Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich 9783666357480, 3525357486, 9783525357484

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Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich
 9783666357480, 3525357486, 9783525357484

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 85

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Ulrich Wehler

Band 85

Volker Wellhöner Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich

von

Volker Wellhöner

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

CIP- Titelaufiiahme

der Deutschen

Wellhöner,

Bibliothek

Volker:

Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich/ von Volker Wellhöner. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1989 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 85) ISBN 3-525-35748-6 NE: GT

Gedruckt mit Unterstützung der Mannesmann AG © 1989, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Bembo auf Linotron 202 System 4 (Linotype). Satz und Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen. Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen.

Inhalt

Vorwort Einleitung

9 11

1. Das Verhältnis von Banken und Industrie in Rudolf Hilferdings »Finanzkapital«

25

2. Hilferding in der Kritik

32

2.1. Die Problematik des Herrschaftsbegriffs 2.2. Das Theorem vom tendenziellen Fall der Profitrate als logisch notwendige Bedingung in Hilferdings Argumentation 2.3. Die logisch hinreichende Bedingung für eine Herrschaft der Banken über die Industrie 2.4. Aufsichtsratspräsenz und Aktienbesitz als Institutionalisierungsformen der Bankenherrschaft über die Industrie 2.5. Zur Entwicklung des Zinsfußes 2.6. Das Interesse der Banken an der Monopolisierung der Industrie

32

49 50 51

3. Die Ergebnisse der theoretischen Diskussion und die Fragestellungen für die empirische Analyse

53

4. Z u m Problem der statistischen Indikatoren für den empirischen Teil

57

5. Das Verhältnis von Banken und Industrie in Deutschland vor 1914-Tendenzenin der Literatur

66

6. Der Phoenix, anonyme Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb .

76

7. Der Gutehoffnungshütte-Konzern (GHH)

91

34 44

8. Die Rheinischen Stahlwerke (Rheinstahl)

107

9. Der Mannesmann-Konzern

125

10. Der Krupp-Konzern

147

11. Die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hüttenaktiengesellschaft (Deutsch-Lux)

169

12. Die Bergwerksgesellschaft Hibernia

181

13. Der Thyssen-Konzern

197

14. Der Siemens-Konzern

212

15. Zusammenfassung

236

Abkürzungsverzeichnis Anmerkungen Quellen und Literatur Anhang Register

248 249 280 291 337

Verzeichnis der Schaubilder u n d Tabellen

1. Schaubilder Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild

1: 2: 3: 4: 5:

Schaubild 6: Schaubild 7: Schaubild 8: Schaubild 9: Schaubild 10: Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild

11 : 12: 13: 14: 15: 16: 17: 18: 19:

Phoenix: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat des Phoenix (1913/14) G H H : Gleitende Fünf] ahresdurchschnitte der Profitrate Rheinstahl: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Rheinstahl (1913/14) Mannesmann: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Mannesmann (1913/14) Krupp: Gleitende FûnÇ ahresdurchschnitte der Profitrate Deutsch-Lux: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Deutsch-Lux (1913/14) Hibernia: Gleitende Fün^ ahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Hibernia (1913) GDK: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Der Thyssen-Konzern imjahre 1913 (1) Der Thyssen-Konzern imjahre 1913 (2) S & H: Gleitende Fünf]ahresdurchschnitte der Profitrate SSW: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von S & H (1912-13) Trend des Sample-Variationskoeffizienten mit Bezug auf die individuellen Profitraten

291 292 292 293 293 294 294 295 295 296 296 297 297 298 299 300 300 301 301

Schaubild 20: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Durchschnittsprofitrate des Samples Schaubild 21 : Verteilung der 24 Aufsichtsratsposten der Großbanken in den Aufsichtsräten der Unternehmen des Samples 1913 Schaubild 22: Entwicklung des Diskontsatzes der Reichsbank 1880 bis 1914 Schaubild 23: Arithmetisches Mittel des Zinsfußes im Bilanzjahr/Durchschnittsprofitrate des Samples

302 302 303 303

2. Tabellen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabellell: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle H.Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19:

Die Kapitalakkumulation des Phoenix 1880 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen des Phoenix Die Kapitalakkumulation der G H H 1880 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen der G H H Die Kapitalakkumulation bei Rheinstahl 1880 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen der Rheinischen Stahlwerke Die Kapitalakkumulation bei Mannesmann 1890 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen bei Mannesmann Die Kapitalakkumulation bei Krupp 1903 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen bei Krupp Die Kapitalakkumulation bei Deutsch-Lux 1901 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen bei Deutsch-Lux Die Kapitalakkumulation bei der Hibernia 1880 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen der Hibernia Die Kapitalakkumulation der GDK 1892 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen der GDK Die Kapitalakkumulation der S & H AG 1896 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitalakkumulation der SSW 1905 bis 1914 (in Mio. Mk. bzw. Prozent) Die Kapitaltransaktionen der S & H AG

304 306 307 309 310 312 314 316 319 320 322 323 326 328 329 331 332 334 335

Arnost Klima gewidmet

Vorwort

Meine Beschäftigung mit dem - historisch wie aktuell politisch - brisanten Verhältnis von Banken und Industrie geht zurück auf eine Lehrveranstaltung, die Prof. Dr. Arnost Klima im Wintersemester 1983/84 an der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld hielt. Bei der Realisierung des daraus entstandenen Forschungsvorhabens galt es neben dem Bemühen um eine inhaltlich adäquate Auseinandersetzung mit dem Thema - eine Vielzahl von administrativen und finanziellen Problemen zu lösen. Daß dies gelingen konnte, verdankt sich ebenso der finanziellen Unterstützung des Projektes durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft wie dem großzügigen Quellenzugang, den ich erhielt in den Archiven der Thyssen AG, der Friedrich Krupp AG, der Mannesmann AG und der Siemens AG, im Haniel Archiv, im Archiv beim Bergbau-Museum in Bochum, im Westfälischen Wirtschafts-Archiv sowie in den Staatlichen Zentralarchiven der D D R in Potsdam und Merseburg. Ihnen allen gilt mein Dank. Im inhaltlichen Bereich war die ebenso kompetente wie tolerante Betreuung, mit der Prof. Dr. Sidney Pollard als mein Doktorvater die Entstehung dieser Arbeit begleitete, von großer Bedeutung. Viele wichtige Anregungen erhielt ich darüber hinaus durch Prof. Dr. Jürgen Kocka, Prof. Dr. Alice Teichova und Prof. Dr. Arnost Klima, die das Manuskript mehrfach lasen und konstruktiv kritisierten. Ihnen sei ebenso herzlich gedankt wie Dr. Horst A. Wessel, Dr. Friedrich Baumann, Dr. Dirk Appelbaum und Dr. Renate Köhne-Lindenlaub, die mir sehr bei Auffindung und Einordnung der relevanten Quellen geholfen haben. Schließlich profitierte ich auch von den häufigen Diskussionen mit Herrn Harald Wixforth, der die Bearbeitung des Themas für die Zeit nach 1918 weiterfuhrt. Es versteht sich von selbst, daß ich für die verbliebenen Fehler und Irrtümer allein die Verantwortung trage. - Widmen möchte ich das Buch meinem Freund und Lehrer Arnost Klima. Bielefeld, im April 1989

Volker Wellhöner

Einleitung

Gründe fur eine Beschäftigung mit der »Macht« der Banken und speziell d e m Verhältnis von Banken und Industrie müssen Historiker wie Ö k o n o men nicht erst lange suchen. Allein der Stellenwert, der dieser Frage traditionell in politischen Auseinandersetzungen u m die Konzeption der gesellschaftlichen O r d n u n g z u k o m m t , macht ihre Relevanz unmittelbar evident. Schon Claude Henri Saint-Simon entwarf 1829 im Rahmen seiner U t o p i e einer sozialen Gesellschaft die Vision einer »Zentralbank«, deren Aufgaben in einer optimalen Planung und Organisation der materiellen Produktion sowie einer »gerechten« Verteilung ihrer Resultate bestehen sollte. 1 D a m i t hatte er i m Kern bereits einem zentralistisch strukturierten und verwalteten Bankensystem jene beiden potentiellen Funktionen zugeschrieben, die i m Laufe der späteren Diskussion i m m e r wieder die Zielvorstellungen der Protagonisten einer Bankenverstaatlichung und auch die der Anhänger einer Reformierung des Bankwesens i m Rahmen der bestehenden E i g e n t u m s o r d n u n g prägten: erstens sollte durch die globale - über die Praxis der Kreditvergabe vermittelte - Investitionslenkung und -kontrolle auf der Basis einer genauen Marktübersicht der Banken die Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Ö k o n o m i e reduziert und damit der Konjunkturverlauf verstetigt werden, zweitens versprach m a n sich von einer staatlichen Kontrolle der Großbanken eine Demokratisierung der bei ihnen konzentrierten »Macht«. 2 Wie i m m e r m a n nun versuchen mag, den amorphen Begriff »Macht der Banken« inhaltlich zu besetzen 3 - u m über eigentumsrechtliche Eingriffe gerade in das Bankwesen eine Demokratisierung gesellschaftlicher Strukturen und eine Steuerung der Produktion anzustreben, bedarf es logisch zwangsläufig der Annahme, daß eine Kontrolle insbesondere der G r o ß b a n ken gleichzeitig die Beherrschbarkeit des industriellen Kapitals impliziert. Die Suprematie der Banken über die Industrie ist also eine n o t w e n d i g e Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit von politischen Reformvorstellungen, die ihre Ziele über eine mehr oder weniger tiefgreifende Reorganisation des Bankensektors zu erreichen trachten. - Aus dieser Perspektive scheint die Frage nach einer Herrschafi der Banken über die Industrie - sowohl auf theoretischer Ebene als auch mit historisch-konkretem Bezug - ein ebenso interessantes wie gesellschaftspolitisch relevantes Problem zu sein. Die D o m i n a n z der Banken über die Industrie als generelles P h ä n o m e n kapitalistischer Reproduktionszusammenhänge oder nur mit Blick auf das deutsche Reich - vor allem bis 1914 - ist von Ö k o n o m e n und Historikern oft

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behauptet w o r d e n . 4 Wo aber diese These mit theoretischen A r g u m e n t e n begründet wird, stellen diese de facto fast in allen Fällen Anleihen an R u dolf Hilferdings »Finanzkapital« aus d e m Jahre 1910 dar, d e m bisher einzigen Versuch, das Problem hierarchischer Strukturen i m Verhältnis von Banken und Industrie systematisch im R a h m e n eines geschlossenen T h e o riesystems - d e m Marxschen nämlich - zu diskutieren. Seine Fundamentalthese faßt Hilferding in seinem K o m m e n t a r zu einem Marx-Zitat zusammen: »Hier ist also die Herrschaft der Banken über die Industrie, die wichtigste Erscheinung der neuen Zeit, vorausgesagt, als noch kaum die Keime dieser Entwicklung sichtbar waren.« 5

Hilferdings Werk m u ß also chronologisch wie inhaltlich als Plattform f ü r die Debatte u m die Bankenherrschaft über die Industrie, zu der diese Arbeit einen Beitrag leisten will, gelten. Wenn ich das »Finanzkapital« als Ausgangspunkt für die theoretische Auseinandersetzung mit meinem T h e m a wähle, so sprechen dafür aber eher zwei entscheidende inhaltliche G r ü n d e als seine theoriegeschichtliche Bedeutung. Indem nämlich Hilferding einerseits die jeweils besonderen Interessen von Bank- und Industriekapital i m Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals gegeneinander abgrenzt und andererseits ihren funktionalen Z u s a m m e n h a n g in diesem Prozeß zu bestimmen versucht, gelingt es i h m über die Auffindung latenter und evidenter Konfliktfelder - zumindest implizit - einen konkreten und empirisch funktionalisierbaren Begriff einer potentiellen Herrschaft der Banken über die Industrie zu entwickeln. 6 Darüberhinaus ermöglicht eine logische Rekonstruktion der Hilferdingschen Argumentation die Isolierung jener Variablen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, deren historisch-konkrete Ausprägung die strukturellen Determinanten f ü r die empirisch jeweils vorfindlichen Beziehungen zwischen Bank- und Industriekapital setzt. Bis auf die Residualkategorie historisch-zufilliger Erklärungsfaktoren ergeben sich aber somit aus der Theorie Hilferdings die erkenntnisleitenden Fragestellungen für das empirische Untersuchungsvorhaben dieser Arbeit. - Das analytische P o tential dieser Theorie gründet sich dabei m . E. aber keineswegs auf eine Gültigkeit der im »Finanzkapital« aufgestellten Thesen. Vielmehr liegt gerade in der Benennung der logischen Insuffizienzen in Hilferdings A r g u mentation die Chance zur Erfassung derjenigen objektiven S t r u k t u r m e r k male eines konkreten kapitalistischen Reproduktionskontextes, deren Tendenz über die Existenz einer Hierarchie i m Verhältnis von Banken u n d Industrie entscheidet. Schon das Forschungskonzept, das Hilferding zur Analyse seines U n tersuchungsgegenstandes i m Vorwort des »Finanzkapitals« offeriert, w i r f t bei näherem Hinsehen ein zentrales methodisches Problem von großer Tragweite auf.

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Als seinen Erkenntnisgegenstand bestimmt er das »Charakteristische des modernen Kapitalismus«, bestehend in »jenen Konzentrationsvorgängen, die einerseits in der >Aufhebung der freien K o n kurrenzi durch die Bildung von Kartellen und Trusts, andererseits in einer immer innigeren Beziehung zwischen Bankkapital und industriellem Kapital erscheinen«. 7

Die analytische Ambition seiner Studie nun besteht im »wissenschaftlichen Begreifen« dieser Phänomene durch ihre. »Einreihung in das theoretische System der klassischen Nationalökonomie, . . . die mit W. Petty beginnt und in Marx ihren höchsten Ausdruck findet. «

Damit wird Hilferdings Studie a priori für alle diejenigen, welche die analytische Inadäquanz der Rekonstruktion des kapitalistischen Reproduktionsprozesses durch Karl Marx unterstellen, zumindest von ihrem theoretischen Aussagewert her gegenstandslos, nach dem logischen Prinzip: ex falso quod libet. Demgegenüber besteht die zentrale theoretische Prämisse dieser Arbeit in der prinzipiellen Relevanz des im »Kapital« entwickelten Modells der kapitalistischen Produktionsweise, was sich nicht auf seine sämtlichen Einzelaussagen bezieht, sondern in erster Linie auf die logische Konstituante des Marxschen Systems, die Werttheorie in der Formulierung, wie sie Marx im dritten Band des »Kapitals« trifft: »Wie immer die Preise geregelt seien. . . . Das Wertgesetz bestimmt ihre B e w e g u n g . « 8 In diesem Sinne versteht sich die vorgelegte Arbeit als marxistisch, und von hier aus gewinnt auch die verwandte Terminologie ihre definitorische Substanz und ihre Legitimation. A u f dieser Grundlage stellt sich dann das zentrale methodische Problem des Hilferdingschen Ansatzès als Problem der adäquaten Abstraktionsebene: Ist es gerechtfertigt, insbesondere die »immer innigeren Beziehungen zwischen Bankkapital und industriellem Kapital« in das Marxsche System einzureihen, also eine bestimmte Tendenz des Verhältnisses von Banken und Industrie - auf der Ebene des »Kapitals im Allgemeinen« zu behandeln? Marx seinerseits definiert seinen Untersuchungsgegenstand im Vorwort zum ersten Band des »Kapitals« wie folgt: »An und für sich handelt es sich nicht u m den höheren oder niedrigeren Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Antagonismen, welche aus den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringen. Es handelt sich u m diese Gesetze selbst, u m diese mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen. « 9

Es geht Marx also bei seinem System der Kritik der politischen Ökonomie nicht u m die Analyse konkret vorfindlicher historischer Konstellationen, sondern u m die Destillation des allgemeinen Reproduktionsmechanismus, dessen historische Faktizität eine beliebige Ökonomie gerade als kapitalistische konstituiert. 1 0 13

Mit Hilferding einer Suprematie der Banken über die Industrie den logischen Status einer solchen mit »Notwendigkeit wirkenden Tendenz« kapitalistischer Entwicklung schlechthin 1 1 zuzuschreiben - u n d nichts anderes kann ja ihre Einreihung in das Marxsche System heißen - impliziert die Negation der substanziellen Relevanz länder-, branchen- und unternehmensspezifischer Faktoren für die Erklärung des Verhältnisses beider Kapitalfraktionen. D e n n w e n n sich i m Fortschritt der kapitalistischen P r o d u k tionsweise mit »eherner Notwendigkeit« eine Herrschaft der Banken über die Industrie herausbildet, können nicht exakt prognostizierbare und daher zufällige historische Einflüsse diese Entwicklung bestenfalls beschleunigen oder retardieren, verstärken oder mildern - niemals aber verursachen oder langfristig verhindern. Eine solche A n n a h m e aber ist alles andere als trivialerweise gültig, u m so weniger, als das »Charakteristische des modernen Kapitalismus« u n d insbesondere die »immer innigeren Beziehungen« zwischen Banken u n d Industrie historisch keineswegs ein universell oder gar gleichzeitig in allen kapitalistischen Hauptländern zu beobachtendes P h ä n o m e n waren, sondern nur auf d e m Wege der Verallgemeinerung von einigen - vermeintlichen - Strukturmerkmalen gerade des deutschen Weges der kapitalistischen E n t w i c k lung überhaupt erst »charakteristisch« wurden. Es drängt sich also der Verdacht auf, daß Hilferding einen bestimmten Aspekt der historischen Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in Deutschland - n ä m lich die sich hier unter besonderen Vorzeichen stellende Frage nach d e m Verhältnis von Banken u n d Industrie - auf einer analytischen Ebene abhandelt, die gerade die Abstraktion von allen historischen Besonderheiten voraussetzt. O b dieser Verdacht gerechtfertigt ist oder nicht, hängt logisch davon ab, o b es ihm gelingt, konsistent - und d. h. widerspruchsfrei und ohne explizite oder implizite E i n f u h r u n g exogener Variablen - die von ihm postulierte Bankenherrschaft über die Industrie ausschließlich aus den Bewegungstendenzen des Kapitals im Allgemeinen abzuleiten. U m eben diese Frage geht es i m ersten Teil dieser Arbeit. Läßt sich aus der allgemeinen B e w e g u n g s f o r m des kapitalistischen Akkumulationsprozesses die schließliche Suprematie der Banken über die Industrie prognostizieren? Die Rekonstruktion und Kritik des Hilferdingschen E n t w i c k l u n g s m o dells zu dieser Frage wird zeigen, daß unter kapitalistischen Verhältnissen zwar notwendigerweise bestimmte funktionelle Interdependenzen zwischen dem Reproduktionsprozeß des industriellen und dem des Bankkapitals entstehen, ohne daß aus diesen funktionalen Interdependenzen, die man unter die Kategorie Kreditverhältnis subsumieren kann, aber die logische Berechtigung folgt, auf eine zwangsläufige Herrschaft der Banken über die Industrie zu schließen. Hilferding, der die Notwendigkeit einer solchen Herrschaft postuliert, 1 2 begeht - wie zu zeigen sein wird - vor allem den zentralen methodischen Fehler, A n n a h m e n - ζ. B. über die Tendenz der

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Profitrate oder die Ausschaltung der kapitalistischen Konkurrenz - als logische Bausteine seiner Theorie auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen zu verwenden, die durchaus Gültigkeit in bestimmten historischen Kontexten besitzen, aber keineswegs Allgemeingültigkeit für beliebige kapitalistische Reproduktionszusammenhänge beanspruchen können. Während er v o r gibt, sich analytisch im Rahmen der allgemeinen Bewegungstendenzen kapitalistischer Akkumulation zu bewegen, beschäftigt er sich de facto mit Problemen ihrer fallspezifischen, historischen Durchsetzung. Er liefert im Effekt nichts anderes als eine Interpretation des besonderen Verhältnisses von Banken und Industrie in Deutschland, einem Land, dessen Industrialisierungsweg wesentlich geprägt w u r d e von den Verwertungsbedingungen des Kapitals gerade in der Schwerindustrie. 1 3 Eben diese spezifischen Verwertungsbedingungen erscheinen in den Abstraktionen Hilferdings zu allgemeinen Verwertungsbedingungen des Industriekapitals schlechthin verdinglicht. In dieser methodischen Verwirrung Hilferdings liegt aber gleichzeitig die besondere Fruchtbarkeit seines Ansatzes für die hier in Aussicht g e n o m m e n e empirische Untersuchung. Da er nämlich v o m allgemeinen Kreditverhältnis zwischen Banken u n d Industrie ausgeht und - wenn auch ungewollt - dessen konkrete Implikationen unter Bedingungen analysiert, wie sie d e m Reproduktionskontext in der deutschen Schwer- und Elektroindustrie bzw. d e m Bankensektor für die Zeit vor 1914 oft unterstellt werden - lenkt die kritische Rezeption seiner Theorie den Blick zwangsläufig auf die zentralen Fragestellungen für die Erfassung und Erklärung des Verhältnisses meiner Sample-Unternehmen zu ihren Banken. - Wir werden sehen, daß die bei der U m s e t z u n g des so entwickelten Forschungskonzeptes gewonnenen empirischen Resultate k a u m mit der sich unter vielen Historikern nach wie vor hartnäckig haltenden Hypothese von der D o m i n a n z der Berliner Großbanken gegenüber der Industrie vor d e m ersten Weltkrieg kompatibel sind. Vielmehr liefern sie denjenigen Autoren, die für eine differenzierte Sichtweise des Problems eintreten, neue Argumente. D a m i t entsteht die Frage, welcher logische Status der Analyse meines Samples von Beispielunternehmen z u k o m m t . D e n n aus d e m Abstraktionsgefälle zwischen theoretischer und empirischer Untersuchung ergeben sich n o t w e n d i g methodische Vorgaben hinsichtlich der Auswahl von Wirtschaftssektoren und U n t e r n e h m e n sowie der Eingrenzung des U n t e r s u chungszeitraums. Diese Vorgaben stecken ihrerseits die Möglichkeiten und Grenzen der Aussagefähigkeit meiner empirischen Ergebnisse ab: Wenn Hilferdings Thesen z u m Verhältnis von Banken und Industrie wegen zahlreicher methodischer und inhaltlicher Unzulänglichkeiten als generelle Perspektive kapitalistischer Akkumulation verworfen werden müssen, so impliziert das nicht automatisch ihre Unbrauchbarkeit auch als historische Beschreibung eines wesentlichen Aspektes der deutschen Indu-

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strialisierung - zum Gegenstand seiner Studie hatte er ja die »ökonomischen Erscheinungen der jüngsten kapitalistischen Entwicklung« erhoben. Es gelingt Hilferding durchaus, diejenigen Variablen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses zu einem Kräfteparallelogramm zusammenzufassen, dessen Resultierende im Zusammenspiel mit unternehmensspezifischen Faktoren das Verhältnis von Bank- und Industriekapital inhaltlich determiniert. Sein Fehler besteht nur darin, die historische Tendenz dieser Variablen für allgemein deduzierbar zu halten. Auf die Erfassung ihrer tatsächlichen Entwicklung zielen die erkenntnisleitenden Fragestellungen meines empirischen Forschungskonzeptes. Der zentrale methodische Anspruch dieser Arbeit besteht also darin, auf der Grundlage der Marxschen Kapitaltheorie das Verhältnis von Banken und Industrie in Deutschland vor 1914 zu erklären - aber eben nicht als historische Konkretisierung eines a priori feststehenden Resultates, sondern als Produkt der spezifischen Bedingungen der kapitalistischen Industrialisierung dieses Landes. Dieser Anspruch bedeutet indessen logisch gesehen eine Restriktion des Problems auf einen entwickelten kapitalistischen Reproduktionszusammenhang. Damit aber stellt sich das Problem der Kongruenz von begrifflichem Instrumentarium und historischer Realität. Die empirische Anwendung des entwickelten Forschungskonzeptes macht überhaupt nur Sinn für solche Wirtschaftssektoren, die in der gewählten Untersuchungszeit bereits vollständig unter die kapitalistische Produktionsweise subsumiert sind. Angesichts der »dualen Akkumulationsstruktur« (Spohn) der deutschen Wirtschaft bis zum ersten Weltkrieg zieht diese Einschränkung der Adäquanz meiner Fragestellung bereits von vornherein eine Konzentration auf einige wenige Branchen nach sich. Denn während sich seit den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jh. die deutsche Schwer-, Elektro- und Chemieindustrie als hochkonzentrierte, hochtechnisierte, hochproduktive und zunehmend zentralisierte kapitalistische Sektoren mit Weltmarktniveau und -Orientierung präsentierten, »reproduzierten sich in der Textilproduktion, aber auch in anderen Zweigen die traditionellen Formen des Hausgewerbes, des Kleinhandwerks und der Kleinbetriebe noch weiter, und erst ab 1890 setzt sich auch hier die kapitalistische Industrialisierung weiter durch«. 14

Die qualitative Bedeutung, die insbesondere der Schwerindustrie als Leitsektor der kapitalistischen Industrialisierung in Deutschland bis 1914 zukam, läßt sich an Hand einiger quantitativer Indikatoren ablesen: Während die Schwerindustrie 1 5 noch 1870 mit insgesamt 17,6% der gesamten Wertproduktion im deutschen Reich nur an vierter Stelle hinter dem N a h r u n g s mittelgewerbe (32,6%), der Textilindustrie (21,6%) und dem Baugewerbe (18,4%) lag, hatte sie 1913 mit 25,1% deutlich die Spitzenposition mit weitem Abstand vor dem Nahrungsmittelgewerbe (15,5%) ü b e r n o m men. 16 Abgesehen von der Wachstumsdynamik weisen auch die Daten zum 16

Konzentrationsgefálle innerhalb der Industrie die Schwerindustrie als den am weitesten unter die spezifisch kapitalistische Form des Akkumulationsprozesses subsumierten Bereich aus. 1907 arbeiteten 52,5% der Unternehmen in Bergbau-, Hütten- und Salinenwesen mit mehr als 1000 Beschäftigten. (Die entsprechende Zahl für die Textilindustrie, einen Bereich also, in dem sich erhebliche Reste vor- und frühkapitalistischer Produktionsformen konserviert hatten, belief sich auf 4,4%). 1 7 Schließlich entfiel 1910 auf diese drei Branchen auch das bei weitem höchste Aktienkapital innerhalb der Industrie mit insgesamt 2745,91 Millionen Mark. 1 8 Wenn aber die kapitalistische Industrialisierung in Deutschland während meiner Untersuchungszeit zugespitzt formuliert - so eindeutig von der Entwicklung der Schwerindustrie getragen wurde, liegt es nahe, die Strukturmerkmale dieses Prozesses, darunter das Verhältnis von Banken und Industrie, zunächst und schwerpunktmäßig für die Schwerindustrie zu analysieren. Aus diesen Überlegungen erklärt sich denn auch die Akzentsetzung des empirischen Teils dieser Arbeit. U m andererseits der Gefahr vorzubeugen, daß die Untersuchungsergebnisse allzu einseitig die Besonderheiten des Reproduktionszusammenhanges gerade in der Schwerindustrie spiegeln, boten sich - gemäß der bisherigen Argumentation - die Elektro- und/oder die Chemieindustrie dafür an, zusätzlich als Korrektiv in die Analyse einbezogen zu werden. Abgesehen von pragmatischen Erwägungen 1 9 sprach für die Wahl der Elektroindustrie auch ihr - statistisch suggerierter - leichter Entwicklungsvorsprung im Vergleich zur chemischen Industrie gegen Ende des Untersuchungszeitraums. 1913 trug die Elektroindustrie mit 5,2% zur gewerblichen Wertproduktion bei, gegenüber 4,5% der chemischen Industrie. 20 Auch der Konzentrationsprozeß des Kapitals - gemessen an der Zahl der Beschäftigten pro Betrieb - war 1910 in der Elektroindustrie etwas weiter vorangeschritten. 2 1 Mit der Beschränkung der empirischen Untersuchung auf die Schwer- und Elektroindustrie ist natürlich eine Reduktion des weiter oben formulierten prinzipiellen Anspruchs meiner Studie verbunden. Dieser muß dahingehend präzisiert werden, daß es hier nicht um die Erfassung und Erklärung des Verhältnisses der Banken zur Industrie schlechthin geht. Wegen der strukturellen Heterogenität der zur Industrie zählenden Branchen im Kaiserreich vor dem ersten Weltkrieg würde das verwendete Untersuchungsinstrumentarium - wie oben begründet- einem solchen Vorhaben auch gar nicht gerecht. Vielmehr stehen lediglich die beiden Branchen im Mittelpunkt, welche die Richtung und die Formen der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise im Willhelminischen Deutschland entscheidend prägten. Es geht also genau gesagt um die Frage, ob die kapitalistische Industrialisierung in Deutschland in ihren zwei wichtigsten Trägersektoren aufgrund der hier vorfindlichen strukturellen Verwertungsbedingungen des Kapitals eine Herrschaft der Großbanken über die Industrie hervorbrachte oder nicht. Aber selbst hinsichtlich der Beantwortbarkeit dieser präzisierten Fragestel17

lung sind einige theoretische und pragmatische Einschränkungen am Platze: Als Filtrat des theoretischen Teils ergibt sich die B e s t i m m u n g der U n t e r s u chungsvariablen, u m deren historische Entwicklung es in der empirischen Analyse geht. Sie erfolgt aus der Diskussion heraus, ob sich auf der Ebene des Kapitals i m Allgemeinen langfristig eine D o m i n a n z des Bank- über das Industriekapital vorhersagen läßt. Begrifflich bezieht sich diese theoretische Diskussion zwangsläufig auf Einzelkapitale, die sich unter gesellschaftlich durchschnittlichen, kapitalistischen Bedingungen reproduzieren. M a r x u n terstellt für seine Argumentation im »Kapital« einen reinen und voll e n t w i k kelten kapitalistischen Reproduktionszusammenhang u n d folgert unter dieser Annahme aus d e m K o n k u r r e n z k a m p f der Einzelkapitale die reale Herausbildung und Verallgemeinerung durchschnittlicher Verhältnisse, die in der Tendenz zur Herstellung einer Durchschnittsprofitrate ihren zusammenfassenden Ausdruck finden. Er weist aber auch selbst auf die Probleme hin, die mit der historischen Durchsetzung dieser Tendenz zusammenhängen: »Es ist überhaupt bei der ganzen kapitalistischen Produktion immer nur in einer sehr verwickelten und annähernden Weise, als nie festzustellender Durchschnitt ewiger Schwankungen, daß sich das allgemeine Gesetz als die beherrschende Tendenz durchsetzt.« 22

Während es n u n für die modellhafte Rekonstruktion der kapitalistischen Reproduktion als solcher logisch durchaus unproblematisch ist, einfach durchschnittliche Bedingungen zu unterstellen, wäre eine solche Prämisse für auch nur eine einzige Branche in einem konkreten historischen Zeitraum ein methodischer Fehler. Wie weit sich durchschnittliche Verhältnisse j e weils etabliert haben, m u ß vielmehr selbst Gegenstand historischer Analyse sein. Daher läuft mein empirischer Ansatz, der sich konzentriert auf eine relativ kleine Anzahl von U n t e r n e h m e n in einer begrenzten historischen Periode, zwangsläufig Gefahr, gerade solche Kapitale in den Blick zu nehmen, deren individuelle Akkumulationsvoraussetzungen - aus welchen Gründen i m m e r - untypisch sind, so daß generelle Entwicklungstendenzen methodisch verzerrt werden. Streng logisch betrachtet kann deshalb meine Studie zunächst günstigenfalls nicht mehr u n d nicht weniger als eine richtige Einschätzung und Erklärung der Bankbeziehungen der z u m Sample gehörigen U n t e r n e h m e n während des Untersuchungszeitraums von 1880 bis 1914 liefern. Generalisierbar zu Aussagen über das Verhältnis der G r o ß u n t e r n e h m e n der Schwer- und Elektroindustrie zu den Berliner Großbanken sind ihre Ergebnisse nur unter d e m Vorbehalt der Revidierbarkeit durch ergänzende empirische Analysen. Diese Einschränkung liegt allerdings in der N a t u r der Sache und ist deshalb nicht vermeidbar. Denn w e n n die Beziehungen zwischen Banken und Industrie nicht aus theoretischen Z u s a m m e n h ä n g e n präjudizierbar sind, kann sich ihre Beurteilung für einen bestimmten Zeitraum nicht anders als aus einer S u m m e von Fallstudien ergeben, woraus für den Historiker der Z w a n g zur Auswahl u n d damit zur Begrenzung resultiert.

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Indessen läßt die Breite der vorgelegten empirischen Untersuchung hoffen, daß der entstehende Eindruck mit einer akzeptablen Fehlerwahrscheinlichkeit repräsentativ ist fur die beiden betrachteten Branchen. Auf jeden Fall aber gilt die negative Implikation: Sollte sich herausstellen, daß von einer Bankensuprematie mit Bezug auf acht der dreizehn größten schwerindustriellen Unternehmen des Ruhrgebiets und den größten deutschen Elektrokonzern 2 3 keine Rede sein kann, dann bedarf die These von der Herrschaft der Banken über die Industrie in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg zumindest einer erheblichen Modifizierung. Welche Unternehmen sind nun konkret in das Sample einbezogen worden? Die Untersuchung der Schwerindustrie wurde regional begrenzt auf ihr wichtigstes Zentrum, das Ruhrgebiet, über die Aufnahme in das Sample entschied das Aktien- bzw. das Eigenkapital der Unternehmen, wobei auf die diesbezüglichen Daten für 1907 zurückgegriffen wurde. Als die dreizehn größten Unternehmen des Ruhrgebiets figurierten in diesem Jahr: 2 4 Unternehmen 1. Friedr. Krupp AG 2. Gelsenkirchener Bergwerks AG 3. Phönix A G für Bergbau und Hüttenbetrieb 4. Harpener Bergbau AG 5. Bergwerksgesellschaft Hibernia 6. Gewerkschaft Deutscher Kaiser (Thyssen) 7. U n i o n A G fur Bergbau, Eisenund Stahlindustrie 8. Rheinische Stahlwerke AG 9. Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabriken 10. Stinnes 11. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten AG 12. Gutehoffnungshütte A G 13. Mannesmann Röhrenwerke AG

Aktienkapital 180 Mio. Mark 130 Mio. Mark 100 Mio. Mark 72 Mio. Mark 60 Mio. Mark 47 Mio. Mark 2 5 42 Mio. Mark 30 Mio. Mark 25 Mio. Mark 25 Mio. Mark 24 Mio. Mark 24 Mio. Mark 22 Mio. Mark

Von diesen Unternehmen wurden im Rahmen des Samples die folgenden acht bearbeitet: Krupp, der Phönix, die Hibernia, die GDK, die Rheinischen Stahlwerke, Deutsch-Lux, die Gutehoffnungshütte sowie die Mannesmann Röhren werke AG. 2 6 In der deutschen Elektroindustrie war bis zum ersten Weltkrieg der Zentralisationsprozeß des Kapitals so weit vorangeschritten, daß neben zahlreichen kleineren und mittleren Spezialfirmen nur noch zwei Branchen-Riesen als eindeutige Marktfiihrer existierten, die Siemens-Gruppe einerseits, die 19

Gruppe der AEG andererseits. 1907 rangierte vom Aktienkapital her der Siemens-Konzern (Siemens & Halske + Siemens Schuckert Werke) mit 153 Mio. Mark vor der AEG mit 100 Mio. 2 7 Für meine empirische Untersuchung habe ich mich auf den Siemens-Konzern konzentriert. 28 Keine der insgesamt neun Fallstudien erhebt den Anspruch, eine umfassende Firmengeschichte des betreffenden Unternehmens zu liefern. Vielmehr steht jeweils - nach einer kurzen Skizzierung der Grundlinien der Firmenentwicklung - die unternehmensspezifische Ausprägung der für die Bankbeziehungen entscheidenden Variablen im Mittelpunkt. Auf eigenständige Kapitel zur Entwicklung der Schwer- und Elektroindustrie im Untersuchungszeitraum konnte wegen der Fülle der wirtschaftsgeschichtlichen Überblicksliteratur für die Zeit des Willhelminischen Kaiserreiches getrost verzichtet werden. 2 9 Welchen Erwägungen verdanken sich nun die zeitlichen Grenzen des empirischen Teils meiner Arbeit? Zunächst scheinen mir die Jahrzehnte vor dem ersten Weltkrieg im Hinblick auf das Verhältnis von Banken und Industrie besonders deshalb sehr interessant zu sein, weil Hilferding seine Thesen über die Herrschaft der Banken unter dem Eindruck der zeitgenössischen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus vor allem in Deutschland und/oder dem Habsburgerreich formulierte, war er doch, wie schon mehrfach erwähnt, angetreten mit der Absicht, »die ökonomischen Erscheinungen der jüngsten kapitalistischen Entwicklung wissenschaftlich zu begreifen«. 3 0 Geht es im theoretischen Teil darum, ob Hilferding diese Erscheinungen in methodisch zulässiger Weise aus ihrem historischen Kontext herauslöst und auf die Ebene des Kapitals im Allgemeinen transponiert, so stellt sich im empirischen Teil die Frage, ob seine subjektive Wahrnehmung überhaupt die historisch-faktische Substanz, insbesondere der »immer innigeren Beziehung zwischen Bankkapital und industriellem Kapital«, objektiv widerspiegelt, ob also die Herrschaft der Banken über die Industrie auch wirklich ein reales historisches Phänomen war, welches nicht nur in seiner Vorstellungswelt existierte. Diese Frage liegt um so näher, als weder Hilferding noch die seine Thesen reproduzierenden Historiker diese jemals durch systematisches Quellenstudium abstützten - , was zumindest für Hilferding selbst ja auch nicht möglich gewesen wäre. Aber auch aus den Reihen derjenigen seiner Kritiker, die (auch) auf die empirische Validität seines Konzeptes für Deutschland vor 1914 abstellen, liegt bisher über einige durchaus interessante Detailstudien hinaus, auf die im Rahmen der Literaturübersicht hinzuweisen sein wird, keine breiter angelegte Monographie zu diesem Thema vor. Was nun die zeitlichen Grenzen meiner empirischen Studie anlangt, so ergibt sich das Ende meines Untersuchungszeitraums eigentlich von selbst. Denn die sich ab 1914 herausbildenden Spezifika der Kriegswirtschaft veränderten die Verwertungsbedingungen des Kapitals in den verschiedenen Anlagesphären so massiv, daß sich die Vorzeichen für das Verhältnis von 20

Banken und Industrie wesentlich verschoben. Nicht aus d e m R e p r o d u k tionsprozeß des Kapitals i m Allgemeinen heraus bestimmbare und in diesem Sinne exogene Erklärungsfaktoren, wie die staatliche Zwangswirtschaft und die Besonderheiten der Kriegskonjunktur, gewannen als D e t e r m i n a n ten der Beziehungen zwischen beiden Kapitalfraktionen entscheidende Bedeutung u n d machen für die Kriegszeit eine gesonderte Analyse erforderlich, die nicht i m R a h m e n dieser Arbeit geleistet werden kann. - Weniger natürlich ergibt sich der Beginn meiner Untersuchungszeit, das Jahr 1880. Den prinzipiellen Ausschlag für die temporale Untergrenze meiner Studie m u ß letztlich dasselbe Kriterium geben, das schon die Auswahl der Wirtschaftssektoren präjudiziert hatte: Die Adäquanz meines Untersuchungsinstrumentariums setzt einen voll entwickelten kapitalistischen R e p r o d u k tionszusammenhang voraus. Die empirische Analyse m u ß deshalb zu einem Zeitpunkt einsetzen, w o die Einbindung der z u m Sample gehörenden U n ternehmen in einen solchen unterstellt werden kann. Wilfried Spohn hat herausgearbeitet, daß sich die kapitalistische Industrialisierung in Deutschland, namentlich in der Schwerindustrie, ab 1870 auf »eigener Grundlage reproduzierte«, nachdem ihre M o t o r i k bis zu diesem Zeitpunkt abhängig gewesen war von ausländischen Kapitalimporten und »erziehungsinterventionistischer Staatshilfe«. 3 1 Folgt man Spohn in seiner Argumentation, könnte meine empirische Analyse also frühestens u m 1870 einsetzen. D e n noch spricht - einmal ganz abgesehen von der Quellenlage, die für die meisten U n t e r n e h m e n in den 1870er Jahren noch ziemlich dünn ist, - eine Reihe von A r g u m e n t e n dafür, die Untersuchung erst mindestens ein J a h r zehnt später beginnen zu lassen. Z u m einen nämlich w u r d e n zwei der wichtigsten Berliner Großbanken, nämlich die Deutsche Bank und die Dresdner Bank, an denen sich die Diskussion über die Herrschaft der Banken in Deutschland stets besonders zugespitzt konkretisiert, erst während der frühen siebziger Jahre gegründet. Vor allem aber entsteht in der Theorie Hilferdings, deren Gültigkeit für die deutsche kapitalistische Industrialisierung ja exemplarisch geprüft werden soll, die D o m i n a n z der Banken über die Industrie erst als Resultat der kapitalistischen Akkumulation. Sie etabliert sich als Tendenz in einem langfristigen Prozeß, keineswegs figuriert sie als Startvorgabe. Es w ü r d e also unter diesem Gesichtspunkt wenig plausibel erscheinen, Branchen, die eben erst in vollem U m f a n g unter die kapitalistische Produktionsweise subsumiert worden sind und zudem - zumindest, was die Schwerindustrie anbetrifft, - durch Gründerkrise und Große D e pression mancherlei untypischen Sondereinflüssen unterliegen, auf das Wirken des von Hilferding konstruierten Mechanismus zur U n t e r j o c h u n g des produktiven unter das Geldkapital zu durchleuchten. D e n n o c h wird der zeitliche Beginn der Fallstudien flexibel gehandhabt werden. Überall dort, w o Entwicklungen oder Ereignisse der 1870er Jahre das weitere Verhältnis des betreffenden U n t e r n e h m e n s zu seinen Banken beeinflußten oder sich besonders markante Konstellationen in den Beziehungen von Banken und

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Industrie ergaben, w i r d selbstverständlich nach v o r n e über das J a h r 1880 hinausgegriffen. Welche Quellen w u r d e n in die empirische U n t e r s u c h u n g einbezogen? D e n einzelnen Fallstudien liegen Materialien aus folgenden A r c h i v e n z u grunde: 1. Zentrales Staatsarchiv der D D R , P o t s d a m 2. Zentrales Staatsarchiv der D D R , M e r s e b u r g 3. Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d 4. Archiv b e i m B e r g b a u m u s e u m , B o c h u m 5. Haniel Archiv, D u i s b u r g (vormals Historisches Archiv der G H H ) 6. Historisches Archiv der Friedr. K r u p p G m b H , Essen 7. Archiv der M a n n e s m a n n A G , D ü s s e l d o r f 8. Siemens Archiv, M ü n c h e n 9. Archiv der T h y s s e n A G , D u i s b u r g 3 2 Dabei ließ sich, abgesehen v o n einigen Periodika, w i e Tageszeitungen, J a h r b ü c h e r n etc., die a m R a n d e in die U n t e r s u c h u n g a u f g e n o m m e n w u r den, das Verhältnis der U n t e r n e h m e n zu ihren B a n k e n u n d die E n t w i c k l u n g der dieses Verhältnis erklärenden A k k u m u l a t i o n s v a r i a b l e n i m wesentlichen aus den folgenden f ü n f Quellenarten rekonstruieren: a) Geschäftsberichte u n d Bilanzen, b) Sitzungsprotokolle der einzelnen U n t e r n e h m e n s g r e m i e n u n d Listen über Kapitaleigentum, c) K o r r e s p o n d e n z e n zwischen den Finanzabteilungen der I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n u n d den jeweiligen Geschäftsbanken, d) persönliche Nachlässe u n d A k t e n n o t i z e n der an der Gestaltung der B a n k b e z i e h u n g e n der S a m p l e - U n t e r n e h m e n beteiligten dramatis personae, e) U n t e r l a g e n über die Kapitaltransaktionen der U n t e r n e h m e n . N a t u r g e m ä ß w a r f die A u s w e r t u n g dieses Materials ein K o n g l o m e r a t v o n P r o b l e m e n auf, deren gravierendstes sich auf den adäquaten U m g a n g m i t d e m in den Bilanzen v o r g e f u n d e n e n Zahlenmaterial bezieht. D e n n aus d e m unterschiedlichen Abstraktionsniveau v o n T h e o r i e u n d E m p i r i e entsteht ein gravierendes kategorielles P r o b l e m i m Hinblick auf die statistische E r f a s s u n g der in u n s e r e m Z u s a m m e n h a n g interessierenden Spezifika des A k k u m u l a tionsprozesses meiner Beispielunternehmen. W ä h r e n d sich nämlich ihre theoretische Analyse g e m ä ß m e i n e m Ansatz in Begriffen der M a r x s c h e n Werttheorie vollzieht, erscheinen diese Begriffe selbstverständlich eben nicht u n m i t t e l b a r als empirisch vorfindliche D a t e n - besteht doch das Anliegen der Werttheorie gerade darin, die empirisch konstatierbare O b e r f l ä chenerscheinung, den M a r k t p r e i s , auf seine Substanz, den Wert, z u r ü c k z u f u h r e n . Die B e w e g u n g der in der theoretischen Diskussion als relevant identifizierten A k k u m u l a t i o n s v a r i a b l e n ist also nicht direkt - e t w a ü b e r die A u s w e r t u n g v o n Bilanzzahlen - m e ß b a r . D a m i t aber steht m a n v o r d e m schwierigen P r o b l e m , diese Variablen - u n d dabei handelt es sich v o r allem u m die Profitrate - über I n d i k a t o r e n b i l d u n g befriedigend zu a p p r o x i m i e -

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ren. 3 3 Dem Versuch, dieses Problem zu lösen, wird ein eigenes kurzes Kapitel gewidmet werden. Neben dem Hinweis auf dieses sich aus meinem theoretischen Ansatz notwendig ergebende zentrale Problem der statistischen Analyse sind einige weitere quellenkritische Anmerkungen notwendig, die mir allerdings charakteristisch für historisches Arbeiten schlechthin zu sein scheinen: Nicht für alle Unternehmen des Samples ist die Quellenlage gleich aufschlußreich. In manchen Fällen ist man für längere Zeiträume auf einen spärlichen Informationsfluß verwiesen, so daß die Untersuchungsergebnisse partiell nur hypothetisch formulierbar sind. Insgesamt stehen einigen quellenmäßig sehr solide fundierbaren Fallstudien (Krupp, Siemens, Mannesmann, Thyssen, Rheinstahl) andere, etwas weniger gut dokumentierte Unternehmen gegenüber. Ganz allgemein wird die Aktenüberlieferung in allen Fällen gegen Ende des Untersuchungszeitraums hin wesentlich dichter, was unter U m ständen tendenzielle Veränderungen im Verhältnis von Banken und Industrie suggerieren könnte, die nicht eine reale Entwicklung spiegeln, sondern lediglich durch einen Mangel an Informationen für frühere Phasen künstlich erzeugt werden. Schließlich ist der Historiker, der sich mit dem Verhältnis von Banken und Industrie beschäftigt, - zumindest noch für meinen Untersuchungszeitraum - ausschließlich verwiesen auf schriftliche Quellen. Mündliche Absprachen, Verhandlungen, Konflikte etc., die mit Sicherheit einen wesentlichen Bereich der Kontakte zwischen den jeweils verantwortlichen Industriemagnaten und Bankiers ausmachten, fallen zwangsläufig durch das Netzwerk auch des gründlichsten Quellenstudiums. Indessen ist es sehr erstaunlich, wie minutiös sich gerade diese informellen Kontakte oft in langen Aktennotizen und Korrespondenzen, die in den Nachlässen der beteiligten Personen erhalten sind, niederschlagen - wohl aus dem Bedürfnis heraus, beabsichtigte Geschäfte oder geschäftspolitische Strategien nicht auf der Ebene letztlich unverbindlicher Konversation zu belassen, oft aber auch bedingt durch die kontinuierliche räumliche Distanz mehrerer Entscheidungsträger, die in ihren Beschlüssen voneinander und von gegenseitiger Information abhängig waren. Trotz all dieser, letztlich in der Natur einer historischen Untersuchung liegenden quellenkritischen Vorbehalte wird die Fundierung der in den neun Fallstudien vorgelegten empirischen Resultate deutlich machen, daß ihrer Verläßlichkeit gegenüber nicht mehr und nicht weniger Skepsis am Platzeist als gegenüber allen anderen Aussagen, die sich auf eine Quellenbasis stützen, welche eo ipso lediglich einen Ausschnitt einer komplexen historischen Realität beleuchten kann. Aus der einleitenden Präsentation von Gegenstand, Fragestellungen, Methodik, Motivation, sowie Grenzen und Möglichkeiten dieser Arbeit ergibt sich nun für ihre Gliederung folgende Architektur: Der logischen Rekonstruktion der Hilferdingschen Argumentation im Finanzkapital, soweit sie sich auf das Verhältnis von Banken und Industrie bezieht, folgt ihre kritische 23

Diskussion, deren theoretisches Ergebnis in der Antwort auf die Frage bestehen soll, ob sich auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen eine Suprematie der Banken über die Industrie schlüssig als Perspektive kapitalistischer Entwicklung begründen läßt oder nicht. Gleichzeitig wird diese Diskussion die Formulierung der erkenntnisleitenden Fragestellungen für den empirischen Teil meiner Arbeit ermöglichen. Bevor an Hand von neun Fallstudien entlang dieser Fragestellungen dann die Anwendbarkeit der Hilferdingschen Thesen auf die Schwer- und Elektroindustrie im deutschen Reich vor 1914 überprüft werden kann, muß zunächst noch einmal das methodische Problem der logischen Differenz zwischen theoretischer Begrifflichkeit und empirisch auffindbaren Daten aufgegriffen werden, um zu einer adäquaten Indikatorenbildung für den statistischen Zugriff auf die Unternehmen des Samples zu gelangen. Im Anschluß daran wird eine Zusammenfassung der in der Literatur vertretenen Auffassungen zu den Funktionen der Banken in der deutschen Industrialisierung und den sich daraus ergebenden Besonderheiten des Verhältnisses zwischen Bank- und Industriekapital in diesem Land den empirischen Teil eröffnen, dessen Kernstück in der detaillierten Untersuchung der zum Sample gehörenden Unternehmen besteht. Dem abschließenden Schlußteil wird es dann vorbehalten bleiben, noch einmal die Brennpunkte der theoretischen Diskussion zusammenzufassen und die empirischen Ergebnisse der Einzelstudien zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.

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1. Das Verhältnis von Banken und Industrie in Rudolf Hilferdings »Finanzkapital« 1

Wie in der Einleitung herausgearbeitet wurde, postuliert Hilferding die Herrschaft der Banken über die Industrie als notwendiges und allgemeines Resultat der kapitalistischen Entwicklungsgesetze und damit als früher oder später in jeder kapitalistischen Wirtschaft auftretendes Phänomen. Damit stellt sich die Frage nach der logischen Kette, die im Rahmen des Marxschen Systems der Kritik der politischen Ökonomie die Dominanz des Bank- über das Industriekapital erzwingen soll. Ausgangspunkt für Hilferdings Argumentation ist der kapitalistische Konkurrenzkampf. Dieser diktiert dem individuellen Kapitalisten das Bestreben, seine Profitrate zu maximieren. Da aber die Inanspruchnahme von Kredit ein Mittel ist, um die Profitrate zu steigern, wird sie für jeden einzelnen Unternehmer zur vom Konkurrenzkampf aufgeherrschten N o t wendigkeit. 2 Zunächst, in der Anfangsphase der kapitalistischen Entwicklung, nimmt der Kredit im wesentlichen die Form von kurzfristigem Kredit (- bei Hilferding »Zirkulationskredit« genannt - ) an. Aber mit der fortschreitenden Entwicklung der Produktivkräfte, die eine enorme Erhöhung der technischen und organischen Zusammensetzung des Kapitals mit sich bringt und dem fixen Kapitalteil stets steigende Bedeutung zuweist, tritt immer mehr der »Kapitalkredit«, der auf das fixe Kapital sich beziehende langfristige Kredit, in den Vordergrund. 3 Aber gerade an diesem Punkt der Entwicklung, wo der Kapitalkredit zur verbreiteten Erscheinung wird und den Zirkulationskredit von seiner ökonomischen Bedeutung her überflügelt, liegt der entscheidende Wendepunkt für das Verhältnis zwischen Banken und Industrie, sowohl bezüglich des subjektiven Interesses der Banken an einer Beherrschung der Industrie, als auch, was die objektiven Realisierungschancen einer solchen Beherrschung angeht. Solange die Banken der Industrie hauptsächlich Zirkulationskredit gewähren, haben sie weder die Absicht noch die Möglichkeit, die Industrie zu dominieren. Denn dieser Kredittyp impliziert zunächst nur ein Interesse der kreditgebenden Bank an der kurzfristigen Liquidität des betreffenden Unternehmens. Darüberhinaus muß eine weitgehende und unerwünschte Einflußnahme der Bank in diesem Stadium der Entwicklung von vornherein an der relativ problemlosen Liquidierbarkeit des Kreditverhältnisses scheitern, die daraus resultiert, daß 25

der Zirkulationskredit eben nur in zirkulierende Kapitalteile verauslagt wird und somit - unter der Voraussetzung nicht stockender Zirkulation - nach einer Umschlagsperiode des Kapitals ablösbar ist. 4 Sobald aber mit der G e w ä h r u n g von Kapitalkredit die langfristige Festlegung von Bankgeldern in Industrieunternehmen einhergeht, wächst schlagartig das Interesse der Bank einerseits am ökonomischen Schicksal des betreffenden U n t e r n e h m e n s u n d andererseits daran, die Geschäftspolitik des U n t e r n e h m e n s in ihrem Sinne zu beeinflussen. 5 Mit d e m Interesse der Bank an der Kontrolle des U n t e r n e h m e n s wachsen i m Z u s a m m e n h a n g mit d e m Kapitalkredit gleichzeitig auch ihre Möglichkeiten dazu. Ansatzpunkt dafür ist der Formunterschied zwischen d e m Zirkulationskredit (kurzfristiger Kredit) u n d d e m Kapitalkredit (langfristiger Kredit). D e n n w ä h r e n d ein U n t e r n e h m e n den i h m gewährten Zirkulationskredit i m Allgemeinen nach einer Umschlagsperiode in Geldform reproduziert hat und mit seiner Liquidierung dann auch seine Bankverbindung liquidieren kann, bedeutet die A u f n a h m e v o n Kapitalkredit oft sehr langfristige Verschuldung und A b h ä n gigkeit, die verursacht wird durch den langen Zeitraum, den die R e p r o d u k tion des Kapitalkredits in Geldform als Voraussetzung seiner Rückzahlbarkeit in Anspruch n i m m t . »Das U n t e r n e h m e n bleibt an die Bank g e b u n den.« 6 Z w a r existiert diese Bindung auch umgekehrt, denn aufgrund ihres finanziellen Engagements in einem U n t e r n e h m e n m u ß die Bank natürlich ein Interesse an dessen Gedeihen haben, so daß man eigentlich v o n einer Art >Schicksalsgemeinschaft< ausgehen kann. Dennoch, so Hilferding, ist innerhalb dieser Gemeinschaft die Bank dominierend. Z u r B e g r ü n d u n g dieser These fuhrt er zwei A r g u m e n t e an: erstens die höhere Flexibilität der Banken als Träger von Geldkapital gegenüber den industriellen Kapitalisten, deren Kapital als Produktions- bzw. Warenkapital fixiert u n d damit relativ i m m o bil ist; zweitens nennt er die im allgemeinen überlegene Kapitalgröße der Bank im Vergleich z u m industriellen U n t e r n e h m e n , die sie »relativ unabhängig der einzelnen Transaktion gegenüber macht, während f ü r das U n t e r nehmen v o n dieser Transaktion vielleicht alles abhängt«. 7 Festzuhalten ist also, daß mit der Gewährung von Kapitalkredit an ein U n t e r n e h m e n der Grundstein für die Herrschaft der entsprechenden Bank bzw. der entsprechenden Banken f ü r dieses U n t e r n e h m e n gelegt ist. D e r Hebel für die U n t e r o r d n u n g der Industrie unter die Banken ist demnach letztentlich die zwangsläufige Abhängigkeit der Industrie von langfristigem Kredit. An dieser Stelle ist kurz anzumerken, daß mit der Verbreitung der U n t e r n e h m e n s f o r m der industriellen Aktiengesellschaft die Bereitstellung von langfristigen Industriekrediten für die Banken zunehmend attraktiver, weil weniger risikoreich w i r d . 8 Ist mit der Entwicklung des Kapitalkredits auf breiter Front erst einmal die Grundlage für die Abhängigkeit der Industrie von den Banken konstituiert, sind es vor allem zwei Faktoren, welche diese Abhängigkeit sowohl des

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einzelnen U n t e r n e h m e n s als auch der Industrie als ganzer kontinuierlich weiter vertiefen u n d irreversibel machen: erstens der tendenzielle Fall der Profitrate u n d zweitens der M o n o p o l i s i e r u n g s p r o z e ß innerhalb der I n d u strie. Hilferdings B e g r ü n d u n g f u r den Fall der Profitrate ist nichts anderes als eine Z u s a m m e n f a s s u n g der v o n M a r x i m dritten B a n d des Kapitals gelieferten A r g u m e n t a t i o n : eine v o n der kapitalistischen K o n k u r r e n z e r z w u n g e n e u n d d u r c h die W i r k u n g e n des Kapitalkredits intensivierte - f o r t w ä h r e n d e P r o d u k t i v k r a f t s t e i g e r u n g schlägt sich unter kapitalistischen Verhältnissen n o t w e n d i g in einer tendenziellen E r h ö h u n g der organischen Kapitalzusamm e n s e t z u n g nieder, die ihrerseits f u r den tendenziellen Fall der Profitrate v e r a n t w o r t l i c h ist. 9 Eine sinkende Profitrate zeitigt aber sinkende A k k u m u lationsfähigkeit. Diese w i e d e r u m ist gleichbedeutend m i t a b n e h m e n d e n Möglichkeiten eines U n t e r n e h m e n s zur P r o d u k t i v k r a f t s t e i g e r u n g . Das aber verschlechtert seine K o n k u r r e n z p o s i t i o n u n d verweist es auf weitere l a n g f r i stige Kredite v o n Seiten der B a n k e n . D i e zweite Tendenz, die nach Hilferding die Herrschaftsposition der B a n k e n stabilisiert, geht aus v o n der Monopolisierung innerhalb der Industrie. M o n o p o l i s i e r t e Industrien arbeiten, so seine A r g u m e n t a t i o n , m i t einer M o nopolprofitrate, die über d e m D u r c h s c h n i t t liegt, was f ü r die B a n k e n die Attraktivität v o n Kapitalanlagen in diesen Bereichen e r h ö h t u n d ihre A u s w e i t u n g zur Folge hat. Diese A u s w e i t u n g w i r d auch bedingt durch die f ü r die B a n k e n sich ergebende N o t w e n d i g k e i t , ihre D e p o s i t e n profitabel zu verzinsen, was in d e m hierfür traditionellen Bereich, d e m Handel, laut Hilferding i m m e r schwerer w i r d , da dessen ö k o n o m i s c h e s G e w i c h t sich stark rückläufig entwickelt. M i t der Zeit n i m m t das E n g a g e m e n t der B a n ken in den entsprechenden Industriezweigen solche D i m e n s i o n e n an, daß ein entscheidender Teil der in der Industrie arbeitenden Gelder v o n den B a n k e n kontrolliert w i r d . Dieses Kapital, welches die B a n k e n aus der Sphäre des Leihkapitals in die des p r o d u k t i v e n Kapitals verlagern, definiert Hilferding als das Finanzkapital: »Ich nenne das Bankkapital, also Kapital in Geldform, das auf diese Weise in Wirklichkeit in industrielles Kapital verwandelt ist, das Finanzkapital.« 10 E r w ä h n t w e r d e n m u ß noch, daß Hilferding z w a r die U n t e r o r d n u n g der Industrie unter die B a n k e n postuliert, nicht aber die der Industriekapitäne unter die B a n k m a g n a t e n . E r geht vielmehr v o n einer Verschmelzung beider G r u p p e n zur Personalunion a u s . 1 1 Ü b e r b l i c k t m a n die Hilferdingsche A r g u m e n t a t i o n , so entsteht die S u p r e matie der B a n k e n über die Industrie aus der industriellen A b h ä n g i g k e i t v o n langfristigem B a n k k r e d i t u n d g e w i n n t ihre Endgültigkeit logisch letztlich in erster Linie aus d e m M a r x s c h e n T h e o r e m v o m tendenziellen Fall der P r o f i t rate. D i e K o n s t r u k t i o n eines E n t w i c k l u n g s m e c h a n i s m u s , der die H e r r s c h a f t des Bankkapitals über das Industriekapital h e r b e i f ü h r e n soll, sagt aber f ü r 27

sich gesehen n o c h nichts über die Substanz dieser Herrschaft aus. H i l f e r d i n g u n t e r n i m m t i m Finanzkapital nicht den Versuch ihrer exakten definitorischen B e s t i m m u n g , d o c h lassen sich aus seiner A r g u m e n t a t i o n drei T e n d e n zen herauskristallisieren, in denen die D o m i n a n z der B a n k e n über die I n d u strie ihren A u s d r u c k findet: 1. ein steigender Anteil des Zinses a m industriellen Profit; 2. die A n e i g n u n g des G r ü n d e r g e w i n n s d u r c h die Banken; 3. ein entscheidender Einfluß der B a n k e n auf die Geschäftspolitik ihrer industriellen Klientel in Fragen, die ihre Interessen mittelbar oder u n m i t t e l bar tangieren. Z u 1) Die T h e s e v o m steigenden Anteil des Zinses a m industriellen Profit basiert bei Hilferding auf zwei theoretischen Postulaten: erstens sinkt die Profitrate in entwickelten kapitalistischen Verhältnissen langfristig t e n d e n ziell ab, zweitens k a n n der Z i n s f u ß , dessen H ö h e b e s t i m m t w i r d d u r c h A n g e b o t u n d N a c h f r a g e nach Leihkapital, langfristig lediglich steigen oder k o n s t a n t bleiben, niemals aber sinken. Impulse zur Steigerung des Z i n s f u ß e s leitet er aus d e m Verlauf des kapitalistischen Krisenzyklus ab. Wenn sich a m E n d e der Prosperitätsphase die Wechsel nicht m e h r reibungslos k o m p e n s i e r e n , entsteht die Tendenz, K r e ditgeld d u r c h Bargeld zu ersetzen. Es verschärft sich also die N a c h f r a g e der Industriellen nach Bargeld, was f ü r die B a n k e n die Gelegenheit bedeutet, den Zinssatz zu erhöhen. Ein Absinken des Z i n s f u ß e s dagegen hält H i l f e r ding f u r u n m ö g l i c h , w o b e i er diese Frage auf die Verhältnisse des G o l d s t a n dards restringiert: »Eine Tendenz zum Sinken des Zinsfußes wäre, an die Voraussetzung geknüpft, daß das Verhältnis des vorhandenen Goldschatzes zu der Nachfrage ständig günstiger würde, das heißt, daß der Goldschatz rascher wüchse als die Nachfrage nach Leihkapital. Eine solche Tendenz zum ständigen Sinken des Zinsfußes läßt sich. in der Tat nicht postulieren. . Da der Zinsfuß in entwickelten Verhältnissen sich wenig ändert, die Profitrate dagegen sinkt, so wächst im gewissen Grade der Anteil des Zinses am Gesamtprofit gegenüber dem Unternehmergewinn, also der Anteil der müßigen Kapitalisten auf Kosten der funktionierenden. « 12 Bei Hilferding lösen m i t h i n v o n i h m als allgemeingültig unterstellte Verw e n d u n g s t e n d e n z e n des p r o d u k t i v e n Kapitals einerseits u n d des zinstragenden Kapitals andererseits den Verteilungskonflikt bezüglich des G e s a m t p r o fits automatisch in der Tendenz z u g u n s t e n der B a n k e n . Z u 2) D e r Begriff des » G r ü n d e r g e w i n n s « ist eine zentrale Kategorie f u r das G e d a n k e n g e b ä u d e Hilferdings. E r ist eine der wichtigsten Profitquellen der B a n k e n u n d entsteht i m Z u s a m m e n h a n g mit der E m i s s i o n v o n Aktien. D i e ö k o n o m i s c h e G r u n d l a g e f ü r den G r ü n d e r g e w i n n ist die in der Regel g r ö ß e r e prozentuale H ö h e der D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e g e g e n ü b e r d e m Z i n s f u ß . Ein I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n , das g e g r ü n d e t oder in eine A k t i e n g e sellschaft v e r w a n d e l t w e r d e n soll u n d auf sein Kapital D u r c h s c h n i t t s p r o f i t 28

realisiert bzw. wahrscheinlich realisieren wird, erwirtschaftet (- eben weil der Durchschnittsprofit höher liegt als der Zinsfuß - ) einen größeren Gewinn als ein gleichgroßes zinstragendes Kapital. Die Profitmasse dieses industriellen Kapitals reicht also aus, um ein (unter Umständen wesentlich) höheres zinstragendes Kapital angemessen zu verzinsen. Da das in Aktien angelegte Geld für den Aktionär aber die Form von zinstragendem Kapital annimmt, hat sich die Dividende am herrschenden Zinsfuß zu orientieren. Die durch die Aktienemission aufgebrachte Geldsumme muß also lediglich verzinst werden. Daher kann der Kaufpreis der emittierten Aktien höher liegen als die Summe, die wirklich in industrielles Kapital verwandelt wird. »Es ist diese Differenz, die als >Gründergewinn< erscheint, eine Quelle des Gewinns, die nur aus der Verwandlung des profittragenden in die Form des zinstragenden Kapitals entspringt.« 13

Diese Argumentation ist natürlich nicht an den Gründungsakt einer Aktiengesellschaft oder die Umwandlung eines Unternehmens anderer Rechtsform in eine solche gebunden, sondern besitzt Gültigkeit genauso für alle folgenden Erhöhungen des Aktienkapitals. 14 Die Herrschaft der Banken über die Industrie findet nun laut Hilferding ihren Niederschlag darin, daß es die Banken sind, die sich den Gründergewinn einstreichen. 15 . Zu 3) Der Annahme eines entscheidenden Einflusses der Banken auf die industrielle Geschäftspolitik liegt eine sehr simple Idee zugrunde. Wegen der von Hilferding unterstellten allgemeinen Abhängigkeit der Industrie von langfristigem Bankkredit und ihrer Vermittlerrolle zum Kapitalmarkt können sich die industriellen Unternehmen den Wünschen ihrer Geschäftsbanken nach einer Präsenz in ihren Gremien, insbesondere im Aufsichtsrat, nicht verschließen. Diese Präsenz und die - langfristige oder punktuell zielgerichtete - Verfügung über hinreichend große industrielle Aktienpakete, die den Banken die entscheidende Stimme in den Generalversammlungen verschaffen, sind die Formen, in denen sich die Herrschaft der Banken über die Industrie institutionalisiert. Aktienbesitz und Aufsichtsratspräsenz ermöglichen der Bank laut Hilferding nicht nur, auf eine profitable Entwicklung des Unternehmens hinzuwirken, um die ihm gewährten Kredite zu sichern und ihre Verzinsung zu gewährleisten, sondern geben ihnen auch die institutionelle Macht, dem Geschäftsgebahren des jeweils betreffenden Industriekapitals ihre Interessen aufzuoktroyieren, es insbesondere fest an sich zu binden. 1 6 Nachdem ich nun die theoretische Konzeption nachgezeichnet habe, mit der Hilferding versucht, eine sich ständig vertiefende Herrschaft der Banken allgemein nachzuweisen und inhaltlich zu besetzen, bleibt noch die Frage, worin er die ökonomischen Konsequenzen dieser Entwicklung sieht. U m diese Konsequenzen zu erfassen, ist die Herrschaft der Banken über die Industrie einzuordnen in den Zusammenhang des industriellen Monopolisierungsprozesses . 29

Der Monopolisierungsprozeß innerhalb der Industrie ist nach Hilferding eine Entwicklung, die sich zwingend aus den kapitalistischen Entwicklungsgesetzen der industriellen Sphäre ergibt. Er ist also ein jeder kapitalistischen Wirtschaft immanentes, gesetzmäßig auftretendes Phänomen, das hinsichtlich seiner Existenz unabhängig vom Einfluß der Banken ist. Diese Feststellung gilt aber nicht für den konkreten Verlauf des Monopolisierungsprozesses. Denn dieser wird durch die Banken beschleunigt. 17 Erstens nämlich arbeitet normalerweise ein Unternehmen in einem monopolisierten Industriebereich langfristig mit einer überdurchschnittlich hohen Profitrate, eben einer Monopolprofitrate. Dies hebt den Gründergewinn der Banken, mit denen das Unternehmen verbunden ist. 18 Zweitens aber bewirkt die Konzentration im Bankwesen die gleichzeitige Beteiligung ein- und derselben Bank an vielen Unternehmen. Stehen nun diese Unternehmen in Konkurrenz zueinander, so bedeutet dies die zwangsläufige Schädigung der Bankinteressen, schon deshalb - so Hilferding - das Interesse der Banken an einer Kartellierung der entsprechenden Industriebereiche: »Der Sieg dieses Unternehmens ist die Niederlage anderer, an denen die Bank gleichfalls interessiert war. . . . Daher ist das Streben der Banken nach Ausschaltung der Konkurrenz zwischen den Werken, an denen sie beteiligt ist, ein absolutes. Daher das Streben der Banken nach Herstellung des Monopols.« 19

Die logische Konsequenz dieser Konstellation ist, daß die Banken ihre Machtposition gegenüber der Industrie benutzen, um die Kartellierung in vielen industriellen Sparten bereits zu einem Zeitpunkt durchzusetzen, zu dem sinkende Profitraten und der sich verschärfende Konkurrenzkampf sie noch nicht als kategorischen Imperativ diktieren. 20 Die beschleunigte und großdimensionale Kartellierung der Industrie erzwingt aber auch im Bankensektor eine analoge Entwicklung: »Eine weit fortgeschrittene Kartellierung wirkt von vornherein dahin, daß auch die Banken sich zusammenschließen und sich vergrößern, um dem Kartell oder Trust gegenüber nicht in Abhängigkeit zu geraten. « 21

Auch entsteht eine Zusammenschluß- und Vergrößerungstendenz im Bankensektor mit der Kartellbewegung innerhalb der Industrie daher, weil durch letztere solche Banken, die sich bisher wegen des Konkurrenzkampfes ihrer industriellen Klientel gegenüberstanden, nun gemeinsame Interessen bekommen, und weil ein Kartell eine Großbank voraussetzt, »die imstande ist, dem gewaltigen Zahlungs- und Produktionskredit einer ganzen Industriesphäre stets zu genügen«. 22 Von der Konzentrationsbewegung im Bankensektor wiederum geht über die Harmonisierung bisher entgegengesetzter Bankinteressen eine weitere Beschleunigung der industriellen Monopol-, insbesondere der Kartellentwicklung aus usw. Der Endpunkt dieser Spirale schließlich ist theoretisch 30

die Entstehung des die gesamte Ökonomie umfassenden Generalkartells des zum Finanzkapital verschmolzenen Bank-, Industrie- und sonstigen Kapitals, in dem wiederum die Banken die dominierende Position einnehmen: »Die ganze kapitalistische Produktion wird bewußt geregelt von einer Instanz, die das Ausmaß der Produktion in allen Sphären bestimmt.« 2 3

Soweit Rudolf Hilferding.

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2. Hilferding in der Kritik 1

2.1. Die Problematik des Herrschaftsbegriffs Eine wesentliche methodische Schwäche des »Finanzkapitals« liegt in d e m Fehlen einer definitorischen Präzisierung des zugrundeliegenden H e r r schaftskonzeptes. Dieser Mangel zieht unter anderem eine unzureichende Differenzierung zwischen der ökonomischen Substanz einer Bankensuprematie über die Industrie und ihren Institutionalisierungsformen in Hilferdings Argumentation nach sich. Dennoch ermöglicht die explizite R e d u k tion der dort implizit enthaltenen inhaltlichen B e s t i m m u n g einer B a n k e n d o minanz auf die drei im letzten Kapitel benannten K o m p o n e n t e n 2 u n d ihre Relativierung durch die Eingebundenheit sowohl des zinstragenden als auch des produktiven Kapitals in den Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals die Entwicklung eines adäquaten Begriffes einer potentiellen Herrschaft der Banken über die Industrie. Eine solche Herrschaft ist begrifflich nur faßbar über die A u f f i n d u n g der durch diese Eingebundenheit determinierten gemeinsamen und gegensätzlichen Interessen beider Kapitalfraktionen. Dabei ergibt sich zunächst ein breites Spektrum gemeinsamer Interessen über die Implikationen des von Hilferding so stark betonten langfristigen Kredits. D e n n die langfristige Investition von Bankkapital in konstantes fixes Industriekapital u n d seine damit verbundene Immobilisierung erzwingt notwendig, gerade w e n n sie in großen Dimensionen erfolgt, gleichgerichtete Interessen beider Seiten hinsichtlich einer reibungslosen Kapitalverwertung des betreffenden industriellen U n t e r n e h m e n s - bedeutet doch eine stockende Kapitalverwertung des produktiven Kapitals in diesem Fall automatisch eine stockende Verzinsung des Leihkapitals. Andererseits entsteht aus d e m Z w a n g und Wunsch zur Profitmaximierung, der j e d e m individuellen Kapital unabhängig von seiner Anlagesphäre eignet, eine Reihe von potentiellen Konfliktfeldern im Verhältnis von Banken u n d Industrie: erstens stellen die Verzinsung des der Industrie von den Banken zur Verfugung gestellten Leihkapitals sowie die Entlohnung ihrer sonstigen Dienstleistungen - etwa bezüglich der Rationalisierung des Zahlungsverkehrs - Abzüge v o m Profit des produktiven Kapitals dar. Die Stipulierung ihrer H ö h e läuft auf die Frage nach der Teilung des Profits in Unternehmer- und Bankgewinn hinaus. Zweitens resultieren aus der Vermittlerfunktion der Banken zwischen Industrie und Kapitalmarkt 32

zwangsläufig kontroverse Interessen hinsichtlich der Teilung der im Zuge von Anleihen und Kapitalerhöhungen mobilisierten Kapitalmasse. Drittens schließlich ist wahrscheinlich, daß sich aus Vielfalt der Industriebeziehungen einer Bank u n d der Konkurrenz unter den Banken Wünsche und Forderungen bezüglich der Gestaltung der Geschäftspolitik der jeweiligen industriellen Klientel ergeben - Exklusivität der Bankverbindungen, Bereitschaft zu kartellmäßigen Zusammenschlüssen, Berücksichtigung bestimmter Geschäftspartner etc. -, die nicht mit der spezifischen Interessenlage ihrer industriellen Partner koinzidieren. Eine Herrschaft der Banken über die Industrie nun m ü ß t e sich materialisieren in der Majorisierung der Industrie- durch die kontroversen Bankinteressen auf diesen drei Spannungsfeldern. Hilferding entwickelt zwar aus der Existenz dieser Konfliktbereiche definitorisch keinen konsistenten Begriff einer Bankensuprematie über die Industrie, doch bezieht er sich - m . E. realistischerweise - bei der Beschreib u n g der Ausdrucksformen dieser Suprematie implizit i m m e r auf einen der benannten Interessengegensätze, die in der funktionalen Aufeinanderbezogenheit beider Kapitalfraktionen angelegt sind. Was er allerdings nicht sieht, ist, daß aus der gegenseitigen funktionalen D u r c h d r i n g u n g der Kreislaufprozesse von zinstragendem u n d profittragendem Kapital eine durchaus ambivalente Interessenlage der Banken resultiert. D e n n das Zusammenspiel von industriellem K o n k u r r e n z k a m p f und langfristiger Gläubigerposition der Banken verbietet - bei Strafe des Verlustes oder im Extremfall gar der Kapitalvernichtung - a priori eine k o m p r o m i ß l o s e Nichtberücksichtigung der Verwertungsinteressen ihrer jeweiligen industriellen Antipoden. Eine Herrschaft der Banken über die Industrie ist deshalb - zumindest als Strukt u r m e r k m a l des gesellschaftlichen Gesamtkapitals - eo ipso nur als relative denkbar, deren Grenze sich allgemein aus der Beschränkung der H a n d l u n g s autonomie sowohl des Bank- als auch des Industriekapitals durch ihre Eingebundenheit in den Reproduktionsprozeß des Gesamtkapitals ergibt. Konkret bedeutet dies, daß in Konfliktfällen die Banken die Untergrenze ihrer Kompromißbereitschaft von vornherein an der ökonomischen Überlebensfähigkeit ihres betreffenden industriellen Geschäftspartners zu orientieren haben. 3 - Nichtsdestoweniger ist es möglich, im R a h m e n des - im konkreten Fall mehr oder weniger engen - Spielraums, den die H a n d l u n g s vorgaben des jeweiligen Reproduktionskontextes abstecken, in Anlehnung an Hilferding die K o m p o n e n t e n einer solchen potentiellen relativen Herrschaft der Banken über die Industrie zu benennen - deren Grenzen Hilferding selbst indessen weitgehend ignoriert. D e m g e m ä ß soll in dieser Arbeit von einer voll entfalteten (relativen) Beherrschung eines industriellen U n t e r n e h m e n s durch seine Bank(en) gesprochen werden, w e n n diese in der Lage sind, 1. sich einen steigenden Anteil des Unternehmensprofits als Zins anzueignen; 2. den bei Kapitaltransaktionen anfallenden Gründergewinn tendenziell zu absorbieren;

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3. die Geschäftspolitik des Unternehmens in Fragen, die ihre Interessen betreffen, zu diktieren. An den Teilungsverhältnissen des Gesamtprofits und des Gründergewinns sowie an der Frage nach Existenz und Modalitäten einer Koordinierung der Geschäftspolitik muß sich jeweils entscheiden, ob sich im Ablauf der Zeit im Einzelfall die Herausbildung einer Hierarchie im Verhältnis eines Industrieunternehmens zu seinen Banken konstatieren läßt oder nicht. D a bei sind in Abhängigkeit von den jeweiligen individuellen Verwertungsbedingungen der betreffenden Kapitale verschiedenste und sich wandelnde Konstellationen und Nuancen denkbar, von der (mehr oder weniger ausgeprägten) Dominanz der einen oder anderen Seite bis hin zur völligen gegenseitigen Unabhängigkeit. Im empirischen Teil wird es darum gehen, diese Konstellationen für neun Unternehmen herauszuarbeiten und der Frage nachzugehen, ob sich die Ergebnisse der Fallstudien zu einer griffigen, formelhaft faßbaren Gesamttendenz verdichten lassen oder nicht. Die B e schreibung des Verhältnisses von Banken und Industrie anhand der drei formulierten Kriterien liefert aber noch nicht seine Erklärung. Hilferding hält die Tendenz derjenigen Variablen der kapitalistischen Reproduktion, die die gesamt-gesellschaftlich relevanten Bestimmungsfaktoren für dieses Verhältnis bilden - und damit natürlich auch seine konkrete Ausprägung für den durchschnittlichen Fall - für theoretisch auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen deduzierbar, so daß die Herausbildung einer Bankenherrschaft über die Industrie bei ihm als notwendige historische Konkretisierung einer allgemein prognostizierbaren Entwicklung figuriert. Der Kritik dieser Position werde ich mich nun zuwenden und dabei zwangsläufig ein Erklärungsmodell für das empirisch tatsächlich vorfindliche Verhältnis zwischen den zu meinem Untersuchungssample gehörenden Unternehmen und ihren Banken von 1880 bis 1914 formulieren.

2.2. Das Theorem v o m tendenziellen Fall der Profitrate als logisch notwendige Bedingung in Hilferdings Argumentation Nach Hilferding dient die Kreditabhängigkeit der Industrie den Banken als Hebel, um ihre Herrschaft über das industrielle Kapital zu etablieren. Der erste entscheidende Markstein auf diesem Weg ist die Inanspruchnahme von Kapitalkredit seitens der Industrie, die ihr durch den Konkurrenzkampf aufgezwungen wird. Ist durch eine solche Inanspruchnahme erst einmal ein Abhängigkeitsverhältnis konstituiert, vertieft sich dieses langfristig immer mehr durch das Sinken der Profitrate und den im Zusammenhang mit der Monopolisierung der Industrie noch steigenden Einfluß der Banken. Die Herrschaft der Banken über die Industrie gewinnt also in seiner Theorie den Charakter eines zwangsläufigen und irreversiblen Resultates der kapitalistischen Entwicklung über die sich kontinuierlich verstärkende Erlah-

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m u n g der industriellen Akkumulationsfähigkeit, die es den Banken erlaubt, die Teilung des Gesamtprofits in industriellen Profit und Zins in der Tendenz prozentual zu ihren Gunsten zu verändern und damit die Abhängigkeit der Industrie von langfristigen Bankkrediten i m m e r weiter zu vertiefen. Die logische Prämisse dieser Argumentation besteht in der A n n a h m e eines tendenziellen Falls der allgemeinen (industriellen) Profitrate bei gleichzeitig konstantem oder steigendem Zinsfuß. N u r wenn das Marxsche T h e o rem v o m tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate die unausweichliche Richtung der industriellen Kapitalverwertung beschreibt, ist überhaupt die notwendige Bedingung erfüllt, u m auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen eine zwangsläufige Herrschaft der Banken über die Industrie theoretisch herleiten zu k ö n n e n . 1 D a m i t gewinnt die Frage nach d e m tendenziellen Fall der Durchschnittsprofitrate für diese Arbeit einen entscheidenden Stellenwert: Läßt sich dieser kategoriell nicht als eine beliebigen kapitalistischen Reproduktionszusammenhängen notwendig immanente Tendenz fassen, ist auch eine Suprematie der Banken über die Industrie nicht als Resultat kapitalistischer Entwicklung schlechthin prognostizierbar. In j e d e m Fall aber bleibt die B e w e g u n g der allgemeinen Profitrate eine strategische Erklärungsvariable für das Verhältnis des sich unter durchschnittlichen Bedingungen reproduzierenden industriellen Kapitals zu seinen Banken, da sie im Z u s a m menspiel mit d e m durch die kapitalistische Konkurrenz gesetzten Z w a n g zur Erweiterung seines Produktionsprozesses seine Eigenakkumulationskraft u n d damit auch die Intensität seiner Kreditabhängigkeit determiniert. Soll n u n aber die Analyse der Kreditabhängigkeit eines durchschnittlichen Kapitals historischen Erklärungswert besitzen, m u ß man voraussetzen, daß sich mit der vollen Entfaltung der kapitalistischen Produktionsweise auch tatsächlich durchschnittliche Bedingungen der Kapitalverwertung verallgemeinern und nicht nur als numerische Größen formal ermittelbar sind. Verfestigt sich dagegen in der Tendenz eine stabile und quantitativ erhebliche Profitratendifferenzierung, so ist die Entwicklung des Kreditbedarfs für ein konkretes individuelles Kapital nur auf empirischem Wege eruierbar und a priori nicht auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen prognostizierbar w o m i t in der logischen Konsequenz die Analyse des Verhältnisses von Banken und Industrie in einer konkreten historischen Periode nicht mehr auf die abstrakte Diskussion eines typischen Falles restringierbar wäre, eben weil die Existenz eines solchen verallgemeinerte durchschnittliche Bedingungen unterstellt. 2 2.2.1.

Die Schranken der Kapitalmobilität und die Herausbildung einer allgemeinen Profitrate

Indem Hilferding die B e s t i m m u n g des Verhältnisses von Banken und Industrie auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen ansiedelt und dabei das T h e o r e m v o m tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate als logischen 35

Baustein benutzt, bezieht er sich begrifflich auf Einzelkapitale, die sich unter durchschnittlichen V e r w e r t u n g s b e d i n g u n g e n reproduzieren, hält also i m plizit eine abstrakte R e d u k t i o n der historisch vorfindlichen Vielfalt an A u s p r ä g u n g e n des Verhältnisses beider Kapitalfraktionen auf einen typischen Fall f ü r möglich. E r m ü ß t e d e m e n t s p r e c h e n d konsequenterweise - in A n l e h n u n g an M a r x - die tendenzielle H e r a u s b i l d u n g einer allgemeinen Profitrate fordern, u m allgemeine T e n d e n z e n der industriellen K r e d i t a b h ä n g i g k e i t b e g r ü n d e n zu k ö n n e n . Dies aber setzt eine b r a n c h e n ü b e r g r e i f e n d e kapitalistische K o n k u r r e n z voraus, aus deren W i r k e n M a r x i m dritten B a n d des »Kapital« die T r a n s f o r m a t i o n der Werte in P r o d u k t i o n s p r e i s e u n d d a m i t die Tendenz zur Verallgemeinerung einer D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e ableitet. 3 D e m g e g e n ü b e r sieht H i l f e r d i n g die Kapitalmobilität m i t d e m Fortschritt des Konzentrationsprozesses so weit eingeschränkt, daß die intersektorale K o n k u r r e n z der Einzelkapitale langfristig u n t e r b u n d e n w i r d : »Je größer das fixe Kapital, je mächtiger sein Umfang... desto größer ist die Schwierigkeit, den darin gebundenen Wert ohne die größten Verluste zu realisieren und das Kapital dann auf eine günstigere Sphäre zu übertragen. . . . Eine zweite Schranke besteht darin, daß die technische Entwicklung zugleich die Stufenleiter der Produktion ausdehnt, daß der anschwellende Umfang des konstanten und insbesondere des fixen Kapitals eine absolut immer höhere Kapitalsumme erfordert, um überhaupt die Schranke der Produktion erweitern oder neue Unternehmen errichten zu können Die Freizügigkeit des Kapitals ist aber eine Bedingung der Herstellung der gleichen Profitrate. «4 D i e d u r c h diese A b f l u ß - u n d Z u f l u ß h e m m n i s s e bedingte Strangulierung des Kapitaltransfers zwischen den verschiedenen Anlagesphären n u n befähigt die Kapitalisten einer B r a n c h e zur bewußten Herstellung des M o n o p o l s d u r c h die Ausschaltung der kapitalistischen K o n k u r r e n z u n d das D i k t a t v o n M o nopolpreisen, welche die Realisierung eines Surplus über den D u r c h schnittsprofit hinaus implizieren. s D a b e i erweisen sich die M o b i l i t ä t s schranken des Kapitals als so stabil, daß einmal existente M o n o p o l e keinesw e g s als zeitlich limitierte P h ä n o m e n e zu begreifen sind, s o n d e r n die T e n denz aufweisen, »die Ungleichheit der Profitraten d a u e r n d zu gestalten«. 6 Das Profitratengefälle zwischen monopolisierten u n d nicht m o n o p o l i s i e r t e n B r a n c h e n findet bei H i l f e r d i n g seine Nivellierung erst i m Generalkartell, in der totalen A g g l u t i n a t i o n sämtlicher individuellen Kapitale z u m n u n m e h r h o m o g e n e n gesellschaftlichen Gesamtkapital. 7 D i e logischen K o n s e q u e n z e n seines M o n o p o l k o n z e p t e s f ü r seine eigene A r g u m e n t a t i o n hinsichtlich der H e r a u s b i l d u n g einer H e r r s c h a f t der B a n k e n über die Industrie b e d e n k t Hilferding indessen nicht. D e n n w e n n industrielle M o n o p o l e in der Lage sind, dauernd M o n o p o l p r o f i t e zu realisieren u n d sich d a m i t den B e w e g u n g e n der D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e zu entziehen, bleibt unklar, w i e m a n denn ihre sich kontinuierlich intensivierende A b h ä n g i g k e i t v o n langfristigen B a n k k r e d i t e n b e g r ü n d e n soll. D a m i t ist aber einer 36

zwangsläufigen B e h e r r s c h u n g der I n d u s t r i e m o n o p o l e d u r c h die B a n k e n das F u n d a m e n t entzogen. Die A d ä q u a n z des Hilferdingschen M o n o p o l k o n z e p tes unterstellt, ergibt sich m i t h i n eine Diskrepanz zwischen d e m tatsächlichen Verwertungsgefälle zwischen monopolistischen u n d n i c h t m o n o p o l i stischen Industriesektoren einerseits u n d andererseits seinem Versuch, auf der E b e n e des Kapitals i m Allgemeinen aus d e m tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate m i t d e m A n s p r u c h auf historische Relevanz eine H e r r schaft der B a n k e n über die Industrie zu deduzieren, bei d e m er j a gerade v o n aller Unterschiedlichkeit der Profitraten abstrahiert. Allerdings ist die A d ä q u a n z des Hilferdingschen M o n o p o l k o n z e p t e s höchst u m s t r i t t e n , w o b e i sich die Diskussion auf die Frage nach der Ü b e r w i n d b a r k e i t der v o n i h m - hinsichtlich ihrer Existenz zweifellos k o r r e k t b e s t i m m t e n Mobilitätsschranken des Kapitals zuspitzt. W ä h r e n d H i l f e r d i n g selbst - u n d m i t i h m die T h e o r e t i k e r des »Stamokap« - diese Schranken f ü r stabil g e n u g hält, die intersektorale kapitalistische K o n k u r r e n z so weit auszuschalten, daß die D a u e r h a f t i g k e i t v o n M o n o p o l p o s i t i o n e n wahrscheinlich w i r d , weisen die G e g n e r dieser A u f f a s s u n g auf eine Reihe v o n T e n d e n z e n hin, die M o n o p o l s t e l l u n g e n einzelner Kapitale konterkarieren u n d d a m i t zeitlich limitieren. Krause gibt eine Z u s a m m e n f a s s u n g ihrer A r g u m e n t e : »Beispielsweise kann die Schranke des Kapitalminimums durch Kredit überwunden werden, größere Umschlagszeit durch eine neue Technik und die Zentralisation reißt sowohl Schranken der Mobilität nieder, wie sie neue aufbaut. «8 Wie i m m e r m a n die Perspektiven der Kapitalmobilität theoretisch einschätzen m a g , f ü r eine konkrete historische Periode ist nicht a priori b e s t i m m b a r , wie weit sich auch n u r innerhalb einer B r a n c h e durchschnittliche V e r w e r t u n g s b e d i n g u n g e n des Kapitals verallgemeinert haben. Dies k a n n sich vielmehr n u r i m Ergebnis der empirischen U n t e r s u c h u n g herausstellen. M u ß diese Frage aber positiv b e a n t w o r t e t w e r d e n , bleibt die B e w e g u n g der D u r c h schnittsprofitrate zentral f ü r die historische E r k l ä r u n g der K r e d i t b e z i e h u n gen zwischen d e m p r o d u k t i v e n u n d d e m Bankkapital.

2.2.2.

Das »Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate«

I m 13. Kapitel des dritten Bandes v o m »Kapital« entwickelt Karl M a r x das »Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate«. N a c h einigen einleitenden B e m e r k u n g e n über die fallende E n t w i c k l u n g s r i c h t u n g der Profitrate unter der Voraussetzung einer k o n s t a n t e n M e h r w e r t r a t e u n d steigender W e r t z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals schreibt er: »So einfach das Gesetz nach den bisherigen E n t w i c k l u n g e n erscheint, so w e n i g ist es aller bisherigen Ö k o n o mie gelungen, . . . es zu entdecken. « 9 D e r Schein des Trivialen v e r s c h w i n d e t aber bei etwas näherer B e t r a c h t u n g sehr rasch: D i e Profitrate p ' ist definiert

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als der in einer gegebenen Periode produzierte M e h r w e r t bezogen auf das in dieser Periode eingesetzte Gesamtkapital. Es gilt also: „> _ p

m m/v m k + ν K/v + 1

Setzt m a n die Umschlagszeit der verschiedenen Kapitalteile konstant und n i m m t die drei den Bruch dann determinierenden Faktoren in den Blick, die Mehrwertrate, die technische Zusammensetzung des Kapitals und die Wert Veränderungen der Produktionsmittel, so ist nicht ohne weiteres klar, ob - und w e n n ja, w a r u m - die real steigende Tendenz der technischen Kapitalzusammensetzung die nicht weniger realen, aber kontraproduktiven Tendenzen eines steigenden Exploitationsgrades der Arbeit und eines sinkenden Wertes der Produktionsmittel - verursacht durch Produktivitätssteigerungen bei ihrer Produktion - langfristig zwangsläufig überkompensiert. Subtile u n d diffizile Überlegungen hinsichtlich der inneren Konsistenz u n d der Prämissen der Marxschen Argumentation sind also erforderlich. Gerade solche Überlegungen aber findet m a n in der Rezeptionsgeschichte des T h e o r e m s von der tendenziell fallenden Profitrate nur höchst selten. Vielmehr stempelten es seine politischen Implikationen für lange Zeit z u m Gegenstand heftiger Kontroversen zwischen Marxisten und N i c h t m a r x i sten, i m Verlaufe derer häufig schlichter Glaube und platte Unterstellung an die Stelle sauberer Rezeption der Marxschen Argumentation u n d logischanalytischer P r ü f u n g derselben traten. Dort, w o Marxisten Zweifel an der Gültigkeit des »Gesetzes« äußerten, geschah dies kurioserweise häufig unter Bezugnahme auf A r g u m e n t e von Marx-Kritikern, die sich schon nach genauem Lesen des besagten 13. Kapitels als obsolet erweisen. - Erst in jüngerer Zeit ist eine umfassende, logisch präzise Rezeption und B e w e r t u n g des »Gesetzes« entwickelt worden, wobei in erster Linie auf die m. E. hervorragende Arbeit von Georgios Stamatis zu verweisen ist. 1 1

a) Zur Konsistenz der Marxschen Begründung Die innere Schlüssigkeit der von M a r x für den tendenziellen Fall der Profitrate gegebenen B e g r ü n d u n g ist oft bestritten worden. Seine Kritiker führen vor allem zwei Vorwürfe ins Feld, mit denen sie den Nachweis für diese These zu führen versuchen: 1. M a r x habe das »Gesetz als solches« unter der Voraussetzung einer konstanten Mehrwertrate abgeleitet und eine Steigerung derselben erst i m Nachhinein als die Wirkung des Gesetzes abschwächenden, aber es nicht aufhebenden Faktor eingeführt, ohne begründet zu haben, w a r u m die Steigerung der organischen Kapitalzusammensetzung eine steigende M e h r wertrate langfristig dominiert. 2. M a r x vernachlässige bei der Ableitung des Gesetzes die Wirkung von Produktivitätserhöhungen im Produktionsmittelsektor auf die Profitrate. 1 2 38

Das erste A r g u m e n t ignoriert, daß M a r x i m 13. Kapitel - also bei der >Ableitung des Gesetzes als solchem - wiederholt explizit v o n einer steigenden M e h r w e r t r a t e als N o r m f a l l der kapitalistischen E n t w i c k l u n g a u s g e h t 1 3 u n d i m 15. Kapitel selbst ausfuhrlich das A r g u m e n t liefert, w a r u m unter der A n n a h m e einer kontinuierlich steigenden W e r t z u s a m m e n s e t z u n g des K a p i tals die Profitrate trotz steigender M e h r w e r t r a t e sinken m u ß : »Soweit die Entwicklung der Produktivkraft den bezahlten Teil der angewandten Arbeit vermindert, steigert sie den Mehrwert, weil seine Rate; soweit sie jedoch die Gesamtmasse der von einem gegebenen Kapital angewandten Arbeit vermindert, vermindert sie den Faktor der Anzahl, womit die Rate des Mehrwerts multipliziert wird, um seine Masse herauszubringen. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten, können nicht dieselbe Masse Mehrwert liefern wie 24, die jeder nur 2 Stunden arbeiten, selbst, wenn sie von der Luft leben könnten und daher gar nicht für sich selbst zu arbeiten hätten. « 14

Was den zweiten V o r w u r f betrifft, so »weist M a r x gleich zu Beginn des Kapitels darauf hin, daß das W a c h s t u m des Werts des k o n s t a n t e n Kapitals n u r e n t f e r n t das W a c h s t u m der P r o d u k t i o n s m i t t e l m e n g e , w o r a u s dieses stofflich besteht, widerspiegelt, auf einen U m s t a n d also, der u n m i t t e l b a r e Folge der infolge wachsender P r o d u k t i v i t ä t fallenden Werte der P r o d u k tionsmittel ist«. 1 5 D a ß M a r x d e n n o c h i m 13. Kapitel eine i m Laufe der kapitalistischen E n t w i c k l u n g steigende W e r t z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals als realistisch unterstellt u n d deren Einfluß auf die Profitrate u n t e r s u c h t u n d keineswegs u n m i t t e l b a r v o n einer steigenden technischen Z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals aus schließt - zeigt, daß er die Konsequenzen der »Verw o h l f e i l e r u n g der E l e m e n t e des konstanten Kapitals« d u r c h a u s nicht v e r nachlässigt - w o h l aber v o n einer Steigerung der technischen K a p i t a l z u s a m m e n s e t z u n g ausgeht, die die Produktivitätssteigerung i m P r o d u k t i o n s m i t telsektor prozentual übersteigt. 1 6 Beide E i n w ä n d e sind also, soweit sie sich gegen die Stringenz der M a r x schen G e d a n k e n f u h r u n g w e n d e n , nicht haltbar. Ihre grundsätzliche S c h w ä che liegt darin, daß sie die S t r u k t u r der M a r x s c h e n A r g u m e n t a t i o n u n z u r e i chend rezipieren u n d deshalb seinen U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d v e r k e n n e n : Es geht M a r x nämlich nicht u m die Erfassung aller potentiell m e h r oder m i n d e r kurzfristig auf die Profitrate e i n w i r k e n d e n Faktoren, s o n d e r n u m den kausalen Z u s a m m e n h a n g zwischen der »spezifisch-kapitalistischen« Form der P r o d u k t i v k r a f t s t e i g e r u n g u n d der tendenziellen E n t w i c k l u n g der K a p i t a l v e r w e r t u n g , die in der B e w e g u n g der D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e ihren A u s druck findet: »Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit. Es ist damit nicht gesagt, daß die Profitrate nicht auch aus anderen Gründen vorübergehend fallen kann, aber es ist damit aus dem Wesen der kapitalistischen Produktionsweise als

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e i n e . . . Notwendigkeit bewiesen, daß in ihrem Fortschritt die allgemeine Rate des Mehrwerts sich in einer fallenden allgemeinen Profitrate ausdrücken muß. « 1 7

Die Schwierigkeit k o m m t nun dadurch hinein, daß die B e s t i m m u n g s m o mente der »spezifisch-kapitalistischen« Form der Produktivitätssteigerung i m 13. Kapitel des dritten »Kapital«-Bandes bei der Ableitung des >Gesetzes als solchen< weder entwickelt noch explizit namhaft gemacht werden, ( - w a s mit der logischen Struktur des »Kapitals« z u s a m m e n h ä n g t 1 8 - ) . Sie sind vielmehr bereits i m ersten Band bei der Analyse des Produktionsprozesses des Kapitals bestimmt w o r d e n u n d gehen n u n - im dritten B a n d - als Prämissen in die Argumentation ein. Stamatis hat diese Prämissen herausfiltriert. 1 9 1) Die kapitalistische Steigerung der Produktivkraft bezweckt u n d bewirkt eine tendenzielle Steigerung der allgemeinen Rate des Mehrwerts: »Es ist daher der immanente Trieb und die beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, und die Ware und durch die Verwohlfeilerung der Ware den Arbeiter selbst zu verwohlfeilern. « 20

Andererseits w u r d e auf die von M a r x benannten physischen und technologischen Grenzen fur die Steigerbarkeit der Mehrwertrate bereits hingewiesen, so daß sich die Prämisse 1) zusammenfassen läßt als kontinuierliche tendenzielle Steigerung der Mehrwertrate mit langfristig sinkenden Wachstumsraten. Es läßt sich n u n mathematisch nachweisen, daß erstens die Mehrwertrate genau dann wächst, wenn die Steigerung der Produktivität i m Lohngütersektor die Steigerung des Reallohns prozentual überkompensiert u n d daß zweitens unter dieser Voraussetzung und bei nicht fallendem Reallohn die M e h r wertrate langfristig langsamer wachsen m u ß als die Produktivität i m Lohngütersektor, also langfristig in ihrer Wachstumsdynamik tatsächlich i m m e r m e h r nachläßt u n d an eine nicht überschreitbare Grenze stößt. 2 1 2) Die technische Zusammensetzung des Kapitals (T) steigt mit fortschreitender Entwicklung der Produktivkraft: »Ob aber Bedingung oder Folge, der wachsende Größenumfang der Produktionsmittel im Vergleich zu der ihnen einverleibten Arbeitskraft drückt die wachsende Produktivität der Arbeit aus. Die Zunahme der letzteren erscheint also in der Abnahme der Arbeitsmasse verhältnismäßig zu der von ihr bewegten Masse von Produktionsmitteln oder in der Größenabnahme des subjektiven Faktors des Arbeitsprozesses verglichen mit seinem objektiven Faktor. « 22

3) Die Steigerung v o n Τ findet ihren gedämpften Niederschlag i m gleichzeitigen Steigen der Wertzusammensetzung des Kapitals (E): »Diese Veränderung der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wider in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Kapitalwerts auf Kosten seines variablen... Die Abnahme des variablen Kapitalteils gegenüber dem konstanten oder die veränderte Zusammensetzung des Kapitalwerts zeigt jedoch nur annähernd (Hervorh. v. Verf.) den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile a n . . . Der Grund ist einfach der,

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daß mit der wachsenden Produktivität der Arbeit nicht nur der U m f a n g der von ihr vernutzten Produktionsmittel steigt, sondern deren Wert, verglichen mit ihrem Umfang, sinkt.« 2 3

Eine mathematisch exakte Formalisierung und Korrelation der relevanten Variablen zeigt, daß eine Steigerung in der technischen Kapitalzusammensetzung sich genau dann in einer Steigerung seiner Wertzusammensetzung manifestiert, wenn die technische Zusammensetzung des Kapitals (T) mit einer höheren Rate wächst als derjenigen, u m die der Wert einer Mengeneinheit der Produktionsmittel fällt. Da sich letzterer umgekehrt proportional zur Produktivität i m Produktionsmittelsektor verhält, ist 3) äquivalent zu der Aussage, »daß im Kapitalismus die Produktivität im Produktionsmittelsektor langsamer steigt als die technische Kapitalzusammensetzung. Dies ist die hinreichende Bedingung dafür, daß eine erhöhte technische Zusammensetzung des Kapitals eine Erhöhung auch seiner Wertzusammensetzung verursacht. « 24

4) Die Zusammensetzung der verbrauchten Arbeit (q) u n d die Z u s a m mensetzung der kapitalistischen Kosten (e) weisen eine steigende Tendenz auf. 5) Die Umschlagsdauer des Kapitals steigt an. 2 5 D a m i t sind die B e s t i m m u n g s m o m e n t e der »spezifisch-kapitalistischen Form der Produktivkraftsteigerung«, wie sie M a r x i m ersten Band des »Kapitals« entwickelt, komplett. Im 13. Kapitel des dritten Bandes untersucht M a r x den Einfluß dieser B e s t i m m u n g s m o m e n t e - u n d zwar ausschließlich ihren Einfluß, wie die Arbeit von Stamatis nachweist - auf die allgemeine Durchschnittsprofitrate. Als »entgegenwirkende Ursachen« firmieren dann i m vierzehnten Kapitel bei M a r x solche Faktoren, die eben nicht der spezifisch-kapitalistischen Form der Produktivkraftsteigerung substantiell inhärent sind und deshalb zwar in konkreten historischen Konstellationen den Fall der Profitrate konterkarieren, aber eben nicht die Wirkungszusammenhänge aufheben können, aus welchen die fallende Tendenz der Profitrate resultiert. 2 6 Korrelliert m a n n u n die Punkte 1) und 3) - u n d nichts anderes tut M a r x de facto im 13. Kapitel - so ergibt sich folgender Z u s a m m e n h a n g : Das Ziel kapitalistischen Wirtschaftens, die Maximierung des Profits, impliziert für den individuellen Kapitalisten das Streben nach E r h ö h u n g der M e h r w e r t r a te. Dies Ziel w i e d e r u m verlangt eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, welche erstens die tendenzielle Reallohnsteigerung prozentual ü b e r k o m p e n sieren u n d zweitens u m so größer ausfallen m u ß , j e höher das Niveau der Mehrwertrate bereits liegt (siehe Punkt 1). Wegen 3) drückt sich aber diese Produktivitätssteigerung aus in einer noch höheren Steigerung der technischen Kapitalzusammensetzung - oder anders gesagt in einer steigenden Wertzusammensetzung des Kapitals. Letztlich erzwingt eine in ihrer Wachstumsdynamik i m m e r m e h r nachlassende Mehrwertrate also eine i m m e r intensivere p r o zentuale E r h ö h u n g der technischen Kapitalzusammensetzung. Selbst w e n n 41

sich diese E r h ö h u n g von Τ nur abgeschwächt in der Z u n a h m e der Wertzusammensetzung des Kapitals E niederschlägt, ergibt sich aus dieser Konstellation logisch in der Perspektive die tendenzielle Präponderanz der Wachstumsrate von E gegenüber derjenigen von m ' - und damit die fallende Tendenz der Profitrate. 2 7 Dieses Ergebnis ist bei M a r x zwar nicht im mathematischen Sinne exakt formuliert, wohl aber logisch stringent entwickelt, zieht man nicht nur das 13. Kapitel des dritten Bandes des »Kapitals« in Betracht, sondern auch Marxens B e s t i m m u n g der Resultate der »spezifisch-kapitalistischen« Form der Produktivitätssteigerung i m ersten Band - daher auch seine häufigen, w e n n auch indirekten Hinweise bei der Ableitung des »Gesetzes als solchen«, daß eine steigende Mehrwertrate die Wirkung einer E r h ö h u n g der Wertzusammensetzung des Kapitals auf die Profitrate langfristig nicht kompensieren k a n n . 2 8 D a m i t hat sich die Marxsche B e g r ü n d u n g fur den tendenziellen Fall der Profitrate als in sich schlüssig erwiesen. 2 9 b) Zur Gültigkeit der Marxschen Prämissen Die innere Konsistenz allein sagt noch nichts über die Korrektheit einer Argumentation, auch w e n n sie deren notwendige Voraussetzung ist. Ist eine Argumentation in sich schlüssig, so hängt ihre Relevanz von der Gültigkeit ihrer Prämissen ab, d. h. davon, ob diese in der empirischen Realität auffindbar sind oder nicht. Ü b e r die Gültigkeit des »Gesetzes v o m tendenziellen Fall der Profitrate« entscheidet nach dem bisher Entwickelten also die Frage, ob die Prämissen 1)—5) die spezifisch-kapitalistische Form der Produktivkraftsteigerung richtig charakterisieren. Während dies fur die Entwicklungstendenzen der Mehrwertrate, der technischen Kapitalzusammensetzung u n d der Umschlagszeit des Kapitals empirisch ziemlich leicht verifizierbar scheint und nicht umstritten ist, spitzt sich das Problem auf die Gültigkeit der Prämisse 3) zu: Ist es richtig, daß im Kapitalismus notwendigerweise die Produktivität im Produktionsmittelsektor langfristig langsamer ansteigt als die technische Zusammensetzung des Kapitals? O d e r anders ausgedrückt: Erfordert i m Kapitalismus tendenzielljede E r h ö h u n g der Produktivkraft eine prozentual noch intensivere Steigerung der technischen Kapitalzusammensetzung? Diese A n n a h m e ist eine notwendige Bedingung für die logische Konsistenz des »Gesetzes v o m tendenziellen Fall der Profitrate«, sofern man den unrealistischen Fall einer tendenziell sinkenden Mehrwertrate ausschließt. D a m i t ist sie zwar durchaus noch nicht hinreichend für seine Gültigkeit, aber ihre Ausschaltung setzt damit gleichzeitig die Zwangsläufigkeit eines tendenziellen Falls der allgemeinen Profitrate außer Kraft. Vergegenwärtigt m a n sich nun noch einmal die B e g r ü n d u n g für die A n n a h m e 3), die M a r x in den »Theorien über den Mehrwert« liefert, so fällt auf, daß er sich dabei bezieht auf den Maschinisierungsprozeß der Produktion im Rahmen des Überganges von der M a n u f a k t u r zur kapitalistischen Fabrik:

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»Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Maschinerie sich verwohlfeilert aus zwei Gründen: Die Anwendung von Maschinerie in der Produktion der Rohmaterialien, aus denen die Maschinerie besteht. Die Anwendung von Maschinerie bei der Verwandlung jenes Materials in Maschinerie... Was sich verwohlfeilert, ist die einzelne Maschine und ihre Bestandteile, aber es entwickelt sich ein System der Maschinerie; es tritt nicht nur einzelne Maschine an die Stelle des Instruments, sondern ein System, und das Instrument, was vielleicht früher die Hauptrolle spielte, wie Nadel ζ. Β nun zu vielen Tausenden gesammelt. « 30 Z u m R o h m a t e r i a l lesen wir, »daß ein Teil des Rohmaterials w i e Wolle, Seide, Leder d u r c h tierisch organische Prozesse, B a u m w o l l e , L e i n w a n d etc. durch vegetablisch organische produziert w i r d , wie es der kapitalistischen P r o d u k t i o n bisher nicht gelungen ist u n d nie gelingen w i r d , ebenso über diese Prozesse wie über rein mechanische zu v e r f u g e n . « 3 1 So plausibel diese A r g u m e n t e bezogen auf die v o n M a r x erlebte f r ü h e Periode der kapitalistischen Industrialisierung sind, so wenig gehören sie kategoriell auf die Ebene des Kapitals im Allgemeinen. M a r x m e i n t m i t ihnen die tendenzielle P r ä p o n d e r a n z des W a c h s t u m s der technischen Kapitalzusamm e n s e t z u n g gegenüber d e m j e n i g e n der P r o d u k t i v i t ä t i m P r o d u k t i o n s m i t telsektor als C h a r a k t e r i s t i k u m der »spezifisch-kapitalistischen« F o r m der P r o d u k t i v k r a f t s t e i g e r u n g b e g r ü n d e t zu haben, indessen greifen sie n u r f ü r die Phase der Frühindustrialisierung. M i t der i m m e r v o l l k o m m e n e r e n E n t faltung der kapitalistischen P r o d u k t i o n s w e i s e dagegen »wurden dann auch Produktionsmethoden entwickelt, die erlaubten, durch eine bestimmte prozentuale Erhöhung der technischen Kapitalzusammensetzung eine gleich große oder gar noch größere prozentuale Erhöhung der Produktivität zu erreichen, d. h. die Produktivität bei konstanter und selbst bei fallender Zusammensetzung der eingesetzten Arbeit zu erhöhen. « 32 Ihren statistischen Niederschlag findet diese E n t w i c k l u n g darin, daß m i t d e m b e g i n n e n d e n zwanzigsten J a h r h u n d e r t in den entwickelten kapitalistischen Ländern ein A b s i n k e n des bis dahin gestiegenen Kapitalkoeffizienten einsetzt, 3 3 einer G r ö ß e , die ein ziemlich verläßlicher Indikator f ü r die Z u s a m m e n s e t z u n g der eingesetzten Arbeit u n d - w e n n auch in eingeschränkt e m M a ß e - f ü r die W e r t z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals ist. 3 4 In dieser N i c h t e r f ü l l u n g der n o t w e n d i g e n B e d i n g u n g f u r den tendenziellen Fall der Profitrate liegt der entscheidende G r u n d f u r die Existenz langer T r e n d p e r i o den des 20. J a h r h u n d e r t s , f ü r welche in den kapitalistischen Z e n t r e n der Fall der Profitrate in sein Gegenteil verkehrt w u r d e . Dieses Ergebnis k o m m t keineswegs der Ausschaltung des tendenziellen Falls der Profitrate als U r s a c h e ö k o n o m i s c h e r K r i s e n - u n d K o n z e n t r a t i o n s erscheinungen des Kapitalismus gleich, es entkleidet den Fall der Profitrate lediglich seines C h a r a k t e r s als aus d e m allgemeinen Kapitalbegriff deduzierbarer, notwendig w i r k e n d e r E n t w i c k l u n g s t r e n d . Dies m i n d e r t aber in keiner Weise den analytischen Wert des M a r x s c h e n T h e o r e m s , d e n n es l i e f e r t - w i e 43

soeben entwickelt - sinnvoll interpretiert auch die Gründe fur Tendenzbrüche in der Bewegungsrichtung der Profitrate. Welches sind die Ergebnisse der Diskussion um den tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate für die Kritik der Hilferdingschen Thesen zum Verhältnis von Banken und Industrie? Die Bestimmbarkeit des Verhältnisses von Banken und Industrie auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen setzt eine für sämtliche individuellen Industriekapitale tendenziell verbindliche Prognostizierbarkeit der Kreditabhängigkeit voraus. Da letztere für den Einzelfall determiniert wird von der Bewegung der individuellen Profitrate, ist diese Voraussetzung gleichbedeutend mit der Herausbildung einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate. (Mit dieser notwendigen Bedingung seiner Argumentation gerät Hilferding bereits in Konflikt, indem er gerade die Durchbrechung der Verallgemeinerungstendenz einer Durchschnittsprofitrate durch die Monopole postuliert.) Will man nun auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen nicht nur die verschiedenen denkbaren Entwicklungstendenzen der industriellen Kreditabhängigkeit bestimmen, sondern mit Hilferding ihre unaufhaltsame Intensivierung begründen, muß man nicht nur die Herausbildung einer allgemeinen Profitrate unterstellen, sondern auch ihren langfristig notwendig fallenden Trend. Da sich aber ein solcher - wie ausführlich entwickelt - lediglich als mögliche Verwertungsperspektive des (industriellen) Kapitals formulieren läßt, nicht aber als einzig mögliche, ist der These von der zwangsläufig wachsenden Abhängigkeit der Industrie von langfristigen Bankkrediten das Fundament entzogen. Da die Gültigkeit dieser These wiederum die logisch notwendige Bedingung ist, um auf der Ebene des Kapitals im Allgemeineneben im Marxschen System - eine Herrschaft der Banken über die Industrie deduzieren zu können, muß der Hilferdingsche Anspruch bereits an dieser Stelle der Untersuchung als nicht einlösbar gelten.

2.3. Die logisch hinreichende Bedingung für eine Herrschaft der Banken über die Industrie Wenn sich eine Dominanz der Banken über die Industrie schon wegen der Nichtverallgemeinerbarkeit ihrer notwendigen Bedingung - eben des tendenziellen Falls der allgemeinen Durchschnittsprofitrate - nicht als generelles Resultat kapitalistischer Entwicklung auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen verankern läßt, so stellt sich für eine historisch-konkrete Analyse des Verhältnisses beider Kapitalfraktionen die Frage nach der Struktur eines Reproduktionskontextes, der eine solche Dominanz erwarten läßt oder anders formuliert: unter welchen Voraussetzungen wird eine Herrschaft des Bankkapitals über das sich unter durchschnittlichen Bedingungen reproduzierende Industriekapital wahrscheinlich? Die Beantwortung dieser 44

Frage läuft auf die Bestimmung der hinreichenden Bedingung für die historische Auffindbarkeit des von Hilferding postulierten Mechanismus zur Unterordnung des produktiven unter das Leihkapital hinaus. Der tendenzielle Fall der Profitrate figuriert zwar als die notwendige Bedingung seiner Argumentation, genau besehen aber noch keineswegs als ihre hinreichende. Vergegenwärtigt man sich noch einmal zusammenfassend die Struktur seines Arguments, so präsentiert sich dieses als Kette von zwei Implikationen: (1) Der tendenzielle Fall der Durchschnittsprofitrate schwächt die industrielle Akkumulationskraft derartig, daß daraus eine kontinuierliche und progressiv sich intensivierende Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten entsteht. (2) Diese junktionale Abhängigkeit der industriellen Reproduktion von der Bereitstellung von Investitionskapital durch die Banken setzen letztere in die Etablierung eines Herrschaftsverhältnisses im oben herausgearbeiteten Sinne um. 1 Die Implikation (1) setzt indessen nicht nur den tendenziellen Fall der industriellen Profitrate voraus, sondern auch ihre Nichtstabilisierbarkeit auf einem Niveau, das ausreicht, um den Zwängen zur Erweiterung des Produktionsprozesses aus eigener Kraft gerecht werden zu können. Die Profitrate darf also nicht von oben gegen einen von Null wesentlich verschiedenen Grenzwert konvergieren. - Darüberhinaus ist die Notwendigkeit der erweiterten Akkumulation für jedes individuelle industrielle Kapital logisch an die Virulenz der kapitalistischen Konkurrenz gebunden, welche den handelnden Personen gegenüber die Zwangsgesetze der kapitalistischen Produktionsweise hinter ihrem Rücken und unabhängig von ihrem Willen - als kategorischen Imperativ exekutiert. Die Alternativlosigkeit einer kontinuierlichen Erhöhung der Stufenleiter der Produktion läßt sich also nur dann zwingend begründen, wenn die kapitalistische Konkurrenz nicht - oder doch zumindest nicht langfristig - durch monopolistische, bewußte Regulierung von Produktion und Markt substituiert wird. Die Implikation (2) klingt zunächst ziemlich plausibel, ihre Gültigkeit ist aber keineswegs so evident, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn sie unterstellt, daß die Verhandlungsmacht der Banken, die aus der funktionalen Abhängigkeit der Industrie von ihren Diensten entsteht, nicht durch die Konkurrenz innerhalb der Sphäre des Leihkapitals und die Substituierbarkeit von Bankkrediten durch andere Kapitalquellen relativiert bzw. gar unterminiert wird. Damit läßt sich die hinreichende akkumulationsstrukturelle Bedingung für eine Suprematie des Bankkapitals über das Industriekapital als für den Durchschnittsfall gültige Charakterisierung des Verhältnisses beider Kapitalfraktionen auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen durch das Zusammenspiel dreier Faktoren beschreiben:

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a) tendenzieller Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate bei Nichtexistenz einer von Null wesentlich verschiedenen unteren Schranke dieser Bewegung, b) intakte Konkurrenz in der Sphäre des industriellen Kapitals, c) (zumindest weitgehende) Ausschaltung der Konkurrenz unter den Banken. 2 Wie ist nun die Wahrscheinlichkeit der Herausbildung eines derartig strukturierten Reproduktionskontextes zu beurteilen? Zu a) Georgios Stamatis hat gezeigt, daß unter realistischen Modellannahmen - nämlich bei Unterstellung einer nicht fallenden Mehrwertrate eine echt positive Untergrenze für die Profitrate existiert. 3 Dies liegt letztlich daran, daß das Wachstum der Wertzusammensetzung des Kapitals seine Grenze findet in der Expansion des konstanten - und hier insbesondere des fixen - Kapitals. Dessen Expansion aber wird determiniert von der Entwicklung der Mehrwertmaise und der Produktivität im Produktionsmittelsektor, zwei Faktoren, die ihrerseits nicht schrankenlos steigen können. Im konkreten Fall hängt die Höhe der größten unteren Schranke der Profitrate des >limes inferior< in mathematischen Termini - von dem Niveau der Mehrwertrate in der Meßperiode 0, der Wachstumsrate der lebendigen Arbeit und der Wachstumsrate der Produktivität im Produktionsmittelsektor ab. 4 Da die quantitative Entwicklung dieser Variablen aber nicht allgemein und langfristig prognostizierbar ist, ist die konkrete zahlenmäßige Bestimmung des limes inferior für die Profitrate auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen nicht möglich. Selbst bei sinkender Profitrate ist mithin ein allgemeingültiger Schluß auf eine sich intensivierende Kreditabhängigkeit des industriellen Kapitals unmöglich, da weder die exakten Grenzen der Einschränkung des industriellen Eigenakkumulationspotentials, noch das Ausmaß des Investitionsbedarfes theoretisch deduzierbar sind. Der Zusammenhang zwischen tendenziellem Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate und industrieller Abhängigkeit von langfristigem Kredit bleibt damit auch bei Erfüllung seiner notwendigen Bedingung - eben einer fallenden Entwicklungsrichtung der Profitrate - eine reine Hypothese, deren Verifizierung respektive Falsifizierung auf die Ebene der historisch-konkreten Analyse verwiesen ist. Zu b) Diese implizite Voraussetzung seiner Argumentation übersieht Hilferding total. Sie steht in einem diametralen logischen Widerspruch zu seiner Einschätzung der Qualität des Monopolphänomens, schreibt doch Hilferding - wie bereits in Kapitel 2.2.1 herausgearbeitet - dem Monopol die Fähigkeit zu, durch die »vollständige Ausschließung (Hervorh. v. Verf.) der Konkurrenz die Preise und damit die Profite zu erhöhen«. 5 Nimmt man diese Begriffsbestimmung des Monopols ernst, kollabiert in der Konsequenz der von Hilferding konstruierte Mechanismus, der in seiner Theorie die Etablierung der Herrschaft des Bankkapitals über das produktive Kapital vermittelt. Nicht nur kollidiert eine Systematisierbarkeit und Stabilisierbar46

keit der Realisierung von M o n o p o l p r o f i t auf Seiten der Industrie mit d e m Versuch, über den den tendenziellen Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate eine Erschlaffung der industriellen Akkumulationskraft zu b e g r ü n den, 6 sondern auch die Erweiterung des industriellen A k k u m u l a t i o n s p r o zesses, die erst den logischen Bezugspunkt für die Intensivierung des langfristigen Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses zwischen Industrie u n d Banken liefert, ist nur dann unabhängig v o m Willen der individuellen Kapitalisten eine conditio sine qua non der industriellen Reproduktion, w e n n die K o n kurrenz die Strukturgesetze der kapitalistischen Produktionsweise - z u m i n dest langfristig - gegenüber Versuchen zur bewußten Regelung des Wirkens der vielen Kapitale aufeinander durchsetzt. Diejenigen Tendenzen, deren Z u s a m m e n w i r k e n eine Herrschaft der Banken über die Industrie überhaupt erst denkbar macht, können also nur dann mehr als temporär auf Frühphasen kapitalistischer Entwicklung beschränkte Wirkungsmacht entfalten, w e n n das M o n o p o l p h ä n o m e n nicht als - mehr oder weniger komplette und definitive - Liquidierung der kapitalistischen Konkurrenz, sondern umgekehrt gerade als eine ihrer historisch vorfindlichen Formen zu begreifen ist, die andere Formen ihrer Durchsetzung ergänzt, modifiziert und - zeitweise(!) außer Kraft setzt. 7 Die Entstehung einer generellen Suprematie der Banken über die Industrie ist also überhaupt nur dann möglich, w e n n ökonomische Monopolisierungstendenzen das Wertgesetz in seiner Funktion, durchschnittliche Akkumulationsbedingungen für das industrielle Kapital zu verallgemeinern und deren handlungsbezogene Implikationen für die individuellen industriellen Kapitalisten verbindlich zu machen, zwar behindern, aber nicht definitiv paralysieren. Da aber - wie in 2.2.1 herausgearbeitet - Hilferdings B e w e r t u n g des Verhältnisses von M o n o p o l und Konkurrenz auf einer sehr anfechtbaren Einschätzung der durch den Konzentrationsprozeß des Kapitals gesetzten Schranken der Kapitalmobilität basiert, existieren gute G r ü n d e dafür, bei der Diskussion langfristiger Systemperspektiven auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen das M o n o p o l als spezifische Form der Konkurrenz zu interpretieren und v o n seiner Fähigkeit, ihre Wirkung phasenweise zu retardieren, zu abstrahieren. 8 Für die Analyse historisch-konkreter Reproduktionszusammenhänge aber läßt sich eine solche Abstraktion m e thodisch nicht rechtfertigen, da es auf dieser Ebene gerade u m die Komplexität der Vermittlungsformen geht, welche d e m allgemeinen Gesetz gegenüber kontraproduktiven Tendenzen zur Durchsetzung verhelfen oder es eben temporär blockieren. Im Hinblick auf die Untersuchung des Verhältnisses von Banken und Schwer- bzw. Elektroindustrie in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg impliziert dies die Notwendigkeit, d e m Einfluß von potentiellen Monopolkonstellationen besonderes Augenmerk zu w i d m e n . Z u c) Hilferding scheint mir die i m Rahmen des Kreditverhältnisses bestehenden funktionalen Abhängigkeiten von industriellem Kapital u n d Leihkapital recht einseitig zu interpretieren. Z w a r versetzt eine aus einem hohen Investitionsbedarf entstehende Kreditabhängigkeit der Industrie das

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Leihkapital fraglos tendenziell in eine relativ günstige Verhandlungsposition, doch sind auch die Banken keineswegs Schatzbildner, deren Geschäft in der H o r t u n g von Kapitalien bestünde. Wie alle anderen Einzelkapitale sind sie begrifflich durch ihren Trieb zur Profitmaximierung bestimmt u n d daher abhängig v o m kontinuierlichen Fluß ihres spezifischen R e p r o d u k tionsprozesses, G—G' Dieser Z u s a m m e n h a n g konstituiert ein prinzipielles Konkurrenzverhältnis unter den Banken u m die Anlagemöglichkeiten ihres Kapitals. W a r u m die Ausschaltung dieser Konkurrenz ein allgemeines Resultat kapitalistischer Entwicklung sein sollte, wird bei Hilferding nicht befriedigend erklärt. Er verweist auf die sich aus d e m wachsenden U m f a n g insbesondere des industriellen - Geschäfts ergebende Bankenkonzentration und die durch die industrielle Konzentration geförderte Annäherung zwischen den verschiedenen Bankinstituten mit den entsprechenden Tendenzen zur Zusammenarbeit - etwa i m Rahmen v o n Konsortien. 9 D o c h kann diese Entwicklung w o h l neue Formen der Konkurrenz begründen - beispielsweise den K a m p f u m die A u f n a h m e in Konsortien und u m Konsortialquoten und auch Blockbildungen und ein punktuell koordiniertes Vorgehen mehrerer Bankinstitute, nicht aber die Liquidierung der Konkurrenz in der Sphäre des Leihkapitals plausibel machen. Dies gilt u m so mehr, als mit der Herausbildung eines kapitalistischen Weltmarktes als Fluidum der Kapitalbewegung gerade wegen der Begriffslosigkeit und Flexibilität des Geldkapitals ein Element der enormen Intensivierung der Bankenkonkurrenz entsteht. Schließlich ist noch darauf zu verweisen, daß Banken u n d Leihkapital keineswegs völlig äquivalente Termini sind, so daß m a n Konkurrenz, die den Banken durch andere Finanzierungsquellen entsteht, zumindest am Rande erwähnen sollte, auch w e n n deren Relevanz besonders f ü r groß dimensionale Investitionsfinanzierung i m allgemeinen w o h l nicht sehr hoch zu veranschlagen sein dürfte. Insgesamt läßt sich als Ergebnis dieses Abschnittes festhalten, daß die Herausbildung einer Herrschaft der Banken über die Industrie als gültiges Paradigma der Beziehungen beider Kapitalfraktionen einen sehr spezifischen Reproduktionskontext voraussetzt, der sich keineswegs zwangsläufig als Ergebnis des historischen Verlaufes der Kapitalakkumulation erwarten läßt. Vielmehr erscheint das Z u s a m m e n w i r k e n der drei diesen Reproduktionskontext konstituierenden K o m p o n e n t e n a)—c) auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen als eine zwar denkbare, aber ziemlich exotisch anmutende Ausnahmekonstellation.

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2.4. Aufsichtsratspräsenz und Aktienbesitz als Institutionalisierungsf o r m e n der Bankenherrschaft über die Industrie Hilferding bestimmt Aufsichtsratspräsenz u n d Aktienbesitz bzw. Vertretung v o n Aktienpaketen via Depotstimmrecht als die Formen, in denen die Banken ihre Herrschaft über die Industrie institutionell verankern. 1 Bei E r n s t n a h m e seiner impliziten Voraussetzung einer zersplitterten Struktur der industriellen Sphäre - mit einer entsprechend virulenten Konkurrenz 2 hätte ihm spätestens an dieser Stelle die Notwendigkeit klar werden müssen, seinen Herrschaftsbegriff zu präzisieren und zu relativieren. 3 D e n n bei der Frage nach den Handlungschancen der Bankenvertreter in den Aufsichtsräten und den Generalversammlungen der industriellen Aktiengesellschaften (oder Kommanditgesellschaften) stößt m a n auf subjektive u n d objektive Grenzen. Die subjektiven Grenzen liegen z u m einen in der faktischen E n t scheidungskompetenz der einzelnen Unternehmensgremien und der Regelung ihrer Beziehungen zueinander - für deren individuelle Ausgestaltung die gesetzlichen Vorgaben in der Regel einen breiten Spielraum lassen. 4 Z u m anderen ergeben sie sich aus der unterschiedlichen Befähigung und Bereitschaft der jeweils handelnden Personen, effizient als das personifizierte Interesse der Banken, respektive der industriellen Seite zu fungieren. Diese Unternehmens- und personenspezifischen Faktoren beeinflussen die H a n d lungschancen der Bankrepräsentanten i m Einzelfall in eben nur f ü r ihn charakteristischer Weise — generelle Aussagen in dieser Hinsicht müssen deshalb ein aussichtsloses Unterfangen bleiben. Allerdings können diese an einzelne Personen oder Kapitale gebundenen Faktoren ihre das Verhältnis des betreffenden Industrieunternehmens zu seinen Banken gestaltende Wirk u n g nur entfalten als Selektion von Entwicklungsalternativen, die v o n den objektiven Strukturbedingungen des Reproduktionskontextes determiniert werden. Diese w i e d e r u m lassen sich subsumieren als Implikationen des Standes der kapitalistischen Konkurrenz ( - möglicherweise ergänzt durch gesetzliche Vorgaben und Wirtschaftspolitik des Staates, etwa w e n n dieser die Zahl der von einzelnen Personen w a h r n e h m b a r e n Aufsichtsratsmandaten limitiert oder durch Subvention bestimmter Investitionen auf die E n t wicklung der Kreditbeziehungen zwischen Banken und Industrie einwirkt etc.). Eine virulente Konkurrenz innerhalb der industriellen Sphäre zwingt die Banken wegen der Verflechtung der Reproduktionskreisläufe von Leihkapital u n d p r o d u k t i v e m Kapital a priori zur Rücksichtnahme auf den Z w a n g zur Profitmaximierung, der für ihre industrielle Klientel besteht, soll nicht mit der stockenden Kapitalverwertung ihrer industriellen Geschäftspartner auch die Reibungslosigkeit ihrer eigenen Kapitalverwertung gefährdet werden. U m g e k e h r t schafft die Konkurrenz unter den Banken für das Industriekapital Verhandlungsspielräume, deren Breite in Abhängigkeit von der Intensität der Konkurrenz innerhalb der verschiedenen Sektoren, v o m Stand des Konjunkturzyklus, v o m Investitionsbedarf, v o m Verhandlungs-

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geschick der dramatis personae usw. variieren kann - und die in der m e h r oder minder personalintensiven Präsenz von Industriellen in den Aufsichtsräten von Banken häufig einen sichtbaren Ausdruck finden. Deshalb m u ß eine quantitativ steigende Präsenz von Bankiers im Aufsichtsrat eines industriellen U n t e r n e h m e n s auch keineswegs zwangsläufig einen wachsenden Einfluß der Banken anzeigen oder gar als Beispiel für die Verschmelzung von Banken u n d Industrie z u m Finanzkapital· mit einer entsprechenden Verwischung der Identität und Interessenspezifik beider Kapitalfraktionen interpretierbar sein. Ebensogut kann eine steigende Zahl der Bankvertreter in den Unternehmensgremien Ausdruck wachsender industrieller Unabhängigkeit durch Einbeziehung einer größeren Zahl konkurrierender Institute in die Abwicklung des Bankverkehrs sein. - Wenn aber Banken tatsächlich in Aufsichtsrat und Generalversammlung ihre Suprematie über ein industrielles Kapital institutionell verankern, dann kann sich diese Suprematie nur als relative geltend machen innerhalb der v o m Reproduktionsprozeß des Gesamtkapitals gesetzten Grenzen. Schließlich sei noch der triviale Hinweis erlaubt, daß eine institutionelle Verklammerung von Bank- und Industriekapital von vornherein auf Publikumsgesellschaften beschränkt bleibt w o d u r c h unter der Hand vor allem die Großindustrie in Bereichen mit einer hohen Wertzusammensetzung des Kapitals in den Mittelpunkt des Interesses rückt. 5

2.5. Z u r Entwicklung des Zinsfußes Bei Hilferding dient die Unfähigkeit des Zinses, mittel- und langfristig zu sinken, sich also der von i h m unterstellten Entwicklungsrichtung der Profitrate anzupassen, als M o m e n t , welches die Erschlaffung der industriellen Akkumulationskraft verschärft. 1 Seinem Anspruch nach bewegt er sich argumentativ im R a h m e n des Marxschen Systems, also auf der Ebene des Kapitals i m Allgemeinen. Das A r g u m e n t aber, welches die Nichtelastizität des Zinsfußes nach unten begründen soll - die Bindung der Geldmenge an die nationale Goldreserve-, gehört aus heutiger Sicht evidenterweise nicht auf die Ebene der Systemanalyse, die von räumlichen und zeitlichen Besonderheiten zu abstrahieren hat, sondern in den Z u s a m m e n h a n g der historischen Periodisierung einer bestimmten Facette der kapitalistischen Entwicklung, nämlich des kapitalistischen Geld- und Kreditsystems. U n a b h ä n g i g von der Gültigkeit des Hilferdingschen A r g u m e n t s für die Epoche des Goldstandards 2 impliziert die Außerkraftsetzung des letzteren automatisch seine Gegenstandslosigkeit. - Im Gegensatz zu Hilferdings impliziter Behauptung ist eine Prognose der Entwicklung des Zinsfußes im R a h m e n des Marxschen Systems nicht möglich. Der Zins erscheint als Sekundärkategorie und ist abgeleitet aus der Profitkategorie als der Teil des gesellschaftlichen Gesamtprofits bzw. - m e h r w e r t s , der auf das Leihkapital entfällt. Seine H ö h e be-

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stimmt sich durch Angebot und Nachfrage nach Leihkapital, dessen Zentralisation und Distribution in erster Linie die Banken leisten. Angebot und Nachfrage aber sind interdependente, von vielen zufälligen Faktoren abhängige und sich nicht regelmäßig entwickelnde Größen, was eine theoretische E x ante-Bestimmung des Zinsniveaus auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen unmöglich macht: »Die Konkurrenz bestimmt hier nicht die Abweichungen v o m Gesetz, sondern es existiert kein Gesetz der Teilung außer dem von der Konkurrenz diktierten, w e i l . . keine >natürliche< Rate des Zinsfußes existiert... Wo die Konkurrenz nicht nur die Abweichungen und Schwankungen bestimmt, w o also beim Gleichgewicht ihrer gegeneinanderwirkenden Kräfte überhaupt alle Bestimmung aufhört, ist das zu Bestimmende etwas an und für sich Gesetzloses und Willkürliches... Da der Zins bloß ein Teil des Profits, der v o m industriellen Kapitalisten an den Geldkapitalisten zu zahlen ist, so erscheint als Maximalgrenze des Zinses der Profit selbst, w o der Teil, der dem fungierenden Kapitalisten zufiele, = 0 w ä r e . . . Die Minimalgrenze des Zinses ist ganz und gar unbestimmbar. Er kann zu jeder beliebigen Tiefe fallen. Indessen treten dann immer wieder entgegenwirkende Umstände ein und heben ihn über dies relative Minimum. « 3

2.6. Das Interesse der Banken an der Monopolisierung der Industrie Nach Hilferding ist das Streben der Banken nach der Monopolisierung der Industrie »ein absolutes«. Zur Begründung verweist er auf die Schädigung der Bankinteressen durch den Konkurrenzkampf ihrer industriellen Klientel und darauf, daß der von Industriemonopolen langfristig bezogene M o n o polprofit den - den Banken zufallenden - Gründergewinn herauftreibe. 1 Aber auch dieses Element seiner Argumentation wirkt nur auf den ersten Blick plausibel. Denn es ignoriert, daß industrielle Monopolbildung Tendenzen freisetzt - zumindest aber freisetzen kann - , welche die funktionale Abhängigkeit der Industrie von den Banken sehr weitgehend lockern. M o nopolprofite steigern das industrielle Akkumulationspotential und ihre Grundlage - die bewußte, monopolistische Marktregulierung - eröffnet die Möglichkeit, das Investitionskalkül nach dem Kriterium der Selbstfinanzierbarkeit auszurichten. Damit bleibt völlig unklar, welcher funktionale Aufhänger denn die Banken zur Aneignung des Gründergewinns - eines durch Monopolisierung in seiner Verhandlungsposition gestärkten Industriekapitals - befähigen soll. Darüberhinaus ist es zwar richtig, daß der industrielle Monopolisierungsprozeß >Bruderkämpfe< zwischen Unternehmen, an denen eine Bank interessiert ist, beilegt - gleichzeitig aber gefährdet dieser Prozeß den Zusammenhalt ihrer einmal erworbenen Klientel. Indem nämlich die Monopolisierung - wenigstens im Sinne Hilferdings - auch aus solchen ehemaligen industriellen Konkurrenten, die zur Gruppe unterschiedlicher Banken gehören, wegen der (völligen) Liquidierung der K o n 51

kurrenz enge Geschäftspartner macht, entsteht unter den Bankinstituten eine Konkurrenzsituation u m die Neuaufteilung der industriellen K u n d schaft. - Diese B e m e r k u n g e n sollen keineswegs ausschließen, daß in konkreten Fällen einzelne, mehrere oder auch viele Banken an einer monopolistischen Regulierung bestimmter Märkte oder einer Intensivierung des industriellen Zentralisationsprozesses Interesse nehmen können, w o h l aber sollen sie bestreiten, daß ein solches situationsgebundenes Interesse als durchschnittliche Interessenlage des Bankkapitals auf die Ebene des Kapitals im Allgemeinen transponierbar ist. Die Wirkung der industriellen M o n o p o l i sierung auf die Situation der Banken ist viel zu ambivalent, u m einen solchen Abstraktionsschritt rechtfertigen zu können. D e m g e g e n ü b e r insistiert Hilferding auf einer linearen Wirkung der M o nopolisierung innerhalb der industriellen Sphäre auf das Verhältnis zwischen Banken u n d Industrie. Nicht nur steigert sie - über Gründergewinn und Ausschaltung industrieller Bruderkämpfe - die Profite der Banken, sondern sie intensiviert auch die Tendenz zur Etablierung und Konsolidierung ihrer Herrschaft über die Industrie. Denn die Realisierung von Monopolprofiten in bestimmten industriellen Sektoren lasse letztere so attraktiv für Kapitalanlagen der Banken erscheinen, daß sich durch diese Anlagen ein i m m e r größerer Teil des in den betreffenden Sektoren fungierenden Kapitals in der Verfügungsgewalt der Banken befinde. 2 Indessen entbehrt diese Hilferdingsche Auffassung m. E. jeder logischen Substanz. Ihre Verschwommenheit resultiert aus der mangelnden Explizierung der Form der in Rede stehenden Kapitalanlagen. D e n n w e n n sie als Kredite erfolgen sollen, steht m a n wieder vor dem schon mehrfach diskutierten Problem, bei stabilen industriellen Monopolprofiten nicht mit d e m Anspruch auf allgemeine Gültigkeit auf einen extensiven Kreditbedarf des Industriekapitals schließen zu können. Tätigen aber die Banken ihre Kapitalanlagen als Direktinvestitionen, so verschieben sie lediglich Kapital aus der Sphäre des Leihkapitals in die des produktiven Kapitals. Mit einer Beherrschung anderer, bereits vorher in den betreffenden monopolistischen Sektoren aktiven Einzelkapitalen hat dieser Vorgang überhaupt nichts zu tun. De facto liefert Hilferding - u n b e w u ß t mit seinem A r g u m e n t nichts anderes als eine Beschreibung des Mechanismus, der gerade ökonomische Monopolstellungen konterkariert: M o n o p o l profite in einem Wirtschaftsbereich provozieren den Z u f l u ß b r a n c h e n f r e m den Kapitals mit d e m Effekt einer Wiederbelebung der Konkurrenz und entsprechender Nivellierung der Profite. Wegen der Implikationen für die Realisierbarkeit des produzierten Profits in der Zirkulation wird der Fall der Profitrate u m so markanter ausfallen, j e größer der minimale Kapitalumfang ist, den die technischen Vorgaben im zunächst monopolistischen Sektor diktieren. - Einerseits konstruiert Hilferding aus diesem Tatbestand eine Schranke f ü r die Kapitalmobilität, 3 andererseits soll sich ausgerechnet das Bankkapital darüber hinwegsetzen.

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3. Die Ergebnisse der theoretischen Diskussion und die Fragestellungen fur die empirische Analyse

In der Einleitung w a r als Erkenntnisziel der theoretischen Diskussion die B e a n t w o r t u n g der Frage formuliert worden, ob sich aus der allgemeinen B e w e g u n g s f o r m des kapitalistischen Akkumulationsprozesses eine langfristige Suprematie der Banken über die Industrie prognostizieren läßt. 1 Diese Frage w a r von Rudolf Hilferding i m »Finanzkapital« positiv beantwortet worden. Eine kritische Analyse seiner Argumentation zeigt jedoch, daß er sich erstens bei seinen Deduktionen in logische Widersprüche verwickelt, die bereits die Thematisierbarkeit einer potentiellen Hierarchie i m Verhältnis von Banken und Industrie auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen in Frage stellen u n d zweitens - selbst bei Auflösung dieser Widersprüche durch logisch mit seiner Ableitung verträgliche A n n a h m e n - explizite und implizite Voraussetzungen über den Verlauf entscheidender Akkumulationsvariablen benötigt, die auf der Ebene der Systemanalyse unzulässige Restriktionen darstellen. Insbesondere konfligiert das Entwicklungsmodell, mit Hilfe dessen Hilferding die Herrschaft der Banken über die Industrie beweisen will, logisch mit seinem Monopolkonzept. Indem er dem M o n o p o l die Fähigkeit zuschreibt, die kapitalistische Konkurrenz (völlig oder so gut wie völlig) zu liquidieren, postuliert er die Außerkraftsetzung des Mechanismus zur Verallgemeinerung einer Durchschnittsprofitrate und b e n i m m t sich damit von vornherein der Möglichkeit, auf den tendenziellen Fall dieser Durchschnittsprofitrate als Determinante des industriellen Akkumulationspotentials schlechthin zu rekurrieren - andererseits dient i h m gerade dessen allgemeine Erschlaffung als Ansatzpunkt fur die funktionale Abhängigkeit der Industrie von den Banken, die sich im unerläßlichen und i m m e r extensiveren R ü c k griff auf langfristige Bankkredite manifestiert. D a m i t aber figuriert das T h e o r e m v o m tendenziellen Fall der Profitrate als notwendige Bedingung fur eine zwangsläufige D o m i n a n z des Bankkapitals über das Industriekapital - o b w o h l Hilferdings M o n o p o l k o n z e p t die argumentative N u t z u n g dieses T h e o r e m s logisch verbietet. Darüberhinaus unterstellt der von Hilferding für seine Argumentation benötigte Z w a n g zur erweiterten A k k u m u l a t i o n Konkurrenzmärkte mit der Unmöglichkeit einer bewußten, monopolistischen Regulierung der Stufenleiter der Produktion. Schließlich verstellt sein Monopolkonzept Hilferding den Blick für die N o t w e n d i g k e i t einer begriff53

lichen Relativierung einer potentiellen Herrschaft der Banken über die Industrie. Folgt man also Hilferding in der Begriffsbestimmung des Monopols, so macht dies seine Ableitung einer solchen Herrschaft als allgemeines Resultat kapitalistischer Entwicklung automatisch obsolet, da das Monopol in der Version Hilferdings die Wirkung der diesen Mechanismus konstituierenden (realen oder vermeintlichen) Strukturgesetzmäßigkeiten kapitalistischer Reproduktion von vornherein blockiert. Dieses logische Dilemma löst sich allerdings dann auf, wenn man sich von Hilferdings Monopolbegriff, dessen Fragwürdigkeit ohnehin herausgearbeitet wurde, 2 distanziert. Denn wenn man das Monopolphänomen nicht - zumindest implizit - als Ausdruck der Annulierung des von der kapitalistischen Konkurrenz exekutierten Wertgesetzes und der von ihm regulierten allgemeinen Verwertungsund Akkumulationstendenzen und -bedingungen des Kapitals begreift, sondern im Gegenteil gerade als Element ihrer historischen - und zwar nicht linearen - Durchsetzung, dann kann und muß man eben diese Tendenzen durchaus weiterhin als Determinanten der Perspektive des kapitalistischen Systems interpretieren, - womit sich auch ihre Wirkung auf das Verhältnis von Banken und Industrie mit Anspruch auf historische Relevanz diskutieren läßt. Wenn sich aber bei Preisgabe des Hilferdingschen Monopolkonzeptes die Frage nach einem Hierarchieverhältnis von Bank- und Industriekapital auch auf der Abstraktionsebene des Kapitals im Allgemeinen stellen läßt - eben weil real verallgemeinerte Durchschnittsbedingungen die Restriktion des Problems auf den typischen Fall erlauben, dessen Existenz überhaupt erst die Abstraktion vom Besonderen methodisch legitimiert - so bedeutet das keineswegs, daß aus dem Wertgesetz als zusammenfassendem Ausdruck der allgemeinen Akkumulationsbedingungen des Kapitals auch tatsächlich eine zwangsläufige Dominanz der Banken über die Industrie folgt. Denn dieses Theorem scheitert bereits an der fehlenden Allgemeingültigkeit seiner logisch notwendigen Bedingung. Der tendenzielle Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate nämlich beschreibt nur eine von mehreren möglichen Verwertungsperspektiven des (industriellen) Kapitals, und zwar letztlich deshalb, weil - im Gegensatz zur von Marx unterstellten Voraussetzung - ein tendenzielles Wachstum der technischen Zusammensetzung des Kapitals sich unter kapitalistischen Verhältnissen nicht unbedingt in einer Steigerung seiner Wertzusammensetzung niederschlagen muß. Wohl aber läßt sich auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen diejenige Konstellation formulieren, die in einem historisch-konkreten Reproduktionszusammenhang die Etablierung einer mindestens mittelfristigen (relativen!) Herrschaft der Banken über - sich unter durchschnittlichen Bedingungen reproduzierende industrielle Kapitale wahrscheinlich macht. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist genau dann gegeben, wenn bei - durch ein starkes Sinken der Profitrate induzierter - tendenzieller Erschlaffung des industriellen Akkumulationspotentials und daraus resultierender progressiver Abhängigkeit der Indu54

strie von langfristigen Bankkrediten einem nicht-monopolistischen industriellen Sektor ein monopolistisch (oder quasi-monopolistisch) formiertes B a n k kapital gegenübersteht. - Es bleibt das Verdienst Rudolf Hilferdings, zumindest implizit diese Konstellation und den Inhalt einer potentiellen Herrschaft der Banken über die Industrie bestimmt zu haben, sein analytischer Fehler besteht darin, das langfristig automatische Eintreten dieser Konstellation zu postulieren. Für die empirische Untersuchung der zum Sample gehörigen Unternehmen ergibt sich damit folgendes Konzept. A u f den in Kapitel 2.1 herausgearbeiteten Konfliktfeldern 3 zwischen B a n k - und Industriekapital ist zu prüfen, ob - und wenn j a mit welchen Einschränkungen - man von der D o m i nanz der einen oder anderen Seite im Verhältnis des betreffenden U n t e r nehmens zu seinen Banken sprechen kann. Der sich dabei ergebende B e fund ist zu erklären auf der Grundlage des Zusammenspiels der Strukturbedingungen des Reproduktionskontextes in der deutschen Schwer- bzw. Elektroindustrie vor dem ersten Weltkrieg mit den jeweiligen individuellen Kapitalverwertungstendenzen und Akkumulationsbedingungen. Dem Schlußteil wird es dann vorbehalten bleiben, zu klären, ob sich in der Tendenz ein einheitliches Bild in den Bankbeziehungen der zum Sample gehörigen Unternehmen ergibt und vor allem, ob die Erklärungsmuster für die Einzelfälle konvergieren, so daß sich eine auf Aggregatebene gültige Kausalkette identifizieren läßt. Ein solches Ergebnis ließe sich wohl - mit aller gebotenen Vorsicht - als ein Indiz fur eine real existente Tendenz zur zumindest sektoralen und regionalen - Verallgemeinerung eines durchschnittlichen Akkumulationsmusters in der Schwerindustrie des Ruhrgebiets während meines Untersuchungszeitraums interpretieren. Im einzelnen lauten die erkenntnisleitenden Fragestellungen fur die einzelnen Fallstudien folgendermaßen: 1) Welchen Verlaufnahm die Entwicklung der jeweiligen individuellen Profitrate? 2) Wirkte die Entwicklung der Profitrate dahingehend auf die Profitmasse, daß daraus eine sich progressiv intensivierende Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten entstand? 3) Welche weiteren Finanzierungsquellen spielten für die Akkumulationsfinanzierung eine Rolle? 4) Inwieweit machten sich die Banken Konkurrenz um die Geschäftsverbindung zu dem jeweiligen Unternehmen? Entstanden aus konkurrierenden Bankinteressen Verhandlungsspielräume, die seine massive Abhängigkeit von einer einzigen Bank oder Bankengruppe verhinderten? 5) Wie entwickelten sich Aktienbesitz und Aufsichtsratspräsenz der Banken? Inwieweit ergaben sich aus den Zwängen des Reproduktionsprozesses Handlungsanweisungen im Hinblick auf das Konkurrenzverhalten der industriellen Seite, die die Handlungsautonomie der Bankenvertreter in den Unternehmensgremien einschränkten?

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6) Welche weiteren unternehmensspezifischen Faktoren besitzen jeweils Erklärungs wert für das jeweilige Verhältnis zu den Banken? 7) Wie entwickelte sich das Teilungsverhältnis des produzierten Profits in Unternehmergewinn und Zins? 4 8) Wie wurde der Gründergewinn zwischen der industriellen Seite und den Banken verteilt? 9) In welchen Punkten übten die Banken entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Geschäftspolitik des betreffenden Unternehmens aus? 10) Welche Stellung nahmen die Banken zum industriellen Zentralisationsprozeß und insbesondere zu den Monopolisierungstendenzen innerhalb der Industrie ein - soweit die zum Sample gehörenden Unternehmen davon direkt betroffen sind?

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4. Zum Problem der statistischen Indikatoren für den empirischen Teil

Die Fragen 1) —3) des Untersuchungsplans fur die Fallstudien zielen ab auf die statistische Erfassung bestimmter Aspekte des Akkumulationsprozesses der z u m Sample gehörenden U n t e r n e h m e n . Bei diesen Aspekten handelt es sich u m a) den Verlauf der individuellen Profitrate, b) die Expansion des konstanten fixen Kapitals u n d c) die Wege der Finanzierung dieser Expansion. Als Quellenbasis fur die statistischen Tests dienen in dieser Arbeit jeweils die veröffentlichten Bilanzen sowie G e w i n n - und Verlustrechnungen, welche die Aufstellung kontinuierlicher Datenreihen ermöglichen. Auf Grund der Eigenarten des in den Bilanzen präsentierten Zahlenmaterials aber sieht m a n sich bereits i m Vorfeld der eigentlichen Indikatorenbildung mit drei g r u n d legenden Problemen konfrontiert, welche die Exaktheit und Vergleichbarkeit der statistischen Ergebnisse a priori relativieren. 1 1) Die Lückenhaftigkeit des Datenmaterials resultiert vor allem aus der Tatsache, daß eine Publikationspflicht für Geschäftsberichte, Bilanzen sowie G e w i n n - und Verlustrechnungen während des Untersuchungszeitraums lediglich für Aktiengesellschaften bestand. Aus diesem G r u n d e setzt der statistische Z u g r i f f für K r u p p und Siemens erst mit d e m Bilanzj ahr 1901 /02 bzw. 1897/98 ein, da diese U n t e r n e h m e n bis dahin unter anderen Rechtsformen firmierten.2 Für sämtliche anderen U n t e r n e h m e n dagegen liegen - mit sehr vereinzelten und in den entsprechenden Tabellen jeweils kenntlich gemachten Ausnahmen - für alle in dieser Arbeit interessierenden Bilanzjahre die benötigten Informationen vor. 2) Die Verläßlichkeit der in den Bilanzen ausgewiesenen Zahlen ist keine selbstverständliche Unterstellung, denn ganz abgesehen von u n b e w u ß t e n Verfahrensfehlern bei der Bilanzaufstellung, kann nicht ohne weiteres von vornherein ausgeschlossen werden, daß aus situationsbezogenen Interessen heraus vor allem der Gewinnausweis und die die Gewinnrechnung affizierenden Bilanzposten verdunkelnden Datenmanipulationen unterzogen wurden. Indessen halte ich die Annahme, solche Manipulationen könnten die hier in Rede stehenden Trends der Akkumulationsentwicklung qualitativ verzerren, aus verschiedenen Gründen für wenig wahrscheinlich. Z u m einen nämlich ist die Interessenlage des mit der Bilanzaufstellung betrauten Vorstandes durchaus ambivalent. Während sich nämlich aus d e m Zielkonflikt zwischen d e m Interesse der Aktionäre an hohen Dividenden u n d den 57

mehr mittel- und langfristig orientierten geschäftspolitischen Konzeptionen der Unternehmensleitung eine Tendenz zur untertriebenen Darstellung der Kapitalverwertung motivieren lassen könnte, fungiert umgekehrt gerade der Geschäftserfolg eines U n t e r n e h m e n s als Basis seiner Kreditwürdigkeit, was eine inverse Versuchung zum überzogen optimistischen Gewinnausweis impliziert. Kontinuierlich nach oben oder unten von den tatsächlich realisierten Profiten abweichende Bilanzdaten verletzen alsojeweils virulente Eigeninteressen des für die Bilanzaufstellung verantwortlichen Vorstandes. 3 Darüberhinaus w u r d e seit der Aktienrechtsnovelle von 1884 der M e chanismus der Bilanzkontrolle gesetzlich verankert und reguliert. 4 D e r A u f sichtsrat - d e m keine aktiven Vorstandsmitglieder angehören durften w u r d e mit der regelmäßigen Bilanzprüfung beauftragt (Art. 235), u n d die Generalversammlung erhielt das Recht, externe Revisoren zu bestellen (Art. 239), was sich auch als übliche Praxis einbürgerte. 5 - Insgesamt also erscheinen verfälschende Manipulationen an Bilanzdaten aus bestimmten m o m e n t a n e n Interessen des betreffenden U n t e r n e h m e n s heraus zwar i m Einzelfall als durchaus realistisch, doch sind m. E. ihre quantitativen Effekte auf die statistische Darstellung der jeweiligen zentralen Akkumulationstrends auf Grundlage der Bilanzen als vernachlässigbar einzuschätzen. 3) Die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Bilanzdaten begründet j e d e n falls die realtiv schwerwiegendsten Vorbehalte gegen den Aussagewert meiner statistischen Ergebnisse. Zunächst ist zu verweisen auf Probleme der sich wandelnden definitorischen Substanz der Datenreihen für ein und dasselbe U n t e r n e h m e n , die entstehen aus Friktionen in der Bilanzkontinuität im Zeitablauf, etwa durch einen Wechsel der Bilanzschemata oder durch die Ausgliederung von Unternehmensteilen aus dem Rechnungszusammenhang. Dabei sind ohnehin ex post lediglich Verstöße gegen die formale Bilanzkontinuität nachvollziehbar, während die materielle Bilanzkontinuität - also die Einheitlichkeit der Bewertungsverfahren - von vornherein nicht überprüfbar ist. 6 Was aber für die Datenreihen einzelner Kapitale gilt, trifft erst recht zu für den Unternehmensvergleich, wobei eine völlige K o m p a t i bilität der Zahlen bereits an d e m Verzicht des Gesetzgebers, einheitliche Bilanzformulare für alle U n t e r n e h m e n verbindlich zu machen, 7 scheitert, so daß m a n vor dem Problem steht, leicht voneinander abweichende und sich überschneidende Bilanznomenklaturen auf h o m o g e n e statistische Erfassungskategorien zu reduzieren. - Dennoch sollen die entwickelten Bedenken gegen die Vergleichbarkeit der Bilanzdaten w o h l eine durch die N a t u r des Quellenmaterials bedingte Skepsis gegenüber der numerischen Präzision der in den Schaubildern zu den Fallstudien präsentierten Statistiken und Graphiken begründen, doch bezieht sich diese Skepsis nicht auf die durch die einzelnen Indikatoren z u m Ausdruck gebrachten qualitativen Akkumulationstendenzen der Sampleunternehmen. D e n n für deren substanzielle Verzerrung reicht der Grad der Heterogenität der Bilanzdaten meiner Einschätzung nach nicht aus. Was zunächst die formalen Divergenzen anlangt, so sind die 58

Brüche in der Bilanzkontinuität der einzelnen U n t e r n e h m e n sehr selten u n d darüberhinaus periphär, und auch die Abweichungen der Bilanzschemata der verschiedenen U n t e r n e h m e n - die ja mit einer Ausnahme (der SiemensKonzern) alle der Schwerindustrie zuzurechnen sind - voneinander erweisen sich, zumindest in den hier interessierenden Posten, als marginal. Wenn aber durch formale Unterschiede die prinzipielle Kompatibilität der Daten nicht beeinflußt wird, so w ü r d e sie dessen ungeachtet gefährdet durch wesentlich divergierende Bewertungsverfahren bei der Veranschlagung der einzelnen Bilanzposten. Doch regelte bereits seit 1873 ein b e r ü h m t gewordenes diesbezügliches Urteil des Reichs-Oberhandelsgerichts die Grundsätze der Bew e r t u n g in den Bilanzen verbindlich und reichseinheitlich. 8 Die Bestimm u n g e n dieses Urteils w u r d e n in die Aktienrechtsreform von 1884 übern o m m e n und weiter präzisiert. Grundsätzlich bestimmte die Rechtslage die Einstellung sämtlicher zu bilanzierenden Aktiva zu d e m M a r k t - respektive Börsenpreis, den sie am Bilanzstichtag besaßen. Der Wert solcher Posten, die einen derartigen Preis nicht besaßen, war auf andere Weise zu ermitteln. Von dieser Regel gab es allerdings zwei Ausnahmen, deren zweite für diese Arbeit v o n besonderem Interesse ist. Erstens hatte sich der Wertanschlag »kurshabender« Papiere unter Respektierung einer gewissen Obergrenze am aktuellen Tageskurs zu orientieren, und zweitens waren die Elemente des Anlagevermögens zu ihrem Anschafjungspreis einzustellen. 9 Im Hinblick auf die B e w e r t u n g von Schulden und Forderungen hatte bereits das erwähnte Urteil v o n 1873 bestimmt, daß »Passiv-Forderungen (Schulden) an sich zu ihrem vollen Betrage in die Bilanz aufzunehmen« seien, »während der gegenwärtige Wert von Aktiv-Forderungen nicht schlechthin nach d e m geschuldeten Betrage, sondern auch nach d e m Grade der Solvenz des Schuldners und nach den sonstigen Aussichten für ihre Exibilität zu bemessen« sei. 1 0 Die rechtliche Kodifizierung der Bewertungspraxis bei Bilanzposten w a r also bis zu einem Grade ausgeprägt, der von den Bewertungsprinzipien her begründete, prinzipielle Vorbehalte gegen die vergleichende Interpretation der Bilanzen verschiedener U n t e r n e h m e n im Zeitablauf m . E. ausräumt. Nichtsdestoweniger ließen die Bewertungsrichtlinien den U n t e r nehmen soviel Spielraum, daß m a n keine völlige Kompatibilität der erhobenen Daten postulieren kann. Die einzelnen Abweichungen, die indessen keine Unvergleichbarkeit der Zahlen implizieren, k o m m e n nun bei der Diskussion der einzelnen Indikatoren zusammen mit anderen Problemen zur Sprache.

Zu a) Die statistische Approximation

der individuellen Profitrate

Die Entdeckung des Doppelcharakters der Ware und die damit verbundene B e s t i m m u n g der abstrakt-menschlichen Arbeit als ausschließliche Tauschwertsubstanz ist die fundamentalste analytische Leistung der Marxschen Kritik der Politischen Ö k o n o m i e . M a r x führte damit die an der empirischen 59

Oberfläche konstatierbare Erscheinung, den Marktpreis, auf sein Wesen, den Wert, zurück und schuf so die Grundlage für die Bestimmung des Kapitals als »mehrwertheckenden Wert« 11 und die theoretische Analyse seiner Bewegung. Bei der Darstellung des Gesamtprozesses der kapitalistischen Produktion im dritten Band des »Kapital« deduziert er aus dem Wirken der kapitalistischen Konkurrenz die Tendenz zur Herstellung einer Durchschnittsprofitrate, 12 was die These impliziert, daß in entwickelten kapitalistischen Verhältnissen die Marktpreise der Waren nicht mehr um ihren Wert oszillieren, sondern um ihren Produktionspreis. 13 Produktionspreis und Wert koinzidieren lediglich bei Waren, die von Einzelkapitalen mit einer durchschnittlichen Wertzusammensetzung produziert werden. 1 4 Dies bedeutet keine Außerkraftsetzung des Wertgesetzes - beherrscht es doch über die Regulierung der Produktionspreise nach wie vor die Preisbewegung. 1 5 Indessen erfolgt seine Durchsetzung nie als glatter Mechanismus, der im Einzelfall sämtliche anderen Einflüsse auf die Preisbildung dominiert, sondern immer nur als Tendenz, die sich mehr oder weniger zäh gegen Friktionen verschiedener Art behauptet. 16 Für die konkrete statistische Analyse individueller Profitraten in einem limitierten Untersuchungszeitraum, die sich ja zwangsläufig auf die Erfassung von Marktpreisen stützt, bedeutet dieser Zusammenhang die Möglichkeit der nicht nur absoluten, sondern auch trendmäßigen Abweichung von der allgemeinen Durchschnittsprofitrate, da die Marktpreise der in die Profitrate eingehenden physischen Größen - etwa durch monopolistische Marktkonstellationen - über längere Zeiträume erheblich von den Produktionspreisen abweichen können. 1 7 Ohne Kenntnis der Bewegungsrichtung der allgemeinen Durchschnittsprofitrate ist nicht ersichtlich, inwieweit ihr Trend in der real bezogenen Profitrate einzelner Kapitale durchschlägt. Deshalb besitzt auch die Messung der individuellen Profitraten meiner Beispielunternehmen nicht den Charakter einer empirischen Überprüfung des Theorems vom tendenziellen Fall der Profitrate im Hinblick auf seine Anwendbarkeit für das deutsche Kaiserreich von 1880 bis 1914. - Wenn andererseits aber Hilferdings Erklärungsmodell einer Bankenherrschaft über die Industrie historische Relevanz für diese Periode zukommen soll, dann müßte sich für die größten Kapitale der am weitesten unter die kapitalistische Produktionsweise subsumierten Produktionszweige eine über sinkende Profitraten vermittelte Erschlaffungstendenz der Kapitalverwertung auffinden lassen. - Als Methode zur Messung der individuellen Profitraten bediene ich mich in dieser Arbeit der Übersetzung der in die Definition der Durchschnittsprofitrate eingehenden, aufWertebene angesiedelten Komponenten in ihre geldlichen Erscheinungsformen. Definitionsgemäß gilt für die Durchschnittsprofitrate:

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Die von den Einzelkapitalen real bezogenen Profitraten P,' ergeben sich damit als: Pi'=

R

S + L'

worin R der Rohgewinn 1 8 des betreffenden Unternehmens pro Meßperiode, S sein Sachvermögen (Immobilien + Maschinen + Werkzeuge + Rohmaterial) und L die verauslagte Lohnsumme ist. 1 9 Bei der exakten statistischen Erfassung der so definierten individuellen Profitraten entstehen nun einige Schwierigkeiten daraus, daß die als Erhebungsmaterial dienenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen den Rohgewinn (R) und das Sachvermögen (S) nur annähernd, die Lohnsumme (L) aber in den meisten Fällen gar nicht ausweisen. Der Rohgewinn (,hin und wieder auch als Fabrikationsgewinn bezeichnet,) wird teilweise vor, teilweise nach Abzug der Schuldzinsen ausgewiesen, und das Rohmaterial erscheint in den Bilanzen in der Regel zusammen mit den Vorräten an Fertigprodukten als Summenposten, aus dem es nicht herauszulösen ist, wodurch das Sachvermögen etwas aufgebläht wird. Hier ist allerdings in Rechnung zu stellen, daß erstens nicht das gesamte fur Roh- und Hilfsstoffe verauslagte Kapital bilanziert wird - so tauchen zum Beispiel die Energiekosten nicht auf - und daß zweitens das Rohmaterial als Bestandteil des konstanten fixen Kapitals normalerweise mehrere Male während eines Bilanzjahres umschlägt. Da in der Bilanz aber nur der Inventurbestand des Bilanzstichtages auftaucht, wird die Höhe des pro Jahr im Produktionsprozeß konsumierten konstanten zirkulierenden Kapitals durch die vorliegenden Bilanzdaten kontinuierlich unterschätzt. Diese systematische Unterschätzung und seine Überschätzung durch die Zusammenfassung mit den Fertig- und Halbfertigprodukten induzieren aber Verzerrungen in entgegengesetzter Richtung und werden sich daher zumindest partiell in ihrer Wirkung paralysieren. - Am schwersten wird die Meßbarkeit der einzelnen P¡' beeinträchtigt durch die Nichtquantifizierbarkeit der pro Jahr verauslagten Lohnsumme, welche die Güte der erreichbaren Approximation natürlich reduziert. Diese Approximation läuft im empirischen Teil über den folgenden Quotienten: O ' = ^ S Wenn auch die Q¡ und die P¡' fur die einzelnen Jahre des Untersuchungszeitraums zahlenmäßig in unterschiedlichem Ausmaß voneinander abweichen, so scheinen mir die Q¡' durchaus zur qualitativen Einschätzung der Verwertungsentwicklung der zum Sample gehörenden Unternehmen geeignet, denn Plausibilitätsüberlegungen an Hand der Wachstumsraten beider Brüche zeigen, daß ihre Entwicklungsrichtung langfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch ist - und auch ihre Wachstumsgeschwindigkeit nicht wesentlich differiert. 20 - Wo immer in den Fallstudien numerische Aussagen 61

zur jeweiligen Profitratenentwicklung gemacht werden, beziehen sich diese auf das Q¡' des betreffenden Unternehmens, das im Folgenden als S y n o n y m fur die individuelle Profitrate verwandt wird, wobei man sich darüber im Klaren sein m u ß , daß durch die Einbeziehung des variablen Kapitals die Kapitalverwertung sich prozentual etwas niedriger darstellen w ü r d e als es den Anschein hat, w e n n m a n den R o h g e w i n n lediglich auf das konstante Kapital bezieht, da gilt: Q¡' > P¡' Als Basisperiode dient jeweils ein Geschäftsjahr, was bereits durch die Eigenart der Datenbasis präjudiziert wird. Zu b) Die Expansion des konstantenfixen

Kapitals

Die Quantifizierung der Expansion des konstanten fixen Kapitals erfolgt über die Entwicklung des Sachanlagevermögens 2 1 des jeweiligen U n t e r n e h mens, wobei eine erste Quelle der Ungenauigkeit darin liegt, daß in einigen Fällen auf Grundlage der Bilanzdaten nicht scharf zu unterscheiden ist zwischen den Elementen des konstanten fixen und denen des konstanten zirkulierenden Kapitals, beispielsweise, w e n n Werkzeuge mit Maschinen zu einem Summenposten zusammengezogen werden. Doch dürften solche punktuellen Unschärfen qualitativ völlig unerheblich sein. Eine zweite, wesentlichere Quelle der Ungenauigkeit und Einschränkung der Vergleichbarkeit der Daten resultiert aus dem Spielraum, den das Bilanzrecht den Einzelunternehmen für die Einstellung des Sachanlagevermögens einräumte. G r u n d sätzlich hatte diese nach d e m Anschaffungspreis zu erfolgen, 2 2 doch bestand bei der Bilanzierung der Abnutzung ein Handlungsfreiraum hinsichtlich der A n w e n d u n g der direkten oder indirekten M e t h o d e der Abschreibung und der H ö h e der jährlichen Abschreibungsquoten. 2 3 O f t m a l s ist nun aus den Bilanzen nicht eruierbar, ob und in welchem U m f a n g das entsprechende U n t e r n e h m e n von der direkten Abschreibung Gebrauch machte, oder ob es die Abnutzung in einem separaten Erneuerungsfonds unter die Passiva einstellte, da solche Fonds bisweilen entweder nicht explizit n a m h a f t gemacht, sondern gleich kategoriell unter die Reserven subsumiert w u r d e n oder zumindest als >Reserve- und Erneuerungsfonds< mit ihnen zu einer S u m m e verschmolzen w u r d e n . 2 4 Das Sachanlagevermögen erscheint in den Bilanzen also mal u m die Abschreibungen bereinigt und mal nicht. Diese Unschärfe schlägt natürlich auch auf den Indikator für die Profitrate durch, da das Sachanlagevermögen bei dem entsprechenden Quotienten in den N e n n e r eingeht. Dennoch wird sie a la longue weder die Wachstumsdimension des konstanten fixen Kapitals der einzelnen U n t e r n e h m e n noch die Tendenz ihrer Profitrate affizieren - damit aber auch nicht die komparative Betrachtung dieser Trends im Unternehmensvergleich.

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Zu c) Die Finanzierung

der Expansion des konstanten fixen Kapitals

Für die Finanzierung der E x p a n s i o n des k o n s t a n t e n fixen Kapitals sind drei Wege d e n k b a r : 1) Finanzierung aus eigener A k k u m u l a t i o n s k r a f t , sprich aus der P r o f i t masse, 2) Finanzierung über die B e g e b u n g v o n Aktien oder die A u f n a h m e v o n langfristigem Fremdkapital - aus welchen Q u e l l e n auch i m m e r , 3) I n a n s p r u c h n a h m e v o n f o r m a l kurzfristigen, de facto aber langfristigen Bankierskrediten. 1) Z u r M e s s u n g des Beitrages der jeweiligen E i g e n a k k u m u l a t i o n an der G e s a m t f i n a n z i e r u n g w i r d v o n der Selbstfinanzierung ausgegangen. U n t e r Selbstfinanzierung versteht m a n g e w ö h n l i c h die Eigenfinanzierung aus a k k u m u l i e r t e n Profitteilen, die sich bilanzmäßig in den R ü c k l a g e n niederschlagen. D i e n o r m a l e n A b s c h r e i b u n g e n gelten dagegen s t r e n g g e n o m m e n nicht als »Finanzierungsmittel i m Sinne der Selbstfinanzierung«. 2 5 D a aber auch n o r m a l e A b s c h r e i b u n g s g e g e n w e r t e , »die der U n t e r n e h m u n g zufließen u n d die erst zu einem späteren Z e i t p u n k t benötigt w e r d e n « , 2 6 eine v o n e x t e r n e m Kapital u n a b h ä n g i g e Finanzierungsquelle darstellen, w e r d e n Rücklagen u n d A b s c h r e i b u n g e n f ü r jedes Bilanzjahr z u s a m m e n g e z o g e n u n d auf das Wachst u m des k o n s t a n t e n fixen Kapitals i m jeweils folgenden J a h r bezogen, u m einen Indikator f ü r die E i g e n a k k u m u l a t i o n s k r a f t zu erhalten. Dieser Q u o tient: (Abschreibungen + Rücklagen),, konst.fix.Kap. n + i — konst.fix.Kap. n w o r i n η die Jahreszahl bezeichnet, w i r d f ü r das Folgende als Eigenfinanzierungspotential (EFP) bezeichnet. U m falsche S c h l u ß f o l g e r u n g e n zu v e r m e i den, w i r d f ü r den Einzelfall zu untersuchen sein, i n w i e w e i t sich die R ü c k l a gen tatsächlich lediglich aus der P r o f i t m a s s e des U n t e r n e h m e n s speisen u n d i n w i e w e i t sie i m R a h m e n v o n K a p i t a l e r h ö h u n g e n u n d O b l i g a t i o n s b e g e b u n g e n extern gestärkt w e r d e n . - D u r c h zwei Faktoren w i r d die k o r r e k t e E r f a s s u n g des E F P erschwert. Z u m einen ist das zusätzliche Eigenfinanzierungspotential, das sich potentiell über die B i l d u n g stiller Reserven ergeben kann, aus den Bilanzen n a t u r g e m ä ß nicht eruierbar, z u m anderen f a n d i m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m dieser Arbeit die heute obligatorische Differenzier u n g zwischen echten R ü c k lagen u n d Rückstellungen n o c h keine k o n s e q u e n t e A b w e n d u n g . 2 7 D i e S u b s u m p t i o n beider G r ö ß e n unter einen S u m m e n p o sten »Reserven«, die m a n in den Bilanzen häufig findet, k o m m t einer Z u s a m m e n f a s s u n g v o n bereits feststehenden Verpflichtungen m i t variablen Investitionsmitteln gleich u n d läßt das Eigenfinanzierungspotential etwas h ö h e r erscheinen als es in Wirklichkeit ist. D a aber die >stillen Reserven< u n d die Identifikation v o n Rückstellungen u n d Rücklagen zu in entgegengesetzter R i c h t u n g w i r k e n d e n Verzerrungen des E F P f ü h r e n , k a n n m a n h o f f e n , daß ihre E f f e k t e sich - z u m i n d e s t partiell - paralysieren.

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2) Der Beitrag der Kapitalerhöhungen bzw. der Aufnahme von langfristigem Fremdkapital - hauptsächlich in Form von Obligationsbegebungen zur Expansionsfinanzierung ist ziemlich problemlos quantifizierbar über die Relation des Wachstums des Aktienkapitals bzw. des langfristigen Fremdkapitals (Anleihen + Darlehen + Hypotheken) zum Wachstum des konstanten fixen Kapitals - also des Sachanlagevermögens. Die entsprechenden Indikatoren lauten also: (Anleihen+Darlehen+Hypotheken) n + 1 — (Anleihen+Darlehen+Hypotheken) n konst.fix.Kap. n + i — konst.fix.Kap. n (Aktienkapital) n+ i — (Aktienkapital),, konst.fix.Kap. n + 1 — konst.fix.Kap.n

3) Der Beitrag der Kontokorrentkredite zur Finanzierung der Expansion des konstanten fixen Kapitals ist aus den erhalten gebliebenen Quellen kaum auch nur annähernd exakt quantifizierbar. Man ist auf die Bilanzen verwiesen und stößt dabei auf eine Reihe von Problemen. Oftmals werden die Bankkreditoren auf der Passivseite der Bilanz nicht gesondert ausgewiesen, sondern unter die Rubrik »diverse Kreditoren« subsumiert. Dort, w o separate Daten zu den Bankkrediten vorliegen, zeigt sich, daß sie fast immer nur einen signifikant niedrigen Anteil an den »diversen Kreditoren« ausmachen. Aber selbst der Posten »Bankkreditoren« ist nicht gleichzusetzen mit de facto langfristigen Kontokorrentkrediten. 2 8 Man könnte allerdings hier die Hypothese aufstellen, daß dadurch, daß die vorliegenden Bilanzdaten jeweils mit einjährigem Abstand an den Bilanzstichtagen erfaßt wurden, ein wesentlicher Teil der kurz- und mittelfristigen Bankkredite herausgefiltert ist und daher die »Bankkreditoren« ein ungefähres Maß der langfristigen Kontokorrentkredite darstellen. Dennoch bleibt natürlich in diesem Punkt ein erhebliches Maß an Unexaktheit bestehen. Nichtsdestoweniger aber liefert der Indikator Bankkreditoren n+1 —Bankkreditoren n konst.fix.Kap. n +i — konst.fix.Kap.n

Kreditoren n+1 —Kreditoren,, konst.fix.Kap.„+i — konst.fix.Kap. n

eine qualitativ interessante Aussage. Wie man sehen wird, ergibt nämlich die Auswertung des Zahlenmaterials, daß selbst unter der völlig unrealistischen Maximalannahme, daß die »diversen Kreditoren« vollends mit den langfristigen Kontokorrentkrediten identisch sind, die verbreitete These über die zentrale Bedeutung der Kontokorrentkredite für die Expansion des fixen Kapitals zumindest für die hier untersuchten großen Unternehmen aus der Schwer- und Elektroindustrie empirisch nicht verifizierbar ist. Zusammenfassend sei noch einmal bemerkt, daß sämtliche für die statistische Analyse verwandten Indikatoren - aufgrund der Eigenschaften des Quellenmaterials - nicht den Charakter präziser Meßdaten besitzen können. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, die für die Fragestellung dieser Arbeit theoretisch als wesentlich herausgearbeiteten Akkumulationstrends der Sampleunternehmen transparent zu machen, indem sie mit einer gewissen 64

Schwankungstoleranz um die exakten Werte der Profitrate, der Eigenakkumulationskraft, der Expansion des konstanten fixen Kapitals sowie der einzelnen Arten der Fremdfinanzierung des jeweils betreffenden Unternehmens oszillieren. Die Amplitude dieser Oszillationen ist nicht bezifferbar, doch scheint mir die Hoffnung berechtigt, daß die daraus resultierenden Trendverzerrungen qualitativ zu vernachlässigen sind.

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5. Das Verhältnis von Banken und Industrie in Deutschland vor 1914 - Tendenzen in der Literatur

Bevor nun das entwickelte Forschungskonzept in Fallstudien über die U n ternehmen des Samples umgesetzt wird, soll kurz referiert werden, wie die Anwendbarkeit der Hilferdingschen Thesen zum Verhältnis von Banken und Industrie auf Deutschland während meines Untersuchungszeitraums in der Sekundärliteratur beurteilt wird - denn obwohl es bisher an systematischen empirischen Untersuchungen zu diesem Thema fehlt, ist Hilferdings Konzept mit Bezug auf eine Reihe von Ländern, darunter vor allem auch Deutschland, in der Geschichtsschreibung bis in unsere Tage immer wieder aufgegriffen worden, sei es nun implizit oder explizit. Andererseits distanziert sich eine wachsende Zahl von Wirtschaftshistorikern mehr oder minder deutlich von diesem in Hilferdings Tradition stehenden Interpretationsmuster der Beziehungen beider Kapitalfraktionen vor 1914, indem sie entweder kritisch - und im Ergebnis zumindest stark relativierend — die empirische Gültigkeit seiner Behauptung von der Dominanz der Banken reflektiert, oder aber seine Thesen gar nicht erst aufgreift. 1 Soweit die neuere nichtmarxistische Literatur zur deutschen Industrialisierung die Gültigkeit des Hilferdingschen Theorems von der Suprematie der Banken über die Industrie bis mehr oder minder kurz vor dem ersten Weltkrieg unterstellt, ordnet man sie gemeinhin in den Zusammenhang des spezifisch deutschen - oder allgemein des kontinentaleuropäischen — Typus der kapitalistischen Industrialisierung ein. 2 So erklärte etwa 1970 Jean Bouvier: »L'ouvrage essentiel demeure celui d'Hilferding.. Dans les années 1900, la problématique d'Hilferding paraît tout a fait convenir au type »continental« de système bancaire et de relations banque-industrie. « 3

Diese Sichtweise wurde wesentlich geprägt und besonders pointiert dargestellt durch Alexander Gerschenkrons Arbeit über »Wirtschaftliche Rückständigkeit in historischer Perspektive«, 4 auch wenn die darin zum Ausdruck gebrachten Ideen keineswegs ganz neu waren, sondern zumindest teilweise an ältere Auffassungen und Erkenntnisse über die Rolle der Banken insbesondere auch in der deutschen Industrialisierung anknüpften. 5 Gerschenkron bemüht sich in diesem Aufsatz um die Entwicklung einer Typologie von Industrialisierungsprozessen. Es geht ihm darum, zu zeigen, daß 66

die »Entwicklung eines rückständigen Landes gerade wegen seiner Rückständigkeit in entscheidenden Aspekten grundlegend von der eines fortgeschritteneren Landes abweichen kann«, wobei diese entscheidenden Aspekte bestimmt werden als das Tempo der Entwicklung und die jeweils spezifischen »Produktions- und Organisationsstrukturen der Industrie«. 6 Die diesbezüglichen Besonderheiten der Industrialisierung eines rückständigen Landes ergeben sich aus der Anwendung spezifischer institutioneller Industrialisierungselemente und -Ideologien, mit Hilfe derer jeweils das Fehlen bestimmter Vorbedingungen der Industriellen Revolution kompensiert wird und deren Art in Abhängigkeit vom Grad der Rückständigkeit variiert. 7 Während England in Gerschenkrons Konzept als Normfall der Industrialisierung figuriert, die sich hier durch das Zusammenspiel »einer Reihe von sozialen, ökonomischen und technischen Faktoren« 8 als organischer Prozeß entwickelte, ergab sich Deutschlands relative Rückständigkeit aus dem, gemessen am potentiellen industriellen Investitionsbedarf, zu niedrigen Stand der Kapitalakkumulation, der sich in einem akuten Kapitalmangel niederschlug. 9 Dieser Mangel an Industriekapital mußte mit Hilfe von Institutionen, die die Bereitstellung langfristiger, zur Verwandlung in industrielles Kapital geeigneter Kredite gewährleisteten, überwunden werden, eine Aufgabe, die, so Gerschenkron, in Deutschland vom Bankwesen übernommen wurde. Dabei vereinigten die deutschen Banken, anknüpfend an den französischen Crédit Mobilier der Gebrüder Pereire, die Grundidee der Investitionsbank mit den traditionellen Tätigkeitsfeldern der Handelsbanken zur Synthese der >UniversalbankBrudermord< unter ihren >Kindern< zu dulden. Durch die zentrale Kontrolle, die sie ausübten, hatten die Banken den Überblick, gewinnbringende Gelegenheiten zur Kartellbildung und Verschmelzung industrieller U n ternehmen rasch erkennen zu können. « 1 2 -

Bei aller Unterschiedlichkeit in der Schwerpunktsetzung ihrer Arbeiten reproduziert Gerschenkron bezüglich des Verhältnisses von Banken und Industrie in Deutschland also genau besehen exakt die logische Kette Hilfer-

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dings: Kreditabhängigkeit der Industrie - Bankenherrschaft - Forcierung des Konzentrationsprozesses, mit dem Unterschied lediglich, daß Gerschenkron die Kreditabhängigkeit der Industrie, das auslösende Glied der Kette, nicht aus den allgemeinen Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Akkumulation erklären will, sondern aus dem ökonomischen Entwicklungsdefizit bestimmter Länder im 19. Jahrhundert und deshalb auch die Herrschaft der Banken über die Industrie nicht als allgemeines Resultat kapitalistischer Entwicklung postuliert. Gemäß seiner Logik muß sie vielmehr beschränkt bleiben auf eine Gruppe von Ländern mit ähnlichen Entwicklungsvoraussetzungen und auch hier verschwinden, sobald die >latecomer< den Grund ihres >timelagsWertschöpfung< von Industrie und Handwerk von 1885 bis 1911 in Relation zu den Industriekrediten der Geschäftsbanken setzt, die diese in Form von Kontokorrentkrediten sowie deutschen Aktien und Obligationen bereitstellten. Aus seinem Zahlenmaterial zieht er den Schluß, daß für den genannten Zeitraum die von den Banken aufgebrachten Kredite in ständig steigendem Maße als Finanzierungsquelle für die produktiven Ausgaben von Industrie und Handwerk gedient hätten und sich dementsprechend die Abhängigkeit dieses Wirtschaftszweiges von den Bankkrediten vertieft habe. 17 Allerdings brach nach Eistert diese Entwicklung 1908 ab, und die Kreditpolitik der Banken erwies sich von diesem Zeitpunkt an als Entwicklungshemmnis für das weitere industrielle Wachstum. 18 - Neuburger und Stokes legten 1974 eine Methodenkritik des Eistertschen Ansatzes vor 19 und präsentierten einen eigenen Lösungsversuch für das in Rede stehende Problem, den Neuburger 1977 noch einmal ausführlich explizierte. 20 Neuburger hält den Kontokorrentkredit für den »basis nexus between bank and industrial firm«.21 Am quantitativen Bedeutungszuwachs der Kontokorrentkredite der Banken gegenüber den inländischen Wechselkrediten macht er ihre verstärkte Hinwendung zum industriellen Geschäft seit 1895 fest. 22 Für die Messung des Industrialisierungsbeitrages der Banken reiche allerdings die absolute Höhe der Kontokorrentkredite nicht aus, letztere ergebe sich vielmehr gleichsam als Resultierende dreier unterschiedlicher Effekte, des »substitution effect«, des »institutional effect« und des »credit effect«, 23 wobei es beim substitution effect um die Frage gehe, ob die Banken ihre Kredite in Abhängigkeit von Grenzprodukt der einzelnen Sektoren rational im Sinne von wachstumsoptimierend vergeben hätten. 24 Es stehe außer Zweifel, daß die Kreditpolitik die Entwicklung der deutschen Schwerindustrie gefördert habe, die entscheidende Frage sei aber gerade, ob die einseitige Bevorzugung der Schwerindustrie nicht als Mißallokation von Kapital zu interpretieren sei, die ein Zurückbleiben des realen Wachstums 69

der nicht-agrarischen Produktion hinter ihrem Wachstumspotential verursacht habe. 2 5 Die letztlich positive Beantwortung dieser Frage gründet Neuburger auf seinen statistischen Test, im Rahmen dessen er das Verhältnis Kontokorrent-Kredite/Gesamtkredite der Kreditbanken als »shift parameter« in eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion eingehen läßt. Aus dem negativen Vorzeichen des entsprechenden Koeffizienten schließt Neuburger dann, »that the Kreditbanken allocated credit in a manner that reduced their efficiency of the German non-agricultural economy.« 2 6 - In seinem 1980 erschienenen Aufsatz »Banken und Industrialisierung in Deutschland: Quantifizierungsversuche« 2 7 bezweifelt Richard Tilly die methodische Adäquanz des Neuburgerschen Vorgehens, da Neuburgers Datenmaterial zweifelhaften Charakter besitze und sein mathematisches Analyseinstrumentarium sich gegenüber Datenmodifikationen hochempfindlich verhalte. 2 8 Hinsichtlich der Effektivität der Investitionsfinanzierung durch die Banken gelangt Tilly in seinem eigenen statistischen Test mit dem suggestiven Titel »German Banking, 1850—1914: Development assistance for the strong « , 2 9 bei der er sich auf die Portfolio-Theorie und die Emissionsstatistiken der Berliner Börse von 1883 bis 1913stützt, zu einer von Neuburger und Stokes abweichenden Einschätzung der Effektivität der Kreditpolitik der Banken für das industrielle Wachstum, bestätigt aber ihre Resultate über die Präferenzen der deutschen Großbanken bei der Kreditvergabe: »In short, to the extent that data are comparable, the result tends to confirm historiographical judgements about the role of German banks as efficient organizers of the financing o f industrial g r o w t h . . . To the extent that innovation, risk and newness (and size) o f enterprise are linked, and insofar new issues in the Berlin capital market indicate the nature of the new credit bank's business, the latter was not primarily risk and innovation-oriented. « 3 0

Wie Gerschenkrons Thesen über den Industrialisierungsbeitrag der deutschen Banken, so erfreut sich auch seine Auffassung über die Verschiebungen in der Hierarchie im Verhältnis von Banken und Industrie in der Literatur einer durchaus verbreiteten Akzeptanz. Mit Bezug auf die ersten Jahrzehnte der deutschen Industrialisierung meint etwa Böhme: »Keines der von den Berliner AG-Banken gestützten Unternehmen bankrottierte, aber auch keines der von Berlin abhängigen Industrieunternehmen hatte die Macht, eine selber zu verantwortende und organisierte Unternehmenspolitik zu entwerfen. Die Berliner Banken befahlen, ordneten an oder ließen die Geschäftsbeziehungen in ihrem Sinne und unter Berücksichtigung ihres Portefeuilles regeln. « 3 1

Seit den späten 1880er Jahren allerdings meint er Veränderungen im Verhältnis von Banken und Industrie erkennen zu können: »Hatten die Banken zuvor einen starken und direkten Einfluß auf die Geschäftsführung genommen und die >Leitlinien< der Betriebs- und Buchführung bestimmt und kontrolliert, so ist ziemlich genau ab 1887 eine Veränderung in den gegenseitigen

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Beziehungen erkennbar... Die direkte Führung der Unternehmen durch die Banken machte einem Verhältnis größerer >Partnerschaft< Platz, der Handlungsspielraum der Industrieunternehmen vergrößerte sich bedeutsam. « 32

Allerdings ist die - mehr oder minder intensive und langfristige - Dominanz der Banken gegenüber der Industrie in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg keineswegs ein totaler Konsens in der Literatur. Zeitgenössische Autoren, wie Riesser oder Jeidels, hatten dieser These entschieden widersprochen. 33 Aber auch in der Forschung der letzten Jahre verdichten sich immer mehr die Zweifel daran, ob sich die Benutzung eines so scharfen Begriffes wie >Herrschaft< oder äquivalenter Formulierungen-zur globalen Charakterisierung der Beziehungen zwischen Banken und Industrie in Deutschland fur irgendeine Phase der Industrialisierung rechtfertigen läßt. In dieser Richtung argumentiert etwa Jürgen Kocka. Zwar spricht auch er von einer »central role« der Banken »in the financing of industry« und konstatiert eine »close union« zwischen beiden Kapitalfraktionen - eine Konstellation, die, so Kocka, einerseits der industriellen Seite eine gewisse Stabilisierung der Planbarkeit ihres Reproduktionsprozesses brachte, und andererseits den Banken einen »direct and continuous influence« auf ihre industrielle Klientel sicherte, den sie vor allem über Aufsichtsratspräsenz institutionalisierten. 34 Auch folgt er Gerschenkron in der Annahme einer zunehmenden Emanzipation des Industriekapitals seit der Jahrhundertwende. 3 5 Indessen differenziert Kocka deutlich zwischen dem von ihm konstatierten Bankeneinfluß und einer industriellen Abhängigkeit von den Banken oder gar einer Bankenherrschaft, von deren Unterstellung er sich explizit distanziert, 36 wobei allerdings nicht ganz klar wird, wo präzise die Grenze zwischen Einfluß und Dominanz verläuft. Bei ganz ähnlichem argumentativen Grundmuster wie Kocka - und Gerschenkron - weist Wilfried Feldenkirchen auf starke Unterschiede im Verhältnis von Banken und Industrie auch vor 1895 hin und meldet damit Vorbehalte gegen zu pointiert generalisierende Darstellungen des Problems an. 3 7 Diese gegenüber der Adäquanz des Herrschaftskonzeptes kritischen und differenzierenden Tendenzen in der Literatur werden durch einige Detailstudien zu Aspekten des Verhältnisses einzelner Unternehmen zu ihren Banken bestärkt. 38 Reflektiert man ihre Distanz zu den Hilferdingschen Theoremen zum Verhältnis von Bank- und Industriekapital, so ist zunächst zu konstatieren, daß sie (m. E. richtigerweise) mit Gerschenkron gegenüber Hilferding die Problemebene von der Systemanalyse auf die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in Deutschland verlagern. Viel akzentuierter als bei Hilferding (und auch bei Gerschenkron) kommen darüberhinaus die Grenzen des Bankeneinflusses auf die Industrie zum Ausdruck, was sich in der Vermeidung des Herrschaftsbegriffes äußert. Andererseits übernehmen aber selbst diese Hilferding gegenüber eher kritischen Autoren eine ganze Reihe der logischen Bausteine seiner Konzeption, etwa den zentralen Schluß von den Akkumulationsbeiträgen der Banken auf 71

ihren Einfluß in der Industrie ( - auch, wenn der Einfluß bei ihnen eben nicht zur Herrschaft wird - ), die Formen der institutionellen Verankerung dieses Einflusses oder die Bestimmung seiner inhaltlichen Konsequenzen (Beschleunigung des Zentralisationsprozesses innerhalb der Industrie etc.). Die in dieser Tatsache zum Ausdruck gelangende Fruchtbarkeit des »Finanzkapitals« fiir die historische Analyse der Beziehungen von Banken und Industrie verdankt sich dem bereits in der Einleitung betonten Umstand, daß Hilferding die das Verhältnis von Leih- und Industriekapital determinierenden Akkumulationsvariablen realistisch bestimmt und rechtfertigt m. E. den breiten Raum, den ich der kritischen Rezeption seines Werkes gewidmet habe. 39 Wenn auch die Grenzen des Bankeneinflusses auf die deutsche Industrie während der Industrialisierung in den einschlägigen Arbeiten, wie gesehen, sehr unterschiedlich beurteilt werden, scheint mir die Gerschenkronsche Annahme einer wachsenden Emanzipation der Industrie gegen den Weltkrieg hin kaum umstritten. Sie wird in der Regel zurückgeführt auf die wachsende Fähigkeit der Industrie zur Selbstfinanzierung und die Auswirkungen des industriellen Konzentrations- und Zentralisationsprozesses, der den Industrieunternehmen eine gestärkte Verhandlungsposition beschert habe, 40 wobei strittig ist, wieweit die Banken selbst als Protagonisten der industriellen Zusammenschlußbewegungen fungierten. 41 - Was die institutionelle Verankerung des Bankeneinflusses angeht, so folgen so ziemlich alle Autoren der Hilferdingschen Einschätzung der Bedeutung des Aufsichtsrates und der personellen Verflechtung von Banken und Industrie, doch fehlt in einigen Arbeiten auch nicht der Hinweis, daß eine Erhöhung des Anteils der Bankiers im Aufsichtsrat eines Industrieunternehmens dann nicht unbedingt Ausdruck steigenden Bankeneinflusses sein muß, wenn die betreffenden Bankiers sich aus konkurrierenden Instituten rekrutieren. 42 - Umstritten ist schließlich auch die Virulenz der Konkurrenz unter den Berliner Großbanken vor dem ersten Weltkrieg. Eine Reihe von Historikern folgt Hilferding in der Annahme ihrer weitgehenden Ausschaltung. Böhme beispielsweise behauptet: » . . . durch die schrittweise Verwirklichung der Konzentration, die Verdrängung konkurrierender Macht aufder Bankenseite und das Anwachsen der Investitionssummen wurde für die Berliner Großbanken die Konkurrenz immer mehr gegenstandslos.« 4 3

Demgegenüber meint etwa Whale: »Between the Berlin banks, . . . and between their groups, it ( - die Konkurrenz - ) became very keen, accentuated by the efforts o f each bank to diversify its business by establishing contacts with new areas and new branches o f industry. « 4 4

Damit steht er in der Tradition Jeidels', der den Konkurrenzkampf unter den Großbanken zur Zeit der Entstehung seines Buches als »erbittert« bezeichnet hatte. 45 72

In der marxistischen Hilferding-Rezeption, soweit sie sich auf die Anwendbarkeit seiner Thesen zum Verhältnis von Banken und Industrie auf das deutsche Reich vor dem ersten Weltkrieg bezieht - und nicht einfach der lapidaren Exotisierung Hilferdings durch Rosa Luxemburg folgt 46 - , sind drei divergierende Strömungen auszumachen. Unter den wenigen neomarxistischen Historikern in der Bundesrepublik, die sich zu diesem Thema äußern, hat sich in den siebziger und achtziger Jahren die Tendenz durchgesetzt, die Gerschenkronsche Modifikation der Hilferdingschen Thesen zustimmend zu rezipieren, indem man die Suprematie der Banken über die Industrie vor 1914 unterstellt, sie aber als Produkt der deutschen Rückständigkeit statt mit Hilferding als verallgemeinerbares Resultat der Kapitalakkumulation auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen begreift. Willfried Spohn wertet das Gerschenkronsche Konzept explizit als »instruktive Analyse«, 47 und Michael Gerhards schreibt: »Fazit dieser Überlegungen ist, daß die von Hilferding beschriebenen Erscheinungen nur für Deutschland in dieser besonderen Entwicklungsphase zutreffend s i n d . . . Darum ist Hilferdings »Finanzkapital· eher eine historische Theorie. « 48

Eine andere marxistische, aber ebenfalls nicht-leninistische Rezeptionslinie Hilferdings billigt dem »Finanzkapital« durchaus den Status einer allgemeinen Theorie der kapitalistischen Entwicklung zu, wirft ihm aber vor, eine frühe Durchgangsetappe der Kapitalakkumulation - die indessen charakteristisch sei für die kapitalistische Industrialisierung schlechthin - mit ihrem Endresultat zu verwechseln. Als Exponent dieser Richtung muß vor allem Henryk Grossmann gelten: »Daß die von Hilferding geschilderte Präponderanz der Banken für eine gewisse Entwicklungsepoche des Kapitalismus zutrifft, soll nicht bestritten werden. Aber sie entspricht eben nur einer bestimmten Phase der kapitalistischen Entwicklung und ist keinesfalls, wie dies Hilferding behauptet, für die »geschichtliche Tendenz« des Kapitals charakteristisch... Es entsteht ein notwendiger Wechsel in dem gegenseitigen Verhältnis zwischen Bank- und Industriekapital. Es müssen in dieser Beziehung drei Phasen unterschieden werden. Auf niedrigen Stufen der Kapitalakkumulation, wenn die Entwicklungsmöglichkeiten der Industrie fast unerschöpflich scheinen, ist die eigene Kapitalbildung der Industrie unzureichend. Die Industrie ist daher angewiesen auf Zufluß der Kredite von außen, d . h . aus nichtindustriellen Schichten. Der Ausbau der Kreditorganisation zentralisiert die zersplitterten Kapitalteilchen, und die Banken als Vermittler und Spender des Kredits gewinnen große Macht gegenüber der jungen, erst aufblühenden Industrie... Das ist die Periode des »Finanzkapitals«, die Hilferding im Auge h a t . . . Auf höheren Stufen der Kapitalakkumulation macht sich die Industrie von dem Kapitalzufluß von außen in steigendem Maße unabhängig, weil sie zur »Selbstfinanzierung« schreitet, d. h. zur Versorgung durch eigene Mittel, die sie durch Abschreibungen und Reservestellungen aufzubringen p f l e g t . . . Endlich in der dritten Phase der Kapitalakkumulation begegnet die Industrie immer größeren Schwierigkeiten,

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auch n u r die eigenen Erträge innerhalb der Ursprungsbetriebe g e w i n n b r i n g e n d zu investieren. Diese benutzen ihre Gewinne, u m andere Industrien in ihre Einflußsphäre einzubeziehen. « 4 9

Als dritte marxistische Variante der Hilferding-Interpretation kristallisiert sich seine leninistische Rezeption durch die »Stamokap«-Theorie heraus, die indessen hinsichtlich der Frage nach einer Suprematie der Banken über die Industrie im Kapitalismus keine einheitliche Position bezieht. Schon Lenins diesbezügliche Auffassung zeichnete sich nicht durch begriffliche Klarheit aus. Grundsätzlich brachte Lenin dem »Finanzkapital« Hilferdings eine sehr hohe Wertschätzung entgegen: » O b w o h l der A u t o r in der Geldtheorie irrt und eine gewisse N e i g u n g zeigt, den Marxismus mit dem O p p o r t u n i s m u s zu versöhnen, ist dieses Werk eine höchst wertvolle theoretische >Studie über die j ü n g s t e E n t w i c k l u n g des Kapitalismus^ « 5 0

Der Definition des »Finanzkapitals« durch Hilferding 51 stimmt Lenin prinzipiell zu und hält sie lediglich insofern für »unvollständig, als ihr der Hinweis auf eines der wichtigsten M o m e n t e fehlt, n ä m lich die Z u n a h m e der Konzentration der Produktion und des Kapitals in einem so hohen Grade, daß die Konzentration z u m M o n o p o l fuhrt und gefuhrt hat.« 5 2

Hinsichtlich des Verhältnisses von Banken und Industrie nun verwendet Lenin meines Wissens niemals explizit Begriffe wie Herrschaft, Suprematie, Dominanz, Präponderanz etc., doch kommt insbesondere die folgende Passage der impliziten Behauptung einer eindeutigen Überlegenheit der Banken in den Beziehungen beider Kapitalfraktionen als Resultat der kapitalistischen Entwicklung ziemlich nahe: »Aus den zersplitterten Kapitalisten entsteht ein einziger kollektiver Kapitalist. Die Bank, die das K o n t o k o r r e n t f ü r b e s t i m m t e Kapitalisten fuhrt, ü b t scheinbar eine rein technische, eine bloße Hilfsoperation aus. Sobald aber diese Operation Riesendimensionen a n n i m m t , zeigt sich, daß eine Handvoll Monopolisten sich die Handels- u n d Industrieoperationen der ganzen kapitalistischen Gesellschaft unterwirft, i n d e m s i e durch die Bankverbindungen, K o n t o k o r r e n t e und andere Finanzoperationen die Möglichkeit erhält, sich über die Geschäftslage der einzelnen Kapitalisten genau zu informieren, dann sie zu kontrollieren, sie durch Erweiterung oder Schmälerung, Erleichterung oder E r s c h w e r u n g des Kredits zu beeinflussen und schließlich ihr Schicksal restlos zu bestimmen (Hervorh. v. Verf.), die H ö h e ihrer E i n k ü n f t e zu bestimmen, ihnen Kapital zu entziehen oder ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Kapital rasch und in g r o ß e m U m f a n g zu erhöhen usw. « S3

Lenins Qualifizierung der Großbanken als ein »Häuflein Monopolisten« 5 4 aufgreifend, brachten die >Stamokap «-Theoretiker bis in die Gegenwart hinein ein recht umfängliches Schrifttum über die »monopolistische Macht« hervor, die den Großbanken von allen Verfechtern dieser Theorie zugeschrieben wird und deren Grenzen oftmals undiskutiert und damit unbestimmt bleiben. 55 Wo aber die Grenzen der Bankenmacht an Hand des 74

Verhältnisses von Banken und Industrie konkret thematisiert werden, verläuft die Diskussion innerhalb der Stamokap-Theorie sehr kontrovers wobei es neben der Frage einer Bankenherrschaft als solcher vor allem auch um die Interpretation der Stellungnahme Lenins zu diesem Problem geht. Unter denjenigen, die eine Suprematie des Bankkapitals über das Industriekapital als allgemeines und notwendiges Ergebnis jeder kapitalistischen Entwicklung postulieren - und sich mit dieser Position in der Tradition Lenins und Hilferdings sehen - , figuriert Kurt Gossweiler als radikalster Vertreter. 56 Zur Begründung seiner Auffassung fuhrt er an, die Großbanken stellten im Vergleich zum Industriekapital »wegen ihrer Universalität gewissermaßen Einheiten höherer Ordnung dar«, 5 7 offeriert also im Vergleich zu Hilferding lediglich ein recht grobes theoretisches Argument. Mit Bezug auf Deutschland vor dem ersten Weltkrieg behauptet Gossweiler, die »Unterordnung des Industriekapitals unter das Bankkapital« sei »als neue Erscheinung so allgemein und auffällig« gewesen, »daß sie... kaum bestritten, um so mehr aber von industrieller Seite beklagt und bekämpft wurde«. 5 8 Belege fur diese These sucht man indessen vergeblich. 59 Andere der Stamokap-Theorie verhaftete Autoren machen gegen Gossweiler die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten der Industrie, die Konkurrenz unter den Banken oder die Abhängigkeit des Gläubigers vom Schuldner bei hohen Beträgen geltend, um die von Gossweiler vorgetragenen Thesen zurückzuweisen und ihrerseits die Autonomie des Industriekapitals gegenüber den Banken zu betonen. 6 0 Mottek etwa sieht dieses Problem für Deutschland während meines Untersuchungszeitraums wie folgt: Die »Beteiligung der Banken an den Industriegesellschaften und umgekehrt« habe »keineswegs zu einer völligen Identität der Bankmagnaten mit den Großaktionären der Industriekonzerne gefuhrt, die wie Thyssen, Stinnes, Haniel, Siemens ihre Macht nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar vergrößern konnten. « 61 In der abschließenden Zusammenfassung dieser Arbeit werden die Ergebnisse meiner Fallstudien mit den vorgestellten, in der Literatur vertretenen Positionen zu konfrontieren sein.

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6. Phoenix, anonyme Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb

Im September 1852 gründete eine Aachener und Kölner Finanzgruppe unter Führung des Kölner Bankhauses Oppenheim und Beteiligung französischen Kapitals den Phoenix, anonyme Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb in Aachen. 1 Das Anfangskapital betrug 1,5 Millionen Taler, von denen 860000 sofort eingezahlt wurden. Der Phoenix war von Anfang an als vertikal strukturiertes Unternehmen konzipiert und sollte vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt alle Produktionsstufen erfassen. Als Zweck des Unternehmens, das zunächst vor allem Eisenbahnbaumaterial herstellte, waren Bergbau, Erzverhüttung und -Verarbeitung, Roheisenproduktion sowie Eisenverarbeitung festgeschrieben worden. In die erste Expansionsphase des Phoenix von 1853—1856 fielen die Übernahme der Firma T. Michels und Co., die Pacht mehrerer Erzgruben und Kohlenzechen und die Fusion des Phoenix mit Detillieux und Co. in Bergeborbeck bei Essen. Die weitere Expansion wurde von der Wirtschaftskrise Ende der fünfziger Jahre unterbrochen. Der Phoenix hatte zu hohe Summen langfristig festgelegt, so daß seine flüssigen Mittel die kurzfristigen Verbindlichkeiten nur unzureichend decken konnten. Diese Situation machte im Jahre 1860 die Reorganisation des Unternehmens notwendig: »Sollte das Unternehmen gerettet werden, so mußten sich neue Geldgeber finden und sie fanden sich. An der Spitze der neuen Finanzgruppe stand David Hansemann, der preußische Handelsminister und Begründer der Disconto-Gesellschaft, der schon im Jahre 1857 in den Verwaltungsrat der Gesellschaft eingetreten war. « 2

Das alte Aktienkapital wurde im Verhältnis 10:1 auf 1,8 Millionen Mk. zusammengelegt und dann um 7,5 Millionen Mk. neuer Aktien erhöht. Darüberhinaus wurden die Kompetenzen des Verwaltungsrates erhöht und die ursprünglich elfköpfige durch eine dreiköpfige Direktion ersetzt. In der Folgezeit trug die Expansionsentwicklung des Phoenix bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre hinein den Charakter der einfachen Konzentration, wobei der Akzent eindeutig auf der Stahlerzeugung lag. Von der »Gründerkrise« der siebziger Jahre wurde der Phoenix dann auch deshalb besonders hart getroffen, weil durch die technischen Fortschritte auf dem Gebiet der Stahlproduktion (Bessemer-Verfahren) ein großer Teil seiner vorhandenen Anlagen entwertet worden war. 76

Mitte der neunziger Jahre war beim Phoenix längst die Massenerzeugung von Eisen- und Stahlprodukten an die Stelle der Spezialisierung auf Eisenbahnbaumaterial getreten. Auch das vertikale Gleichgewicht des Unternehmens hatte nicht durchgehalten werden können. Während der Eisen- und Stahlbereich massiv ausgebaut worden war, hatte man die eigene KohlefÖrderung seit 1884 gänzlich eingestellt, und auch die Weiterverarbeitung war hinter der Stahlerzeugung zurückgeblieben, so daß der Phoenix große Mengen Halbzeug verkaufen mußte. Aus dieser Situation heraus begann man ab 1896 mit der Wiederaufnahme der vertikalen Expansion, die sich von nun an verschärft als Angliederung anderer Unternehmen, also als Zentralisation, vollzog. Der konkrete Verlauf dieser Zentralisation ergab sich einerseits aus der immanenten Logik der Produktion und andererseits aus der Konkurrenzposition des Phoenix, insbesondere vor dem Hintergrund der Politik der in dieser Zeit entstehenden großen schwerindustriellen Kartelle. Bis 1914 realisierte das Unternehmen fünf große Zentralisationsschritte: Die Preispolitik des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats (RWK) und die Sicherung einer eigenen Rohstoffbasis waren die Motive, die 1896 zur Angliederung der Meidericher Steinkohlenbergwerke AG an den Phoenix führten. 1897 nahm der Phoenix die Westfälische Union in Hamm, die in erster Linie Walzdraht produzierte, im Wege der Fusion in sich auf, wobei das Bestreben nach einem stetigen Halbzeugabsatz und die Verteidigung gegen den Halbzeugverband im Vordergrund standen. Die nun erfolgende Ausweitung der Fertigwarenproduktion verwandelte den Phoenix von einem Halbzeug-Verkäufer in einen Halbzeug-Zukäufer, so daß die Fusion mit dem Hoerder Verein, der ebenfalls ganz im Phoenix aufging, im Jahre 1906 ein naheliegender Schritt war, da dieses Unternehmen vorher Halbzeug exportiert hatte. Die mit der Fusion Phoenix - Hoerde einhergehende abrupte Ausweitung der Halbzeugproduktion wiederum steigerte schlagartig den Kohlenbedarf des Unternehmens. Zur sicheren Befriedigung dieses Bedarfs und zum Zwecke der Selbstkostensenkung »schluckte« der Phoenix dann im Jahre 1907 die Nordsternzechen, wobei als Rechtsform wiederum die Fusion gewählt wurde. Zur Arrondierung seiner Produktionspalette und zum Zwecke des Absatzes überschüssiger Rohstoffmengen schließlich fusionierte der Phoenix 1910 mit der Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG. Auch der Kapitalüberfluß des Phoenix und die Tatsache, daß sich die GBAG kurz vorher die Piedboef & Co. Röhrenwerke AG in Düsseldorf angegliedert hatte, dürften bei diesem Zusammenschluß eine Rolle gespielt haben. 1913 befanden sich 6 Steinkohlenfelder und -zechen vollständig im Besitze des Phoenix, Beteiligungen an zwei weiteren kamen hinzu. Darüberhinaus gehörten dem Unternehmen 4 Eisensteingruben, 5 Hochofenwerke, 3 Stahlwerke, 1 Puddelwerk sowie 7 Werkstätten, Walz-, Hammer- und Preßwerke. 3

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»Mit der Vereinigung Phoenix - Hoerder Verein - Nordstern AG - Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG hatte die systematische Abstellung der einzelnen Produktionsstufen einen bestimmten Grad der Vollkommenheit erreicht. «4

Die kapitalstatistische

Entwicklung

des Phoenix

Wurde bisher die stoffliche Seite der Expansion des Phoenix nachgezeichnet, so zeigt Tabelle 1 die für diese Arbeit interessierenden Einzelheiten der Kapitalakkumulation, die mit dem Prozeß der Expansion einherging. 5 Das konstante fixe Kapital wuchs beim Phoenix im Untersuchungszeitraum von 11,87 auf 137,11 Millionen Mark, wies also eine Steigerung von 1055,1% auf ( - bei einer Expansion der Bilanzsumme von 1015,7% von 20,21 auf 225,48 Millionen Mark). Trotz dieser außerordentlichen Expansion läßt aber weder das Eigenfinanzierungspotential noch seine primäre Determinante, die Profitrate, eine sinkende Tendenz erkennen. Die Profitrate des Phoenix pendelte vielmehr sogar um einen leicht steigenden Trend, wie die durch gleitende Fünfjahresdurchschnitte von punktuellen Einflüssen bereinigte Graphik in Schaubild 1 zeigt. Diese steigende Tendenz der Profitrate sorgte für eine Profitmasse, aus der sich ein sehr hohes Eigenfinanzierungspotential (EFP) ergab. Das EFP betrug im Schnitt aller Expansionsjahre des konstanten fixen Kapitals 1106,89%, wobei der höchste Wert im Bilanzjahr 1908/09 erreicht wurde (6363,64%) und der niedrigste 1905/06 (11,69%). Bereinigt man den Schnitt um die zwei jeweils höchsten und niedrigsten Spitzen, so ergibt sich für das EFP der immer noch sehr hohe Mittelwert von 797,50%. Während des gesamten Untersuchungszeitraums lag das Eigenfinanzierungspotential nur zweimal unter 100%, nämlich 1895/96 und eben 1905/ 06. Gespeist wurde das EFP offensichtlich in aller erster Linie aus der Profitmasse, so daß die Finanzierung des eigentlichen Konzentrationsprozesses sich fast ausschließlich über die Eigenakkumulation des Unternehmens vollzog. 6 Auf externe Stärkungen des Eigenfinanzierungspotentials via Erhöhung des Aktienkapitals griff man lediglich aus Anlaß der oben skizzierten Zentralisationsschritte zurück, also dann, wenn sich ein Kapitalbedarf ergab, der keinesfalls aus den laufenden Gewinnen gedeckt werden konnte. 7 Eine Ausnahme bildet hier nur die Aufstockung des Gesellschaftskapitals im Bilanzjahr 1903/04 von 30 auf 35 Millionen Mk. (bei einer relativ niedrigen Profitrate von 14%), für die kein unmittelbarer Z u sammenhang mit einem Zentralisationsschritt erkennbar ist. Langfristiges Fremdkapital erscheint erst seit 1906/07 in den Bilanzen, als der Phoenix mit dem Vermögen des Hoerder Vereins auch dessen Verbindlichkeiten übernahm und gleichzeitig zur Stützung der eigenen Mittel eine 20-Millionen Anleihe aufnahm. Diese Anleihe blieb bis 1914 die einzige Stärkung des EFP durch langfristiges Fremdkapital. In den folgenden Jahren 78

w u r d e mit d e m Beginn der Abtragung der langfristigen Verbindlichkeiten bei gleichzeitig expandierendem konstanten fixen Kapital b e g o n n e n . 8 Auch formal kurzfristige Kontokorrentkredite haben für die Finanzierung der Expansion beim Phoenix keine entscheidende Rolle gespielt. Diese Aussage wäre selbst dann nicht zu halten, w e n n man die de facto langfristigen Kontokorrentkredite mit den »Kreditoren« identifiziert. Konstantes fixes Kapital und Kreditoren weisen lediglich in 10 von 34 Fällen gleichzeitiges Wachstum auf. Bezogen auf die 19 Jahre, für die die Bankkreditoren in den Bilanzen spezifiziert sind, expandierte das konstante fixe Kapital bei sinkender H ö h e der Bankkredite in 8 Jahren oder 42% aller Fälle. U n t e r Ausschluß der extremen Spitzen (1883/84 u. 1888/89) ergibt sich für die Deckung der Expansion des konstanten fixen Kapitals durch die Kreditoren im Schnitt die recht hohe Zahl von 76,1%, deren Aussagewert allerdings durch die Tatsache stark relativiert wird, daß die Kontokorrentkredite an den Kreditoren in der Regel nur einen sehr geringen Anteil hatten. In den 17 Bilanzjahren, in denen dies nachvollziehbar ist, deckten allein die Bankguthaben des Phoenix seine Bankverbindlichkeiten durchschnittlich zu 38,3% ab. Ein Blick schließlich auf das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital weist, wie angesichts der extensiven Expansion des U n t e r n e h mens nicht anders zu erwarten, eine sinkende Tendenz aus, ohne daß allerdings jemals die Eigenkapitalausstattung bedrohliche Grenzen unterschritten hätte. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß im Gegensatz zu den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jh. die Kapitalakkumulation des Phoenix von 1880—1914 von einer tendenziell steigenden Profitrate und einem sich darauf gründenden sehr soliden Eigenfinanzierungspotential geprägt ist. Dagegen genügen die erkennbaren Akkumulationsbeiträge der Banken k a u m den i m theoretischen Teil entwickelten Kriterien, u m auf ein solides objektiv-ökonomisches Fundament für eine Bankendominanz schließen zu lassen. U m so erstaunlicher mutet es an, daß gerade der Phoenix in der Literatur i m m e r wieder als Musterbeispiel für ein U n t e r n e h m e n unter nachhaltigem Bankeneinfluß b e m ü h t wird. Dieses oft gezeichnete Bild wird nun an H a n d der Quellen zu überprüfen sein. Die Präsenz der Banken in den Gremien des Phoenix Schaubild 2 zeigt, wie sich 1913 die Bankenpräsenz im Aufsichtsrat des Phoenix auf die einzelnen Institute verteilte. 9 N o c h im Jahre 1895 gab es i m Administrationsrat des Phoenix nicht mehr als zwei Bankiers. 1899 war ihre Zahl bei insgesamt 13 Mitgliedern auf 5 angestiegen und lag 1913, als der (inzwischen so benannte) Aufsichtsrat insgesamt 27 Mitglieder umfaßte, bei 9. Bis 1896/97 war von den Berliner Großbanken keine einzige i m A d m i n i strationsrat des Phoenix vertreten, so daß von den Hauptbanken des U n t e r nehmens (Disconto-Gesellschaft, Schaafhausen, Oppenheim), die seit der

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Gründung bzw. der Reorganisation diese Position innehatten, lediglich das Bankhaus Oppenheim mit Albert Frh. von Oppenheim einen Repräsentanten in dieses Gremium entsandt hatte. Letzterer hatte 1882 den Vorsitz des Administrationsrates übernommen und bekleidete ihn bis zu seinem Tode im Jahre 1911. Ihm folgte mit Alfred von Oppenheim ein weiteres Mitglied der Familie. Als erste Großbank war seit 1896/97 der Schaaffhausen'sche Bankverein mit Hugo Härtung präsent, zu dem sich seit 1910/11 Walter Farwick als zweiter Vertreter dieses Instituts gesellte. 1901/02 folgten ErnstEnno Russell von der Disconto-Gesellschaft, die von 1905/06 bis 1910/11 zusätzlich Alexander Schoeller entsandte, und Bernhard Dernburg von der Bank für Handel und Industrie in Darmstadt. Ihn ersetzte ab 1905/06 Max von Klitzing. Schließlich kam 1905/06 noch Waldemar Mueller von der Dresdner Bank hinzu. Darüberhinaus saßen seit 1905/06 u. a. auch die großen Privatbankhäuser Levy, Stern und Deichmann im Aufsichtsrat des Phoenix. Blickt man also gegen Ende des Untersuchungszeitraums auf den Aufsichtsrat und stellt dabei in Rechnung, daß es 1914 zur Angliederung des Schaaffhausen'schen Bankvereins an die Disconto-Gesellschaft kam, so erkennt man dort allein unter den Vertretern der Großbanken zumindest drei konkurrierende Fraktionen: Dresdner Bank (1), BHI (2) und Schaafhausen - Disconto-Gesellschaft (3). Aber auch der Schaaffhausen'sche Bankverein und die Disconto-Gesellschaft hatten sich lange Zeit konkurrierend gegenübergestanden. Die verstärkte Verwaltungsrats- bzw. Aufsichtsratspräsenz der Großbanken seit der Jahrhundertwende fand ihre Entsprechung in der Vertretung von Aktienpaketen in den Generalversammlungen der Gesellschaft. Vom Beginn unseres Jahrhunderts an stellten die Großbanken regelmäßig mit wenigen Ausnahmen die größten Stimmenkontingente, wobei allerdings die jeweiligen Pakete vom Umfang her von Jahr zu Jahr recht stark fluktuierten. Dabei fällt besonders auf, daß neben den im Verwaltungsrat vertretenen Banken auch die Deutsche Bank phasenweise über nicht geringe Aktienposten verfugte, noch bevor sie infolge der Fusion Phoenix - Nordstern im Jahre 1907 in engeren Kontakt zum Phoenix kam, und daß die Berliner Banken häufig ihre Stimmenpakete nicht selbst vertraten. So war es beispielsweise üblich, daß Albert von Oppenheim die Stimmen der DiscontoGesellschaft mit übernahm (- ein Tatbestand, der noch wichtig werden wird). 1 0 Die Kapitalerhöhungen

und Anleihen

des

Phoenix

In Tabelle 2 findet sich eine Übersicht über die Kapitalerhöhungen und Anleihebegebungen, die der Phoenix in meinem Untersuchungszeitraum durchführte. Die vielen leeren Bearbeitungsflächen in der Tabelle machen deutlich, daß es die Quellenlage für den Phoenix leider nicht erlaubt, die Details der 80

einzelnen K a p i t a l e r h ö h u n g e n auch n u r h a l b w e g s lückenlos nachzuvollziehen. N i c h t s d e s t o w e n i g e r sind es n e b e n d e m weiter u n t e n zu behandelnden Beitritt des P h o e n i x z u m S t a h l w e r k s v e r b a n d i m J a h r e 1904 gerade die ü b e r die K a p i t a l e r h ö h u n g e n finanzierten Fusionen des U n t e r n e h m e n s seit 1896, an denen - ausgesprochen oder nicht - ein einseitiger Einfluß der B a n k e n festgemacht w i r d . Indessen hält diese A u f f a s s u n g einer K o n f r o n t a t i o n m i t den Q u e l l e n - soweit der n u r lückenhaft erhaltene P h o e n i x - B e s t a n d eine Ü b e r p r ü f u n g e r m ö g l i c h t - nicht stand. Sehen w i r uns die Fusionen i m Einzelnen an! M i t B e z u g auf die Fusion des P h o e n i x 1896 mit der Meidericher Steinkohl e n b e r g w e r k e A G f o r m u l i e r t Kunze: »Welchen Einfluß die interessierten Banken auf die Zusammenschlußform hatten, ist positiv nicht festzustellen. Jedoch kann man aus den Kapitaltransaktionen, die mit der Verschmelzung verbunden waren, sehen, daß die Banken an der Fusion... großes Interesse hatten. Das Fusions- bzw. Emissionsgeschäft brachte den Banken ansehnliche Gewinne... Die neuen Aktien wurden im Dezember 1896 von dem schon genannten Bankenkonsortium zum Kurse von 151% übernommen. Ultimo 1896 hatten die Aktien lit Β . . . einen Kurs von 173%, die Aktien lit A einen solchen von 178% . . . Für den Ultimo 1896 stellte sich der realisierbare Gewinn der Übernahme-Banken auf ca. Mk. 891000. « " Eine solche B e r e c h n u n g ist aber deshalb aus der L u f t gegriffen, weil nichts über die Teilung des E m i s s i o n s g e w i n n s b e k a n n t ist. Wir w e r d e n n o c h bei anderen U n t e r n e h m e n sehen, daß es in der Tat völlig unüblich w a r , die gesamte Differenz zwischen Ü b e r n a h m e k u r s u n d E m i s s i o n s k u r s - oder auch n u r den g r ö ß t e n Teil d a v o n - den ü b e r n e h m e n d e n B a n k e n zu überlassen. I m m e r h i n reichen j a auch die v o r h a n d e n e n I n f o r m a t i o n e n aus, u m zu erkennen, daß die B a n k e n i m Falle des P h o e n i x w e d e r 1896 n o c h später in der Lage sind, den G r ü n d e r g e w i n n , der sich ja aus der Differenz zwischen N o m i n a l k u r s u n d E m i s s i o n s k u r s ergibt, w e i t g e h e n d f ü r sich zu absorbieren. Bei der A n g l i e d e r u n g der Westfälischen U n i o n 1898 fällt s o w o h l Feldenkirchen als auch K u n z e auf, »daß die H a u p t a k t i o n ä r e der Westfälischen U n i o n , A . v. O p p e n h e i m , B a n k d i r e k t o r Michelet, Bankier Franz Gaedicke u n d der B a r o n v o n T h i e l e m a n n zur gleichen Zeit auch i m Aufsichtsrat des P h o e n i x saßen«. 1 2 Was aber aus dieser Konstellation folgen soll, bleibt unklar. Wie p r o b l e m a t i s c h es ist, aus dieser institutionellen Verflechtung etwa auf eine P r o m o t o r - R o l l e der B a n k e n zu schließen, erhellt aus der j e t z t zur Sprache k o m m e n d e n Fusion P h o e n i x - H o e r d e . D i e Fusion mit d e m H o e r d e r Verein w a r der w o h l wichtigste Zentralisationsschritt des P h o e n i x . E r brachte d e m U n t e r n e h m e n die U n a b h ä n g i g k e i t v o n den Lieferungen des Stahlwerksverbandes u n d bildete den A u s g a n g s p u n k t f ü r seine m i t A b s t a n d einschneidendste K a p i t a l e r h ö h u n g bis z u m E n d e des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s .

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Erfreulicherweise ist die Quellenlage zu diesem Vorgang sehr aufschlußreich. Feldenkirchen kommentiert ihn w i e folgt: »Die Fusion des Phoenix mit dem Hoerder Verein im Jahre 1906 wurden von Schaafhausen betrieben, weil die beiden Unternehmen sich ergänzen konnten. « 13 Kunze schreibt darüberhinaus in seiner Dissertation: »Wenn es den Banken 14 auch hauptsächlich auf die Form des Zusammenschlusses ankam (Fusion), so hatten sie doch auch an dem Zusammenschluß an und für sich Interesse, da dadurch eine größere Stetigkeit der Rentabilität des Unternehmens und eine größere Kreditsicherheit herbeigeführt werden konnte. « 15 Die Rekonstruktion der Fusionsumstände aus den Quellen ergibt allerdings ein völlig anderes Bild: Der Zusammenschluß des Phoenix mit Hoerde wurde keineswegs v o m Schaaffhausen'schen Bankverein betrieben, sondern vollzog sich vielmehr gegen die zunächst erheblichen Bedenken dieser Bank, die fürchtete, ihre führende Stellung bei Hoerde an die Konkurrenz zu verlieren. Als Initiator der Fusion beider Unternehmen fungierte dagegen August Thyssen, der auf die produktions- und absatzwirtschaftlichen Vorteile hinwies und eine Verschmelzung beider Unternehmen als einen Schritt auf dem Wege der Realisierung seines Lieblingsgedankens, der Schaffung eines umfassenden deutschen Stahltrusts, betrachtete. Die den Phoenix begünstigenden Vorschläge Thyssens mußten nach den Vorfällen des Jahres 1904 1 6 beim Phoenix selbst ungläubiges Erstaunen hervorrufen, wurden aber dennoch letztlich aufgegriffen. Diese Schilderung des Vorgangs wird durch den nunmehr in Auszügen wiedergegebenen Briefwechsel zwischen dem Generaldirektor des Phoenix, Heinrich Kamp, und H u g o Härtung, dem Vertreter des Schaaffhausen'schen Bankvereins i m Aufsichtsrat, belegt. Härtung an Kamp (14. 6. 1906): »Daß das Thema Hoerde - Phoenix weiter auftaucht, verstehe ich. Aber es fehlt mir jeder Schlüssel dafür, welches Interesse Thyssen oder Stinnes an dem Projekt haben kann. Beide Herren stehen den Verwaltungen beider Gesellschaften fern, haben auch, soweit bekannt, keinen größeren Aktienbesitz und gehören doch nicht zu den Leuten, die aus purer Menschenfreundlichkeit anderen Leuten Vorschläge machen . . . Sollten die sehr großen Schwierigkeiten, die sich meiner Ansicht nach der Verwirklichung des Gedankens entgegenstellen, besiegt werden, so könnte dies nur geschehen, wenn man den berechtigten Interessen des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins Rechnung trägt. Sie sind begründet darin, daß der Bankverein ganz allein das Werk der Reorganisation von Hoerde übernommen und durchgeführt hat und natürlich Garantien dafür fordern muß, daß er im Falle der Fusion nicht seine führende Stellung in Hoerde an die Darmstädter Bank oder die Disconto-Gesellschaft abzugeben hat. Ich möchte daher glauben, daß Sie vor allem mit dem Bankverein verhandeln müssen, bevor die anderen Banken begrüßt werden. Kamp antwortet am 15.6. Thyssen habe »gelegentlich einer Beratung der N . W. Gruppe über Verlängerung des StWV. seinen bestehenden Überle-

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gungen Ausdruck gegeben, daß lediglich »ein Trust allenjetzigen Übelständen abhelfen könne«. Deshalb »empfahl er eine Vereinigung von Hoerde & Phoenix, die sich durch ihre Lage als Halbzeugproduzenten + -konsumenten vorzüglich ergänzten. Bei nachfolgender persönlicher Unterhaltung konnten H. Beukenberg & ich ihm nur zustimmen, wobei ich ihn auf die vorhandenen Bankschwierigkeiten aufmerksam machte und ihn ersuchte, uns bei deren Beseitigung durch seinen Einfluß zu helfen... Wir haben dabei hervorgehoben, daß wir zunächst unsere Banken unterrichten müßten, was Thyssen auch richtig hielt, wobei er noch erklärte, daß er der Deutschen Bank keine Mitteilung machen werde... Die Bedenken des Sch. B.vns. halte ich nicht so schwerwiegend, daß sie bei einigem guten Willen nicht überwunden werden könnten. «

Nachdem Härtung im Anschluß an diesen Brief die beabsichtigte Fusion zwar im Prinzip für begrüßenswert erklärt hatte, gleichzeitig aber auf seinen Bedenken insistiert und ihnen weitere bezüglich der Aufnahmebereitschaft des Kapitalmarktes für die im Falle der Realisierung des Plans neu auszugebenden Aktien hinzufügte, stellte Kamp in seinem Brief vom 22. 6. fest, daß seiner Ansicht nach die Schwierigkeiten »wegen der Bankverbindung sich noch eher lösen lassen werden als die wegen des Vorsitzes. H. Beukenberg + ich halten die Fusion aber für so vorteilhaft, daß wir alles versuchen wollen, sie durchzusetzen. « 17 Es bleibt also festzuhalten, daß im Falle der Verschmelzung Phoenix Hoerde die Banken durchaus nicht die ihnen unterstellte Rolle des Schrittmachers übernahmen. Insbesondere der Bankverein zeigte sich eher zögerlich aus der Befürchtung heraus, angestammter Positionen verlustig zu gehen. Ausschlaggebend für die Fusion waren vielmehr drohende Kapitalverwertungsschwierigkeiten, welche auch den Konkurrenten des Phoenix den Zusammenschluß in das Konzept der Monopolisierung des Stahlmarktes zum Zwecke der Profitstabilisierung passen ließen. - Schließlich ergab sich aus den zur Durchführung der Fusion notwendigen Transaktionen ein interessanter Konfliktfall zwischen Schaaffhausen und dem Phoenix, der illustriert, wie nachdrücklich letzterer intervenierte, sobald die Banken versuchten, sich Profitteile des Unternehmens über das vorher stipulierte Maß hinaus anzueignen. Als sich nämlich der Bankverein weigerte, die Gelder, die der Phoenix bei ihm zur Deckung der Fusionskosten reserviert hatte, in laufender Rechnung zu verzinsen, reagierte dieser in äußerst entschiedener Form (19. 3. 1907): »Wir bestätigen den Empfang ihres geehrten Schreibens vom 18. ds. und können uns zu unserem Bedauern nicht versagen, Ihnen unser lebhaftes Befremden über dessen Inhalt auszudrücken, der leider zu unserer sonst so angenehmen Geschäftsverbindung in starkem Widerspruch steht. Wir hatten mit Bestimmtheit immer darauf gerechnet, daß Sie uns den zur Deckung der Unkosten bei der genannten Fusion reservierten Betrag ebenso verzinsen würden, wie alle unsere übrigen Gelder, die in laufender Rechnung bei Ihnen liegen... Nach allem diesen vermögen wir nicht

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einzusehen, wie sie unser Verfiigungsrecht über den für die Kosten reservierten Betrag und demgemäß unser Recht auf Verzinsung mit Grund bestreiten wollen und wir gestatten uns die ergebenste Bitte, diese Angelegenheit nochmals gütigst nachzuprüfen. Wir glauben bestimmt, daß Sie sich dann entschließen werden, unserem durch die ganze Sachlage begründeten Wunsche Rechnung zu tragen... Ihren geil, weiteren Nachrichten sehen wir gern entgegen und danken Ihnen im Voraus verbindlichst von uns erwartete gefl. Erledigung in unserem Sinne.« 18

Auch im Zusammenhang mit den beiden letzten großen Fusionen des Phoenix vor dem ersten Weltkrieg mit den Nordstern-Zechen und den Düsseldorfer Röhren u. Eisenwerken sehen Kunze, und in Anlehnung an ihn Feldenkirchen, die Großbanken als Drahtzieher. 19 Aber auch in diesen Fällen ist es lediglich die institutionelle Verflechtung, die als Indiz fur weitreichende Thesen herangezogen wird, ohne daß diese an Hand der Quellen belegbar wären. Die Umstände der Fusion des Phoenix mit dem Hoerder Verein begründen indessen eine skeptische Einschätzung dieser Argumentationsweise. Für die Phoenix-Anleihe von 1907 liegen keine Quellen zu den Verhandlungen mit den Banken über die Modalitäten der Begebung mehr vor. Lediglich die Korrespondenz mit den Geschäftsbanken zu den technischen Details der Obligationsauslosungen ab 1911 ist erhalten. Diese liefen, soweit man sehen kann, ohne jegliche Konflikte mit den Banken ab, was aber auch nicht verwunderlich ist, denn natürlich standen die potentiell kontroversen Fragen bereits im Vorfeld der Anleihe zur Debatte. 2 0 Der Phoenix und die Verbände In fast allen Fällen stand der Phoenix der seit der Jahrhundertwende immer weitere Kreise ziehenden Kartellbewegung aufgrund der Aussicht auf günstigere Preise und stetigeren Absatz positiv gegenüber. So trat er auch 1897 bei der Gründung dem Roheisensyndikat bei und wurde 1903 Mitglied des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats. N u r in einem Falle, bei der Gründung des Stahlwerksverbandes im Jahre 1904, konnte und wollte der Phoenix die ihm angebotenen Beitrittsbedingungen nicht akzeptieren. Die Direktion begründete ihre ablehnende Haltung mit folgenden Hauptargumenten: - die angebotene Beteiligung sei zu gering, da die noch im Bau befindlichen Anlagen keine adäquate Berücksichtigung fänden. - die vom Stahlwerksverband syndizierten Produkte A erfaßten weniger als 40% der Produktion des Phoenix. - mit dem Beitritt zum Stahlwerksverband übernehme der Phoenix die Verpflichtung, sich an der Umlage des Verbandes auf die Exportkosten fur Träger und Halbzeug zu beteiligen, während er seinerseits seine Drahtwarenexporte allein zu finanzieren habe. 2 1 In dieser Situation nun verschaffte sich der Schaaffhausen'sche Bankver84

ein - traditionell j a mit dem Phoenix eng liiert - durch massive Aufkäufe die Mehrheit seines Aktienkapitals und setzte in der außerordentlichen Generalversammlung vom 26. 4. 1904 den Beitritt des Phoenix zum Stahlwerksverband durch. Diese Aktion nun gilt allgemein als Paradebeispiel für die Durchsetzung von Bankinteressen gegenüber der Industrie im Kaiserreich. Feldenkirchen etwa schreibt in seinem schon mehrfach zitierten Aufsatz: »Entscheidend war hier, daß die Banken für die anderen Unternehmen, an denen sie interessiert waren, aufgrund der v o m Stahlwerksverband angestrebten Preisstabilität eine höhere Rentabilität erwarteten. « 2 2

Sieht es in dieser Bewertung des Falles so aus, als habe der Bankverein aus ureigenem Profitkalkül und Antrieb gehandelt, so ergeben sich bei näherem Hinsehen an dieser Auffassung doch massivste Zweifel. Zum einen nämlich sind in die Angelegenheit neben Schaafhausen auch alle anderen im Verwaltungsrat des Unternehmens vertretenen Banken verwickelt und zum anderen - und dies ist entscheidend - scheint das Verhalten der Banken keineswegs selbstbestimmt gewesen zu sein, sondern war das Ergebnis des Druckes, den die anderen am Zustandekommen des Verbandes interessierten Branchenkapitale - namentlich in Person von August Thyssen - auf sie ausübten: 23 In den laufenden Verhandlungen über das Zustandekommen des Verbandes bestanden von Anfang an zwischen der Direktion des Phoenix und dem Verwaltungsrat keinerlei Differenzen über die Unangemessenheit des dem Unternehmen gemachten Beitrittsangebotes, wohl aber über die potentiellen Konsequenzen eines Scheiterns der Verhandlungen. So schrieb Otto Andreae vom Verwaltungsrat unter dem 19.12. 1903 an Generaldirektor Kamp: „Nun ist aber mein weiterer Wunsch und ich glaube wohl der aller Mitglieder des Aufsichtsrates, daß wir trachten sollten, das Beste zu erreichen, aber das Syndikat nicht zum Scheitern bringen dürfen. Die pekuniären Resultate würden noch entschieden schlechter für uns sein als selbst bei Annahme der bisher gemachten Offerten. «

Kamp dagegen antwortete ihm, er halte es »für ein großes Unglück für die ganze Deutsche Eisenindustrie, wenn der Verband nicht zustande kommt«, aber er sei auch der Ansicht, »daß die Nachteile für den Phoenix durchaus nicht so schwerwiegend sind wie für die meisten anderen Werke«. 2 4 Ungeachtet dieser abweichenden Auffassungen beider Gremien erhielt die Direktion zunächst auch von den Bankenvertretern im Verwaltungsrat volle Rückendeckung für die Verhandlungen. Dernburg von der BHI etwa teilt Kamp am 24.12. mit: »Diese meine Ihnen vertraulich mitgeteilte Ansicht hindert nicht, daß ich nach außen, w o immer ich auf die Angelegenheit angesprochen werde, den von Ihnen eingehaltenen Standpunkt vertreten werde. Im übrigen bin ich in meinen Beziehungen zum Phoenix lediglich das Aufsichtsratsmitglied und lasse mich im wesentlichen durch das sachverständige Urteil der Direktion beeinflussen. Den Bankier stelle ich dabei selbstverständlich ganz in den Hintergrund. «

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In der Folgezeit kam es zu Drohungen der anderen Unternehmen, man werde den Phoenix durch verschärfte Konkurrenz bei Schienen und ein Lieferungsembargo bei Halbzeug zum Verbandsbeitritt zwingen, ohne daß dies allerdings den gewünschten Erfolg zeitigte. Schließlich verfiel man auf die Strategie, den Phoenix zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung zu zwingen, um dort die Verbandsposition durchzusetzen. Gegen diesen Versuch leistete aber die Direktion des Phoenix hartnäckigen Widerstand: »In einer solchen Generalversammlung würden sich ja selbstverständlich die vereinigten Stahlwerke durch gewandte und voll informierte Redner vertreten lassen, und wir würden demnach zur Verteidigung unsere Karten ganz offen legen müssen. Daß das nicht vorteilhaft fur uns sein kann, werden Sie mir zugeben. « 2S

U m dennoch zum Ziel zu kommen, setzten die interessierten Konkurrenten - und insbesondere eben August Thyssen - die Bankvertreter im Verwaltungsrat des Phoenix unter massiven Druck: »Thyssen hat das größte Interesse an dem Zustandekommen des Stahlwerks-Verbandes, da er einerseits seine Anlagen vollendet hat, sie voll ausnutzt, die Lasten seines großen Exports mit Vergnügen auf die Schultern seiner Concurrenz übertragen sähe. Er geht daher auch mit seiner bekannten Energie dafür ins Feuer und schont diejenigen nicht, die sich ihm in den Weg stellen. Leider hat unser Präsident ( - eben jener Albert von Oppenheim, der in der Regel in den Generalversammlungen die Disconto-Gesellschaft vertrat! - V . W . ) . . . nicht soviel Muth und Ausdauer wie j e n e r . . . Sie w e r d e n . . . ersehen haben, mit welchen Mitteln Thyssen & C o m . auf den Herrn Präsidenten eingewirkt und denselben bangegemacht haben. « 26

Trotz aller Gegenwehr mußte Kamp dann am 15. 3. konstatieren, daß der Druck der Partei um Thyssen erfolgreich war. Die Banken des Phoenix bestanden im Verwaltungsrat auf der Einberufung einer Generalversammlung und ließen sich auch nicht auf eine ablehnende Haltung zur Verbandsofferte in der GV festlegen: »Die Vertreter der Banken wollten... die Verantwortung... nicht übernehmen. Eine Verpflichtung, unter den bisher vom Verbände gestellten Bedingungen den Beitritt abzulehnen, haben sie leider nicht übernommen. « 27

Von nun an entwickelte der Bankverein eine hektische Aktivität an der Börse: »Die Börse verhält sich sehr l a u . . . Die starke Steigerung der Ph.-Aktien in den letzten Tagen ist auf anhaltend große Käufe des Schaaffhausen'schen Bankvereins und dann der Nationalbank zurückzufuhren. « 28

Dennoch gab der Vorstand nicht auf: »Des

Weiteren bleibt abzuwarten,

ob sich die Banken

zu der Vergewaltigung

hergeben.

(Hervorh. v. Verf.) Wir richten... heute nochmals einen Appell an den Verwaltungsrat.« 29

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Kurz vor dem Termin der Generalversammlung mußte sich dann aber der Phoenix-Vorstand seine Niederlage eingestehen, w o b e i es über den Spiritus Rector der »Vergewaltigung« keinen Zweifel geben kann: »Thyssen ließ mir sagen, daß er mich besuchen wolle, wenn ich ihn sprechen wolle, von der Q u o t e könne dabei aber nicht die Rede sein. Ich habe darauf geantwortet, daß ich dann nichts zu sprechen habe, aber zur Verfügung stehe, w e n n er mich sprechen wolle. Der betr. Bote meinte dann noch, daß es doch nicht nötig sei, die schmutzige Wäsche vor den Leuten zu waschen, worauf ich erwiderte, daß wirkeine schmutzige Wäsche hätten. Gestern hörte ich nun aus der letzten Beirats-Sitzung, daß die Herrn Thyssen + Cons. ihres Sieges doch keineswegs ganz sicher gewesen seien. Es ist schade, daß uns unsere Banken nicht voll und ganz unterstützen, dann wäre m . E. die Entscheidung nicht zweifelhaft. So habe ich wenig H o f f n u n g , obgleich eine große Zahl von Aktionären sich für uns aussprechen. Leider sind die Beträge zu klein. Es wird Sie noch interessieren, daß man selbst in maßgebenden Kreisen des Kohlensyndikates der Ansicht ist, daß dessen Vorgehen gegen die guten Sitten verstößt.« 3 0

Es sieht also ganz danach aus, daß der Beitritt des Phoenix z u m Stahlwerksverband durch den konzertierten Druck seiner Konkurrenten erzwungen wurde. Diese wählten als Hebel für ihren Druck die Banken des Phoenix, denen man offenbar keine andere Wahl ließ, als sich für die Interessen Thyssens und seiner Parteigänger einspannen zu lassen. Auf welche Weise sich letztere des Wohlverhaltens der Banken versicherten, erhellt aus den Vorgängen u m die Vergabe der Bankverbindungen des Stahlwerksverbandes. Während nämlich die Verhandlungen u m das Zustandekommen des Verbandes noch liefen, entbrannte unter den Banken eine heftige Konkurrenz u m die Anteile an seinem künftigen Bankverkehr, so daß sich u. a. auch die Deutsche Bank veranlaßt sah, über Karl Klönne, ihren Verbindungsmann zur Rheinisch-Westfälischen Schwerindustrie, in ziemlich devotem Ton u m ein möglichst großes Stück v o m Kuchen zu bitten. 3 1 Als einige Monate später der Stahlwerksverband immer konkretere Züge annahm und die Frage der Bankverbindungen zur Klärung anstand, erhielt Klönne durch Goecke v o n Rheinstahl unter dem 17. 3. 1904 folgenden Bescheid: »Hierdurch bemerke ich Ihnen, dass Ihr Institut als erstes auf die Liste der Banken gesetzt worden ist, mit denen der Stahlwerksverband in Z u k u n f t seine bankgeschäftlichen Transaktionen machen will. Auf dem morgigen P r o g r a m m der Beiratssitzung wird die Frage der zu wählenden Banken verhandelt werden und werde ich mein Möglichstes thun, in Ihrem Interesse zu wirken. - Ich füge hinzu, dass man sich bemühen wird, diejenigen Banken auszuschliessen, die nicht bemüht gewesen sind und noch sind, den Phoenix zum Beitritt zum Stahlwerksverband zu bewegen. Solche Banken könnten evtl. nur gewählt werden, wenn sie sich in Zukunft dazu verstehen würden, daß ihr Stimmrecht mehr im Sinne des Stahlwerksverbandes ausgeübt würde (Hervorh. v. Verf.).« 3 2

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Der reguläre Bankverkehr

des Phoenix

Über den regulären Bankverkehr des Phoenix ist kaum etwas erhalten geblieben. Lediglich eine Information aus dem Jahre 1907 ist interessant, stammt sie doch aus einer Zeit, für die der Einfluß der Banken auf den Phoenix ja allgemein recht hoch veranschlagt wird. Auf der Vorstandssitzung vom 18.11. 1907 wurde beschlossen, »den Banken vom Vorstand aus anzubieten, als Zinsvergütung im Kredit bzw. Debet unserer laufenden Rechnung 1/2% unter bzw. über Bankdiskont, aber nicht über 6% bei Guthaben und nicht unter 4% bei Schulden. Ein solches Abkommen soll auf funfjahre mit den Banken geschlossen werden. «33

Daran fällt auf, daß es keineswegs die Banken sind, welche dem Unternehmen die Kreditbedingungen willkürlich diktieren, und daß der Phoenix in der Lage ist, überdurchschnittlich günstige Konditionen fur sich zu fordern. In der Regel nämlich lag die Verzinsung im Kontokorrentverkehr der Großbanken nicht 1/2% über resp. unter dem Bankdiskont, sondern 1%.

Die sonstigen Geschäftsbeziehungen

zu den Banken

Wie auch die anderen Unternehmen des Samples setzte der Phoenix die vielfältigen Kontakte seiner Banken häufig zur Umsetzung seiner betriebswirtschaftlichen Planung ein. Dabei behielt er sich nicht nur jederzeit vor, die von den Banken unterbreiteten Vorschläge abzulehnen, sofern sie nicht seinen Vorstellungen entsprachen, sondern spielte auch seine verschiedenen Bankverbindungen gegeneinander aus. Versuchten die Banken in diesem Zusammenhang, ihre Position dazu auszunutzen, sich auf Kosten des Phoenix Sonderprofite anzueignen, so schritt das Unternehmen nachgerade kompromißlos dagegen ein. Die folgenden Episoden werden dies verdeutlichen. Von 1893 bis 1907 agierte der Schaaffhausen'sche Bankverein immer wieder als Agent des Phoenix bei dessen Bemühungen, sich zur Sicherung seiner Rohstoffbasis Kohlenzechen anzugliedern. Die von Schaafhausen vorgeschlagenen Objekte wurden vom Phoenix allerdings fast immer zurückgewiesen. Dabei entsteht der Eindruck, daß sich die Bank sehr dienstfertig um ihre Rolle als Vermittler des Unternehmens bemühte und daß auf diesem Felde die einzelnen Banken in einer erheblichen Konkurrenz zueinander standen. 34 Unter dem Eindruck der in Aussicht genommenen Angliederung einer Händler-Firma zum Zwecke der Absatz-Verstetigung durch Rheinstahl, Rote Erde und die Union unter der Aegide der Disconto-Gesellschaft hielten es der Phoenix, Hoerde und Hoesch 1906 für angezeigt, in diesem Punkte nachzuziehen, um nicht gegenüber den genannten drei Werken zurückzufallen. Man dachte an die Eisenhandelsfirma Steffens & Nolle und beauftragte 88

als Vermittler wiederum den Schaaffhausen'schen Bankverein. Dieser aber zeigte sich hinsichtlich der Realisierungschancen des Projekts recht skeptisch: »Ich g l a u b e . . . schon jetzt darauf hinweisen zu müssen, dass die Aussichten, mit der Firma Steffens & Nolle zu einem befriedigenden Arrangement zu kommen, sehr geringe sind. Dies ist in erster Linie darin begründet, dass Steffens & Nolle. der Ilseder Hütte bzw. dem Peiner Werk sehr nahestehen und überdies schwerlich gesonnen sein dürften, ihre Freiheit hinsichtlich anderer Verbindungen aufzugeben. Es k o m m t aber weiter hinzu, daß Steffens & Nolle in weitgehender Intimität zur Deutschen Bank stehen; ich brauche nicht weiter auszufuhren, dass dieser Umstand allein schon ein kaum übersteigliches Hindernis für die geplante G r u p p e n b i l d u n g . . . ist. 3 5

Parallel zu den Bemühungen des Bankvereins und unabhängig davon aber verhandelte der Phoenix mit der Disconto-Gesellschaft über einen Beitritt zur genannten Gruppe u m Rheinstahl. 3 6 Z u m Zwecke der Erzversorgung nutzte der Phoenix die Kontakte der eng mit der Disconto-Gesellschaft assoziierten Norddeutschen Bank zu den schwedischen Erzgruben. Bei einer Konferenz mit den Repräsentanten aus Stockholm stellte sich 1909 heraus, daß die Norddeutsche Bank sowohl von den Schweden als auch von ihren deutschen Vertragspartnern Provision für die Erzlieferungen bezogen hatte. Angesichts dieser Tatsache kam man überein, die Geschäfte in Zukunft direkt und ohne Zutun der Bank durchzuführen und darüberhinaus die Provisionszahlungen an die Bank ab sofort ganz einzustellen. Über diesen Punkt entwickelte sich ein heftiger Streit zwischen den beteiligten Unternehmen und dem Bankinstitut, in dem der im Aufsichtsrat des Phoenix sitzende Alexander Schoeller von der DiscontoGesellschaft wiederholt zu Gunsten der Norddeutschen Bank zu vermitteln versuchte. Indessen stieß er beim Phoenix auf vollständig taube Ohren. Nach einigem Hin und Her teilte ihm Generaldirektor Beukenberg am 15. 3. 1910 definitiv mit: »Ich bedaure es, daß es in dieser Angelegenheit zu solchen Meinungsverschiedenheiten k o m m e n mußte, kann es aber im Interesse unseres Werkes nicht vertreten, Ihren Wünschen zu entsprechen und muß Ihnen anheimgeben, ob und welche weiteren Schritte Sie bzw. die Nordbank gegen die Werke unternehmen wollen. « 3 7

Damit hatte der Fall seinen Abschluß gefunden. Z u m Schluß dieses Kapitels will ich versuchen, die im theoretischen Teil entwickelten Fragestellungen resümierend für den Phoenix zu beantworten. Die Profitrate des Phoenix weist im Untersuchungszeitraum einen steigenden Trend auf, wenn sie naturgemäß auch Schwankungen unterworfen ist. Auf dieser Grundlage erhielt sich das Unternehmen eine konstant hohe Eigenakkumulationskraft, so daß sich der Akkumulationsbeitrag der Banken auf eine Nebenrolle beschränkte, die nur punktuell bei der Durchführung der 1896 beginnenden großen Zentralisationsschritte wirklich wichtig 89

wurde. Mit der seit dieser Zeit verstärkten Inanspruchnahme des Berliner Kapitalmarktes und der Angliederung anderer, jeweils mit eigenen Bankverbindungen ausgestatteter Unternehmen vertieften sich auch die Beziehungen zu den Großbanken, was sich in der erhöhten Anzahl ihrer Vertreter im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat des Phoenix und dem Umfang ihrer Stimmenpakete in den Generalversammlungen spiegelt. 1913 waren 4 der 6 Großbanken im AR präsent. Die Banken traten dem Unternehmen aber keineswegs als monolithischer Block gegenüber, sondern machten sich augenscheinlich auf allen Gebieten des Bankverkehrs harte Konkurrenz. Deshalb und wegen der günstigen Verwertungsentwicklung des Kapitals schlug die Intensivierung der Geschäftsbeziehungen mit den Großbanken auch nie in die Etablierung einer Bankenherrschaft um. Das potentielle Einfallstor für die Banken, eine sich verschärfende Abhängigkeit des Unternehmens von langfristigen Krediten, blieb während der ganzen Zeit geschlossen, und der Phoenix wußte einzelnen Übergriffen von Bankenseite entschieden Einhalt zu gebieten. Weder ein steigender Anteil des Zinses am Mehrwert noch eine auch nur überwiegende Absorbierung des Gründergewinns durch die Banken ist erkennbar ( - obwohl hier wegen der Lückenhaftigkeit der Quellen natürlich eine leichte Einschränkung am Platze ist - ) . Traditionell wird in der Literatur den Banken ein bestimmender Einfluß auf die Richtung der Expansion des Phoenix zugeschrieben. Soweit dies aber überprüfbar ist, scheint diese Sichtweise doch stark zu übertreiben. Eher scheinen die Banken dieser Expansion passiv und bisweilen gar mit Vorbehalten gegenübergestanden zu haben. Wo die Verwaltung die Phoenix dagegen an die Grenze der unternehmerischen Selbstbestimmung stieß, wurden diese Grenzen nicht von den Interessen der Banken gesetzt, sondern von den Bedingungen der Kapitalverwertung in der Schwerindustrie im Kaiserreich. Am deutlichsten wurde dies 1904, als seine Konkurrenten in der Lage waren, die »Konkurrenz der vielen Kapitale« auszuschalten und den Phoenix durch eine konzertierte Aktion in den Stahlwerksverband zu zwingen, wobei die Banken lediglich als Erfüllungsgehilfen benutzt wurden. Zusammenfassend kann man also feststellen, daß die Hilferdingsche These von der Suprematie der Banken über die Industrie auf die Entwicklung des Phoenix nicht anzuwenden ist.

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7. Der Gutehoffnungshütte-Konzern (GHH)

Im Jahre 1810 schlossen Gottlob Jacobi, Gerhard und Franz Haniel sowie Heinrich Huyssen einen notariellen Vertrag über den gemeinsamen Betrieb der drei bei Sterkrade gelegenen Eisenhütten St. Antony, Gutehoffnung und Neu-Essen. Das so entstandene neue Unternehmen stellt die Keimzelle des späteren GHH-Konzerns dar und firmierte unter dem Namen Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen. 1 Bis zum Ende der zwanziger Jahre des letztenjahrhunderts blieb die Inbetriebnahme des H a m mers Neu-Essen (1812) der einzige nennenswerte Expansionsschritt. Der damalige rudimentäre Entwicklungsgrad der kapitalistischen Produktionsweise in den deutschen Staaten erlaubte es dem Unternehmen, sich auf die einfache Akkumulation bei Zahlung recht hoher Dividenden zu beschränken. Bis zum Jahre 1817 zurück reicht die Verbindung der späteren G H H mit dem Bankhaus A. Schaafhausen in Köln, das bereits in dieser frühen Zeit (gemeinsam mit v. d. Heydt, Kersten & Söhne/Elberfeld) als Hausbank der Hüttengewerkschaft fungierte. Mit dem Beginn der dreißiger Jahre und der langsam einsetzenden Eisenbahnkonjunktur spezialisierte man sich bei Jacobi, Haniel und Huyssen vor allem auf die Produktion von Eisenbahnbedarfsartikeln. Diese Zeit markiert den Beginn einer ersten Expansionsphase, die bis zur Krise der deutschen Eisenindustrie zu Beginn der 1840er Jahre dauerte und in deren Verlauf ein Blechwalzwerk in Oberhausen, eine Schiffswerft im Ruhrorter Hafen sowie Puddel-, Schweiß- und Walzwerke bei Schloß Oberhausen entstanden. Als Finanzierungsquellen für diese Erweiterungen dienten neben den jährlichen Überschüssen und Zubußen der Beteiligten Vorschüsse in laufender Rechnung seitens der beiden genannten Banken und Darlehen von Privatpersonen, die man mit 4—4,5% und damit niedriger als Bankierskredite zu verzinsen hatte. Die erste Wachstumsetappe wurde nach Überwindung der Krise Mitte der vierziger Jahre von einem Jahrzehnt abermals ruhiger und relativ stetiger Kapitalverwertung abgelöst, die sich ihrerseits über ca. einJahrzehnt erstreckte und lediglich von den politischen Unruhen der Revolutionszeit unterbrochen wurde. Vom Jahr 1855 an begann dann die Entwicklung der Hüttenge werkschaft zum Großunternehmen. Von nun an wurden entscheidende Schritte in Richtung einer vertikalen Unternehmensstruktur unternommen. Man betrieb die Versorgung der Hütte mit eigenem Roheisen im Zusammenhang mit dem Ausbau des eigenen Erzbergbaus. Darüberhinaus förderte man die 91

eigene Kohlegewinnung (Zeche Oberhausen), und auch der Ausbau der Verarbeitungsbetriebe wurde forciert. Aufgrund der erwirtschafteten sehr hohen Profite brauchte man zur Finanzierung dieser Expansionsschritte kaum auf Kredite zurückgreifen. Nachdem die Hüttenge werkschaft bereits 1862 die Rechtsform einer O H G angenommen hatte, ging man 1872, also auf dem Höhepunkt des Gründerbooms, daran, die organisatorische Struktur des Unternehmens den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die O H G wurde umgewandelt in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen GutehofFnungshütte, Actien-Verein für Bergbau und Hüttenbetrieb, deren ersten Vorstand Carl Lueg, HugoJacobi und Gottfried Ziegler bildeten. Das Gründungskapital des Vereins fixierte man auf 30 Mio. Mark, eine Summe, deren befriedigende Verzinsung eine Fortsetzung der günstigen Kapitalverwertungsentwicklung erfordert hätte. Statt dessen aber traf die hereinbrechende Gründerkrise die G H H mit voller Schärfe und führte zur völligen Zerrüttung ihrer Finanzen. 2 Vor allem folgende vier Faktoren hatten diese Situation verursacht: Während des Booms hatte man kostspielige Investitionen getätigt (neues Stahl- und Walzwerk Neu-Oberhausen), die wegen der Absatzverhältnisse in der Krise nicht ausgenutzt werden konnten. 1873—75 hatte man eine 5%-Anleihe von 12 Mio. Mark aufgenommen, von denen zwar nur 10 Mio. begeben worden waren, die aber nichtsdestoweniger verzinst und amortisiert werden mußte. Wie erwähnt, war die G H H inzwischen ein gemischtes Werk geworden und sah sich nun in der Gründerkrise mit der Situation konfrontiert, daß sich die Selbstkosten der gemischten Werke höher als die der reinen Werke stellten, und schließlich führte die progressive Verdrängung des Eisens durch den Stahl zu einer beträchtlichen Entwertung ihrer alten Anlagen. So bedeuteten die ersten zwei Jahrzehnte meines eigentlichen Untersuchungszeitraums bis zur Jahrhundertwende für die G H H eine Zeit der wirtschaftlichen Reorganisation, die eingeleitet wurde mit der Zusammenlegung des Aktienkapitals 1878. Im Rahmen dieser Zusammenlegung wurde das ursprüngliche Kapital von 30 Mio. auf 6 Mio. sogenannter Aktien Lit. A reduziert, und gleichzeitig konvertierte man die Obligationen der erwähnten Anleihe in 12 Millionen Aktien Lit. Β, die hinsichtlich der Dividendenzahlung und rechtlichen Stellung privilegierten Status erhielten. Das folgende Jahrzehnt bis 1889 brachte eine ziemlich schleppende Kapitalverwertung, was sich nicht zuletzt in einer sehr mäßigen Verzinsung der Aktien Lit. A und einer recht zurückhaltenden Investitionspolitik manifestierte. 3 Immerhin aber gelang es in dieser Zeit, die Bankschulden zum guten Teil abzutragen, und ab 1890 stellten sich erhebliche Betriebsüberschüsse ein, die fur Abschreibungen, Neubauten und die weitere Schuldentilgung Verwendung fanden. Abgeschlossen wurde die Reorganisationsphase von 1898 bis 1901 mit der Vereinheitlichung des Aktienkapitals. Sämtliche Lit. Β-Aktien wurden in Lit. A-Aktien umgewandelt, eine Transaktion, im Zuge derer eine Rücklage von 12 Mio. Mark entstand. 4 92

Von 1901 an beschritt die G H H dann den Weg der konsequenten Expansion, die sich bis 1908 allerdings als einfache Konzentration vollzog. In dieser Zeit wurde die Kohlenbasis des Unternehmens erweitert (Ausbau der neuen Schachtanlagen Vondern, Sterkrade und Hugo), darüberhinaus der Rheinhafen Walsum mit den entsprechenden Anschlußbahnen angelegt und auch die Verfeinerungsanlagen weiter ausgebaut. 5 Seit das Unternehmen 1908 unter der Aegide Paul Reusch's stand, war es das erklärte Ziel der Unternehmensleitung, die G H H zu einem vertikal strukturierten Konzern mit aufeinander abgestimmten Produktionsstufen zu entwickeln, 6 wobei auch die Zentralisation, also die Angliederung bisher unabhängiger Unternehmen anvisiert wurde. Auf diesem Weg konnten bis zum Ausbruch des Weltkriegs aber nur die ersten Schritte zurückgelegt werden, wobei die Hauptzielsetzungen erstens in der Unabhängigkeit der Rohstoffversorgung und zweitens in der Sicherung des Absatzes bestanden. Bei der Rohstoffversorgung mußte der Akzent auf der Erzbasis liegen, die bisher in der Entwicklung zurückgeblieben war. Zur Behebung dieses Defizits war man bemüht, die Eigenproduktion zu steigern und erwarb Gruben und Konzessionen in Elsaß-Lothringen, Schweden und Chile. Entsprechende Bestrebungen in Marokko scheiterten. 7 Dem Ziel der Absatzverstetigung dienten die Angliederung des Drahtwerkes Boecker & Co. in Gelsenkirchen-Schalke 1910-1912, die Verhandlungen mit dem Walz- und Hammerwerk Altenhundem seit 1911, die aber erst 1918 zum Abschluß kamen und die schrittweise Angliederung der Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk AG von 1914 bis 1918. Die Gründung der Gewerkschaft Neu-Oberhausen 1912 und der Oberhausener Kohlen- und Eisenhandels G m b H 1913 sowie der ebenfalls 1913 getätigte Erwerb einer 51 %igen Beteiligung an den Vereinigten Frankfurter Reedereien G m b H schließlich trugen eine gegen das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat gerichtete Stoßrichtung und bezweckten die Angliederung eines syndikatsunabhängigen, vollständigen Kohlenbereiches. Zur Durchführung des beschriebenen Expansionsprogramms fanden mehrfach Kapitalerhöhungen und Obligationsbegebungen statt, auf die noch ausführlicher einzugehen ist. Dennoch belief sich das Aktienkapital der G H H am Ende des Untersuchungszeitraums auf nur 30 Mio. Mark, womit sie von der Kapitalexpansion her deutlich hinter den anderen Unternehmen meines Samples zurückgeblieben war. Im Einzelnen umfaßte die G H H 1913 die hauptsächlich in der Verfeinerung tätige Abteilung Sterkrade, die Walzwerke Oberhausen und Neu-Oberhausen, die Eisenhütten Oberhausen I und II, die Steinkohlenbergwerke Oberhausen, Neu-Oberhausen, Jacobi und Ludwig, das Braunkohlenbergwerk Zeppelin, den Rheinhafen Walsum mit einer zugehörigen 14 km langen Eisenbahn, die Abteilung Gelsenkirchen, vorm. Boecker & Co. sowie diverse Eisensteingruben, Ziegeleien und Kalksteinbrüche. Dazu kamen noch einige Beteiligungen in den Bereichen Kohlengewinnung und -vertrieb sowie Transport. 8

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Die kapitalstatistische Entwicklung der GHH Sehen wir uns nun an H a n d von Tabelle 3 den statistischen Verlauf der Kapitalakkumulation näher an, u m zu überprüfen, ob die von Hilferding postulierte langfristige Verschärfung von Finanzierungsengpässen an H a n d des bearbeiteten Zahlenmaterials für die G H H nachzuweisen ist oder nicht. 9 Das konstante fixe Kapital wuchs bei der G H H im Untersuchungszeitr a u m in einem vergleichsweise geringen U m f a n g , nämlich von 17,04 auf 69,68 Mio. M k . , was einem Anstieg u m 308,9% entspricht. (In der gleichen Zeit expandierte die Bilanzsumme u m 453,3% von 24,88 auf 137,66 Mio., also ebenfalls moderat, w e n n auch relativ stärker als das konstante fixe Kapital.) Wie schon beim Phoenix weist auch bei der G H H die Profitrate keineswegs die für Hilferdings Argumentation zentrale langfristig sinkende Tendenz auf. Im Gegenteil, nachdem sich die Ü b e r w i n d u n g der Krisenfolgen bis z u m Ende der achtziger Jahre hingezogen hatte, läßt die Profitrate einen deutlich steigenden Trend erkennen. Schaubild 3 macht auch optisch deutlich, daß die Profitrate zwar während der gesamten hier interessierenden Zeit schwankt, aber eben u m einen deutlich wachsenden Trend herum. Angesichts dieser günstigen Verwertungsentwicklung des Kapitals einerseits und der relativ moderaten Expansionspolitik andererseits, welche die G H H bis z u m ersten Weltkrieg praktizierte, kann das im Schnitt sehr stabile Eigenakkumulationspotential des U n t e r n e h m e n s nicht überraschen. Im Durchschnitt aller Untersuchungsjahre erreichte das EFP bei der G H H den sehr hohen Wert von 3854,53%. Die Aussagekraft dieser Zahl ist allerdings höchst begrenzt, denn sie wird in ihrer Dimension entscheidend durch die drei völlig atypisch hohen Werte aus den Bilanzjahren 1890/91, 1891/92 und 1910/11 geprägt. Bereinigt m a n den Schnitt u m diese drei Werte, so ergibt sich aber i m m e r noch ein solides mittleres EFP von 964,86%. Lediglich einmal, nämlich 1886/87 blieb das EFP mit 82% unter der 100%-Marke. Z u bedenken ist allerdings, daß das EFP von 1895 bis 1910 mehrere Male durch Kapitaltransaktionen extern gestärkt w u r d e . 1 0 Dennoch scheint die Behauptung nicht übertrieben zu sein, daß es auf der Grundlage einer tendenziell steigenden Profitrate der G H H gelang, ihren (vergleichsweise bescheidenen) Expansionsprozeß während des Untersuchungszeitraums bei gleichzeitiger Kräftigung ihrer Eigenakkumulationskraft, die noch 1880 krisenbedingt sehr eingeschränkt w a r , 1 1 durchzuführen. D a m i t entwickelt sich auch die G H H gegenteilig zu d e m von Hilferding konstruierten Modell, der j a ein Erlahm e n der industriellen Akkumulationsfähigkeit zwischen den beiden M ü h l steinen einer sinkenden Profitrate einerseits und dem Z w a n g zur Expansion des konstanten fixen Kapitals andererseits prognostiziert. Was die Bedeutung des langfristigen Fremdkapitals für die Expansion des konstanten fixen Kapitals anlangt, so lassen sich deutlich drei Phasen unterscheiden. Von 1880/81 bis 1894/95 erscheint zwar langfristiges Fremdkapital in den Bilanzen der G H H , es wird aber in dieser Zeit von 1,38 auf 0,49

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Mio. Mk. und danach völlig abgebaut. Bei diesen Verbindlichkeiten des Unternehmens handelt es sich u m die Erblast der Krise der siebziger Jahre. Eine nennenswerte Rolle für die Finanzierung der Erweiterung des konstanten fixen Kapitals spielt das langfristige Fremdkapital in dieser Phase nicht. N u r in 5 dieser 14 Jahre weisen beide Zahlenreihen ein gemeinsames Wachstum auf, wobei in diesen fünf Fällen die Deckung der Expansion des konst. fixen Kapitals durch die Steigerung des langfristigen Fremdkapitals im Schnitt 42,12% betrug. Im folgenden Jahrzehnt bis 1905/06 blieb die G H H dann völlig ohne langfristige Verbindlichkeiten, was die zu diesem Zeitpunkt bereits robuste Eigenakkumulationskraft des Unternehmens unterstreicht. Erst ihre seit der Jahrhundertwende beschleunigte Expansion veranlaßte die G H H , zur Stärkung der Betriebsmittel abermals auf die Hereinnahme langfristig gebundener fremder Gelder zurückzugreifen. Seit der 1904 beschlossenen Anleihe, 1 2 die sich ab 1905/06 in der Bilanz niederschlägt, beginnt das langfristige Fremdkapital die Selbstfinanzierung über reinvestierte Profitteile in bedeutendem U m f a n g zu ergänzen. Von 1905/06 bis 1913/14 wächst der entsprechende Bilanzposten von 5,74 auf31,43 Mio. Mark. Dabei korrelliert die Steigerung des konstanten fixen Kapitals in sieben Bilanzjahren mit einem gleichzeitigen Anstieg des langfristigen Fremdkapitals, welcher die Expansion des konstanten fixen Kapitals im Durchschnitt dieser Jahre mit 288% abdeckte. Die in unserem Zusammenhang entscheidende Frage wird nun sein, ob die verstärkte Begebung von Obligationsanleihen gleichbedeutend war mit einem erhöhten Beitrag der Banken zur Finanzierung des Konzentrations- und Zentralisationsprozesses der G H H . Der Beitrag der Kontokorrentkredite zur Expansionsfinanzierung ist für die G H H nur sehr schwer zu quantifizieren und einzuschätzen, denn die Tatsache, daß keine spezifizierten Daten zu den jeweiligen Bankkrediten vorliegen, zwingt zum Rückgriff auf die Gesamtkreditoren, die, wie j a schon im Vorfeld erörtert, nur eine sehr ungefähre Antwort auf unsere Frage nach der Rolle der de facto langfristigen Kontokorrentkredite geben können. Dies gilt offenbar für die G H H in besonderem Maße, da der Eindruck, den man durch den Vergleich der Entwicklung der Kreditoren mit der des konstanten fixen Kapitals erhält, kaum verläßlich ist. In 21 der analysierten 34 Bilanzjahre stiegen sowohl die Gesamtkreditoren als auch das konstante fixe Kapital. In diesen Jahren betrug das Verhältnis des Wachstums der Kreditoren zu dem des konst. fixen Kapitals im Durchschnitt 633,24%, und selbst, wenn man den Schnitt u m die extremen Spitzen der Jahre 1891/92 und 1892/93 bereinigt, ergibt sich der immer noch sehr hohe Wert von 358,23%. Diese Zahlen könnten die Annahme suggerieren, den Kontokorrentkrediten käme für die Finanzierung des Expansionsprozesses bei der G H H eine hohe Bedeutung zu. Eine solche Schlußfolgerung wäre aber wohl unangemessen. Dagegen spricht zunächst die extreme Streuung der Werte, die durch die Durchschnittsbildung herausmanipuliert wird: Der hohe 95

Durchschnitt ergibt sich durch einige wenige extrem hohe S u m m a n d e n , die darüberhinaus fast alle in die Zeit bis 1890, also in die Reorganisationsphase der G H H , fallen. In dieser Zeit aber fand eine eigentliche Expansion des konstanten fixen Kapitals des U n t e r n e h m e n s gar nicht statt, so daß die h o h e Deckung dieser rudimentären Erweiterung durch die Kreditoren vor allem auf die fehlende D y n a m i k der erweiterten Akkumulation zurückzuführen ist. In d e m M a ß e aber, wie sich die Akkumulation nach der J a h r h u n d e r t w e n d e beschleunigt, reduziert sich, wie Tabelle 3 ausweist, auch ihre zahlenmäßige D e c k u n g durch die Kreditoren. Bedenkt m a n nun noch, daß die tatsächlich langfristigen Kontokorrentkredite in der Regel nur einen sehr geringen Teil der gesamten Kreditoren ausmachen, so wird man ihnen eher eine völlig untergeordnete Bedeutung bei der Expansionsfinanzierung der G H H zuweisen. Diese These wird erhärtet durch die bereits frühzeitig von der Unternehmensleitung definierten Prinzipien der Finanzierungspolitik, die weiter unten noch zur Sprache k o m m e n werden. Das stärkste Indiz aber dafür, daß m a n den Beitrag von Kontokorrentkrediten zur Ausdehnung des Anlagevermögens für die G H H auf keinen Fall überschätzen darf, liefert eine interne Aufstellung aus d e m Jahre 1913 über die S u m m e n , die m a n d e m Schaaffhausen'schen Bankverein, der alten Hausbank des Unternehmens, seit 1873 jeweils zu den Bilanzstichtagen, schuldete. Aus dieser Aufstellung geht hervor, daß die G H H beim Bankverein von 1891 bis 1913 überhaupt keine Schulden hatte, sondern Nettogläubiger der Bank war! 1 3 Es scheint also so, daß die häufig geäußerte Ansicht, das deutsche Universalbankensystem habe über langfristige Kontokorrentkredite den Akkumulationsprozeß gerade der Schwerindustrie wesentlich mitfinanziert, für das Beispiel der G H H während meines Untersuchungszeitraums gänzlich unzutreffend ist. Im Gegenteil, die Akkumulationstabelle weist aus, daß von 1890/91 bis 1913/14 allein die Bankguthaben des U n t e r n e h m e n s die Gesamtkreditoren i m Schnitt mit 33,83% abdeckten. Trotz einer tendenziell steigenden Profitrate aber und verschiedener E r h ö hungen des Aktienkapitals seit 1895 führte die im Z u g e der Verschärfung des Akkumulationstempos seit 1904 erneut betriebene A u f n a h m e langfristigen Fremdkapitals in Form von Obligationsanleihen zu einem signifikanten Absinken des Verhältnisses Eigenkapital/Fremdkapital, so daß in den letzten beiden Jahren vor d e m Krieg das Fremdkapital gar das Eigenkapital überstieg, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß die Eigenkapitalausstattung der G H H nicht die Dimensionen der anderen U n t e r n e h m e n des Samples erreichte. Es stellt sich nun die Frage, ob der geschilderte Verlauf des Akkumulationsprozesses der G H H den Banken Ansatzpunkte bot, einen potentiellen Einfluß oder gar eine Herrschaft über das U n t e r n e h m e n ö k o n o misch zu fundieren und in den entsprechenden Gremien zu institutionalisieren. Folgt man Hilferdings Argumentation, so m ü ß t e n sich diese Ansatzpunkte ja über die etwa v o n den Banken gewährten langfristigen Kredite ergeben. Sehen wir also näher zu!

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Die Situation der siebziger Jahre Die Erfahrungen, die die G H H während des G r ü n d e r b o o m s der siebziger Jahre u n d der sich daran anschließenden tiefen Krise mit ihren Bankkrediten machte, sollten für die spätere Gestaltung ihrer Finanzierungspolitik u n d ihres Verhältnisses zu den Banken prägend wirken. Deshalb ist es n o t w e n dig, hier etwas näher auf diese Erfahrungen einzugehen, o b w o h l sie aus d e m eigentlichen zeitlichen Rahmen meiner Untersuchung herausfallen. Im Jahre 1873, also kurz nach ihrer Konstituierung als Aktiengesellschaft, sah sich die G H H mit einem erheblichen Geldbedarf zur Rückzahlung von Darlehen der alten Teilhaber der O H G u n d zur D u r c h f ü h r u n g ihres ehrgeizigen Investitionsprogramms konfrontiert. In dieser Situation beschloß der Aufsichtsrat in seiner Sitzung v o m 11. Januar die A u f n a h m e einer Anleihe von 4 Mio. Talern, die mit f ü n f Prozent verzinst werden sollte. Drei der vier Millionen sollten sofort begeben werden, wobei daran gedacht war, jeweils eine Million durch die Beteiligten der G H H , den Schaaffhausen'schen B a n k verein u n d die Provinzial-Discontobank in Duisburg übernehmen zu lassen. Letztlich aber konkretisierten sich die Verhandlungen nicht mit S c h a a f h a u sen, sondern lediglich mit der Discontobank, die sich zur Zeichnung von Partialobligationen in H ö h e von 2 Mio. Talern bereit erklärte. Die Diskussion zwischen der Bank u n d der G H H über die genauen Modalitäten dieser Ü b e r n a h m e verliefen aber derart kontrovers, daß bei der G H H zwischenzeitlich der Plan entstand, die gesamte Anleihe ausschließlich i m Kreise ihrer Aktionärsfamilien zu piazieren, was aber offenbar nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. So endeten die Verhandlungen mit einem K o m p r o m i ß , im R a h m e n dessen beide Seiten Konzessionen machten. Während die G H H ihre Vorstellungen v o m Ü b e r n a h m e k u r s durchsetzen konnte ( - 92,5% gegenüber den von der Bank ursprünglich gebotenen 87,5% - ) , bestand das Bankinstitut auf einer ganzen Reihe von für das U n t e r n e h m e n lästigen Ü b e r n a h m e b e d i n g u n g e n . So w u r d e das Recht zur verstärkten Tilgung hinausgeschoben u n d das Zeichnungsrecht der Aktionäre des Vereins quantitativ begrenzt. Überdies m u ß t e n letztere bestimmte zeitliche Vorgaben hinsichtlich des Weiterverkaufs der von ihnen gezeichneten Obligationsstücke akzeptieren, und schließlich erkannte die Discontobank nicht alle v o n der G H H vorgeschlagenen Einlösungsstellen für die Anleihe an. 1 4 Die zunächst von der Discontobank ü b e r n o m m e n e n 2 Mio. Thaler der Anleihe w u r d e n durch eine Reihe langfristig festgelegter Bankkredite ergänzt. Doch statt der einkalkulierten Fortsetzung des G r ü n d e r b o o m s , die zur Verzinsung der Anleihe und zur Rückzahlung der Kredite n o t w e n d i g gewesen wäre, brachte der weitere Verlauf der siebziger Jahre bekanntermaßen die Gründerkrise, welche die G H H aus den eingangs geschilderten Gründen mit besonderer Schärfe traf u n d in akute finanzielle Engpässe trieb. Ü b e r den Ausweg aus der Liquiditätsklemme gab es nun in der Unternehmensleitung verschiedene Vorstellungen, über die es im Laufe der Zeit zu schweren 97

Auseinandersetzungen kam. So sah der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats, H u g o Haniel, die Lösung der Probleme in einem erfolg- und profitreichen Kampf der G H H gegen ihre Konkurrenten. Er formulierte sein Programm i m Juli 1878 in einem Brief an den Vorstand: . . . solange unsere Finanzlage sich durch ebenbürtige Resultate nicht namhaft bessert und wir der Hülfe der Bankiers nicht entbehren können, halte ich mich verpflichtet, immer und immer wieder auf die dringende Notwendigkeit der unabläßigen & energischen Erstrebung der Ebenbürtigkeit mit unseren allertüchtigsten Concurrenten zurückzukommen. « l s Da aber der Druck der kurzfristigen Verbindlichkeiten immer weiter anstieg, erwies sich diese eher mittelfristig angelegte Strategie der Fraktion u m H u g o Haniel als wenig geeignet, u m die drängenden Probleme zu meistern. Statt dessen sah sich die G H H 1880 zu der oben beschriebenen Reorganisation ihrer finanziellen Verhältnisse gezwungen, im Rahmen derer das A k tienkapital drastisch reduziert wurde und die U m w a n d l u n g der Stücke der besagten Anleihe in Prioritätsaktien erfolgte. Über die Durchsetzung dieser Maßnahmen kam es zu einem geradezu erbitterten Streit, in dessen Gefolge H u g o Haniel als Aufsichtsratsvorsitzender zurücktrat und durch seinen Gegenspieler E.J. Haniel ersetzt wurde. Dessen Parteigänger Alphons Haniel beschrieb die Lage der G H H während der noch laufenden Diskussion u m die zu ergreifenden Maßnahmen in einem Brief v o m 4. 5. 1880 an den alten Vorsitzenden sehr detailliert: »Nach Angabe des Herrn Director Ziegler stellten sich die Finanzen unserer Gesellschaft pro 21. Februar dieses Jahres wie folgt. Wir schuldeten: 1) 2) 3) 4) 5)

hierzu

der Essener Creditanstalt d. Duisburg Ruhrorter Bank d. Disconto-Gesellschaft d. Schaaffh. Bankverein Sal. Oppenheim Cie

zus. 6) unsere Schulden in lauf. Rech. 7) unsere Capitalschulden

abzüglich der Schuld unserer Debitoren verbleiben

M. M. M. M. M.

324283,391209,88591 326589,465481,-

M. 1696150,3820000,1289000,M. 6806069,M. 3303000,M. 3500000,-

ais unsere Gesamtschuld, womit wir gegenwärtig die Geschäfte der Gutehoffnungshütte betrieben. Diese 31/2 Millionen Mark Schulden bilden somit den wirklichen Betriebs-Fonds, mit welchem die großartigen Geschäfte der Gutehoffnungshütte allein gemacht werden können.. Die Majorität des Aufsichtsrats hält... die Lage der Gutehoffnungshütte für so gefährdet, daß bei eventueller plötzlicher Kündigung seitens der Capital-Darleher oder Bankiers von Capital-Credit, & diese Eventualität steht uns immer bevor, das ganze Unternehmen plötzlich zum Zusammenbruch

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gebracht werden kann, wie dies ganz ähnlich der Firma Friedr. Krupp ergangen ist, und die Aktionäre alsdann eines Morgens um ihren ganzen Besitz an Lit Β und A Actien gebracht wurden. Bei dieser enormen Schulden-Masse haben wir gewiß alle Ursache, der Zukunft mit Befürchtung entgegenzusehen, denn wie rasch & plötzlich großartige Etablissements dem Bankerott entgegeneilen müssen, wenn sie selber keinen Betriebs-Fonds haben, das beweist Ihnen schon zur Genüge die gefährliche Zeit vom September 1870, wo die Gutehoffnungshütte hart am Bankerott stand, da selbe nicht einmal mehr die Summe von M. 250000 beschaffen konnte, um einen halbjährlichen Zins-Coupon zu begleichen. « 16

U m der drängenden Probleme Herr zu werden, war die G H H schließlich neben den geschilderten Reorganisationsmaßnahmen auch dazu gezwungen, notwendige, aber von den Banken des Unternehmens verweigerte Kredite durch Darlehen von anderer Seite zu substituieren. So hatte etwa die Firma Franz Haniel & Co. der G H H 1878 einen Kredit von 800000 Mark in laufender Rechnung eingeräumt, dessen Konditionen 1881 abermals einen heftigen Streit zwischen Hugo Haniel, dem Repräsentanten der Gruppe Franz Haniel, und den anderen Fraktionen der Gründerfamilien auslösten. 17

Die Prinzipien

der Investitionspolitik

bei der

GHH

Aus den Erfahrungen während der siebziger Jahre zog man bei der G H H sehr dezidierte Konsequenzen hinsichtlich der Planung und Finanzierung von weiteren Investitionen. Neben dem Ziel der Profitmaximierung, also dem inneren Wesen jedes individuellen Kapitals, gewann nun vor allem der Wunsch nach »Selbständigkeit auch in Krisen schwerster Art« ohne »die Hilfe der Bankiers und deren lästige Bedingungen« 18 überragende Qualität als Verhaltensmotiv der Unternehmensleitung. Helga Junkers weist nach, daß sich dieser Anspruch bereits in der Investitionspolitik der G H H während der achtziger Jahre deutlich niederschlug. 19 Man verzichtete während dieser Zeit auf den Versuch, sich über technische Pionierinvestitionen Extraprofite zu sichern und führte erst dann Innovationen in den Produktionsprozeß ein, wenn die Dynamik des kapitalistischen Konkurrenzkampfes diese unumgänglich machte, um den Anschluß an den Wettbewerb nicht völlig zu verlieren. Dies galt für alle bedeutenden technischen Fortschritte der G H H in dem Jahrzehnt von 1880 bis 1890, für die Anwendung des ThomasVerfahrens bei der Stahlerzeugung ebenso wie für die Inbetriebnahme eines Siemens-Martin-Werkes und die Einrichtung des direkten Konvertierens. Dabei lief die Finanzierung so gut wie ausschließlich über die Reinvestierung von Profitteilen, 20 was wegen der oben statistisch nachgezeichneten, schleppenden Kapitalverwertung dieser Periode eine erhebliche Zurückhaltung bei der Dividendenpolitik erforderte. Immerhin aber erreichte man das angestrebte Ziel, die langfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens beachtlich abzubauen und mit Hilfe des zu Beginn der neunziger Jahre einsetzenden

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A u f s c h w u n g s der Profitrate dann ganz zu liquidieren. D a m i t w a r der v o n Hilferding v e r m u t e t e A u s g a n g s p u n k t f ü r die Etablierung eines tiefergehenden Bankeneinflusses, die industrielle A b h ä n g i g k e i t v o n langfristigen K r e diten, zunächst einmal aus d e m A k k u m u l a t i o n s p r o z e ß der G H H ausgeschaltet w o r d e n . Wie w i r o b e n sahen, griff die G u t e h o f f n u n g s h ü t t e d a n n aber trotz der anhaltenden Konsolidierung ihres E i g e n f i n a n z i e r u n g s p o t e n t i als d u r c h die sich weiterhin günstig entwickelnde K a p i t a l v e r w e r t u n g (bereits) seit 1895 w i e d e r h o l t auf K a p i t a l e r h ö h u n g e n u n d Anleihen zur Stärk u n g ihres Investitionsfonds zurück. Eine nähere U n t e r s u c h u n g liefert allerdings ein verblüffendes, weil ziemlich u n g e w ö h n l i c h e s E r g e b n i s hinsichtlich der Rolle der B a n k e n bei der D u r c h f ü h r u n g dieser Kapitaltransaktionen, was die Ü b e r s i c h t in Tabelle 4 ganz deutlich macht.

Die Kapitalerhöhungen

und Anleihen der

GHH21

Aus Tabelle 4 geht h e r v o r , daß keine B a n k bei auch n u r einer einzigen K a p i t a l e r h ö h u n g b z w . A n l e i h e b e g e b u n g der G H H einen Beitrag als Vermittler z u m K a p i t a l m a r k t geschweige d e n n als letztlicher Kapitalgeber leisten m u ß t e . Es w a r d e m U n t e r n e h m e n gelungen, sein Ziel der finanziellen Selbständigkeit k o n s e q u e n t u n d uneingeschränkt in die Tat u m z u s e t z e n . Wollte m a n sich über die erwirtschaftete Profitmasse hinaus m i t langfristigen Geldmitteln, sei es in F o r m v o n Aktienkapital oder Obligationsanleihen, versorgen, so w a r m a n dabei nicht auf den offiziellen K a p i t a l m a r k t der Börsenplätze angewiesen. Vielmehr w u r d e das e r w ü n s c h t e Kapital i m Kreise der G r ü n d e r f a m i l i e n u n d Funktionsträger der G H H u n d der diesen n a h e stehenden P e r s o n e n aufgebracht, w o b e i m a n akribisch auf die E i n s t i m m i g keit der Beschlußfassung achtete. 2 2 M a n n a h m bei der G H H eine gewisse Z u r ü c k h a l t u n g bei der D i m e n s i o n der externen Kapitalmobilisierung in K a u f ( - in diesem P u n k t blieb die G H H j a hinter d e m Rest des Samples z u r ü c k - ) , u m k o m p r o m i ß l o s an einer finanziellen Autarkie festzuhalten u n d j e d e I n a n s p r u c h n a h m e der klassischen Institutionen des Kapitalmarktes zu v e r m e i d e n . D e r folgende Passus w u r d e inhaltlich identisch bei allen Kapitaltransaktionen der G H H i m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m stipuliert: »Den Aktionären steht das Recht einer Betheiligung an der Anleihe nach Maßgabe und im Verhältnis ihres Aktienbesitzes zu. Eventuell nicht übernommene Anleihebeträge werden den übrigen Aktionären ebenfalls nach Maßgabe ihrer Aktienbeteiligung angeboten. « 23 So w u n d e r t es d e n n auch nicht, daß Fremdbesitz an A k t i e n u n d O b l i g a t i o nen der G H H bis z u m ersten Weltkrieg ( - u n d auch d a r ü b e r hinaus - ) nicht existierte, w o b e i unter Fremdbesitz Besitz v o n P e r s o n e n g e m e i n t ist, die nicht z u m weiteren Kreise der Familie Haniel g e h ö r t e n oder als R e p r ä s e n t a n ten des U n t e r n e h m e n s in Vorstand oder Aufsichtsrat f u n g i e r t e n . 2 4 Dieser

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Tatsache entsprach, daß wir i m gesamten hier betrachteten Zeitraum nicht einen einzigen Bankenvertreter i m Aufsichtsrat antreffen, 2 5 der bei der Gutehoffnungshütte eine durchaus aktive Rolle als Kontrollinstanz der a m Aktienkapital beteiligten Familienzweige gegenüber dem Vorstand spielte. 2 6 Die G H H hatte es also seit d e m Ende der siebziger Jahre geschafft, die Ausweitung ihres Produktionsprozesses und die damit einhergehende erweiterte A k k u m u l a t i o n ihres fixen Kapitals vollständig auf Grundlage ihrer Profitmasse und der Kapitalkraft der Familie Haniel zu finanzieren. Die vielzitierte Kapitalmobilisierung u n d -bereitstellung seitens der Banken hatte dieses U n t e r n e h m e n durchaus entbehren können, w o m i t die objektive ökonomische Basis für eine institutionelle Verflechtung der G H H mit ihren Hausbanken entfiel. Die Beziehungen der G H H zu letzteren reduzierten sich damit auf den Bereich des regulären Bankverkehrs, im R a h m e n dessen den Banken die Aufgabe zufiel, d e m U n t e r n e h m e n eine rationelle D u r c h f ü h rung des Zirkulationsprozesses seines Kapitals zu ermöglichen. In diesem Bereich hatte aber selbst Hilferding wegen des tendenziell ephimären C h a rakters der einzelnen Geschäfte u n d der daraus resultierenden jederzeitigen Liquidierbarkeit der Verbindung den Banken keine Möglichkeiten zugebilligt, das jeweilige Industrieunternehmen in ihre Abhängigkeit zu z w i n g e n . 2 7 Es ist nun abschließend zu fragen, ob es in den Kontakten der G H H zu ihren Banken i m Laufe der Zeit einer Seite gelang, ein Übergewicht bei der Durchsetzung ihrer Interessen zu erzielen.

Der reguläre Bankverkehr der GHH Es ist i m m e r äußerst schwierig, den Gang des regulären Geschäftsverkehrs mit den Banken aus den Archivakten halbwegs zuverlässig zu rekonstruieren. D e n n wegen des individuellen u n d alltäglichen Charakters der Einzelgeschäfte werden diese Vorgänge in der Regel erst gar nicht in den Archivbestand a u f g e n o m m e n . Was trotzdem erhalten bleibt, geht k a u m auf systematische u n d repräsentative Auswahl zurück, sondern verdankt seine Überlieferung zumeist irgendwelchen schwer nachvollziehbaren Zufälligkeiten. Daher ist hinsichtlich der Interpretation des diesbezüglichen Materials Vorsicht geboten. M a n sollte sich dabei über den hypothetischen Charakter seiner Schlußfolgerungen i m Klaren sein. D e n n o c h fällt bei der G H H auf, daß die (wenigen) konkreten Informationen, die wir über die Verhandlungen mit den Banken während meines Untersuchungszeitraums besitzen, in geradezu frappierend eindeutiger Weise die A n n a h m e n stützen, welche die bisher gewonnenen Ergebnisse suggerieren. Es ist zunächst festzuhalten, daß sich in den Akten des HanielArchivs keine Aufstellung über die Banken findet, mit denen die G H H vor dem ersten Weltkrieg in geschäftlicher Verbindung stand. M a n ist also auf mittelbare Informationen verwiesen, wie ζ. B. die Listen über die Zahlstel-

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len der Gesellschaft i m J a h r b u c h f ü r den O b e r b e r g a m t s b e z i r k D o r t m u n d . Hier sind i m J a h r e 1913 a u f g e f ü h r t die Disconto-Gesellschaft, die D e u t s c h e Bank, d i e B H I , der Schaaffhausen'sche Bankverein, Sal. O p p e n h e i m & C o . , die D u i s b u r g - R u h r o r t e r Bank, die Essener Creditanstalt u n d der C r é d i t L y o n n a i s . 2 8 O f f e n b a r also unterhielt die G H H Geschäftsbeziehungen zu einer ganzen Reihe v o n G r o ß b a n k e n u n d Privatbankiers, die untereinander, w i e w i r schon aus d e m Phoenix-Kapitel wissen, in heftiger K o n k u r r e n z standen. Z i e h t m a n n u n n o c h in R e c h n u n g , daß die G H H w e g e n ihrer günstigen P r o f i t e n t w i c k l u n g u n d h o h e n Liquidität f ü r j e d e B a n k ein attraktiver K u n d e sein m u ß t e , so ergeben sich aus dieser Konstellation sehr g ü n s t i ve Voraussetzungen, u m in ihren Bankgeschäften unter A u s n u t z u n g der Konkurrenzverhältnisse eine optimale Berücksichtigung ihrer Interessen durchzusetzen. U n d in der Tat g e w i n n t m a n aus den A k t e n eben diesen E i n d r u c k , was die f o l g e n d e n Vorgänge nachdrücklich illustrieren. I m J a h r e 1910 hatte die D e u t s c h e B a n k f ü r Auslandsgeschäfte der G H H d u r c h G e s c h ä f t s f r e u n d e eine B ü r g s c h a f t in M i l l i o n e n h ö h e ü b e r n o m m e n u n d gestattete sich n u n a m 28. April »um guter Ordnung wegen nachträglich zu bemerken, dass, wie dies ja bei derartigen Bürgschaften selbstverständlich ist, unsere Freunde sich für befugt erachten, den etwa geforderten Betrag auf erstes Anfordern bezahlen, ohne dessen Höhe und Fälligkeit auf ihre Berechtigung prüfen zu müssen. Alle Differenzen hierüber würden vielmehr zwischen Ihnen und Ihren Contrahenten auszutragen sein. « D e r Selbstverständlichkeit dieser A u f f a s s u n g m o c h t e sich aber die G H H keineswegs anschließen: »Wir können Ihrer Ansicht... nicht beipflichten. Wenn unsere Geschäftsfreunde glauben, die hinterlegten Bürgschaften in Anspruch nehmen zu müssen, so ist die Sachlage in der Regel wohl nicht so klar, dass wir dies ohne weiteres zugestehen können. Auf Grund der abgeschlossenen Verträge sind wir fast stets zu fordern berechtigt, dass der Erfüllung von Schadenersatzansprüchen eine Verständigung mit uns bzw. eine gerichtliche Entscheidung voran zu gehen hat. Wir können daher weder Ihnen, noch Ihren Freunden die Befugnis zuerkennen, etwaige Ansprüche der Hinterlegungsstellen auf erstes Anfordern hin, ohne uns vorher davon in Kenntnis gesetzt, bzw. Gelegenheit zur Prüfung der Forderung gegeben zu haben, zu erfüllen. « U n d diese Position der G H H w u r d e d a n n auch f ü r weitere Geschäfte der gleichen A r t akzeptiert. 2 9 Vor allem aber der Schaaffhausen'sche Bankverein, die alte H a u s b a n k der G H H , b e k a m schmerzlich zu spüren, daß dieses U n t e r n e h m e n angesichts seiner finanziellen U n a b h ä n g i g k e i t u n d des daraus resultierenden losen C h a rakters seiner B a n k v e r b i n d u n g e n jederzeit in der Lage war, seine B a n k e n gegeneinander auszuspielen. D a b e i bezog sich der H a n d l u n g s s p i e l r a u m der G H H nicht n u r auf die D u r c h s e t z u n g ihrer ökonomischen Interessen in den u n m i t t e l b a r e n Geschäftsbeziehungen, s o n d e r n die B a n k e n m u ß t e n sogar

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gewärtig sein, bei einer eigenen Geschäftspolitik, die den GHH-Verantwortlichen aus politischen Gründen nicht konvenierte, ausgebootet zu werden, wie dies dem Bankverein 1914 passierte. Wie weiter oben bereits angeführt, schuldete die Gutehoffnungshütte dem Bankverein schon seit 1891 nichts mehr, sondern unterhielt statt dessen zum Teil erhebliche Guthaben bei diesem Bankinstitut, war also dessen Gläubiger geworden. Als nun 1912 die finanziellen Schwierigkeiten der Bank ruchbar wurden, ließ die G H H nur noch einen kleinen Teil ihrer Guthaben stehen und verringerte auch ihren Umschlag mit Schaafhausen drastisch. 30 Zwei Jahre später erfolgte dann die endgültige Liquidierung der Geschäftsverbindung. Was war passiert? Es hatte in der Deutschen Bank einen Konflikt gegeben mit einem Angestellten, der für den Allgemeinen Verband der deutschen Bankbeamten agitatorisch gewirkt hatte. Daraufhin löste die Generalkommission der sozialdemokratischen Gewerkschaften Deutschlands unter Hinweis auf die Unverbrüchlichkeit des Koalitionsrechts von Arbeitern und Angestellten nach einigen Verhandlungen ihre Geschäftsbeziehung zur Deutschen Bank und ließ im Vorwärts eine Liste von anderen Banken veröffentlichen, welche den Einzelgewerkschaften als Bankverbindungen empfohlen wurden, da sie sich um die Kundschaft der Gewerkschaften bemüht und eine Erklärung abgegeben hätten, das Koalitionsrecht der Angestellten nicht antasten zu wollen. Auf dieser Liste befand sich auch der Schaaffhausen'sche Bankverein. Diese Tatsache nun erschien dem Vorstandsvorsitzenden der GHH, Paul Reusch, als schwerer Affront gegen die von ihm verfochtene politische Haltung gegenüber der Sozialdemokratie. Am 11.1. 1914 schrieb er an den Aufsichtsrats Vorsitzenden Franz Haniel:

»Bereits im Jahre 1912 gab das Verhalten des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins berechtigte Veranlassung, die Geschäftsverbindung mit ihm zu lösen. Durch Vermittlung des Herrn Kommerzienrat Klöckner liess der Bankverein dem Tübbingsverband mitteilen, dass er beabsichtige, bei der Internationalen Bohrgesellschaft in Erkelenz die Fabrikation von Tübbings aufzunehmen. Die durch Vermittlung des Herrn Kommerzienrat Klöckner zwischen dem Tübbingsverband und dem Schaaffhausen'schen Bankverein gepflogenen Verhandlungen führten zu dem Resultat, dass der Direktor des Schaaffhausen'schen Bankvereins, Herr Dr. Fischer, sich bereit erklärte, bei der Internationalen Bohrgesellschaft von der Aufnahme der Tübbingsfabrikation abzusehen, wenn der Tübbingsverband Mk. 150000 bezahle. Die weiteren Verhandlungen führten dann zu dem mir wenig sympathischen und auch anfangs von mir bekämpften Resultat, dass der Tübbingsverband sich verpflichtete, dem A. Schaaffhausen'schen Bankverein für die Jahre 1912/13 und 1913/14 je Mk. 37500 bar zu bezahlen. Für die Jahre 1914/15 und 1915/16 sollte diese Abfindungssumme entsprechend dem erhöhten Umsatz des Verbandes auch erhöht werden. Schon damals wurde bei uns ernstlich der Abbruch der Geschäftsverbindung in Erwägung gezogen,weil wir der Ansicht waren, dass das Vorgehen des Bankvereins dem Tübbingsverband gegenüber - um mich gelinde auszudrücken - einer erstklassigen Bank unwürdig sei. Wir habenjedoch auf die Verwirklichung dieser Absicht verzich-

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tet und uns darauf beschränkt, namentlich mit Rücksicht auf die ungünstigen Gerüchte, die über den finanziellen Status der Bank kursierten, unser Bankguthaben auf ein Minimum zu beschränken. Wir glaubten hier die Verantwortung nicht übernehmen zu können, dass wir dem Schaaffhausen'schen Bankverein grössere Mittel zur Verwaltung anvertrauten. Unser Guthaben schwankte in den letzten Jahren zwischen 5000 und 200 000 Mark; durch dieses geringe Bankguthaben wurde naturgemäß auch der Umsatz wesentlich beeinflußt. Die mir vor etwa zwei Jahren gewordenen vertraulichen Informationen haben sich inzwischen leider bestätigt. Mit einer Besserung der Verhältnisse in nächster Zeit wird auch nicht zu rechnen sein, sodass nach wie vor die grösste Vorsicht geboten erscheint. Als nun in den letzten Wochen bekannt wurde, dass der A. Schaaffhausen'sche Bankverein mit den sozialdemokratischen Gewerkschaften einen Pakt geschlossen hatte und der Deutschen Bank auf geradezu schmähliche Weise in den Rücken gefallen war, sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es der Gutehoffnungshütte nicht würdig ist, eine weitere Verbindung mit dieser Bank aufrecht zu erhalten. Industrielle Unternehmungen, welche wie wir sich zur Aufgabe gestellt haben, die sozialdemokratischen Gewerkschaften auf das energischste zu bekämpfen, können meines Erachtens das Vorgehen des Bankvereins nicht ignorieren; es sei denn, dass wir uns selbst auf den Standpunkt stellen würden, eines Tages ebenfalls einen Pakt mit den Gewerkschaften schliessen zu wollen. Ich habe mir, solange ich im wirtschaftlichen Leben stehe, stets die grösste Mühe gegeben, der Sozialdemokratie und den sozialdemokratischen Gewerkschaften das Wasser abzugraben, und mich auch nicht gescheut, sie häufig rücksichtslos zu bekämpfen, nicht nur, weil ich dies für meine Pflicht gehalten habe, sondern auch, weil ich der Ansicht bin, dass auch nur das geringste Zurückweichen der Industrie gegenüber den Forderungen der Sozialdemokratie in seinen Konsequenzen politisch und wirtschaftlich von unabsehbaren Folgen sein muss. Die zahlreichen Angriffe, die im Laufe der Jahre seitens der Sozialdemokratie gegen mich gerichtet wurden, sind mir ein Beweis dafür, dass meine Arbeit auf diesem Gebiet nicht ganz ohne Erfolg gewesen ist. Wenn nun der A. Schaaffhausen'sche Bankverein in einer unglaublichen Weise sich von den sozialdemokratischen Gewerkschaften Bedingungen für das Verhalten gegenüber seinen Beamten hat vorschreiben lassen, so hat er damit an dem gesamten deutschen Wirtschaftsleben und an der gesamten deutschen Industrie in meinen Augen ein nicht wieder gut zu machendes Verbrechen begangen. Eine Bank, die wie der A. Schaaffhausen'sche Bankverein so innige Beziehungen zur Industrie hat, trägt auch die Verpflichtung, die Industrie im Kampf gegen die Sozialdemokratie zu unterstützen. Sie hat das Gegenteil getan; sie hat die Sozialdemokratie gefördert und dieser einen Erfolg zugeführt, der vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die finanzielle Situation der Bank ist nach meiner Ansicht keine Entschuldigung für ihr Vorgehen. In meinen Augen kann es für ein derartiges Vorgehen überhaupt keine Entschuldigung geben. « 31 Im Gefolge dieser Vorgänge liquidierte nicht nur die G H H ihre Geschäftsverbindung zu Schaafhausen, sondern Paul Reusch verlegte auch sein bisher bei dieser Bank unterhaltenes Privatkonto zur Deutschen Bank. 3 2 Natürlich sind die beschriebenen Episoden punktueller Natur und deshalb

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im streng logischen Sinne noch kein Beweis für die These, daß die G H H im Konfliktfall mit den Banken tendenziell ihre Interessen durchsetzte. A n d e rerseits aber ist völlig unklar, w o r i n denn ein Druckmittel der Banken gegenüber der G H H bestehen sollte, w e n n m a n sich den detailliert analysierten Akkumulationsprozeß dieses U n t e r n e h m e n s vor Augen hält, während u m g e k e h r t sich die G H H die Konkurrenz unter den Banken zunutze machen konnte. So spricht vieles dafür, daß das nur selektiv erhaltene Quellenmaterial eben durchaus repräsentativ für den Handlungsspielraum der G u t e h o f f nungshütte gegenüber den Banken ist, den man w o h l seit dem in den 1890er Jahren einsetzenden A u f s c h w u n g ihrer Kapitalverwertung nur schwer überschätzen kann. Jedenfalls kann, mit Einschränkungen abgesehen vielleicht von der Zeit der Gründerkrise, für dieses U n t e r n e h m e n keinesfalls von einer Bankensuprematie i m Sinne Hilferdings gesprochen werden. Versuchen wir nun noch einmal, die Ergebnisse dieses Kapitels prägnant zusammenzufassen. Die Gutehoffnungshütte ist ein extremes Beispiel für die N i c h t a n w e n d barkeit der Thesen Rudolf Hilferdings. Das U n t e r n e h m e n n a h m während des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit eine Entwicklung, die invers zur Hilferdingschen Prognose verlief. Statt sich aus der Situation einer relativen Selbständigkeit heraus langsam in die Abhängigkeit von den Banken zu verstricken, gewann die G H H , ausgehend von einer bedrängten finanziellen Position noch zu Beginn der 1880er Jahre, im Laufe der Zeit ihre völlige ökonomische Souveränität zurück. Verantwortlich zeichnete dafür z u m einen eine relativ moderate Expansionspolitik, die d e m Ziel der finanziellen A u t o n o m i e Priorität vor der Erzielung von Extraprofiten über kostspielige und riskante Pionierinvestitionen einräumte. Die Erweiterungen und Reorganisationen des Produktionsprozesses erfolgten bei der G H H in der Regel erst unter dem D r u c k der Konkurrenz. D o c h hätte die subjektive Zielsetzung allein w o h l schwerlich die Verwirklichung der ökonomischen Selbständigkeit ermöglicht. Der subjektive Faktor koinzidierte vielmehr mit zwei objektiven Faktoren von überragender Bedeutung. Einmal stärkte die steigende Profitrate über eine entsprechende Kräftigung auch der disponiblen Profitmasse die Eigenakkumulationskraft des Unternehmens. Z u m anderen aber, und dies war nicht minder wesentlich, eröffnete die Kapitalkraft der Familie Haniel der G H H einen privaten Kapitalmarkt, so daß m a n die Mobilisierungsdienste der Banken völlig entbehren konnte. Weder die viel zitierten Kontokorrentkredite noch die Plazierung von Aktien und Obligationen durch die Banken spielten für den Akkumulationsprozeß der G H H eine Rolle. So fehlte den Banken jeder Ansatzpunkt, u m auch nur eine Präsenz in den Gremien der G H H zu erreichen. D a m i t blieben die Geschäftsbeziehungen der G H H zu ihren Banken beschränkt auf das Feld des sogenannten regulären Bankverkehrs, w o die G H H wegen ihrer hohen Liquidität ein begehrter Geschäftspartner sein mußte, der sich seinerseits die K o n kurrenz unter den einzelnen Banken zunutze machen konnte. Die G H H

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konnte es sich augenscheinlich nicht nur erlauben, bei den konkreten Geschäften auf die nachdrückliche Wahrung ihrer Verwertungsinteressen zu dringen, sondern unterzog darüberhinaus Geschäftssituation u n d -politik der Banken einer Wertung und Sanktionierung, wobei man die eigenen Unternehmensinteressen - u n d offenbar nicht nur die wirtschaftlichen z u m Maßstab erhob. Diese Aussage legt jedenfalls die Art und Weise nahe, wie die G H H 1914 mit d e m Schaaffhausen'schen Bankverein verfuhr.

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8. Die Rheinischen Stahlwerke (Rheinstahl)

Im Jahre 1870 gründeten Mitglieder der Aachener Bankiersfamilie Suermondt gemeinsam mit französischen und belgischen Interessen die Société anonyme de Aciéries à Meiderich mit Sitz in Paris. 1 Das neue Unternehmen, dessen Grundkapital zunächst eine Million Francs betrug, blieb bis 1888, dem Ende seiner ersten Entwicklungsetappe, ein reines Stahl- und Walzwerk. Kernstück seiner Produktionsstätten war eine Bessemer-Stahlgießerei mit den entsprechenden Ergänzungsanlagen, insbesondere einer Fabrik fur feuerfestes Material. Der Verwaltungsrat der Gesellschaft setzte sich aus sieben Mitgliedern unter dem Vorsitz des Bankiers Barthold Suermondt zusammen, während als Administrateur délégué der belgische Ingenieur George Pastor fungierte. Die Gründung des Unternehmens fiel zusammen mit dem einsetzenden Gründerboom, und die in dieser Zeit enorme Nachfrage nach Stahl und Stahlprodukten sorgte zu Beginn für eine überaus zufriedenstellende Kapitalverwertung. So war man 1873/74 in der Lage, eine Dividende von 20% auszuschütten. 2 Der prosperierenden Kapitalverwertung entsprach eine zügige Erweiterung des Produktionsprozesses. Zu diesem Zweck wurde das Grundkapital der Gesellschaft zunächst 1872 auf 3 Millionen Francs (800 000 Taler) und dann 1873 auf 1500 000 Taler erhöht. Ihr Sitz war bereits 1872 von Paris nach Meiderich verlegt worden, während im organisatorischen Bereich der ursprüngliche Verwaltungsrat die Funktion des Vorstands übernommen hatte und den deutschen Verhältnissen entsprechend durch einen Aufsichtsrat ergänzt worden war. Die hereinbrechende Gründerkrise erfaßte auch die Rheinischen Stahlwerke mit voller Schärfe. U m sich eine stetige Zufuhr des während des Booms knappen Roheisens zu sichern, welches man in erster Linie aus dem Ausland bezog, hatte man sich auf den Abschluß langfristiger Lieferverträge eingelassen. Als diese nun nicht eingehalten werden konnten, sah sich Rheinstahl zur Zahlung eines Reuegeldes in der für damalige Verhältnisse enormen Höhe von mehr als 800 000 Mark verpflichtet, was das Unternehmen im Verbund mit der Unmöglichkeit der Auslastung seiner Kapazitäten an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs trieb. U m diese Gefahr abzuwenden, führte man 1877/78 unter der Aegide von Feodor Goecke, dem Direktor des Rhein-Ruhr-Kanal Vereins, eine vollständige Reorganisation der finanziellen und organisatorischen Verhältnisse durch. Die Gläubiger wurden bewegt, der Umwandlung ihrer Forderungen in Prioritätsaktien

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zuzustimmen, während das ursprüngliche Aktienkapital auf 12 Prozent bei gleichzeitiger Schaffung weiterer Prioritätsaktien zusammengelegt wurde. Die Generalversammlung am 5. Februar 1878 legte das Aktienkapital auf n u n m e h r 4 718 400 M a r k fest, wobei die Aktien eingeteilt waren in drei Gruppen mit unterschiedlicher Gewinnberechtigung. Auch die institutionelle Struktur und Kompetenzverteilung w u r d e komplett neu geregelt. Der Vorstand bestand von nun an nur noch aus zwei Personen und war in allen wichtigen Fragen abhängig von der Z u s t i m m u n g des Aufsichtsrates, der n u n m e h r als eigentliches Entscheidungszentrum des U n t e r n e h m e n s f u n gierte. Innerhalb des Aufsichtsrates w i e d e r u m n a h m Feodor Goecke eine de facto dominierende Position ein, was sich nach außen hin durch seine Ü b e r n a h m e des Vorsitzes dokumentierte. Ergänzt w u r d e der Aufsichtsrat von sieben weiteren Mitgliedern, unter ihnen Barthold Suermondt als einziger Vertreter des ursprünglichen Verwaltungsrates. 3 Anders als bei der G H H , w o ja auf die Reorganisation der siebziger Jahre eine längere Pause schleppender Kapitalverwertung folgte, gelang es den Rheinischen Stahlwerken sehr schnell, die Krisenfolgen zu überwinden und die Profitrate auf ein außerordentlich hohes Niveau zu schrauben. 4 Möglich w u r d e dies durch die Erzielung von Extraprofiten, die sich ergaben aus einer technologisch entscheidenden Pionierinvestition. M a n hatte sich nämlich gemeinsam mit d e m Hoerder Verein in England die Patente fur die Stahlherstellung nach d e m Thomas-Verfahren gesichert und bereits ab S o m m e r 1880 mit der Herstellung von Thomas-Stahl begonnen. N e b e n der eigenen N u t zung ging m a n planmäßig an die Weitervergabe der Lizenzen an deutsche und luxemburgische Werke und erzielte dabei einen Erlös von ca. 2,5 Millionen Mark, mehr als das zehnfache des Preises, den m a n selbst bezahlt hatte. 5 Diese aus der innovatorischen A n w e n d u n g eines neuen technischen Verfahrens in der Produktion u n d seiner patentrechtlichen N u t z u n g sich ergebenden Profite w u r d e n noch erhöht durch eine einträgliche Beteiligung an einem Stahlwerk in Russisch-Polen u n d bescherten den Rheinischen Stahlwerken eine weit über d e m Durchschnitt liegende Monopolprofitrate. Auf dieser Grundlage konnte das U n t e r n e h m e n die Erweiterung seines Produktionsprozesses zügig vorantreiben - neben dem Thomas-Stahl w u r de auch die Herstellung des Bessemer- und Martinstahls kontinuierlich ausgedehnt - , ohne sich zu verschulden,6 und bereits 1881 die Vereinheitlichung des Aktienkapitals vornehmen, das von 1881 bis 1888 4650000 M a r k betrug. Die zweite Etappe der Unternehmensgeschichte dauerte von 1888 bis zur Jahrhundertwende und w u r d e von einer nachdrücklichen Fortsetzung des begonnenen Konzentrationsprozesses gekennzeichnet, der sich aber n u n nicht mehr nur als Ausweitung der Stahlproduktion u n d -Verarbeitung vollzog, sondern die unmittelbar vorgelagerte Produktionsstufe, die Roheisenproduktion, miteinbezog. Im Jahre 1888 fiel bei Rheinstahl der Beschluß z u m Bau zweier Hochöfen auf d e m Werksgelände in Meiderich, die 1890

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angeblasen werden konnten und denen bis zum ersten Weltkrieg noch drei weitere folgten, von denen der letzte 1908 in Betrieb genommen wurde. Bereits längere Zeit vorher hatte man in der Unternehmensleitung den Einstieg in die eigene Roheisenherstellung erwogen, dann aber immer wieder wegen der niedrigen Marktpreise für Roheisen während der achtziger Jahre verschoben. Erst jetzt, gegen Ende des Jahrzehnts, ließ der Vergleich der zu erwartenden Selbstkosten mit dem Marktpreis die Aufnahme der Eigenproduktion rentabel erscheinen, 7 die nichtsdestoweniger in der Folgezeit den Roheisenbedarf des Unternehmens nicht vollständig decken konnte. 1882 hatte Rheinstahl gemeinsam mit der Firma Gebr. Röchling in Saarbrücken mit Blick auf die Roheisenherstellung umfangreiche Erzkonzessionen in Algringen (Lothringen) und einen kleineren Komplex im Nassauischen erworben. Aber selbst bei Aufnahme der eigenen Roheisenproduktion verhinderten nicht zuletzt ungeklärte Frachtprobleme einen konsequenten Aufschluß des Felderbesitzes. Seine eigentliche Nutzung begann erst wesentlich später, im Jahre 1905, als sich einerseits das importierte Schwedenerz erheblich verteuert und andererseits die Frachtkosten der Eisenbahn erheblich verbilligt hatten. Neben der Errichtung der erwähnten Hochöfen entstanden in der zweiten Entwicklungsetappe des Unternehmens ein Wasserwerk sowie mehr als 250 Koksöfen, wobei im Z u g e all dieser Erweiterungen das Werksgelände in Meiderich wiederholt räumliche Ausdehnungen erfuhr. Den Abschluß dieser zweiten Phase bildete schließlich die am Ende der neunziger Jahre aus Gründen der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit notwendige Anlage eines weiteren Thomas-Stahlwerkes mit einer neuen Blockstraße und anschließenden Grobstraßen für Halbzeug, Schienen und Träger. War die Geschichte der Rheinischen Stahlwerke bis zur Jahrhundertwende von einer stetigen, aber durchaus noch moderaten Expansion bestimmt, so gewann der Expansionsprozeß bei Rheinstahl in der dritten Phase ab 1900 bis zum Weltkrieg eine hohe Explosivität. In dieser Zeit erfolgte der Ausbau des Unternehmens zu einem großen gemischten Konzern der Schwerindustrie, der seine eigene Rohstoffversorgung betrieb und in die Verfeinerung vorgedrungen war. Bei der Realisierung dieses explosiven Wachstums trat neben die eigentliche Konzentration des Kapitals von Anfang an die Zentralisation. Die Kohlenversorgung war bis zum Ende des 19. Jh. ein Sorgenkind der Rheinischen Stahlwerke geblieben. Als nun 1900 das R W K die ohnehin zu geringen Liefermengen weiter reduzierte, bildete dies den äußeren Anstoß für das Unternehmen zur Angliederung einer eigenen Kohlenzeche. Die Wahl fiel auf die Zeche Centrum bei Wattenscheid, auf die man von Bankseite aufmerksam gemacht worden war und deren Q u o t e im R W K man übernahm. Die Banken vermittelten auch die entsprechende Kapitaltransaktion, im Z u g e derer Rheinstahl die Centrum-Aktien erwarb und umgekehrt den Centrum-Aktionären Rheinstahl-Aktien angeboten wur109

den. 8 Der Gesamtpreis der Übernahme belief sich auf 12692000 Mark in Rheinstahl-Aktien. Einen weiteren Schritt hin zur Unabhängigkeit in der Kohleversorgung erhoffte man sich bei Rheinstahl von dem Ankauf noch unverritzter Kohlengerechtsamen auf der linken Rheinseite, der sogenannten Rossenray-Felder, im Jahre 1905. Aber sehr kapital- und zeitintensive Schwierigkeiten beim Abteufen sowie die 1908 einsetzende Krise der Stahlindustrie führten ab 1911 unter dem Einfluß des neuen Vorstandsvorsitzenden Haßlacher zur völligen Einstellung der Arbeiten. 9 Den Weg in die Produktverfeinerung begann Rheinstahl im Jahre 1904 mit dem Ankauf der Duisburger Eisen- und Stahlwerke, die auf Herstellung von Bandeisen, Universaleisen und verschiedensten Blechen sowie der damit zusammenhängenden Fertigprodukte, wie beispielsweise Rohre, Kesselböden und Behälter spezialisiert waren. Den nächsten Schritt in die Weiterverarbeitung unternahm Rheinstahl 1911 mit dem Abschluß einer Interessengemeinschaft mit dem Röhrenwerk Balcke, Tellering & Cie Aktiengesellschaft in Benrath, die in die vollständige Übernahme dieses Unternehmens mündete. Bei dieser Transaktion beteiligte sich neben Rheinstahl als weiterer Großaktionär auch Mannesmann. Schließlich tätigte Rheinstahl - ebenfalls zwecks Ausbaus des Verfeinerungsbereiches - als letzten großen Zentralisationsschritt meines Untersuchungszeitraums seit 1912 die schrittweise Angliederung der Vereinigten Walz- und Röhren-Werke AG, vorm. Friedr. Boecker Ph's Sohn & Co und Friedr. Koenig in Hohenlimburg, kurz Wurag. Während für Rheinstahl das Vordringen in die Verfeinerung eine Verstetigung des Absatzes mit sich brachte, stellten für Balcke, Teilering und Co und die Wurag die Verschmelzungen die Sicherung ihrer Rohstoffzufuhr sicher, so daß sich diese Angliederungen auch unter absatzwirtschaftlichen Gesichtspunkten anboten. Neben der geschilderten Zentralisation, mit Hilfe derer die Rheinischen Stahlwerke in vor- und nachgelagerte Produktionsstufen der Stahlerzeugung eindrangen, setzte man auch den Konzentrationsprozeß, den kontinuierlichen Ausbau der eigenen Anlagen, fort. Das galt besonders für die Meidericher Werke und die Zeche Centrum. Im organisatorischen Bereich markiert für Rheinstahl das Jahr 1910 einen entscheidenden Einschnitt. In diesem Jahr übernahm ein neuer, de facto mit weitgehenden Kompetenzen ausgestatteter Vorstand aus drei Personen unter dem Vorsitz von Jacob Haßlacher die Leitung der Geschäfte, nachdem der starke Mann des Unternehmens, der Aufsichtsratsvorsitzende Feodor Goecke, 1907 gestorben und durch Lambert Bicheroux ersetzt worden war. Ab 1910 folgte Haßlacher Goecke in dessen tatsächlicher Funktion als Hauptentscheidungsträger bei Rheinstahl. Trotz der Explosivität ihres Expansionsprozesses seit 1900 und den aus dieser Dynamik resultierenden mehrfachen Kapitalerhöhungen seit 1898 gehörten die Rheinischen Stahlwerke mit 46 Millionen Mk. Aktienkapital am Ende meines Untersuchungszeitraums zu den kleineren Unternehmen 110

meines Samples. 1913 umfaßte das Unternehmen den Eisen- und Stahlkomplex in Duisburg-Meiderich, die Abteilung Duisburger Eisen- und Stahlwerke, Eisensteingruben in Lothringen und Nassau, verschiedenste Kalksteinfelder, einen Dolomitbruch bei Bergisch-Gladbach sowie die Zeche Centrum bei Wattenscheid. Darüberhinaus verfugten die Rheinischen Stahlwerke über die genannten Beteiligungen an dem Steinkohlenfelderkomplex auf der linken Rheinseite und an den beiden Unternehmen der Weiterverarbeitung, an Balcke, Teilering & Co und der Wurag. 10 Die kapitalstatistische

Entwicklung

der Rheinischen

Stahlwerke

An diesem Punkt entsteht die Frage, ob die Kapitalakkumulation der Rheinischen Stahlwerke nach dem Hilferdingschen Modell verlief. Bezahlte das Unternehmen seinen Expansionsprozeß mit einer fortschreitenden Verstrikkung in die Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten, die den Banken als ökonomisches Fundament für die Etablierung einer Herrschaftsposition gegenüber Rheinstahl diente? Ein erster Aufschluß darüber ist von der in Tabelle 5 abgedruckten Akkumulationsstatistik zu erwarten. 1 1 Das konstante fixe Kapital wuchs bei Rheinstahl von 1880/81 bis 1913/14 von relativ bescheidenen 2,52 auf 46,28 Millionen Mark an, was einer Steigerung um 1736,5% entspricht. In der gleichen Zeit expandierte die Bilanzsumme u m 1195,9% von 6,53 auf 84,62 Millionen Mark. Dabei verdeutlichen die Prozentzahlen die außerordentliche Dynamik dieses Akkumulationsprozesses, selbst, wenn in absoluten Zahlen die Rheinischen Stahlwerke von ihren Akkumulationsdaten her vor dem Weltkrieg immer noch deutlich hinter den größten Unternehmen des Samples zurücklagen. Die Initialzündung, die der Expansionsprozeß seit der Jahrhundertwende durch das Vordringen des Unternehmens in die eigene Grundstoffversorgung und die Weiterverarbeitung und die damit zusammenhängenden Zentralisationsmaßnahmen erfuhr, spiegelt sich naturgemäß in der Entwicklung des konstanten fixen Kapitals wider. Von 1888/89 bis zum Weltkrieg stieg es von 6,73 auf 46,17 Millionen Mark an. In dieser Zeit tat Rheinstahl den Sprung unter die größten zehn Konzerne der Schwerindustrie und sprengte endgültig seinen ursprünglichen Rahmen als reines Stahl- und Walzwerk. Wie entwickelte sich nun im Zuge der Expansion die Kapitalverwertung? Auf den ersten Blick scheint hier Hilferdings strategische Variable, die tendenziell sinkende Profitrate, wirksam zu werden. Schaubild 4 weist für die Profitrate im Untersuchungszeitraum einen klar fallenden Trend aus. Zu Beginn der achtziger Jahre bewegte sich die Profitrate bei Rheinstahl weit über dem Durchschnittsniveau. Die Anwendung des Thomas-Verfahrens in der Stahlproduktion und seine patentrechtliche Nutzung ermöglichten dem Unternehmen die Realisierung einer Monopolprofitrate. Hier sind allerdings erhebliche Zweifel an der Exaktheit der Daten anzumelden, da der Rohgewinn in den Bilanzen vor 1887/88 nicht ausgewiesen wird, und daher 111

geschätzt werden mußte. Dennoch lassen die bereits in der Einleitung dieses Kapitels vorgestellten Informationen (und auch die Entwicklung des Eigenfinanzierungspotentials sowie die qualitativen Informationen über den Bankverkehr des Unternehmens aus dieser Phase, die noch zu diskutieren sein werden,) die Annahme berechtigt erscheinen, daß die so gewonnenen Zahlen in der Dimension der tatsächlichen Profitrate liegen, und somit i h r e hier wesentlich mehr als einzelne Daten interessierende - Bewegung nicht verzerren. Das Monopolniveau der Profitrate ließ sich in der Folge dann nicht konservieren und die Kapitalverwertung bei Rheinstahl unterlag mit der zunehmenden Verallgemeinerung der technologischen Innovation des Unternehmens durch seine Konkurrenten einer Nivellierung und Annäherung an die Durchschnittsprofitrate des Samples. 12 Die so naturgemäß entstehende sinkende Tendenz der Profitrate implizierte nun aber in Abweichung von dem Hilferdingschen Entwicklungsmodell keineswegs eine Konvergenz der Profitrate und der Eigenakkumulationskraft des Unternehmens gegen Null. Im Gegenteil, die Akkumulationstabelle zeigt, daß die Profitrate lediglich in einem Bilanzjahr, nämlich 1901/02 während des allgemeinen Konjunkturabschwungs, unter 10% sank und sich bis zum Ende des Untersuchungszeitraums längst wieder kräftig erholt hatte. Entsprechend weist auch die Entwicklung des EFP durchaus nicht auf eine erschlaffende Akkumulationskraft der Rheinischen Stahlwerke hin. Es betrug im Schnitt 394,74%. Auch wenn damit Rheinstahl in dieser Beziehung nicht an der Spitze des Samples liegt, so verdeutlicht dieser Wert doch, daß die realisierte Profitmawe, die Grundlage des EFP, ein recht solides finanzielles Fundament fur den Expansionsprozeß des Unternehmens abgab. Lediglich in zwei Bilanzjahren, 1886/87 (Errichtung der ersten Hochöfen) und 1898/99 (Bau des zweiten Thomas-Werks), deckte das EFP das Wachstum des konstanten fixen Kapitals nicht zu mindestens 100% ab. Sieht man von 1888/89 ab, als wegen des anstehenden Hochofenbaus eine Kapitalerhöhung um 2 Millionen beschlossen wurde, reichte die Profitmasse bis zum Ende der neunziger Jahre aus, um die Erweiterungen des Akkumulationsprozesses ausschließlich aus eigener Kraft zu finanzieren. Externe Stärkungen des EFP fanden in dieser Zeit nicht statt. Erst als, beginnend mit dem Bau des zweiten Thomas-Werkes und die im Anschluß daran vollzogenen Zentralisationsschritte, die erforderlichen Summen zwangsläufig die Dimension der realisierbaren Profitrate und -masse sprengten, konnte die Expansion nicht mehr allein über die Verwertung des eigenen Kapitals finanziert werden, sondern zwang zur Inanspruchnahme des Kapitalmarktes. Von 1897/98 bis 1911/12 wurde das Aktienkapital insgesamt sieben Mal erhöht ( - die genauen Umstände dieser Kapitalerhöhungen werden noch detailliert zur Sprache kommen - ) und stellte sich auf 46 Millionen Mark gegenüber 6,51 Millionen 1897/98. Die Rheinstahl bei diesen Transaktionen zufließenden Mittel reichten nicht nur aus, um das EFP trotz der enormen Investitionen sogar noch zu steigern - der Schnitt des EFP betrug von 1900/ 112

Ol bis 1913/14 490,03% - , sondern versorgten das Unternehmen darüberhinaus mit soviel flüssigen Mitteln, daß seine Bankguthaben in der Regel seine Bankverbindlichkeiten überstiegen. 13 Obwohl sich also die individuelle Profitrate der Rheinischen Stahlwerke im Laufe der Zeit auf den Branchendurchschnitt zubewegte, und damit tendenziell sank, unterschritt sie nie das Niveau, das eine durchschnittliche Verzinsung des investierten Kapitals in Frage gestellt hätte. 14 Daher blieb Rheinstahl stets der Weg an den Kapitalmarkt offen, womit dem Unternehmen jederzeit eine Alternative zur externen Investitionsfinanzierung über langfristige Kredite, insbesondere seitens der Banken, zur Verfugung stand. Während seit der Jahrhundertwende häufig Kapitalerhöhungen zur Stärkung des Akkumulationspotentials stattfanden, spielte die Aufnahme von langfristigem Fremdkapital für die Finanzierung der Expansion des konstanten fixen Kapitals bei Rheinstahl überhaupt keine Rolle. Im gesamten Untersuchungszeitraum nahm Rheinstahl keine einzige Anleihe auf. Zwar taucht in den Bilanzen seit 1901/02 langfristiges Fremdkapital auf, das 1904/05 mit fast sieben Millionen Mark seinen Höhepunkt erreicht, doch handelt es sich bei diesem Posten um langfristige Verbindlichkeiten, die Rheinstahl von der Zeche Centrum bzw. den Duisburger Eisen- und Stahlwerken übernommen hatte. 15 Trotz der finanziellen Inanspruchnahme des Unternehmens durch das Expansionsprogramm gelang es, wie die Akkumulationstabelle zeigt, diesen Bilanzposten bis 1913/14 durch Amortisation etwas zu reduzieren. Dem Verzicht auf Anleihen entsprach ein durchgängig außerordentlich hohes Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital, das zwar gegen Ende des U n tersuchungszeitraums tendenziell leicht sank, aber nie 230% unterschritt. Auch dem Beitrag der langfristigen Kontokorrentkredite zur Realisierung der Expansion scheint bei Rheinstahl kaum eine Bedeutung zuzukommen. Wiederum liegen keine spezifischen Angaben zu den Kontokorrentkrediten der Banken in den Bilanzen vor, so daß wir abermals auf die Gesamtkreditoren verwiesen sind. Diese nun weisen nur in 14 von 34 Bilanzjahren ein gemeinsames Wachstum mit dem konstanten fixen Kapital auf und deckten dabei im Schnitt die Steigerung des letzteren mit 104,32% ab, wobei aber die Deckung ab 1894/95, also gerade in der entscheidenden Expansionsphase, nie mehr als 100% erreichte, sondern fast immer weit darunter lag. Daraus geht die Bedeutungslosigkeit der Kontokorrentkredite im Hinblick auf die Expansionsfinanzierung hervor, denn ihr Anteil an den bilanzmäßig ausgewiesenen Gesamtkreditoren dürfte erfahrungsgemäß kaum ins Gewicht fallen. Die Präsenz der Banken in den Gremien der Rheinischen

Stahlwerke

Die Analyse des Akkumulationsprozesses der Rheinischen Stahlwerke ergab einige Paralellitäten zum von Hilferding prognostizierten Verlauf der Akkumulation des industriellen Durchschnittskapitals, insbesondere im

113

Hinblick auf die Tendenz der Kapitalverwertung. Zwar zeitigte der tendenzielle Fall der individuellen Profitrate dieses Unternehmens nie die von Hilferding veranschlagte dramatische Konsequenz einer totalen Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten - ganz im Gegenteil - , aber andererseits reichte die eigene Akkumulationskraft bei Rheinstahl auch nicht aus, u m angesichts der drastischen Verschärfung des Expansionstempos seit der Jahrhundertwende auf die häufige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes im Rahmen von Erhöhungen des Aktienkapitals verzichten zu können. D a nun Rheinstahl der Background einer derartig kapitalkräftigen Gründerfamilie fehlte, wie dies etwa die Haniels im Falle der G H H waren, war man auf die Vermittlerdienste der Banken zum offiziellen Kapitalmarkt der Börsenplätze angewiesen. Diese Konstellation brachte Rheinstahl seit Ende des Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Durchführung der ersten Zentralisationsschritte in engeren Kontakt mit den Berliner Großbanken, wobei sich als Hausbanken des Unternehmens die Disconto-Gesellschaft und die B H G herausschälten. 1 6 Diese Kontakte führten nun sehr schnell zur Präsenz der beiden genannten Banken im Aufsichtsrat des Unternehmens. Sehen wir uns die weitere Entwicklung dieser Präsenz etwas genauer an! 1 7 Bis 1900 hatte als einziger Bankier Ernest Nagelmackers als Vertreter des gleichnamigen Lütticher Bankhauses im Aufsichtsrat der Rheinischen Stahlwerke gesessen. (Robert Suermondt, den Sohn des Firmengründers Barthold Suermondt, kann man kaum hinzunehmen, da er wohl weniger als Repräsentant des Bankhauses Suermondt denn als Mitglied der wichtigsten Gründerfamilie dem Aufsichtsrat angehörte.) Der Kontakt zu diesem belgischen Bankhaus wurde nach Nagelmackers' Tod im Jahre 1907 nicht erneuert. Von 1902/03 an waren mit der Disconto-Gesellschaft durch Arthur Salomonsohn und der B H G durch Carl Fürstenberg dann die beiden ersten Großbanken präsent. Schließlich kamen seit 1911/12 Henry Nathan von der Dresdner Bank und M a x von Rappard v o m Barmer Bankverein dazu. Letzterer ist in Schaubild 5 der Disconto-Gesellschaft zugeschlagen worden wegen der engen Verflechtung, die zwischen dem Bankverein und der Disconto-Gesellschaft bestand. Die entscheidende Frage ist nun, ob es insbesondere den drei Großbanken gelang, den Aufsichtsrat als Forum einer potentiellen Herrschaftsausübung zu nutzen über die Durchsetzung einer ihren spezifischen Interessen gemäßen Geschäftspolitik der Rheinischen Stahlwerke. Zunächst ist zu bemerken, daß die geschäftlichen Beziehungen und personellen Kontakte des Unternehmens zur Disconto-Gesellschaft und zur B H G wesentlich intimere waren als diejenigen zur Dresdner Bank, deren Vertreter, Henry Nathan, stets Outsider des augenscheinlich recht intensiven Dialogs zwischen der Unternehmensleitung und Salomonsohn bzw. Fürstenberg, den Repräsentanten der beiden anderen Großbanken, blieb. Als beispielsweise 1912 Gerüchte kursierten über eine Fusion von Harpen und Rheinstahl, wandte sich Nathan am 21. 1. 1913 mit einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden Haßlacher, aus dem hervorgeht, daß er mit 114

d e n Interna der U n t e r n e h m e n s p o l i t i k bei R h e i n s t a h l nicht g e n a u v e r t r a u t war: »Seit längerer Zeit laufen hier Gerüchte um, daß bei den Rheinischen Stahlwerken eine neue Transaktion bevorstehe. Naturgemäß werden auch wir, da ich dem Aufsichtsrat angehöre, interpelliert, ohne daß wir bis jetzt in die Lage gesetzt waren, eine Antwort zu geben. Es ist fiir mich unangenehm zu erklären, daß ich nichts weiß und es ist für mich ebenso unangenehm, zu dementieren, wenn möglicherweise in kürzerer Zeit schon sich herausstellen sollte, daß ich falsch dementiert habe. Ich würde Ihnen deshalb außerordentlich verbunden sein, wenn Sie mir kurz sagen wollten, was vorgeht. Sie dürfen sich der allerstrengsten Diskretion von meiner Seite versichert halten. « H a ß l a c h e r d e m e n t i e r t e die b e s a g t e n G e r ü c h t e u n d h i n t e r b r a c h t e die A n f r a g e Nathans unverzüglich Salomonsohn. »Herr Nathan ist offenbar in Sorge, dass ohne ihn etwas vorgehen könnte. Ich würde andernfalls die Sache nicht für Wert gehalten haben, ein Wort darüber zu Ihnen zu verlieren, glaube aber, daß es Sie nunmehr interessieren wird, zu hören, wie man an anderer Stelle nervös wird. « 1 8 D i e D i s c o n t o - G e s e l l s c h a f t n u n u n d die H a n d e l s g e s e l l s c h a f t b e m ü h t e n sich ihrerseits d u r c h a u s u m einen g e n a u e n E i n b l i c k in die V e r w e r t u n g s e n t w i c k l u n g u n d die G e s c h ä f t s p o l i t i k der R h e i n i s c h e n S t a h l w e r k e u n d erhielten ihn a l l e m A n s c h e i n n a c h auch. A l l e r d i n g s erreichten sie dieses Z i e l nicht ü b e r die A u s ü b u n g v o n D r u c k , s o n d e r n m u ß t e n sich die K o o p e r a t i v i t ä t der U n t e r n e h m e n s l e i t u n g j e w e i l s d u r c h h ö f l i c h e A n f r a g e n sichern: »Sie hatten die Liebenswürdigkeit, uns Anfang Januar eine Bilanz der Rheinischen Stahlwerke für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres zu übersenden. Nachdem seitdem wieder drei Monate verflossen sind, nehmen wir an, daß nunmehr bereits das Resultat des ersten Semesters feststeht & würden Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie uns die Semesterbilanz zur Einsicht überlassen und uns gleichzeitig mitteilen wollten, wie die Aussichten für das zweite Semester sich gestalten & ob sie bereits in der Lage sind, eine Schätzung der Dividende für das laufende Geschäftsjahr zu geben. Wir wissen sehr wohl, daß eine solche Schätzung jetzt nur recht vage sein kann, würden indessen bei dem großen Interesse, das bei uns für die Rheinischen Stahlwerke besteht, Werth darauf lagen, Ihre Ansicht über das voraussichtliche Resultat des laufenden Jahres zu erfahren. Wir danken Ihnen im Voraus verbindlichst für Ihre frdl. Mittheilungen, welche wir selbstverständlich ohnejede Verbindlichkeit für Sie benutzen werden & zeichnen hochachtungsvoll.« 1 9 Ü b e r dieses B e m ü h e n u m eine g e n a u e K e n n t n i s der G e s c h ä f t s p o l i t i k d e s U n t e r n e h m e n s h i n a u s v e r s u c h t e n S a l o m o n s o h n u n d F ü r s t e n b e r g auch, diese Politik m i t z u g e s t a l t e n . A l s e t w a 1910 die Wahl eines n e u e n V o r s t a n d s a n g i n g , g i n g die E r n e n n u n g H a ß l a c h e r s a u f die Initiative S a l o m o n s o h n s z u r ü c k . 2 0 G e r a d e aber, w e n n die v o n den B a n k i e r s intendierten u n d v e r m i t telten G e s c h ä f t e R h e i n s t a h l s die Interessen der j e w e i l i g e n B a n k b e g ü n s t i g e n sollten, m u ß t e n sie diese Schritte sehr f e i n f ü h l i g lancieren. B e i e i n e m v o n 115

i h m a n g e r e g t e n G e s c h ä f t z w i s c h e n Rheinstahl u n d der A E G i m Jahre 1911 z u m B e i s p i e l b e m ü h t e sich Fürstenberg in g e r a d e z u d e v o t e m T o n bei Haßlacher, der d o c h erst ein Jahr z u v o r m i t H i l f e der b e i d e n B a n k i e r s zu seinem A m t g e k o m m e n war, u m dessen Z u s t i m m u n g : »Verehrter H e r r D r . Haßlacher! Ich habe in der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft die Vorschläge gesehen, welche Ihrem verehrten H e r r n Direktor Esser f ü r die durchlaufende Trio-Feinstraße und d a s . . . Universalstahlwerk g e w o r d e n sind. Da die Herren des Vorstandes und ganz besonders Sie, verehrter Herr D r . H a ß l a cher, zu meiner Freude bei j e d e m gegebenen Anlaß über die geschäftlichen D i n g e mit mir verkehren, so bringt mich dies in den Ruf, bei Ihnen etwas zu gelten, und hierauf pochen naturgemäß, w e n n sich eine Gelegenheit bietet, die Gesellschaften, denen ich anzugehören die E h r e habe. Herr D r . Salomonsohn ist übrigens in derselben Lage, er ist gleich mir Mitglied des Aufsichtsrats der A E G , n u r ein viel jüngeres Mitglied, d e m schon aus diesem Anlaß daran gelegen sein wird, sich nützlich erweisen zu können. In bessere H ä n d e als in die der A E G kann der A u f trag schließlich nicht gegeben werden, denn hierbei handelt es sich u m eine ganz besondere Stärke der Gesellschaft, und so hoffe ich, aus unserem Z u s a m m e n t r e f fen am 30. Juni die Gewißheit m i t n e h m e n zu können, daß die A E G Berücksichtig u n g findet. « N i c h t m i n d e r u n t e r w ü r f i g fiel Fürstenbergs D a n k für H a ß l a c h e r s U n t e r s t ü t z u n g seiner A b s i c h t aus: »Ich bin Ihnen zu sehr g r o ß e m D a n k verpflichtet, da Sie sich meiner ergebenen Bitte, die ich als Fürsprecher der A E G vortrug, b e m ü h t haben, und ich bin ü b e r zeugt, daß nach Lage der Verhältnisse ein weiterer Erfolg nicht möglich gewesen ist. Wenngleich ich den Interessen Ihrer verehrten Gesellschaft stets mit ganzer Lebhaftigkeit angehöre, so ist es doch f ü r mich eine große Freude gewesen, durch die gleichzeitigen Beziehungen nach zwei Fronten mich bewähren zu können. « 2 1 K e i n e s w e g s i m m e r g e l a n g es d e n b e i d e n H a u s b a n k e n über ihre Vertreter i m Aufsichtsrat, ihre V o r s t e l l u n g e n über die U n t e r n e h m e n s p o l i t i k d u r c h zusetzen. Ihre W ü n s c h e m u ß t e n auch n i c h t ständig ü b e r e i n s t i m m e n , s o n dern k o n n t e n durchaus m i t e i n a n d e r konkurrieren, w o b e i sich die U n t e r n e h m e n s l e i t u n g d a n n die letzte E n t s c h e i d u n g v o r b e h i e l t . D e u t l i c h w u r d e dies v o r a l l e m bei der stets w i e d e r k e h r e n d e n D i s k u s s i o n über die S i c h e r u n g der K o h l e n v e r s o r g u n g . In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g schrieb F ü r s t e n b e r g a m 2. A u g u s t 1 9 1 0 an Haßlacher: »Ich m ö c h t e Ihnen sagen, daß ich mich in dieser Zeit der Allmacht des Herrn Dr. Feodor Goecke (Hervorh. v. Verf.) sehr gegen die E r w e r b u n g der linksrheinischen Felder, die übertriebene E r w e r b u n g v o n Oberflächen gewehrt habe, ohne einen Erfolg zu verzeichnen. « 2 2 H a t t e S a l o m o n s o h n die O p p o s i t i o n Fürstenbergs g e g e n den A n k a u f der R o s s e n r a y - F e l d e r n o c h unterstützt, s o v e r f o l g t e n b e i d e u n t e r s c h i e d l i c h e V o r s t e l l u n g e n über die W e i t e r v e r w e n d u n g der e i n m a l e r w o r b e n e n G e r e c h t s a m e n . D a b e i k o n n t e S a l o m o n s o h n , der für e i n e n k o n s e q u e n t e n

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Aufschluß derselben trotz aller Schwierigkeiten eintrat, seine Position nicht durchsetzen. 23 Es entsteht also aus der erhaltenen Korrespondenz Fürstenbergs und Salomonsohns mit dem Rheinstahl-Vorstand, insbesondere mit Haßlacher, der Eindruck, daß die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat weit davon entfernt war, in eine Beherrschung des Unternehmens umzuschlagen. Im Falle kontroverser Vorstellungen über die Geschäftspolitik war die Unternehmensleitung offenbar jederzeit in der Lage, ihre Auffassung nachdrücklich zu behaupten. Die beiden Hausbanken konnten nur insoweit ihre Interessen lancieren, als dies nicht den Interessen des Unternehmens zuwiderlief. Dabei erhöhte sich der Handlungsspielraum des Rheinstahl-Managements dadurch, daß nicht einmal die BHG und die Disconto-Gesellschaft in allen Fällen geschlossen auftraten. Insgesamt mußten sich beide Banken der Ersetzbarkeit ihrer Dienste und damit dem Druck der Konkurrenz bewußt sein - die Dresdner Bank war ja sogar schon institutionell präsent - , denn, wie oben gesehen, hatte die tendenziell sinkende Profitrate der Rheinischen Stahlwerke eben nicht zu der für Hilferdings Modell zentralen Abhängigkeit des Unternehmens von langfristigen Bankkrediten geführt. Die Dienste der Banken reduzierten sich damit, abgesehen vom kurzfristigen regulären Bankverkehr, auf die Organisation des Kontaktes zum Kapitalmarkt. Diese Rolle aber hätte potentiell auch jede andere Großbank übernehmen können. Die Quellen zu den Kapitalerhöhungen der Rheinischen Stahlwerke stützen diese Thesen weiter ab. Die Kapitalerhöhungen

der Rheinischen

Stahlwerke

Von 1897/98 bis 1911/12 erhöhten die Rheinischen Stahlwerke insgesamt sieben Mal ihr Aktienkapital, das dadurch von 6,51 auf 46 Millionen Mark anwuchs. Tabelle 6 zeigt die Modalitäten der einzelnen Transaktionen, soweit diese erhalten sind. Aus der Graphik geht zunächst hervor, daß alle Kapitalerhöhungen im Falle Rheinstahls während des Untersuchungszeitraums von Bankenseite vermittelt wurden. Dabei fiel die Führung der jeweiligen Übernahmekonsortien der Disconto-Gesellschaft zu, worin sich ihre Rolle als Hausbank des Unternehmens manifestierte. Auch die B H G war in allen Fällen beteiligt. Ebenso zeigt die Graphik, daß es im Gegensatz zu Hilferdings Unterstellung den Übernahmebanken in keinem rekonstruierbaren Fall gelang, sich den Gründergewinn anzueignen, sondern daß zumindest sein Löwenanteil jeweils dem Unternehmen verblieb. Die Banken mußten sich dagegen mit einer Provision begnügen, die zwar in absoluten Zahlen eine erkleckliche Summe ergeben mochte, bezogen auf den gesamten Gründergewinn aber nur einen unwesentlichen Prozentsatz ausmachte. Glücklicherweise liegt für Rheinstahl recht dichtes Quellenmaterial zu den Verhandlungen über die einzelnen Transaktionen vor, die zeigen, daß jeder Versuch der Banken, die 117

Profitinteressen des Unternehmens zu majorisieren, zum Scheitern verurteilt war. Sehen wir uns dies detaillierter an. Zwecks der Durchführung der Kapitalerhöhung von 1899, mit deren Hilfe die für den Bau des zweiten Thomas-Werkes notwendigen Mittel aufgebracht werden sollten, beschloß der Aufsichtsrat der Rheinischen Stahlwerke am 15.11. einstimmig, 2 4 den in der Graphik aufgeführten Banken ein Übernahmeangebot zu 160% zu folgenden Konditionen zu machen: Die Sofortzahlung bei Zeichnung sollte 25% plus Agio betragen. Den Aktionären seien 3250 Aktienstücke zum Kurse von 160% anzubieten, während die Provision des Konsortiums sich auf 2% des Nennbetrages von 4050000 Mark belaufe. Dafür hätten die Banken sämtliche mit der Begebung der Aktien entstehenden Kosten zu tragen. Schließlich bleibe die Einigung über die Übernahmequoten den beteiligten Banken selbst vorbehalten. 25 Am 12. 2. 1900 dann berichtete Feodor Goecke dem Aufsichtsrat über den Gang der Verhandlungen: »Anbei übersende ich Ihnen ein Exemplar des v o n der Disconto-Gesellschaft m i r übersandten Prospektentwurfs zur gef. Kenntnisnahme. Sie hat natürlich wieder nicht unterlassen können, verschiedene Ä n d e r u n g e n v o r z u n e h m e n . Soweit diese gleichgültiger N a t u r sind, habe ich dagegen nichts erinnert; die absolut unrichtige Darstellung, daß den Aktionären die Aktien zu 162% angeboten seien, habe ich dagegen geändert. Außerdem habe ich mich mit der Aujßihrung der 4 Berliner Bankhäuser nur fiir den Fall einverstanden erklärt, daß dadurch weder diesen Bankhäusern noch der Börsenzulassungsstelle gegenüber eine unbedingte, dauernde Verpflichtung zur ewigen Beibehaltung dieser Bankhäuser übernommen wurde (Hervorh. v. Verf.). So w e n i g eine Änderung beabsichtigt w u r d e noch nach menschlichem Ermessen eintreten werde, so könnten w i r doch eine desfallige Verpflichtung nicht ü b e r n e h m e n . « 26

Deutlicher kann man die Ausgangskonstellation für die Beziehungen der Rheinischen Stahlwerke zu den Banken kaum formulieren! Die Banken mußten bei der Festlegung ihrer jeweiligen Verhandlungsstrategie stets die Bedrohung ihrer Position durch die Konkurrenz in ihr Kalkül einbeziehen. Damit war aber ein potentieller Dominanzanspruch der Bankenseite gegenüber dem Unternehmen von vornherein unrealistisch. Über die folgenden Kapitalerhöhungen bis 1910 ist über die in der Graphik zusammengestellten Informationen hinaus nichts erhalten geblieben, so daß die Hypothese einer reibungslosen Abwicklung naheliegt. 27 Die in Tabelle 6 zusammengefaßten Konditionen der Erweiterung des Aktienkapitals im Jahre 1910 von 35 auf 40 Millionen Mark, welche die Verwertungsinteressen Rheinstahls sehr weitgehend berücksichtigte, hatte die Disconto-Gesellschaft selbst vorgeschlagen. Dabei war die entsprechende Offerte, die von Salomonsohn abgefaßt worden war, etwas unklar formuliert im Hinblick auf die dem Bankenkonsortium zu zahlende Provision von 5%. Der Rheinstahl-Vorstand schöpfte den Verdacht, diese solle vom garantierten Verkaufserlös von 170% in Abzug gebracht werden, was dem Unternehmen nicht akzeptabel schien. Daraufhin wandte man sich um 118

juristischen Rat an den Amtsrichter Grosse-Lege in Berlin, der die Sachlage für Rheinstahl mit Salomonsohn klärte: »Meiner Ansicht nach muß dem Wortlaut der Offerte entnommen werden, daß Ihnen zum mindesten 170% des Nettoerlöses garantiert werden und daß Ihnen darüber auch der etwa weiter erzielte Nettoerlös zukommen soll, nachdem aus diesem etwaigen Mehrerlös zunächst die ausbedungene Provision von 5% des erzielten Verkaufspreises auf die genannten M. 5000000 Aktien in Abzug gebracht worden i s t . . . Daß dies auch die Ansicht des Herrn Dr. Salomonsohn ist, . . . geht zweifellos aus folgendem hervor. Bei unserer letzten Zusammenkunft in Düsseldorf fragte ich Herrn Salomonsohn danach, wie die Offerte hinsichtlich des garantierten Mindestverkaufspreises zu verstehen sei und ob eventuell von den 170% noch 5% Provision in Abzug kämen. Herr Dr. S. verneinte letzteres und erklärte, daß das Konsortium nichts bekäme, wenn nur zu 170% verkauft würde und daß es 5% bekäme, wenn ein entsprechend höherer Verkaufspreis erzielt werde. « 2 8 Das Konsortium trägt also das gesamte Risiko. Dafür wird ihm zwar eine stattliche Provision von 5 % in Aussicht gestellt, doch ändert dies nichts daran, daß von einer Aneignung des Gründergewinns durch die Banken überhaupt keine Rede sein kann. Diese werden für ihre Vermittlerdienste zum Kapitalmarkt im Erfolgsfall durchaus üppig entlohnt, doch ansonsten fällt das mobilisierte Kapital dem Unternehmen zu. Z u einem massiven Konflikt mit den Banken kam es 1912 gelegentlich der letzten Rheinstahl-Kapitalerhöhung des Untersuchungszeitraums, die notwendig wurde zum Ankauf der Aktien von Balcke, Tellering & C o . und der Wurag, wobei an dem Wurag-Geschäft auch Mannesmann hälftig beteiligt war. Haßlacher schilderte die Ausgangskonstellation gegenüber Vorstandsmitglied Nikolaus Eich von Mannesmann: »Für die am 14. Juni ds. Js. stattfindende außerordentliche Generalversammlung meiner Gesellschaft steht bekanntlich zur Tagesordnung die Erhöhung des Actienkapitals um Mark6000000, nämlich um Mk. 4000000 für den Umtausch gegen Mk. 6000000 Balcke-Tellering-Aktien, um Mk. 1700000 gegen ebensoviel Actien der Hohenlimburger Werke und schließlich um Mk. 300000 zur besseren Abrundung des Betrages. Den letztgenannten Betrag übernehmen unsere Banken zur bestmöglichen Verwertung für unsere Rechnung und erhalten davon eine feste Provision von 5 % . Die für die Umtausch-Operation verbleibenden Mk. 5700000 unserer Actien sollen der Form halber ebenfalls von unserem Bankenkonsortium und zwar zum Nennwert gezeichnet, das bare Geld dazu der Form halber am Tage der Anmeldung zum Handelsregister uns ausgezahlt, hinterher sofort aber wieder zurückgegeben werden, während den Banken gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt wird, mit den neuen Actien zur Durchführung der Umtausch-Operation nach unserer Weisung zu verfahren. Ich habe bei unseren Banken für dieses ganze, als reine Formalie anzusehende und kaum weitere Arbeit als die Bereitstellung einiger Millionen in Bar am Tage der Eintragung in das Handelsregister erfordernde Geschäft wegen der Provision angefragt und die Antwort erhalten, daß man für die gesamte Transaktion als feste Provision Mk. 100000 fordere. Unter Berücksichtigung, daß die 5% für die Mk. 300000,- wirklich bar zu zeichnender und weiter zu verwertender 119

Aktien etwa rd. 25000 ausmachen, ergäbe sich für das reine Formalgeschäft eine Provision von 75000, die aufMk. 5700000 unserer Aktien umzulegen wären. Das ist mir denn doch als zu reichlich erschienen und ich habe den Banken geschrieben, daß ich diese hohen Spesen als keine richtige Bemessung der seitens der Banken zu leistenden Mühewaltung ansehen könne, daß ich auch zweifelte, ob Sie sich mit einer solchen Provision einverstanden erklären würden, da ich mich ja mit ihnen gemäß unserem Abkommen über den Teil der Provision, der auf das Balcke-TelleringGeschäft entfällt, zu verständigen habe und hälftig in diese Provision mit Ihnen mich zu teilen haben w ü r d e . . . Es wird daher gut sein, wenn wir uns darüber klar werden, welchen Provisionssatz wir äusserstens bewilligen wollen. « 29 Schließlich akzeptierte Rheinstahl d a n n d o c h die Provision v o n 100000 M a r k , d o c h die Disconto-Gesellschaft ging in ihrer O f f e r t e v o m 15. 6. 1912 m i t ihren F o r d e r u n g e n n o c h weiter. A n dieser O f f e r t e m o n i e r t e das U n t e r n e h m e n v o r allem zwei H a u p t p u n k t e : »b) Unter Ziffer 3) Ihres Offertenschreibens ist uns nicht verständlich, warum wir Verkaufskosten noch übernehmen sollen, nachdem wir Ihnen die Aktien gestempelt und mit Schlußnotenstempel zu liefern haben und da die Verkaufskosten zwischen Ihnen und dritten Abnehmern doch von letzteren zu tragen sind, c) Wir vermissen die in den früheren mündlichen Verhandlungen berührte Garantie-Übernahme Ihrerseits, dass uns aus den Mk. 300000 von Ihnen zu verkaufender neuer Aktien ein Bruttoerlös von mindestens 170% bleibt.« 30 In der Frage des Garantieerlöses f ü r Rheinstahl einigte m a n sich auf die Verpflichtung der Banken, die Aktien bestmöglichst zu verkaufen. D a b e i ging m a n d a v o n aus, daß der erzielbare Preis die v o m U n t e r n e h m e n gew ü n s c h t e M i n d e s t s u m m e übersteigen w e r d e — was sich als p r o b l e m a t i s c h herausstellen sollte - , so daß sich deren Stipulierung erübrigte. D i e Ü b e r n a h m e der Verkaufskosten aber blieb weiter strittig. D i e Disconto-Gesellschaft versuchte, sich mit den Gepflogenheiten an der B ö r s e zu rechtfertigen, welche die A b w ä l z u n g der Verkaufskosten auf die Käufer der A k t i e n verböten, erreichte aber m i t dieser A r g u m e n t a t i o n bei Rheinstahl lediglich eine lakonische Weigerung, diese Kosten zu ü b e r n e h m e n : »Uns sind natürlich die Usancen an der Börse im Falle der Begebung solcher neuen Actien nicht bekannt, wenn Sie aber abweichend von dem gewöhnlichen Wertpapierverkauf, bei welchem der Käufer Courtage und Schlußnotenstempel zu tragen hat, diese Spesen nicht auf den Käufer abwälzen können, so gehen sie eben zu Ihren Lasten. Wir bedauern jedenfalls, diese Spesen nicht übernehmen zu können und bitten, sich gütigst hiermit einverstanden erklären zu wollen. « 31 Schließlich sah sich das K o n s o r t i u m zu einem K o m p r o m i ß g e z w u n g e n , der die Interessen der Rheinischen Stahlwerke sehr w e i t g e h e n d berücksichtigte. D i e gesamte K o n s t r u k t i o n des Geschäftes w u r d e d a h i n g e h e n d abgewandelt, daß n u n m e h r die B a n k e n die Aktien nicht m e h r , wie u r s p r ü n g l i c h v o r g e s e hen, auf R e c h n u n g Rheinstahls zu v e r w e r t e n hatten. Statt dessen ü b e r n a h m e n sie sie z u m K u r s e v o n 170%, der über dem aktuellen Tageskurs hg, u m die

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weitere Plazierung d a n n auf eigenes Risiko zu betreiben. Bei diesem K o m p r o m i ß entfiel nicht n u r die E i n w i l l i g u n g in die v o n A n f a n g an als zu h o c h e m p f u n d e n e Provision v o n 1 0 0 0 0 0 M a r k , sondern auch sämtliche ü b r i g e n F o r d e r u n g e n des U n t e r n e h m e n s , insbesondere hinsichtlich des Garantiekurses u n d der Verkaufskosten, fanden Berücksichtigung. Also auch in diesem Fall partizipierten die B a n k e n n u r unwesentlich a m aus der Kapitalmobilisierung sich ergebenden G r ü n d e r g e w i n n . N a m e n t l i c h die D i s c o n t o Gesellschaft zeigte sich recht w e n i g begeistert v o m erzielten Ergebnis: »Wir gestatten uns aber nochmals den Hinweis, dass nur durch diese feste Übernahme auf eigene Rechnung und unser eigenes Risiko die von Ihnen angeregte Spesenfrage ihre Erledigung gefunden hat, und wollen wir nicht verfehlen, darauf aufmerksam zu machen, dass die Uebernahme zu einem Kurse erfolgt ist, der nach der Parität höher als der Tageskurs ist, und dass Ihnen dadurch nicht nur die Verkaufsspesen, sondern auch die Reportierungsspesen erspart bleiben. « 32

Der reguläre Bankverkehr der Rheinischen

Stahlwerke

A u c h die I n f o r m a t i o n e n , die w i r über den regulären B a n k v e r k e h r der R h e i nischen Stahlwerke besitzen, bestätigen den E i n d r u c k , daß das U n t e r n e h m e n die unter den B a n k e n herrschende K o n k u r r e n z auszunutzen verstand, u m sich günstige K o n d i t i o n e n f ü r die D u r c h f ü h r u n g ihrer B a n k g e s c h ä f t e zu sichern, solange die Kapitalverwertung nicht derart dramatisch stockte, daß es seine schwebenden kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen konnte. In einer solchen Situation, in der das Stellen v o n B e d i n g u n g e n v o n v o r n h e r e i n aussichtslos sein m u ß t e , befand sich Rheinstahl w ä h r e n d der o b e n geschilderten Krise der siebziger Jahre. N o c h E n d e 1877 hatte Feodor G o e c k e fast panisch eine Hilfsadresse an den Schaaffhausen'schen Bankverein senden müssen: »Sehr u n a n g e n e h m e r Brief aus Siegen. Wenn nicht sofortige C r e d i t e r k l ä r u n g erhalte, alles v e r l o r e n . « 3 3 Goecke erhielt diese E r k l ä r u n g , an der sich neben S c h a a f h a u s e n auch die B a n k h ä u s e r Nagelmackers, Suerm o n d t u n d D e i c h m a n n sowie die D u i s b u r g - R u h r o r t e r B a n k beteiligten, o h n e daß aus den A k t e n erkennbar ist, o b d a m i t f ü r Rheinstahl d r ü c k e n d e organisatorische oder finanzielle Belastungen v e r k n ü p f t w a r e n . 3 4 Die a n schließend gelungene R e k o n s t r u k t i o n hatte Rheinstahl d a n n wieder m i t einem a u s k ö m m l i c h e n Betriebskapital versorgt, u n d die Profitrate erreichte, wie w i r sahen, M o n o p o l n i v e a u . D a m i t stabilisierte sich u n m i t t e l b a r auch die Verhandlungsposition des U n t e r n e h m e n s gegenüber seinen B a n k e n . Bereits 1878 k o n n t e m a n es sich leisten, den B a n k e n g e g e n ü b e r unter A u s n u t z u n g ihrer E i n b i n d u n g in die kapitalistische K o n k u r r e n z auf den d u r c h schnittlichen H ö c h s t g r e n z e n f ü r die Bezahlung ihrer Dienste zu bestehen. D e r Aufsichtsrat des U n t e r n e h m e n s beschloß a m 17. 4. 1878 in einem entsprechenden Passus:

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»Der Aufsichtsrat glaubt, daß f ü r die in Anspruch zu n e h m e n d e n Crédité eine Vergütung v o n 1/4% Provision und 5 % Zinsen (resp. 1% über Bankdiskont) völlig ausreichend sind, und ermächtigt den Vorstand, falls die Bankhäuser der Gesellschaft auf diese B e d i n g u n g e n nicht eingehen wollen, andere B a n k v e r b i n d u n g e n zu suchen.« 3 5 A n dieser starken V e r h a n d l u n g s p o s i t i o n der R h e i n i s c h e n S t a h l w e r k e g e g e n über ihren B a n k e n änderte sich bis z u m E n d e des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s nichts, w i e die V o r g ä n g e aus d e n Jahren 1 9 1 2 u n d 1913 z e i g e n . Z w a r w a r e n seit der J a h r h u n d e r t w e n d e die B H G u n d die D i s c o n t o - G e s e l l s c h a f t in die R o l l e der H a u s b a n k e n h i n e i n g e w a c h s e n , aber eine M o n o p o l i s i e r u n g des B a n k v e r k e h r s dieses U n t e r n e h m e n s als V o r a u s s e t z u n g für seine K o n t r o l l i e r barkeit erreichten sie zu keiner Zeit, obwohl sie diese anstrebten. A m 15. 6 . 1 9 1 2 b e s c h w e r t e sich S a l o m o n s o h n bei H a ß l a c h e r unter B e r u f u n g auf die e r w i e s e n e n D i e n s t e darüber, daß Rheinstahl auch m i t anderen B a n k e n G e s c h ä f t e m a c h t e u n d darüberhinaus der D i s c o n t o - G e s e l l s c h a f t sehr u n g ü n s t i g e K r e d i t b e d i n g u n g e n a u f o k t r o y i e r t hatte: »Sodann wollte ich nochmals die Belegung der flüssigen Gelder v o n Rheinstahl mit Ihnen besprechen u n d zwar zugleich im N a m e n v o n H e r r n Fürstenberg die dringende Bitte an Sie richten, diese Geldgeschäfte bei der Disconto-Gesellschaft und der Berliner Handels-Gesellschaft, zu konzentrieren. Wie ich sehe, haben Sie ja mit unserer Filiale in Essen ein neues Geschäft, leider zu fur uns sehr ungünstigen Bedingungen, abgeschlossen und ich höre v o n unserer Filiale aus diesem Anlaß, daß sie sich zu d e m hohen Gebot mit Rücksicht auf die Konkurrenz veranlaßt gesehen hat. Dies gibt mir Veranlassung, erneut darauf hinzuweisen, daß s o w o h l H e r r Fürstenberg als ich doch Wert darauf legen, daß wir in der Konzentrierung dieser Geschäfte ein kleines Äquivalent f ü r die Dienste finden, die w i r über den R a h m e n unserer Pflichten als Aufsichtsräte hinaus d e m Rheinstahl geleistet haben und auch in Z u k u n f t zu leisten gerne bereit sind. Beide Institute haben die Rheinischen Stahlwerke stets mit größter Kulanz behandelt, und Sie dürfen versichert sein, daß Sie auch die Interessen Ihres Instituts am besten w a h r n e h m e n , w e n n Sie auf die kleinen Verdienste, die Sie durch Gelegenheitsgeschäfte mit der einen oder anderen kleinen Bank hie und da machen, verzichten und statt dessen sich unser w a r m e s Interesse auch fernerhin erhalten. « 3 6 H a ß l a c h e r aber, der j a i m m e r h i n Fürstenberg u n d S a l o m o n s o h n p e r s ö n l i c h e i n i g e s zu v e r d a n k e n hatte, reagierte auf das an ihn h e r a n g e t r a g e n e A n s i n n e n m i t e i n e m t r o c k e n e n V e r w e i s a u f die G r e n z e n des V e r h a n d l u n g s s p i e l r a u m s seiner H a u s b a n k e n : »Ihre A u s f ü h r u n g e n wegen der Konzentration des Geldverkehrs bei Ihnen haben mein volles Interesse, nur erlaube ich mir, ergebenst darauf hinzuweisen, daß in dieser Beziehung bisher schon alles geschehen ist, was Ihre Wünsche erfüllen kann, soweit sie mit unseren Interessen in Einklang zu bringen sind. (Hervorh. v. Verf.) Das w a r m e Interesse, das Sie uns entgegenbringen, ist nicht n u r bei Ihnen, sondern auch bei den anderen in unserem Aufsichtsrat vertretenen Banken s o w o h l des RheinstahlKonsortiums wie den außerhalb stehenden vorhanden. Ich e n t n e h m e dies aus den

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ständig seit meinem Eintritt hier, gerade in der allerletzten Zeit an mich persönlich herangetragenen Versicherungen, Anfragen und Anregungen der maßgebenden Herren.« 37

Wie akribisch man bei Rheinstahl auf die Aufrechterhaltung seiner Beziehungen zu untereinander konkurrierenden Bankinstituten achtete und wie minutiös man die dabei erzielbaren Vorteile durchkalkulierte, macht ein Bericht deutlich, den die entsprechende Abteilung der Verwaltung am 20. 8. 1913 Haßlacher vorlegte: »Die Banken bieten für Ultimogeld Darmstädter Dresdner Handelsgesellschaft

bis Ende September 4 11/16 4,68 4 11/16

bis Ende Oktober 5,30

Von Handelsgesellschaft, Disconto und Deutsche Bank haben wir gestern die Sätze für Geld bis Ende September und bis zum Oktober eingefordert. Die Gebote werden morgen hier sein, werden aber übereinstimmend lauten. Mit Rücksicht darauf, daß die Septemberliquidation wieder hohe Zinssätze bringen wird, bin ich der Meinung, es ist vorteilhaft jetzt nur für einen Monat das Geld auszuleihen. Denn bei 5,3% würde der zweite Monat 5,92% ergeben, wenn für den ersten Monat 4,68% gerechnet werden und ich nehme doch an, daß die Banken für den Termin Sept./Oktober trotz ihrer Verständigung mehr wie 6% geben werden. Es kommen die Ende dieses Monats fälligen Beträge 1750000 Discontogesellschaft 1500000 Handelsgesellschaft 500000 Deutsche Bank in Frage. Unsere sonst verfügbaren Mittel lassen wir am besten beim Barmer Bankverein, der uns provisionsfrei 5% gibt. Ultimo September kann man dann einen größeren Betrag als Ultimo-Geld geben. « 38

Versuchen wir nun, die Ergebnisse dieses Kapitels zusammenzufassen. Es ist zunächst fast überflüssig, zu bemerken, daß die chronischen Bedenken des Historikers hinsichtlich der Repräsentativität der Quellenlage natürlich auch für die Rheinischen Stahlwerke Gültigkeit besitzen. Das vorliegende Material aber spricht eine ziemlich eindeutige Sprache. Die Rheinischen Stahlwerke sind in meinem Zusammenhang deshalb ein besonders interessantes Unternehmen, weil der Verlauf ihres Akkumulationsprozesses im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit einige auffällige Ähnlichkeiten mit dem von Hilferding postulierten Akkumulationsmodell des industriellen Durchschnittskapitals aufweist. Ihre Profitrate sinkt tendenziell bei gleichzeitig massiv expandierendem konstanten fixen Kapital. Allerdings entstand daraus in Abweichung von Hilferdings Prognose nie eine Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten, denn die Profitrate sank nie längerfristig unter 123

Durchschnittsniveau. Deshalb blieb erstens die E i g e n a k k u m u l a t i o n s k r a f t des U n t e r n e h m e n s stets erhalten, u n d z u m zweiten k o n n t e n Gelder, die m a n a m Kapitalmarkt a u f n a h m , p r o b l e m l o s befriedigend verzinst w e r d e n , so daß der Weg an die B ö r s e i m m e r eine o f t genutzte Finanzierungsalternative zu langfristigen B a n k k r e d i t e n blieb. A u c h stoppte m a n , wie i m Falle des Aufschlusses der Rossenray-Felder, Projekte, die verlustintensiv zu w e r d e n drohten. N i c h t s d e s t o w e n i g e r e r f o r d e r t e n die insgesamt sieben K a p i t a l e r h ö h u n g e n seit der J a h r h u n d e r t w e n d e die V e r m i t t l u n g der B a n k e n , unter denen sich die Disconto-Gesellschaft u n d die B H G zu den H a u s b a n k e n der Rheinischen Stahlwerke entwickelten. A b 1902/03 w a r e n sie i m Aufsichtsrat des U n t e r n e h m e n s vertreten. Diese Präsenz schlug aber nie in die B e h e r r s c h u n g des U n t e r n e h m e n s u m , da die strukturelle Voraussetzung dafür, ein h o m o g e ner, monopolisierter Bankensektor, nicht gegeben w a r . Es zeigt sich i m Falle Rheinstahls, daß Hilferdings logischer Fehler, die Vernachlässigung der A u s w i r k u n g e n der kapitalistischen K o n k u r r e n z , sich empirisch als w e s e n t lich herausstellt. D i e B a n k e n m u ß t e n sich ständig ihrer Substituierbarkeit b e w u ß t sein, was B e m ü h u n g e n , die Geschäftspolitik des U n t e r n e h m e n s in i h r e m Sinne zu beeinflussen, i m m e r d a n n z u m Scheitern verurteilte, w e n n dies nicht m i t den M a ß n a h m e n koinzidierte, die die Geschäftsleitung bei Rheinstahl als i m Interesse der m a x i m a l e n V e r w e r t u n g ihres p r o d u k t i v e n Kapitals liegend e r k a n n t zu haben glaubte. In dieser Tatsache sollte m a n allerdings n u n m . E. aber auch nicht ein Indiz f ü r den U m k e h r s c h l u ß sehen, die B a n k e n seien etwa m i t der Zeit einem D i k t a t der Industrie ausgesetzt gewesen, den P o g g e v o n S t r a n d m a n n nach seinen B e o b a c h t u n g e n f ü r M a n n e s m a n n f ü r e r w ä g e n s w e r t hält. 3 9 D e n n es gibt u m g e k e h r t auch keine A n h a l t s p u n k t e dafür, daß die B a n k e n ihrerseits in eine B o t m ä ß i g k e i t den Rheinischen Stahlwerken gegenüber g e d r ä n g t w o r d e n w ä r e n . Wohl aber k o n n t e es sich das U n t e r n e h m e n leisten, m i t allem N a c h d r u c k auf die Respektierung der B e d i n g u n g e n zu dringen, die sich d u r c h die K o n k u r r e n z der vielen Kapitale - etwa i m Hinblick auf die Teilung des Profits in Z i n s u n d U n t e r n e h m e r g e w i n n - in A b h ä n g i g k e i t auch v o n der k o n j u n k t u r e l l e n Situation als durchschnittliche herausbildeten. D a b e i spielte m a n , gestützt auf die reibungslose K a p i t a l v e r w e r t u n g , geschickt die K o n k u r r e n z i m B a n k e n sektor aus, u m in Konfliktfällen gerade jenes M a x i m u m an D u r c h s e t z u n g eigener Interessen zu erzielen, welches sich gerade n o c h in d e m R a h m e n b e w e g t e , dessen Grenzen gesetzt w u r d e n v o n der eigenen E i n g e b u n d e n h e i t in eine Konkurrenzsituation: als eines v o n vielen industriellen Kapitalen, die zur Finanzierung ihres A k k u m u l a t i o n s p r o z e s s e s auf die Mobilisierung v o n Geldkapital auf d e m K a p i t a l m a r k t angewiesen w a r e n .

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9. Der Mannesmann-Konzern

Soll die These von der Suprematie der Banken über die Industrie in Deutschland an Hand konkreter Beispiele illustriert werden, so wird in der Regel Mannesmann als einer der klassischen Fälle angeführt. So heißt es etwa im Omgus-Bericht über die Deutsche Bank: »Jeder, der mit der deutschen Finanzwelt und Industrie vertraut ist, beantwortet die Frage nach Mannesmann mit der Auskunft: Das ist die Deutsche Bank, β1 Begründet wird diese These meistens mit der Gründungsgeschichte dieses Unternehmens und der massiven Präsenz der Deutschen Bank im Aufsichtsrat. 2 Andererseits existiert eine neuere Spezialuntersuchung zu einigen Aspekten der Geschichte Mannesmanns bis 1919 von Pogge von Strandmann, der jede Beherrschung des Unternehmens durch die Deutsche Bank entschieden zurückweist: »Von einer Herrschaft durch die Bank kann, keinesfalls die Rede sein.« 3 Seine Argumente sind fehlendes technisches Wissen der Bank und ihre mangelnde Kenntnis des Röhrenmarktes. 4 Weder aber Pogge noch die Verfechter der These von der Herrschaft der Deutschen Bank über Mannesmann geben eine klare Definition dessen, was denn unter einer solchen Herrschaft eigentlich zu verstehen sei, sondern beschränken sich auf das Sammeln von Argumenten, die entweder den Einfluß der Bank etwa auf die Personalpolitik bei Mannesmann oder aber den Handlungsspielraum des Vorstands in dieser oder jener Frage belegen und jeweils eine gewisse Plausibilität suggerieren. Bei der nun folgenden Entwicklung meiner eigenen Position zu der Frage nach einer Herrschaft der Deutschen Bank über Mannesmann liegt natürlich wiederum der im theoretischen Teil in Anlehnung an Hilferding entwickelte Herrschaftsbegriff zu Grunde. Bis zum Jahre 1910 verlief das Unternehmenswachstum der Mannesmannröhren-Werke entgegengesetzt zum herrschenden Trend. 5 Während spätestens seit den neunziger Jahren des 19. Jh. die Tendenz in der Schwerindustrie hin zur Bildung vertikal strukturierter Konzerne unter Einschluß möglichst aller Produktionsstufen ging, entwickelte sich Mannesmann bis weit in das 20. Jh. hinein als reines Walzwerk. Dabei war das Unternehmen nicht nur im Gegensatz zu den allermeisten reinen Werken, die unter schweren Druck der kostengünstiger produzierenden gemischten Werke gerieten, nach Anfangsschwierigkeiten in der Lage, eine durchschnittliche Verzinsung des investierten Kapitals zu erzielen, sondern die Profitrate erreichte, wie wir noch sehen werden, seit circa 1905 Monopolniveau. Möglich waren diese Extraprofite lediglich auf der Grundlage einer umwälzenden technolo125

gischen Innovation, welche Mannesmann fur lange Zeit die Überlegenheit gegenüber seinen Konkurrenten sicherte, nämlich der Herstellung nahtloser Rohre, die es Industrie und Wissenschaft ermöglichten, mit wesentlich höheren Drücken und Temperaturen zu arbeiten als dies die herkömmlichen geschweißten Rohre erlaubten. Dabei war die Etablierung Mannesmanns zunächst mit erheblichen Problemen verbunden gewesen. Im Jahre 1885 war die Vergabe des Patents auf das Schrägwalzverfahren zur Herstellung nahtloser Rohre vergeben worden, auf dessen Geheimhaltung und Schutz seine Erfinder, die Gebrüder Reinhard und M a x Mannesmann, Söhne eines Feilenfabrikanten in Remscheid, zunächst ängstlich bedacht waren. 6 Schnell fanden sich im Kreise von Wissenschaftlern und Industriellen begeisterte Gutachter und Geldgeber, die die prinzipielle technische Bedeutung des neuen Verfahrens erkannt hatten und die Mannesmanns mit dem notwendigen Kapital versorgten, um ihre Patente industriell nutzen zu können. Unter den Geldgebern sind vor allem der Kreis um den Geh. Kommerzienrat Eugen Langen aus Köln zu nennen, der über intime Kontakte zu den maßgebenden Finanzkreisen Rheinland-Westfalens verfugte sowie Werner von Siemens, der nicht nur einen beträchtlichen Teil seines eigenen Vermögens in die Mannesmann-Unternehmen investierte, sondern auch über seinen Vetter Georg Siemens die Verbindung zur Deutschen Bank herstellte. So verkauften die Mannesmanns nicht nur Lizenzen auf ihre Patente im In- und Ausland, sondern gründeten auch von 1886 bis 1890 vier Röhrenwerke, die nahtlose Rohre nach ihrem neuen Verfahren herstellen sollten. Neben Remscheid, wo sich das Stammwerk befand, wählte man als Standorte für diese Unternehmen Bous (Saarland, 1886), Landore (England, 1888) und Komotau (Böhmen, 1889). Es zeigte sich aber bald, daß sowohl die Erfinder als auch ihre Gönner den Entwicklungsstand des Schrägwalzverfahrens total überschätzt hatten. Was im Modell funktioniert hatte, zeigte sich industriellen Dimensionen zunächst nicht gewachsen. Nirgendwo gelang es befriedigend, marktfähige nahtlose Rohre herzustellen. So kam es auf Druck der Geldgeber 1890 zur Zusammenfassung der drei kontinentalen Mannesmanngesellschaften, um eine rationellere Betriebsorganisation und Kostenstruktur zu erzielen. Das englische Werk dagegen, das zu weiten Teilen mit dem Geld der Familie Siemens arbeitete, blieb wegen deren Weigerung, es in das neu zu gründende Unternehmen einzubringen, außen vor.7 A m 16. Juli 1890 konstituierten sich die Deutsch-Österreichischen M a n nesmann-Röhrenwerke mit Sitz in Berlin, deren Gründungskapital 35 M i l lionen Mark betrug. Von diesen 35 Millionen Mark gingen 17,5 Millionen in Form von Freiaktien an die Familie Mannesmann, während ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank über 12 Millionen von der Restsumme übernahm, nachdem die Deutsche Bank bereits am 22. Mai Vorauszahlungen in Höhe von 3 Millionen Mark geleistet hatte, um den dringendsten Geldbedarf zu decken. 8 Den Vorstand der Gesellschaft bildeten Reinhard 126

und Max Mannesmann, den Vorsitz des siebzehnköpfigen Aufsichtsrates übernahm zunächst Werner von Siemens, allerdings erst auf Drängen der Deutschen Bank, die dem kaufmännischen Geschick der Erfinder erheblich miß traute. 9 Doch auch innerhalb des neuen organisatorischen Rahmens prolongierten sich zunächst eine ganze Zeit lang die Schwierigkeiten im Produktionsbereich. Zwar hatte man mit der Erfindung des sog. Pilgerschrittverfahrens, welches das Schrägwalzverfahren ergänzte, inzwischen den Schlüssel zur Überwindung der technischen Schwierigkeiten bei der Massenerzeugung nahtloser Rohre im Prinzip gefunden, doch bedurfte es noch einiger Jahre bis zu seiner Ausreifung. Auch erwies sich dieses Verfahren weiterhin als ungeeignet zur Herstellung kleiner Gasrohre und zur Produktion großer Rohre von über 300 m m Durchmesser. Darüberhinaus waren auch die Produktionsanlagen anfangs weniger durchkonzipiert zur rationellen Massenerzeugung als vielmehr zugeschnitten auf eine fieberhafte Versuchstätigkeit zur Lösung drängender technischer Probleme, und schließlich mangelte es an einer kapitalistischen Verhältnissen gerecht werdenden Betriebsrechnung. 10 So erwirtschaftete man statt der erhofften Gewinne weiterhin Verluste in enormer Höhe, die sich 1896 auf insgesamt 21,18 Millionen Mark stellten. Logischerweise waren die Kapitalgeber nicht allzu lange bereit, einer solch katastrophalen Entwicklung der Kapitalverwertung tatenlos zuzusehen. Bereits seit 1892 setzten sie eine grundlegende Reorganisation des Unternehmens durch. Die Generaldirektion wurde von Berlin nach Düsseldorfverlegt und das Kapital zwecks Verlusttilgung von 35 auf 34 Millionen Mark reduziert. Bei dieser Million handelte es sich um Freiaktien der Mannesmanns, zu deren Rückgabe diese durch massivsten Druck des gesamten Aufsichtsrates veranlaßt worden waren. Die Stellung von Reinhard und Max Mannesmann im Unternehmen war unhaltbar geworden. Abgesehen vom intensiven Drängen zum Verzicht auf weitere Freiaktien, setzte der Aufsichtsrat Anfang 1893 eine mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete technische Kommission ein, so daß sich zwangsläufig weitere Reibungsflächen mit den Erfindern ergeben mußten. Im Oktober 1893 traten sie aus dem Vorstand der Gesellschaft aus und wechselten in den Aufsichtsrat. Aber auch hier verblieben sie nur eine Wahlperiode, und ihre endgültige Trennung vom Unternehmen erfolgte im Wege eines Gerichtsprozesses, der im Jahre 1900 mit einem Vergleich endete. Gegen Zahlung einer Barabfindung von 2 Millionen Mark gaben die Mannesmanns weitere Freiaktien im Werte von 9 Millionen zurück, so daß sich das Aktienkapital der Gesellschaft auf 25 Millionen reduzierte. 11 Die Nachfolge von Reinhard und Max Mannesmann im Vorstand übernahm 1893 Julius Franken, der diese Stellung bis zu seinem Tode 1898 bekleidete. Er wiederum wurde gefolgt von Nicolaus Eich und Carljohann Senfft, die dann bis zum Ende des Untersuchungszeitraums den Vorstand der Mannesmannröhren-Werke bildeten. Von diesen beiden fungierte Eich als eigentlicher Unternehmensleiter, während in die 127

Kompetenz seines Kollegen Senfft vor allem der Aufbau der Auslandsorganisation fiel. Der Aufsichtsratsvorsitz war bereits 1892 von dem verstorbenen Werner von Siemens auf Karl v. d. Heydt übergegangen, dessen Stellvertreter Max Steinthal vom Vorstand der Deutschen Bank wurde. Beide tauschten 1896 ihre Ämter, und Steinthal blieb von diesem Jahre an bis 1936 ununterbrochen Aufsichtsratsvorsitzender bei Mannesmann. 12 Nach der Konsolidierung der Betriebsorganisation und der Rationalisierung des Produktionsablaufes begann die technische Überlegenheit der nach dem Mannesmannverfahren hergestellten nahtlosen gegenüber den herkömmlichen geschweißten Rohren sich in eine steil ansteigende Profitrate umzusetzen, die, wie wir unten sehen werden, sogar Monopolniveau erreichte. Dennoch zahlte Mannesmann die erste Dividende nicht vor 1906, da bis dahin aus den Profiten der enorme Verlustberg abgetragen werden mußte, eine Tatsache, die Mannesmann-Papiere bis zu diesem Zeitpunkt nicht gerade als attraktive Möglichkeit zur Geldanlage erscheinen lassen konnte. Mit der fortschreitenden Etablierung der Mannesmann-Rohre auf dem Markt und der damit verbundenen Profitratensteigerung setzte auch bei Mannesmann ein Expansionsprozeß im In- und Ausland ein, der in seinen Anfängen unmittelbar vom Konkurrenzkampf erzwungen wurde und sich von Beginn an als Nebeneinander von Konzentration und Zentralisation vollzog. Das alte Werk in Remscheid war seit 1895 zum größten Sorgenkind bei Mannesmann geworden, da es wegen des Fehlens eines Bahnanschlusses und seiner ungünstigen Lage zu den Rohstoff- und Absatzgebieten nicht rationell arbeiten konnte. So entstand der Plan seiner Verlegung nach Rath. Zwar nahm man von der Absicht zur Schließung Remscheids nach 1900 wieder Abstand, als das Werk trotz seiner Standortnachteile wieder Gewinne erwirtschaftete und betrieb statt dessen seinen Ausbau und seine Modernisierung, aber auch das Projekt des neuen Werkes in Rath setzte man in die Tat um. 1900 konnte es als Röhrenwerk zur Herstellung nahtloser Röhren seine Produktion aufnehmen. 13 Im Jahre 1897 beschloß der Aufsichtsrat bei Mannesmann die Gründung einer ersten Tochtergesellschaft, der Deutsche Röhrenwerke AG in Düsseldorf-Rath, die 1899 mit dem Betrieb beginnen konnte. Ihre Aufgabe bestand in der Herstellung geschweißter Rohre, und zwar derjenigen Rohrsorten, die nach dem Mannesmannverfahren noch nicht hergestellt werden konnten. Ausschlaggebend für diesen Schritt war, daß die Konkurrenz der Mannesmann-Kundschaft die Lieferung solcher Rohre gesperrt hatte, die nicht von Mannesmann bezogen werden konnten. U m der dadurch heraufbeschworenen Gefahr des Verlustes von Marktanteilen entgegenzutreten, drang das Unternehmen nun seinerseits auch in den Bereich der traditionellen Rohrfertigung ein. Nach der Konstituierung der Röhrenverbände unter Einbeziehung Mannesmanns traten die Deutschen Röhren werke 1905 als 128

eigenständiges U n t e r n e h m e n in Liquidation und w u r d e n danach als Abteilung Schweiß werk bei M a n n e s m a n n weiter betrieben. 1 4 Die Expansion im Ausland leitete 1899 der E r w e r b der alten Produktionsstätten der M a n n e s m a n n Tube C o m p a n y in Landore ein, die ja bei der G r ü n d u n g der Deutsch-Österreichischen Mannes mannröhren-Werke 1890 auf Betreiben der Familie Siemens nicht mit einbezogen w o r d e n war. Die M a n n e s m a n n Tube C o m p a n y hatte kurz zuvor in Liquidation treten m ü s sen, nachdem das Fahrradrohr-Geschäft, auf das m a n sich spezialisiert hatte, zusammengebrochen w a r . 1 5 1905 folgte der E r w e r b der Aktienmehrheit der Röhrenwalzwerks-Aktiengesellschaft in Schönbrunn, die geschweißte Röhren produzierte. Dieses U n t e r n e h m e n fusionierte man 1908 mit d e m Mannesmann-Werk in K o m o t a u zu den Österreichischen M a n n e s m a n n r ö h ren-Werken m b H mit Sitz in Wien. Gleichzeitig vollzog m a n die U m b e n e n n u n g der Düsseldorfer Muttergesellschaft in Mannesmannröhren-Werke. In das Jahr 1906 fiel die G r ü n d u n g der Società Tubi M a n n e s m a n n in D a l m i n e i n Oberitalien, an der sich neben M a n n e s m a n n noch die Società Metalúrgica Italiana in Livorno, die Banca Commerciali in Mailand sowie die Deutsche Bank beteiligten. Schließlich w a r bis 1910 auch der Aufbau einer ausgedehnten Mannesmann-Verkaufsorganisation weit vorangetrieben worden, mit Hilfe derer das U n t e r n e h m e n seine Präsenz auf mehreren Kontinenten sicherstellte. 16 Hatte die Herstellung des nahtlosen Rohres, die eine Revolutionierung der Röhrenproduktion bedeutete, M a n n e s m a n n als reinem Walzwerk nach Ü b e r w i n d u n g der Anfangsschwierigkeiten bis in das neue Jahrhundert hinein die Realisierung von Extraprofiten garantiert, so m u ß t e n die Ü b e r n a h me dieser Innovation durch die Konkurrenz nach Ablauf des Patentschutzes und die Intensivierung des Konkurrenzkampfes nach d e m Z u s a m m e n b r u c h der Röhrenkartelle seit 1907 das U n t e r n e h m e n nach und nach mit den klassischen Problemen der reinen Werke konfrontieren. Die notwendige Sicherung von Rohstoffversorgung und Absatz und die günstigere Selbstkostenstruktur der vertikal strukturierten U n t e r n e h m e n legten es nahe, den Ausbau z u m gemischten Konzern in Angriff zu nehmen, w o m i t man seit 1910 begann, ohne allerdings diesen Prozeß bis z u m Ende meines U n t e r s u chungszeitraums abschließen zu können. M a n hatte bei M a n n e s m a n n bisher die Sicherstellung der Stahlversorgung i m wesentlichen durch langfristige Lieferverträge gewährleistet. So waren etwa 1903 solche Verträge mit K r u p p und d e m B o c h u m e r Verein geschlossen worden, wobei K r u p p eine Q u o t e von 80% und der B o c h u m e r Verein die restlichen 20% des Stahlbedarfs der deutschen Mannesmann-Werke ü b e r n o m m e n hatte. Lediglich in Saarbrücken und Dalmine hatte M a n n e s m a n n 1906 in sehr beschränktem M a ß e die eigene Stahlerzeugung a u f g e n o m m e n . 1 7 In den letzten Jahren vor d e m Krieg dagegen war man bemüht, in die Konzernstruktur sämtliche Produktionsstufen v o m Rohmaterial bis z u m E n d p r o d u k t einzubeziehen. N e b e n umfangreichen B a u p r o g r a m m e n zur Erweiterung der eigenen 129

Werke bediente man sich zu diesem Zweck verschärft der Zentralisation, der Angliederung anderer Kapitale, wozu das Aktienkapital zwischen 1910 und 1914 insgesamt fünf Mal von 22,5 auf 72 Millionen Mark erhöht wurde. Die Übernahme der Gewerkschaft Grillo, Funke & Co. in Essen im Jahre 1911 diente vor allem der Eigenversorgung des Schweißwerks Rath mit geeigneten Grobblechen. Mit dem Erwerb der Zeche Königin Elisabeth in EssenFrillendorf 1912 tat man den ersten Schritt hin zur Unabhängigkeit in der Kohleversorgung, und die Eingliederung der Schulz-Knaudt AG in Huckingen in den Konzern für 27,5 Millionen Mark brachte Mannesmann 1914 abermals moderne Produktionsanlagen zur Grobblecherzeugung und -Verarbeitung. Auf dem Gelände dieses Unternehmens war der sofortige Bau eines Thomas-Stahlwerkes geplant gewesen, wofür auch die finanziellen Mittel bereits beschafft worden waren. Die Realisierung dieses Projektes wurde aber wegen des Kriegsausbruchs verschoben. 18 Schließlich wurde 1912, nachdem sämtliche Röhrenkartelle gescheitert waren, mit acht weiteren Röhren werken (, darunter auch Balcke, Teilering & Co., wo Mannesmann gemeinsam mit den Rheinischen Stahlwerken Großaktionär war,) auf 30 Jahre eine Verkaufsgemeinschaft unter Führung Mannesmanns abgeschlossen, das in diesem Zusammenhang seine Beteiligungen an den betreffenden Werken teilweise stark erhöhte. 1 9 Damit nahm der Mannesmann-Konzern am Ende des Untersuchungszeitraums folgende Gestalt an: Im vollständigen Besitz des Unternehmens befanden sich die Walzwerke in Remscheid, Bous und Rath, das Schweißwerk Rath (die früheren Deutschen Röhren werke), ein Gußstahlwerk in Saarbrücken, die Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., sowie die Abteilung Schulz-Knaudt in Huckingen. Darüberhinaus hielt Mannesmann die entscheidenden Beteiligungen bei einer ganzen Reihe weiterer Unternehmen, wovon als wesentlichstes zu nennen sind die Gewerkschaft Königin Elisabeth, die Österreichischen Mannesmann-Röhrenwerke, die British Mannesmann-Tube Company und die Società Tubi Mannesmann in Mailand. Das Aktienkapital der Gesellschaft stellte sich 1914 auf 72 Millionen Mark. 2 0 Die kapitalstatistische

Entwicklung

bei

Mannesmann

Die Akkumulationsentwicklung bei den Mannesmannröhren-Werken ist in hohem Maße geprägt einerseits von den Impulsen, welche die Kapitalverwertung des Unternehmens aus seinem technologischen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erhielt, andererseits aber auch von den Auswirkungen der Schwierigkeiten, mit denen es während seiner Etablierung zu kämpfen hatte. Dies wird die Analyse der Akkumulationsstatistik verdeutlichen. 21 Das konstante fixe Kapital wuchs bei Mannesmann von 1890 bis 1914 um 293% von 8,48 auf 33,33 Millionen Mark an, während die Bilanzsumme in der gleichen Zeit von 38,43 auf 145,79 Millionen Mark, also um 279% stieg. Die hohe absolute Differenz zwischen der Bilanzsumme und dem Anlage-

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vermögen spiegelt zunächst wider, daß sich eine Reihe der wesentlichsten Expansionsschritte des Unternehmens als Erwerb von Beteiligungen vollzog statt als formale Eingliederung der jeweiligen Produktionsanlagen in das Anlagevermögen der Mannesmann-Gesellschaft. 2 2 Das recht moderate prozentuale Wachstum beider Größen, der Bilanzsumme wie des konstanten fixen Kapitals, und ihre relativ geringe absolute Höhe am Ende des Untersuchungszeitraums ist darauf zurückzuführen, daß Mannesmann erst ab 1910 begann, sich zu einem gemischten Konzern mit vertikaler Struktur zu entwikkeln. Von ihrer Dynamik her sind drei Wachstumsetappen des konstanten fixen Kapitals zu unterscheiden, die ganz eindeutig v o m Stand der Kapitalverwertung bestimmt sind. Von einer nennenswerten Erweiterung des konstanten fixen Kapitals kann erst ab 1900/01 gesprochen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt dienten die erwirtschafteten Gewinne so gut wie ausschließlich zur Abtragung des Schuldenberges, den man in der Gründungsphase aufgehäuft hatte. Da aus diesem Grunde keine Dividenden gezahlt werden konnten, blieb für Mannesmann auch der Weg an die Börse als Alternative der Expansionsfinanzierung schwer begehbar. Die erste (fiinfprozentige) Dividende wurde zwar erst 1906 bezahlt, doch war um die Jahrhundertwende an der Profitratenentwicklung die endgültige Konsolidierung des Unternehmens bereits absehbar, so daß 1899 die erste Obligationsanleihe begeben werden konnte, deren Maximalhöhe auf 8 Millionen Mark festgelegt wurde. Mit Hilfe ihrer teilweisen Begebung wurde zunächst die Angliederung der britischen Mannesmann Tube Company finanziert. Zusätzlich stand der Mannesmann-Gesellschaft ab 1900 eine Kreditlinie bei der Deutschen Bank und der Berliner Handels-Gesellschaft von zunächst zwei Millionen Mark zur Verfügung, die später mehrere Male erhöht wurde. 2 3 A u f dieser Grundlage expandierte das konstante fixe Kapital in der zweiten Phase, die von 1900/01 bis 1908/09 dauerte, von 9,48 auf 12,52 Millionen Mark. Wirkliche Explosivität entfaltete der Wachstumsprozeß quantitativ betrachtet aber erst ab 1909/10, also seitdem das Unternehmen den Rahmen eines reinen Walzwerks sprengte. Gestützt auf eine M o n o polprofitrate, die einerseits für eine robuste Eigenakkumulationskraft und andererseits fur die Mobilisierbarkeit von Geldkapital an der Börse sorgte, stieg das konstante fixe Kapital innerhalb der 5 Jahre bis zum Ende des Untersuchungszeitraums um weit mehr als das Doppelte auf die schon genannten 33,33 Millionen Mark. Wie bereits mehrfach angedeutet, wies die Kapitalverwertung bei M a n nesmann nach anfänglicher totaler Stagnation eine steil steigende Tendenz auf. Die technologische Innovation des nahtlosen Rohres schlug sich mit der Zeit nieder in monopolistischen Extraprofiten, so daß die Profitrate des Unternehmens nicht nur einen steigenden statt des von Hilferding prognostizierten sinkenden Verlaufes nahm, sondern sich am Ende des Untersuchungszeitraums weit über dem Durchschnitt des Samples bewegte. M a n nesmann ist also in dieser Beziehung keinesfalls unter das Hilferdingsche 131

Akkumulationsmodell zu subsumieren, was Schaubild 6 auch optisch ganz deutlich macht. Angesichts dieser Profitratenentwicklung kann es kaum verwundern, daß das EFP einen sehr hohen Durchschnittswert erreicht. 9 Schrumpfungsbzw. Stagnationsjahren des konstanten fixen Kapitals standen 14 Expansionsjahre gegenüber, und im Schnitt dieser Jahre betrug das EFP 1994,94%. Allerdings wird diese extrem hohe Zahl durch zwei völlig atypische Summanden für 1900/01 und 1901/02 erreicht, als das EFP durch die Aufnahme der ersten Obligationsanleihe 1899 massiv gestärkt worden war, ohne daß das konstante fixe Kapital nach dem Bilanzj ahr 1899/1900 zunächst nennenswert weiterwuchs. Bereinigt man den Schnitt um diese beiden Extremwerte, so ergibt sich ein mittleres Eigenfinanzierungspotential von 444,10%, also ein Ergebnis, das durchaus in der Dimension der anderen Unternehmen des Samples liegt. Immerhin dreimal, nämlich 1896/97, 1904/05 und 1908/ 09, lag das EFP unter 100%, davon 1896/97 mit 25,82% ganz erheblich. Es zeigt sich also, daß trotz der langfristig auf Monopolniveau steigenden Profitrate die Profumasse nicht ausreichte, u m Mannesmann völlig immun gegen Liquiditätsklemmen und unabhängig von externen Beiträgen zur Finanzierung seines Expansionsprozesses zu machen. Der bereinigte Durchschnitt des EFP weist jedenfalls in dieser Hinsicht keineswegs auf eine Überlegenheit Mannesmanns gegenüber den anderen analysierten Unternehmen hin. Dem entsprach, daß Mannesmann in dem Moment stark auf Erhöhungen des Aktienkapitals und die Aufnahme langfristigen Fremdkapitals zur Stärkung des EFP zurückgreifen mußte, als seit 1910 der Expansionsprozeß des konstanten fixen Kapitals eine Initialzündung erfuhr. Von 1910 bis 1914 erhöhte man das Aktienkapital in fünf aufeinanderfolgenden Schritten von 22,5 auf 72 Millionen Mark, nachdem es vorher bis 1904/05 verschiedene Male reduziert worden war. Im Schnitt deckten die fünf Kapitalerhöhungen dieser Periode die jeweiligen Erweiterungen des konstanten fixen Kapitals mit 473,31% ab. Langfristiges Fremdkapital erscheint seit 1898/99 in den Bilanzen. Dahinter verbirgt sich die Begebung der oben erwähnten Obligationsanleihe. Insgesamt wuchsen das konstante fixe Kapital und das langfristige Fremdkapital in nur vier Jahren gemeinsam, zweimal davon nach 1910. Dabei betrug die durchschnittliche Deckung der Zuwächse des konstanten fixen Kapitals durch die entsprechende Erhöhung des langfristigen Fremdkapitals 1331%, wobei allerdings drei wesentlich geringere Werte durch die 4800% von 1899/1900 überspielt werden. Wenn also die Kapitalerhöhungen erst seit dem Ausbau der Mannesmann-Gesellschaft zu einem gemischten Konzern eine Rolle spielten, wurde langfristiges Fremdkapital bereits vorher, während der Phase der moderaten Expansion, punktuell zur Stärkung des EFP herangezogen. Zur Schätzung des Finanzierungsbeitrags der Kontokorrentkredite haben 132

wir wieder nur die globalen Daten über die Gesamtkreditoren zur Verfügung. Diese allerdings legen die Vermutung sehr nahe, daß man die Rolle der Kontokorrentkredite bei der Investitionsfinanzierung im Falle Mannesmanns nicht allzu hoch veranschlagen darf. Nur in sieben Bilanzjahren weisen die Kreditoren und das konstante fixe Kapital ein gemeinsames Wachstum auf, wobei nur zwei dieser Fälle in der eigentlichen Expansionsphase des Unternehmens seit 1910 liegen. Zwar deckt das Wachstum des Bilanzpostens Kreditoren in diesen sieben Jahren die Erweiterung des konstanten fixen Kapitals im Durchschnitt zu 823,72% ab, doch entsteht dieser sehr hohe Wert wegen der atypisch hohen Prozentzahlen aus den Jahren 1898/99 und 1901/02. Ohne diese Jahre ergibt sich ein Mittelwert von 217,21%, der indessen immer noch ziemlich hoch ist. Stark relativiert wird diese Maßzahl aber erneut durch die Tatsache, daß die langfristigen Kontokorrentkredite erfahrungsgemäß nur als eine von vielen Komponenten in den Bilanzposten Gesamtkreditoren eingehen. Andererseits darf man nicht übersehen, daß die Kreditlinien bei der Deutschen Bank und der B G H von 1900 bis 1908 und dann noch einmal 1910 Mannesmann die Sicherheit boten, kurzfristige Finanzierungsengpässe jederzeit überwinden zu können, selbst wenn diese Kredite nur punktuell - und dann kurzfristig - in Anspruch genommen wurden. 2 4 Für eine recht hohe durchschnittliche Liquidität bei Mannesmann spricht die Deckung der Gesamtkreditoren durch die Bankguthaben. Für letztere liegen seit 1896/97 genaue Daten vor. Seitdem betrug der entsprechende Wert im Mittel 81,56%. Das Verhältnis Eigenkapital/ Fremdkapital schließlich bewegte sich in den ersten Jahren der Unternehmensgeschichte auf einem extrem hohen Niveau, um gegen Ende des U n tersuchungszeitraums auf für mein Sample normale Werte abzusinken, w o bei in keinem Bilanzjahr das Fremdkapital das Eigenkapital überstieg. Versucht man, die Akkumulationsentwicklung bei Mannesmann unter dem Aspekt der Rolle der Banken zusammenzufassen, so sticht zunächst die extrem steigende Profitrate ins Auge, die zu der Annahme verleiten könnte, Mannesmann sei in der Lage gewesen, sein quantitativ vergleichsweise eher unterdurchschnittliches und darüberhinaus erst spät an Dynamik gewinnendes Expansionsprogramm auf der Grundlage völliger finanzieller Autonomie durchzuführen. Doch schlug sich die steigende Profitrate keineswegs in einer Profitmasse nieder, die den Verzicht auf externe Kapitalquellen ermöglicht hätte. Mit dem beginnenden Ausbau zum vertikal strukturierten U n ternehmen machten die erforderlichen Summen innerhalb kurzer Zeit wiederholt den Rückgriff auf die Börse erforderlich. In der Vermittlerrolle zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt liegt auch bei Mannesmann der eigentliche Beitrag der Banken zum Akkumulationsprozeß, selbst wenn man die darüberhinausgehenden langfristigen Kreditlinien in Rechnung stellt, die dem Unternehmen aber offensichtlich eher als punktuell in Anspruch genommener Rückhalt denn als Mittel langfristiger Investitionsfinanzierung dienten. Vom Verlauf des Akkumulationsprozesses her befand 133

sich M a n n e s m a n n also in einer ähnlichen Ausgangslage f ü r die Gestaltung seiner Beziehungen zu den B a n k e n wie die anderen U n t e r n e h m e n des S a m p les. W ä h r e n d aber f u r die anderen analysierten g r o ß e n Industriekapitale v o n einer B e h e r r s c h u n g durch die B a n k e n keine Rede sein k o n n t e , finden w i r bei M a n n e s m a n n tatsächlich zumindest deutliche Ansätze der A u s d r u c k s f o r m e n , in denen sich nach Hilferding die Suprematie der B a n k e n ü b e r die Industrie manifestieren m u ß . D e r G r u n d d a f ü r liegt in der Tatsache, daß es der D e u t s c h e n B a n k u n d den ihr alliierten Instituten gelang, den B a n k v e r kehr M a n n e s m a n n s so gut w i e total zu monopolisieren, w o h i n g e g e n ja in den anderen Fällen die K o n k u r r e n z unter den verschiedenen Bankinstituten, m i t denen das jeweilige U n t e r n e h m e n in V e r b i n d u n g stand, stets sehr virulent blieb. Diese Sonderstellung der D e u t s c h e n Bank bei M a n n e s m a n n n u n wurzelte bereits in den Besonderheiten der G r ü n d u n g s g e s c h i c h t e dieses U n t e r n e h m e n s u n d zementierte sich in der Folge d u r c h eine Reihe v o n Umständen.

Die Monopolisierung

des Bankverkehrs durch die Deutsche Bank

Bei der G r ü n d u n g der M a n n e s m a n n r ö h r e n - W e r k e 1890, die in der Substanz eine Z u s a m m e n f a s s u n g der drei bereits existierenden kontinentalen M a n nesmann-Gesellschaften war, entstand ein h o h e r akuter Geldkapitalbedarf, der nicht m e h r in d e m Kreise der alten Geldgeber zu decken w a r . U n t e r diesen hatte sich neben einigen anderen die Familie Siemens i m b e s o n d e r e n M a ß e engagiert, u n d Werner v o n Siemens hatte über seinen Vetter G e o r g , der zu den G r ü n d e r n der D e u t s c h e n B a n k gehörte, den K o n t a k t zu dieser Bank hergestellt. Als n u n der Teil der G r ü n d u n g s a k t i e n der M a n n e s m a n n r ö h r e n · Werke, die i m Gegensatz zu den Freiaktien der Erfinderfamilie w i r k lich eingezahlt w e r d e n m u ß t e n , zur Z e i c h n u n g anstanden, b e m ü h t e n sich zunächst n e b e n der D e u t s c h e n Bank auch K o n k u r r e n z b a n k e n u m einen Anteil. Für den Schaaffhausen'schen Bankverein, die Disconto-Gesellschaft u n d das B a n k h a u s D e l b r ü c k etwa m a c h t e sich der o b e n e r w ä h n t e E u g e n Langen stark. D e l b r ü c k schrieb a m 26. 4. 1890 an Werner v o n Siemens: »Ich hörte, daß Sie mit der Deutschen Bank wegen Fusion der Mannesmann Werke in Komotau, Bous und Remscheid dicht vor dem Abschlüsse seien, und Herr Geheimrath Eugen Langen sagt mir soeben.. daß er die Güte gehabt habe, zu Gunsten meiner Firma und deren Freunde 1/3 der finanzierenden Quote Betheiligungen zu beanspruchen. Ich habe Ihnen bereits mehrfach bei unseren jüngsten Besprechungen auf Ihre Anfrage, ob wir für kleine und große Geschäfte bereit seien, meine Geneigtheit zu erkennen gegeben. Wegen der Projekte Wien, Bous und Landore erwarte ich noch die Details von Ihrer Firma. Aber ich hätte auch wohl gewünscht, daß Sie mir die Bildung eines Consortiums fur die Fusion übertragen hätten. Ich hätte diese Aufgabe gern übernommen und auch erfüllt. Jetzt, wo Sie ein Consortium haben, bin ich weit entfernt, demselben Concurrenz machen zu wollen, aber ich bitte Sie unter Berücksichtigung der 30jährigen Verbindung unserer Firmen, . . . und der

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Bereitwilligkeit, mit welcher wir stets auch gerade in letzter Zeit immer den Wünschen Ihrer Firma entsprochen haben, dem Antrage des Herrn Geheimrath Langen folgend meiner Firma in dem Consortium Sitz und Stimme zu reservieren. « 2 5 Doch verweigerte Georg Siemens für die Deutsche Bank jede Kooperation mit anderen Banken für den Fall, daß sich die Deutsche Bank überhaupt zur Gründung der Mannesmann-Gesellschaft bereitfände, und erklärte sich lediglich zur Abgabe von Unterbeteiligungen an mit der Deutschen Bank befreundete Institute bereit. Über den Einfluß Werner von Siemens' bei Mannesmann konnte er diese Position schließlich durchsetzen, 2 6 so daß die besondere Stellung der Deutschen Bank bei dieser Gesellschaft letztlich auf die enge Verbundenheit der Familie Siemens sowohl mit der Bank als auch mit dem Industrieunternehmen zurückging. Damit erklärt sie sich aber eben nicht aus einer strukturellen Tendenz des Gesamtreproduktionsprozesses des Kapitals im Allgemeinen oder aus den nationalen Besonderheiten der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in Deutschland, sondern allein aus den Spezifika der Entstehungsgeschichte der Mannesmannröhren-Werke, die ausschließlich für dieses individuelle Industriekapital Gültigkeit hatten. Nachdem die Deutsche Bank einmal den Bankverkehr Mannesmanns bei sich und den ihr genehmen Instituten zentralisiert hatte, zementierte sie ihre Position als unumstrittene Hausbank des Unternehmens durch die kontinuierliche Vertretung entsprechender Aktienpakete in den Generalversammlungen und vor allem durch eine Präsenz im Aufsichtsrat, die zwar personell nicht übermäßig intensiv war, aber, wie wir sehen werden, reichte, u m in Angelegenheiten, welche die Interessen der Deutschen Bank betrafen, einen entscheidenden Einfluß auf die Geschäftspolitik ausüben zu können. Was zunächst die Generalversammlungen anbelangt, so verfügte die Deutsche Bank in sämtlichen Generalversammlungen bis zum Ende des Untersuchungszeitraums über die mit Abstand größten Stimmpakete. Nach dem endgültigen Ausscheiden der Gebrüder Mannesmann aus dem Unternehmen war sie ab 1900 für lange Zeit im Bezug auf die vertretenen Stimmen faktisch der einzige Großaktionär, wobei nicht ersichtlich ist, welcher Anteil der repräsentierten Aktien sich jeweils im Eigenbesitz der Bank befand. Berücksichtigt man noch den phasenweise ebenfalls nicht ganz unerheblichen persönlichen Aktienbesitz Steinthals und die Tatsache, daß Fürstenbergs B H G , die mit der Deutschen Bank eng zusammenarbeitete, ebenfalls in aller Regel eines der drei größten Aktienpakete vertrat, so erhellt daraus, daß diese Gruppe jederzeit über gute Chancen verfügte, in den Generalversammlungen mißliebige Entscheidungen abzublocken. 2 7 Dies änderte sich auch nicht, als seit dem beginnenden Ausbau zum vertikalen Konzern durch die damit verbundenen Aktientausch-Aktionen und durch gezielte Aufkäufe von Mannesmann-Aktien durch Krupp wieder größere Aktienpakete in andere Hände gelangten. 2 8 135

Im Aufsichtsrat der Mannesmannröhren-Werke war die Deutsche Bank seit der Gründung des Unternehmens durch Max Stein thai vertreten. Dieser übernahm ab 1896 den Vorsitz des Gremiums. In dieser Funktion besaß er einen genauen Überblick über alle das Unternehmen betreffenden Fragen und Probleme, den er sich nicht zuletzt durch seinen extrem intensiven Dialog mit Nicolaus Eich verschaffte, und lancierte die Interessen seiner Bank. Als sich im Zusammenhang mit der beschleunigten Expansion seit ca. 1910 auch der Aufsichtsrat wesentlich erweiterte, kamen 1909 mit Heinemann und 1912 mit Bürhaus zwei weitere Vertreter der Deutschen Bank hinzu (, wobei Bürhaus bis 1913 noch Direktor der Bergisch-Märkischen Bank war). Der eigentliche Kontaktmann zwischen der Bank und Mannesmann aber blieb Steinthal, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dem Vorstand der Deutschen Bank angehörte. 1914 schließlich trat Willhelm Jötten von der Essener Creditanstalt in den Aufsichtsrat bei Mannesmann ein, den man faktisch ebenfalls als Repräsentanten der Deutschen Bank betrachten kann, weil die Essener Creditanstalt zu dieser Zeit bereits zu ihrem Konzern gehörte. Von den anderen deutschen Großbanken war während des Untersuchungszeitraums im Aufsichtsrat nur die mit der Deutschen Bank eng zusammenarbeitende B H G vertreten, und zwar von 1890 bis 1902 mit Carl Fürstenberg, der ab 1918 dann in den Aufsichtsrat zurückkehren sollte, und ab 1903 mit Walther Rathenau. Konkurrierende Interessen der anderen Großbanken waren nicht präsent. Dagegen entsandten die Bankhäuser v. d. Heydt - Kersten & Söhne (seit Gründung der Gesellschaft) sowie Stein (ab 1913) jeweils einen Vertreterin den Aufsichtsrat. Beide waren von Beginn an am Aktienkapital der Mannesmannröhren-Werke beteiligt gewesen. 2 9 Schließlich saß seit dem Österreich-Engagement Mannesmanns 1905 durch Felix Kuranda auch der Wiener Bankverein als einzige ausländische Bank im Aufsichtsrat. Keiner der genannten Bankiers, außer vielleicht mit erheblichen Abstrichen Fürstenberg, erreichte aber für die Motorik der Mannesmannschen Geschäftspolitik auch nur entfernt die Bedeutung Steinthals. Schaubild 7 macht optisch die auch quantitativ dominierende Stellung der Deutschen Bank deutlich, die als einzige Bank am Ende des Untersuchungszeitraums über mehr als einen Vertreter im Aufsichtsrat bei Mannesmann verfugte. Es war also der Deutschen Bank aufgrund der Verzahnung der Familie Siemens mit ihr und Mannesmann gelungen, von der Gründung der Gesellschaft an den Mannesmannschen Bankverkehr quasi zu monopolisieren, und dies bezog sich nicht nur auf die Übernahme der ersten Aktien und die institutionelle Verflechtung, sondern auch auf den regulären Bankverkehr. Dabei mußte ihr natürlich während der ersten Zeit zustatten kommen, daß die katastrophale Kapitalverwertung der Mannesmannröhren-Werke die Durchführung ihres Bankverkehrs für andere Banken kaum als lohnenswertes Konkurrenzobjekt erscheinen lassen konnte. Dies änderte sich in dem Maße, wie die Kapitalverwertung sich zunächst verstetigte und dann gar

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überdurchschnittliche Dimensionen erreichte. Die Konkurrenten der Deutschen Bank bemühten sich, ihr den Rang bei Mannesmann zumindest streitig zu machen. Aber die Verflechtung zwischen dem Unternehmen und seiner Hausbank war bereits so eng geworden, daß Steinthal von Eich jeweils über die Avancen der Konkurrenz in Kenntnis gesetzt wurde und diese abblocken konnte. Am 15.1. 1907 beispielsweise schrieb Eich an Steinthal: »Wir benutzen diese Gelegenheit, um Ihnen mitzuteilen, dass der A. Schaaffhausen'sche Bankverein uns wiederholt aufindirectem Wege nahegelegt hat, ihm einen Teil unserer Geldgeschäfte zu überweisen, wogegen er dann dafür sorgen wolle, dass uns Aufträge von der Internationalen Bohrgesellschaft wieder zugehen. Wir haben jedoch diesem Ersuchen gegenüber einen ablehnenden Standpunkt eingenommen. «

Steinthal antwortete einen Tag später: »Was Sie mir über die Versuche des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins sagen, Sie zur Überweisung eines Teils Ihrer Bankgeschäfte zu veranlassen, war mir sehr interessant. Man sieht, wie wenig sich diese Leute genieren, selbst da eindringen zu wollen, wo ein Erfolg nach Lage der Dinge ausgeschlossen erscheinen muß. « 30

Und wenn nach der Angliederung anderer Kapitale durch Mannesmann im Rahmen der Zentralisation deren Bankinstitute um die Fortführung der Geschäftsbeziehung ansuchten, suchte Mannesmann um das Placed der Deutschen Bank nach, wie etwa im Falle v. d. Heydts nach der Übernahme Schulz-Knaudts 1914: »Zu den Bankverbindungen des Huckinger Werkes hat neben der Handelsgesellschaft auch die Firma von der Heydt - Kersten & Söhne gehört. Diese tritt an uns wegen Uebernahme dieser Beziehungen auf unsere Gesellschaft mit dem in Abschrift hier beigefügten Briefheran. Ehe wir dazu Stellung nehmen, möchte ich mich Ihrer Zusage vergewissern, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir nach Möglichkeit von der Heydt - Kersten & Söhne künftig an unseren Bankgeschäften im Umfange des seitherigen Umsatzes mit Schulz-Knaudt beteiligen. « 31

Auf der Grundlage ihrer vor der Konkurrenz geschützten Sonderstellung bei Mannesmann nun gelang es der Deutschen Bank, zumindest Spuren einer Herrschaft im Hilferdingschen Sinne zu etablieren, wobei ihr die Tatsache entgegenkam, daß Mannesmann seinerseits aufgrund seines technologischen Vorsprunges vor den anderen Röhrenherstellern mit der Zeit eine monopolistische Profitrate realisierte, die für die Teilung des Profits in Unternehmergewinn und Zins und die Verteilung des Gründergewinns einen gewissen Spielraum ließ, ohne daß die Bank mit dessen Ausschöpfung die Existenz des Unternehmens und damit auch die ureigensten Interessen auf s Spiel gesetzt hätte.

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Die Ebenen der

Herrschaftsspuren

Die Ansätze zu einer Herrschaft der Deutschen Bank über Mannesmann lassen sich an verschiedenen Bereichen festmachen. Mit Bezug auf den regulären Bankverkehr liefern die Konditionen des schon erwähnten Dauerkredits, den Mannesmann 1900 von der Deutschen Bank und der BHG erhielt, ein gutes Beispiel dafür, wie diese beiden Banken ihre Profitinteressen denjenigen Mannesmanns gegenüber durchsetzten, wenn auch in Grenzen, die von der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens vorgegeben wurden. Der erwähnte Kredit war zunächst gewährt worden, um die zwei Millionen Mark betragende Abfindung der Gebr. Mannesmann zu bezahlen, wobei der Zinssatz 1% über dem jeweiligen Diskontsatz der Reichsbank lag. Bewegte sich damit die Verzinsung durchaus im Rahmen der durchschnittlichen Gepflogenheiten, so wurde darüberhinaus die Zahlung einer Provision von 1/4% der Gesamtkreditlinie pro Quartal stipuliert, »die auch dann zahlbar ist, wenn Sie von dem vorstehenden Kredit überhaupt keinen oder nur einen teilweisen Gebrauch machen sollten«. Wenn also die Profitentwicklung bei Mannesmann einen Rückgriff auf den eingeräumten Kredit überflüssig machen würde, bedeutete dieser Passus fur die beiden Banken bei einer Kreditlinie von 2 Millionen Mark einen zusätzlichen Jahresverdienst von immerhin 20000 Mark, den sie sich in diesem Fall ohne Gegenleistungen aneignen konnten. 3 2 An dieser, die Teilung des Mehrwerts stark zu Gunsten der Bank gestaltenden Konstruktion des Geschäftes änderte sich im Prinzip auch nichts dadurch, daß bei der Prolongierung des Kredits ab 1902 auf Drängen Mannesmanns die Provision für seinen nicht benutzten Teil auf 1/8% reduziert wurde. 3 3 Was sich im regulären Bankverkehr andeutete, bestätigt sich noch deutlicher bei der Betrachtung der einzelnen Kapitaltransaktionen. Deren Modalitäten, welche in Tabelle 8 zusammengestellt sind, 34 zeigen, daß es den von der Deutschen Bank geführten Konsortien gelang, Konditionen durchzusetzen, die weit über das hinaus gingen, was die anderen Unternehmen des Samples in diesen Fällen ihren Banken konzedierten. Bei den Kapitalerhöhungen etwa sticht ins Auge, daß die Banken zumindest 1911 und bei den beiden Erhöhungen 1912 jeweils exorbitant hohe Provisionen von 5% oder mehr erhielten, die dazu noch garantiert, weil im Voraus zu zahlen waren. 3 5 Vor allem aber gelang es Banken bei Mannesmann, neben der Provision noch einen ungewöhnlich hohen Teil des Gründergewinns zu absorbieren, wenn sie sich auch nicht wie in Hilferdings Modell den gesamten Gründergewinn aneignen konnten. Mit Ausnahme der Kapitalerhöhung vom Dezember 1912 fiel das über den Zeichnungskurs hinaus erzielte Agio zumindest zu 50%, 1910 sogar zu 100% an die Deutsche Bank und ihr Konsortium. Auch wurden keineswegs die Aktien, wie das bei den anderen Unternehmen des Samples im Untersuchungszeitraum häufig der Fall war, den alten Aktionären zu einem Kurse angeboten, der mit dem 138

Übernahmekurs ganz oder fast übereinstimmte, sondern zwischen dem Angebot an die Aktionäre und dem Übernahmekurs der Banken lagen jeweils mehrere Prozente. Entsprechend profitabel gestalteten sich die Mannesmann-Kapitalerhöhungen für die Banken. Allein aus den beiden Erhöhungen von 1910 und dem März 1912 bezogen sie einen Reinverdienst von 674000 Mark. Damit stellt Mannesmann in dieser Hinsicht im Sample eine absolute Ausnahme dar. Wie nicht anders zu erwarten, weichen auch die beiden Anleihebegebungen bis 1914 nicht vom bisher gezeichneten Bild ab. 1913 etwa betrug die Differenz zwischen Übernahmekurs der Banken und Zeichnungskurs des Publikums 3%. Dies bedeutete bei einer Anleihesumme von 10 Millionen Mark immerhin einen Brutto verdienst von 300000 Mark. Für die erste Anleihe der Mannesmannröhren-Werke 1899 ist zwar die entsprechende Differenz aus den Quellen nicht rekonstruierbar, doch nutzte die Deutsche Bank die Schwierigkeiten, die dem U n ternehmen bei der Mobilisierung von Geldkapital an der Börse aus seiner noch nicht konsolidierten Unterbilanz entstanden, um sich für ihre Dienste mit einer Sondergratifikation entlohnen zu lassen. Die Begebung dieser Obligationsanleihe wurde notwendig zum Ankauf der Mannesmann-Tube-Company. Im Protokoll der entsprechenden Aufsichtsratssitzung lesen wir: »Herr Direktor Steinthal macht darauf a u f m e r k s a m , dass es sich unter den o b waltenden U m s t ä n d e n noch nicht übersehen lasse, ob, und namentlich w a n n , der beabsichtigte Kauf d u r c h g e f ü h r t werden k ö n n e . N a c h Lage der D i n g e k ö n n e n u r die A u f n a h m e einer Obligationsanleihe in Betracht k o m m e n . Wegen Ü b e r n a h m e von Obligationen unserer Gesellschaft habe er bereits s o w o h l mit den übrigen Directoren der Deutschen Bank, wie auch mit der Leitung der Berliner Handelsgesellschaft Fühlung g e n o m m e n und er habe dabei constatirt, dass die Möglichkeit der Plazierung v o n Obligationen unserer Gesellschaft - angesichts der bestehenden Unterbilanz - allgemein als eine recht geringe angesehen wird. U n t e r diesen U m s t ä n d e n müsse unsere Gesellschaft darauf bedacht sein, die Anleihebedingungen so vorteilhaft wie möglich zu gestalten und sie müsse ferner suchen, den Ü b e r n e h m e r n der Obligationen-Anleihe ein angemessenes Äquivalent für das unter den obwaltenden U m s t ä n d e n mit der Ü b e r n a h m e verb u n d e n e Risiko zu bieten. - Auf G r u n d dieser E r w ä g u n g e n beantragt H e r r D i rector Steinthal den Vorstand zu ermächtigen: .. 2) mit der Deutschen Bank als Führerin eines v o n ihr zu bildenden C o n s o r t i u m s wegen Ü b e r n a h m e der oben erwähnten. Obligationen auf Basis eines Kurses v o n 98—99% in Verhandlungen zu treten und dabei das Zugeständnis zu machen, dass unsere Gesellschaft verpflichtet sein soll, von den L 75000 Common Shares, welche sie im Falle der beabsichtigten späteren Umwandlung des Landore- Werkes in eine Gesellschaft gratis erhält, den Übernehmern der Obligationen 15% des übernommenen Obligationen-Kapitals, als bei M. 4500000: L 33750 in diesen Common Shares gratis zu überlassen (Hervorh. v. Verf.).«

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D e m Antrag Steinthals wurde Folge geleistet. 3 6 Damit erhielt das von der Deutschen Bank geführte Konsortium allein für die Durchführung dieser einen Transaktion Wertpapiere im Werte von umgerechnet 675 000 Mark über das potentiell an der Börse erzielbare Agio hinaus. Die Deutsche Bank und auch die B H G spielten ihren Einfluß auf Mannesmann aber nicht nur bei der Aufteilung des Mehrwerts und des Gründergewinns aus, sondern wirkten auch auf viele Bereiche der Geschäftspolitik, insbesondere auf das finanzielle Gebaren des Unternehmens, bestimmend ein. So vermitteln zum Beispiel die Kapitalreduktionen bis 1903 den Eindruck, als sei ihr Zustandekommen und ihre Durchführung im wesentlichen eine Frage der Einigung zwischen Fürstenberg und Steinthal gewesen, während die Direktion eher passiv die Entscheidung der beiden zu akzeptieren hatte und nur im Falle einer Uneinigkeit zwischen den Bankiers beratend hinzugezogen wurde. So schrieb Eich etwa am 22. 4. 1900 an Steinthal: »Reinhard Mannesmann kam, so nebenbei auf die Mitteilung von einer noch bestehenden, kleinen Meinungsdifferenz zwischen Ihnen & Herrn Direktor Fürstenberg betr. die Reduktion des Kapitals unserer Gesellschaft im Falle der Sanierung. Sie möchten auf 18 Mill., Herr F. a u f 2 0 reduzieren. Es wäre nun immerhin wichtig, die Ansicht eines dritten Unparteiischen kennen zu lernen. Dieses Opfer sollen wir sein. Wir versprechen, uns die Sache zu überlegen. « 3 7

Diese Konstellation hatte sich auch drei Jahre später nicht verschoben. Steinthal teilte Eich am 22. 10. 1903 mit: »Ich schrieb Ihnen schon kürzlich darüber, daß es zweckmäßig wäre, wenn die Mannesmann-Gesellschaft zum Ankauf von Aktien der Deutschen Röhrenwerke Stellung nähme. Es wird jetzt ferner notwendig werden, daß die Gesellschaft sich auch mit der Frage des Ankaufs eigener Aktien und der Reduktion des Kapitals beschäftigt. Wie Sie wissen, hatte ursprünglich Herr Fürstenberg eine Zusammenlegung von Aktien urgirt. Ein solches Procedre schien mir indessen im gegenwärtigen Moment nicht o p p o r t u n . . . Ich bin nun heute mit ihm dahin übereingekommen, daß es zweckmäßig ist, wenn die Mannesmann-Gesellschaft 2—21/2 Millionen Aktien zurückkauft, in der Weise, daß sie die Aktionäre einladet, zu möglichst billigem Preise Aktien zu offeriren und 60% als Maximalpreis festsetzt. Ich vermuthe, daß auf diese Weise ζ. B . von den Mannesmanns doch ziemliche Posten Aktien hereinkommen werden. Die Deutsche Bank selbst würde voraussichtlich keine oder nur geringe Beträge herzugeben wünschen. Die Handelsgesellschaft vielleicht etwas mehr, besonders wenn die publicirte S u m m e nicht voll erreicht werden sollte. « 3 8

Schließlich wirkte Steinthal auch auf die Gestaltung der Personalpolitik Mannesmanns in deren oberen Chargen zumindest überwachend, aber auch aktiv ein. Abgesehen davon, daß natürlich auch bei der Bestellung Eichs zum Nachfolger Frankens das Votum Steinthals den Ausschlag gab, weist Pogge von Strandmann trotz seiner Position am Beispiel des Aufsichtsrates nach, daß Eich Zuwahlen in dieses Gremium nicht ohne Steinthals Zustimmung durchsetzen konnte, wenn dieser sich auch in einigen Fällen von Eich

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überreden ließ. 39 Sein vielleicht spektakulärstes Veto gegen einen Vorschlag Eichs formulierte Steinthal, als Eich 1909 vorschlug, Otto Braunfels, einen Sekretär der Düsseldorfer Handelskammer, als Nachfolger eines verstorbenen Mitglieds in den Aufsichtsrat zu wählen: »An und für sich scheint mir der Sekretär einer Handelskammer keine geeignete Persönlichkeit für die Stellung eines Aufsichtsrats zu sein, weil sie die für seinen Beruf durchaus notwendige Objektivität vermindern könnte. Dann pflegen diese Herren doch meist Juristen oder Nationalökonomen zu sein und haben gar nicht die Fühlung mit dem praktischen Leben, um der Gesellschaft Vorteile zuführen zu können. Schließlich ist auch im allgemeinen ihre Stellung nicht eine den Chefs der ersten Firmen des Bezirks gleichberechtigte. Würden ζ. B. nicht Lueg, Haniel, Trinkhaus oder Stumm, Krupp, Thyssen befremdet sein, mit ihrem Handelskammer-Sekretär in einem Aufsichtsrat zu sitzen?« 40

Bei all den analysierten Herrschaftselementen, die das Verhältnis insbesondere der Deutschen Bank zu den Mannesmannröhren-Werken prägten, darf nicht übersehen werden, daß diese Herrschaft niemals eine totale im Sinne Hilferdings wurde. Es gelang der Bank und den mit ihr zusammenarbeitenden Instituten nie, etwa den Gründergewinn ganz zu absorbieren. Sein größter Teil fiel stets Mannesmann zu, nur lag der Anteil, den sich die Banken aneignen konnten, wesentlich höher als bei den anderen betrachteten Unternehmen. Auch ist Mannesmann kein Beispiel für eine Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum unter der Dominanz des letzteren stehenden Finanzkapital. Die Grenzen der Herrschaftsansätze ergaben sich vielmehr aus der Tatsache, daß auch Mannesmann trotz seiner technologischen Sonderstellung in einen Gesamtreproduktionszusammenhang eingebettet war, der für eine prosperierende Kapitalverwertung objektive Zwänge diktierte, die auch die Deutsche Bank zu respektieren hatte, wollte sie nicht riskieren, die Voraussetzungen für eine profitable Geschäftsabwicklung mit dem Unternehmen selbst zu untergraben. Das betraf einmal die Existenz einer Obergrenze für die Absorbierbarkeit von Profitteilen und Gründergewinn, die sich daran orientieren mußte, daß Mannesmann in der Lage blieb, die Erweiterung seines Akkumulationsprozesses problemlos vornehmen zu können, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Z u m anderen aber galt diese Feststellung für einige strategische Bereiche der Geschäftspolitik, in denen die Deutsche Bank entweder keine eindeutigen Interessen hatte oder diese wegen der Gesamtkonstellation der jeweiligen Problemstellung nicht durchsetzen konnte. In solchen Fällen hielt sie sich von der Bestimmung der Handlungsstrategie des Unternehmens zurück und beschränkte sich eher auf den passiven Part der Kenntnisnahme. Das klassische Beispiel hierfür liefert die Haltung Mannesmanns zu den Kartellfragen. Während der neunziger Jahre des 19. Jh. hatten die Schweißrohrhersteller versucht, der wachsenden Konkurrenz des nahtlosen Mannesmann-Rohres 141

mit verschiedenen Mitteln zu b e g e g n e n . 4 1 N a c h d e m M a n n e s m a n n d u r c h die E r r i c h t u n g eines eigenen S c h w e i ß w e r k e s diese Versuche erfolgreich a b g e w e h r t hatte, strebte m a n auf beiden Seiten eine kartellmäßige E i n i g u n g an. Diese k a m f ü r Gasrohre auch bereits E n d e 1899 ziemlich p r o b l e m l o s zustande, da die Gasrohre n u r eine u n t e r g e o r d n e t e Rolle in der P r o d u k t p a lette bei M a n n e s m a n n spielten. Das U n t e r n e h m e n trat m i t einer Q u o t e v o n 6 % d e m G a s r o h r s y n d i k a t bei. Für die Siederohre dagegen f o r d e r t e Eich einen Anteil v o n 2 5 % . Die Verhandlungen zogen sich über k n a p p z w e i J a h r e hin, aber schließlich w u r d e die M a n n e s m a n n s c h e F o r d e r u n g w e i t g e h e n d erfüllt, n a c h d e m Eich mit d e m Austritt aus d e m G a s r o h r s y n d i k a t g e d r o h t hatte. In der Folgezeit n a h m e n auch die K o n k u r r e n t e n nach Ablauf des Patentschutzes die Fertigung nahtloser R o h r e auf, w o d u r c h sich die Syndik a t s q u o t e M a n n e s m a n n s v o n ursprünglich 2 3 , 7 5 % auf 19% v e r m i n d e r t e . N a c h dieser E n t w i c k l u n g hatte m a n bei M a n n e s m a n n keinerlei Interesse a m Weiterbestand des Kartells u n d beteiligte sich 1908 nicht m e h r an den Verl ä n g e r u n g s v e r h a n d l u n g e n . D a b e i standen Z u s t a n d e k o m m e n , Verlauf u n d letztendliches Scheitern der R ö h r e n s y n d i k a t e ganz i m Zeichen des G e g e n satzes T h y s s e n - M a n n e s m a n n , also zweier U n t e r n e h m e n , die beide eng mit der D e u t s c h e n B a n k z u s a m m e n a r b e i t e t e n . 4 2 D a ß es der B a n k nicht gelang, die Beilegung dieses Dauerkonfliktes h e r b e i z u f ü h r e n u n d sie sich s o g a r j e d e s ernsthaften Versuches dazu enthielt, ist erstens ein Indiz dafür, daß die K a t a l y s a t o r f u n k t i o n der B a n k e n f ü r das Z u s t a n d e k o m m e n der Kartelle in Deutschland, auf die j a H i l f e r d i n g i m m e r wieder hinweist, wahrscheinlich o f t stark überschätzt w i r d . 4 3 Vor allem aber m a c h t es ganz deutlich, wie der G e s a m t r e p r o d u k t i o n s p r o z e ß des Kapitals mit seinen W i d e r s p r ü c h e n der A u s ü b u n g j e d e r B a n k e n h e r r s c h a f t über ein industrielles Kapital selbst d a n n enge Grenzen setzt, w e n n v o n der isolierten B e t r a c h t u n g ihrer Beziehungen her d a f ü r aus unternehmensspezifischen G r ü n d e n die Voraussetzungen g e geben sein m ö g e n . I m vorliegenden Fall standen sich die V e r w e r t u n g s i n t e r essen Thyssens u n d M a n n e s m a n n s antagonistisch gegenüber. A n beiden U n t e r n e h m e n w a r die D e u t s c h e B a n k u n m i t t e l b a r interessiert. Eine Entscheid u n g der B a n k f ü r die eine oder andere Seite hätte unter den gegebenen U m s t ä n d e n n u r zu U n g u n s t e n M a n n e s m a n n s fallen k ö n n e n , denn die M ö g lichkeit, T h y s s e n in seinem Verhalten zu beeinflussen, war, wie w i r n o c h sehen w e r d e n , auch f ü r die D e u t s c h e B a n k völlig unrealistisch. Eine solche E n t s c h e i d u n g gegen M a n n e s m a n n aber hätte dessen Profitinteressen s c h w e r beeinträchtigt u n d d a m i t unter U m s t ä n d e n die objektive Basis f ü r die D e u t sche B a n k zerstört, u m die Geschäftsbeziehungen m i t diesem U n t e r n e h m e n weiterhin so a u s n e h m e n d profitabel u n d risikolos gestalten zu k ö n n e n wie v o r h e r . In dieser Situation blieb der B a n k nichts weiter übrig, als sich neutral zu verhalten. 4 4 Ganz ähnlich lagen die Verhältnisse b e i m Vordringen M a n n e s m a n n s in die vorgelagerten P r o d u k t i o n s s t u f e n seit 1910. Diese t r u g e n eine eindeutige Spitze gegen die g r o ß e n Eisen- u n d Stahlproduzenten, v o n denen M a n n e s 142

mann in der Rohstoffversorgung abhing. Das Mannesmannsche Vorgehen beschwor insbesondere einen mehr als latenten Konflikt nicht nur mit Thyssen, sondern auch mit Krupp herauf, das ebenfalls ein wichtiger Geschäftspartner der Deutschen Bank war. Auch hier versuchte diese nach allem, was aus den Quellen zu ersehen ist, nicht, den Mannesmann-Vorstand in irgendeine Richtung zu drängen. 4 5 Neben den objektiven, aus dem Reproduktionsprozeß des Kapitals sich notwendig ergebenden Grenzen der Suprematie der Deutschen Bank über Mannesmann ist noch auf einen potentiellen subjektiven Faktor hinzuweisen, der in der Person Max Steinthals liegt. Es entsteht die Frage, ob trotz seiner langjährigen Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Mannesmannröhren-Werke und seiner intensiven Anteilnahme an allen das Unternehmen betreffenden Fragen seine Identifikation mit der Deutschen Bank stets soweit ging, daß er ihren Interessen in allen denkbaren Konflikten Priorität einräumte und eingeräumt hätte, nicht zuletzt, nachdem er 1905 nach gewissen Spannungen aus dem Vorstand der Bank zurückgetreten war. 4 6 In Ermangelung entsprechender Quellen muß diese Frage aber reine Spekulation bleiben. Obwohl wir sahen, daß sich die vielleicht auffälligsten Spuren der Herrschaft der Deutschen Bank - und in ihrem Fahrwasser der B H G - über Mannesmann in den Modalitäten der Kapitaltransaktionen seit 1910 fanden, scheinen die Quellen gegen Ende des Untersuchungszeitraums auf eine zunehmende Emanzipation des Unternehmens gegenüber der doch - wie gesehen - in manchen Bereichen deutlich spürbaren Bevormundung durch die beiden Banken hinzudeuten, was sich in einer größeren Dispositionsfreiheit des Vorstandes in Person von Eich niederschlug. Diese Beobachtung kann insofern nicht überraschen, als mit dem endgültigen Abbau des Schuldenberges und dem Anstieg der Profitrate auf fast schwindelerregende Höhe die Voraussetzungen dafür eintraten, daß die virulente Konkurrenz im Sektor des zinstragenden Kapitals als zumindest latente Bedrohung für die Sonderstellung der Deutschen Bank bei Mannesmann an Bedeutung gewinnen mußte. Von den offenen Avancen des Schaaffhausen'schen Bankvereins war j a schon die Rede. Erkennbar wird der wachsende Handlungsspielraum Eichs beispielsweise in der Art und Weise der Aufkündigung des mehrfach erwähnten Dauerkredits gegenüber Steinthal im Jahre 1908. A m 10.11. diesesjahres schrieb eran seinen Aufsichtsratsvorsitzenden: »Wir erlauben uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Kreditabkommen mit der Deutschen Bank am 31. Dezember diesesjahres abläuft. Wir sind der Ansicht, dass gegenwärtig kein Bedürfnis zur Verlängerung dieses Abkommens vorliegt und dass, wenn wirklich im Laufe der Zeit sich ein unvorhergesehener Geldbedarf einstellen sollte, es uns möglich sein wird, ihn zu decken auch ohne dieses Kreditabkommen, das uns fortgesetzt Lasten aufzwingt. « 4 7

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Vor allem aber die Entwicklung des Dreiecksverhältnisses Mannesmann Deutsche Bank - Siemens scheint die These von der langsam wachsenden Unabhängigkeit Eichs zu stützen; sie zeigt aber auch, wie intensiv die Deutsche Bank versuchte, ihren Interessen, die in diesem Falle in der Vergabe einer Reihe von Aufträgen durch Mannesmann an Siemens-Schuckert lagen, Geltung zu verschaffen. Noch 1905 reagierte die Bank unverhohlen mit ziemlich massiven Druck auf die Weigerung Mannesmanns, eine Bestellung über zwei Motoren zur Elektrifizierung des Antriebs im Werk Bous an Siemens-Schuckert zu vergeben. Steinthal schrieb am 20. 5. an Eich: »Ich hoere eben, dass bei den Siemens-Schuckert Werken keine geringe A u f r e g u n g darüber entstanden ist, dass Sie eine aus Turbinen und D y n a m o bestehende Anlage bei B r o w n Boveri bestellt haben. Angesichts der intimen Beziehungen s o w o h l unserer Gesellschaft als der Deutschen Bank zu Siemens und Halske und der bereits über die Anlage stattgehabten Correspondenz müssen Sie sehr starke G r ü n d e gehabt haben, u m die Anlage, auf deren Herstellung die Siemens-Schuckert Werke grossen Werth gelegt haben, anderweitig zu vergeben. Ich bleibe Ihre naeheren Nachrichten darüber abwartend. «

Steinthal forderte in der Folge Kompensationsbestellungen bei Siemens, die Eich ihm auch zusagte und realisierte. 48 Einige Jahre später, nämlich 1912 und 1913, trat die Deutsche Bank in analogen Fällen dann zwar wiederum für Siemens-Schuckert ein, mußte sich aber jeweils mit den lapidaren Feststellungen Eichs begnügen, die Konkurrenz liefere eben schneller bzw. sei aus Geschäftsrücksichten heraus auch zu bedenken. 49 Die Voraussetzung für die Deutsche Bank, um die Monopolisierung des Mannesmannschen Bankverkehrs in eine überdurchschnittlich hohe Aneignung von Profitteilen sowie eine möglichst weitgehende Absorbierung des Gründergewinns bei Kapitaltransaktionen umsetzen zu können und damit die inhaltlichen Ziele einer Beherrschung des Unternehmens zu erreichen, lag in der Erhaltung seiner Fähigkeit zur Realisierung von Extraprofiten. Deshalb mußte die Kehrseite der Dominanz eine außerordentlich bereitwillige Unterstützung Mannesmanns durch die Bank überall dort sein, w o dies nicht mit ihren eigenen Profitinteressen kollidierte oder ihr aus anderen Gründen inopportun schien. So sprang etwa die Deutsche Bank stets ein, wenn bei der Durchführung der ehrgeizigen Bauprogramme Mannesmanns kurzfristige Liquiditätsengpässe entstanden, auch nach der Kündigung des besagten Dauerkredits 1908. 1910 beispielsweise ergab sich eine solche Gelegenheit: »Gestern w u r d e mir Ihre A n f r a g e an die Deutsche Bank betr. C r e d i t g e w ä h r u n g vorgelegt, . . . Ich war zunächst etwas darüber erstaunt, dass unser Geld schon >alle< ist; es m a g aber w o h l an der starken Vermehrung der Vorräthe neben den u m f a n g r e i chen Bauten liegen. D a n n m ü ß t e ich Sie bitten, so wie es der Brauch ist, doch der Dtsch. Bk. zu sagen, welchen Kredit Sie wünschen. Ü b e r 5—6 Millionen m ü ß t e ich Ihnen empfehlen, nicht zu gehen, dabei kann die Handels-Ges. mit 1/3 herangezogen 144

werden, die Dtsche. Bank thäte es aber auch gern allein und gibt der MM-Ges. gern auch grössere Summen, Sie haben es ja in der Hand zu bestimmen, mit welcher Summe Sie auskommen wollen, indem wir den Zeitpunkt der Emission der neuen Aktien danach bemessen. « so A u c h ü b e r n a h m es die D e u t s c h e Bank, bei einem anstehenden Aktientausch m i t e i n e m zu ü b e r n e h m e n d e n U n t e r n e h m e n i m Vorfeld an der B ö r s e das Kursniveau der entsprechenden Aktien den Interessen M a n n e s m a n n s g e m ä ß zu regulieren. 5 1 Schranken f a n d e n diese Serviceleistungen der D e u t s c h e n B a n k f ü r M a n n e s m a n n indessen in ihren eigenen Profitinteressen, so, als 1908 Eich die B a n k veranlassen wollte, die r u m ä n i s c h e Steaua R o m a n a , bei der die D e u t s c h e B a n k maßgeblich beteiligt w a r , zu b e s t i m m e n , f u r ihre Erdölleitungen M a n n e s m a n n - R o h r e einzusetzen. D o c h T h y s s e n k o n n t e billiger liefern u n d erhielt den A u f t r a g . 5 2 Versuchen w i r abschließend, das Fazit dieses Kapitels zu ziehen! W e n n P o g g e v o n S t r a n d m a n n behauptet, v o n einer B e h e r r s c h u n g M a n n e s m a n n s d u r c h die D e u t s c h e Bank k ö n n e keine Rede sein, so v e r m a g ich dieser Position nicht zu folgen. Seine H a u p t a r g u m e n t e , m a n g e l n d e K e n n t n i s des R ö h r e n m a r k t e s seitens der B a n k u n d ihr fehlendes technisches Wissen, ignorieren gerade die potentiellen u n d realen Konfliktfelder zwischen der B a n k u n d d e m I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n , an denen sich letztlich die H e r r schaftsfrage entscheiden m u ß . 5 3 N i m m t m a n diese in den Blick, so findet m a n z u m i n d e s t klar e r k e n n b a r e Ansätze einer B e h e r r s c h u n g M a n n e s m a n n s d u r c h die D e u t s c h e B a n k i m Sinne Hilferdings. Diese manifestierten sich in den Teilungsverhältnissen v o n Profit u n d G r ü n d e r g e w i n n ebenso w i e in der E i n f l u ß n a h m e der B a n k auf wesentliche Bereiche der Geschäftspolitik, w e l che ihre Profitinteressen u n d die der mit ihr alliierten B a n k e n u n d anderen I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n b e r ü h r t e n . Allerdings verdichtete sich diese D o m i nanz w ä h r e n d des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s niemals zur v o n H i l f e r d i n g prognostizierten D i m e n s i o n . Sie stieß vielmehr auf objektive Grenzen, die der G e s a m t r e p r o d u k t i o n s k o n t e x t des Kapitals, in den selbstverständlich auch M a n n e s m a n n u n d die D e u t s c h e B a n k e i n g e b u n d e n w a r e n , d u r c h seine Widersprüchlichkeiten u n d Z w ä n g e v o r g a b , u n d wies darüberhinaus m i t der Zeit L o c k e r u n g s t e n d e n z e n auf. In ihrer Substanz reduzierte sich die H e r r s c h a f t der D e u t s c h e n B a n k über M a n n e s m a n n d e m z u f o l g e darauf, daß die B a n k in k o n t r o v e r s e n Fragen wesentlich m e h r v o n ihren Interessen durchsetzen k o n n t e , als dies d e m Bankkapital durchschnittlich in seinen Bezieh u n g e n zur Schwerindustrie m ö g l i c h w a r . Betrachtet m a n n u n die G r ü n d e f ü r diese Sonderstellung der D e u t s c h e n B a n k bei M a n n e s m a n n , zeigt sich, daß dieses U n t e r n e h m e n keineswegs zur empirischen A b s t ü t z u n g der T h e o r i e Hilferdings geeignet ist. D e n n w ä h rend Hilferding die H e r r s c h a f t der B a n k e n über die Industrie aus allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Reproduktionsprozesses der kapitalistischen Ö k o n o m i e ableiten will, entsteht sie i m Falle M a n n e s m a n n s aus unternehmensspe145

zifischen Faktoren, wohingegen die allgemeinen Rahmenbedingungen der Reproduktion die Intensität der Herrschaft ja gerade limitieren. Diese unternehmensspezifischen Faktoren ermöglichten der Deutschen Bank und ihrer Gruppe die Monopolisierung des Mannesmannschen Bankverkehrs und erst diese vollkommen ungewöhnliche Konstellation schaffte die Basis fur die Etablierung ihrer Dominanz, deren profitable Ausschlachtung es andererseits voraussetzte, daß Mannesmann in der Lage blieb, aus seinem technologischen Vorsprung gegenüber seinen Konkurrenten monopolistische Extraprofite zu beziehen. Die Aufrechterhaltung dieser Fähigkeit unterstützte die Deutsche Bank nach Kräften, soweit dies mit ihren eigenen unmittelbaren Verwertungsinteressen vereinbar war.

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10. Der Krupp-Konzern

Krupp gehört ohne jeden Zweifel zu den deutschen Unternehmen, über deren Geschichte am meisten geschrieben und am heftigsten gestritten worden ist. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Krupp ist nicht einfach eines der vielen Einzelkapitale, deren individuelle Akkumulationsprozesse sich zum Gesamtreproduktionsprozeß des Kapitals verweben, sondern war, zumindest während meines Untersuchungszeitraums, die deutsche Waffenschmiede schlechthin - obwohl Krupp natürlich nicht nur Waffen produzierte - , Symbol nationaler Größe für die einen, brennglasartige Bündelung aller negativen Eigenschaften des deutschen Imperialismus für die anderen. Der spezifische »Gebrauchswert« der von Krupp produzierten Waffen, ihr Vernichtungspotential, machten das Unternehmen zu einem gewichtigen Faktor der militärischen Planung einer langen Reihe von Ländern und führte zur mehr oder weniger offensichtlichen Verfilzung ihrer Staatsapparate und Herrscherhäuser mit den Repräsentanten des Essener Industrieriesen, was natürlich in allererster Linie für das deutsche Reich zutrifft. Diese an Skandalen und Skandälchen reiche Verschmelzung von Staatsapparat und Industrieunternehmen, die in dieser Intensität und Form wohl selten anderswo anzutreffen war und ist, stand im Mittelpunkt des Interesses der bisherigen Krupp-Geschichtsschreibung, soweit diese überhaupt beanspruchen kann, wissenschaftlich ernst genommen zu werden. 1 Die Beziehungen Krupps zu den Banken dagegen fanden bisher kaum Beachtung und wurden, soweit man darauf einging, meist abgehandelt an Hand der schon fast berühmten 1874er Anleihe, die Krupp einige spektakuläre Bedingungen aufbürdete. Wir werden aber sehen, daß die Modalitäten dieser Anleihe alles andere als repräsentativ für das Verhältnis Krupps zu seinen Banken war. Vorher aber soll versucht werden, die Grundlinien der Unternehmensentwicklung kurz nachzuzeichnen und den quantitativen Verlauf seines Akkumulationsprozesses zu analysieren. Die Gründung der Gußstahlfabrik, des Herzstücks des späteren KruppKonzerns, datiert aus dem Jahre 1811, als Friedrich Krupp, der Vater des legendären Alfred Krupp, und die Gebrüder Kechel die durch die Kontinentalsperre eingetretene Entlastung des deutschen Marktes von der englischen Konkurrenz ausnutzen wollten durch die Versorgung der heimischen Verfeinerungswerke mit Zementstahl. Die Kapitalverwertung des Unternehmens verlief aber zunächst mit Ausnahme eines kurzen Aufschwungs von 1816—1818 sehr schleppend, eine Entwicklung, die in der vorübergehenden 147

Einstellung des Betriebes 1823/24 kulminierte. 1826 verstarb Friedrich Krupp und wurde von seinem Sohn Alfred in der Führung des Unternehmens abgelöst. Dieser ging sogleich an die Erweiterung der Fertigwarenproduktion und nahm Werkzeugstahl, Feilen, Lohgerbergeräte und später Walzen in die Produktpalette auf. Der Einsatz der Dampfmaschine ermöglichte die Kombination aller Verarbeitungsstufen an einem Ort, was zu einer rationelleren Nutzung der Ressourcen führte und das Unternehmen in eine erste Expansionsphase eintreten ließ. Diese erreichte 1843 ihren Höhepunkt mit der Gründung einer Metallwarenfabrik zur Herstellung von Eßbestekken in Berndorf in Österreich und endete mit der Wirtschaftskrise 1847/48, als Krupp sogar vorübergehend zahlungsunfähig wurde. Die Überwindung dieser Krise, im Rahmen derer sich Krupp finanziellen Spielraum durch die Aufnahme von Beziehungen zum Bankhaus Deichmann und zum Schaaffhausen'schen Bankverein verschafft hatte, mündete ein in einen abermaligen Aufschwung bis zur Krise von 1857, der in engem Zusammenhang stand mit der Entwicklung des Eisenbahnbaus und der Dampfschiffahrt. Das Unternehmen nahm im großen Stil die Produktion von Achsen, Federn und Eisenbahnradreifen auf und fertigte Kurbelwellen für Dampfschiffe und Großteile für den Maschinenbau. 1855 entstand ein eigenes Puddelstahlwerk, ein Jahr zuvor hatte die Belegschaft schon 365 Mann betragen gegenüber den 7 Personen zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung durch Alfred K r u p p . 2 Die Waffenproduktion hatte zwar bereits während der 50er Jahre eine gewisse Rolle gespielt, doch gelang Krupp der eigentliche Durchbruch in diesem Bereich erst 1859 mit dem Auftrag der preußischen Militärbehörden über 300 vorgearbeitete Rohrblöcke für Geschützrohre. Diese Entscheidung der Behörden zugunsten Krupps leitete die Verdrängung des Gußeisens und der Bronze in der Geschützherstellung ein und war nicht zuletzt infolge der Intervention des Prinzregenten Wilhelm gefallen. 3 Von nun an entwickelte sich die Waffenproduktion zu einem festen und sehr gewinnträchtigen Bestandteil der Kruppschen Produktpalette. 1861 konnte Krupp den Neubau der ersten Kanonenwerkstatt fertigstellen, dem unmittelbar zwei weitere Werkstätten folgten. Obwohl die Geschützherstellung gewichtsmäßig selten mehr als 10% der Gesamtproduktion ausmachte, überstieg ihr wertmäßiger Anteil zuweilen sogar 5 0 % . 4 Dennoch wurde die Wachstumsdynamik bei Krupp bis zum Ende der 80er Jahre in erster Linie von dem weiter expandierenden Markt für Verkehrsprodukte, namentlich für den Eisenbahnbau, und die technischen Fortschritte in der Erzeugung von Massenstahl bestimmt. Mit Ausnahme des Thomasverfahrens integrierte Krupp diese Fortschritte jeweils sehr früh in seinen Produktionsprozeß. 1862 baute er das erste Bessemerstahlwerk des europäischen Kontinents und bereits ab 1869 wurde bei Krupp auch Siemens-Martin-Stahl gefertigt. Gleichzeitig gelang die Verbesserung der Tiegelstahlherstellung, und auch die Weiterverarbeitung wurde ausgebaut. 1862 entstand ein Blechwalzwerk, 1864 ein 148

Schienenwalzwerk. Diese Verdichtung des Konzentrationsprozesses während der 60er Jahre bedeutete ein Vordringen des Unternehmens in ganz neue Dimensionen der Massenerzeugung, was notwendigerweise das Problem der Rohstoffversorgung aufwarf. U m sich von der Preisentwicklung für Rohstoffe unabhängig zu machen, unternahm Krupp schon in den 60er Jahren, also ungewöhnlich früh, den Schritt in den Ausbau seines Unternehmens zum vertikalen Konzern via Zentralisation. 1865 wurden die Sayener Hütte (vom Fiskus) sowie die Mühlhofener Hütte erworben, 1871 folgte die Hermannshütte bei Neuwied, 1872 die Johannishütte in Duisburg und die Zeche Hannover bei Bochum. Darüber hinaus kaufte Krupp zahlreiche Erzgruben an der Lahn und im Westerwald und sicherte sich durch eine Beteiligung an der Orconera-Iron-Ore Co Ltd. die Eisensteingruben bei Bilbao besaß, den Zugang zu für das Bessemerverfahren benötigten phosphorarmen Erzen. Schließlich gründete er für deren Transport eine eigene Reederei in Rotterdam. 1873 war die Belegschaft auf 16000 Mann bei einem Gesamtumsatz von ca. 40,8 Millionen Mark angewachsen. 5 Die Investitionen während der 60er und frühen 70er Jahre hatten naturgemäß enorme Mengen an Geldkapital erfordert, die Krupp im wesentlichen über die langfristige Festlegung kurzfristiger Kredite mobilisiert hatte, statt sie während der Zeit billigen Geldes über die rechtzeitige Aufnahme einer Anleihe abzusichern. Mit der hereinbrechenden Gründerkrise kollabierte auch der Kruppsche Kredit, und die Firma stand 1873/74 vor dem finanziellen Zusammenbruch. Seinen Beziehungen zum Kaiser hatte es Krupp zu verdanken, daß sich schließlich doch noch ein Bankenkonsortium unter Führung der Seehandlung zur Übernahme einer Anleihe in Höhe von 30 Millionen Mark bereit erklärte, die Krupp ermöglichte, seinen schwebenden Verpflichtungen nachzukommen. 6 Die Amortisierung dieser Anleihe band zunächst die erwirtschafteten Profite, so daß der Zentralisationsprozeß erst 1886 mit der Angliederung des Stahlwerks Annen bei Witten wiederaufgenommen werden konnte. Auf der Grundlage einer sich sehr profitabel gestaltenden Kapitalverwertung war die gesamte Anleihe bis zu diesem Zeitpunkt zurückgezahlt worden, nachdem bereits 1879 die ursprünglich sehr drückenden Bedingungen durch eine Konvertierung der Anleihe erheblich gemildert worden waren. 7 Die günstige Profitentwicklung, die Krupp zu einer sehr raschen Überwindung der Gründerkrise verhalf, wurde vor allem getragen durch umfangreiche Bestellungen des Auslands auf Geschütze. Von 1875 bis 1891 gingen 82% des von Krupp produzierten Kriegsmaterials in den Export, lediglich 18% wurden an Preußen oder die anderen deutschen Bundesstaaten verkauft. Dabei profitierte Krupp in erster Linie von dem türkisch-russischen Gegensatz, indem man beide Seiten mit Waffen versorgte, aber auch um den südamerikanischen, japanischen und chinesischen Markt bemühte sich Krupp mit Erfolg. 8 Die Bedeutung des Auslands als Markt für Kriegsmaterial reduzierte sich für Krupp erst nach 1900, als man sowohl auf dem Balkan als auch in Südamerika teilweise ganz erheblich 149

an Boden verlor, vor allem gegenüber der französischen Konkurrenzfirma Schneider-Creuzot. Doch ließen sich dann die in dieser Zeit erlittenen E x porteinbußen auf dem Inlandsmarkt durch die Hochrüstungs-, insbesondere die Flottenpolitik Preußen - Deutschlands vor dem ersten Weltkrieg k o m pensieren. 9 Die Erfahrungen während der Gründerkrise hatten endgültig deutlich werden lassen, daß die althergebrachte patriarchalische Führungsstruktur bei Krupp nicht mehr den Erfordernissen der Markt- und Konkurrenzverhältnisse der sich in Deutschland weiter durchsetzenden kapitalistischen Produktionsweise gerecht wurde. Das Unternehmen reagierte darauf seit den frühen 70er Jahren mit der Herausbildung von Merkmalen des Managerkapitalismus. Das Generalregulativ Alfred Krupps von 1872 bestimmte bereits die Einsetzung einer Procura (, die später in Direktorium umbenannt wurde,) als zentrale Leitungs- und Koordinierungsinstanz des Unternehmens. Ergänzt wurde diese Maßnahme durch die Einfuhrung eines kapitalistischen Rechnungswesens und die Einrichtung eines unabhängigen Revisionsbüros. Insgesamt lief die organisatorische Reorganisation des Unternehmens auf eine Zurückdrängung des Einflusses des Eigentümers auf die Details der Geschäftspolitik hinaus, was allerdings nie bis zu seiner völligen Ausschaltung ging. 1 0 Eine neue Expansionsperiode Krupps von hoher Dynamik wurde eingeleitet mit der Angliederung des Stahlwerks Annen im Jahre 1886. Diese Periode dauerte - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - über das Ende meines Untersuchungszeitraums hinaus an und zerfällt in mehrere Etappen. Die erste Etappe legte das Unternehmen unter der Ägide Friedrich Alfred Krupps zurück, der 1887 das Alleinerbe seines verstorbenen Vaters antrat und bis zu seinem Tode 1902 dem Krupp-Imperium zumindest formal vorstand. Das hohe Expansionstempo der gesamten Periode verdankte sich letztlich der ebenso rapiden wie kontinuierlichen technischen Perfektionierung des produzierbaren und produzierten Kriegsmaterials, die im Zusammenspiel mit der im Trend progressiven Zuspitzung der internationalen imperialistischen Widersprüche die einzelnen Staaten zu einer forcierten Hochrüstung trieb. Für Krupp brachte diese Konstellation eine Rüstungskonjunktur bisher unbekannter Qualität, wobei, wie erwähnt, gegen den Weltkrieg hin das Inland zunehmend in den Mittelpunkt rückte. 1 1 Einige Zahlen mögen das Wachstumstempo während der ersten Etappe dieser Entwicklung andeuten. Die Arbeiterzahl stieg von ca. 21000 im Jahre 1887 auf 42600 in 1902. N o c h stärker wuchs in derselben Zeit der Umsatz, nämlich von 42,2 auf 101,4 Millionen Mark, was auf eine stark steigende technische Zusammensetzung des Kapitals und eine ebenso klar wachsende Produktivität hindeutet. 1 2 In diese erste Etappe fielen eine ganze Reihe von spektakulären Konzentrations- und Zentralisationsschritten. Als Reaktion auf die Flottenpolitik Kaiser Wilhelms II. begann Krupp seit 1890 - von den Behörden dazu ermuntert - mit der Produktion von Panzerplatten. 1890/91 150

entstand nach extrem kurzer Bauzeit das für damalige Verhältnisse hochmoderne Kruppsche Panzerplattenwerk. Im gleichen Zusammenhang »schluckte« Krupp 1893 die Magdeburger Gruson-Werke, bis dahin einer seiner härtesten Konkurrenten auf diesem Sektor. Schließlich übernahm Krupp 1896 den Betrieb der nicht sonderlich rentablen Germania-Werft in Kiel-Gaarden und vollzog damit den Schritt von der Herstellung von Schiffsmaterial zur Produktion eigener Schiffe. Seit etwa der Jahrhundertwende hatte der Schiffbau bei Krupp dann von der wertmäßigen Relevanz im Rahmen der Produktpalette her die führende Position inne, die früher dem Eisenbahnmaterial zugekommen war. Dabei profitierte die GermaniaWerft eindeutig von der staatlichen Privilegierung bei der Vergabe von Aufträgen für die Kriegsflotte. 1 3 Gleichzeitig nahm Krupp eine Monopolstellung bei der Ausrüstung des Landheers, insbesondere der Artillerie, ein. Letzte Versuche des Kriegsministeriums, diese Monopolstellung zu untergraben, waren in den 90er Jahren erfolglos geblieben und hatten zur Entlassung des betreffenden Ministers geführt. 1 4 Auch die Erweiterung der Rohstoffbasis wurde bei Krupp nach der endgültigen Überwindung der Folgen der Gründerkrise konsequent wieder aufgegriffen. 1889 erwarb man mit Blick auf die Aufnahme der Produktion von Thomasstahl die Minettegruben Langenberg, Luxemburg und Greuze. 1895 — 1898 folgten Grubenkomplexe an der Lahn. Parallel zur ökonomischen Expansion betrieb das Unternehmen die Intensivierung der Verflechtung mit den staatlichen Organen und des Einflusses auf die Presse mit dem Ziel der lobbyistischen Förderung seiner Geschäftsinteressen, namentlich im Hinblick auf die Flottenpolitik. Die dabei sich ereignenden Skandale und die bisweilen an den Tag gelegte Tölpelhaftigkeit des Vorgehens sowie die Kompromißlosigkeit in der sozialen Frage ließen Krupp immer mehr ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten. Tief verstrickt in politische Attacken und dubiose Gerüchte über sein Privatleben starb Friedrich Alfred Krupp 1902 unter schwer durchschaubaren Umständen. 1 5 Das Unternehmen aber setzte, wenn auch unter modifizierten organisatorischen Vorzeichen, seine Expansion fort. Der 1902 sechzehnjährigen Bertha Krupp, Tochter und Haupterbin Friedrich Alfreds, fiel ein Vermögen von rund einer Viertel Milliarde Goldmark in den Schoß, ihre Schwester und ihre Mutter wurden mit weiteren 60 Millionen abgefunden. 1 6 Imjahrbuch deutscher Millionäre rangierte Bertha Krupp 1912 mit ca. 283 Millionen Mark klar an erster Stelle, mehrere Plätze vor dem Kaiser. 1 7 Die Leitung der Geschäfte nahm bis zu Berthas Volljährigkeit 1906 ihre Mutter Margarethe Krupp wahr. 1906 heiratete Bertha dann den deutschen Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach, der daraufhin in den Aufsichtsrat des Unternehmens eintrat und dort 1909 den Vorsitz übernahm, den er in der Folge bis 1943 innehatte. 1903 war Krupp formal in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, deren Aktienkapital zunächst auf 160 Millionen Mark festgelegt wurde. Bis auf einen ver151

schwindend geringen Bestand, verblieben sämtliche Aktien, die im übrigen nicht an der Börse gehandelt werden durften, bei Bertha Krupp, die damit faktisch als Alleinaktionär zu betrachten ist. Der Vorstand, der personell fast vollständig aus dem alten Direktorium hervorgegangen war, blieb in seinen Entscheidungen abhängig vom Aufsichtsrat. Über dessen Beschlüsse wiederum hatten die Aktionäre zu befinden, de facto also Bertha Krupp, deren unmittelbarer Repräsentant ja ab 1909 darüberhinaus den Vorsitz im Aufsichtsrat führte. 1 8 Die Kontinuität des Familienvermögens und des Zugriffs des Eigentümers auf die Geschäftspolitik blieb also im Falle Krupps k o m plett erhalten. Unter diesem Aspekt verlief also die Entwicklung des Unternehmens parallel zur G H H . 1 9 Die zweite Etappe der 1886 einsetzenden Wachstumsphase legte Krupp mithin in der Unternehmensform einer Aktiengesellschaft zurück, was dem Expansionstempo allerdings keinen Abbruch tat. Während dieser zweiten Etappe vollzog sich die Expansion, die lediglich von der zyklischen Krise 1907/08 kurz unterbrochen wurde, im wesentlichen als einfacher Konzentrationsprozeß, also als echte Neuanlage von Kapital. Diese konzentrierte sich vor allem auf den Ausbau der Werke in Essen und Rheinhausen, wo 1903 die noch unter Friedrich Alfred Krupp geplante Errichtung neuer Hochöfen, eines Thomasstahlwerkes, eines Walzwerkes und verschiedener Anlagen zur Verwertung von Nebenprodukten abgeschlossen wurde. Daneben reagierte man bei Krupp aber auch auf den stetig wachsenden Rohstoffbedarf durch den Ankauf weiterer Zechen und Grubenfelder. 2 0 Am Ende meines Untersuchungszeitraums figuriert Krupp mit einem Aktienkapital von 180 Millionen Mark als deutlich größtes Unternehmen des Samples. Im Jahre 1913 wies der Krupp-Konzern folgende Gliederung auf: Das Kernstück bildete nach wie vor die Gußstahlfabrik in Essen mit ihren ca. 60 Betrieben. Darüberhinaus befanden sich im vollständigen Besitz des Unternehmens die Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen, das Stahlwerk Annen in Annen, das Gruson-Werk in Magdeburg-Buckau, die Germaniawerft in Kiel, die Mühlhofenerhütte bei Engers, die Hermannshütte bei Neuwied, die Saynerhütte bei Sayn, die Zechen Hannover, Hannibal und Ver. Sälzer und Neuack, zahlreiche Eisensteingruben und Steinbrüche, zwei Schießplätze, ein Hafen mit Gelände am Rhein-Herne-Kanal sowie eine Reederei in Rotterdam mit zwei eigenen Schiffen. Hinzu kamen schließlich noch wesentliche Beteiligungen an der Westfälischen Drahtindustrie, der Zeche Emscher-Lippe bei Recklinghausen und an Eisensteingruben bei Bilbao. 2 1 Die kapitalstatistische

Entwicklung

bei

Krupp

Genaue Daten zur quantitativen Akkumulationsentwicklung bei Krupp liegen mir erst für die Zeit der AG, also seit 1903, vor, da das Unternehmen vorher keinem Zwang zur Publikation jährlicher Bilanzen unterlag. Für 152

diese Zeit aber zeigt sich ganz eindeutig, daß der Verlauf des Kruppschen Akkumulationsprozesses stark v o m Reproduktionsmodell Hilferdings divergierte. 2 2 Das konstante fixe Kapital und die Bilanzsumme steigen bei Krupp von 1903 bis 1914 mit annähernd gleicher Dynamik. Von einem jeweils sehr hohen Niveau ausgehend wächst das konstante fixe Kapital von 145,54 auf 245,05 Millionen Mark, also um 68,37%, und die Bilanzsumme steigt u m 70,94% von 360,6 Millionen auf 616,42. Betrachtet man die absoluten Zahlen, so steigt damit das konstante fixe Kapital innerhalb von 10 Jahren u m den für damalige Verhältnisse enormen Betrag von 99,51 Millionen Mark. Dabei schlägt sich die Wirtschaftskrise von 1907/08 beim konstanten fixen Kapital in einem vorübergehenden Absinken nieder, während die Bilanzsumme unbeeindruckt weitersteigt. Beurteilt man die Kapitalverwertung nach der Profitrate, so bewegt sie sich während des rekonstruierbaren Jahrzehnts mit flach steigender Tendenz auf ziemlich exakt durchschnittlichem Niveau, wie Schaubild 8 optisch verdeutlicht. 2 3 Wenn damit Krupp auch durchaus keine Monopolprofitraie erzielte, so ergab sich aus der realisierten Profitrate wegen der Höhe des Anlagekapitals doch eine ungeheure Profitwaiie. Im Bilanzjahr 1913/14 erreichte der Rohgewinn die Rekordhöhe von 54 Millionen M a r k . 2 4 Die Kriegskonjunktur brachte Krupp in absoluten Zahlen enorme Rüstungsgewinne. 2 5 Der rapiden Ausdehnung des konstanten fixen Kapitals stand eine relativ noch schnellere Steigerung der Profitmasse gegenüber. Was bedeutete diese Konstellation für das EFP? Im Schnitt der 11 Bilanzjahre stellt es sich auf astronomische 2040,02%, doch verdankt sich dieser Wert ausschließlich dem total atypischen S u m manden aus dem Jahr 1910/11, als das konstante fixe Kapital nicht wirklich zählbar stieg. Bereinigt man den Durchschnitt u m diesen Summanden, so k o m m t man a u f 9 8 , 2 3 % , einen, gemessen an den anderen Unternehmen des Samples, recht niedrigen Mittelwert. Reserven und Abschreibungen allein reichten also nicht ganz aus, u m die enorme Expansion des konstanten fixen Kapitals abzudecken. In den analysierten 11 Bilanzjahren wurde das EFP zweimal extern gestärkt. Z u m einen wurde das Aktienkapital 1906/07 von 160 auf 180 Millionen Mark erhöht, was den entsprechenden Erweiterungsschritt des konstanten fixen Kapitals zu 104,82% deckte. Die neuen Aktien wurden aber zu 100% von Bertha Krupp übernommen, 2 6 deren Privatvermögen sich letztlich ebenso wie das EFP des Unternehmens aus den erwirtschafteten Profiten speiste, die somit - zumindest seit der Jahrhundertwende - als absolut dominierende Finanzierungsquelle der Expansion bei Krupp anzusehen sind. Der einzige tatsächlich v o m Kapitalmarkt geleistete Akkumulationsbeitrag dieser Periode bestand in der von einem Bankenkonsortium übernommenen und piazierten 50 Millionen-Anleihe von 1908. 2 7 Das Bilanzjahr 153

1908/09 ist gleichzeitig das einzige, in dem das langfristige Fremdkapital gemeinsam mit dem konstanten fixen Kapital ansteigt, wobei die Deckung des letzteren durch das erstere 399,33% betrug. Vernachlässigt man abermals das Bilanzjahr 1911/12 wegen seiner Irrelevanz für den Wachstumsprozeß des Anlagekapitals, so beläuft sich das Verhältnis der Expansion der Kreditoren zu derjenigen des konstanten fixen Kapitals durchschnittlich auf 61,97%. Bedenkt man, daß der Posten Kreditoren wiederum sämtliche kurzfristigen Verbindlichkeiten umfaßt, so dürfte man den Beitrag der de facto langfristigen Kontokorrentkredite zum Akkumulationsprozeß auch für Krupp getrost als kaum ins Gewicht fallend qualifizieren. Das Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital blieb während der gesamten betrachteten Periode bemerkenswert niedrig und sank sogar tendenziell weiter ab, was statistisch auf die beträchtliche Differenz von Gesamtaktiva und Aktienkapital zurückzufuhren ist. Das Verhältnis Bankguthaben/Kreditoren schließlich weist noch einmal daraufhin, daß die Rüstungsgewinne Krupp mit einer hohen und vor allem gegen den Weltkrieg hin weiter ansteigenden Liquidität und finanziellen Dispositionsfreiheit versorgten. Besonders am Ende des Untersuchungszeitraums decken mehrfach allein die Bankguthaben des Unternehmens seine Gesamtkreditoren ab. Insgesamt bleibt also festzuhalten, daß der strategische finanzielle Faktor für die enorme Expansion des konstanten fixen Kapitals bei Krupp seit der Jahrhundertwende ganz eindeutig in der im Zuge der Rüstungskonjunktur realisierten Profitmasse zu sehen ist, aus der sich sowohl das EFP des Unternehmens als auch die Kapitalkraft der Eigentümerfamilie speiste, selbst, wenn die Profitrate wegen einer mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich hohen organischen Zusammensetzung des Kapitals keineswegs ein überragendes Niveau erreichte. Der direkte Akkumulationsbeitrag der Banken dagegen reduzierte sich, abgesehen v o m regulären Bankverkehr, während meines gesamten Untersuchungszeitraums von 1880 bis 1914 auf die Übernahme von drei Anleihen, auf die noch näher einzugehen sein wird, während die einzige Kapitalerhöhung 1906 aus dem Privatvermögen Bertha Krupps finanziert wurde. Damit befand sich Krupp von der Struktur seiner Kapitalreproduktion her in einer ähnlichen Ausgangskonstellation für die Gestaltung der Beziehungen zu seinen Banken wie die G H H , obwohl mit Blick auf die Anleihen der Akkumulationsbeitrag der Banken im Falle der G H H eher noch marginaler ausfiel als bei Krupp. Es kann nun nach den bisherigen Ergebnissen wenig überraschen, daß die institutionelle Verflechtung Krupps mit seinen Banken, für die j a überhaupt erst die Gremien der A G einen Ansatzpunkt boten, im Vergleich zu den anderen Unternehmen des Samples mit Ausnahme der G H H nur sehr schwach ausgeprägt war. Zwar saß von Beginn an Hofbankier Ludwig Delbrück ununterbrochen im Krupp-Aufsichtsrat, und Gustav Hartmann, der von 1903 bis 1908 in diesem Gremium den Vorsitz führte und dann ganz 154

ausschied, gehörte gleichzeitig unter anderem auch dem Aufsichtsrat der Dresdner Bank an, doch gelang es bis zum Weltkrieg keiner der Großbanken, auch nur einen Vertreter im Aufsichtsrat der Krupp AG zu piazieren. Darüberhinaus wäre von vornherein zu fragen, worin angesichts der bestehenden Aktienbesitzverhältnisse und der institutionellen Abhängigkeit des Aufsichtsrates vom faktisch einzigen Großaktionär Bertha Krupp die objektive Grundlage fur die Ausübung von Einfluß seitens des einzigen Bankiers im Aufsichtsrat hätte bestehen sollen. Wenn also Boelcke formuliert, Aufsichtsrat und Vorstand der Firma Krupp »verkörperten die Allianz von Großindustrie, Banken und Regierungsbürokratie«, 28 so ist doch darauf hinzuweisen, daß die Rolle der Banken in diesem Dreigestirn im Vergleich zur staatlichen Bürokratie schon rein personell verschwindend gering war. 2 9 Mit Blick auf den Akkumulationsprozeß bei Krupp und die institutionelle Verzahnung des Unternehmens mit den Banken besteht also wenig Anlaß zu der Annahme, die Durchsetzung der für die betreffenden Bankinstitute sehr profitablen Konditionen der 74er-Anleihe sei charakteristisch auch für die Bankbeziehungen Krupps während meines eigentlichen Untersuchungszeitraums. Doch bevor auf die Zeit von 1880 bis 1914 eingegangen werden kann, bedarf die besagte Anleihe von 1874 einer etwas ausführlicheren Wertung, weil in der bisherigen Literatur zu diesem Punkt eine Reihe wesentlicher Aspekte vernachlässigt wurde.

Die Krupp-Anleihe

von 1874

Über die Anleihe der Firma Krupp von 1874 ist schon viel geschrieben worden, in der Regel mit dem Tenor, die Banken hätten, die Notsituation Krupps benutzend, dem Unternehmen einseitig Bedingungen diktiert, die nicht nur ihren eigenen Profitinteressen sehr weitgehend auf Kosten Krupps Rechnung trugen, sondern ihnen auch Einfluß auf die weitere Geschäftspolitik der Firma sicherten. Gert von Klass beispielsweise bewertet den Anleihevertrag vom 4. April als »Dokument der Schmach für Krupp«, 3 0 für Richard Tilly symbolisiert die Anleihe die »geschichtliche Bedeutung des Kapitalmangels«, 31 und Feldenkirchen interpretiert sie als Schulbeispiel für die Ausnutzung finanzieller Abhängigkeit von Industrieunternehmen durch die Banken. Er schreibt: »Die Anleihe... macht deutlich, wie die Banken die Abhängigkeit der Unternehmen zur Einflußnahme ausnutzten. Die mit Hilfe der Seehandlung und einigen Berliner Banken piazierte Anleihe über 10 Millionen Taler hatte bei einem Kurs von 86 und einem Rückzahlkurs von 110 eine Verzinsung von 6%. Gleichzeitig entsandten die Banken einen Vertreter in die Unternehmensleitung, der die weitere Geschäftsentwicklung unmittelbar verfolgen sollte. « 32

Zur Stützung seiner Aussage verweist er auf ein Dokument des KruppArchivs, das indessen bei näherem Hinsehen nicht unbedingt verläßlich

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scheint, denn es handelt sich um die »Betrachtungen über Finanz-, Bilanzund Dividendenpolitik bei Krupp«, die Haux, ein Mitglied des KruppDirektoriums, im Jahre 1908, also mehr als 30 Jahre nach der Anleihebegebung(!) anfertigte. 33 Haux selbst war erst 1896 bei Krupp eingetreten, hatte also die in Rede stehende Situation nicht persönlich miterlebt. U n d in der Tat ergibt eine Analyse der Primärquellen 34 doch eine erhebliche Modifizierung des Bildes. Zunächst ist festzuhalten, daß nicht ein Kapitalmangel als solcher Krupp in Liquiditätsschwierigkeiten hineinmanövriert hatte, sondern die riskante Finanzierung der ungeheuren Expansion der 60er und frühen 70er Jahre über kurzfristige Bankkredite, die Alfred Krupp einer lange Zeit durchaus möglichen Fundierung durch die Aufnahme langfristigen Fremdkapitals vorgezogen hatte. 35 Als dann seit 1873 die Zahlungsprobleme akut wurden, gedachte Alfred Krupp, aus dieser Klemme gerade nicht mit Hilfe der Banken, sondern durch Ausspielung seiner intimen Kontakte zum Kaiser herauszukommen, indem der diesen um die Zurverfügungstellung von Staatsmitteln unter Hinweis auf die Bedeutung seines Unternehmens für die staatliche Rüstungspolitik anging. 3 6 Dabei ließ er jeden nüchternen Blick für den realen Handlungsspielraum seiner Gönner im Staatsapparat vermissen und brachte durch geradezu unverschämte Forderungen seinen Unterhändler Carl Meyer in Berlin in eine unmögliche Situation. Dieser schrieb im April 1873 an die Procura: »Gegenüber dieser wiederholten O r d r e , v e r b u n d e n mit d e m mir ebenfalls wiederholt zu Theil g e w o r d e n e n Befehl, der Auffassung Geltung zu verschaffen, es sei eine Berechtigung seitens der Firma vorhanden die 10 Millionen - (ganz oder wenigstens theilweise sogar zinsfrei) - zu beanspruchen, bin ich gezwungen, das durchaus irrige und u n m ö g l i c h durchzusetzende dieser Auffassungen nochmals d a r z u t h u n . . . Die Behörden sind u n s . . mit einer Liberalität e n t g e g e n g e k o m m e n , wie sie solche gesetzlich gar nicht rechtfertigen können. - Wie aber können wir n u n noch verlangen, daß uns Vorschußzahlungen - sogar noch unverzinsliche - auf O b j e k t e geleistet werden, die uns noch gar nicht bestellt sind? Gibt man uns das Geld, dann haben wir alle Ursache, die Z u v o r k o m m e n h e i t der Behörden a u f s Höchste zu preisen! . . . M i t derselben Energie, mit welcher der Finanzminister C a m p h a u s e n wiederholt erklärte, Gelder aus Staatsmitteln als Darlehn selbst nicht auf H y p o t h e k geben zu können, haben dieses der Fürst v o n Bismarck und der Minister Delbrück f ü r die Reichsmittel erklärt! U n m ö g l i c h k ö n n e n doch n u n diese Behörden uns mehr vorschußu/eise bezahlen als ihr Gesamtbedarf an Geschützen überhaupt beträgt. Wie, u n d mit welchen G r ü n d e n soll ich n u n auf Auszahlung v o n 10 Millionen bestehen? M i t welchem Staatsinteresse k ö n n e n Sie die enormen Erweiterungen, die beabsichtigt sind, motivieren, denn niemand wird zugeben, daß w e g e n eines N o c h b e d a r f s v o n ca. Thlr. 2000000 an Geschützen (mit Feldgeschütz Thlr. 5000000) Erweiterungen v o n Rthlr. 10000000 nöthig waren resp. noch sind. Die Behörden sind in einer sehr fatalen Lage, w e n n unser Antrag und seine event. Bewilligung zufällig zur Kenntnis des Reichstags käme, denn gesetzlich sind diese Vorschußzahlungen nicht zu rechtfertigen! Allzu s c h a r f m a c h t schartig! Verlangen wir U n m ö g l i c h e s , so riskieren wir, nichts zu b e k o m m e n ! Wenn die Minister d e m Fürsten v o n Bismarck und d e m

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Kaiser erklären: >die Firma Krupp verlangt von uns Unmögliches< - so werden beide Personen trotz höchsten persönlichen Wohlwollens für den Herrn Chef die Sache fallen lassen.« 37

Dennoch kam nach langem Hin und Her auf Intervention des Kaisers in letzter Sekunde 1874 die 10 Millionen-Anleihe zustande. Bezüglich der Gestaltung ihrer Bedingungen ist zwar Feldenkirchen soweit Recht zu geben, als in der Tat Übernahme- und Rückzahlkurs sowie die Verzinsung den Banken einen weit überdurchschnittlichen Zugriff auf die erwarteten Profite der Firma Krupp sicherten. Doch konnte andererseits auch Krupp eine ganze Reihe seiner Positionen in den Anleihe Verhandlungen durchsetzen. Vor allem Feldenkirchens Behauptung, die Banken hätten einen Vertreter in die Unternehmensleitung entsandt, trifft nicht zu. Es wurde lediglich Carl Meyer, also Krupps ureigenster Vertrauensmann und Verhandlungsfuhrer, beauftragt, die Banken periodisch mit Informationen über den weiteren Geschäftsgang bei Krupp zu versorgen. Diesen aber als Kontrolleur der Banken zu qualifizieren, wäre grotesk. Auch Meyer selbst sah dies so in seinem Bericht an Alfred Krupp über die Verhandlungen mit dem Konsortium vom 20. 4. 1874: »Von der Deputierung eines Controlleurs nehme man - unter Vorbehalt aller Rechte - unter der Bedingung Abstand, daß ich mich dem Consortium gegenüber ausdrücklich verpflichte, diese Funktion in seinem Interesse auszuüben. Es soll mir ein Formular zugehen, auf welchem ich monatlich Berichte über die Finanzlage zu geben habe! Es sei der bestimmt ausgesprochene Wunsch des Consortiums, so coulant wie die gesamten Verhandlungen gewesen seien, auch die fernere Abwicklung der Geschäfte zu betreiben.« 38

Auch hinsichtlich der vom Konsortium anfangs beabsichtigten Verpfändung der Kruppschen Werke zur Sicherung der Anleihe, gelang es Meyer im Endeffekt, diese auf wenige Objekte zu reduzieren. 39 Die Tatsache, daß es Krupp 1874 schaffte, trotz seiner momentanen Abhängigkeit von der Hilfe der Banken wenigstens einen Teil seiner Interessen zu wahren, ist darauf zurückzufuhren, daß sich angesichts der durchaus absehbaren Konsolidierung des Unternehmens die einzelnen Banken nach der weiteren Abwicklung seines Bankverkehrs drängten und aus dieser Konkurrenz der Bankinstitute fur Krupp ein Verhandlungsspielraum entstand. So schrieb etwa Meyer am 20. 4. 1874 an die Procura: »Übrigens brauchen Sie wegen der Crédité nicht in Sorge zu sein. Rüssel sagte mir, H. v. Hansemann habe ihm gegenüber wiederholt geäußert, er hoffe, durch das Anleihegeschäft zu einer intimen Geschäftsverbindung mit uns zu gelangen! Eine Credit-Kündigung hätten wir nicht zu fürchten!« Am 23. 4. berichtete er: »Die heutigen Verhandlungen mit v. Deckend u. v. Hansemann nahmen einen sehr günstigen Verlauf!... H. v. Hansemann wünscht sehr, daß unsere Beziehungen zur Disc.-Ges. die intimsten werden; wir hätten uns gegenseitig nie zu beklagen gehabt; wir dürften überzeugt sein, daß wir auch ferner nicht zu klagen haben würden!« 40

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Voll zum Tragen k a m dieser Handlungsspielraum des Unternehmens dann in dem M o m e n t , als durch die eingehenden Rüstungsaufträge aus dem Ausland die Kapitalverwertung wieder auf Touren k a m und die Liquiditätsengpässe überwunden waren. 1879 wurde die ursprüngliche Anleihe von 1874 zu wesentlich günstigeren Bedingungen konvertiert. Ein K o n s o r t i u m unter Führung der Deutschen B a n k , dem weiterhin die Bankhäuser D e l brück, Leo & C o . , Meyer, C o h n und Seligmann sowie der Schaaffhausen'sche Bankverein angehörten, übernahmen Krupp-Obligationen in einer Gesamthöhe von 2 2 500 0 0 0 M a r k , mit Hilfe derer die alte Anleihe zurückgezahlt wurde. D i e jährlichen Amortisationsleistungen der neuen Anleihe fielen wesentlich geringer aus, der Übernahmekurs betrug 1 0 2 % bei einer Rückzahlung zu 1 1 0 % und einer Verzinsung von 5 3 / 4 % . Eine Provision erhob das K o n s o r t i u m nicht! D i e endgültige Tilgung der Anleihe wurde für 1889 projektiert. 4 1 D i e Konkurrenz unter den Banken hatte Krupp 1874 selbst in einer Situation totaler finanzieller Abhängigkeit und der daraus resultierenden recht hilflosen Verhandlungsposition eine gewisse Glimpflichkeit der zu akzeptierenden Bedingungen eingebracht. Sie sollte dann auch in der Folgezeit während des gesamten Untersuchungszeitraums dieser Arbeit im Z u sammenspiel mit der nunmehr reibungslos funktionierenden Kapitalverwertung und relativen finanziellen Unabhängigkeit des Unternehmens das Verhältnis Krupps zu seinen Banken bestimmen. In den unmittelbaren Geschäftsbeziehungen gelang es Krupp, unter Ausspielung eben dieser K o n kurrenz ein hohes M a ß eigener Profitinteressen durchzusetzen, und a u f die Gestaltung seiner Geschäftspolitik gewannen die Banken, wie wir sehen werden, nie einen wesentlichen Einfluß. Dagegen scheint die Protektion Krupps durch den Staat und insbesondere den Monarchen, dessen persönlicher Intervention er es verdankte, daß sich 1874 überhaupt ein B a n k e n k o n sortium bereit fand, das mit der Ü b e r n a h m e der Anleihe verbundene Risiko einzugehen, später nur noch punktuell die Beziehungen des U n t e r n e h m e n s zu den Banken überlagert zu haben, nämlich im Zusammenhang mit den Kruppschen Interessen i m Ausland. 4 2 Die Kruppschen Anleihen und Kapitalerhöhungen Tabelle 10 faßt die wesentlichen Konditionen sämtlicher drei K r u p p - A n l e i hen zwischen 1880 und 1914 zusammen. Darüberhinaus enthält sie die Kapitalerhöhung von 1906, die aber fur die Frage nach den Bankbeziehungen des Krupp-Konzerns irrelevant ist, da, wie oben erwähnt, sämtliche neuen Aktien ohne Einschaltung der B a n k e n von Bertha Krupp ü b e r n o m men wurden. Schließlich ist in die Tabelle noch die Anleihe der G e w e r k schaft Emscher-Lippe aus dem Geschäftsjahr 1 9 0 9 / 1 0 aufgenommen w o r den, bei der Krupp und der Norddeutsche Loyd jeweils mit 5 0 % am Aktienbesitz beteiligt waren. Alle Krupp-Anleihen wurden unter der F ü h 158

rung der Dresdner Bank begeben. Daneben waren aber jeweils auch konkurrierende Institute vertreten, wobei die Deutsche Bank und Delbrück in allen Fällen den Konsortien angehörten. Die Bedingungen der Anleihen sind jeweils unter Berücksichtigung der konjunkturellen Situation als für Krupp sehr günstig zu beurteilen, was die Unternehmensleitung, wie wir noch sehen werden, auch selbst so wertete, während die Verdienste der Banken, soweit erkennbar, zwar durchaus eine stattliche Höhe erreichten, aber keineswegs etwa die These rechtfertigen, der Unternehmensgewinn sei zugunsten des zinstragenden Kapitals tendenziell geschrumpft. Die einprozentige Provision des Konsortiums bei der Gruson-Anleihe von 1893 betrug bei 24 Millionen 240000 Mark, wovon noch die Emissionskosten und sämtliche anderen Belastungen abgingen. Den verbleibenden Gewinn hatten sich dann immerhin vier Banken zu teilen. Bei der Anleihe von 1907/08 ergäbe sich aus der Differenz von Übernahme- und Zeichnungskurs ein Rohgewinn von 875000 Mark fur die sieben Mitglieder des Konsortiums, wenn man die vollständige Plazierung der Anleihe im Publikum unterstellt. 43 Für die Durchführung der Gruson-Anleihe 1893 hatte sich das Bankhaus Delbrück von sich aus erboten, ein Konsortium unter seiner Führung zusammenzustellen, welches sich zur Übernahme der Obligationen bereitfände, »und zwar zu so günstigen Bedingungen, wie sonst durch die Marktlage für Anlagepapiere nicht gerechtfertigt ist. « 44 Gestützt auf dieses Angebot konnte sich Krupp getrost auf einen Poker mit der Dresdner Bank einlassen. Direktor Schmidt berichtete am 21. 2. 1893 an das Direktorium: »Ich hatte heute eine längere Besprechung mit den Herren der Dresdner Bank. Dieselben waren durch unsere Ablehnung ihrer Vorschläge sehr enttäuscht und scheinen auf deren Annahme mit Bestimmtheit gerechnet zu h a b e n . . . A m Ende unserer heutigen Besprechung... habe ich die bestimmte Überzeugung gewonnen, daß die Dresdner Bank das Geschäft unter allen Umständen machen will, so kühl man sich anfangs meinen Gegenvorschlägen zeigte. «

Drei Tage später setzte er seinen Bericht fort: »Im Verfolg meines Berichtes v o m 21. d . M . theile ich ergebenst mit, daß die Verhandlungen mit der Dresdner Bank zu einem vorläufigen Abschluß gefuhrt haben. Die Bedingungen sind recht günstige für uns, so daß Herr Holländer (BHG - V. W.) Bedenken trug, das vorläufige mit seinem Kollegen Gutmann getroffene A b k o m m e n zu unterzeichnen. Die 4% Anleihe ist pari rückzahlbar, die Provision beträgt 1% inclusive der etwa 1/2% resorbierenden Emissionsunkosten... Die Handelsgesellschaft scheint es sehr übel genommen zu haben, daß das Geschäft nicht mit ihr direkt gemacht worden ist und zeigt sich spröde, in das Consortium einzutreten. «

Im Endeffekt erklärte sich die B H G aber nicht nur zum Beitritt in das Konsortium bereit, sondern akzeptierte auf den ausdrücklichen Wunsch Krupps hin auch die Hinzuziehung Delbrücks, gegen die sie sich zunächst gesperrt hatte. 4 5 Die Begebung der Germania-Anleihe von 1901 fiel in eine ungünstige 159

konjunkturelle Situation. Dennoch rissen sich die beteiligten Banken geradezu darum, an der Durchführung der Transaktion mitwirken zu können. Die B H G beispielsweise teilte Direktor Schmidt am 11.11. 1901 mit: »Nachdem die Germania zum Zwecke der Aufnahme einer Anleihe ihre Generalversammlung einberufen hat, nehme ich mir die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob die Begebung dieser Anleihe oder eines Theils derselben überhaupt beabsichtigt ist. In diesem Falle darf sich die Berliner Handels-Gesellschaft wohl in der Annahme berechtigt sehen, daß sie bei der Finanzierung dieses Geschäfts nicht umgangen wird. Ich wollte jedenfalls nicht verfehlen, Ihnen zu sagen, daß ungeachtet der mißlichen Zeitverhältnisse unsere Bank der Firma Krupp mit gleicher Begeisterung zur Verfügung steht wie in den Jahren der blühendsten Hochkonjunktur. « 46 (Abgesehen davon, daß der Brief zeigt, w i e bewußt sich die B H G der heftigen Konkurrenz seitens der anderen Institute war, macht er deutlich, daß die Bank keinen Einblick in die Intimitäten der Kruppschen Geschäftspolitik hatte.) Das Unternehmen entsprach dem Wunsche der B H G , drang aber darauf, daß neben ihr und der Dresdner Bank als Konsortialfiihrerin weitere Interessen berücksichtigt wurden. Die Dresdner Bank hatte dies ursprünglich vermeiden wollen, akzeptierte es aber letztlich widerstandslos: »Was den Wunsch des Direktoriums betrifft, daß die Deutsche Bank und die Direktion der Disconto-Gesellschaft zum Beitritt in das Übernahme-Consortium von uns aufgefordert werden, so steht demselben selbstverständlich von unserer Seite nichts entgegen. Bei unserer mündlichen Besprechung sind wir von der Voraussetzung ausgegangen, daß Ihnen an der Zuziehung dieser beiden Institute nichts liegen würde. « 47 Ebenfalls unter problematischen konjunkturellen Vorzeichen stand die 50 Millionen-Anleihe Krupps v o n 1908. Nichtsdestoweniger liefert sie ein Schulbeispiel dafür, wie das Unternehmen die Konkurrenz unter den einzelnen Banken ausspielte, u m unter den gegebenen objektiven Rahmenbedingungen möglichst viel v o n seinen Interessen durchzusetzen. Zunächst sondierte Schmidt bei der Dresdner Bank das Terrain und zeigte sich positiv überrascht v o n den ihm dort angebotenen Bedingungen. A m 20. 5. 1908 berichtet er an den Vorsitzenden des Krupp-Aufsichtsrates, Gustav Hartmann: »Da Geheimrat Müller seinen Urlaub angetreten hatte, besuchte ich auf der Dresdner Bank Herrn Gutmann und sprach ihm streng vertraulich über unsere Absichten; er ging sehr bereitwillig auf meine Vorschläge ein und nannte Bedingungen, die weit günstiger waren als ich annehmen zu können glaubte. « Drei Tage später fuhr er fort: »Die Besprechung auf der Dresdner Bank hatte ich mit Herrn Gutmann; sie hatte einen streng vertraulichen Charakter und war eine vorläufige Sondierung, sodass ich es für ausgeschlossen erachte, dass Herr Gutmann anderen Banken gegenüber auch nur die geringste Andeutung über unsere Pläne gemacht haben wird. Ich habe mir die

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Sache so gedacht, dass eigentliche Verhandlungen erst nach der Sitzung des Aufsichtsrats .. beginnen würden; dann beabsichtige ich allerdings, nach Rücksprache mit der Dresdner Bank, den anderen Banken selbst die Eröffnungen zu machen. « 4 8 I m f o l g e n d e n M o n a t hatte die K o n j u n k t u r b e u r t e i l u n g a u c h bei der D r e s d n e r B a n k w e s e n t l i c h p e s s i m i s t i s c h e r e Z ü g e a n g e n o m m e n , s o daß sie ihre e i g e nen V o r s c h l ä g e zur A n l e i h e e t w a s z u U n g u n s t e n K r u p p s k o r r i g i e r t e . G u t m a n n teilte S c h m i d t m i t , »daß alle es für aussichtslos erklärten, eine 4 % i g e pari rückzahlbare Anleihe zu 98% unterzubringen. Gutmann machte nun verschiedene Vorschläge: entweder hohes Aufgeld bei Rückzahlung, oder 4 1 / 2 % i g e Verzinsung, oder nur kommissarische Begebung, welche, wie er immer noch glaubte, Erfolg haben würde. Alle drei Vorschläge lehnte ich ab. Darauf fragte er mich, zu welchem niedrigsten Kurse wir wohl die Anleihe der Bank verkaufen würden. Ich nannte als Übernahmekurs 95 1/2%. Bei diesem Kurse und einem Emissionskurs von etwa 97% glaubte Herr Gutmann, daß das Geschäft möglich sei und erklärte sich bereit, für die Dresdner Bank fünf Millionen fest zu übernehmen.« 4 9 A u f G r u n d l a g e dieser V e r e i n b a r u n g e n trat S c h m i d t n u n m i t d e n a n d e r e n f ü r d a s K o n s o r t i u m ins A u g e g e f a ß t e n B a n k e n in V e r h a n d l u n g e n ein. W ä h r e n d F ü r s t e n b e r g f u r die B H G s o f o r t bereit w a r , die m i t G u t m a n n v e r e i n b a r t e n K o n d i t i o n e n zu ü b e r n e h m e n , insistierte S c h o e l l e r f ü r die D i s c o n t o - G e s e l l schaft zunächst auf 4 l / 2 % i g e r Verzinsung und einem Ü b e r n a h m e k u r s v o n h ö c h s t e n s 94. D i e D e u t s c h e B a n k d a g e g e n stieß sich nicht nur an d e n v o r g e s e h e n e n 4 % V e r z i n s u n g , s o n d e r n v o r a l l e m an der R o l l e der D r e s d n e r B a n k bei d e m A n l e i h e g e s c h ä f t : »Abends folgte die Besprechung mit Gwinner - Deutsche Bank. Hier fand ich eine stark feindliche Gesinnung gegen die Dresdner Bank. Die Deutsche Bank könne keine Geschäfte mitmachen, bei welchen die Dresdner Bank die Führung habe. « 5 0 A u f D r u c k K r u p p s lenkte die D e u t s c h e B a n k aber ein, u n d a u c h in der F r a g e der V e r z i n s u n g erreichte K r u p p die a n g e s t r e b t e n 4 % . D i e D i s k u s s i o n u m d e n strittigen Ü b e r n a h m e k u r s d a g e g e n e n d e t e m i t e i n e m K o m p r o m i ß . K o n z e s s i o n e n des U n t e r n e h m e n s i m B e z u g a u f seine H ö h e w u r d e n d u r c h die R ü c k z a h l b e d i n g u n g e n k o m p e n s i e r t . »Es bereitete mir lebhafte Freude, daß in der auf heute nachmittag verabredeten Zusammenkunft Gwinner ohne jeden Vorbehalt erklärte, mit Rücksicht auf die Beziehungen zu Krupp seine Weigerung, sich unter die Führung der Dresdner Bank zu stellen, fallen zu lassen. Nach der heute abend erfolgten letzten Besprechung soll dann dem für morgen mittag eingeladenem Konsortium vorgeschlagen werden: ein Übernahmepreis von 941/2, ein Ausgabekurs von 961/4. Damit das Disagio in seiner Wirkung gemildert wird, soll die Amortisation erst nach 4 Jahren beginnen und dann statt auf 30 auf 40Jahre verteilt werden. « 5 1

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Der Einfluß der Banken auf die Geschäftspolitik bei Krupp Das Fehlen von Ansatzpunkten im Kruppschen Akkumulationsprozeß zur Ausübung von Bankeneinfluß oder gar -herrschaft sowie die Konkurrenz unter den verschiedenen Bankinstituten boten dem U n t e r n e h m e n , wie wir sahen, eine ausgezeichnete Verhandlungsposition i m Bezug auf die Konditionen sämtlicher Anleihen des Untersuchungszeitraums. Vor diesem H i n tergrund überrascht es in keiner Weise, daß sich die Firma K r u p p auch bei der anderweitigen Durchgestaltung ihrer Geschäftspolitik totale U n a b h ä n gigkeit von den Wünschen und Meinungen der Banken bewahrte, was diesen auch durchaus selbst klar war. Es gibt zahlreiche Beispiele für B e m ü hungen seitens der Banken, K r u p p insbesondere ihnen genehme Zentralisationsschritte nahezulegen oder Geschäftskontakte anzudienen, die daran scheiterten, daß sie nicht in das strategische Konzept Krupps paßten. Einer der spektakulärsten dieser Fälle ist der Versuch der Deutschen Bank aus d e m Jahre 1906, K r u p p zur Angliederung der mit ihr in engem Kontakt stehenden Eisengroßhandelsfirma Steffens & Nolle zu bewegen. Dabei bediente sie sich der mit ihr liierten Essener Creditanstalt, der sie in Person von Oskar Schiitter (, selbst ehemaliger Direktor der Essener Creditanstalt,) am 14. August 1906 schrieb: »In einer mir nicht m e h r vorliegenden N u m m e r der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, die gestern oder vorgestern erschienen sein m u ß , war ein Artikel enthalten, der sich mit dem Zwischenhandel im Eisengewerbe befasst. N u r die Firma K r u p p , so hiess es ungefähr in d e m Artikel, habe eine engere Verbindung mit einer Händlerfirma noch nicht herbeigeführt, sie w e r d e j e d o c h auf die Dauer nicht u m h i n können, dies zu t h u n . . . Es w ü r d e uns außerordentlich interessant sein, zu erfahren, o b diese A u s f ü h r u n g e n eine greifbare Unterlage haben. Würden sie im Stande sein, bei d e m D i r e k t o r i u m der Firma in vorsichtiger Weise danach zu fühlen; denn sollten die A u s f ü h r u n g e n begründet sein, so m ü ß t e n wir ein gemeinsames Interesse daran haben, daß die Verbindung erfolgte mit einer Firma, die unserem Konzern näher steht, und da m ö c h t e ich a u f m e r k s a m machen auf die Firma Steffens & Nolle, hierselbst, die bekanntlich zu den größten, leistungsfähigsten Händlerfirmen Deutschlands gehört und z u d e m an dem dortigen Platze u n d dem dortigen Revier durch die G. m . b. H . gleichen N a m e n s vertreten ist. Ich weiß sehr wohl, wie schwer es ist, auf die Entscheidungen der Firma Krupp auch nur den geringsten Einfluß zu gewinnen (Hervorh. v. Verf.); aber man soll meines Erachtens nichts unversucht lassen, und es wäre vielleicht i m m e r h i n möglich, in vorsichtiger Weise auf die genannte Firma h i n z u w e i s e n . . . Ich betone nochmals, daß ich mir selbst von dem Versuch einer Einwirkung auf Krupp nicht viel verspreche (Hervor, v. Verf.), m ö c h t e Ihnen aber t r o t z d e m anheim geben, Schritte in die angedeutete Richtung zu tun. « 5 2

Die B e m ü h u n g e n der Creditanstalt blieben aber fruchtlos. K r u p p zeigte sich zumindest fur den Augenblick nicht interessiert, behielt sich aber vor, unter U m s t ä n d e n später auf die Frage z u r ü c k z u k o m m e n . Schiitter konstatierte am 29. 9. in einem Brief an das alliierte Essener Institut:

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»Gleich Ihnen sind wir der Ansicht, daß wohl nichts anderes übrig bleibt, als zunächst die Entschließung der Firma Krupp abzuwarten. « 5 3

Ganz ähnlich erging es Carl Fürstenberg 1904 bei dem Versuch, eine Interessengemeinschaft zwischen der Kruppschen Germaniawerft und dem Stettiner Vulcan zu lancieren. Bei letzterer Werft fungierte die B H G neben Bleichröder und Delbrück als Hausbank, und Fürstenberg hoffte, dem seinem Institut natürlich unzuträglichen Konkurrenzkampf zweier Kunden auf diese Weise ein Ende zu bereiten. Delbrück berichtete am 16. 4. 1904 an Roetger v o m Krupp-Vorstand: »Die Unterhaltung (zwischen Delbrück und Fürstenberg - V. W.) hat programmgemäß am Dienstag an der Börse stattgefunden. Er sprach mehr dennje, so daß ihm am Schluß der Schaum am Munde s t a n d . . . Der Plan der Interessen-Gemeinschaft scheint i h n . . . dauernd zu beschäftigen, und er nimmt an, daß es seinem erfinderischen Geist gelingen wird, über alle Schwierigkeiten hinwegzukommen. « S 4

Tatsächlich kam es zu Verhandlungen zwischen Krupp und Fürstenberg über dieses Thema, im Rahmen derer letzterer daran festhielt, der Vulcan habe aufgrund seiner höheren Rentabilität innerhalb der Interessengemeinschaft einen Anspruch auf bevorrechtigtes Partizipieren am Gewinn. Der gesamte Fusionsplan aber schien der Krupp-Unternehmensleitung zu riskant und die Dispositionsfreiheit belastend, so daß man letztlich nach folgender Verhandlungsstrategie verfuhr: »Alles in Allem kam man zu dem Schluß: Abwarten, was von der anderen Seite noch k o m m t und dann. herausziehen aus der Sache in freundschaftlicher Weise. « 5 S

1908 bot die Deutsche Bank Krupp den Kohlenfelderkomplex Lippermulde an, der mit der ehemaligen Thyssenschen und nunmehr dem Fiskus gehörenden Zeche Gladbeck markscheidete und 25 Maximalfelder umfaßte, erhielt aber nur eine trockene Absage: »Auf das geehrte Schreiben... erwidern wir Ihnen ergebenst, daß wir zur Zeit nicht beabsichtigen, dem Erwerb von Kohlenfeldern näher zu treten. « 5 6

Aber nicht nur im Bezug auf größere Zentralisations- und Konzentrationsprojekte sondern auch bei der versuchten Vermittlung von einfachen Geschäftsverbindungen erhielten die Banken von Krupp häufig Absagen. Ein Beispiel mag hinreichen, um dies zu illustrieren. 1914 bemühte sich die Deutsche Bank, in Deutschland Abnehmer für chilenische Eisenerzvorkommen zu finden und trat insbesondere auch an Krupp heran: »Durch einen Geschäftsfreund des uns nahestehenden Banco Alemán Transatlantico, Santiago, werden wir angefragt, ob wir eventuell in Deutschland Interessenten für ein Eisenerzvorkommen im Norden Chiles haben. Es handelt sich u m hochprozentiges Eisenerz mit über 60% Eisen und ca. 1 % Phosphor. «

Krupp zeigte sich aber nicht interessiert. 57 163

Wollten die Banken das Unternehmen zur Berücksichtigung ihrerjeweiligen Interessen bewegen, so hatte ein solches Unterfangen von vornherein nur dann Aussicht auf Erfolg, w e n n diese Interessen mit den eigenen Plänen Krupps zu vereinbaren waren. Aber auch in solchen Fällen mußten die Banken als Bittsteller auftreten, selbst w e n n es sich u m eigentlich selbstverständliche Anliegen handelte. Der in solchen Fällen angeschlagene devote Ton ist zwar für sich allein nicht unbedingt aussagekräftig, paßt aber nahtlos in das sich abzeichnende Bild der Unabhängigkeit Krupps von d e m Willen der Banken. D i e folgenden zwei Fälle scheinen durchaus charakteristisch zu sein: »Aus der im Berliner Börsen-Courir erschienenen Annonce betr. die Einlösung der Zinsscheine per 1. April er. ersehen wir, daß diesejetzt auch in Frankfurt a. M. bei der Direction der Disconto-Gesellschaft bewirkt werden kann. Mit Rücksicht darauf, dass wir an diesem Ort gleichfalls eine Filiale unterhalten, gestatten wir uns die höfliche Bitte auszusprechen, diese in etwaigen späteren Fällen gleichfalls als Zahlstelle in den jeweils erscheinenden Bekanntmachungen mit zu bezeichnen.« 58 »Wir gestatten uns, Herrn O. Schaarschmidt, Director der uns nahestehenden Deutschen Oel-Import-Gesellschaft bei Ihnen einzuführen und Ihrer gütigen Aufnahme und Aufmerksamkeit anzuempfehlen. Herr Direktor Schaarschmidt will sie im Interesse der von uns kontrollirten Aktiengesellschaft für Petroleum-Industrie >Steaua Romana« in Bukarest über Eigenschaften, Preise und Bezugsverhältnisse von M o t o r ö l . . . unterhalten... Wir zweifeln jedenfalls nicht, dass Ihnen die Fühlungnahme mit Herrn Schaarschmidt erwünscht sein kann und begrüssen Sie hochachtungsvoll Deutsche Bank. « 59

Die Banken als Agenten der Kruppschen

Interessen

In vielen Fällen nutzte Krupp die weitverzweigten Geschäftsverbindungen seiner Banken und die ihnen zugehenden Informationen zur Förderung seiner Interessen, s o w o h l zur Realisierung profitversprechender Geschäfte als auch zur Information über die ökonomischen und wirtschaftspolitischen Strategien seiner Konkurrenten. Dabei kam die Initiative häufig v o m Unternehmen selbst, oft aber übernahmen die Banken diese >Agentenrolle< auch v o n sich aus. A m 24. Oktober 1911 etwa schrieb die Deutsche Bank an Krupp: »Wir möchten nicht verfehlen, Ihnen ganz vertraulich davon Kenntnis zu geben, daß von bestimmter Seite aus Bestrebungen im Gange sind, bei der Reichsregierung einen Einfuhrzoll auf Aluminium durchzusetzen. Diese Bestrebungen gehen in der Hauptsache von den Besitzern grösserer Tonfelder in Baden aus, die sich zollfreie Einfuhr von Aluminium sichern wollen und dabei generell einen Schutzzoll auf Aluminium erstreben. Da wir wissen, daß Sie als Führer der Einkaufsvereinigung grosses Interesse zur Sache haben, so wollten wir nicht unterlassen, Ihnen von dem, was wir hören, Kenntnis zu geben, es dürfte vielleicht richtig sein, bereits jetzt vorbeugende Schritte bei den Behörden zu unternehmen, ehe noch die Sache akuter

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wird. Wenn wir Ihnen in dieser Angelegenheit noch irgendwie dienen können, so stehen wir natürlich mit Vergnügen zur Verfugung. « 60

Im Mai 1910 reflektierte Krupp (zum wiederholten Male) auf die Lateinamerika-Beziehungen der Deutschen Bank: »Es ist früher von Ihrer Seite wiederholt die Geneigtheit bekundet worden, mit Hülfe des Banco Alemán Transatlantico unsere Interessen in Peru zu fordern, und wir haben es sehr bedauert, daß trotz der von uns anerkannten tatkräftigen Unterstützung bei der Bestrebung u m Erlangung von Kriegsmaterialaufträgen ungünstige U m s t ä n d e einen Erfolg unmöglich gemacht haben. Z u r Zeit bietet sich für unser Grusonwerk in Peru die Chance, eine erhebliche Lieferung für die Anlage einer großen Zuckerfabrik zu erhalten. Es handelt sich u m die Casa Grande Zuckerplantagen A. G., bei der die Deutsch-Überseeische Bank nach unseren Informationen in hohem Maße beteiligt ist. Soviel wir wissen, k o m m e n neben dem Grusonwerk nur englische Wettbewerber in Betracht. Ich würde Ihnen zu großem Dank verpflichtet sein, wenn Sie dem Grusonwerk eine besondere Empfehlung fur dieses Geschäft zuteil werden lassen könnten. « 6 1 Daraufhin schrieb die Bank an ihre Filiale in Bremen: »Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, daß wir von dem Grusonwerk der Friedr. Krupp Aktiengesellschaft in Magdeburg-Buckau gebeten worden sind, ihm unsere Unterstützung bei der Erlangung des Auftrages auf die maschinelle Einrichtung der Zuckerfabrik der rubr. Gesellschaft zu g e w ä h r e n . . . Es ist uns natürlich mit Rücksicht auf die Förderung unserer Beziehungen zu Krupp sehr viel daran gelegen, dass das Grusonwerk wenn irgend möglich den Auftrag für die Lieferung der maschinellen Einrichtung bekommt. (Hervorh. v. V e r f . ) . . . Wir möchten Sie deshalb bitten, bei der Gesellschaft dort nach Kräften dafür einzutreten, daß dem Grusonwerk die gewünschten Lieferungen übertragen werden. « 62

Das Konfliktfeld

der

Auslandsgeschäfte

In der Einleitung dieses Kapitels ist darauf verwiesen worden, daß Krupp gegen den Weltkrieg hin bei seinen Waffengeschäften auf den Auslandsmärkten erheblich an Terrain verlor, insbesondere gegenüber seiner französischen Konkurrenz. Aus dieser Konstellation ergab sich auch ein besonderes Spannungsfeld zwischen dem Unternehmen und denjenigen Großbanken, mit denen es zusammenarbeitete. Denn um Waffenbestellungen in den zeitgemäßen Dimensionen tätigen zu können, mußten diejeweiligen Regierungen häufig auf die Begebung von Staatsanleihen zurückgreifen. Wurden diese von den Berliner Banken realisiert, so bestand natürlich die Chance zur Ausübung von Druck zur bevorzugten Berücksichtigung der deutschen Industrie bei der intendierten Vergabe der entsprechenden Aufträge - wovon nach Lage der Dinge in erster Linie Krupp profitieren mußte. Voraussetzung war aber, daß die Banken die ihnen zugedachte Rolle auch tatsächlich übernahmen. Boelcke schreibt zu diesem Problem:

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»Als Krupp Anfang 1914 zur Finanzierung seiner türkischen Rüstungsgeschäfte eine 120-Millionen-Anleihe verlangte, die Deutsche Bank sich aber widersetzte, flammte der offene Gegensatz zwischen Krupp und der Deutschen Bank auf. Die vielbeschworene und gefiirchtete Macht der Rüstungskonzerne hatte ihre Grenzen; sie bedurfte dringend der Allianz der Banken, um sich über deren beherrschende Position auf dem Kapitalmarkt auf dem Rüstungsmarkt behaupten zu können. «63 Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß Krupp eben stets ein äußerst attraktiver Kunde seiner Banken blieb und diese sich der ständigen Bedrohung ihrer Stellung als Bankverbindung des Unternehmens bewußt sein mußten. Wohl aus dieser Erwägung heraus exekutierten die Berliner Großbanken im Zusammenhang mit der Übernahme von Auslandsanleihen schon von sich aus die Kruppschen Interessen, wie etwa die B H G im Falle der serbischen Anleihe 1910. Gleichzeitig konnte sich Krupp jeweils der staatlichen Unterstützung sicher sein: »Betrifft Serbien - Herr Fürstenberg zeigte mir seine telegraphische Korrespondenz. .. Er hat am 12. nach dem Telefongespräch mit mir erklärt, dass die Berliner Handels-Gesellschaft von der Anleihe zurücktreten werde, falls ihre Ansprüche auf Bestellungen in Deutschland nicht befriedigt würden. Gleichzeitig ist ein Telegramm des Auswärtigen Amtes an den Gesandten in Belgrad gegangen, durch das er aufgefordert wird, die Erklärung der Handelsgesellschaft der Regierung mitzuteilen und energisch auf Berücksichtigung der deutschen Industrie zu dringen. Schließlich wird - auf meine Bitte - das Α. A. noch heute dem Gesandten in Belgrad telegraphieren, er solle der serbischen Regierung keinen Zweifel darüber lassen, dass die deutsche Regierung der Auflegung der serbischen Anleihe in Deutschland ernsthafte Schwierigkeiten machen würde, falls die Ansprüche der deutschen Industrie nicht genügend berücksichtigt werden würden. «64 U n d wenn tatsächlich einmal eine Bank sich erdreistete, die Profitbelange Essens bei ihrem Vorgehen zu ignorieren, so intervenierte die mit Krupp aufs engste verschwisterte staatliche Bürokratie zumindest hinter den Kulissen zugunsten des Rüstungskonzerns, so geschehen 1901 (?)6S bei einer Rumänien-Anleihe: »Herr von Mumm war heute im Auftrage des Staatssekretärs von Bülow bei mir, um folgendes zu berichten: Das Auswärtige Amt weiß, aber nicht amtlich, dass die Disconto-Gesellschaft vor dem Abschluß einer neuen rumänischen Anleihe von 200 Millionen Mark steht, wovon 100 Millionen zur Konversion dienen sollen, 100 aber bar bezahlt werden. Durch den Gesandten von Bray ist nun festgestellt worden, dass ca. 44 Millionen für militärische Zwecke, zur Neubewaffnung etc. bestimmt sind, aber Deutschland nur geringe Chancen hat, Bestellungen zu erhalten. Letztere würden voraussichtlich alle nach Frankreich gehen. Um dies zu verhindern, erscheint es angezeigt, einen Druck nach der Richtung auszuüben, dass gewisse Konzessionen für die deutsche Industrie seitens der rumänischen Regierung zugestanden werden. Das Auswärtige Amt kann dies nur in unvollkommenster Weise tun, weil es amtlich mit der Sache nicht befaßt, insbesondere auch die Disconto-Gesellschaft gar nicht an das Auswärtige Amt herangetreten ist. Uberhaupt muß das Auswärtige

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A m t daran festhalten, die Börse ihre Geschäfte unabhängig machen zu lassen, weil mit irgendwelcher Einmischung das Auswärtige Amt eine Art Verantwortlichkeit auf sich nimmt. Ferner darf das Auswärtige A m t nicht sehr weit gegen die Bank gehen, weil in solchem Falle das Zustandekommen des Anleihegeschäfts mit einer deutschen Bank ebenso wichtig sein muß wie die Unterstützung der deutschen Industrie und es sich nicht dem Vorwurf aussetzen darf, durch seine Einmischung das Geschäft verdorben zu haben. Es ist deshalb sehr wünschenswert, dass durch Krupp die entscheidenden Persönlichkeiten, Herr Hansemann, Schwabach etc., auf das grosse Interesse hingewiesen würden, dass das geliehene Geld auch zum Teil wieder nach Deutschland und nicht nach Frankreich zurückfließt. Herr von M u m m will mir die Auszüge aus den amtlichen Berichten des Herrn von Bray schicken und ist gern bereit, nachdem mittels persönlicher Besprechung und ohne jede Erwähnung, dass das Auswärtige A m t etwas davon wisse, durch Sie oder einen der anderen Herrn der Firma auf die Herren der Disconto-Gesellschaft ein Druck ausgeübt ist, Sie zu empfangen und das Weitere zu besprechen. Das Auswärtige Amt wird dann seinerseits thun, was es kann. Man wird gern auch von dort auf Herrn von Hansemann einwirken und eventuell die Presse benutzen. « 6 6

Das Fazit dieses Kapitels ist nicht besonders schwierig zu ziehen. Innerhalb des Gesamtreproduktionsprozesses des Kapitals in Deutschland nahm Krupp wegen der stofflichen Beschaffenheit seiner Produkte insofern eine Sonderstellung ein, als die von ihm hergestellten Waffen ihn zu einem gewichtigen Faktor im Rahmen des staatlichen Machtkalküls machten. Diese Tatsache führte dazu, daß die Verfilzung zwischen Krupp und dem Staatsapparat weit intensiver ausgeprägt war, als dies bei anderen Unternehmen der Fall war. Damit stand Krupp in Konflikt- und Notfällen jeder Art der Rückgriff auf die Einflußmöglichkeiten und Machtmittel des preußischdeutschen Staates offen, der sich zwar, wie gerade der Briefwechsel im Zusammenhang mit der besagten Rumänien-Anleihe illustriert, in erster Linie als Sachwalter der Interessen des deutschen Gesamtkapitals interpretierte, sich aber eben doch mit besonderem Wohlwollen der Kruppschen Belange annahm. Dieser besondere Nexus zwischen dem Staat und seinem mit Abstand bedeutendsten Rüstungskonzern überlagerte punktuell auch die Beziehungen Krupps zu seinen Banken. Die 1874er-Anleihe wurde nur möglich durch Intervention des Kaisers, und im Kampf um die Auslandsmärkte vor dem ersten Weltkrieg und den in dieser Situation angelegten latenten oder evidenten Interessendivergenzen zwischen Krupp und den Großbanken stärkte der Staatsapparat ziemlich eindeutig dem Industrieunternehmen den Rücken. Im wesentlichen aber wurde das Verhältnis K r u p p Banken durch den Verlauf des Kruppschen Akkumulationsprozesses im Zusammenspiel mit der virulenten Konkurrenz auf dem Bankensektor bestimmt. Aus dieser Konstellation ergaben sich nach 1874 nicht mehr die geringsten Ansatzpunkte für die Etablierung einer Herrschaft der Banken, deren Rolle sich im Bezug auf die unmittelbaren gegenseitigen Geschäftsbeziehungen während meines Untersuchungszeitraums, abgesehen vom regulären Bankverkehr, auf die Übernahme und Plazierung dreier Anleihen 167

reduzierte, allesamt zu für Krupp günstigen Konditionen. Die institutionelle Verflechtung beider Seiten blieb vergleichsweise schwach entwickelt, und Chancen zur Beeinflussung der Kruppschen Geschäftspolitik besaßen seine Banken so gut wie überhaupt nicht (, was sie sich auch selbst eingestanden). Sie wurden vielmehr umgekehrt von Krupp in vielen Fällen quasi als Agenten seiner Interessen, vor allem im Ausland, eingespannt, was sie in der Hoffnung auf eine Intensivierung der geschäftlichen Kontakte zu Krupp meistens scheinbar widerspruchslos und sogar bereitwillig akzeptierten. Insgesamt also erweist sich zur Erfassung der Struktur der Kruppschen Bankbeziehungen die Hilferdingsche Herrschaftsthese mit seltener Eindeutigkeit als untauglich. Das Einflußpotential der Banken bei Krupp blieb vor dem ersten Weltkrieg mit Ausnahme der durch eine zu riskante Finanzierungspolitik des Unternehmens provozierte Krise der siebziger Jahre minimal, was in letzter Instanz bedingt war durch eine Mischung aus für die allermeisten Unternehmen des Samples gültigen Merkmalen des individuellen Akkumulationsverlaufes (steigende Profitrate, Dominanz der Finanzierung aus den eigenen Profiten), aus strukturellen Bedingungen der kapitalistischen Reproduktion schlechthin (eine trotz häufiger gegenteiliger Unterstellungen virulente Konkurrenz unter den Banken) und schließlich einigen gerade für die Firma Krupp spezifischen Faktoren (Reichtum der Eigentümerfamilie, Verhältnis zum Staat), welche die Unabhängigkeit von den Banken noch weiter verstärkten.

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11. Die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hüttenaktiengesellschaft (Deutsch-Lux)

Die Geschichte der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und HüttenAktien-Gesellschaft mit Hauptsitz in Bochum ist eng verbunden mit dem N a m e n H u g o Stinnes, zweifellos eine der schillerndsten Unternehmer- und Managerpersönlichkeiten der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie während des Kaiserreiches und der frühen Weimarer Republik. 1 Unter seiner Ägide entwickelte sich Deutsch-Lux in wenig mehr als einem Jahrzehnt aus relativ kleinen Anfängen zu einem der größten deutschen gemischten Konzerne, was umgekehrt Stinnes den Aufstieg in die erste Garde der westdeutschen Schwerindustriellen bescherte. Die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten A G ist das jüngste Unternehmen meines Samples. Sie entstand 1901 durch die Übernahme der kurz zuvor in Liquidation getretenen A G für Eisen- und Kohlenindustrie Differdingen-Dannenbaum, die sich ihrerseits erst 1899 konstituiert hatte im Wege der Fusion des Hochofenwerks in Differdingen/Luxemburg mit der Zeche Dannenbaum bei Bochum, aber bereits zwei Jahre später infolge der einsetzenden Rezession in Zahlungsschwierigkeiten geriet und Konkurs anmelden mußte. Das Kapital von Deutsch-Lux wurde 1901 zunächst auf 24 Millionen festgelegt. Als Spiritus Rector der Sanierung von DifferdingenDannenbaum trat Bernhard Dernburg von der Bank für Handel und Industrie in Darmstadt (BHI) in Erscheinung, der auch den Aufsichtsratsvorsitz in der neuen Gesellschaft übernahm und mehrere Jahre bekleidete, bevor er ihn 1906/07 an H u g o Stinnes abtrat. 2 Die Beteiligung von Stinnes an der Gründung von Deutsch-Lux ist umstritten. Während Wulf behauptet, Stinnes habe mit Dernburg zusammengearbeitet, 3 datiert Gert von Klass den Beginn des Stinnesschen Engagements bei Deutsch-Lux erst auf 1904. 4 Während der ersten drei Jahre nach der Gründung ließ sich die Kapitalverwertung des Unternehmens sehr schleppend an, 5 so daß das Aktienkapital 1904 kurzfristig auf 12 Millionen Mark zusammengelegt werden mußte. Laut Klass begann H u g o Stinnes in dieser Situation mit dem großdimensionalen Ankauf von Deutsch-Lux-Aktien, und noch im gleichen Jahr erfolgte der Anschluß der Bergbauaktiengesellschaft Friedlicher Nachbar in Linden bei Bochum, wozu das Nominalkapital von Deutsch-Lux erneut auf 19 Millionen angehoben wurde. Von diesem Zeitpunkt an setzte eine Expansion des Unternehmens ein, die mit exorbitantem Tempo verlief und im 169

Rahmen derer sich ständig Konzentration und Zentralisation ergänzten. Dabei entsprach das materielle Konzept der Expansion ebenso der Tendenz der Zeit wie dem Muster, nach dem Stinnes auch in anderen Fällen vorging: die Ausdehnung von Deutsch-Lux verlief in vertikaler Richtung und zielte auf den möglichst vollständigen Verbund der aufeinanderfolgenden Produktionsstufen, wobei bis 1910 der Kohle- und Stahlbereich eindeutig im Mittelpunkt stand. Dem Friedlichen Nachbarn folgten 1905 die Angliederung der Friedrich-Wilhelm-Hütte (FWH) in Mühlheim und der Erwerb der Abbaurechte des Steinkohlenbergwerks Julius Phillip. Ein weiteres Steinkohlenbergwerk sicherte sich Deutsch-Lux 1908 mit der Louise Tiefbau bei Dortmund. Den Höhepunkt und Abschluß dieser ersten Phase der Expansion bildete das Jahr 1910, in dem sich Deutsch-Lux mit 49% an der Saar u. Mosel-Bergwerks AG in Karlingen beteiligte und sich die Gewerkschaft Tremonia bei Dortmund angliederte. Vor allem aber fiel in das Jahr 1910 die Verschmelzung mit der ebenfalls in Dortmund ansässigen Union, Aktiengesellschaft für Eisen und Stahlindustrie, selbst ein großes gemischtes Werk mit einer sehr wechselvollen und interessanten Geschichte. Dieser Zentralisationsschritt verlieh Deutsch-Lux mit einem Schlag eine neue Dimension (das Aktienkapital stieg aus Anlaß der Fusion von 63,5 auf 100 Millionen Mark - ) und ließ das Unternehmen zu einem der bedeutendsten europäischen Erzeuger von Eisen- und Stahlprodukten und einem der größten deutschen Bergwerksunternehmen aufsteigen. Der Sprung in die neue Größenordnung widerspiegelte sich auch in der Aufblähung der Unternehmensgremien. So wuchs die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder von 20 in 1909/10 auf 44 in 1910/11. 6 Von 1910 bis zum Weltkrieg lag dann der Akzent der weiteren Expansion auf dem Verarbeitungs- sowie dem Handels- und Transportsektor. 1911 erfolgte die Übernahme der Aktien der Emder Dock und Werft, Nordseewerke in Emden, die sich schwerpunktmäßig im Schiffs- und Maschinenbau betätigten und damit als Abnehmer der Deutsch-Lux-Produkte von Interesse waren. Über die Nordseewerke wiederum sicherte sich Deutsch-Lux gemeinsam mit der Firma Hugo Stinnes maßgeblichen Einfluß auf die Midgard, Deutsche Seeverkehrs AG in Bremen. Durch diesen Schritt und die ebenfalls noch bis 1914 erworbene Beteiligung an der Rhein- und Seeschiffahrtsgesellschaft in Köln verschaffte sich das Unternehmen ein Standbein auch im Transportbereich und arrondierte damit bis zum Ende des Untersuchungszeitraums die Palette seiner Produktionsstufen. Zur Durchführung der außerordentlich dynamischen Expansion der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG bis zum ersten Weltkrieg wurde das Aktienkapital des Unternehmens von 1904 bis 1912 insgesamt sieben Mal erhöht und stellte sich 1913 auf 130 Millionen Mark. Zusätzliche Finanzierungsmittel wurden darüber hinaus durch drei Anleihen in einer Gesamthöhe von 41 Millionen Mark mobilisiert. 7 1913 wies Deutsch-Lux dann folgende Struktur auf: Neben sechs Beteili170

gungen i m Stahl- u n d Transportsektor verfugte der Konzern über f ü n f Hauptabteilungen, den Steinkohlenbereich, mit insgesamt 11 Zechen bzw. Bergwerken, die Abteilung Differdinger Hüttenwerke, die Abteilung D o r t m u n d mit den Werken der U n i o n , die Friedrich-Wilhelms-Hütte in M ü h l heim an der R u h r sowie schließlich die Abteilung E m d e n . 8 D a m i t rangierte das U n t e r n e h m e n im R a h m e n meines Samples am Ende des U n t e r s u chungszeitraums v o m Nominalkapital her an dritter Stelle hinter K r u p p und dem Siemens-Konzern.

Die kapitalstatistische Entwicklung bei Deutsch-Lux Mit Bezug auf das Sample der von mir analysierten U n t e r n e h m e n trifft die These von der strategischen Bedeutung des Akkumulationsbeitrages der Banken am ehesten für Deutsch-Lux zu. Der G r u n d dafür liegt allerdings weniger in einer im Rahmen des Hilferdingschen Modells prognostizierten Erschlaffung der Eigenakkumulationskraft dieses U n t e r n e h m e n s ( - im Gegenteil, die Profitrate zeigte bis 1914 einen steigenden Trend - ) , als vielmehr an der unerhörten D y n a m i k der oben beschriebenen Expansion, welche Mittel erforderte, die die H ö h e der kurzfristig akkumulierbaren Profite zwangsläufig erheblich übersteigen m u ß t e n . 9 Ablesbar ist die Explosivität, mit der Deutsch-Lux seinen A k k u m u l a tionsprozeß erweiterte, sowohl an der Bilanzsumme als auch am konstanten fixen Kapital, das ohne jedes Stagnationsjahr kontinuierlich bis z u m Weltkrieg expandierte. Die Bilanzsumme stieg zwischen 1901/02 und 1913/14 von 44,70 auf 298,27 Millionen M a r k oder u m 667%. Mit fast gleich hoher D y n a m i k wuchs das konstante fixe Kapital i m gleichen Zeitraum, nämlich u m 612% von 35,83 auf 219,24 Millionen Mark. Die Profitrate des U n t e r n e h m e n s n a h m nach Ü b e r w i n d u n g anfänglicher, offenbar konjunkturell bedingter Verwertungsschwierigkeiten bis 1910 einen recht steilen A u f s c h w u n g auf immerhin 25%, ohne allerdings M o n o pol-, also überdurchschnittliches Niveau zu erreichen. A b 1910 k a m es dann nach der Angliederung der U n i o n zu einem abermaligen Absinken der Profitrate, das allerdings keine bedrohlichen Ausmaße annahm. Möglicherweise w u r d e dieser erneute Knick in der Profitrate, abgesehen von k o n j u n k turellen Einflüssen, vor allem verursacht durch die schon traditionell keineswegs glänzende Verwertungssituation der U n i o n . Schaubild 9 läßt die von Sondereinflüssen einzelner Bilanzjahre bereinigte Tendenz der Kapitalverw e r t u n g bei Deutsch-Lux erkennen. Auch wenn sich angesichts des sehr schnell aufgeblähten Anlagekapitals hinter der Profitrate, die durchaus keine überragende absolute H ö h e erk l o m m , eine sehr beachtliche Profit masse verbarg - sie erreichte in der Spitze 1912/13 i m m e r h i n 32,43 Millionen Mark - , konnten die realisierten Profite des U n t e r n e h m e n s nicht mehr als ein - w e n n auch solides - Grundpotential zur Finanzierung des enormen Expansionsprogramms liefern, was am Ei-

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genfinanzierungspotential des Unternehmens erkennbar ist. Das exorbitante Expansionstempo schlug sich nämlich in einem vergleichsweise sehr niedrigen EFP von durchschnittlich 167,82% nieder. Entzerrt man den Durchschnitt noch um den jeweils höchsten und niedrigsten Wert (670,37% in 1903/04 bzw. 24,89% in 1909/10), so reduziert sich das mittlere EFP bei Deutsch-Lux sogar auf 86,61%. Trotz - absolut gesehen - durchaus hoher Profite mußte also das Unternehmen zur Durchführung der schnell aufeinanderfolgenden Zentralisationsschritte immer wieder auf externe Kapitalquellen zurückgreifen. In erster Linie ist hier auf den Kapitalmarkt zu verweisen, der ein ums andere Mal gelegentlich der häufigen Kapitalerhöhungen und Anleihebegebungen in Anspruch genommen wurde. Innerhalb von nur 13 Bilanzjahren bis zum 1. Weltkrieg wurde das Gesellschaftskapital sieben Mal erhöht, vor allem zum Zwecke der Angliederung anderer Kapitale, aber auch zur Stärkung der Betriebsmittel, also des EFP, und zur Konvertierung von langfristigen Schulden in Eigenkapital. 10 Dabei betrug die Deckung der betreffenden Erweiterungsschritte des konstanten fixen Kapitals durch die jeweiligen Kapitalerhöhungen im Schnitt 66,02%. Keinen geringeren Finanzierungsbeitrag als die Kapitalerhöhungen leistete auch das langfristige Fremdkapital, dessen Aufblähung sich vor allem den bereits erwähnten drei Anleihen von 1902, 1908 und 1914 verdankte. Langfristiges Fremdkapital und konstantes fixes Kapital stiegen in immerhin 6 von 13 Bilanzjahren gemeinsam an. In diesen Jahren erreichte das mittlere Verhältnis des Wachstums beider Bilanzposten immense 447,01%, eine Ziffer, die wegen der verzerrenden Wirkung des Summanden für 1904/05, als das langfristige Fremdkapital stark, das konstante fixe Kapital dagegen kaum stieg, allerdings wenig aussagekräftig ist. Bezieht man den Extremwert von 1904/05 nicht mit in die Durchschnittsbildung ein, so ergeben sich aber immer noch beachtliche 72,71%. Diese extensive Inanspruchnahme des langfristigen Fremdkapitals fand ihren Niederschlag in einem recht niedrigen Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital, das phasenweise weit unter 100% absackte und sich erst gegen Ende des Untersuchungszeitraums durch den Umfang der Kapitalerhöhungen etwas stabilisierte. Im Mittel belief sich dieses Verhältnis auf 102,92%. Es existieren einige Indizien dafür, daß im Falle von Deutsch-Lux auch den vielzitierten langfristigen Kontokorrentkrediten eine nicht zu vernachlässigende, wenn auch hinter dem Gewicht der Kapitalmarktmittel deutlich zurückbleibende Bedeutung für die Finanzierung der Expansion des Unternehmens zukam. Bei den in der Akkumulationstabelle in Tabelle 11 auftauchenden Zahlen für die Kreditoren in den Bilanzjahren von 1905/06 bis 1907/08 handelt es sich um Daten für die »Kreditoren auf längere Frist«. Sie betrugen zu den drei betreffenden Bilanzstichtagen 9,10 bzw. zwei Mal 12,5 Millionen Mark. Ist die Annahme berechtigt, daß sich hinter diesen »Kreditoren auf längere Frist« hauptsächlich Kontokorrentkredite verbergen, so würde dies bedeuten, daß auch sie von Deutsch-Lux in nicht unwesentli172

chem Maße als zusätzliche Kapitalquelle für das Anlagevermögen herangezogen wurden. Stützen läßt sich diese Hypothese durch die, gemessen an den anderen Unternehmen des Samples, geringe mittlere Deckung der Bankschulden durch die Bankguthaben von 59,91%. Betrachtet man den Verlauf des Akkumulationsprozesses der DeutschLuxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG unter dem Gesichtspunkt des Beitrags der Banken, so läßt sich feststellen, daß dieses Unternehmen in ungewöhnlich hohem Maße von ihrer Mittelbereitstellung abhing. In erster Linie waren die Banken für Deutsch-Lux als Bindeglied zum Kapitalmarkt völlig unverzichtbar, und darüber hinaus scheinen sie auch eigenes Geldkapital in nicht ganz unerheblichem Umfang in das Unternehmen hineingepumpt zu haben. Zwar wurde diese überdurschnittlich intensive Abhängigkeit von der Kooperation der Banken nicht durch eine von Hilferding unterstellte Erlahmungstendenz des gesellschaftlichen Gesamtkapitals verursacht. Vielmehr entsprang sie insofern dem relativ späten Zeitpunkt der Unternehmensgründung, als um die Jahrhundertwende die Konkurrenzfähigkeit in der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie unterhalb einer gewissen Kapitaldimension kaum noch denkbar war, was für Deutsch-Lux einen erheblichen Nachholbedarf implizierte, den es über explosives (vertikales) Wachstum möglichst schnell zu kompensieren galt. Doch ändert dies nichts daran, daß sich Deutsch-Lux gegenüber seinen Banken vom Zwang zur Inanspruchnahme ihrer Dienste her in einer Ausgangsposition befand, die der von Hilferding für das industrielle Durchschnittskapital unterstellten ähnelte. Es ist deshalb besonders interessant zu sehen, ob die Banken diese Konstellation zur Etablierung einer Hegemonie über das Unternehmen ausnutzen konnten und wollten oder nicht. Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat und ihre Konkurrenz

untereinander

Ein Blick auf die bloße Menge ihrer Vertreter im Aufsichtsrat könnte, wie Schaubild 10 zeigt, zu der Annahme verleiten, die Banken hätten bei Deutsch-Lux tatsächlich zumindest über großen Einfluß verfugt. Der Anteil der Bankiers an den Aufsichtsratsmitgliedern steigerte sich von 37,5% in 1901/02 über 42,9% in 1907/08 auf 46,2% in 1913/14. Doch bereits ein oberflächlicher Blick auf die Graphik zeigt, daß die Fraktion der Bankiers im Aufsichtsrat von Deutsch-Lux keineswegs einen homogenen Block mit einheitlicher Interessenlage bildete, sondern ein äußerst heterogenes Bild konkurrierender Institute abgab. Am Ende des Untersuchungszeitraums entsandten allein vier der sechs Berliner Großbanken Vertreter in dieses Gremium, wobei allerdings für diese Zeit die Disconto-Gesellschaft und der Schaaffhausen'sche Bankverein bereits als Alliierte betrachtet werden müssen. Die BHI nahm unter den Kontaktbanken von Deutsch-Lux eine heraussgehobene Stellung ein, die zurückging auf die maßgebende Beteiligung dieses Instituts bei der Gründung des Unternehmens. Diese Privilegierung

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äußerte sich, abgesehen v o n den U m s ä t z e n , v o r allem darin, daß die B H I bei allen K a p i t a l e r h ö h u n g e n u n d A n l e i h e b e g e b u n g e n der D e u t s c h - L u x e m b u r gischen B e r g w e r k s - u n d H ü t t e n A G als Führerin des entsprechenden K o n s o r t i u m s f u n g i e r t e , 1 1 w a r aber auch institutionell fundiert. Von 1901/02 bis 1905/06 ü b t e die B H I in Person v o n B e r n h a r d D e r n b u r g den Aufsichtsratsvorsitz bei D e u t s c h - L u x aus, u n d n a c h d e m dieser v o n H u g o Stinnes abgelöst w o r d e n w a r , w u r d e D e r n b u r g s Kollege M a x v o n Klitzing dessen Stellvertreter. Zusätzlich saß ab 1906/07 bis z u m E n d e des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s mit G. v. Simson ein weiterer Vertreter der D a r m s t ä d t e r B a n k in diesem G r e m i u m . D e r Schaaffhausen'sche Bankverein k a m 1905/06 d u r c h W. Langen dazu, u n d ab 1908/09 w a r e n d a n n auch die D r e s d n e r B a n k d u r c h W. Mueller u n d die Disconto-Gesellschaft d u r c h Franz U r b i g präsent, zu d e m sich später n o c h seine Kollegen H o e t e r u n d Schöller ( - letzterer n u r f ü r ein J a h r - ) gesellten. U n t e r den restlichen B a n k e n i m Aufsichtsrat v o n D e u t s c h - L u x sind neben der Essener Creditanstalt, über die die D e u t s c h e B a n k ein Standbein i m U n t e r n e h m e n hatte, u n d d e m B a n k h a u s D e i c h m a n n v o r allem n o c h drei ausländische B a n k e n zu nennen, nämlich die Internationale B a n k in L u x e m b u r g , die B a n q u e de Bruxelles u n d die B a n q u e Liégoise in Lüttich. Die Vielfalt der Bankinteressen i m Aufsichtsrat entsprach die M e n g e der Institute, welche D e u t s c h - L u x zur A b w i c k l u n g seines regulären B a n k v e r k e h r s u n d zur D u r c h f ü h r u n g seiner häufigen Kapitaltransaktionen h e r a n z o g . 1 2 Ein aufschlußreiches Beispiel f ü r die Virulenz der K o n k u r r e n z , m i t der sich die verschiedenen B a n k e n gegenüberstanden, datiert aus d e m M ä r z 1914, als nach U n s t i m m i g k e i t e n über die Q u o t e n v e r t e i l u n g f ü r die Ü b e r n a h m e der anstehenden neuen D e u t s c h - L u x - A n l e i h e die D e u t s c h e B a n k u n d die B e r g i s c h - M ä r k i s c h e Bank aus d e m Ü b e r n a h m e k o n s o r t i u m austraten. 1 3 D i e Verhandlungsspielräume u n d Dispositionsfreiheiten i m Bezug auf die Geschäftspolitik, die D e u t s c h - L u x bei aller f u n k t i o n a l e n B e d e u t u n g der B a n k e n f ü r seinen A k k u m u l a t i o n s p r o z e ß durch die K o n k u r r e n z u n t e r den verschiedenen Instituten, also einen objektiven Faktor, entstanden, w u r d e n d u r c h einen subjektiven Faktor, nämlich die Persönlichkeit H u g o Stinnes', n o c h erheblich erweitert. Die A k t e n e r w e c k e n jedenfalls den sehr nachhaltigen E i n d r u c k , daß mit fortschreitender Zeit Stinnes i m m e r u n u m s c h r ä n k t e r die K o n z e p t i o n der Geschäftspolitik u n d insbesondere das finanzielle G e b a ren des U n t e r n e h m e n s b e s t i m m t e . 1 4 Diese w e n i g Widerspruch d u l d e n d e D o m i n a n z m u ß t e natürlich u m g e k e h r t die M i t b e s t i m m u n g s m ö g l i c h k e i t e n der Bankiers i m Aufsichtsrat auf ein M i n i m u m reduzieren. Einen typischen Fall schildert das Protokoll der Aufsichtsratssitzung v o m 19. 3. 1910: »Vor Eintritt in die Tagesordnung beklagte sich Herr Direktor Steinthal 15 darüber, dass von den unsere Gesellschaft betreffenden finanziellen Transaktionen der Aufsichtsrat gewöhnlich zuerst durch die Zeitungen erführe. Er regt an, ob es denn für die Folge nicht einzurichten sei, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates schon vor den

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Sitzungen über die Verhandlungen unterrichtet würden. Der Herr Vorsitzende (also Stinnes - V. W.) macht.. auf die schweren Bedenken aufmerksam, die dagegen sprächen, unfertige, in Vorbereitung begriffene Projekte den Mitgliedern des Aufsichtsrats offiziell mitzuteilen. «16 Lediglich Max von Klitzing (BHI), der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, scheint als einziger Bankier während der Ära Stinnes mit den Details laufender Vorgänge bei Deutsch-Lux befaßt gewesen zu sein. 17 Die weitere Analyse der Quellen ergibt, daß es Deutsch-Lux unter Ausnutzung der Rivalität zwischen den einzelnen Instituten gelang, bei der Abwicklung seiner Bankgeschäfte und in Konfliktfällen zumindest jede tendenzielle Dominanz der Banken zu vermeiden, in der Regel aber sogar die weitgehende Berücksichtigung der eigenen Interessen durchzusetzen.

Die Kapitalerhöhungen

und Anleihen

bei

Deutsch-Lux18

Bei den Finanztransaktionen der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerksund Hütten AG manifestierte sich die Stellung der BHI als erste Hausbank des Unternehmens darin, daß sie in allen Fällen als Konsortialfuhrerin auftrat und auch stets - seit 1912 gemeinsam mit der Disconto-Gesellschaft, die ihre Stellung bei Deutsch-Lux durch die Verschmelzung der Gesellschaft mit der Dortmunder Union ausgebaut hatte, - die höchste Quote aller Konsorten übernahm. Seitens Deutsch-Lux wurden die entsprechenden Verhandlungen jeweils von Hugo Stinnes gefuhrt, der die Ergebnisse dann dem Aufsichtsrat mitteilte. Dort wurden sie ausnahmslos ohne erkennbare Konflikte akzeptiert. Für die Kapitalerhöhung von 1908 spricht das betreffende Aufsichtsratsprotokoll von langwierigen Verhandlungen mit den beteiligten Banken. 1 9 In der Substanz stellten die ausgehandelten Konditionen, soweit rekonstruierbar, durchweg recht ausgewogene Kompromisse dar, die den Interessen beider Seiten entgegenkamen. Hohen, am enormen Kapitalbedarf des Unternehmens orientierten Übernahmekursen insbesondere der jeweils neu emittierten Aktien standen gute, wenn auch risikobehaftete Verdienstchancen der Banken und stattliche Provisionen (1912 immerhin 5%, die sich allerdings 13 Banken zu teilen hatten) gegenüber. Dabei ist es interessant festzustellen, daß sich die Konditionen in dem Maße günstiger für Deutsch-Lux gestaltet zu haben scheinen wie sich durch die verschiedenen Angliederungen der Kreis der Geschäftsbanken des Unternehmens erweiterte. Während bis einschließlich 1909 der über den Übernahmekurs hinaus erzielte Emissionsgewinn komplett an die Banken fiel, absorbierte von da an das Unternehmen seinen Löwenanteil. Zwar sackten gleichzeitig die Übernahmekurse der zu emittierenden Aktien ab, doch dürfte dies wohl weniger als Kompensationsleistung an die Banken für das Partizipieren des Unternehmens am Emissionsgewinn zu interpretieren sein, sondern eher als Reaktion auf die objektiv veränderten fundamentalen Daten der Gesellschaft 175

- ab 1910 wies j a die Profitrate einen ziemlich scharfen Knick nach u n t e n auf - u n d auf eine veränderte Börsenverfassung. D a ß andererseits auch der Verhandlungsspielraum v o n D e u t s c h - L u x an Grenzen geriet, zeigte sich gerade dann, w e n n es u m gemeinsame Interessen aller an der betreffenden Transaktion beteiligten B a n k e n ging. 1909 etwa hatte sich das U n t e r n e h m e n v o n der K a p i t a l e r h ö h u n g u m 12 Millionen M a r k nach der beabsichtigten K ü n d i g u n g alter Schuldverschreibungen auf G r u n d l a g e des v o n der B H I i m N a m e n des K o n s o r t i u m s vorliegenden Ü b e r n a h m e a n g e b o t s n o c h eine zusätzliche Stärkung der Betriebsmittel v o n ca. 8 Millionen ausgerechnet. D o c h stellte sich nachträglich heraus, daß in der B a n k e n o f f e r t e der A b z u g eines Dividendenabschlages vernachlässigt w o r d e n war, was den D e u t s c h - L u x tatsächlich zufließenden Reinerlös der Transaktion u m 4 % minderte. Stinnes b e m ü h t e sich, die B a n k e n z u m Ausgleich des Verlustes zu b e s t i m m e n , m u ß t e aber a m 2 6 . 1 0 . 1909 d e m Aufsichtsrat mitteilen, das »Bankenkonsortium habe sich geweigert, uns diese Differenz oder einen Teil derselben zu vergüten und so bleibe nach Lage der Dinge und der inzwischen gesunkenen Kurse nichts weiter für uns übrig, als uns mit einem um 4% geringeren Erlös als in der vorigen Sitzung angenommen, zu begnügen. « 20

Die direkten Konfliktßlle

zwischen Deutsch-Lux

und den Banken

Die B e d i n g u n g e n der verschiedenen Emissionsgeschäfte hatten jeweils die Belange s o w o h l des U n t e r n e h m e n s als auch der B a n k e n relativ a u s g e w o g e n berücksichtigt, o h n e daß letztere etwa in der Lage gewesen w ä r e n , den G r ü n d e r g e w i n n tendenziell zu absorbieren, aber auch o h n e faßbare Ü b e r l e genheit der industriellen Seite. D e m g e g e n ü b e r v e r m o c h t e in allen in den Quellen a u f f i n d b a r e n - allerdings recht spärlich gesäten - Konfliktfällen i m R a h m e n der sonstigen Geschäftsbeziehungen D e u t s c h - L u x seine Position durchzusetzen. Ein besonders klares Beispiel d a f ü r liefert die Auseinandersetzung u m die offizielle E i n f u h r u n g der D e u t s c h - L u x - A k t i e n an der H a m b u r g e r B ö r s e i m J a h r e 1910. 2 1 Bereits i m N o v e m b e r 1909 hatte sich die Vereinsbank in H a m b u r g mit der Bitte an die B H I g e w a n d t , ihren Einfluß bei D e u t s c h - L u x in R i c h t u n g auf eine solche E i n f ü h r u n g geltend zu m a c h e n , d o c h hatte die B H I d e m U n t e r n e h m e n zu diesem Z e i t p u n k t selbst n o c h v o n diesem Schritt abgeraten. Als sich dann aber k n a p p e i n J a h r später, i m N o v e m b e r 1910, der »Verein der a m Wertpapierhandel beteiligten Firmen« abermals mit d e m s e l ben Anliegen an D e u t s c h - L u x w a n d t e , m a c h t e sich die B H I zur F ü r s p r e c h e rin des Projektes: »In Beantwortung Ihrer geehrten Zuschrift möchten wir Ihnen empfehlen, sich wegen der Einfuhrung Ihrer Aktien an der Hamburger Börse mit der Vereinsbank in Hamburg in Verbindung zu setzen, welche in dieser Sache als Vertreterin unserer

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Bank zu betrachten ist. Die Vereinsbank in H a m b u r g wird sich mit den Filialen der Deutschen und der Dresdner sowie mit der Norddeutschen Bank als Vertreterin der Direction der Disconto-Gesellschaft in Verbindung setzen und wird sie alsdann benachrichtigen, welche Spesen durch die Einführung des gesamten Aktienkapitals an der Hamburger Börse verursacht werden. « 2 2

Deutsch-Lux ging auf den Vorschlag seiner Hausbank ein und wandte sich an die Vereinsbank. Diese präsentierte am 14.10. ihr Angebot: »Wir bestätigen den E m p f a n g Ihres geschätzten Schreibens v o m 10. ds. und teilen ergebenst mit, daß wir mit Vergnügen bereit sind, in Gemeinschaft mit der N o r d deutschen Bank und den hiesigen Filialen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank die Einfuhrung Ihrer sämtlichen Aktien zu besorgen. - Nach Rücksprache mit den genannten Banken erlauben wir uns, Ihnen die Gebühr der vereinigten Banken mit M. 30000 anzugeben. Zu diesem Betrage treten die Auslagen an Einführungs-, Insertions- und anderen dergleichen Kosten. Die Einführungskosten in H a m b u r g sind verhältnismäßig gering. Für die Zulassungsgebühr wird der Höchstbetrag von M. 5 0 0 , - in Frage kommen. «

Als Reaktion auf dieses Angebot beschwerte sich Deutsch-Lux bei der BHI wegen der geforderten Provision von 30000 Mark. Diese gab dem Unternehmen teilweise Recht, empfahl aber die Bewilligung von 20000 M. Als nach einem entsprechenden Briefwechsel die Vereinsbank sich nicht bereit zeigte, von den 30000 Mark abzurücken, teilte ihr Deutsch-Lux am 1. N o vember 1910 mit: »Mit Rücksicht auf die Höhe der Kosten bedauern wir, uns zur Einfuhrung unserer Aktien an der Hamburger Börse vorläufig nicht entschliessen zu können. « Daraufhin signalisierte die Vereinsbank Kompromißbereitschaft und reduzierte namens des Konsortiums am 2. November die Provisionsforderung auf 20000 Mark. Doch auch diese Summe schien dem Unternehmen überzogen: »In Erledigung der gefl. Zsuchriften v o m 2. und 4. er. erwidern wir Ihnen ergebenst, daß uns die von Ihnen beanspruchte Gebühr zu hoch erscheint. Wir müssen deshalb von der Beantragung der Zulassung unserer Aktien an der dortigen Börse zu unserem Bedauern absehen. « 2 3

Nun schaltete sich der Vorstand der Wertpapierbörse in Hamburg mit dem Bemühen um Vermittlung in die Angelegenheit ein, aber erst, nachdem das Konsortium von den ursprünglichen 30000 Mark 50% nachließ und sich mit einer Provision von 15 000 Mark zuzüglich 1000 Mark als Pauschalsumme fur die Übernahme aller weiteren Kosten begnügte, willigte Deutsch-Lux Ende Dezember 1910 in die Einfuhrung seiner Aktien in Hamburg ein. Daß es sich das Unternehmen im alltäglichen Verkehr mit seinen Banken erlauben konnte, bis zur Prinzipienreiterei hin auf seiner Position zu beharren, zeigt ein Vorgang, der sich allerdings kurz nach Ausbruch des Krieges abspielte und bereits außerhalb meines eigentlichen Untersuchungszeitraums liegt. 24 In ihrem Brief vom 9. November 1914 bat die BHI im Namen der Banque de Bruxelles Deutsch-Lux, in seinen Unternehmensbüchern 177

Belastungen für Obligations-Coupons vorzunehmen, welche die Banque de Bruxelles flir das Unternehmen eingelöst, ihm aus technischen Gründen aber nicht zusenden konnte. Mit diesem Ansinnen aber stieß man bei Deutsch-Lux auf wenig Gegenliebe: »Es ist bei uns immer so gehandhabt worden, die Werte für eingelöste Zinsscheine und Obligationen erst bei Empfang der Stücke gutzuschreiben. Wenn es sich bei dem uns durch Schreiben vom 9. d. M. aufgegebenen Zinsscheinen wegen der Banque de Bruxelles auch um keine hohen Beträge handelt, so bedauern wir doch, auch im vorliegenden Falle von unserem Grundsatz mit Rücksicht auf die für die Zukunft sich ergebenden Folgerungen nicht abgehen zu können. «2S In einem weiteren Schreiben an die Darmstädter Bank spielte das Unternehmen dann die konkurrierenden Interessen der verschiedenen Bankinstitute aus, indem man die entsprechenden Buchungen davon abhängig machte, daß die eingelösten und damit entwerteten Zinsscheine bei der Filiale der Deutschen Bank in Brüssel hinterlegt würden. 2 6 Selbst im Falle v o n Verlusten, die den Banken aus Serviceleistungen für Deutsch-Lux entstanden, konnten sie es sich offenbar nicht leisten, sich ohne Rückfrage eigenmächtig an den Guthaben des Unternehmens schadlos zu halten. Beispielsweise schrieb die BHI am 5.12. 1914: »Einer allgemeinen Übung entsprechend haben wir und die übrigen Zahlstellen rubr. Anleihen bislang die am 1. Januar fällig werdenden Zinsscheine bereits am 15. des dem Fälligkeitstage vorangehenden Monats eingelöst, die Einlösungsmittel jedoch erst am 22. Juni bzw. 22. Dezember von Ihnen erhalten. Da wir den sich hieraus ergebenden Zinsverlust weiterhin nicht auf uns nehmen können, so bitten wir, uns jeweils bereits am 15. Dez. und 15. Juni Ihre Anschaffung zukommen zu lassen, oder uns zu ermächtigen, Ihnen den Betrag der Semestralität val. 15. Dezember bzw. 15. Juni auf Conto-ordinario zu belasten. « 27 Zur vorübergehenden Belastung der Vorschüsse in laufender Rechnung erklärte sich Deutsch-Lux schließlich bereit. 2 8 Wie alle anderen Unternehmen des Samples spannte natürlich auch Deutsch-Lux die Verbindungen und Kontakte seiner Banken für seine eigenen Interessen ein, insbesondere im Bezug auf Börsenfragen. Als etwa das Unternehmen 1913 sein Aktienkapital u m weitere 30 Millionen Mark erhöht hatte und diese an der Börse in Brüssel einführen wollte, stieß man auf Schwierigkeiten mit der Zulassungsstelle, zu deren Überwindung man sich der Banque Internationale de Bruxelles bediente. Diese informierte am 25. März B o c h u m über den Stand der Dinge: »Antwortlich Ihres geehrten Schreibens vom 22. ds. Mts. erlauben wir uns Ihnen mitzuteilen, daß die hiesige Börsen-Comission Notizen von Aktien in der Colonne >Temporaire Notizen< nur vornehmen will, wenn diese in einem Zeitraum von nicht über 3 Monaten mit den regulär notierten Aktien gleichgesetzt werden. Nachdem die Couponzahlung fur Deutsch-Luxemburg erst in einem halben Jahre erfolgt, hat die Börsen-Comission unser diesbezügliches Ansuchen auf ca. 3 Monate zurückge-

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stellt. Wir sind schon aus eigenem Antriebe nochmals bei der Börsen-Comission vorstellig geworden und werden Sie von dem weiteren Verlauf der Angelegenheit gern auf dem laufenden halten. « 29

Schließlich gelang es der Bank, den Wünschen des Unternehmens bei der Börsen-Comission zur Durchsetzung zu verhelfen. 30 War die - mit dem Expansionsprozeß der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG um immer mehr Institute bereicherte - virulente Konkurrenz unter den Banken, die an Geschäftsbeziehungen zu dem ökonomisch erfolgreichen und schnell wachsenden Unternehmen natürlich interessiert sein mußten, die objektive Grundlage für die Bewahrung seiner Souveränität gegenüber jeglichen Tendenzen einer Bankensuprematie, so lag es vor allem an der Kompromißlosigkeit eines Hugo Stinnes, daß diese Grundlage in so stringenter Weise ausgenutzt wurde. Nicht nur drängte, wie oben gesehen, seine unumschränkte Führungsposition in der Unternehmensleitung die Bankiers im Aufsichtsrat - vielleicht mit Ausnahme der Repräsentanten der BHI - in die Rolle von Statisten, sondern darüberhinaus mußten Bankinstitute, deren Vertreter Stinnes persönlich verärgert hatten, um ihren Anteil an den Bankumsätzen von Deutsch-Lux und den anderen Stinnesunternehmen fürchten. Die Deutsche Bank etwa hatte das bereits 1900 zu spüren bekommen, als sie über Klönne die Aufnahme einer Geschäftsverbindung zu Stinnes betrieb. Klönne erreichte sein Ziel aber nur durch Vermittlung von August Thyssen, der ihm am 5. 4. 1900 schrieb: »Mit Herrn Stinnes habe ich soeben Rücksprache genommen. Derselbe ist Ihnen böse, weil Sie s. Zt. (1884) seinen kranken Vater wiederholt scharf gemahnt haben. Ich habe mit ihm vereinbart, daß Sie sich bei Ihrem nächsten Besuch in Mülheim in meiner Wohnung treffen, um sich auszusprechen. Die von Ihnen gewünschte Verbindung wird wohl das Resultat der Unterredung sein.« 31

Umgekehrt bemühten sich die Banken, ihrerseits von dem großen Einfluß Stinnes' in der Ruhr-Industrie zu profitieren, insbesondere mit Blick auf die Aufteilung des Bankverkehrs der entstehenden Syndikate. Dabei konnten sie aber auf keinerlei Druckmittel zurückgreifen, sondern hatten als Bittsteller aufzutreten, wie ζ. B. die Dresdner Bank bei der Konstituierung des Roheisensyndikats im Jahre 1911: »Mit unserem Ergebenen vom 17. August 1910 haben wir uns erlaubt, Ihnen von unserem Wunsche Kenntnis zu geben, zu den bankgeschäftlichen Umsätzen des Roheisen-Verkaufskontors, sobald letzteres die direkte Abrechnung zwischen seinen Mitgliedern und deren Kundschaft aufgeben und zum eigenen Geldverkehr übergehen sollte, in möglichst grossem Umfange hinzugezogen zu werden, ein Wunsch, welchen wir auch für das seinerzeit zur Auflösung gelangte alte Roheisensyndikat einen großen Teil seiner Umsätze besorgt hatten. Nachdem inzwischen der damalige provisorische Verband infolge der Verständigung mit den Siegerländer Werken zu einem definitiven gestaltet worden ist, nehmen wir an, dass weiterhin die Fakturierungen durch den Verband und die Zahlungen an diesen zu erfolgen haben werden.

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In dieser Annahme beabsichtigen wir dem Roheisen-Verkaufskontor nunmehr unser Dienstanerbieten zu machen und wären Ihnen außerordentlich verbunden, wenn Sie Ihren weitreichenden Einfluß in den in Betracht kommenden Kreisen zu unseren Gunsten geltend machen wollten. Wir sagen Ihnen für Alles, was Sie in dieser Angelegenheit im Interesse unseres Instituts zu tun in der Lage sein werden, schon im Voraus unseren wärmsten Dank und zeichnen, mit Vergnügen stets zu Ihren Diensten.« 3 2

In seinem (vertraulichen) Antwortbrief schrieb Stinnes, er habe »das Nötige veranlaßt«. 33 Bemühen wir uns nun um eine kurze Quintessenz des Kapitels! Die Geschichte der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG wurde bis zum ersten Weltkrieg geprägt durch einen Expansionsprozeß von ungeheurer Dynamik. Dieser Expansionsprozeß erforderte Investitionsmittel in einer Höhe, welche die realisierbaren Profite weit überstieg, obgleich diese, absolut betrachtet, durchaus ein beachtliches Niveau erreichten. Aus diesem Grunde traten neben die Profite die häufigen Kapitalerhöhungen und Anleihebegebungen als weiterer strategischer Finanzierungsfaktor. Auch den langfristigen Kontokorrentkrediten scheint als Kapitalquelle eine gewisse Bedeutung zugekommen zu sein. In einer solchen Konstellation müßte man, wollte man Hilferding folgen, zumindest Spuren einer Bankensuprematie erwarten. Doch kann nach Lage der Quellen davon überhaupt keine Rede sein. Viel zu intensiv war die auf allen Ebenen spürbare Konkurrenz zwischen den einzelnen Bankinstituten, auf welche Deutsch-Lux die Abwicklung seiner Bankgeschäfte verteilte, auch wenn die BHI ihre traditionell besonders engen Beziehungen zu dem Unternehmen bis zum Ende des Untersuchungszeitraums konservieren konnte, was nach außen dadurch sichtbar wurde, daß einer ihrer Vertreter den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz wahrnahm. Auf der Basis der Konkurrenz unter den Banken und seines ökonomischen Erfolges - die Profitrate stieg immerhin tendenziell trotz des extrem schnell enorm aufgeblähten konstanten fixen Kapitals konnte es sich Deutsch-Lux leisten, bis hin zur Kleinlichkeit auf der Durchsetzung seiner Interessen zu insistieren. Kein einziges der Hilferdingschen Elemente einer Bankenherrschaft ist in den Quellen für Deutsch-Lux auffindbar. Weder absorbierten die Banken in wachsendem Maße Gründergewinn oder Unternehmensprofit, noch übten sie allem Anschein nach großen Einfluß auf die Gestaltung der Unternehmenspolitik aus. Andererseits hatte umgekehrt Deutsch-Lux -jedenfalls im Zusammenhang mit seinen Kapitaltransaktionen - auch die Profitbedürfnisse seiner Banken in Rechnung zu stellen. - Daß Deutsch-Lux seinen objektiven Handlungsspielraum gegenüber seinen Banken auch tatsächlich stringent nutzte, dafür garantierten schließlich Durchsetzungsfähigkeit und -willen eines Hugo Stinnes, der seit 1905/06 zum starken Mann des Unternehmens avanciert war.

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12. Die Bergwerksgesellschaft Hibernia Die Bergwerksgesellschaft Hibernia figurierte im Jahre 1907 von ihrem Nominalkapital her, das um diese Zeit 70 Millionen betrug, als siebtgrößte Aktiengesellschaft des Deutschen Reiches, gehörte also mit Blick auf die Kapitalkonzentration zu seinen bedeutendsten Unternehmen. 1 Trotz dieser Tatsache ist die Geschichte der Hibernia bis heute weitgehend unerforscht. Weder existiert eine Festschrift noch eine Monographie zu diesem Thema, und wenn einmal in der Literatur auf die Hibernia verwiesen wird, so in der Regel im Zusammenhang mit dem gescheiterten Verstaatlichungsversuch seitens des preußischen Fiskus aus dem Jahre 1904, der, wie wir noch sehen werden, auch fur unsere Frage nach den Beziehungen der Hibernia zu ihren Banken von wesentlicher Bedeutung ist. Die Aktiengesellschaft Hibernia mit Sitz in Herne entstand 1873 aus der Vereinigung der Gewerkschaften Hibernia und Shamrock bei Gelsenkirchen und Herne, die der berühmt-berüchtigte William Thomas Mulvany gemeinsam mit irischen Geschäftspartnern im Jahre 1855 gegründet hatte. 2 Durch Aktienübernahme entscheidend beteiligt an der Konstituierung der AG waren die Berliner Handelsgesellschaft und das Bankhaus Bleichröder, die zu diesem Zweck rund 5,4 Millionen Taler investierten.3 Das Grundkapital der neuen Gesellschaft betrug 5,6 Millionen Taler, als erster Vorstand wurde Oberbürgermeister Wilhelm Weber bestellt, und ihm zur Seite stand ein Aufsichtsrat von zunächst 10 Personen. In diesem Gremium saßen neben zwei weiteren Bankiers (Caesar Wollheim und Friedrich Gelpcke) Julius Leopold Schwabach und Gerson von Bleichröder als Vertreter des Bankhauses Bleichröder, das neben der B H G bis zum Ende des Untersuchungszeitraums unumstritten als Hausbank der Hibernia fungierte. 4 Die Hibernia, deren Entwicklung ohne große Einschnitte im organisatorisch-administrativen Bereich verlief und die 1893 Gründungsmitglied des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats wurde, blieb bis zu ihrer Verstaatlichung imjahre 1916 ausschließlich im Kohlenbergbau tätig, ihre Expansion vollzog sich also rein auf horizontaler Ebene, wobei sich von Anfang an Zentralisation und Konzentration ergänzten. Die Stationen des Zentralisationsprozesses begannen 1887 mit dem Erwerb des Bergwerks Wilhelmine-Victoria. Dieser Angliederung folgten 1899 die Zeche Nosthausen, (die von da an als Shamrock III/IV gefuhrt wurde), 1898 die Gewerkschaft Schlägel und Eisen, 1900 die Gewerkschaften Vereinigte Deutschland und Reichskanzler, (zu diesem Zeitpunkt noch unverritzte Normalfelder), sowie Deutscher 181

Kronprinz ( - an dem man lediglich eine Beteiligung erwarb), 1903 die Gewerkschaft General Blumenthal und schließlich 1904 die Zeche Altstaden. Zur Finanzierung dieses Zentralisationsprogrammes erfolgten zwischen 1890 und 1904 insgesamt sieben Kapitalerhöhungen, durch die das Nominalkapital der Hibernia von 16 auf 60 Millionen Mark anstieg. Weitere Mittel verschaffte sich das Unternehmen von 1887 bis 1903 durch die Aufnahme von drei Anleihen in einer Gesamthöhe von 15,2 Millionen Mark. 5 Mit dem Erwerb von Altstaden fand die Expansion der Hibernia ein vorläufiges Ende, denn von 1904 an verlief die Unternehmensgeschichte unter völlig modifizierten Vorzeichen, die gesetzt wurden v o m kontinuierlichen Versuch des preußischen Fiskus, die Hibernia in Staatsbesitz zu überfuhren, um Einfluß auf die Preispolitik und Verwaltung des Kohlensyndikats zu gewinnen und die Eigendeckung des Staatsbedarfs an Kohlen zu steigern. Es lag fur den Fiskus nahe, bei der Realisierung seiner Absicht gerade auf die Hibernia abzuzielen, denn deren Felderbesitz hätte die geographische Lücke zwischen den 1902 erworbenen staatlichen Gruben bei Recklinghausen und Gladbeck geschlossen. Das Anliegen des Staates, der bereits maßgebend am Bergbau in Oberschlesien und dem Saarrevier beteiligt war, auch im Ruhrgebiet festen Fuß zu fassen, verdankte sich in allererster Linie dem öffentlichen Aufsehen, welches das Preisgebaren des R W K seit langer Zeit erregte und das in den Reichstagsdebatten zu diesem Thema von 1901 und der Kartellenquête aus dem Jahre 1903 kulminierte. Es entsprang also letztlich der Tendenz des Staates, die Interessen des Gesamtkapitals gegenüber den Partikularinteressen der rheinisch-westfälischen Montan- und Schwerindustrie zu wahren. U m die Verstaatlichung der Hibernia durchzusetzen, beauftragte der preußische Fiskus 1904 die Dresdner Bank, m ö g lichst unauffällig die erforderliche Mehrheit der Hibernia-Aktien zusammenzukaufen, um dann in der Generalversammlung des Unternehmens die Annahme einer entsprechenden Staatsofferte erzwingen zu können. Der Plan wurdejedoch ein wenig zu früh ruchbar, und es gelang einer Allianz aus fünf anderen Großbanken inclusive Bleichröder, sowie dem R W K und den großen Privataktionären der Hibernia, die Absichten des Staates zu vereiteln. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien, die unten noch detaillierter zur Sprache kommen werden und die im Mittelpunkt der weiteren Unternehmensentwicklung standen, zogen sich hin bis zum Jahre 1916, als unter der veränderten gesamtökonomischen Rahmenkonstellation der Kriegswirtschaft die Hibernia schließlich doch in den Besitz des Staates überging. 6 1913 aber, also am Ende meines Untersuchungszeitraums, befand sich das Unternehmen nach wie vor in Privatbesitz. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der (horizontale) Hibernia-Konzern über die Betriebsanlagen WilhelmineVictoria und Hibernia bei Gelsenkirchen, die Betriebsanlagen Shamrock I/II sowie Shamrock III/IV (Behrensschächte) bei Herne, die Anlagen Schlägel 182

& Eisen u n d General Blumenthal bei Recklinghausen u n d schließlich Altstaden bei Oberhausen. Das Aktienkapital belief sich seit 1906 unverändert auf 70 Millionen M a r k . 7 Die kapitalstatistische Entwicklung bei der Hibernia Der Verlauf der Kapitalakkumulation weicht auch bei der Hibernia doch ziemlich stark v o m Hilferdingschen Akkumulationsmodell ab. Deutlich wird darüberhinaus, daß die Erweiterung ihres Akkumulationsprozesses seit 1904 in ihrer D y n a m i k beeinträchtigt w u r d e durch den A b w e h r k a m p f gegen die Verstaatlichung. D e n n neben der Profitmaximierung, d e m obersten Verhaltensmotiv allen kapitalistischen Wirtschaftens, m u ß t e die U n t e r nehmensleitung der Hibernia von n u n an vor allem darauf bedacht sein, zu verhindern, daß die Mehrheit des Aktienkapitals in die H ä n d e der Dresdner Bank u n d der mit ihr alliierten Interessenten fiel. Z u diesem Z w e c k m u ß t e n unter allen U m s t ä n d e n mehr als 50% der Aktien des U n t e r n e h m e n s d e m Handel an der Börse entzogen u n d von den verstaatlichungsunwilligen Aktionären oder der Herne- Vereinigung von Hibernia-Aktionären GmbH, k o n trolliert werden, die eigens zu diesem Z w e c k im Dezember 1904 von der BHI, der B H G , d e m Bankhaus Bleichröder, der Deutschen Bank, der Disconto-Gesellschaft sowie d e m Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat mit einem Grundkapital von 36 Millionen M a r k u n d Sitz in Berlin ins Leben gerufen w o r d e n w a r . 8 D a m i t aber w a r der Spielraum des U n t e r n e h m e n s zur Neuemission von Aktien i m R a h m e n von Kapitalerhöhungen sehr stark eingeengt, konnten doch weder die beteiligten Banken noch das R W K , die vornehmlich verbandspolitische (im Falle des RWK) bzw. konkurrenzpolitische Ziele gegenüber der Dresdner Bank (im Falle der Banken) verfolgten, an der Fixierung hoher S u m m e n in immobilen und darüberhinaus nicht einmal besonders renditestarken Hibernia-Papieren interessiert sein. N a c h 1904 fand bis z u m Weltkrieg lediglich eine einzige Kapitalerhöhung, u n d noch dazu in d e m relativ beschränkten Ausmaß von 10 Millionen statt (1906). Gerade die Kapitalerhöhungen aber hatten die Profitmasse entscheidend als Finanzierungsquelle fur die explosive Expansion des konstanten fixen Kapitals der Hibernia seit 1898 ergänzt. D u r c h das weitgehende A b schneiden v o m Kapitalmarkt nun, das bestenfalls durch Ausgabe von O b l i gationen hätte überbrückt werden können, fehlten d e m U n t e r n e h m e n die Mittel zur Strukturanpassung seines Produktionsprozesses u n d zur eventuellen Expansion in vertikaler Richtung. Dies w i e d e r u m m u ß t e naturgemäß negative Konsequenzen fur die Kapitalverwertung zeitigen. Folgerichtig sank die Profitrate, wie unten zu sehen, gegen Ende des Untersuchungszeitraums abermals stark ab, was die Aufnahmebereitschaft des Kapitalmarktes für Hibernia-Papiere weiter reduzieren mußte. Seit 1904 also w u r d e die Kapitalverwertung des U n t e r n e h m e n s von exogenen, weil politischen Faktoren wesentlich mitbestimmt, die außerhalb des unmittelbar ö k o n o m i -

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sehen Konkurrenzkampfes der individuellen Kapitale lagen und die Dispositionsfreiheit der Unternehmensleitung stark beeinträchtigten. Die quantitativen Details des Akkumulationsprozesses der Hibernia im Untersuchungszeitraum zeigt Tabelle 13. 9 Die Bilanzsumme stieg bei der Hibernia von 1880 bis 1914 von 19,25 auf 124,95 Millionen Mark an, wuchs also u m 649,09%. Relativ gesehen fast gleich schnell expandierte das konstante fixe Kapital, das sich im gleichen Zeitraum von 16,97 auf 107,19 Millionen erhöhte. Dies entsprach einem Wachstum um 631,64%. Dabei verlief der Expansionsprozeß des konstanten fixen Kapitals während meines Untersuchungszeitraums relativ kontinuierlich, was sich in 26 Wachstumsjahren bei 35 analysierten Bilanzjahren ausdrückt. Seine höchste Dynamik entfaltete er, bedingt vor allem durch die Häufung von Zentralisationsschritten, in dem Jahrzehnt von 1897 bis 1907, als das konstante fixe Kapital von 32,26 auf 97,29 Millionen Mark, mithin u m 201,58%, heraufschnellte. Demgegenüber brachten die restlichen 7 Bilanzjahre bis 1914 dann nur noch ein Wachstum von zusammen 10,18%, was zurückzufuhren ist auf die einsetzende Wirtschaftskrise, in erster Linie aber wohl auf die Paralysierung des Akkumulationsprozesses der Hibernia durch den K a m p f gegen die Verstaatlichung. Die Profitrate der Hibernia startete von einem ziemlich niedrigen Ausgangsniveau und entwickelte sich dann bis zum Ende des Untersuchungszeitraums mit leicht positivem Trend. Insgesamt aber blieb die Höhe der Profitrate der Hibernia gemessen an der mittleren Profitrate meines Samples 1 0 stets unterdurchschnittlich, worin sich die Nachteile der reinen Werke in der Kapitalverwertung gegenüber den gemischten zu manifestieren scheinen. Diese Rentabilitätsnachteile entstanden aus den per se höheren Selbstkosten der reinen Werke und wurden durch ihre Diskriminierung im Rahmen der Quotenregelungen des R W K noch erheblich verschärft. 1 1 Während die Profitrate der Hibernia zunächst bis zur Jahrhundertwende recht steil anwuchs ( - bis auf immerhin 22% - ) , schlug diese Tendenz von da an um, augenscheinlich wegen der über die Profitmasse nicht kompensierbaren Aufblähung des Anlagevermögens und der damit verbundenen Steigerung der Wertzusammensetzung des Kapitals. Verstärkt wurde diese Abwärtsentwicklung durch den Einfluß konjunktureller Faktoren und später durch die oben diskutierte Einschränkung der Handlungsfreiheit des Unternehmens. Trotz der problematischen Entwicklung der Profitrate seit 1900 und der gleichzeitigen massiven Expansion des konstanten fixen Kapitals ergibt sich für das EFP der Hibernia der sehr hohe Schnitt von 1308,22%, was auf den ersten Blick überraschend erscheint. Denn selbst, wenn man die nach oben extrem aus dem Rahmen fallenden und deshalb verzerrenden Werte aus den Jahren 1894 (5850%), 1901 (5957,14%) und 1908 (10630,43%) aus der Durchschnittsbildung eliminiert, stellt sich das mittlere EFP auf beachtliche 466,72%, was keineswegs auf eine sich verschärfende Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten schließen läßt. Darüberhinaus lag das EFP in 184

sämtlichen Bilanzjahren lediglich drei Mal unter 100%, nämlich 1886 (27,36%), 1897 (45,11%) und 1903 (49,08%), jeweils unmittelbar vor der Durchführung größerer Zentralisationsschritte. Damit macht sich also abermals der Hilferdingsche Argumentationsfehler geltend, daß ein niedriges Niveau der Profitrate keineswegs zwangsläufig zu einer instabilen Finanzierungslage und einer Abhängigkeit von langfristigen Bankkrediten fuhren muß. Denn erstens kann sich natürlich selbst hinter einer sinkenden Profitrate bei einem entsprechend hohen konstanten fixen Kapital eine hinreichende Profitmasse verbergen, u m Erweiterungen des Akkumulationsprozesses weitgehend aus eigener Kraft zu finanzieren. Im Falle der Hibernia erreichte die Profitmasse (, als deren bilanzmäßiger Indikator in dieser Arbeit j a der Rohgewinn interpretiert wird,) immerhin bis zu 16,6 Millionen Mark (1913), lieferte also ein recht solides Fundament für das EFP. Daneben aber besteht zumindest die Möglichkeit, den Kapitalmarkt zur externen Stärkung der eigenen Akkumulationskraft heranzuziehen und damit den Rückgriff auf langfristig fixierte Kontokorrentkredite der Banken zu umgehen. U n d eben diese Möglichkeit nutzte die Hibernia vor allem zum Zwecke der Finanzierung ihres Zentralisationsprogrammes von 1897 bis 1904 sehr ausgiebig, als die realisierte Profitmasse allein nicht ausreichte, u m das erforderliche Geldkapital bereitzustellen. In dieser Phase kam es neben zwei Anleihebegebungen (1898 und 1903) zu sechs Kapitalerhöhungen, die für diese Phase als strategischer Faktor der Expansionsfinanzierung betrachtet werden müssen. N i m m t man noch die beiden Erweiterungen des Nominalkapitals von 1890 und 1906 hinzu, so deckten die Kapitalerhöhungen die Expansion des konstanten fixen Kapitals in den entsprechenden Bilanzjahren durchschnittlich mit 159,73% ab. Auch dem langfristigen Fremdkapital kam infolge der drei Anleihen des Untersuchungszeitraums eine gewisse, allerdings nur punktuelle Bedeutung als Finanzierungsquelle zu, die auch v o m zahlenmäßigen Beitrag zum jeweiligen Erweiterungsschritt des konstanten fixen Kapitals her deutlich hinter derjenigen der Kapitalerhöhungen zurückblieb. Insgesamt läßt sich lediglich für 4 der 35 Bilanzjahre ein gemeinsames Wachstum von langfristigem Fremdkapital und Anlagekapital konstatieren, wobei das Verhältnis von der Erweiterung des ersteren zu derjenigen des letzteren durchschnittlich 136,44% betrug. Vernachlässigt man aber den atypischen Wert aus dem Jahre 1888 (400%), so sinkt dieses Verhältnis im Mittel auf48,59% ab. Keinerlei Rolle für die Finanzierung des Expansionsprozesses der Hibernia spielten langfristige Kontokorrentkredite. Lediglich in 16 von 35 Bilanzjahren expandierten Kreditoren und konstantes fixes Kapital gleichzeitig, wobei der Anstieg der Kreditoren bezogen auf den des konstanten fixen Kapitals im Schnitt nur 27,89% betrug. Bedenkt man, daß es sich hierbei u m Zahlen für die Gesamtkreditoren handelt, kann man die langfristigen Kontokorrentkredite als Finanzierungsfaktor wohl getrost als irrelevant veranschlagen. 185

Auffällig am Akkumulationsprozeß der Hibernia ist schließlich die extrem hohe Deckung der Gesamtkreditoren durch die Bankguthaben (durchschnittlich 430,54%!), offenbar Resultat der häufigen externen Stärkungen des EFP, sowie das ebenfalls überdurchschnittliche Verhältnis Eigenkapital/ Fremdkapital (im Schnitt 375,4%), das allerdings bereits seit 1887 eine sinkende Tendenz aufweist. Die kapitalstatistische Analyse der Hibernia im Untersuchungszeitraum fuhrt zu dem für die Unternehmen meines Samples typischen Resultat, daß der Hauptakkumulationsbeitrag ihrer Banken in der Vermittlerfunktion zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt bei der Mobilisierung zusätzlichen Geldkapitals für die Expansionsfinanzierung lag. Für die Hibernia spezifisch allerdings ist die Intensität, mit der sie diese Vermittlerdienste gerade während des relativ kurzen Zeitraums zwischen 1897 und 1906, also in der Zeit ihrer explosivsten Expansion, in Anspruch nahm. Bedingt wurde diese Intensität durch ein unterdurchschnittliches Niveau der Profitrate, welche es trotz der flach wachsenden Tendenz, die sie, betrachtet über den gesamten Untersuchungszeitraum, aufwies, nicht erlaubte, die in schneller Abfolge vollzogenen Zentralisationsschritte und die damit verbundenen Investitionen hauptsächlich oder gar ausschließlich aus akkumulierten Profiten zu finanzieren. Allerdings verdichtete sich auch nach der Jahrhundertwende die problematische Profitratenentwicklung niemals zu einer akuten Abhängigkeit von langfristigem Bankkredit. Im Gegenteil, die Mittelbeschaffung über die Börse, welche die Banken selbst organisierten, versorgten die Hibernia mit einer ausgesprochen hohen Liquidität, was an der ungewöhnlich soliden Deckung der Gesamtverbindlichkeiten durch die Bankguthaben ersichtlich ist. Die institutionelle Präsenz der Banken

Die Ausgangsposition der Hibernia für die Gestaltung der Beziehungen zu ihren Banken wurde neben dem seit 1887 und verstärkt seit 1897 sehr häufigen Rückgriff auf die Intermediatstellung der letzteren zwischen Industrie und Kapitalmarkt geprägt von den langfristigen Auswirkungen der Organisatorrolle Bleichröders und der BHG bei Gründung der Gesellschaft. Beide Banken hatten seiner Zeit gemeinsam zunächst fast sämtliche Gründungsaktien des neuen Unternehmens übernommen, und Bleichröder hatte von Anfang an zwei Repräsentanten in den Aufsichtsrat entsandt. 12 Es gelang nun diesen zwei Instituten insofern, ihre dominierende Position in diesem Gremium zu konservieren, als bis zum Weltkrieg keine weitere Großbank dort mit einem Vertreter präsent wurde, wohingegen sowohl die BHG als auch Bleichröder ihre Präsenz ausbauten. Schaubild 12 zeigt das Ergebnis dieser Entwicklung. 1 3 1913 saßen als Vertreter der BHG Winterfeldt und Carl Fürstenberg im Hibernia-Aufsichtsrat, der zu dieser Zeit 13 Mitglieder zählte, während Bleichröder durch Hans von Bleichröder, 186

P. v. Schwabach und E. Springer repräsentiert wurde. Komplettiert wurde die Fraktion der Bankiers schließlich durch W. Pfeiffer vom Bankhaus Trinkhaus in Düsseldorf. Soweit die relativ spärlichen Informationen ein Urteil darüber zulassen, beschränkte sich bei der Hibernia die Anteilnahme der im Aufsichtsrat sitzenden Bankiers an der Gestaltung'der Geschäftspolitik durchaus nicht auf eine rein passive Rezipientenrolle, sondern sie übernahmen zumindest eine Beraterfunktion, insbesondere im Hinblick auf das Finanzgebaren des U n ternehmens. 1 4 Bereits relativ früh gelang es den Vertretern der B H G und Bleichröders, unter Nutzung ihrer Position im Aufsichtsrat eine gewisse Polarisierung des Bankverkehrs der Hibernia bei ihren beiden Instituten durchzusetzen, wie der folgende Abschnitt zeigt. Die Polarisierung

der Emissionsgeschäfte

der Hibernia

Die Polarisierung des Bankverkehrs des Unternehmens bezog sich in erster Linie auf die Durchführung ihrer großen Börsentransaktionen, der Kapitalerhöhungen und Obligationsanleihen, und ging zurück bereits auf die erste Hibernia-Anleihe von 1887 in Höhe von 7,2 Millionen Mark, die dem Ankauf des Bergwerks Wilhelmine-Victoria diente. Die BHG hatte der Hibernia in diesem Zusammenhang ein Angebot zur Vermittlung und O r ganisierung des entsprechenden Geschäftes unterbreitet. Diese Offerte wurde von dem Unternehmen akzeptiert, allerdings unter der Auflage der Prolongierung des Wechselverkehrs unter den bis dahin gültigen Bedingungen. Allen Banken der Gesellschaft, die an ihrem Wechselverkehr beteiligt waren, sollte auch eine Teilnahme an der Übernahme der bevorstehenden Anleihe zugestanden werden. Graffe, damals alleiniger Vorstand der Hibernia, schrieb am 12. 4. 1887 an die BHG: »Auf Ihr Geehrtes. zurückkommend, beehren wir uns, Ihnen die ergebenste Mitteilung zu machen, daß der Aufsichtsrat unserer Gesellschaft... die Stellungnahme des Unterzeichneten betreffens Wilhelmine Victoria für vollkommen korrekt erklärt... hat. Im Uebrigen trägt der Aufsichtsrat keine Bedenken und will sich verpflichten, zunächst ihre und die Firma S. Bleichröder, beziehungsweise nur diejenigen Bankhäuser, welche künftig an dem Trassierungsgeschäft theilnehmen werden, zu einer Offerte für die später vorzunehmende Finanzoperation aufzunehmen und Ihnen und den genannten Bankhäusern thrassierenden Falles den Zuschlag zu ertheilen. Das laufende Geschäft mit den Gesellschafts-Banquiers S. Bleichröder, Berliner Handels Gesellschaft und C. G. Trinkhaus anlangend, welches unter ganz gleichen Bedingungen (: Zinsvergütung 1% unter Bankdiskont und 1/8% Provision;) stattfindet, so erreichte dasselbe 1) bei S. Bleichröder... einen Umschlag von M. 600000, 2) bei der Berliner Handels Gesellschaft. einen Umschlag von M. 453000, 3) bei C. G. Trinkhaus... einen Umschlag von M. 107000, und dürfte auch in Zukunft in diesen den Verhältnissen entsprechenden Grenzen sich bewegen, wie sie gerechtfertigt finden werden. Außer diesen Geschäften in laufender Rechnung besteht noch zum Zwecke der Beschaffung unserer Löhnungsgelder ein separa-

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tes >Löhnungs-Conto< unter 2% Zinsvergütung franco Provision mit einem Jahresumschlag von M. 2605000 bei S. Bleichröder. Wir hoffen, daß Sie nach diesen Darlegungen keine weiteren Bedenken tragen werden, uns zunächst für das laufende Jahr noch eine zweimalige Auslegung der Tratten unter seitherigen Bedingungen zuzusichern in der Lage sein werden. «

Die BHG entsprach daraufhin dem Wunsche der Hibernia bezüglich der künftigen Trassierung der Wechsel, verlangte aber im Gegenzug die Beschränkung des Übernahmekonsortiums für die Anleihe auf sich selbst und das Bankhaus Bleichröder, was die Hibernia im Endeffekt, wenn auch etwas schweren Herzens, akzeptierte. Den Ausschlag gab das Votum Schwabachs, der als Repräsentant Bleichröders im Aufsichtsrat saß: »Ihr gefl. Schreiben habe ich erhalten, ebenso die Copie Ihrer Correspondenz mit der Handelsgesellschaft. Ich muß unter Anerkennung ihrer Bemühungen, für Hibernia & Shamrock noch einen Vortheil herauszuarbeiten, doch dabei stehen bleiben, daß die Berliner Handelsgesellschaft in dieser Frage Recht hat. Wir konnten uns ihrer Dienste entschlagen, aber da dies nicht beliebt wurde u. auch nicht opportun war, so finde ich das, was die Handelsgesellschaft verlangt, für ganz richtig. A m gescheitesten scheint es mir schon zu sein, daß Sie keine große Correspondenz mehr daran knüpfen, sondern einfach bestätigen, daß es sich bei der künftigen Finanzoperation nur um die Zuziehung der Handelsgesellschaft u. S. Bleichröders handelt. « l s

Die exklusive Betrauung dieser beiden Bankhäuser mit der Übernahme neuer Aktien und Obligationen zementierte sich und setzte sich während des gesamten Untersuchungszeitraums fort. Bei allen Kapitaltransaktionen der Hibernia bis zum ersten Weltkrieg reduzierte sich das entsprechende Konsortium jeweils auf die BHG und Bleichröder. Aus dieser Zentralisation des Emissionsgeschäfts ergab sich fur die beiden Institute eine ausgezeichnete Verhandlungsposition, um die Durchführung der einzelnen Kapitalerhöhungen und Anleihebegebungen für sich überdurchschnittlich profitabel zu gestalten, eine Ausgangsbasis, die noch dadurch verstärkt wurde, daß die Hibernia ihre starke beschleunigte Expansion seit 1897 zumindest nicht allein aus eigener Akkumulationskraft finanzieren konnte, sondern dabei in hohem Maße vom Kapitalmarkt abhing. Die Übersicht in Tabelle 14 über die Hibernia-Transaktionen macht deutlich, daß in der Tat die Verdienste der Banken dabei in der Regel das normale Maß überstiegen.

Die Kapitalerhöhungen

und Anleihen

der

Hibernia16

Soweit dies aus den Quellen rekonstruierbar ist, bezogen Bleichröder und die B H G bei allen Kapitalerhöhungen der Hibernia entweder fürstliche Provisionen oder partizipierten überdurchschnittlich am Gründergewinn. 1890 betrug die Provision 5% des Nominalwertes, was bei 5,6 Millionen Mark 280 000 Mark ergab, 1899 belief sich die Provision auf 4% oder 216000 Mark. 1898 übernahmen die Banken die neuen Aktien al pari, wäh-

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rend den alten Aktionären ein Bezugsrecht auf nominal 3 732 800 Mark zu 170% zugestanden wurde. Es ist nicht ersichtlich, wie die 70% Gründergewinn geteilt wurden. 1900 gar wurde die garantierte Provision der beiden Institute auf 300 600 Mark fixiert, und darüberhinaus fiel ihnen der gesamte Emissionsgewinn bis zu einer Höhe von 80000 Mark zu, während sich die Hibernia potentielle Gewinne zwischen 80000 und 240000 Mark aneignen konnte. 1903 partizipierte die Hibernia am erzielten Gesamtemissionsgewinn von 893190 Mark lediglich mit 223297 Mark. Im April 1904 vereinbarte man eine paritätische Teilung des Reingewinns der Emission, im August desselben Jahres schließlich entfielen auf die Hibernia 75%. 1906 dann blieb von vornherein jeder Emissionsgewinn ausgeschlossen, da wegen der schwelenden Verstaatlichungsprobleme die nominal 10 Millionen neuer Aktien von der Herne-Vereinigung übernommen werden mußten und nicht an der Börse eingeführt werden konnten. Der Tatbestand, daß die Kapitalerhöhung dennoch zustande kam, ist ein Indiz dafür, daß die B H G und Bleichröder ihr Verhältnis zur Hibernia ab 1904 weniger unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität definierten als vielmehr primär unter (konkurrenz)politischer Zielsetzung gegenüber dem klar erkennbaren Bestreben der Dresdner Bank, die beiden Institute aus ihrer Stellung als Hausbanken des Unternehmens zu verdrängen. Bei der Anleihe von 1887 betrug die Provision der Banken 1,5% (, bei 7,2 Millionen Nominalbetrag der Anleihe 108000Mark), bei den beiden anderen Anleihen ist die Höhe der Provision jeweils nicht aus den Quellen eruierbar. - Für keine der Hibernia-Transaktionen des Untersuchungszeitraums schließlich deuten die Akten auf einen kontroversen Verlauf der Verhandlungen über diejeweiligen Modalitäten hin. Insgesamt also gelang es Bleichröder und der B H G , infolge eines Zusammenspiels unternehmensspezifischer Faktoren (institutionelle Präsenz beider Banken im Aufsichtsrat bei gleichzeitigem Ausschluß der anderen Großbanken und Abhängigkeit des Unternehmens v o m Kapitalmarkt), das an den Fall Mannesmanns erinnert, die Durchführung der Kapitaltransaktionen der Hibernia komplett an sich zu ziehen und diese Situation zur Durchsetzung überdurchschnittlich hoher eigener Verdienste bei diesen Gelegenheiten auszunutzen. Dennoch wuchs sich die Verhandlungsposition der beiden Institute gegenüber dem Unternehmen nicht zu einer totalen Herrschaft im Sinne Hilferdings aus, denn trotz des außergewöhnlich hohen Partizipierens der Banken verblieb der Gründergewinn zum weit überwiegenden Teil in allen Fällen der Hibernia, wie Tabelle 14 ausweist. Der Etablierung einer markant ausgeprägten Bankenherrschaft stand auch in diesem Falle die latente bzw. evidente Drohung der Konkurrenz im Wege.

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Der reguläre Bankverkehr der Hibernia

Gelang es Bleichröder und der B H G im Bezug auf die Kapitaltransaktionen der Hibernia, die Konkurrenz auszuschalten, so galt dies nicht für den regulären Bankverkehr. Z w a r wickelte aller Wahrscheinlichkeit nach das Unternehmen auch in diesem Bereich den Löwenanteil seiner Umsätze mit seinen beiden Hausbanken ab, doch blieb die Konkurrenz unter den Banken hier stets virulent, wie schon ein Blick auf die Einlösungsstellen der Hibernia-Obligationen zeigt. 1913 etwa finden wir hier neben Bleichröder und der B H G das Bankhaus Trinkhaus, die Essener Creditanstalt und die DuisburgRuhorter B a n k . 1 7 Die Rivalität zwischen den verschiedenen Instituten spielte die Hibernia aus, u m möglichst günstige Konditionen für die Abwicklung ihrer Bankgeschäfte zu erreichen. 1898 beispielsweise war die H ö h e der für die Einlösung der Zinsscheine zu berechnenden Bankenprovision ein Streitpunkt zwischen der Hibernia einerseits und der Essener Creditanstalt sowie der Duisburg-Ruhrorter Bank andererseits, die dem Unternehmen am 22. 7. 1898 ihre Position mitteilte: »In Beanthwortung Ihres Geehrten von gestern theilen wir Ihnen ergebenst mit, daß wir die Provision für Einlösung der Zinsscheine zu unserem Bedauern nicht ermäßigen können. Der Satz von 1/6% ist ein allgemein üblicher, der auch von größeren Berliner Banken wie Direction der Disconto-Gesellschaft u. s. w. gerechnet wird. Wir wollen Ihnen aber gern entgegenkommen und Ihnen gegenüber die Provision für andere größere geschäftliche Umschläge auf 1/8% ermäßigen.

Die Hibernia antwortete mit dem Verweis auf die Konditionen, die man bei der Konkurrenz erhielt: »Zurückkommend auf Ihr Geehrtes vom 22. ds. Mts. möchten wir. nicht verfehlen darauf aufmerksam zu machen, d a ß . . . alle übrigen Einlösungsstellen unserer Anleihen, auch diejenigen in Berlin, uns nur 1/8% Provision berechnen. «

Sowohl die Duisburg-Ruhrorter Bank als auch die Essener Creditanstalt gingen schließlich auf 1 / 8 % herunter, allerdings mit der Auflage einer Erweiterung des Geschäftsumfanges mit der Hibernia. Die Creditanstalt schrieb am 2 0 . 1 0 . 1899: »Auf Ihre geehrte Zuschrift vom 14. d . M . erwidern wir ergebenst, dass für die Einlösung von Zinscoupons und Dividendenscheinen in Anbetracht der damit verbundenen vielfachen Arbeit in der Regel mindestens 1/4% berechnet wird, sofern nicht andere bedeutende Umsätze stattfinden. In der Voraussetzung und Hoffnung, dass Sie unsere Dienste mehr in Anspruch zu nehmen die Güte haben würden, sind wir allerdings für die laufende Rechnung Ihnen gegenüber auf 1/8% Provision herabgegangen, hatten aber für die Schlägel & Eisen-Coupons aufgrund unserer bisherigen Beziehungen mit dieser Gewerkschaft, mit der wir bedeutende Umsätze außerdem erzielten, 1/6 zu beanspruchen. Wir geben Ihnen daher anheim, uns fur die Beträge der eingelösten Schlägel & Eisen-Coupons 1/6%, für die übrigen Beträge 1/8% zu vergüten, würden aber gern generell mit 1/8% für alle Summen uns

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begnügen, wenn Sie in Gewißheit des Schlusses Ihres geehrten Briefes vom 14. recht bald Gelegenheit nehmen wollten, den Verkehr mit uns zu beleben... Wir überlassen es hiernach ganz Ihnen, die Differenz für das vergangene Semester festzustellen und sehen Ihren geschätzten Nachrichten gern entgegen. «18 Die Verhandlungsspielräume, die der Hibernia aus der Konkurrenz ihrer Banken i m regulären Bankverkehr ohne Zweifel erwuchsen, hatten offenbar auch die B H G und Bleichröder zu respektieren, insofern die jeweiligen Konditionen sich exakt am Durchschnitt orientierten, der bei Geschäften der Banken mit der Hibernia vergleichbaren Großunternehmen in der jeweiligen konjunkturellen Situation üblich war. 1903 etwa wandte sich der d a m a lige Vorstand der Hibernia, Karl Behrens, an Robert Müser von der H a r p e ner Bergbau AG: »Bei der Transaction betreffend General Blumenthal werden wir gewisse Barmittel erhalten, welche wir nicht sogleich brauchen, die vielmehr erst nach & nach abgehoben werden und daher bei unseren Bankhäusern auf einem provisionsfreien Konto gegen Verzinsung zu einem festen Procentsatz stehen bleiben. Ich erlaube mir die ergebene Anfrage, welchen festen Zinssatz Ihnen in ähnlichen Fällen ihr Bankhaus auf dem provisionsfreien Konto vergütet. «19 Harpen erhielt 3 % und eben diesen Zinssatz setzte auch die Hibernia gegenüber Bleichröder und der B H G durch. 2 0

Die Grenzen des Bankeneinflusses auf die Geschäftspolitik der Hibernia Die aus der Einbindung sowohl der Hibernia als auch ihrer Kontaktbanken in den Gesamtreproduktionsprozeß des nationalen Kapitals resultierende Virulenz der Konkurrenz auch unter den Banken konnten die B H G und Bleichröder nur partiell, eben i m Hinblick auf die Kapitalerhöhungen und Anleihen, ausschalten. Ihre grundsätzliche Kontinuität aber hatte zur Folge, daß die oben beschriebene Beraterfunktion der Vertreter beider Institute i m Aufsichtsrat nicht in ein Diktat der Geschäftspolitik umschlug. Der Schriftwechsel zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Protokolle der Generalversammlung jedenfalls enthalten, abgesehen von der schon häufig erwähnten Polarisierung der Emissionsgeschäfte, keine Anhaltspunkte dafür, daß von Seiten der Banken D r u c k ausgeübt w u r d e . 2 1 Es entsteht vielmehr der Eindruck, daß die Aufgabe der Bankrepräsentanten im Aufsichtsrat vor allem in der Koordinierung ihrer eigenen Geschäftspolitik mit der der Hibernia bestand. Gerade bei Fragen von beiderseitigem Interesse versicherten sich die Banken vor der Festlegung ihres eigenen Verhaltens offenbar zunächst der Z u s t i m m u n g des Unternehmens. Als es z u m Beispiel 1902 Schwierigkeiten mit der Börsenadministration gab - der zuständige Staatskommissar hatte von Bleichröder Einblick in die Interna der HiberniaKapitalerhöhung von 1902 gefordert - schrieb Schwabach an Behrens:

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»Prima facie war ich der Ansicht, dass der Staatskommissar nicht berechtigt ist, derartige Fragen zu stellen, & dass es ein unbequemes Präzedens wäre, wenn nach einer erfolgten Emission das Bankhaus gewissermaßen unter einer fortlaufenden Kontrolle sich befände & meine Absicht war, dem Staatskommissar die Auskunft zu verweigern. Inzwischen habe ich mit Herrn Fürstenberg gesprochen, der wie ich nicht leugnen kann, mit Recht mir entgegnet, Geh. Rat Hemptemacher würde sich im Weigerungsfalle an die Börsenbehörde wenden & wir hätten endlose Unbequemlichkeiten, deren Ende sein würde, dass wir die Auskunft doch geben müßten. Herr Fürstenberg meinte weiter, wir sollten dem Staatskommissar das seiner Zeit geschlossene Provisionsabkommen vorlegen, aus dem er sich dann ein Bild machen könne. Dagegen habe ich neue Bedenken, insbesondere erscheint es mir untunlich, ein solches Abkommen Dritten vorzulegen, das doch mindestens ebenso Geheimnis der Hibernia als der Bankhäuser ist. Ich möchte daher nicht verfehlen, Ihre Ansicht darüber einzuholen. (Die geforderte Auskunft wurde letztlich doch gegeben.) 2 2 Genau w i e die anderen Unternehmen des Samples nutzte die Hibernia die verzweigten Geschäftsbeziehungen ihrer Banken, u m sich im Bedarfsfall mit notwendigen Informationen zu versorgen oder die Berücksichtigung eigener Interessen zu lancieren. Bleichröder und die Handelsgesellschaft kamen solchen Wünschen, w o h l als Äquivalent fur ihre exklusive Berücksichtigung bei anstehenden Kapitaltransaktionen der Hibernia, soweit man dies nach Lage der überlieferten Akten beurteilen kann, jeweils bereitwillig nach, so, als sich 1901 die Hibernia u m ihre Guthaben sorgte, die sie bei der Barmer Handelsbank unterhielt. Man wandte sich an Winterfeldt v o n der B H G u m Rat: »Wir stehen mit der erwähnten Barmer Handelsbank, zu dessen(!) Direktion Herr Max v. Eynern, der Sohn unseres Aufsichtsratsmitgliedes, Herr Ernst v. Eynern gehört, in Verbindung, indem wir daselbst ein Check-Konto mit einem Guthaben v o n M . 25000 bisM. 50000,-unterhalten. Wir erlauben uns nun anH. Hochwohlgeboren die ergebene Anfrage zu richten, ob es Ihnen möglich ist, uns darüber Auskunft geben zu können, o b . . . durch das Engagement der Bank bei der Mitteldeutschen Kammgarnspinnerei die Position derselben erschüttert ist, sodaß Anlaß vorliegt, den Verkehr mit dem fraglichen Bankinstitut noch kleiner zu halten, als bisher. « Winterfeldt sah sich außerstande zu einer präzisen Auskunft, riet aber zu folgendem Procedre: »Die Barmer Handelsbank hat ein Grundkapital von M. 7500000,- und befindet sich ein großer Theil der Actien, so viel mir bekannt ist, im Besitz der BergischMärkischen Bank. Ich glaube deshalb kaum, dass bei der genannten Bank, selbst, wenn sie einen großen Verlust erleidet, namentlich mit Rücksicht auf den Rückhalt, den sie an der Bergisch-Märkischen Bank hat, etwas zu befürchten ist. Ich möchte Ihnen aber raten, Ihre Anfrage direkt an Herrn v. Eynern sen., auf dessen Veranlassung Sie die Verbindung geknüpft haben, zu richten, falls Sie es nicht vorziehen, Ihr Guthaben allmählich herabzumindern und in der Folge nur mäßige Beträge stehen zu

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lassen. Meines Erachtens kann Herr von Eynern eine von Ihnen verlangte Auskunft nicht ablehnen. Sollte er es gleichwohl thun, so würde dies meiner Ansicht nach eine genügende Veranlassung zum Abbruch der Verbindung sein. « 23

Ein interessantes Beispiel für die Protegierung der Hibernia-Interessen durch ihre Banken datiert aus dem Jahre 1907. Die BHG schanzte Harpen und der Hibernia ca. 25% der neuen Aktien des Elektrizitätswerks Westfalen Aktiengesellschaft zum Übernahmekurs der Banken (115%) zu. 2 4 Aber auch 1903, bei der Übernahme von General Blumenthal, stimmten die Banken, insbesondere Bleichröder, ihr Verhalten mit der Hibernia ab, um die noch unwilligen Gewerken zum Verkauf ihrer Kuxe zu bewegen. 2 5

Der Verstaatlichungsversuch

des Fiskus

Die wichtigste Zäsur in der Geschichte der Hibernia stellt der seit 1904 laufende Verstaatlichungsversuch des preußischen Fiskus dar, der an dieser Stelle vor allem deshalb interessiert, weil er zum einen die Rahmenkonstellation für das Verhältnis der Hibernia zu ihren Banken veränderte und zum anderen die Intensität der Konkurrenz unter den Berliner Großbanken illustriert, die, soweit sie übergangen worden waren, sehr empfindlich auf die einseitige Begünstigung der Dresdner Bank und des Schaaffhausen'schen Bankvereins durch den Staat in der Hibernia-Frage reagierten. Aus den oben bereits entwickelten Gründen strebte 1904 der preußische Staat die Übernahme der Hibernia an und kooperierte zur Erreichung dieses Zieles mit der Dresdner Bank respektive dem mit der Dresdner Bank zu dieser Zeit verbundenen Schaaffhausen'schen Bankverein, die in aller Stille einen entsprechend hohen Aktienposten im Auftrage des Staates kaufen sollten. In Folge der so entstandenen Nachfrage nach Hibernia-Aktien kam es zu einer Börsenhausse in diesem Papier, welche durch die fundamentalen Daten der Gesellschaft in keiner Weise gerechtfertigt war und deshalb großes Aufsehen erregte, ohne daß man sich den Grund allerdings zunächst erklären konnte. Erst als die Dresdner Bank und mit ihr der preußische Staat befürchten mußten, wegen des Beschlusses der Hibernia, im Sommer 1904 ihr Aktienkapital erneut zu erhöhen, die Aktienmajorität für die anstehende Generalversammlung zu verfehlen, wurde das Geheimnis gelüftet. Die Dresdner Bank offerierte den anderen Großbanken inclusive Bleichröder und der B H G eine Beteiligung an dem geplanten Verkauf der Aktien an den Staat und dieser richtete am 29. 7 1904 sein offizielles Übernahmeangebot an die Hibernia. 2 6 Gegen die Pläne des Fiskus und der beiden Banken formierte sich sofort eine Widerstandsfront aus den anderen Großbanken, welche das Angebot der Dresdner Bank kategorisch ablehnten, sowie der Hibernia-Verwaltung und dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat. Während die Motive des RWK 193

und der Unternehmensleitung fur ihre Haltung unmittelbar auf der Hand liegen, empfanden die Banken vor allem die staatliche Bevorzugung der Dresdner Bank als diskriminierend: »Man hat vor vielen Wochen einem Einzelnen die Absichten bekannt gegeben und diesem wurde hierdurch Gelegenheit geboten, nichtsahnende Aktionäre abzufangen und auszunutzen. Der Erfolg dieser Bemühungen wurde durch die schleppende Geschäftslage im Baugewerbe in vortheilhaftester Weise zu Gunsten des durch die Information Ausgezeichneten beeinflußt... So werden durch diese Art der Behandlung mehrere Millionen des Kaufschillings den Actionären entzogen und einer begünstigten Stelle zugeführt. « 2 7

Durch entsprechende Rundschreiben und weitgehende Garantien an die größeren Aktionäre 28 der Hibernia gelang es Bleichröder, eine hinreichend große Fraktion um sich und die verbündeten Banken sowie das RWK zu scharen, um in einer turbulenten und zuweilen grotesken außerordentlichen Generalversammlung am 27. August 1904 die Verstaatlichungsofferte abzulehnen. 29 Gegen deren Beschlüsse legte die Dresdner Bank Klage vor verschiedenen Gerichten ein und setzte gleichzeitig ihren Ankauf von Hibernia Aktien fort: »Wie ich vertraulich bemerke, haben wir leider seit der letzten Generalversammlung die Beobachtung machen müssen, dass der Besitz an Hibernia-Actien auch aus solchen Händen, bei denen wir eine dauernde Conservirung erwartet hätten, zum Theil geschwunden ist. Die hohen Course und die Manöver der Gegenpartei haben dies mit sich gebracht. So wird zum Beispiel berichtet, dass Herr Landesbankrath Wiegand v o m Schaaffhausen'schen Bankverein einzelne Actionäre persönlich aufsucht, um sie dem Verkauf durch hohe Anerbietungen geneigt zu machen. « 30

Im Oktober 1904 kam es zu einer weiteren Generalversammlung der Hibernia über die Frage der Verstaatlichung, welche die Dresdner Bank auf dem Rechtswege erzwungen hatte, doch abermals wurde die Staatsofferte abgelehnt, 3 1 Damit war zwar die Absicht des preußischen Staates bzw. der beiden Banken zunächst bis auf Weiteres vereitelt, doch war der Fiskus Großaktionär geworden, und die Gegenseite, allen voran Bleichröder und die BHG, mußte für die Zukunft ein weiteres Anschwillen seines Aktienpaketes möglichst verhindern, um nicht doch noch zu unterliegen. Zu diesem Zweck mußte man danach trachten, nach Möglichkeit mehr als 50% des Aktienkapitals der Hibernia dem Handel an der Börse zu entziehen und durch die inzwischen gegründete Herne-GmbH 3 2 kontrollieren zu lassen. U m die dort lagernden Aktien aber nicht als vollständig totes Kapital abschreiben zu müssen, sondern über die Dividende eine halbwegs befriedigende Verzinsung zu erreichen, mußte auch den an der Herne-GmbH beteiligten Hausbanken an einer hohen Rentabilität des Unternehmens gelegen sein, was andererseits mit dem natürlichen Bestreben der Banken kollidieren mußte, die Abwicklung der Geschäfte mit der Hibernia so profitabel wie eben

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durchsetzbar zu gestalten. Im Rahmen dieses Zwiespalts scheinen, soweit hier die - allerdings spärliche - Aktenlage ein Urteil zuläßt, die B H G und Bleichröder der Hibernia nach 1904 weit entgegengekommen zu sein. Deutlich wird dies nicht zuletzt an der recht generösen Verzinsung der Bankguthaben der Hibernia bei beiden Instituten. Fürstenberg informierte beispielsweise 1908 Bergrat Lindner, der zu dieser Zeit Behrens als Vorstand der Gesellschaft abgelöst hatte: »Ich habe Ihnen seinerzeit die Zusage gemacht, die bis zum 1. April 1909 frei werdenden Beträge, welche aus dem Einzahlungsgeschäft der Vorzugsaktien herrühren, mit 4% in Verzinsung zu nehmen. Ich habe nach meiner Erinnerung hierüber mit Herrn Blaschke ( - Bankhaus Bleichröder - ) gesprochen und ihm die Gründe der ausserordentlichen Gewährung mitgeteilt. Die Hibernia muß gegenwärtig auch dort Unterstützung unsererseits erhalten, w o es sich nicht u m enorme Beträge handelt. Meiner weiteren Erinnerung nach ist Herr Blaschke mit mir in Übereinstimmung g e w e s e n . . . Ich habe keinen Zweifel, dass das Bankhaus S. Bleichröder, welches stets treu zu Ihnen und mit uns gehalten hat, dieses Opfer auf sich zu nehmen bereit sein wird. Wir tun es jedenfalls für unseren Teil und, falls es notwendig sein sollte, was ich nicht glaube, auch hierüber hinaus.« 3 3

Versuchen wir, die Ergebnisse dieses Kapitels kurz zusammenzufassen, wobei vorauszuschicken ist, daß im Falle der Hibernia die Lücken in der Quellenüberlieferung eine gewisse Fragwürdigkeit der formulierbaren Thesen mit sich bringen. Das Verhältnis der Hibernia zu ihren Banken erinnert in einigen Aspekten an den Fall Mannesmann. Das Zusammenspiel von Akkumulationsverlauf - hier eine unterdurchschnittliche, wenn auch tendenziell leicht steigende Profitrate und eine daraus resultierende Abhängigkeit v o m Kapitalmarkt zur Finanzierung der Expansion, insbesondere der Zentralisation - , nachwirkendem Gründungsbeitrag der Hausbanken sowie institutioneller Verflechtung ermöglichte Bleichröder und der B H G die Polarisierung des Emissionsgeschäftes der Hibernia, das sich unter diesen Vorzeichen überdurchschnittlich profitabel für beide Institute entwickelte. Aber die Exklusivität der Emissionsgeschäfte ließ sich nie, zumindest nicht vollständig, auf den regulären Bankverkehr ausdehnen, w o die Konkurrenz unter den Banken nicht nur latent, sondern auch evident weiterwirkte. D a aber die Monopolisierung des Bankverkehrs der Hibernia trotz einiger Ansätze sich offenbar nicht in die Tat umsetzen ließ, konnte es auch a priori nicht zur Ausprägung einer Bankenherrschaft im Sinne Hilferdings kommen. Weder tendierten der Gründergewinn oder der Profit dazu, von Bleichröder oder der B H G aufgesogen zu werden, noch diktierten ihre Vertreter im Aufsichtsrat die Geschäftspolitik des Unternehmens. Die Drohung der Konkurrenz verhinderte dies u m so mehr, als auch die Kapitalverwertung der Hibernia niemals wirklich bedrohliche Züge annahm. So hatten die beiden Hausbanken ihre Gewinne an den Kapitaltransaktionen des Unternehmens durch Serviceleistungen auf an195

deren Gebieten zu kompensieren und sich im regulären Bankverkehr mit den durchschnittlichen und üblichen Verdiensten zu begnügen. Der Verstaatlichungsversuch des Fiskus seit 1904 erweiterte dann die Rahmenkonstellation für die Beziehungen der Hibernia zu ihren Banken u m eine strategische Variable, die insbesondere der Bankenseite viel von ihrem Spielraum und ihrer Zielsetzung nahm, sich möglichst hohe Profitteile der Gesellschaft anzueignen, was unter anderem in den gewährten bzw. geforderten Zinssätzen zum Ausdruck kam.

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13. Der Thyssen-Konzern

Der Thyssen-Konzern präsentierte sich im Jahre 1913 als ein komplexes Geflecht aus formal eigenständigen Unternehmen, deren Zusammenhalt gewährleistet wurde durch die jeweiligen Kapitalbeteiligungen, die August Thyssen entweder als Privatmann hielt oder über das quasi als Konzernholding fungierende, 1871 gegründete Hüttenwerk Thyssen & Co. in Mülheim verwalten ließ. 1 Gleichsam als Gravitationszentrum dieser komplizierten Vielfalt der von August Thyssen im Rahmen seines Konzerns betriebenen Projekte und Engagements aber figurierte die in Bruckhausen gelegene Gewerkschaft Deutscher Kaiser (GDK), selbst eines der größten gemischten Werke der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie, von der Treue schreibt: »diese Hütte wurde in August Thyssens Arbeit, im Gesamtkomplex seiner Unternehmungen zunächst gedanklich und dann auch in der wirtschaftlichen Realität sehr schnell zum Mittelpunkt. Die anderen Werke des Thyssen-Konzems wurden teilweise um der Hütte in Bruckhausen willen gegründet oder doch in ihrer Existenz wesentlich durch die Verbindung mit der Hütte geprägt.« 2

Es bietet sich daher inhaltlich an - und ist auch von der Quellenlage her gar nicht anders machbar - , sich in diesem Kapitel im wesentlichen auf die GDK zu konzentrieren und die übrigen Konzern-Unternehmen nur dort am Rande in die Analyse einzubeziehen, wo sich auf sie beziehende Quellen vorliegen, die bestimmte Konstellationen - wie etwa die Intensität der Konkurrenz unter den Banken - besonders deutlich werden lassen. Die Anfänge der Gewerkschaft Deutscher Kaiser reichen zurück in die 1850er Jahre, als Daniel Morian in der Landgemeinde Hamborn bei Duisburg mit seinen Mutungen auf Kohlenfelder begann, deren Umfang er bis 1866 auf 10,5 Millionen qm ausgedehnt und die er 1867 zur Gewerkschaft Hamborn konsolidiert hatte. 3 1871 nahm auf diesem Areal das Steinkohlenbergwerk Hamborn seinen Betrieb auf, das noch im selbenjahre den Namen Gewerkschaft Deutscher Kaiser erhielt. Bereits zu dieser Zeit war der Kapitalanteil Morians fast völlig zusammengeschmolzen, während sich als größte Anteilseigner die Essener Familie Waldthausen und das Kölner Bankhaus Oppenheim herauskristallisiert hatten. Nachdem sich bis in die frühen 80er Jahre hinein die geschäftliche Lage des Unternehmens keineswegs glänzend entwickelt hatte, stürzte in der Generalversammlung vom 28. April 1883 eine sich um Oppenheim gruppierende Opposition den amtierenden Vorstand unter Generaldirektor Rive und ersetzte ihn durch eine neue dreiköpfi197

ge Führungscrew, der neben dem Vorsitzenden Heimendahl der der Disconto-Gesellschaft nahestehende Carl Franken und der Fabrikbesitzer August Thyssen angehörten. 4 Hatte August Thyssen bei seinem Eintritt in den Grubenvorstand der GDK selbst nur 10 Stimmen in der Generalversammlung über seine Firma Thyssen & Co. in Mülheim vertreten, so brachte er sich bis 1891 mit Hilfe des Bankhauses Oppenheim, dem dafür als Gegenleistung eine enge zukünftige Zusammenarbeit zugesichert wurde, für insgesamt 4 068 250 Mark in den Besitz sämtlicher Kuxe der GDK und wurde somit zum Alleineigentümer des Unternehmens. Bereits 1889 hatte ihn die Generalversammlung, die er nunmehr de facto alleine bildete, zum neuen Vorsitzenden des Grubenvorstands bestimmt. Neben August Thyssen traten als weitere Mitglieder dieses Gremiums sein Bruder Josef sowie zwei Personen seines Vertrauens, nämlich Bergassessor Kropp und Franz Burgers vom Schalker Verein. 5 Einmal unter der Ägide August Thyssen, entfaltete die GDK von Beginn an einen dynamischen Expansionsprozeß, der bereits während der 80erjahre einsetzte und sich während des gesamten Untersuchungszeitraums als einfache Konzentration, also als echte Erweiterung des Reproduktionsprozesses des Gesamtkapitals, vollzog. 6 Dabei lag der inhaltliche Akzent der Expansion zunächst eindeutig auf dem Kohle- und Stahlbereich. Nach der Arrondierung ihrer Gerechtsame begann die GDK seit 1888 mit dem Niederbringen ihrer Kohlenschächte II und III, die nach Überwindung erheblicher technischer Schwierigkeiten 1895 bzw. 1896 mit der Förderung beginnen konnten. 7 Bis 1903, als Thyssen mit der GDK in das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat eintrat, hatte sich die Gesamtförderleistung des Unternehmens innerhalb von 18 Jahren annähernd verzehnfacht, und die GDK lag unter den Kohlenproduzenten des Ruhrgebiets an sechster Stelle. 8 Auch danach setzte August Thyssen die Erweiterung seines Kohlenbereiches innerhalb und außerhalb der GDK kontinuierlich fort. Treue schätzt seinen Steinkohlenvorrat für 1910 auf insgesamt 8 Milliarden Tonnen, was Thyssen eine völlige Unabhängigkeit im Bezug auf diesen Rohstoff sicherte. 9 D a s abgesehen von der GDK - wohl wesentlichste Engagement Thyssens in der Montanindustrie hatte ihn bereits in den 1870er Jahren in den Vorstand des Schalker Vereins geführt, dessen Geschäftspolitik er lange Zeit funktional in den Kontext seiner Gesamtinteressen einzuordnen verstand. Die Beteiligung Thyssens am Schalker Verein fand dann allerdings ein Ende, als sich Thyssen 1909 - offenbar nach Differenzen mit Emil Kirdorf - aus der 1904 geschlossenen Interessengemeinschaft GB AG - Schalke - Aachener HüttenAktien-Verein zurückzog. Weitere Beteiligungen an Unternehmen der Kohlenindustrie hielt Thyssen mal langfristig, mal kurzfristig und mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Wurde es nötig - etwa um finanzielle Engpässe zu überwinden, ohne in Abhängigkeit von den Banken zu geraten - war Thyssen jederzeit bereit, sich auch von solchen Objekten zu trennen, die im Rahmen seines unternehmerischen Konzeptes eine nicht unbedeutende Rol198

le spielten, so geschehen beim Verkauf der Gewerkschaft Ver. Gladbeck an den preußischen Fiskus im Jahre 1902. 1 0 Parallel zum Ausbau ihres Montanbereiches ging die G D K seit 1889 an den Aufbau eines Stahl- und Walzwerks auf der Kohle, das als SiemensMartin-Werk 1891 mit acht basischen Öfen den Betrieb aufnahm. Die Kapitalverwertung gerade im Stahlbereich aber lief zunächst sehr schleppend an. Technische Schwierigkeiten, die Konjunkturentwicklung sowie die Probleme der Siemens-Martin-Werke, mit den Thomas-Werken zu konkurrieren, führten in den drei Anfangsjahren zu Verlusten, die aus den Gewinnen im Kohlensektor kompensiert werden mußten. Die Situation besserte sich erst gegen Ende der 90er Jahre, als die G D K mit dem Anbau eines Thomas-Werkes die Anpassung an die Marktverhältnisse vollzog. 1 1 Daneben reagierte das Unternehmen bis zur Jahrhundertwende auch auf seinen ständig wachsenden Eigenbedarf an Roheisen. Seit 1894 entstand auf seinem Gelände ein Hochofenwerk, dessen erster Ofen 1897 angeblasen werden konnte, womit der Ausbau der G D K zu einem integrierten Hüttenwerk einen gewissen Reifegrad erreicht hatte. Der Bau einer ersten Kokerei und der Ausbau des Werkshafens Alsum an der Emschermündung komplettierten schließlich die Expansion der G D K bis 1900. 1 2 Wurden von der Hüttenabteilung der G D K vor allem Halbzeug und schweres Material produziert, so ergänzte August Thyssen die Produktpalette seines Konzerns durch die Anlage eines weiteren Walzwerkes in Dinslaken, das seinen Fertigungsprozeß 1899 aufnahm und dessen Schwerpunkt in der Weiterverarbeitung lag. Den letzten wichtigen Expansionsschritt der bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise in 1901 anhaltenden Hochkonjunktur unternahm Thyssen mit dem Ziel, seiner Roheisenerzeugung neben der G D K ein weiteres Standbein zu verleihen: Die A G für Hüttenbetrieb in Meiderich mit einem Grundkapital von 1,5 Millionen Mark konnte 1902 mit der Hochofenproduktion beginnen. 1 3 Sämtliche Werke des Thyssen-Konzerns und insbesondere die der G D K wurden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums mit erheblichen Investitionsmitteln fortlaufend erweitert, modernisiert und auf dem jeweils neuesten Stand der Technik gehalten. 1 4 Der Schwerpunkt der Expansion verlagerte sich aber seit der Jahrhundertwende auf die Sicherung einer eigenen Erzbasis - wobei August Thyssen nach Treue keineswegs die gleichen unternehmerischen Erfolge erzielte wie bei der Kohle 1 5 - , obwohl er mit hohem Kapitalaufwand verschiedenste Projekte in dieser Richtung betrieb. Neben dem Abschluß langfristiger Erzlieferverträge - vor allem in Schweden - erwarb er zahlreiche Felder und Beteiligungen, hauptsächlich im Ausland, da die wenigen ergiebigen deutschen Vorkommen bereits verteilt waren, als August Thyssen diesen Rohstoff ernsthaft in sein Expansionskalkül einzubeziehen begann. 1 6 Der regionale Schwerpunkt seines Engagements im Erz lag in Deutsch- und Französisch-Lothringen, doch beteiligte er sich auch an Unternehmen in der Normandie, Nordafrika, Südrußland,

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N o r w e g e n u n d British-Indien. Immer wieder aber w u r d e n Thyssens u r sprüngliche E r w a r t u n g e n i m Bezug auf die Ausbeutung der jeweiligen V o r k o m m e n aufgrund politischer Schwierigkeiten u n d einer zu optimistischen Einschätzung der Probebohrungen enttäuscht. Dennoch entstand ab 1910 auf der lothringischen Minette Thyssens zentrales Projekt in der Zeit vor d e m ersten Weltkrieg: das H ü t t e n w e r k Thyssen AG, Hagendingen, dessen Gesamtkosten sich auf ca. 85 Millionen Mark beliefen. 1913 erzeugte die Hagendinger Hütte, zu jener Zeit eines der modernsten Stahlwerke Europas, ungefähr 0,49 Millionen Tonnen Roheisen und 0,44 Millionen Tonnen Stahl. 1 7 Außer den bisher skizzierten Aktivitäten Thyssens während des U n t e r s u chungszeitraums d a r f a u c h ein kurzer Hinweis darauf nicht fehlen, daß der Konzern bis 1914 natürlich bereits über eine eigene, differenzierte Handelsu n d Verkaufsorganisation verfugte und auch als Kalk- und Z e m e n t p r o d u zent in Erscheinung trat. Schließlich versuchte sich August Thyssen zusamm e n mit H u g o Stinnes als Bankier. Der gemeinsam gegründeten Rheinischen Bank in Essen war jedoch weder großer ökonomischer Erfolg beschieden, noch spielte sie für die Finanzierung der jeweiligen Konzerne eine nennenswerte Rolle. 1 8 Mit der Fertigstellung von Hagendingen 1913 hatte der Thyssen-Konzern jene Dimension erreicht, die die Schaubilder 14 und 15 skizzieren. Natürlich w u r d e n in diesem kurzen Überblick über die Konzernentwicklung nur seine Hauptstrukturen u n d -Wachstumsphasen nachgezeichnet. Wie aus der Graphik ersichtlich ist, u m f a ß t e der Thyssen-Konzern weit mehr Zweige und Werke als die hier explizit benannten. Die Beteiligungs- und Besitzpalette reichte von Werken zur Verarbeitung abfallender N e b e n p r o d u k t e bis z u m Besitz eigener Hafenanlagen. Festzuhalten ist aber, daß als Herzstück des Konzerns nach wie vor die Gewerkschaft Deutscher Kaiser mit ihren verschiedenen Produktionszweigen figurierte, die sich weiterhin im alleinigen Besitz August Thyssens befand. Das hier angelegte Kapital belief sich 1913 auf insgesamt 180,91 Millionen Mark, w o v o n auf die Kohlenzechen 78,09, auf die Hüttenbetriebe 66,42, auf die Eisenbahnen und Häfen 11,01 und auf Beteiligungen an anderen U n t e r n e h m e n 25,39 Millionen Mark entfielen. 1 9 Im jetzt folgenden Abschnitt werden die Einzelheiten der Akkumulationsentwicklung der G D K zur Sprache k o m m e n . Die kapitalstatistische Entwicklung der GDK Die Bilanzen der G D K sind schon unter verschiedenen Aspekten ausgewertet worden, so von Treue, Milkereit und Feldenkirchen. Dabei werfen die organisatorische Struktur des Konzerns sowie die eigenwillige Finanzierungstechnik eines August Thyssen einige Interpretationsprobleme auf. So können sich etwa hinter Darlehen von konzerneigenen U n t e r n e h m e n , vor allem von Thyssen & C o . in Mülheim, die als interne Kapitalquellen erschei-

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nen, durchaus von der Substanz her Bankkredite verbergen, die von Thyssen & Co. aufgenommen wurden. Nichtsdestoweniger verstärkt die Bilanzanalyse der GDK nachhaltig den Eindruck vom Primat der Eigenfinanzierung während des gesamten Untersuchungszeitraums - auch wenn wegen des Ausmaßes, in dem die GDK ihren Akkumulationsprozeß erweiterte, den externen Krediten eine steigende Bedeutung zukam. 2 0 Sowohl die Bilanzsumme als auch das konstante fixe Kapital der GDK weisen über die gesamte Untersuchungszeit hinweg eine sehr dynamische Expansion auf, die, abgesehen von ihrem Umfang, auch wegen ihrer Gleichmäßigkeit auffällt. In keinem einzigen Bilanzjahr verzeichnete das konstante fixe Kapital eine Stagnation. Insgesamt stieg es von 13,96 Millionen Mark in 1892 auf 155,79 Millionen in 1914, was einem prozentualen Wachstum von 1015,97 entspricht. Weit überboten wurde dieses Wachstum noch von der Bilanzsumme, die sich nach 15,87 Millionen Mark in 1892 auf 246,11 Millionen in 1914 stellte, also um 1450,79% expandiert war, Zahlen, die auf einen relativen Gewichtsverlust des Anlagevermögens bezogen auf das Gesamtkapital hinweisen. Der rapiden Expansion des konstanten fixen Kapitals einerseits stand andererseits eine Profitrate gegenüber, die, ausgehend von einem sehr niedrigen Anfangsniveau, zwar eine beträchtlich steigende Tendenz aufwies, aber niemals 15% überschritt, mithin also eher unterdurchschnittlich blieb. Auch wenn selbst diese verhältnismäßig niedrige Profitrate wegen des hohen Wertes des konstanten fixen Kapitals im Nenner schon erkleckliche jährliche Profitmassen voraussetzte - 1914 erreichte die Profitmasse der GDK mit 23,4 Millionen Mark ihren Höchstwert - , überrascht vor diesem Hintergrund die relative Labilität des EFP nicht. Zwar beläuft es sich im Schnitt immerhin auf 508,46%, doch wenn man aus diesem Mittelwert den höchsten und niedrigsten Summanden eliminiert, so stellt er sich auf wesentlich realistischere 124,61%. Dabei ist allerdings eine ganz deutliche Konsolidierungstendenz der Kapitalverwertung erkennbar. Nachdem nämlich der Indikator für die Eigenakkumulationskraft der GDK wegen der Anfangsschwierigkeiten des Stahlbereiches in den neunziger Jahren fast durchweg weit unter 100% gelegen hatte, steigt er gegen Ende des Untersuchungszeitraums ganz signifikant an. Nichtsdestoweniger bedurfte die Expansionsfinanzierung über das EFP über weite Strecken der Ergänzung aus anderen Kapitalquellen. Dabei ist die Lösung dieses Problems typisch für das Streben August Thyssens nach finanzieller Unabhängigkeit. Denn neben die Akkumulation aus laufenden Profiten der GDK (Rückstellungen + Abschreibungen) trat ein weiterer Finanzierungsfonds aus konzerninternen Mitteln, der in den Bilanzen als »Grundkapital« erscheint und aus Zubußen, Guthaben der Gewerken und diversen Reservefonds bestand. Die Erweiterung dieses Bilanzpostens deckte diejenige des konstanten fixen Kapitals im Schnitt mit 155,46% ab. Trotz allem blieb die finanzielle Autonomie des Thyssen-Konzerns natür201

lieh keine vollständige. M i t fortschreitender E x p a n s i o n des A n l a g e v e r m ö gens n a h m auch das langfristige Fremdkapital an U m f a n g u n d B e d e u t u n g zu. Es erreichte 1914 58,39 Millionen M a r k , w o b e i als w o h l spektakulärste E r w e i t e r u n g e n die drei Anleihen des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s v o n 1892, 1895 u n d 1904 f i g u r i e r e n . 2 1 D e n n o c h erlangte das langfristige Fremdkapital nie auch n u r annähernd die Relevanz f u r die Expansionsfinanzierung w i e die interne Kapitalmobilisierung. Die u m den atypischen E x t r e m w e r t v o n 1914 bereinigte mittlere D e c k u n g der E r w e i t e r u n g des k o n s t a n t e n fixen Kapitals d u r c h die A u s d e h n u n g des langfristigen Fremdkapitals belief sich lediglich auf 47,11 Prozent. Ü b e r den Expansionsbeitrag des f o r m a l kurzfristigen Fremdkapitals läßt sich aus den Bilanzen abermals w e n i g Definitives h e r a u s lesen. Das durchschnittliche Verhältnis der Steigerung der K r e d i t o r e n zu der des k o n s t a n t e n fixen Kapitals stellt sich auf 5 7 , 0 6 % , d o c h ist der Finanzierungsbeitrag der de facto langfristig angelegten K o n t o k o r r e n t k r e d i t e m i t Sicherheit viel geringer zu veranschlagen. Es gibt jedenfalls ü b e r h a u p t keinen A n h a l t s p u n k t dafür, daß A u g u s t T h y s s e n diese riskante Finanzier u n g s m e t h o d e in n e n n e n s w e r t e m U m f a n g praktiziert hätte. So lieferte die A k k u m u l a t i o n s e n t w i c k l u n g der G D K i m U n t e r s u c h u n g s zeitraum keine objektive Basis f u r die Etablierung eines g r o ß e n oder gar d o m i n a n t e n Bankeneinflusses auf das U n t e r n e h m e n . Z w a r leisteten die B a n k e n als Vermittler z u m K a p i t a l m a r k t u n d Kreditgeber o f f e n b a r m i t Fortschreiten der E x p a n s i o n durchaus wesentliche Finanzierungsbeiträge, d o c h sorgten eine sich - i m U n t e r s c h i e d abermals zu Hilferdings P r o g n o s e f ü r das durchschnittliche Individualkapital - konsolidierende K a p i t a l v e r w e r t u n g u n d die d a r ü b e r hinausgehende Kapitalmobilisierung i m K o n z e r n f ü r ein eindeutiges P r i m a t der Eigenfinanzierung. U n d w e n n , w i e w i e d e r h o l t in den 1890er Jahren, tatsächlich Liquiditätsengpässe bei der G D K auftraten, so achtete A u g u s t T h y s s e n peinlich darauf, daß ihn diese nicht in die finanzielle A b h ä n g i g k e i t v o n seinen B a n k e n brachten. W ä h r e n d der S t a r t p r o b l e m e der H ü t t e B r u c k h a u s e n halfen i h m in erster Linie Geldmittel aus d e m Familienkreis, der Verkauf v o n Beteiligungen an anderen U n t e r n e h m e n u n d die Profite des Kohlenbereiches aus der K l e m m e . 2 2 Als u m d i e j a h r h u n d e r t w e n de d a n n abermals die akute Verschuldung bedrohlich w u r d e , v e r k a u f t e er, w e n n auch s c h w e r e n Herzens, die G e w e r k s c h a f t Ver. Gladbeck an den Fiskus. Im Nachhinein i n f o r m i e r t e er a m 16. 07. 1902 seinen Vertrauten bei der D e u t s c h e n Bank, Karl Klönne: »Ich kann es Ihnen jetzt verraten, dass Thyssen u. Co. Gladbeck und Deutscher Kaiser seit Jahren mit 30 bis 40000000 Schulden arbeiteten... Ich mußte schließlich Gladbeck verkaufen und nur durch den Verkauf, gelang es mir, das Vertrauen wiederherzustellen und dadurch die Krisis zu überwinden.« 23 B o t schon ihr A k k u m u l a t i o n s p r o z e ß f ü r die B a n k e n keinen A n s a t z p u n k t , u m die G D K in eine objektive ö k o n o m i s c h e Abhängigkeit v o n sich zu bringen, so w u r d e A u g u s t T h y s s e n s A u t o n o m i e i m U n t e r n e h m e n weiter

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verstärkt durch das vollständige Fehlen einer institutionellen Verflechtung mit seinen Banken. Die Kuxe der GDK befanden sich seit 1891 in seinem Alleinbesitz, und im Grubenvorstand saß zu keiner Zeit auch nur ein einziger Bankier. Diesem Gremium gehörten vielmehr stets neben August Thyssen selbst lediglich weitere Familienmitglieder und seine allerengsten und loyalsten Mitarbeiter an. 2 4 Der dritte objektive Faktor von überragender Bedeutung aber, der August Thyssen ein Höchstmaß an Souveränität gegenüber seinen Banken sicherte, war die außerordentlich massive Konkurrenz, mit der sich die verschiedenen Institute um die Abwicklung seiner Banktransaktionen rissen. Schon aus der Liste der Zahlstellen der GDK-Anleihen 1913 geht hervor, daß zu ihren Bankverbindungen allein vier der sechs Berliner Großbanken gehörten, nämlich die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, der Schaaffhausen'sche Bankverein und die Disconto-Gesellschaft, sowie die mit der Deutschen Bank eng liierte Essener Creditanstalt und das Bankhaus Oppenheim, also zwei bedeutende Provinzinstitute. 25 Nachdem Oppenheim August Thyssen bei der GDK in den Sattel geholfen und dafür die Option auf weitere intensive Geschäftskontakte erhalten hatte, wurden mit dem steigenden Kapitalbedarf der 90er Jahre auch Beziehungen zu einer ganzen Reihe weiterer Banken angeknüpft. Darunter finden wir außer den schon erwähnten Instituten auch die Bayrische Handelsbank, von der Heydt, Kersten und Söhne, Trinkhaus und weitere Privatbanken. 26 Aber auch Spezialgeidinstitute, die sich ganz auf ein bestimmtes Geschäftsfeld konzentriert hatten, wie die Hypothekenbanken, und ausländische Banken spannte August Thyssen für seine Kreditmobilisierung ein. Aus den Akten lassen sich unter anderem - zum Teil sehr bedeutende - Umsätze mit dem Allgemeinen Knappschaftsverein in Bochum, der Preußischen Zentral-Bodenkredit-AG in Berlin, der Rheinisch-Westfälischen Bodenkreditbank, der Deutschen Hypothekenbank in Meiningen und dem Crédit Lyonnais nachweisen. 27 Was den regulären Bankverkehr anbelangt, wurde im Laufe der Zeit die Verbindung Thyssens zur Reichsbank(i) immer bedeutender. Am 24.11. 1908 etwa schrieb die Thyssen AG an das Reichsbankdirektorium: »Wir erlauben uns die Anfrage, ob Sie geneigt sind, die Dreimonats-Entnahmen der Gewerkschaft Deutscher Kaiser auf die übrigen Thyssenschen Werke... zu diskontieren. .. Es kämen Tratten im Betrage von 6—71/2 Millionen Mark in Umlauf. Diese Wechsel haben wir bisher unseren Banken gegeben, doch wäre es uns mit Rücksicht auf den großen Giroverkehr, den die Gewerkschaft Deutscher Kaiser und wir mit der Reichsbank unterhalten, und auf die großen Summen, welche wir von der Reichsbank zu Löhnungszwecken entnehmen, angenehm, sie auch Ihnen zuweisen zu können.« 2 8

Das Verhältnis von Thyssen zur Reichsbank war von einer auf beiden Seiten hohen Kooperativität geprägt, die sich für die Reichsbank aus der unter203

schiedlichen Motivation ihres ökonomischen Handelns gegenüber den zwangsläufig bedingungslos an Profitmaximierung orientierten Privatbanken erklären läßt. Die Funktion der Reichsbank als Element des Regulierungsinstrumentariums, mit dem der Staat versuchen konnte, Einfluß auf den Reproduktionsprozeß des Gesamtkapitals zu nehmen, eröffnete ihr Handlungsspielräume, von denen auch Thyssen profitierte. So versicherte die Reichsbanknebenstelle Hamborn der GDK am 3. April 1906: »Es hat die Reichsbank in der Periode des letzten wirtschaftlichen Niedergangs aller Orten bewiesen, daß sie es für ihre vornehmste Pflicht hält, gerade in kritischen Fällen fördernd und unterstützend einzugreifen, damit die großen Unternehmungen, auf denen das Wohl des Vaterlandes am meisten basiert, etwaige Schwierigkeiten leichter überwinden und weiter emporblühen können. Zu dem weiteren Inhalte ihres Schreibens bemerken wir ergebenst, daß wir selbstverständlich alles Entgegenkommen und alle Erleichterungen, welche die Reichsbankstelle Mülheim der Firma Thyssen & Co. einräumt, sowohl bei der Regulierung ihrer Verbindlichkeiten hinsichtlich der Gewährung der Respektstage als auch die etwaige Vorausadivisierung bei eingereichten Diskonten als auch die Diskontierung zum alten Satze bei Zinsfußerhöhungen in demselben Maße gewähren werden. Wir geben uns der angenehmen Hoffnung hin, daß dieses Schreiben die Veranlassung zur baldigen Aufnahme der Geschäftsverbindung mit uns sein wird. « 29

So stand also August Thyssen zumindest im Bezug auf den regulären Bankverkehr die Möglichkeit offen, im Bedarfsfall durch die - de facto staatlicheReichsbank zu sehr günstigen Konditionen die Dienste seiner privaten Bankinstitute zu substituieren, eine Konstellation, die den Konkurrenzdruck auf letztere weiter erhöhen mußte. Umgekehrt zeigte sich August Thyssen auf Wunsch zu Gegenleistungen an die Reichsbank bereit. Als beispielsweiise 1910 die Reichsbank aus der Befürchtung heraus, die Nebenstelle Mettman könne wegen mangelnder Umsätze gezwungen sein, den Geschäftsverkehr einzustellen, mit dem Wunsch an Thyssen herantrat, die von ihm entscheidend beeinflußten Rheinischen Kalksteinwerke als Kunden zu gewinnen, sorgte er dafür, daß dieses Unternehmen seinen Bankverkehr von der — ebenfalls von Thyssen (und Stinnes) kontrollierten - Rheinischen Bank zur Reichsbanknebenstelle Mettman verlagerte. 30 Auch war Thyssen der Reichsbank 1912 bei der Einführung von Papiergeld zum Zwecke der Kräftigung ihres Goldschatzes behilflich, indem er die Löhne an seine Arbeiter in diesem Geld auszahlte. 31 Die Konkurrenzverhältnisse unter den mit ihm arbeitenden Bankinstituten wußte August Thyssen auf allen Ebenen zu schüren und geschickt für seine Zwecke auszunutzen. Deutlich wurde dies nicht nur, aber auch bei den drei Anleihen der GDK während des Untersuchungszeitraums.

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Die Anleihen der

GDK32

In allen drei Fällen, 1892, 1895 und 1904 sind die Anleihebedingungen aus Sicht der G D K als durchaus günstig einzuschätzen. Der Zinsfuß übersteigt nie 4,5%, und die Rückzahlung erfolgt, soweit erkennbar, ohne jeden Aufschlag. Hinsichtlich der Provision des jeweiligen Konsortiums geben die vorliegenden Quellen leider lediglich Aufschluß für 1904, als die Differenz zwischen Übernahmekurs und Subskriptionskurs 1,25% betrug und damit eher unterdurchschnittlich ausfiel. Bezogen auf 15 Millionen belief sich die Bruttoprovision demnach auf 187500 Mark, die sich insgesamt sechs Banken zu teilen hatten. Es wäre vor dem Hintergrund der bisher skizzierten Rahmenkonstellation auch mehr als unwahrscheinlich, daß es den Banken gelungen sein könnte, sich auf diesem Wege nennenswerte Profitteile der G D K anzueignen. Auffällig ist, daß die Führung der Übernahmekonsortien keineswegs konstant blieb, sondern jeweils einem anderen Institut zufiel. Als die Deutsche Bank sich 1904 u m die Konsortialfiihrung bemühte, kam es zu einem handfesten Streit zwischen ihr und der Disconto-Gesellschaft, dessen Verlauf aus dem Briefwechsel Thyssen - Klönne rekonstruierbar ist. Dieser Streit zeigt darüberhinaus, wie nachdrücklich August Thyssen auf die Diversifizierung seiner Kontaktbanken achtete und sich vorbehielt, bei auftauchenden, konkurrenzbedingten Konflikten als Schiedsrichter zu fungieren: Klönne informierte am 3.11. 1903 August Thyssen über den Konflikt mit der Disconto-Gesellschaft: »An der Börse sprach ich Herrn Schoeller (Disconto-Gesellschaft - V.W.) an und sagte ihm, dass wir uns zur Mitübernahme der Anleihe bereit erklärt hätten und ich annähme, dass Sie auch mit Ihm gesprochen haben. Er erwähnte darauf, dass Sie Herrn v. Hansemann aufgesucht und auch der Anleihe Erwähnung getan hätten, worauf ich erwiderte, es wäre von 15 Mill. Mark die Rede gewesen, deren Ausgabe noch nicht einmal erfolgen werde. Auf die weitere Frage nach dem Kurse sagte ich, daß darüber noch nicht gesprochen worden sei und fugte hinzu, daß Sie die Mitwirkung der Dresdner Bank sowie eine Beteiligung für die Rheinische Bank wünschten. Er stimmte allem zu und betonte dann, daß er natürlich für die Disconto-Gesellschaft die Führung beanspruchen müsse, weil sie auch die letzte Anleihe von Deutscher Kaiser abgeschlossen habe. Als ich darauf erwiderte, dass ich für dieses Geschäft auf die Führung der Deutschen Bank rechne, Sie auch zuerst zu uns gekommen seien, wurde Schoeller unangenehm und lenkte auch dann nicht ein, als ich ihn darauf hinwies, dass er nicht nur die eine Gew. Deutscher Kaiser Anleihe sondern auch die verschiedenen Transaktionen des Schalker Vereins geführt habe. Zum Schluß sagte er sogar, dass er für eine Mitwirkung an dem Geschäft voraussichtlich nur zu haben sei, wenn der Disconto-Gesellschaft die führende Stellung eingeräumt werde. Wahrscheinlich wird auch in diesem Falle die Suppe nicht so heiß gegessen wie sie gekocht ist, ich nehme vielmehr an, dass Schoeller einlenken wird. Sollte es aber nicht der Fall sein, so würde die Deutsche Bank das Geschäft ebenso gern ohne dieDiscontogesellschaft durchführen.

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August Thyssen reagierte formal indigniert auf die Streitigkeiten zwischen den beiden Instituten und insistierte seinerseits auf der Hinzuziehung zusätzlicher Banken, was seine Verhandlungsposition nur weiter verbessern konnte: »Inzwischen hat sich die Disconto-Gesellschaft resp. Herr Schoeller an mich gewandt, um ihr die Führung zu überlassen. Herr Schoeller meinte u.a., dass eine Änderung in der Führung eine Verletzung alter Tradition darstellen würde. Mir ist es sehr peinlich, dass die Banken sich um solche Kleinigkeiten streiten. Ich habe Herrn Schoeller geschrieben, dass ich wahrscheinlich nunmehr auf die Anleihe ganz verzichten würde, umso mehr, als ich ausser Ihnen auch Disconto-Gesellschaft, Dresdner Bank und unbedingt Schaafhausen beteiligen muß. Wie Sie wissen, haben mir Dresdner Bank und Schaafhausen zu allen Zeiten das größte Vertrauen entgegengebracht. Niemals haben diese Banken unseren Kredit bemängelt und Deckungen verlangt, obwohl wir, d. h. Thyssen & Co., in der schwierigsten Zeit bis 3 Millionen Mark und mehr schuldeten. Es ist meine Pflicht, diesen Banken bei dieser Gelegenheit meine Dankbarkeit zu zeigen, falls überhaupt eine Anleihe ausgegeben wird. « 33

Die günstigen Konditionen, welche August Thyssen seinen Banken für die Kapitaltransaktionen der GDK abhandelte, erzielte er auch für die anderen Unternehmen, an denen er interessiert war. Das Wissen um die Intensität der Konkurrenz, mit der auch andere Institute Thyssen umwarben, veranlaßte die Banken zu einer weitgehenden Konzilianz. Ein Beispiel hierfür liefert die Anleihe des Schalker Vereins aus dem Jahre 1904, als Klönne für die Deutsche Bank bereits im Vorfeld Entgegenkommen signalisierte: »Wie man im nächsten Jahre den Ausgabekurs fixieren kann, läßt sich natürlichjetzt noch nicht sagen. Ganz unverbindlich würde ich annehmen, dass man pari fordern könnte, w o v o n dann Bonifikation u . s . w . abgehen würde; somit könnte Schalke von den Banken 981/2 netto beanspruchen. Wenn ich diese Ansicht äussere, glaube ich mich auf den Standpunkt von Schalke gestellt zu haben. « 34

Der sonstige Bankverkehr

Thyssens

Die gut ausgeprägte Eigenakkumulationskraft des Thyssen-Konzerns, die Immunität der GDK gegenüber einem institutionellen Zugriff der Banken sowie deren intensive Konkurrenz untereinander als objektive Faktoren und die dominante Persönlichkeit August Thyssens als verstärkender subjektiver Faktor sicherten ihm natürlich nicht nur bei der Durchführung von Kapitaltransaktionen außergewöhnlich günstige Bedingungen. Vielmehr erreichte er auch auf anderen Ebenen des Bankverkehrs Zugeständnisse, die über die durchschnittlichen Gepflogenheiten, welche sich in der Konkurrenz zwischen profit- und zinstragendem Kapital herausgebildet hatten, hinausgingen, wobei er häufig im Bewußtsein um die Stärke seiner Verhandlungsposition dem Geschäftspartner seine Bedingungen diktierte. So schrieb die GDK am 7 5. 1909 an den Vermittler zwischen ihr und der Bayrischen Handelsbank: 206

»Wir sind bereit eine Anleihe v o n 2—4 Millionen bei dieser Bank a u f z u n e h m e n unter der Bedingung, dass der Z i n s f u ß a u f 4 1 / 4 % p . a . , der Emissionskurs a u f 9 9 % u n d der Tilgungssatz auf 2 % festgesetzt wird. Provisionen irgendeiner anderen Art k o m m e n nicht in Frage. Falls die Bayrische Handelsbank auf diese Bedingungen nicht eingehen sollte, bedauern wir, v o n weiteren Verhandlungen Abstand n e h m e n zu müssen und zeichnen hochachtungsvoll. « 35

Auch im regulären Bankverkehr mit der Deutschen Bank genoß Thyssen Sonderkonditionen, was deutlich hervorgeht aus den Umständen, unter denen August Thyssen den Geschäftskontakt zwischen der Deutschen Bank und Hugo Stinnes vermittelte. Klönne teilte ihm am 26. 9. 1901 mit: »Heute fragte H e r r H u g o Stinnes bei uns an, wie wir Accepte der Dresdner Bank und S c h a a f h a u s e n acceptierten. Natürlich k ö n n t e ich i h m nicht die Ihnen eingeräumten billigsten Bedingungen (1/4% über Privatsatz 3 6 ) nennen, weil die Gesamtbeziehungen zu Ihnen auf ganz anderen Grundlagen beruhen; doch gab ich i h m Privatsatz und 1/00 auf, was auch noch billig ist. Jedenfalls wollte ich nicht verfehlen, Sie zu unterrichten. « 3 7

Zu jeder Zeit mußten sich auch die Großbanken inclusive der Deutschen Bank ihrer Ersetzbarkeit für Thyssen durch Konkurrenzinstitute bewußt sein. Beunruhigte Anfragen wie die folgende finden sich mehrfach im nun schon häufig zitierten Briefwechsel zwischen Klönne und August Thyssen: »Die Aktien vom Schalker Verein werden durch die Dresdner Bank ständig gekauft; haben Sie für uns nichts zu tun?« 38 Umgekehrt konnte offenbar selbst die Deutsche Bank auf Gegenleistungen für ihre Dienste kaum in Form eines Diktates bestehen, sondern hatte sich bei entsprechenden Wünschen eines äußerst zurückhaltenden Tones zu befleißigen: »Sie d ü r f e n überhaupt damit rechnen, dass w ä h r e n d meiner Abwesenheit - auch w e n n ich nicht fur Sie eintreten w ü r d e - die Deutsche Bank voll und ganz auf Ihrer Seite stehen wird. Wollen Sie nun, obgleich hier mit keinem Wort davon geredet ist (Hervorh. v. Verf.), irgendein D e p o t v o n Aktien oder Kuxen hinterlegen, so w ü r d e das gewiß imponieren. Ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen den Rat aus eigenem Antriebe gebe, u m die hier für Sie günstige S t i m m u n g noch zu erhöhen, dass aberhier niemand daran gedacht hat, (Hervorh. v. Verf.) an Sie ein solches Verlangen zu stellen.« 3 9

Die Vermittlerdienste

der Banken

fiir

Thyssen

In vielfältiger Weise setzte August Thyssen die geschäftlichen Kontakte und Einflußmöglichkeiten seiner Banken zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen ein, was an Hand seines zumindest phasenweise gut dokumentierten Verhältnisses zur Deutschen Bank besonders klar erkennbar wird. Von der Koordinierung des Vorgehens an der Börse über die Vermittlung profitabler Kontakte bis hin zur Abtretung von Aktienpaketen an August Thyssen für 207

b e s t i m m t e G e n e r a l v e r s a m m l u n g e n reichte die Palette v o n Dienstleistungen, m i t denen ihn seine B a n k e n u n t e r s t ü t z t e n . 4 0 D e r w o h l spektakulärste Fall v o n »Agententätigkeit« der B a n k e n f ü r T h y s s e n , der e r z w u n g e n e Beitritt des P h o e n i x z u m Stahlwerks verband i m J a h r e 1904, ist bereits o b e n detailliert zur Sprache g e k o m m e n . 4 1 Ein weiteres entscheidendes Feld, auf d e m sich A u g u s t T h y s s e n insbesondere der Hilfe der D e u t s c h e n B a n k bediente, w a r e n seine B e m ü h u n g e n u m die S c h a f f u n g einer Erzbasis in Schweden k u r z nach der J a h r h u n d e r t w e n d e , bei denen er die V e r b i n d u n g der Bank m i t der Trafikaktiebolaget GrängesbergOxelösund (TGO) nutzte. Die D e u t s c h e B a n k u n d T h y s s e n k o o r d i n i e r t e n über lange Zeit ihre B e m ü h u n g e n , über den A n k a u f entsprechender A k t i e n pakete institutionellen Einfluß auf dieses schwedische U n t e r n e h m e n zu g e w i n n e n . Diese B e s t r e b u n g e n w u r d e n allerdings m i t der Verstaatlichung des schwedischen E r z b e r g b a u s i m Jahre 1907 obsolet. Vor allem aber k a m e n auf V e r m i t t l u n g der deutschen B a n k langfristige Erzlieferverträge zwischen T h y s s e n u n d der T G O zustande, die der G D K f ü r m e h r als ein J a h r z e h n t den sehr günstigen B e z u g g r o ß e r M e n g e n h o c h w e r t i g e r Erze sicherte. 4 2 Z w a r schreibt Milkereit, A u g u s t T h y s s e n sei bei den Schwedenerzen »trotz des Beistandes der D e u t s c h e n B a n k o h n e Glück« geblieben, 4 3 d o c h sah das dieser selbst o f f e n b a r ganz anders. Er hielt die erreichten Lieferverträge in der Retrospektive f ü r so profitabel, daß er sich 1911 b e m ü ß i g t fühlte, seinen beiden H a u p t v e r m i t t l e r n , Louis Fränckel, d e m Inhaber der S t o c k h o l m e r H a n d e l s b a n k , u n d eben Karl Klönne, jeweils eine persönliche Gratifikation in H ö h e v o n 75 000 M a r k zu ü b e r w e i s e n . 4 4 D i e Tatsache, daß A u g u s t T h y s sen es augenscheinlich f ü r n o r m a l hielt, e i n e m D i r e k t o r der D e u t s c h e n B a n k eine Prämie f ü r eine erbrachte Leistung zu zahlen, läßt w o h l k a u m auf eine inferiore Situation des Industriellen gegenüber d e m Bankier schließen. U n t e r den weiteren G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g e n , die T h y s s e n m i t Hilfe der D e u t s c h e n B a n k a n k n ü p f t e , sei n o c h besonders auf die Firma Siemens, einen weiteren wesentlichen K u n d e n der Bank, verwiesen. K l ö n n e i n f o r m i e r t e T h y s s e n a m 24. 4. 1900: »Wenn, wie Sie mir das selbst sagen - Ihre Beziehungen zu S & H im beiderseitigen Interesse liegen, so dürfen Sie sich fest darauf verlassen, dass die Deutsche Bank diese Beziehungen stets unterstützen wird. «4S

Die gegenseitige Beeinflussung der Geschäftspolitik Selbstverständlich w a r A u g u s t T h y s s e n weit d a v o n entfernt, sich v o n seinen Bankiers Vorschriften über die R i c h t u n g seiner Geschäftspolitik m a c h e n zu lassen. D o c h diese Tatsache schloß andererseits nicht aus, daß er in b e s t i m m ten Fällen, in denen nicht seine eigenen essentiellen Belange b e t r o f f e n w a r e n , aus Rücksicht auf die Interessen der m i t i h m alliierten Institute den einen oder anderen Schritt tat oder unterließ. Als i h m etwa die Kalker W e r k z e u g 208

fabrik 1901 einen Sitz in ihrem Aufsichtsrat antrug, lehnte er nach Rücksprache mit Klönne auf dessen Bitten das Angebot ab. 4 6 Umgekehrt erwartete August Thyssen gleiches Wohlverhalten von seinen Banken und scheute sich selbst Karl Klönne gegenüber nicht, mit latenten Drohungen seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen, so geschehen beispielsweise 1905, als die Firma Possehl die Gründung eines Hochofenwerkes in Lübeck plante. Diese Gründung, bei der die Deutsche Bank sich beteiligen sollte, betrachtete Thyssen als Bedrohung für seine Konkurrenzposition und zögerte nicht, Klönne die Konsequenzen für den Fall einer Unterstützung Possehls durch sein Institut anzudeuten: »Was nun Lübeck betrifft, so möchte ich Sie dringend bitten, jede Beteiligung abzulehnen. Zuerst hat man sich an mich gewandt und eine grössere Beteiligung angeboten. Dann hat man die Bank für Handel und Industrie, Berlin, in Anspruch genommen, welche sich an Herrn Stinnes wandte, der ablehnte und die Bank veranlaßte, dasselbe zu tun. Jetzt wendet man sich an die Deutsche Bank und wenn Sie eine Beteiligung nehmen, so ist dies für die hiesige Roheisen-Industrie sehr unangenehm, denn damit ist das Syndikat unmöglich gemacht. Ihre hiesigen Freunde, z.B. Schalke, GHH, Niederrheinische Hütte, Applerbeck, Bochum, Krupp und wir müssen Ihnen das verdenken. (Hervorh. v. Verf.).« 4 7

Klönne beeilte sich, August Thyssen zu versichern, die Deutsche Bank werde alles tun, um den Lübeck-Plan Possehls zu behindern. 4 8 Dennoch darf man sich durch diese Episode nicht zu der Annahme verleiten lassen, Thyssen sei in Inversion der These Hilferdings in der Lage gewesen, der Deutschen Bank ihre Geschäftspolitik zu diktieren. Zwar scheinen seine Wünsche stets ein starkes Argument für die Bank gewesen zu sein, doch zeigt beispielsweise das von Milkereit geschilderte Dreiecksverhältnis Rombacher Hütte - Thyssen - Deutsche Bank, daß sich die Bank gerade dann ein autonomes Handeln vorbehielt, wenn die Interessen Thyssens gegen die eines anderen potenten Kunden standen. 49 Zu der gleichen Erkenntnis führte ja auch die Analyse des oben bereits behandelten Spannungsfeldes zwischen Thyssen und Mannesmann. 5 0

Thyssen und die

Syndikate

Wilhelm Treue hat versucht, das Verhältnis Thyssens zu den Syndikaten auf einen knappen Nenner zu bringen, indem er feststellte, daß August Thyssen »ein ausgesprochener Freund der Verbände nicht war, was keineswegs bedeutet, daß er die Verbände im gegebenen Fall nicht benutzte, wenn ersieh Vorteile für seinen Konzern erhoffte.« 5 1 Es würde an dieser Stelle zu weit fuhren, wollte man die zahlreichen Anekdoten im Einzelnen ausbreiten, die die Beziehungen Thyssens zu den verschiedenen Syndikaten prägten. Den drei bedeutendsten dieser Verbände, dem RWK, dem Stahlwerksverband und dem Rheinisch-Westfälischen Roheisensyndikat trat er mit der GDK 209

1903 (RWK u. Roheisensyndikat) bzw. 1904 (Stahlwerksverband) bei. Daß bei der Gestaltung der Syndikatspolitik Thyssens die Interessen und Wünsche seiner Banken keinerlei Rolle spielten, geht ziemlich eindeutig aus dem Briefwechsel mit Karl Klönne hervor. Zwar verfolgte letzterer mit Sympathie und Skepsis im Bezug auf den Erfolg die Bestrebungen seines Intimus, über die Kartellbewegung hinaus zur Vertrustung der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie nach amerikanischem Muster zu gelangen, doch blieb diese Sympathie stets die eines außenstehenden Beobachters, der sich nicht einmal ein klares Bild über den Stand der Dinge machen konnte. Beispielsweise schrieb ihm Thyssen am 11.9. 1903: »Man täuscht sich in Berlin über das Kohlen-Syndikat. Die Schwierigkeiten sind fast unüberwindlich. Die Familie Haniel macht die meisten Schwierigkeiten, obgleich dieselbe mit 10% beim Syndikat beteiligt ist. « S2

Wie gering die Banken ihre eigenen Einflußmöglichkeiten auf die Verbandsbildung und Vertrustung der Schwerindustrie selbst einschätzten und wen sie als Spiritus Rector dieses Prozesses erkannten, geht aus einem Brief hervor, den Klönne am 16. 10. 1913 an Thyssen schrieb: »Ich persönlich bedaure, wie Sie wissen, das Wettrennen unserer großen Industrien. Ich sähe es viel lieber, w e n n der Ausdehnungsdrang und damit der Geldbedarf der Industrie sich in natürlichen Bahnen hielte. Aber mit dieser Ansicht dringen wir Bankleute bei den Industriellen nicht durch. D a ß der K a m p f auf d e m Gebiet der Röhren an A u s d e h n u n g noch gewinnen wird, ist sehr bedauerlich, mir ist es unerklärlich, daßselbstSie kein Mittel zu seiner Beendigung sehen (Hervorh. v. Verf.).« 5 3

Im Falle des Thyssen-Konzerns und insbesondere der GDK ist die Fragestellung dieser Arbeit recht leicht und eindeutig zu beantworten: Die von Hilferding für das industrielle Durchschnittskapital formulierten Thesen zum Akkumulationsverlauf und zum Verhältnis Banken - Industrie sind für das Thyssen-Imperium völlig unrealistisch. Der Akkumulationsprozeß seines Kernstücks, der GDK, bot den Banken keinerlei Ansatzpunkte, sich objektiv unentbehrlich zu machen. Zwar bewegte sich die Profitrate, wenn auch mit steigendem Trend, eher auf unterdurchschnittlichem Niveau, was für das Eigenfinanzierungspotential einen Ergänzungsbedarf an zusätzlichen Investitionsmitteln schuf, doch spielten die Banken eben für die Deckung dieses Bedarfs keine Schlüsselrolle. In Kohärenz mit dem Primat der konzerninternen Finanzierung behielt die GDK die Unternehmensform einer Gewerkschaft bei, so daß ein Eindringen von Außenstehenden, insbesondere von Bankiers, in die Verwaltung des Unternehmens unmöglich wurde. Eine institutionelle Verflechtung zwischen der GDK und ihren Banken war nicht einmal in Ansätzen ausgeprägt. Vor allem aber war es die hochvirulente Konkurrenz, mit der sich die verschiedensten Institute um die Abwicklung des Thyssenschen Bankverkehrs rissen und die August Thyssen geschickt schürte und ausspielte, die ihm die vollständige Souveränität gegen210

über seinen Banken bescherte. Wie schon im Falle von Deutsch-Lux waren es mithin strukturelle Gründe, die im Zusammenspiel mit einer durchsetzungsfähigen und -willigen Persönlichkeit - dort Hugo Stinnes, hier August Thyssen - , die Etablierung auch nur von Ansätzen einer Bankensuprematie verhinderten. Hinzukam bei Thyssen schließlich noch die Verbindung zur Reichsbank, welche zumindest im regulären Bankverkehr eine Alternative zu den Geschäftsbanken darstellte. Daß das Fehlen jedes Druckmittels gegenüber August Thyssen auch den Banken selbst ganz klar war, zeigt eine Notiz von Klönne für seinen Kollegen Gwinner im Zusammenhang mit dem in der Deutschen Bank diskutierten Plan, die eigene Beteiligung an den Mannesmannröhren-Werken Thyssen zum Kauf anzubieten: »Ich glaube also nicht, dass Thyssen geneigt sein würde, einen besonders günstigen Preis zu zahlen. Ihn würde vermutlich auch der Umstand stören, dass die Mannesmann-Gesellschaft an drei Stellen in Deutschland produziert und ausserdem ein grosses Werk in Österreich betreibt. Auch von unserem Standpunkt empfiehlt sich m. E. der Verkauf nicht. Die Mannesmannwerke haben uns zwar in einen Gegensatz zur ganzen deutschen und österreichischen Röhrenindustrie gebracht, durch die Kraft aber, mit der der Kampf gefuhrt wurde, wie ich glaube wesentlich zur Erhöhung des Prestiges auch der Deutschen Bank bei den Gegnern beigetragen... Besitzt Thyssen die Mannesmannwerke, so wird er bei ihnen Alleinherrscher, gerade so wie in allen seinen anderen Betrieben, und den wenigen Einfluß, den wir bei Thyssen haben, haben wir dann mit 4 oder 5 anderen Bankiers und Banken zu teilen. (Hervorh. v. Verf.). « 5 4

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14. Der Siemens-Konzern

Der Siemens-Konzern gehört ohne jeden Zweifel zu den deutschen Industrieunternehmen, deren Geschichte am besten erforscht ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen in diese Untersuchung einbezogenen Fallbeispielen trägt die sich mit ihm beschäftigende Literatur keineswegs durchweg den Charakter von mehr oder weniger unkritischer Hofgeschichtsschreibung. Vielmehr existiert eine Reihe wissenschaftlich ernstzunehmender Arbeiten, die sich mit verschiedenen für meine Fragestellung relevanten Aspekten der Unternehmensentwicklung auseinandersetzen. So liefert etwa Waller eine statistische Analyse vieler Details des Akkumulationsprozesses bei Siemens. 1 Vor allem aber widmet Jürgen Kocka in seinem Buch über »Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847 bis 1914« exakt der hier interessierenden Frage nach dem Verhältnis des Hauses Siemens zu seinen Banken einigen Raum, wenn auch nur als Randproblem im Rahmen seiner Themenstellung. 2 Dabei gelangt er zu der Ansicht, das Verhältnis der Siemens-Unternehmen zu ihren Banken, unter denen die Deutsche Bank einen herausgehobenen Platz einnahm, »lasse sich kaum auf eine aussagekräftige Formel bringen«. Er verweist zunächst auf eine »breite Sphäre gemeinsamer Interessen« und sieht die Substanz potentieller oder realer Konflikte zwischen beiden Seiten im »Gegensatz zwischen den fast ausschließlich auf möglichst schnelle Rentabilität des Kapitals hin orientierten Bankinteressen und den Versuchen der F i r m a . . . , demgegenüber gewisse, vom reinen Profitstandpunkt aus nicht notwendig vorteilhafte, traditionell oder familiär bedingte Eigenheiten aufrechtzuerhalten. « Bei der Austragung solcher Kontroversen erwies sich nach Kocka »das Siemens-Unternehmen als der stärkere Partner, wenn sich solche Überlegenheit auch innerhalb bestimmter Grenzen der gegenseitigen Abhängigkeit hielt, deren sich beide Seiten anscheinend wohl bewußt waren.« Mit Blick auf Siemens warnt er davor, »von einer zahlenmäßig beachtenswerten Vertretung einer Bank im Aufsichtsrat eines Industrieunternehmens auf dessen Fremdbestimmung durch außerhalb seiner selbst beheimatete Finanzinteressen schließen zu wollen«. 3 Wir werden sehen, daß die Quellenlage in der Tat recht deutlich für die von Kocka formulierten Thesen spricht. Nichtsdestoweniger implizieren sie für die Zwecke dieser Arbeit einen Erklärungsbedarf. U m diesem gerecht zu werden, müssen wir uns zunächst einige Grundzüge der Entwicklung sowohl der deutschen Elektroindustrie als auch der Firma Siemens im besonderen vergegenwärtigen, denn die von Kocka konstatierte tenden212

zielle Überlegenheit des Unternehmens gegenüber seinen Banken - die sich deutlich erst gegen Ende meines Untersuchungszeitraums abzeichnete - ist m. E. erklärbar nur durch das Zusammenspiel unternehmensspezifischer Faktoren mit dem sich verändernden Gesamtreproduktionszusammenhang in der Elektrobranche. 4 Die Telegraphen-Bau-Anstalt von Siemens & Halske 5 mit Sitz in Berlin konstituierte sich am 1.10. 1847 in der Rechtsform einer O H G mit einem Gründungskapital von 6842 Talern. Als Gründer figurierten der Mechaniker Johann Georg Halske, Werner Siemens sowie dessen Vetter, der Justizrat Georg Siemens, später Direktor der Deutschen Bank, der zunächst das Gründungskapital vorgestreckt hatte und nach seinem Ausscheiden 1855 durch Werners Bruder Carl ersetzt wurde. Als Zweck des neuen Unternehmens fixierte man die »Fabrikation und Ausführung elektrischer Telegraphen doch ohne Ausschließung anderer Arbeiten«. In den erstenjahrenihres Bestehens profitierten S & H von ihrer Unabhängigkeit von einem u m kämpften Absatzmarkt. Die militärischen Kommunikationsbedürfnisse sicherten ihnen den kontinuierlichen Eingang profitabler Aufträge seitens des Staates, zumal das Unternehmen quasi eine Monopolstellung als Anbieter einnahm und darüberhinaus Werner Siemens an exponierter Stelle in der preußischen Militärverwaltung saß, womit er als Unternehmer gleichzeitig sein eigener Kunde war. Als aber zu Beginn der fünfziger Jahre die preußische Telegraphenverwaltung S & H wegen der technischen Unvollkommenheit ihrer Lieferung sämtliche Aufträge entzog und darüberhinaus die M o nopolstellung der Firma ins Wanken geriet, konnte dies nur kompensiert werden durch das Vordringen in Produktionsbereiche außerhalb der Elektrizität (Wassermesser, Isolationskabel) und vor allem durch die Entwicklung des Auslandsgeschäftes. Dabei gestalteten sich bis zum Ende der fünfziger Jahre die Geschäfte in Rußland besonders gewinnreich, w o man von dem Klima der kontinuierlichen Kriegsgefahr und dem Krimkrieg profitierte. 1853 eröffneten S & H in St. Petersburg eine Zweigstelle, deren Leitung man Werners Bruder Carl anvertraute. Mit den beginnenden sechziger Jahren übernahm dann der englische Markt die Rolle des abflauenden russischen Geschäftes. Bereits seit 1850 hatten S & H in London eine von Werner Siemens geleitete Agentur unterhalten, die 1858 in eine selbständige Zweigstelle umgewandelt wurde und deren Spezialität die Verlegung von submarinen Telegraphenkabeln wurde. Insgesamt bewertet Jürgen Kocka die ersten zwei Jahrzehnte der Existenz von S & H bis 1866/67 als eine »relativ homogene und konstante Periode«, in der sich »das in den Anfangsjahren Erreichte kaum vergrößerte«. 6 Den ersten zwanzig Jahren tendenziell einfacher Akkumulation folgte bis 1873 eine Phase der expansiven Erweiterung des Akkumulationsprozesses, im Z u g e derer das Berliner Stammwerk eine sprunghafte räumliche und technische Ausdehnung erfuhr, die Kocka als Phase des Übergangs »von der Manufaktur zur Fabrik« qualifiziert. 7 In diesen wenigen Jahren wuchs der 213

Umsatz des Unternehmens u m 244%, während die Arbeiterzahl in der gleichen Zeit um 227% anstieg - was auf eine beachtliche Produktivitätssteigerung hinweist. 8 Bis 1871 ging der Hauptwachstumsschub aus vom Bau der 4700 km langen Indo-Europäischen Telegraphenlinie, deren Bau S&H nach langen Verhandlungen mit England, Preußen, Rußland und Persien übertragen wurde. Danach übernahmen vor allem Siemens Brothers in London mit der Verlegung von Transatlantikkabeln die Rolle des Expansionsschrittmachers. Aber auch der Militärbedarf im Zusammenhang mit dem deutsch-französischen Krieg stellte einen beachtlichen Wachstumsfaktor dar, sicherte er doch einen hohen Absatz an Minenzündern, Distanzmessern, Schiffsfeuerungen, Blockapparaten, Leutewerken etc. Schließlich fiel auch die richtungweisende Entdeckung des dynamo-elektrischen Prinzips durch Werner Siemens im Jahre 1866, durch die die Grundlage für die Entwicklung der Starkstromtechnik gelegt wurde, in diese erste Etappe rasanter Expansion der Firma S&H, doch verhinderte bis 1873 die Fixierung des Unternehmens auf die genannten anderen Projekte eine groß dimensionale ökonomische Nutzung dieser revolutionären technischen Neuerung. 9 Gerade der Starkstromtechnik, die schon bald die Schwachstromtechnik in ihrer Bedeutung überflügeln sollte, verdankte es dann die Elektroindustrie, daß sie in den siebziger und achtziger Jahren eine zu den traditionellen und etablierten industriellen Sektoren inverse Entwicklung der Kapitalverwertung durchlief. Denn während letztere voll von Gründerkrise und Großer Depression erfaßt wurden und zum Teil erhebliche Schwierigkeiten hatten, ihre Folgen zu überwinden, begann für die Elektroindustrie eine Boomperiode von extremer Dynamik, die trotz einiger Flauten erst mit der Krise 1900—1902 eine wirklich einschneidende Unterbrechung erfuhr. Die technische Revolutionierung dieser Industrie durch den Starkstrom erschloß ihr eine ganze Produktpalette, wie Dynamos, Turbinen, Motoren, Beleuchtungsanlagen, Kraftwerke, elektrische Bahnen und Industrieanlagen, mit der sie in neue Absatzmärkte in der Industrie und unter den privaten Haushalten vordringen konnte. Von 1875 bis 1895 stieg die Zahl der elektrotechnischen Betriebe im Deutschen Reich von 81 auf 1326, was eine totale Umstrukturierung der Marktverhältnisse und eine massive Intensivierung der Konkurrenz implizierte. Unter den Neugründungen bis zur Jahrhundertwende ragten einige wenige Großunternehmen heraus, die der Elektroindustrie das Gepräge einer hochkonzentrierten Branche mit einer kleinen, klar umrissenen Gruppe von Marktführern verlieh. Unter diesen wiederum nahm neben S&H vor allem die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) die Spitzenposition ein. Sie hatte sich 1883 unter der Leitung Emil Rathenaus zunächst als Deutsche Edison-Gesellschaft (DEG) konstituiert 1887 benannte sie sich um - und eroberte sich auf der Grundlage der Edisonschen Glühlampenpatente bis 1990 die Führung im aufkommenden Starkstromgeschäft, wobei sie von der Kooperation mit S&H, zu der sich letztere nur widerwillig bereitfanden, profitierte. Im Rahmen dieser Koope-

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ration fiel der A E G die E r r i c h t u n g v o n K r a f t w e r k e n u n d B e l e u c h t u n g s a n lagen zu, w ä h r e n d S & H sämtliche Konzessionen f ü r solche Anlagen der A E G zu überlassen hatte. U m g e k e h r t blieb die A E G in der P r o d u k t i o n beschränkt auf die G l ü h l a m p e n f e r t i g u n g u n d m u ß t e alle anderen M a s c h i nen u n d Materialien v o n S & H beziehen. N a c h der Revision des Vertrages 1887 u n d der ständigen Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden U n t e r n e h m e n e n t b a n d e n sie sich d a n n 1894 v o n allen gegenseitigen V e r p f l i c h t u n g e n . 1 0 N e b e n der A E G entstanden an weiteren G r o ß u n t e r n e h m e n bis zur J a h r h u n d e r t w e n d e die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft v o r m . Schuckert & C o . in N ü r n b e r g (1893), die U n i o n Elektrizitätsgesellschaft in Berlin (1892), die Helios Aktiengesellschaft f ü r elektrisches Licht u n d Teleg r a p h e n b a u in E h r e n f e l d u n d K ö l n (1892), die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft v o r m . W. L a h m e y e r & C o . in F r a n k f u r t a. M . (1893) s o w i e die A k tiengesellschaft Elektrizitätswerke ( v o r m . O . L . K u m m e r & C o . ) in D r e s den (1894). 1 1 D a b e i blieb es - i m Gegensatz etwa zur Schwerindustrie - bis z u m Krisenausbruch v o n 1900 kennzeichnend f ü r die Elektrobranche, daß sich hier n o c h keine wirklich w i r k s a m e n F o r m e n zur M o d i f i z i e r u n g u n d R e d u zierung der kapitalistischen K o n k u r r e n z , wie Kartelle oder Trusts, etabliert hatten. Einerseits suggerierte der anhaltende B o o m den U n t e r n e h m e n keineswegs einen H a n d l u n g s b e d a r f in dieser R i c h t u n g u n d andererseits w u r den A b s p r a c h e n d u r c h Schwierigkeiten bei der N o r m i e r b a r k e i t der P r o d u k t e e r s c h w e r t . 1 2 Wir w e r d e n sehen, wie sich mit der Fusionswelle nach 1900 u n d insbesondere der A n n ä h e r u n g zwischen der A E G u n d S & H die Vorzeichen f ü r die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den E l e k t r o u n t e r n e h m e n u n d ihren B a n k e n entscheidend z u g u n s t e n der industriellen Seite verschoben, w ä h r e n d es u m g e k e h r t gerade die erbitterte K o n k u r r e n z nicht n u r aber v o r allem - zwischen den beiden B r a n c h e n f ü h r e r n w a r , die die D e u t s c h e B a n k 1897 bei der relativ w e i t g e h e n d e n D u r c h s e t z u n g ihrer Vorstellungen zur U m w a n d l u n g v o n S & H in eine A G begünstigte. Die G r ü n d e r k r i s e der siebziger J a h r e hatte S & H zunächst eine m o d e r a t e Stagnation gebracht, deren A u s w i r k u n g e n aber durch das Seekabelgeschäft v o n L o n d o n aus u n d d u r c h ein antizyklisch w i r k e n d e s R e g i e r u n g s p r o g r a m m zur Verlegung v o n 55000 k m unterirdischen Telegraphenkabeln in D e u t s c h l a n d w e i t g e h e n d k o m p e n s i e r t w u r d e n . D a n k des auf G r u n d l a g e der S t a r k s t r o m t e c h n i k sich entfaltenden Beleuchtungsgeschäftes erlebte die Firma d a n n v o n 1881 bis 1890 »eine in ihrer bisherigen Geschichte beispiellose E x p a n s i o n « . 1 3 Die Zahl der in der Berliner Firma Beschäftigten stieg in dieser Zeit v o n 870 auf 2909. 1 4 Die qualitative V e r ä n d e r u n g auf der Gebrauchswertseite der P r o d u k t i o n schlug sich in der Z u s a m m e n s e t z u n g der U m s a t z z i f f e r n nieder. 1895/96 bestritt das S t a r k s t r o m g e s c h ä f t 8 0 % des G e s a m t u m s a t z e s der F i r m a . 1 5 Die m i t dieser E n t w i c k l u n g e i n h e r g e h e n d e E r h ö h u n g der technischen K a p i t a l z u s a m m e n s e t z u n g fand bis E n d e der achtziger J a h r e ihre E n t s p r e c h u n g in einem W a c h s t u m auch der W e r t z u s a m 215

mensetzung des Kapitals, das 1889 der Firma »in Grundzügen den Charakter« verlieh, »der sie in den nächsten Jahrzehnten kennzeichnete: den einer höchst mechanisierten Produktionsfirma, die über ihre Beteiligungen zugleich als Holding-Gesellschaft fungierte. D a der Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen im wesentlichen konstant blieb, wird man sagen können, daß das Unternehmen 1890 seiner inneren Zusammensetzung nach die U m w a n d l u n g zum voll entwickelten Industriebetrieb abgeschlossen hatte. « 1 6

Indessen implizierte die explosive Erweiterung des Akkumulationsprozesses auf der Basis einer erfolgreichen und verhältnismäßig reibungslosen Kapitalverwertung einen sich immer mehr aktualisierenden Bedarf an organisatorischer Anpassung. Jürgen Kocka weist eindrucksvoll nach, wie aus der Diskrepanz zwischen den Dimensionen eines zum Großunternehmen avancierten Einzelkapitals und der Prolongation von patriarchalischpersönlichen Koordinations- und Leitungsstrukturen, die auf die beengten Verhältnisse der frühindustriellen Kleinindustrie zugeschnitten waren, eine zunehmende Ineffizienz und Einschränkungen der Fähigkeit zu zweckrationalem Handeln entstanden. 1 7 Diese Konstellation mußte mittelfristig angesichts der sich intensivierenden Virulenz der Konkurrenz in der Elektrobranche zu Positionsverlusten für S & H im Konkurrenzkampf fuhren, ohne daß das Unternehmen bis 1897 in der Lage gewesen wäre, seine internen Anpassungsprobleme im Wege einer konsequenten Reorganisation seiner Organisationsstruktur in den Griff zu bekommen. Verschiedenen halbherzigen Anläufen hierzu blieb ein durchschlagender Erfolg versagt. Die Einrichtung einer Prokura zur Zentralisation von Entscheidungs- und Koordinierungsprozessen des Unternehmens im Rahmen der Reorganisation 1881/82 trug ebensowenig wie die Umwandlung der Firma in eine Kommanditgesellschaft 1890. Bis zum Beginn der neunziger Jahre konterkarierte der ungebrochene Führungsanspruch eines zunehmend überforderten Werner Siemens (— er starb 1892 - ) durch seine patriarchalisch-unsystematische Praxis letztlich jeden Versuch, das Management durch eine rational durchorganisierte Unternehmensbürokratie mit klar geregelten Kompetenzen an entwickelte kapitalistische Verhältnisse anzupassen, 1 8 und als nach dem Ausscheiden des Firmengründers ein zentrales internes Reorganisationshemmnis aus dem Wege geschafft war, erforderte der durch die Konkurrenz immer weiter angeheizte Konzentrationsprozeß des Kapitals in der Elektroindustrie Dimensionen der Kapitalmobilisierung, die mit den Möglichkeiten des nicht als A G verfaßten U n ternehmens immer schärfer konfligierten. Bereits 1890 lagen S & H mit einem Gesellschaftskapital von 14 Millionen u m 6 Millionen hinter der A E G zurück. 1 9 Zwar nahmen S & H 1893 eine unter Führung der Deutschen Bank piazierte Anleihe in Höhe von 10 Millionen Mark zwecks Ausdehnung der Geschäftstätigkeit und Verstärkung der Betriebsmittel 216

auf, doch löste diese Maßnahme keineswegs langfristig das Problem der Eigenkapitalmobilisierung. Der Handlungsbedarf in Richtung einer Umwandlung von S&H in eine AG spitzte sich zu vor allem mit dem sich ständig verschärfenden Konkurrenzkampf gegen Rathenaus AEG. Diese bemühte sich 1896/97 über einen Fusionsplan mit der Union, sämtliche Berliner Großbanken auf sich zu fixieren und insbesondere die Deutsche Bank, die traditionell mit beiden Elektroriesen zusammenarbeitete, von S&H zu isolieren, was den Zugang des Unternehmens zum Kapitalmarkt stranguliert hätte. Die Deutsche Bank - vor allem in Person von Georg von Siemens - erklärte sich bereit, diesen Plan zum Scheitern zu bringen, knüpfte daran aber die Bedingung, die von ihr bereits mehrmals geforderte Umwandlung der Kommandit- in eine Aktiengesellschaft in die Tat umzusetzen. Hinter dieser Forderung verbarg sich einerseits naturgemäß das Bestreben nach einer Optimierung der Verzinsung des bei S&H seitens der Bank investierten Kapitals, die nach einer leistungsfähigen Organisationsform des Unternehmens verlangte. Andererseits mußte aber auch die institutionelle Struktur einer Aktiengesellschaft eher potentielle Ansatzpunkte für die Beeinflußbarkeit von S&H im Sinne der Interessen der Deutschen Bank liefern. Keineswegs gern, sondern von den Zwängen des Reproduktionszusammenhanges in der Elektroindustrie der Handlungsalternativen beraubt, fugte sich die auf die Sicherung ihres Einflusses bedachte Familie Siemens in die Wünsche der Deutschen Bank. Im Juli 1897 konstituierte sich die S&H AG mit einem Gründungskapital von 35 Millionen Mark. Als erster Vorsitzender des Aufsichtsrates fungierte Werners Bruder Carl von Siemens, der dem Firmengründer als Seniorchef der Firma gefolgt war. 2 0 Abgesehen von der Rechtsform des Unternehmens konnte die Deutsche Bank auch im Bezug auf die personelle Besetzung der AG-Gremien und ihre gegenseitige Gewichtung zunächst viel von ihren Vorstellungen durchsetzen. Sie war nicht nur im Aufsichtsrat der neuen AG von Anfang an durch ihren Direktor Gwinner vertreten, sondern lancierte auch die Ernennung eines ihr nahestehenden familienfernen Vorstandsvorsitzenden. Diese Funktion nämlich übernahm der Wirkliche Geheimrat Dr. h. c. Tonio Bödiker, ehemals einer der engsten sozialpolitischen Mitarbeiter Bismarcks. Vor allem aber verhinderte sie anfangs die De-factoAusstattung Wilhelm von Siemens' mit den Kompetenzen eines Generaldirektors, die dieser sich über das Institut eines »Delegierten des Aufsichtsrates« sichern wollte. Andererseits wurde bereits bei der Gründung der AG der Erfolg der Deutschen Bank im Ordnungsstreit stark relativiert durch eine ziemlich enge Fassung der Kompetenzen des von der Bank als »strategische Figur« des Unternehmens vorgesehenen Bödiker. Darüberhinaus verblieben sämtliche 35 Millionen Aktien in den Händen der Familie Siemens, was ihr jederzeit - zumindest theoretisch - einen Zugriff auf die Angelegenheiten des Unternehmens garantierte. Schließlich bestand die Familie erfolgreich auf der Einbeziehung weiterer Banken bei der Durchführung der 217

Umgründung, so daß sie eine totale Monopolisierung des Bankverkehrs ihres Unternehmens in der Zukunft von vornherein unterband. 2 1 An Hand des endgültigen Ausgangs des Ordnungsstreites demonstriert Kocka dann die Verschiebung der Gewichte im Verhältnis des Hauses Siemens zu seiner Hauptbank zugunsten der industriellen Seite, kam es doch imjahre 1902 zur völligen Entmachtung Bödikers und seinem letztlichen Wechsel in den Aufsichtsrat, nachdem er in Auseinandersetzungen mit den anderen Spitzen der Unternehmensbürokratie zerrieben worden war. 1903 dann erreichte Wilhelm von Siemens seine bereits 1897 angestrebte Ernennung zum »Delegierten des Aufsichtsrates« und wurde damit faktisch zum starken Mann des Unternehmens. In dieser Funktion nahm er die Aufgaben eines Vorstandsvorsitzenden wahr und »usurpierte.. einige Kompetenzen, die bisher dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und der nun völlig aufgelösten Zentralabteilung ( - die vorher Bödiker unterstanden hatte - ) zugestanden hatten. Deren übrige Aufgaben teilten sich die unter VorstandsMitglied Spiecker entstehende Finanzabteilung und das nun unter dem bisherigen Direktor des Charlottenburger Werkes, Vorstandsmitglied Budde stehende, gestärkte Sekretariat.« 2 2

Die innere Ordnungsstruktur der Aktiengesellschaft, die die Deutsche Bank 1897 hatte entscheidend mitgestalten können in einer Situation problematischer Kapitalverwertungsperspektiven des Hauses Siemens und der virulenten Konkurrenz in der Elektrobranche, war bereits einigejahre später auf der Grundlage veränderter Reproduktionsbedingungen den Vorstellungen von Kapitaleignern und leitendem Management gemäß korrigiert worden. Nach Überwindung einer von 1891 bis 1894 anhaltenden Flaute griff die Elektroindustrie seit Mitte der neunziger Jahre ihren langfristigen Wachstumstrend wieder auf und hielt ihn, allerdings unterbrochen von einem scharfen Konjunktureinbruch von 1900 bis 1902 und einer milderen Stokkung von 1907 bis 1909, bis zum Weltkrieg durch. Technologisch gesehen gründete sich die Wachstumsperiode eindeutig auf die Starkstromtechnik und das rasche Fortschritte machende Beleuchtungs- und Verkehrswesen. Dabei koppelten die großen Produktionsgesellschaften den Betrieb und die Verwaltung von Zentralen, Bahnen und anderen jenseits des eigentlichen Produktionsprozesses liegenden Bereichen häufig organisatorisch ab und gründeten zu ihrer Realisierung rechtlich selbständige Gesellschaften, was sich aufgrund der Verschiedenartigkeit der zu bewältigenden Aufgaben schon von der Gebrauchswertseite her anbot. Der enorme Kapitalbedarf solcher Betriebsgesellschaften und vor allem die aus der Natur der Projekte sich ergebende zumeist retardierte Verzinsung des in sie investierten Kapitals erforderte in der Regel die Kooperation der Großbanken, die das Geldkapital zum Bau und Betrieb vorschossen und die entsprechenden Wertpapiere längerfristig hielten, bevor sie sie mit hohem Agio piazierten, sobald die Betriebsgesellschaften Profite erwirtschafteten. (Man sollte diesen funktio218

nalen Beitrag der Banken zur Entwicklung der Elektrobranche im Hinterkopf behalten, relativiert er doch den im folgenden Abschnitt fundierten Eindruck einer keineswegs überdurchschnittlichen Relevanz der Banken für den Akkumulationsprozeß der eigentlichen Produktionsgesellschaften, zumindest fur die Kernstücke des Siemens-Konzerns.) 23 Hatte die Gründerkrise die Elektroindustrie nur relativ periphär tangiert, so traf sie mit der Krise von 1900—1902 ein schwerer Konjunktureinbruch, im Rahmen dessen auch eine ganze Reihe der Großunternehmen in Schwierigkeiten gerieten und der eine einschneidende Modifizierung des Reproduktionskontextes in der Elektrobranche bis zum Weltkrieg einleitete. Kokka beschreibt in kurzen Worten den Verlauf der Krise: »Im Juni 1901 meldete die >AG Elektrowerke vorm. Kummer & Co.< Konkurs an. Ihr Zusammenbruch brachte zwei Banken zu Fall, eine Panik entstand, die Börsenkurse stürzten. Schuckert zahlte keine Dividende mehr, die der AEG sank von 12 auf 6%, die S&H-Dividende von 10 (1900) a u f 4 % (1902)... Helios wertete sein Kapital im Verhältnis 5:1 ab. Nur die seit Jahren mit verschleiernden Bilanzmethoden stille Reserven anhäufende AEG und die trotz ihrer rapiden Nachholphase der letzten Jahre vorsichtig verfahrende S&H AG kam relativ unverletzt davon. Für S&H minderte die Vielseitigkeit der Produktion. den Einfluß des Konjunktursturzes. « 24

Die AEG und Siemens waren denn auch die beiden Einzelkapitale, die als Kristallisationspunkte des von der Krise induzierten großdimensionalen Zentralisationsprozesses fungierten. Als sich im März 1903 die AEG und die Union - nach zuvor auch zwischen der Union und S&H geführten Verhandlungen - zunächst zu einer IG zusammenschlossen und später fusionierten, antworteten darauf noch im gleichen Jahr S&H und die EAG vorm. Schukkert mit der Bildung einer gemeinsamen GmbH, den Siemens-SchuckertWerken, 25 in die beide Unternehmen ihre Starkstromabteilungen und -werke einbrachten. Das Grundkapital der SSW wurde mit 90 Millionen Mark fixiert, wovon S&H 45,05 Millionen einbrachten und die EAG Schukkert 44,95 Millionen. Diese Konstruktion sicherte S&H also eine hauchdünne, aber entscheidende Mehrheit. Während die EAG nach 1903 nach der Trennung von ihren Nürnberger Starkstromwerken als reine Holding weiterbestanden, nahm die S&H AG ganz ausgeprägt den Charakter einer Mischform zwischen Holding und Produktionsgesellschaft an, da sie nach wie vor ihren Schwachstrombereich weiterbetrieb. Obwohl dieser sich durchaus auf der Grundlage wesentlicher technischer Verbesserungen seit 1896 und enger Beziehungen zum Staat im Zuge von Flotten- und Postpolitik sehr profitabel gestaltete, blieb er von seinen Umsatzzahlen her immer weit hinter den SSW zurück. 2 6 Die beiden ersten spektakulären Fusionen der Elektrobranche nach der Jahrhundertwende hatten aber den Zentralisationsprozeß des Kapitals in dieser Sparte nur eingeleitet. Bereits 1904 erwarben S&H, die AEG und Lahmeyer den schon lange an erheblichen Verwertungsschwierigkeiten 219

kränkelnden Helios zu einem stark verbilligten Preise mit dem Zwecke der Stillegung. Damit war die Zahl der Großunternehmen in der Elektroindustrie - in der natürlich darüberhinaus eine große Anzahl von kleineren Spezialunternehmen weiterexistierte - auf vier zusammengeschmolzen: S&H/SSW, die AEG, Feiten & Guillaume-Lahmeyer und die Bergmann Elektrizitätswerke. Diese Konstellation wiederum reduzierte sich bis zum Weltkrieg auf die Existenz nur noch zweier Gruppen, nachdem 1910 die AEG Feiten & Guillaume-Lahmeyer geschluckt hatte und die SSW ab 1912 den Bergmann-Konzern kontrollierte. Dieser letzte große Zentralisationsschritt in der Elektroindustrie vor dem ersten Weltkrieg - SSW - B e r g m a n n - beruhte auf Seiten Bergmanns keineswegs auf Freiwilligkeit und liefert ein besonders spektakuläres Beispiel dafür, in welchem Maße sich die Deutsche Bank seit der Jahrhundertwende zum Exekutor der Siemens-Interessen machen ließ. Traditionell hatte sie als Hausbank sowohl der Bergmann-Unternehmen als auch des Siemens-Konzerns fungiert. Die von Bergmann betriebene Niedrigpreispolitik hatte ihm seit Jahren die Realisierung hoher Profite ermöglicht und zur Durchführung eines dynamischen Expansionsprogramms veranlaßt, zu dessen Finanzierung er der Vermittlerdienste der Deutschen Bank zum Kapitalmarkt bedurfte. Diese Niedrigpreispolitik stellte in den Augen der restlichen Großunternehmen der Elektrobranche naturgemäß ein Ärgernis dar, mußte sie doch deren Aspirationen zur monopolistischen Preisregulierung hintertreiben. Als Bergmann nun 1911 über ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank eine für ihn dringend benötigte Anleihe in Höhe von 10 Millionen Mark piazieren lassen wollte, hielt die Bank zwar ihre Bergmann gegebene Zusage, garantierte aber Siemens auf entsprechende Intervention des Unternehmens hin, in Zukunft keine Konsortialführung mehr bei Bergmann-Emissionen zu übernehmen. Den sich wenig später abermals aktualisierenden Kapitalbedarf bei Bergmann nutzten dann die SSW, um sich Bergmann gefugig zu machen. Zwar erklärte man sich mit der Rolle der Deutschen Bank als Konsortialführerin bei Bergmann-Emissionen auch für die Zukunft einverstanden, doch mußte dieser in einen Vertrag einwilligen, der den SSW entscheidenden Einfluß auf die Geschäftspolitik ihres Konkurrenten sicherte. Die SSW übernahmen darüberhinaus selbst 8,5 Millionen der neuen 23-Millionen-Anleihe. »In den Vorstand von Bergmann trat ein Mitglied des Vorstandes der SSW ein, der dort allerdings nur bis 1914 verblieb... Das Unternehmen behielt auch weiterhin seine Selbständigkeit und konnte in den Kriegsjahren Dividenden von 10 und 12% ausschütten. Dennoch sollte die Verbindung zwischen Siemens und Bergmann nicht mehr abreißen. « 27

Der Zentralisationsprozeß des Kapitals in der Elektroindustrie stellte aber nur eine Seite der monopolistischen Tendenzen dieser Branche vor dem ersten Weltkrieg dar. Parallel zu den großen Zusammenschlüssen kam es seit 220

1900 zu einer ganzen Reihe von Kartellbildungen und Absprachen zwischen den verbleibenden Einzelkapitalen auf fast allen Gebieten der Produktion und des Vertriebes. So gründeten etwa S&H, die AEG, General Electric und andere Firmen 1903/04 die Verkaufsstelle Vereinigter Glühlampen-Fabriken GmbH. Bereits 1901 war unter dem Eindruck der Krise die Vereinigung Deutscher Elektrizitätsfirmen, die sogenannte »Frühstücksvereinigung« entstanden, die sich die Ausschaltung der Konkurrenz zwischen den Mitgliedern bei der Vergabe von Aufträgen zum Ziel gesetzt hatte. Doch wurde dieses Kartell weitgehend zur Wirkungslosigkeit verurteilt durch die O b struktion von S&H, der AEG und Feiten & Guillaume-Lahmeyer, die sich ihrerseits exklusiv zu einem (offenbar sehr effektiven) Submissionskartell zusammenschlossen. 28 - Insgesamt also markierte der Konjunktureinbruch von 1900 bis 1902 für die Elektrobranche den Ausgangspunkt für eine recht weitgehende und kontinuierliche Einschränkung der kapitalistischen Konkurrenz. Dieser Prozeß vollzog sich auf zwei Ebenen, einmal als Zusammenschlußbewegung gerade auch auf höchster Ebene und zum anderen als kartellmäßige Bindung der sich herauskristallisierenden Gruppen. Inwieweit diese monopolistischen Tendenzen in der deutschen Elektroindustrie vor 1914 vor dem Hintergrund eines sich immer weiter konstituierenden Weltmarktzusammenhanges zu einer zumindest vorübergehenden Außerkraftsetzung des Wertgesetzes, also einer echten Monopolsituation, führten, kann im Rahmen dieser Arbeit natürlich nicht untersucht werden, doch deuten die monopolistischen Profite des Siemens-Konzerns 29 möglicherweise in diese Richtung. Wesentlich eindeutiger scheint mir dagegen nachweisbar zu sein, daß die Annäherung gerade zwischen der AEG und S&H die Chancen der Deutschen Bank zur Einflußnahme auf letztere stark reduzierte - und entgegen einer in der Literatur weitverbreiteten Meinung läßt sich auch für die Elektroindustrie, ähnlich wie schon für die rheinisch-westfälische Schwerindustrie, zeigen, daß die Banken dem Konzentrationsprozeß der Industrie keineswegs uneingeschränkt positiv und fordernd gegenüberstanden. Die Zusammenarbeit zwischen der AEG und Siemens versuchte die Deutsche Bank, wie wir sehen werden, sogar phasenweise zu hintertreiben.

Die kapitalstatistische

Entwicklung

bei Siemens

Die statistische Analyse des Akkumulationsprozesses bei S&H stößt auf einige erhebliche Schwierigkeiten. Z u m einen liegen veröffentlichte Bilanzen erst ab 1897, dem Jahr der Umwandlung des Unternehmens in eine AG vor, und zum anderen sind gegen die Verläßlichkeit dieser Bilanzen einige Bedenken am Platze, die sich vor allem auf die Verschleierung der Bildung von stillen Reserven beziehen. 30 Dennoch soll hier der Versuch unternommen werden, den Akkumulationsprozeß bei Siemens seit 1880 unter dem Aspekt des Beitrages der Banken zu beschreiben, wobei ich mich 221

fur die Zeit bis 1896/97 auf die Untersuchung Wallers stützen werde. Da es in meinem Zusammenhang eher um die qualitativen Tendenzen des Akkumulationsprozesses geht, können leichte quantitative Unscharfen akzeptiert werden. Zuerst einmal ist festzuhalten, mit welchen Banken S&H überhaupt geschäftliche Kontakte unterhielten. Dazu schreibt Kocka: »Zunächst und vor allem die Deutsche Bank, in sehr viel geringerem Maße die Berliner Handelsgesellschaft, die Mitteldeutsche Kreditbank, die Disconto-Gesellschaft, die Darmstädter Bank, die Dresdner Bank, das Bankhaus Delbrück, Leo & Co., S. Bleichröder, Jacob S. H. Stern (Frankfurt/M.), L. Speyer-Elissen (Frankfurt/ M.), die Bergisch-Märkische Bank, das Bankhaus Dreyfus-Söhne zu Basel und die Basler Handelsbank sorgten für den Kapitalbedarf des Unternehmens und vermittelten wichtige Geschäftsverbindungen. « 31

Waller selbst weist auf gewisse Vorbehalte gegen einen definitiven Charakter seiner Aussagen hin, die resultieren aus dem Überlieferungsstand des Zahlenmaterials bis 1896/97 und aus der angewandten Bilanzierungstechnik. 32 Als Hauptquelle der Expansionsfinanzierung bis zur Umwandlung von S&H in eine AG benennt er die Selbstfinanzierung in Form der Reinvestierung realisierter Gewinne, wobei die Gebrüder Siemens als Reservefonds über ein »im Umfang stark schwankendes Reservoir an Wertpapieren« verfugten. 3 3 Dennoch schuf spätestens seit dem Ende der achtziger Jahre die sich rapide entwickelnde Produktionstechnik im Zusammenspiel mit dem sich immer mehr verschärfenden Konkurrenzkampf einen Investitionsbedarf, der tendenziell zu einer - von der Unternehmensleitung häufig beklagten - Kapitalknappheit führte und zum Rückgriff auch auf externe Kapitalquellen zur langfristigen Finanzierung zwang - allerdings unter Beibehaltung des Primats der Selbstfinanzierung. Waller versucht, den steigenden Investitionsbedarf an Hand der Umsatzentwicklung zu indizieren. Dieser stieg zwischen 1887 und 1896/97 von 9,5 auf 50,2 Millionen Mark. 3 4 In Folge des explosiv wachsenden Kapitalbedarfs wuchs der Kreditsaldo der größeren Banken bei S&H bis 1891 auf 8,477 Millionen. Vor allem aber expandierten die persönlichen Mittel der Teilhaber, die langfristig im Unternehmen festgelegt waren, immer weiter. Sie stellten sich 1894 auf 24 Millionen plus Kontokorrentguthaben. 1893 schließlich nahmen S&H zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine - unter Führung der Deutschen Bank piazierte Anleihe auf, und zwar in Höhe von 10 Millionen. 35 Doch trotz dieser Einbeziehung externer Kapitalien in die Expansionsfinanzierung, durchaus florierender Kapitalverwertung und während der Flaute der ersten Hälfte der neunziger Jahre leicht abflauender Investitionstätigkeit spitzte sich die Kapitalknappheit immer mehr zu und legte die Umwandlung der Firma in eine AG dringend nahe. Wie geschildert gaben dann der Fusionsplan AEGUnion und der Druck der Deutschen Bank den Ausschlag für die Realisierung dieses Schrittes. Mit dem Weg an den Kapitalmarkt verhinderten, wie 222

man jetzt sehen wird, S&H aber auch eine Verstrickung in die Abhängigkeit von langfristigen Kontokorrentkrediten seitens ihrer Banken. Der Akkumulationsprozeß bei der S&H AG 3 6 zerfällt in zwei scharf voneinander abzugrenzende Phasen, wobei die Trennlinie markiert wird durch die Abkoppelung des Starkstrombereiches und seine Einbringung in die SSW im Jahre 1903. Die Bilanzsumme wuchs zwischen 1896/97 und 1913/14 u m 163,7% von 74,76 auf 197,15 Millionen Mark. Demgegenüber blieb die Steigerung des konstanten fixen Kapitals - bezogen auf die gesamte Periode - deutlich zurück. Es expandierte im gleichen Zeitraum lediglich um 64,2%, nämlich von 11,31 auf 18,57 Millionen Mark. Von 1896/97 bis 1902/03 dagegen hatte gerade das konstante fixe Kapital eine enorm dynamische Expansion aufgewiesen, war es doch von 11,31 auf 25,86 Millionen Mark angestiegen. Während dieser Phase reichten die realisierten Profite nicht aus, um die Erweiterungen des Produktionsprozesses voll abzudecken. Das EFP stellte sich im Schnitt dieser Jahre auf relativ niedrige 276% ( - bei Eliminierung des atypischen Extremwerts aus dem Bilanzjahr 1900/01 -) und wurde durch die Hereinnahme bedeutender Kapitalmarktmittel gestärkt. In zwei Kapitalerhöhungen 1899 und 1900 wurde das Aktienkapital von 40 auf 54,5 Millionen geschraubt. Gleichzeitig wuchs das langfristige Fremdkapital durch zwei Anleihen 1898 und 1900 von 10,17 auf 30,41 Millionen Mark. Daß de facto langfristige Kontokorrentkredite keine Rolle fur die Expansionsfinanzierung dieser Phase spielten, läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, da wir nicht über entsprechendes Zahlenmaterial verfugen, wohl aber sehr nachdrücklich vermuten, sanken doch die Kreditoren von 18,45 Millionen in 1896/97 auf 14,41 in 1902/03. Das Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital betrug während dieser ersten Jahre des Bestehens der AG im Schnitt relativ geringe 97%, und die Bankguthaben deckten das kurzfristige Fremdkapital durchschnittlich zu 59,8% ab. Seit 1902/03 dann verlor der Expansionsprozeß bei der S&H AG aus dem bereits erörterten Grunde deutlich an Dynamik. Während die Bilanzsumme immerhin bis 1913/14 noch von 123,52 auf 197,15 Millionen anwuchs, standen beim konstanten fixen Kapital sechs Expansionsjahren fünf Stagnations- bzw. Schrumpfungsjahre gegenüber. Per Saldo stieg es nur noch von 14,46 auf 18,57 Millionen Mark an. Dieses Auseinanderklaffen des Wachstums der Bilanzsumme einerseits und des konstanten fixen Kapitals andererseits macht deutlich, wie sehr die Holding-Aktivitäten im Rahmen der S&H AG an Bedeutung gewannen, was natürlich insbesondere an den Anteilen in Höhe von 45,05 Millionen Mark lag, die S&H an den SSW hielten. Angesichts des nicht nennenswert angewachsenen konstanten fixen Kapitals wundert es nicht, daß das EFP in dieser zweiten Phase nach 1903 den sehr hohen Durchschnittswert von 1239,6% erreichte, also eine mehr als solide Basis für die Wachstumsfinanzierung darstellte. Nach 1900 wurde es bis zum Weltkrieg noch zweimal extern gestärkt, durch eine Erhöhung des Aktien223

kapitals um 8,5 auf 63 Millionen in 1908/09 und eine Anleihe in Höhe von 20 Millionen Mark im Jahre 1912, wodurch das langfristige Fremdkapital auf 44,92 Millionen Mark anstieg gegenüber 30,66 in 1902/03. Diese Transaktionen dienten allerdings weniger der Finanzierung von Erweiterungen des im Rahmen der AG organisierten Schwachstrombereiches. Vielmehr wurde etwa die Kapitalerhöhung von 1909 zum Ankauf weiterer Aktien anderer Unternehmen, insbesondere der russischen und englischen Tochtergesellschaften des Siemens-Konzerns, benutzt und im Kreise von deren alten Aktionären piaziert. 37 Daneben bedurfte man nicht unerheblicher Mittel, um den Kapitalbedarf der SSW zu befriedigen, wo die S&H AG neben Schuckert als Hauptkreditgeber fungierte. 1911 etwa stellten die beiden Muttergesellschaften den SSW jeweils 15 Millionen Mark als unkündbares Darlehen zur Verfugung, wodurch das Wertpapierportefeuille von S&H beträchtlich sank. 3 8 Das kurzfristige Fremdkapital expandierte nach 1902/03 bis zum Weltkrieg von 11,40 auf 24,52 Millionen Mark, es ist aber angesichts des extrem hohen EFP kaum vorstellbar, daß sich hinter dieser Entwicklung Kontokorrentkredite zwecks Ausdehnung des Produktionsprozesses verbergen. Das Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital blieb gegenüber der ersten Phase fast konstant. Es betrug nunmehr im Schnitt 95%, während die Bankguthaben der S&H AG ihre Gesamtkreditoren jetzt durchschnittlich mit stattlichen 82,5% abdeckten, was auf eine hohe Liquidität schließen läßt. Die Entwicklung der Profitrate spiegelt den geschilderten Verlauf des Akkumulationsprozesses der S&H AG wider. In der ersten Phase bis 1902/ 03 war die mit der technischen Entwicklung gestiegene organische Kapitalzusammensetzung offenbar nicht über die zweifellos beträchtliche Profitmasse kompensierbar, was zu einem kurzfristigen Absinken der Profitrate führte. Mit der Überwindung der Krise dagegen seit 1902 stieg sie, wie aus Schaubild 17 hervorgeht, auf ein astronomisches Niveau, was auf einen Zusammenhang zwischen Profitratenentwicklung und tendenzieller Monopolisierung in der Elektrobranche hinweisen könnte. Allerdings entsteht das extreme Ausmaß des vom Schaubild suggerierten Wachstums der Profitrate dadurch, daß die für mein Sample einheitlich angewandte Berechnungsmethode für die S&H AG wegen ihres partiellen Holdingcharakters zu einer statistischen Manipulation fuhrt. Denn dadurch, daß Produktionsgewinn und andere Profitquellen, wie etwa Gewinne aus Effektenhaltung bilanzmäßig zum Rohgewinn zusammengefaßt und auf das konstante fixe Kapital bezogen werden, wird die Profitrate, die sich kategoriell auf den Produktionsprozeß bezieht, (möglicherweise stark) nach oben verzerrt. Trotz dieser Schwäche stärkt Schaubild 17 den bei der Betrachtung des EFP gewonnenen Eindruck, daß die Profitmcme der S&H AG nicht nur ausreichte, u m die Ausweitung ihres eigenen Produktionsprozesses aus eigener Kraft zu finanzieren, sondern darüber hinaus auch noch bedeutende Mittel an die SSW abzuführen. Wie verlief nun deren Akkumulationsprozeß? 39 224

Im Gegensatz zu der S&H AG wuchs bei den SSW im Untersuchungszeitraum die Bilanzsumme mit 157,93% relativ langsamer als das konstante fixe Kapital mit 217,14%. Dennoch machte das konstante fixe Kapital 1913/14 nur 83,63 Millionen Mark der gesamten Bilanzsumme in Höhe von 322,14 Millionen aus, was verdeutlicht, daß es sich auch bei den SSW keineswegs um eine reine Produktionsgesellschaft handelte. Die Profitrate des Unternehmens bewegte sich, wie aus Schaubild 18 ersichtlich, bis zum Krieg auf einem hohen Niveau, wies allerdings leicht sinkende Tendenz auf. Die realisierten Profite reichten allerdings auch nicht annähernd aus, um den Expansionsprozeß des konstanten fixen Kapitals aus unternehmensinternen Mitteln zu finanzieren. Das EFP betrug im Durchschnitt äußerst niedrige 30,39%. Als strategische externe Kapitalquelle der SSW bis 1913/14 muß die Aufnahme von langfristigem Fremdkapital betrachtet werden, das von 1 auf 129,54 Millionen Mark wuchs. Wie erwähnt, kamen diese Mittel zum ganz überwiegenden Teil von den beiden Muttergesellschaften, der EAG vorm. Schuckert und der S&H AG. Konstantes fixes Kapital und langfristiges Fremdkapital zeigten in vier Bilanzjahren ein gemeinsames Wachstum. Dabei belief sich die durchschnittliche Deckung des ersteren durch letzteres auf 280,21%. Dagegen blieb das - ebenfalls von den beiden Müttern gehaltene - Grundkapital der SSW mit 90 Millionen Mark bis 1913/ 14 konstant. Keinerlei Bedeutung fur die Expansionsfinanzierung kam offensichtlich langfristigen Bankkontokorrenten zu. Die Bankkreditoren stiegen von 1908/09 bis 1913/14 lediglich von 0,49 auf 2,95 Millionen Mark. Das Verhältnis Eigenkapital/Fremdkapital stellte sich im Mittel der analysierten Bilanzjahre bei stark sinkendem Trend auf 106,44%, und die Bankguthaben deckten die Bankschulden durchschnittlich mit 1373,83% ab, was auf die Irrelevanz der Bankschulden im Bezug auf den Verlauf des Akkumulationsprozesses der SSW hinweist. Insgesamt also scheinen die Banken an der Mobilisierung des fur die Expansion der SSW benötigten Kapitals so gut wie nicht beteiligt gewesen zu sein. Bei einem Fazit dieses Abschnittes fallen vor allem zwei Beobachtungen ins Auge. Erstens weicht der Akkumulationsprozeß von S&H bzw. der SSW diametral von der Prognose Rudolf Hilferdings ab. Zweitens ergeben sich aus seinem Verlauf weitere objektive Erklärungsfaktoren für die einzelnen Phasen in den Beziehungen von Siemens zur Deutschen Bank. Der Primat der Selbstfinanzierung nämlich blieb - wenn auch in unterschiedlicher Konsequenz - während des Untersuchungszeitraums das Hauptstrukturmerkmal des Expansionsprozesses des Unternehmens. Soweit dennoch der Rückgriff auf externe Kapitalquellen unumgänglich wurde, bemühte man sich bis zur Mitte der neunziger Jahre erfolgreich, diese weitgehend im Umkreis der Familie Siemens aufzubringen und eine Verstrickung in langfristige Bankkredite zu vermeiden. Erst gegen Ende der neunziger Jahre zwangen der Konkurrenzkampf in der Elektrobranche und der sich aufblähende Investitionsbedarf S&H, sich durch eine Umwandlung der Unterneh225

mensform dem Kapitalmarkt weiter zu öffnen. Dabei geriet man für einige Jahre in die Abhängigkeit von der Bereitschaft vor allem der Deutschen Bank, durch ihre Vermittlerdienste dem Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt auch wirklich zu ermöglichen. Von 1898 bis 1900 erhöhte die S&H AG nicht nur zwei Mal mit Hilfe der Deutschen Bank ihr Kapital, sondern legten auch zwei Anleihen in einer Gesamthöhe von 30 Millionen Mark auf, die unter Führung der Bank piaziert wurden. Und genau in dieser Situation gewann die Deutsche Bank vorübergehend Einfluß auf das Unternehmen, den sie zur ziemlich weitgehenden Durchsetzung ihrer Position im Streit um die Organisation der AG nutzte. Nach der Jahrhundertwende entzog dann die völlig reibungslose und weit überdurchschnittliche Kapitalverwertung der S&H AG einem solchen Einfluß wieder das objektive Fundament. Nicht nur hielt die Familie Siemens nach wie vor die überwältigende Kapitalmajorität, sondern vor allem funktionierte der Reproduktionsprozeß des Kapitals auf Grundlage tendenziell monopolistischer Profite auch ohne strategische Beiträge der Banken. Angesichts dieser Konstellation mußte darüberhinaus der Siemens-Konzern zu einem so attraktiven Geschäftspartner für jede Bank werden, daß sich seine Hausbank jederzeit der Drohung latenter Konkurrenz durch andere Institute bewußt sein mußte. 4 0 Die institutionelle

Verflechtung der S&H AG mit den Banken

Ansatzpunkte zu einer institutionellen Präsenz der Banken bei S&H ergaben sich naturgemäß erst seit der Umwandlung des Unternehmens in eine AG. Wie oben bereits erwähnt, gelang es der Deutschen Bank 1897, nicht nur ihre Präsenz im Aufsichtsrat zu gewährleisten, sondern auch einen Brückenkopf im zunächst vierköpfigen Vorstand zu etablieren. Der erste Vorsitzende Tonio Bödiker gehörte zwar nicht der Deutschen Bank an, war aber auf deren Druck zu seinem Amt gelangt. Dennoch muß stark bezweifelt werden, ob Bödiker als effektiver Träger von Einfluß zu Gunsten der Deutschen Bank bei S&H gelten kann. Denn erstens blieben seine Kompetenzen von vornherein sehr begrenzt, und zum anderen bekleidete er seine Funktion nur wenige Jahre. Vor allem aber scheint es der Deutschen Bank bei seiner Protektion mehr um die Effektivierung der Unternehmensverwaltung aus der Sorge um die Verzinsung des angelegten Kapitals heraus gegangen zu sein als um die Manipulation der Geschäftspolitik der neuen AG gemäß den unmittelbaren Bankinteressen. 41 Im Aufsichtsrat war die Deutsche Bank bis 1901 lediglich durch Arthur von Gwinner vertreten, bevor die Banken ab diesem Jahr konstant vier Vertreter entsandten, wobei zwei dieser vier Bankiers jeweils von der Deutschen Bank bzw. ihrer Gruppe gestellt wurden. Von 1901 bis 1906 wurde dieses Institut durch Karl Klönne und Ludwig Roland-Lücke vertreten, welch letzteren ab 1907 Elkan Heinemann ersetzte. Auf Klönne folgte 1908 Emil Berve vom Schlesischen Bankverein. Daneben gehörte dem Aufsichts226

rat der S&H AG seit 1901 ununterbrochen Karl Mommsen von der Mitteldeutschen Kreditbank an. Die Reihe der Bankiers komplettierten schließlich Jules Dreyfus-Brodsky vom gleichnamigen Basler Bankhaus (1901 bis 1908) und R. A. Koechlin von der Basler Handelsbank (seit 1908). Schaubild 18 zeigt die Situation im Aufsichtsrat 1912/13. Jürgen Kocka beschreibt die Bankvertreter im Aufsichtsrat der S&H AG als »rentabilitätsorientierte Inquisitoren, die nach kostentreibenden Reibungen, kommerziellen Defekten und profithindernden Eigenwilligkeiten einer Verwaltung fahndeten, deren kaufmännischem Können sie wenig zutrauten. « 42 Daß sie ihre Vorstellungen dabei durchaus nicht nach Belieben durchsetzen konnten, davon zeugt schon der mehrfach erwähnte Ausgang des Streits um die Organisation der Unternehmensverwaltung. Darüberhinaus weist Kocka selbst auf die »relative Unkenntnis« und den »Zeitmangel« der Banken Vertreter hin, die eine effektive Kontrolle und eine Einflußnahme auf die Verwaltung zumindest sehr erschwerten. 43 Das schloß natürlich nicht aus, daß sie sich immer wieder bemühten, auf Reibungsverluste durch Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Administration oder unrationelle Maßnahmen hinzuweisen und diese zu verhindern. Als beispielsweise der Vorstandsvorsitzende der SSW, Dr. Alfred Berliner, (wieder einmal) Wilhelm von Siemens Kompetenzüberschreitungen vorwarf und mit seiner Demission drohte, unterstützte ihn Roland-Lücke von der Deutschen Bank mit dem Hinweis auf den Wert Berliners fur das Unternehmen und verknüpfte die Forderung nach einem Einlenken Wilhelms von Siemens' mit der Ankündigung, er selbst werde sich anderenfalls dem Rücktritt Berliners anschließen. 44 Gleichzeitig betonte er allerdings, er handele in dieser Angelegenheit nicht als Vertreter der Deutschen Bank, die S&H jederzeit gleichwertigen Ersatz für ihn selbst, Roland-Lücke, zu verschaffen bereit sei. 45 Letztlich kam es dann doch zu einem Agreement zwischen Siemens und Berliner. 46 Wenn die Bankenvertreter im Aufsichtsrat in erster Linie als Protagonisten einer Rationalisierung der Unternehmensverwaltung auftraten und dabei nur partielle Erfolge gegen zentrifugale Interessen der Kapitaleigner und der Unternehmensbürokratie zu verzeichnen hatten, so sagt dies noch nichts über den Ausgang von Konfliktfällen, in denen sich die Verwertungs- und sonstigen Geschäftsinteressen des Siemens-Konzerns und der Deutschen Bank kontrovers gegenüberstanden, sowie über die Kooperation in anderen Bereichen. U m diese Fragen wird es nun abschließend in den folgenden Abschnitten gehen. Die Kapitalerhöhungen

und Anleihen der S&H

AG47

Von 1893 bis 1912 führte die S&H AG insgesamt acht Kapitaltransaktionen durch, nämlich jeweils vier Kapitalerhöhungen und vier Anleihen. Das Gros davon entfiel auf die Jahre 1898 bis 1900, als drei Kapitalerhöhungen statt227

fanden, die das Aktienkapital der AG von 35 auf 54,5 Millionen Mark anwachsen ließen und darüberhinaus der Kapitalmarkt für zwei Anleihen in einer Gesamthöhe von 30 Millionen in Anspruch genommen wurde. Dabei ergibt die Analyse der Konditionen, daß von einer tendenziellen Aneignung des Gründergewinns durch die Banken, wie Hilferding sie prognostiziert, keine Rede sein kann. Von den Kapitalerhöhungen wurden überhaupt nur zwei, nämlich die aus den Jahren 1899 und 1900, von Bankenkonsortien unter Führung der Deutschen Bank übernommen und an der Börse piaziert. 1899 betrug der Übernahmekurs des Konsortiums für die jungen Aktien 175%, der Emissionskurs 175% + 4% Stückzinsen. Damit belief sich der Verdienst der Banken bei 15 Millionen Mark Emissions volumen auf 600000 Mark brutto, die sich neun Institute zu teilen hatten. 1900 wurde dem Konsortium eine Provision von 4% des Nominalwerts der neuen Aktien zugestanden, wogegen das Konsortium die Einfuhrungskosten an der Börse zu tragen hatte. Für 10 Institute ergab dies einen Bruttoverdienst von 380000 Mark. In beiden Fällen kann also zwar von profitablen Geschäften für die Banken gesprochen werden, aber nicht von einem überdurchschnittlichen Partizipieren am Gründergewinn. Die Konditionen hielten sich vollständig im von der Konkurrenz der Kapitale als durchschnittlich etablierten Rahmen. Das gleiche Bild bietet sich, soweit erkennbar, auch im Bezug auf die Anleihen. Für die Anleihen von 1893 und 1912 konnte der Bankenverdienst nicht ermittelt werden. 1898 stellte sich die Differenz zwischen Übernahme- und Emissionskurs auf 1,75%, und für die Anleihe von 1900 schätzte Gwinner von der Deutschen Bank den Nettogewinn des Konsortiums auf »magere« 1,5%. 4 8 Bei der Konvertierung der Anleihe 1905 erhielt das Konsortium dann noch einmal eine Provision in Höhe von 1 % des Nominalbetrages der konvertierten Stücke. 49 Die Verhandlungen über die Modalitäten und Konditionen der einzelnen Transaktionen, die im wesentlichen mit der Deutschen Bank geführt wurden, verliefen, soweit dies aus den Akten rekonstruierbar ist, weitgehendst im gegenseitigen Einvernehmen. Die Deutsche Bank beriet S&H in vielen Detailfragen, und auf besondere Wünsche der einen oder anderen Seite wurde in der Regel gegenseitig Rücksicht genommen. So akzeptierte etwa 1893 die Deutsche Bank ohne Widerstand die von S&H gewünschte Hinzuziehung der DiscontoGesellschaft zum Konsortium. 5 0 Umgekehrt verweigerten S&H beispielsweise 1905 auf Drängen der Deutschen Bank der Basler Handelsbank die Zustimmung zu ihrem Wunsche, als zusätzliche Zahlstelle für die S&HObligationen eingetragen zu werden. 5 1 Zu Konfliktfällen kam es mit Bezug auf die Kapitaltransaktionen allem Anschein nach nur sehr selten. Die einzig auffindbare etwas eklatantere Kontroverse datiert aus dem Jahre 1893, als S&H parallel zur Deutschen Bank mit der Hypotheken-Bank in Hamburg über die Übernahme der zu emittierenden Anleihe verhandelten. Daraufhin trat die Deutsche Bank vorübergehend von ihrer S&H unterbreiteten Offerte zurück. 5 2 Insgesamt aber vermitteln die Verhandlungen zu den verschie-

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denen Kapitalerhöhungen und Anleihen und ihre Konditionen keineswegs den Eindruck, als hätten sich hier ein beherrschter und ein dominierender Partner gegenübergestanden. Vielmehr scheinen sich Bank und Industrieunternehmen jeweils auf der Basis gleichberechtigter Interessenten bei der Durchführung des betreffenden Geschäftes geeinigt zu haben, wobei allerdings daraufhinzuweisen ist, daß sechs von acht der betrachteten Transaktionen zeitlich vor die Phase fielen, fur die Kocka eine tendenzielle Überlegenheit der industriellen Seite ausmacht. Darüberhinaus werden die geäußerten Thesen natürlich dadurch relativiert, daß sich in den Akten der Verlauf der mündlichen Verhandlungen selbstverständlich nur unvollkommen spiegelt. Der reguläre Geschäftsverkehr

und die Abstimmung

der

Geschäftspolitik

Die Aktenlage zu diesen Berührungsfeldern zwischen der Deutschen Bank und S&H stützt ziemlich eindeutig die oben entwickelte These über die Tendenz der gegenseitigen Beziehungen. Einer langen Phase, während derer sich beide Seiten dominanzlos als gleichstarke Partner gegenüberstanden, folgte das mehrfach beschriebene Intermezzo der späten neunziger Jahre, als S&H zur Aufrechterhaltung ihres Reproduktionsprozesses dringend die Dienste der Deutschen Bank bedurften und sich punktuell dem Druck dieses Instituts bei der Organisation ihres eigenen Unternehmens beugen mußten. Florierende Kapitalverwertung und Monopolisierungstendenzen in der Elektrobranche schließlich verschoben dann seit der Jahrhundertwende das Schwergewicht klar zugunsten von S&H. Zwar ist die Quellenlage über die geschäftlichen Verbindungen der Deutschen Bank mit S&H während der achtziger und frühen neunziger Jahre ziemlich dünn, doch legt sie folgende Hypothese nahe: auf der Grundlage fehlender funktionaler Relevanz von Beiträgen der Banken zum Produktions- und Realisationsprozeß bei S&H wickelten beide Seiten den regulären Bankverkehr des Unternehmens in völlig herrschaftsfreier und kooperativer Atmosphäre ab, die kaum Reibungsflächen und Konfliktfelder bot. 5 3 Häufig trat beispielsweise die Deutsche Bank an S&H mit der Bitte um Informationen über andere Unternehmen heran. 5 4 Wenn dennoch Konflikte auftraten, so scheinen sie im Wege des Kompromisses bereinigt worden zu sein, wie ein Vorfall aus dem Jahre 1887 illustriert. Die Deutsche Bank hatte S&H für Ende April einen Kredit zur Verfügung gestellt, mit dessen Hilfe die Firma in erster Linie das Miteigentum an den Patenten der Pariser Edison Compagnie erwerben wollte. Das Geschäft verzögerte sich aber um einige Monate, was sowohl die Deutsche Bank als auch S&H zum Anlaß dafür nahmen, sich gegenseitig vorzurechnen, man habe aus dieser Verzögerung finanzielle Verluste erlitten, die man der jeweils anderen Seite in Rechnung stellen wollte. Soweit aus den Akten erkennbar, setzte aber weder der eine noch der andere Geschäftspartner seine Ansprüche durch. s s 229

Ganz anders verliefen die Konflikte zwischen dem Siemens-Konzern und seiner Hausbank dann nach der Jahrhundertwende. Der vielleicht spektakulärste Fall spielte sich ab im Zusammenhang mit dem Bau der Hoch- und Untergrundbahn in Berlin. 56 Im Februar 1897 hatte die S&H AG, die den Bau dieser Bahn übernommen hatte, mit der Deutschen Bank einen Vertrag über ihre Finanzierung abgeschlossen. Darin war unter anderem vorgesehen, daß S&H etwaige Herstellungskosten, welche die Summe von 14 490 000,-Mark überschreiten würden, selbst zu tragen hätten. Die Deutsche Bank verpflichtete sich aber gleichzeitig, die Hälfte dieser etwaigen Mehrkosten zu übernehmen, wenn nachgewiesen werden könnte, daß sie aus Preissteigerungen resultiert hätten. 5 7 Als dann 1903 absehbar war, daß die tatsächlichen Baukosten die Voranschläge bei weitem überstiegen, traten S&H an die Bank wegen der Einlösung ihrer übernommenen Verpflichtung heran. Diese entzog sich ihr aber zunächst mit dem Hinweis darauf, fur die Mehrkosten seien nicht Preissteigerungen verantwortlich. S&H erkannten daraufhin mit Brief vom 26.1. 1903 die juristische Haltbarkeit des Standpunktes der Bank an, verwiesen aber auf eine Reihe von Faktoren, die außerhalb ihres Einflusses gelegen hätten und ausschlaggebend fur die Kostenexplosion gewesen seien. Diese Situation begründe einen moralischen Anspruch auf die Einlösung der ursprünglichen Zusage der Deutschen Bank. Im Dezember 1903 schließlich erkannte diese die Forderungen von S&H an und schrieb dem Unternehmen einen entsprechenden Rechnungsbetrag gut, fugte dem diesbezüglichen Schreiben aber noch folgende Bemerkung bei: »Umsomehr glauben wir, wie mit Ihrem Herrn Direktor Schwieger besprochen, erwarten zu dürfen, dass Sie uns an den von Ihnen künftig bei Bauausführungen fur die Hoch- und Untergrundbahn zu erzielenden Gewinnen pro rata des von uns erlittenen Verlustes im Verhältnis zu dem Ihren participiren lassen werden und bitten, uns die Höhe desselben anzugeben. « 58

Als dann aber nach Eintritt des Bahngeschäftes in die Gewinnzone für S&H 1907 die Deutsche Bank auf die Abtretung eines entsprechenden Profitteiles insistierte 59 antworteten S&H lakonisch: »Es ist ganz ausgeschlossen, dass wir jemals eine Beteiligung an den Gewinnen aus unseren Bauausführungen und Lieferungen fur die Berliner Hoch- und Untergrundbahn der Deutschen Bank zusagen können. « 60 Es entspann sich ein heftiger Streit zwischen dem Konzern und seiner Hausbank, in dem S&H aber hart blieben, trotz des erklärten Wertes, den Wilhelm von Siemens darauflegte, daß »nachhaltige Verstimmungen der Deutschen Bank gegen uns vermieden würden«. 6 1 Der Deutschen Bank ihrerseits blieb nichts übrig, als die Weigerung der S&H AG hinzunehmen und sich später durch das Aufschlagen einer Sonderprovision bei einer Emission der Berliner Hochbahngesellschaft im Jahre 1914 für den erlittenen Verlust schadlos zu halten. 62 Auch in dieser Kontroverse hatten sich S&H als der eher stärkere Partner erwiesen. Während die Deutsche Bank 230

dem Unternehmen eine - juristisch nicht erzwingbare - Konzession als Vorleistung erbracht hatte, verweigerte letzteres der Bank eine entsprechende Gegenleistung. Was die Abstimmung der Geschäftspolitik der Deutschen Bank mit derjenigen des Siemens-Konzerns nach 1900 anbelangt, so fungierte erstere nicht nur in vielen Fällen als Agentin seiner Interessen, sondern nahm auch bei der Gestaltung des eigenen geschäftlichen Vorgehens Rücksicht auf eventuelle Einwände des Unternehmens. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die von Kocka beschriebene Reaktion von S & H auf verschiedene Ansätze der Deutschen Bank, ihr Verhältnis zur A E G zu intensivieren: »Nachdem Georg von Siemens, der Direktor der Deutschen Bank, u m sich mit S & H zu verbinden, aus dem Aufsichtsrat der A E G ausgetreten war, versuchte er sich in Konsequenz seiner Pläne für einen Zusammenschluß aller großen Berliner Elektrofirmen und angesichts der drohenden Krise im Jahre 1900 mit R a t h e n a u . . . zusammenzutun. S & H begriffen Georg von Siemens' Planung jedoch als beunruhigendes Paktieren mit der Konkurrenz und setzten durch, daß dieser von seinem Plan Abstand nahm. « 6 3

1905 dann lud die A E G Max Steinthal ein, in ihrem Aufsichtsrat die Nachfolge eines anderen, ausscheidenden Vertreters der Deutschen Bank anzutreten. 6 4 Über diese Frage hielt die Deutsche Bank in Person von Roland-Lücke zunächst Rücksprache mit Wilhelm von Siemens, der ersterem zu verstehen gab, daß er einen solchen Schritt nicht für opportun halte. Er würde in der Konsequenz »dahin fuhren müssen, dass auch die übrigen Großbanken gegenüber S & H in gleich nahe Beziehungen gebracht würden, wie gegenüber der A E G . Die A E G aber überwacht die Beziehungen ihrer Banken und Aufsichtsräte sehr rigoros. «

A m Ende der Unterredung versicherte ihm Roland-Lücke, »dass bei der Natur des Verhältnisses zwischen D . Bank und S & H natürlich nicht die Rede davon sein könnte, dass Herr Steinthal gegen unseren Wunsch die Einladung der A E G annähme, und er würde infolgedessen Herrn Steinthal ersuchen, die Einladung abzulehnen. « 6 5

Die mehr oder weniger offene Drohung mit der Konkurrenz reichte, u m sich die Deutsche Bank in dieser Frage gefugig zu machen. Der zuletzt beschriebene Vorgang aus dem Jahre 1905 war beileibe kein Einzelfall. (Auf die Bergmann-Angelegenheit wurde ja schon im einleitenden Teil hingewiesen.) Der im Zentralen Staatsarchiv der D D R in Potsdam erhaltene - höchst aufschlußreiche - Briefwechsel zwischen der Deutschen Bank und der S & H A G seit 1904, der über die Spiecker unterstehende Finanzabteilung lief, weist aus, daß in einer ganzen Reihe von Angelegenheiten, die die Siemensschen Interessen betrafen, die Deutsche Bank sich zunächst mit dem Unternehmen benahm und daraufhin ihr Verhalten nach seinen Wünschen konzipierte. 6 6 Darüberhinaus war die Deutsche Bank stets 231

bemüht, den verschiedenen Siemens-Unternehmen profitable Geschäftskontakte zu vermitteln und fungierte insbesondere im Ausland als Sachwalter der Siemensschen Interessen. 67 Natürlich war umgekehrt auch Siemens zu Gegendiensten bereit - solange diese nicht mit den eigenen Interessen konfligierten.

Die Banken

und die Monopolisierungstendenzen

in der

Elektrobranche

Es wurde im Laufe dieses Kapitels die These entwickelt, daß die Veränderungen des Reproduktionszusammenhanges in der Elektroindustrie seit der Krise von 1900—1902, die in Richtung einer tendenziellen Monopolisierung dieser Branche liefen, die Verhandlungsposition der industriellen Seite gegenüber den Banken verbesserte - die ihrerseits dementsprechend diesem Monopolisierungstrend skeptisch bis destruktiv gegenüberstanden. Diese These soll nun am Ende des Kapitels durch zwei bezeichnende Vorgänge belegt werden. Gegen Ende des Jahres 1903 kam es zwischen S&H und der AEG zu Verhandlungen über den Abschluß eines Kartells bei den elektrischen Bahnlieferungen, 68 die lange Zeit an der Frage der Quotenverteilung scheiterten. Die Deutsche Bank wirkte in diesen Verhandlungen als Vermittlerin, doch als die Schwierigkeiten überwunden waren, deutete sich die neue Konstellation im Verhältnis der großen Elektrofirmen zu ihren Banken an: einem sich herausbildenden Block der beiden Industrieriesen - AEG + S&H - stand ein Bankensektor mit nach wie vor virulenter Konkurrenz gegenüber. Rathenau empfahl die kompromißlose Nutzung dieser Situation: »Er erklärte, daß es nach seiner Meinung für die Ausführung derartiger Geschäfte das Vorteilhafteste wäre, w e n n beide Elektrizitäts-Firmen s i c h . . . verbündeten und z w a r sei es einmal vorteilhaft dem Staat gegenüber, da dieser nicht gern eine Firma v o r der anderen bevorzugen wolle, sodann auch den Banken gegenüber; er meint, es sollten die Elektrizitätsfirmen sich zunächst allein möglichst gute Konzessionen zu verschaffen suchen und alsdann die Finanzierung derjenigen Bank übertragen, welche die besten Bedingungen böte. (Hervorh. v . V e r f . ) « 6 9

Die Reaktion der Deutschen Bank ließ nicht lange auf sich warten. Am 19. 1. 1905 berichtete Wilhelm von Siemens seinem Direktor Schwieger brieflich über eine Unterredung mit Gwinner: » U . a . sagte er, die Deutsche Bank sei schmerzlich davon berührt, dass w i r in der Schnellbahn-Frage Berlin - Hamburg ohne die Deutsche Bank vorgegangen wären. Er sprach auch v o n C ö l n - Düsseldorf, Frankfurt a. M . Wiesbaden u. s. w . in ähnlichem Sinne, als w e n n die elektrischen Firmen es darauf anlegten, die Deutsche Bank nicht zu berücksichtigen, was doch undankbar wäre. « 7 0

232

Aus traditionellem Mißtrauen gegenüber der AEG schreckten aber 1905 S&H zunächst noch davor zurück, die neue Konstellation bis zur letzten Konsequenz auszuspielen: »Ich glaube jedoch, dass es nicht politisch wäre, eine solche Bindung auf dem Finanzirungs- und Conzessionierungs-Gebiete mit der AEG vorzunehmen, ohne mit der Deutschen Bank vorher gesprochen zu haben. Allerdings ist anzunehmen, dass nach den letzten Erfahrungen... ein solcher Meinungsaustausch zu keinem praktischen Ergebnis fuhren wird. Aber man muss es immerhin versuchen, damit die Deutsche Bank nicht glaubt, dass wir hinter ihrem Rücken Operationen vorhaben, welche dazu fuhren können, die Deutsche Bank aus ihrer bisherigen Stellung im elektrischen Geschäft und als uns zunächst stehendes Finanzirungs-Institut auszuschliessen. Sie ist schliesslich die einzige Bank, welche uns auf dem Finanzirungsgebiete und auf dem Weltmarkt den nöthigen Rückhalt gewährt, und es ist zu befürchten, dass wenn wir unter Ausschluss derselben uns mit der AEG so eng liiren, wir uns faktisch zwischen zwei Stühle gesetzt haben und die AEG und ihre Freunde uns in wahrscheinlich rücksichtslosester Weise an die Wand zu drücken versuchen werden.« 7 1

Drei Jahre später waren diese Skrupel aber gewichen, und die Deutsche Bank bemühte sich vergeblich, einen Keil zwischen die AEG und S&H zu treiben. 1908 projektierten beide Unternehmen auf Initiative Rathenaus die Gründung eines gemeinsamen Finanzierungsunternehmens, das den N a men Elektro-Treuhandgesellschaft fuhren sollte und dessen Zweck in der »Hergabe von Geldern für elektrische Anlagen, welche Staats- und Kommunalbehörden, landwirtschaftliche Genossenschaften, Aktiengesellschaften oder Privatunternehmungen in Deutschland anlegen wollen«, bestand. 7 2 Emil Rathenau teilte Berliner von den SSW am 26. 3. 1980 mit, »dass eine Großbank sich ihm gegenüber schon bereit erklärt hätte, die Obligationen zu übernehmen«, in deren Begbung er »keinerlei Schwierigkeiten« mehr sehe. Am 27. 3. weihte Berliner dann Karl Klönne von der Deutschen Bank in den Plan der beiden Elektrizitätsgesellschaften ein. Dieser schlug ihm wenige Tage später (am 31. 3.) wiederholt vor, von dem gemeinsamen Vorgehen mit der AEG abzulassen. Statt dessen wolle die Deutsche Bank dem Siemens-Konzern soviel Geld wie benötigt zur Verfügung stellen. »Es könnten auf diese Weise S&H resp. SSW genau dieselben Geschäfte machen, wie die von der AEG beabsichtigten, und alle Schwierigkeiten, wie Führung u.s.w. wären aus dem Wege geräumt. « 73

Diesem Ansinnen erteilte Berliner aber eine schroffe Absage mit der Begründung, durch ein solches Vorgehen »würde die Konkurrenz mit der AEG, die wir unter allen Umständen vermeiden möchten, .heraufbeschworen. « Daraufhin forderte Klönne, unter diesen Umständen müsse die Deutsche Bank aber immerhin die Führung bei der in Aussicht genommenen Begebung von Obligationen der neuen Treuhand-Gesellschaft bean233

spruchen, die ihm Berliner aber mit dem Hinweis auf die Rechte anderer Banken bestritt: »Meine. Meinung wäre, dass die DB gar kein Recht hätte, zu verlangen, die Führung in diesem Geschäft zu bekommen, da es sich um eine Angelegenheit handelt, die ausschliesslich von der AEG ersonnen und proponiert sei, und dass ich nicht glaube, dass die Bankengruppe der AEG von der Führung zurücktreten w ü r de.« 74

Die Deutsche Bank mußte letztlich einlenken. Die Konkurrenz mit anderen Bankinstituten entzog ihr jede Basis, um gegenüber den zwei ausgesprochen profitabel wirtschaftenden und nun tendenziell monolithisch auftretenden Branchenführern der Elektroindustrie Druck auszuüben. Wie gesehen, fungierte die Bank keineswegs, wie nach einer weitverbreiteten Meinung zu erwarten, als Katalysator des immer weiter voranschreitenden Konzentrationsprozesses in dieser Sphäre. Vielmehr mußte ihr aus Eigeninteresse daran gelegen sein, zur Behauptung ihrer Position beim Siemens-Konzern dessen zu weitgehende Annäherung an die AEG zu hintertreiben. Soweit erkennbar, blieben ihre Versuche in dieser Richtung aber schon im Ansatz stecken. 75 Fassen wir nun noch einmal die Ergebnisse dieses Kapitels kurz zusammen. Die Hilferdingsche These von der Dominanz der Banken über die Industrie findet auch im Verhältnis des Siemens-Konzerns zu seinen Banken, das sich im wesentlichen auf das Verhältnis zur Deutschen Bank reduziert, keinerlei Anhaltspunkt. Für dieses Unternehmen ist sogar eine zur Hilferdingschen Prognose inverse Entwicklung zu konstatieren. Während sich in den achtziger und frühen neunziger Jahren S&H und die Deutsche Bank als gleichberechtigte Geschäftspartner gegenüberstanden, ohne daß überdurchschnittliche Beiträge der Bank zum Reproduktionsprozeß des Unternehmens oder etwa eine institutionelle Verflechtung ihr Ansatzpunkte zur Etablierung von Einfluß auf die Geschäftspolitik von S&H geboten hätten, ermöglichte ihr die ausfuhrlich analysierte Entwicklung der späten neunziger Jahre 1897 die Erlangung des punktuellen Übergewichtes im Streit über die Organisation der AG. Der Nexus jedoch zwischen Aufschwung der Kapitalverwertung bei Siemens, Monopolisierungstendenzen auf dem Elektromarkt und virulenter Konkurrenz unter den Großbanken korrigierte diese Kräfteverteilung sehr schnell zugunsten der industriellen Seite. In Konfliktfällen setzte sich seit 1900 der Siemens-Konzern in der Regel durch, und die Deutsche Bank mußte ihm bereitwillig ihre Dienste angedeihen lassen und seine Interessen bei der Gestaltung des eigenen Handelns ins Kalkül ziehen, um nicht ihre Position als Hausbank zu gefährden. Selbstverständlich, und hierin ist Kocka natürlich zu folgen, hielt sich diese Überlegenheit des Industriekonzerns in den »Grenzen der gegenseitigen Abhängigkeit«. Niemals degenerierte die Deutsche Bank etwa zur bloßen Befehlsempfängerin ihres Geschäftspartners. - Bemerkenswert ist ferner, daß die 234

Deutsche Bank sich zur Verteidigung ihrer Position in der Elektroindustrie bemühen mußte, diese Branche beim Durchlaufen der letzten Windungen der Spirale des kapitalistischen Konzentrationsprozesses aufzuhalten. Keineswegs zeigte sie sich der uneingeschränkten Aufhebung der Konkurrenz, vor allem zwischen der AEG uns dem Siemens-Konzern, gegenüber vorbehaltlos konstruktiv - und konnte dies auch im eigenen Interesse nicht sein.

235

15. Zusammenfassung

Im theoretischen Teil stand die Frage i m Mittelpunkt des Interesses, o b auf der Ebene des Kapitals i m Allgemeinen eine relative Herrschaft der Banken über die Industrie - deren Grenzen prinzipiell aus der Eingebundenheit jedes individuellen Kapitals in den Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals entstehen 1 und i m Einzelfall aus diesem heraus konkretisiert werden müssen - als zwangsläufiges Produkt des historischen Verlaufes der Kapitalakkumulation erscheint. Dabei w u r d e zunächst festgestellt, daß die Ebene des Kapitals im Allgemeinen, auf der m a n sich begrifflich i m m e r auf Kapitale bezieht, die sich unter durchschnittlichen Bedingungen reproduzieren, überhaupt nur dann eine historisch relevante Beschreibung der kapitalistischen Akkumulation ermöglicht, wenn die Entfaltung der kapitalistischen Produktionsweise tatsächlich eine Tendenz zur Verdurchschnittlichung der Akkumulationsbedingungen aufweist. Dies bedeutet, daß sich das Wertgesetz mit allen seinen Implikationen a la longue gegenüber Friktionen verschiedenster Art, insbesondere gegenüber Monopoleffekten, durchsetzt und die kapitalistische Realität sich ihrem abstrakten Begriff i m m e r weiter annähert. Aber auch unter dieser Voraussetzung läßt sich die Suprematie des B a n k kapitals über das Industriekapital 2 nicht als notwendiges Produkt der kapitalistischen Produktionsweise postulieren. Die Entstehung und Verfestigung einer solchen Suprematie ist vielmehr gebunden an einen sehr spezifischen Reproduktionskontext, dessen Konstituanten keineswegs selbstverständliche Ergebnisse des kapitalistischen Akkumulationsprozesses sind. Diese Konstituanten w u r d e n in Kapitel 2.3. herausgearbeitet: a) tendenzieller Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate bei Nichtexistenz einer von Null wesentlich verschiedenen unteren Schranke dieser Bewegung, b) intakte Konkurrenz in der Sphäre des industriellen Kapitals, c) (zumindest weitgehende) Ausschaltung der Konkurrenz unter den Banken. 3 Die in der Literatur häufig anzutreffende - explizite oder implizite Unterstellung, Hilferdings Thesen z u m Verhältnis von Banken und Industrie besäßen Gültigkeit für Deutschland bis mehr oder minder kurz vor d e m ersten Weltkrieg 4 impliziert damit die Behauptung der Vorfindlichkeit gerade dieser spezifischen Ausprägung des kapitalistischen Reproduktionszusammenhanges i m Wilhelminischen Kaiserreich jener Zeit. Auf der Basis 236

von neun Fallstudien wurde dieses Problem für die Schwerindustrie Rheinland· Westfalens und die Elektroindustrie aufgegriffen - womit zwar nicht die gesamte Komplexität der Akkumulationsstruktur beider Branchen erfaßt, aber immerhin ein wesentlicher Ausschnitt in den Blick genommen wird. 5 Der dabei entstandene Eindruck läßt sich folgendermaßen zusammenfassen - wobei insbesondere die quantitativen Aspekte nicht mit dem Anspruch auf absolute Exaktheit formuliert werden, sondern sich auf Indikatorenbildungen stützen, deren Güte wegen der Natur des zur Verfügung stehenden Zahlenmaterials zu Vorbehalten zwingt. 6 1) Wenn man Mannesmann und Siemens ausklammert, 7 scheinen die Bedingungen der Kapitalverwertung im Rahmen des Samples in der Tat im Lauf der Zeit einer Tendenz zur Angleichung zu unterliegen. Interpretiert man die Profitrate als Indikator der Kapitalverwertung, so läßt sich diese Tendenz recht klar an der Entwicklung der Streuung der individuellen Profitraten ablesen, wie Schaubild 19 zeigt. 8 2) Die real vorfindliche Tendenz zur Verdurchschnittlichung der Kapitalverwertung als strategischer Determinante der Akkumulation rechtfertigt generalisierende Aussagen über den Verlauf des Akkumulationsprozesses für die zum Sample gehörenden Unternehmen. 9 3) Die Durchschnittsprofitrate des Samples - wobei Mannesmann und Siemens wegen ihrer Sonderentwicklung nicht in die Durchschnittsbildung einbezogen wurden - deutet keinesfalls auf eine Erschlaffung der industriellen Eigenakkumulationskraft hin. Sie wächst vielmehr um einen flach steigenden Trend. 10 4) Trotz des hohen Konzentrationsgrades und der fortschreitenden Kartellierung in den untersuchten Branchen blieb die kapitalistische Konkurrenz in der industriellen Sphäre intakt, wenn sich auch ihr Schwerpunkt von der reinen Preiskonkurrenz auf andere Formen der Konkurrenz verlagert haben mag - in der Elektroindustrie lassen sich aber seit der Jahrhundertwende auf nationaler Ebene gerade unter den am höchsten konzentrierten Kapitalen Tendenzen zu ihrer recht weitgehenden Einschränkung ausmachen. 5) Der Konzentrationsgrad im deutschen Bankwesen hatte ohne jeden Zweifel vor dem ersten Weltkrieg ein sehr hohes Niveau erreicht, wobei die Berliner Großbanken als Kristallisationspunkte großdimensionaler Zentralisationsbewegungen fungierten und eine dominierende Stellung in vielen Bereichen des Kapitalmarktes erreicht hatten. Gerade dieser Aspekt der Entwicklung des deutschen Banksektors ist von Bankhistorikern immer wieder akzentuiert worden. 11 Wenn ökonomische Konzentrations- und Zentralisationsprozesse auch ein konstitutives Element kapitalistischer Entwicklung schlechthin bilden und daher hinsichtlich ihrer Existenz für das deutsche Bankkapital vor 1914 nicht überraschen, so wird ihre hohe Intensität in diesem Bereich erst erklärbar durch die vergleichsweise enge Verflechtung der Reproduktionskreisläufe von Industrie und Banken im Wilhelminischen Kaiserreich. Die Entwicklung und Auffächerung des industriellen 237

Geschäftes schuf über den regulären Bankverkehr hinausgehende Tätigkeitsfelder - insbesondere das industrielle Emissionsgeschäft - , welche wegen der zu mobilisierenden Kapitalmassen hochkonzentrierte einzelne Bankinstitute voraussetzten und in vielen Fällen darüberhinaus deren Kooperation, vor allem in Form von Konsortien, erforderten. Damit forcierte zwar das in Deutschland hochentwickelte Geschäft der Industriefinanzierung die urwüchsig verlaufende Konzentration des Bankkapitals erheblich, doch war diese Entwicklung weit davon entfernt, etwa einem Umschlag von Konzentration in Monopol den Boden zu bereiten. Sie fügte im Gegenteil den traditionellen Feldern, auf denen die Konkurrenz zwischen den Banken virulent werden konnte, weitere hinzu, beispielsweise im Bezug auf die Aufteilung von Konsortialquoten, die Führung der Konsortien oder die Präsenz in den Gremien industrieller Unternehmen etc. Die Konkurrenz unter den Banken um die Abwicklung der verschiedenen Bereiche des Bankverkehrs der Großindustrie wies trotz des hohen Konzentrationsgrades im deutschen Bankwesen tatsächlich, wiejeidels formulierte, »erbitterte« Züge auf und war keineswegs »gegenstandslos« geworden. 1 2 Dabei gelang es keiner der Großbanken bis zum ersten Weltkrieg, ein eindeutiges Übergewicht zu erzielen. Die Zahl der Aufsichtsratssitze, die auf die einzelnen Institute in den Sampleunternehmen entfiel, mag dies verdeutlichen. 13 Schaubild 21 suggeriert eine recht gleichmäßige Verteilung der industriellen Klientel, ein Eindruck, der durchaus berechtigt ist. Obwohl sich in fünf von neun Fällen (Siemens, Mannesmann, Rheinstahl, Hibernia, DeutschLux) ein jeweils recht stabiler Nexus zwischen dem Unternehmen und einer oder zwei Banken herausgebildet hatte, konnten sich letztere nie sicher fühlen vor Bedrohungen ihrer Position als Hausbanken durch die Konkurrenz. 6) Trotz einiger Schwankungen, die teilweise konjunkturbedingt waren und teilweise aus unternehmensspezifischen Faktoren heraus begriffen werden müssen, vermittelt die Erweiterung des industriellen Akkumulationsprozesses - insbesondere die des konstanten fixen Kapitals - über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg das Bild enormer Dynamik, wobei sich die Expansion in den meisten Fällen gegen den Weltkrieg hin noch intensivierte. Der dabei entstehende Bedarf an Geldkapital zu Investitionszwecken überstieg trotz tendenziell steigender Profitrate die Höhe der realisierten und akkumulierten Profitmime. Zwar blieb eine möglichst weitgehende Selbstfinanzierung stets das Streben sämtlicher Unternehmen des Samples, 14 und die eigenen Profite fungierten auch in allen Fällen als dominierende Kapitalquelle. Dennoch zwang insbesondere der bei den großen Zentralisationsschritten anfallende Kapitalbedarf die Unternehmen immer häufiger zum Rückgriff auf externe Finanzierung. Diese aber lief in der Regel nicht in nennenswertem Umfang über langfristig festgelegte Kontokorrenkredite seitens der Banken sondern über den Kapitalmarkt, der für Kapitalerhöhungen und Anleihen in Anspruch genommen wurde. In der 238

Vermittlerfunktion zwischen der Industrie und dem Kapitalmarkt der Börsenplätze liegt der eindeutig wesentlichste Beitrag der Banken zum Akkumulationsprozeß der Sampleunternehmen vor 1914. 15 Dabei blieb die einzelne Bank stets durch Konkurrenzinstitute substituierbar, und offenbar ermöglichten auch der Grad der bewußten Marktregulierung über Kartelle und Absprachen sowie das Primat der Selbstfinanzierung den Unternehmen die Anpassung der Investitionspolitik an die konjunkturbestimmten Investitionsmöglichkeiten, 16 so daß sich ihre Abhängigkeit von den Diensten der Banken nie in der Tendenz bedrohlich zuspitzte. Vor dem Hintergrund dieses Verlaufes des Akkumulationsprozesses ist es keine Überraschung, daß die Formel von der Herrschaft der Banken über die Industrie das Verhältnis der Sampleunternehmen zu ihren Bankinstituten nicht zutreffend beschreibt. Die Auswertung des empirischen Materials liefert jenen Tendenzen in der Literatur neue Argumente, welche Zweifel an der historischen Validität der diesbezüglichen Hilferdingschen Thesen für das deutsche Kaiserreich vor 1914 anmelden. 1 7 Eine Herrschaft der Banken über die Industrie müßte sich manifestieren 1) in einem steigenden Anteil des Zinses 18 am Profit auf Kosten des Unternehmergewinns; 2) in einer Absorbierung des bei den Kapitaltransaktionen anfallenden Gründergewinnes durch die Banken; 3) in einem Diktat der industriellen Geschäftspolitik durch die Banken in Fragen, die ihr Interesse betrafen. 1 9 Zu 1) Wie bereits erwähnt, entwickelte sich die Durchschnittsprofitrate des Samples im Untersuchungszeitraum um einen steigenden Trend herum. Schaubild 22 zeigt, daß auch der Diskontsatz der Reichsbank u m eine flach wachsende Trendlinie pendelte. 20 Zwar wurde der Kreditverkehr zwischen den Privatbanken und der Industrie nicht zum Reichsbankdiskontsatz abgewickelt, und über die Zinssätze, welche die Unternehmen des Samples im Ablauf der Zeit zu zahlen hatten, ist auch kaum etwas bekannt. Dennoch kann man davon ausgehen, daß der Reichsbankdiskont als Orientierungspunkt auch für den Kontokorrentverkehr zwischen Banken und Industrie diente, so daß der Reichsbankdiskontsatz als Indikator für die Zinssatzentwicklung mit Bezug auf die Sampleunternehmen herangezogen werden kann. 2 1 Vergleicht man die Wachstumsdynamik der Kurve der Zinsentwicklung mit derjenigen der Durchschnittsprofitrate des Samples, so suggeriert dies keineswegs die Annahme einer signifikanten Steigerung des Zinsanteils am Profit, dies um so weniger, als der Kontokorrentverkehr eben nicht das strategische Element der industriellen Wachstumsfinanzierung war. Schaubild 23 legt die Annahme nahe, daß Zinsfuß und Profitrate im Trend fast mit gleicher Geschwindigkeit wuchsen, wobei das Wachstum der Profitrate leicht dominierte. Die sich günstig entwickelnde Kapitalverwertung scheint also die tendenzielle Zinssteigerung im Untersu239

chungszeitraum zumindest ausgeglichen, wahrscheinlich sogar leicht überkompensiert zu haben. Zu 2) Wie herausgearbeitet wurde, lag in Vermittlung und Organisation des Zugriffs auf den Kapitalmarkt der Hauptbeitrag der Banken zum Akkumulationsprozeß der Sampleunternehmen. Dementsprechend müßte sich eine Bankensuprematie insbesondere bei der Verteilung des Gründergewinns geltend machen. In diesem Zusammenhang hatte Rudolf Hilferding behauptet: »Die Bestimmung des deutschen Aktiengesetzes, daß das Agio der Aktie den Reserven zufallen muß, hat nur bewirkt, daß die Aktie pari oder mit geringem Agio an ein Bankenkonsortium begeben und von diesem mit Gewinn (Gründergewinn) an das Publikum verkauft wird. « 22

Indessen erweist sich diese Aussage ausnahmslos fur alle neun Unternehmen als schlechterdings falsch. In so gut wie allen Fällen absorbierte die industrielle Seite bis auf einen Rest, der fast nie 5% des Nominalwerts der Emission überstieg, den gesamten Nettogründergewinn. Aus diesem Rest wurde die Bankenprovision bestritten, die in absoluten Zahlen erkleckliche Beträge ausmachen konnte, in Höhe und Risikobehaftung aber stark schwankte. Bezogen auf den gesamten Gründergewinn blieben die Bankenverdienste an den Kapitaltransaktionen stets eine Residualgröße von untergeordneter Bedeutung. Zu 3) N i m m t man bei der Einschätzung der Einflußmöglichkeiten der Banken auf die industrielle Geschäftspolitik alle zum Sample gehörigen Unternehmen und den gesamten Untersuchungszeitraum in den Blick, so ist die Hypothese eines generellen Bankendiktats eindeutig zu verwerfen. Vielmehr erweist sich gerade in dieser Hinsicht die differenzierende Auffassung Kockas, der mit Blick vor allem auf den Siemens-Konzern das Verhältnis der Industrie zu den Banken für »kaum auf eine aussagekräftige Formel« reduzierbar hält, 23 fur die Gesamtheit der in dieser Arbeit analysierten Industriekapitale als angemessen. Zwar zeitigte die im Zuge der Expansion sich intensivierende funktionelle Verflechtung von Banken und Industrie in der Tendenz ein gewisses institutionelles Äquivalent in der Präsenz von Bankiers in den industriellen Aufsichtsräten (und umgekehrt), die den Banken einen gewissen Zugriff auf die verschiedenen Handlungsbereiche des geschäftlichen Gebarens des jeweils betreffenden Unternehmens sicherte. Doch erstens blieb die Präsenz der Bankiers in vielen Fällen eher formaler Art, da sie entweder von der Geschäftsleitung nicht in die aktuellen Interna der Unternehmenspolitik und -situation einbezogen wurden oder aus Zeitund/oder Kompetenzmangel keine aktive Rolle im Unternehmen spielen konnten, und zweitens paralysierten sich im Effekt die Einflußchancen konkurrierender Institute häufig gegenseitig. Dennoch genossen bei den meisten Unternehmen ein oder zwei Bankiers einen herausgehobenen Sonderstatus, insofern sie über intime Kenntnisse fast aller das Unternehmen 240

betreffenden Angelegenheiten verfugten und auf dieser Grundlage einen mehr oder minder weitgehenden Anteil an der Konzeption der U n t e r n e h menspolitik hatten. Eine ihrer wesentlichsten Funktionen bestand dabei darin, das breite Spektrum der gleichgerichteten Interessen des jeweiligen Industriekapitals mit seinen Banken zu koordinieren und in eine gemeinsame Handlungsstrategie umzusetzen. Diese gemeinsamen Interessen entstanden prinzipiell aus der Tatsache, daß die reibungslose Verzinsung der von den Banken in die industriellen U n t e r n e h m e n investierten Kapitalien von deren möglichst flüssiger u n d problemfreier Kapitalverwertung abhing. So ergaben sich weite Aktionsfelder, auf denen die Interessen der z u m Sample gehörenden Industriekapitale mit denen ihrer Banken harmonierten u n d auf denen man sich deshalb z u m gemeinsamen Vorgehen verstand. Die Banken b e m ü h t e n sich beispielsweise in vielen Fällen bei anstehenden Zentralisationsschritten ihrer industriellen Klientel, an der Börse das Kursniveau der relevanten Papiere zugunsten ihrer industriellen Alliierten zu beeinflussen. Ebenso stellte man sich gegenseitig Aktienpakete für Generalversammlungen zur Verfugung oder koordinierte den Ankauf solcher Pakete, w e n n es d a r u m ging, auf ein drittes U n t e r n e h m e n aus bestimmten E r w ä g u n g e n heraus Einfluß zu nehmen. Das Interesse an einer optimalen Kapitalverwertung der mit ihnen verbundenen Industrieunternehmen induzierte auch den Wunsch der Banken nach ihrer zweckrationalen und möglichst effektiven inneren Organisation, wie besonders am Verhältnis des Siemens-Konzerns zur Deutschen Bank deutlich wird. Wenn in diesem Punkt auch prinzipiell ihre Intentionen mit den Implikationen des ureigensten industriellen Interesses an der Profitmaximierung koinzidierten, so konnten sich durchaus unterschiedliche Vorstellungen darüber ergeben, wie denn die Maximierung des Unternehmenserfolges zu gewährleisten sei. Auch konnte die Bereitschaft zu organisatorischer Rationalisierung innerhalb des U n t e r n e h m e n s durch zentrifugale Sonderinteressen der Kapitaleigner oder bestimmter Teile der Unternehmensbürokratie relativiert werden. In solchen Fällen bemühten sich die Banken zwar offenbar oft nachdrücklich u m die Berücksichtigung ihrer Wünsche, doch fehlten ihnen i m Regelfall geeignete Druckmittel zur langfristigen Durchsetzung ihrer Vorstellungen gegenüber abweichenden Konzeptionen. Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich bei den Leistungen, welche die Banken ihrer industriellen Klientel gegenüber bei der Herstellung von Beschaffungsund Absatzbeziehungen erbrachten. Die Dienste der Banken reichten hier auf der Grundlage ihrer weitverzweigten Geschäftsbeziehungen von der Bereitstellung von Informationen aller Art über die Vermittlung konkreter Geschäftsabschlüsse bis hin zur Koordinierung des Vorgehens i m Ausland w e n n etwa die Banken die Ü b e r n a h m e ausländischer Staatsanleihen von Aufträgen an die deutsche Industrie abhängig machten 2 4 oder ihren Einfluß auf ausländische Industrieunternehmen bei deren Auftrags vergäbe nutzten. Dabei b e m ü h t e n sich die Banken häufig, geschäftliche Beziehungen zwi241

sehen den verschiedenen Teilen ihrer industriellen Klientel herzustellen oder zu intensivieren. Erfolg war ihnen bei diesen Vermittlerdiensten nicht nur dann beschieden, wenn die angeregten Kontakte i m beiderseitigen Interesse der betroffenen Industriekapitale lagen, sondern die industrielle Seite zeigte sich oftmals durchaus zu kleineren Diensten und Gegendiensten bereit. Harte Grenzen fand diese Konzilianz im Rahmen des Samples aber i m m e r dann, w e n n die Unternehmensleitung sich von den seitens der Banken suggerierten Geschäften negative Auswirkungen auf ihre Kapitalverwertung erwartete, w e n n also ihre Eigeninteressen negativ affiziert zu w e r d e n drohten. Im Bereiche der industriellen Investitionspolitik scheinen die Banken und ihre Vertreter in den Unternehmensgremien schon deshalb nicht entscheidend an ihrer inhaltlichen Konzeptuierung beteiligt gewesen zu sein, weil ihre Planung Detailkenntnisse der stofflichen Seite der Produktion u n d eine minutiöse Übersicht über den Stand des branchenspezifischen R e p r o duktionsprozesses voraussetzten, die sich die Bankiers nur schwer in hinreichendem M a ß e verschaffen konnten. Ihre Funktion lag vielmehr in der Beratung bei der finanziellen Flankierung der jeweils in Aussicht g e n o m m e nen Investitionsprogramme und in der Vermittlung des notwendigen externen Geldkapitals zu ihrer Realisierung - sofern solche externen Mittel b e n ö tigt wurden. Im R a h m e n des Samples sind allerdings hinsichtlich der Intensität dieser Beraterfunktion ganz erhebliche Unterschiede zu erkennen. Während etwa Salomonsohn und Fürstenberg bei Rheinstahl eine sehr aktive Rolle bei der Finanzplanung des U n t e r n e h m e n s spielten, stellte beispielsweise August Thyssen seine Banken in der Regel vor vollendete Tatsachen. Dabei planten augenscheinlich alle U n t e r n e h m e n des Samples in Übereins t i m m u n g mit d e m von Richard Tilly formulierten Eindruck ihre Investit i o n s p r o g r a m m e und deren Finanzierung in Abhängigkeit von ihren eigenen Verwertungs- und Akkumulationschancen. 2 5 Eventuelle Verdienstmöglichkeiten der Banken spielten dabei als Handlungskriterium, soweit erkennbar, keinerlei Rolle. Auch im Bereiche der Investitionspolitik lassen sich also keinerlei Elemente einer D o m i n a n z der Banken konstatieren. Auf d e m Sektor der Konzentrationspolitik schließlich werden die i m theoretischen Teil formulierten Bedenken 2 6 gegen das den Banken von Hilferding unterstellte »absolute« Interesse an der Monopolisierung der Industrie von den Quellen auf empirischer Ebene bestätigt. 2 7 Längst nicht i m m e r erwarteten die Banken von industriellen Zusammenschlüssen oder gar der partiellen oder totalen Ausschaltung der industriellen Konkurrenz positive A u s w i r kungen auf ihre eigene Kapitalverwertung und Gesamtlage. Aus d e m k o n kreten Verlauf der Konkurrenzfronten ergab sich im Einzelfall jeweils ihre Haltung zu den industriellen Monopolisierungsbestrebungen. Während etwa die Deutsche Bank die Pläne Thyssens zur Vertrustung der deutschen Stahlindustrie mit — w e n n auch passiver — Solidarität verfolgte, 2 8 stand sie der Konsequenz, mit der der Monopolisierungsprozeß in der Elektroindustrie vor d e m Weltkrieg betrieben wurde, offensichtlich mit großer Skepsis

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gegenüber, da sie in d e m Maße u m ihre Position als erste Bankverbindung des Siemens-Konzerns und die daraus resultierenden Verdienst- u n d Einflußmöglichkeiten furchten mußte, wie die Branchenführer der Elektroindustrie - die Gruppen u m Siemens und die A E G - ihr als h o m o g e n e r monolithischer Block gegenüberstanden. 2 9 Aus ganz ähnlich gelagerten Motiven heraus erklärt sich auch die anfangs ablehnende Haltung des Schaaffhausen'schen Bankvereins gegenüber der Fusion Phoenix - H o e r d e im Jahre 1906. 30 Wenn aber schon die Grundhaltung der Banken i m Bezug auf die Monopolisierung der Industrie keinesfalls voraussetzungslos u n d einheitlich positiv w a r und j e nach spezifischer Interessenlage mal k o n s t r u k tive, mal indifferente u n d mal destruktive Z ü g e annahm, so kann m a n ihnen schon gar nicht generell die Rolle als aktive Katalysatoren und Schrittmacher dieses Prozesses, insbesondere bei den großen Verbandsbildungen, zuschreiben. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die doch sehr devoten B e m ü h u n gen der Deutschen Bank u m Einbeziehung in den Bankverkehr des Stahlwerksverbandes 3 1 und auch diejenigen der Dresdner Bank i m Falle des Roheisen-Verkaufskontors. 3 2 Die Banken hatten augenscheinlich in diesen Fällen passiv den Ausgang der Verhandlungen zwischen den Industriellen abzuwarten und sich dann in Konkurrenz mit anderen Instituten u m ein Stück v o m Kuchen des Bankverkehrs zu bewerben. Wenn also oben der breite Bereich gemeinsamer Interessen und Ziele betont wurde, der die Sample-Unternehmen mit ihren Banken verband u n d sich in der häufigen Koordinierung der Geschäftspolitik beider Seiten manifestierte, so schufen unternehmensinterne Gruppeninteressen, vor allem aber die Widersprüchlichkeiten des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, i m R a h m e n dessen sich die Reproduktionskreisläufe konkurrierender industrieller Kapitale mit denjenigen konkurrierender Banken in vielfältiger Weise verschlangen, auch jenseits der Teilung von Profit u n d mobilisierten Kapitalmassen eine Reihe von divergierenden Interessenlagen zwischen den einzelnen Industriekapitalen u n d ihren Bankinstituten, etwa i m Hinblick auf Zentralisations- u n d Monopolisierungsbestrebungen oder die industrielle Beschaffungs- u n d Absatzpolitik etc. Dabei verhinderte es von vornherein die in der Tendenz reibungslose industrielle Kapitalverwertung im Z u s a m menspiel mit d e m Primat der Selbstfinanzierung und der Konkurrenz in der Sphäre des Leihkapitals, daß etwa die Banken die Interessen der industriellen Kapitale hätten systematisch majorisieren können. So konnten die Banken nur dann eigene Interessen in die Politik ihrer industriellen Geschäftspartner lancieren, w e n n diese nicht mit den Eigeninteressen der industriellen Seite kollidierten. Dies galt für alle Bereiche der Geschäftspolitik, von der Personalpolitik über die Geschäftsbeziehungen zu Dritten u n d die Investitionspolitik bis hin zur Haltung der einzelnen U n t e r nehmen gegenüber der Zentralisation. D r u c k ausüben konnten die Banken auf ihre industrielle Klientel nur punktuell, nämlich dann, w e n n der R e p r o duktionsprozeß des betreffenden industriellen Kapitals stockte oder zu stok243

ken drohte. In solchen M o m e n t e n reduzierte sich die Attraktivität des U n t e r n e h m e n s als Kunde, und die Konkurrenz unter den Banken u m die Abwicklung seines Bankverkehrs w u r d e vorübergehend außer Kraft gesetzt, was eine Abhängigkeitssituation der industriellen Seite von ganz b e s t i m m ten Bankinstituten konstituierte. Diese nutzten dann ihre starke Verhandlungsposition vor allem zur überdurchschnittlich weitgehenden Durchsetzung ihrer Vorstellungen im organisatorischen Bereich ihres industriellen K u n d e n - denn der extensiven Aneignung von Teilen seines Profits w u r d e n ja v o m mißlichen Stand seiner Kapitalverwertung u n d seiner Liquiditätsk l e m m e a priori enge Grenzen gesetzt. In einer derartigen Situation befanden sich etwa K r u p p und die G H H in den 1870er Jahren oder Siemens kurz vor der Jahrhundertwende. Jedesmal schwand die Verhandlungsmacht der Banken wieder in d e m Maße, wie die Kapitalverwertung des industriellen U n t e r n e h m e n s ihre Reibungsverluste überwand und erneut Fahrt a u f n a h m . Mit der gleichen Bereitschaft, wie dies umgekehrt der Fall war, übten die Banken Wohlverhalten gegenüber den Interessen ihrer Geschäftspartner in der Industrie, aber auch mit der gleichen Einschränkung: eigene Belange durften nicht zu den Wünschen des jeweiligen K u n d e n im Widerspruch stehen. Ü b e r die zuverlässige Bereitstellung von Investitions- und Zirkulationskapital i m R a h m e n des Kreditverhältnisses, vor allem aber über die Kapitalmobilisierung an der Börse, hinaus reichten, wie detailliert beschrieben, die Serviceleistungen der Banken f ü r die Industrie v o n der Vermittlung profitabler Geschäftskontakte über die Koordination des Vorgehens im Ausland, an der Börse und gegenüber Dritten bis hin zur Versorgung mit Informationen aller Art - auch politischen. Trotz dieser bereitwillig geleisteten Dienste aber behielten sich natürlich auch die Banken ihre Handlungsautonomie vor. O f f e n e Konfliktfälle zwischen Banken und Industrie endeten in der Regel i m Kompromiß, wobei keine Seite der anderen die eigenen Interessen komplett aufoktroyieren konnte, sahen allerdings nicht selten die industrielle Seite leicht i m Vorteil. Vor allem dann, w e n n sich mehrere oder viele Industriekapitale über die Gräben der Konkurrenz hinweg punktuell zu einer konzertierten Aktion gegenüber den Banken zusammenfanden, gelang es bisweilen, den Banken ein bestimmtes Verhalten aufzunötigen. Das w o h l spektakulärste Beispiel dafür liefert die Geschichte des Phoenix, als 1904 die Banken durch den D r u c k seiner Konkurrenten - allen voran August T h y s sen - , die u. a. mit Ausschluß v o m Bankverkehr des Stahlwerksverbandes drohten, dazu bestimmt w u r d e n , das U n t e r n e h m e n in den Verband zu zwingen. 3 3 Paradoxerweise galt gerade dieser Vorgang bisher in der Literatur als Paradebeispiel, u m die Macht der Banken gegenüber der Industrie in Deutschland vor 1914 zu exemplifizieren. M a n kann also das Gesamtverhältnis des empirischen Teils dahingehend zusammenfassen, daß von einer systematischen Suprematie der einen oder anderen Seite i m Verhältnis von Banken u n d Industrie mit Bezug auf mein Unternehmenssample während des gesamten Untersuchungszeitraums

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nicht die Rede sein kann. Die Reproduktionsprozesse beider Kapitalfraktionen waren miteinander verflochten, wobei neben dem regulären Bankverkehr und einer ganzen Reihe von Serviceleistungen vor allem die Intermediatstellung der Banken zwischen Industrie und Kapitalmarkt als Bindeglied fungierte. Besonders an der Organisation des Zugriffs auf den Kapitalmarkt läßt sich im Bezug auf mein Sample die wesentliche und wohl unverzichtbare Leistung der Banken für die industrielle Akkumulation festmachen. Nichtsdestoweniger wurde ihr Beitrag zu diesem Prozeß bei den von mir analysierten Unternehmen von der industriellen Selbstfinanzierung, der Akkumulation aus eigener Kraft, klar übertroffen. Die Verflechtung der Reproduktionsprozesse von Bank- und Industriekapital fand in einer gewissen institutionellen Verflechtung eine Entsprechung. Diese institutionelle Verflechtung via Aufsichtsratspräsenz jedoch war weder Ausdruck einer Bankenherrschaft noch einer Verschmelzung beider Seiten im Sinne eines Identitätsverlustes von Bank- bzw. Industriekapital zugunsten der Symbiose des zur Totalität aller Kapitalfraktionen vereinigten Finanzkapitals. Sie war vielmehr einfach Folge enger Geschäftsbeziehungen und gegenseitiger Interessennahme, wobei die Präsenz der Bankiers in den industriellen Aufsichtsräten nicht selten formaler Natur blieb, oft aber auch Ausdruck der Konkurrenz unter den Banken war, nämlich dann, wenn - wie beispielsweise bei Rheinstahl - Vertreter konkurrierender Institute in ein und demselben Gremium saßen. Andererseits sollten aber auch die Funktionen der Bankiers in den industriellen Aufsichtsräten nicht unterschätzt werden, die ihnen insbesondere bei der Koordinierung gleichgerichteter oder zumindest konsensfähiger Intentionen und Pläne beider Seiten und der Formalisierung und Verfechtung der Bankinteressen in Konfliktsituationen zukamen. 3 4 Denn im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und Industrie entstanden viele gemeinsame Interessen und eine Reihe von kontroversen. Die aus letzteren resultierenden latenten oder evidenten Interessenkonflikte wurden im Wege des Kompromisses gelöst, dessen konkrete Ausgestaltung sich im Einzelfall an den durch die Konkurrenz der vielen Kapitale gesetzten und als durchschnittlich etablierten Gepflogenheiten orientierte und nicht durch die Ausübung von Macht der einen über die andere Seite zustandekam. Von diesem Gesamtbild gibt es allerdings im Rahmen des Samples zwei signifikante Abweichungen nach der einen oder anderen Richtung, die jeweils aus unternehmensspezifischen Faktoren heraus zu erklären bzw. als Ausfluß der abweichenden Struktur des Reproduktionskontextes in der Elektro- gegenüber der Schwerindustrie zu begreifen sind. Z u m einen ist hier auf den Fall Mannesmann zu verweisen, wo es der Deutschen Bank unter Ausnutzung der Verwertungsschwierigkeiten des Unternehmens in der Gründungsphase gelang, seinen Bankverkehr systematisch und langfristig zu monopolisieren. In dieser Sonderstellung profitierte die Bank in der Folge von den Extraprofiten, die Mannesmann aus seinem technologischen 245

V o r s p r u n g g e g e n ü b e r seinen K o n k u r r e n t e n bezog u n d die ihr ein überdurchschnittliches Partizipieren a m U n t e r n e h m e n s e r f o l g e r m ö g l i c h t e n . D i e D o m i nanz der D e u t s c h e n B a n k gegenüber M a n n e s m a n n , die sich auch i m Z u g r i f f der B a n k auf verschiedene D i m e n s i o n e n der Geschäftspolitik des U n t e r n e h m e n s äußerte, zeigte aber erstens gegen E n d e des U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m s A u f w e i c h u n g s t e n d e n z e n u n d w a r darüberhinaus nie m e h r als eben eine relative Herrschaft, deren Grenzen v o n den Z w ä n g e n des G e s a m t r e p r o d u k tionskontextes in der Schwerindustrie determiniert w u r d e n . Das G e g e n b e i spiel zu M a n n e s m a n n als e i n e m v o n einer B a n k z u m i n d e s t ansatzweise beherrschten U n t e r n e h m e n liefert der Siemens-Konzern nach der J a h r h u n d e r t w e n d e . H i e r erwies sich in Konfliktfällen das I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n kontinuierlich als die stärkere Seite, f ü r deren Bedürfnisse die D e u t s c h e B a n k sich sehr w e i t g e h e n d einspannen ließ - m a n denke etwa an die B e r g m a n n - A f f ä r e 3 5 - , eine Konstellation, deren E n t s t e h e n sich d e m Z u s a m m e n spiel eines exorbitanten A u f s c h w u n g s der K a p i t a l v e r w e r t u n g bei Siemens mit der tendenziellen M o n o p o l i s i e r u n g der Elektroindustrie u n d der v i r u lenten K o n k u r r e n z unter den B a n k e n verdankte. U n t e r den restlichen f ü n f U n t e r n e h m e n - f ü r die d u r c h w e g i m Prinzip das o b e n f o r m u l i e r t e G e s a m t ergebnis Gültigkeit besitzt - wies die Hibernia a m ehesten leichte Ä h n l i c h keiten mit M a n n e s m a n n auf, w ä h r e n d die U n a b h ä n g i g k e i t v o n den B a n k e n bei K r u p p , T h y s s e n u n d der G H H besonders m a r k a n t ausgeprägt w a r . Gerade dort also, w o die A n o n y m i s i e r u n g des Kapitals ( T r e n n u n g v o n Kapitalbesitz u n d -Verwaltung) n o c h nicht weit vorangeschritten w a r , trafen die B a n k e n - w a s nicht überrascht - auf die höchsten H ü r d e n bei der G e w i n n u n g v o n Einfluß, weil A k t i e n - b z w . Kuxbesitz u n d institutioneller E i n f l u ß nach w i e v o r b a n k e n e x t e r n bei den G r ü n d e r f a m i l i e n konzentriert waren. Wie weit schließlich die o b j e k t i v e n H a n d l u n g s s p i e l r ä u m e , die die E i n b i n d u n g v o n B a n k - u n d Industriekapitalen in den R e p r o d u k t i o n s p r o z e ß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals den dramatis personae ließ, insbesondere in Konfliktfällen genutzt w u r d e n , w a r eine Frage persönlicher Eigenschaften u n d Fähigkeiten. Hier treffen w i r i m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m in der Schwerindustrie - aber durchaus auch in der Elektroindustrie - auf eine regelrechte Z u s a m m e n b a l l u n g charismatischer Persönlichkeiten. Wenn in diesem Z u s a m m e n h a n g zunächst die N a m e n A u g u s t T h y s s e n u n d H u g o Stinnes g e n a n n t w e r d e n m ü s s e n , 3 6 w a r e n aber auch Goecke, Haßlacher o d e r Reusch, u m n u r einige zu nennen, alles andere als Personen, die sich m i t einem B a n k e n d i k t a t abfanden u n d f ü r die optimale Realisierung ihrer E i g e n interessen b ü r g t e n - soweit dies eben die gegebenen U m s t ä n d e zuließen. Alles in Allem hat sich also der v o n R u d o l f Hilferding i m »Finanzkapital« offerierte Erklärungsansatz f ü r das Verhältnis v o n B a n k - u n d Industriekapital nicht n u r als auf der E b e n e des Kapitals i m Allgemeinen u n v e r a n k e r b a r erwiesen, s o n d e r n auch seine undifferenzierte N u t z u n g zur empirischen Beschreibung des Verhältnisses beider Kapitalfraktionen in D e u t s c h l a n d v o r

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1914 ist wohl kaum gerechtfertigt. Zumindest für entscheidende Teile der Schwer- und Elektroindustrie koinzidiert im Untersuchungszeitraum meiner Arbeit die Realität nicht mit den Hilferdingschen Thesen. Insofern ist jenen - in Kapitel 5 näher bezeichneten - Wirtschaftshistorikern zu folgen, die sich bei der Darstellung der Bankbeziehungen der deutschen Industrie vor dem ersten Weltkrieg mehr oder weniger weitgehend vom Hilferdingschen Konzept lösen. Wenn ich dennoch dafür plädiere, dieses Konzept weiterhin ernst zu nehmen, dann deshalb, weil es die strategischen Erklärungsvariablen für das Verhältnis von Banken und Industrie korrekt erfaßt und seine kritische Rezeption deshalb - auf theoretischer wie empirischer Ebene - die analytische Durchdringung des Gegenstandes ermöglicht. Z u m Schluß sei noch einmal bemerkt, daß sämtliche empirischen Ergebnisse dieser Arbeit unter dem Vorbehalt der Einschränkungen ihres Aussagewertes formuliert wurden, die in der Einleitung und in Kapitel IV herausgearbeitet wurden. Nur die Kritik sowie weitere Fallstudien und Detailuntersuchungen werden erweisen können, ob die Interpretation der Quellen zu richtigen und verallgemeinerbaren Resultaten gefuhrt hat.

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Abkürzungen

BA

Archiv beim Bergbaumuseum, Bochum

EEH

Explorations in Economic History

HA

Haniel Archiv, Duisburg (vormals Historisches Archiv der G H H )

HdW. d. StW.

Handwörterbuch der Staatswissenschaften

JEEH

Journal of European Economic History

JEH

Journal of Economic History

KA

Historisches Archiv der Friedr. Krupp GmbH, Essen

MA

Archiv der Mannesmann AG, Düsseldorf

SAM

Siemens Archiv, München

TA

Archiv der Thyssen AG, Duisburg

WWA

Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund

ZfG

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

ZStA Merseburg

Zentrales Staatsarchiv der D D R , Merseburg

ZStA Potsdam

Zentrales Staatsarchiv der D D R , Potsdam

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Anmerkungen

Einleitung 1 »Es wird nicht schwierig sein, sich eine erste Vorstellung zu machen von der sozialen Einrichtung der Zukunft, die im Interesse der gesamten Gesellschaft, und besonders im Interesse der friedlichen Industriearbeiter, alle Gewerbezweige beherrschen wird. Wir geben dieser Einrichtung die provisorische Bezeichnung allgemeines System der Bankern.« (Vgl. Salomon-Delatour, S. 112ff.) Die außerordentlich praktischen Auswirkungen dieser Idee SaintSimons für die Entwicklung des französischen wie des gesamten kontinentaleuropäischen Bankensystems beschreibt Cameron in seinem Buch »France and the Economic Development of Europe«. 2 In Deutschland gewann die Forderung nach einer Bankenverstaatlichung mit längeren Unterbrechungen wiederholt tagespolitische Aktualität. Ihre vorerst letzte ausgesprochene Renaissance erlebte sie in der Bundesrepublik im Zuge der politischen Aufbruchsstimmung zu Beginn der siebziger Jahre, als sie vor allem auf dem linken Flügel der SPD und in Kreisen der Jungsozialisten erhoben wurde. (Vgl. ζ. B. »Gegen die Macht der Banken - fur Demokratisierung«, Materialien der Jungsozialisten in der SPD Nr. 17.) Weite Teile der Gewerkschaften und der SPD dagegen sowie »bürgerliche« Kritiker der deutschen Großbanken verfochten einen Kurs systemimmanenter Reform, wobei verschiedene konkrete Vorschläge zur Debatte standen. (Vgl. ζ. B. Büschgen und Mühlhaupt.) 3 Siehe ζ. B. den Versuch von Arndt. 4 Es existiert eine Fülle von Literatur, die sich - theoretisch wie empirisch - mit dem Beitrag der Banken zur industriekapitalistischen Entwicklung in Deutschland beschäftigen. Dazu k o m m t eine nur schwer überschaubare Masse von - hinsichtlich der Hilferding-Rezeption durchaus kontroversen - Meinungsäußerungen zur Frage der hierarchischen Struktur der Beziehungen der Industriekapitale zu ihren Banken vor 1914, ohne daß meines Wissens bisher auch nur eine einzige systematische, quellengestützte Monographie zu diesem Thema vorliegt. (Keiner der bisher existierenden vereinzelten kleineren Aufsätze wird diesem Anspruch gerecht.) Vor der Präsentation meiner eigenen empirischen Untersuchungsresultate werde ich kurz auf diese Literatur eingehen, hoffe ich doch, durch die vorgelegten Ergebnisse zur Revidierung einiger verbreiteter Thesen und zur Präzisierung einiger anderer beizutragen. 5 Hilferding, S. 75. 6 Da es bei der Frage nach dem Verhältnis von Banken und Industrie um die Beziehungen zwischen Einzelkapitalen geht, deren jeweiliges individuelles - und damit eine Konkurrenzsituation konstituierendes - Interesse an einer Optimierung der Kapitalverwertung sich allgemein ergibt aus ihrer Kapitaleigenschaft, muß ein für meine Fragestellung adäquater Herrschaftsbegriff, der ja eine Interessenmajorisierung der einen durch die andere Seite voraussetzt, notwendig ansetzen bei der Produktion und Teilung von mobilisierbarem Kapital und der Verfügung darüber. Jeder Versuch, etwa einen von diesem Zusammenhang abstrahierenden, »idealtypischen« Herrschaftsbegriff zu verwenden, muß dementsprechend allgemeinplätzlich und damit methodisch inadäquat bleiben. 7 Vorwort der Ausgabe von 1910.

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Anmerkungen

zu S. 13—19

8 M E W 23, S. 189. Es ist in diesem R a h m e n natürlich u n m ö g l i c h , in eine Diskussion ü b e r die Werttheorie einzutreten. Z u r B e g r ü n d u n g meiner Prämisse sei neben den m a n n i g fachen Einlassungen v o n M a r x selbst zu diesem T h e m a v o r allem verwiesen auf das - trotz m a n c h e r Schwächen - i m m e r n o c h relevante B u c h v o n Maurice Dobb über »Theories of Value and Distribution since A d a m Smith« u n d die sehr aufschlußreichen Aufsätze v o n Michael Heinrich (»Was ist die Werttheorie n o c h wert?«) u n d Georgias Stamatis (»Zur N o r m i e r u n g der Produktionspreise«). 9 M E W 2 3 , S. 12. 10 »Dieser m e t h o d i s c h e Status der M a r x s c h e n Kapitaltheorie als allgemeiner T h e o r i e der kapitalistischen P r o d u k t i o n s w e i s e ist inzwischen Allgemeingut der Marxexegese« - schreibt Wilfried Spohn u n d verweist auf die einschlägige Literatur zu der diesbezüglichen Debatte. 0Spohn, S. 15.) 11 Als die wesentlichsten dieser Tendenzen benennt Spohn: »die F o r m des kapitalistischen P r o d u k t i o n s - u n d Zirkulationsprozesses; . . . die M e t h o d e n der absoluten u n d v o r allem relativen M e h r w e r t p r o d u k t i o n zur Steigerung v o n M e h r w e r t m a s s e u n d -rate; . . . die R e p r o d u k t i o n s - u n d A k k u m u l a t i o n s g e s e t z e des Kapitals, die in der Tendenz zu i m m e r h ö herer Konzentration u n d Zentralisation des Kapitals treiben u n d die d u r c h w a c h s e n d e o r g a nische Z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals die A r b e i t e r b e v ö l k e r u n g relativ zu den g e g e n s t ä n d lichen P r o d u k t i o n s m i t t e l n i m m e r überflüssiger machen; . . . die K o n k u r r e n z der Kapitale, die trotz der unterschiedlichen organischen Z u s a m m e n s e t z u n g der Kapitale die Ausgleic h u n g der individuellen Profitraten zu einer gesellschaftlichen D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e h e r v o r b r i n g t ; die ihrerseits als Folge der wachsenden organischen Z u s a m m e n s e t z u n g des K a pitals der Tendenz nach fällt u n d d a d u r c h zu zyklischen Ü b e r a k k u m u l a t i o n s k r i s e n f u h r t . « (Ebd., S. 15f.) - Wir w e r d e n indessen i m Verlaufe der Arbeit sehen, daß es höchst p r o blematisch ist, eine tendenziell steigende organische K a p i t a l z u s a m m e n s e t z u n g u n d eine d a r aus resultierende sinkende Tendenz der Profitrate als allgemeine Gesetze der kapitalistischen P r o d u k t i o n s w e i s e zu fassen. 12 E r stellt sich i m »Finanzkapital« nicht die A u f g a b e der »historischen Einzeldarstellung«, sondern will E n t w i c k l u n g s g e s e t z m ä ß i g k e i t e n nachweisen, »die n u r aus einem b e s t i m m t e n gesellschaftlichen Z u s a m m e n h a n g sich ergeben, aber innerhalb desselben kausale Wirksamkeit besitzen.« (Hilferding, S. 389.) 13 M e h r historisch konstatierend als theoretisch b e g r ü n d e t ist Hilferding schon m e h r fach v o r g e w o r f e n w o r d e n , seine T h e s e n z u m Verhältnis v o n B a n k e n u n d Industrie seien v o n der historischen E n t w i c k l u n g des Kapitalismus nicht bestätigt w o r d e n . G l e i c h w o h l w i r d oftmals ihre Gültigkeit f ü r das deutsche Kaiserreich bis 1914 unterstellt. Andererseits verdichtet sich unter einer w a c h s e n d e n Zahl v o n Wirtschaftshistorikern die Tendenz, v o m Hilferdingschen Konzept auch m i t Blick auf Deutschland v o r d e m ersten Weltkrieg m e h r oder w e n i g e r weit u n d ausdrücklich abzurücken. (Vgl. hierzu Kapitel 5 dieser Arbeit.) 14 Spohn, S. 13. 15 Z u r Schwerindustrie w e r d e n hier Bergbau u n d Salinen s o w i e die Eisen- u n d Metallindustrie z u s a m m e n g e f a ß t . 16 N a c h Spohn, S. 187. Seine B e r e c h n u n g e n f u ß e n auf Hoffmann u n d Wagenßihr. 17 N a c h Spohn, S. 197. 18 E b d . , S. 199. 19 B e m ü h u n g e n , bei den N a c h f o l g e k o n z e r n e n der IG-Farben Einsicht in einschlägiges Archivmaterial zu erhalten, scheiterten. 20 Vgl. Spohn, S. 187. 21 E b d . , S. 199. 22 M E W 2 5 , S. 171. 23 Bezugsjahr ist 1907. 24 Die Liste w u r d e zusammengestellt nach Kocka u. Siegrist.

250

Anmerkungen

zu S. 19—23

25 Das Eigenkapital der G e w e r k s c h a f t Deutscher Kaiser setzt sich z u s a m m e n aus der Z u b u ße u n d d e m V e r m ö g e n der G e w e r k e n . 26 Für meine Fragestellung relevantes Quellenmaterial z u m B o c h u m e r Verein u n d der H a r p e n e r B e r g b a u A G ist nicht zugängig. Die A k t e n der Gelsenkirchener Bergbau A G liegen i m Archiv b e i m B e r g b a u - M u s e u m in B o c h u m , w a r e n aber bis zur Fertigstellung des M a n u skriptes n o c h nicht einsehbar. Die U n i o n überstand nicht als selbständiges U n t e r n e h m e n m e i n e n U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m . Sie w u r d e 1910 im Wege der Fusion v o n der D e u t s c h L u x e m b u r g i s c h e n B e r g w e r k s - u n d H ü t t e n A G aufgesogen. D e m z u f o l g e w i r d bei der U n t e r s u c h u n g der letzteren auch die U n i o n a m R a n d e mit einbezogen. Bei Stinnes (Nr. 10) schließlich handelt es sich n u r u m die z u m Stinnes-Konzern g e h ö r e n d e n Kohlenzechen. Als H e r z s t ü c k dieses Konzerns m u ß aber eben D e u t s c h - L u x angesehen w e r d e n . Deshalb, u n d weil das U n t e r n e h m e n die R e c h t s f o r m einer Personalgesellschaft aufwies, w o r a u s erhebliche U n t e r s u c h u n g s p r o b l e m e resultieren, w u r d e es nicht als eigenständiger Fall m i t in das Sample a u f g e n o m m e n . (Vgl. v.Eyll.) 27 Vgl. Kocka u. Siegrist. 28 Wiederholte B e m ü h u n g e n , rechtzeitig zur Fertigstellung meiner Arbeit Z u g a n g z u m A E G - A r c h i v zu erhalten, scheiterten. D a aber die K o n t a k t e zwischen Siemens u n d der A E G seit der J a h r h u n d e r t w e n d e i m m e r enger w u r d e n , vermittelt das S t u d i u m der Siemens-Akten auch einen E i n d r u c k v o n den B a n k b e z i e h u n g e n der A E G . 29 Vgl. z. B. Spohn, S. 114—121 u. S. 1 2 5 - 1 2 9 . Im Literaturverzeichnis finden sich weitere allgemeine Abrisse der deutschen Wirtschaftsgeschichte des 19. u n d 20. J a h r h u n d e r t s . 30 V o r w o r t der Ausgabe v o n 1910. 31 Spohn, S. lOf. 32 Wiederholte B e m ü h u n g e n , Z u g a n g z u m Archiv der Deutschen Bank u n d z u m A E G Archiv zu erhalten, ließen sich bis zur Fertigstellung des M a n u s k r i p t s nicht realisieren. In den einzelnen Archiven w u r d e n folgende Bestände bearbeitet: Z S t A P o t s d a m : A k t e n der D e u t schen Bank, der Firma K r u p p u n d der Firma Siemens; verschiedene Periodika; Z S t A M e r s e b u r g : A k t e n mehrerer preußischer Ministerien; verschiedene Periodika; W W A D o r t m u n d : Geschäftsberichte u n d Bilanzen der z u m Sample gehörigen U n t e r n e h m e n , verschiedene P e r i o dika; B e r g b a u Archiv B o c h u m : A k t e n der Hibernia; Haniel Archiv: A k t e n der G H H ; K r u p p Archiv: A k t e n zur Firma K r u p p ; M a n n e s m a n n Archiv: A k t e n zur Firma M a n n e s m a n n u n d des P h ö n i x ; Siemens Archiv: A k t e n des Siemens-Konzerns; T h y s s e n - A r c h i v : A k t e n z u m T h y s s e n Konzern, zur D e u t s c h - L u x e m b u r g i s c h e n B e r g w e r k s - u n d H ü t t e n A G u n d zu den Rheinischen Stahlwerken. 33 Die Existenz dieses P r o b l e m s w i r d häufig als A r g u m e n t gegen die analytische Relevanz der Wertkategorie ins Feld gefuhrt. So schreibt z . B . Wehler: »Vor allem aber ist es noch nie überzeugend gelungen, das Konzept des M e h r w e r t s . so zu operationalisieren, daß Mehrwert exakt gemessen werden könnte, w ä h r e n d die Preistheorie die B e r e c h n u n g v o n Aufschlägen auf die Gestehungskosten m ü h e l o s ermöglicht. « ( Wehler (Hg.), Klassen in der europäischen Sozialgeschichte, S. 28, A n m e r k u n g 8.) Indessen sticht dieses A r g u m e n t logisch letztlich nicht: Läßt sich eine w i r k e n d e K r a f t a u f g r u n d v o n Reibungseinflüssen quantitativ nicht exakt messen, so ist dies kein E i n w a n d dagegen, daß sie die zu analysierende B e w e g u n g qualitativ dominiert. »Die Möglichkeit quantitativer I n k o n g r u e n z zwischen Preis- u n d Wertgröße, oder der A b w e i c h u n g des Preises v o n der W e r t g r ö ß e l i e g t . . . in der Preisform selbst. Es ist dies kein Mangel dieser F o r m , s o n d e r n macht sie u m g e k e h r t zur adäquaten F o r m einer Produktionsweise, w o r i n sich in der Regel n u r als blindwirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann.« ( M E W 23, S. 117.) Im übrigen kann es selbstverständlich nicht die A u f g a b e der Preisf/ieorie sein, Aufschläge auf die Gestehungskosten zu berechnen. Eine solche B e r e c h n u n g ist kein theoretisches, s o n d e r n ein logistisches Problem, dessen Lösbarkeit sich gerade der Tatsache verdankt, daß Preise v o n Waren aller Art als unmittelbar faßliche empirische Daten existieren - ausgedrückt in d e m ihnen eigenen Maßstabe, d e m Geld. Die Preistheorie steht dagegen vielmehr v o r

251

Anmerkungen zu S. 25—29

dem Problem, die Preise und deren Bestandteile (etwa den Profit) hinsichtlich ihrer Substanz zu bestimmen und ihre Bewegung zu erklären. Eben dafür ist nach marxistischem Verständnis der Rekurs auf die Wertebene notwendig. Die Werttheorie behauptet also gerade, daß Wert und Mehrwert keine unmittelbare ökonomische Gegenständlichkeit besitzen, sondern sich nur in der - ihre Substanz verschleiernden und quantitativ inkongruenten - Form der Preise an der empirischen Oberfäche geltend machen. Dies impliziert die Behauptung der Nichtmeßbarkeit von Wert und Mehrwert durch die Werttheorie. Wieso aber diese Tatsache ein Argument gegen das Wertkonzept sein soll, dessen explikativer Anspruch doch gerade in der Rückführung meßbarer Größen (der Preise bzw. Profite) a u f - eo ipso - nicht meßbare Kategorien (die Werte bzw. Mehrwerte) besteht, bleibt unerfindlich. Dies gilt um so mehr, als seit dem zuerst von Okishio erbrachten Nachweis des sog. »Fundamentaltheorems« klar ist, daß die notwendige und hinreichende Bedingung für die Existenz einer positiven Durchschnittsprofitrate eine positive Mehrwertrate ist. (Okishio, »Monopoly and the rate of Profit«.)

1. Das Verhältnis von Banken und Industrie in Rudolf Hilferdings »Finanzkapital« 1 Das Verhältnis von Banken und Industrie fungiert im »Finanzkapital« als einer der zentralen logischen Bausteine. Indessen befaßt sich dieses Werk darüberhinaus mit einer Reihe weiterer wesentlicher Aspekte kapitalistischer Entwicklung. Diese werden aber hier nur insoweit aufgegriffen, als sie relevant sind für Hilferdings Argumentation hinsichtlich der Beziehungen zwischen dem produktiven und dem Geldkapital. 2 »Eine gewisse Entwicklung des Profits gegeben, wird die Benützung des Kredits für das kapitalistische Unternehmen eine Notwendigkeit, die ihm der Konkurrenzkampf aufdrängt. Denn für den Einzelkapitalisten bedeutet die Benützung des Kredits eine Erhöhung seiner individuellen Profitrate« (Hilferding, S. 93). 3 »Je größer die Stufenleiter der Produktion, je gewaltiger der fixe Kapitalteil wird, desto fühlbarer wird die Beschränkung des Kredits auf das zirkulierende Kapital empfunden. « (Ebd. S. 95.) 4 Hilferding, S. 96. 5 »Anders wenn die Bank dazu übergeht, dem Industriellen Produktionskapital zur Verfügung zu stellen. Dann bleibt ihr Interesse nicht mehr auf den augenblicklichen Zustand des Unternehmens und die augenblickliche Marktlage beschränkt, sondern jetzt handelt es sich vielmehr um das fernere Geschick des Unternehmens, um die zukünftige Gestaltung der Marktlage. Aus dem augenblicklichen wird ein dauerndes Interesse, und je mehr vor allem der Anteil des in fixes Kapital verwandelten Leihkapitals überwiegt, desto größer und bleibender dieses Interesse.« (Ebd.) 6 Ebd. 7 Ebd., S. 97. 8 Ebd., S. 133. 9 Ebd., S. 94. 10 Ebd., S. 283. 11 »Haben wir gesehen, wie die Industrie immer mehr in Abhängigkeit gerät v o m Bankkapital, so bedeutet das durchaus nicht, daß auch die Industriemagnaten abhängig werden von Bankmagnaten. Wie vielmehr das Kapital selbst auf seiner höchsten Stufe zum Finanzkapital wird, so vereinigt der Kapitalmagnat, der Finanzkapitalist, immer mehr die Verfügung über das gesamte nationale Kapital in Form der Beherrschung des Bankkapitals. Auch hier spielt die Personalunion eine wichtige Rolle. « (Ebd., S. 284.) 12 Ebd., S. 102ff. 13 Ebd., S. 118; (Hilferding illustriert seinen Gedankengang an einem Zahlenbeispiel.· Ebd., S. 117).

252

Anmerkungen

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd. Ebd., Ebd. Ebd., Ebd. Ebd.,

S. S. S. S.

zu S.

29-32

146. 126. 134. 230.

S. 231. S. 280. S. 295f.

2. Hilferding in der Kritik 2.1.

Die Problematik des Herrschaftsbegriffs

1 Seit seiner Publikation im J a h r e 1910 bis an die G e g e n w a r t provoziert das »Finanzkapital« sehr k o n t r o v e r s e B e w e r t u n g e n , die sich zwischen den v o n Karl K a u t s k y u n d Rosa L u x e m b u r g f o r m u l i e r t e n E x t r e m p o s i t i o n e n b e w e g e n . W ä h r e n d Kautsky es als »vierten B a n d des Kapitals« lobte (Finanzkapital u n d Krisen), schätzte Rosa Luxemburg einen Teil des Werkes als » M a r x Plagiat« u n d den Rest als »falsch« ein (Die Internationale, 7. J a h r g a n g , 1924). Ich w e r d e mich in dieser Arbeit beschränken auf eine Kritik seiner Thesen z u m Verhältnis v o n B a n k e n u n d Industrie. 2 Vgl. K a p i t e l l . 3 Diese A r g u m e n t a t i o n w ü r d e n u r in solchen Fällen aufgehoben, w o ein industrielles M o n o p o l keinerlei Rücksichten auf irgendwelche K o n k u r r e n t e n zu n e h m e n hätte. D a es aber auf der E b e n e des Kapitals i m Allgemeinen - u n d auf dieser b e w e g e n w i r uns g e m ä ß Hilferdings A n s p r u c h - nicht u m den A u s n a h m e - , s o n d e r n u m den Regelfall geht, ist diese Ü b e r l e g u n g zu vernachlässigen.

2.2. Das Theorem vom tendenziellen Fall der Profitrate als logisch notwendige Bedingung in Hilferdings Argumentation 1 D a m i t soll nicht gesagt w e r d e n , daß die E r f ü l l u n g dieser B e d i n g u n g bereits hinreichend f ü r ein solches Postulat ist. M a n w i r d i m nächsten Abschnitt sehen, daß die innere Konsistenz des Hilferdingschen Gedankenganges auch einer impliziten A n n a h m e hinsichtlich der ( z u m i n dest weitgehenden) Ausschaltung der kapitalistischen K o n k u r r e n z u n t e r den Banken bedarf. D a r ü b e r h i n a u s m u ß berücksichtigt w e r d e n , daß eine sinkende Profitrafe - gerade im Falle besonders hochkonzentrierter Einzelkapitale - die Profumasse nicht u n b e d i n g t soweit affizieren m u ß , daß daraus eine Abhängigkeit v o n externer Finanzierung entsteht. 2 Das P r o b l e m der tendenziellen H e r a u s b i l d u n g einer Durchschnittsprofitrate als real b e z o g e ner Profitrate aller individuellen Kapitale läuft auf die Frage nach einer adäquaten B e s t i m m u n g des M o n o p o l b e g r i f f e s hinaus. Ü b e r diese Frage entspann sich in den letzten 15 J a h r e n eine lebhafte u n d sehr k o n t r o v e r s e innermarxistische Diskussion. Eine Z u s a m m e n f a s s u n g ihres Verlaufes gibt Narazny in » M o n o p o l u n d Profitrate«. W ä h r e n d Konsens d a r ü b e r besteht, daß die Realisierung von Monopolprofit als das konstituierende E l e m e n t des M o n o p o l b e g r i f f e s b e trachtet w e r d e n m u ß , liegt das K e r n p r o b l e m in der K l ä r u n g des Verhältnisses v o n M o n o p o l b e griff u n d Wertgesetz, welch letzteres nach M a r x in entwickelten kapitalistischen Verhältnissenü b e r die Verallgemeinerung einer Durchschnittsprofitrate B e w e g u n g u n d V e r w e r t u n g der individuellen Kapitale wie des Gesamtkapitals reguliert. W ä h r e n d insbesondere die T h e o r e t i k e r

253

Anmerkungen

zu S. 33—39

des »Staatsmonopolistischen Kapitalismus« im M o n o p o l ein E l e m e n t der endgültigen partiellen A u ß e r k r a f t s e t z u n g des Wertgesetzes u n d damit der qualitativen Veränderung des Kapitalism u s erblicken, interpretiert eine Reihe v o n N e o m a r x i s t e n in der Bundesrepublik das M o n o p o l gerade als historische D u r c h s e t z u n g s f o r m des Wertgesetzes, i n d e m sie v o n einer langfristigen E i n e b n u n g des Profitratengefálles ausgehen u n d v o r einer Identifizierung v o n h o c h k o n z e n t r i e r ten Einzelkapitalen u n d M o n o p o l e n w a r n e n . Diese konträren Auffassungen wurzeln letztlich in einer unterschiedlichen Beurteilung der Perspektiven der Kapitalmobilität, u m die es in d e m jetzt folgenden Abschnitt geht. 3 »Was die K o n k u r r e n z , zuerst in einer Sphäre, fertigbringt, ist die Herstellung eines gleichen M a r k t w e r t s u n d Marktpreises aus den verschiedenen Werten der Waren. Die K o n k u r renz der Kapitale in den verschiedenen Sphären aber bringt erst h e r v o r den Produktionspreis, der die Profitrate zwischen den verschiedenen Sphären egalisiert. « ( M E W 25, S. 190.) 4 Hilferding, S. 246 ff. 5 Hilferding sieht das M o n o p o l in der Lage, d u r c h » vollständige Ausschließung der K o n k u r renz die Preise u n d damit die Profite zu erhöhen. « (Ebd., S. 267.) 6 E b d . S. 256. Die T h e s e v o n der A u ß e r k r a f t s e t z u n g der Tendenz zur Herstellung einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate gilt unter den verschiedenen Varianten der » S t a m o k a p « T h e o r i e als Konsens u n d fungiert jeweils als theoretisches F u n d a m e n t f u r die E n t w i c k l u n g des M o n o p o l b e g r i f f e s . (Vgl. ζ. B. Varga, S. 14; Heininger u. Hess, S. 22; Katzenstein, S t a a t s m o n o p o listischer Kapitalismus, S. 10; Huffschmid, M o n o p o l b e g r i f f . ) Soweit diese Auffassung v o n den »Stamokap «-Theoretikern ü b e r h a u p t b e g r ü n d e t wird, geschieht dies unter B e z u g n a h m e auf die v o n Hilferding benannten Mobilitätsschranken des Kapitals. (Lenin, dessen ImperialismusT h e o r i e ansonsten als G r u n d l a g e fur die » S t a m o k a p « - T h e o r i e dient, w i d m e t d e m P r o b l e m der Durchschnittsprofitrate keine Einlassungen.) 7 Eine detaillierte Kritik des Hilferdingschen M o n o p o l k o n z e p t e s findet sich bei Hagelstange. 8 Krause, S. 109. 9 M E W 25, S. 223. 10 Schon m i t dieser Definition der Profitrate h ä n g e n s c h w e r w i e g e n d e theoretische P r o bleme z u s a m m e n , auf die ich allerdings im R a h m e n dieser Publikation nicht eingehen kann. Eine z u s a m m e n f a s s e n d e B e h a n d l u n g dieser P r o b l e m e habe ich in der ausfuhrlichen Fassung meiner Dissertation vorgelegt. 11 Z u diesem Z w e c k w e r d e ich mich v o r allem stützen auf die m . E. h e r v o r r a g e n d e Arbeit v o n Georgios Stamatis: » Z u m M a r x s c h e n Gesetz v o m tendenziellen Fall der Profitrate« (künftig zitiert als >Stamatis 1 Stamatis 2spezifisch-kapitalistischen< P r o d u k t i o n s m e t h o den u n d der Fall der allgemeinen Profitrate bei Karl Marx« (künftig >Stamatis 3Theorien über den M e h r w e r t e M E W 26.3, S. 356 ff. 17 M E W 25, S. 223, vgl. Stamatis 1, S. 72 ff. 18 » M a r x e n t w i c k e l t . . . das Gesetz selbst nicht i m 1., s o n d e r n i m 3. B a n d des >KapitalKapital< erreicht.« (Stamatis 2, S. 105; zur ausfuhrlichen B e g r ü n d u n g dieser A n sicht siehe Stamatis 3, S. 259ff.) 19 Starnatisi, S. 72 ff. 20 Vgl. M E W 23, S. 334 ff. 21 Siehe Stamatis 1, S. 84 ff. 22 M E W 23, S. 650. 23 E b d . 24 Z u r B e g r ü n d u n g dieser A n n a h m e bei M a r x vgl. A n m e r k u n g 16 dieses Kapitels. 25 D a die Aussagen 4) u n d 5) f ü r den G a n g meiner A r g u m e n t a t i o n logisch nicht entscheidend sind, w e r d e n sie an dieser Stelle lediglich der Vollständigkeit halber a n g e f u g t , aber nicht weiter k o m m e n t i e r t . Z u ihrer Fundierung bei M a r x siehe Stamatis 1, S. 74— 76, zpr Irrelevanz der U m s c h l a g s d a u e r des konstanten Kapitals im B e z u g auf die Profitrate siehe Stamatis 3, S. 4 0 - 4 7 . 26 Beispielsweise untersucht M a r x i m 14. Kapitel eine Steigerung der M e h r w e r t r a t e als e n t g e g e n w i r k e n d e Ursache, die aus der Verlängerung des Arbeitstages h e r v o r g e h t . Eine solche Steigerung ergibt sich gerade nicht aus der E n t w i c k l u n g s l o g i k der spezifisch-kapitalistischen F o r m der P r o d u k t i v k r a f t s t e i g e r u n g , s o n d e r n ist einer Reihe historisch-zufälliger Parameter geschuldet, wie e t w a d e m Organisationsgrad der Arbeiterklasse u s w . ; vgl. Stamatis 1, S. 91 ff. 27 Z u den G r ü n d e n hierfür bei M a r x siehe n o c h m a l s A n m e r k u n g 14 dieses Kapitels. 28 M E W 25, S. 224ff.; vgl. auch Stamatis 1, S. 105ff. 29 A u f eine m a t h e m a t i s c h exakte Formalisierung meiner A r g u m e n t a t i o n w u r d e an dieser Stelle verzichtet, da die f ü r ihre Rezeption n o t w e n d i g e n m a t h e m a t i s c h e n u n d ö k o n o m i e t h e o r e tischen Vorkenntnisse einen eher historisch orientierten Leserkreis w o h l überstrapazieren w ü r den. Indessen w ü r d e eine solche Formalisierung, die sich in meiner Dissertationsschrift findet, die innere Z w a n g s l ä u f i g k e i t der M a r x s c h e n D e d u k t i o n auch formallogisch nachweisen. D e r interessierte Leser sei in diesem Z u s a m m e n h a n g verwiesen auf die bereits m e h r f a c h zitierten Arbeiten v o n Stamatis. 30 M E W 26.3, S.358. 31 E b d . , S. 360. 32 Stamatis 1, S. 130; siehe auch Stamatis 3, S. 287ff. 33 Vgl. Helmstädter, S. 249—251 u. S. 261. In letzter Zeit ist allerdings v o n Weingarten eine interessante A r g u m e n t a t i o n entwickelt w o r d e n , die beweisen soll, daß letztlich doch aus der V e r w e r t u n g s e n t w i c k l u n g des Kapitals notwendig eine steigende organische Z u s a m m e n s e t z u n g folgt. Diese A r g u m e n t a t i o n läuft darauf hinaus, daß die Einzelkapitale w e g e n ihrer A b h ä n g i g keit v o n einer erweiterten A k k u m u l a t i o n bei A u s s c h ö p f u n g der industriellen Reservearmee g e z w u n g e n sind, eher arbeitssparende Technologien einzusetzen u n d d a m i t die W e r t z u s a m m e n s e t z u n g ihres Kapitals zu steigern. (Weingarten, S. 157ff.) E r r ä u m t aber selbst ein, daß daraus keine langfristig tendenzielle, s o n d e r n lediglich eine periodische Steigerung v o n E folgt (S. 176). 34 Z u m I n d i k a t o r p r o b l e m siehe Stamatis 1, S. 132 ff.

255

Anmerkungen

2.3.

zu S. 45—48

Die logisch hinreichende Bedingung fiir eine Herrschaft der Banken über die Industrie

1 Vgl. Kapitel 2.1. 2 Hagelstange schreibt: »Man k a n n aus langfristigen Krediten z w a r auf eine enge V e r k n ü p f u n g v o n Bank u n d Industrie schließen, aber nicht auf einen b e s t i m m e n d e n Bankeneinfluß, w e n n m a n nicht - wie Hilferding dies durch unzulässige Verallgemeinerung der damaligen besonderen Verhältnisse in Deutschland unter der H a n d zu t u n scheint - fortgeschrittene B a n k e n k o n z e n t r a t i o n u n d zersplitterte industrielle Kapitale als allgemeines P h ä n o m e n u n t e r stellt. « (S. 68.) - Wir w e r d e n i m empirischen Teil fur die S c h w e r - u n d Elektroindustrie zu ü b e r p r ü f e n haben, ob im »damaligen Deutschland« tatsächlich eine solche Konstellation a u f findbar ist. 3 Vgl. Stamatis 1, S. 127 ff. E r legt f ü r diesen Z u s a m m e n h a n g einen f o r m a l - m a t h e m a t i s c h e n Beweis vor. 4 E b d . , S. 129. 5 Hilferding, S. 267. 6 Vgl. Kapitel 2.2. 7 Diese kategorielle B e s t i m m u n g des M o n o p o l s w u r d e in der neomarxistischen Diskussion in der Bundesrepublik w ä h r e n d der siebziger Jahre entwickelt u n d detailliert b e g r ü n d e t . (Vgl. auch die Diskussion u m die Schranken der Kapitalmobilität in 2.2.1.) I m R a h m e n dieser A u f f a s s u n g w i r d insbesondere auf die zeitliche Limitierung v o n M o n o p o l p o s i t i o n e n verwiesen, denen i m m e r schon Tendenzen ihrer Nivellierung i n n e w o h n e n u n d die deshalb die Verallgem e i n e r u n g v o n D u r c h s c h n i t t s b e d i n g u n g e n der kapitalistischen A k k u m u l a t i o n , in denen das Wertgesetz kristalliert, z w a r retardieren, aber nicht negieren u n d deshalb letztlich gerade als historisch-spezifische F o r m seiner W i r k u n g s w e i s e figurieren. A m präzisesten ist diese K o n z e p tion bei Elmar Altvater herausgearbeitet w o r d e n : »Da die K o n k u r r e n z nicht a u f h ö r t zu w i r k e n , w e n n einzelne Kapitale als M o n o p o l e existieren, w i r d das einzelkapitalistische Streben nach M o n o p o l s t e l l u n g e n , weil diese einen überdurchschnittlichen Profit eintragen, i m m e r wieder d u r c h die Ausgleichsbestrebungen der Einzelkapitale - in denen sie sich als Teile des G e s a m t k a pitals konstituieren - konterkariert. M o n o p o l u n d K o n k u r r e n z sind daher auf der E b e n e der Ausgleichsbewegungen b z w . der D u r c h s e t z u n g s f o r m e n der Bewegungsgesetze der P r o d u k tionsweise nichts qualitativ Verschiedenes oder gar einander Ausschließendes.. Das M o n o pol .. widerspricht d e m Wertgesetz schon deshalb nicht, weil es begrifflich auf der E b e n e der A k t i o n e n der vielen Kapitale aufeinander zu orten ist; nämlich als Einzelkapital, das wie jedes andere Einzelkapital nach M a x i m a l p r o f i t strebt, dabei aber a u f g r u n d besonderer M a c h t k o n s t e l lationen in der Lage ist, sich den d u r c h die Z w a n g s g e s e t z e der K o n k u r r e n z aufgeherrschten Ausgleichsbedingungen auf eine m e h r oder w e n i g e r lange Zeitdauer zu entziehen. « (Wertgesetz u n d M o n o p o l m a c h t , S. 158f. u. 189f.) 8 Wollte m a n dagegen m i t H i l f e r d i n g d a f ü r plädieren, am M o n o p o l p h ä n o m e n eine qualitativ neue E n t w i c k l u n g s e t a p p e des Kapitalismus festzumachen, so hätte das nicht n u r die i m laufenden Text entwickelten Konsequenzen für das Verhältnis v o n B a n k e n u n d Industrie, s o n d e r n w ü r d e darüberhinaus f u n d a m e n t a l e Implikationen f ü r die Systemanalyse zeitigen. D e n n die neue Qualität des M o n o p o l k a p i t a l i s m u s ließe s i c h j a n u r daran festmachen, daß eine m e h r o d e r m i n d e r große Z a h l v o n Einzelkapitalen in der Lage wäre, sich dauerhaft den Tendenzen zur Nivellierung der V e r w e r t u n g s b e d i n g u n g e n des Kapitals zu entziehen, also g e g e n ü b e r den zwingenden Implikationen der B e g r i f f s b e s t i m m u n g des Kapitals als >mehrwertheckender WertWertgesetz< subsumiert u n d v o n der K o n k u r r e n z fiir die h a n d e l n d e n Personen als kategorischer Imperativ gesetzt werden, I m m u n i t ä t zu g e w i n n e n . »Begrifflich ist die K o n k u r r e n z nichts als die innere N a t u r des Kapitals, seine wesentliche B e s t i m m u n g , erscheinend u n d realisiert als Wechselwirkung der vielen Kapitale aufeinander, die innere Tendenz als äußere N o t w e n d i g k e i t . « ( M E W 42, S. 327.) Die »innere N a t u r « des Kapitals ist

256

Anmerkungen

zu S. 48—52

also logisch-begrifflich an die K o n k u r r e n z gebunden. N u r d u r c h ihre W i r k u n g kann es sich i m historischen Prozeß seinem Begriff g e m ä ß entfalten. Das M o n o p o l im Sinne Hilferdings w ü r d e m i t der K o n k u r r e n z deshalb auch das Kapital liquidieren, der U m s c h l a g v o n Konzentration in M o n o p o l hätte auf rein ö k o n o m i s c h e m Wege den Kapitalismus d u r c h ein neues, begrifflich noch näher zu b e s t i m m e n d e s R e p r o d u k t i o n s s y s t e m substituiert. Hilferding scheint die K o n s e quenzen seiner M o n o p o l k o n z e p t i o n zu ahnen: »Die Verwirklichung der M a r x s c h e n K o n z e n trationslehre, die monopolistische Vereinigung, scheint damit zur A b l ö s u n g der M a r x s c h e n Werttheorie zu w e r d e n . « (Hilferding, S. 313.) Andererseits aber scheut er diese K o n s e q u e n z e n u n d versucht, seinen M o n o p o l b e g r i f f in Einklang m i t der Werttheorie zu bringen, i n d e m er aus d e m Wertkonzept heraus Grenzen des M o n o p o l p r e i s e s zu b e s t i m m e n b e m ü h t ist. (Hilferding, S. 317ff.) Indessen weist Hagelstange die Inadäquanz dieser B e m ü h u n g e n nach. (Hagelstange, S. 58ff.) 9 Vgl. Kapitel 1.

2.4. Aufsichtsratspräsenz und Aktienbesitz als Institutionalisierungsformen der Bankenherrschafi über die Industrie 1 Vgl. K a p i t e l l . 2 Vgl. Kapitel 2.3. 3 Vgl. Kapitel 2.1. 4 Vgl. hierzu z. B. Hopt, S. 227ff. 5 Z u r Problematik der Bankenvertreter in den G r e m i e n der Industrie vgl. auch: Jürgens u. Lindner, S. 121 ff. u n d Whale, S. 49ff.

2.5.

Zur Entwicklung

des Zinsfußes

1 Vgl. K a p i t e l l . 2 Das theoretische Interesse dieser Arbeit bezieht sich auf die B e s t i m m b a r k e i t des Verhältnisses v o n B a n k e n u n d Industrie auf der E b e n e des Kapitals i m Allgemeinen. M e t h o d i s c h bedeutet dies, daß n u r solche E i n f l u ß f a k t o r e n in unsere M o d e l l b e t r a c h t u n g einzubeziehen sind, die der Begriffsbestimmung des kapitalistischen R e p r o d u k t i o n s s y s t e m s i m m a n e n t sind. Da der G o l d standard nicht diese kategorielle Qualität besitzt, w i r d auf die Analyse der Folgen seines R e g i m e n t s an dieser Stelle verzichtet. 3 M E W 25, S. 369ff. - Während M a r x den Zins aus der Profitkategorie ableitet, erscheint er in nichtmarxistischen Systemen der Politischen Ö k o n o m i e häufig als eigenständige Kategorie m i t einer Schlüsselfunktion als D e t e r m i n a n t e wirtschaftlicher E n t w i c k l u n g . Eine Kritik dieser Positionen ist an dieser Stelle nicht zu leisten, da ein solches U n t e r f a n g e n eine f u n d a m e n t a l e Auseinandersetzung m i t der M e t h o d i k u n d den inhaltlichen Prämissen der jeweiligen Schule erfordern würde.

2.6.

Das Interesse der Banken der Monopolisierung der Industrie

1 Vgl. K a p i t e l l . 2 Vgl. E b d . 3 Vgl. Kapitel 2.2.

257

Anmerkungen

zu S. 53—58

3. Die Ergebnisse der theoretischen Diskussion u n d die Fragestellungen f ü r die empirische Analyse 1 Vgl. die Einleitung. 2 Vgl. 2.2.1. 3 Vgl. Kapitel 2.1. 4 A u f G r u n d m a n g e l n d e r statistischer Daten erwies sich diese Frage f ü r den Einzelfall in der Regel als n u r unzureichend b e a n t w o r t b a r .

4. Z u m P r o b l e m der statistischen Indikatoren fur den empirischen Teil 1 Alois Mosser hat bilanzanalytische U n t e r s u c h u n g e n fur ein Sample v o n 70 österreichischen Aktiengesellschaften v o n 1880 bis 1913 angestellt u n d dabei seine R o h d a t e n einer eingeh e n d e n Q u e l l e n - u n d Materialkritik unterzogen. Die v o n i h m a u f g e w o r f e n e n P r o b l e m e stellen sich f ü r Deutschland in ähnlicher F o r m , da das Bilanzrecht beider Länder i m U n t e r s u c h u n g s zeitraum nicht sehr stark divergierte. (Mosser, S. 2 5 - 7 4 . ) Die Bilanzen der meisten zu m e i n e m Sample g e h ö r e n d e n U n t e r n e h m e n w u r d e n - allerdings mit ganz anderer Akzentsetzung bereits v o n Feldenkirchen f ü r sein breit angelegtes statistisches Projekt ausgewertet. (Feldenkircheti. Die Eisen- u n d Stahlindustrie des Ruhrgebiets 1879—1914.) 2 Auch die G e w e r k s c h a f t Deutscher Kaisen (GDK) als Kernstück des T h y s s e n - K o n z e r n s m u ß t e keine Bilanzen veröffentlichen, doch sind die entsprechenden D a t e n i m Archiv der T h y s s e n A G (TA) zugänglich. 3 Z u der ambivalenten Interessenlage der U n t e r n e h m e n s l e i t u n g vgl. auch Wohe, S. 35 f. 4 N o c h das Allgemeine D e u t s c h e Handelsgesetzbuch in der Fassung v o m 11. J u n i 1870 hatte in A r t . 239 die Verantwortlichkeit des Vorstandes sehr großzügig definiert: »Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Gesellschaft g e f ü h r t w e r d e n . E r m u ß den A k t i o n ä r e n spätestens in den ersten sechs M o n a t e n jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen u n d solche in der F o r m u n d in den öffentlichen Blättern, welche f ü r die B e k a n n t m a c h u n g e n der Gesellschaft in d e m Gesellschaftsvertrage b e s t i m m t sind, veröffentlichen.« (Der Text ist a b g e d r u c k t in: Schubert u. Hummelhoff, S. 123.) In d e m » E n t w u r f eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien u n d die Aktiengesellschaft v o m 18. Juli 1884« lesen w i r dann zu diesem P u n k t , es seien die »Fehltritte in der letzten wirthschaftlichen Periode des ungemessenen Aktienverkehrs so bedeutende g e w e sen, daß eine Abhilfe auf d e m Wege der Gesetzgebung, soweit dies ü b e r h a u p t möglich ist, sich als ein Gebot der N o t h w e n d i g k e i t ergiebt. . . . In dieser R i c h t u n g weist das bisherige Recht die erheblichsten Lücken auf, i n d e m es die Regelung, in welcher Weise die P r ü f u n g der Bilanz u n d Entlastung des Vorstandes erfolgen soll, fast völlig den Statuten überläßt, welche eine eigene Thätigkeit der A k t i o n ä r e u n d eine v o r deren G e n e h m i g u n g erfolgende Veröffentlichung ganz ausschließen k ö n n e n . Es ist eine der vornehmlichsten A u f g a b e n des E n t w u r f s , die Stellung des Vorstandes u n d Aufsichtsraths bei L e g u n g u n d P r ü f u n g der Bilanz auf das genaueste zu präzisieren u n d den A k t i o n ä r e n die Möglichkeit zu eröffnen, d u r c h Einsicht in die Bilanz u n d in die sie begleitenden u n d ergänzenden Schriftstücke sich selbst an dieser P r ü f u n g zu betheiligen.« (Ebd., S. 472f.) 5 Horn, S. 156. 6 Z u r Begrifflichkeit der Bilanzkontinuität vgl. Wöhe, S. 161 ff. 7 Die E i n f ü h r u n g solcher rechtsverbindlicher u n d einheitlicher Bilanzformulare w u r d e i m Vorfeld der Aktienrechtsnovelle v o n 1884 in der Tat diskutiert, dann aber aus praktischen E r w ä g u n g e n heraus fallengelassen. D e r bereits zitierte Gesetzesentwurf meint zu diesem P u n k t : »Ein Vorgang f ü r Bilanzformulare findet sich i m englischen u n d i m italienischen Rechte; . . . D e r N u t z e n , den die Möglichkeit der Aufstellung v o n allgemeinen Bilanzformularen haben

258

Anmerkungen

zu S. 59—62

m u ß , liegt auf der H a n d , ein in das Einzelne gehende, f u r alle Gesellschaften einer Kategorie gleiches Formular w i r d etwaigen Versuchen einer Gesellschaft, die w a h r e Vermögenslage d u r c h die A r t der Ansätze u n d der Z a h l e n g r u p p i e r u n g e n zu verschleiern, m i t E r f o l g steuern u n d dazu beitragen, d e m P u b l i k u m schneller u n d klarer einen richtigen Einblick in die G e schäftslage der Gesellschaft zu g e w ä h r e n . N u r kann bei der Mannigfaltigkeit der V e r m ö g e n s u n d Geschäftsverhältnisse v o n Aktiengesellschaften es sich nicht empfehlen, f u r die Aufstellung v o n Formularen den Weg der Gesetzgebung zu beschreiten. « (Schubert u. Hummelhoff, S. 473 f.) 8 Vgl. Räthedes Gerichtshofes (Hg.), S. 15ff. 9 Vgl. den G e s e t z e n t w u r f v o m 18. 7. 1884. D o r t heißt es i m Bezug auf die Anlagen: »Eine weitere A u s n a h m e . . . läßt der E n t w u r f . . . in Betreff der Anlagen u n d sonstigen Gegenstände zu, welche nicht zur Weiterveräußerung, sondern dauernd z u m Geschäftsbetriebe der Gesellschaft b e s t i m m t s i n d . . . D e r N a t u r solcher, gleichsam einen eisernen Bestand bildenden Anlagen u n d Gegenstände entspricht es o h n e Rücksicht auf deren zur Zeit vielleicht niedrigeren Werth, die f u r ihre A n s c h a f f u n g oder Herstellung a u f g e w e n d e t e n Beträge z u m G r u n d e zu legen.« (Schubertu. Hummelhoff, S. 427f.) 10 Vgl. Räthe des Gerichtshofes (Hg.). 11 D e r » Lebensprozeß des Kapitals besteht n u r in seiner B e w e g u n g als sich selbst v e r w e r t e n der Wert. « ( M E W 23, S. 329.) 12 Vgl. M E W 25, Kapitel 9: »Bildung einer allgemeinen Profitrate (Durchschnittsprofitrate) u n d V e r w a n d l u n g der Warenwerte in Produktionspreise. « 13 »Der Produktionspreis der Ware i s t . . . gleich i h r e m Kostpreis plus d e m , entsprechend der allgemeinen Profitrate, prozentig i h m zugesetzten Profit oder gleich i h r e m Kostpreis plus d e m Durchschnittsprofit.« (Ebd., S. 167.) 14 » N u r f u r die K a p i t a l e . . . der P r o d u k t i o n s z w e i g e , deren Z u s a m m e n s e t z u n g zufällig die des gesellschaftlichen Durchschnitts ist, w ä r e n Wert u n d Produktionspreis gleich. (Ebd. S. 174.) 15 »Das Wertgesetz beherrscht ihre B e w e g u n g , i n d e m V e r m i n d e r u n g oder V e r m e h r u n g der zur P r o d u k t i o n erheischten Arbeitszeit die Produktionspreise steigen o d e r fallen macht.« (Ebd. S. 189.) (Die Funktionsweise dieser T r a n s f o r m a t i o n der Warenwerte in P r o d u k t i o n s preise ist allerdings nach wie v o r umstritten; vgl. z . B . Glombowski, S. 5 ff.) 16 »Es ist ü b e r h a u p t bei der ganzen kapitalistischen P r o d u k t i o n i m m e r n u r in einer sehr verwickelten u n d annähernden Weise, als nie festzustellender Durchschnitt e w i g e r S c h w a n k u n gen, daß sich das allgemeine Gesetz als die beherrschende Tendenz durchsetzt. « ( M E W 25, S. 171.) 17 Ü b e r die prinzipielle statistische A p p r o x i m i e r b a r k e i t der allgemeinen D u r c h s c h n i t t s p r o fitrate zu Produktionspreisen entspann sich unter den N e o m a r x i s t e n in der Bundesrepublik w ä h r e n d der siebziger J a h r e v o r d e m H i n t e r g r u n d der angestrebten Realanalyse der Kapitalverw e r t u n g nach d e m zweiten Weltkrieg eine k o n t r o v e r s e Diskussion. Ein m . E . konstruktives Modell präsentieren Altvater u. a. in: »Entwicklungsphasen u n d -tendenzen des Kapitalismus in Westdeutschland, Teil I. « Das ursprüngliche Verfahren verfeinerten sie in: » Z u m P r o b l e m der Profitratenberechnung - Eine Replik u n d ein Versuch, das Indikatorverfahren zu präzisieren. « 18 U m s a t z e r l ö s - (Waren- u n d Materialeinsatz) (Vgl. Mossers A u s f ü h r u n g e n z u m » B r u t t o ertrag«; Mosser, S. 53.) 19 P;' = p', w e n n sich das betreffende Einzelkapital unter durchschnittlicher W e r t z u s a m m e n setzung bei Gleichgewicht v o n A n g e b o t u n d N a c h f r a g e reproduziert, so daß Kostpreise u n d Marktpreise des k o n s t a n t e n u n d variablen Kapitals sowie erzeugter M e h r w e r t u n d D u r c h schnittsprofit zusammenfallen. Kategoriell bezieht sich die Diskussion u m die Tendenz der Profitrate auf der E b e n e des Kapitals i m Allgemeinen gerade auf solche Einzelkapitale, was sich m e t h o d i s c h d u r c h die Tendenz zur Verdurchschnittlichung der A k k u m u l a t i o n s b e d i n g u n g e n rechtfertigt. 20 Für die Wachstumsraten ( Q i \ Pi') beider B r ü c h e gilt:

259

Anmerkungen

zu S. 62—66

Φ - Α - S b z w . f c ' - f t - ^ - S - s ^ L . Besonders für industrielle Sektoren mit einer hohen Wertzusammensetzung des Kapitals, w i e die Schwerindustrie, ist unmittelbar erkennbar, daß beide Ausdrücke quantitativ nicht erheblich voneinander abweichen, da S T L

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21 »Sachanlagevermögen, die materiellen Gegenstände des Anlagevermögens. Sachanlagev e r m ö g e n u m f a ß t das unbewegliche und bewegliche Anlagevermögen, ζ. B. Grundstücke, Gebäude, Maschinen usw.« (Gabler, B d . 5, S. 1088.) 22 Vgl. A n m . 9 dieses Kapitels. 23 »Soll indessen ein solcher Ansatz nicht zu Unrichtigkeiten fuhren, so m u ß derselbe der stetigen A b n u t z u n g der Gegenstände durch den Gebrauch und der dadurch herbeigeführten Werth Verringerung, sowie der durch ihre Erhaltung im tauglichen Zustande entstehenden Kosten R e c h n u n g tragen, sei es durch Abschreibung eines der A b n u t z u n g g l e i c h k o m m e n d e n Betrages von d e m A n s c h a f f u n g s - oder Herstellungspreise oder durch Bilanz eines der Instandhaltung oder E r n e u e r u n g entsprechenden, als Passivum z u m Ansatz zu bringenden E r n e u e rungsfonds.« ( » E n t w u r f eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien u n d die Aktiengesellschaft v o m 18. Juli 1884«; Schubert u. Hummelhoff, S. 475.) 24 Dies, o b w o h l das Aktienrecht vorschrieb, »daß die einzelnen R e s e r v e - u n d E r n e u e r u n g s fonds in ihren Beträgen voneinander gesondert aufzuführen sind. « (Ebd., S. 476.) 25 Vgl. hierzu Gabler, Bd. 5, S. 1218. 26 E b d . 27 »Rückstellungen... Begriff: A m Bilanzstichtag bestehende Verpflichtungen der U n t e r n e h m u n g , die w e g e n der U n g e w i ß h e i t ihres Bestehens, ihrer H ö h e u n d des Zeitpunkts der Fälligkeit noch keine Verbindlichkeiten darstellen. « (Ebd., S. 1074.) »Rück/a^c«, Reserven, das über das in der Bilanz ausgewiesene Kapital (Grund-, Stammkapital) zusätzlich vorhandene Eigenkapital (daher auch »Ergänzungskapital«, »variables Zusatzkapital«) einer U n t e r n e h m u n g , nicht zu verwechseln mit Rückstellung.« (Ebd. S. 1072.) Vgl. zu d e m P r o b l e m der Rückstellungen in den Bilanzen des Untersuchungszeitraums auch Mosser, S. 27 f. 28 So schrieb M a x Steinthal von der Deutschen Bank an seinen Intimus Nikolaus Eich im Vorstand von M a n n e s m a n n : »Sich auf Crédité auf die D a u e r v o n drei Jahren zu verpflichten ist nicht Bankiersprinzip. Früher gab der Bankier Crédité n u r auf längstens drei Monate, so genau n i m m t m a n ' s aber jetzt nicht mehr. M i r sind Crédité bekannt, die bis zu einem Jahr gegeben w o r d e n sind, darüber hinaus pflegt m a n indessen nicht zu gehen. Andererseits w e r d e n aber Crédité, w e n n sie einmal laufen, bei der Deutschen Bank n u r gekündigt, falls G r ü n d e der Sicherheit gegen die Fortsetzung sprechen. « (MA M i l 078.)

5. Das Verhältnis von Banken u n d Industrie in Deutschland vor 1914 - Tendenzen in der Literatur 1 Es soll an dieser Stelle nicht u m eine vollständige Bibliographie z u m Bankwesen in der industriellen E n t w i c k l u n g gehen. Vielmehr ist intendiert, die f ü r meine Fragestellung relevanten Forschungstendenzen in der Literatur transparent zu machen. 2 D a m i t w i r d d e m »Finanzkapital«, ganz im Gegensatz z u m A n s p r u c h des Autors, der Stellenwert einer historischen Theorie attestiert, deren Verallgemeinerbarkeit allerdings zumeist ausgeschlossen w i r d . 3 Bouvier, S. 132 f. Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den Bouvier im O k t o b e r 1970

260

Anmerkungen zu S. 66—69

auf einem internationalen Historikerkongreß in Lyon hielt. Soweit aus dem abgedruckten Protokoll erkennbar, widersprach der im Text zitierten These Bouviers während der anschließenden Diskussion keiner der anwesenden Fachleute. 4 In Braun u.a. (Hg.), Industrielle Revolution. Gerschenkrons Aufsatz erschien erstmals 1952 unter dem Titel »Economical backwardness in historical perspective«. 5 So hatte ζ. B . Goldschmidt bereits 1928 formuliert: »Charakteristisch für Deutschland.. sind zwei Punkte: 1. Die weitgehende direkte Kreditgewährung an die Industrie, die sich nicht auf die Gewährung von Betriebsmitteln beschränkt, sondern auch nicht selten zum Zweck der Investierung der Gelder in festen Anlagen erfolgt. 2. Die Mitwirkung der Banken bei Gründungen, Kapitalserhöhungen, Fusionen und ähnlichen Transaktionen der Industriegesellschaften. « (Goldschmidt, S. 225.) Gerschenkrons innovatorische Leistung besteht vor allem darin, den überdurchschnittlichen Industrialisierungsbeitrag der Banken in Deutschland und einigen anderen Ländern aus ihren spezifischen Entwicklungsbedingungen im Kontext der gesamteuropäischen Industrialisierung zu begründen. 6 Gerschenkron, S. 60. 7 Ebd. 8 Pollard, S. 12. 9 »In einem relativ rückständigen L a n d . . . ist Kapital knapp und weit verstreut, das Mißtrauen gegenüber industriellen Unternehmungen beträchtlich. Zudem bedingen die angestrebte Industrialisierung auf breiter Basis, die höhere Durchschnittsgröße der Betriebe und die Konzentration auf relativ kapitalintensive Produktionszweige eine Tendenz zum Großunternehmen.« (Gerschenkron, S. 66.) 10 Ebd., S. 65. Das Spezifikum und den Grad der relativen Rückständigkeit sowie die Methoden ihrer Überwindung teilte Deutschland laut Gerschenkron mit einer Reihe weiterer Länder. Explizit benennt er Österreich, Italien, die Schweiz, Frankreich und Belgien, während vor allem in Rußland das Ausmaß des Kapitalmangels das Substitutionspotential des Bankwesens überforderte und an seiner statt den Einsatz des Staates erforderte. (Ebd., S. 67.) 11 Ebd., S. 65. 12 Ebd., S. 67. 13 »In Deutschland zeigten sich spätestens um die Jahrhundertwende Veränderungen in den Beziehungen zwischen Banken und Industrie. Die junge Industrie wurde »erwachsen!, die ursprünglich fraglos hingenommene Vormundschaft der Banken ließ sich nicht länger aufrecht erhalten... Anstelle der Verbindung mit einer Bank tritt die Zusammenarbeit mit mehreren... Die Bedingungen der Kapitalknappheit, der die deutschen Banken ihre historische Stellung verdankten, waren nicht mehr gegeben. Deutschland war ein hochentwickeltes Industrieland geworden. Die besonderen Charakteristika jedoch, die der Industrialisierungsprozeß unter den Bedingungen der Rückständigkeit ausgebildet hatte, blieben bestehen, darunter auch die engen Beziehungen zwischen Banken und Industrie, obwohl das Herr-Diener- Verhältnis einer Zusammenarbeit unter Gleichgestellten wich und sich manchmal sogar umkehrte. « (Ebd., S. 71.) 14 Stolperu.a., S. 30. 15 Wehler, Kaiserreich, S. 27f. Vgl. ζ. B . auch Borchardt, S. 106. 16 Während eine ganze Reihe von Autoren einen Mangel an Industriekapital für eine feststehende Tatsache hält, wobei lediglich die Frage entsteht, ob dieser Mangel der unzureichenden absoluten Höhe der ursprünglichen Akkumulation in Deutschland oder einer uneffizienten Allokation der zur Verfügung stehenden Kapitalien geschuldet war ( - vgl. ζ. B . Kocka, Unternehmer, S. 65f.; Whale, S. lOff.; Borchardt, S. 62ff.), sind andere Historiker der Ansicht, der geringe Grad der Kapitalmobilisierung in der deutschen Frühindustrialisierung sei auf mangelnde Nachfrage seitens der Industrie nach Investitionsmitteln zurückzuführen ( - siehe ζ. B. Born, S. 92, oder Tilly, Banken und Industrialisierung in Deutschland 1850—1870, S. 65 ff.). 17 »Da während des gesamten Zeitraums rund eine Verdreifachung des Anteils stattfindet, wirken also die Geschäftsbanken in immer stärkerem Maße an der Finanzierung produktiver

261

Anmerkungen

zu S. 69—72

Ausgaben v o n Industrie u n d H a n d w e r k mit. G e g e n ü b e r der E n t w i c k l u n g der übrigen Finanzierungsquellen w i e Selbstfinanzierung, private D a r l e h n s g e w ä h r u n g u n d Kapitalmarktmittel sonstiger Kreditgeber im Zeitablauf leisten die Geschäftsbanken besonders in der Periode 1895—1908 einen b e d e u t e n d e n Beitrag z u m Wachstum v o n Industrie u n d H a n d w e r k . « (Eistert, S. 168.) 18 E b d . , S. 178. 19 Neuburger u. Stokes, Empirical view. 20 Neuburger, G e r m a n banks and G e r m a n e c o n o m i c g r o w t h f r o m unification to World War I. 21 E b d . , S. 102. 22 E b d . 23 E b d . 24 E b d . , S. 104. 25 E b d . , S. 106ff. 26 E b d . , S. 128. 27 In: Henning (Hg.), E n t w i c k l u n g u n d A u f g a b e n v o n Versicherungen u n d B a n k e n in der Industrialisierung. 28 E b d . , S. 1 7 1 - 1 7 4 . 29 I n J E E H , B d . 15. 30 E b d . , S. 136 ff. - Eine kritische W e r t u n g der Arbeiten v o n Eistert, N e u b u r g e r / S t o k e s u n d Tilly k a n n an dieser Stelle w e g e n des hierfür n o t w e n d i g e n A u f w a n d e s nicht geleistet w e r d e n . 31 Böhme, B a n k e n k o n z e n t r a t i o n , S. 436. 32 E b d . , S. 437. 33 Vgl. Riesser, S. 600 undJeidels, S. 269. 34 »The banks had a say in all the i m p o r t a n t investment decisions of the companies w h i c h they helped to finance. T h e y frequently even influenced the choice of persons to o c c u p y the leading positions in industrial concerns and gave suggestions to help w i t h all kinds of business transactions. « - Vgl. Kocka, E n t r e p e n e u r s and managers. 35 E b d . , S. 569. 36 »A secure and profitable large-scale concern, o n the other hand, could dictate to the banks, w h o c o m p e t e d to r u n its financial affairs.« (Ebd.) N o c h deutlicher f o r m u l i e r t er an anderer Stelle: »Aus solchen Zahlen ( - gemeint sind Aufsichtsratssitze der B a n k e n - ) läßt sich keine D o m i n a n z des B a n k - über das Industriekapital belegen, wie es häufig versucht wird.« Kocka, Managerkapitalismus, S. 54. 37 »Insgesamt zeigt die Zeit bis 1895 kein einheitliches Bild, was die Beziehungen zwischen B a n k e n u n d Schwerindustrie betrifft. U n t e r n e h m e n , die w o h l k a u m eine g r ö ß e r e Entscheid u n g o h n e die Z u s t i m m u n g der interessierten B a n k e n treffen k o n n t e n , standen Gesellschaften gegenüber, die a u f g r u n d ihrer verhältnismäßig guten finanziellen Lage ihre U n t e r n e h m e n s z i e l e relativ frei festlegen k o n n t e n . « - Feldenkirchen, B a n k e n u n d Stahlindustrie i m Ruhrgebiet, S. 33. - A u c h andere A u t o r e n teilen die Skepsis hinsichtlich der Brauchbarkeit des Konzeptes einer H e r r s c h a f t der B a n k e n über die Industrie w ä h r e n d der f r ü h e n Phasen der Industrialisierung Deutschlands. G a n z entschieden w e h r t sich etwa Whale dagegen. (Whale, S. 58.) A u c h gelegentliche A u s f ü h r u n g e n Tillys zeigen eine ähnliche Tendenz. (Vgl. e t w a die A n m e r k u n g 16 meiner Z u s a m m e n f a s s u n g dieser Arbeit.) 38 Explizit verwiesen sei hier auf den Aufsatz Miikereits z u m T h y s s e n - K o n z e r n u n d v o r allem auf Kockas Studie ü b e r Siemens. A u f beide Arbeiten w i r d in den entsprechenden Fallstudien näher eingegangen. 39 Diese analytische Fruchtbarkeit des »Finanzkapitals« scheint m i r auch J ü r g e n Kocka zu konzedieren, w e n n er schreibt: »Rudolf Hilferding, in his Finanzkapital· of 1910, f o r m u l a t e d his theory of d o m i n a n c e of the banks o v e r industry, w h i c h has been constantly repeated since then. B u t this theory was already basically outdated w h e n it was f o r m u l a t e d . « (Entrepeneurs

262

Anmerkungen zu S. 12—16

and managers, S. 570.) (In den Anmerkungen weist Kocka ebenso auf eine Reihe von Historikern hin, die seine Position teilen, wie auf die Kontroversität der Literaturlage. - Ebd., S. 724, Anmerkung 166.) Zwar impliziert diese Aussage den Vorwurf mangelnder Aktualität an Hilferding, weist andererseits aber auf die analytische Relevanz seiner Theorie fur eine Retrospektive hin. 40 Vgl. ζ. B. Böhme, Bankenkonzentration, S. 136ff.; Feldenkirchen, Banken und Stahlindustrie im Ruhrgebiet, S. 46; Gehr, S. 62£T.; Schulze-Gaevemitz v., S. 154f.; Weber, S. 343. 41 Während etwa Hallgarten (S. 25) oder Hopt (S. 238 f.) den Banken mit Hilferding und Gerschenkron ein unbedingtes Interesse an der industriellen Konzentration - und insbesondere an der Kartellierung - unterstellen und ihnen eine sehr aktive Rolle zuschreiben, meint Gehr, die Banken hätten »im fortgeschrittenen Stadium der Industriekonzentration die Tendenz zur Großunternehmung nicht mehr bewußt gefordert« (Gehr, S. 67), und auch Whale attestiert den Banken eine zwar wohlwollende Haltung gegenüber der Konzentration der Industrie, qualifiziert aber ihren Beitrag als Katalysatoren dieses Prozesses keineswegs als entscheidend (Whale, S. 5 9 f f ) . 42 Vgl. z . B . Tilly, Quantifizierungsversuche, S. 184 oder Hopt, S. 283f. 43 Böhme, Bankenkonzentration, S. 439. 44 Whale, S. 35. 45 Jeidels, S. 122. 46 Vgl. die Anmerkung 1 des Kapitels 2.1. 47 Spohn, S. 386 (Anmerkung 4). 48 Gerhards, Industriebeziehungen, S. 50. 49 Grossmann, S. 572ff.; vgl. auch Sweezy, S. 312f. 50 Lenin, Imperialismus S. 13. 51 »Kapital in der Verfugung der Banken und in der Verwendung der Industriellen« (vgl. Kapitel 1). 52 Lenin, Imperialismus, S. 54. 53 Ebd., S. 38f. 54 Ebd., S. 34. 55 Vor allem in den siebziger Jahren erschien eine ganze Reihe von diesbezüglichen Artikeln und Monographien. Exemplarisch sei verwiesen auf Hummel, Schirmeister, Czichon u. Usoskin. 56 »Die Führungsrolle der Monopolbanken im Imperialismus, innerhalb des Finanzkapitals, ergibt sich zwangsläufig aus ihrer Funktion in der kapitalistischen Produktionsweise. « ( G O Í S weiler, Die Rolle der Großbanken im Imperialismus, S. 229.) 57 Ebd., S. 207. 58 Ebd., S. 199. 59 Vgl. auch Gossweiler, Die Vereinigten Stahlwerke und die Großbanken. 60 Siehe beispielsweise Radandt, Sprach Lenin von der führenden Rolle des Bankkapitals gegenüber dem Industriekapital?; Kuczynski, Lage der Arbeiter, Band 14, S. 6. Zwischen Kuczynski und Gossweiler gab es in der D D R einen langen Meinungsstreit über die Frage der Herrschaft der Banken über die Industrie, dessen Brennpunkte zusammengefaßt werden in Kuczynski, Gesammelte Studien, S. 179ff. 61 Vgl. Mottek, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1 0 2 f . - E i n e umfassende kritische Auseinandersetzung mit der Stamokap-Theorie kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Über die Bemerkungen im Zusammenhang mit der Monopoltheorie hinaus sei verwiesen auf Schubert.

6. Phoenix, anonyme Gesellschaft fur Bergbau und Hüttenbetrieb 1 Zum geschichtlichen Überblick über den Phoenix vgl. Kunze, Der Aufbau des PhoenixKonzerns.

263

Anmerkungen zu S.

76-88

2 Ebd., S. 31. 3 Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund, 1912/13, S. 508 ff. 4 Ebd., S. 102. 5 Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Bilanzen des Phoenix. (WWA, 36; Μ Α Ρ 25.11.1.) 6 Kunze weist an mehreren Stellen auf die Bedeutung der stillen Reserven fur die Erweiterung der Produktionsanlagen hin, wobei er die stillen Reserven punktuell zu berechnen versucht, allerdings mit recht zweifelhaften Methoden; ζ. B. Kunze, S. 39. 7 Auf die einzelnen Kapitalerhöhungen wird unten noch ausfuhrlicher eingegangen. 8 Vgl. hierzu und für das folgende auch Tabelle 1. 9 Als Hauptquellen für diesen Abschnitt dienten wiederum die Geschäftsberichte des Phoenix und die einzelnen Jahrgänge des Jahrbuchs für den Oberbergamtsbezirk Dortmund. 10 Vgl. ΜΑ Ρ 25.52.1/2. 11 Kunze, S. 53f. 12 Feldenkirchen, Banken und Stahlindustrie im Ruhrgebiet, S. 38; siehe auch Kunze, S. 62. 13 Feldenkirchen, Banken und Stahlindustrie im Ruhrgebiet, S. 38. 14 Für den Phoenix: Schaafhausen, Disc.-Ges., BHI und Oppenheim; für Hoerde: Schaaffhausen, Deichmann und Levy. 15 Kunze, S. 74. 16 Siehe den Abschnitt über den Phoenix und die Verbände. 17 ΜΑ Ρ 1.25.40. 18 Ebd. 19 Kunze, S. 84f. u. S. 99; Feldenkirchen, Banken u. Stahlindustrie im Ruhrgebiet, S. 38. Durch die Fusion mit den Nordsternzechen kam der Phoenix in näheren Geschäftskontakt mit den Banken dieses Unternehmens, der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Nationalbank und der Essener Creditanstalt. 20 Vgl. ΜΑ Ρ 1.25.26.1. 21 ZStA Merseburg, 120 C VIII1, Nr. 72 adh. 53, Bd. 3. 22 Feldenkirchen, Banken und Stahlindustrie, S. 39; vgl. auch Kunze, S. 68f. 23 Die folgende Passage basiert auf ΜΑ Ρ 5.25.66. 24 Brief vom 21.12. 1903. 25 Kamp an Verwaltungsrats-Mitglied Esser am 15. 2. 1904. 26 Briefe von Kamp an Lantz (Direktion des Phoenix) vom 23. 3. 1904 und an Gaedicke (Verwaltungsrat) v o m 2. 3. 27 Brief von Kamp an Andreae v o m 15. 3. 28 Brief von Gaedicke an Kamp v o m 4.4. 29 Kamp an Gaedicke am 5. 4. 30 Kamp an Lantz (Das genaue Datum ist nicht ersichtlich). 31 Klönne schrieb im Oktober 1903 u. a. an Baare (Bochumer Verein), F. Goecke (Rheinische Stahlwerke), Lueg (GHH), Meyer (Peiner Stahlwerk), Schmidt (Krupp), Später (Rhombacher Hütte) und August Thyssen. Alle diese Briefe enthielten folgende, jeweils nahezu identische Passage: » U m nichts zu versäumen, erlaube ich mir, Sie schon heute zu bitten, Ihren großen Einfluß zu Gunsten der Deutschen Bank geltend zu machen. Es geht uns natürlich sehr darum, einen möglichst großen Theil der Bankumsätze des geplanten Verbandes zu erlangen, und würden wir Ihnen herzlich dankbar sein, wenn unsere Bemühungen durch Sie unterstützt würden.« (ZStAPotsdam, 8 0 B A 2, Nr. 21026.) 32 Ebd. 33 ΜΑ Ρ 1.25.24.3. 34 Karl Klönne, damals noch in Diensten des Bankvereins, schrieb am 14. 10. 1893 an den Phoenix: »Nachdem ich nunmehr von Herrn Justizrath Esser erfahre, daß der Erwerb von Holland Ihnen keine Convenienz bieten würde, gestatte ich mir hierdurch, Ihnen zum Zwecke

264

Anmerkungen

zu S. 89—99

eines anderen Ankaufes meine vertrauliche Vermittlung zur V e r f u g u n g zu stellen. D a ich a u f g r u n d meiner i n t i m e n Beziehungen in Westfalen schon m e h r f a c h in den Fall k a m , streng diskrete Verhandlungen in Bergwerksangelegenheiten zu f u h r e n , so w ü r d e ich m i c h sehr freuen, w e n n Sie Anlaß n e h m e n wollten, v o n meinen Diensten Gebrauch zu machen; daß der A. Schaaffhausen'sche Bankverein, falls es später zu einem Geschäfte k o m m e n sollte, sehr gern bereit sein w ü r d e , alsdann m i t der Disconto-Gesellschaft u n d Sal. O p p e n h e i m j r . & Cie g e m e i n s a m zu operieren, w i r d H e r r Justizrath Esser Ihnen gewiß schon gesagt haben. « A m 16. 3. 1900 b e m e r k t e H u g o H ä r t u n g brieflich gegenüber K a m p : »Meine f r ü h e r e M i t t h e i l u n g , w o n a c h der Bankverein m i t der Disconto-Gesellschaft, D a r m s t ä d t e r Bank, D r e s d n e r Bank, O p p e n h e i m u n d B. Simons & C o das C e n t r u m - G e s c h ä f t g e m a c h t hätten, bezog sich auf die U m w a n d l u n g der G e w e r k s c h a f t in eine Actiengesellschaft u n d auf das seinerzeit v e r u n g l ü c k t e Fusionsprojekt C e n t r u m - H a r p e n . Bei Rheinstahl ist n u n , u n d z w a r v o n der Seite dieses Werks, n o c h die D e u t s c h e Bank u n d S. Bleichröder in Action getreten. Ganz klar w i r d m a n in dieser Sachlage w o h l schwerlich sehen, da j e d e r der Betheiligten ein Interesse hat, d e m anderen nicht seine Karten zu zeigen. « ( Μ Α Ρ 1.25.40.) 35 E b d . 36 E b d . 37 Μ Α Ρ 1.25.24.3.

7. D e r G u t e h o f f n u n g s h ü t t e - K o n z e r n ( G H H ) 1 Z u m geschichtlichen Überblick über die G H H existiert eine ganze Reihe v o n Schriften, die allerdings nahezu alle den C h a r a k t e r v o n Festschriften b z w . unkritischen Biographien besitzen u n d die bekannten Schwächen solcher Publikationen aufweisen. Hier sei auf folgende Werke verwiesen: D i e G u t e h o f f n u n g s h ü t t e , O b e r h a u s e n , Z u r E r i n n e r u n g an das 100jährige Bestehen. 1810—1910; GHH Sterkrade Aktiengesellschaft (Hg.), G u t e h o f f n u n g s h ü t t e in zwei J a h r h u n d e r ten, O b e r h a u s e n 1958; GHH Sterkrade Aktiengesellschaft (Hg.), Die N e u o r d n u n g der G u t e h o f f n u n g s h ü t t e , O b e r h a u s e n 1953. Für das J a h r z e h n t v o n 1880—1890 liegt eine recht ausführliche, w e n n auch thematisch ziemlich eingegrenzte Dissertation vor: Junkers, E n t w i c k l u n g u n d W a c h s t u m der Stahl- u n d Walzwerke O b e r h a u s e n u n d N e u - O b e r h a u s e n 1 8 8 0 - 1 8 9 0 . 2 Siehe den Abschnitt ü b e r >Die Situation der siebziger Jahre< i m weiteren Verlauf dieses Kapitels. 3 Siehe den Abschnitt ü b e r >Die Prinzipien der Investitionspolitik bei der GHHDie Situation der siebziger JahreDie Kapitalerhöhungen u n d Anleihen der GHHDie kapitalstatistische Entwicklung der Rheinischen Stahlwerken 5 Haßlacher, S. 9. 6 Siehe wiederum den Abschnitt über >Die kapitalstatistische Entwicklung der Rheinischen Stahlwerken 7 Vgl. die Rheinstahl-Geschäftsberichte aus dieser Zeit, die sich im Thyssen-Archiv befinden. 8 Vgl. den Abschnitt über >Die Kapitalerhöhungen der Rheinischen Stahlwerken 9 Vgl. Baumann. 10 Jahrbuch fur den Oberbergamtsbezirk Dortmund, 1912/13, S. 536 ff. 11 Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Bilanzen der Rheinischen Stahlwerke (TA). 12 Vgl. die abschließende Zusammenfassung dieser Arbeit. 13 Vgl. die letzte Spalte aus Tabelle 5. Sie ist übernommen aus Feldenkirchen, Die Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets, Tabelle 130a. 14 Dies unterstreicht auch ein Blick auf die Dividendenzahlungen der Rheinischen Stahlwerke. (Haßlacher, S. 55ff.) 15 Haßlacher, S. 17 f. 16 Ebd., S. 20. 17 Diese Graphiken entstanden nach den Rheinstahl-Geschäftsberichten und den Jahrgängen des Jahrbuchs fur den Oberbergamtsbezirk Dortmund. 18 T A R S W 0 1 / 6 - 2 5 , 3 0 . 19 Brief der B H G an das Vorstandsmitglied der Rheinischen Stahlwerke Emil Goecke. (ZStA Potsdam, B H G , 14019.) 20 Baumann·, T A R S W , 20000 A3.

266

Anmerkungen zu S.

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

il6—130

Briefe vom 24. 6. 1911 und vom 27.6. 1911. (TA RWS, 20000012.) Vgl. Feldenkirchen Banken und Stahlindustrie, S. 36. Ebd., S. 37. T A RSW1230012. T A RSW 52000. Ebd. Ebd. T A RSW 52001. T A RSW 52002. Ebd. Brief vom 18. 6. 1912 (Ebd.). Brief vom 21. 6. (Ebd.). T A RSW 52000. Ebd. T A RSW 123001. T A RSW 200016. Ebd. T A RSW 12002. Pogge von Strandmann, S. 30.

9. Der Mannesmann-Konzern 1 Enzensberger (Hg.), S. 103. 2 Ebd., S. 104ff. 3 Pogge von Strandmann, S. 28. 4 Ebd., S. 27ff. 5 Neben dem bereits erwähnten Buch Pogges existiert eine weitere Monographie zur Entwicklung der Mannesmannröhren-Werke, die allerdings ganz in der Tradition der herkömmlichen Firmenliteratur steht und daher wissenschaftlich nur mit starken Vorbehalten nutzbar ist: f f . Koch, 75 Jahre Mannesmann, Düsseldorf 1965. Darüberhinaus sei noch verwiesen auf R. Bungeroth, 50Jahre Mannesmannröhren 1884—1934, Berlin 1934 und Mannesmannröhren-Werke AG (Hg.), Report, 100 Jahre nahtloses Stahlrohr 1886-1986, Düsseldorf 1986. 6 Vgl. Koch, S. 16ff. 7 Ebd., S. 27fT. 8 Ebd., S. 40fT. 9 Ebd., S. 48. 10 Ebd., S. 49fT. 11 Ebd., S. 60ff. 12 Eich und Steinthal pflegten einen extrem intensiven Meinungsaustausch, der sich neben zahlreichen persönlichen Begegnungen in einer fast täglichen Korrespondenz niederschlug. Dieser Briefwechsel ist im Mannesmann-Archiv erhalten und diente Pogge von Strandmann als Hauptquelle fur seine Arbeit. Auch für dieses Kapital wurde er als ein wesentlicher Bezugspunkt zu Grunde gelegt. 13 Koch, S. 74. 14 Vgl. ebd., S. 72f. 15 Ebd., S. 75ff. 16 Ebd., S. 81 ff 17 Ebd., S. 96. 18 Ebd., S. 96ff.

267

Anmerkungen zu S. 130—145

19 Ebd., S. 86ff. (Diese Werke waren Balcke, Teilering & Co, Benrath; Wittener Stahlröhrenwerke, Witten; Siegener Stahlröhrenwerke, Weidenau; Gustav Kuntze AG, Worms; Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Gelsenkirchen-Schalke; Gustav Kuntze, Göppingen; Gewerkschaft Käfernburg, Nassau und Röhrenwerke Raunheim am Main.) 20 Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund, 1912/13, S. 461 ff. 21 Vgl. Tabelle 7. Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Bilanzen der Mannesmannröhren-Werke (MA; WWA 34). 22 Siehe die Einleitung dieses Kapitels. 23 Sowohl auf diesen Dauerkredit als auch auf die einzelnen Kapitalerhöhungen und Obligationen wird im Verlaufe des Kapitels noch genauer eingegangen. 24 Vgl. MA M 11003 und M 11079. 25 MA M 12158. 26 Vgl. Koch, S. 45. 27 Vgl. MA M 1 0 0 0 0 - M 10003. 28 Vgl. Pogge ν. Strandmann, S. 87ff. 29 Ebd., S. 90f. 30 MA M 11077. 31 Brief von Eich an Steinthal v o m 18. 6. 1914. In diesem Fall wurde die Zustimmung erteilt (MA M 11082). 32 M A M 11002. 33 MA M 11003. 34 Die meisten Details dieser Graphik entstammen einer vertraulichen Aufstellung, die Eich 1912 für Haßlacher von Rheinstahl im Zusammenhang mit der gemeinsamen Durchführung des Balcke-Tellering-Geschäftes anfertigte. (TA, RSW 52002.) 35 Die Provision der Banken bei der Kapitalerhöhung der Rheinischen Stahlwerke 1910 hatte ja auch 5% betragen, ihre Zahlung hing aber hier, wie gesehen, von der erfolgreichen Durchführung des Geschäftes durch die Banken ab, die das ganze Risiko zu tragen hatten. 36 MA M 11002. 37 M A M 11074. 38 M A M 11075. 39 Pogge von Strandmann, S. 87 ff. 40 MA M i l 009. (Diese Quelle ist bereits abgedruckt bei Pogge von Strandmann, S. 87.) 41 Siehe die Einleitung des Kapitels. 42 Vgl. Koch, S. 86ff. und Pogge von Strandmann, S. 26 ff. 43 Ähnliches hatten wir ja auch schon im Phoenix-Kapitel für den Stahlwerks verband feststellen können. 44 Daß es andererseits auch Thyssen offensichtlich nicht möglich war, die Deutsche Bank zur Ausübung von Druck auf Mannesmann zu bestimmen, illustriert, daß auch die von Pogge formulierte Umkehrhypothese von einer Abhängigkeit der Banken von der Industrie wohl kaum viel für sich hat. 45 Vgl. Pogge von Strandmann, S. 101 ff. 46 Vgl. ebd., S. 49. 47 MA M 11078. 48 MA M 11076. 49 MA M i l 082; vgl. zur wachsenden Unabhängigkeit des Mannesmann-Vorstandes auch Pogge von Strandmann, S. 49 ff. 50 Brief von Steinthal an Eich vom 27. 3. 1910 (MA M i l 079); ähnliche Situationen ergaben sich bisweilen während der gesamten Untersuchungszeit dieser Arbeit. 51 Dies geschah etwa 1914 bei der Angliederung Schulz - Knaudts (MA M 11082). 52 Vgl. Pogge von Strandmann, S. 27 f. 53 Vgl. Kapitel 2.1.

268

Anmerkungen zu S. 147—155

10. Der Krupp-Konzern 1 Der weit überwiegende Teil der Krupp-Literatur besteht aus peinlich-penetranten Jubelschriften pathetischer Haus- und Hofbiographen oder schießt in ihrer Kritik über das Sachliche hinaus bzw. mißachtet das Gebot der soliden quellenmäßigen Fundierung. Eine Auswahl von Monographien und Artikeln der Geschichte des Unternehmens enthält das Literaturverzeichnis. An dieser Stelle sei nur hingewiesen auf zwei solide Zusammenfassungen: Die eine findet in Boelcke, Krupp und die Hohenzollern in Dokumenten, Krupp-Korrespondenz mit Kaisern, Kabinettchefsund Ministern 1850—1918, Frankfurt a. Main 1970; die andere stammt von KähneLindenlaub, Die Familie Krupp, Fünf Unternehmergenerationen 1811 — 1967, in: Historische Komission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Neue Bibliographie, Bd. 13. 2 Köhne-Lindenlaub, S. 132. 3 Ebd., S. 133. 4 Vgl. Boelcke, S. 29 ff. u. 58 f. 5 Kohne-Lindenlaub, S. 133. 6 Den genauen Umständen dieser Anleihe wird im Laufe dieses Kapitels ein eigener A b schnitt gewidmet. 7 Siehe den Abschnitt über >Die Krupp-Anleihe von 1874< im weiteren Verlauf dieses Kapitels. 8 Vgl. Boelcke, S. 63 ff. 9 Ebd., S. 107f. und S. 179ff. 10 Zur Herausbildung des Managerkapitalismus bei Krupp und der G H H liegt eine Spezialuntersuchung von Bongartz vor: Unternehmensleitung und Kostenkontrolle in der Rheinischen Montanindustrie vor 1914, in: Zeitschrift fur Unternehmensgeschichte, J g . 29, 1984, Heft 1 u. 2. 11 Vgl. Boelcke, S . 9 9 f f . 12 Ebd., S. 98f. 13 Ebd., S. 102. 14 Ebd., S. 106. 15 Ebd., S. llOff. 16 Ebd., S. 173. 17 Vgl. Martin. 18 Boelcke, S. 176 f. 19 Vgl. das Kapital über die G H H . 20 Köhne-Lindenlaub, S. 139. 21 Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund, 1912/13, S. 412ff. Auf die viel beschriebenen und sehr umstrittenen Sozialeinrichtungen der Kruppschen Werke und die damit verbundene Problematik der sozialpolitischen Haltung des Unternehmens und seiner Repräsentanten kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 22 Vgl. Tabelle 9. Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Krupp-Bilanzen (KA; W W A 46). 23 Vgl. die Zusammenfassung dieser Arbeit. 24 Siehe Tabelle 9. 25 Vgl. Boelcke, S. 176f. 26 Siehe den Abschnitt über >Die Kruppschen Anleihen und KapitalerhöhungenDie Anleihen der GDK< im weiteren Verlauf dieses Kapitels. 22 Treue, S. 51 ff. 23 TA A 9569. 24 Treue, S. 120 ff. 25 Jahrbuch für den Oberbergamtsbezirk Dortmund, 1912/13, S. 121. 26 Treue, S. 53. 27 Vgl.: T A A 5 3 6 / 4 - 5 ; A 537/5; A 538/2; A 539/4 und A 8 1 5 / 4 - 5 . 28 Die Bestätigung der Reichsbank erfolgte am 28. November (TA A 824/5). 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Vgl. TA A 3657-3659 sowie A 9569. Eine Übersicht über die Anleihen findet sich in Tabelle 16. 33 Brief an Klönne vom 12. 11. 1903 (vgl.: T A A 9569). 34 Ebd. 35 T A A 815/4. 36 Üblich war 1% über Privatsatz! 37 TA A 9569. 38 Ebd.; Brief von Klönne an Thyssen vom 19. 2. 1903. 39 Ebd.; Brief von Klönne an Thyssen vom 9. 7. 1900. 40 Ebd. 41 Vgl. das Kapitel über den Phoenix. 42 Vgl. TA A 819/7 und A 548. 43 Milkereit, S. 525. 44 A m 18.6. 1911 wies August Thyssen die Verwaltung der G D K an: »Wie ich Ihnen bereits mittheilte, ist es mir Pflicht der Dankbarkeit, daß wir dem Geheimrath Klönne und dem Herrn Louis Fränckel je 75 000 Mark überweisen, weil beide H e r r e n . . . sich für das Zustandekommen des bestehenden Erzvertrages verdient gemacht haben. « (TA A 819/7.) 45 T A A 9569. 46 Ebd. 47 Ebd.; (Briefvom 7. 4. 1905). 48 Ebd.; (Brief vom 8. 4. 1905). 49 Milkereit, S. 525. 50 Vgl. das Mannesmann-Kapitel. 51 Treue, S. 145. 52 TA A 9569. 53 Pogge von Strandmann, Anmerkung 197. 54 TA A 9569; die Notiz enthält kein Datum.

14. Der Siemens-Konzern 1 E. Waller, u. a., Studien zur Finanzgeschichte des Hauses Siemens (SAM 38/8/57). 2 J. Kocka, Unternehmens Verwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847 bis 1914, Z u m Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie in der deutschen Industrialisierung, Stuttgart 1969, S. 396ff. u. S. 429ff. - Unter den Festschriften zum Siemens-Konzern liefert vielleicht am ehesten einen brauchbaren historischen Überblick: v. Weiher u. Goetzeler, Weg und Wirken der Siemens-Werke im Fortschritt der Elektrotechnik, Göttingen 1972. 3 Kocka, Siemens, S.429f.

274

Anmerkungen zu S. 213—226

4 Keineswegs ist hier intendiert, eine Geschichte des Hauses Siemens in Kurzform zu liefern. Vielmehr sollen an dieser Stelle lediglich einige für das Verständnis der Bankbeziehungen des Siemens-Konzerns wesentliche Grundlinien nachgezeichnet werden. 5 In Z u k u n f t abgekürzt als S&H. 6 Vgl. zu diesem Absatz Kocka, Siemens, S. 4 8 - 6 2 . 7 Ebd., S. 117. 8 Ebd. 9 Vgl. zu diesem Absatz Kocka, Siemens, S. 117ff. 10 Ebd., S. 199ff. 11 Vgl. zu diesen Gründungen Siemens, S. 230 ff. 12 Vgl. Kocka, Siemens, S. 202f. 13 Ebd., S. 204. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Ebd., f. 17 Ebd., S. 233ff. 18 Ebd., S. 291 ff. 19 Ebd., S. 202. 20 Vgl. Siemens, S. 236 ff. 21 Streng vertraulicher Brief von Carl von Siemens an die Direktion der Deutschen Bank vom 5.1. 1897 (SAM 33 La 239). 22 Vgl. Kocka, Siemens, S. 396 ff. 23 Ebd., S. 319f. 24 Ebd., S. 323. Zur Entwicklung der Berliner Produktionsstätten im Zuge der Investitionspolitik bei S&H seit 1897 siehe ebd., S. 321 f. 25 Im Folgenden abgekürzt als SSW. 26 Vgl. Kocka, Siemens, S. 324 f. 27 Waller, S. 126 f. Die Vorgänge um den faktischen Zusammenschluß zwischen den SSW und Bergmann erregten in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit und zum Teil heftige Erregung gegen die Deutsche Bank und Siemens. Vgl. ζ. B. die Deutsche Tageszeitung vom 7.4. 1912 (ZStA Merseburg Rep 120; C VIII1, Nr. 72, Adh. 17). 28 Vgl. Kocka, Siemens, S. 329ff. Dieses Submissionskartell wirbelte in Politik und Öffentlichkeit viel Staub auf, da vor allem die Konkurrenten der beteiligten Firmen dagegen Sturm liefen, etwa in Form von Petitionen an das Haus der Abgeordneten. Die Praktiken des Kartells wurden auf diese Weise auch Gegenstand der Korrespondenz und Beratung zwischen den verschiedenen preußischen Ministerien. (Vgl. ZStA Merseburg Rep 120; C V i l l i , Nr. 72, Adh. 17.) 29 Siehe den folgenden Abschnitt. 30 Vgl. z.B. Waller, S. 26. 31 Kocka, Siemens, S. 397. 32 Vgl. Waller, S. 133. 33 Ebd., S. 118. 34 Ebd., S. 122. 35 Ebd., S. 124. 36 Die Einzelheiten der Akkumulationsentwicklung befinden sich in Tabelle 17. Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Bilanzen der S&H AG (SAM). 37 Siehe den Abschnitt über die Kapitaltransaktionen. 38 Vgl. Waller, S. 98. 39 Vgl. Tabelle 18. Die Daten sind errechnet aus den veröffentlichten Bilanzen der SSW (SAM). 40 Siehe den weiteren Verlauf des Kapitels.

275

Anmerkungen zu S. 226—232

41 Vgl. Kocka, Siemens, S. 401 ff. u. S. 411 ff. 42 Ebd., S. 430. 43 Ebd., S. 429. 44 »B's grosse Arbeitsfreudigkeit und Arbeitsfähigkeit, sein hervorragendes Geschick, sich schnell zu orientieren, die Dinge zu übersehen, zu organisieren und Verhandlungen zu fuhren, sind Eigenschaften, welche nicht häufig in dieser Vereinigung, wie bei Berliner, gefunden werden, und deren Entbehrung für Ihre Firmen sich besonders in schwierigen Zeiten, als solche während der letzten Jahre bestanden haben, künftig noch mehr als bisher bei der mutmasslichen wirtschaftlichen Weiterentwicklung fühlbar machen w i r d . . . (Brief von Roland-Lücke an Wilhelm v. Siemens vom 1.12. 1906; SAM 4 Lb 832.) 45 »Was die Stellung des Herrn Klönne anbetrifft, so wird diese durch meinen Rücktritt keineswegs bedingt. Demgemäss würde auch auf Ihren Wunsch die Deutsche Bank gewiss bereit sein, einen Ersatz fur den Aufsichtsrat von S&H vorzuschlagen, welcher Ihren Gesellschaften wahrscheinlich vielfach noch nützlicher sein würde, als ich es zu sein vermag. Sie ersehen hieraus, dass eine Störung in den Beziehungen Ihrer Gesellschaft zu der Deutschen Bank keineswegs einzutreten braucht.« (Brief von Roland-Lücke an Wilhelm v. Siemens vom 3.12. 1906; SAM 4 Lb 832.) 46 Ebd. 47 Vgl. zu den folgenden Transaktionen folgende Akten: Waller, Anlagen; SAM 4 Le 657; SAM 20 Lk 326—331 ; SAM 20 Lt 393. Eine Ubersicht über die einzelnen Transaktionen und ihre Konditionen findet sich in Tabelle 19. 48 Aktennotiz vom 29.1. 1900 (SAM 20 Lk 326). 49 SAM 20 Lk 327. 50 SAM 20 Lk 325. 51 SAM 20 Lk 327. 52 Brief v o m 15. 8. 1893. (SAM 20 Lk 325.) 53 Vgl. SAM 20 Lm 97. 54 Hierfür verwandte sie in der Regel einen Vordruck, der wie folgt lautete: »Sie würden uns durch gefällige möglichst baldige und genaue Auskunft auf der Rückseite dieses Blattes über unten bezeichnete Firma sehr verpflichten und sichern wir Ihnen den bescheidensten Gebrauch Ihrer Mitteilung zu.« (Ebd.) 55 Ebd. 56 Vgl. zu diesem Vorgang SAM 25 Lp 25. 57 Brief der Deutschen Bank an S&H vom 27. 2. 1897. 58 Brief v o m ì . Dezember 1903. 59 Brief vom 26. 2. 1907. 60 Brief vom 13. Mai 1907. 61 Brief von Lerche (stellvertretender Direktor bei S&H) an Schwieger vom 9. 8. 1907. 62 Vgl. die Niederschrift über die entsprechende Aufsichtsratssitzung dieser Gesellschaft vom 12.3. 1914. (Ebd.) 63 Kocka, Siemens, S. 431. 64 Vgl. SAM 4 Lk 20; siehe auch Kocka, S. 431 f. 65 Aktennotiz vom 6. 11. 1905. 66 Vgl. ZStA Potsdam, 80 Siemens AG 9453. 67 Ein - aus vielen möglichen ausgewähltes - Beispiel aus dem Jahre 1906 mag dies illustrieren. A m 10. 9. dieses Jahres wandte sich Karl Klönne von der Deutschen Bank an Spiecker mit dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Nutzung von Wasserfällen in Norwegen. »Der mir bekannte Rechtsanwalt O. Fr. Kjelsberg in Drammen, der mich, wovon ich damals ja unterrichtet habe, schon früher für grössere Wasserfälle in Norwegen aufmerksam gemacht hat, sendet mir heute den in Ubersetzung mitfolgenden Brief nebst dazugehörigem Exposé und Karte. Ich möchte nicht versäumen, Ihnen diese Schriftstücke, deren Inhalt ganz interessant ist,

276

Anmerkungen zu S. 232—237

weiterzugeben. Falls Sie die Wasserkräfte nicht interessieren sollten, so geben Sie die Schriftstücke vielleicht an Ihre Bahn-Abteilung weiter, fiir die wohl die darin enthaltene Mitteilung von dem projektierten Bau der Raumabahn und dem U m b a u der Randsfjordsbahn zu einer breitspurigen wertvoll ist.« (Ebd., S.66ff.) Auch wenn S&H diese Offerte im Endeffekt ablehnte, so ist sie doch typisch für das Bestreben der Bank, ihre Kontakte und Informationen in den Dienst des Unternehmens zu stellen. 68 Vgl. zu diesem Vorgang SAM 27 Lt 233. 69 Aus der Niederschrift über die Besprechung zwischen S&H und der AEG vom 17.1. 1905. (Ebd.) 70 Ebd. 71 Schluß desselben Briefes. 72 SAM 11 Le 747: ausfuhrliche Aktennotiz von Dr. Berliner über diesen Vorgang. 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Soweit dies aus den Quellen im Siemens-Archiv erkennbar ist, waren übrigens auch bei der Fusion Union - AEG im Jahre 1903 die interessierten Banken nicht treibende Kräfte, sondern wurden von den beiden Unternehmen vor vollendete Tatsachen gestellt. (Vgl. SAM 4 Lk 113.)

15. Zusammenfassung 1 Vgl. Kapitel 2.1. 2 Es geht auf der Ebene der Systemanalyse nicht um die Frage, ob einzelne industrielle Kapitale unter der Dominanz der Banken stehen - aus welchen Gründen auch immer - , sondern darum, ob die Bankensuprematie als Topos zur Beschreibung des Durchschnittsfalles Gültigkeit besitzt oder nicht. 3 Siehe Kapitel 2.3. 4 Vgl. Kapitel 5. 5 Die diesbezüglichen Einschränkungen der Aussagekraft meiner empirischen Ergebnisse sind in der Einleitung detailliert bestimmt worden. 6 Vgl. Kapitel 4. 7 Siemens wird deshalb an dieser Stelle nicht in die statistische Betrachtung einbezogen, weil die Akkumulationsbedingungen zwischen Schwerindustrie und Elektroindustrie doch erheblich differieren, insbesondere im Hinblick auf die Intensität der Monopolisierungstendenzen gegen Ende des Untersuchungszeitraums, und Mannesmann entwickelt sich hinsichtlich der Kapitalverwertung innerhalb der Schwerindustrie untypisch, weil das Unternehmen von seiner technologischen Innovation, der Entwicklung des nahtlosen Rohres, nach der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten profitieren konnte. 8 Als Streuungsmaß wurde der Variationskoeffizient gewählt: ^tandardab weichung . jqq ° arithmetisches Mittel 9 Nachdem zu Beginn des Untersuchungszeitraums etwa Rheinstahl monopolistische Extraprofite realisieren konnte, die sich das Unternehmen durch die innovatorische Anwendung des Thomas-Verfahrens bei der Stahlerzeugung sicherte, nivellierte sich mit der Angleichung der Produktionsbedingungen auch das Profitratengefälle zwischen den Unternehmen des Samples. Bei aller gebotenen Vorsicht, die aus der zahlenmäßigen Begrenztheit der Fallstudien und den Vorbehalten gegen das Datenmaterial resultieren muß, scheint diese Tatsache darauf hinzudeuten, daß in der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie vor dem ersten Weltkrieg Monopolpositionen nicht systematisierbar und konservierbar waren. (Vgl. die Diskussion in 2.2.1.). 10 Welche Faktoren diesen Trend der Profitrate bestimmen, kann im Rahmen dieser Arbeit

277

Anmerkungen

zu S.

237—241

nicht untersucht w e r d e n . Z u n ä c h s t ist fraglich, ob die E n t w i c k l u n g der D u r c h s c h n i t t s p r o f i t r a t e des Samples transponierbar ist auf die Branchenprofitrate der Schwerindustrie, geschweige denn auf die gesellschaftliche Durchschnittsprofitrate. U n a b h ä n g i g d a v o n aber ist hier auch nicht zu klären, o b die B e w e g u n g s r i c h t u n g der Sampleprofitrate sich b e s t i m m t e n Tendenzen des Produktionsprozesses verdankt ( E n t w i c k l u n g der M e h r w e r t r a t e , Tendenz der W e r t z u s a m m e n s e t z u n g des Kapitals) oder auf Einflüsse aus d e m Zirkulationsbereich z u r ü c k g e h t ( E r h ö h u n g der U m s c h l a g s g e s c h w i n d i g k e i t des Kapitals, Kartellbildung etc.). Ulrich J ü r g e n s , der sich m i t d e m Z u s a m m e n h a n g von Profitratenentwicklung u n d K a r t e l l b e w e g u n g in dieser Zeit befaßt hat, meint: »Betrachtet m a n die A u s w i r k u n g e n der Kartelle auf die V e r w e r t u n g s b e d i n g u n g e n des Kapitals in den d u r c h sie z u s a m m e n g e f a ß t e n >SphärenAbhängigkeit< v o n B a n k e n ausgelegt w e r d e n . (Tilly, Quantifizierungsversuche, S. 177ÍT.) 17 18 19 20 21 22 23 24

278

Vgl. Kapitel 5. Inklusive verschiedener Provisionen f ü r Dienstleistungen der B a n k e n . Vgl. Kapitel 2.1. Deutsche Bundesbank (Hg.), S. 276. Vgl. Kapitel 14. Hilferding, S. 126. Vgl. Kapitel 14. M a n denke etwa an die Fallstudie ü b e r K r u p p .

Anmerkungen zu S.

242-246

25 Vgl. Anmerkung 16 dieses Kapitels. 26 Vgl. Kapitel 2.6. 27 Das Problem der Haltung der Banken zu den Monopolisierungstendenzen in der Schwerund Elektroindustrie konnte im Rahmen meiner Arbeit naturgemäß nicht systematisch aufgearbeitet werden, sondern lediglich soweit schlaglichtartig beleuchtet werden konnte, wie die zum Sample gehörigen Unternehmen direkt oder indirekt in diesen Prozeß verwickelt waren so daß die gewonnenen Erkenntnisse nicht als definitive Resultate sondern lediglich als begründete Vermutungen formulierbar sind. 28 Man vergleiche den Briefwechsel Thyssen - Klönne. 29 Vgl. Kapitel 14. 30 Vgl. Kapitel 6. 31 Ebd. 32 Vgl. Kapitel 11. 33 Vgl. Kapitel 6. 34 Gegenüber der Formalisierung ihrer Interessennahme an einem Unternehmen via Gremienpräsenz scheint der kontinuierliche Besitz umfangreicher Aktienpakete durch die Banken mit Bezug auf mein Sample kaum eine Rolle gespielt zu haben - obwohl zu diesem Problem keine exakten Kennziffern eruierbar sind. Wollte eine Bank - möglicherweise in Abstimmung mit einem Unternehmen aus seiner industriellen Klientel - konkreten Einfluß in der Generalversammlung einer dritten Gesellschaft nehmen, so bemühte man sich im Vorfeld, durch vorübergehenden Ankauf oder Ausleihen in den Besitz entsprechender Aktienpakete zu gelangen. 35 Vgl. Kapitel 14. 36 Völlig zu Recht schrieb Riesser von beiden Personen: »In diesen Kämpfen, bei denen es weder an großzügigen Feldzugsplänen noch an kleinen Eifersuchtsszenen fehlte, spielt eine große Rolle die Stellung, welche zwei zu immer größerer Macht aufgestiegenen Industriekapitäne gegenüber den jeweils um Einfluß und Macht ringenden Parteien einnehmen: August Thyssen. und H u g o Stinnes, die beide, bisher wenigstens, soweit irgend möglich die Politik befolgt haben, mit einer Reihe von Banken in freundschaftlichen Beziehungen zu stehen, sich aber mit keiner zu verheiraten. « (Riesser, S. 600.)

279

Quellen und Literatur

1.

Quellen

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Für die GHH: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d , 60; Haniel Archiv, Duisburg; 300193 0 0 0 / 0 - 3 , 8 - 1 0 , 12; 3 0 0 1 9 3 9 0 / 0 - 2 , 1 4 , 2 0 , 4 4 , 6 2 , 300 072/0; 3 0 0 1 9 3 002/2; 70, 77; 3001010/0-10; 300 193 005/0, 6, 7; 300 0 0 3 0 / 0 - 2 , 16; 3001090-93. 300 070/1, 17;

Für die Rheinischen Stahlwerke: Zentrales Staatsarchiv der D D R , Potsdam, B H G , 14019; Archiv der Thyssen AG, Duisburg, R S W 126 02 29, 34, 36, 39; R S W 0 1 / 6 - 2 5 , 30; R S W 166 02; R S W 120 02; R S W 200 00 A3; R S W 120 03; R S W 200 00 01 2; RSW 12004/1-3; R S W 200 01 6; R S W 123 00 1 - 3 ; R S W 200 013; R S W 123 00 12; R S W 52000; R S W 126 01 16;

Für Mannesmann: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d , 34; Archiv der M a n n e s m a n n AG, Düsseldorf, M 10 0 0 0 - M 10 004; M 12 150; M 1025; M 12 158; M 11 0 0 0 - 3 2 ; M 13 000; M 11 0 7 2 - 0 8 3 ; M 13 001;

280

RSW RSW RSW RSW RSW RSW

M M M M

52001; 520 02; 520 03; 520 17/1 u. 2; 525 00; 525 01.

13 050; 13 057; 13 064; 13 075.

Für Krupp: Zentrales Staatsarchiv der D D R , Potsdam, b 17837; Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d , 46; Historisches Archiv der Friedr. K r u p p G m b H , Essen, F A H I I B 7 0 , 230, 331; F A H I V C 14, 16, 20, 28, 116, F A H III Β 178; 164; F A H III C 211; W A III 41/2 221, 2 2 3 - 2 2 7 ; W A IV 1264, 1330, 1769; Für Deutsch-Lux: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d , 24; Archiv der Thyssen AG, Duisburg; F W H 12001; F W H 1 2 3 30; FWH12301-19; F W H 13001 A; F W H 123 2 1 - 2 5 ; F W H 520 05; Für die Hibernia: Zentrales Staatsarchiv der D D R , Potsdam 191 5 / 6 9 - 1 4 0 2 9 ; Westfälisches Wirtschaftsarchiv, D o r t m u n d , 14; Archiv beim B e r g b a u m u s e u m , Bochum; 32/128; 32/215; 32/138; 32/392-7; 32/156; 32/481; 32/188; 32/575-602; 32/206 u. 207; 327/1535; Für Thyssen: Archiv der Thyssen AG, Duisburg; A 509/4; A 548; A 511/1-8; A 563/1 u. 2; A 512/1 u. 2; A 758/3; A 518/1; A 785/1 u. 2; A 519/1; A 786/1 u. 2; A 536/2, 4 u. 5; A 787/1 u. 2; A 537/5 u. 6; A 815/4-5; A 538/2; A 817/1 u. 2; A 539/4;

W A IV d 344; W A VII f536; W A 60 5 5 - 5 8 .

F W H 527 0 0 - 0 2 ; A/9569.

32/1550-3; 32/1557-1559; 32/1562-1564; 32/4403.

A A A A A A A A

819/7; 823/1 u. 9; 824/3 u. 5; 839/2-4; 847/5; 3270; 3657-3659; 9569.

Für Siemens: Zentrales Staatsarchiv der D D R ; Potsdam, 80 Siemens A G 9453; Zentrales Staatsarchiv der D D R , Merseburg Rep 120; C VIII1, N r . 72, Adh. 17; Siemens Archiv, München: W P Görz; Siemens Archiv, München: W P Kirdorf; 2 Li 522; 11 Le 747; 23Lk672; 4 Lc 657; 13Lh591; 23Lk680; 4 Lf557; 20 La 225; 25 LP 25; 4 Lb 832; 20 Lc 884; 27 Lt 233; 4 L k l 9 u . 20; 20 Li 183; 33 La 239; 4 Lk 113; 20 Lk 320, 3 2 5 - 3 3 1 , 373, 498; 33 Ld 603 1 ; 4 Lk 172; 20 Lm 97 u. 98; 38/8/57; 11 Lc 747 20 Lt 393; 68 Li 178. 11 Le 663 23 Lh 689; 11 Le 709 23 Lh 747;

281

2.

Literatur

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290

Anhang

Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen s. Inhalt S. 6 f.

Schaubild 1: Phoenix: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate PROZENT 100

•·

90 80

••

70 •• 60

••

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1883/84-1911/12

291

Schaubild 2: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat des Phoenix 1913/14

5

6

7

8

10 11 12

Schaubild 3: G H H : Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Prozent 100,00 90,00 80,00 70,00 6 0 , 0 0 •• 5 0 , 0 0 •• 4 0 , 0 0 •• 30,00 20,00 10,00

0,00

—1

1 1 1 1—I—I

1—I—I

1—I—I

1 1 1 1—I—I

1883/84-1911/12

292

1 1 1—I

1 1 1 1 1—

Schaubild 4: Rheinstahl: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Prozent 100,00T 90,00·· 80,00·· 70,00 60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00

0,00

o-o Η 11

-Η—I 1—I 1—I—11883/84-1911/12

Schaubild 5: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Rheinstahl 1913/14 Deutsche Β BHG Schaaffh. Dresdn. B. BHI Disc.-G. sonst. 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12

293

Schaubild 6: Mannesmann: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate

o—o ^ .o- - s C · · · " H

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

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1893/94-1911/12

Schaubild 7: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Mannesmann 1913/14 Deutsche B. BHG Schaaffh. Dresdn. B. BHI Disc.-G. sonst. 0

294

1 2

3

4

5

6

7

9

10 11 12

Schaubild 8: Krupp: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate 00,00 90,00 • 80,00 ' 70,00 • 60,00 ' 50,00 • 40,00 • 30,00 • 20,00 ' 10,00 • 0,00 · 1906/07-19011/12

Schaubild 9: Deutsch-Lux: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate

1903/04-1911/12

295

Schaubild 10: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Deutsch-Lux 1913/14 Deutsche B. BHG Schaaffh. Dresdn. B. BHI Disc.-G. sonst.

i

10

12

Schaubild 11: Hibernia: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate Prozent

fi»0"8:8-9:9»5«g:5»0"2r8-8-8:8:8:°=0=0=0"0=ô=8::8:8:3 δ : δ=δ-δ=δ' 1883-1912

296

Schaubild 12: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat von Hibernia 1913 Deutsche B. BHG Schaaffh. Dresdn. B. BHI Disc.-G. Bleichr. sonst. 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12

Schaubild 13: G D K : Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate 100,00

90,00 80,00 70,00 60,00 50,00 40,00 ·· 30,00 ·· 20,00 =o 10,00 i 8=8=8=8=8—o—o-o-o—o—o-o-o= 0,00 °T—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι—ι 1895-1912

297

Schaubild 14: Der Thyssen-Konzern im Jahre 1913 (1)

Bergbau

Rohstoffbetriebe

*Gewerkschaft Deutscher Kaiser, Abteilung Bergbau mit den angegliederten Gewerkschaften

Eisenerze *Erzfelder in Deutschu. Franz.-Lothringen

Rhein I Rhein II Lohberg Hiesfeld V Nordlicht Hiesfeld Friedrichsfeld Die Lippe *Schachtbau der GDK + Rein.-Westf. Bergwerksgesellschaft, Mühlheim/Ruhr +

Saar- und Mosel-Bergwerks-Gesellschaft AG zu Karlingen """Gesellschaft für Teerverwertung m b H

^Erzfelder in der Normandie *Gruben an der Lahn +

Konz. u. Erzgr. in Tschituri u. Nikolajeff (Rußland), Marokko, Algier, Brit. Indien, N o r wegen Kalk/Dolomit/Zement *Kalksteinbrüche und Zementfabrik »Rittergut Rüdersdorf G m b H « *Zementfabrik Gewerkschaft Jacobus bei Hagendingen +

Rheinische Kalksteinwerke GmbH, Wülfrath +

(* 100%iger Thyssen-Besitz) ( + Beteiligungen)

298

Dolomitwerke G m b H

Schaubild 15: Der Thyssen-Konzern im Jahre 1913 (2)

Hüttenwerke und Verfeinerung sowie Verarbeitung

Handels- und Transportunternehmen sowie Sonstige .

•Gewerkschaft Deutscher Kaiser, Hütte Bruckhausen und Walzwerk Dinslaken

•Kohlenhandelsniederlassungen in Bruckhausen, Mannheim, Straßburg, Paris, Neapel, Oran, Suez, Genua

•Thyssen & Co., Mühlheim/Ruhr • A G für Hüttenbetrieb Meiderich •Stahlwerk Thyssen AG, Hagendingen •Preß- und Walzwerk AG, Reisholz +

Krefelder Stahlwerk AG, Krefeld

+ Oberbilker Stahlwerk AG, Oberbilk +

Soc. des Hauts-Fournoux et Aciéres de Caen •Maschinenfabrik Thyssen u. Co. AG, Mühlheim/Ruhr

•Eisenhandelsgesellschaften: - Thyssen & Co., Zweigniederlassungen in Berlin und Stettin - Thyssensche Eisenhandelsgesellschaft Duisburg und Ludwigshafen - H. Reiter GmbH, Königsberg - Deutsch-Überseeische HandelsGesellschaft der Thyssenschen Werke mbH, Zweigniederlassung Buenos Aires •Transportunternehmen: - Ν. V. Handels en Transport Maatschappij Vulcaan, Rotterdam - Hochseereederei mit fünf Dampfern - Hafenanlagen in Mannheim und Straßburg •Sonstige: - Wasserwerk der GDK

299

Schaubild 16: S & H: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate 1 0 0 , 0 0 -f

Prozent

90,00 · 80,00 70,00 60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00

-o-

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1

I

1899/1900-1911/12

Schaubild 17: SSW: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der Profitrate 100,00 T

Prozent

90,00·· 80,00·· 70,00·· 60,00·· 50,00·· 40,00·· 30,00 • • 20,00·· 10,00·· 0,00 1908/09-1910/11

300

Schaubild 18: Die Präsenz der Banken im Aufsichtsrat der S & H AG 1912-13 Deutsche Β. BHG Schaaffh. Dresdn. B. BHI Disc-6, sonst. 2

3

4

5

6

7

10 11 12

Schaubild 19: Trend des Sample-Variationskoeffizienten mit Bezug auf die individuellen Profitraten 150

Λ \ ,;sL—Λ— 50

100 Prozent

W o '

* N°'°

tî'W8=8:2:'

0 1881/82-1913/14

301

Schaubild 20: Gleitende Fünfjahresdurchschnitte der schnittsprofitrate des Samples

Prozent

Durch-

10· 5·

ol 1883/84-1911/12

Schaubild 21 : Verteilung der 24 Aufsichtsratsposten der Großbanken in den Aufsichtsräten der Unternehmen des Samples 1913



DiscG.+Schaaffh. [8]

m m

Dresdn. B . [ 3 ]

H

BHG[4]



Deutsche B.[6]

BHI [3]

Schaubild 22: Entwicklung des Diskontsatzes der Reichsbank 1880 bis 1914 10

8

Λ

6 Prozent 4"

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0

Schaubild 23: Arithmetisches Mittel des Zinsfußes im Bilanzjahr/ Durchschnittsprofitrate des Samples. Prozent 40 • 35

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30

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303

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