukturierte, digitalisierte Materialien liefert. Es mag sich lohnen, dort bereits zu investieren. Die Weiterverarbeitung im Verlag durch Lektoren bzw. Redakteure und die mehr technisch orientierten Hersteller (so werden im Verlagsgewerbe die Mitarbeiter genannt, die aus dem Lektorat die Manuskripte erhalten und mit allen notwendigen technischen Angaben an Satz und Druck weiterleiten) führt dann bei typischen Büchern eher zur Einspeisung in Satzsysteme und bei formal stark einheitlich organisierten Texten zunächst in Datenbanken. Die neuen Bearbeitungsmethoden und Endprodukte verlangen daher ein neues Workflow-Management. Allgemeingültige Aussagen sind dazu schwer zu treffen, weil es von vielen individuellen Umständen abhängt, wie weit man hier optimal rationalisieren kann. Die Entwicklung des optimalen Workflow ist daher in vielen Verlagen mit elektronischem Publizieren selbst im Fluß. Die Debatte wird oft unter dem Aspekt des Reengineering geführt.

1014 G 4.33

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen Informationstechnische Infrastruktur im Verlag

Betrachtet man typische Verlagssubstanzen (wie Zeitschriften, Lexika, Wörterbücher, Bibliographien, typisierte Dokumente, tabellarische Werke, systematische Handbücher, Kommentare etc.), so muß für jede Einzelgruppe eine informationstechnische Infrastruktur bereitgestellt werden. Das kann z. B. bedeuten: Autoren wird eine Druckformatvorlage entwickelt, an die sie sich bei der Manuskripterfassung halten müssen. Zeitschriftenredaktionen stellen Aufsätze in einer einheitlich strukturierten Bearbeitung sogleich in eine Datenbank oder ein DTP-System, das nach Satz und Druck einen leichten Transfer in eine Datenbank erlaubt; mehrere Redaktionssysteme für Tages- und Fachzeitschriften sind bereits entwickelt worden. Handbücher, die nur in Abständen von Jahren aktualisiert werden, können vielleicht wie bisher im Satzbetrieb aufbereitet werden, sofern er entsprechende Vorgaben erhält bzw. schon über sie verfügt, die die logische Strukturierung für die elektronische Nutzung sicherstellen. In einem Verlag kann dies zu beträchtlichen organisatorischen Änderungen führen. Altgediente Lektoren und Redakteure müssen jetzt vielleicht in einer Client-Server-Architektur eine gemeinschaftliche Datenbank pflegen, für die eine spezifische Software zu entwickeln war. Zu bedenken sind besondere Leistungen zur Erleichterung der elektronischen Suche: Die klassischen Hilfsmittel des Buches wie Inhaltsverzeichnis, Stichwortverzeichnis - im Idealfall unterteilt nach verschiedenen Kriterien - reichen für die optimale elektronische Suche nicht aus. Es bedarf gründlicher Überlegungen, welche zusätzliche Dokumenterschließung geleistet werden soll. Verlage müssen hier zumeist auch einen wirtschaftlich vernünftigen Kompromiß schließen, weil die optimale Erschließung aus Kostengründen nicht geleistet werden kann. Aus der Sicht des Verlagspraktikers seien hier nur folgende Fragen beispielhaft aufgezählt: Soll eine Sachgebietsgliederung entwickelt werden? W e tief ist sie zu staffeln? Ist sie streng hierarchisch und überschneidungsfrei anzulegen? Soll eine eigene Verschlagwortung geleistet werden? Sollten Synonyme, ähnliche Ober- und Unterbegriffe gepflegt und automatisch oder nach Kundenwunsch mitberücksichtigt werden? Müssen für Aufsätze Abstracts (womöglich nunmehr auch in Englisch) formuliert werden? Müssen neue Felder definiert werden, die es in der gedruckten Ausgabe so nicht gibt, die aber elektronisch sinnvoll sind? Muß man Informationen, die zum Wissensinhalt an sich nicht gehören, gleichwohl elektronisch fixieren (um z. B. gewohnte Zitierweisen nach Jahrgang und Seitenzahl sicherzustellen)? Was und wie wird verlinkt? Auf die Komplexität dieser Fragestellungen einzugehen, hieße diesen Beitrag zu sprengen. Soviel steht aber fest: Mehrwerte bedeuten zumeist mehr Arbeit.

G 4.4 Informationserschließung durch den Kunden G 4.4

Infonnationserschließimg durch den Kunden

G 4.4.1

Der Itend zu standardisierten Lösungen

1015

Es empfiehlt sich auf jeden Fall, mit den am weitesten verbreiteten Computern und Betriebssystemen zu arbeiten. Nur so findet man in dem sich ja erst entwickelnden elektronischen Informationsmarkt eine ausreichende Zahl von Anwendern. Auch aus Kundensicht ist es nicht zumutbar, sich auf die unterschiedlichsten Systeme einzulassen. Wer hier vom Üblichen abweicht, muß dies ganz besonders gut begründen können. Das plattformübergreifende Internet hat da Vorteile.

G 4.4.2

Der Uend zu höchstmöglicher Einfachheit in der Bedienung

Mit der Wahl der richtigen Systeme und einer guten Retrieval-Software ist es nicht getan, man muß diese in einer Weise miteinander verbinden, daß der Kunde ohne umständliches Handbuchstudium möglichst sofort damit arbeiten kann. Übersichtliches Bildschirmdesign, unmißverständliche Begriffsbildung und Icons, kontextsensitive Hilfe und intuitive Verständlichkeit sollen angestrebt werden. Der Kunde hat genug damit zu tun, die richtige Begrifflichkeit und Verknüpfung und alle weiteren inhaltlichen Fragen zu bedenken, als daß er auch noch Bedienungsprobleme lösen möchte. Im Laufe der nächsten Jahre sollten sich gewisse Usancen durchsetzen, die trotz unterschiedlicher Produkte sicherstellen, daß wesentliche Bedienungselemente überall gleich oder ähnlich sind (so wie beim Auto das Kupplungspedal links, die Bremse in der Mittel und das Gaspedal rechts sind). Gelingt dies, so ist ein Nebeneinander von verschiedenen Datenbankprogrammen und Oberflächen hinnehmbar. Aber auch hier sollte man sich vor exotischen Lösungen hüten.

G 4.4.3

Die klassische Datenbankrecherche

Geht man von den klassischen Volltext-Datenbanken aus (die sich gegenüber reinen Referenz-Datenbanken oder Abstract-Sammlungen immer mehr durchsetzen), so sollte im Idealfall die Suche nach typischen Feldern (Autor, Datum, Fundstelle, Titel), nach dem Thema in einer praxisgerechten Sachgebietsgliederung sowie im Volltext (also nach jedem beliebigen Begriff - mit Ausnahme allenfalls von Trivialbegriffen) und vielleicht auch noch nach bestimmten, eigens vergebenen Schlagworten möglich sein. Die gängigen Programme führen zur Indizierung aller maßgeblichen Felder unter Einschluß des Volltextes. Die Suchoperationen finden mit der Logik der booleschen Algebra statt. Man darf als Standard heute ferner die Möglichkeit zur TVankierung zumindest am Wortende (besser auch in der Wortmitte und am Wortanfang, was freilich zu einer doppelten Indizierung und damit erhöhtem Speicherplatz führen kann) voraussetzen. Ebenso Standard ist die Möglichkeit, Abstandsoperatoren („neben", „nahe" mit ergänzender Angabe einer Zahl zur Bezeichnung des Wort-, Satz- oder Absatzabstandes) oder Hypertext-Links zu setzen.

1016 G 4.4.4

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen Neue Formen der Snche

Selbst routinierte Anwender haben immer wieder Probleme mit der booleschen Algebra. Es kommt bei komplexen Suchen auf eine kluge Wahl der Suchbegriffe, auf die Problematik der Synonyme, der Ober- und Unterbegriffe sowie der atypischen Begriffe, der richtigen Operatoren sowie womöglich auch noch der richtigen Klammersetzung an. Die klassischen Recherche-Anforderungen precision und recall stehen in einem Verhältnis zueinander, daß die Methoden zur Erhöhung der precision zu Lasten des recalls gehen und umgekehrt. Das führt zu dem fatalen Ergebnis, daß in vielen Fällen relevante Dokumente nicht gefunden werden, was noch dadurch verschlimmert wird, daß der Nutzer aber subjektiv das Gefühl hat, mit Hilfe der E D V phantastische Ergebnisse erzielt zu haben. Umgekehrt kann die Anzahl der Treffer erhöht werden, muß aber mit dem Nachteil vieler auch aufgeführter irrelevanter Dokumente bezahlt werden, was zu langwierigem manuellem Heraussuchen führt; das Versprechen der Technik, man möge die Suchanfrage perfektionieren, bleibt eben manchmal Theorie. Inwieweit hier bald Abhilfe möglich ist, läßt sich noch schwer überschauen. Immerhin ist den Verlautbarungen einiger Firmen zu entnehmen, daß es eine Reihe von neuen Ansätzen gibt: Statistische Verfahren (Ranking) gehen so vor, daß der Anwender ruhig eine größere Anzahl von denkbaren Suchbegriffen eingibt. Aus der strengen booleschen Algebra werden soft boolean connectors. Es werden dann sämtliche Dokumente aufgezählt, bei denen wenigstens eines der Suchwörter einmal vorkommt. Die Reihenfolge der Trefferliste wird so aufgebaut, daß die Dokumente ganz oben stehen, bei denen die meisten Suchworte an hierarchisch hoher Stelle oder im Verhältnis zur Länge des jeweiligen Dokuments vorliegen. Der Benutzer kann sich in der Regel damit begnügen, nur die obersten Dokumente der TYefferliste anzuschauen. Andere Verfahren gehen davon aus, den Nutzer bei der richtigen Suche zu unterstützen (Relevance feedback). Gibt er einen oder mehrere Suchbegriffe an, werden ihm Fragen gestellt, ob er in diesem Kontext vorkommende andere Begriffe mit in die Suche aufnehmen möchte oder nicht bzw. welche der gefundenen Dokumente relevant sind oder nicht. Besonderes interessant wäre die Verknüpfung beider Möglichkeiten als Ergänzung einer klassischen Retrieval-Software (Lit. 11, S. 466 und die Retrieval-Software Q-Search der Fa. MPW Lasec). Nur der Vollständigkeit halber sollen hier auch die Forschungen zur künstlichen Intelligenz und zu den Expertensystemen (im engeren Sinne) genannt sein. Man befindet sich hier jedoch noch in der Grundlagenforschung und darf einen Durchbruch nicht vor dem Jahre 2010 erwarten.

G 4.5 Das Umfeld

G4.5

Das Umfeld

G 4.5.1

Universitäten

1017

In den USA ist es an den Universitäten bereits üblich, da6 jeder Student per E-Mail erreichbar sein muß. Den Rechner hat er selbst zu besorgen. Täglich muß er mindestens einmal nachsehen, ob elektronische Post für ihn gekommen ist. Ein wesentlicher Teil der individuellen Kommunikation zwischen Dozenten und Studenten findet auf diese Weise statt. Studenten können so die Fernleihe von Büchern veranlassen und Zeitschriftenaufsätze bestellen, die ihnen elektronisch übersandt werden. Dies steht uns ebenfalls bevor. Es dürfte offensichtlich sein, daß auch davon ein weiterer Druck zur Digitalisierung geeigneter Materialien, insbesondere von Zeitschriften, ausgeht, auch wenn hier noch manche Rechtsfrage offen ist.

G 4.5.2

Bibliotheken

Die Situation an den Bibliotheken war bislang davon gekennzeichnet, daß im Grunde genommen nur diejenigen Personenkreise ihre Dienste in Anspruch nahmen, die über viel Zeit verfügten: um dort persönlich zu erscheinen, in Karteikästen zu suchen, eine Leihe oder Fernleihe zu veranlassen, zu warten und zu lesen. Wer berufstätig war, konnte diesen Zeitaufwand nicht leisten, von Wissenschaftlern und seltenen Ausnahmen abgesehen. Jetzt wird es möglich, daß jeder von einem beliebigen Ort in die Bestandskataloge der Bibliotheken der Welt schauen kann, um sich geeignete Bücher zu bestellen oder digital erfaßte Texte gleich anzusehen. Für die Verlage entsteht damit ein neues, wirtschaftliches Problem. Es wäre technisch leicht machbar, ein einziges Buch einmal digital in einer Bibliothek einzulesen und allen anderen Bibliotheken der Welt den Zugriff darauf zu erlauben. Da Wirtschaftsunternehmen künftig denselben einfachen Zugriff auf die Bestände der Bibliotheken nehmen können, leuchtet es ein, daß für die Urheberrechte der Autoren und die Rechte der Verleger Abgeltungsformen gefunden werden müssen, die einerseits eine bestmögliche und einfache Verbreitung des Wissens, andererseits aber auch eine gerechte Vergütung ihrer Leistungen umfassen. Zweckmäßig scheint eine Lösung, die von der tatsächlichen Nutzung der Substanzen ausgeht. Da es weiterhin im Interesse des Staates liegen wird, daß Wissenschaftler und Studenten relativ kostengünstig an Fachliteratur kommen, wird es sich für ihn empfehlen, deren kostengünstigen Zugang zu subventionieren. In den USA ist vielerorts bereits die Diskussion darüber entbrannt, ob Studenten nicht für die Überlassung von Online-Informationen eine Vergütung zu erbringen haben. Bei Büchern findet die Finanzierung der Autoren und der Verlage dadurch statt, daß der Aufwand durch die Anzahl der Käufer einer Auflage getragen wird. Bei Online-Diensten kann nur auf die Nutzer abgestellt werden; jeder noch so kleine Beitrag dient der Verbreitung und Demokratisierung des Wissens. Eine Rechtsordnung, die die einmalige Einspeicherung in eine öffentliche Bibliothek und den kostenlosen weltweiten Zugriff darauf zuließe, würde die Urheberrechte sozialisieren und enteignen, mit der kulturpolitischen Folge der geistigen Verarmung, weil sich für viele die Autorschaft dann nicht mehr lohnt. Eine Bibliothek ohne Bücher wird man sich gleichwohl nicht vorstellen können. Auch in Bibliotheken wird es wie überall das Bedürfnis geben, sehr viele Texte am Stück zu lesen. Hier bleiben die Printmedien voraussichtlich auf Dauer überlegen, ganz abgesehen davon, daß es für 10 bis 20 Jahre alte elektronische Editionen keine neuen Abspielgeräte mehr gibt.

1018 G 4.5.3

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen Buchhandel

Bestellungen in Online-Buchkatalogen können das Erlebnis nicht ersetzen, in einem Buchladen zu stöbern und querbeet auch Dinge zu entdecken, die man nicht unbedingt gesucht hat. Das kann einem natürlich auch im Hypershop passieren. Aber die Struktur des Leineneinbands zu fühlen, das Buch im Originalformat zu sehen und sinnlich umfassend wahrzunehmen, ist nur durch den Besuch im Buchgeschäft möglich. Im wissenschaftlichen Buchgeschäft spielt dies freilich eine kleinere Rolle. Gewiß wird es Buchhandlungen geben, die auf Dauer vorwiegend nur mit Büchern handeln. Schon um zu sehen, wie sich das Verhältnis von Büchern und elektronischen Editionen weiterentwickelt, empfiehlt es sich für den Buchhändler, buchähnliche und buchersetzende Materien in elektronischer Form anzubieten. Auch für den Buchhändler gilt, daß der Kundenstamm die wertvollste Unternehmenssubstanz darstellt. Wenn dieser elektronische Informationen sucht und nicht bei seinem Buchhändler findet, wendet er sich mindestens zu Teilen von ihm ab. Auf jeden Fall sollte sich der Buchhändler für CD-ROM-Editionen öffnen; schwieriger wird es, als Händler Online-Dienste zu vermitteln. Der Handel scheint dafür nicht prädestiniert.

G 4.5.4

Satz- und Drnckbetriebe

Auf Setzereien wird immer häufiger der Wunsch zukommen, eine Verlagssubstanz so zu strukturieren, daß die Mehrfachverwertung möglich wird. Satzbetriebe, die hier kompetent tätig sind, können der Zukunft mit mehr Gelassenheit entgegensehen. Auch im Druckbereich greifen immer mehr Laserdruckern oder Fotokopierautomaten ähnliche Maschinen vor, die in der Lage sind, aus laufend aktualisierten Datenbeständen Kleinstauflagen oder Einzelstücke (Printing on demand) herzustellen. Die sog. „Druckvorstufe" kann dabei entfallen. Zu relativ einheitlichen Seitenpreisen lassen sich oftmals auch kleinere Auflagen wirtschaftlich realisieren. Bei höheren Auflagen bleiben die klassischen Verfahren (die freilich zeitraubender sind) interessant, weil sie mit höherer Stückzahl zu sinkenden Stückpreisen führen.

G 4.5.5

Der Kunde als Konsument und als Experte in Wissenschaft und Beruf

Die erste repräsentative Befragung bei Internet-Nutzern in den USA (vgl. FAZ vom 17.11.1995) hat ergeben, daß sich die Nutzer wöchentlich im Durchschnitt fast fünf Stunden im Internet aufhalten. Sie verbringen damit mehr Zeit vor ihrem Computer als vor ihrem Videogerät. Pro Tig hielten sich 5 Millionen Teilnehmer im World-Wide Web auf, 4,5 Millionen verschickten oder erhielten E-Mail, 2,5 Millionen Personen nahmen an Diskussionsforen teil, 2,1 Millionen Menschen kopierten Software. Das Internet wird in wenigen Jahren die Menschen miteinander verbinden wie heute nur das Telefon. Damit ist die Infrastruktur im entstehen, die auch zur Fachinformation genutzt werden wird. CD-ROM behalten daneben ihren eigenen Reiz. Sie sind netzunabhängig und funktionieren ohne einloggen, „click and wait" ist für sie kein Problem. Verkaufspsychologisch haben sie Vorteile, weil der Erwerber einen Gegenstand erhält, der ihm gehört. Er kann seinen Inhalt so oft nutzen, wie er will; mit jeder Recherche wird daher der Preis pro Recherche niedriger (oder genauer gesagt: der Gesamtaufwand für den Erwerb des Bestandes bleibt immer gleich), während mit jeder neuen Online-Recherche neue Telekommunikations- und Datenbankgebühren entstehen. CD-ROM haben daher (erst recht in dem neuen High-Dcnsity-Format mit vielfacher Speicherkapazität, das Ende 1996 intensiv auf den Markt drängen wird) bleibende Erfolgsaus-

G 4 Literatur

1019

sichten, zumal sie auch mit Online-Diensten gekoppelt werden können (Durchgriffs- oder Differenzrecherche in ergänzende oder aktualisierte Online-Bestände). CD-ROM werden daher gerade auch in den unter ständiger Mittelknappheit leidenden öffentlichen Bibliotheken akzeptiert bleiben.

G 4.6

Ausblick

Die extremen Fortschritte der Computer Hard- und Software mit Multimedia und Breitbandnetzen lassen auch in den nächsten Jahrzehnten noch keine Beruhigung der Entwicklungsdynamik erkennen. Ein Teil der Entwicklung beschleunigt sich sogar. So ist der weltweit führende Chip-Produzent INTEL inzwischen dazu übergegangen, bereits nach der Hälfte der erwarteten Entwicklungszeit einer neuen Chipgeneration mit einem anderen Entwicklerteam die übernächste Generation entwikkeln zu lassen. Ob es künftig broschüren-leichte, flache Bildschirme mit flimmerfreier hochauflösender Schrift entsprechend den heutigen Druckverfahren geben wird, wage ich nur mit Skepsis vorauszusagen. Sicher werden sich andere Lese- und Suchverhalten und ein ganz anderer Umgang mit dem Computer ergeben, wenn die Studentengeneration, die ihre Hausarbeiten am PC schrieb, in größeren Mengen in das Berufsleben kommt (das beginnt jetzt gerade). Erst recht gilt dies, wenn neben dem hoffentlich dauerhaft geförderten Lesen von Büchern (kein Medium läßt der Phantasie mehr freien Raum als das Buch!) schon in Kindergärten und Schulen der regelmäßige Umgang mit Computer geübt wird und von Kindesbeinen an zu Hause ein PC intensiver genutzt wird als ein Videorecorder.

Literatur 01. Berkemeyer, Jörg: Befragung zum Wandel im Verlagswesen durch das Elektronische Publizieren. Magisterarbeit im Fach Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (nicht veröffentlicht; beim Autor: Fleher Str. 191, 40223 Düsseldorf) 02. Blanck, Horst: Das Buch in der Antike. München: C. H. Beck 1992 03. Blundan, Brian (Ed.); Blundan, Margot (Ed.): The electronic publishing business. Leatherhead (Surrey, UK): IEPRC/Pira International 1994 04. Boles, Dietrich: Elektronisches Publizieren: Autorensysteme und Arbeitsumgebungen für Autoren. NfD 46 (1995) S. 273 - 282 05. Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Rechtsabteilung (Schriftleitung Heker, Harald); Müller von der Heide, Kristian: Recht im Verlag. Ein Handbuch für die Praxis. Frankfurt a. M. : Buchhändler-Vereinigung 1995 06. Commission of the European Communities, Directorate General ΧΙΠ, Information Technologies and Industries, and Telecommunications: New Opportuniües for Publishers in the Information Services Market. Brüssel, Luxemburg: ECSC-EEC-EAEC 1993 07. Dechsling, Rainer: Datenbank, Hypertext oder linearer Text - Softwaretypen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1994, Heft 50, S. 19 - 22 08. Deutsche Fachpresse. Das Branchenjahrbuch der Deutschen Fachpresse. Bonn: Deutsche Fachpresse 1995 09. Grieser, Franz; Irlbeck, Thomas: Computer-Lexikon. 2. Aufl. München 1995. Beck EDVBerater im dtv Nr. 50302

1020

Burneleit: Elektronische Medien und Verlagswesen

10. Herrmann, Hans-Jürgen; Weigel, Ulrich: Multimedia in der Fachinformation? cogito 1995, S. 2 9 - 3 2 11. Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Universitätsverlag Konstanz 1995 (Schriften zur Informations Wissenschaft; Bd. 15) 12. Laukamm, Thomas: Think big - start small. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1993, Heft 39, S. 50 - 56.

1021

G5

Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft: Trends und Entwicklungen des multimedialen Informationsund Telekommunikationsmarktes Manfred Thüring

G 5.1

Der Weg in die Informationsgesellschaft

Die Industrieländer befinden sich derzeit in der Übergangsphase von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft. D e r damit verbundene Wandel wird viele Lebensbereiche grundlegend verändern und sich massiv auf soziale Interaktionsformen, Arbeits- und Produktionsbedingungen sowie auf Freizeit- und Konsum verhalten auswirken. Mit der Informationswirtschaft entsteht ein neuer Produktionsfaktor, dessen Nutzung maßgeblich die wirtschaftliche Entwicklung der Industrienationen beeinflussen wird. Sollte es mißlingen, diesen Faktor aktiv zu gestalten, so werden negative volkswirtschaftliche Konsequenzen von erheblichem Ausmaß befürchtet. Kann jedoch der Strukturwandel vollzogen werden, der für die effiziente Ausgestaltung dieses Faktors notwendig ist, so ist mit signifikanten positiven Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt zu rechnen. Erste Studien weisen darauf hin, daß bei Erfüllung bestimmter Rahmenbedingungen sechs Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in der Europäischen Union bis zum Jahre 2010 geschaffen werden können, wovon laut Schätzungen ungefähr 1,5 Millionen auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen würden (Lit. 03). Wie sich der Weg in die Informationsgesellschaft vollziehen wird und ob es rechtzeitig und nachhaltig gelingt, den hierfür notwendigen wirtschaftlichen und technologischen Strukturwandel zu gewährleisten, hängt im wesentlichen von folgenden Faktoren ab: • den regulatorischen Maßnahmen und politischen Rahmenbedingungen, die von staatlicher Seite geschaffen werden, • den strategischen Allianzen im Telekommunikations- und Medienmarkt, die den Ausbau der aus Netzen und Basisdiensten bestehenden Kommunikationsinfrastruktur vorantreiben sowie • den kommerziellen Anwendungen, die auf dieser Infrastruktur aufsetzen und sie mit Mehrwertdiensten anreichern und mit multimedialen Inhalten füllen. Gemeinsam konstituieren diese Faktoren ein interdependentes Bedingungsgeflecht, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit bestimmt und somit direkte Auswirkungen auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen in Deutschland und Europa hat.

1022 G 5.2

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft Polltische Rabmenbedingungen und Liberalisiernngsmaßnahmen

Zur effizienten Ausnutzung des Produktionsfaktors „Information" sind in Deutschland von staatlicher Seite aus eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden, die eine Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes (TK-Marktes) zum Ziel haben. An erster Stelle ist hierbei der Entwurf für ein neues Telekommunikationsgesetz zu nennen, der von der Bundesregierung Ende Januar 1996 vorgelegt wurde und im Sommer des gleichen Jahres verabschiedet werden soll. Tritt das Gesetz in Kraft, so wird ab 1. Januar 1998 der Sprachtelefondienst dereguliert. In diesem Fall erhalten neben der Deutschen Telekom weitere Unternehmen die Möglichkeit, TKDienstleistungen anzubieten. Im einzelnen sieht das Gesetz folgende Maßnahmen vor (Lit. 08): • die Erteilung regional spezifizierter Lizenzen zur Bereitstellung und Vermarktung von Übertragungswegen und Telekommunikationsdiensten, wobei die Anzahl der Lizenzen nicht begrenzt ist und nur bei Frequenzknappheit eingeschränkt wird; • die Lizenzerteilung für das Angebot von Telefondienstleistungen sowie für das Betreiben von Mobilfunk-, Satellitenfunk- und TK-Diensten; • die Sicherstellung des flächendeckenden Zugangs aller Nutzer zu einem Mindestangebot an TK-Diensten durch sog. Universaldienstverpflichtungen sowie durch die Auflage, daß alle Lizenznehmer die Zusammenschaltung ihres TK-Netzes mit den öffentlichen TK-Netzen anderer Anbieter ermöglichen; • das Recht zur kostenlosen Nutzimg öffentlicher Verkehrswege für die Bereitstellung öffentlichen Zwecken dienender TK-Netze; • die Einrichtung einer Regulierungsbehörde, die als Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums angesiedelt ist und die Lizenzvergabe regelt.

Mit dem Telekommunikationsgesetz wird ein rechtlicher Rahmen etabliert, der neuen Anbietern einen angemessenen Freiraum für ihre strategische Entscheidungen schafft. Im Hinblick auf ihr Produkt- und Dienstleistungsportfolio ist es ihnen freigestellt, TK-Dienste auf der Basis einer eigenen Infrastruktur oder in Kooperation mit anderen Netzbetreibern bereitzustellen. Desweiteren können sie uneingeschränkt darüber entscheiden, (a) ob sie ihr Angebot regional begrenzen oder bundesweit zur Verfügung stellen, (b) wie sie ihr Portfolio auf verschiedene Ziel- und Kundengruppen ausrichten und (c) welche Distributionspolitik in Form eines direkten oder indirekten Vertriebs - z.B. über zwischengeschaltete Service-Provider - sie verfolgen. Die interaktive Form der neuen Dienstleistungen wirft eine Reihe von Problemen auf, die u.a. die Sicherheit von Transaktionen und die Wahrung von Schutzrechten einzelner Nutzer betreffen. Vom Gesetzgeber sind deshalb rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die das neue Telekommunikationsgesetz flankierend begleiten. In der Diskussion sind derzeit folgende Maßnahmen und Überlegungen (Lit. 03): • rechtliche Regelungen für das Angebot und die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationsdienste, z.B. in Form eines „Multimediagesetzes"; • Anpassung und Erweiterung der allgemeinen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der Datenschutzregelungen im Bereich der Telekommunikation in Hinblick auf die neuen Sicherheitsanforderungen, die aus interaktiven und multimedialen Diensten resultieren;

G 5.3 „Major Players" und strategische Allianzen

1023

• Überprüfung der Angemessenheit bestehender Schutzrechte - wie z.B. Arbeitsrecht sowie Verbraucher- und Jugendschutz - für die Nutzung neuer TK-Dienstleistungen und • Analyse der Möglichkeiten zur Nutzung digitaler Signaturverfahren für den Rechtsgeschäftsverkehr und ggf. Ausarbeitung der hierfür benötigen rechtlichen Regelungen.

Zusammenfassend heißt dies, daß vom Gesetzgeber Maßnahmen eingeleitet werden müssen, die deutlich über das neue Telekommunikationsgesetz hinausgehen und einen Rechtsrahmen schaffen, der die sichere Nutzung innovativerTK-Dienste ermöglicht und die Wahrung der Rechte von Geschäfts- und Privatkunden garantiert. Nur wenn dies gelingt, kann auf Seiten der Kunden und Nutzer die Akzeptanz erzeugt werden, die das Marktpotential für einen wirtschaftlich realisierbaren Weg in die Informationsgesellschaft schafft. Wie weit dieser Weg bereits von führenden deutschen Unternehmen beschritten ist, zeigt die Betrachtung der strategischen Allianzen, die in den letzten beiden Jahren auf nationaler und internationaler Ebene entstanden sind. Eine detaillierte Übersicht hierüber findet sich bei Gerpott (Lit. 08).

G 5.3

„Major Players" und strategische Alllanzen

Das neue Telekommunikationsgesetz eröffnet ab ersten Januar 1998 in- und ausländischen Unternehmen die Möglichkeit, in Konkurrenz zum ehemaligen Netz- und Dienstemonopolisten, der Deutschen Telekom, zu treten. Vor allem die Stromkonzerne - aber auch andere Großunternehmen, wie z.B. die Thyssen AG - bereiten sich schon seit geraumer Zeit durch Firmenneugründungen und internationale Allianzen intensiv auf den Eintritt in den TK-Markt vor. Hierdurch sind vier Hauptgruppierungen entstanden, von denen anzunehmen ist, daß sie in ihrer Rolle als „Global Player" auch den deutschen Telekommunikations- und Informationsmarkt maßgeblich beeinflussen werden (Lit. 01; Lit. 06). Sie sind inlkbelle 1 aufgeführt. Global Player«

Cable & Wireless

Conceit

UnhvoiM

Phoenix 1 Global One

Wichtigste Beteiligungen

Cable & Wireless (GB)

British Telecom (GB)

AT&T (USA)

Sprint (USA)

MCI (USA)

Unisource

Deutsche Telekom

Veba (D)

CD) France TGIAcom

(F) Deutscher Partner Vebaoom

RWE Teliance Viag

CNI (Joint Venture von Mannesmann und Deutscher Bank)

Deutsche Telekom

Tabelle 1: Global Players und internationale Allianzen im Telekommunikationsmarkt

In jeder dieser Allianzen ist mindestens ein deutsches Unternehmen vertreten und maßgeblich am Aufbau der zukünftigen Telekommunikationsdienstleistungen beteiligt:

1024

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

• Der Düsseldorfer Mischkonzern und Energieversorger Veba bündelt seine Telekommunikationsaktivitäten im Tochterunternehmen Vebacom, an dem er 55% der Anteile hält. Die anderen 45% sind im Besitz von Cable & Wireless, einem britischen Telekommunikationskonzern mit 42.000 Beschäftigten und einem Umsatz von £ 4.7 Milliarden im Jahr 1994. Zusätzlich verbunden sind beide Unternehmen durch die Beteiligung der Veba an Cable & Wireless Europe und an der Cable & Wireless Holding. Vebacom kann auf die Netze des zum Vebakonzern gehörenden Energieuntemehmens Preussen Elektra zurückgreifen, das über ein Glasfasernetz von ungefähr 2000 Kilometern in Nord-, Ost- und Westdeutschland sowie über mehr als 400.000 Netzanschlüsse für Kabelfernsehen in seinen Immobilien verfügt. Darüber hinaus vereinbarte Vebacom mit der Mannesmann Eurokom die Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft mit dem Ziel, ein flächendeckendes Vermittlungsnetz aufzubauen. Desweiteren ist sie am Mobilfunkbetreiber E-Plus und am SatellitendienstleisterTeleport Europe beteiligt. Gemeinsam bilden Vebacom und Cable & Wireless ein finanzstarkes Konsortium, das über ein breit gefächertes Know-how und differenziertes Netz- und Diensteportfolio verfügt. Während die Vebacom bereits in den Teilmärkten Corporate Networks, Mobilfunk, Satellitendienste und Kabelfernsehnetze aktiv ist, verfügt Cable & Wireless durch seine Beteiligung am britischen TK-Unternehmen Mercury über internationale Expertise bei Aufbau, Betrieb und Vermarktung von TK-Netzen - u.a. in Großbritannien und Schweden. • RWE TeUiance wurde 1994 gegründet und faßt die TK-Aktivitäten des Essener Konzerns RWE zusammen, dessen Hauptgeschäftsfeld ebenfalls die Energieversorgung ist. Die RWE-Tochter ging zunächst ein Joint Venture mit Mannesmann Eurokom und der Deutschen Bank ein und gründete gemeinsam mit ihnen das Unternehmen Communications Network International (CNI). 1995 zog sich RWE TeUiance von dieser Gemeinschaftsaktion wieder zurück und vereinbarte zu Beginn des Jahres 1996 eine Kooperation mit British Telecom (BT) und VIAG InterKom, einem Gemeinschaftsunternehmen des Münchener Stromversorgers VIAG und der British Telecom. RWE TeUiance kann auf die Infrastruktur der RWE zurückgreifen, die sowohl Richtfunkstrecken als auch ein ausgedehntes Glasfasernetz umfaßt. VIAG InterKom wiederum bringt das TK-Netz der Bayernwerke aus Thüringen und Bayern in die Allianz ein. Schätzungen zufolge decken die Festnetze von RWE TelUance und VIAG InterKom zusammen 70% der bundesdeutschen Fläche ab. Der Zugang zum internationalen TK-Markt ergibt sich für RWE TeUiance und VIAG über Concert, einem TK-Untemehmen, das 1993 von der British Telecom und dem US-amerikanischen TK-Anbieter MCI gegründet wurde. Concert ist bereits am Markt aktiv und wird seine deutschen Kooperationspartner bei der internationalen Vermarktung ihrer Dienstleistungen unterstützen. • CNI ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Bank und Mannesmann Eurokom, an dessen Gründung auch RWE TeUiance beteUigt war. Nach Ausscheiden dieses Partners gaben die beiden TK-Unternehmen AT&T und Unisource ihre Kooperationsbereitschaft mit CNI in einem „letter of intent" öffentlich bekannt. AT&T ist mit einem Umsatz von über 107 Mrd. Mark im Jahre 1994 die weltgrößte TelefongeseUschaft (Lit. 01) und beherrscht den Markt in den USA. Unisource ist ein Gemeinschaftsunternehmen von vier europäischen TKAnbietern, der Schweizer KIT, der niederländischen PTT, der schwedischen TeUa und der spanischen Telefönica, die 25% der AnteUe halten. 1994 gründeten AT&T und Unisource das Gemeinschaftsunternehmen Uniworld, das mit CNI auf dem deutschen Markt aktiv werden soU. • Die Deutsche TWekom ist mit einem Umsatz von 64 Mrd. Mark im Jahr 1994 der weltweit drittgrößte Anbieter von Telekommunikationsleistungen. International kooperiert die Telekom mit der France T^licom und Sprint, dem drittgrößten US-amerikanischen TK-Untemehmen. Die Kooperation mit der France T616com manifestiert sich im Gemeinschaftsunternehmen Atlas, an dem beide 50% der Geschäftsanteüe halten und das Dienstleistungen im Festnetzbereich vermarktet. Um weltweit am Markt präsent zu sein, wurde 1994 Sprint in die ge-

G 5.3 „Major Players" und strategische Allianzen

1025

meinsamen Aktivitäten einbezogen und in einem „Memorandum of Understanding" das Joint Venture Phoenix gegründet. An dieser Unternehmung, die mittlerweile in Global One umbenannt wurde, sind alle drei Partner gemeinsam beteiligt und versuchen über diese Kooperation, vor allem ihre Marktanteile in Europa und den USA auszubauen.

Welche der vier Allianzen sich international durchsetzen wird, ist derzeit kaum abzusehen. Das Cable & Wireless Konsortium kann auf eine starke Stellung in Asien und auf ein gut ausgebautes Überseenetz vertrauen, hat jedoch Schwächen in den USA und Europa. Sieht man von Vebacom ab, so fehlen potente europäische Partner - vor allem ehemalige TK-Monopolisten - die die technische Infrastruktur und entsprechende Expertise in das Joint Venture einbringen. Im Gegensatz dazu ist Concert bereits international am Markt aktiv und kann auf eine langjährige Wettbewerbserfahrung zurückblicken. Defizite bestehen hier in Asien, und auch in den USA ist die Positionierung - trotz der MCI-Präsenz - vorsichtig zu bewerten. Hier konkurriert Concert vor allem mit dem Uniworld Konsortium, das mit AT&T den stärksten US-amerikanischen TK-Anbieter in seinen Reihen hat. Desweiteren hat Uniworld durch Unisource und CNI eine starke Stellung in Europa. Eine ebenfalls hohe europäische Präsenz weist Global One auf, da mit der deutschen und der französischen Telekom zwei Exmonopolisten ihre gut ausgebauten Übertragungsnetze in das Konsortium einbringen und mit Sprint zudem eine vielversprechende Ausgangsposition in den USA vorweisen können. Für den deutschen Markt ist zu erwarten, daß alle vier Gruppierungen ab Januar 1998 ihre Dienstleistungen anbieten und verstärkt ausbauen werden. Ttotz der daraus entstehenden harten Konkurrenz hat die Deutsche Telekom die besten Chancen, ihre Marktführerschaft in Deutschland zumindest für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu behaupten. Zu lang sind die Vorlaufzeiten beim Ausbau alternativer TK-Netze und zu hoch die dafür erforderlichen Investitionen, als daß es einem Wettbewerber gelingen könnte, die Deutsche Telekom in diesem Zeitraum von Position eins zu verdrängen (Lit. 08). Neben den Hauptakteuren im Bereich Telekommunikation werden vor allem die international agierenden Medienkonzerne den Informationsmarkt der Zukunft prägen. Weltweit führend ist hier Time Warner Inc. mit Hauptsitz in New York und einem Umsatz von über 24 Mrd. DM im Jahr 1993 (Lit. 07). In Europa und Deutschland werden vor allem fünf Gruppierungen mit ihren Produkten und Dienstleistungen am deutschen Markt vertreten sein (vgl. Lit. 17): • Der Bertelsmannkonzerii nimmt mit ungefähr 20,6 Mrd. Mark Umsatz (1994) Platz zwei der Weltrangliste ein. Er hält Anteile an den Fernsehsendern RTL, Vox und Premiere und ist u.a. einer der Hauptaktionäre des Verlagshauses Gruner und Jahr. • Die Newi Corporation des australischen Medienuntemehmers Rupert Murdoch weist einen Umsatz von 11,9 Mrd. Mark (1994) auf und ist vor allem im Femseh-, Film- und Zeitungsgeschäft aktiv. Neben 40% der Anteile am britischen Pay-TV-Unternehmen BskyB gehören dem Konzern das Hollywoodstudio 20th Century Fox sowie die britischen Zeitungen „The Times" und „The Sun". • Die luxemburgische Holding CLT ist mit 4,2 Mrd. Mark Umsatz der größte europäische Rundfunkkonzern. Sie besitzt Anteile an 27 TV- und Radiosendern in ganz Europa - u.a. auch an RTL, dem in Deutschland führenden Unternehmen.

1026

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

• Canal Pins ist der gröBte europäische Pay-TV-Betreiber. Durch seine rund neun Millionen Abonnenten erzielte er einen Umsatz von 3 Mrd. Mark. In Deutschland ist er an den Sendern Vox und Premiere beteiligt. • Die Kirch-Gruppe des Münchner Medienuntemehmers Leo Kirch ist innerhalb Deutschlands der wohl schärfste Konkurrent des Bertelsmannkonzerns. Ihr gehören Anteile an Satl, DSF, Premiere und Telepiu, einem Pay-TV-Sender in Italien. Daneben ist Kirch mit 10% an der Berlusconi-Firma Mediaset beteiligt und kann auf Programmrechte an 15.000 Spielfilmen sowie auf rund 50.000 Stunden Fernsehprogramm zurückgreifen. Ergänzt wird dieses Kontingent noch durch zahlreiche Produktionen von Kirchs Tochterfirmen in der Filmbranche.

Auch zwischen den Medienkonzernen entstehen zur Zeit wichtige Allianzen, die sich vor allem für das kommende Geschäft mit digitalem und interaktivem Fernsehen rüsten. Beim digitalen Fernsehen erfolgt die Programmausstrahlung im digitalen Format, wobei bei jedem Bildwechsel nicht das komplette neue Bild, sondern lediglich die aktuellen Veränderungen übertragen werden. Dadurch verringern sich die transferierten Datenströme, so daß eine erhebliche Erhöhung der Sendekapazität erreicht wird. Beim interaktiven Fernsehen wird das klassische TV um einen Rückkanal zum Sender und eine sog. Set-Top-Box erweitert. Diese wird als Zusatz auf dem Fernseher plaziert und ermöglicht dem Zuschauer, sein eigenes Programm flexibel zusammenzustellen oder sogar in den Programmablauf interaktiv einzugreifen und diesen nach seinem individuellen Geschmack zu verändern. Derzeit werden zwei unterschiedliche Versionen der Set-Top-Box entwickelt, was die Medienunternehmen in zwei konkurrierende Lager aufspaltet. Die eine Allianz bildet sich um die Kirch-Gruppe, die die sog. „d-box" auf den Markt bringen wird, die zweite um den Bertelsmann-Konzern, der am Konkurrenzprodukt „Mediabox" arbeitet (Lit. 17). Der Kirch-Gruppe gelang es, mit Vebacom und Metro zwei Partner zu gewinnen, die Vertrieb und Vermarktung der d-box tatkräftig unterstützen werden. Bereits für den Sommer 1996 avisiert die Kirch-Gesellschaft DF 1 im Pay-TV-Bereich eine Reihe neuer Spartenprogramme. Insgesamt plant Kirch bis zu 50 verschiedene Kanäle mit Serien, Kindersendungen, Spielfilmen und anderen Unterhaltungsangeboten. Die Inhalte hierfür speisen sich aus den Rechten und Lizenzen, die die Gruppe in den vergangenen Monaten eingekauft hat. Zum einen stammen diese aus einem Geschäft mit dem Hollywoodstudio Columbia Tristar, zum anderen aus einer erst kürzlich mit dem US-Konzern 'Wacom eingegangenen Allianz. Viacom ist der weltweit drittgrößte Medienkonzern mit einem Umsatz von 15,4 Mrd. Mark (1993). Von diesem Unternehmen erwarb Kirch für 10 Mrd. Dollar das Studio Paramount Pictures, das mindestens für die nächsten fünf Jahre exklusiv Programme liefern wird. In Folge dieses Vertrages ist damit zu rechnen, daß außerdem auch ViacomTöchter, wie z.B. die Musiksender MTV und VH-1, mit Kirch kooperieren und Programmstunden zur Verfügung stellen werden, die vom Zuschauer über die d-box zu ordern sind. Der Bertelsmann-Konzern kann mittlerweile ebenfalls eine Reihe wichtiger Kooperationsabkommen vorweisen. So gelang es vor kurzem, eine Vereinbarung zu treffen, nach der die Bertelsmanntochter UFA mit CLT zu einem Gemeinschaftsunternehmen verschmolzen werden soll. Stimmen die Kartellbehörden dieser Fusion zu, so investiert Bertelsmann voraussichtlich 1,2 Mrd. Mark in das neue Unternehmen.

G 5.3 „Major Players" und strategische Allianzen

1027

Aber auch der Beitrag von CLT ist beträchtlich, hat der Konzern doch bereits massiv in die digitale TV-Technik investiert und zudem mit der Anmietung von AstraSatelliten die Voraussetzung dafür geschaffen, binnen kurzem eine große Anzahl von Fernsehkanälen anzubieten. Darüber hinaus ist es Bertelsmann gelungen, ein Joint Venture mit der News Corporation sowie den französischen Medienunternehmen Canal Plus und Havas zu initiieren. Das Gemeinschaftsunternehmen trägt den Namen Newco und wird als Anbieter im Pay-TV-Markt agieren. Durch die neuen Kooperationen konnte Bertelsmann eine Reihe wichtiger strategischer Vorteile erringen. Zum einen wird die Fusion von UFA und CLT mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Rechtsstreit beenden, den Bertelsmann und CLT um die Vorherrschaft bei RTL führen. Z u m anderen hat Bertelsmann nun einen stark erweiterten Zugang zu Filmrechten und TV-Inhalten. Dies ist nicht nur darauf zurückzuführen, daß Murdochs Hollywoodstudio 20th Century Fox der Allianz angehört, sondern auch darauf, daß es Bertelsmannpartner Canal Plus gelungen ist, eine Kooperation mit Walt Disney einzugehen, die stark verbesserte Einkaufsmöglichkeiten für Kinderprogramme erschließt. Ahnlich wie bei den Telekommunikationskooperationen ist derzeit nicht abzusehen, welche der beiden Gruppen die Marktführerschaft erringen wird. Allerdings kann davon ausgegangen werden, daß beide Allianzen ein breites Angebot entwikkeln und vermarkten werden, das den deutschen Medienalltag schon bis zur Jahrtausendwende nachhaltig verändern wird. Dies betrifft nicht nur die Angebotsseite sondern auch die Kostenseite. Expertenschätzungen zufolge werden die durchschnittlichen Ausgaben der deutschen Haushalte für Medien innerhalb der nächsten fünf Jahre von derzeit 100 Mark auf 400 bis 500 Mark im Monat ansteigen (Lit. 17). Diese Entwicklung ist nicht allein durch eine Zunahme des Fernsehkonsums und durch die gesteigerte Inanspruchnahme kommerzieller Pay-TV-Angebote zu erklären, sondern vor allem dadurch, daß die bislang voneinander getrennten Telekommunikationsdienste und Medienprodukte zunehmend zusammenwachsen werden, so d a ß neue Informationsangebote und Dienstleistungen entstehen. Diesen innovativen Produkten liegen komplexe Wertschöpfungsketten zugrunde, die sich aus vier Komponenten zusammensetzen (Lit. 09): Communication, Computing, Content und Consumer Electronics. Z u diesen Komponenten korrespondieren unterschiedliche Rollen im Wertschöpfungsprozeß (Lit. 15): • „Network provider" stellen die informationstechnische Infrastruktur in Form terrestrischer, satellitenbasierter oder mobilfunkgestützter Netze sowie die dazugehörigen Basisdienste bereit. • „Service provider" setzen auf den Basisdiensten auf und erweitern diese um Mehrwertdienste, die die technische Infrastruktur für den Laien in der Regel erst nutzbar und bedienbar machen. • „Information provider" entwickeln und vermarkten die multimedialen Inhalte, die über die technische Infrastruktur an den Konsumenten vermittelt werden. • „Provider of consumer electronics" stellen die Endgeräte zur Verfügung, die die Kunden für Empfang und Nutzung benötigen. Setzt man diese Komponenten und Rollen der Wertschöpfung zu den oben beschriebenen Allianzen in Beziehung, so zeigen sich unterschiedliche strategische Schwerpunkte in den beteiligten Branchen. Während die Telekommunikationsun-

1028

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

ternehmen vor allem im Geschäftsfeld der Netze und Dienste agieren, sehen die Medienkonzerne ihr Kerngeschäft in der Bereitstellung und Vermarktung von Inhalten. Auf der anderen Seite deutet sich bereits jetzt sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf technischer Ebene eine Verschmelzung der beiden Branchen an. Daraus werden eine Vielzahl neuer Anwendungen und Dienstleistungen resultieren, die einen gemeinsamen Markt fürTelematikdienste und Multimediaprodukte konstituieren, von denen einige schon heute in Pilotversuchen und ersten kommerziellen Anwendungen zum Einsatz kommen. Einen umfassenden Überblick hierüber gibt Müller (Lit. 14).

G 5.4

Telematikdienste und Multimediaprodukte

Der sich zur Zeit entwickelnde Markt für Telematik- und Multimedia-Anwendungen zeichnet sich durch eine ausgeprägte Heterogenität aus und kann kaum als eng umrissene Menge von Dienstleistungen und Produkten beschrieben werden. Eine erste Segmentierung des Geschäftsfeldes läßt sich auf zwei Dimensionen vornehmen: der Zielgruppe, auf die eine Anwendung ausgerichtet ist, und der Funktion, die die Anwendung unter Berücksichtigung der Informations- und Kommunikationsbedürfnisse der Zielgruppe erfüllt. In Hinblick auf die Zielgruppe kann grob zwischen dem Markt für Geschäftskunden und dem für Privatkunden unterschieden werden. Hinsichtlich der Funktion ist zwischen Anwendungen zur Informationsdistribution und solchen zur Unterstützung von Kommunikation bzw. Kooperation zu differenzieren. Während die Informationsdistribution auf Datenträgern wie z.B. CD-ROM - basieren oder netzgestützt erfolgen kann, erfordern Kommunikations- und Kooperationsanwendungen immer eine vernetzte, technische Infrastruktur. Klassifiziert man die sich entwickelnden Informationsprodukte und Dienste anhand der beiden vorgeschlagenen Dimensionen, so ergibt sich die in Tabelle 2 dargestellte Matrix. Neuere Anwendungen multimedialer Informationssysteme kommen im Segment Geschäftskunden vor allem in Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung zum Einsatz (Lit. 11). Ein Beispiel hierfür sind sog. „Points of Information" (Pol): einfach zu bedienende Terminals werden an Orten mit starkem Publikumsverkehr aufgestellt und bieten potentiellen Kunden die Möglichkeit, sich über Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens zu informieren (Lit. 10). Häufig wird ein Pol auch mit Zusatzinformationen, Animationen oder einfachen Werbespielen ausgestattet. Besteht zudem die Möglichkeit, vom Terminal aus einen Bestellvorgang einzuleiten, so spricht man von einem „Point of Sales" (PoS). Auf „Telemessen" oder „Teleausstellungen" können Pol- und PoS-Systeme um Funktionalitäten des Videoconferencing erweitert werden und ermöglichen dadurch Besuchern den direkten Kontakt mit Firmenvertretern an entfernten Standorten oder die Übertragung des Messegeschehens in die Filialen und Verkaufsräume des Unternehmens. Ergänzt werden solche Werbe- und PR-Anwendungen häufig durch multimediale Produktkataloge, Finnenbroschüren und Geschäftsberichte, die vor Ort gezeigt oder dem Interessenten auf CD-ROM zur Verfügung gestellt werden.

G 5.4 Telematikdienste und Multimediaprodukte

1029

Funktion

Geschäftskunden

Prtvatkunden

"Stand alone" Informationssysteme

Point of Information (Pol)

Video Games

Computer-based Training (CBT)

Infotainment

Technische Dokumentationen, Produktkataloge und Geschiftsbertchte

Edutainment

Werbematerial und -spiele Vernetzte Informationssysteme

Point of Information (Pol)

Pay-per-View

Point of Sales (PoS)

VkJeo-on-Demand

Telemessen und Teleausstellungen

Games-on-Demand Online-Informationsdienste

PR-Anwendungen in Onlinediensten

Individualisierte Zeitungen

Telefernen

Homebanking

Online-Dokumentationen und elektronische Manuale

Homeshopping

Femüberwachung, -diagnose und -Wartung Kommunikations- und Kooperationssysteme

Bildtelefonie und Videoconferencing

Bildtelefonie und Videoconferencing

Email und VoicemaB

Email und Voicemail

Interaktives Telelemen

Interaktives Edutainment

Tetearbeit und Tetekooperation

Interaktive Telespiele

Datentransfer (Multimedia-Email, Electronic Data Interchange)

Telemedizin Teleconsulting

IhbeDe 2: Informations-, Kommunikations-, und Kooperationssysteme für Geschäfts- und Privatkunden

Multimediale Anwendungen für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, die nicht an stationäre Terminals gebunden sind, finden sich in kommerziellen Online-Diensten - wie z.B. CompuServe und T-Online - und im „World Wide Web" (WWW), einem Internetdienst, in dem immer mehr Unternehmen mit Firmendarstellungen und Produktbeschreibungen auf ihren eigenen „Homepages" für sich werben. Auch hier wird Interessenten häufig die Möglichkeit geboten, ein Produkt zu bestellen oder eine Dienstleistung zu buchen, wobei die Bezahlung allerdings in der Regel noch per Scheck, Überweisung oder Kreditkarte erfolgt. Der Durchbruch des sog. „cybercash" oder des „electronic money" steht noch aus und scheitert derzeit an der ungenügenden Sicherheit für finanzielle Transaktionen im Internet. Ein weiteres Anwendungsfeld für multimediale Systeme ist die betriebliche Ausund Weiterbildung (siehe Lit. 02 für einen Überblick). Das Spektrum hierfür ist

1030

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

weit gefächert. Zum einen werden themenspezifische Kurse als „stand-alone" Anwendungen auf CD-ROM angeboten (Lit. 04), die sich von jedem PC mit einem CD-ROM-Laufwerk benutzen lassen. Zum anderen gibt es erste sog. „Courseware"-Produkte, die auf einem zentralen Server abgelegt sind und vom Schüler über ein Datennetz abgerufen werden können. Dieses Informationsangebot kann durch interaktive Dienste erweitert werden, die die direkte Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler oder auch die Kooperation innerhalb von Schülergruppen mit Hilfe von Desktopkonferenzen unterstützen. Nutzungsszenarien dieses Teleleraens reichen dabei vom „Tutoring", bei dem eine Point-to-point-Videoverbindung zwischen einem Lehrer und einem einzelnen Schüler aufgebaut wird, bis zum „Virtuellen Klassenzimmer", in dem ein Lehrer eine Gruppe von Schülern auf Basis einer Multipoint-Videokonferenz unterrichtet (Lit. 16). Der Einsatz multimedialer, netzbasierter Kooperationssysteme beschränkt sich nicht auf innovative Weiterqualifikationsmaßnahmen, sondern bildet auch die Grundlage für Telearbeit und Telekooperation (Lit. 07). Telearbeit bietet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, außerhalb des Betriebes - also beispielsweise im Büro zu Hause - zu arbeiten und mit Hilfe des Telekommunikationsnetzes Datenbestände und Dokumente zum Unternehmen zu transferieren bzw. von dort abzurufen („remote access"). Neben dem einfachen Datentransfer kommen auch hier Desktopkonferenzsysteme zum Einsatz, die das zeitgleiche Bearbeiten von Dokumenten durch Personen an voneinander entfernten Standorten unterstützen („application sharing"). Telekooperation basiert auf der gleichen Technologie wie Telearbeit, geht jedoch noch einen Schritt weiter. Hier kommen Anwendungen zum Einsatz, die auch unternehmensübergreifende Kooperationsformen technisch und logistisch unterstützen, indem sie verschiedene Standorte miteinander koppeln und damit die Möglichkeit für sog. „virtuelle Unternehmungen" und längerfristige „joint ventures" schaffen. Privatknnden können bereits heute - neben dem alles dominierenden Unterhaltungsangebot in Rundfunk und Fernsehen - aus einer breiten Palette von Spielen und Infotainmentprodukten auswählen. Vorherrschendes Trägermedium ist hier noch die CD-ROM, doch wird diese wohl schon bald von Online-Anwendungen eingeholt werden. Innovative Erweiterungen sind hier im Bereich interaktiver Telespiele und Edutainmentanwendungen zu erwarten, die mehreren Teilnehmern die Möglichkeit geben, gemeinsam zu spielen oder zu lernen. Ergänzt wird dieses Unterhaltungsangebot durch neue, netzbasierte Informationsdienste (Lit. 07). Hierzu zählen nicht nur Film- und Spielangebote (Video-on-Demand und Games-on-Demand), sondern auch themenzentrierte und individualisierte Informationsprodukte - wie z.B. Online-Börsenberichte oder elektronische Zeitungen - sowie Bestellund TVansaktionsdienste, die den Verbrauchern die Möglichkeit des Auswählens und Bestellens vom heimischen PC aus gestatten. Neben diesen Anwendungen des Homeshopping gewinnt das Homebanking zunehmend an Bedeutung. Anstatt sich in eine Bankfiliale zu begeben, können Kunden von zu Hause aus ihre Kontostände einsehen, Überweisungen vornehmen und sich über die neuesten Kredit- und Anlagemöglichkeiten informieren. Dienste wie Homeshopping und Homebanking setzen schon eine gewisse Interaktivität der Systeme voraus, doch ist diese auf spezifische, eng umrissene Funktionen

G 5.5 Ausblick

1031

eingegrenzt. Eine weitaus breitere Interaktionsbasis eröffnen sowohl netzbasierte Dienste, die die zeitversetzte (asynchrone) Kommunikation unterstützen - wie z.B. Email und Voicemail - als auch solche, die einen zeitgleichen (synchronen) Informationsaustausch ermöglichen - wie z.B. Bildtelefonie und Videoconferencing. Die Anwendungsmöglichkeiten hierfür reichen von der Privatkommunikation über spezifische Beratungsdienste (Teleconsulting, z.B. in der Vermögens- oder Versicherungsberatung) bis hin zu medizinischen Betreuungsdiensten (Telemedizin). Den meisten Prognosen zufolge wird sich das Marktpotential für Telekommunikationsdienste und Medienprodukte, das sich aus den beiden Segmenten Geschäftskunden und Privatkunden ergibt, mit Zunahme multimedialer Anwendungen beträchtlich vergrößern. Nach Schätzungen erreichte die Informationswirtschaft in Deutschland bereits 1994 einen Gesamtumsatz von 392 Mrd. Mark (Lit. 03). In einzelnen Teilbereichen werden jährliche Wachstumsraten von 7 bis 15 Prozent erwartet. In welchem Maße sich solche Prognosen tatsächlich bewahrheiten werden, hängt davon ab, ob es den Anbietern gelingt, Geschäftskunden vom Nutzen innovativer multimedialer Dienste zu überzeugen und Kunden im Privatbereich für die neuen, eher aktiv zu gestaltenden denn passiv zu konsumierenden Medienangebote zu begeistern. Bereits jetzt warnen Experten vor einer Oberschätzung des Marktpotentials und zeigen mögliche, bislang nicht beachtete Diffusionsbarrieren auf, die vor allem das Wachstum im Telekommunikationsmarkt bremsen könnten (Lit. 12).

G 5.5

Aasblick

Der Weg in die Informationsgesellschaft ist gekennzeichnet durch die technologische und wirtschaftliche Verschmelzung der Branchen Telekommunikation, Medien und Computertechnologie. Diese Verschmelzung führt zur Entstehung integrierter Systeme und wird binnen kurzem die weltweite Vernetzung aller relevanten Informations· und Kommunikationsströme nachsichziehen. Damit einher geht die Entwicklung neuer Informationsprodukte und Kommunikationsdienstleistungen für Geschäfts- und Privatkunden, die die Arbeitswelt ebenso wie die private Lebenswelt entscheidend verändern werden. Für Unternehmen ergibt sich hieraus die Chance, Geschäftsprozesse auf Basis neuer Technologien effizienter und flexibler zu gestalten, Durchlauf- und Entscheidungszeiten zu verkürzen sowie ihre Produkte in höherem Maße international anzubieten und zu vermarkten. Dies wird allerdings nur gelingen, wenn innovative, multimediale Anwendungen - wie z.B. Telearbeit - frühzeitig angenommen werden und ihre Einführung über die rein technische Integration neuer Systeme in die bestehende Informations- und Kommunikationsinfrastruktur eines Unternehmens hinausgeht. Um entscheidende Verbesserungen zu erzielen, sind organisatorische Umgestaltungen und umfangreiche Weiterqualifikationsmaßnahmen zur Schulung der Mitarbeiter unumgänglich. Für die Arbeitnehmer kann dies zu mehr Flexibilität, zu einer Erweiterung ihrer Kompetenz und zu einer Vergrößerung ihres Handlungsspielraums am Arbeitsplatz führen. Durch eine Flexibilisierung in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort könnte es zudem gelingen, benachteiligte Gruppen - wie z.B. alleinerziehende Mütter - stärker als bisher in die Arbeitswelt zu integrieren.

1032

Thüring: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

Obwohl bereits heute vielen Unternehmen die Vorteile fortgeschrittener Informations· und Kommunikationsanwendungen bewußt sind, besteht eine Reihe von Barrieren, die die Einführung innovativer Anwendungen erschwert. In einer Untersuchung von Meier und Schmitt (Lit. 13) zeigte sich, daß trotz erkannter Vorteile wie z.B. der Verbesserung der Kommunikation mit Kunden und Zulieferern - Unternehmen durch zu hohe Preise und eine zu geringe Kosten-Nutzen-TVansparenz abgeschreckt werden. Ähnliche Ergebnisse berichtet die Computer Zeitung (Lit. 05) aus einer Umfrage bei mittelständischen Unternehmen. Ais Gründe für die Zurückhaltung werden an erster Stelle zu hohe Anschaffungs- und Betriebskosten angeführt: „Für dieTelekooperationsaufrüstung der PCs wollen die 229 befragten Unternehmen im Schnitt nicht mehr als 1000, für ein Desktop-Videokonferenzsystem höchstens 5000 Mark zahlen." Andere Gründe für Skepsis bestehen aus Sicht der Arbeitnehmer. Hierzu gehören die Befürchtung des Abbaus von Arbeitsplätzen aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen sowie die Angst vor Überforderung im Umgang mit neuen Technologien und Medien. Wie schnell sich multimediale Anwendungen und innovative Dienstleistungen im Marktsegment der Geschäftskunden durchsetzen, wird in entscheidendem Maße davon abhängen, ob es gelingt, diese Barrieren abzubauen und die neue Arbeitswelt zum beiderseitigen Vorteil von Unternehmen und Arbeitnehmern zu gestalten. Aber nicht nur die Arbeitswelt, auch Privatleben und Freizeitbereich werden sich in den kommenden Jahren deutlich verändern. Generell wird hiermit eine größere Informationsvielfalt und eine Fülle neuer Möglichkeiten verbunden sein. Diese reichen von einem ausdifferenzierten Unterhaltungsangebot - wie z.B. Video-on-Demand -, über telematikbasierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen bis hin zur Bildtelefonie und Videokonferenz zwischen privaten Haushalten. Eine große Anzahl von Anbietern derartiger Unterhaltungsprodukte und Kommunikationsdienstleistungen wird in den nächsten Jahren auf den Markt drängen und ihren Kunden ein breit gefächertes Portfolio an multimedialen und interaktiven Produkten offerieren. Der dadurch konstituierte Markt wird sich zum einen durch eine hohe Wettbewerbsintensität auszeichnen, zum anderen aber auch eine geringe Transparenz in Hinblick auf Kosten - insbesondere Tarifierung - und Leistungen aufweisen. Für die Verbraucher könnte sich hieraus paradoxerweise eine Situation entwickeln, in der sie mit immer vielfältigeren Diensten zu immer günstigeren Kosten konfrontiert werden, jedoch aufgrund der Heterogenität des Angebots und der Komplexität der damit zusammenhängenden Kosten-Nutzen-Verhältnisse kaum noch in der Lage sind, eine ihren Wünschen und Bedürfnissen angemessene Auswahl zu treffen. Auch im Geschäftsfeld der Privatkunden wird sich demnach ein großes Marktpotential nur realisieren lassen, wenn eine hohe Markttransparenz und ein überzeugendes Preis-Leistungsverhältnis realisiert werden können.

Literatur 01. Berke, Jürgen: Monopoly spielen. In: Wirtschaftswoche, Nr. 38 (1995), S. 68 - 72. 02. Bodendorf, Freimut; Hofraarm, Jürgen (Hrsg.): Computer in der betrieblichen Weiterbildung. München, Wien: R. Oldenbourg 1993.

G 5 Literatur

1033

03. Bundesministerium für Wirtschaft: Info 2000: Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. Bonn: Bundesministerium für Wirtschaft 1996. 04. Charlier, Michel; Henke, Ruth; Rother, Franz: Medien für die Weiterbildung. Scheibe statt Flug. In: Wirtschaftswoche, Nr. 48 (1994), S. 120 - 122. 05. Computer Zeitung: Mittelständler mißtrauen derTelearbeit. In: Computer Zeitung, Nr. 20 (1996), S. 1. 06. Der Spiegel: „Eine Sache der Logik". In: Der Spiegel, Nr. 17 (1996), S. 106 - 108. 07. Eggert, Ulrich: Die neue Multimedia-Welt. In: Becker, Ulrich: Toptrends. Düsseldorf, München: Metropolitan-Verlag (1995), S. 201 - 220. 08. Gerpott, Torsten, J.: Wettbewerbsstrategien im Telekommunikationsmarkt. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1996. 09. Hoogeveen, M.J.; van den Eijnden, F.C.I.: Principles of a Public Multimedia Information Service. In: Herzner, W.; Kappe, F. (Hrsg.): Multimedia/Hypermedia in Open Distributed Environments. Wien, New York: Springer (1994), S. 301 - 315. 10. Jeffcoate, Judith: Multimedia in the business market. In: Information Management & Technology, Nr. 5 (1993), S. 222 - 228. 11. Kinnebrock, Wolfgang: Marketing mit Multimedia. Neue Wege zum Kunden. Landsberg/ Lech: Verlag Moderne Industrie 1994. 12. Kubicek, Herbert; Reimers, Kai: Hauptdeterminanten der Nachfrage nach Datenkommunikationsdiensten. In: Marketing ZFP, Nr. 1 (1996), S. 55 - 67. 13. Meier, Henrik; Schmitt, Lothar: Anwendungspotentiale und sozioökonomische Implikationen von Multimedia-Telekommunikationssystemen am Arbeitsplatz. In: Dietrich Seibt (Hrsg.): Kommunikation, Organisation & Management, S. 49 - 82. Braunschweig, Wiesbaden: Vie weg 1995. 14. Müller, Wolfgang: Interaktive Medien im professionellen Einsatz. Bonn, Paris, u.a.: Addison-Wesley 1995. 15. Ruhland, Hans-Jürgen: Goldesel oder Milliardengrab? Die Telekommunikationsbranche im Investitions- und Allianzfieber. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 200 (1995), S. Β 15. 16. Thüring, Manfred; Hannemann, Jörg; Haake, Michael: Hypermedia Applications for Distance Education and Draining. In: Kugler, Hans-Jürgen; Mullery, Al; Niebert, Norbert (Hrsg): Towards a Pan-European Telecommunication Service Infrastructure - IS&N '94. Second International Conference on Intelligence in Broadband Services and Networks, Aachen, Germany, September 1994, S. 109 - 120. Berlin u.a.: Springer. 17. Wulff, Mathias: Stark in Hollywood. In: Wirtschaftswoche, Nr. 16 (1996).

1034

G6

Informationsinfirastruktur Ulrich Riehm

G 6.1

Einleitung

Der Begriff der „Nationalen Informationsinfrastruktur" ist relativ jungen Datuims und kam über die amerikanische Diskussion zur „National Information Infrastruicture" (kurz: NU) nach Europa und Deutschland. Er ist Ausdruck einer neuen Siclnt auf Phänomene, die bisher unter Stichworten wie Telekommunikation, R u n d f u n k , Computernetze eher getrennt behandelt wurden. Er ist auch Ausdruck der aktuellen Politik, die Entwicklung der Gesellschaft zur sogenannten „Informationsgeselllschaft" durch die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur voranzutreiben. Die Erwartungen an eine solche nationale Informationsinfrastruktur, wie sie z.B. iin dem zentralen Dokument der amerikanischen Diskussion „The Nil: Agenda f o r Action" vom September 1993 formuliert wurden, sind hochgesteckt (Lit. 12): Diie NU werde eine Vielfalt an Informationen, Kommunikationsmöglichkeiten unid Diensten zu akzeptablen Preisen zur Verfügung stellen. Sie werde ein Katalysator für neue wirtschaftliche Aktivitäten und öffentliche und soziale Dienstleistungem sein. Sie werde die Lebensqualität verbessern. Sie werde alle Bereiche unseres Liebens dramatisch verändern. Nicht nur in den USA, sondern auch in den anderen Industrieländern gibt es vergleichbare Dokumente. In Japan (Lit. 24, Lit. 18) wird beispielsweise eine „intellectually creative society" bzw. eine „advanced information infrastructure" postuliert, füir deren Aufbau sich die Politik grundsätzlich verantwortlich erklärt. Hier gibt es auch Bestrebungen, eine nationale, glasfaserbasierte Netzinfrastruktur zu errichten. Während in den USA der Begriff der Informationsinfrastruktur im Vordergrund steht, wird in Europa und Deutschland überwiegend der Begriff der „Informationsgesellschaft" verwendet. Von der Europäischen Union gibt es das sogenannte „Bangemann-Papier" und den Aktionsplan der Kommission (Lit. 01, Lit. 14). Charakteristisch ist hier der postulierte Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft und die zentrale Stellung, die der Privatinitiative für die Schaffung der Netze, Dienste und Anwendungen eingeräumt wird. In der Frage der Architektur der Informationsinfrastruktur bleiben die Aussagen relativ vage. Weder wird das amerikanische Konzept des „network of networks" noch ein umfassendes, integriertes Breitbandnetzwerk propagiert. In Deutschland gibt es zwei zentrale politische Dokumente zur Informationsgesellschaft (Lit. 07, Lit. 03), nämlich die Empfehlungen des Technologierates von 1995 und der Bericht „Info 2000" der Bundesregierung von 1996. Hinzuweisen ist noch darauf, daß der Bundestag zum Thema Informationsgesellschaft und Zukunft der Medien 1996 eine Enquete eingerichtet hat, die 1998 ihre Arbeit abschließen wird. Dieser Enquete ist eine Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag zum Thema Multimedia vorausgegangen (Lit. 21). Die Diskussion um die nationale Informationsinfrastruktur wird ergänzt um die Diskussion zur globalen Informationsinfrastruktur (GII). Diese Erweiterung der

G 6.2 Zum Begriff der Informationsinfrastruktur

1035

Perspektive über die nationalen Grenzen hinaus, ist bei der zunehmenden internationalen technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtung nur konsequent. Eine erste Zusammenfassung der internationalen Diskussion auf politischer Ebene fand auf einer Konferenz der G7-Staaten (Amerika, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada) in Brüssel 1995 statt (Lit. 11).

G 6.2

Zum Begriff der Informationsinfrastruktur

Der Begriff der „Infrastruktur" (in Anlehnung an den Brockhaus, 19. Auflage), ursprünglich aus dem Militärischen kommend, meint die Gesamtheit der für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft notwendigen Einrichtungen und Anlagen, die aber nur mittelbar der Produktion bzw. anderen Zwecken dienen. Zur gesellschaftlichen Infrastruktur zählen beispielsweise die Verkehrs-, die Telefonoder die Wasserinfrastruktur. Diese technisch basierten Infrastrukturbereiche weisen typischerweise eine Netzstruktur auf. In der Techniksoziologie und der Technikgeschichte werden solche Systeme unter dem Begriff „großer technischer Systeme" diskutiert (Lit. 17, Lit. 02). Wichtige Kennzeichen einer jeden Infrastruktur sind demnach: 1. Infrastrukturen bieten Basisleistungen, die selbstverständlich und Tag für Täg in Anspruch genommen werden, und deren Bedeutung oft erst bei ihrem Versagen offensichtlich wird. 2. Infrastrukturpolitik ist ein zentrales Element staatlichen Handelns. In staatlicher Verantwortung sind die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Infrastrukturbereiche zu regeln. 3. Gewandelt hat sich allerdings die Auffassung, daß die Infrastruktureinrichtungen typischerweise vom Staat oder einem monopolistischen staatsnahen Unternehmen geschaffen und geführt werden sollten. Private Initiative und Wettbewerb sind heute auch in klassischen Infrastrukturbereichen anzutreffen. 4. Kennzeichnend für Infrastruktursysteme sind lange Planungszeiten und ein hoher Kapitalbedarf in der Investitionsphase sowie eine lange Lebensdauer in der Betriebsphase. 5. Obwohl die Bedeutung von InfrastrukturmaBnahmen, z.B. für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen und für ihre Leistungsfähigkeit unumstritten ist, lassen sich InfrastrukturmaBnahmen nur begrenzt einer exakten ökonomischen Bewertung unterziehen (Lit. 08, Lit. 04). 6. Schließlich ist die „Offenheit" von Infrastrukturen für konkrete Dienste oder die Ankopplung konkreter Geräte wesentlich. Sie weisen eine „Ermöglichungsstruktur" (Mayntz) und keine feste Definition ihres Gebrauchs auf.

An dieser Bestimmung anknüpfend, läßt sich auch angeben, was Informationsinfrastruktur bedeutet: es geht um eine Ermöglichungsstruktur für die Erzeugung, Verbreitung und Verwendung von Informationen. Weitere Konkretionen des Informationsbegriffs, zu den Codes, den Medien, den Kommunikationsformen, den Inhalten, sind an dieser Stelle nicht notwendig. Nur wenn man dieses allgemeine Informationsverständnis zugrunde legt, macht es Sinn, von einer Informationsinfrastruktur zu sprechen, die als Informationsunterbau zur Verfügung steht, nicht aber etwa als Garant einer „informierten Gesellschaft". Informationsinfrastruktur verweist darauf, daß ein Potential bereit gestellt wird, für dessen Realisierung zusätzliche Bedingungen erfüllt sein müssen.

1036

G 6.3

Riehm: Iiiformationsinfrastruktur

Grundlegende Entwicklungen, Problemlagen und Ziele

Auf der technischen Ebene gibt es zwei grundlegende Entwicklungen, die bei der Diskussion über die Informationsinfrastruktur mitzudenken sind: Digitalisierung und Vernetzung. Die Digitalisierung erfaßt zunehmend und umfassend alle bisher gesondert vorkommenden Medien- und Informationsarten. Die Digitalisierung ist die Basis für die informationstechnische Verarbeitimg und die Integration vormals getrennter Bereiche. Der digitale Fotoapparat ändert nicht nur das Speichermedium - statt Film eine Diskette - , sondern macht diese Bildinformation auch unmittelbar für die informationstechnische Verarbeitung in einem Computer zugänglich. Manipulation der Bildinformation ist dabei nur die eine Möglichkeit, Einbau in elektronische Dokumente, Verknüpfung mit weiteren Informationen, Unterlegen mit Sprache oder Musik etc. sind weitere. Auch die Netze unterliegen dem Digitalisierungsprozeß. Die bisherigen (analogen) Telekommunikationsnetze werden auf digitale Vermittlungs- und Übertragungstechnik umgestellt. Dies stellt die technische Basis für die Möglichkeit des Zusammenwachsens der unterschiedlichen Netze und Dienste dar. Die Notwendigkeit einer Infrastrukturpolitik verweist allerdings schon darauf, daß die Konvergenz nicht im technischen Selbstlauf zu erwarten ist. Auf der politischen Ebene findet gleichzeitig ein gegenläufiger Prozeß statt: die Deregulierung, Entstaatlichung und Entmonopolisierung des gesamten Informationsund Medienbereichs. Die Dualisierung des Rundfunksystems seit 1984 und die Einführung von konkurrierenden Anbietern im gesamten Bereich der Telekommunikation einschließlich des Telefondienstes (bis 1998) sind in Deutschland die prominentesten Beispiele hierfür. Die Probleme bei der Nutzung der vorhandenen „Informationsinfrastruktur" sind schon oft beschrieben worden: Die bestehenden Informationssysteme sind nur unzureichend miteinander verknüpft und untereinander wenig kompatibel. Als einfaches Beispiel hierfür mag der Zugriff auf den Videotextdienst gelten, der mit videotexttauglichen Fernsehgeräten problemlos gelingt, aber z.B. nicht über die dafür ebenfalls relevanten und geeigneten Online-Dienste. Die kommerziellen Datex-PDatenbanken sind ein Beispiel für besondere administrative (gesonderter Nutzungsvertrag) und technische (Zugang zum Datex-P) Hindernisse. Sind diese Hürden überwunden, kommen die Probleme mit der Vielfalt von Nutzungsoberflächen und Kommandosprachen hinzu. All dies führt zu einer unzureichenden Erschließung und Ausschöpfung des Markt- und Anwendungspotentials. Die Ziele einer entwickelten Informationsinfrastruktur sind in Anlehnung an Lit. 06: • • • • • • •

problemlose, gemeinsame Nutzung, allseitige Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Einfachheit der Nutzung, Kosteneffektivität, Normierung, offener Zugang.

Wenn im folgenden in erster Linie auf die technische Basis der Informationsinfrastruktur abgestellt wird, so heißt dies keineswegs, daß nicht auch - an anderer Stelle

G 6.4 Zur Informationsinfrastruktur in Deutschland

1037

- über die Dienste, Anwendungen und Inhalte sowie die sie tragenden Institutionen zu diskutieren wäre.

G 6.4

Zur Informationsinfrastruktur in Deutschland

Im folgenden wird eine Beschreibung der derzeitigen Informationsinfrastruktur in Deutschland und der Pläne zu ihrem weiteren Ausbau gegeben. Dabei wird die Betrachtung im wesentlichen auf die technische Infrastruktur - ohne zu sehr in die technischen Details zu gehen - begrenzt, also auf das, was gemeinhin auch als Netzinfrastruktur bezeichnet wird. Die Eingrenzung macht nicht nur deshalb Sinn, weil die Dienste und Anwendungen im Handbuch an anderer Stelle ausführlich behandelt werden, sondern auch deshalb, weil die umfassendere Nutzung und Weiterentwicklung dieser Netzinfrastruktur zur Zeit eines der kritischsten und ungeklärtesten Themen ist. Dies betrifft sowohl die technischen und ökonomischen als auch die politischen Seiten dieses Themenfeldes.

G 6.4.1

TfechnLsche Merkmale einer Informationsinfrastruktur

Eine systematische Abgrenzung und Klassifizierung ist extrem schwierig, da eine Vielzahl von Aspekten, die nur sehr schwer zu konsistenten Typen verdichtet werden können, von Bedeutung sind. Einige eher technische Beschreibungsparameter sollen zunächst aufgeführt werden: • Hauptbestandteile: Das Netz besteht im wesentlichen aus drei Bestandteilen: den Übertragungswegen, der Vermittlungstechnik und den Endgeräten. • Reichweite: Die Unterscheidung von Fern- und AnschluBnetz ist ebenfalls von Bedeutung, da in den unterschiedlichen Netzsegmenten unterschiedliche Techniken zum Einsatz kommen können. • Topologie: Die wichtigsten Tbpologien oder Architekturen für Netze sind Baum-, Stern- oder Ringstrukturen. Damit nicht identisch, aber damit zusammenhängend ist das Kriterium, ob es sich um ein Vermittlungs- oder ein Verteilnetz handelt. • Übertragungsmedium: Hier wird im wesentlichen unterschieden zwischen kupferbasierten Kabeln, Glasfaserkabeln und kabel- oder drahtlosen, funkbasierten Übertragungstechniken. • Übermittlung: Nach dem Modus der Übermittlung wird ein paket- oder leitungsorientiertes Verfahren unterschieden. • Codierung: Eine wichtige Unterscheidung bezieht sich darauf, ob es sich um analoge oder digitale Netze handelt, bzw. welche Netzkomponenten digitalisiert sind oder noch in einem analogen Modus arbeiten. Auch die Art der Modulation ist eine wichtige Eigenschaft der Informationscodierung. • Protokolle: Netze lassen sich nach den unterstützten Protokollen für die Dienste und Anwendungen unterscheiden. • Weitere Leistungsmerkmale: das zeitliche Verhalten (asynchron, synchron oder isochron), die Art des Verbindungsaufbaus, die Symmetrie, die Bandbreite und der Fehlerschutz. Andere wichtige Merkmale sind nicht-technischer Natur. Die Regelung des Zugangs zu einem Netz ist ein solches Merkmal. Handelt es sich um ein offenes oder

1038

Riehm: Informationsinfrastruktur

„öffentliches" Netz, zu dem jeder Zugang erhalten kann, oder um ein auf eine bestimmte Benutzergruppe eingeschränktes (geschlossene Benutzergruppe, corporate network)? Wichtig ist auch, wer Betreiber des Netzes ist, denn längst ist die Deutsche Telekom nicht mehr der einzige Netzbetreiber.

G 6.4.2

Vier unterschiedliche Netzinfrastrnktnren

Im folgenden geht es um das Telefonnetz, das Breitbandverteilnetz, die Datennetze und die drahtlosen Netze (vgl. dazu auch Lit. 21, S. 14ff). DasTelefonnetz (früher auch Fernsprechnetz) umfaßt in Deutschland rund 39 Millionen Anschlüsse. Fast jeder (west-)deutsche Haushalt verfügt über einen Telefonanschluß. Bis 1998 wird der Sprachdienst im Telefonnetz allein durch die Deutsche Telekom AG (ehemals Deutsche Bundespost) abgewickelt. Danach werden weitere Anbieter Sprachtelefondienste im sogenannten „Festnetz" anbieten. Im Anschlußnetz kommen Kupfer-Doppeladern zum Einsatz, während im Fernnetz bereits auf weiten Strecken Glasfaser installiert wurde. Die Übertragungsraten zum Endkunden betragen im Bereich der Haushaltsanschlüsse 2 χ 64 kbit/s (im Falle eines ISDN-Anschlusses), während im Fernnetz Übertragungsraten von bis zu 565 Mbit/s erreicht werden. Im Telefonnetz wird eine leitungsvermittelte, direkte und exklusive Verbindung zwischen den Gesprächsteilnehmern hergestellt. Die Bindung des Telefonnetzes an den Fernsprechdienst ist allerdings bereits mehrfach aufgeweicht. Zum einen wird das Telefonnetz zu mehr als zum Telefonieren genutzt, z.B. auch für Fax- und Datendienste. Zum anderen ist das Telefonnetz nicht mehr das einzige Netz, das einen „Sprachdienst" ermöglicht (Lit. 20). Das Breitbandverteilnetz (auch BK-Netz, Breitbandkabelnetz oder Rundfunkverteilnetz) ist das zweite große Netz in der Bundesrepublik Deutschland, über das heute ca. 16 Millionen Haushalte mit z.Z. 37 Fernsehprogrammen, fast 40 (analogen) Hörfunkprogrammen und weiteren 16 digitalen Hörfunkprogrammen versorgt werden. Dieses „Kabelnetz" entstand im Zuge der Dualisierung des Rundfunks (also der Zulassung privater Rundfunkanbieter) Anfang der 80er Jahre. Einer der kritischen Diskussionspunkte war damals, ob ein Kupferkabel (genaugenommen ein Kupfer-Koaxialkabel) oder ein Glasfaserkabel zum Einsatz kommen sollte. Aus Kostengründen wurde damals die Entscheidung für das Kupfer-Koaxialkabel gefällt, das allerdings auch im Vergleich zum Telefonanschlußkabel ein Vielfaches an Übertragungskapazität besitzt (deshalb auch „Breitbandkabel"). Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Telefonnetz besteht darin, daß das BK-Netz kein Vermittlungsnetz ist, das eine Punkt-zuPunkt-Kommunikation erlaubt, sondern ein reines Verteilnetz mit baumförmiger Topologie. In diesem Fall wird das gesamte Programmspektrum gleichzeitig an alle angeschlossenen Haushalte ausgesendet (,,Broadcast"-Prinzip). Ein schmalbandiger Rückkanal ist zwar vorstellbar und vorgesehen - hat bei der Diskussion Anfang der 80er Jahre auch eine große Rolle gespielt (Lit. 13) - , wurde aber bisher nicht realisiert. Den dritten großen und immer wichtiger werdenden Bereich stellen die Datennetze dar. Sowohl von der Telekom als auch von privaten Anbietern gibt es solche Datennetze und Datendienste. Datennetze stehen teilweise nur bestimmten Nutzergruppen zur Verfügung („corporate networks"), sie sind aber stets Vermittlungsnetze,

G 6.4 Zur Informationsinfrastruktur in Deutschland

1039

wenn auch unterschiedliche Arten der Vermittlung (z.B. „paketvermittelt" wie bei Datex-P oder dem Internet-Protokoll oder „leitungsvermittelt" wie beim alten Datex-L-Dienst oder dem ISDN-Dienst) zum Einsatz kommen. Die Datennetze lassen sich nach ihrer Bandbreite differenzieren. Sie decken ein breites Spektrum von 300 bit/s bis zu einigen Hundert Mbit/s ab (z.B. 140 Mbit/s im Datex-M-Dienst der Telekom). Die Gebühren zur Nutzung dieser Netze sind entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit stark differenziert und gelten in Deutschland im Vergleich zum Ausland als stark überteuert. In vielen Fällen wird in den Datennetzen bereits Glasfaserkabel eingesetzt. Die Wahl des Kabels allein entscheidet aber immer weniger über die Leistungsfähigkeit des Netzes. Genauso wichtig sind die eingesetzten Technologien (z.B. Modulations- und Kompressionsverfahren) an den Kabelendpunkten und bei den Netzknoten. Noch unübersichtlicher wird es im vierten „Netzbereich". Gemeinsamer Nenner ist allein die Funköbertragong oder, daß es sich um draht- oder kabellose (im Englischen „wireless") Medien handelt. Ansonsten bietet sich ein breites Spektrum von Netztopologien und Anwendungen. Die sogenannte terrestrische „Rund-Funk-Übertragung" gibt es sowohl für das Radio als auch für das Fernsehen schon seit vielen Jahrzehnten. Im Rundfunkbereich kam mit den Satelliten ab den 70er Jahren eine weitere Technologie hinzu, die die Anzahl der Programme vermehrte und ihre Reichweiten schlagartig erhöhte. Satellitentechnik wird auch in allen anderen Bereichen - vom Telefonieren bis zum Datenaustausch - in unterschiedlichen Varianten eingesetzt. Der Mobilfunkbereich zeigt z.B., daß mit einer funkbasierten Technologie in relativ kurzer Zeit parallel zum bestehenden Telefonfestnetz weitere flächendeckende Telefonnetze aufgebaut und betrieben werden können. Die Einwände gegen drahtlose Dienste - nicht geeignet für die Interaktion, nicht geeignet für breitbandige Dienste, nicht geeignet für Datenkommunikation - wurden in der Praxis bereits widerlegt und die Dynamik der technischen Entwicklung scheint ungebrochen (zu weiteren Details und Beispielen vgl. Lit. 21, S. 16ff; Lit. 26, Lit. 20). Einige quantitative Eckdaten zur Verbreitung von Elementen der bestehenden technischen Informationsinfrastruktur enthält die Tabelle 1: Telefonanschlüsse Mobiltelefon

1995 1995

40 Mio. 4 Mio.

Datex-P-Anschlüsse ISDN-B as is anschlösse Datex-M- Anschlüsse

1995 1995 1995

0,1 Mio. 0,9 Mio. 202

Angemeldete Fernsehgeräte Breitbandkabelanschlüsse TV-Satellitenempfänger Videorecorder

1994 1995 1995 1995

32 Mio. 16 Mio. 8 Mio. 22 Mio.

PCs in Privathaushalten Spielekonsolen Btx/T-Online-Abonnenten

1995 1994 1996

7 Mio. 5 Mio. 1 Mio.

Tab. 1: Daten zur Informationsmirastiuktur in Deutschland

1040 G 6.4.3

Riehm: Informationsinfrastruktur Netzinfrastruktiirpläne der 70er Jahre

Nach diesem Überblick und vor der Diskussion der Neuorientierung auf eine „Nationale Informationsinfrastruktur" ist es sinnvoll, einen kurzen Blick auf die Netzinfrastrukturpläne der 70er Jahre zu werfen (Lit. 27, Lit. 10, Lit. 15, Lit. 20). In den 70er Jahren wurde in internationalen Gremien und von der damals noch staatlichen Deutschen Bundespost eine Politik hin auf ein integriertes Fernmeldenetz verfolgt, dessen erste Etappe das schmalbandige ISDN darstellen sollte, das die bisher getrennten Netze für den Sprachtelefondienst und die Datendienste in einem digitalen Netz integrieren sollte. Eine weitere Entwicklungsstufe sollte zum integrierten, breitbandigen Netz (IBN) führen, zu dem dann auch das „Sondernetz" für den Rundfunk (das BK-Netz) gehören sollte. Von diesen weitreichenden Zielen für ein einheitliches, integriertes „Supernetz", einer wahrlich nationalen Informationsinfrastruktur, spricht heute kaum noch einer. Schon bei der ersten Ausbauetappe - ISDN - traten Schwierigkeiten auf. Es gelang weder die Kunden im gewünschten und erwarteten Umfang von den Vorteilen von ISDN zu überzeugen, noch konnten die Pläne, die gesonderten Datennetze (z.B. Datex-P) zugunsten von ISDN aufzugeben, umgesetzt werden. Das an und für sich sinnvolle Integrationsziel war unter den Bedingungen eines rasanten technischen Fortschritts, zunehmender politischer Turbulenzen im Zuge der Deregulierungsphase und einer Fehleinschätzung über die Möglichkeiten der Vereinheitlichung der ganz unterschiedlichen Telekommunikations-, Rundfunk- und Datennetzwelten, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Gleichwohl hat das Integrationskonzept eine derart große propagandistische Attraktivität, daß es bei jeder neuen technologischen Welle erneut bemüht wird. Dies war z.B. beim sogenannten „intelligent net" zu beobachten, das ab Mitte der 80er Jahre im Telekommunikationsbereich diskutiert und implementiert wurde, das in der Praxis aber eher zu einer weiteren Segmentierung und Fragmentierung der Telekommunikationsnetze geführt hat (Lit. 16, Lit. 20).

G 6.4.4

Optionen des Netzausbaus in den 90er Jahren

Die Diskussion heute nimmt weitgehend Abschied von einem großen Entwurf und setzt mit schrittweisen Weiterentwicklungen an den bestehenden Netzen an. Im Ttelefonnetz wird heute flächendeckend ISDN angeboten. Damit steht für Datenkommunikation eine Bandbreite zur Verfügung, die mit Modems an einem analogen Telefonanschluß bisher nicht zu erreichen war. ISDN mit 2 χ 64 kbit/s verfügt über eine in etwa vierfache Übertragungsrate zu den derzeit leistungsfähigsten Modems. Mit dieser Bandbreite, die gemeinhin noch zu den „schmalbandigen" gerechnet wird, gelingt zwar durch Einsatz von Kompressionstechniken eine Bewegtbildübertragung, z.B. für sogenannte Desktop-Videokonferenzen oder Bildtelefonie am PC, für breitbandigere Anwendungen mit höheren Qualitätsansprüchen, wie z.B. in der Medizin oder für die Übertragung von Filmen, reicht diese Technik noch nicht aus. Hierfür kommen andere Technologien in Betracht (z.B. ADSL oder HDSL), mit denen über ein Telefonkabel eine Bandbreite von 6 bis 8 Mbit/s er-

G 6.4 Zur Informationsinfrastruktur in Deutschland

1041

reicht werden kann, was für die Übertragung von Filmen (in einem komprimierten Format und in einer Qualitätsstufe, die unserem derzeitigen Fernsehbild vergleichbar ist) ausreichen würde. Die Kombination des Fernsprechnetzes mit funkbasierten Technologien wird als eine Lösung für die Netze der neuen Telefondienstanbieter ab 1998 diskutiert. Für diese Konkurrenten zur Telekom ist weniger der Aufbau des Femnetzes ein Problem als die Endanschlüsse zu den Haushalten. Die Neuverkabelung der Haushalte parallel zum bestehenden Telekom-Netz kommt aus Kostengründen nicht in Frage. Die Mitnutzung des lokalen Anschlußnetzes der Telekom durch die Mitbewerber würde sie in eine ungewünscht starke Abhängigkeit vom alten Monopolbetreiber bringen. So setzt man auf eine Funk-Technologie, den DECT-Standard, der bisher nur für hausinterne schnurlose Telefone eingesetzt und freigeben wurde, nun aber auch für diesen Zweck Verwendung finden soll. Beim BK-Netz gibt es technische Möglichkeiten, den bereits vorgesehenen (schmalbandigen) Rückkanal zu implementieren. In Amerika ist der Anschluß sogenannter Kabel-Modems an das TV-Kabel, mit denen Übertragungsraten (zum Endkunden) von bis zu 10 Mbit/s möglich werden, von einiger Bedeutung. In Deutschland steht im Kabelbereich die Einführung digitaler Fernsehkanäle im Vordergrund, die im sogenannten Hyperband, einem bisher nicht genutzten Frequenzbereich des BK-Kabels, untergebracht werden sollen. Damit könnte die Anzahl der Fernsehprogramme um ca. 150 erweitert werden. Bleibt man beim Rundfunk, so sind auch im Funk- und Satellitenbereich die nächsten Schritte die Digitalisierung der Programme. Durch den damit einhergehenden Einsatz von Kompressionstechniken gelingt es, erheblich mehr Programme als bisher anzubieten. Im Hörfunkbereich ist es das DAB- und das ADR-Verfahren, das neu zum Einsatz kommt, im Fernsehbereich der DVB-Standard. Daß zum Empfang dieser digitalen Programme neue Endgeräte benötigt werden (bzw. ein Zusatzgerät, die sogenannte „settop box"), ist wichtig für die Geräteindustrie, für die sich dadurch neue Marktchancen ergeben. Diese Chancen könnten jedoch vertan werden, wenn es nicht gelingt, einen einheitlichen Standard zu etablieren. Im Hörfunkbereich läßt sich bereits beobachten, wie sich eine Vielfalt nicht kompatibler Standards herausbildet und die Erschließung des Marktes behindert (Lit. 21, Kapitel 7). Im Bereich der Satelliten-Technik geht es nicht nur um die Rundfunksatelliten, die für die digitiale Abstrahlung von Rundfunkprogrammen geeignet sind (z.B. ASTRA IE usw.), sondern auch um weitreichendere Pläne für weltweite Satellitennetze für die Sprach- und Datenkommunikation wie auch für ganz neue Rundfunkund Datenfunkdienste (z.B. von Globalstar, Iridium, Teledesic, Worldspace oder Mediastar). Der „einfachste" Weg für eine leistungsfähige, breitbandige und interaktive Informationsinfrastruktur wäre ein flächendeckendes Glasfasernetz bis zum Endverbraucher. Solche Pläne werden zwar immer wieder, z.B. in Japan oder auch in Frankreich, formuliert, sind z.Z. aber unter den gegebenen Randbedingungen kaum ökonomisch zu realisieren. Die Notwendigkeit, in den neuen Bundesländern aufweiten Strecken die Telekommunikationsinfrastruktur neu zu schaffen, war eine Sonderbedingung, die dort zu Netzsegmenten geführt hat, die das Glasfaserkabel bis in die Haushalte bringt.

1042

Riehm: Informationsinfrastruktur

Vielleicht sind es auch die ganz einfachen „Lösungen", die die weitere Entwicklung bestimmen werden. Statt zum „video on demand" käme es - durch Digitalisierung und Kompressionstechniken - zur Vervielfachung der Fernsehkanäle; statt eines „interaktiven Datenhighways" werden BK-Netz und Telefonnetz kombiniert, wobei das BK-Netz die breitbandige Datentrasse in die Haushalte bildete, und das Telefonnetz als begrenzter Auswahl-, Bestell-, und Abrechnungs-Rückkanal genutzt würde.

G 6.4.5

Neue Akteure

Dieses Panoptikum realer technischer Entwicklungen und Optionen mag genügen, um die Vielfalt und Dynamik dieses Bereiches anzudeuten. Doch zur Explosion technischer Möglichkeiten kommt eine Vervielfachung der Akteure hinzu. Während in den Zeiten des „piain old telephone service" (POTS) die Postpolitiker und Postbeamten und nur ganz wenige große Industrieunternehmen der „Nachrichtentechnik" die wesentlichen Entscheidungen allein fällen konnten, gibt es heute kein klar lokalisierbares Zentrum für solche Entscheidungen mehr. Die Politik zieht sich sukzessive aus der Steuerung zurück und sieht sich im besten Falle noch als übergreifender Regulator und in der Moderatorenrolle. Unter den Betreibern hat die Telekom zwar noch eine dominierende Position, muß sich aber zunehmend mit einer Reihe neuer, durchaus potenter Telekommunikationsunternehmen auseinandersetzen, die in Deutschland von großen Industrie- und Energieunternehmen (Mannesmann, VIAG, RWE etc.), meist auch im Verein mit großen internationalen Anbietern, gegründet wurden. Bei der „Ausrüster-Industrie" muß die Nachrichtentechnik- und Elektrogeräte-Industrie mit der Computerindustrie um Absatzmärkte konkurrieren und kann immer weniger mit abgeschirmten nationalen Märkten rechnen. Nicht zuletzt sind die Medienunternehmen keine zu unterschätzende Gruppe. In nicht unbedeutendem Umfang bilden sie z.B. Allianzen über Branchengrenzen hinweg (in Deutschland z.B. die Multimedia-Betriebs-Gesellschaft mit u.a. Bertelsmann, der ARD, dem ZDF, RTL, Telekom) und nehmen einen erheblichen Einfluß nicht nur auf die technische Ausgestaltung, sondern auch auf die angebotenen Inhalte der Dienste. Die sympathische Vorstellung, daß sich das alte Fernsprechnetz zum Telekommunikationsnetz und dann zur umfassenden nationalen Informationsinfrastruktur quasi organisch entwickeln könnte, ist jedenfalls kaum mehr aufrechtzuerhalten. Die neue Informationsinfrastruktur wird vielmehr als die Kombination ganz unterschiedlicher Netze, als Netz von Netzen oder auch als Meta-Netz zu betrachten sein.

G 6.5

Wie wird sich die Informationsinfrastruktur weiterentwickeln?

Kubicek hat in seinem Beitrag „Steuerung in die Nichtsteuerbarkeit" auf die grundlegenden Unterschiede zwischen dem traditionellen Fernsprechnetz und den Datennetzen hingewiesen, und von daher solche Integrationskonzepte als zum Scheitern verurteilt angesehen (Lit. 15). Damit ist nicht die Frage beantwortet, wohin die

G 6.5 Wie wird sich die Informationsinfrastruktur weiterentwickeln?

1043

Evolution der Informationsinfrastruktur geht. Geht sie den Weg der Datennetze, der Vielfalt, der Spezialisierung, der Inkompatibilitäten, der Konkurrenz und beschleunigten Entwicklung, oder ist ein Weg zu einer dem Fernsprechnetz ähnlichen, d.h. einheitlichen, stabilen, umfassenden - auf neuem technologischen Niveau versteht sich - Informationsinfrastruktur vorstellbar? Diese letzte Option, das technologische „Update" des Fernsprechnetzes im Sinne eines einheitlichen, breitbandigen Vermittlungsnetzes auf Glasfaserbasis hat immer noch seine Befürworter (vgl. etwa die japanische Stellungnahme Lit. 24 oder auch, wenn auch bereits problematisierend Lit. 05, S. 71; Lit. 19, Lit. 28). Gleichwohl gibt es momentan keine wirklich relevanten politischen und wirtschaftlichen Kräfte, die diese Option auf mittlere Sicht verfolgen würden. Es gibt dafür keinen Anbieter mehr, der diese langfristigen und gewaltigen Investitionen in die Zukunft leisten könnte. Geht man von einem Richtwert von 1.000 bis 1.500 DM pro Glasfaserneuanschluß eines Haushaltes aus, kommt man auf eine Investitionssumme von insgesamt 35 bis 53 Mrd. DM. Verteilt auf mehrere Jahre wäre diese Summe gar nicht so gewaltig - die Deutsche Telekom allein hatte im Jahr 1992, mitbedingt durch die enormen Investitionsanstrengungen in den neuen Bundesländern, insgesamt 28 Mrd. DM investiert - wenn nicht die reine Netzverkabelung, im Vergleich zu den Investitionen in Endgeräte und die Vermittlungs- und Servertechnologien, nur den kleineren Betrag ausmachen würde. Außerdem gibt es skeptische Stimmen in bezug auf eine relevante und finanzkräftige Nachfrage nach diesen Übertragungskapazitäten. Diese scheinen jedenfalls bei keiner der üblicherweise diskutierten Anwendungsszenarien ohne weiteres gegeben zu sein. Eine „technology puIl"-Investionsstrategie mit langfristigen Wirtschaftlichkeitsperspektiven ist unter Verhältnissen des freien Marktes aber nicht mehr vorstellbar (vgl. zu diesem Finanzierungskomplex etwa Lit. 05, S. 71f, S. 91ff; Lit. 21, S. 73; Lit. 22, Lit. 28). Das Gegenszenario ist eine weitergehende Fragmentierung und Spezialisierung der Netze, eine Erschwerung des freien Zugangs, eine Zurichtung auf die Interessen einiger weniger großer, internationaler Konzerne, wie dies als Gefahr verschiedentlich formuliert wird (vgl. etwa Lit. 16, Lit. 09, Lit. 23). Es wurde bereits aufgezeigt, daß z.B. im Telefonbereich, aber nicht nur dort, statt einer Konvergenz eine zunehmende Divergenz feststellbar ist, eine Explosion von Netzen und Systemen (Lit. 20). Die Konvergenzprozesse spielen sich nur im Computer ab, mit dem man zunehmend mehr unterschiedliche Dienste und Anwendungen abwickeln kann. Das heißt aber nicht, daß es eine Konvergenz zum Computer als alleinigem Endgerät gäbe und die Datennetze als die einzigen Netze übrigblieben. Das Gegenteil ist vermutlich der Fall. Die Vielfalt an Kommunikations- und Informationsendgeräten wird zunehmen und die Vielfalt an Übertragungsmöglichkeiten und Netzen ebenfalls. Zwischen den beiden Extremmodellen der Vision des breitbandigen, umfassenden Glasfasernetzes und dem Schreckensbild einer nicht mehr existenten Infrastruktur gibt es mögliche andere Entwicklungspfade. Drei Varianten sollen abschließend vorgestellt werden: das Internet, ein Wettbewerbsmodell und das Modell einer „virtuellen Infrastruktur". Das Internet gilt heute als eines der erfolgreichsten Infrastrukturmodelle. Ausgehend von einem Computernetz für militärische und wissenschaftliche Zwecke hat es

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Riehm: Informationsinfrastruktur

sich zu einer umfassenden, weltumspannenden Informationsinfrastruktur entwikkelt. Es stellt am ehesten das Ideal eines zwar heterogenen, aber dennoch „nahtlosen" Netzes dar, eines integrierten Netzes von Netzen mit umfassenden Möglichkeiten. Es besitzt die typischen Merkmale einer modernen Informationsinfrastruktur. Es ist unabhängig von einer konkreten Übertragungs- und Netztechnologie. Es ist Hard- und Software übergreifend. Es unterstützt eine Vielzahl von Endgeräten unterschiedlicher Charakteristik. Es bietet einen umfassenden und abgestimmten Satz von Standards auf der Transport- und Vermittlungsebene, der Diensteebene und der Anwendungsebene, die konsensual entwickelt und öffentlich zugänglich und frei verwendbar sind. Diese offene und dezentrale Entwicklungsstruktur war sicherlich eine entscheidende Erfolgsbedingung dieses Entwicklungsmodells. Das Internet ist aber keine breitbandige Informationsinfrastruktur und deshalb in seinem derzeitigen Ausbaustand mit allen massenkommunikativen und multimedialen Bestandteilen größeren Umfangs überfordert. Natürlich sind technische Aufrüstmaßnahmen vorstellbar und werden auch vorgenommen. Neben Problemen der Aufwärtskompatibilität der ursprünglichen Architektur für die neuen Zwecksetzungen bleibt wahrscheinlich die kritischste Frage, ob dieses Entwicklungsmodell, das bisher nur unter nicht-kommerziellen, wissenschaftlichen Rahmenbedingungen mit staatlicher Unterstützung erfolgreich war, auch unter Bedingungen zunehmender Kommerzialisierung funktionieren wird. Zweifel daran sind sicherlich nicht unbegründet. Der gegenwärtige Haupttrend setzt auf den kommerziellen Wettbewerb unter mehr oder weniger stark gesetzten staatlichen Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen beziehen sich vor allem auf Vorgaben für eine minimale, flächendekkende Grundversorgung (universal service), auf den freien Zugang für Anbieter und Nutzer zur Informationsinfrastruktur (universal access), auf die Bedingungen des Zusammenschaltens von Teilnetzen (interconnection) und die Bedingungen ihres Zusammenwirkens (interoperability). Die politischen Vorgaben und Eingriffe werden gegenwärtig eher weiter zurückgenommen. Daß dieses Modell in der Lage ist, einzelne innovative Netze und Dienste zu entwickeln und den Informationsund Kommunikationsmarkt zu erschließen, steht außer Frage. Zweifel bleiben aber auch hier, ob das Wettbewerbsmodell für die Schaffung einer gesellschaftlichen Informationsinfrastruktur ausreicht. Die Beschränkung auf den Aspekt des Wettbewerbs wird auch in einem neuen Ansatz einer „virtuellen Infrastruktur" kritisch hinterfragt (Lit. 25). Die wesentlichen Merkmale dieser virtuellen Infrastruktur sind nicht allein der freie Wettbewerb, sondern auch ihr generischer Charakter und die vertikale Entkopplung. Generisch bedeutet dabei, daß ganz unterschiedliche Informationsarten über die gleichen Transportwege verbreitet werden können, vertikale Entkopplung bedeutet, daß Informations- und Diensteanbieter unabhängig von Betreibern und Anbietern der Übermittlungsinfrastruktur agieren können. Während die alte Situation durch spezialisierte und getrennte, nicht-kompatible Infrastrukturen (Telefon, Rundfunk etc.) geprägt war, besteht die Gefahr, daß das Wettbewerbs- oder Konvergenz-Modell wiederum zu monopolartigen Zuständen führt. Im „Konvergenz-Modell" schließen sich Unternehmen unterschiedlicher Bereiche (Netzeanbieter, Diensteund Inhalteanbieter) zusammen und bieten den Kunden einen umfassenden Service

G 6 Literatur

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an (vom Telefon über das Fernsehen bis zum Internetanschluß). Die Kopplung von Distribution und Informationsangebot in diesem Modell birgt jedoch die Tendenz zum Monopol in sich. Letztlich sind es auch in diesem Modell die politischen Rahmenbedingungen, die zur monopolistischen Konvergenz oder der weitergehenden Flexibilität einer „virtuellen Infrastruktur" führen. Während das Internet- und das Wettbewerbsmodell immerhin reale Prozesse beschreiben, handelt es sich bei der Virtuellen Infrastruktur um einen theoretischen Vorschlag, über dessen Stimmigkeit und Erfolgsaussichten noch wenig gesagt werden kann. Die Notwendigkeit der Fortentwicklung der Informationsinfrastruktur liegt auf der Hand. Die technischen Optionen und die Flexibilitätsspielräume haben sich vervielfacht. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich deutlich zugunsten des globalen und freien Wettbewerbs verändert. Das läßt eine neue homogene Informationsinfrastruktur als eher unwahrscheinlich erscheinen. Die kritischen Fragen sind, welche prinzipielle Architektur diese Informationsinfrastruktur haben soll, und wie der Staat seine Verantwortung für eine angemessene Informationsinfrastruktur auszufüllen gedenkt. Davon wird abhängen, wie die Informationsinfrastruktur des 21. Jahrhunderts aussehen wird.

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Riehm: Informationsinfrastruktur

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G7

Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen Wilhelm Wissmann

Die deutsche Wirtschaft operiert seit langem unter gewaltigem Kostendruck und unter den Zwängen der Globalisierung. Dies führte seit Mitte der achtziger Jahre zu ungewöhnlich schnellen Rationalisierungs- und Automatisierungsprozessen sowie zur Verlagerung der Produktionsstätten in Länder mit billigeren Löhnen. Die Umstellung wurde begleitet durch grundlegende Änderungen der Arbeitsorganisation. Auch die öffentlichen Verwaltungen stehen unter Kostendruck und müssen die Arbeitsabläufe neu strukturieren und rationalisieren. Der Trend der Veränderungen wird sich zukünftig ungemindert fortsetzen. Hieran partizipieren natürlich auch die Informations- und Dokumentationsstellen. Sie dürfen nicht die Augen verschließen, unabhängig davon, ob es sich um innerbetrieblich arbeitende Einheiten handelt, die mit ihren Dienstleistungen die Mitarbeiter des eigenen Betriebes bedienen, oder ob sie selbständig bzw. relativ selbständig sind und für eine Klientel im Außenraum arbeiten. Dieser Veränderungsprozeß wurde und wird beschleunigt durch die Fortentwicklung der elektronischen Datenverarbeitung (Hardware und Software) und anderer technischer Hilfsmittel, die tiefgreifend in die Arbeitsorganisation eingreifen. Die früher gültigen linearen Arbeitsprozesse wie „Beschaffen - Input - Speicherung - Output", die es ermöglichten, die Organisationsformen einzelner Informationsund Dokumentationsstellen auf einfache Weise miteinander zu vergleichen, verlieren an Bedeutung und werden zunehmend durch miteinander vernetzte Arbeitsabläufe abgelöst. Diese Vernetzungen sind von Stelle zu Stelle verschieden. Sie hängen von den Aufgaben und von dem Umfeld ab, in das eine Stelle eingebunden ist, und auch von den Entwicklungsphasen der Vergangenheit. Die Migration von einer Organisationsform in die nächste, das heißt die Umstellung, bedarf einer grundlegenden Planung und Analyse der konkreten betrieblichen Wirklichkeit und der notwendigen Investitionsmittel, die oft nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Vernetzte Arbeitsorganisationen lassen es nicht mehr zu, diese abstrakt zu beschreiben, wie es bei den linearen Organisationsformen in der Dokumentation noch weitestgehend möglich war. Deshalb wird in diesem Beitrag bei der Beschreibung einzelner Formen der Arbeitsorganisation des öfteren das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB in Stuttgart als Beispiel herangezogen. Der Ursprung dieser Stelle reicht in das Jahr 1941 zurück. Etwa vierzig Jahre lang entsprach die Arbeitsorganisation des Fraunhofer IRB derjenigen einer klassischen Informations- und Dokumentationsstelle. In den frühen achtziger Jahren hat sich dieses grundlegend geändert. 1982 gründete das Fraunhofer IRB den Fraunhofer IRB Verlag und vernetzte die Verlagsaktivitäten mit der Dokumentation. Seit dieser Zeit findet zumindest in Teilbereichen des Fraunhofer IRB eine permanente Migration von einer Organisationsform in die nächste statt.

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G 7.1

Wissmann: Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen

Das Fraunhofei^Informationszentrum Raum und Bau IRB

Das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau ist die zentrale Informationseinrichtung zum Bauen und Planen in Deutschland. Es sammelt und vermittelt planungs- und wirtschaftsbezogene, wissenschaftliche und technische Informationen zu den Bereichen Bautechnik, Architektur, Bauwirtschaft, Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung. Hierzu nutzt das Fraunhofer IRB alle verfügbaren und geeigneten Wissensquellen aus dem In- und Ausland: Datenbanken, Bibliotheken, Forschungs- und Hochschulinstitute, wissenschaftliche Vereinigungen, Wirtschaftsverbände und -institute, Berufsständische Vereinigungen, Firmen, Behörden und Experten. Das Fraunhofer IRB betreibt eine Vielzahl von Datenbanken, die auf CD-ROM und meistens zusätzlich online angeboten werden, künftig auch vermehrt über Internet: Bibliographische Datenbanken, Forschungsprojekt-Datenbanken, eine bebilderte Fakten-Text-Datenbank zur baulichen Denkmalpflege und eine bebilderte Volltextdatenbank zu den Bauschäden. Der Literaturservice beschafft alle angeforderten Literaturstellen. Das ARCONIS Information Consulting ist zuständig für die Beantwortung aller individuellen Anfragen und für die Bearbeitung größerer Aufträge. Sie reichen von Kuizauskünften und Recherchen in Datenbanken bis zur Beschaffung von Marktdaten und zur Durchführung vollständiger Marktstudien. Hierbei werden alle geeigneten und verfügbaren Wissensquellen abgefragt und bei Bedarf externe Sachverständige zu Rate gezogen. Im Fraunhofer IRB Verlag erscheinen drei Fachzeitschriften und eine Informationsreihe mit Markt- und Planungsdaten für die Bauwirtschaft sowie vier Fachbuchreihen zu den Bauschäden und zur Bauforschung. Hinzu kommen Fachbücher, die sich keiner Fachbuchreihe zuordnen lassen. Er vertreibt die Kopien der Manuskripte von Bauforschungsberichten. Zu ca. 2500 Titeln erscheinen Bibliographien, die sogenannten IRB-Literaturauslesen. Außerdem werden die Dienste des Satz- und Druckzentrums angeboten, die überwiegend durch die Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gesellschaft genutzt werden. Die Vielfalt der Dienstleistungen ist durch die heterogene Nutzerstruktur des Fraunhofer IRB bedingt. Bei der Zielgruppe handelt es sich hauptsächlich um kleinste, kleine und mittlere betriebliche Einheiten und Einzelpersonen aus der Wirtschaft, öffentliche Behörden, Wissenschaft und Forschung: Architektur-, Ingenieur-, Planungs-, Gutachterbüros, Bauunternehmen und Handwerksbetriebe, Restauratorenwerkstätten, Hochschulen und Forschungsinstitute, Consultingunternehmen, Bauprodukt- und Baustoffhersteller, Bau- und Planungsbehörden der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie Bausachverständige, Politiker, Bauherren, Mieter, Journalisten, Verbraucherberater, Bankkaufleute, Unternehmensberater, Richter und Rechtsanwälte, Unternehmer, Verleger, Studenten und viele mehr. Sie alle wollen brauchbare Fachinformation zu von ihnen finanzierbaren, möglichst niedrigen Preisen beziehen. Oft können sie mit elektronischer Information nichts anfangen. Deshalb muß das Fraunhofer IRB nicht nur vom Inhalt her viele unterschiedliche Leistungen anbieten, sondern diese auch noch in unterschiedlicher Form: elektronisch und gedruckt. Diese sich aus der Nutzerstruktur ergebende Bedingung an die zu erbringenden Dienstleistungen hat natürlich Einfluß auf die Arbeitsorganisation und führte zwangsläufig zu Vernetzungen, lange Zeit bevor man darüber redete. Das Fraunhofer IRB beschäftigt etwa 80 Mitarbeiter, Auszubildende, Praktikanten und Teilzeitkräfte eingeschlossen. Das Stammkontingent beträgt 64 Mitarbeiter.

G 7.2 Die Abhängigkeit der Arbeitsorganisation vom Umfeld

G 7.2

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Die Abhängigkeit der Arbeitsorganisation vom Umfeld

Jede Arbeitsorganisation hängt unmittelbar vom Umfeld ab, in das eine Stelle eingebunden ist. Oft lassen sich im Informations- und Dokumentationssektor nicht ausreichend hohe Erträge erwirtschaften und/oder Kosten einsparen, die den Aufbau einer idealen Arbeitsorganisation rechtfertigen würden. Auch fehlen häufig die notwendigen Investitionsmittel. Es ist also die Erzielung eines Suboptimums anzustreben. Dies sei erläutert am Rechnungswesen des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau IRB. Das Fraunhofer IRB in Stuttgart ist eine Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft, der führenden Organisation für angewandte Forschung in Deutschland. Zu ihr gehören 46 Forschungsinstitute an 31 Standorten. Die Zentralverwaltung hat ihren Sitz in München. Sie führt nun nach mehrjähriger Entwicklung ein integriertes und EDV-gestütztes System zum modernen Management der Verwaltungsvorgänge ein. Module des Systems sind unter anderen die Projektinformation, die Buchführung, der Einkauf, die Fakturierung, die Kalkulation, der Wirtschaftsplan, die Reiseabrechnungen, die Zeiterfassung, Führungsinformationen etc. Das Rechnungswesen ist für alle Forschungsinstitute identisch. Sie führen Forschungs- und Entwicklungsaufträge aus. Das Fraunhofer IRB hat aber viele Geschäftsvorgänge abzuwickeln, die aus den Verlagsaktivitäten herrühren. Es ist die einzige Einrichtung der Gesellschaft, die einen Verlag unterhält. Das Rechnungswesen eines Verlages hat seine eigenen Bedingungen und ist nicht ohne erheblichen Aufwand in das Rechnungswesen einer Forschungsorganisation zu integrieren. Man hat deshalb entschieden, hierfür kein besonderes Modul innerhalb des FraunhoferSystems zu entwickeln. Dieses wäre für die monatlich ca. 2000 Rechnungen, die das Fraunhofer IRB schreibt, auf Grund der häufig niedrigen Beträge zwischen 30 und 100 DM und des daraus resultierenden relativ geringen Umsatzvolumens nicht vertretbar. Deshalb wird das Fraunhofer IRB auch weiterhin das eigene System einsetzen, das aus einer auf die besonderen Verhältnisse im Fraunhofer IRB angepaßten Standardsoftware für Verlage besteht, mit der sämtliche Leistungen, auch die nicht verlagsbezogenen, abgerechnet werden. Das System schreibt die Rechnungen und, wenn erforderlich, die Mahnungen. Außerdem werden mit ihm monatlich die Vertriebsstatistiken erstellt. Täglich meldet die Bank auf Diskette die Zahlungseingänge. Es müßte analysiert werden, ob sich die Einrichtung einer Datenleitung zwischen der Bank und dem System des Fraunhofer IRB und die automatische Buchung der Zahlungseingänge lohnt, so daß der Mensch nur noch in solchen Fällen eingreifen muß, wenn der Zahlungsbetrag von der Forderung abweicht. Dieses würde eine weitere Integration der Abläufe innerhalb eines Workflow-Systems, das später erläutert wird, bedeuten. Der Fraunhofer-Gesellschaft werden die Daten aber auch weiterhin in konvertierter Form auf Magnetband geliefert, so daß sie dort in das Managementsystem der Verwaltung einfließen, weiterverarbeitet und mit den Daten der Forschungsinstitute in dem Gesamtrechnungswesen der Gesellschaft zusammengeführt werden können. Zwischen den Systemen der Fraunhofer-Gesellschaft und des Fraunhofer IRB besteht also hinsichtlich der Fakturierung auch künftig eine eindeutige Schnittstelle,

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Wissmann: Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen

die nur eine geringfügige Integration der Datenflüsse (hin und zurück) zuläßt. Aufgrund der Randbedingung, daß das Fraunhofer IRB einen Verlag betreibt, lohnt sich aus Kostengründen auch langfristig nicht die Einführung einer idealen Arbeitsorganisation. Es läßt sich aber wohl ein Suboptimum erreichen. Dies ist ein einfaches Beispiel dafür, daß die Arbeitsorganisation immer vom Umfeld abhängt.

G 7.3

Lean Management

Lean Management ist schon lange kein Fremdwort mehr. Es geht darum, althergebrachte, bürokratische Hierarchien abzubauen. Weniger Hierarchien führen zu mehr Effizienz, zum schnelleren und direkten Informationsfluß, zur Vereinfachung der Entscheidungswege und zur Motivation der Mitarbeiter, nach wie vor das wichtigste Kapital in einer Informations- und Dokumentationsstelle. Der Organisationsplan des Fraunhofer IRB enthält formal noch drei Hierarchieebenen: Institutsleitung, Abteilungen, Arbeitsgruppen. Daneben gibt es Querschnittsaufgaben, die einzelnen Mitarbeitern, manchmal ad hoc, zugeordnet werden, ohne daß sie von der Arbeit in ihrer Abteilung bzw. Arbeitsgruppe freigestellt werden. Jeder Mitarbeiter kann jeden ansprechen. Die Arbeitsorganisation einer Informations- und Dokumentationsstelle, einer kleinen betrieblichen Einheit, läßt sich nicht mit derjenigen eines größeren Wirtschaftsunternehmens vergleichen. Zwar sind auch hier viele Funktionen auszuführen, die einer Gliederung bedürfen. Die Personaldecke ist jedoch meistens zu dünn, als daß man für jede Funktion einen Mitarbeiter oder gar eine ganze Arbeitsgruppe bereithalten könnte. So gibt es im Fraunhofer IRB mehr oder weniger auf dem Papier die Arbeitsgruppen „Marketing" und „Vertrieb". Eine Reihe von Mitarbeitern aus anderen Arbeitsgruppen sind wesentlich an der Entwicklung der Ideen und an der Durchführung des Informationsmarketings und unmittelbar am Vertrieb beteiligt. Das Fraunhofer IRB hat zu viele Zielgruppen anzusprechen und zu viele verschiedenartige Dienstleistungen und Verlagsobjekte zu vertreiben, als daß diese Aufgaben durch zwei kleine Arbeitsgruppen, die nur für das Marketing und den Vertrieb zuständig sind, in befriedigendem Maße zu lösen wären. Natürlich bedürfen die Aktivitäten des Marketings und des Vertriebs einer wirksamen Koordination. Doppelarbeiten sind zu vermeiden. Die Effektivität und Finanzierbarkeit der Umsetzung einzelner Ideen ist zu überprüfen, bevor sie zur Ausführung gelangen. Die Kreativität und Motivation der beteiligten Mitarbeiter sollte aber möglichst wenig durch hierarchische Entscheidungsstrukturen gebremst werden. Diese, ursprünglich auf Grund der Engpässe infolge der schwachen Personaldecke entwikkelte Organisationsform, führte dazu, daß immer weniger Mitarbeiter ausschließlich im Produktionsprozeß tätig sind, zum Beispiel ausschließlich für den Input der Datenbanken sorgen. Sie denken heute mehr an die Vermarktung und haben die Zielgruppen, die mit einer Leistung erreicht werden sollen, im Auge. Die Arbeitsorganisation einer Informations- und Dokumentationsstelle ist nicht nur nicht mit der eines Großbetriebes vergleichbar, sondern auch nicht mit derjeni-

G 7.4 Das Konzept des fraktalen Unternehmens

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gen vieler Kleinbetriebe, etwa mit denjenigen von Steuerberatungsbüros und Rechtsanwaltskanzleien, von Handwerkbetrieben oder von Ingenieur- oder Planungsbüros, in denen beinahe ausschließlich projektbezogen bzw. auftragsbezogen gearbeitet wird und die Arbeit nach Beendigung eines Projekts oder Auftrags neu verteilt wird. Um zu einer effektiven Arbeitsorganisation zu kommen, müssen in einer Informations- und Dokumentationsstelle die einzelnen wahrzunehmenden Funktionen genau definiert werden. Hierin gibt es nur geringfügige Unterschiede zu einem Großbetrieb. Die grundlegende Andersartigkeit der Arbeitsorganisation einer Informations- und Dokumentationsstelle liegt darin, daß sich auf Grund der knappen Personaldecke die einzelnen Funktionsgruppen nicht im Sinne eines hierarchischen Organisationsplans einzelnen Arbeitsgruppen streng zuordnen. Manch eine Aufgabe ist in mehreren Arbeitsgruppen bzw. durch einzelne Mitarbeiter, die verschiedenen Arbeitsgruppen zugeordnet sind, zu bearbeiten. Dies führt zu mehr Eigenständigkeit des einzelnen Mitarbeiters. Ihm wird mehr Verantwortung übertragen, als dies bei einer hierarchischen Organisation möglich wäre. Das Lean Management des Fraunhofer IRB sieht vor, daß jeder Mitarbeiter am operativen Geschäft beteiligt ist. Das gilt auch für den Institutsleiter, dessen Tätigkeit keineswegs darauf beschränkt ist, zu leiten, zu repräsentieren, zu akquirieren und zu entscheiden. Dies unterscheidet sich nicht von dem Handwerksbetrieb oder dem Planungsbüro, bei denen der Chef auch in das Tagesgeschäft eingebunden ist. In einem kleinen Betrieb erfährt der Chef die Anforderungen des Marktes nur dann, wenn er selbst einzelne Tagesaufgaben löst. Es läßt sich aus Kapazitätsgründen kein organisiertes Berichtswesen einführen, wie es in Großbetrieben üblich ist. Der Chef muß selbst an die „Front".

G 7.4

Das Konzept des fraktalen Unternehmens

Seit Beginn der neunziger Jahre gibt es den Begriff des fraktalen Unternehmens. Vor allem bei Unternehmen, die sich in Märkten mit hoher Dynamik bewegen, wird versucht, dieses Konzept umzusetzen. Es verfolgt die Verwirklichung eines ganzheitlichen Ansatzes im Produktionsprozeß und ist in Bezug auf die Methoden und Inhalte offen gestaltet. Die Anwendung auf das Einzelunternehmen ist individuell, denn es sollen problem- und kundenindividuelle Lösungswege gefunden werden. Im Gegensatz zu vielen Versuchen, Teiloptimierungen im Produktionsprozeß durch abgeschlossene hochautomatisierte Systeme zu erreichen, unterscheidet sich das Konzept des fraktalen Unternehmens durch den Versuch, ein tunfassendes Optimum zu erreichen. Es geht darum, die vollständige Wertschöpfungskette von der Beschaffung über die eigentliche Produktion bis hin zum Vertrieb zu optimieren. Tätigkeitsbereiche wie Logistik, Qualitätssicherung, Controlling und Personalwesen fließen in den Optimierungsprozeß ein. Alle im Wertschöpfungsprozeß eingesetzten Ressourcen, also Menschen, Maschinen und Informationssysteme, sind zu integrieren. Wie schon gesagt: Dieses Konzept läßt sich zur Zeit nur in größeren Unternehmen etwa ab 2.000 Mitarbeitern einführen. Eine Informations- und Dokumentations-

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Wissmann: Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen

stelle ist zu klein, als daß sich hieraus ein fraktales Unternehmen formen ließe. Manche Gedanken lassen sich aber übertragen. Über das Marketing des Fraunhofer IRB wurde bereits berichtet. Es ist nicht mehr als getrennte Aufgabe zu betrachten, sondern eng verknüpft mit der Produktion, zum Beispiel der Herstellung der Datenbanken oder der Fachbücher, der Informationstechnologien - so heißt im Fraunhofer IRB die Abteilung, die für den Betrieb des Rechenzentrums und die Automatisierungsprozesse zuständig ist -, dem Satzund Druckzentrum, der Lagerhaltung etc. Eine Reihe von am Marketing beteiligten Mitarbeiter sollen mehr und mehr ihr Augenmerk auf die Gesamtaufgabe richten, was Flexibilität und Umsicht, vor allem aber strategisches Denken erfordert. Die Verantwortung der Mitarbeiter einer Informations- und Dokumentationsstelle nimmt zu. Das erfordert die Bereitschaft dazu, sich ständig fortzubilden und die eigene Qualität zu verbessern. Natürlich kann nicht jeder Mitarbeiter einer Informations- und Dokumentationsstelle die heute bereits bestehenden Anforderungen erfüllen. Es gibt eben keine ideale Arbeitsorganisation. Es gilt auch hier, funktionsfähige Kompromisse zu finden. Die Strategie des fraktalen Unternehmens läßt sich also auch in einer Informationsund Dokumentationsstelle verfolgen. Es sind möglichst autonome Unternehmenseinheiten (Fraktale) oder Segmente aufzubauen. Um mehr kann es sich wegen der Kleinheit des Betriebes nicht handeln. Die Kriterien hierfür sind vielfältig, zum Beispiel Marktorientierung, Produktähnlichkeit, Produktmengen, Produktionseigenschaften etc. Der Erfolg einer solchen Strategie hinsichtlich einer modernen und effektiven Arbeitsorganisation hängt von der Akzeptanz der Mitarbeiter und deren Motivation ab. Sie sollten von Anfang an in die Planungen einbezogen werden, ebenfalls der Betriebsrat.

G 7.5

Outsourcing

Oft arbeitet ein Unternehmen wirtschaftlicher, wenn es Aufgaben auslagert und deren Durchführung Zulieferanten überläßt. Man spricht von Outsourcing. Der Input zu den bibliographischen Datenbanken und zu der Fakten-Text-Datenbank des Fraunhofer IRB wird zum größeren Teil vollständig von freien Mitarbeitern oder von anderen Institutionen erarbeitet. Das gleiche gilt für die Herstellung und die Bearbeitung der Neuauflagen der Bibliographien, der sogenannten IRB-Literaturauslesen, von denen es etwa 2500Titel gibt. Dies ist wesentlich kostengünstiger, als wenn die Arbeit im Fraunhofer IRB erledigt würde. Es handelt sich um ein sinnvolles Outsourcing, das zukünftig weiter verstärkt werden soll. Mitarbeiter des Fraunhofer IRB steuern die Mengengerüste und kontrollieren die Qualität. Durch diese Art der Organisation wurde eine multifunktionale Arbeitsweise der Bauingenieure, der Architekten, der Stadt- und Raumplaner und Betriebswirte erreicht. Sie sind heute auf vielfältige Weise verantwortlich in die Planung und Konzeption neuer Aufgaben, in die Bearbeitung der an das ARCONIS Information Consulting erteilten Aufträge, in das Marketing und den Vertrieb, in Lektoratsaufgaben für den

G 7.6 Automatisierung in kleinen Schritten

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Fraunhofer IRB Verlag und die Redaktion der Fachzeitschriften eingebunden. Man kann diese Gruppe von Mitarbeitern, obwohl in verschiedenen Arbeitsgruppen des Organisationsplanes angesiedelt, sinngemäß als ein Fraktal bezeichnen. Beim Outsourcing ist zu beachten, daß nur solche Arbeitsfunktionen ausgelagert werden, die bei einer Informations- und Dokumentationsstelle nicht zu einem Kompetenzverlust führen. Die Kernkompetenzen sind zu bewahren. Deshalb wird das Fraunhofer IRB auch zukünftig einen geringfügigen Anteil am Input zu den Datenbanken und an den Recherchen für die IRB-Literaturauslesen im eigenen Hause erarbeiten. Nur so bleibt die Erfahrung im Haus, auf deren Grundlage sich noch weitere Automatisierungs- und Rationalisierungsprozesse einleiten lassen.

G 7.6

Automatisierung in kleinen Schritten

Die Informationssysteme, die Verwaltung und die Steuerung der Produktionssysteme eines Unternehmens funktionieren heute weitestgehend ohne den Austausch von Papier, das heißt: sie sind computerisiert. Dies gilt auch für eine Informationsund Dokumentationsstelle. Ist sie klein, lassen sich die Automatisierungsprozesse nicht immer so gestalten, daß sie sich stets auf dem Stand der technischen Möglichkeiten befinden. Einerseits fehlt es meistens an ausreichender Erfahrung, andererseits an den erforderlichen Investitionsmitteln, also an Geld für die Beschaffung der Maschinen, für die Entwicklung oder den Ankauf der Software und für die Einstellung geeigneter qualifizierter Mitarbeiter. Ohnehin ist es oft vorzuziehen, Automatisierungsprozesse in kleinen Schritten einzuführen, als auf einmal den großen Wurf zu einem vollautomatischen System zu vollziehen und hierbei mehrere Zwischenstufen zu überspringen. Dies kann zu „Bauchlandungen" führen. Die Mitarbeiter wissen manchmal nicht mit dem automatischen System richtig umzugehen, und das neue System ist oft nicht so leistungsfähig und flexibel einsetzbar, wie man sich das zu Beginn der Entwicklung vorgestellt hat. Dann gilt es Lehrgeld zu zahlen und bittere Erfahrungen zu sammeln. Fallbeispiel 1: Das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau führt seit langem die Automatisierungen im eigenen Haus in kleinen Stufen ein und überprüft diese, ob sie sich bewähren oder ob Änderungen erforderlich sind. Aus Kapazitätsgiünden wäre ohnehin eine andere Vorgehensweise nicht möglich. Sie besitzt aber auch den Vorteil, daß die „riesengroßen Fehler" vermieden werden. Seit 1977 wird die bibliographische Datenbank RSWB für die Fachbereiche Raumordnung, Städtebau, Wohnungswesen und Bauwesen online angeboten, seit 1991 auch auf CD-ROM. In der Anfangszeit wurde die Datenbank ausschließlich von Bibliotheken oder von Betrieben mit innerbetrieblichen Informationsvermittlungsstellen abgefragt, z.B. aus der chemischen Industrie, die auch Bauprodukte herstellt oder die Rohstoffe hierfür entwickelt. Die Akzeptanz der Datenbank verbesserte sich erst mit der Einführung der CD-ROM-Version. Von diesem Zeitpunkt an recherchieren auch größere Planungsbüros und Bauunternehmen in RSWB, die auch andere CD-ROM-Datenbanken einsetzen. Sie müssen nicht mehr zeit- oder trefferabhängige Preise zahlen. Der Handwerkerbetrieb oder das kleine Architekturbüro recherchieren nach wie vor nicht selbst. Bei ihnen tritt der Informationsbedarf nach Fachliteratur zu selten auf, als daß es sich für sie lohnt, das sichere Recherchieren immer wieder neu zu erlernen. Es handelt sich

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Wissmann: Vernetzte Formen der Arbeitsorganisation - heute und morgen

um eine Nutzergruppe, für die es einfacher ist, ein Buch mit einem vorgegebenen Titel zu kaufen, als eine Frage nach Fachliteratur genügend genau zu formulieren. Deshalb begann der Fraunhofer IRB Verlag 1983 damit, die IRB-Literaturauslesen, Fachbibliographien zu eng eingegrenzten Themen, herauszugeben. Mittlerweile gibt es hiervon etwa 2500 Titel. Sie werden in einem eigenen Katalog angezeigt, der in der Fachwelt bekannt ist. Von Anfang an bestand das Problem darin, die Lagerbestände klein zu halten. Die Herstellung erfolgte in folgender Weise: Recherche in RSWB - Ausdrucken des Rechercheergebnisses auf Papier Intellektuelle Durchsicht der Recherche auf Papier - Korrektur der Recherche im Computer Ausdrucken der korrigierten Recherche - Setzen des Umschlags - Vervielfältigung des Rechercheergebnisses mit Hilfe des Kopierers - Lumbecken der Broschüren, d.h. fadenlose Klebeheftung. Heute erfolgen alle Arbeitsschritte mit Hilfe des Computers, mit Ausnahme des Lumbeckens. Niemand nimmt mehr während des Herstellungsprozesses ein Blatt Papier in die Hand. Alle Zitate sind durch Nummern anzusprechen, die sich automatisch von Korrektur zu Korrektur ändern. Eine IRB-Literaturauslese, ist sie einmal hergestellt, liegt im Speicher des Computers und wird am Tilge der Bestellung im pobUshmg-on-deiiiaiid-Verlaliren ausgedruckt. Nachdem dieses Verfahren so weit fortentwickelt war, begann das Fraunhofer IRB mit der Herausgabe der IRB-Literaturauslesen Plus. Hierbei handelt es sich um Bibliographien, die am läge der Bestellung nicht nur ausgedruckt, sondern auch intellektuell recherchiert werden, natürlich zu einem wesentlich höheren Preis, als er für IRB-Literaturauslesen zu zahlen ist. Eine IRB-Literaturauslese Plus ist ein tagesaktuelles Druckerzeugnis, das ebenso wie eine IRB-Literaturauslese voll automatisch ohne Zwischenschaltung von Papierausdrucken hergestellt wird. Fallbeispiel 2:

Eine wichtige Aufgabe des Fraunhofer IRB besteht in der Verbreitung der Bauforschungsberichte. Die Bauforschung wird in Deutschland dezentral von vielen Stellen gefördert. Traditionell vertreibt der Fraunhofer IRB Verlag Vervielfältigungen der Manuskripte der Bauforschungsberichte. Dies erfolgte früher im normalen Kopierverfahren. Anschließend wurde im Lumbeckverfahren ein Umschlag hinzugefügt. Heute verfügt das Fraunhofer IRB über ein Laserdrucksystem mit digitaler Speicherung. Wird ein Forschungsbericht bestellt, wird er eingespeichert und steht danach jederzeit zum Ausdrukken zur Verfügung. Es handelt sich auch hier um ein echtes publishing-on demand. Nachdem dieses Verfahren eingeführt war, begann das IRB damit, auch einzelne Berichte der FraunhoferInstitute auf die gleiche Weise zu veröffentlichen und die Fachbuchreihe „Bauforschung für die Praxis" zu entwickeln. Bei einem besonders für die Umsetzung in die Bau- und Planungspraxis geeigneten Forschungsbericht wird der Forscher gebeten, diesen noch einmal zu überarbeiten. Danach veröffentlicht der Fraunhofer IRB Verlag ihn als Fachbuch. Die Auflage ist hier allerdings höher, da von vornherein höhere Erwartungen an die Vertriebszahlen eines Fachbuches gestellt werden. Ansonsten unterscheidet sich die Herstellung in nichts von dem beschriebenen Verfahren. Fallbeispiel 3:

Mit der Einführung der bibliographischen Datenbank RSWB wurde diese von vornherein als Bibliothekskatalog benutzt, denn jede Dokumentationseinheit enthält die Nummer des Standortes in der Bibliothek des Fraunhofer IRB. Heute beginnt der Input für die inhouse-Version von RSWB bereits zum Zeitpunkt der Beschaffung. Die Bestelldaten zu den Fachbüchern, die an die Fachverlage oder an die Buchhandlungen geschickt werden, fließen bereits in RSWB ein, ohne daß das Buch schon im Hause ist. Bestellung in der Bibliothek und Input für die Datenbank sind ein integrierter Prozeß. Trifft das bestellte Buch ein, erfolgt ein Abgleich mit den Bestelldaten. In einem dritten Schritt wird das Abstract hinzugefügt. Auch dieser automatisierte Ablauf wurde schrittweise eingeführt. Er führte zu einer engen Vernetzung zwischen der Bibliothek und der Datenbankpflege.

G 7.7 Die Zukunft: Dokumenten- und Workflow-Management?

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Das Fraunhofer-IRB befindet sich in einer permanenten Migration von einer Entwicklungsstufe in die nächste. Auch der Umstieg vom main frame im Rechenzentrum auf ein modernes ClientServer-System erfolgt schrittweise, dadurch daß beide Systeme etwa zwei Jahre lang parallel laufen und immer mehr Aufgaben auf das Client-Server-System übertragen werden.

G 7.7

Die Zukunft: Dokumenten· und Workflow-Management?

Ein konsequentes Dokumenten- und Workflow-Management ist wohl noch in keiner Informations- und Dokumentationsstelle eingeführt worden. Große Unternehmen stellen momentan ihre DV-Infrastruktur auf Client-Server-Architekturen um. Man unterscheidet zwischen der harten Umstellung, bei der die Einführung des neuen Systems auf einmal erfolgt, und der weichen Umstellung, die in einzelnen Stufen erfolgt und die sich für eine Informations- und Dokumentationsstelle empfiehlt. Informationen lassen sich heutzutage auf der Basis von Dokumenten-Managementsystemen einfach und kostengünstig in Abteilungen, Firmen und sogar weltweit austauschen. Die E-Mail-Funktionalität ist das einfachste Beispiel. Der Dokumentenaustausch automatisiert jedoch noch nicht die Geschäftsprozesse. Dafür bedarf es des Workflow. Hiermit kann der Initiator eines Vorgangs sicherstellen, daß dieser in einer bestimmten Weise unter Einschluß von automatisierten Entscheidungen bearbeitet wird. Bei einem Versicherungsunternehmen bearbeiten oft Hunderte von Sachbearbeitern die eingehenden Schadensmeldungen. Dieser Vorgang läßt sich von dem Eingang der Schadensmeldung bis zum Mitteilungsschreiben an den Kunden und gegebenenfalls der Veranlassung einer Zahlung inklusive der Entscheidungsprozesse bzw. der Vorschläge für die Entscheidungen beinahe vollständig automatisieren und damit beschleunigen und rationalisieren. In ähnlicher Weise lassen sich bei einer Informations· und Dokumentationsstelle gewiß auch Entscheidungsvorgänge in eine Reihe von Prozessen, zum Beispiel in die Steuerung des Aufbaus einer Datenbank, einprogrammieren. Heute wird nur in Großunternehmen mit sehr vielen Geschäftsvorgängen über die Einführung von Workflow diskutiert. Auch sind diese Systeme noch unscharf definiert und viel zu sehr auf die Terminologie der Datenverarbeitung und auf konkrete Softwareentwicklungen abgestimmt. Sie werden sich aber fortentwickeln, und es handelt sich gewiß um eine Technologie der Zukunft, auch für Informations- und Dokumentationsstellen. Wie schon gesagt: Auch Workflow basiert unter anderem auf Dokumenten-Managementsystemen. Es gilt auch hier: „Ohne Papier geht im Büro fast nichts; mit weniger Papier geht aber viel mehr!"

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Sachregister

A AACR s. Anglo-American Cataloguing Rules Ableitungsregel 192 Abstract s. Referat Abstracting s. Referieren Additionsmethode 121 Äquivalenz 144, 168 Äquivalenzklasse 168 Äquivalenzrelation 171 Aktenplan 464 Aktualität 275 Akustische Ausgabe 734 Algorithmus, genetischer 230 Anglo-American Cataloguing Rules (AACR) 65 Annotation 94 Ansetzungsform 70 Anwendungssoftware 645 Arbeitsorgansiation 1047 Arbeitsspeicher 627 Archiv 460 - Audiovisuelle Materialien 504 - Pressearchiv 473 - Rundfunk 582 Archivar 473, 938 Archivwesen 460 Archivwissenschaft 468 ASCII 704, 739 Assoziationsrelation 174 Asynchron-Verfahren 706 ATM 716 Audiovisuelle Materialien 268, 502 Ausbildung IuD 44, 927, 950 Ausgabeformat 300 Ausgabegerät 637, 733 Austauschformat 78, 410 Auswahlverfahren 800 Auswertung Literatur 455 Auswertungselement 63 Auszug 94 Automatisches Indexieren 128, 487 Automatisches Referieren 106 Β Banken s. Kreditwirtschaft Basic Index 291

Baud 704 Befragung 808 Begriffliche Kontrolle 170 Begriffsbeziehung 144, 168, 182 Begriffskombination 175 Benutzer 21 Benutzerforschung 795, 816 Benutzungsoberfläche 688, 736 Berufsausbildung s. Ausbildung Berufsbild 505 Beschaffung Literatur 454 Bestandsrelation 173 Betriebssystem 641 Betriebswirtschaft 756 Bibliographie 262, 402, 453 Bibliographische Datenbank 284, 319, 457 Bibliothek 429, 488, 603, 913, 938, 1017 Bibliotheks-Software 658 Bildarchiv 512 Bildkommunikation 390 Bildschirm s. Monitor Bildschirmtext s. T-Online Bit 624 Blinde 730 Blindenschrift 732 Boolesche Algebra 299 Braillezeile 732 Breitband-ISDN 715 Breitband-Verteilnetz 1038 Bridge 724 Broker s. Informationsvermittlung Browser 237, 363 Browsing 361 Btx s. T-Online Buchhandel 1018 Bundesrechnungshof 858 Bürokommunikation 377 Bus-System 630 Byte 624 C Cataloguing in Publication (CIP) 66 CCF78 CCITT700 CCITT V.24 704 CCITTV.28 704

1058 CCITT X.25 709, 711 CD-I 370 CD-R 375 CD-ROM 219, 370, 479, 899 CD-WORM 374 CEN 904 CEPT-Standard 342 Chemical Abstracts 262, 271, 572 Chemie-Datenbank 574 Chemie-Information 271, 572 Chemische Verbindung 575 CIP66 Client-Server-System 386 Codierungssystem 909 Colon Classification 153 Common Communication Format (CCF) 78 Compact Disk s. CD-ROM CompuServe 305, 492 Computer 621 Computer Supported Cooperative Work (CSCW) 393 Controller 630 CPU s. Prozessor CSCW s. Computer Supported Cooperative Work Current Contents 260 Cursor 736 Cyberspace 1000 D Daten 14 - Austausch 78, 912 - Formatierung 72 Datenbank 29, 54, 104, 237, 274, 280, 318, 346, 401, 1015 - Anbieter 322, 338, 408 - Chemie 574 - Entwurfsmethoden 664 - Host 282 - Marktentwicklung 775 - Modell 234 - Nonnen 541 - Nutzungsbedingungen 898 - Patente 527 - Presse 476, 490 - Rehabilitation 741 - Software 649 - Statistik 327, 566 - Urheberschutz 889 - Wirtschaftsinformation 318, 556, 564 Datenbankmanagement-System 664

Sachregister Datenbasis 288 Datendokumentation 192 Datenerfassungsschema 75 Datenerhebung 804 Datenkommunikation 698 Datenmodellierung 667 Datennetz 1038 Datenschutzrecht 890 Datenspeicherung s. Speicherung Datenübertragungs-Schnittstelle 703 Datex-J s. T-Online Datex-Netz 709 DBE s. Dokumentarische Bezugseinheit DBMS s. Datenbankmanagement-System D D R 39 D E s. Dokumentationseinheit Deregulierung 863 Desk Top Publishing 388, 650 Deskriptor 120,168 Deutsche Gesellschaft für Dokumentation s. DGD Deutsches Informationszentrum für technische Regeln s. DITR Deutsches Patentamt 529 Deutsches Rundfunkarchiv 508 Dewey, Melvil 148 Dezimalklassifikation s. DK D G D 2, 931 Dialoggestaltung 690 Digitale Speicherung 426, 590 DIN 535, 903 DIN 1426 94 DIN 1463 160 DIN 1505 65 DIN 1506 77 D m 31623 121 DIN 31631 77 DIN 32705 147 Disambiguierung 147, 249 Diskette 218 Distributionsplanung 830 DITR 539 DK 148, 180 - Anhängezahl 150 - Haupttafel 150 - Hilfstafel 150 Dokument 14, 21, 63, 426 - Beschaffung 425, 454 - Formale Analyse 63, 455 - Publikation 398 - Repräsentation 180, 411

Sachregister - Übermittlung 429 Dokumentär 473, 505, 584, 732, 932, 935 Dokumentarische Bezugseinheit (DBE) s. DBE Dokumentation 11, 32, 453 Dokumentationsassistent 934 Dokumentationseinheit (DE) s. DE Dokumentationssprache 125, 486 Dokumentationsstelle s. IuD-Stelle Dokumentationswürdigkeit 275, 504 Dokumenten-Management-System (DMS) 388 Downloading 300 DTP 388, 650 Ε E-MaU 301 EDD s. Elektronische Dokumentbeschaffung EDIFACT385, 912 Eigenschaft - Klasse 186 - Vererbung 187 Eingabegerät 637, 732 Einheitsaufnahme 67 Electronic Document Delivery s. Elektronische Dokumentbeschaffung Electronic Mail s. E-Mail Elektronische Dokumentbeschaffung 425 Elektronisches Publizieren 397, 430, 550, 739, 966, 1008 Empirische Methoden 795 Entity-Relationship-Modell 676 Enzyklopädie 274 EP s. Elektronisches Publizieren Ereignis 196 Ergonomie 688 ERM s. Entity-Relationship-Modell Erschließung, archivarische 471 Ethernet 721 Ethik 1000 EUREKA 871 EURONET 869 Europäische Gemeinschaften 871 Expertensystem 221 Externer Rechner 344 Extrahieren 120 Extraktionsmethode, Indexieren 129 F Facettenklassifikation 145, 153, 181 Fachhochschule 935 Fachinformationsdienst s. Informationsdienst

1059 Fachinformationspolitik s. Informationspolitik Fachinformationsprogramm 861 Fachinformationssystem 35, 854 Fachinformator s. Informator Fachkommunikation 24, 398 Fachpublikationen IuD 4 Fachzeitschrift 29, 260 - elektronische 403, 415 Faksimile 427, 547 Faktendatenbank 288, 319, 328, 560, 580 Fernsehdokumentation 509, 598 Fernsprechnetz s. Telekommunikationsnetz Festplatte s. Magnetplatte FID 11, 870 Filmdokumentation 509 Findbuch 470 Firmen-Datenbank 286, 321 Firmen-Verzeichnis 267 Förderungspolitik 847, 969, 982 Form alangaben 63 Formale Analyse 63, 483, 504, 541 Formatierung 72, 410 Formeller Kanal 22 Forschung 797, 847, 947, 972 Forschung und Entwicklung 26, 847 Forschungsvorhaben 268 Fortschrittsbericht 273 Fragebogenerhebung 809 Frame 185 Freitext, Indexierung 130 Funktionaler Informationsdienst 438 Funkübertragung 1039 G Gateway 725 Gebrauchsmusterschrift 520 Gegenstand IuD X Genetische Relation 172 Genetischer Algorithmus 230 Gesellschaft für Information und Dokumentation s. GID Gewährleistung 896 Gewichtung 132 GID 854, 857 Gleichordnendes Indexieren 121,134 Gopher 309, 728 Grafik-Karte 639 Grafikprogramm 659 Grafische Benutzungsoberfläche 692, 736 Grafische Darstellung 560 Groupware 393

1060 Grundbegriffe IuD 1 Η Haftungsrecht 896 Handbuch 273 Hardware 621 Haupteintrag 67 Hauptspeicher s. Arbeitsspeicher HDLC-Protokoll 710 Herstellerverzeichnis 266 Hierarchie 144, 188 Hierarchierelation 172 Hierarchische Klassifikation 142 High Density CD 371 Historische Entwicklung IuD 16 Hochschule 935, 950, 1017 Hochschulverband Informationswissenschaft 932 Hollerith 215 Homonym 166 Host 282, 493 HTML 311, 366, 413, 1011 HTTP 311 Hub 725 Hypermedia 355 Hypertext 355, 1011 I IEC904 Ikone 692 IM s. Informationsmanagement IMPACT 872 Index s. Register Indexieren 120 - automatisches 128, 487 - Freitext 130 - gleichordnendes 121, 134 - linguistische Verfahren 130 - Qualität 136 - Vokabular 125 Indexierungssprache 125 Indexierungstiefe 137 Indikatives Referat 95 Information 16, 976 Information Broker s. Informationsvermittlung Information Retrieval s. Retrieval Information und Dokumentation s. IuD Information-Ressourcen-Management 785,928 Informations- und Dokumentationswissenschaft 42

Sachregister Informations- und Kommunikationstechnologien s. IuK-Technologien Informations-Infrastruktur 989,1034 Informationsanalyse 795 Informationsangebotspolitik 823 Informationsbedarfsanalyse 818 Informationsdienst 257, 438, 1048 - Kosten/Leistungsrechnung 762 - Qualität 275, 443, 828 - Urheberschutz 887 - Wirtschaftlichkeit 756 Informationsethik 1000 Informationsgesellschaft 772, 959, 974, 1021, 1034 Informationskanal 16, 21 Informationsmanagement 615,781, 928,1050 Informationsmarketing s. Marketing Informationsmarkt 53, 772 Informationsökonomie 751, 770 Informationspolitik 772, 846 Informationsrecht 881 Informationsstrategie 790 Informationssystem Wissenschaft und Technik 39 Informationsvermittlung 29,48,438,489, 609, 932 Informationsvennittlungsstelle 38, 46, 438, 766 - Marketing 822 Informationswissenschaft 42, 935, 945 , 972, 983 Informationszugang für Behinderte 730 Informatisierung 986 Informatives Referat 95 Informator 42, 45, 932 Informeller Kanal 22 Inhaltserschließung 88, 141, 160, 455 , 484, 504, 541, 597 Institut für Information und Dokumentation (IID) 936 Integritätsbedingung 194 International Federation of Information and Documentation s. FID International Standard Bilbiographic Description 65 Internationale Dezimalklassifikation s. DK Internationale Informationspolitik 869 Internationale Patentklassifikation 152, 525 Internet 309, 492, 551, 727, 960, 1000, 1043 Interview 814 IPC s. Internationale Patentklassifikation

Sachregister ISBD 65 ISDN 714 ISO 904 ISO 12083 413 ISO 2709 78 ISO 8879 413 ISO 9241 690 ISO/OSI-Referenzmodell 700 ITU 700 IuD 11 - Ausbildung 44, 927 - Entwicklung 16, 945 - Fachpublikationen 4 - Gegenstand 1 - Gesellschaftliche Aspekte 959, 974 - Grundbegriffe 1 - Normung 903 - Organisationen 1, 31 - Tätigkeitsfeld 11,18 IuD-Dienst s. Informationsdienst IuD-Politik s. Informationspolitik IuD-Programm 846, 853, 969 IuD-Stelle 32, 429, 1048 IuK-Technologien 49, 377, 786,1014, 1021 IVS s. Informationsvermittlungsstelle IWTs. Informationssystem Wissenschaft und Technik Κ Kartei 67, 208 Katalog 67, 265 Katalogisierung 63, 505 Kategorienkatalog 74, 912 Kategorisierung 73 Kette, klassifikatorische 142 KI s. Künstliche Intelligenz Klassieren 120, 134, 141 Klassifikation 134,141, 180, 560 - Colon 153 - facettierte 145 - hierarchische 142 - Notation 144 Klassifikatorische Ebene 142 Klassifikatorische Kette 142 Körperschaftsname 71 Kohärenz 357 Kombination, Begriffe 175 Kommandosprache 293 Kommunikation - Büro 377 - Software 650

1061 Kommunikationsanalyse 818 Kommunikationsform 22 Kommunikationsfreiheit 1002 Kommunikationsnetz 698 Konsistenz, Indexierung 136 Kontextoperator 126 Kontrolle, begriffliche 170 Kontrolle, terminologische 164 Kosten 756 Kosten-Nutzen-Analyse 760 Kostenartenrechnung 764 Kostenrechnung 762, 829 Kostenstellenrechnung 764 Kostenträgerrechnung 765 Kreditwirtschaft 608 Künstliche Intelligenz 109, 221 Kurzreferat s. Referat KWIC-Index 261 L LAN-Netz 718 Laufwerk, CD-ROM 375 Lehre s. Ausbildung Leihverkehr 78, 458 Leistungsindikator 758 Leistungsplan Fachinformation 856 Leistungsrechnung 762 Lernmodell 22« Lexikon 247 Linguistik 244 Literatur - Auswertung 455 - Beschaffung 454 Literaturbericht 273 Literaturdokumentation 258, 453 Literaturflut 25 Lizenzvertrag CD-ROM 899 Lochkarte 209 Lochstreifen 216 Μ MAB 78 Magnetband 216 Magnetkassette 217 Magnetooptische Platte s. Optische Speicherung Magnetplatte 217, 637 Mainframe 622 MAN-Netz 717 Management 781, 1050 Marburger Index 513

1062 Marketing 445, 822, 892 Marketingkommunikation 835 Marktforschung 795, 817 Maschinelle Übersetzung 244 Maschinencode 625 Maschinenlochkarte 215 Maus 692 Medieninformation 582 Medienkonzem 1025, 1042 Menuführung 295, 692 Metapher 692 Methoden, empirische 795 Midrange 622 Mikroform 478 Modellversuch Informationsvermittlung 447 Modem 296, 705 Modulares Referat 96 Modulationsverfahren 706 Monitor 639 Monohierarchie 142 Morphologische Zerlegung 167 Multimedia 391, 715, 991, 1021 Multiprozessor 633 Musikdokumentation s. Tonträger Ν Nationalbibliographie 263 Nationale Informationsinfrastruktur s. Informations-Infrastruktur Navigation 363 Nebeneintragung 68 Netz - Datex 709 - LAN 718 - MAN 717 - Neuronales 224 - Petri 199 - semantisches 183 Netz, Telekommunikation s. Telekommunikationsnetz Neurode 225 Neuronales Netz 224 Nomenklatur 560 Norm 535, 903 Normalformenlehre 669 Normenausschuß 906 Normung 903 Notation 144, 176 Numerische Datenbank s. Faktendatenbank

Sachregister Ο Oberbegriff 172 Öffentlichkeitsarbeit 839 Offenlegungsschrift 519 OffScreen-Modell 737 Online-Datenbank s. Datenbank Operator 126 Optacon 734 Optische Speicherung 218, 370, 479 Organisationen der IuD 1, 31 OSI-Schichtenmodell 700, 911 Otlet, Paul 32 Outsourcing 929, 1052 Ρ Paketvermittlung 709, 716 Paradigmatische Begriffsbeziehung 144 Partitive Relation 173 Patente 518 - Datenbank 527 - Informationszentrum 530 - Recherche 526 Patentklassifikation 152, 525 Patentometrie 529 Patentschrift 518 PC 296, 344, 622, 732 Perinorm 546 Peripheriegeräte 636, 732 Personal Computer s. PC Personenbezogene Daten 890 Personenname 70 Petri-Netz 199 Photo-CD 370 Photographie 512 Politik, IuD s. Informationspolitik Polyhierarchie 142 Polysemkontrolle 166 Postkoordination 124 Prädikatenlogik 192 Präkoordination 124, 143 Precision 138 Preispolitik 829 Pressedatenbank 476, 490 Pressedokumentation 473, 601 PRESTEL 342 Pretest 806 Produkte - Datenbank 321 - Verzeichnis 266 Produktionsregel 193 Professionalisierung 927, 930

Sachregister Profildienst 274 Protokolle Datenübertragung 699 Provenienzprinzip 469 Prozessor 625, 635 Publizieren, elektronisch s. Elektronisches Publizieren Q Qualität - Indexierung 136 - Informationsdienst 275 Qualitätsmanagement 817, 828 R RAK 65, 912 RAM s. Arbeitsspeicher Randlochkarte 209 Ranganathan, S.R. 153 Recall 138 Recherche s. Retrieval Recherchedienst 275 Rechnerverbund 344 Recht, Informationswirtschaft s. Informationsrecht Rechtsnorm 538 Referat 88, 888 Referateorgan 29, 269 Referenzdatenbank 284, 477 Referieren 88 - automatisches 106 - Regelwerk 99 Regeln für die alphabetische Katalogisierung 65 Regelwerk - Fernsehen 599 - formale Analyse 64 - Referieren 99 - Rundfunk 508, 593 Register 270 Registratur 460 Rehabilitation 741 Relation - Äquivalenz 171 - assoziative 174 - generische 172 - Hierarchie 172 - partitive 173 Relationale Datenbank 665 Repeater 722 Repräsentation von Wissen 180 Retrieval 30, 190, 237, 364, 440, 1015

1063 - chemische Informationen 574 - Patente 526 - statistische Informationen 334 - Test 138 - Wirtschaftsinformationen 562 Retrievalsprache 293, 1016 Review 273 Router 725 Rundfunk 495, 507 Rundfunk-Archiv 582 S Schallaufzeichnung s. Tonträger Schallplatte 508 Schlagwort 181 Schlitzlochkarte 212 Schriftgutverwaltung 460 Scope note 176 Script 196 Search Engine 313 Sehbehinderter 730 Semantische Beziehung 182 Semantische Zerlegung 168 Semantisches Netz 183 Sender-Empfänger-Modell 16 Serendipity 361 SGML 413, 548, 910, 1011 Sichtlochkarte 213 Software 644 - Betriebssysteme 641 - Datenbanken 649, 1016 - Ergonomie 688 - Thesaurus 179, 657 - Übersetzung 247 Sozialforschung 797 Speicher 627, 637 Speicherung 208, 457 Sprachausgabe 734 Spracheingabe 733 Sprachkommunikation 390 Stand der Technik 537 Standard Generalized Markup Language s. SGML Standardprofil 274 Statistik-Datenbank 327, 566 Statistische Information 327 Steilkartei 208 Stichprobenuntersuchung 800 Stichwort-Indexierung 129 Strukturrecherche 575 Strukturreferat 97

1064 Suche s. Retrieval Suchhilfe 270 Supercomputer 622 Switch 726 Synchron-Verfahren 707 Synchronisationsverfahren 706 Synonymkontrolle 165 Syntagmatische Begriffsbeziehung 144 Τ T-Online 302, 341, 492, 713 Tabellenkalkulation 648 Tätigkeitsfeld IuD 11, 18, 927 Taktiles Ausgabegerät 733 Tasttablett 733 Technische Regel s. Norm Technisches Recht 546 Telefax 713 Telefonnetz 1038 Telefonumfrage 814 Telekommunikationsmarkt 1021, 1037 Telekommunikationsnetz 296, 344, 383, 390, 703, 1037 Telematik 987, 1028 Teletex 713 Termgewichtung 132 Terminologie 247, 657 Terminologische Kontrolle 164 Text - Analyse 98, 356 - Extrahieren 107 Text-Kondensat 98 Textauszeichnung 410 Textverarbeitung 387, 411, 647 Thesaurus 160 - Darstellung 175 - Software 179, 657 Titelaufnahme s. Formale Analyse Titelliste 261 Token Ring 720 Toman-Klassifikation 156 Tonträger 506, 591 U Übersetzung, maschinelle 244 Übertragungsschicht 700 UNIMARC 78 Uniterm 124, 167 Universität s. Hochschule Unsicheres Wissen 203

Sachregister Unterbegriff 172 Unternehmen 383, 394, 615, 781, 1051 Unvollständiges Wissen 201 Urheberrecht 883 URL 311 V Verarbeitungseinheit s. Prozessor Vererbung Merkmale 187 Verlag 431, 960, 1008 Vertragsrecht 895 Vervielfältigungsrecht 885 Verwandter Begriff 174 Verweisung 68 Verwertungsgesellschaft 887 Verzeichnis 265, 319 Video-CD 370 Videokonferenz 390 Voice mail 390 Vollständigkeit 275 VoUtextdatenbank 288, 319, 476 Vorlageform 69 Vorzugsbenennung 168 W Werbung 835 Widersprüchliches Wissen 202 Wirtschaftliche Aspekte 751, 783 Wirtschaftlichkeit 444, 753, 768, 783 Wirtschaftsdatenbank 318, 556, 564 Wirtschaftsinformation 556 Wissen 24, 221, 355 - Repräsentation 180, 221 - unsicheres 203, 236 - unvollständiges 201, 236 - widersprüchliches 202, 236 Wissensbasiertes System 221 Wissensbasis 180 Wissenschaftler 27, 945 Wissenschaftsrat 859 Wörterbuchdatei 290 Workflow-Management 1013, 1055 Workstation 622, 634 World Patent Index 528 World Wide Web 311, 364, 432, 551, 728 WORM s. CD-WORM Wortarchiv 595 Wortgut, Thesaurus 163 WWW s. World Wide Web

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Sachregister Ζ Zeitreihe 328 Zeitschrift s. Fachzeitschrift Zeitungsarchiv 473 Zentraleinheit s. Prozessor

Zerlegungskontrolle 167 Zielgruppenanalyse 826 Zitierindex 264 Zitierungsanalyse 31 Zusammenfassung 94

Autoren- und Herausgeberverzeichnis Eva-Maria Baxmann-Krafft, DIN Deutsches Institut für Normung, Burggrafenstr. 6, 10787 Berlin (Kap. F 8) Knud Böhle, Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systeraanalye (ITAS), Postfach 3640, 76021 Karlsruhe (Kap. C 10) Marianne Buder, DeutschlandRadio Berlin, Abt. Dokumentation und Archive, Hans-Rosenthal-Platz, 10825 Berlin (Hrsg.) Margarete Burkart, Sender Freies Berlin, Pressearchiv, Masurenallee 8-14, 14057 Berlin (Kap. Β 6) Hans-Dieter Burneleit, Verlag C.H. Beck, Wilhelmstraße 9, 80801 München (Kap. G 1, G 4) Prof. Dr. Rafael Capurro, FH Stuttgart, Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen (HBI), Feuerbacher Heide 38-42, 70192 Stuttgart (Kap G 1, G 3) Marianne Englert, Prieststraße 13, 60320 Frankfurt am Main (Kap. D 4) Dr. Jürgen W. Goebel, Melibocusstr. 52, 60528 Frankfurt am Main (Kap. F 7) Dr. Stefan Grudowski, Informationsfachmann, Arthur D. Little International, Inc., Hauptsitz Deutschland, Wiesbaden, Gustav-Stresemann-Ring 1, 65189 Wiesbaden (Kap. F 5) Prof. Dr.-Ing. Bernd Hamacher, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. C 9) Dr. Michael Harms, Südwestfunk, Dokumentation und Archive, Postfach 820, 76522 Baden-Baden (Kap. D 10) Prof. Dr.-Ing. Ralf-Dirk Hennings, FH Potsdam, Fachbereich Archiv-BibliothekDokumentation, Pappelallee 8-9, 14469 Potsdam (Kap. Β 9) Prof. Dr. Norbert Henrichs, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Informationswissenschaft, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf (Kap. F 10) Dr. Josef Herget, Steinbeis-Transferzentrum, Informationsmärkte & Management Consulting (IMAC) an der Universität Konstanz, Informationswissenschaft, Postfach 5560-D87, 78434 Konstanz (Kap. F 3) Prof. Dr. Joachim Kind, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. C 3) Michael Kluck, IZ Sozialwissenschaften, Lenn6str. 30, 53113 Bonn (Kap. F 4) Prof. Dr. Gerhard Knorz, FH Darmstadt, Information und Dokumentation, Haardtring 100, 64295 Darmstadt (Kap. Β 4, Ε 4) Prof. Dr. Jürgen Krause, IZ Sozialwissenschaften, Lenndstr. 30, 53113 Bonn (Kap. Ε 5)

Autoren- und Herausgeberverzeichnis

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Uta Krischker, Deutscher Bundestag, ZI 5, 53113 Bonn (Kap. Β 2) Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Universität Konstanz, Informationswissenschaft, Universitätsstr. 10, 78434 Konstanz (Kap. Β 3, C 7) Prof. Dr. Wolfrudolf Laux, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dokumentationsstelle für Phytomedizin, Königin-Luise-Str. 19, 14195 Berlin (Kap. Β 8, D 2) Edith Lechner, DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Normenausschuß Bibliotheks- und Dokumentationswesen (NABD), Burggrafenstr. 6, 10787 Berlin (Kap. F 8) Anke Leenings, Deutsches Rundfunkarchiv, Bertramstraße 8, 60320 Frankfurt am Main (Kap. D 5) Friedhelm Lehnhof, Books & Bytes, Gneisenaustr. 2, 10961 Berlin (Kap. C 8) Prof. Dr. Klaus Löns, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. Ε 2, Ε 6) Prof. Dr. Joachim Lüstorff, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. D 9) Peter Mahnkopf, START Telematik GmbH, Eckenbertstraße 7, 67549 Worms (Kap. C 6) Prof. Dr. Hans-Jürgen Manecke, TU Ilmenau, Fachgebiet Informationswissenschaft, Am Ehrenberg, 98684 Ilmenau (Kap. A 2, Β 5) Horst-Werner Marschall, Deutsches Informationszentrum für technische Regeln (DITR) im DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Burggrafenstr. 6,10787 Berlin (Kap. D 7) Dr. Angelika Menne-Haritz, Archivschule Marburg, Institut für Archivwissenschaft, FH für Archivwesen, Bismarckstr. 32, 35037 Marburg (Kap. D 3) Marlies Ockenfeld, GMD-Forschungszentrum Informationstechnik GmbH, Dolivostraße 15, 64293 Darmstadt (Kap. C 2) Prof. Dr. Achim Oßwald, FH Köln, Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen, Claudiusstr. 1, 50678 Köln (Kap. C 11) Dr. Werner Hehfeld, Alte Darmstädter Str. 19, 64367 Mühltal-Trautheim (Kap. G 1, Hrsg.) Dr. Ulrich Reimer, Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt / Swiss Life, Informatik-Forschungsgruppe, Postfach, CH-8022 Zürich (Kap. Β 7) Dr. Willi Reinicke, PROGRIS Projektgruppe Informationssysteme GmbH, Auguste-Viktoria-Str. 64, 14199 Berlin (Kap. Ε 3) Ulrich Riehm, Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalye (ITAS), Postfach 3640, 76021 Karlsruhe (Kap. G 6)

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Autoren- und Herausgeberverzeichnis

Prof. Dr. Ralph Schmidt, FH Hamburg, Fachbereich Bibliothek und Information, Grindelhof 30, 20146 Hamburg (Kap. C 12) Prof. Dr.-Ing. Reinhard Schramm, TU Ilmenau, Patentinformationszentrum und Online-Dienste (PATON), Postfach 0565, 98684 Ilmenau (Kap. D 6) Joachim Schwandt, Landsberger Allee 130, 10369 Berlin (Kap. Ε 3) Anne Schwindling, Stiftung Blindenanstalt, Elektronische Medien, 60318 Frankfurt am Main (Kap. Ε 7) Werner Schwichow, Institute for Information Economics (iiE), Siebengebirgsallee 65, 50939 Köln (Kap. F 2 ) Prof. Dr. Thomas Seeger, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. A l , A2, F 6, F 9 , Hrsg.) Prof. Dr. Josef L. Staud, Berufsakademie Ravensburg, Wirtschaftsinformatik, Marienplatz 2, 88212 Ravensburg (Kap. C 5, D 8) Dietmar Strauch, PROGRIS Projektgruppe Informationssysteme GmbH, AugusteViktoria-Str. 64, 14199 Berlin (Hrsg.) Dr. Manfred Thüring, BIFOA Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität Köln, Eupener Str. 150,50933 Köln (Kap. G 5) Prof. Dr. Norbert Wdter, Deutsche Bank Research, db-data. Informations-Service, Guiolettstr. 48, 60325 Frankfurt am Main (Kap. D 11) Prof. Dr. Arno Weigend, FH Darmstadt, Fachbereich IuD, Schöfferstr. 3, 64295 Darmstadt (Kap. C 4) Univ. Prof. Dr. Gemot Wersig, Freie Universität Berlin, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Arbeitsbereich Informationswissenschaft, Malteser Straße 74-100, 12249 Berlin (Kap. G 2) Dr. Wilhelm Wissmann, Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB), Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart (Kap. G 1, G 7) Prof. Dr. Harald H. Zimmermann, Universität des Saarlandes, Informationswissenschaft, Postfach 1150, 66041 Saarbrücken (Kap. Β 10)