Griechische und lateinische Inschriften zum Ptolemäerreich und zur römischen Provinz Aegyptus [2 ed.] 9783643146823, 9783643346827, 3643146825

Der vorliegende Band präsentiert in einer zweiten, inhaltlich teils erheblich erweiterten Auflage 82 griechische und lat

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German Pages 432 [428] Year 2020

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Griechische und lateinische Inschriften zum Ptolemäerreich und zur römischen Provinz Aegyptus [2 ed.]
 9783643146823, 9783643346827, 3643146825

Table of contents :
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Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort und Einleitung
2 Das griechisch-römische Ägypten
3 Darstellungen zur Geschichte des späten Ägypten
4 Sprachen und Schriften im griechisch-römischen Ägypten
5 Epigraphik in Ägypten
6 Literatur zur Epigraphik
7 Das Leidener Klammersystem (Auswahl)
8 Zur ptolemäischen Hofrangtitulatur
9 Kalender
10 Zur Zählung der Ptolemäer
11 Texte
12 Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen
13 Konkordanz zu den Inschriften
14 Konkordanz vorhandener Inventarnummern
15 Indizes (nach Textnummer)

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Stefan Pfeiffer

Griechische und lateinische Inschriften zum Ptolemäerreich und zur römischen Provinz Aegyptus

Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie herausgegeben von

Louise Gestermann und Christian Leitz Band 9

LIT

Stefan Pfeiffer

GRIECHISCHE UND LATEINISCHE INSCHRIFTEN ZUM PTOLEMÄERREICH UND ZUR RÖMISCHEN PROVINZ AEGYPTUS Zweite, erweiterte Auflage

LIT

½ Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier entsprechend ANSI Z3948 DIN ISO 9706

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 2., erweiterte Auflage 2020 ISBN 978-3-643-14682-3 (br.) ISBN 978-3-643-34682-7 (PDF)

©

LIT VERLAG Dr. W. Hopf

Berlin 2020

Verlagskontakt: Fresnostr. 2 D-48159 Münster Tel. +49 (0) 2 51-62 03 20 E-Mail: [email protected] http://www.lit-verlag.de Auslieferung: Deutschland: LIT Verlag, Fresnostr. 2, D-48159 Münster Tel. +49 (0) 2 51-620 32 22, E-Mail: [email protected]

meinen Lehrern im FORSCHUNGSZENTRUM GRIECHISCH-RÖMISCHES ÄGYPTEN an der Universität Trier Günter Grimm † Heinz Heinen † Bärbel Kramer Sven Peter Vleeming Erich Winter in Dankbarkeit gewidmet

Ägypten in griechisch-römischer Zeit (nach Ian Mladjov)

Inhalts verzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1

Vorwort und Einleitung ............................................................................. 1

2

Das griechisch-römische Ägypten ............................................................. 5

3

Darstellungen zur Geschichte des späten Ägypten ..................................... 7

4

Zur Verwendung der Sprachen in Ägypten ................................................ 8

5

Epigraphik in Ägypten ............................................................................ 14

6

Literatur zur Epigraphik .......................................................................... 17

7

Das Leidener Klammersystem (Auswahl) ............................................... 19

8

Zur ptolemäischen Hofrangtitulatur ......................................................... 19

9

Kalender ................................................................................................. 20

10 11

Zur Zählung der Ptolemäer ................................................................... 22 Texte .................................................................................................... 25 Eine Weihung Alexanders des Großen im Tempel von Baharia........... 25 Zwei Weihungen aus Schedia ............................................................. 30 Eine Ehrung der Griechenstadt Ptolemais Hermiu in Oberägypten für den Stadtgründer Ptolemaios I. ........................................................... 32 4. Die Anordnung (diagramma) über die Verfassung der Stadt Kyrene ... 35 5. Eine Statuenweihung an die Retter Ptolemaios und Berenike .............. 42 6. Ein Beschluss der Nesioten zu Ehren Ptolemaios’ I. und II. ............... 44 7. Ein Ehrendekret der Stadt Ptolemais Hermiu für die Prytanen ............ 52 8. Eine agonistische Inschrift für Ptolemaios II. ...................................... 56 9. Ein Ehrenbeschluss einer dionysischen Kultgenossenschaft in Ptolemais Hermiu .......................................................................... 62 10. Tempel und Kult auf Philae ................................................................ 65 11. Die Adulis-Inschrift und der 3. Syrische Krieg ................................... 69 12. Ein Königskultverein ......................................................................... 75 13. Das ägyptische Priesterdekret von Alexandria .................................... 78 14. Das Priesterdekret von Kanopos ......................................................... 90 15. Ein Herrscherkulttempel für Ptolemaios III. und Berenike II. in Hermopolis Magna .......................................................................... 104 16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien .................................. 107 17. Das älteste bekannte jüdische Gebetshaus außerhalb Israels ............. 116 18. Eine Weihung in Joppe/Jaffa (bei Tel Aviv/Israel) kurz nach dem Sieg von Raphia ....................................................................... 118 19. Die polis Naukratis .......................................................................... 121 20. Ein Graffito in Abydos aus der Zeit der oberägyptischen Sezession . 124 1. 2. 3.

Inhaltsverzeichnis

IV

21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.

Ein Graffito aus Abydos aus der Zeit der Belagerung der Stadt ........ 128 Das Priesterdekret von Memphis – die Rosettana ............................. 130 Zwei Stiftungsinschriften am Tempel von Antaiupolis ...................... 145 Das (angebliche) Testament Ptolemaios’ VIII. Euergetes .................. 148 Eine Weihung der ägyptischen Priesterschaft von Elephantine an das sechste Ptolemäerpaar ............................................................ 152 Eine Eingabe der Priester des Mandulis ........................................... 155 Die Weihung des Herodes und eines Königsvereins zugunsten des achten Ptolemäerpaares und seiner Kinder ........................................ 159 Ein Gymnasium in Ombos/Kom Ombo ............................................ 165 Ptolemaios VIII. und eine Beschwerde der Priester von Philae ......... 170 Das älteste lateinische Graffito in Ägypten ...................................... 175 Die Ehrung des Strategen Dorion durch die Idumäer von Memphis .. 178 Das Grabepigramm für den Soldaten Apollonios aus Edfu ............... 182 Reinheit beim Eintritt in einen Tempel von Ptolemais Hermiu ......... 185 Ein Asyliedekret für den Tempel des Horus der Stadt Athribis im Delta .......................................................................................... 188 Eine Statuenweihung für Aphrodite von Palaipaphos/Zypern ........... 192 Ein Asylieverfahren für einen kleinen Tempel im Faijum ................ 195 Eine Ehrung Kleopatras VII. ............................................................ 199 Eine Asylzuweisung für ein jüdisches Gebetshaus mit lateinischer Subskription .................................................................................... 204 Ein Beschluss der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kaisar .... 207 Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos ............... 213 Eine Statue des Marcus Antonius in Alexandria ............................... 220 Die Offenbarung der Isis auf einer Stele aus Kyme/Aiolis ................ 223 Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom .......................................... 230 Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus ..................................... 233 Ein Proskynema im Tempel der Isis von Philae ............................... 240 Die „Nadel der Kleopatra“ – ein Obelisk vom Caesareum in Alexandria ....................................................................................... 242 Eine dreisprachige Weihung an Isis aus Dendera ............................. 244 Das solarium Augusti in Rom .......................................................... 250 Der Obelisk vom Circus Maximus ................................................... 254 Das Epigramm des Catilius auf die Eroberung Ägyptens durch Octavian ................................................................................. 257 Die Stiftung eines Pan-Heiligtums in der Ostwüste .......................... 260 Eine Statuenweihung für Caligula und Trajan ................................... 262 Eine Weihung für Pax und Concordia im Tempel von Dendera ........................................................................................... 266 Verfügungen des Präfekten Gnaeus Vergilius Capito ....................... 270 Ein Edikt des Präfekten Lucius Lusius Geta zugunsten der Priester des Soknopaios ................................................................... 276

Inhaltsverzeichnis

V

56. Die Befreiung des Sphinx vom Sand durch den praefectus Aegypti Balbillus .......................................................................................... 278 57. Nero, der Wohltäter und Retter der Welt .......................................... 282 58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander ........................................... 286 59. Die Bauinschrift eines Kastells in der Ostwüste ............................... 301 60. Die Renovierung eines Nilkanals nach Alexandria ........................... 303 61. Die Stiftung einer Hathorkapelle im heiligen Bezirk von Kom Ombo durch die Römerin Petronia .......................................... 305 62. Der sogenannte Tarif von Koptos .................................................... 308 63. Eine zweisprachige Stiftungsinschrift an die „Neue Göttin“ durch Isidora ............................................................................................. 312 64. Zwei Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel in den Steinbrüchen der Ostwüste ......................................................................................... 315 65. Die Weihung des Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempels von Luxor ....................................................................................... 319 66. Der Besuch Kaiser Hadrians in Ägypten nach Epigrammen an den Memnonskolossen ........................................................................... 322 67. Die via Hadriana nova: Der Weg zum Roten Meer .......................... 329 68. Die Errichtung einer Basilika durch eine römische Kohorte ............. 331 69. Zwei griechische Kolossalstatuen aus Mittelägypten ........................ 334 70. Obelisken in Assuan ........................................................................ 337 71. Eine Weihung für die Erschienene Göttin in Aquileia/Italien ........... 339 72. Ein Epigramm auf den Ruhm der Stadt Ptolemais ............................ 341 73. Sarapis offenbart sich einem römischen Soldaten ............................. 346 74. Die Ägyptenreise des Septimius Severus nach einer Inschrift aus Portus Ostiae ................................................................................... 349 75. Eine Statuenweihung für Caracalla und seine Familie aus der Stadt Berenike am Roten Meer ................................................................. 351 76. Die Grabstele des C. Iulius Valerius ................................................ 353 77. Ein Siegesmonument (?) für Alexander Severus .............................. 356 78. Das Dekret des Strategen Aurelius Besarion über die Schweine im Hof des Mandulistempels von Kalabscha .................................... 359 79. Der „heiligste“ Nil erreicht Philae .................................................... 362 80. Die sogenannte Pompeiussäule in Alexandria .................................. 364 81. Ehreninschriften auf den beiden Vier-Säulen-Monumenten im Militärlager von Luxor .................................................................... 367 82. Das Opfer eines Esels durch einen Verein von Metallhandwerkern in Deir el-Bahari .............................................................................. 375 12

Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen ............................... 380

13

Konkordanz zu den Inschriften ........................................................... 386

14

Konkordanz vorhandener Inventarnummern ........................................ 393

15

Indizes (nach Textnummer) ................................................................ 394

Inhaltsverzeichnis

VI

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Sachen ............................................................................................. 394 Orte .................................................................................................. 402 Personen .......................................................................................... 406 Götter, mythische Figuren ................................................................ 410 Inschriften ........................................................................................ 412 Papyri .............................................................................................. 413 Literarische Quellen ......................................................................... 414

1 Vorwort und Einleitung Die Geschichte des ptolemäischen und römischen Ägypten in der Zeit zwischen dem Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. und dem Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. lässt sich mit Hilfe der archäologischen, literarischen, papyrologischen und epigraphischen Quellen in demotisch-kursivägyptischer, hieroglyphischägyptischer, griechischer und lateinischer Schrift besser rekonstruieren als die Geschichte fast jeder anderen Region der antiken Welt. Geprägt war die Zeit zwischen Alexander dem Großen und Konstantin dem Großen im Land am Nil vom Zusammenleben zahlreicher Menschen unterschiedlicher Herkunft. Die Migration von Griechen, Makedonen, Juden, Thrakern, Idumäern und anderen Völkerschaften hatte in dem selbstverständlich bereits schon zuvor von Zuwanderungen und Eroberungen geprägten, aber letztlich trotzdem kulturell relativ homogenen Ägypten eine multikulturelle Welt entstehen lassen, deren Bild zwar die heute noch imposanten ägyptischen Tempelanlagen von Philae, Edfu oder Dendera dominierten, in der aber nun auch die Kulte und Bräuche der Fremden entscheidenden Anteil in allen Lebensbereichen hatten. Neben den materiellen Hinterlassenschaften dieser Zeit eröffnen insbesondere die schriftlichen Quellen Zugänge zu vielfältigen Aspekten von Geschichte, Religion und Kultur des griechisch-römischen Ägypten und helfen, das Leben in dieser multikulturellen Gesellschaft zu erschließen.1 Die Zugänge, Methoden und Fragestellungen der Forschung ändern sich dabei von Generation zu Generation, was hingegen bleibt, das sind die Texte, auf die die Zugänge, Methoden und Fragestellungen appliziert werden und mit deren Hilfe man das Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher und kultureller Gruppen im späten Ägypten analysiert. Eine Auswahl dieser Texte, die in griechischer und lateinischer Sprache auf Stein eingemeißelt, eingeritzt oder aufgemalt wurden,2 soll dem Leser einen Einblick in diese Welt ermöglichen. Es bedarf eigentlich nicht des Hinweises, dass die vorliegende Sammlung von Inschriften auf Stein nur einen winzig kleinen und zudem auch noch einseitigen Ausschnitt der Geschichte des griechisch-römischen Ägypten präsentiert. Da es sich allein um Dokumente griechischer und lateinischer Schrift handelt, bleibt erstens ein ganz erheblicher Teil in ägyptischer Schrift verfasster epigraphischer Texte außen vor. Das gilt zweitens ebenfalls für die reichhaltige papyrologische Überlieferung.3 Drittens geben die hier ausgewählten Inschriften lediglich den Vorwort und Einlei tung

1 Vgl. J. H. Johnson (Hg.), Life in a Multi-Cultural Society: Egypt From Cambyses to Constantine and Beyond, Chicago 1992. 2 Vgl. die Definition von Inschrift bei Chr. Witschel, Der Kaiser und die Inschriften, in: A. Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, München 2011, 46f.: „Als ‚Inschriften‘ lassen sich generell Texte definieren, die aufgrund einer bewussten Entscheidung von Gemeinschaften in einem dauerhaften Material (in der Regel Stein oder Bronze) aufgezeichnet wurden, um sie einem größeren Publikum zu präsentieren und ihren Inhalt für die Nachwelt zu bewahren.“ 3 Eine schöne Zusammenstellung bietet J. Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse des öffentlichen und privaten Lebens. Griechisch – deutsch, München 1978.

2

Vorwort und Einleitung

Blickwinkel derjenigen Kreise wieder, die dazu in der Lage waren, Texte auf Stein verewigen zu lassen, und das waren allzu oft die gesellschaftlichen Eliten oder die Herrscher selbst. Es ist also dringend empfohlen, auch griechische und demotische papyrologische Texte, ebenso wie die hieroglyphische Überlieferung hinzuzuziehen, über die sich insbesondere die religiöse Welt des späten Ägypten erschließen lässt.4 Die vorliegende Zusammenstellung von epigraphischen Texten soll aber zumindest die Breite von Anlässen vor Augen führen, die Einzelpersonen und Gemeinschaften dazu veranlassten, Gedanken, Beschlüsse, Gesetze oder persönliche Überzeugungen in Form von Inschriften festzuhalten. Sie hatten häufig, wenn auch nicht immer, das Ziel, die Nachwelt dauerhaft zu informieren. In den kurzen Kommentaren zu jeder Inschrift sollen einerseits die Umstände ihrer Setzung und andererseits mögliche Interpretationsansätze aufgewiesen werden. Dies geschieht in gebotener Kürze mit dem Hinweis darauf, dass natürlich jede Inschrift das Potential zu einem eigenen, ihr gewidmeten Aufsatz oder gar einer Monographie hätte. In diesem Fall wäre dann freilich auch eine Autopsie des Textes oder die Arbeit mit einem Abklatsch notwendig. Bewusst ist der Titel der Sammlung mit der Wendung „zum Ptolemäerreich und zur Provinz Aegyptus“ gewählt, weil nicht nur Texte aus Ägypten selbst in die Sammlung Eingang gefunden haben, sondern auch solche Zeugnisse, die von anderen Regionen der antiken Welt einen Blick auf Ägypten bieten. So finden sich exemplarische Texte aus folgenden Bereichen ptolemäischer Herrschaft bzw. ptolemäischen Einflusses: Kyrene (Text 4, 24), Zypern (Text 35), Kleinasien (Text 16), ägäische Inseln (Text 6) und Syrien-Palästina (Text 18).5 Aus römischer Zeit finden sich Texte aus Rom (Texte 43, 48 und 49), dem Hafen von Ostia (Text 74) und Aquileia (Text 71). Die Texte sind in rein chronologischer Folge geordnet. Die erste Inschrift stammt aus der Zeit Alexanders des Großen (Text 1). Die letzten beiden Inschriften datieren in die Zeit des Beginns des 4. Jahrhunderts (Text 81 und 82) und markieren das Ende des „langen dritten Jahrhunderts“.6 Da die Texte nicht nach thematischen Gesichtspunkten oder Gattungskriterien geordnet sind, werden im Kommentar in den Fällen, in denen es nötig sein sollte, Hinweise zu anderen hier aufgenommenen Inschriften ähnlicher Gattung oder ähnlichen Themas gegeben. 4

Um einen Überblick über die Vielfalt der Texte aus Ägypten in deutscher Übersetzung zu erhalten, ist besonders die noch nicht abgeschlossene Zusammenstellung in den Bänden von B. Janowski (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge, Gütersloh 2004–, zu empfehlen. 5 Wer sich für Texte ptolemäischer Zeit in der griechischen Welt und deren deutsche Übersetzung interessiert, kann diese, mit Literatur und Kommentaren zusammengestellt finden in: H. Kotsidu, Time kai doxa. Ehrungen für hellenistische Herrscher im griechischen Mutterland und in Kleinasien unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Denkmäler, Berlin 2000; K. Bringmann/H. von Steuben, Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Teil I: Zeugnisse und Kommentare, Berlin 1995. 6 Im Sinne von P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems in der römischen Kaiserzeit. Die Entstehung einer „personalen Bürokratie“ im langen dritten Jahrhundert, Berlin 2005.

Vorwort und Einleitung

3

Ein Textdokument ist wie folgt aufgebaut: 1. Nach der Überschrift sind zunächst die wichtigen Editionen des jeweiligen Textes angeführt, woran die Nummer der Trismegistos-Datenbank (TM; www.trismegistos.org) anschließt.7 Über diese Nummer ist es im Internet leicht möglich, sich erstens die älteren, nicht mehr mit angeführten Editionen zu erschließen, und zweitens auch in Zukunft neue Hinweise und Editionen, die es zu der jeweiligen Inschrift geben wird, nachzuverfolgen. Soweit vorhanden, sind unter den Angaben zu den verschiedenen Editionen auch noch Übersetzungen der Inschrift in anderen Sammlungen angegeben. Falls sich die Inschrift in einem Museum befindet, wird, soweit sich dies erschließen ließ, auch noch die Inventarnummer hinter der Angabe „Standort“ mit angeführt. Fehlt die Inventarnummer bzw. wurde diese nicht gefunden, steht „n.n.“. 2. Es folgt eine kurze Einleitung. Da jede Inschrift für sich selbst gelesen und verstanden werden soll, bleibt es nicht aus, dass es hier an manchen Stellen zu gewissen Redundanzen kommt, insbesondere dann, wenn Inschriften zu einer ähnlichen Gattung gehören oder wenn sie im gleichen Kontext zu verorten sind. Häufig ist aber auch durch Querverweise auf ähnliche Texte im vorliegenden Corpus verwiesen. 3. Daran schließen sich in zwei Spalten der Text und die Übersetzung an. Da es sich um keine Edition handelt, sind die Texte, soweit es sinnvoll erscheint, nach Sinnabschnitten gegliedert, damit ein leichteres Verständnis der gedanklichen Struktur der jeweiligen Inschrift möglich ist. 4. Dem Verständnis der häufig kompliziert konstruierten und mit vielen unbekannten Begrifflichkeiten oder auch schwierigen historischen Kontexten aufwartenden Inschriften dient ein kurzer Kommentar, dessen Ziel es ist, die inhaltlichen und historischen Probleme des Textes, ebenso wie die ihm innewohnenden Erkenntnismöglichkeiten vor Augen zu führen und zu eigenen weiteren Forschungen zu ermuntern. 5. Wichtige Literatur zur Inschrift ist eigens darunter zusammengestellt, so dass eine erste Hilfestellung zur weiteren Beschäftigung mit der Inschrift geboten ist. Gewidmet ist diese Zusammenstellung meinen akademischen Lehrern an der Universität Trier. Mein Dank gilt Louise Gestermann und Christian Leitz für die Aufnahme in vorliegende Reihe und zudem zahlreichen Personen, die die Entstehung dieser Arbeit in den letzten fünf Jahren durch ihre Kritik und Korrektur begleitet haben, wobei es sich von selbst versteht, dass alle verbliebenen Fehler zu meinen Lasten gehen: Andrea Binsfeld, Silke Caßor-Pfeiffer, Alexander Flegler, Marius Gerhardt, Nils Nathanael Fischer, Leonhard Mertens, Ange7 M. Depauw/T. Gheldof, Trismegistos. An interdisciplinary Platform for Ancient World Texts and Related Information, in: Ł. Bolikowski u.a. (Hg.), Theory and Practice of Digital Libraries – TPDL 2013 Selected Workshops, Cham 2014, 40–52.

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Vorwort und Einleitung

lika Paul, Lutz Popko, Sandra Scheuble-Reiter, Reinhold Scholl, Daniel von Recklinghausen und Gregor Weber. In der vorliegenden zweiten Auflage wurden Fehler korrigiert, die Einführung erweitert, Interpretationen von Texten ausgebaut und teils auch geändert, neu erschienene Literatur ergänzt und zahlreiche Abbildungen hinzugefügt. Die Nummerierung der Inschriften selbst bleibt identisch, weil keine weiteren Texte hinzugefügt wurden, doch empfiehlt es sich von nun an, vorliegende Ausgabe zu konsultieren. Besonderer Dank gilt Arne Brodersen und Pia Elfert für die überaus sorgfältige Durchsicht des Manuskripts. Für sehr wichtige Hinweise danke ich wiederum Werner Huß und Friedhelm Hoffmann.

Halle (Saale), im April 2020

Stefan Pfeiffer

Das griechisch-römische Ägypten

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2 Das griechisch-römische Ägypten Die Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen im Jahr 332 v. Chr. führte zu grundlegenden Veränderungen der gesellschaftlichen, religiösen und politischen Struktur Ägyptens. Von nun an sollte nie wieder ein einheimischer Pharao über die Geschicke des Landes am Nil bestimmen. Die Herrschaft lag vielmehr seit dem Tod Alexanders 323 v. Chr. zunächst de facto und dann seit 306/305 v. Chr. auch de iure in den Händen der makedonischen Dynastie der Ptolemäer. Man bezeichnet sie auch als Lagidendynastie, da Ptolemaios I. der Sohn des Lagos war. Nach dem Tod der letzten ptolemäischen Königin Kleopatra VII. im Jahr 30 v. Chr. machte Octavian, der seit 27 v. Chr. den Namen Augustus führte, Ägypten schließlich zur Provinz des römischen Imperiums. Sowohl Alexander als auch Augustus haben die Geschicke und die Geschichte der antiken Welt entscheidend beeinflusst und verändert. So lässt man heute mit ihnen jeweils zu Recht ein neues Zeitalter beginnen: das des Hellenismus, als Zeit der Verbreitung des „Griechentums“ im Orient, und das der römischen Kaiserzeit oder korrekter des römischen Prinzipats. Der nächste, für die weitere Geschichte maßgebliche Herrscher sollte Konstantin der Große werden, denn mit seiner Herrschaft begann der (sichtbare) Wandel vom paganen zum christlichen Ägypten. Auch die diokletianischen Reformen, insbesondere im administrativen Bereich, fanden erst unter Konstantin ihren Abschluss. Die daran anschließende Epoche, die für Altertumswissenschaftler, die über Ägypten arbeiten, bereits unter dem Terminus „Byzantinische Zeit“ (324–617 n. Chr.) firmiert,8 soll trotz zahlreicher Kontinuitäten zur paganen Antike nicht mehr Thema vorliegender Sammlung sein. In der Literatur gibt es eine Diskussion darüber, ob man überhaupt vom „griechisch-römischen Ägypten“ sprechen kann oder darf, denn das Ägypten unter ptolemäischer Herrschaft war ein anderes als die römische Provinz Aegyptus.9 Man sollte aber zwischen verschiedenen politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Interaktionsräumen unterscheiden. Der politische Bruch etwa zwischen der Ptolemäerzeit und der römischen Herrschaft war offensichtlich, und Rom bemühte sich, diesen Bruch herauszustellen (vgl. Text 44: Stele des Gaius Das griechis ch-römis che Ägypten

8 Vgl. etwa den Sammelband von R. S. Bagnall (Hg.), Egypt in the Byzantine World, 300–700, Cambridge 2007. 9 Vgl. J. Modrzejewski, La règle de droit dans l’Égypte romaine, in: Proceedings of the 12th International Congress of Papyrology 1968, Toronto 1970, 317–368; N. Lewis, ‚Greco-Roman Egypt‘: Fact or Fiction?, in: Proceedings of the 12th International Congress of Papyrology 1968, Toronto 1970, 3–14; ders., The Romanity of Roman Egypt: A Growing Consensus, in: ders., On Government and Law in Roman Egypt. Collected Papers of Naphtali Lewis, Atlanta 1995, 298–305; G. Geraci, L’Egitto romano nella storiografia moderna, in: L. Criscuolo/G. Geraci (Hg.), Egitto e storia antica dall’ellenismo all’età araba. Bilancio di un confronto. Atti del colloquio internazionale. Bologna, 31 agosto – 2 settembre 1987, Bologna 1989, 55–88; A. Monson, From the Ptolemies to the Romans: Political and Economic Change in Egypt, Cambridge 2012; vgl. M. J. Versluys, Understanding Egypt in Egypt and Beyond, in: L. Bricault/M. J. Versluys (Hg.), Isis on the Nile. Egyptian Gods in Hellenistic and Roman Egypt. Proceedings of the IVth International Conference of Isis Studies, Liège, November 27–29, 2008. Michel Malaise in honorem, Leiden/Boston 2010, S. 35: „Talking about Hellenistic-Roman Egypt, as is customary in general, scholarly literature seems, in fact, not right from that perspective.“

6

Das griechisch-römische Ägypten

Cornelius Gallus).10 Jenseits des offensichtlichen politischen Wechsels und der Veränderungen in der Verwaltung des Landes dürften in anderen Bereichen die Transformationsprozesse, die die ägyptische ebenso wie die griechische Kultur in Ägypten nach dem Wechsel der Fremdherrschaft durchlaufen hat, wesentlich langerfristiger gewesen sein.11 Zudem gab es Phänomene der longue durée, etwa in der Religion, die sich kaum bzw. erst mit Beginn des christlichen Ägypten änderten.12 Aus diesem Grund erscheint eine Bezeichnung der über 600 Jahre zwischen Alexander dem Großen und Konstantin dem Großen als „griechisch-römische Epoche“ durchaus berechtigt. Inzwischen ist es unbestritten, dass Ägypten den Status einer provincia hatte und nicht, wie früher angenommen, eine Art kaiserliche Krondomäne war.13 Die Frage aber, inwiefern der Provinz Ägypten zumindest bis ins frühe 3. Jh. eine Sonderstellung unter den Provinzen des Imperiums zukam, ist und bleibt diskutabel.14 Ägypten mag zwar keinen Sonderstatus besessen haben, ein Sonderfall war es aber allein schon ob seiner geostrategischen und wirtschaftlichen Bedeutung trotzalledem. Man sollte deshalb, gerade mit Blick auf die Tatsache, dass jede Provinz ihre Eigenheiten hatte, vorsichtig damit sein, ohne direktes Vergleichsmaterial aus einer anderen Provinz die ägyptische Evidenz als paradigmatisch für das Imperium zu werten.15

10 Zu Fragen „ethnischer Identität“ in dieser Zeit vgl. W. Clarysse/D. J. Thompson, Counting the People in Hellenistic Egypt, Cambrige 2004; K. Goudriaan, Ethnic Identity in Ptolemaic Egypt, Amsterdam 1988; D. J. Thompson, Hellenistic Hellenes: The Case of Ptolemaic Egypt, in: I. Malkin (Hg.), Ancient perceptions of Greek ethnicity, Washington DC 2001, 301–322; W. Huß, Ethnizität und Kulturalität im ptolemaiischen Ägypten, in: APF 59, 2013, 359–268; Chr. Fischer-Bovet, Official Identity and Ethnicity: Comparing Ptolemaic and Early Roman Egypt, in: JEH 11, 2018, 208–242; W. Clarysse, Ethnic Identity: Egyptians, Greeks, and Romans, in: K. Vandorpe (Hg.), A Companion to Greco-Roman and Late Antique Egypt, Hoboken 2019, 299–313. 11 Vgl. A. Monson, From the Ptolemies to the Romans. Political and Economic Change in Egypt, Cambridge 2012, 10–16, mit Literatur; R. Haensch, Die Provinz Aegyptus: Kontinuitäten und Brüche zum ptolemäischen Ägypten. Das Beispiel des administrativen Personals, in: I. Piso (Hg.), Die römischen Provinzen. Begriff und Gründung, Cluj-Napoca 2008, 81–105; ders., Typisch römisch? Die Gerichtsprotokolle der in Aegyptus und den übrigen Reichsprovinzen tätigen Vertreter Roms, in: H. Börm u.a. (Hg.), Monumentum et instrumentum inscriptum. Beschriftete Objekte aus Kaiserzeit und Spätantike als historische Zeugnisse, Stuttgart 2008, 117–126. 12 D. Frankfurter, Religion in Roman Egypt: Assimilation and Resistance, Princeton 2000. 13 Grundlegend ist hier die Arbeit von G. Geraci, Genesi della provincia d’Egitto, Bologna 1983. 14 Vgl. P. Eich, Die Administratoren des römischen Ägyptens, in: R. Haensch/J. Heinrichs (Hg.), Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der Hohen Kaiserzeit, Köln u.a. 2007, 378–399; A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 24–58, auf der einen und L. Capponi, Augustan Egypt: The Creation of a Roman Province, London 2005 (mit der Rezension von A. Jördens, in: Laverna 17, 2006, 156– 172), auf der anderen Seite; zuletzt M. A. Speidel, Egypt’s Specificity and Impact on Roman History, in: K. Vandorpe (Hg.), A Companion to Greco-Roman and Late Antique Egypt, Hoboken 2019, 573– 580. 15 Vgl. A. Monson, From the Ptolemies to the Romans. Political and Economic Change in Egypt, Cambridge 2012, 4: „Although Egypt was not a unique province within the Roman empire, the very flexibility of the provincial administration ... causes one to doubt whether any province was typical. The goal should not be to extrapolate from Egypt to fill in the gaps in our knowledge about the Hellenistic and Roman world.“

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3 Darstellungen zur Geschichte des späten Ägypten & R. S. Bagnall (Hg.), The Oxford Handbook of Papyrology, Oxford 2009. & R. S. Bagnall/D. W. Rathbone, Egypt. From Alexander to the Copts. An Archaeological and Historical Guide, London 2004. & A. K. Bowman, Egypt after the Pharaohs: 332 BC–AD 642. From Alexander to the Arab Conquest, Berkeley 21996. & L. Mitteis/U. Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Leipzig/Berlin 1912. & P. W. Pestman, The New Papyrological Primer, Leiden u.a. 1994. & H.-A. Rupprecht, Kleine Einführung in die Papyruskunde, Darmstadt 1994. & K. Vandorpe (Hg.), A Companion to Greco-Roman and Late Antique Egypt, Hoboken 2019. Geschichte der Ptolemäerzeit & J. Bingen, Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007. & M. Chauveau, Egypt in the Age of Cleopatra. History and Society under the Ptolemies, Ithaca/New York 2000 (orig. L’Égypte au temps de Cléopâtre, Paris 1997). & P. M. Fraser, Ptolemaic Alexandria, 3 Bde., Oxford 1972. & G. Hölbl, Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung, Darmstadt 2 2004. & W. Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001. & N. Lewis, Greeks in Ptolemaic Egypt. Case Studies in the Social History of the Hellenistic World, Oxford 1986. & J. G. Manning, The Last Pharaohs. Egypt Under the Ptolemies, 305–30 BC, Princeton/Oxford 2010. & St. Pfeiffer, Die Ptolemäer. Im Reich der Kleopatra, Stuttgart 2017. & V. M. Strocka/H. Maehler (Hg.), Das ptolemäische Ägypten. Akten des internationalen Symposions 27.–29. September 1976 in Berlin, Mainz 1978. Geschichte der Provinz Aegyptus & D. Frankfurter, Religion in Roman Egypt. Assimilation and Resistance, Princeton/New Jersey 1998. & F. Herklotz, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main 2007. & G. Hölbl, Altägypten im römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel, 3 Bde., Mainz 2000–2005. & A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009. & K. Lembke u.a., Ägyptens späte Blüte: Die Römer am Nil, Mainz 2004. & N. Lewis, Life in Egypt under Roman Rule, Oxford 1986.

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& St. Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.– 217 n. Chr.), Stuttgart 2010. & Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012. 4 Sprachen und Schriften im griechisch-römischen Ägypten Das griechisch-römische Ägypten war eine vielsprachige Welt, neben dem einheimischen Ägyptisch trat das Griechische und seit der Provinzwerdung schließlich vereinzelt auch das Lateinische.16 Das Griechische wiederum, genauer das ‚ausgedehnte‘ Attisch, koine dialektos (κοινὴ διάλεκτος) bzw. die Koine genannt, war die allgemeine Umgangssprache der hellenistischen Welt und die Schriftsprache der Zuwanderer. 17 Das gilt besonders für diejenigen Fremden, die nichtgriechischer Herkunft waren, also Makedonen, Thraker, Idumäer und Juden. Letztere übersetzten sogar ihre heilige Schrift ins Griechische. Die gesamte Verwaltung basierte ebenfalls auf dem Gebrauch des Griechischen. Die Griechen und ihnen nahestehende Ethnien brachten zudem die epigraphischen Gepflogenheiten der hellenistischen Welt wie Stiftungsinschriften oder Ehrendekrete mit nach Ägypten, so dass die meistens auch andernorts bekannten epigraphischen Textformen in Ägypten belegt sind. Peremans ist der durchaus berechtigten Ansicht, dass die wenigsten Griechen das Ägyptische lernten, und geht gleichzeitig davon aus, dass auch Ägypter, insbesondere die Landbevölkerung kaum des Griechischen mächtig waren.18 Nur die ägyptischen Eliten erlernten die Sprache der neuen Herrscher und konnten dann Karriere in deren Diensten machen. Die ptolemäischen Könige, abgesehen von der siebten Kleopatra, beherrschten wohl ebenfalls nicht die Sprache des Landes.19 Neuerdings geht man jedoch davon aus, dass zumindest von einer funktionalen Zweisprachigkeit der Bevölkerung auszugehen sei, 20 wofür es freilich keine positiven Belege gibt. Sprachen und Schr iften i m griechis ch-r ömis chen Ägypten

16 Einführend S. Torallas Tovar/M. Vierros, Languages, Scripts, Literature, and Bridges Between Cultures, in: K. Vandorpe (Hg.), A Companion to Greco-Roman and Late Antique Egypt, Hoboken 2019, 486–499. 17 R. Browning, Von der Koine bis zu den Anfängen des modernen Griechisch, in: H.-G. Nesselrath (Hg.), Einleitung in die griechische Philologie, Stuttgart/Leipzig 1997, 156–161; S.-T. Teodorsson, The Phonology of Ptolemaic Koine, Lund 1977. 18 W. Peremans, Über die Zweisprachigkeit im ptolemäischen Ägypten, in: H. Braunert (Hg.), Studien zur Papyrologie und antiken Wirtschaftsgeschichte. Friedrich Oertel zum achtzigsten Geburtstag gewidmet, Bonn 1964, 49–60. 19 Vgl. E. Crespo, The Linguistic Policy of the Ptolemaic Kingdom, in: M. B. Hatzopoulos (Hg.), Actes du Ve congrès international de dialectologie grecque, Athen 2007, 35–49. 20 S. Torallas Tovar, Linguistic Identity in Graeco-Roman Egypt, in: A. Papaconstantinou (Hg.), The Multilingual Experience in Egypt. From the Ptolemies to the Abbasids, Ashgate 2010, 29f.; E. CruzUribe, Social Structure and Daily Life: Graeco-Roman, in: A. B. Lloyd (Hg.), Companion to Ancient Egypt, Chichester/Malden 2010, 493.

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Die Herrschaft wiederum nahm durchaus Rücksicht auf die zweisprachige Situation im Lande. So findet sich im Revenue Laws-Papyrus die Verfügung, Urkunden griechisch und demotisch zu veröffentlichen.21 In einem prostagma der siebten Kleopatra fordert die Königin, selbiges „soll zusammen mit der Ausführungsanweisung in griechischer und einheimischer Schrift kopiert werden.“ (vgl. Text 39). Das entsprach durchaus dem Wunsch der Untertanen. So forderte ein Priester in einer Bittschrift den König auf zu veranlassen, an seinem „Hause selbst einen Anschlag auf einer geweißten Tafel“ zu veröffentlichen, die ihm Schutz vor staatlichen Funktionären garantierte.22 Diese Tafel war genehmigt und das programma „in griechischer und ägyptischer Schrift“ veröffentlicht worden.23 So wurden Asylieverleihungen an Tempel ebenfalls zweisprachig verfasst, wie es folgender Wunsch der Priester des Herontempels in Magdola zeigt, die den König bitten, eine Asylieverleihung an ihr Heiligtum durchzuführen und „steinerne Stelen aufzustellen mit griechischer und demotischer Schrift vor dem Propylon des Heiligtums“.24 Dass diese Aufforderung bei königlichen Erlassen nicht immer mit angeführt werden musste, zeigt eine Asylieverleihung an den Tempel von Athribis (vgl. Text 34), die nicht nur griechisch und demotisch, sondern sogar in hieroglyphischer Schrift überliefert ist. Wie im gesamten Osten des römischen Reiches, so blieb auch in der römischen Provinz Aegyptus das Griechische die übliche Verkehrssprache. 25 Nur ein Bruchteil der auf die unterschiedlichsten Textträger geschriebenen Zeugnisse ist in lateinischer Sprache verfasst.26 So zeigt eine Recherche in der Datenbank Trismegistos, dass dort 12052 griechische Inschriften (ohne Steinbruchmarken) verzeichnet sind (39 davon griechisch-lateinisch und eine griechisch-lateinisch21 P.Rev. Laws Kol. 9,4–6 (259/258 v. Chr.): ἀφʼ ἧς δʼ ἂν ἡµέρας τὴν ὠνὴν παραλάβωσιν, οἱ ἐν τῶι ἐµπορίωι λ[ο]γευταὶ [ἐκ]τιθέτωσαν ἐ[ν τ]ῶι τελωνίωι ἐν ἡµέρα[ις] δέκ\α/ τὸν τ[ῆ]ς [ὠνῆς νό]µον γράψαντες γράµµασιν ἑλλη[νικοῖς τε καὶ ἐγχ]ωρίοις καὶ ἐάν τι πρόγραµµα [περὶ τῶν συγκυρόντω]ν̣ ταῖς ὠναῖς γένηται γεγρα[µµένον.]; „Vom Tage ab, an dem sie sich um die Pacht bemühen, sollen die Steuerbeamten des Büros während zehn Tagen die Kaufverordnung im Amte anschlagen, und zwar in griechischer und einheimischer Sprache, desgleichen auch, wenn eine Anzeige über etwas die Pacht betreffendes verfasst wird.“ (Übersetzung: W. Peremans). 22 UPZ I 106,19–31 (99 v. Chr.): ἐπʼ αὐτῆς δὲ τ[ῆ]ς ο[ἰ]κίας π[ρ]ο[θ]εῖν[α]ι [ἐν λ]ευκώµα[τ]ι καὶ τῶι [β]ασ[ιλι]κῶι γραµ[µα]τεῖ προσφωνηθῆν[αι]. 23 UPZ I 108,29–31 (99 v. Chr.): προτεθέντος δὲ καὶ πρὸ τῆς οἰκίας µ[ου] ἐ̣ν̣ λευκώµα(τι) τοῖς τε Ἑλληνικοῖς καὶ ἐνχω(ρίοις) γράµµασιν τοῦ προγράµµα(τος). 24 SB II 7259,33–36 = I.Fayoum III 152 (95 v. Chr.): καὶ ἀναθεῖναι στήλας λιθίνας ἐκκεκολαµµένας τοῖς θ’ ἑλληνικο[ῖς] καὶ ἐνχωρίοις γράµµασιν πρὸ τοῦ λιθίνου προπύλου τοῦ ἱεροῦ. 25 Zur Mehrsprachigkeit im römischen Ägypten E. Lüddeckens, Ägypten, in: G. Neumann/J. Untermann (Hg.), Die Sprachen im Römischen Reich der Kaiserzeit, Köln/Bonn 1980, 241–265; R. Schmitt, Die Sprachverhältnisse in den östlichen Provinzen des Römischen Reiches, in: ANRW II 29,2, 1983, 561–563; P. Fewster, Bilingualism in Roman Egypt, in: J. N. Adams u.a. (Hg.), Bilingualism in Ancient Society. Language Contact and the Written Text, Oxford 2002, 220–245; B. Rochette, Sur le bilinguisme dans l’Égypte gréco-romaine, in: CdÉ 71, 1996, 153–168; J. N. Adams, Bilingualism and the Latin Language, Cambridge 2003, 527–641. 26 Vgl. E. V. Evans, Latin in Egypt, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 516: 2 %; zur Frage der „Sprache der Herrschaft“ beim Militär: O. Stoll, Zwischen Integration und Abgrenzung. Die Religion des Römischen Heeres im Nahen Osten, St. Katharinen 2001, 46– 52.

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hieroglyphisch). Dies steht einer Gesamtzahl von 414 lateinischen Inschriften (ohne Steinbruchmarken) gegenüber (inklusive der genannten griechischlateinisch-[hieroglyphischen] Inschriften), was einem Anteil von etwa 3% gleichkommt.27 In der Epigraphik findet sich Latein dabei insbesondere in militärischen Inschriften offiziellen oder privaten Ursprungs.28 Als die Griechen und später die Römer nach Ägypten kamen, trafen sie hier auf eine zweisprachige Schriftkultur. Beide Sprachstufen, das altertümliche bzw. archaisierende Ägyptisch und das aktuellere Ägyptisch, verhielten sich ungefähr so zueinander, wie das heutige Italienisch zum mittelalterlichen Latein. Dementsprechend spricht Manetho davon, dass die Ägypter zwischen der „heiligen Sprache“ (ἱερὰ γλῶσσα) und der „allgemeinen Redeweise“ (κοινὴ διάλεκτος) unterschieden.29 Aus der Verwendung zweier Schriftsprachen, von denen die alte als heilig galt, resultierte in den meisten Fällen auch die Verwendung unterschiedlicher Schriften. So schrieb Diodor: „Die Ägypter besitzen zwei Schriften: Die eine, ‚demotisch‘ genannt, lernen alle; die andere wird die ‚heilige‘ genannt. Bei den Ägyptern verstehen sie allein die Priester, die sie von den Vätern in den Mysterien lernen.“30 Mit Letzterem meint Diodor die hieroglyphische Schrift und ihre Kursive, das Hieratisch, und mit Ersterem die demotische Schrift. Die Priester bezeichneten die erste als „Schrift der Gottesworte“ (sx n md.w-nTr) oder „Schrift der Tempelbibliothek“ (sx Pr-onX). In ihr verfassten sie zumeist Texte der bewusst archaisierenden Sprachstufe, von Ägyptologen Spätmittelägyptisch oder égyptien de tradition genannt, 31 und Diodor verweist auch ganz richtig darauf, dass nur eine kleine Priesterelite zum Schriftgebrauch befähigt war. Trotzdem ist das Gros der heute überlieferten ägyptischen Texte dieser Zeit in Hieroglyphen verfasst, weil sie in großem Umfang an den Tempelwänden des Landes angebracht wurden.32 Die „Hieratisch“ genannte Kursive dieser Hieroglyphen fand vor allem in den heiligen Texten der Tempelbibliotheken und der Jenseitsliteratur Verwendung.33

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Ich danke Mark Depauw für diese freundliche Auskunft. Vgl. hierzu R. S. Bagnall, Egypt in Late Antiquity, Princeton 1993, 231; zum Lateinischen in Ägypten: J. N. Adams, Bilingualism and the Latin Language, Cambridge 2003, 527–641; T. V. Evans, Latin in Egypt, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 516–525; B. Rochette, Traducteurs et traductions dans l’Égypte gréco-romaine, in: CdÉ 69, 1994, 313–322; J.L. Fournet, The Multilingual Environment of Late Antique Egypt: Greek, Latin, Coptic, and Persian documentation, in: R. S. Bagnall (Hg.), The Oxford Handbook of Papyrology, Oxford 2009, 418–451; ders., Langues, écritures et cultures dans les praesidia, in: H. Cuvigny (Hg.), La route de Myos Hormos. L’armée dans le désert Oriental d’Égypte, Kairo 2003, 427–500. 29 Nach Ios. c.Ap. I 82. 30 Diod III 3. 31 A. Engsheden, La reconstitution du verbe en égyptien de tradition 400–30 avant J.-C., Uppsala 2003. 32 Vgl. D. Klotz, Egyptian Hieroglyphs, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 563–580. 33 G. Vittmann, Schrift und Verwaltung, in: K. Lembke u.a., Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil, Mainz 2004, 87. 28

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Die demotische „Schrift der Urkunden“ (sx Sot) wiederum entstand im 7. Jahrhundert v. Chr. als eine stark vereinfachte zweite Kursive der Hieroglyphen, die meist zur Verschriftlichung der zeitgenössischen Schriftsprache diente.34 Das Demotische war aber – entgegen der Aussage Diodors – keinesfalls eine Schrift des ‚einfachen Ägypters‘, dafür war sie viel zu schwer zu erlernen,35 vielmehr diente es vor allem zur Fixierung von rechtlichen Vorschriften, und zudem war es die Schrift der ägyptischen Literatur.36 Demotisch war damit also genauso eine Schrift der Priesterelite wie die Hieroglyphen. Um deshalb von der römischen Verwaltung als Priester anerkannt zu werden, war für den Bewerber die Kenntnis sowohl der „hieratischen“ ([ἱε]ρατικὰ) als auch der „ägyptischen Schriftzeichen“ (Αἰγύπτια γράµ[µατ]α) vorgeschrieben.37 Mit Blick auf ägyptische Sprache und Schrift ist also zu beachten, dass darunter sowohl das Demotische als auch das Hieroglyphenägyptische verstanden werden kann. Deshalb konnte das Demotische natürlich auch zur Niederschrift der alten Sprachstufe genutzt werden, ebenso wie auch Texte in Hieroglyphen in der zeitgenössischen Sprachstufe abgefasst wurden.38 Es finden sich sogar Texte, die nicht eindeutig der einen oder anderen Sprachstufe zugewiesen werden können.39 Die Papyri und Ostraka zeigen, dass die einheimische Sprache zunächst noch eine Rolle in der lokalen Verwaltung des hellenistischen Ägypten spielte, doch ihre Bedeutung schwand schon in der späteren Ptolemäerzeit, und unter römischer Herrschaft findet sich Demotisch dann nur noch auf Steuerquittungen – sogar in der Privatkorrespondenz verschwindet es im ersten Jahrhundert,40 so dass man sich fragt, wie Ägypter, die kein Griechisch konnten, bis zur Einführung des Koptischen schriftlich miteinander kommunizierten. Mehr und mehr blieb das Demotische seit der römischen Zeit, ebenso wie die hieroglyphische

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Vgl. die Einleitung von F. Hoffmann, Ägypten: Kultur und Lebenswelt in griechisch-römischer Zeit. Eine Darstellung nach den demotischen Quellen, Berlin 2000, 13–19; J. F. Quack, Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III. Die demotische und gräko-ägyptische Literatur, Berlin 32016, 1. 35 Vgl. A. Papaconstantinou, Introduction, in: dies. (Hg.), The Multilingual Experience in Egypt. From the Ptolemies to the Abbasids, Ashgate 2010, 7: „As far as written language is concerned, for instance, Egyptian was much more elitist and exclusive than Greek.“; J. Quaegebeur, The Study of Egyptian proper Names in Greek Transcription: Problems and Perspectives, in: Onoma 18, 1974, 405: „In the 4th/5th century, when hieroglyphic writing succumbed to its own complexity ... and demotic to its difficulty.“ 36 J. Ray, How Demotic Is Demotic?, in: EVO 17, 1994, 251–264. 37 P.Tebt. II 291,41f. (162/161 v. Chr.); vgl. auch P.Rain. Cent. 5; mit den Αἰγύπτια γράµ[µατ]α dürfte wohl die demotische Schrift bezeichnet sein, wie SB I 5117,6 (διὰ τὸ µὴ εἰδέναι αὐτὸν] γ̣ρ̣άµµα̣τ̣α̣ [Ἑλλ]ηνικά, ἀλλὰ Αἰγύπτια γράφει) nahelegt. 38 Vgl. J.-F. Quack, Monumental-demotisch, in: L. Gestermann/H. Sternberg-el Hotabi (Hg.), Per Aspera ad Astra: Wolfgang Schenkel zum neunundfünfzigsten Geburtstag, Kassel 1995, 107–121. 39 A. von Lieven, Grundriss des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch, Kopenhagen 2007, 245; gemeint sind insbesondere die hieroglyphischen Versionen der ägyptischen Priesterdekrete. 40 Vgl. M. Depauw, Language Use, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 494; möglicherweise hat Rom hier einen entscheidenden Einfluss gehabt: N. Lewis, The Demise of the Demotic Document: When and Why, in: JEA 79, 1993, 276–281.

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Schrift, auf den religiösen Bereich beschränkt,41 verschwand dann aber erst im 5. Jh. n. Chr., denn das letzte Graffito stammt aus Philae aus dem Jahr 452.42 Die letzte hieroglyphische Inschrift wiederum ist ebenfalls aus Philae belegt und datiert in das Jahr 394.43 Die ägyptische Sprache lebte natürlich weiter, doch verwendeten ihre Nutzer, zunächst nur für religiöse, dann auch für profane Kontexte das Koptische, wozu sie dem griechischen Alphabet sechs demotische Sonderzeichen hinzufügten.44 Die Heraufkunft des Koptischen zeigt gleichzeitig, dass im Land noch weitgehend Ägyptisch gesprochen wurde, und das, obwohl die beiden Schriften, insbesondere das Demotische, vollkommen unbedeutend geworden waren.45 Ein besonderes Kennzeichen Ägyptens unter römischer Herrschaft war es, das sei hier noch angemerkt, dass, anders als in vielen anderen Provinzen, das lokale Idiom nicht nur in der Schriftsprache weiterlebte, sondern auch in Dokumenten der römischen Herrschaftsrepräsentation fortdauern konnte (vgl. Text 44). Zahlreiche Tempelreliefs zeigen zudem die römischen Kaiser, wie schon zuvor die Ptolemäer, in hieroglyphischen Texten als ägyptische Pharaonen bei Opferritualen für die einheimischen Götter. Die ägyptische Sprache wiederum scheint fast keine Einflüsse auf das Griechisch Ägyptens gehabt zu haben,46 es sei denn natürlich, dass Ägypter griechische Texte verfasst haben.47 Eine griechisch-ägyptische Wörterliste zeigt aber, 41 Vgl. R. S. Bagnall, Egypt in Late Antiquity, Princeton 1993, 236f.; F. Hoffmann, Ägypten: Kultur und Lebenswelt in griechisch-römischer Zeit. Eine Darstellung nach den demotischen Quellen, Berlin 2000, 18; M. Depauw, Language Use, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 495. 42 F. Ll. Griffith, Catalogue of the Demotic Graffiti of the Dodecaschoenus, 1935–1937, Nr. 365, 377; Abb. 163 in G. Vittmann, Schrift und Verwaltung, in: K. Lembke u.a., Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil, Mainz 2004, 90; M. Depauw, A Chronological Survey of Precisely Dated Demotic and Abnormal Hieratic Sources, Köln 2007 (www.trismegistos.org/top.php), 231f.; E. Cruz-Uribe, The Death of Demotic Redux. Pilgrimage, Nubia and the Preservation of Egyptian Culture, in: H. Knuf u.a. (Hg.), Honi soit qui mal y pense: Studien zum pharaonischen, griechisch-römischen und spätantiken Ägypten zu Ehren von Heinz-Josef Thissen, Löwen u.a. 2010, 499–509, mit weiterer Literatur. 43 FHN III 306; Abb. 155 in: G. Vittmann, Schrift und Verwaltung, in: K. Lembke u.a., Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil, Mainz 2004, 86. 44 J. Quaegebeur, De la préhistoire de l’écriture copte, in: OLP 13, 1982, 125–136; vgl. allerdings M. Depauw, Language Use, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 500: „Few scholars today would suggest that Coptic was created to get rid of the difficult Demotic script.“ A. Papaconstantinou, Dioscore et le bilinguisme dans l’Égypte du VIe siècle, in: J.-L. Fournet (Hg.), Les archives de Dioscore d’Aphrodité cent ans après leur découverte. Histoire et culture dans l’Égypte byzantine: actes du Colloque de Strasbourg, 8–10 décembre 2005, Paris 2008, 82f.; J.-F. Quack, How the Coptic Script Came About, in: E. Grossman u.a. (Hg.), Greek Influence on EgyptianCoptic: Contact-Induced Change in an Ancient African Language, Hamburg 2017, 27–96. 45 Vgl. M. Depauw, Language Use, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 498. 46 S. Torallas Tovar, The Context of Loanwords in Egyptian Greek, in: P. Bádenas u.a. (Hg.), Lenguas en contacto: el testimonio escrito, Madrid 2004, 57–67; S. Torallas Tovar, Greek in Egypt, in: E. J. Bakker (Hg.), A Companion to the Ancient Greek Language, Chichester/Malden 2010, 260–265. 47 M. Vierras, Everything Is Relative: The Relative Clause Constructions of an Egyptian Scribe Writing Greek, in: L. Pietilä-Castrén/M. Vesterinen (Hg.), Grapta Poikila I, Helsinki 2003, 13–23.

Sprachen und Schriften im griechisch-römischen Ägypten

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dass es Kreise gab, die sich für die ägyptischen Übersetzungen griechischer Begriffe interessierten.48 Derzeit gibt es zudem Bemühungen, sich intensiver mit der Frage der Entwicklungen des Griechischen in Ägypten zumindest für die römische Zeit auseinanderzusetzen. 49 Sucht man nach den spezifischen Eigenarten des Griechischen im Land, so besteht gerade in römischer Zeit die Gefahr, lateinische Einflüsse außer Acht zu lassen.50 Auf der anderen Seite hat es ein spezifisch ägyptisches Latein auf jeden Fall nicht gegeben.51 Wie bereits erwähnt, sind vor der Spätantike fast keine Einflüsse des Griechischen auf das demotische Ägyptisch zu finden.52 Übernommen haben Ägypter aus dem Griechischen vor allem termini technici, inbesondere Funktionsbezeichnungen, Titel und Begriffe der Verwaltung. Das trifft auch in römischer Zeit auf Funktionstitel wie dux, curator und das Epitheton felix zu.53 Diese Gruppen machen mit fast 80%, 96 Belegen, den größten Teil sprachlicher Übernahmen aus, die restlichen 22 Beispiele verteilen sich insbesondere auf neu eingeführte Gegenstände oder Traditionen.54 Manchmal verzichteten Ägypter dann auch ganz auf eine Transliteration neuer Wörter und fügten sie, in umgekehrter Schriftrichtung auf Griechisch von links nach rechts, in ihre ansonsten von rechts nach links geschriebenen demotischen Texte ein.55 In der epigraphischen Tradition gibt es ansonsten, vor dem Aufkommen der koptischen Schrift im 3 Jh. n. Chr.,56 nur ein Beispiel dafür, dass ein Ägypter 48 H. Quecke, Eine griechisch-ägyptische Wörterliste vermutlich des 3. Jh. v. Chr. (P.Heid. Inv.-Nr. G 414), in: ZPE 116, 1997, 67–80. 49 P. Fewster, Bilingualism in Roman Egypt, in: J. N. Adams u.a. (Hg.), Bilingualism in Ancient Society. Language Contact and the Written Text, Oxford 2002, 233–235. 50 Vgl. E. Dickey, The Greek Address System of the Roman Period and its Relationship to Latin, CQ 54, 2004, 494–527. 51 E. V. Evans, Latin in Egypt, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 519. 52 Vgl. J. Ray, Literacy and Language in Egypt in the Late and Persian Periods, in: A. K. Bowman/G. Woolf, Literacy and Power in the Ancient World, Cambridge 1994, 51–66; J. Dieleman, Priests, Tongues, and Rites: The London-Leiden Magical Manuscripts and Translation in Egyptian Ritual (100-300 CE), Leiden 2005, 1–4, 104; für die Spätantike: S. Torallas Tovar, Egyptian Lexical Interference in the Greek of Byzantine and Early Islamic Egypt, in: P. Sijpesteijn/L. Sundelin (Hg.), Papyrology and the History of Early Islamic Egypt, Leiden 2004, 163–177. 53 W. Clarysse, Greek Loanwords in Demotic, in: S. P. Vleeming (Hg.), Aspects of Demotic Lexicography. Acts of the 2nd Conference for Demotic Studies, Leiden 1987, 23, 25, 31. 54 Vgl. W. Clarysse, Greek Loanwords in Demotic, in: S. P. Vleeming (Hg.), Aspects of Demotic Lexicography. Acts of the 2nd Conference for Demotic Studies, Leiden 1987, 10f. 55 Vgl. E. Bresciani/R. Pintaudi, Textes démotico-grecs et greco-démotiques des ostraca de Medinet Madi: Un problème de bilinguisme, in: S. P. Vleeming (Hg.), Aspects of Demotic Lexicography. Acts of the Second International Conference for Demotic Studies, Leiden, 19-21 September 1984, Löwen 1987, 123–126; A. Menchetti, Ostraka demotici e bilingui da Narmuthis (ODN 100–188), Pisa 2005; I. C. Rutherford, Bilingualism in Roman Egypt? Exploring the Archive of Phatres of Narmuthis, in: T. V. Evans/D. D. Obbing (Hg.), The Language of the Papyri, Oxford 2009, 198–207. 56 Vgl. hierzu S. J. Clackson, Coptic or Greek? Bilingualism in the Papyri, in: A. Papaconstantinou (Hg.), The Multilingual Experience in Egypt. From the Ptolemies to the Abbasids, Ashgate 2010, 73– 104; M. Choat, Coptic, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 581–593; S. Richter, Greek, Coptic and the ‚Language of the Hijra‘: The Rise and Decline of the Coptic Language in Late Antique and Medieval Egypt, in: H. M. Cotton u.a. (Hg.), From Hellenism to Islam: Cultural and Linguistic Change in the Roman Near East, Cambridge 2009, 401–446.

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einmal einen kompletten demotischen Text in griechischer Schrift verfasste. Es handelt sich um ein Graffito aus Abydos (vgl. Text 21). Ähnliches ist ansonsten nur von Mumientäfelchen bekannt oder in griechischen Papyri, in denen bestimmte ägyptische Priestertitel nicht ins Griechische übersetzt werden konnten.57 Das Griechische war vor allem aufgrund seiner Möglichkeit der Vokalisierung von Interesse, denn bereits seit dem 2. Jh. v. Chr. finden sich magische ägyptische Texte in griechischer Schrift notiert, weil es gerade bei Ritualen auf die genaue Aussprache von Sprüchen ankam, die ja schwerlich mit der rein konsonantischen ägyptischen Schrift wiedergegeben werden konnten.58 5 Epigraphik in Ägypten Die Arbeit mit Inschriften ist Gegenstandsbereich der Grundwissenschaft Epigraphik. Die Bezeichnung Epigraphik, also Inschriftenkunde, leitet sich vom griechischen Wort epigraphein (ἐπιγράφειν – „daraufschreiben“) ab und meint konkret die wissenschaftliche Beschäftigung mit den auf dauerhaftem Material, insbesondere Stein, hinterlassenen Aufschriften. Hierzu zählen das Sammeln, Entziffern und Klassifizieren von Inschriften, aber auch ihre Edition, Kommentierung und Deutung. Der größte Teil der aus Ägypten bekannten epigraphischen Texte ist, wie erwähnt, in ägyptischer Sprache abgefasst (zumeist in Hieroglyphen, aber ebenso in demotischer und koptischer Schrift). Seit dem ersten Jahrtausend v. Chr. wurden zudem Texte in griechischer und später lateinischer Sprache in Stein eingemeißelt oder eingraviert. Zur Epigraphik als Disziplin gehören zudem aufgemalte/eingeritzte Texte (Dipinti/Graffiti), Inschriften auf Holz-, Bronze-, Wachs- und Bleitafeln und ebenso Stempel und Aufschriften auf diversen Objekten. Nicht immer fällt eine Abgrenzung zur Nachbardisziplin Papyrologie leicht. Eine solche ist jedoch überhaupt nicht notwendig, weil viele Papyrologen auch epigraphisch tätig sind. Am häufigsten finden sich in der epigraphischen Überlieferung folgende Typen: 1. Ehreninschriften, die eine Person und ihr Handeln würdigen. 2. Weihinschriften, mit denen eine Gottheit geehrt wird, die gleichzeitig das Heil von Menschen durch die Gottheit garantieren soll. 3. Grabinschriften, in denen die Lebensleistung einer Person gewürdigt wird. Insbesondere Ehren- und Weihinschriften sind eng miteinander verbunden, und auch die Grenze zwischen diesen und Grabinschriften ist fließend, denn eine Epigraphi k in Ägypten

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CEML Nr. 616 und 632 (vgl. dazu J. Quaegebeur, Inscribed Mummy Linen of the Roman Period, in: E. Boswinkel/P. W. Pestman (Hg.), Textes grecs, démotiques et bilingues (P. L. Bat. 19), Leiden 1978, 254); SB I 5231,1f.: [ἀν]τί[γ]ρ[αφ]ον Αἰγυπτίας π[ρά]σ̣ε̣ως Ἑ[λ]ληνιστὶ µε̣θ̣ηρµηνε[υ]µένης [κα]τὰ [τὸ δ]υνατόν. ... λέγει ἐµνείθης ὀρπέει [το]π̣[άε]ις προφήτης [ἐκ πρ]οφήτου Χαιρήµων Ἡρώι[δου µ]ητρ[ὸς Θάσειτ]ος νεβοᾶπι ῥι[σ]ῆι ῥι[σ]εγ[έ]του Νεφορσάτει Σαταβοῦτι Ἐργέως νεωτέρου µητρ[ὸ]ς Σ[α]ταβοῦτος. 58 J. F. Quack, Rezension zu V. H. Sederholm, Papyrus British Museum 10808 and its Cultural and Religious Setting, in: OLZ 104, 2009, 27–33.

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Grabinschrift kann gleichzeitig eine Ehreninschrift sein. Formal sind Weihungen von Ehreninschriften dadurch zu unterscheiden, dass Weihinschriften den Vorgang des Weihens an eine Gottheit explizieren, Ehreninschriften aber häufig nicht. In beiden Inschriftengattungen werden oft ausführliche Begründungen dafür gegeben, weshalb ein Mensch besonderer Ehren wert ist. Grabinschriften, die einen verstorbenen Menschen ehren, stehen jedoch anders als Ehreninschriften auf Grabsteinen oder sie sind an Grabwänden angebracht. Letztere unterscheiden sich somit von Ehreninschriften vor allem durch den Anbringungsort und -anlass.59 Neben die drei zuvor genannten Gruppen treten 1. Dekrete mit Beschlüssen von organisierten Gemeinschaften, 2. königliche Erlasse (prostagmata) und statthalterliche Edikte, 3. Bauinschriften, 4. Dipinti und Graffiti sowie 5. sonstige Inschriften. Gemeinsam ist allen Inschriften, dass sie in irgendeiner Art und Weise der Selbstdarstellung des Verfassers/Anbringers dienten und deshalb eine kommunikative Funktion hatten.60 Will man eine Inschrift in ihrem Kontext verstehen, so ist es zudem unabdingbar, den Schriftträger selbst mit in den Blick zu nehmen.61 Es ist wichtig zu wissen, ob der Text an einer Tempelwand, einem Verwaltungs- oder Privatbau angebracht war, ob die Stele, auf die der Text angebracht ist, ein Giebelfeld aufweist und wie dieses bildlich gestaltet ist. Allzu häufig nimmt der Text selbst auf den Textträger Bezug. Auch der Fundort der Inschrift, also der archäologische Kontext, ist zu berücksichtigen. Versuche, gerade die ptolemäerzeitlichen Inschriften nach rein paläographischen Kriterien zu sortieren, sind äußerst problematisch,62 häufig sogar nicht zielführend, da verschiedene Buchstabenformen immer wieder auftauchen können. In der Forschung ist seit einigen Jahrzehnten der Begriff des epigraphic habit fest etabliert (was in etwa mit „epigraphische Praxis“ zu übersetzen ist),63 wo59

Vgl. G. Klaffenbach, Griechische Epigraphik, Göttingen 21966, 56. Vgl. etwa W. Eck, Öffentlichkeit, Monument und Inschrift, in: XI congresso internazionale di epigrafia Greca e Latina. Roma, 18–24 settembre 1997. Atti II, Rom 1999, 55–75; H. Niquet, Inschriften als Medium von „Propaganda“ und Selbstdarstellung im 1. Jh. n. Chr., in: G. Weber/M. Zimmermann (Hg.), Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jhs. n. Chr., Stuttgart 2003, 145–173. 61 Vgl. Chr. Witschel, Der Kaiser und die Inschriften, in: A. Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, München 2011, 48f.; Z. Newby/R. Leader-Newby, Art and Inscriptions in the Ancient World, Cambridge 2007. 62 Vgl. etwa L. Del Corso, Segni e layout delle iscrizioni greche in Egitto. Un sondaggio su testi espositi in prosa, in: G. Nocchi Macedo/M. Ch. Scappaticcio (Hg.), Signes dans les textes, textes sur les signes. Érudition, lecture et écriture dans le monde gréco-romain. Actes du colloque international (Liège, 6–7 septembre 2013), Lüttich 2017, 43–59. 63 Der Begriff ist der lateinischen Epigraphik entlehnt und geht zurück auf den Aufsatz von R. MacMullen, The Epigraphic Habit in the Roman Empire, in: American Journal of Philology 103, 1982, 233–246 (ihm ging es um die Feststellung, dass mit dem Setzen lateinischer Inschriften ein Romanisie60

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mit man inzwischen insbesondere die Konstatierung von lokalen Besonderheiten in der Tradition der Setzung von Inschriften meint. In Ägypten lässt sich ein solcher habit sehr schön am Beispiel der Anbringung statthalterlicher Entscheidungen zeigen. Üblicherweise wurden Verfügungen des praefectus Aegypti nicht inschriftlich festgehalten, sondern nur auf Papyrus publiziert. In den Großen Oasen in der Westwüste gibt es jedoch Beispiele von auf Stein angebrachten Edikten (vgl. Text 54, 55 und 58). Eine weitere, gesamtägyptische Besonderheit der griechischen Epigraphik ist die Übernahme der demotischen Anbetungsinschrift, die Besucher von Heiligtümern in Form von Graffiti hinterließen. Im Griechischen führen zahlreiche dieser Graffiti das Wort proskynema („Akt der Verehrung“), das so außerhalb Ägyptens nirgends verwendet wurde (vgl. Text 45).64 Typisch für Ägypten, aber durchaus auch andernorts belegt, ist des Weiteren die „zugunsten des Königs“-Formel (ὑπὲρ βασιλέως), die einer Dedikation an eine Gottheit, die im Dativ steht, vorangestellt wird (vgl. etwa Text 17, 19, 27, 37, 53, 61, 74).65 Mit einer solchen Stiftung sollte bewirkt werden, dass die Gottheit das Heil des Königs garantierte.66 Auch sind königliche

rungsphänomen auszumachen ist, weil diese Praxis häufig nicht den lokalen Traditionen in Roms westlichen Provinzen, der Donauregion und im nordwestlichen Afrika entsprach); vgl. zudem E. A. Meyer, Explaining the Epigraphic Habit in the Roman Empire. The Evidence of Epitaphs, in: JRS 80, 1990, 74–96; D. Cherry, Re-figuring the Roman Epigraphic Habit, in: AHB 9, 1995, 132–156; G. Woolf, Monumental Writing and the Expansion of Roman Society in the Early Empire, in: JRS 86, 1996, 22–39; vgl. J. Hahn, s.v. Epigraphic Habit, in: The Encyclopedia of Ancient History 3, 2447– 2449. 64 Vgl. hierzu G. Geraci, Ricerche sul Proskynema, in: Aegyptus 51, 1971, 3–311; É. Bernand, Réflexions sur les proscynèmes, in: D. Conso u.a. (Hg.), Mélanges François Kerlouégan, Besançon 1994, 43– 60. 65 Vgl. J. Bingen, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Berkeley/Los Angeles 2007, 274–276; P. M. Fraser, Ptolemaic Alexandria I, Oxford 1972, 190: „This formula, found with great frequency in Ptolemaic dedications, is not exclusively Ptolemaic; it existed, very naturally, wherever Hellenistic monarchy, itself the object of a cult, flourished, but it seems – possibly only on account of the comparative bulk of the surviving material – to have been especially popular (if that be the right word) in Ptolemaic Egypt.“, ebd., 226f.; F. Taeger, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes I, Stuttgart 1957, 299, 302f.; St. G. Caneva, Ritual Intercession in the Ptolemaic Kingdom. A Survey of Grammar, Semantics and Agency, in: Erga-Logoi. Rivista di storia, letteratura, diritto e culture dell'antichità 4,2, 2016, 117–154 (DOI:10.7358/erga-2016-002-cane). 66 P. Iossif, La dimension publique des dédicaces „privées“ du culte royal ptolémaïque, in: V. Dasen/M. Piérat (Hg.), Les cadres „privés“ et „publics“ de la religion grecque antique, Lüttich 2005, 237, postuliert auch eine religiöse Konnotation dieser Weihungen: „Dans ce cas, la dédicace avec ὑπέρ impliquent un degré de religiosité et font partie de la dévotion témoignée par les sujets d’un royaume envers leurs souverains.“ Seine These, dass die ὑπὲρ-Weihungen ägyptisch sind, die mit dem Herrscher im Dativ griechisch, ist jedoch abzulehnen; vgl. Kayser, BE 2007, 540. Schwer vorstellbar, zumindest sprachlich nicht zu belegen, ist auch die Ansicht, dass mit der Formel eine dritte Person eingeführt werden sollte, „to intervene in the dual relation between dedicant and god.“ (so zuletzt etwa E. Fassa, Shifting Conceptions of the Divine: Sarapis as Part of Ptolemaic Egypt’s Social Imaginaries, in: E. Stavrianopoulou [Hg.], Shifting Social Imaginaries in the Hellenistic Period: Narrations, Practices, and Images, Leiden 2013, 129; dies., Sarapis, Isis, and the Ptolemies in Private Dedications. The Hyperstyle and the Double Dedications, in: Kernos 28, 2015, 133–153); vgl. jetzt zur Funktion der Formel: St. Pfeiffer, Offerings and libations for the king and the question of ruler-cult in Egyptian temples, in: St. Caneva (Hg.), The Materiality of Hellenistic Ruler Cults, Lüttich 2020, 83–102.

Literatur zur Epigraphik

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Erlasse, die die Bitte von Untertanen um die Gewährung des Asylrechtes für Tempel bestätigen, nur aus Ägypten bekannt (vgl. Text 36).67 Heute kann man sich einen großen Teil der griechischen Inschriften Ägyptens, zusammen mit einer Übersetzung, einem Kommentar und Forschungsliteratur, über die regionalen Corpora der Brüder André und Étienne Bernand erschließen. Trotz berechtigter Kritik im Einzelnen an ihren Textaufnahmen (zu berücksichtigen sind insbesondere die Rezensionen von Jean Bingen in der Chronique d’Égypte) handelt es sich hierbei um unerlässliche Nachschlagewerke, für die die Forschung dankbar sein kann. Beschäftigt man sich jedoch mit einzelnen Forschungsfragen, so sollte man stets die einschlägigen Zeitschriften und das Supplementum Epigraphicum Graecum durchforsten, denn die Bernands bieten keinesfalls den Gesamtbestand an Inschriften zu einer Region, zumal mit den Jahren immer wieder die eine oder andere, auch große Inschrift hinzukam und weiterhin auch -kommt. In Zukunft könnten die Regionalcorpora zumindest für die ptolemäische Zeit durch die Arbeiten des Centre of the Study of Ancient Documents in Oxford, wo ein Corpus of Ptolemaic Inscriptions (CPI) entsteht, ergänzt oder gar ersetzt werden. 68 Die entsprechenden Corpusnummern haben die Herausgeber Alan Bowman und Charles Crowther für vorliegende Einführung bereits dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. 6 Literatur zur Epigraphik Allgemein & F. Bérard u.a., Guide de l’épigraphiste, Paris 32000 (Bibliographie; neuere Ergänzungen im Internet). & J. Bodel (Hg.), Epigraphic Evidence: Ancient History from Inscriptions, London 2001. Literatu r zur Epigraphik

Griechische Epigraphik & J. Bingen, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 256–278. & Th. Corsten, „Inschriftenkunde, griechische“, in: Der Neue Pauly, Band 14, Stuttgart/Weimar 2000, 588–614. & M. Guarducci, Epigraphia greca, 4 Bde., Rom 1967–1978.

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J. Bingen, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Berkeley/Los Angeles 2007, 266–274. 68 Vgl. die homepage (cpi.csad.ox.ac.uk/about): „The project will make available a full corpus of scholarly editions, replacing older publications and other partial collections organised by specific region or theme, and will offer for the first time a full picture of the Greek epigraphy of the Ptolemaic period.“

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Literatur zur Epigraphik

& K. Hallof, „Inschriften II. Griechisch“, in: Der Neue Pauly, Band 5, Stuttgart/Weimar 1998, 1011–1014. & G. Klaffenbach, Griechische Epigraphik, Göttingen 21966. & W. Larfeld, Griechische Epigraphik, München 31914. & B. H. McLean, An Introduction to Greek Epigraphy of the Hellenistic and Roman Periods from Alexander the Great down to the Reign of Constantine (323 B.C.–A.D. 337), Ann Arbor 2002. & G. Petzl, Epigraphik, in: H.-G. Nesselrath (Hg.), Einleitung in die griechische Philologie, Stuttgart 1997, 72–83. & St. Pfeiffer, Die Wechselwirkungen zwischen der griechischen und ägyptischen Schriftkultur in der Epigraphik des ptolemäischen und römischen Ägypten, in: P. Amann u.a. (Hg.), Sprachen – Schriftkulturen – Identitäten der Antike. Beiträge des XV. Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigraphik. Wien, 28. August bis 1. September 2017, Wien 2019, 77–96. & G. Pfohl (Hg.): Das Studium der griechischen Epigraphik. Eine Einführung, Darmstadt 1977. & L. Robert, L’épigraphie, in: Encyclopédie de la Pléiade. L’histoire et ses méthodes, Paris 1961, 453–497; deutsche Übersetzung (v. H. Engelmann) „Die Epigraphik der klassischen Welt“, Bonn 1970. & G. Woodhead, The Study of Greek Inscriptions, Cambridge 21981. : Datenbank griechischer Inschriften im Netz: http://epigraphy.packhum.org/ inscriptions/ : Inscriptions grecques et latines d’Égypte / Inscriptions in Greek and Latin from Egypt, Centre de Papyrologie et d’Épigraphie grecque (CPEG) in cooperation with Trismegistos; Université Libre de Bruxelles (ULB); P. Heilporn/A. Martin (ULB); noch nicht online zugänglich. Lateinische/römische/kaiserzeitliche Epigraphik & G. Alföldy, Augustus und die Inschriften: Tradition und Innovation. Die Geburt der imperialen Epigraphik, in: Gymnasium 98, 1991, 289–324. & R. Cagnat, Cours d’épigraphie latine, Rom 1964. & J.-M. Lassère, Manuel d’épigraphie romaine, Paris 2005. & E. Meyer, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 1973. & K. Paasch Almar, Inscriptiones Latinae. Eine illustrierte Einführung in die lateinische Epigraphik, Odense 1990. & U. Schillinger-Häfele, Lateinische Inschriften. Quellen für die Geschichte des römischen Reiches, Stuttgart 1982. & M. G. Schmidt, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 32015. : Epigraphik-Datenbank Clauss/Slaby: http://db.edcs.eu/epigr/epi_de.php.

Epigraphische Symbole

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7 Das Leidener Klammersystem (Auswahl) (abc) Auflösung einer antiken Abkürzung des Schreibers; etwa Imp(erator) ạḅc̣ Verstümmelte Buchstaben; der Buchstabe ist stark verderbt, kann aber noch gelesen werden [abc] Lücke (lacuna) im Text, in der der Herausgeber Buchstaben ergänzen kann, die aber auch unausgefüllt bleiben kann, wenn keine Ergänzung möglich ist ⟦abc⟧ Intentionale Tilgung/Erasion eines Textteiles bereits in der Antike, etwa im Falle einer damnatio memoriae

Einfügung eines oder mehrerer Buchstaben, die der Steinmetz vergessen hat {abc} Vom Steinmetz irrigerweise eingefügte Buchstaben [...] Verschwundene Buchstaben, deren Anzahl zu erschließen ist [———] Unbekannte Menge verschwundener Buchstaben. v. oder vac. vacat; vom Steinmetz gelassene Lücke zwischen Buchstaben, Worten oder Zeilen | Zeilentrenner Epigraphis che Sy mbole

8 Zur ptolemäischen Hofrangtitulatur Eine Besonderheit der Inschriften und Papyri ptolemäischer Zeit ist die Tatsache, dass die Funktionäre des Staates nicht nur ihre Funktionstitel, sondern auch sogenannte Hofrangtitel angaben, die ihr Nahverhältnis zum König ausdrücken sollten.69 Diese Hofrangtitulatur entstand im frühen 2. Jh. v. Chr. unter der Herrschaft des fünften Ptolemäers (reg. 204–180 v. Chr.). Nach Ansicht von Mooren hat Aristomenes, der Vormund des jugendlichen Königs, oder dessen Nachfolger Polykrates dieses System der Auszeichnung von Funktionären eingeführt.70 Das Reich befand sich zu dieser Zeit in einer inneren Krise mit indigenen Aufständen und Gegenpharaonen.71 Die Auszeichnungen sollten wahrscheinlich dazu dienen, die Bindung zwischen König und Funktionären zu stärken.72 Zur pto lemäis chen Hofrangti tulatur

69 Ähnliches gab es schon im pharaonischen Ägypten, doch ist die Beziehung altägyptischer Hoftitel zu den ptolemäischen Hofrangtiteln unklar. 70 L. Mooren, The Aulic Titulature in Ptolemaic Egypt: Introduction and Prosopography, Löwen 1975, 19–73. 71 A.-E. Veïsse, Les „révoltes Égyptiennes“. Recherches sur les troubles intérieurs en Égypte du règne de Ptolémée III à la conquête romaine, Löwen 2004, 11–26, 85–99, mit weiterer Literatur. 72 L. Mooren, The Aulic Titulature in Ptolemaic Egypt: Introduction and Prosopography, Löwen 1975; ders., La hiérarchie de cour ptolémaïque. Contribution à l’étude des institutions et des classes dirigeantes à l’époque hellénistique, Löwen 1977, 54–58; ders., Ptolemaic Families, in: R. S. Bagnall u.a. (Hg.), Proceedings of the Sixteenth International Congress of Papyrology, New York, 24–31 July 1980, Chico 1981, 289–301; vgl. auch noch I. Savalli-Lestrade, Les philoi royaux dans l’Asie hellénistique, Genf 1998, 371–373; G. Herman, The Court Society of the Hellenistic Age, in: P. Cartledge u.a. (Hg.), Hellenistic Constructs, Berkeley/Los Angeles 1997, 214; C. A. Láda, Greek or Egyptian? The Origin of the Ptolemaic Title συγγενής, in: APF 59, 2013, 95–122.

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Unlängst wurde eine alexandrinische Inschrift aus der Zeit des vierten Ptolemäers publiziert, in der ein gewisser Megamedes den scheinbaren Hofrang eines der „ersten Freunde“ führt, doch ist diese Inschrift tatsächlich kein Beleg für eine bereits so frühe Einführung der Hofrangtitulatur, wie es Eddy Lanciers überzeugend zeigen konnte. Er weist nach, dass mit diesem Titel der Offizier der königlichen Fußgarde gemeint war.73 Erstmals belegt ist der höchste Hofrangtitel syngenes („Verwandter“) seit der Zeit Ptolemaios’ VI. (reg. 180–145 v. Chr.), aus den Jahren zwischen 176–170 v. Chr.74 Auch in ägyptischen Texten führen Funktionäre diese Titel und geben ihnen entweder eine ägyptische Übersetzung oder setzen das griechische Fremdwort in demotische Schrift um.75 Unklar bleibt hingegen bisher, ob die Titel ehrenhalber jeweils an eine bestimmte Person vergeben wurden oder ob die Ausübung einer Funktion im Staat einen bestimmten Titel mit sich brachte. Rangliste der Titel 1. „Verwandter“ (ὁ συγγενής) später zudem noch: „Dem Rang nach gleich den Verwandten“ (τῶν ὁµοτίµων τοῖς συγγενέσιν) 2. „Einer der ersten Freunde“ (τῶν πρώτων φίλων) später zudem noch: „Dem Rang nach gleich den Ersten Freunden“ (τῶν ἰσοτίµων τοῖς πρώτοις φίλοις) 3. „Oberster Leibwächter“ (ὁ ἀρχισωµατοφύλαξ), später „einer der obersten Leibwächter“ (τῶν ἀρχισωµατοφυλάκων) 4. „Einer der Freunde“ (τῶν φίλων) 5. „Einer der Nachfolger“ (τῶν διαδόχων) 6. „Einer der Leibwächter“ (τῶν σωµατοφυλάκων) 9 Kalender In der Ptolemäerzeit erhielten Urkunden üblicherweise eine Datierung nach dem Namen des regierenden Königs (manchmal auch der Königin) und dem Regierungsjahr. Zudem gab es verschiedene Priestertümer, die dem Jahr den Namen Kalender

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A. Abd el-Fattah u.a., Deux inscriptions grecques du Boubasteion d’Alexandrie, in: Ancient Society 44, 2014, 151f. = BE 2015, Nr. 729: „(Die Statue von) Megamedes, einer der ersten Freunde, (haben die Stifter geweiht) ... aufgrund seiner Tugend und seiner guten Gesinnung gegenüber dem König Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Vaterliebenden Götter, und ihrer Kinder und ihrer Enkelkinder“; [Μ]εγαµήδην τῶν πρώτων φίλων ... 5 [ἀ]ρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐν[οί]ας εἰς βασιλέα Πτολεµαῖον | καὶ βασίλισσαν Ἀρσινόην, θεοὺς Φιλοπάτορας, | καὶ τοὺς υἱοὺς αὐτῶν καὶ τοὺς υἱωνοὺς. Zur Datierung und Interpretation jetzt E. Lanciers, The Emergence of the Ptolemaic Honorific Court Titels, in: Ancient Society 48, 2018, 49–82. 74 L. Mooren, La hiérarchie de cour ptolémaïque. Contribution à l’étude des institutions et des classes dirigeantes à l’époque hellénistique, Löwen 1977, 21. 75 Vgl. W. Clarysse, Greek Loan-Words in Demotic, in: S. P. Vleeming (Hg.), Aspects of Demotic Lexicography. Acts of the Second International Conference for Demotic Studies. Leiden, 19–21 September 1984, Löwen 1987, 9–33; G. Gorre, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009, 461f.

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gaben, also eponym gebraucht wurden. Dies war insbesondere der Priester Alexanders des Großen, an dessen Kult auch die Dynastie angeschlossen wurde; hinzu traten Priesterinnen für verschiedene Königinnen, etwa die Kanephore Arsinoes II., die Athlophore Berenikes II. und weitere. In römischer Zeit wurde die Datierung nach Herrschaftsjahren beibehalten. Damit war Ägypten im römischen Reich ein Sonderfall, denn im übrigen Imperium datierte man nach den amtierenden Konsuln. In ptolemäischer Zeit gab es einen ägyptischen und einen makedonischen Kalender. Die ägyptischen Monate lauten: Thoth, Phaophi, Hathyr, Choiak, Tybi, Mecheir, Phamenoth, Pharmuthi, Pachon, Payni, Epeiph, Mesore. Sie umfassten je 30 Tage. An den letzten Monat fügten die Ägypter noch fünf weitere Tage an (epagomenai hemerai), so dass sich 365 Tage für ein Jahr ergaben, was bedeutet, dass sich der ägyptische Kalender alle vier Jahre um einen Tag zum Sonnenjahr verschob. Mit dem Dekret von Kanopos versuchten die Priester dieses Problem durch die (wahrscheinlich erfolglose) Einführung eines Schaltjahres zu beheben (Text 14). Der makedonische Kalender hingegen richtete sich nach dem Mondjahr, die Monate dauerten also entweder 29 oder 30 Tage, so dass in regelmäßigen Abständen ein ganzer Monat eingeschaltet wurde. Die makedonischen Monatsnamen lauten: Dystros, Xandikos, Artemisios, Daisios, Panemos, Loios, Gorpiaios, Hyperberetaios, Dios, Apellaios, Audnaios und Peritios. 202/1 v. Chr. hatte man den ägyptischen Monat Thoth mit dem makedonischen Monat Dystros verbunden, 119/8 v. Chr. dann mit dem Dios. Maßgeblich für die Berechnung von Daten war meist der ägyptische Kalender. In römischer Zeit treten zu den ägyptischen Monatsnamen römische Monate, von denen folgende zu finden sind: Sebastos (später Germanikos), Neos Sebastos, Iulieus (später Neroneios Sebastos, danach Hadrianos), Germanikeios, Soterios, Drousieus, Kaisareios. & Chr. Bennett, Alexandria and the Moon. An Investigation into the Lunar Macedonian Calendar of Ptolemaic Egypt, Löwen 2011. & P. Bureth, Les titulatures impériales dans les papyrus, les ostraca, et les inscriptions d’Égypte (30 a.c.–284 p.c.), Brüssel 1964. & W. Clarysse/G. van der Veken, The Eponymous Priests of Ptolemaic Egypt. Chronological Lists of the Priests of Alexandria and Ptolemais with a Study of the Demotic Transcriptions of Their Names, Leiden 1983. & E. Grzybek, Du calendrier macédonien au calendrier ptolémaïque, Basel 1990. & D. Hagedorn/K. Worp, Das Wandeljahr im ptolemäischen Ägypten, in: ZPE 104, 1994, 243–255. & D. Kienast u.a., Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 62017. & R. A. Parker, The Calendars of Ancient Egypt, Chicago 1950.

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Zur Zählung der Ptolemäer

& P. W. Pestman, Chronologie égyptienne d’après les textes démotiques (332 av. J.-C.–453 ap. J.-C.), Leiden 1967. & A. E. Samuel, Ptolemaic Chronology, München 1962. & T. C. Skeat, The Reigns of the Ptolemies, München 21969. & T. C. Skeat, The Reign of Augustus in Egypt: Conversion Tables for the Egyptian and Julian Calendars, 30 B.C.–14 A.D., München 1993. 10 Zur Zählung der Ptolemäer Wohl keine Königsdynastie war derart unkreativ in der Vergabe der Namens an die Thronfolger wie die Dynastie der Ptolemäer – alle Könige dieses Herrscherhauses, das immerhin fast 300 Jahre bestand, trugen den Namen Ptolemaios. Bereits den antiken Autoren fiel deshalb eine Zuordnung der historischen Ereignisse zu bestimmten Königen nicht immer leicht. Heute unterscheiden wir die Ptolemäer häufig dadurch, dass wir ihrem Namen die Zählung „der Erste, Zweite etc.“ beifügen. Hierbei ergibt sich aber die Schwierigkeit, dass die Forschung lange Zeit nicht sicher war, ob der Sohn Ptolemaios’ VI. mit dem Beinamen Neos Philopator wirklich geherrscht hat. So zählte man ihn sicherheitshalber als Ptolemaios VII. Das führte wiederum dazu, dass man den Bruder Ptolemaios’ VI., Ptolemaios mit dem Beinamen Euergetes II., als achten König des Herrscherhauses führte. Inzwischen sind sich aber viele sicher, dass der ursprünglich als siebter gezählte Ptolemaios überhaupt nicht regiert hatte.76 Da sich aber über die Jahre für den zweiten Euergetes die Zählung als achter Ptolemaios eingebürgert hatte und er sich derart gezählt auch in zahlreichen Forschungswerken findet, bleiben viele Forscher, um Verwirrung zu vermeiden, bei der traditionellen, aber letztlich falschen Zählung, die sich auch im Neuen Pauly findet. Spätestens seit Werner Huß sein Standardwerk zur Geschichte der Ptolemäerzeit „Ägypten in hellenistischer Zeit“ veröffentlich hat, führt das trotzdem zu einiger Verwirrung, denn er ist der durchaus korrekten Ansicht, „daß das Richtige den Vorrang vor dem Konventionellen hat“77 und zählt den bisher achten Ptolemäer als Siebten und die folgenden entsprechend weiter. In vorliegender Einführung wird aber trotzdem die konventionelle Zählung beibehalten. Folgende Tabelle gibt die entsprechenden Könige mit ihren Beinamen: Zur Zählung der Ptolemäer

76 M. Chauveau, Un été 145, in: BIFAO 90, 1990, 135–168; ders., Un été 145, in: BIFAO 91, 1991, 129–134; H. Heinen, Der Sohn des 6. Ptolemäers im Sommer 145. Zur Frage nach Ptolemaios VII. Neos Philopator und zur Zählung der Ptolemäerkönige, in: B. Kramer u.a. (Hg.), Akten des 21. Internationalen Papyrologenkongresses. Berlin, 13.–19. August 1995, Stuttgart/Leipzig 1997, 449–460; strikt für eine Aufnahme des siebten Ptolemäers in die Herrscherfolge spricht sich nun E. Grzybek, Thronanspruch und Thronbehauptung. Studien zur Regierungszeit Ptolemaios’ VIII., Bonn 2017, 93–111, aus; seiner Argumentation kann nicht gefolgt werden. 77 W. Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001, 11.

Zur Zählung der Ptolemäer konventionelle Zählung nach: Der Neue Pauly Ptolemaios I. Soter I. Ptolemaios II. Philadelphos Ptolemaios III. Euergetes I. Ptolemaios IV. Philopator I. Ptolemaios V. Epiphanes Ptolemaios VI. Philometor Ptolemaios VIII. Euergetes II. Ptolemaios IX. Philometor Soter II. Ptolemaios X. Alexander I. Theos Philometor Ptolemaios XI. Alexander II. Ptolemaios XII. (Theos) Neos Dionysos Ptolemaios XIII. Ptolemaios XIV. Ptolemaios XV. Kaisar

Abweichungen nach: Werner Huß Adelphos

Ptolemaios VII. Euergetes II. Ptolemaios VIII. Soter II. Ptolemaios IX. Alexandros I. Ptolemaios X. Alexandros II. Ptolemaios XI. Neos Dionysos Ptolemaios XII. Ptolemaios XIII. Philopator II. Ptolemaios XIV. (Kaisar) Philopator Philometor

23 Regierungszeit 323/306–282 v. Chr. 285/284–246 v. Chr. 246–222/221 v. Chr. 222/221–204 v. Chr. 204–180 v. Chr. 180–145 v. Chr. 145–116 v. Chr. 116–107 und 88–80 v. Chr. 107–88 v. Chr. 80 v. Chr. 80–51 v. Chr. 51–47 v. Chr. 47–44 v. Chr. 44–30 v. Chr.

Leicht ist an dieser Liste zu erkennen, dass fast alle Ptolemäer durch ihre Beinamen eindeutig zu identifizieren sind, so dass man, um Verwirrungen zu vermeiden, am besten immer ihre Beinamen mit angibt. Eine Ausnahme bildet allein der erste Bruder der letzten Kleopatra, der 51–47 v. Chr. nominell mit ihr zusammen regierte. Auch die Zählung der ptolemäischen Königinnen mit dem Namen Kleopatra variiert in der späten Ptolemäerzeit. Huß zählt Berenike III., die nach ihrer Heirat mit Ptolemaios X. den Namen Kleopatra annahm, konsequent als Kleopatra VI. Dadurch verschiebt sich die Zählung der nachfolgenden Herrscherinnen. konventionelle Zählung nach: Der Neue Pauly Kleopatra I. Kleopatra II. Kleopatra III. Kleopatra IV. Kleopatra V.

Abweichungen nach: Werner Huß Kleopatra I. Kleopatra II. Kleopatra III. Kleopatra IV. Kleopatra V. Selene

Gemahl, konventionelle Zählung Ptolemaios V. Ptolemaios VI. Ptolemaios VIII. Ptolemaios IX. Ptolemaios IX.

24 Kleopatra Berenike III. Kleopatra VI. Tryphaina Kleopatra VII. Philopator

Zur Zählung der Ptolemäer Kleopatra VI. Berenike III. Kleopatra VII. Tryphaina Kleopatra VIII. Philopator

Ptolemaios X. Ptolemaios XII. Ptolemaios XIII.; XIV.

1. Eine Weihung Alexanders des Großen

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11 Texte 1. Eine Weihung Alexanders des Großen im Tempel von Baharia (332/1 v. Chr.?) SEG LIX 1764 = CPJ I 519 = TM 145327 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum n.n. 1. Eine Weihung Alexande rs des Großen

Während seines Ägyptenaufenthaltes (332/1 v. Chr.) besuchte Alexander der Große das Orakel des Gottes Amun von Siwa, den die Griechen als Ammon oder Zeus verehrten und dessen Orakel zu den angesehensten der griechischen Welt gehörte. Es ist durchaus möglich, dass der makedonische Eroberer für den Hin- oder eher den Rückweg die alte Karawanenroute über die Oase Baharia wählte. Letzteres deutete zumindest Ptolemaios an, wenn Arrian schreibt, dass Alexander wieder nach Ägypten zog „wie Aristobulos angibt, auf dem gleichen (über Paraitonion), wie Ptolemaios, auf einem anderen, kürzeren Weg“ (Arrian, Anabasis III 4,5). In Baharia, am nordwestlichen Rand der Oase, in Qasr elMegysba, befinden sich noch heute die Reste eines dem Amun(-Re) und Horus geweihten Tempels, der in der Literatur häufig als Tempel Alexanders des Großen geführt wird. Die Dekoration zeigt Kartuschen des Makedonen, was nahelegt, dass die Priester unter seiner Herrschaft an dem Heiligtum Dekorationstätigkeiten vorgenommen und möglicherweise auch gebaut haben – manche gehen sogar von einer Stiftung des Tempels in Erinnerung an die Anwesenheit Alexanders aus. Der Ausgräber des Tempels, Ahmed Fakhry, fand in den Jahren zwischen 1938 und 1945 außerhalb des Tempels ein von ihm als Altar gedeutetes Postament (möglicherweise handelt es sich um einen Barkenuntersatz oder vielleicht auch eine Statuenbasis; vgl. Abb. 1). Dieses wurde ins Magazin des Ägyptischen Museums von Kairo verbracht und galt über 60 Jahre lang, bis zur Edition des Objektes durch Bosch-Puche, als verschollen. Text und Übersetzung a) griechischer Text: Βασιλεὺς Ἀλέξνδρος Ἄµµωνι τ̣[ῶ]ι π̣ατρί. b) hieroglyphischer Text (Kol. 1) Or HQ# HQ#.w nj.w t# (r) Dr=f Nb.tj m#j wr pH.tj jTj Dw.w t#.w X#s.wt Or nbw k#-[nX.t] Xwj B#Q[.t] HQ# w#D(-wr) Snw n jtn

„König Alexander (hat es) dem Ammon, seinem Vater, (geweiht).“

„Horus: ‚Herrscher der Herrscher des gesamten Landes.‘ Die beiden Herrinnen: ‚Der Löwe, mit großer Kraft, der die Berge, Länder und Wüsten ergreift.‘ Goldhorus: ‚Starker Stier, der Ägypten schützt, Herrscher des

26

Texte

nswt-bjtj mrj-Ro stp-n-Jmn s# Ro s#-Jmn Jrks(j)nd(rs) mrj Jmn-Ro [nb] jr(.t) sX[r(.w)] mj Ro [D.t]. (Kol. 2) Hm-nTr tpy n Jmn-Ro nb jr(.t) sXr(.w) Or-Htp s# Ns-EHwtj rn n mw.t(=f) Smo(.t) Csp-(n)-Mw.t.

Mittelmeeres und dessen, was die Sonne umkreist.‘ König von Ober- und Unterägypten: ‚Geliebt von Re, erwählt von Amun.‘ Sohn des Re: ‚Sohn des Amun, Alexander‘ der geliebt ist von Amun-Re, dem Herren des Planens (= des Vollziehens von Orakeln), wie Re ewiglich.“ „Erster Prophet des Amun-Re, des Herren des Planens (= des Vollziehens von Orakeln), Hor-hetep, Sohn des Nes-Djehuti, der Name seiner Mutter, der Sängerin, ist Schesepen-Mut.“

Kommentar: Die von Alexander vorgenommene Weihung des Postaments oder Barkenuntersatzes an Ammon könnte in direktem Zusammenhang mit den Ereignissen in der Oase Siwa stehen, zumal hier, wie es das Epitheton des Amun Re als „Herr des Planens“ zeigt, auf die spezifische Form des Amun von Siwa verwiesen sein dürfte, denn in dieser Funktion ist er der „Herr der Orakel (vgl. LGG III 586c). So schreibt Diodor (XVII 51): „Als nun Alexander von den Priestern in den Tempel geleitet wurde und den Gott eine Zeitlang betrachtet hatte, trat ein älterer Mann, der das Amt des Wahrsagers versah, auf ihn zu und sprach: ‚Sei gegrüßt, mein Sohn, und nimm auch diese Anrede als von Gott eingegeben entgegen!‘.“ (Übersetzung: Veh; vgl. Iustin XI 7; Strabon XVII 1,43). Im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes sagt der Gott sogar: „Alexander, Du bist mein Sohn.“ (ed. Thiel I 28,4). Von jetzt an war Ammon, der von den Griechen auch mit Zeus identifiziert werden konnte, der Schutzgott Alexanders, der nach seinem Tod sogar in Siwa bestattet werden wollte (Diodor XVIII 3,5; Curtius Rufus X 5,4; Iustin XII 15,7). Passend zur Inschrift des vorliegenden Barkenständers findet sich im Alexanderroman zudem folgende Auskunft: „Als Alexander so die Macht Ammons erfahren hatte, setzte er sein Heiligtum instand und ließ sein Kultbild vergolden. Und er weihte es durch folgende Inschrift: Seinem Vater, dem Gott Ammon, hat es Alexander gestiftet (πατρὶ θεῷ Ἄµµωνι Ἀλέξανδρος ἀνέθετο).“ (ed. Thiel I 30,5; das entspricht ganz dem Formular hieroglyphischer Tempelstiftungen: vgl. den Kommentar zu Text 10). Nach Philostrat soll Alexander auch beim Erreichen des Hydraotes (mod. Ravi) im Punjab einen Altar mit der Weihinschrift „dem Vater Ammon, dem Bruder Herakles, der Athena Pronoia, dem Zeus Olympios, den Kabiren von Samothrake, dem indischen Helios und dem

1. Eine Weihung Alexanders des Großen

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delphischen Apollon“ gestiftet haben (vita Apollonii II 43). Dass der Makedone also Ammon als seinen Vater anerkannt wissen wollte, daran bestand zumindest in der späteren Überlieferung kein Zweifel, ohne dass sich freilich belegen ließe, dass Alexander bereits selbst diese Verwandtschaft propagierte. Vorliegende Inschrift hingegen, sollte sie bereits zu Lebzeiten von ihm gestiftet oder in Auftrag gegeben worden sein, wäre der erste zeitgenössische Beleg für dieses Postulat göttlicher Vaterschaft. Gleichzeitig ist gerade bei dieser Inschrift ein ägyptischer Einfluss nicht von der Hand zu weisen, denn der Pharao konnte in einem  

Tempel 38  

 stets auch der Sohn der Hauptgottheit des entsprechenden Tempels sein.

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Texte

Im Rahmen der Erklärung der Sohnschaft durch Ammon für Alexander erarbeiteten vielleicht ägyptische Priester eine Legitimation für seine Herrschaft als ägyptischer Pharao. Es handelt sich um den „Trug des Nektanebos“, eine Geschichte, die in den gerade erwähnten Alexanderroman Eingang gefunden hat. Der „Trug“ verarbeitet den alten ägyptischen Mythos von der Geburt des Gottkönigs. Hiernach stammt ein Pharao von Amun-Re ab, der ihn in Gestalt des amtierenden Pharaos mit dessen Gemahlin zeugt. Dieser Geburtsmythos geht bis ins Alte Reich zurück (Brunner). Im „Trug des Nektanebos“ hat man den Mythos aufgegriffen und romanhaft ausgestaltet: Der aus Ägypten vor den Persern geflohene Pharao Nektanebos II. kam demnach an den Königshof von Pella und weissagte Olympias, der zukünftigen Mutter des Alexander, sie werde mit Ammon einen Sohn zeugen. In der Nacht wohnte Nektanebos dann, als Ammon verkleidet, Olympias bei, und sie gebar neun Monate später Alexander (ed. Thiel I 4–7). Falls sich also Alexander wirklich in Siwa zum Sohn Ammons hat erklären lassen, so hätte er auf dem Rückweg nach Ägypten das Postament stiften können. Die Weihung an Ammon könnte sogar in Zusammenhang mit der Stiftung des gesamten Tempels durch Alexander stehen. Ganz ähnlich handelte der König schließlich in Priene, wo er den Athena-Tempel bauen bzw. fertigstellen ließ, der dann, sicher nach Abschluss der Arbeiten, folgende Stiftungsinschrift erhielt: „König Alexander hat den Tempel der Athena Polias geweiht“ (IvPriene 156: Βασιλεὺς Ἀλέξανδρος ἀνέθηκε τὸν ναὸν Ἀθηναίηι Πολιάδι). In beiden Inschriften erscheint Alexander wiederum mit dem Titel ‚König‘. Bei der Priener Weihung ist aber das genaue Datum umstritten, ebenso wie bei der Erwähnung Alexanders als König im Dekret über die Rückkehr der Verbannten von Chios und einer Weihung aus Xanthos (Syll.3 306, entweder 334 oder 332 v. Chr.; SEG XXX 1533; zuletzt Arena). Aus diesem Grund könnte die ägyptische Inschrift der früheste Beleg für das Führen des Titels durch Alexander sein. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass die Stiftung ohne sein Wissen zu einem späteren Zeitpunkt und lediglich im Namen Alexanders vorgenommen wurde, um dem Tempel in der Oase eine größere Bedeutung zuzuweisen. Der hieroglyphische Text (Kol. 2) könnte sogar die Vermutung nahelegen, dass es nicht Alexander war, der den Stein stiftete, sondern der Priester Hor-hetep; eine Vermutung, die durch die mehr als unprofessionelle Ausführung der griechischen Schrift unterstrichen werden könnte (vgl. im Gegensatz dazu die Schriftzeichen in Text 2). Das würde aber bedeuten, dass ein Dritter im Namen des Alexander die Weihung vorgenommen hat, was ungewöhnlich wäre. Üblicherweise war es zumindest in späterer Zeit so, dass die hieroglyphischen Inschriften den Pharao als Stifter nennen, wohingegen die griechischen Beischriften die lokalen Wohltäter als tatsächliche Finanziers einer Weihung „zugunsten“ des Königs auswiesen (vgl. Text 47). So ist im vorliegenden Fall vielleicht eher an eine Art Gemeinschaftsunternehmen von Alexander und lokaler Elite zu den-

1. Eine Weihung Alexanders des Großen

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ken, was einmal mehr das Bemühen des Königs zeigt, vorhandene Hierarchien in seine Herrschaft zu integrieren. Eine postume Errichung des Objektes in der nachfolgenden Ptolemäerzeit wäre auf jeden Fall ohne Präzedenz, mithin unwahrscheinlich, zumal der Tempel selbst ebenfalls unter der Herrschaft Alexanders dekoriert wurde. Die beiden hieroglyphischen Kolumnen wiederum sind von besonderer Wichtigkeit, denn sie liefern den ersten und bisher einzigen hieroglyphischen Beleg für die vollständige pharaonische Titulatur Alexanders. Sie setzt sich aus fünf Bestandteilen zusammen: Dem Horusnamen, dem Namen der beiden Kronenschlangen, dem Gold(horus)namen, dem Thronnamen und dem Eigennamen (vgl. hierzu Text 22). Da nichts dagegenspricht, dass hieroglyphischer und griechischer Text zur selben Zeit zu Stein gebracht worden sind, könnte Alexander zu diesem Zeitpunkt bereits offiziell als Pharao anerkannt gewesen sein, eine mögliche Krönung hatte damit ebenfalls schon stattgefunden. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass der Text nicht ‚spontan‘ verfasst wurde, sondern dass Alexander ihn bei seinem Durchzug in Auftrag gab und die Inschrift dann später, nach Fertigstellung des Postaments, eventuell auch des Tempels, angebracht wurde. Das könnte dann die unprofessionelle Ausführung der griechischen Schriftzeichen erklären, die ein Ägypter mit wenig praktischen Fähigkeiten in der griechischen Buchstabengravierung angebracht hat. & A. FAKHRY, Bahria Oasis II, Kairo 1950, 46f., Taf. 26 (zum Objekt); H. BRUNNER, Die Geburt des Gottkönigs. Studien zur Überlieferung eines altägyptischen Mythos, Wiesbaden 21964 (zur Zeugung des Pharaos durch Amun); S. LAUFFER, Alexander der Große, München 1978, 109–126 (Zusammenstellung der Quellen zum Ägyptenaufenthalt Alexanders); A. J. HEISSERER, Alexander the Great and the Greeks: The Epigraphic Evidence, Norman 1980 (Übersetzung und Kommentar der Inschriften der Zeit Alexanders des Großen); S. M. BURSTEIN, Pharaoh Alexander: A Scholarly Myth, in: Ancient Society 22, 1991, 139–145; G. HÖLBL, Königliche Legitimität und historische Umstände im Spiegel der pharaonischen Titulaturen der griechisch-römischen Zeit: Einige Interpretationen und Diskussionsvorschläge, in: S. Curto u.a. (Hg.), Sesto Congresso Internazionale di Egittologia. Atti I, Turin 1992, 237–278; F. COLIN, Un ex-voto de pèlerinage auprès d’Ammon dans le temple dit „d’Alexandre“, à Bahariya (désert Libyque), in: BIFAO 97, 1997, 91–96 (zur Frage nach dem Hauptgott des Tempels von Baharia); E. WINTER, Alexander der Große als Pharao in ägyptischen Tempeln, in: H. Beck u.a. (Hg.), Ägypten Griechenland Rom. Abwehr und Berührung. Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, 26. November 2005 – 26. Februar 2006, Frankfurt u.a. 2005, 207 (zum Objekt); A. I. BLÖBAUM, „Denn ich bin ein König, der die Maat liebt“. Herrscherlegitimation im spätzeitlichen Ägypten. Eine vergleichende Untersuchung der Phraseologie in den offiziellen Königsinschriften vom Beginn der 25. Dynastie bis zum Ende der makedonischen Herrschaft, Aachen 2006 (zur Titulatur); F. HOFFMANN/J. F. QUACK, Anthologie der demotischen Literatur, Berlin 2007, 348f. (Literatur zum „Trug des Nektanebos“); M. WEBER, Aegyptus in nummis, in: D. Gerin u.a. (Hg.), Ægyptiaca serta in Soheir Bakhoum memoriam: Mélanges de numismatique, d’iconographie et d’histoire, Mailand 2008, 243–250 (zur Ikonographie des Ammon von Siwa); F. BOSCH-PUCHE, L’„autel“ du temple d’Alexandre le Grand à Bahariya

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Texte

retrouvé, in: BIFAO 108, 2008, 29–44 (ed. pr.); M. HIRZBAUER, Der Oasentempel von Qasr el-Maǧizba als ein Beispiel für die Legitimation Alexanders des Großen, in: GM 230, 2011, 49–52; St. CANEVA, D’Hérodote à Alexandre: L’appropriation grécomacédonienne d’Ammon de Siwa, entre pratique oraculaire et légitimation du pouvoir, in: A. Declercq/I. Slobodzianek (Hg.), Les représentations des dieux des autres, Palermo 2011, 293‒309 (zur Verbindung von Ammon von Siwa, Zeus von Dodona und Amun von Theben); T. HOWE, The Diadochi, Invented Tradition, and Alexander’s Expedition to Siwah, in: V. A. Troncoso/E. M. Anson (Hg.), After Alexander. The Time of the Diadochi (323–281 BC), Oxford/Oakville 2013, 57–70; F. BOSCH-PUCHE, The Egyptian Royal Titulary of Alexander the Great I: Horus, Two Ladies, Golden Horus and Throne Names, in: JEA 99, 2013, 131–154 (zur Titulatur Alexanders); E. ARENA, Alessandro basileus nella documentazione epigrafica: la dedica del tempio di Atena a Priene (I.Priene 156), in: Historia 62, 2013, 48–79; A. COLLINS, Alexander’s Visit to Siwah: A New Analysis, in: Phoenix 68, 2014, 62–77; F. BOSCH-PUCHE, The Egyptian Royal Titulary of Alexander the Great, II: Personal Name, Empty Cartouches, Final Remarks, and Appendix, in: JEA 100, 2014, 89–109; St. PFEIFFER, Alexander der Große in Ägypten: Überlegungen zur Frage seiner pharaonischen Legitimation, in: V. Grieb u.a. (Hg.), Alexander the Great and Egypt. History, Art, Tradition. Wroclaw/ Breslau 18./19. Nov. 2011, Wiesbaden 2014, 89–106; I. LADYNIN, Defense and Offence in the Egyptian Royal Titles of Alexander the Great, in: K. Ulanowski (Hg.), The Religious Aspects of War in the Ancient Near East, Greece, and Rome, Leiden/Boston 2016, 258f. (Vermutung, dass die griechische Inschrift frühptolemäisch ist); S. MÜLLER, Kambyses II., Alexander und Siwa: Die ökonomisch-geopolitische Dimension, in: C. Binder u.a. (Hg.), Diwan. Untersuchungen zu Geschichte und Kultur des Nahen Ostens und des östlichen Mittelmeerraums im Altertum. FS Josef Wiesehöfer, Duisburg 2016, 223–245 (unwahrscheinliche Ansicht, Alexander sei aus ökonomischen Gründen zur Sicherung der Handelswege nach Siwa gezogen); St. CANEVA, Ptolemy I: Politics, Religion and the Transformation to Hellenistic Egypt, in: T. Howe (Hg.), Ptolemy I Soter. A Self-Made Man, Oxford/Philadelphia 2018, 92–94 (Ansicht, dass nicht Alexander selbst für die Stiftung verantwortlich ist, sondern Hor-Hetep); R. S. BIANCHI, Alexander, Sohn of Amun: The Interaction Between the Egyptian Priesthood and Alexander’s Policy Makers, in: CdÉ 93, 2018, 86–97 (These einer äußerst engen Zusammenarbeit ägyptischer Eliten mit dem Stab Alexanders des Großen).

2. Zwei Weihungen aus Schedia (spätes 4. Jh. v. Chr.) a) SB I 2262 = I.Delta 413, Nr. 1 = CPI 107 = TM 6695 b) SB I 2263 = I.Delta 413, Nr. 2 = CPI 108 = TM 6696 Standort: Tübingen, Museum der Universität Inv. S/13 3956 und 3954 2. Zwei Weihungen aus Schedia

Um Alexandria mit dem bei Kanopos ins Meer fließenden kanopischen Nilarm zu verbinden, ließ der erste Ptolemäer einen 30 km langen Kanal graben und an der Abzweigung dieses Kanals ein Ort namens Schedia (Strabon XVII 1,16; vgl. Text 17 und 60), nach dem griechischen Wort für Schiffsbrücke (σχεδία) benannt, gründen. Es handelte sich um eine Zollstation und einen Umschlaghafen, an dem alle Waren, die flussabwärts nach Alexandria gelangen sollten, auf flache Boote umgeladen wurden (Prokop. Aed. VI 1,2). Der Kanal war für Alexandria nicht nur von enormer ökonomischer Bedeutung, sondern er garantierte

2. Zwei Weihungen aus Schedia

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letztlich auch die schnelle Verbindung der am Rande Ägyptens gelegenen Stadt mit allen Orten des Niltals und versorgte die Stadt zudem mit Wasser. Die Neugründung von Schedia war ein ausgeprägt griechisches Gemeinwesen, das uns im Spiegel von zahlreichen Inschriften entgegentritt. Die beiden hier vorgestellten Texte gehören zu den frühesten aus Ägypten bekannten ptolemäerzeitlichen griechischen Inschriften. Sie werden heute im Museum der Universität Tübingen aufbewahrt und stammen aus der Sammlung Sieglin, der sie möglicherweise aus Schedia selbst mitgebracht hat. Es handelt sich um zwei Stelen aus lokalem Kalkstein, die allem Anschein nach jeweils einen heiligen Bezirk in oder bei Schedia markierten (Scheuble). Die kurzen Inschriften sind nahzu im Stoichedon auf die Steine aufgetragen, also so, dass die Buchstaben ohne Worttrennung reihenweise untereinander angeordnet sind (Abb. 2).

Abb. 2: Zwei Temenosmarkierungen aus Schedia; Tübingen, Inv. S/13 3956 und 3954.

Text und Übersetzung Inschrift a) Διὸς | Σωτῆ|ρος

„(Heiliger Bezirk des) Zeus Soter.“

Inschrift b) Ἀθηναί|ης Πολι|άδος

„(Heiliger Bezirk der) Athena Polias.“

Kommentar: Beide Inschriften scheinen, nach Buchstabenform und Ähnlichkeit der Ausführung zu urteilen, aus dem gleichen Kontext zu stammen. Zeus, der in Ägypten gerne mit Amun gleichgesetzt wurde, erhält die Anrufung „Retter“ (soter). Athena, die in Ägypten mit der Göttin Neith identifiziert werden konnte, trägt den Beinamen „der Stadt“, ist folglich in ihrer Funktion als Wächterin der Stadt angesprochen. Es ist der einzige Beleg für diese Epiklese Athenas in Ägypten überhaupt. Die Namen Zeus und Athena sind damit nicht, wie sonst durchaus üblich, interpretationes Graecae ägyptischer Götter (vgl. hierzu Text 27), sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um die Stiftungen von in Schedia stationierten ionischen Soldaten (wegen der Dialektform

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Ἀθηναίης) des Ptolemäerheeres handelt, die ihre Kulte aus der Heimat mitgebracht hatten (Scheuble). Es bleibt aber trotzdem zu fragen, wie Athena als Stadtgöttin angesprochen werden kann, denn Schedia verfügte wahrscheinlich nicht über den Status einer griechischen polis (vgl. Text 3) – zumindest fehlen hierfür andere Belege. & E. VISSER, Götter und Kulte im ptolemäischen Alexandrien, Amsterdam 1938, 30f., 87; A. SCHIFF, Inschriften aus Schedia (Unterägypten), in: Festschrift zu Otto Hirschfelds sechzigstem Geburtstage, Berlin 1903, 388f., Nr. 3 und 4 (Inschrift mit Abbildung); M. L. STRACK, Inschriften aus ptolemäischer Zeit III, in: APF 3, 1906, 133, Nr. 10 und 11; C. E. VISSER, Götter und Kulte im ptolemäischen Alexandrien, Amsterdam 1938, 69; M. BERGMANN/M. HEINZELMANN, Schedia, Alexandrias Hafen am Kanopischen Nil. Zwischenbericht zu den Arbeiten 2003–2007, in: Hefte des Archäologischen Seminars der Universität Bern 20, 2007, 65–77 (zu den aktuellen Ausgrabungen); M. BERGMANN u.a., Schedia, Alexandria’s Harbour on the Canopic Nile. Interim Report on the German Mission at Kom el Giza/Beheira (2003–2008), in: L. Blue/E. Khalid (Hg.), Lake Mareotis: Reconstructing the Past. Proceedings of the International Conference on the Archaeology of the Mareotic Region Held at Alexandria University, Egypt, 5–6 April 2008, Oxford 2010, 107–117; S. SCHEUBLE, Inschriften aus Schedia, in: Chiron 39, 2009, 468–471, Nr. 1 und 2 (neueste Edition und kurzer Kommentar).

3. Eine Ehrung der Griechenstadt Ptolemais Hermiu in Oberägypten für den Stadtgründer Ptolemaios I. (römische Kopie des 2. Jhs. n. Chr.) SEG XX 665 = I.Prose 62 = SB VIII 9820 = SEG XLII 1500 = CPI 358 = TM 5983 Standort: Oxford, Ashmolean Museum inv. AN 198756 3. Eine Eh rung von Ptolemais fü r Pto lemaios I.

In Ägypten gab es in der Ptolemäerzeit drei Städte mit griechischem Stadtrecht: Das von Alexander dem Großen gegründete Alexandria, der alte Handelshafen Naukratis (vgl. Text 19) und die von Ptolemaios I. in Oberägypten gegründete Stadt Ptolemais Hermiu. In römischer Zeit kam unter Hadrian die von diesem gegründete Stadt Antinoopolis hinzu (vgl. Text 77). Der vorliegende Text ist auf einem aus ägyptischem Kalzitalabaster bestehenden Stelenfragment angebracht. Es handelt sich um einen Volksbeschluss der Stadt Ptolemais, wohl zu Ehren ihres Gründers Ptolemaios’ I. Da Ptolemaios II. ihn offiziell erst 283 v. Chr. zum „Gott Soter“ erhoben hatte (belegt ist der Kult aber erst seit dem 2. Jh. v. Chr.: vgl. P.Haun. IV 70,18; P.Merton I 5,27f.), könnte dieses Jahr den terminus post quem der Beschlussfassung liefern, ebensogut ist es aber möglich, dass diese Wendung im Rahmen der römischen Redaktion der Inschrift in den Text eingefügt wurde. Ebenso könnte das Original aus der Herrschaft Ptolemaios’ I. stammen, der, falls er tatsächlich der Geehrte ist und damit unter den Lebenden geweilt haben sollte, bereits zu Lebzeiten von der Stadtbevölkerung als „Rettergott“ verehrt wurde. Die Inschrift selbst stammt den Buchstabenfor-

3. Eine Ehrung von Ptolemais für Ptolemaios I.

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men nach aus dem 2. Jh. n. Chr. Der Stein wurde in Kairo angekauft und befindet sich heute in Oxford. Text und Übersetzung ἔδοξε τῆι βουλῆι καὶ τῶι δ̣[ήµωι· ἐπειδὴ ὁ βασιλεὺς Πτολεµαῖος (?)] | θεὸς Σωτὴρ πόλιν Ἑλληνίδα ἐν [τῆι Θηβαΐδι ἔκτισε — — τὴν ἐπωνυ]|µίαν ποιησάµενος Πτολεµα̣[ΐδα ἀφ’ ἑαυτοῦ — — καὶ δοὺς αὐτῆι τὴν αὑτοῦ προσ]|τασίαν· εἰς ἣν ὁ βασιλεὺς ἀπ̣[έστειλεν ἐποίκους ἐκ — — — —] (5) καὶ ἐξ Ἄργους καὶ ἐκ [— — — — καὶ ἐκ — — — — καὶ ἐκ — — — — -]|νος καὶ ἐκ τῆς Θετ̣[ταλίας — — — — — — —] | δεδόχθαι τ[ῆι βουλῆι καὶ τῶι δήµωι — — — —] | κα̣τὰ̣ τ̣ὸ̣ν̣ τ̣[ῆς πόλεως νόµον (?) — — — — — —].

Es wurde beschlossen durch Rat und Volk: [Weil König Ptolemaios (?)], der Gott Retter, eine griechische Stadt in [der Thebais gegründet hat, deren Benennung] als Ptolemais [er nach sich selbst] vorgenommen hat [... und er gab ihr seine Vors]teherschaft. In diese hat der König [Siedler geschickt aus — — — ] und aus Argos und aus [... und aus — — — und aus — — — — ] und aus Thes[salien — — — —], sei beschlossen [durch den Rat und das Volk ... ] gemäß dem [städtischen Gesetz? ... ].“

Kommentar: Strabon beschreibt Ptolemais während seines Ägyptenbesuchs kurz vor der Zeitenwende wie folgt (XVII 1,42): „Dann kommt die Stadt Ptolemais, die größte der Thebais und nicht hinter Memphis zurückstehend; sie hat auch einen politischen Verband nach griechischer Weise.“ (Übersetzung: Radt). So wie Alexander die Stadt Alexandria an der Mittelmeerküste gegründet hatte, nahm also auch Ptolemaios I. eine Stadtgründung vor, jedoch in Oberägypten. Wann das geschah, muss offen bleiben. Er benannte das griechische Gemeinwesen nach sich selbst als Ptolemais, trat damit also in die Funktion eines heros eponymos, eines namengebenden Heros, denn in der Vorzeit waren es immer mythische Helden, die Städte gegründet und nach sich selbst benannt hatten. Diesem Beispiel war bereits Philipp II., der Vater Alexanders des Großen, gefolgt, als er in Thrakien der von ihm gegründeten Stadt den Namen Philippopolis gab. In den Quellen kann das oberägyptische griechische Gemeinwesen auch als Ptolemais tes Thebaidos (Πτολεµαὶς τῆς Θηβαίδος) – Ptolemais in der Thebais – bezeichnet werden. Ungewöhnlich ist hingegen, insbesondere in Anbetracht der Eponymität des Ptolemaios, ihr weiterer Name Ptolemais he Hermiu (Πτολεµαὶς ἡ Ἑρµείου), also „Ptolemais des Hermeias“. Möglicherweise nannte man sie so, weil ein gewisser Hermeias im Auftrag des Königs die Gründung durchgeführt hatte, aber nicht als Ktistes – also Stadtgründer – auftreten durfte (Huß; vgl. Text 72). In demotischen Texten wird die Stadt nach dem Dorf, an dessen Stelle sie gegründet wurde, Pa-si (P#-sj) oder Per-si (Pr-sj), griechisch Syis (Σύις) genannt, was „Haus des Krokodils“ heißt. Andere gehen davon aus,

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dass es mit „der Balken“ zu übersetzen ist, was aber keinen Sinn ergibt, es sei denn, man interpretiert das im Sinne eines mit Holz durchgeführten Bauvorhabens und als Abkürzung für die lange Wendung „Der Balken des Ptolemaios“ – P#-sj-n-Ptwlmjw (Mueller; Kayser). Zu diskutieren ist die Frage, weshalb die Ptolemäer nur eine einzige Griechenstadt innerhalb Ägyptens gründeten und welchen politischen Zweck Ptolemais in Oberägypten hatte. Erstere Frage ist schwer zu klären, letztere ist wohl dahingehend zu beantworten, dass die alte nahegelegene Königsstadt Theben auf denselben Status beschränkt werden sollte wie ihr unterägyptisches Äquivalent Memphis, man also danach trachtete, die Administration Oberägyptens nicht mehr von der alten ägyptischen, sondern einer neuen griechischen Stadt aus zu regeln. Die Ptolemäer wollten ihre politische Autorität und Kontrolle in Oberägypten durch die Ablösung alter Eliten in Theben etablieren (Manning). Ptolemais sei ein Bollwerk des Hellenismus inmitten des ägyptischen Umlandes gewesen (Legras). Andere hingegen sind der Ansicht, dass Ptolemais kaum ein „Gegen-Theben“ sein konnte, weil hierzu schon militärische Kräfte notwendig gewesen wären, eine Garnison aber erst seit dem 2. Jh. v. Chr. zu belegen ist (Huß). Umstritten ist die Frage, welcher ptolemäische König mit der Inschrift geehrt wird, da ein großer Teil des Textes aus Ergänzungen besteht. Es ließe sich, gegen die hier vorgestellten Ergänzungen (nach Bernand) auch argumentieren, dass der Beschluss lediglich auf den Stadtgründer rekurriert, aber der eigentlich geehrte „König“ (Z. 4) einer seiner Nachfolger ist, schließlich würde man diesen nicht einmal „Gott Retter“ und dann an vorliegender Stelle schlicht „König“ nennen. Es könnte etwa Ptolemaios V. oder VI. gemeint sein, der die Stadt nach der großen oberägyptischen Erhebung wiederbesiedelte (Fraser, Kayser), was freilich voraussetzt, dass die Stadt während der Aufstände ganz erheblich zerstört wurde. Hiergegen ließe sich einwenden, dass der König als Stadtgründer zu Beginn mit seinem Epitheton benannt ist, wohingegen sein Herrschaftshandeln selbstverständlich den damit einhergehenden Titel König voraussetzt (Müller). Zudem ist anzumerken, dass die Stadt in römischer Zeit schwerlich das Bedürfnis gehabt haben wird, immer noch an den Akt der Wiederbesiedlung zu erinnern, sehr wohl aber weiterhin ihres Gründers gedenken wollte, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen entsprechenden Beschluss kopierte und wieder aufstellte. Es ist schließlich schwer vorstellbar, dass das Handeln irgendeines in dieser Zeit unbedeutenden Ptolemäerkönigs – und das waren alle bis auf den ersten – der Niederschrift wert war: Es dürfte folglich eine Erinnerung an die Stadtgründung und Besiedlung selbst sein, die hier erneut verewigt wurde. Etwa zeitgleich mit dieser Wieder-Erinnerung an den Stadtgründer brachte ein Bürger der Stadt auf der Insel Philae zudem ein Ruhmepigramm für Ptolemais an (vgl. Text 72). Möglicherweise sahen sich die Bürger von Ptolemais in ihrer Bedeutung durch das von Hadrian in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. gegründete

4. Das diagramma für Kyrene

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Antinoopolis eingeschränkt und suchten auf dem Weg der Betonung der Anciennität ihrer Stadt deren Wichtigkeit hervorzuheben. & G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hellenismus in Ägypten, Leipzig 1910; P. M. FRASER, Inscriptions from Ptolemaic Egypt, in: Berytus 13, 1959/60, 123–133, Nr. 1 (ed. pr.); J. BINGEN, Rez. Fraser, in: CdÉ 36, 1961, 225; P. M. FRASER, Bibliography: Graeco-Roman Egypt: Greek Inscriptions, in: JEA 48, 1962, 142f., Nr. 8; Chr. HABICHT, Gottmenschentum und griechische Städte, München 2 1970, 259 (zum Gründerkult); W. LESCHHORN, „Gründer der Stadt“. Studien zu einem politisch-religiösen Phänomen der griechischen Geschichte, Stuttgart 1984, 226–228 (zum Gründerkult); P. MCKECHNIE, Outsiders in the Greek Cities of the Fourth Century BC, London 1989, 58, 76; J. BINGEN, Ptolémaïs (Haute-Égypte): C.Ord.Ptol. 67 et décrets de la cité, in: H. Melaerts u.a. (Hg.), Studia varia Bruxellensia ad orbem GraecoLatinum pertinenta III, Löwen 1994, 13–21; R. S. BAGNALL, Cults and Names of Ptolemais in Upper Egypt, in: W. Clarysse u.a. (Hg.), Egyptian Religion: The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur II, Löwen 1998, 1093–1101; B. LEGRAS, L’Égypte grecque et romaine, Paris 2004, 117–119 (zu Ptolemais); J. RAY, Demotic Papyri and Ostraca from Qasr Ibrim, London 2005, Text 1 und 2 (zu Nubiern in Ptolemais); K. MUELLER, Settlements of the Ptolemies. City Foundations and New Settlement in the Hellenistic World, Löwen 2006, 20–22 (zur Namensbedeutung), 166–168 (zur Herkunft der Siedler aus Kyrene); G. M. COHEN, The Hellenistic Settlements in Syria, the Red Sea Basin, and North Africa, Berkeley u.a. 2006, 350–352 (zur Stadtgründung, alle Quellenbelege und aktuelle Literatur); J. G. MANNING, The Last Pharaohs. Egypt Under the Ptolemies, 305–30 BC, Princeton/Oxford 2010, 104–116 (Ptolemais im Kontext der Thebais); W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 24–26 (zur Funktion von Ptolemais); F. KAYSER, Ptolémaïs de Haute-Égypte: une cité grecque dans son environnement égyptien, in: ders./L. Medini (Hg.), Communautés Nouvelles en Égypte hellénistique et romaine, Chambéry 2017, 46–51 (zur Inschrift, Interpretation basierend auf der Lesung Frasers).

4. Die Anordnung (diagramma) über die Verfassung der Stadt Kyrene (320 v. Chr.) IGCyr010800 = SEG IX 1,1–45 = SEG IX 1,1–45, 73–90 mit Korrekturen SEG XVIII 726 (= Z. 46–72) = SB VIII 10075 = TM 6095 Austin, Nr. 29; Bertrand, Nr. 77 Standort: Cyrene Museum, 11 4. Das diagr amma für Kyrene

In der alten griechischen Kolonie Kyrene, an der Mittelmeerküste des heutigen Staates Libyen, war es nach dem Tod Alexanders des Großen zu einem Bürgerkrieg zwischen Vertretern der Oligarchie und der Demokratie gekommen. Sogar fremde Mächte griffen in den Konflikt ein, der sich in der gesamten Kyrenaika ausgebreitet hatte. Mit Unterstützung von 6.000 Kämpfern suchte der spartanische Söldnerführer und Pirat Thibron sein Glück in Kyrene, möglicherweise auf Seiten der exilierten Demokraten. Die Stadt rief daraufhin Karthager und Libyer zur Hilfe, doch erlitt die Koalition gegen Thibron eine Niederlage, und in der

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von ihm belagerten Stadt kam es zu einem demokratischen Umsturz. Die Oligarchen wandten sich daraufhin an den Satrapen Ägyptens, Ptolemaios, der auf ihrer Seite in den Konflikt eingriff und 321 v. Chr. Kyrene „befreite“. Daraufhin erließ möglicherweise der König selbst eine neue Ordnung für die Stadt. Diese Verfassung wurde mittels eines diagramma, also einer Verordnung, verabschiedet und auf einer Inschrift festgehalten, die sich in späterer Zeit als Stufe verbaut in die byzantinischen Thermenanlagen in Kyrene wiederfand. Es steht zu vermuten, dass die Stele ursprünglich am Hauptheiligtum der Stadt, dem Tempel des Apoll, aufgestellt war. Der Text ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Einerseits handelt es sich um die einzige bekannte inschriftlich festgehaltene Verfassung einer griechischen Polis. Andererseits erlaubt er einen Blick auf das Verhältnis von Ptolemaios zu griechischen Städten in seinem Herrschaftsbereich und wird von manchen sogar zur Rekonstruktion der nicht überlieferten Verfassung Alexandrias herangezogen (Fraser). Text und Übersetzung Ἀ[γαθὰ τύχα.?] | [Πολ]ῖται ἔσονται οἱ ἄ̣ν̣δ[̣ ρε]ς ἐξ [ἀνδρὸς] Κυρηνα̣ίaο̣υ̣ καὶ γυναικὸς Κυρηναίας καὶ ο[ἱ | ἐκ τ]ῶν Λι[β]υσσῶν τῶν ἐντὸς τοῦ Καταβαθ̣µοῦ καὶ Αὐθαµάλακος καὶ οἱ ἐκ τῶν ἐ[π|οίκ]ων τῶν ἐκ τῶν πόλεων τῶν ἐπέκεινα τῆς Θινίτιος, οὓς Κυρηνῖοι ἐπώικισαν κ[αὶ (5) οὓς ἂ]ν Πτολεµαῖος καταστήσηι καὶ οὓς ἂν τὸ πολίτευµα δέξηται, ὡς ἂν ἐν τοῖς νόµοις τοῖ[σδε]. |

[Πολί]τευµα δ᾿ ἔστω οἱ µύριοι· ὑπαρχόντωσαν δὲ οἱ φυγάδες οἱ ἐς Αἴγυπτον φυγόντες, | [οὓ]ς ἂν Πτολεµαῖος ἀποδείξηι καὶ οἷς ἂν τὸ τίµηµα ἦι τῶν χρηµάτων τῶν ἀ[θ]|ανάτων σὺν τοῖς τῆς γυναικὸς µνῶν εἴκοσι Ἀλεξανδρείων, ὃ ἂν οἱ τιµτῆρ|ες τµήσωσι ἐλεύθερον· καὶ ὅσοις εἰσὶ φειλόµεναι µναῖ εἴκοσι Ἀλεξάνδρειοι (10) σὺν τοῖς τῆς

„[Auf gutes Glück!] Bürger (politai) sollen die Männer sein, (die) von einem Kyrener und einer Kyrenerin (abstammen), und diejenigen, (die) von Libyerinnen (abstammen), (die) zwischen Katabathmos und Authamalax (leben), und diejenigen, (die) von Kolonisten der Städte jenseits von Thinis (abstammen), die die Kyrenäer als Kolonisten ausgeschickt hatten, und diejenigen, die Ptolemaios dazu bestimmt hat, und diejenigen, die das politeuma (i.e. die Bürgerschaft) zugelassen hat, gemäß den folgenden Bestimmungen. [§ 1] Das politeuma (i.e. die politisch aktive Bürgerschaft) sollen die Zehntausend bilden: Sie sollen sich (a) aus den Flüchtlingen zusammensetzen, die nach Ägypten geflohen waren, (b) denjenigen, die Ptolemaios bestimmt, und (c) denjenigen, die über Besitz an Immobilien zusammen mit dem ihrer Frau im Wert von zwanzig Alexander-Minen verfügen, und (d) denjenigen, die die Vermö-

4. Das diagramma für Kyrene γυναικὸς ἐν ἀθανάτοις τετιµηµένοις µὴ ἐλάσσονος τοῦ ὀφειλ|[ή]µατος καὶ τοῦ τόκου, καὶ ἀνταποµνυόντων οἱ ὀφείλοντες, κἂν οἱ γείτονες µ[ὴ] | τιµὰς ἔχωσι, ἔστωσαν καὶ ὗτοι τῶν µυρίων µὴ νεώτεροι τριάκοντα ἐτῶν.

Τιµ|[η]τῆρας δὲ αἱρείσθων οἱ γέροντες ἐκ τῶν µυρίων ἄνδρας ἑξήκοντα µὴ νε[ω]τέρ[ους | τ]ρ[ι]άκοντα ἐτῶν, ὁµόσαντες ὅρκον νόµιµον. Οἱ δὲ αἱρεθέντες τιµώντωσαν ὡς ἂ[ν] (15) ἐν τοῖς νόµοις γραφῆι· τῶι δὲ πρώτωι ἔτει πολιτευέσθωσαν ἐκ τῶν πρότερον τιµηµάτων. |

Βουλὴ δὲ ἔστω ἄνδρες πεντακόσιοι, οἳ ἂν τῶι κλήρωι λάχωσι µὴ νεώτερο[ι] | πεντήκοντα ἐτῶν· βουλευόντωσαν δὲ δὺ' ἔτη, ἀποκληρωσάντων δὲ τῶι | [τρ]ίτωι ἔτει τοὺς ἡµίσεις· διαλειπόντωσαν δὲ δὺ' ἔτη. Ἐὰν δὲ µὴ γίνηται ὁ ἀ[ρι|θµ]ός, προσκληρούντων ἐκ τῶν τεσσαράκοντα ἐτῶν vac. (20)

[Γέ]ροντε δ᾿ ἔστωσαν ἑκατὸν εἷς, οὓς ἂν Πτολεµαῖος καταστήσηι· κατὰ δὲ τ[ὸ|ν ἀ]ποθανόντα ἢ ἀποσταθέντα εἰς τὸν ἑκατὸν καὶ ἓνα οἱ

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gensschätzer als frei von Schulden erklärt haben; (e) und alle diejenigen, die Gläubiger von zwanzig Alexander-Minen sind zusammen mit dem Immobilienbesitz ihrer Frau, wenn er sich nicht auf weniger beläuft als die Schuldforderung und den Zins; und die Schuldner sollen einen Gegeneid leisten (?); und wenn die Nachbarn den Wert nicht besitzen, sollen auch diese zu den Zehntausend gehören, wenn sie nicht jünger als dreißig Jahre sind. [§ 2] Die Geronten (Mitglieder des Ältestenrates) sollen aus den Zehntausend sechzig Männer als Vermögensschätzer auswählen, die nicht jünger als dreißig Jahre sind, nachdem sie den gesetzmäßigen Eid abgelegt haben. Die Ausgewählten sollen die Vermögensschätzungen vornehmen, wie es in den Gesetzen geschrieben steht. Im ersten Jahr sollen diejenigen an der Regierung Anteil haben, deren Vermögen zuvor geschätzt wurde. [§ 3] Der Stadtrat soll aus fünfhundert Männern bestehen, die durch Los gewählt werden und nicht jünger als fünfzig Jahre (sind). Sie sollen zwei Jahre lang im Rat tätig sein, und im dritten Jahr soll die Hälfte durch das Los abgewählt werden. Sie sollen zwei Jahre verstreichen lassen (scil. bis zur nächsten Auslosung). Wenn die Zahl (der Ratsmitglieder) nicht erreicht wird, sollen sie aus denen, die (mehr als) vierzig Jahre alt sind, hinzugelost werden. [§ 4] Geronten soll es hunderteins geben, die Ptolemaios bestimmt. Wenn einer (von diesen) stirbt oder von seinem Amt zurücktritt, sollen

38 µύριοι ἄλλον α[ἱρ|είσ]θων µὴ νεώτερον πεντήκοντα ἐτῶν. Τοὺς δὲ γέροντας µὴ ἐξέστω α[ἱ|ρ]εῖσθαι εἰς ἀρχὴν µηδεµίαν ἄλλην ἢ στρατηγοὺς ἐν πολέµωι. Τοὺς δὲ | ἱαρῆας τοῦ Ἀπόλλωνος αἱρείσθων ἐκ τῶν γερόντων τῶµ µὴ ἱα[ριτ (25)ε]υωκότων µὴ νεωτέρων πεντήκοντα ἐτῶν. vac. | [Σ]τρατηγὸς δὲ ἔστω Πτολεµαῖος ἀεί. Πρὸς δὲ τοῦτον αἱρείσθωσαν [στρατη]|γοὺς πέντε ἐκ τῶν µήπω ἐστρατηγηκότων µὴ νεωτέρους πεντήκ̣[οντα]| ἐτῶν· ἐὰν δὲ πόλεµος ἦι, ἐκ παντὸς τοῦ πολιτεύµατος. Ἐὰν δὲ πόλεµ[ος]| προσγένηται ἄλλος τις καὶ µὴ Λιβυκός, οἱ µύριοι διαγνόντωσαν πό[τερον (30) οἱ] α[ὐ]τοὶ στρατηγῶσιν ἢ µή· ἐὰν δὲ δόξηι µὴ τοὺς αὐτός, αἱρείσθων ἐκ παντ[ὸς] | τοῦ πολιτεύµατος. vac. | Ἔστωσαν δὲ καὶ νοµοφύλακες ἐννῆ ἐκ τῶν µὴ νενοµοφυλακηκότων, vac. | καὶ ἔφοροι πέντε ἐκ τῶµ µὴ ἐφορευ{ω}κότων, µὴ νεώτεροι ἐτῶν πεντήκοντα. | Πρασσόντωσαν δὲ οἱ µὲγ γέροντες ἃ οἱ γέροντες ἐπ’ ερήνης ἔπρασσον, [ἡ ] (35) βουλὴ ἃ ἡ βουλή, οἱ δὲ µύριοι ἃ οἱ χίλιοι.

Πάσας τὰς θανάτου δίκας δικαζόν|των οἱ γέροντες καὶ ἡ βουλὴ καὶ ἐκ τῶν µυρίων χίλιοι καὶ πεντακόσιοι, οἳ ἂν | κλήρωι λάχωσι·

Texte die Zehntausend zu den hundert noch einen anderen hinzuwählen, der nicht jünger als fünfzig Jahre ist. Es ist nicht erlaubt, dass die Geronten in irgendein anderes Amt (arché) gewählt werden, außer zu Strategen (Generälen) im Krieg. Sie sollen die Priester des Apollon aus den Geronten wählen, die noch nicht Priester waren und nicht jünger als fünfzig Jahre alt sind. [§ 5] Stratege soll Ptolemaios auf ewig sein. Zusätzlich zu ihm sollen fünf Strategen gewählt werden aus denen, die noch nicht Stratege waren und die nicht jünger als fünfzig Jahre alt sind; wenn aber an irgendeinem anderen Ort als Libyen Krieg ausbricht, sollen die Zehntausend zuerst entscheiden, ob (man) die gleichen Strategen (nimmt) oder nicht. Wenn man meint, dass es nicht dieselben sein sollen, sollen (die Strategen) aus der gesamten Bürgerschaft gewählt werden. [§ 6] Nomophylakes (Wächter der Gesetze) soll es neun geben aus denen, die noch nicht die Nomophylakie innehatten, und fünf Ephoren (Aufseher) aus denen, die noch nicht das Ephorat innehatten und die nicht jünger als fünfzig Jahre alt sind. [§ 7] Die Geronten sollen das machen, was die Geronten im Frieden (vor dem Bürgerkrieg) gemacht haben, der Rat das, was der Rat (vorher) gemacht hat, die Zehntausend das, was die Tausend gemacht haben. [§ 8] Über alle Kapitalstraffälle sollen die Geronten zu Gericht sitzen und der Rat und aus den Zehntausend eintausendfünfhundert, die

4. Das diagramma für Kyrene χρέσθωσαν δὲ τοῖς νόµοις τοῖς προ[τέ]ροις, ὅσοι µὴ ὑπεναντίοι τῶι|δε τῶι διαγράµµατι. Ὑπεύθυνοι δὲ ἔστωσαν αἱ ἀρχαὶ κατὰ τοὺς νόµους τοὺς [ὄν]|τα[ς]. Ὅτωι δ᾿ ἂν ἀγοµένωι ὑπὸ τῶν στρατηγῶν οἱ γέροντες καὶ ἡ βουλὴ θάνατον κρ[ίν](40)ω[σ]ι, ἐξέστω αὐτῶι, ὁπότερον ἂν βούληται, ἢ ἐν τοῖς νόµοις δικάσασθαι ἢ ἐν Πτ[ολε]|µ̣αίωι, ἔτη τρία. Τὸ δὲ λοιπὸν ἐν τοῖς νόµοις δικαζέσθων. Φυγάδς δὲ µὴ κα[τα]|δικαζ̣έ̣σθ̣ ων ἄτερ τῆς Πτολεµαίου γνώµης. vac.|

Ὅς̣ ἂ̣ν̣ δ̣᾿ ἐκ τοῦ π̣[ολιτε]ύµατος δηµοσίαι ἰατρεύηι ἢ παιδοτριβῆι ἢ διδάσκ[ηι] | το[ξεύε]ιν ἢ ἱππε[ύε]ιν ἢ ὁπλοµαχεῖν ἢ κηρ[ύσ]σηι ἐν βρυτανε̣ίaωι‚ a, µὴ συνπορε[υέσ](45)θω [µυ]ρ[ι]ακὰς ἀρχάς· ὃς ἂν τούτων vac.

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durch das Los gewählt werden. Sie sollen die alten Gesetze anwenden, solange sie nicht diesem diagramma entgegenstehen. Die Amtsinhaber sollen nach den bestehenden Gesetzen rechenschaftspflichtig sein. Demjenigen, der von den Strategen überführt wurde und gegen den die Geronten und der Rat die Kapitalstrafe verhandeln, soll es möglich sein, wenn er möchte, entweder nach den Gesetzen oder durch Ptolemaios beurteilt zu werden, innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren. In Zukunft sollen sie/soll der Rest gemäß den Gesetzen verurteilt werden. Die (ehemaligen) Flüchtlinge dürfen nicht ohne das Urteil des Ptolemaios verurteilt werden. [§ 9] Wer auch immer aus der Bürgerschaft eine öffentliche Tätigkeit ausübt als Arzt oder als Lehrer junger Männer im Gymnasium (paidotribes) oder als Lehrer im Bogenschießen oder Reiten oder Waffenkampf oder als Herold im Ratshaus, darf nicht gleichzeitig ein Amt aus den Zehntausend innehaben. Wer auch immer von ihnen.“ Das Digramma enthält noch einige weitere Paragraphen, die teils nicht mehr vollständig sind. Es schließt mit einer Nennung der aktuellen neun Nomophylakes, der fünf Ephoren und fünf Nomotheten.

Kommentar: Da die Datierung des Textes nicht mehr erhalten ist – in der hier nicht abgedruckten Zeile 90 findet sich nur noch die Angabe „20. Tag des Monats Epeiph“ –, ist umstritten, wann genau das diagramma erlassen wurde. Ein wichtiger terminus ante quem für die Verordnung ist die Annahme des Königstitels Ptolemaios’ I., denn danach wäre zu erwarten, dass er auch im Text „König“ (basileus) genannt wird, was hier eben nicht geschieht. So muss das diagramma also vor 306 v. Chr. entstanden sein. Erwogen wurden neben dem Jahr

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320 v. Chr. auch die Jahre 312 und 308 v. Chr. Aufgrund der (nicht mit abgedruckten) Personennamen und der Erwähnung von Flüchtlingen nach Ägypten, die mit den bei Diodor (XVIII 21,6) erwähnten identisch sein dürften, ist eine Datierung in das Jahr 320 v. Chr. wahrscheinlich (Criscuolo). Ein Jahr später hatte Ptolemaios auch von den übrigen Diadochen im Friedensvertrag von Triparadeisos den Besitz Libyens zugestanden bekommen (Arrian, Diadochengeschichte fr. 1,34). Interessant ist, dass man selbst in der Kyrenaika bereits zu Beginn der Ptolemäerzeit nach einem ägyptischen und nicht nach einem makedonischen oder griechischen Monat datierte. An erster Stelle der neuen Verfassung stand die Definition des Bürgerrechtes von Kyrene, das sehr weit gefasst war und sogar Kindern aus kyreneisch-libyschen Mischehen verliehen wurde. Zudem erhielten es die Nachkommen von Kolonisten aus Kyrene, die sich jenseits von Thinis angesiedelt hatten. Wo genau dieses Thinis liegt, ist umstritten. Es gibt die Auffassung, dass hiermit die Oase Charga gemeint ist (Oliveri). Auch von Siedlern im Thinis genannten ägyptischen Gau könnte die Rede sein (Manning). Es ist aber nicht nachzuweisen, dass es im thinitischen Gau eine kyreneische Apoikie („Kolonie“) gegeben hat. So ist das kyrenische Thinis wohl eher an einem anderen Ort, sicherlich an der Mittelmeerküste, vielleicht westlich von Kyrene zu suchen. Die (von Ptolemaios erzwungene) Offenheit der Stadt für Neubürger ging so weit, dass sogar solchen Personen die Zugehörigkeit ermöglicht wurde, die in keiner direkten Verbindung zur Stadt standen, die aber von Ptolemaios auf der einen oder von der Stadtbürgerschaft auf der anderen Seite das Bürgerrecht verliehen bekamen. Es zeigt sich also, dass Ptolemaios rigide in die Zusammensetzung der Bürgerschaft im Sinne einer Erweiterung eingriff, wohl mit dem Ziel, die durch den Bürgerkrieg dezimierte Bevölkerung wieder anzufüllen. An zweiter Stelle geht es ihm dann auch noch um die Versöhnung und Wiedereingliederung der bereits erwähnten Exilanten (erster Abschnitt von § 1), die während des Bürgerkrieges nach Ägypten geflohen waren. Diese mussten ebenfalls wieder in die Bürgerschaft aufgenommen werden. Ptolemaios behielt es sich zudem vor, die erste Kohorte des Ältestenrates zu bestimmen, enthielt sich danach aber jeder weiteren Einmischung in dessen Ergänzung. Das Gleiche gilt für Kapitaldelikte. In den ersten drei Jahren konnte ein Angeklagter entscheiden, ob er in Kapitalsachen von den Stellen, die nach den städtischen Gesetzen zuständig waren, oder von König Ptolemaios abgeurteilt werden wollte – danach ging das Recht allein auf die städtischen Institutionen über. Um die ehemaligen Exilanten zu schützen, gab es zudem noch die Klausel, dass gegen diese in Rechtsfällen nur mit Urteil des Ptolemaios vorgegangen werden durfte. Die Verfassung (vgl. Abb. 3) enthält oligarchische und demokratische Elemente, die wir aus Sparta (Geronten, Ephoren) ebenso wie aus Athen (Buleuten, Strategen, Nomotheten und Nomophylakes) kennen. Letztlich handelt es sich bei der neuen Verfassung der Stadt nur um eine Modifikation der alten Stadt-

4. Das diagramma für Kyrene

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verfassung, wie sich anhand der Aussagen in § 7 feststellen lässt, nach denen die Aufgaben der städtischen Ämter der Geronten und des Rates die gleichen sein sollen wie im Frieden. Hiermit ist auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg angespielt. Auch sollten die alten Gesetze, sofern sie nicht dem diagramma entgegenstehen, bestehen bleiben (§ 8). Der einzige wirklich einschneidende Punkt war die Größe der Aktivbürgerschaft, die nun nicht mehr aus 1.000 Bürgern, sondern aus 10.000 bestehen sollte. Diese 10.000 mussten aber über 30 Jahre alt sein und über ein Mindestvermögen (mobilen und/oder immobilen Eigentums) von 20 Alexander-Minen verfügen. Hierzu dürften schließlich auch die zu Ptolemaios geflohenen Oligarchen zählen ebenso wie diejenigen, die Ptolemaios zu Bürgern bestimmte (§ 1a und b). Zugestanden haben das Bürgerrecht nach einer Vermögensschätzung hierzu ausgewählte Schätzer. Diese Schätzer wurden wiederum durch die Geronten bestimmt, die Ptolemaios in ihr Amt eingesetzt hatte. Die einzige Funktion, die sich Ptolemaios vorbehielt (§ 5), war eine außenpolitische – im Kriegsfall gehörte er zu den sechs Strategen der Stadt. Somit hatte Kyrene mittels des diagramma, also spätestens nach der Dreijahresfrist, wieder seine innenpolitische Autonomie erreicht. Dass die Stadt de facto keine volle Autonomie besaß, sieht man aber daran, dass Ptolemaios unter Leitung des Ophellas eine Garnison in Kyrene zurückließ (Diodor XX 40), er sich damit also militärische Interventionsmöglichkeiten vorbehielt. So beschreibt Diodor sicherlich ganz richtig den faktischen Zustand von Kyrene mit folgenden Worten: „Auf diese Weise verloren die Kyrenäer und die umliegenden Städte ihre Freiheit und wurden unter ptolemäische Herrschaft gestellt.“ (Diodor XVIII 21,9; Übersetzung: Veh).

Abb. 3: Schematische Darstellung der Verfassung von Kyrene nach dem diagramma Ptolemaios’ I. (Umsetzung: Gunnar Dumke).

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Texte

& S. FERRI u.a., Alcune Iscrizioni di Cirene, in: Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Nr. 5, 1925, 3–19; G. DE SANCTIS, La Magna Charta della Cirenaica, in: RFIC 4, 1926, 145–175;
S. REINACH, La charte ptolémaïque de Cyrène, in: RA 26, 1927, 1–32;
G. OLIVIERO, Iscrizioni di Cirene, in: RFIC N.S. 6, 1928, 183–222;
J. A. O. LARSEN, Notes on the Constitutional Inscription from Cyrene, in: CP 24, 1929, 351–368; F. TAEGER, Zum Verfassungsdiagramm von Kyrene, in: Hermes 64, 1929, 432–457; V. EHRENBERG, Zur Verfassungsurkunde von Kyrene, in: Hermes 65, 1930, 332–355; P. M. FRASER, Appendix I. Notes on the Text of the Constitution of Ptolemy I (SEG IX, 1), in: Berytus 12, 1956/58, 120– 127; J. MACHU, Cyrène. La cité et le souverain à l’époque hellénistique, in: Revue Historique 205, 1951, 41–55; A. PAGLIARO, Osservazioni sul DIAGRAMMA di Cirene, in: Studi in onore di Aristide Calderini e Roberto Paribeni I, Mailand 1956, 101–109; P. M. FRASER, Bibliography: Graeco-Roman Egypt: Greek Inscriptions, in: JEA 44, 1958, 115, Nr. 46; J. SIEBERT, Metropolis und Apoikie, Würzburg 1963, 68–71; P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria I, Oxford 1972, 48f.; R. S. BAGNALL, The Administration of the Ptolemaic Possessions outside Egypt, Leiden 1976, 25–37; J. SEIBERT, Das Zeitalter der Diadochen, Darmstadt 1983, 102–104 (Literaturübersicht); A. LARONDE, Cyrène et la Libye hellénistique. Libykai Historiai. De l’époque républicaine au principat d’Auguste, Paris 1987, 85–128; A. LARONDE, Greeks and Libyans in Cyrenaica, in: J.-P. Descoeudres (Hg.), Greek Colonists and Native Populations: Proceedings of the First Australian Congress of Classical Archaeology held in honour of Emeritus Professor A. D. Trendall, Oxford 1990, 169–180; J.-M. BERTRAND, Inscriptions historiques grecques, Paris 1992, 145–148, Nr. 77 (französische Übersetzung); F. SARTORI, Schemi costituzionali nell'Occidente greco, in: C. Antonetti (Hg.), Il dinamismo della colonizzazione greca. Atti della tavola rotonda. Espasione e colonizzazione greca di età arcaica: metodologie e problemi a confronto, Venezia 10–11.11.1995, Neapel 1997, 43–57 (Vergleich der politischen Organisation Kyrenes mit westgriechischen Städten); L. CRISCUOLO, Questioni cronologiche e interpretative sul diagramma di Cirene, in: K. Geus/K. Zimmermann (Hg.), Punica – Libyca – Ptolemaica. Festschrift für Werner Huß, Löwen u.a. 2001, 141–158 (mit ausführlichen Literaturhinweisen in Anm. 2); Chr. A. CAROLI, Ptolemaios I. Soter. Herrscher zweier Kulturen, Konstanz 2007, 76– 83; R. MARTINI, La costituzione di Cirene, in: Rivista di diritto ellenico 1, 2010, 1–12 (italienische Übersetzung und weitere Literatur); F. CHEVROLLIER, Recherches sur les magistratures des cités de Cyrénaïque: l’exemple des éphores, in: Mare Internum 2, 2010, 131f. (zu den Ephoren); J. G. MANNING, The Last Pharaohs. Egypt Under the Ptolemies, 305–30 BC, Princeton/Oxford 2010, 110f. (zu Thinis).

5. Eine Statuenweihung an die Retter Ptolemaios und Berenike (304– 283/2 v. Chr. oder 88–80 v. Chr.) I.Varsovie 50 = APF 5, 1913, 157f., Nr. 1 = TM 110352 Standort: Warschau, National Museum 198730 5. Eine Statuenweih ung an Ptole maios und Berenike

Die vorliegende Weihung (Abb. 4) wurde zu Beginn des 20. Jhs. im Antikenhandel in Ägypten erworben und stammt nach Auskunft des Antikenhändlers aus dem mittelägyptischen Kom el-Ahmar/Scharuna. Solche Angaben sind aber meist Schutzbehauptungen der Verkäufer, so dass hieraus keine Schlussfolgerungen gezogen werden dürfen. Die Kalksteinplatte war ursprünglich unter

5. Eine Statuenweihung an Ptolemaios und Berenike

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einer nicht mehr erhaltenen Statuengruppe des ersten oder neunten Ptolemäerpaares – Ptolemaios IX. führte ebenfalls den Beinamen „Retter“ – angebracht. Es handelt sich um ein Beispiel für den privaten Herrscherkult. Text und Übersetzung Βασιλέα Πτολεµαῖον | καὶ βασίλισσαν Βερενίκην | θεοὺς Σωτῆρας Ἡλιόδωρος | Θυµώιδης Ἑρµογένης | σωθέντες εὐχήν.

„Den König Ptolemaios und die Königin Berenike, die Rettergötter (i.e. ihre Statuen), (weihen) Heliodoros, Thymoides (und) Hermogenes, weil sie gerettet wurden, als Erfüllung eines Gelübdes.“

Abb. 4: Die Inschrift I.Varsovie 50, aus: I.Varsovie, Taf. L (Detail).

Kommentar: Wenn sich Griechen in einer prekären Situation befanden, dann konnten sie sich bittend an eine Gottheit wenden und ihr, im Falle der Gewährung von Beistand, eine Gabe geloben. Es handelt sich um das Prinzip des do ut des. Die dem Retter geweihte Gabe konnte dann mit einer Inschrift versehen werden. Im vorliegenden Fall hatten sich die drei Stifter – dem Namen nach handelt es sich um Griechen – mit ihrer Bitte um Beistand nicht an die alten Götter gewandt, sondern an die beiden Rettergötter Ptolemaios und seine Gemahlin Berenike. Wir sehen hier eine übliche Praxis des hellenistischen Zeitalters, die aus der Vergöttlichung des lebenden Herrschers resultierte. Das kommt treffend in einem Hymnus der Stadt Athen für den antigonidischen Herrscher Demetrios Poliorketes im Jahr 294 v. Chr. zum Ausdruck: „Die anderen Götter haben sich aber weit entfernt, oder sie haben kein Ohr, oder sie existieren nicht, oder sie sind uns nicht zugewandt. Dich aber sehen wir da-seiend, weder aus Holz noch aus Stein, sondern wahrhaftig, deshalb beten wir dich an.“ (Duris von Samos, FGrHist 76 F 13, 20–24). Bereits der erste Ptolemäer erhielt von seinen Untertanen in ähnlicher Weise einen Kult als Retter/Heiland. Die ersten,

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Texte

die den König als einen solchen soter verehrten, waren die Bewohner der Insel Rhodos, weil Ptolemaios I. sie im Kampf gegen Demetrios Poliorketes unterstützt hatte. Nach einer Anfrage erlaubte das Orakel von Siwa ihnen die Einrichtung eines Kultes (Diodor XX 100,3–4; Pausanias I 8,6). Es fällt auf, dass der Name eines der Weihenden – Thymoides – in Ägypten nur dieses eine Mal belegt ist und ansonsten (in der dorischen Form Thymoidas) nur auf Rhodos vorkommt. Vielleicht handelt es sich also bei den Weihenden um Rhodier, die in Ägypten lebten (Łajtar). Die Datierung des Objektes ist jedoch umstritten, denn die Bezeichnung des ersten Ptolemäerpaares mit ihrem erst postum, nach 282 v. Chr., sicher belegten Kulttitel lässt berechtigterweise an einer Weihung zu ihren Lebzeiten zweifeln. Die Alternative wäre, dass es sich um eine Weihung an Ptolemaios IX. Soter II. und seine Tochter (Kleopatra-)Berenike III. aus der Zeit zwischen 88 und 80 v. Chr. handelt (Łajtar), was paläographisch durchaus möglich, aber nicht zwingend ist. Doch auch diese Zuweisung ist problematisch, weil die Tochter nicht Mitregentin des Vaters war und in den zeitgenössischen Aktpräskripten auch nicht geführt wird (vgl. P.dem. Cairo 30631). & O. RUBENSOHN, Neue Inschriften aus Ägypten, in: APF 5, 1913, 157f.; Chr. HAGottmenschentum und griechische Städte, München 21970, 227 (zum hellenistischen Herrscherkult); A. ŁAJTAR, Greek Inscriptions in Polish Collections. A Checklist, in: ZPE 125, 1999, 157, Nr. 53; W. HUß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001, 238–240 (zu Ptolemaios’ Soter-Titel); St. PFEIFFER, Herrscherund Dynastiekulte im Ptolemäerreich. Systematik und Einordnung der Kultformen, München 2008, 51 (zum Text). BICHT,

6. Ein Beschluss der Nesioten zu Ehren Ptolemaios’ I. und II. (ca. 280/278 v. Chr.) IG XII 7, 506 = Syll.3 390 = Michel 373 Burstein, Nr. 92; HGIÜ II 312; Austin, Nr. 256; Kotsidu, Nr. 131; Bertrand, Nr. 88 6. Ein Bes chlus s der Nes ioten

Es war wahrscheinlich der Diadoche Alexanders, Antigonos I. Monophthalmos, der im Jahr 315/314 v. Chr. den Bund (koinon) der Inselbewohner der Ägäis, das koinon der Nesioten, gründete. Nach dem Friedensabkommen zwischen dem Antigoniden Demetrios Poliorketes und Ptolemaios I. übernahm Letzterer 288/286 v. Chr. die Hegemonie über die Inseln der Ägäis. Möglich ist auch, dass Ptolemaios I. den Bund in seiner kurzen Vorherrschaft über Griechenland im Jahr 308 v. Chr., bei der er sogar die Unterwerfung Korinths entgegennahm, gegründet hatte. Neuerdings wird die Ansicht vertreten, dass erst Ptolemaios II. das koinon ins Leben gerufen habe (Meadows; dagegen überzeugend Constantakopoulou). Sein Zentrum hatte das koinon der Nesioten auf der Insel Delos. Unlängst wurde zudem die Auffassung geäußert, dass der Bund überhaupt kein königlicher ‚Zwangszusammenschluss‘ etwa nach dem Vorbild des von Philipp

6. Ein Beschluss der Nesioten

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II. geschaffenen korinthischen Bundes gewesen sei, der den Ptolemäern oder Antigoniden dazu diente, das östliche Mittelmeer zu kontrollieren, sondern er ganz im Gegenteil von den Inselgriechen geschaffen wurde, um ihre Identität gegen äußere Mächte verteidigen zu können (Constantakopoulou). Zumindest so absolut wird das aber kaum der Fall gewesen sein – dafür war die königliche Kontrolle zu stark –, doch weist diese Interpretation des neu geschaffenen Bundes darauf hin, dass die Inselgriechen nicht lediglich ein Spielball äußerer Mächte waren, sondern sie selbst auch als Akteure von den Königen durchaus ernst genommen werden mussten, schließlich war Seeherrschaft in dieser Region nicht ohne die mehr oder weniger freiwillige Gefolgschaft der dort lebenden Griechen möglich. Da die literarische Überlieferung über den Bund schweigt, helfen nur epigraphische Quellen, mehr über ihn zu erfahren. Der vorliegende Bundesbeschluss, eine Kopie zur Umsetzung durch das Bundesmitglied Amorgos, zeigt, wie die gemeinsame Beschlussfassung der Gemeinschaft ablief und erhellt zudem, wie ein Kult der Griechen für die Ptolemäer ausgestaltet werden konnte. Zuweilen findet sich für diesen Beschluss in der Forschung die Bezeichnung Nikuriadekret, weil die betreffende Stele auf der kleinen, vor Amorgos gelegenen Insel Nikuria gefunden wurde. Die Stele galt lange als verschollen, wurde aber unlängst, in einer Mauer verbaut, von Nils Nathanael Fischer und Stelios Perrakis auf Amorgos selbst wiederentdeckt (Abb. 5). Text und Übersetzung [ἔδοξε]ν τοῖς συνέδροις τῶν νησιωτῶν· ὑπὲρ ὧν | [Φιλοκλῆ]ς ὁ βασιλεὺς Σιδονίων καὶ Βάκχων ὁ νη|[σίαρχος ἔγρα]ψαν πρὸς τ[ὰ]ς πόλεις, ὅπως ἂν ἀπο|[στ]εί[λ]ωσιν συνέδρους εἰς Σάµον, οἵτινες (5) [χρηµ]ατιοῦσιν ὑπὲρ τῆς θυσίας καὶ τῶν θεω|[ρῶ]ν καὶ τοῦ ἀγῶνος, ὃν τίθησιν ὁ βασιλεὺς Πτο|[λεµ]αῖος τῶι πατρὶ ἐν Ἀλεξανδρείαι ἰσολύµ[πι|ον, καὶ νῦν] ἐκ πόλεως παραγενοµένοις τοῖς συ[ν|έδροις] δι[ελέγη]σαν Φιλοκλῆς καὶ Βάκχων, δ[ε(10)δό]χθαι τῶι κοινῶι τῶν συνέδρων·

ἐπειδὴ ὁ | [β]ασιλεὺς καὶ σωτὴρ Πτολεµαῖος πολλῶν | καὶ µεγάλων

„Die Ratsmitglieder der Nesioten haben beschlossen: In Bezug auf die Dinge, die Philokles, der König der Sidonier, und Bakchon, der Anführer der Nesioten, an die Städte geschrieben haben, dass sie Ratsmitglieder nach Samos schicken sollen, welche über die Opfer und die Festgesandten und den Wettkampf entscheiden sollen, den der König Ptolemaios (II.) seinem Vater in Alexandria als gleichrangig dem Olympischen ausrichtet, und die jetzt Philokles und Bakchon mit den aus den Städten anwesenden Ratsmitgliedern besprochen haben, sei durch den Bund der Ratsmitglieder beschlossen: [Beschlussbegründung:] [1.] Weil der König und Retter Ptolemaios (I.) der Urheber vieler und

46 ἀγαθῶν αἴτιος ἐγένετο τοῖς | [τ]ε νησιώταις καὶ τοῖς ἄλλοις Ἕλλησιν, τάς τε π[ό|λ]εις ἐλευθερώσας καὶ τοὺς νόµους ἀποδοὺς (15) [κ]αὶ τὴµ πάτριοµ πολιτείαµ πᾶσιγ καταστήσα[ς | κ]αὶ τῶν εἰσφορῶγ κουφίσας, καὶ νῦν ὁ βασιλεὺς | [Π]τολεµαῖος, διαδεξάµενος τὴµ βασιλείαν παρ[ὰ] | τοῦ πατρός, τὴν αὐτὴν εὔνοιαγ καὶ ἐπιµέλειαν | [π]αρεχόµενος διατελεῖ εἴς τε τοὺς νησιώτας κα[ὶ] (20) τοὺς ἄλλους Ἕλληνας, καὶ θυσίαµ ποιεῖ τῶι πατρ[ὶ] | καὶ ἀγῶνα τίθησιν ἰσολύµπιον γυµνικὸγ καὶ | µουσικὸν καὶ ἱππικόν, τήν τε πρὸς τοὺς θεοὺ[ς εὐ|σέβ]ειαν διαφυλάττωγ καὶ τὴµ πρὸς τοὺς π[ρογό|νου]ς εὔνοιαν διατηρῶν, καὶ παρακαλεῖ εἰς ταῦτ[α (25) τού]ς τε νησιώτας καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας ψ[η|φίσα]σθαι τὸν ἀγῶνα ὑπάρχειν ἰσολύµπιον, προ|[σήκ]ει πᾶσι τοῖς νησιώταις τετιµηκόσιµ πρό̣[τε|ρον (oder πρω‚[τοις oder πρ[ῶτ|ον) τ]ὸν σωτῆρα Πτολεµαῖον ἰσοθέοις τιµαῖ[ς | καὶ δι]ὰ τὰς κοι[νὰς εὐεργεσίας] καὶ διὰ τὰς ἰδίο[υς (30) ὠφελείας τῶι βασιλεῖ Πτο]λεµαίωι παρακαλοῦν|τι ἔν τε τοῖς ἄλλοις συλλα]µβάνεσθαι καὶ νῦγ κατὰ | [τὴν αἵρεσιν αὐτοῦ µετὰ πάσης] προθυµία[ς ψηφίσα]σθα[ι | ——————————— — — — — —] µὲν τὸµ πᾶσ[ιν .]ΛΓ[.. | — — — — — — — —

Texte großer Vorteile war für die Nesioten und die anderen Hellenen, indem er sowohl die Städte befreit als auch die Gesetze gegeben und die väterliche Verfassung allen wiederhergestellt hat und die Abgaben erließ, [2.] und jetzt der König Ptolemaios (II.), der die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hat, fortwährend die gleiche gute Gesinnung und Sorge sowohl den Nesioten als auch den anderen Griechen erweist [3.] und seinem Vater ein Opfer vollzieht [4.] und einen dem Olympischen gleichen gymnischen und musischen und hippischen Wettkampf einrichtet; [5.] er (i.e. Ptolemaios) die Frömmigkeit gegenüber den Göttern bewahrt und die gute Gesinnung gegenüber den Ahnen beachtet [6.] und dazu die Nesioten und die anderen Hellenen bittet, zu beschließen, dass der Wettkampf (für sie) ein dem Olympischem Wettkampf gleicher ist, gehört es sich für alle Nesioten, die bereits zuvor (oder: als Erste) den Retter Ptolemiaos (I.) mit göttergleichen Ehren sowohl wegen der allgemeinen Wohltaten als auch eigener Vorteile geehrt haben, aus Verpflichtung gegenüber dem König Ptolemaios (II.), der darum bittet, ihm auch in den anderen Dingen beizustehen und jetzt entsprechend seinem Unterfangen mit allem Eifer zu beschließen, [Beschluss:] [1.] [— — — — — — — — — — ———————————— — — — — — — — — ] die wirk-

6. Ein Beschluss der Nesioten — — — — — —]αι καταξίας τιµὰς (35) [— — — — — — — — — — — — — τῆ]ς ἑαυτῶν εὐνοία[ς | ἀποδέχεσθ]αι τὴν θυσίαγ καὶ τοὺς θεωροὺς ἀ[πο|στέλλειν εἰ]ς τὸµ πάντα χρόνον ἐν τοῖς καθ[ή|κουσι χρόνοις], καθάπερ ὁ βασιλεὺς ἐπέσταλκε, | [κ]α[ὶ] εἶναι τὸν ἀγῶνα ἰσολύµπιογ, καὶ τοῖς νικῶσιν (40) [τῶν νησιωτῶν] τὰς τιµὰς τὰς αὐτὰς ὑπάρχειν, αἵπερ | εἰσὶ[ν ἐν] τοῖς νόµοις παρ’ ἑκάστοις τῶν νησιωτῶν | [γεγραµµέναι] τοῖς τὰ Ὀλύµπια νικήσασιν· στεφανῶ|[σ]αι δὲ καὶ τὸ[µ βα]σιλέα Πτολεµαῖον βασιλέως καὶ | [σ]ωτῆρος Πτολεµαίου χρυ[σῶι] στεφάνωι ἀριστεί(45)[ωι ἀπὸ] στα[τήρ]ωγ χ[ι]λίων ἀρετῆς ἕνεκεγ καὶ εὐ|[νοί]ας τῆς εἰς τοὺς νησιώτας, ἀναγράψαι δὲ τοὺς | [συν]έδρους τόδε τὸ ψ[ήφι]σµα εἰς στήλην λιθίνηγ καὶ | [στῆσαι ἐν] Δήλωι παρὰ τὸν βωµὸν τοῦ σωτῆρος | [Πτ]ολε[µαίου· κατὰ] ταὐτὰ δὲ ψηφισάσθωσαν τόδε (50) [τὸ ψ]ήφισµα καὶ αἱ µετέχουσαι τῶµ πόλεων τοῦ συν|[ε]δρί[ου], καὶ ἀναγραψάτωσαν εἰς στήλας λιθίνας | [κ]αὶ ἀναθέτωσαν εἰς τὰ ἱερὰ ἐν οἷς καὶ αἱ λοιπαὶ τι|µαί εἰσιν ἀναγεγραµµέναι παρ’ ἑκάστοις· ἑλέσθαι | [δ]ὲ τοὺς συνέδρους καὶ θεωροὺς τρεῖς, οἵτινες ἀφ[ι(55)κ]όµενοι εἰς Ἀλεξάνδρειαν θύσουσίν τε ὑπὲρ τοῦ | [κ]οινοῦ τῶν νησιωτῶν Πτολεµαίωι Σωτῆρι καὶ | [τὸν σ]τέφανον ἀποδώσουσιν τῶι βασι-

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lich würdigen Ehren [— — — — — — — — — — — — — —] seiner guten Gesinnung gegen sich selbst wegen, das Opfer anzunehmen [1. 1] und die Festgesandten zu allen Zeiten zu den üblichen Zeiten zu schicken, so wie es der König brieflich angeordnet hat, [1. 2] und der Wettkampf soll als ein dem Olympischen gleicher gelten, [1. 3] und die Sieger der Nesioten sollen die gleichen Ehrungen erhalten, wie sie in den Gesetzen bei jedem (Mitglied) der Nesioten niedergeschrieben sind für die Sieger bei den Olympischen Wettkämpfen; [2.] (weiterhin sei beschlossen), den König Ptolemaios (II.), Sohn des Königs und Retters Ptolemaios (I.), mit einem Goldkranz im Wert von tausend Stateren zu bekränzen, aufgrund (seiner) Tugend und (seiner) guten Gesinnung gegenüber den Nesioten; [3.] (und es sei beschlossen), dass die Ratsmitglieder diesen Beschluss auf eine steinerne Stele aufschreiben und sie in Delos beim Altar des Retters Ptolemaios aufstellen lassen. [3. 1] Dementsprechend sollen auch die teilnehmenden Städte der Bundesversammlung diesen Beschluss verabschieden, [3. 2] und sie sollen ihn auf steinerne Stelen niederschreiben und sie in den Heiligtümern aufstellen, in denen auch die übrigen Ehrungen von jeder (Stadt) öffentlich gemacht sind; [4.] (und es sei beschlossen), dass die Ratsmitglieder auch drei Festgesandte wählen, die, nach Alexandria gekommen, sowohl für das Heil des Bundes der Nesioten dem Ptolemaios Soter opfern als auch dem König den

48 λεῖ· τὸ δὲ εἰς | [τ]ὸν στέφανον ἀργύριον καὶ εἰς ἐφόδιογ καὶ πορε[ί|α]ς τοῖς θεωροῖς εἰσενεγκεῖν τὰς πόλεις, ἑκάσ[την (60) κατὰ τὸ ἐ]πιβάλλον αὐτῆι, καὶ δοῦναι ὧι ἂµ Βάκ[χων | ἀποδείξηι]. ἡιρέθησαν θεωροὶ Γλαύκων Κύθ[νιος, | Καλλί?]ας Νάξιος, Κλεώκριτος Ἄνδριος.

Texte Kranz überreichen sollen. [4. 1] Das Geld für den Kranz und die Reisekosten und Aufwendungen für die Festgesandten sollen die Städte zur Verfügung stellen, jede nach dem ihr zugemessenen Anteil, und sie sollen es dem geben, den Bakchon benennt. Als Festgesandte wurden Glaukon aus Kythnos, [Kalli(?)]as aus Naxos, Kleokritos aus Andros ausgewählt.

Kommentar: Der „König“ von Sidon, Philokles, war als General (strategos) oder Flottenbefehlshaber (nauarchos) gleichzeitig einer der wichtigsten Vertreter des ersten und zweiten Ptolemäers im nordöstlichen Mittelmeerraum (Wörrle). Von 310 v. Chr. bis in die frühen 270er Jahre hatte er die Funktion eines ‚Vizekönigs des Nordens‘ inne und war der Architekt der ptolemäischen Seeherrschaft im östlichen Mittelmeerraum, der in der Zeit des zweiten Ptolemäers weitgehend unter ptolemäischer Kontrolle stand. Wie die Inschrift zeigt, hatte König Ptolemaios den Inseln der Ägäis ihre innenpolitische Autonomie belassen, ihnen sogar einst möglicherweise von Demetrios (Diog. Laert. II 140; Plutarch, Demetrios 27,1) auferlegte Abgaben/Tribute erlassen, doch waren sie zu ihrer Union zusammengefügt geblieben, deren Vertreter sich regelmäßig trafen, um über die Belange der Bundesstaaten zu beraten. Die politische Abhängigkeit des Bundes von Ptolemaios ist daran zu erkennen, dass der ptolemäische Funktionär Philokles maßgeblich an dem Beschlussantrag beteiligt war. Philokles stand zudem hierarchisch über dem Nesiarchen Bakchon, dem Vorsteher des Bundes der Nesioten. Dessen politische Wichtigkeit innerhalb des Bundes belegen wiederum gleich zwei Statuen seiner Person, die der Bund auf Delos (IG XI 4,1125 und 1126), dem Bundeszentrum, geweiht hatte. Es ist jedoch ebenfalls bezeichnend, dass selbst Bakchon nicht aus einer der Bundesstädte stammte, sondern vom Festland, genauer aus Böotien. Vielleicht war also auch er, wie Philokles, ein ptolemäischer Funktionär (Constantakopoulou). Beide ptolemäischen Funktionäre hatten im vorliegenden Fall eine Bundesversammlung einberufen und schriftlich eine Beschlussinitiative vorgelegt. Die Mitglieder stimmten nun in Samos, das möglicherweise noch nicht einmal dem Bund angehörte, über die Beschlussvorlage ab. Die Initiative zum Beschluss selbst beruhte letztlich, wie aus dem Dekret zu erkennen ist, auf einer Bitte des zweiten Ptolemäers, die von ihm in Alexandria instituierten Ptolemaia als den Olympischen Spielen gleichberechtigt anzuerkennen (vgl. auch die Anerkennung des Festes durch die delphische Amphiktyonie: CID IV 40 von 266/265 oder 262/261 v. Chr.). Es war dem König also wichtig, dass das koinon als ei-

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genständiger Akteur auftrat, damit der vom Herrscher eingeführte Kult nach außen ‚freiwillige‘ Akzeptanz durch Griechen erhielt. In Wirklichkeit war die ‚Bitte‘ des Königs an den Bund natürlich eine Aufforderung, der ohne Wenn und Aber nachzukommen war – zumindest ist schwer vorstellbar, dass er den Wunsch des Königs hätte ablehnen können (anderer Ansicht Constantakopoulou, der ein dialektisches Aushandlungsverhältnis zwischen König und Bund postuliert). Die Ptolemaia wiederum waren ein alle vier Jahre stattfindendes Fest, bei dem alle drei möglichen Wettkampfarten – der Sport, die Musik und der Reiterwettkampf – zu Ehren des vergöttlichten Ptolemaios Soter durchgeführt wurden (Fraser, Rice, Remijsen). Ausführlich beschrieben findet sich eine Festprozession anlässlich der Ptolemaia möglicherweise bei Athenaios (Gelehrtenmahl V 197c–203b), der Kallixeinos von Rhodos aus dem 2. Jh. v. Chr. zitiert (vgl. Hazzard, Thompson), doch ist die Identifikation der Pentaeteris mit den Ptolemaia umstritten (Rice), zumal erstere im Winter stattfand, weshalb Überseereisen nicht möglich waren – kaum ein Grieche hätte also an den Ptolemaia teilnehmen können (Remijsen). Das Datum der Einrichtung ist ebenfalls unklar. Es gibt die Ansicht, dass die Feier erstmals 286 v. Chr. veranstaltet wurde (Shear), doch plädieren die meisten für eine Einrichtung des Festes durch Ptolemaios II. zu Ehren seines verstorbenen Vaters, wohl 279/278 v. Chr. (Hauben). Erstmals belegt ist die Feier papyrologisch 251 v. Chr. (PSI IV 364). Nach dem üblichen Schema von griechischen Dekreten ist der Beschluss in eine Antragsbegründung und den Antrag selbst untergliedert. Da es vornehmlich um die Anerkennung eines Festes und der mit dem Fest verbundenen Gottheit – also des verstorbenen Ptolemaios – ging, müssen zunächst dessen Wohltaten genannt werden. Es sind Leistungen, die durchaus einen Götterkult rechtfertigen, ist Ptolemaios doch der „Urheber aller guten Dinge“, unter anderem deshalb, weil er die Griechen „befreit“ hatte. Hiermit wird vielleicht auf den Wechsel von der antigonidischen Hegemonie über den Nesiotenbund zur Hegemonie des ersten Ptolemäers zwischen 288 und 286 v. Chr. angespielt. Die Einrichtung der neuen Vorherrschaft des Ptolemaios wäre in diesem Fall als „Befreiung“ deklariert worden (Habicht). Vielleicht bezieht sich die Befreiung aber auch auf Wohltaten des Ptolemaios für die Griechen im Jahr 308 v. Chr. (Austin), der Bund wäre in diesem Fall bereits zu diesem Zeitpunkt etabliert worden. Weiterhin rückt Ptolemaios in die Position eines Nomotheten (Gesetzgebers), der die alte Verfassung wiederherstellte (vgl. hierzu Text 4). Die aufgeführten Leistungen des ersten Ptolemäers sind freilich Topoi, die auch bei anderen Königen zur Legitimierung der Einrichtung göttlicher Ehren genutzt wurden. Als zweites nennen die Beschlussfassenden die Leistungen Ptolemaios’ II., dem, wie erwähnt, die indirekte Initiative für den Beschluss zuzuschreiben ist. Da der König gerade erst die Alleinherrschaft angetreten hatte, konnte er noch keine außergewöhnlichen Taten für den Bund vollbracht haben, so dass man auf eine allgemeine Formulierung des Lobes seiner guten Gesinnung gegenüber der

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Texte

Gemeinschaft und seiner Frömmigkeit gegenüber den Göttern zurückgriff. Außerdem habe er dem Wohltäter des Bundes, Ptolemaios I., das Fest eingerichtet. Hieran sieht man, dass es wohl kaum Ptolemaios II. gewesen sein kann, der, wie unlängst vertreten (Meadows), den Bund eingerichtet hat. Auf einen solchen „Gunsterweis“ hätten die Bündner schließlich sicherlich verwiesen. Zudem wird Ptolemaios I. zu Beginn des Textes schon explizit als Wohltäter der Nesioten gepriesen, was wohl voraussetzen dürfte, dass es den Bund zu seiner Zeit auch gab.

Abb. 5: Auf der Insel Amorgos, im Bergdorf Tholaria (bei Aigiale), befindet sich das Nikuria-Dekret heute, rechts neben einem Türsturz, in einer Hausmauer verbaut. Foto und Fund sind Nils Nathanael Fischer und Stelios Perrakis zu verdanken.

6. Ein Beschluss der Nesioten

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Der Beschluss selbst umfasst mehrere Punkte. Erstens verabschieden die Bündner das eigentliche Antragsvorhaben: Opfer sollen durchgeführt, drei Festgesandte nach Alexandria geschickt und die Wettkämpfe den Olympischen Spielen als gleichberechtigt anerkannt werden. Praktisch lief dies darauf hinaus, dass die Sieger der Spiele, wenn sie aus einem Mitgliedstaat des Bundes stammten, die gleichen Leistungen oder Belohnungen in ihren jeweiligen Heimatstädten erhielten wie die Sieger der Olympischen Spiele. Zweitens ehrte man Ptolemaios II. mit einem goldenen Kranz (was letztlich einer Abgabe/einer Tributleistung an ihn gleichkam, weshalb auch der Wert des Kranzes genau beziffert ist). Drittens werden Publikationsbestimmungen genannt, viertens sollen die drei Festgesandten für das Heil des Bundes dem Gott Ptolemaios I. zugedachte Opfer durchführen. Fünftens werden die Kosten, die dem Bund durch die Ehrungen entstehen, auf die Bundesmitglieder verteilt, und sechstens werden die ersten drei Festgesandten bestimmt. Die Gesandten haben die Opfer entweder während der Prozession vollzogen oder aber, was wahrscheinlicher ist, im Tempel, den Ptolemaios II. für seine Eltern hatte errichten lassen und den Theokrit wie folgt beschreibt (Eidyllien XVII 121–128): „Nur Ptolemaios – und niemand zuvor und niemand von denen, / Deren noch warme Spuren der Tritt im Sand widerspiegelt – / Hat für Mutter und Vater duftende Tempel gegründet. / Dort hinein, wo in Gold und in Elfenbein sie erstrahlen, / Hat er sie beide gestellt als Helfer für sämtliche Menschen. / Und im Umlauf der Monde verbrennt er zahlreiche fette / Schenkel von Stieren auf blutgeröteten Opferaltären, Er und die treffliche Gattin.“ (Übersetzung: Fritz). & W. KÖNIG, Der Bund der Nesioten, Diss. Halle 1910 (zum Nesiotenbund); I. L. MERKER, The Ptolemaic Officials and the League of the Islanders, in: Historia 19, 1970, 141–160 (zu Philokles und Bakchon); Chr. HABICHT, Gottmenschentum und griechische Städte, München 21970, 111–113, 258f. (zum Herrscherkult); J. SEIBERT, Philokles, Sohn des Apollodoros, König der Sidonier, in: Historia 19, 1970, 337–351; P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria I, Oxford 1972, 224, 231f. (zu den Ptolemaia); R. S. BAGNALL, The Administration of the Ptolemaic Possessions outside Egypt, Leiden 1976, 80, 136–158; M. WÖRRLE, Epigraphische Forschungen zur Geschichte Lykiens II, in: Chiron 8, 1978, 225–230 (zu Philokles); L. T. SHEAR, Kallias of Sphettos and the Revolt of Athens in 286 B.C., Princeton 1978, 30–44; K. BURASELIS, Das hellenistische Makedonien und die Ägäis. Forschungen zur Politik des Kassandros und der drei ersten Antigoniden, München 1982, 60–83 (zur Geschichte des Nesiotenbundes); C. WIKANDER, Pomp and Circumstance: The Procession of Ptolemaios II, in: OpAth 19, 1982, 143–150; E. E. RICE, The Grand Procession of Ptolemy Philadelphus, Oxford 1983 (zu den Ptolemaia); B. HINTZEN-BOHLEN, Herrscherrepräsentation im Hellenismus, Köln u.a. 1992, 75–77 (zur Bedeutung für die Darstellung der Herrschaft); K. BURASELIS, Ambivalent Roles of Centre and Periphery. Remarks on the Relation of the Cities of Greece with the Ptolemies until the End of Philometor’s age, in: P. Bilde (Hg.), Centre and Periphery in the Hellenistic World, Aarhus 1993, 251–270 (die Ptolemaia als Möglichkeit zum Dialog zwischen König und Polis); B. DREYER, Der Beginn der Freiheitsphase Athens 287 v. Chr. und das Datum der Panathenäen und Ptolemaia im Kalli-

52

Texte

asdekret, in: ZPE 111, 1996, 45–67 (zum Problem des Datums der ersten Ptolemaia); D. THOMPSON, Philadelphus’ Procession: Dynastic Power in a Mediterranean Context, in: L. Mooren (Hg.), Politics, Administration and Society in the Hellenistic and Roman World. Proceedings of the International Colloquium, Bertinoro 19–24 July 1997, Löwen 2000, 365–388; H. KOTSIDU, TIMH KAI DOΞA. Ehrungen für hellenistische Herrscher im griechischen Mutterland und in Kleinasien unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Quellen, Berlin 2000, Nr. 131 [E 1] (deutsche Übersetzung und Kurzkommentar); R. A. HAZZARD, Imagination of Monarchy: Studies in Ptolemaic Propaganda, Toronto u.a. 2000, 47–58, 168–178 (ausführliche Besprechung, Datierung auf 263 v. Chr.); H. HAUBEN, A Phoenician King in the Service of the Ptolemies: Philocles of Sidon Revisited, in: Ancient Society 34, 2004, 37–44; P. PASCHIDIS, Between City and King: Prosopographical Studies on the Intermediaries Between the Cities of the Greek Mainland and the Aegean and the Royal Courts in the Hellenistic Period (322–190 BC), Athen 2008, 419, D55 (zum theoros Kallias von Naxos); S. REMIJSEN, Challenged by Egyptians: Greek Sports in the Third Century BC, in: International Journal of the History of Sport 26,2, 2009, 246–271 (zu den Ptolemaia); L. GALLO, La lega dei Nesioti. Le vicende storiche, in: C. Ampolo (Hg.), Immagine e immagini della Sicilia e di altre isole del Mediterraneo antico I, Pisa 2009, 341–345; H. HAUBEN, Rhodes, the League of the Islanders, and the Cult of Ptolemy I Soter, in: A. Tamis u.a. (Hg.), Philathenaios. Studies in Honour of Michael J. Osborne, Athen 2010, 103–121; W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 173– 176 (zur Verwaltung); C. CONSTANTAKOPOULOU, Identity and Resistance: The Islander’s League, the Aegean Islands and the Hellenistic Kings, in: Mediterranean Historical Review 27, 2012, 49–70; A. MEADOWS, The Ptolemaic League of the Islanders, in: K. Buraselis u.a. (Hg.), The Ptolemies, the Sea and the Nile. Studies in Waterborne Power, Cambridge 2013, 19–38 (These, dass der Bund erst von Ptolemaios II. gegründet wurde); Chr. CONSTANTAKOPOULOU, Aegean Interactions: Delos and its Networks in the Third Century, Oxford 2017, 31–55 (zur Geschichte des Nesiotenbundes); N. N. FISCHER/St. PERRAKIS, Η επανεύρεση του ψηφίσµατος της Νικουριάς (IG XII 7, 506), in: ΓΡΑΜΜΑΤΕΙΟΝ 8, 2019, 33–42 (Entdeckungsbericht mit englischer Zusammenfassung).

7. Ein Ehrendekret der Stadt Ptolemais Hermiu für die Prytanen (278/277 oder 240/239 v. Chr.) OGIS I 48 = SB V 8852 = I.Louvre 4 = I.Prose 4 = CPI 354 = TM 6372 Austin, Nr. 293 Standort: Paris, Louvre MA 3172 7. Ein Ehrendekret de r Stadt Ptolemais

Ebenso wie Alexander der Große mit Alexandria eine griechische Stadt am Rande Ägyptens gegründet hatte, folgte Ptolemaios I. diesem Vorbild, indem er im Süden Ägyptens an der Stelle des Dorfes Pa-si die Stadt Ptolemais in der Thebais, auch Ptolemais Hermiu genannt, mit dem Status einer polis gründete (vgl. Text 3, 72). Den Beinamen Hermiu trug die Stadt wohl nach einem Mann namens Hermeias, der im Auftrag des Ptolemaios das Unternehmen durchgeführt hatte, aber nicht als Stadtgründer (ktistes) auftreten konnte, denn der Gründer war Ptolemaios selbst (Huß, kritisch Kayser). Ptolemais ist, neben dem

7. Ein Ehrendekret der Stadt Ptolemais

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schon in pharaonischer Zeit von Griechen bewohnten Naukratis und der am Meer gelegenen Gründung Alexandria, die dritte Stadt in Ägypten mit griechischem Stadtrecht. Die übrigen Siedlungen in Ägypten, auch die großen Gaumetropolen, waren rechtlich gesehen Dörfer (komai), selbst wenn sie die Bezeichnung Polis im Namen führten (Hermu-polis, Helio-polis etc.). Text und Übersetzung ἔδοξεν τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήµωι· Ἑ[ρ]µᾶς | Δόρκωνος Μεγιστεὺς εἶπεν· ἐπειδὴ πρυτάνεις | οἱ σὺν Διονυσίωι Μουσαίου τοῦ ὀ[γ]δό[ο]υ ἔτους, | Διονύσιος Μουσαίου Ὑλλεύς, Ἱπ[πία]ς Δίωνος Με(5)γιστεύς, Κράτιος Προκρίτου Φιλωτέρειος, Κίσσος | Νεάρχου Ἀν[δα]νιεύς, Ἡλιόδωρος Νικοµάχου Δαναεύς, | Νεοπτόλεµος Θεοδώρου Καρανεύς, καλῶς καὶ ἀξίως | τῆς πόλεως προέστησαν ὁρῶντές τινας τῶν πολιτῶν | [µ]ὴ ὀρθῶς ἀνα[στρ]ε[φ]οµένους καὶ θόρυβον οὐ τὸν τυχόντα παρ[έ(10)χ]οντας ἐν τ[αῖς] βουλαῖς [καὶ] ἐν ταῖς ἐκκλησίαις, [µ]άλιστα δὲ | ἐν ταῖς ἀρχα[ιρεσίαις µέχρι βίας καὶ] ἀσ[ε]βείας προεληλυθότας, | ἐπέστησαν τῆι κακ[ίαι, κολάζοντ]ε[ς τοῖς] ἐκ τῶν νόµων ἐπιτίµοις, | δι’ ὃ συµβέβηκεν τὴν πό[λ]ι[ν εὐνοµωτέραν γεγο]νέναι·

Rat und Volk haben beschlossen: Hermas, Sohn des Dorkon, aus dem Demos Megistos, hat den Antrag gestellt: Weil die Prytanen, die mit Dionysios, dem Sohn des Musaios, im achten Jahr (tätig waren, und zwar) Dionysios, Sohn des Musaios, aus dem Demos Hyllos, Hippias, Sohn des Dion, aus dem Demos Megistos, Kratios, Sohn des Prokritos, aus dem Demos Philotera, Kissos, Sohn des Nearchos, aus dem Demos Andania, Heliodoros, Sohn des Nikomachos, aus dem Demos Danae, Neoptolemos, Sohn des Theodoros, aus dem Demos Karanos, in guter und würdiger Weise der Stadt vorstanden, und als sie sahen, dass einige der Bürger sich nicht ordnungsgemäß verhielten und bei den Ratsversammlungen und den Volksversammlungen und insbesondere bei den Ämter[wahlversammlungen] eine recht beträchtliche Unruhe verursachten, sich gar zu [Gewaltanwendung und] Gottesfreveln hinreißen ließen, stemmten sie sich dem Übel entgegen, indem sie sie mit den nach den Gesetzen vorgesehenen Bußgeldern bestraften, wodurch die Stadt noch gesetzlicher geregelter geworden ist.

54 [εἶτα] καὶ ἐψηφίσαν[το] | ἐξ ἐπιλέκτων ἀνδρῶν τὴν βουλὴν [καὶ τὰ] δικαστή[ρια αἱρεῖσ]θαι· ἐφ’ ο[ἷς] (15) παροξυνόµενοι οἱ νεώτεροι καὶ οἱ ἄλλοι π[ολῖτ]αι ο[ἱ] αἱρο[ύµενοι] βέλτιον π[ολιτ|εύεσθ]αι καὶ περὶ ὧν ὑπελάµβανον συµφέρειν τῆι πόλει διο[ι]κηθῆνα[ι ———|———————— [διο]ικητήν, ὅ[π]ω[ς — — — — ].

Texte Dann haben sie auch beschlossen, dass der Rat und die Gerichtshöfe aus auserlesenen Männern [gewählt] werden, worüber die Neoteroi erzürnt waren und die anderen Bürger, die es für besser hielten, (selbst) Politik zu machen und für sich zu verwalten, bezüglich der Dinge, die sie für die Stadt als nützlich erachten ...“

Kommentar: Als griechische Polis verfügte Ptolemais über alle Institutionen, die ein solches Gemeinwesen ausmachten, hatte damit einen wesentlich besseren Status als jede andere ägyptische Gauhauptstadt, denn seine Bürgerschaft konnte sich selbst verwalten. Im vorliegenden Fall lernen wir gleich mehrere Institutionen der Stadt kennen. So handelt es sich um einen Beschluss von Rat und Volksversammlung. An der Volksversammlung einer demokratisch organisierten Polis konnten üblicherweise alle Vollbürger teilnehmen. Der Rat, die bule, wiederum wurde alternierend von hierzu gelosten/gewählten Vorstehern geleitet, den Ratsherren/Prytanen (Plaumann). Aus zwei anderen Texten wissen wir, dass einer dieser Ratsherren sein Amt auf Lebenszeit führte (OGIS I 50 und 51). Im vorliegenden Fall war der lebenslang tätige Prytan Dionysios, der Sohn des Musaios, der auch in einem Ehrenbeschluss der dionysischen Techniten als solcher genannt wird (vgl. Text 9). Der Formulierung des vorliegenden Textes ist die lebenslange Amtszeit des Dionysios hingegen nicht zu entnehmen. Hier sieht es so aus, als ob alle sechs Prytanen nur im achten Regierungsjahr des Königs tätig waren. Weniger wahrscheinlich ist, dass jeder der sechs in diesem Jahr alternierend jeweils zwei Monate tätig war. Der von den Prytanen geleitete Rat selbst wiederum setzte sich aus den gewählten Mitgliedern der verschiedenen Phylen/Stämme einer griechischen Stadt zusammen. Über diese Phylen von Ptolemais wissen wir fast nichts, außer der Tatsache, dass eine den Namen Ptolemais (OGIS I 49) trug. Untergliedert waren die einzelnen Phylen wiederum in sogenannte Demen, also Abteilungen. Diese Demen waren vor allem deshalb wichtig, weil jeder Bürger in einen Demos eingeschrieben sein musste und über die Nennung dieses Demos im Anschluss an seinen Vatersnamen die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft ausdrückte. Dem Text sind sechs Demenbezeichnungen zu entnehmen: Hylleus, Megisteus, Philotereios, Andanieus, Danaeus und Karaneus. Es handelt sich um Namen, die von Göttern, Heroen und dem ptolemäischen Herrscherhaus abgeleitet sind. Hyllos war ein dorischer Heros, der Sohn des Herakles, des Stammvaters der Ptolemäer. Karanos galt ebenfalls als Nachkomme des Herakles. Philotera bezieht sich sicher auf die Schwester Ptolemaios’ I. Danae war wiederum die

7. Ein Ehrendekret der Stadt Ptolemais

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Mutter des Heros Perseus, also des Vorfahren des Herakles. Andania dürfte sich auf eine Stadt in Messenien beziehen, aus der möglicherweise auch ein Teil der Neubürger von Ptolemais stammte. Megistos ist wiederum ein göttlicher Beiname und bezieht sich vielleicht im Fall von Ptolemais auf den Stadtgründer Ptolemaios. Der Beschluss der Stadt zeigt, dass die Volksversammlung von Ptolemais (zumindest formal) eigenständig Änderungen des passiven Wahlrechts beim Zugang zu den Gerichtshöfen und zum Rat vornehmen konnte und dass sie überhaupt über derartige Institutionen verfügte. Die polis war damit de iure innenpolitisch vollständig autonom, denn von einem Eingreifen des Königs oder seiner Funktionäre ist nicht die Rede. Weiterhin trat sie zum König über Gesandtschaften in Kontakt, also nicht, wie bei den Gaumetropolen, über die staatlichen Funktionäre (OGIS I 49,5f.). Im konkreten Fall war es offenbar zu erheblichen Unruhen bei Sitzungen der Stadtorgane und vor allem bei den Wahlversammlungen gekommen, die möglicherweise zu Gewalt, auf jeden Fall aber zu „Gottlosigkeiten“ (Asebie) führten. Bei diesen Sakrilegien könnte es sich um Beleidigungen des Königs gehandelt haben. Asebie war der Gegenbegriff zu Eusebie („Frömmigkeit“), für deren Erweis gegenüber dem König die Bürger der Stadt in einem anderen Beschluss gelobt werden (OGIS I 51). Aufgrund des Fehlverhaltens bestimmter Kreise hatte sich nun die Stadt dazu entschieden, dass nur noch „auserlesene“ Männer in die betreffenden Gremien gewählt werden können. Die Ratsherren hatten hierzu einen entsprechenden Beschluss der Volksversammlung zur Abstimmung vorgebracht, also ein probuleuma verfasst, das dann als Beschluss des Volkes umgesetzt wurde (Bernand). Folglich kann das Verb „sie haben als Beschluss verabschiedet“ (ἐψηφίσαν[το) mit der hier gewählten Wendung „sie haben den Beschluss veranlasst“ wiedergegegeben werden (vgl. Plutarch, Perikles 13). Im Ergebnis bestand nun nicht mehr für die gesamte Bürgerschaft die Möglichkeit, am politischen Leben teilzunehmen. Durch die Einschränkung des passiven Wahlrechts auf eine bestimmte Gruppe hat die Stadt, wie man annimmt, ganz erheblich in ihre eigene Struktur eingegriffen und soll damit oligarchischen Charakter erhalten haben (Walser). Aus diesem Grund sah man in vorliegender Inschrift sogar einen Beleg für den Niedergang der demokratischen Polis in hellenistischer Zeit insgesamt (de Ste. Croix). Ptolemais ist aber ein Einzelfall und als monarchische Neugründung auch keine typische Polis (Walser), zudem sind auch in klassischer Zeit die genannten Institutionen natürlich nicht allein demokratischen Poleis eigen gewesen. Schon zuvor war des Weiteren die Verfassung der Stadt keinesfalls typisch demokratisch, weil es eine lebenslange Prytanie gab, die, wenn es sich nicht lediglich um einen Ehrentitel handelte (Plaumann), dem Grundgedanken antiker demokratischer Ordnung klassischer Zeit widersprach.

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Unklar bleibt, weshalb explizit darauf verwiesen wird, dass die Neoteroi sich dem Beschluss widersetzten, und wer diese Neoteroi waren. Wenig wahrscheinlich ist, dass es sich um Neubürger handelte. Vielleicht war es die bereits im wahlfähigen Alter befindliche Stadtjugend zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, deren Mitglieder auch sonst als Neoteroi bezeichnet wurden (Legras; Kayser). Möglicherweise stammten aus dieser Gruppe dann die Unruhestifter bei den Wahlen, die sich gegen das Establishment der Älteren (presbyteroi) gewandt hatten. Erwägenswert ist aber ebenso, dass Neoteroi einfach eine Bezeichnung für „Umstürzler“ ist. & G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hellenismus in Ägypten, Leipzig 1910, 4–17 (zum Rat und der Volksversammlung), 17–20 (zu den Prytanen), 20–25 (zu den Phylen und Demen); G. E. M. DE STE. CROIX, The Class Struggle in the Ancient World from the Archaic Age to the Arab Conquest, London 1981, 315–317 (zum Niedergang der Volksgerichte); A. CALDERINI, s.v. Πτολεµαὶς ἡ Ἑρµείου, in: Dizionario dei nomi geografici e topografici dell’Egitto greco-romano IV 3, Mailand 1986, 210f. (Belegstellen zum Stadtnamen); R. K. SHERK, The Eponymous Officials of Greek Cities IV. The Register Part III: Thrace, Black Sea Area, Asia Minor (Continued), in: ZPE 93, 1992, 269f. (zum lebenslang amtierenden Prytanen); B. LEGRAS, Néotês. Recherches sur les jeunes grecs dans l’Égypte ptolémaïque et romaine, Genf 1999, 229–231; H. J. WOLFF, Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens in der Zeit der Ptolemaeer und des Prinzipats. Bd. 1: Bedingungen und Triebkräfte der Rechtsentwicklung, München 2002, 43–49 (zum Eigenrecht der Poleis); B. LEGRAS, L’Égypte grecque et romaine, Paris 2004, 117–119 (zu Ptolemais); G. M. COHEN, The Hellenistic Settlements in Syria, the Red Sea Basin, and North Africa, Berkeley u.a. 2006, 350–352 (Quellen und Literatur zu Ptolemais); W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 25; A. V. WALSER, ΔΙΚΑΣΤΗΡΙΑ. Rechtsprechung und Demokratie in den hellenistischen Poleis, in: Chr. Mann/P. Scholz (Hg.), „Demokratie“ im Hellenismus. Von der Herrschaft des Volkes zur Herrschaft der Honoratioren?, Mainz 2012, 74–108 (zu den Gerichtshöfen); F. KAYSER, Ptolémaïs de HauteÉgypte: une cité grecque dans son environnement égyptien, in: ders./L. Medini (Hg.), Communautés Nouvelles en Égypte hellénistique et romaine, Chambéry 2017, 40f.

8. Eine agonistische Inschrift für Ptolemaios II. (8. März 267 oder 264 v. Chr.?) SEG XLIII 1103 = SEG XXVII 1114 = BE 1977, 566 = CPI 625 = TM 8542 Austin, Nr. 294 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum n.n. 8. Eine agonis tis che Ins chrif t

Das ptolemäische Heer bestand, gerade zu Beginn der Ptolemäerzeit, vornehmlich aus nichtägyptischen Soldaten. Die Ptolemäer siedelten diese dann üblicherweise in Ägypten an, um sie auf diese Weise dauerhaft an ihre Herrschaft zu binden. Die Soldaten kamen aus den unterschiedlichsten Regionen des nördlichen und östlichen Mittelmeergebietes. In Ägypten hatten sie alle den Status von Hellenen und eine griechische kulturelle Identität, die sie auch in gemein-

8. Eine agonistische Inschrift

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samen Festen und Wettkämpfen zum Ausdruck brachten. Die Inschrift auf einer Basaltstele bietet eine Liste der Sieger eines solchen Wettkampfes, an dem vermutlich vornehmlich Soldaten oder deren Söhne teilgenommen haben. Der Fundort der Stele ist unbekannt, der Antikenhändler behauptet, sie stamme aus dem Faijum. Man vermutet, dass die Agone, von denen der Text der Stele berichtet, in Mittelägypten, im Herakleopolites, abgehalten wurden (Bingen). Die Inschrift besteht nach den ersten vier Zeilen über den Anlass der Stiftung aus zwei nebeneinander angebrachten Kolumnen. Nach der Nennung der Wettbewerbsdisziplin in einer Zeile folgt, eine Zeile darunter, jeweils der Siegername. Text und Übersetzung βασιλεῖ Πτολεµαίωι Σωτήρων Ἡράκλειτος Λεπτίνου Ἀλεξανδρεὺς | ἀγωνοθετήσας καὶ πρῶτος ἆθλα προθεὶς χαλκώµατα, | ἔτους ὀκτωκαιδεκάτου Δύστρου δωδεκάτηι. γενεθλίοις, | Βασίλεια τιθέντος Ἀµαδόκου, τὴν ἀναγραφὴν τῶν νικώντων· (5)

[1. Kolumne:] σαλπικτάς | Θεόδωρος Στράτωνος Θρᾶιξ | κήρυκας | Ἡφαιστίων Δηµέου Ταραντῖνος | λαµπάδι ἀπὸ πρώτης (10a) Πτολεµαῖος Ἀµαδόκου Θρᾶιξ | λαµπάδι | Διονύσιος Στεφάνου Ἁλικαρνασσεὺς | παῖδας δόλιχον | Αἴνησις Παταµούσου Θρᾶιξ (15a) ἄνδρας | Πτολεµαῖος Βουβάρου Μακεδών | παῖδας στάδιον | Πτολεµαῖος Ἀµαδόκου Θρᾶιξ |

„Dem König Ptolemaios, dem Sohn der Retter, hat Herakleitos, Sohn des Leptines, Alexandriner, nachdem er Wettkampfausrichter war und als erster Kampfpreise aus Bronze aufgeboten hatte, im achtzehnten Regierungsjahr, am zwölften des Monats Dystros, bei den Geburtstagsfeiern, als Amadokos die Basileia ausgerichtet hat, die Liste der Sieger (aufgestellt): (Sieger bei) den Trompetern: Theodoros, Sohn des Straton, Thraker, (Sieger bei) den Herolden: Hephaistion, Sohn des Demeas, Tarantiner, (Sieger bei) den Fackelläufern als Startläufer: Ptolemaios, Sohn des Amadokos, Thraker, (Sieger bei) den Fackelläufern: Dionysios, Sohn des Stephanos, Halikarnassier, (Sieger beim) Kinderdauerlauf: Ainesis, Sohn des Patamusos, Thraker, (Sieger beim) Erwachsenen(dauerlauf): Ptolemaios, Sohn des Bubaros, Makedone, (Sieger beim) Kinderstadionlauf: Ptolemaios, Sohn des Amadokos, Thraker,

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Texte

πτολεµαϊκούς (20a) Κινέας Ἀλκέτου Θεσσαλός | ἀγενείους | Κινέας Ἀλκέτου Θεσσαλός | ἄνδρας | [...] Παρµενίωνος Μακεδών (25a) [παῖδας δί]α̣υ̣λο̣ ̣ν [...]

(Sieger beim) ptolemaikos-(Stadionlauf): Kineas, Sohn des Alketas, Thessaler, (Sieger beim) Jugend(stadionlauf): Kineas, Sohn des Alketas, Thessaler, (Sieger beim) Erwachsenen-(Stadionlauf): [N.N.], Sohn des Parmenion, Makedone, (Sieger beim Kinder)doppellauf: [hier bricht der Text ab].

--------------------------------[2. Kolumne:] (5b) παῖδας πυγµήν | Χρύσερµος Ἀµαδόκου Θρᾶιξ | πτολεµαϊκούς | Δηµήτριος Ἀρτέµωνος Ναυκρατίτης | ἀγενείους (10b) Στράτιππος Μενοίτου Μακεδών | ἄνδρας | Βαστακίλας Ἀµαδόκου Θρᾶιξ | πτολεµαϊκοὺς παγκράτιον | Ἀµάδοκος Σατόκου Θρᾶιξ (15b) ἀγενείους | Στράτιππος Μενοίτου Μακεδών | ἄνδρας | Πτολεµαῖος Ἁδύµου Μακεδών | ὁπλίτην | Μνησίµαχος Ἀµεινοκλέους Βοιώτιος (20b) ἵππωι λαµπρῶι | Πτολεµαῖος Ἀµαδόκου Θρᾶιξ | ἀβόλωι στάδιον | Λυκοµήδης Κτησικλέους Σάµιος |

(Sieger beim) Kinderboxkampf: Chrysermos, Sohn des Amadokos, Thraker, (Sieger beim) ptolemaikos-(Boxkampf): Demetrios, Sohn des Artemon, Naukratite, (Sieger beim) Jugend(boxkampf): Stratippos, Sohn des Menoites, Makedone, (Sieger beim) Erwachsenen(boxkampf): Bastakilas, Sohn des Amadokos, Thraker, (Sieger beim) ptolemaikos-Pankration: Amadokos, Sohn des Satokos, Thraker, (Sieger beim) Jugend(pankration): Stratippos, Sohn des Menoites, Makedone, (Sieger beim) Erwachsenen(pankration): Ptolemaios, Sohn des Hadymos, Makedone, (Sieger beim) Waffenlauf: Mnesimachos, Sohn des Ameinokles, Böotier, (Sieger beim) Dressurreiten: Ptolemaios, Sohn des Amadokos, Thraker, (Sieger beim) Rennen der Fohlen über ein Stadion: Lykomedes, Sohn

8. Eine agonistische Inschrift τελείωι (25b) Α—[...]

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des Ktesikles, Samier, (Sieger beim Rennen der) volljährigen Pferde (über ein Stadion): A[... hier bricht der Text ab].“

Kommentar: Es handelt sich um eine Siegerliste, die der alexandrinische Bürger Herakleitos dem König in Form einer Stele geweiht hat. Anlass der Weihung war die Geburtstagsfeier des zweiten Ptolemäers in seinem 18. Regierungsjahr, während der man die Basileia – ein Königsfest –, zu denen auch Wettkämpfe gehörten, durchgeführt hatte. Solche Agone wurden immer zu Ehren von Gottheiten ausgerichtet; die Gottheit der Basileia war für gewöhnlich Zeus Basileus (Nilsson). Da der König im vorliegenden Fall selbst in der Weiheformel (im Dativ) die Position des bedachten Gottes übernommen hat, besteht die Möglichkeit, dass er entweder an die Stelle des Zeus gerückt ist oder gemeinsam mit Zeus den Kult während der Basileia erhielt. Belegt sind Basileia in Alexandria seit dem Ende des 4. Jhs. v. Chr. (IG II2 3779,19f.). So wird auch die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Basileia um ein alexandrinisches Fest für Zeus Basileus handelt, das bereits Alexander der Große in Ägypten anlässlich seiner Krönung zum Pharao in Memphis eingeführt haben soll (Remijsen). Da die vorliegende Stele wohl aus Mittelägypten stammt, liegt es nahe, dass die hier erwähnten Basileia nicht in Alexandria stattgefunden haben. Das bedeutet, dass das Königsfest entweder ausnahmsweise, etwa anlässlich einer königlichen Reise, in der Chora durchgeführt wurde (Remijsen) oder aber dass es eine parallel zu den Basileia in Alexandria gefeierte Variante des Festes in der Chora gab, was wahrscheinlicher ist. Errichtet hat die Stele der als Wettkampfausrichter angeführte Herakleitos. Die von ihm aufgebotenen bronzenen Siegespreise könnten kleinformatige Statuetten des Herrschers als Gott des Gymnasiums gezeigt haben, wie sie auch archäologisch überliefert sind (Lehmann). Amadokos hingegen wäre, geht man von einem außerhalb von Alexandria durchgeführten Fest aus, der Veranstalter der lokalen Basileia in der Chora (Bingen; Perpillou-Thomas). Weniger wahrscheinlich ist die Ansicht, in Amadokos den zweiten Veranstalter der Basileia zu sehen (Koenen). Neben der hier präferierten Übersetzung von Zeile 1–5 wäre im Übrigen auch folgende Übersetzung möglich, die inhaltlich aber schwerer zu erklären ist: „Dem König Ptolemaios ... (hat) Herakleitos ... anlässlich der Basileia-Spiele (dieses Denkmal geweiht); Amadokos besorgte die Aufstellung des Verzeichnisses der Sieger.“ (Ebert). Der Thraker Amadokos hat folglich das Fest als Geburtstagsfeier des Königs, selbstverständlich mit dessen Genehmigung, irgendwo in Ägypten, möglicherweise im herakleopolitanischen Gau, eingerichtet. Wahrscheinlich nicht ganz ohne Zufall sind dann auch noch drei der Gewinner Söhne des Amadokos, dessen einer Sohn, sicherlich aus Loyalität zum Herrscherhaus, sogar den dynastischen Namen Ptolemaios erhalten hatte (Bingen).

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Wettkämpfe konnten in der Antike in drei Disziplinen abgehalten werden. Der gymnische Agon war der sportliche Wettkampf, der hippische beinhaltete Pferderennen, und der musische Agon war ein künstlerischer Wettbewerb. Bei besonders wichtigen kultischen Festen fanden alle drei Formen gemeinsam statt. Während der Basileia hat es, wie die Inschrift belegt, auf jeden Fall den gymnischen Agon gegeben. Die Einbindung der Wettkämpfe zu Pferd muss, wie manche meinen, nicht zwingend heißen, dass es auch einen hippischen Agon gab, denn neben dem Dressurreiten „mit dem prachtvollen Pferd“ sind zwei Wettkämpfe zu Fohlen und Pferd über ein „Stadion“, also über die Länge von etwa 200 Metern, genannt. Dies sei nicht mit den klassischen hippischen Agonen zu vergleichen, weshalb es sich eher um eine Übung militärischen Charakters gehandelt haben könnte (Ebert). Das gleiche Problem gilt für die musischen Elemente. Die beiden ausgezeichneten Sieger der Trompeter und der Herolde waren, wie anzunehmen sei, nicht Teilnehmer eines musischen Agons (Koenen), sondern übten ihre Funktion im Kontext des gymnischen Wettstreites aus, weil solchen der Trompeten- und Heroldsausruf vorausging (so BE 1977, 566). Wir erhalten hier einen Einblick in die exklusive griechische Kultur, die sich unter dem zweiten Ptolemäer in Ägypten entwickelt hatte. Ägypter finden keine Erwähnung. Die Sieger kommen aus dem Norden der hellenistischen Welt, aus Thrakien, Makedonien, Thessalien, Böotien, Halikarnassos und Samos, sogar aus Tarent in Italien. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Militärsiedler (Kleruchen), die am Agon teilnahmen. Auffallend ist dabei die hohe Zahl an Siegern, die nicht aus griechischen Städten stammen – es sind vier Makedonen und sechs Thraker. Hinzu kommen ein Knabe aus Thessalien und ein Heranwachsender aus Böotien in Zentralgriechenland. Allesamt gehörten sie zur sozialen Gruppe der Hellenen, waren also „Griechen“, selbst dann, wenn sie aus Thrakien stammten. Da es sich um die Elite im Lande handelt, könnte der junge Thessaler und Sieger im ptolemaikos-Stadionlauf identisch mit dem Mann sein, der später einmal das Amt des Alexanderpriesters von Alexandria übernehmen wird (Remijsen). Interessant sind auch die genannten Altersklassen. Uns begegnen Kinder (paides), „dem Ptolemaios Zugehörige“ (ptolemaikoi), Jugendliche (ageneioi) und Männer/Erwachsene (andres). Allein von den Letzteren lässt sich sagen, dass es Erwachsene sind. Die Übrigen bezeichnen verschiedene Stadien der Adoleszenz. Eines dieser Stadien, das der ptolemaikoi, ist direkt mit dem Herrscherhaus verbunden – der Herrscher hat hier die Position einer Gottheit übernommen, denn ansonsten konnten Jugendklassen nach Göttern oder den Beinamen der Götter benannt werden (Koenen). Als Schätzung der Altersklassen gibt die Literatur für die paides das 14. Lebensjahr, für die ptolemaikoi das 17. und für die ageneioi das 20. an (Koenen, Ebert). Die Sieger der Basileia hatten, wie es ein Erlass des zweiten Ptolemäers zeigt, das Privileg, von der erst von diesem König eingeführten und von allen Einwohnern des Landes zu entrichtenden Salzsteuer ausgenommen zu sein: „Wir

8. Eine agonistische Inschrift

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haben die Schreiblehrer und die Turnlehrer und die Schauspieler und die Sieger im Alexander-Wettkampf und bei den Basileia und den Ptolemaia (vgl. Text 6), wie der König es befohlen hat, befreit von der Salzsteuer, sie selbst und ihre Nachkommen.“ (Mitte 3. Jh. v. Chr.; P.Hal. 1,260–264). Auch für die ptolemäische Königsideologie ist vorliegende Inschrift von Interesse, denn sie nennt den Geburtstag des zweiten Ptolemäers, den 12. Dystros. Das ist wiederum nach Ansicht einiger Forscher (Koenen) nicht der tatsächliche Geburtstag, sondern ein konstruiertes Datum. Es handele sich um den Tag der Ernennung des zweiten Ptolemäers zum Mitherrscher Ptolemaios’ I. Sollte das stimmen, dann hätte Ptolemaios I. das Datum des „Geburtstages“ seines Sohnes, der in Wirklichkeit der Tag der Erhebung Ptolemaios’ II. zum Mitregenten am 12. Dystros 284 v. Chr. war, mit der Krönung Alexanders zum Pharao zusammenfallen lassen, der die Basileia angeblich erstmals in Ägypten genau zu diesem Zeitpunkt durchgeführt haben soll. Hinfällig wird diese ganze Konstruktion freilich dann, wenn Alexander überhaupt keine Basileia bei seiner (angeblichen) Krönung durchgeführt hatte, sondern die Basileia ein erst von den Ptolemäern begründetes Fest des Königtums in Alexandria waren. Und doch zeigt die Inschrift, wie eng der Kult für den lebenden makedonischen König in Ägypten mit der griechischen Festkultur verbunden war. Die Teilnehmer der Agone sollten also neben Zeus auch den Herrscher selbst feiern und sich ihm zu Ehren messen. & M. P. NILSSON, Griechische Feste, Leipzig 1906, 34 (zu den Basileia); L. ROBERT, De Delphes à l’Oxus, inscriptions grecques nouvelles de la Bactriane, in: CRAIBL 112, 1968, 435 (zu den Thessalern); L. KOENEN, Eine agonistische Inschrift aus Ägypten und frühptolemäische Königsfeste, Meisenheim am Glan 1977 (Edition und Kommentar, vgl. die Rezension von H. HEINEN, in: Gnomon 51, 1979, 397–400); J. EBERT, Zu Fackelläufen und anderen Problemen in einer griechischen agonistischen Inschrift aus Ägypten, in: Stadion 5,1, 1980, 1–9 (zur Übersetzung, zu den Disziplinen und zur Interpretation); I.Fayoum III (1981), Taf. 42 (Abbildung des Steins); J. BINGEN, Semaines philippopolitaines de l’histoire et de la culture thraces, in: Pulpudeva 4, 1980, 72–79; St. LEHMANN, Ptolemaios III. Euergetes – Hermes Enagonios als Pentathlos und Pankratiast, in: K. Gschantler/A. Bernhard-Walcher (Hg.), Griechische und römische Statuetten und Großbronzen. Akten der 9. Internationalen Tagung über antike Bronzen. Wien, 21.–25. April 1986, Wien 1988, 296 (eine Pankratiastengruppe und ein Pentathlos aus Bronze als Siegespreis interpretiert); P. M. FRASER, Thracians Abroad: Three Documents, in: Αρχαία Μακεδονία V 1–3 – Ancient Macedonia V 1–3. Ανακοινώσεις κατά το πέµπτο διεθνές συµπόσιο, Θεσσαλονίκη, 10–15 Οκτωβρίου 1989, Thessaloniki 1993, 449–451 (zu den Thrakern); F. PERPILLOU-THOMAS, Fêtes d’Égypte ptolémaïque et romaine d’après la documentation papyrologique grecque, Löwen 1993, 152f., 160 (Belegliste zu den Basileia in Ägypten); L. CRISCUOLO, Alessandria e l’agonistica greca, in: N. Bonacasa u.a. (Hg.), Alessandria e il mondo ellenistico-romano: I centenario del Museo Greco-Romano, Rom 1995, 43–48 (zum Kontext); A. MEADOWS, in: S. Walker/P. Higgs (Hg.), Cleopatra of Egypt from History to Myth, London 2001, 115f. (Abbildung und Literatur); J. BINGEN, The Thracians in Ptolemaic Egypt, in: ders., Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Berkeley/Los Angeles 2007, 83–93

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(insbesondere zu den Thrakern); S. REMIJSEN, Challenged by Egyptians: Greek Sports in the Third Century BC, in: International Journal of the History of Sport 26,2, 2009, 246–271 (zu Agonen in Ägypten).

9. Ein Ehrenbeschluss einer dionysischen Kultgenossenschaft in Ptolemais Hermiu (272/271–246 v. Chr.?) OGIS I 50 = Michel 1018 = SB V 8854 = I.Prose 3 = CPI 355 = TM 6374 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 9270 9. Ein Ehrenbes chlus s einer dionys is chen Kultgenos s ens chaft

In der griechischsprachigen Welt gab es Zusammenschlüsse von Dichtern, Schauspielern und Musikern, die sich unter den Schutz des Dionysos stellten und sich deshalb als Techniten (Handwerker) des Dionysos bezeichneten. Solche Vereine traten im Rahmen von großen hellenistischen Festen und Agonen auf. Auch mitten in Ägypten fanden sich Künstler zu derartigen Korporationen zusammen, was auf die Bedeutung der griechischen Festkultur in der Chora verweist. Das Besondere der ptolemäerzeitlichen Kultgenossenschaft des Dionysos in Ägypten war, dass neben diesem auch Ptolemaios II. und Arsinoe II. als Schutzgottheiten angeführt werden. Die Techniten publizierten das vorliegende Ehrendekret für einen Magistraten von Ptolemais Hermiu (vgl. Text 7) auf einer Kalksteinstele. Text und Übersetzung ἔδοξεν τοῖς τεχνίταις τοῖς περὶ τὸν | Διόνυσον καὶ θεοὺς Ἀδελφοὺς καὶ τοῖς | τὴν σύνοδον νέµουσιν, στεφανῶσαι | Διονύσιον Μουσαίου πρύτανιν διὰ βίου (5) κισσοῦ στεφάνωι κατὰ τὰ πάτρια εὐνοίας | ἕνεκα τῆς εἰς τὴν πόλιν τῶν Πτολεµαιέων | καὶ τοὺς τεχνίτας τοὺς [περὶ] τὸν µέγαν | Διόνυσον καὶ θεοὺς Ἀδελφούς, | ἀναγ[ορε]ύσαι δὲ τὸν στέφανον τοῖς (10) Διονυσίοις καὶ ἀναγραφῆναι [τὸ] | ψήφισ[µα] τόδε εἰς στή[λ]ην [καὶ] ἀναθεῖναι | πρὸ τοῦ νεὼ τοῦ Διονύσου. τὸ δὲ ἀνάλωµα | τὸ εἰς τὴν στήλην δοῦναι τὸν οἰ[κον]όµο[ν] | Σωσίβιον.

„Die Techniten („Künstler“) des Dionysos und der Geschwistergötter und die, die an der Vereinigung teilnehmen, haben beschlossen, den Dionysios, Sohn des Musaios, den Prytanen auf Lebenszeit, gemäß dem väterlichen Brauch mit einem Efeukranz zu bekränzen, aufgrund seiner guten Gesinnung gegenüber der Stadt Ptolemais und gegenüber den Techniten des großen Dionysos und der Geschwistergötter, (und) den Kranz bei den Dionysien auszurufen und diesen Beschluss auf eine Stele aufzuschreiben und vor dem Tempel des Dionysos aufzustellen. Die Aufwendungen für die Stele soll der Kassenwart Sosibios zur Verfügung stellen.“

9. Ein Ehrenbeschluss einer dionysischen Kultgenossenschaft

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Kommentar: Die Inschrift ist nicht datiert, doch liefert die Angabe, dass es sich um Techniten auch für die Geschwistergötter Ptolemaios II. und Arsinoe II. handelt, einen termius post quem für die Setzung der Stele. Erst mit Einführung des Kultes der Geschwistergötter 272/271 v. Chr. konnte der Verein auch den entsprechenden Kultnamen führen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Verein den Namen erst nach dem Tod des zweiten Ptolemäers annahm, denn der Herrscherkult sollte sicherlich an den Kult des Dionysos gekoppelt werden. Da es nicht belegt ist, dass der Herrscherkult für ein Ptolemäerpaar postum weitergeführt wurde – er ging dann üblicherweise in den Kult für die Dynastie auf – ist es sehr wahrscheinlich, dass die Stele noch zu Lebzeiten des zweiten Ptolemäers errichtet wurde (auch wenn natürlich eine postume Vereinsbenennung nicht gänzlich auszuschließen ist; so Aneziri). Einen weiteren Datierungshinweis könnte die Tatsache liefern, dass in einem zweiten Ehrenbeschluss desselben Vereins für Ptolemaios, Sohn des Lysimachos (OGIS I 51; möglicherweise ein Sohn von Lysimachos, Sohn des Ptolemaios aus OGIS II 728), allein dessen Wohlverhalten gegenüber dem König als Begründung dient. So wäre die Königin als bereits verstorben zu betrachten (nach 270 v. Chr.). Da im vorliegenden Fall wiederum mit Dionysios, Sohn des Ptolemaios, wohl der Sohn des zuvor Geehrten das Amt als „Prytan auf Lebenszeit“ übernommen hat, dürfte das Dekret zum Ende der Herrschaft Ptolemaios’ II., aber noch vor 246 v. Chr. verabschiedet worden sein. Die Bedeutung der Techniten für die ptolemäische Herrschaftsrepräsentation ist nicht zu unterschätzen, bildeten ihre Vereinskulthandlungen doch geradezu ein Pendant zum offiziellen, also vom Königshaus instituierten Herrscherkult. Doch auch bei den großen hellenistischen Festen, die in Ägypten oft mit dem Herrscherkult verbunden waren, nahmen sie teil und halfen dadurch, die Göttlichkeit und damit die Legitimation des Königshauses zu vermitteln. Ihren größten Auftritt hatten solche Techniten sicherlich bei den Ptolemaia (Athenaios V 198c), dem großen Festumzug, den Ptolemaios II. zu Ehren seines Vaters eingerichtet hatte (Rice; vgl. Text 6). Die vorliegende Inschrift und eine weitere aus Ptolemais Hermiu (OGIS I 51, hier wird die Vereinigung der Techniten mit dem techniteuma bezeichnet) sind die einzigen epigraphischen Belege für die dionysischen Techniten in Ägypten (vgl. zudem die Papyruskopie einer Inschrift für Apion: P.Oxy. LXXIX 5202,23f. mit Strasser). Es ist bezeichnend, dass beide Texte im Zusammenhang mit der Stadt Ptolemais stehen, also der einzigen Griechenstadt in Oberägypten, verweist dies doch auf die Bedeutung der griechischen Festkultur für das von Ptolemaios I. neugegründete Gemeinwesen. So dürfte das genannte Fest der Dionysia zu den Feiern der Stadt gehört haben. Es ist zu erwarten, dass sich der Tempel des Dionysos, an dem die Stele aufgestellt werden sollte, ebenfalls in Ptolemais selbst befand, somit die städtische Öffentlichkeit auch über die Ehrung ihres Bürgers informiert werden konnte.

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Der Ratsherr der Stadt hatte sich um den Verein verdient gemacht und erhielt zum Dank die Ehre der Bekränzung mit dem Efeukranz, was eine der höchsten Ehrungen war, die der Verein vergeben konnte, denn Efeu war die heilige Pflanze des Dionysos. Diese symbolische Ehrung brachte dem Dionysios sicherlich großes Sozialprestige in der Stadt. Genauso wichtig war aber die Bekanntmachung der guten Beziehung des Prytanen zu den Techniten an einem öffentlichen Ort, vor dem Tempel des Dionysos, was jedem Besucher die Wichtigkeit des Prytanen Dionysios vor Augen führen sollte. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass sich die Techniten in einer captatio benevolentiae auch Vorteile in Ptolemais Hermiu versprachen. Der Geehrte war schließlich Prytane auf Lebenszeit, was für eine städtische Struktur äußerst ungewöhnlich war (vgl. Text 7). Er muss also über großen Einfluss in der Stadt verfügt haben, und hiervon wollten die Techniten profitieren. Liste der Ehrendekrete aus Ptolemais 1.

OGIS I 48 = TM 6372 = Text 7

die Stadt ehrt die Prytanen

2.

OGIS II 728 = TM 6416

3.

OGIS I 51 = TM 6375

4.

OGIS I 50 = TM 6374 = Text 9

5.

OGIS I 47 = TM 8484

6.

OGIS I 49 = TM 6373

die Stadt ehrt Lysimachos, Sohn des Ptolemaios, Schreiber des Rates die Techniten ehren Ptolemaios, Sohn des Lysimachos, Hipparch und Ratsherr auf Lebenszeit die Techniten ehren Dionysios, Sohn des Ptolemaios, Ratsherr auf Lebenszeit die Stadt ehrt Lykomedes, Sohn des Ktesikles die Stadt ehrt Antiphilos, Sohn des Agathanor

Jahr 8 (Ptolemaios’ II.?) 278/277 v. Chr. Jahr 10 (Ptolemaios’ II.?) 276/275 v. Chr.

nach dem Tod Arsinoes II. 270 v. Chr.?

nach OGIS I 51, 270 v. Chr.; Ende der Herrschaft Ptolemaios’ II.? Zeit Ptolemaios’ II. oder Ptolemaios’ III. Zeit Ptolemaios’ III.

& W. JANELL, Ausgewählte Inschriften, Berlin 1906, Nr. 160 (Text und Übersetzung, kurzer Kommentar); G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hellenismus in Ägypten, Leipzig 1910, 60–65 (Besprechung des Vereins von Ptolemais); M. VANDONI, Feste pubbliche e private, Mailand 1964, 57; A. PICKARD-CAMBRIDGE, The Dramatic Festivals of Athens, Oxford 1973, 310; P. J. RHODES/D. M. LEWIS, The Decrees of the Greek states, Oxford 1997, 466 (Texte zur Verfassung von Ptolemais); E. E. RICE, The Grand Procession of Ptolemy Philadelphus,

10. Tempel und Kult auf Philae

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Oxford 1983 (zu den Ptolemaia); B. LE GUEN, Les associations des Technites dionysiaques à l’époque hellénistique II, Nancy 2001, 34–37 (zu den Techniten im Ptolemäerreich); S. ANEZIRI, Die Vereine der dionysischen Techniten im Kontext der hellenistischen Gesellschaft. Untersuchungen zur Geschichte, Organisation und Wirkung der hellenistischen Technitenvereine, Stuttgart 2003 (grundlegende Arbeit mit großem Teil zu den ägyptischen Vereinen); J.-Y. STRASSER, L’inscription en l’honneur d’Apion (P.Oxy. LXXIX 5202), in: CdÉ 182, 2016, 352–377; F. KAYSER, Ptolémaïs de HauteÉgypte: une cité grecque dans son environnement égyptien, in: ders./L. Medini (Hg.), Communautés Nouvelles en Égypte hellénistique et romaine, Chambéry 2017, 35–39 (zur Inschrift); J.-B. CAYLA, Antoine, Cléopâtre, et les technites dionysiaques à Chypre, in: BCH 141, 2017, 313–336 (zu den Techniten auf Zypern; Neudatierung der „Techniten des Dionysos und der Wohltätergötter“ in die Zeit der ptolemäischen Restauration 48–31 v. Chr.).

10. Tempel und Kult auf Philae (243/242 v. Chr.?) OGIS I 61 = SB V 8859 = I.Philae I 4 = SEG XLVII 2130 = SEG L 1560 = CPI 427 = TM 6379 10. Tempel und Ku lt auf P hilae

An der Südgrenze Ägyptens, auf der Nilinsel Philae, befand sich eines der bedeutendsten Isisheiligtümer der ägyptischen Spätzeit, das maßgeblich unter den ptolemäischen Königen ausgebaut wurde und wirtschaftlich dem nahegelegenen Tempel von Elephantine den Rang ablief. Man betritt heute den auf die Insel Agilkia versetzten Tempel der Isis von Philae durch den sogenannten ersten Pylon und gelangt danach in den Vorhof. Zur Linken befindet sich das seit der Zeit Ptolemaios’ III. dekorierte Geburtshaus (Mammisi) und rechter Hand die zweite Ostkolonnade. Hat man den Hof passiert, kommt man in das Innere des Heiligtums durch den auch Hypostyl genannten Pronaos. Auf dem Steg der Hohlkehle über dem Türsturz (Abb. 6) zum an den Pronaos anschließenden Naos des Tempels findet sich die wohl älteste griechische Inschrift der Insel überhaupt. Text und Übersetzung βασιλεὺς Πτολεµαῖος βασιλέως Πτολεµαίου καὶ Ἀρσινόης, θεῶν Ἀδελφῶν, καὶ βασίλισσα Βερενίκη, ἡ βασιλέως Πτολεµαίου ἀδελφὴ καὶ γυνή, καὶ τὰ τούτων τεκνία τὸν ναὸν Ἴσει καὶ Ἁρποχράτηι.

„König Ptolemaios, Sohn des Königs Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, und Königin Berenike, die Schwester und Gemahlin des Königs Ptolemaios, und deren kleine Kinder (haben) den Tempel für Isis und Harpokrates (gestiftet).“

Kommentar: Die einzeilige Inschrift befindet sich in 6,40 m Höhe und ihre Schriftzeichen sind nur 6 cm groß (vgl. im Gegensatz dazu die monumentale Stiftungsinschrift im Tempel des Antaios, Text 23). Nach dem Bau des vorge-

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lagerten Pronaos hat man die Buchstaben vergoldet, damit sie, nun im Inneren gelegen, besser zu erkennen waren.

Abb. 6: Tor zum Naos des Isistempels von Philae. Die griechische Stiftungsinschrift befindet sich über der Hohlkehle (weißer Pfeil). Im Sanktuar kann man den von Ptolemaios III. und Berenike II. gestifteten Barkenständer erkennen. Photo: Stefan Pfeiffer, 2016.

10. Tempel und Kult auf Philae

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Wichtig ist, dass die Inschrift zu ihrer Entstehungszeit, also in der Zeit Ptolemaios’ III., nicht im Dunkel des erst später gebauten Pronaos verborgen war, sondern das Portal die sakrale Grenze zum offenen Hof markierte. Die Außenwand des Tempelgebäudes war zu dieser Zeit noch nahezu undekoriert. Unter Ptolemaios III. hatten die Priester nur eine einzige Szene auf der westlichen Seite neben dem Eingang angebracht (Vassilika, 202, Taf. XXII D; Berliner Photo 1336). Man sieht hier Ptolemaios III. begleitet von Berenike II. Der König reicht ein Feld an „seine Mutter Isis“. Vielleicht entstand diese Szene aber auch erst viele Jahre später, in der Zeit des achten Ptolemäers, als der Rest der Wand dekoriert wurde (Cauville/Ali, 205). Die griechische Stiftungsinschrift könnte, wie manche meinen, anlässlich eines königlichen Besuchs angebracht worden sein, während dessen das Königspaar den Tempel geweiht hätte. Das führt wiederum zur Frage der Datierung des Besuchs. Da das dritte Ptolemäerpaar noch nicht seinen Kultnamen „die Wohltätergötter“ trägt, lässt sich die Annahme vertreten, dass die Reise vor dessen Verleihung im Jahr 245/244 v. Chr. stattgefunden haben müsse (Bingen). Da aber die ptolemäischen Könige erst seit der Zeit des fünften Ptolemäers ihren Kulttitel in Stiftungsinschriften angeben (Johnson; vgl. I.Philae 8 = OGIS I 98), kann das Fehlen an vorliegender Stelle nicht als Datierungskriterium aufgefasst werden, und damit bleibt letztlich auch der genaue Zeitpunkt der Weihung in der gesamten Herrschaftszeit der beiden Stifter unsicher. Wir wissen aber, dass Ptolemaios III. im Jahr 243 oder 242 v. Chr. eine Reise in die Chora unternommen hatte, sodass die Inschrift vielleicht während seiner Anwesenheit auf Philae verfasst wurde (Clarysse). Allerdings sei erwähnt, dass solche Stiftungsinschriften auch ohne königliche Anwesenheit gesetzt werden können, sodass die Spekulation über den Besuch hinfällig ist. Berenike II. war, auch wenn es die Inschrift so angibt, keinesfalls die leibliche Schwester des Königs. Die Geschwisterheirat von Ptolemaios II. und Arsinoe II., der genannten Geschwistergötter, hatte eine dynastische Tradition begründet, die Gemahlin des Herrschers aus legitimatorischen Gründen auch als dessen Schwester zu bezeichnen. Die Kinder des Königspaars werden hier des Weiteren mit dem sonst ungebräuchlichen Diminutiv als teknia und nicht als tekna bezeichnet. Hieraus könnte abgeleitet werden, dass diese tatsächlich gemeinsam mit dem Herrscherpaar in Philae zugegen waren (Bingen), und zwar zu einem Zeitpunkt, als sie wirklich noch jung waren, also in der frühen Regierungszeit des dritten Ptolemäerpaares. Es dürfte sich auf jeden Fall um den Thronfolger Ptolemaios IV. und um die 238 v. Chr. verstorbene Berenike (vgl. Text 14) gehandelt haben. Wenn das dritte Ptolemäerpaar hier kundtut, den Naos des Tempels gestiftet zu haben, dann bezeichnet das griechische Wort, das auch einen Götterschrein meinen kann (vgl. Text 13 und 22), im vorliegenden Fall das Tempelgebäude selbst, das man durch den von einer Hohlkehle mit doppelter Flügelsonne bekrönten Türsturz, auf dem die Inschrift angebracht ist, betreten kann. Dass das

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dritte Ptolemäerpaar den als Naos bezeichneten inneren Teil des Tempels errichten ließ, ist jedoch falsch, da die Bautätigkeit bereits unter Ptolemaios II. abgeschlossen und unter diesem bereits der größte Teil der Innenwände dekoriert worden war. Am Türpfosten direkt unter der griechischen Stiftungsinschrift Ptolemaios’ III. steht sogar in hieroglyphischer Schrift, dass Ptolemaios II. „dieses neue Haus“ aus kostbaren Materialien für Isis errichtet habe. Von Ptolemaios III. hingegen findet sich im Bau selbst nur eine einzige Ritualszene, doch ist zumindest der Barkenständer im Zentralsanktuar nach Auskunft der hieroglyphischen Inschrift von ihm und seiner Gemahlin für Isis gestiftet worden. Selbstverständlich gibt es im Inneren des Tempels auch an manchen Stellen in hieroglyphischer Schrift die Angabe, dass Ptolemaios III. „dieses Denkmal für seine Mutter (i.e. Isis)“ errichtet oder aber, etwas ‚ehrlicher‘, dass er „dieses Denkmal“ für Isis „erneuert“ hat (Caßor-Pfeiffer/Pfeiffer). Derartige fiktive Stiftungen waren aber üblich. Ähnlich wie Ptolemaios III. sich die Errichtung des Naos zuschreibt, hat erst Ptolemaios VI. nach Auskunft einer hieroglyphischen Weihung das Geburtshaus (Mammisi) des Isistempels von Philae gestiftet, das aber ebenfalls schon unter dem zweiten Ptolemäer errichtet worden war: „Er (i.e. Ptolemaios VI.) machte es als sein Denkmal (für) seinen Vater (Har)pokrates, den Sohn der Isis, den Sohn des Osiris.“ (Junker/Winter, 169) bzw. „Er (i.e. Ptolemaios VI.) machte es als sein Denkmal für seine Mutter Isis, (die Herrin) des Geburtshauses.“ (Junker/Winter, 163). Da im Ägyptischen das Wort „Denkmal“ (mnw) von größerer Bedeutungsweite ist, können auch die Dekorationstätigkeiten hierunter fallen. Jeder Herrscher, der einen Tempel dekorieren ließ, konnte deshalb als dessen Stifter auftreten. Dass die griechische Weihung am Naos nicht nur an Isis gerichtet ist, sondern auch an Harpokrates, wie Griechen den Namen des ägyptischen Gottes „Horus, das Kind“ ("r-p#-xrd) aussprachen, zeigt die enge Verbindung, die die Ägypter der Göttin mit ihrem Sohn auf Philae zuschrieben. Interessanterweise fehlt aber Osiris, das dritte und ansonsten wichtigste Mitglied der Götterdreiheit. Möglicherweise stand sein Kult im Tempel hinter dem Kult für Isis und Harpokrates zurück oder aber Harpokrates erhielt deshalb den Vorzug, weil auch die Kinder des Königspaares den Tempel mitgeweiht hatten. Harpokrates spielt auf jeden Fall eine ganz entscheidende Rolle auf Philae. Hier ist die älteste Darstellung des Gottes überhaupt auf einer der Schrankenwände des Kiosks Nektanebos’ I. (30. Dynastie, 380–343 v. Chr.) überliefert (Sandri). Die Bedeutung des Kindgottes für die Insel sieht man zudem daran, dass er hier mit 126 Abbildungen am häufigsten in Ägypten dargestellt wird. Ein hieroglyphischer Hymnus aus dem philensischen Isistempel auf den Gott lautet (Junker/Winter, 135): „Preislied des Harpokrates, des Sohnes der Isis, der sehr großen Ersten des Osiris, des Herrn des Abaton und von Philä, dessen Erbe gesichert ist. Zu rezitieren: Es erstrahlt Horus am Horizont des Himmels. Die Götter jauchzen, wenn sie (ihn) sehen. Die Götterneunheit ist in wiederholter Verehrung. Wie schön ist Horus der Sieger, der Sohn des Osiris, geboren von der Isis,

11. Die Adulis-Inschrift

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der Göttin, die ihren Horus schützt. Sie spricht: Du seist gepriesen und gepriesen in Frieden, Harpokrates, Sohn der Isis, der sehr großen Ersten des Osiris. Dir gebühren die Jahre deines Vaters, ... Heil dir, Horus, Herr des Jubels, dir gebührt Jubel ... Heil dir, Horus, du Sieger. Dir gebührt Triumph ... Es triumphiert Harpokrates, der Sohn der Isis ...“ & H. JUNKER/E. WINTER, Das Geburtshaus des Tempels der Isis in Philä, Wien 1965 (Edition hieroglyphischer Texte von Philae); G. HAENY, A Short Architectural History of Philae, in: BIFAO 85, 1985, 197–233 (zur Baugeschichte Philaes); E. VASSILIKA, Ptolemaic Philae, Löwen 1989 (zum Tempel); W. CLARYSSE, The Ptolemies Visiting the Egyptian Chora, in: L. Mooren (Hg.), Politics, Administration and Society in the Hellenistic and Roman World, Löwen 2000, 37f. (zum Besuch der Chora durch den König); J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 141–153 (umfangreiche Zusammenstellung der Quellen und Auswertung der Baugeschichte); C. G. JOHNSON, OGIS 98 and the Divinization of the Ptolemies, in: Historia 51, 2002, 112–116 (zur Selbstbezeichnung der Ptolemäer mit ihrem Kulttitel); S. SANDRI, Har-Pa-Chered (Harpokrates). Die Genese eines ägyptischen Götterkindes, Löwen u.a. 2006, 54–58 (Harpokrates auf Philae); J. BINGEN, Ptolemy III and Philae: Snapshot of a Reign, a Temple and a Cult, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 31–43 (tiefgehende Auswertung der Inschrift; mit BE 2002, 526); S. CAUVILLE/M. I. ALI, Philae: itinéraire du visiteur, Löwen 2013 (zum Tempel von Philae); S. CAßOR-PFEIFFER/ST. PFEIFFER, Pharaonin Berenike II.: Bemerkungen zur ägyptischen Titulatur einer frühptolemäischen Königin, in: M. Brose u.a. (Hg.), En détail – Philologie und Archäologie im Diskurs. Festschrift für Hans-W. Fischer-Elfert, Berlin/Boston 2019, 205–244.

11. Die Adulis-Inschrift und der 3. Syrische Krieg (245/244 v. Chr.) OGIS I 54 = SB V 8545a = CIG III 5127a = SEG XLII 1645 = Michel 1239a = I.gr.Éthiopie 276 = CPI 516 = TM 6347 HGIÜ III 403; Bagnall/Derow, Nr. 26; Gehrke/Schneider, Q 140; Bertrand, Nr. 102 11. Die Adulis -Ins chri ft

Die hier abgedruckte Inschrift, auch als titulus Adulitanus/(inscriptio) Adulitana bekannt, ist nicht mehr im Original erhalten, sondern nur durch den Bericht des Mönches Kosmas Indikopleustes überliefert, der sie im 6. Jh. n. Chr. in der ptolemäischen Gründung Adulis am Roten Meer gesehen und abgeschrieben hat. Ptolemaios III. preist – in der 3. Person von sich selbst sprechend – mit der Inschrift seinen erfolgreichen Feldzug bis nach Baktrien. Über diesen Feldzug berichten ebenfalls das Alexandria-Dekret von 243 v. Chr. (Text 13) und das Kanoposdekret von 238 v. Chr. (Text 14); auch eine babylonische Chronik auf einer Keilschrifttafel überliefert Geschehnisse des Feldzugs (BM 34428: elMasry u.a., 155–159). Weitere Erwähnungen finden sich bei Appian, Syr. 65, 242–346, Polyainos VIII 50, Catull 66,35f., Porphyrius F 43 = FGrHist 260 und Iustin XXVII 1,1–2,10.

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Es ist davon auszugehen, dass der König seine Inschrift kurz nach seiner Rückkehr, auf jeden Fall noch vor den syrischen Rückeroberungen des Seleukos II. 242 v. Chr. gestiftet hat. Das Fehlen des Epithetons Euergetes ist aber, anders als häufig vermutet (Clayman), kein Datierungskriterium (vgl. Text 10). Text und Übersetzung βασιλεὺς µέγας Πτολεµαῖος, υἱὸς βασιλέως Πτολεµαίου | καὶ βασιλίσσης Ἀρσινόης θεῶν Ἀδελφῶν, τῶν βασιλέω | Πτολεµαίου καὶ βασιλίσσης Βερενίκης θεῶν Σωτήρων, | ἀπόγονος τὰ µὲν ἀπὸ πατρὸς Ἡρακλέους τοῦ Διός, τὰ δὲ ἀπὸ µη(5)τρὸς Διονύσου τοῦ Διός, παραλαβὼν παρὰ τοῦ πατρὸς | τὴν βασιλείαν Αἰγύπτου καὶ Λιβύης καὶ Συρίας | καὶ Φοινίκης καὶ Κύπρου καὶ Λυκίας καὶ Καρίας καὶ τῶν | Κυκλάδων νήσων ἐξεστράτευσεν εἰς τὴν Ἀσίαν µετὰ | δυνάµεων πεζικῶν καὶ ἱππικῶν καὶ ναυτικοῦ στόλου (10) καὶ ἐλεφάντων Τρωγλοδυτικῶν καὶ Αἰθιοπικῶν, οὓς ὅ τε πατὴρ | αὐτοῦ καὶ αὐτὸς πρῶτο ἐκ τῶν χωρῶν τούτων ἐθήρευσαν | καὶ καταγαγόντες εἰς Αἴγυπτον κατεσκεύασαν πρὸς τὴν | πολεµικὴν χρείαν. κυριεύσας δὲ τῆς τε ἐντὸς Εὐφράτου | χώρας πάσης καὶ Κιλικίας καὶ Παµφυλίας καὶ Ἰωνίας καὶ τοῦ Ἑλ(15)λησπόντου καὶ Θράικης καὶ τῶν δυνάµεων καὶ τῶν ἐν ταῖς χώραις | ταύταις πασῶν καὶ ἐλεφάντων Ἰνδικῶν, καὶ τοὺς µονάρχους τοὺς ἐν | τοῖς τόποις πάντας ὑπηκόους καταστήσας διέβη τὸν Εὐφράτην | ποταµὸν καὶ τὴν Μεσοποταµίαν καὶ Βαβυλωνίαν καὶ Σουσι|ανὴν καὶ Περσίδα καὶ Μηδείαν καὶ τὴν λοιπὴν πᾶσαν ἕως

Großkönig Ptolemaios, Sohn des Königs Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Geschwistergötter, den Kindern von König Ptolemaios und Königin Berenike, den Rettergöttern, von Vaterseite Nachkomme des Herakles, des Sohnes des Zeus, von Mutterseite des Dionysos, des Sohnes des Zeus, ist, nachdem er die Königsherrschaft über Ägypten, Libyen, Syrien, Phönikien, Zypern, Lykien, Karien und die Kykladen von seinem Vater übernommen hatte, zu Felde gezogen nach Asien mit Fußtruppen, Reitereinheiten, der Flotte und troglodytischen und äthiopischen Elefanten, die sein Vater und er selbst als erste zuvor aus diesen Ländern erjagt, nach Ägypten hinabgeführt und für den Kriegsdienst trainiert hatten. Nachdem er Herr über das gesamte Land diesseits des Euphrats geworden war und über Kilikien, Pamphylien, Ionien, den Hellespont, Thrakien, alle Streitkräfte in diesen Ländern und die indischen Elefanten, und nachdem er sich alle Alleinherrscher, die in diesen Ländern sind, untertan gemacht hatte, überschritt er den Fluss Euphrat, und nachdem er sich Mesopotamien, Babylonien, die Susiane, die Persis, Medien und den gesamten Rest bis

11. Die Adulis-Inschrift (20) Βακτριανῆς ὑφ’ ἑαυτῶι ποιησάµενος καὶ ἀναζητήσας ὅσα | ὑπὸ τῶν Περσῶν ἱερά ἐξ Αἰγύπτου ἐξήχθη καὶ ἀνακο|µίσας µετὰ τῆς ἄλλης γάζης τῆς ἀπὸ τῶν τόπων εἰς Αἴ|γυπτον δυνάµεις ἀπέστειλε διὰ τῶν ὀρυχθέντων πο|ταµῶν [ — — —].

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nach Baktrien untertan gemacht und alles, was von den Persern an heiligen Gegenständen aus Ägypten weggeführt worden war, aufgespürt und mit den übrigen Schätzen von diesen Orten nach Ägypten hat bringen lassen, schickte er die Streitkräfte durch die Kanäle zurück [... hier bricht der von Kosmas überlieferte Text ab].

Kommentar: Es handelt sich um eine Königsinschrift Ptolemaios’ III., die vom 3. Syrischen Krieg, dem sogenannten Laodike-Krieg, berichtet. Laodike war die Gemahlin des seleukidischen Königs Antiochos’ II., doch hatte der Seleukide später Berenike, die Schwester Ptolemaios’ III., geehelicht. Als sich Antiochos 246 v. Chr. bei seiner ersten Gemahlin Laodike in Ephesos aufhielt, verstarb er plötzlich (möglicherweise von Laodike vergiftet). Daraufhin übernahm dessen etwa 20 Jahre alter Sohn Seleukos II., hervorgegangen aus der Ehe des Antiochos II. mit Laodike, die Herrschaft – Berenike und deren minderjährigen Sohn mit Namen Antiochos ließ Laodike ermorden. Zuvor hatte Berenike jedoch ihren Bruder in Ägypten um Beistand bitten können. Als Ptolemaios III. nach Antiochia kam, wurde er, wie ein Papyrus berichtet (W.Chr. 1), begeistert empfangen. Der Ptolemäer führte dann einen Feldzug tief ins Seleukidenreich hinein. Eine Begründung für diesen Feldzug findet sich nicht, doch ist anzunehmen, dass er sich, da sein Neffe tot war, als rechtmäßiger Erbe der Herrschaft betrachtete und das Szepter Asiens übernehmen wollte (s. u.). Die Legitimität des Königtums des Seleukos erkannte Ptolemaios folglich nicht an. Ob er, wie die Inschrift berichtet, wirklich bis nach Baktrien gelangte, darf bezweifelt werden, denn nach Auskunft des Priesterdekretes von 243 v. Chr. (Text 13) ist er nur bis zur Susiane gekommen. Möglicherweise führt Ptolemaios Baktrien deshalb mit an, weil er sich an Alexander den Großen oder seine Ahnen Dionysos und Herakles angleichen wollte. Wahrscheinlich hat er aber nach der Überschreitung des Euphrats und einem möglichen Einzug in Seleukia am Tigris lediglich die Unterwerfung des Restreiches bis nach Baktrien durch die Statthalter entgegengenommen. Als dann aber ein Aufstand in Ägypten ausbrach (vgl. P.Haun. 6,15: Αἰγυπτίων ἀπόσ[τασις]; Porphyrios und Iustin: seditio domestica), musste der siegreiche Ptolemäer den Feldzug abbrechen und nach Ägypten zurückkehren. Bereits am 11. Juli 245 v. Chr. wurde in Uruk wieder nach Seleukos II. datiert (Hauben). Frieden schlossen die beiden Könige, mit großen Gebietsverlusten für die Seleukiden in Kleinasien, im Jahr 241 v. Chr.

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Der Text zeigt eindrücklich das Herrschaftsverständnis des dritten Ptolemäers, das ein Spiegel des hellenistischen Ideals von charismatischer Herrschaft ist (vgl. Gehrke). Der König versteht sich nicht nur als Herrscher Ägyptens, sondern auch weiterer Gebiete des Ostmittelmeerraumes. Die eroberten Regionen sollten integrale Bestandteile ptolemäischer Herrschaft, der pragmata („Angelegenheiten“) des Königs, sein. So schreibt der griechische Historiker Polybios (V 34) in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr., dass die ersten drei Ptolemäer sich besonders um die äußeren Angelegenheiten (ἔξω πράγµατα) gekümmert hatten, dass sie ihnen „nicht weniger, sondern weit mehr Sorge zugewandt hatten als der Regierung von Ägypten (Αἴγυπτον δυναστείας). Sie hatten daher, im Besitz (κυριεύοντες) von Koilesyrien, den Königen von Syrien zu Wasser und zu Lande schwer zu schaffen gemacht und hatten den Dynasten in Kleinasien (τοῖς κατὰ τὴν Ἀσίαν δυνάσταις), ebenso aber auch den Inseln hart im Nacken gesessen, da sie die bedeutendsten Städte, festen Plätze und Häfen an der ganzen Küste von Pamphylien bis zum Hellespont und in der Gegend von Lysimacheia beherrschten (δεσπόζοντες). Auch für Thrakien und Makedonien waren sie gefährliche Nachbarn gewesen, da sie Ainos, Maroneia und einige noch weiter entfernt gelegene Städte in ihrer Gewalt hatten (κυριεύοντες). Da sie also ihre Hände so weit ausgestreckt und sich durch diese entfernten Besitzungen wie durch einen Gürtel von Vorfeldbefestigungen gesichert hatten, hatten sie niemals für ihre Herrschaft (ἀρχή) über Ägypten zu fürchten brauchen.“ (Übersetzung: Drexler). Polybios führt also, abgesehen von den Gebieten jenseits des Euphrat, im Grunde genommen das gleiche Herrschaftsgebiet des dritten Ptolemäers an, das auch die Adulis-Inschrift nennt (vgl. auch Theokrit XVII 85– 94). Ganz offensichtlich unterscheidet er dabei zwischen der direkten Herrschaft (κυριεύοντες, δεσπόζοντες) und dem politischen Einfluss auf die Dynasten Asiens und die Seleukiden. Wollte Ptolemaios III. aber die in der Adulitana genannten Länder wirklich seiner Herrschaft unterstellen? Sah er in ihnen das sogenannte „speergewonnene“ Land (Schmitthenner, Mileta), als das Alexander der Große Asien betrachtet hatte? Hierüber ist man sich uneins. Es gibt die Ansicht, dass dem nicht so war (vgl. Mehl, Beyer-Rotthoff), der Zug des dritten Ptolemäers sei lediglich als Ausdruck der ptolemäischen Machtdemonstration zu verstehen. Diese Auffassung ist jedoch mit Blick auf die vorangegangene Alexanderzeit und die steten Bemühungen der Diadochen, möglichst alle Konkurrenten auszustechen, weniger plausibel. Zudem deutet die Begrifflichkeit der Inschrift selbst, das „Herr werden“, fast schon zwingend auf eine Inbesitznahme der Länder hin. Ptolemaios III. sah sich folglich, als er den Euphrat überschritt und das ehemalige Perserreich unterwarf, so suggeriert es zumindest seine vorliegende Inschrift, in der Nachfolge Alexanders des Großen (vgl. Huß; Hauben). Auch der von den Ptolemäern selten verwendete Titel „Großkönig“ ist in diesem Zusammenhang sicherlich nicht zufällig gewählt, verweist Ptolemaios damit doch

11. Die Adulis-Inschrift

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auf die Herrschaft über andere Könige, in vorliegender Inschrift „Alleinherrscher“ – Monarchen – genannt. Der Anspruch auf die Nachfolge Alexanders wird unterstützt durch die ungewöhnliche und ausführliche Angabe zu seiner Herkunft. Ptolemaios stammt von den beiden Söhnen des Zeus, Herakles und Dionysos, ab (Edelmann; vgl. Theokrit XVII 27; P.Oxy. XXVII 2465). Mit Herakles hatte er wiederum den gleichen Ahnen wie Alexander der Große (Plutarch, Alexander 2). Auch das Herausstellen der Jagd von Elefanten ist im Kontext des von Alexander vorgegebenen Herrscherideals zu verstehen (Plutarch, Alexander 40; Arrian, Anabasis IV 13,2). Auch wenn manche Elemente der Inschrift vordem einen Pharao kennzeichneten (der Sieg, die Jagd), so entwirft der Verfasser doch insgesamt einen vollständig hellenistischen und damit nichtägyptischen Bezugsrahmen, der zeigt, dass die Adressaten der Inschrift vor allem Nichtägypter waren. Ein Pharao führte sich nicht auf griechische Götter und Heroen zurück, ebenso wie es für ihn nicht nötig war, fremde Länder zu erobern – der Pharao war der Schützer Ägyptens, der die Feinde vernichtet, nicht aber das Feindesland annektiert, wie ihn auch die Priester im Dekret von Alexandria (Text 13) vorstellen. Und doch war es dem König wichtig, seine Pietät gegenüber den Heiligtümern Ägyptens herauszustellen. Die intensive Suche und Heimführung „ägyptischer heiliger Dinge“ aus der Fremde könnte einerseits eine imitatio Alexandri darstellen, da Alexander ebenfalls etwa die Tyrannenmördergruppe aus Persien zurück nach Athen gebracht hatte (Arrian, Anabasis III 16). Ptolemaios führte ganz ähnlich die heiligen Gegenstände, insbesondere die Götterbilder Ägyptens, nach Ägypten zurück (vgl. auch das Handeln Seleukos’ I.: Pausanias III 16,7–9 und VIII 46,4). Für die griechischen Leser der Inschrift wiederholte der König zudem Taten der mythischen Helden. Herakles etwa hatte die Äpfel der Hesperiden für Eurystheus oder Jason das Goldene Vlies nach Iolkos zurückgeholt. Andererseits konnte Ptolemaios damit neben seiner Legitimation als Eroberer fremder Länder, die besonders für das charismatische Königtum hellenistischer Prägung wichtig war (Gehrke), seine Legitimation als Herrscher auch gegenüber den ägyptischen Untertanen erweisen. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Inschrift allein in Adulis die königliche Sieghaftigkeit vermitteln sollte, wo ein nur kleiner Adressatenkreis für diese Art der Selbstdarstellung vorhanden war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um eine Kopie handelt, die an mehreren Stellen des Reiches, vielleicht besonders an dessen Grenzen aufgestellt war, um jedem Fremden die Leistungsfähigkeit des Königs vor Augen zu führen. Adulis war sicherlich vor allem auch deshalb gewählt worden, weil über diesen Ort die erjagten Elefanten nach Alexandria verbracht wurden. Das „Mutterdokument“ hingegen könnte ein großes Siegesdenkmal in Alexandria selbst geschmückt haben. & M. W. MCCRINDLE, The Christian Topography of Cosmas, an Egyptian Monk, London 1897; W. WOLSKA-CONUS, Cosmas Indicopleustès, Topographie Chrétienne I,

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Paris 1968 II, 58f. (kritische Edition, französische Übersetzung); W. SCHMITTHENNER, Über eine Formveränderung der Monarchie seit Alexander d. Gr., in: Saeculum 19, 1968, 31–46 (zum Speererwerb); A. MEHL, ΔΟΡΙΚΤΗΤΟΣ ΧΩΡΑ. Kritische Bemerkungen zum „Speererwerb“ in Politik und Völkerrecht der hellenistischen Epoche, in: Ancient Society 11/12, 1980/1981, 197–200 (zum 3. Syrischen Krieg); H.-J. GEHRKE, Der siegreiche König. Überlegungen zur Hellenistischen Monarchie, AKG 64, 1982, 247–277 (grundlegend zum Herrschaftsverständnis); M. M. AUSTIN, Hellenistic King, War and the Economy, in: Classical Quarterly 36, 1986, 450–466 (zur Bedeutung königlicher Raubzüge); F. PIEJKO, Episodes from the Third Syrian War in a Gurob Papyrus, 246 B. C., in: APF 36, 1990, 13–27 (Edition eines Papyrus zum 3. Syrischen Krieg); H. HAUBEN, L’expédition de Ptolémée III en Orient et la sédition domestique de 245 av. J.-C., in: APF 36, 1990, 29–37 (zum Aufstand); B. BEYER-ROTTHOFF, Untersuchungen zur Außenpolitik Ptolemaios’ III., Bonn 1993, 17–67 (zum 3. Syrischen Krieg), 40–49 (Kommentar zur Inschrift); G. WEBER, Dichtung und höfische Gesellschaft. Zur Rezeption von Zeitgeschichte am Hof der ersten Ptolemäer, Stuttgart 1993, 343–346 (Dionysos und das Königshaus); B. FUNCK, „König Perserfreund“. Die Seleukiden in der Sicht der Nachbarn (Beobachtungen zu einigen ptolemäischen Zeugnissen des 4. und 3. Jhs. v. Chr.), in: ders. (Hg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums 9.–14. März 1994 in Berlin, Tübingen 1996 (zur Sicht der Seleukiden); G. A. LEHMANN, Expansionspolitik im Zeitalter des Hochhellenismus: Die Anfangsphase des ‚Laodike–Krieges‘ 246/5 v. Chr., in: Th. Hantos/G. A. Lehmann (Hg.), Althistorisches Kolloquium aus Anlass des 70. Geburtstags von Jochen Bleicken, Stuttgart 1998, 81–101; W. HUß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001, 338–354 (zum 3. Syrischen Krieg); F. CANALI DE ROSSI, Iscrizioni dello Estremo Oriente Greco. Un repertorio, Bonn 2004, Nr. 451; B. EDELMANN, Religiöse Herrscherlegitimation in der Antike. Die religiöse Legitimation orientalisch-ägyptischer und griechisch-hellenistischer Herrscher im Vergleich, St. Katharinen 2007, 221f., 245f. (zu den hellenistischen Abstammungslegenden); Chr. MILETA, Der König und sein Land. Untersuchungen zur Herrschaft der hellenistischen Monarchen über das königliche Gebiet Kleinasiens und seine Bevölkerung, Berlin 2008, 11–15 (zur Forschungsproblematik in Fragen des Speererwerbs); P. SCHNEIDER, De l’Hydaspe à Raphia: rois, éléphants et propagande d’Alexandre à Ptolémée IV, in: CdÉ 84, 2009, 310–334 (zu den Elefanten); J. D. GRAINGER, The Syrian Wars, Leiden u.a. 2010, 153–170 (ereignisgeschichtliche Darstellung); H. HAUBEN, Ptolémée III et Bérénice II, divinités cosmiques, in: P. Iossif u.a. (Hg.), More than Men, less than Gods. Studies on Royal Cult and Imperial Worship. Proceedings of the International Colloquium organized by the Belgian School at Athens (November 1–2, 2007), Löwen u.a. 2011, 357–388 (zur Locke der Berenike); Y. EL-MASRY u.a., Das Synodaldekret von Alexandria aus dem Jahr 243 v. Chr., Hamburg 2012, 151–167 (Zusammenstellung der Quellen und kurzer Abriss zum 3. Syrischen Krieg); F. MUCCIOLI, Gli epiteti ufficiali dei re ellenistici, Stuttgart 2013, 395–417 (zum Titel Großkönig); D. L. CLAYMAN, Berenice II and the Golden Age of Ptolemaic Egypt, Oxford 2014, 131–133 (kurze Besprechung der Inschrift).

12. Ein Königskultverein

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12. Ein Königskultverein (zw. 246 und 243 v. Chr.) I.Varsovie 44 = CPI 599 = TM 44043 Standort: Warschau, National Museum 198832 12. Ein Königs kul tverein

Im ptolemäischen Ägypten gab es die verschiedensten Möglichkeiten, das lebende Herrscherpaar mit Kulten zu versehen. Die Priesterdekrete zeigen etwa, dass die Kulte auch auf Privatebene vollzogen werden sollten (vgl. Text 13 und 22). Zudem gab es Vereine, die sich besonders dem Herrscherkult verschrieben hatten und deren Mitglieder sich nach dem König als Basilisten bezeichnten. Text und Übersetzung [β]α̣σ[̣ ιλ]εῖ [Π]τολεµαίωι καὶ | βασιλίσσηι Βε̣ρενίκηι καὶ Διοσ|κούροις εἰς τὰς θυσίας τὰς κα|τὰ µῆνα γινοµένηας τὴν πρό̣σ|̣ οδον τὴν ἀπὸ τῶν οἰκηµάτων | Θέωρος ὁ ἱερεὺς καὶ οἱ σ[υ]νβασιa|λισταὶ καὶ Διοσκουριασταὶ οἱ ὑπάρχοντες ἐν τῶι νοµῶι.

„Dem König Ptolemaios und der Königin Berenike und den Dioskuren für die monatlich stattfindenden Opfer (haben) die Einkünfte aus den Hausbesitzungen Theoros, der Priester, und die Synbasilisten und Dioskuriasten, die sich im Gau befinden, (geweiht).“

Kommentar: Die Datierung dieser Inschrift ist problematisch, weil Ptolemaios und Berenike ohne ihren Kultnamen erscheinen. Es könnte sich also entweder um das erste Ptolemäerpaar, die „Rettergötter“, oder das dritte Königspaar, die „Wohltätergötter“, ja sogar den neunten Ptolemäer und Berenike III. (vgl. Text 5) handeln. Gemeinhin geht man von einer Stiftung an das dritte Ptolemäerpaar aus, das damit noch vor der Annahme des Kulttitels als Wohltätergötter im Jahr 243 v. Chr. einen Vereinskult erhalten hätte. Eine Ehrung für das erste Ptolemäerpaar ist vor allem deshalb weniger wahrscheinlich, weil man sich nicht vorstellen kann, dass es für diese bereits einen vollständig ausgebildeten Herrscherkult gab (Rubensohn). Da der Vereinskult aber nicht vom Königshaus organisiert wurde, ist eine Ehrung des ersten Ptolemäerpaares nicht prinzipiell auszuschließen. Die Synbasilisten waren nichts anderes als Basilisten, also Mitglieder eines Königskultvereines (vgl. Text 27 und IG XII 3, 443 aus Thera). Ebenso ist auch die Bezeichnung als Philobasilisten bekannt. Die hinzugefügte Konkretisierung des Vereins mit der Wendung „die sich im Gau befinden“ deutet, wenn es sich nicht um eine reine Herkunftsangabe handelt, darauf hin, dass sich solche Königskultvereine auf Gauebene organisieren konnten. Da es nicht heißt „die Synbasilisten und die Dioskuriasten“ (οἱ σ[υ]νβασι̣|λισταὶ καὶ οἱ Διοσκουριασταί), ist zudem davon auszugehen, dass der Königskultverein gleichzeitig ein Verein für die beiden Zeussöhne, die Dioskuren, war (Poland), die Vereinsmitglieder den Herrscherkult also gemeinsam mit dem Kult für die beiden Zeussöhne Kastor und Polydeukes durchführten. Der Verein verfügte auf jeden Fall über Im-

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mobilien, die etwa durch Vermietung/Verpachtung Gewinne abwarfen, welche wiederum von nun an für die Finanzierung der Königsopfer genutzt werden sollten. Sicherlich fanden die Opfer, wie es auch für die ägyptischen Priester seit 243 v. Chr. nach den Dekreten von Alexandria und von Kanopos (Text 13 und 14) vorgeschrieben war, am 5., 9. und 25. Tag des Monats, den königlichen Feiertagen, statt (Łaijtar). Auch wenn der vorliegende Text einen rein griechischen Kontext nahelegt, so scheinen die Königskultvereine sowohl von Griechen als auch Ägyptern gebildet gewesen zu sein (vgl. Text 27); zudem standen sie weiterhin in enger Beziehung zum Militär (Launey). Das zeigt insbesondere ein Brief aus dem „Krieg der Szepter“ (103–101 v. Chr.), der an zwei Ägypter und möglicherweise eine ihnen unterstellte Truppe gerichtet war: „An Pates und Pachrates und die übrigen Soldaten. An die Philobasilisten.“ (C.Jud. Syr. Eg. 1; vgl. auch UPZ II 161,4). Die Grußformel lautet: „Portis, der Anführer der ausgewählten Truppe, und die Jungmannschaft (neaniskoi) senden dem Pates und Pachrates und allen Soldaten Grüße“. Da einmal Soldaten und Philobasilisten angesprochen sind, das andere Mal die Truppe in ihrer Gesamtheit, ergibt sich, dass die Soldaten gleichzeitig auch Philobasilisten sind. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Basilisten eine reine Soldatenvereinigung waren, doch fanden sie wohl unter den Militärangehörigen den größten Zulauf, denn der Herrscherkult bot den Soldaten verschiedenster Herkunft und insbesondere den Ägyptern im Heer einen gemeinsam zur Verehrung empfohlenen Kultempfänger und half somit, den Zusammenhalt der Truppe zu gewährleisten. Es bieten sich verschiedene Erklärungen für die Nähe der Dioskuren zum Herrscherpaar an. So waren Kastor und Polydeukes besonders mit Arsinoe II. (Weber) verbunden, weil sie die Königin nach ihrem Tod entrückt hatten und die Symbole der Zwillinge zudem auf ihren Münzen dargestellt wurden (Lorber). So heißt es über Arsinoe in der kurzen Diegesis zu Kallimachos’ Gedicht über die Vergöttlichung der Königin: „Er sagt, dass sie von den Dioskuren in die Luft entführt worden sei.“ (dieg. X 10 zu Kallim. frg. Asper 181 [228 Pf.]). Auch Berenike II. scheint sich in engerer Beziehung zu den beiden gesehen zu haben, weil sie deren Kappen (piloi) oder Sterne auf von ihr herausgegebenen (?) Münzen, den sog. Berenikemünzen, aufprägen ließ (Fraser). Sollte die Inschrift sich also auf das dritte Ptolemäerpaar beziehen, so könnte die Erwähnung der Dioskuren auf deren Datierung in die frühe Herrschaft des dritten Ptolemäerpaares verweisen, denn die entsprechenden Münzen ließ die Königsgemahlin in der Zeit des Feldzugs Ptolemaios’ III. nach Asien prägen (vgl. hierzu Text 11 und 13). In späterer Zeit ist der enge Bezug der Dioskuren zum Königshaus nicht mehr so deutlich. Die Verbindung von Dioskurenkult und Herrscherkult gerade in der Zeit des Asienfeldzugs Ptolemaios’ III. bietet sich auch deshalb an, weil die beiden Zeussöhne als Retter in der Schlacht auftreten konnten (Lorber).

12. Ein Königskultverein

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Andererseits muss aber nicht zwingend von einer Bindung an die Königin oder den Feldzug ausgegangen werden, denn die Dioskuren könnten genauso auch auf die Verbindung des Vereins zu einem spezifischen Gau hinweisen, in dem die Zeussöhne besondere Verehrung erhielten (Łajtar). Ähnlich verschrieben sich ein Jahrhundert später schließlich die Basilisten der Insel Sehel dem Kult für die Götter des 1. Katarakts (vgl. Text 27). Sollte das auch bei vorliegendem Verein der Fall gewesen sein, dann böte es sich an, den Arsinoites als dessen territoriale Organisationseinheit (vgl.: „die sich im Gau befinden“) zu postulieren. In diesem Fall müsste man annehmen, dass die Dioskuren eine interpretatio Graeca, also die „griechische Übersetzung“ eigentlich ägyptischer Götter waren, und zwar der beiden Erscheinungsformen des krokodilgestaltigen Gottes Sobek (Kockelmann). Dass die beiden Sobekformen durchaus mit den Dioskuren „übersetzt“ werden konnten, zeigt eindrücklich der griechische Aliasname Dioskurides, den der Ägypter Psansnos („Die zwei Brüder“ – ägyptisch Pȝ-snsnw) führte (Quaegebeur; Kockelmann). Vielleicht hatte der Verein aber auch seinen Sitz im Oxyrhynchites, wo es ein „sogenanntes Heiligtum der beiden Brüder“ (P.Oxy. II 254; zw. 13–26 n. Chr.: ἱερὸν δύο ἀδελφῶν λεγόµενον) gab, ohne dass daraus zu ersehen ist, ob es sich um die Dioskuren oder den doppelgestaltig verehrten Sobek/Suchos handelte. & W. OTTO, Priester und Tempel im hellenistischen Ägypten. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Hellenismus I, Leipzig/Berlin 1905, 126f. (zu den Basilisten); O. RUBENSOHN, Neue Inschriften aus Ägypten, in: APF 5, 1909, 158f., Nr. 2 (editio princeps); B. LAUM, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. Ein Beitrag zur antiken Kulturgeschichte II, Leipzig/Berlin 1914, 246, Nr. 207 (deutsche Übersetzung); F. POLAND, s.v. Συνβασιλισταί, in: RE IV A, 2 1330; E. VAN ’T DACK, „Exo taxeon“ et „semeia“ dans des papyrus démotiques, in: APF 19, 1969, 163; P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria II, Oxford 1972, 352, Anm. 144; M. SAN NICOLÒ, Ägyptisches Vereinswesen zur Zeit der Ptolemäer und Römer II: Vereinswesen und Vereinsrecht, München 1972, 151 und 185 (zum Hausbesitz von Vereinen); J. QUAEGEBEUR, Cultes égyptiens et grecs en Égypte hellénistique, in: E. Van ’t Dack u.a. (Hg.), Egypt and the Hellenistic World, Löwen 1983, 312–316 (zur Gleichsetzung von Krokodilgötterpaaren mit den Dioskuren); M. LAUNEY, Recherches sur les armées hellénistiques II, 2 1987, 1026–1030 (zur Verbindung der Basilisten zum Militär); G. WEBER, Dichtung und höfische Gesellschaft. Zur Rezeption von Zeitgeschichte am Hof der ersten Ptolemäer, Stuttgart 1993, 346f. (zur Bedeutung der Dioskuren für die Ptolemäer); A. ŁAJTAR, Greek Inscriptions in Polish Collections. A Checklist, in: ZPE 125, 1999, 156 (Bibliographie); H. KOCKELMANN, Sobek doppelt und dreifach. Zum Phänomen der Krokodilgötterkonstellationen im Fayum und in anderen Kultorten Ägyptens, in: S. Lippert/M. Schentuleit (Hg.), Graeco-Roman Fayum – Texts and Archaeology. Proceedings of the Third International Fayum Symposion, Freudenstadt, May 29–June 1, 2007, Wiesbaden 2008, 153–164; Chr. FISCHER-BOVET, Army and Society in Ptolemaic Egypt, Cambridge 2014, 287–289 (zu Basilisten); C. C. LORBER, Coins of the Ptolemaic Empire. Part I. Ptolemy I through Ptolemy IV. Volume 1: Precious Metal, New York 2018, 177–182 (zu den Arsinoe- und Berenike-Münzen).

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13. Das ägyptische Priesterdekret von Alexandria (3. Dezember 243 v. Chr.) BE 2013, 472 und 475 = CPI 395 + 410 = SEG LXII 1762 = TM 6079 + 6080 einzelne Fragmente: I.Thèbes 1; I.Louvre 2 Standort: Museum Achmim 13. Das Synodaldekret von Alexand ria

Die Priester Ägyptens trafen sich in ptolemäischer Zeit regelmäßig zu Synoden in Alexandria oder Memphis, um über die Angelegenheiten der Tempel zu beraten. Die Treffen dienten vor allem als Plattform der Kommunikation mit dem König. Da solche Versammlungen in vorptolemäischer Zeit nicht belegt sind (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen), ist davon auszugehen, dass die Synoden auf Befehl des makedonischen Fremdherrschers zusammenkamen. Im Rahmen der Versammlungen besprachen die Priester nicht nur Verwaltungsprobleme, sondern beschlossen auch den Herrscherkult für die ägyptischen Tempel. Zu diesem Zweck verabschiedeten die Priester nach dem Vorbild griechischer Städte Ehrendekrete. Der Pharao ist also nicht, wie in vorherigen Zeiten, oberster Priester des Landes, der allein entscheiden konnte, welche Kulte in den Tempeln auszuführen waren bzw. der die Kulte nach dem Herkommen ausführte, sondern die Priester entschieden (formal) eigenständig über die Angelegenheiten der Tempel. Das erste überlieferte ägyptische Priesterdekret stammt vom 3.12.243 v. Chr. Entdeckt wurde eine vollständige demotische und hieroglyphische Version dieses Beschlusses im Winter 1999/2000 bei den Grabungen des Supreme Council of Antiquities in einem kleinen ptolemäerzeitlichen Tempel im mittelägyptischen El-Khazindariya (an der einstigen Grenze zwischen dem 9. und 10. oberägyptischen Gau). Der betreffende Textträger, eine typisch ägyptische Stele, ist in mehrere Teile zerbrochen (vgl. Abb. 7). Das Giebelfeld zeigt unter einer geflügelten Sonnenscheibe mit zwei herabhängenden Uräen noch sechs Gottheiten: Osiris, Isis, Horus, Min, sowie das zweite Ptolemäerpaar. Ihnen gegenüber dürften ursprünglich der dritte Ptolemäer und seine Gemahlin vorgesehen gewesen sein, zu sehen ist nur der König selbst. Weil das Giebelfeld also nicht vollständig ausgeführt wurde und zudem der griechische Text fehlt, ist entweder davon auszugehen, dass es sich um ein Werkstück handelte, das nicht aufgestellt wurde, oder aber dass man die fehlenden Abbildungen des Giebelfeldes ebenso wie den griechischen Text nur in Farbe ausgeführt hatte. Da die Priesterdekrete in allen Tempeln aufgestellt werden sollten (vgl. unten die Veröffentlichungsbestimmungen), konnten mit dem Fund des vollständigen hieroglyphischen und demotischen Textes auch bereits längere Zeit bekannte Fragmente des griechischen Textes anderer Provenienz (Elephantine: I.Louvre 2 + SEG XVIII 628, und Tod: SEG XVIII 629) nach den demotischen und hieroglyphischen Parallelen nahezu vollständig ergänzt werden (Kayser). Diese griechische, zum großen Teil rekonstruierte Fassung findet sich hier abgedruckt. Die Ergänzungen sind allesamt durch den demotischen und hieroglyphischen

13. Das Synodaldekret von Alexandria

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Text abgesichert und entsprechen in weiten Teilen in ihren stereotypen Wendungen den späteren Priesterdekreten von Kanopos (Text 14) und Rosette (Text 22). Die aus ptolemäischer Zeit überlieferten Synodaldekrete ägyptischer Priester

1. 2. 1. 2.

Datum v. Chr. 243 238 221–218 217

1. 2.

196 Memphis vor 194? ?

7.

3.

186

Alexandria

8.

4.

185

Memphis

9.

5.

182

Memphis

1. 1. 1.

162/161 142 112

? ? ?

1. 2. 3. 4.

5. 6.

10. (11.? (12.?

Ptol. III.

Ptol. IV.

Ptol. V.

Ptol. VI. Ptol. VIII. Ptol. IX.

Text und Übersetzung Βασιλ[εύ]οντο̣[ς Πτολε]µαίου τοῦ Π[τολ]εµαίου κ[αὶ Ἀ]ρ̣σι[ν]ό̣η̣[ς θεῶν Ἀ]δελφῶν, ἔτου[ς] π̣έµπ̣[του ἐ]φ᾿ ἱ[ερέως Ἀριστοβούλου] το̣[ῦ Διοδότου] | Ἀλεξά̣[ν]δρου κ[αὶ θεῶν Ἀδ]ε̣λφ ̣ ῶν̣ κα[ὶ θε]ῶν Εὐεργέ[τ]ων [κανηφό]ρ̣[ο]υ̣ [Ἀρσ]ινόης [Φιλαδέλφου Ἰα]µ̣νε[ίας τῆς Ὑπερβάσσαντος µηνὸς Γορπιαίου] | τρεισκ̣[αι]δ̣εκάτη̣[ι Αἰγυπτίων δὲ Φα]ῶφι δωδεκάτη[ι ψήφι]σµα̣·

Versammlungsort Alexandria Kanopos Memphis? Memphis

Text 13 Text 14 SB VIII 10038 = TM 6081 Thissen 1966 = TM 6082, 2984, 2985 Text 22 Nespoulous-Phalippou 2015, 281f. = TM 290107 von Recklinghausen 2018 = TM 97833 = TM 48339 von Recklinghausen 2018 = TM 48335 Nespoulous-Phalippou 2015 = TM 2986 = TM 2987 Lanciers 1987 = TM 89794 SEG LII 1805 = TM 98534) I.Alex. ptol. 30 = TM 53707)

[Datierungsformel:] „Unter der Königsherrschaft des Ptolemaios, des Sohnes des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, im fünften Regierungsjahr, unter dem Priester des Alexander und der Geschwistergötter und der Wohltätergötter Aristobulos, des Sohnes des Diodotos, unter der Kanephore der Arsinoe Philadelphos Iamneia, der Tochter des Hyperbassas, am dreizehnten des Monats Gorpiaios, der bei den Ägyptern der zwölfte Phaophi ist. Beschluss:

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Texte

[beschlussfassendes Gremium:] οἱ ἀ[ρ]χ̣ιερ[εῖς καὶ] π̣ροφ[ῆται καὶ οἱ εἰς τὸ ἄδ]υτο[ν εἰσπορ]ε̣υό[µενοι πρὸς τὸν στολισµὸν τῶν θεῶν] | καὶ πτε̣[ρο]φόραι καὶ [ἱερογραµµατεῖς καὶ ο]ἱ ἄ̣λ̣λ̣[οι ἱερεῖς πά]ν̣τες οἱ συναν̣τήσ̣[αντε]ς̣ ἐκ̣ [τῶν κατὰ τὴν χώραν ἱερῶν ε]ἰς τὴ[ν πανήγυριν τῶν Πτολεµαίων] (5) καὶ Θεαδ̣[ε]λ̣φείων̣ [πανήγυριν συνεδρεύσαντες ταύτηι τῆι ἡµ]έραι ἐ̣[ν τ]ῶ‚ι ἐ̣[ν Ἀλεχανδρ]ε̣ίa[αι ἱερῶι τῆς Ἴσιδος καὶ θεῶν Ἀδελφῶν εἶπαν· ἐπειδὴ βασιλεὺς Πτολεµαῖος] | Πτολεµα[ίου] καὶ Ἀρ[σινόης θεῶν Ἀδελφῶν διατε]λ̣ε̣[ῖ πολλὰ καὶ µεγά]λ̣α εὐερ̣[γετοῦν τὰ κατὰ τὴν χώραν ἱερὰ καὶ τῶν τὴν Αἴγυπτον κατοικούντων τὴν πᾶσαν ἐπι]|µέλειαν π[επ]οίητα̣[ι καὶ τὴν βασιλείαν πα]ρ̣αλαβ̣[ὼν παρὰ τοῦ πα]τρὸ[ς τὰς προσόδους τῶν ἱερῶν ἐπὶ πλέον αὔξησε καὶ προσέταξεν ἃς πρότερον εἶχε µένειν ἐπὶ χώρας] | καὶ τῆς κα̣[θεσ]τ̣ηκυ̣[ίας — καὶ ἀπὸ τῶν φ]ορολογa[ιῶν καὶ προσόδων τῶν ὑπαρχουσῶν ἐν Αἰγύπτωι, τινὰς µὲν κεκούφικεν, ἄλλας δὲ εἰς τέλος ἀφῆκε, καὶ τὰ εἰς τὸ] | βασιλικ̣[ὸ]ν ὀ̣[φειλήµατα, ἃ προσώφειλον οἱ ἐν τῆι χ]ώρα[ι, ὄντα πολλὰ τῶι πλήθει, ἀφῆκεν, ὅπως ὅ τε λαὸς καὶ οἱ ἄλλοι πάντες ἐν εὐθηνίαι ὦσιν ἐπὶ τῆς ἑαυτοῦ βασιλείας] (10) καὶ πο̣λλ̣ ο[ὺς ἐν ταῖς φυλακαῖς ἀπηγµένους ἐκ] π̣[ολλοῦ χρόνου ἀπέλυσε τῶν ἐνκεκληµένων

Die Oberpriester, Propheten und die in das Allerheiligste zur Bekleidung der Götter hineingehenden (Priester), die Federträger, die Tempelschreiber und alle anderen Priester, die aus den Heiligtümern im Lande zusammengekommen sind zur Festprozession der Ptolemaia und der Theadelphia, nachdem sie an diesem Tag gemeinsam zu Rate gesessen haben im Heiligtum der Isis und der Geschwistergötter in Alexandria, haben erklärt: [Begründung des Beschlusses:] [1.] Weil König Ptolemaios, der Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, fortdauernd viele und große Wohltaten den Heiligtümern im Land erweist und den Bewohnern Ägyptens seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hat [2.] und weil er, als er die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hatte, die Einkünfte der Heiligtümer erheblich vermehrt hat [3.] und weil er angeordnet hat, dass diejenigen (Einkünfte), die sie zuvor hatten aus dem Land, bei ihnen bleiben und [...] [4.] und weil er von den Steuern und Einnahmen, die es in Ägypten gab, die einen begrenzt, die anderen aber vollständig erlassen hat [5.] und weil er die Schulden an den Fiskus, die die Bewohner des Landes noch zusätzlich schuldeten, – es waren viele – erlassen hat, damit sich sowohl das Heer (laos) als auch alle anderen unter seiner Herrschaft in einem guten Zustand befinden, [6.] und weil er viele, die vor langer Zeit in die Gefängnisse abgeführt wurden, von den Anklagen befreite

13. Das Synodaldekret von Alexandria καὶ ἐξστρατεύσας ἐν τῶι πρώτωι ἔτει, ἐν ὧι παρέλαβ]ε̣ τὴν βασ[ιλείαν] | π̣αρὰ τοῦ πατ̣[ρὸς — ]ν̣ε̣υ̣ ++ [ — ] | [πο]λ̣λ̣[οὺς καὶ] ἱaπποὺ̣[ς καὶ ἐλέ]φaαν̣[τας καὶ ναῦς συν]έ̣λα ̣ ̣[βε νικῆσας καὶ] ἀ̣π̣ε̣[ — ]ε̣[ — ] | [ — τῶν ἱερ]ῶ‚ν ἀγαλµά̣[των τῶν ἐξαχ-] θ̣έντ[ων ἐκ τῶν κατὰ τὴ]ν̣ χώραν ἱa[ερῶν εἰς τὴν Συρίαν καὶ Φοινικίαν καὶ Κιλικίαν καὶ Βαβυλωνὶαν καὶ | Περσίδα καὶ Σουσιάνην ἐν τῆι ἐπ]ὶa τὰ ἱ[ε]ρὰ ἀδικίαι ὑ̣[πὸ τῶν Περσῶν καὶ ἀνα]ζη̣τ̣[ήσας ἀνέσωισε]ν εἰς τὴ[ν Αἴγυπτον µετὰ θυσιῶν καὶ σπονδῶν καὶ ἀπέδωκεν εἰς τὰ ἱερὰ (15) ὅθεν ἕκαστον ἐξ ἀρχῆς ἐξήχθη] τ̣ὴν τε χώραν ἐν [εἰρήνηι διατετ]ή̣ρ̣[ηκεν προπολεµ]ῶ‚ν µακρὰν [ὑπὲρ αὐτῆς καὶ ἐπανορθώσας τὸν βίον τῶν ἀνθρώπων, τοῦ τε Ἄπιος | καὶ Μνήυιος καὶ τῶν λοιπῶν] ἐλλο[γ]ίµων ἱερῶν [ζώιων τῶν ἐν τῆι χώραι τὴν πᾶσαν] ἐπιµέλεια[ν ἐποιήσατο, πολὺ κρεῖσσον τῶν πρὸ αὐτοῦ βασιλέων, τά τε εἰς τὰς | ταφὰς αὐτῶν καθήκοντα διδοὺ]ς̣ ἐ̣πιµελ̣ῶς καὶ κηδ[εµονικῶς — µετ]ὰ̣ πάσης [δαπάνης καὶ χορηγίας καὶ τὰ τελισκόµενα εἰς τὰ ἴδια ἱερὰ | µετὰ θυσιῶν καὶ πανηγύρε]ω‚ν καὶ τῶν̣ [ἀλ]λῶν τῶν̣ [νοµιζοµένων — τῶν εἰς τὰ ἱ]ερὰ καὶ [τὴν Αἴγυπτον καθηκόντων — | — καὶ ἱερὰ καὶ — ]η̣ καὶ β̣ωµοὺ̣[ς τ]ὰ̣ µὲν [ἱδρύσατο, τὰ δὲ προσδιωρθώσατο καὶ π]άντα τὰ [ἱερὰ — ]ερ[— (20) — γενόµ]ενος αὐτὸς τ̣[---]ε̣ αὐτ[ —

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[7.] und weil er in seinem ersten Jahr, in dem er die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hatte, [...] in den Krieg gezogen ist und viele [...] und Pferde und Elefanten und Schiffe nach seinem Sieg erbeutet hat [...] [8.] [...] und weil er sich um die heiligen Götterbilder sorgte, die aus den Heiligtümern im Lande weggeführt worden waren nach Syrien und Phönikien und Kilikien und Babylonien und die Persis und die Susiane in der Zeit des Unrechts gegen die Heiligtümer durch die Perser und weil er sie gesucht hatte und sie nach Ägypten mit Brandopfern und Trankspenden zurückbrachte und weil er sie zurückgab an die Heiligtümer, aus denen jedes ursprünglich weggeführt worden war, [9.] und weil er das Land in Frieden bewahrt hat, indem er weit entfernt Krieg zu seiner Verteidigung geführt hat, [10.] und weil er das Leben der Menschen wieder aufgerichtet hat [11.] und weil er alle Sorge trug für den Apis(stier), den Mnevis(stier) und die übrigen heiligen Tiere, die im Land verehrt werden, viel mehr als die Könige vor ihm, und weil er die Aufwendungen für ihre Begräbnisse eifrig und gerne gab [...] mit allen Kosten und Aufwendungen, und das, was für ihre Einführung in ihre eigenen Tempel unter Brandopfern und Festprozessionen und den anderen Bräuchen [...] der Dinge, die für die Heiligtümer und Ägypten üblich sind [12.] [...] und die Heiligtümer und [...] und die Altäre, die er einerseits weihte und andererseits instand setzte, und alle Heiligtümer [...],

82 ]ουσιν παρὰ τ̣[ — ]υ̣σ[ — ]α̣σ[̣ — | — ] τ̣ῆς τ̣ούτω[ν---]ς· ἀνθ̣᾿ [ὧν οἱ θεοὶ δεδώκασιν αὐτοῖς ε]ὐ̣σταθοῦσαν τ̣[ὴν βα]σιλεία[ν καὶ δώσουσιν τἆλλα ἀγαθὰ πάντα ε]ἰaς τ[ὸν ἀεὶ χρόνον]. | ἀγa[αθῆι τύχηι· δεδόχθαι τοῖς κατ]ὰ τὴν̣ [χώραν ἱερεῦ]σ̣[ιν] τάς τε [προυπ]α̣ρ̣[χούσας τιµὰς ἐν τοῖς ἱ]εροῖς βασι[λεῖ Πτολεµαί]ω‚ιa κ̣α[ὶ βασιλίσσηι Βερενίκηι, θεοῖ]ς̣ Εὐερ̣[γέταις, καὶ τοῖς] | γον[εῦσιν αὐτῶν θεοῖς Ἀδελφοῖ]ς κα̣[ὶ τοῖς πρ]ο̣γόν[οις] θ̣εοῖς [Σωτῆ]ρ̣σιν α̣ὔ[̣ ξειν· κατασκευασ]θ̣ῆνα[ι δὲ ξόανα βασι]λέ[ως Πτολεµαίου τοῦ Πτολεµαίου καὶ] Ἀ—ρσιaν̣[όης θεῶν Ἀδελφῶν] | καὶ βα[σιλίσσης Βερενίκης τῆς ἀδελφῆς καὶ γ]υ̣ν̣α̣ιaκ[̣ ὸς, θεῶν Ε]ὐεργέτ̣[ων· καὶ ναὸν] χ̣ρ̣υσ̣[οῦν ἐν ἑκάστωι τῶν ἱερῶν ἱδρύσασθαι καὶ στ]ῆ[σαι ἐν τοῖς ἀδύτοις] (25) µετὰ τ̣[ῶν ἄλλων ναῶν — ]ν̣ ἱερῶν γιν̣[ — ] ἐ̣ν ταῖς [µεγάλαις πα]ν̣η̣γaύ̣[ρεσιν αἱ ἐξοδεῖαι τῶν ναῶν, καὶ τὸν τῶν Εὐεργέτων θεῶν ναὸν συνεξοδεύειν· ὅπως δ᾿|ε̣ὔσηµ[ος ἦι νῦν τε καὶ εἰς τὸν ἔπειτα χρόνον, — ] τὸν ἐπάνω [ — ]ν̣ τῶν [ — ]σµένων [ — ἐπικεῖσθαι τῶι ναῶι τὰς τοῦ] | βασ[ιλέω]ς κα̣[ὶ τῆς βασιλίσσης βασιλείας δέκα αἷς π]ροσκείσετα[ι ἀσπὶς] κ̣[αθ]ά̣π̣ε[ρ καὶ ν]όµιµόν ἐσ[τιν ἐπὶ τῶν ἀσπιδοειδῶν βασιλείων τῶν ἐπὶ τῶν ἄλλων ναῶν καὶ ἐπεὶ ἑορτὴ] | ἐ̣ν̣ [τοῖς ἱ]ε̣ροῖς

Texte

[anth-hon-Formel:] wofür die Götter ihnen (i.e. dem Königspaar) die Stabilität der Königsherrschaft gegeben haben und ihnen alle anderen guten Dinge bis in Ewigkeit geben werden. [Beschluss:] Auf gutes Glück! Es sei beschlossen durch die Priester im Lande, [1.] die bereits in den Tempeln bestehenden Ehrungen für den König Ptolemaios und die Königin Berenike, die Wohltätergötter, und deren Eltern, die Geschwistergötter, und deren Großeltern, die Rettergötter, zu vermehren, [2.] Standbilder des Königs Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, und der Königin Berenike, seiner Schwester und Gemahlin, der Wohltätergötter, anfertigen zu lassen [3.] und einen goldenen Schrein in jedem der Heiligtümer zu weihen und in die Allerheiligsten zu den anderen Schreinen zu stellen, [4.] [...] während der großen Festprozessionen, (an denen) die Auszüge der Schreine (stattfinden), soll man auch den Schrein der Wohltätergötter mit herausführen, [5.] damit er jetzt und in Zukunft deutlich erkennbar ist [...] oben [...] auf den Schrein die zehn Kronen des Königs und der Königin setzen, denen ein Uräus beigefügt ist, so wie es auch üblich ist auf den uräusförmigen Kronen, die sich auf den übrigen Schreinen befinden.

[Zwischenbegründung:] Und weil ein Fest in den Heiligtümern

13. Das Synodaldekret von Alexandria σ̣[υµβέβηκεν εἴναι ἡ] π̣έ̣µπ ̣ ̣τη ̣ ̣ τ̣[οῦ Δί]ου ἐν ἧι ἄγετα[ι τὰ γενέθλια το]ῦ̣ βα̣[σιλέ]ως καὶ ἡ πέµπ̣[τη ἐπ᾿ εἰκάδι τοῦ αὐτοῦ µηνός, ἐν ἧι παρέλαβεν τὴν βασιλείαν παρὰ | το]ῦ̣ πατρὸς κα̣[ὶ] ε̣ἰς [τὰς πανηγ]ύρεις κατ᾿ ἐ[νιαυ]τὸν καταπλέ[οντας πάντας τοὺς ἱ]ε̣ρεῖς συντελ[εῖν τὰ νοµιζόµενα. ἐπεὶ καὶ πολλῶν ἀγαθῶν πᾶσιν ἀνθρώποις (30) ἄ]ρ̣ξαι συµβέβηκεν τ̣[ὴν γένε]σιν τοῦ βα[σιλέ]ω‚ς καὶ τὴν παρά̣[ληψιν τῆς βασιλ]ε̣ίας, ἄγειν κ̣α̣τὰ ̣ ̣ µῆνα [ταύτας τὰς ἡµέρας, τὴν τε πέµπτην καὶ τὴν πέµπτην] | ἐπ᾿ εἰκάδι, ἑορτὰς ἐν [τοῖς κατ]ὰ τὴν χώρα[ν ἱερο]ῖς ὁµοίως δὲ κ̣[αὶ τὴν ἐνάτην κατ]ὰ µῆνα̣ ἐν ἧι ἄγε̣[ται τὰ γενέθλια τῆς βασιλίσσης Βερενίκης βασιλέως] | Πτολεµα[ί]ο̣υ̣ ἀδε̣[λφῆς καὶ γυν]αικὸς, καὶ θ[υσίας κ]α̣ὶ σπονδ[ὰς καὶ τἆλλα τὰ νοµ]ιζό̣µενα γίν[εσθαι ἐν ταῖς ἑορταῖς καθὰ καὶ ἐν ταῖς ἄλλαις πανηγύρεσιν καὶ ἐν] | ταῖς τρισ̣ὶν ἑορτ̣α̣ῖ[ς, τὰ παρασ]κευασθέντ[α εἰς τὴν θυσ]ίaαν [ἐπιδιαιρεῖσθαι τοῖς] τὸ̣ ἱερὸν θεραπ[εύουσιν ἄγειν δὲ κατ᾿ ἐνιαυτὸν τὰ γενέθλια τῆς βασιλίσσης τῆι] | ἐνάτηι τοῦ [Α]ὐ̣δνα[ίου, ἡµέραις] µ̣ετὰ τὴν̣ [πέµπτην τοῦ Δίου ἐν ἧι τὰ γεν]έ̣θλια̣ [τοῦ] β̣ασιλέως ἄγ[εται ἑξήκοντα καὶ τέσσαρσιν· ἐξεῖναι δὲ καὶ τοῖς ἄλλοις ἰδιωταῖς] (35) τοῖς β̣ο̣υ̣λ[̣ ο]µ̣ένοι[ς ἱδρύσασθ]α̣ι παρ᾿ αὐ̣[τοῖς καὶ — ναὸν χρυσοῦ]ν τῶν̣ [προ]γε-

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stattfindet am fünften Dios, an dem der Geburtstag des Königs gefeiert wird, und am fünfundzwanzigsten desselben Monats, an dem er die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hat, während alle Priester jährlich zu den Feierlichkeiten hinuntersegeln (nach Alexandria), [6.] sollen sie die Bräuche vollziehen. [Zwischenbegründung:] Weil auch die Geburt des Königs und die Übernahme der Königsherrschaft der Anfang von vielen guten Dingen für alle Menschen ist, [7.] sollen sie diese Tage monatlich, sowohl den fünften als auch den fünfundzwanzigsten, als Feste in den Heiligtümern im Lande feiern, gleichfalls auch monatlich den neunten, an dem der Geburtstag der Königin Berenike, der Schwester und Gemahlin des Königs Ptolemaios gefeiert wird, und die Brandopfer und Trankspenden und die übrigen Bräuche sollen so, wie bei den übrigen Feiern auch, auch an den drei Festen stattfinden, [8.] die Bereitstellungen für das Brandopfer sollen als Lebensunterhalt den im Heiligtum den Dienst Leistenden zugeteilt werden, [9.] es soll aber jährlich der Geburtstag der Königin am neunten Audnaios gefeiert werden, das sind vierundsechzig Tage nach dem fünften Dios, an dem der Geburtstag des Königs gefeiert wird, [10.] es soll auch den übrigen Privatleuten, die es wollen, möglich sein, bei sich auch [...] einen goldenen Schrein der vorgenannten Wohltätergötter auf-

84 γρ̣αµµένω[ν Εὐεργέτων θεῶν, συντελοῦντας καθάπερ νόµιµόν ἐστι] | ἑ[ορτ]ὰ̣ς [κ]αὶ π̣[ανηγύρεις τάς τε κατὰ µῆν]α̣ κ̣[αὶ τὰς κατ᾿ ἐνιαυτὸν· ὅπως οἱ κατὰ] τὴν̣ [χώραν πά]ντες φαίνω‚[νται τιµῶντες τοὺς Εὐεργέτας θεοὺς καθ]άπερ̣ [δίκαιον] | ἐ̣στι· ἀναγράψa[αι τὸ ψήφισµα τ]ο̣ῦ[το εἰς στήλην λιθίνην ἱεροῖς γράµµασιν] κα[ὶ ἐγχωρίοις] τῶν Αἰγ[υπτίων καὶ] Ἑλ[ληνικοῖς καὶ ἀνατίθεσθαι ἐν ἑκάστωι ἱερῶι τῶν] | τ̣ε̣ πρώτων κ[αὶ δευτέρων καὶ τ]ρίτ̣[ων ἐν τῶι ἐπιφανεστάτωι τόπωι].

Texte zustellen, um, wie es Brauch ist, die Feste und Feierlichkeiten, sowohl monatlich als auch jährlich, zelebrieren zu können, damit deutlich wird, dass alle im Lande deutlich die Wohltätergötter ehren, so wie es rechtens ist. [Veröffentlichungsbestimmungen:] [11.] Diesen Beschluss soll man auf eine steinerne Stele in heiligen (= hieroglyphischen) und einheimischen (= demotischen) Schriftzeichen der Ägypter und in hellenischen (Schriftzeichen) aufschreiben, und er soll in jedem Heiligtum der ersten, zweiten und dritten Ordnung am bestsichtbaren Ort aufgestellt werden.“

Kommentar: Wie in einem hellenistischen Dekret üblich, beginnt der Beschluss mit einer Datierung. An erster Stelle steht der Herrscher und ihm folgen die sogenannten eponymen, also dem betreffenden Jahr den Namen gebenden Priester: Das wäre erstens der Priester für den Kult Alexanders des Großen und der Dynastie, und zweitens die Kanephore – Korbträgerin – genannte Priesterin von Arsinoe II. Es folgen Angaben über das beschlussfassende Gremium, also die ägyptischen Priester, die nach Alexandria zu den Ptolemaia und den Theadelphia (vgl. hierogl.: „zum Fest des (Ptolemaios)| und der beiden Geschwistergötter“), im dortigen Tempel der Isis und des zweiten Ptolemäerpaares zusammengekommen waren. Es handelte sich wohl um Delegationen von Priestern der Tempel des gesamten Landes, ähnlich wie die griechischen Nesioten regelmäßig Festgesandtschaften zu den Ptolemaia entsandten (vgl. Text 6). Nach den Präliminarien folgt eine ausführliche Begründung, weshalb König und Königin (über letztere wird im Folgenden nicht viel gesagt) zu ehren sind: Er hat den Tempeln und dem Land Wohltaten erwiesen, die Einkünfte der Tempel vermehrt, Steuern und Schulden gesenkt oder vollständig erlassen und Gefangene entlassen. Hiermit erfüllte Ptolemaios das Ideal eines guten Pharaos, das gleichzeitig dem eines rechtmäßigen makedonischen Königs entsprach. Nach diesen „allgemeinen“ Wohltaten des Königs, die zu einem mustergültigen Herrschaftsantritt gehörten, im vorliegenden Fall aber möglicherweise erst als Reaktion auf einen von den Priestern nicht erwähnten innerägyptischen Aufstand des Jahres 245 v. Chr. (vgl. P.Haun. 6,15: Αἰγυπτίων ἀπόσ[τασις]; Porphyrios und Iustin: seditio) gewährt wurden, kommt der Punkt, der als eigentlicher Auslöser für das Ehrendekret gelten dürfte: Der siegreiche Feldzug des Königs während des 3. Syrischen Krieges in den Osten im Jahr 245 v. Chr. (vgl.

13. Das Synodaldekret von Alexandria

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Text 11). Der griechische Text lässt sich an dieser Stelle nicht mehr rekonstruieren, so dass hier die Übersetzung der demotischen Version (nach der editio princeps) geboten wird: „Er ging aus Ägypten heraus im ersten Regierungsjahr, als er das Königsamt von seinem Vater übernommen hatte. Er wendete sich vielen Provinzen zu, die sich in seinem Gefahr(enbereich) befanden, indem er sich seines (sic!) Eigentums bemächtigte, indem er viele Wunder vollbrachte(?), indem er viele Menschen, viele Pferde, viele Elefanten und viele Schiffe erbeutete. Nachdem er im Kampf siegreich gewesen war, brachte er sie alle nach Ägypten.“ Sogar einst von den Persern geraubte Götterbilder konnten aus den eroberten Gegenden – der König gelangte angeblich bis in die Susiane – nach Ägypten zurückgebracht werden. Solche Rückholungsberichte bilden einen Topos der frühen Ptolemäerzeit (Winnicki), denn auch Ptolemaios I. und II. sollen geraubte Götterbilder aus Persien zurückgebracht haben. In diesem Fall ist aber trotz der Topik wohl nicht an der Historizität des Berichtes zu zweifeln, denn Ptolemaios war in Gegenden vorgerückt, die von seinem Vorgänger bisher nicht erreicht worden waren, sodass er durchaus auf ägyptisches Kulturgut in Persien gestoßen sein könnte (vgl. auch Text 11). Das Rauben der Götterbilder selbst ist eine im Orient während kriegerischer Konflikte durchaus bekannte Maßnahme gewesen (Johnson). Die Priester legen danach Wert darauf, dass der König den Frieden im Land durch einen Krieg in der Ferne garantiert hatte, verweisen hiermit also indirekt auf den vom König befriedeten Aufstand in Ägypten, um zu zeigen, dass allein die Friedensgarantie für das Land der wichtigste Wunsch des Königs sei. Auf die Erwähnung des allgemeinen Wohlbefindens der Menschen folgt am Ende der Hinweis auf die Fürsorge des Königs für die heiligen Tiere Ägyptens. Der hieroglyphische Text ist in Bezug auf diesen Tierkult wesentlich ausführlicher, denn er lautet: „Seine Majestät tat viele Wohltaten für den Apis und den Mnevis und alle göttlichen Tiere, die in Ägypten heilig sind, mehr als alles, was alle Vorfahren früher getan hatten. Seine Majestät begab sich selbst zu ihren Tempeln und fragte nach ihrem Bedarf, weil sein Herz sorgsam war mit ihren Angelegenheiten. Es wurde ihnen alles für ihre Grabkammer gegeben, überaus ehrenvoll und reichlich. Seine Majestät führte einen Einzug mit ihnen durch zur Einnahme ihres Sitzes in ihren Tempeln in einem großen Fest, da man zahlreiche Speiseopfer vor ihnen darbringt und alles ihnen Zustehende tut, so wie es in den Schriften steht. Seine Majestät setzte alle Vorschriften der Tempel fest und alle Dinge (Opferstiftungen) Ägyptens entsprechend ihren Bestimmungen, so wie es in der Schriftrolle (steht). Seine Majestät vollendete die Tempel, die Heiligtümer, die Altäre aufs Neue für die Götter, er erneuerte, was verfallen war. Die Gotteshäuser insgesamt waren wohlausgestattet und prächtig in seiner Zeit. Seine Majestät war ein Gott, sein Herz war in jedem Augenblick sorgsam mit den Plänen der Götter, zusammen mit seiner Schwester und Gemahlin, der Herrin der Beiden Länder, Berenike, mehr als (bei) jedem König, der auf dem

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Thron [der Vorfahren der Väter/der Lebenden?] [in] Ägypten eingesetzt war, ohne dass sie aufhören, an sie zu jeder Zeit zu denken.“ (Übersetzung ed. pr.). Die Erwähnung der Sorge für den Apis, Mnevis und die übrigen heiligen Tiere ist ein Topos, der sich in fast allen Priesterdekreten findet und auf die hohe Bedeutung des Tierkultes verweist, den die Herrscher förderten, um sich die Zustimmung und Unterstützung der Priesterschaften zu sichern. So entspricht die Begründung der Ehrung, abgesehen von dem direkten historischen Bezug auf den Feldzug nach Vorderasien, derjenigen der späteren Dekrete von Kanopos (Text 14) und Rosette (Text 22). Dem Formular und sogar vielen Wendungen nach handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine typisch griechische Begründung eines Ehrendekretes, das wie folgt gegliedert ist, aber um ein hier kursiv gesetztes rein ägyptisches Element erweitert wurde: 1. Datierung nach dem König und den eponymen Priestern in Alexandria 2. Die Priester Ägyptens als beschlussfassendes Gremium 3. Ausführliche Begründung des Beschlusses mit einer Aufzählung der königlichen Wohltaten für Ägypten 4. Die Gegengabe der Götter Ägyptens für die Wohltaten des Königs, ausgedrückt mit der anth-hon-Formel (Z. 21: „wofür die Götter...“) 5. Der eigentliche Ehrenbeschluss über die Vergöttlichung des Königs und der Königin 6. Veröffentlichungsbestimmungen mit dem Auftrag zu Publikation des Beschlusses auf Stelen in allen Tempeln Ägyptens Aus ägyptischer Perspektive ist die gesamte Aufzählung der Wohltaten des Königs für die Götter gleichzeitig eine ausführliche Verschriftlichung dessen, was man auch in den Tempelszenen Ägyptens sieht: Der König ist (teils in Begleitung seiner Gemahlin) der Herr des Opferrituals und erhält, nach dem do ut des-Prinzip, im Gegenzug dafür von den Göttern die Stabilität seiner Herrschaft und die Garantie des Wohlergehens des Landes. Genau das drückt die anth-honFormel aus. Der Beschluss der Priester führt anschließend die aus den Wohltaten resultierenden Ehrungen für das Herrscherpaar aus. Ihnen ist zu entnehmen, dass Ptolemaios III. und Berenike II. zu ägyptischen Göttern erhoben wurden, denn im Kern ging es darum, einen Schrein mit ihren Statuen ins Allerheiligste jedes Tempels zu stellen: Damit richteten die Priester einen ägyptischen Herrscherkult in allen Tempeln Ägyptens ein. Doch waren die beiden Herrscher mit dem vorliegenden Beschluss noch nicht vollständig zu gleichberechtigten ägyptischen Göttern geworden, denn hierzu fehlten noch die wenige Jahre später erlassenen Maßnahmen des Priesterdekretes von Kanopos (Text 14), etwa die Hinzufügung des Herrschernamens in die Priestertitulatur und die Etablierung eines eigenen Prozessionsfestes. Ptolemaios V. hingegen wurde später nicht schrittweise, sondern mit einem einzigen Beschluss zum ägyptischen Gott erho-

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ben, wie es die Rosettana überliefert (Text 22). Da die Priester in vorliegendem Beschluss angeben, dass sie sich in einem Tempel, der nicht nur der Isis, sondern auch den Geschwistergöttern geweiht war, treffen, ist es möglich, dass es einen ähnlichen Priesterbeschluss bereits für das zweite Ptolemäerpaar gegeben hat, denn infolge des vorliegenden Dekretes war aus dem Tempel der Isis und der Geschwistergötter ein Tempel der Isis, der Geschwistergötter und der Wohltätergötter geworden. Das dritte Ptolemäerpaar wiederum war zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht in den ägyptischen Tempelkult integriert. Gleichzeitig übte aber der in der Datierungsformel angeführte Priester des griechischen Dynastiekultes, Aristobulos, Sohn des Diodotos, den Kult für Alexander, das zweite und das dritte Ptolemäerpaar aus. Hieran ist zu erkennen, dass die Einrichtung des griechischen Dynastiekultes für Ptolemaios III. und Berenike II. erstens unabhängig von derjenigen des ägyptischen war, zweitens, dass der Kulttitel „Wohltätergötter“ ein Titel war, den Ptolemaios und Berenike im Rahmen des griechischen Kultes bereits erhalten hatten, und drittens, dass die ägyptischen Priester sich am Vorbild dieses griechischen Kultes orientierten, als sie den ägyptischen Kult für die Wohltätergötter einrichteten. Die Priester sollen zudem am Geburts- und Thronbesteigungstag des Königs, also am 5. und 25. Dios – möglicherweise dann vom 5. bis zum 25. Dios – „den Nil hinunterfahren“, womit sicherlich gemeint ist, dass sie von nun an jährlich anlässlich dieser Feiern nach Alexandria kommen sollten. Diese Verpflichtung behielten auch die Nachfolger bei, bis sie schließlich Ptolemaios V. aufhob (vgl. Text 22, dort Beschlussbegründung Punkt 8, Z. 16f.). Praktisch wird dieser Beschluss zudem kaum umzusetzen gewesen sein, so ist eher an eine Delegation der Entscheidungsträger (oder ihrer Vertreter) jedes Tempels zu denken, die zum König kamen, wie sie wohl auch im konkreten Fall im Isistempel von Alexandria zusammengetreten waren. Da ägyptische Gottheiten in ihren Tempeln jeweils eigene Feste hatten und das Herrscherpaar ihnen gleichgestellt werden sollte, richteten die Priester im zweiten Teil des Beschlusses auch entsprechende Feste für Ptolemaios und Berenike ein: Dies waren Feste am 5., 9. und 25. Tag jedes Monats. Die Opfergüter, die man den Statuen der Herrscher während der Feiern darbrachte, gingen nach dem Opfervollzug an die Priester. Da dies so explizit festgehalten wurde, ist davon auszugehen, dass mit dem Beschluss auch eine Erhöhung der Tempeleinkünfte verbunden war, weil man nun zwei weitere Götter in jedem Tempel zu versorgen hatte. Genau diese Einkunftserhöhung ist wohl in der Begründung des Dekretes gemeint (Punkt 2). So ist die Erhöhung der Tempeleinkünfte durch den König, die die Priester in ihrer Begründung preisen, kein ‚Verlustgeschäft‘ für ersteren, sondern sie kam seinem Wohl symbolisch direkt wieder zugute, indem die Opfer für ihn hieraus finanziert wurden. Wichtig war den Priestern und vor allem auch dem König an letzter Stelle die Herstellung von Öffentlichkeit. Die Priester sahen deshalb vor, dass der von ihnen beschlossene Herrscherkult auch von Privatleuten betrieben werden konn-

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te, der Herrscherkult also wirklich in die ägyptische Gesellschaft eindrang und nicht ein reines Tempelphänomen blieb. Neben dieser Möglichkeit zum Privatkult verweist die Vorgabe zur Aufstellung der Stele am bestsichtbaren Ort des Tempels darauf, dass jeder Untertan sich von der Wohltätigkeit des Königs einerseits und von der Loyalität der Priesterschaft andererseits überzeugen konnte.

Abb. 7: Das Synodaldekret von Alexandria. Umzeichnung und Rekonstruktion der zusammengefügten Fragmente; Abdruck der Umzeichnung mit freundlicher Genehmigung von Hartwig Altenmüller.

Das offensichtlich gute Verhältnis zwischen Priesterschaft und König, das in diesem Dekret zum Ausdruck kommt und das sich in einem komplexen Verhältnis von Geben und Nehmen explizierte, ist ein Konfliktpunkt der Forschung, denn es handelt sich um eine offizielle Verlautbarung, die die Priester genauso gut erzwungenermaßen nach den Vorgaben der Herrschaft erstellt haben könnten (vgl. hierzu die Ausführungen zu Text 14). Dass aber alle Priester vom durch sie selbst eingerichteten Herrscherkult profitierten, macht folgende Wendung deutlich: „die Bereitstellungen für das Brandopfer sollen als Lebensunterhalt den im Heiligtum den Dienst Leistenden zugeteilt werden.“ (Be-

13. Das Synodaldekret von Alexandria

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schlusspunkt 8). Der Kult für das Königspaar brachte also eine „Einkommenserhöhung“ für die Priester mit sich. & J. IJSEWIJN, De sacerdotiisque Alexandri magni et Lagidarum eponymis, Brüssel 1961 (zum Dynastiekult); H. J. THISSEN, Studien zum Raphiadekret, Meisenheim/Glan 1966 (Edition des Raphiadekretes von 217 v. Chr.); W. CLARYSSE u.a., The Eponymous Priests of Ptolemaic Egypt, Leiden 1983 (Liste der Priester/innen des Dynastiekultes); E. LANCIERS, Die Stele CG 22184: Ein Priesterdekret aus der Regierungszeit des Ptolemaios’ VI. Philometor, in: GM 95, 1987, 53–61; J. K. WINNICKI, Carrying off and Bringing Home the Statues of the Gods, in: JJP 24, 1994, 149–190 (zur Rückführung der Götterbilder); W. CLARYSSE, Ptolémées et temples, in: D. Valbelle/J. Leclant (Hg.), Le decret de Memphis. Colloque de la Fondation Singer-Polignac à l’occasion de la célebration du bicentenaire de la découverte de la Pierre de Rosette, Paris 2000, 41–65 (grundlegender Beitrag zum Verhältnis Priester/König im Spiegel der Priesterdekrete); Y. EL-MASRY, Recent Explorations in the Ninth Nome of Upper Egypt, in: Z. A. Hawass (Hg.), Egyptology at the Dawn of the Twenty-First Century. Proceedings of the Eighth International Congress of Egyptologists I: Archaeology, Kairo 2000, 331–338 (kurze Erwähnung der Fundumstände); E. E. JOHNSON, The Phenomenon of God-nap in Ancient Mesopotamia: A Short Introduction, in: Rosetta 5, 2008, 1–7 (zum Raub von Götterbildern im Orient); H. ALTENMÜLLER, Bemerkungen zum Ostfeldzug Ptolemaios’ III. nach Babylon und in die Susiana im Jahre 246/245, in: J. C. Fincke (Hg.), Festschrift für Gernot Wilhelm anlässlich seines 65. Geburtstages am 28. Januar 2010, Dresden 2010, 27–44 (zum Asienfeldzug des Königs); Y. EL-MASRY, Recent Excavations at El-Khazindariya in the 9th Nome of Upper Egypt, in: B. S. el-Sharkawy (Hg.), The Horizon. Studies in Egyptology in Honour of M. A. Nur el-Din (10–22 April 2007), III, Kairo 2010, 179–196 (Kurzpräsentation); Y. EL-MASRY u.a., Das Synodaldekret von Alexandria aus dem Jahr 243 v. Chr., Hamburg 2012 (maßgebliche Gesamtedition und Kommentar); F. KAYSER, Le décret sacerdotal de 243 A.C., in: É. Delange (Hg.), Les fouilles françaises à Éléphantine (Assouan 1906–1911). Les archives ClermontGanneau et Clédat, Paris 2012, 411–440; H.-J. THISSEN, Die demotischen Fragmente, in: ebd., 441–446; A. NESPOULOUS-PHALIPPOU, Ptolémée Épiphane, Aristonikos et les prêtres d’Égypte. Le Décret de Memphis (182 a.C.), Montpellier 2015 (Edition des Dekretes von 182 v. Chr.); St. G. CANEVA, From Alexander to the Theoi Adelphoi. Foundation and Legitimation of a Dynasty, Löwen 2016, 187f. (zur Lesung von Z. 4f.); H. HOHNECK, Ägyptische Naoi in der Fremde und ihre Rückführung durch die Ptolemäer, in: GM 253, 2017, 77–81 (These, dass der Naos von Saft el-Henna aus Persien nach Ägypten zurückgebracht wurde); D. VON RECKLINGHAUSEN, Die PhilensisDekrete. Untersuchungen über zwei Synodaldekrete aus der Zeit Ptolemaios’ V. und ihre geschichtliche und religiöse Bedeutung, Wiesbaden 2018 (Edition der Priesterdekrete von 186 und 185 v. Chr.).

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Texte

14. Das Priesterdekret von Kanopos (7. März 238 v. Chr.) OGIS I 56 = Milne, CG 22187 = I.Prose 9 = I.Delta 989, Nr. 1 = CPI 119 = TM 55659 HGIÜ III 412; Austin, Nr. 222; Bagnall/Derow, Nr. 136; Rowlandson, Nr. 6; Bertrand, Nr. 105 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 22187 14. Das Pries terdekret von Kanopos

Das nach dem Versammlungsort der beschließenden ägyptischen Priester im nahe bei Alexandria gelegenen Kanopos als Kanopos-Dekret bezeichnete dreisprachige Ehrendekret für Ptolemaios III. und seine Familie setzt eine Tradition fort, die wir erstmals mit dem Dekret des Jahres 243 v. Chr. (Text 13) greifen können: Alle ägyptischen Priester sind nach Auskunft ihres Beschlusses beim König zusammengekommen, um im Tempel des Herrscherkultes von Kanopos, dem „Heiligtum der Wohltätergötter“, den Geburtstag und das Jubiläum des Herrschaftsantritts des Königs zu feiern – so hatten sie es auch im Dekret von 243 v. Chr. beschlossen. Die Priester erließen nun, abermals nach dem Vorbild eines hellenistischen Ehrendekretes, einen Ehrenbeschluss für das Königspaar. Weil die Königstochter Berenike während der Zusammenkunft verstorben war, fügten sie auch noch einen zweiten Beschluss für die durch den König postum vergöttlichte Verstorbene an. Das Dekret sollte in den drei Landessprachen, also der Sakralsprache in ihrer hierogylphischen Schriftform, der einheimischen Sprache in demotischer Schriftform ebenso wie der lingua franca der Zeit, also auf Griechisch, auf ägyptischen Stelen (vgl. Abb. 8) in allen Tempeln des Landes publik gemacht werden. Es wurden sechs Versionen des Dekretes gefunden. Hier ist der Text einer Stele, die in Tanis entdeckt wurde, abgedruckt. 1. San el-Hagar/Tanis = OGIS I 56 = CPI 119 2. Kom el-Hisn = I.Prose 8 = CPI 129 3. Verbaut in einer Kairener Moschee = I.Louvre 1 = CPI 573 4. Tempel von Elkab = I.Prose 10 = CPI 369 5. Tempel von Karnak = Kêmi 20, 1970, 73f. (nur Hierogl. und Dem.) = CPI 14 6. Tempel von Bubastis = APF 51, 2005, 1–29 = SEG LV 1816 = CIP 176 Text und Übersetzung βασιλεύοντος Πτολεµαίου τοῦ Πτολεµαίου καὶ Ἀρσινόης, θεῶν Ἀδελφῶν ἔτους ἐνάτου, ἐφ’ ἱερέως Ἀπολλωνίδου τοῦ | Μοσχίωνος Ἀλεξάνδρου, καὶ θεῶν Ἀδελφῶν καὶ θεῶν Εὐεργετῶν, κανηφόρου Ἀρσινόη̣[ς] Φιλαδέλφο̣υ̣ Μενεκρατείας | τῆς Φιλάµµονος, µηνὸς Ἀπελλαίου ἑβδόµηι, Αἰγυπτίων δὲ Τυβὶ ἑπτακαι-

„Unter der Königsherrschaft des Ptolemaios, des Sohnes des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, im neunten Regierungsjahr, als Apollonides, Sohn des Moschion, Priester des Alexander und der Geschwistergötter und der Wohltätergötter war, als Kanephore der Arsinoe Philadelphos Menekrateia, die Tochter des Philammon war, am siebten Apel-

14. Das Priesterdekret von Kanopos δεκάτηι· ψήφισµα· οἱ ἀρχιερεῖς | καὶ προφῆται καὶ οἱ εἰς τὸ ἄδυτον εἰσπορευόµενοι πρὸς τὸν στολισµὸν τῶν θεῶν καὶ πτεροφόραι καὶ ἱερογραµµατεῖς καὶ (5) οἱ ἄλλοι ἱερεῖς οἱ συναντήσαντες ἐκ τῶν κατὰ τὴν χώραν ἱερῶν εἰς τὴν πέµ̣[π̣]τ̣η̣ν̣ τοῦ Δίου, ἐν ἧι ἄγεται τὰ γενέθλια τοῦ | βασιλέως, καὶ εἰς τὴν πέµπτην καὶ εἰκάδα τοῦ αὐτοῦ µηνός, ἐν ἧι παρέλαβεν τ̣ὴ̣ν̣ β̣[α]σιλείαν παρὰ τοῦ πατρός, συνεδρεύσαντες | ταύτηι τῆι ἡµέραι ἐν τῶι ἐν Κανώπωι ἱερῶι τῶν Εὐεργετῶν θεῶν εἶπαν· ἐπειδὴ [βασ]ιλ̣εὺς Πτολεµαῖος Πτολεµαίου καὶ Ἀρσινόης, θεῶν Ἀδελφῶν, | καὶ βασίλισσα Βερενίκη ἡ ἀδελφὴ αὐτοῦ καὶ γυνή, θεοὶ Εὐεργέται, διατελοῦσιν πολλ̣[ὰ κ]αὶ µεγάλα εὐεργετοῦντες τὰ κατὰ τὴν χώραν ἱερὰ καὶ | τὰς τιµὰς τῶν θεῶν ἐπὶ πλέον αὔξοντες, τοῦ τε Ἄπιος καὶ τοῦ Μνήυιος κα[ὶ τ]ῶν λοιπῶν ἐνλογίµων ἱερῶν ζώιων τῶν ἐν τῆι χώραι τὴν (10) ἐπιµέλειαν διὰ παντὸς ποιοῦνται µετὰ µεγάλης δαπάνης κ̣α̣ὶa χ̣ο̣ρη ̣ ̣γίας, καὶ τὰ ἐξενεγχθέντα ἐκ τῆς χώρας ἱερὰ ἀγάλµατα ὑπὸ | τῶν Περσῶν ἐξστρατεύσας ὁ βασιλεὺς ἀνέσωισεν εἰς Αἴγa[υπτο]ν̣ καὶ ἀπέδωκεν εἰς τὰ ἱερά, ὅθεν ἕκαστον ἐξ ἀρχῆς ἐξήχθη, τήν τε | χώραν ἐν εἰρήνηι διατετήρηκεν προπολεµῶν ὑπὲρ αὐτῆ[ς π]ρ̣ὸς πολλὰ ἔθνη καὶ τοὺς ἐν

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laios, am siebzehnten Tybi der Ägypter. Beschluss: Die Oberpriester und Propheten und die ins Allerheiligste zur Bekleidung der Götter hineingehenden (Priester) und die Federträger und die Tempelschreiber und die anderen Priester, die aus den Heiligtümern im Lande zusammengekommen sind am fünften Dios, an dem der Geburtstag des Königs gefeiert wird, und am fünfundzwanzigsten desselben Monats, an dem er von seinem Vater die Königsherrschaft übernommen hat, haben an diesem Tag, nachdem sie zusammen Rat gehalten hatten, im Heiligtum der Wohltätergötter in Kanopos den Antrag gestellt: [Begründung des 1. Beschlusses:] [1.] Da der König Ptolemaios, der Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, und die Königin Berenike, seine Schwester und Gemahlin, die Wohltätergötter, fortwährend viele große Wohltaten den Heiligtümern im Lande erweisen und die Ehren der Götter in weiterem Umfang vermehren, und dem Apis(stier), dem Mnevis(stier) und den anderen angesehenen heiligen Tieren im Lande in jeder Hinsicht ihre Sorge zukommen lassen mit hohen Kosten und Aufwand, [2.] und da der König die von den Persern aus dem Land geraubten heiligen Götterbilder nach seinem Feldzug glücklich nach Ägypten zurückgeführt und in die Heiligtümer zurückgegeben hat, von wo ein jedes ursprünglich herausgeraubt worden war, [3.] und da er ferner das Land in Frieden bewahrte, indem er für es gegen viele Völkerschaften und die bei ihnen

92 αὐτοῖς δυναστεύοντας, καὶ τοῖς ἐν τῆι χώραι | πᾶσιν καὶ τοῖς ἄλλοις τοῖς ὑπὸ τὴν αὐτῶν βασιλείαν τασσοµένοις τὴν εὐνοµίαν παρέχουσιν, τοῦ τε ποταµοῦ ποτε ἐλλιπέστερον ἀνα|βάντος καὶ πάντων τῶν ἐν τῆι χώραι καταπεπληγµένων ἐπὶ τῶι συµβεβηκότι καὶ ἐνθυµουµένων τὴν γεγενηµένην καταφθορὰν (15) ἐπί τινων τῶν πρότερον βεβασιλευκότων, ἐφ’ ὧν συνέβη ἀβροχίαις περιπεπτωκέναι τοὺς τὴν χώραν κατοικοῦντας, προστάντες κηδεµο|νικῶς τῶν τε ἐν τοῖς ἱεροῖς καὶ τῶν ἄλλων τῶν τὴν χώραν κατοικούντων, πολλὰ µὲν προνοηθέντες, οὐκ ὀλίγα δὲ τῶν προσόδων ὑπερ|ιδόντες ἕνεκα τῆς τῶν ἀνθρώπων̣ [σ]ωτηρίας, ἔκ τε Συρίας καὶ Φοινίκης καὶ Κύπρου καὶ ἐξ ἄλλων πλειόνων ων σῖτον µεταπεµ|ψάµενοι εἰς τὴν χώραν τιµῶν µ̣ε̣ιaζ̣όνων διέσωισαν τοὺς τὴν Αἴγυπτον κατοικοῦντας, ἀθάνατον εὐεργεσίαν καὶ τῆς αὐτῶν ἀρετῆς | µέγιστον ὑπόµνηµα καταλείποντες τοῖς τε νῦν οὖσιν καὶ τοῖς ἐπιγινοµένοις. ἀνθ’ ὧν οἱ θεοὶ δεδώκασιν αὐτοῖς εὐσταθοῦσαν τὴν βασιλεί(20)αν καὶ δώσουσιν τἆλ̣[λ]’ ἀ̣γaαθὰ πάντα εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον. ἀγαθῆι τύχηι, δεδόχθαι τοῖς κατὰ τὴν χώραν ἱερεῦσιν τάς τε προϋπαρχούσας | τιµὰς ἐν τοῖς ἱεροῖς βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι Βερενίκηι, θεοῖς Εὐεργέταις, καὶ τοῖς γονεῦσιν αὐτῶν θεοῖς Ἀδελφοῖς καὶ τοῖς προ-

Texte Herrschenden Krieg führte, und da sie (scil. Ptolemaios und Berenike) allen im Lande und den anderen, die ihrer Königsherrschaft untertan sind, die gute gesetzliche Ordnung gewähren, [4.] und da sie, als der Fluss einmal nur ungenügend anstieg und alle im Lande wegen dieses Ereignisses niedergeschmettert waren und an die vergangene Vernichtung dachten unter einigen, die früher König waren, unter denen es sich ereignete, dass die Einwohner des Landes von einer Dürre heimgesucht wurden, fürsorglich für die in den Heiligtümern und die anderen Einwohner des Landes eintraten, indem sie für vieles im Voraus Sorge trugen und einen großen Teil der Steuereinkünfte erließen um der Errettung der Menschen willen, indem sie aus Syrien und Phönizien und Zypern und aus mehreren anderen Gegenden Getreide zu hohen Preisen in das Land herbeiholen ließen, haben sie die in Ägypten Lebenden bewahrt, wodurch sie eine ewige Wohltat und ein sehr großes Denkmal ihrer Vortrefflichkeit denen hinterlassen, die jetzt leben, wie auch den Nachkommen; [anth-hon-Formel:] hierfür haben die Götter ihnen ihr Königtum in gut gefestigtem Zustand gegeben, und sie werden ihnen alle anderen guten Dinge bis in Ewigkeit geben. [Beschluss:] Mit gutem Glück! Es sei beschlossen durch die Priester im Lande, [1.] dass die früheren Ehrungen in den Tempeln für den König Ptolemaios und die Königin Berenike, die Wohltätergötter, und deren Eltern, die Geschwistergötter, und deren Vorfahren,

14. Das Priesterdekret von Kanopos γόνοις | θεοῖς Σω‚[τῆρ]σ̣ιν αὔξειν, καὶ τοὺς ἱερεῖς τοὺς ἐν ἑκάστωι τῶν κατὰ τὴν χώραν ἱερῶν προσονοµάζεσθαι ἱερεῖς καὶ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν καὶ ἐνγράφε|σθαι [ἐν π]ᾶ̣σιν τοῖς χρηµατισµοῖς καὶ ἐν τοῖς δακτυλίοις, οἷς φοροῦσιν προσεγκολάπτεσθαι καὶ τὴν ἱερωσύνην τῶν Εὐεργετῶν θεῶν· προσαποδειχθῆ|ν̣α̣[ι] δὲ πρὸς ταῖς νῦν ὑπαρχούσαις τέσσαρσι φυλαῖς τοῦ πλήθους τῶν ἱερέων τῶν ἐν ἑκάστωι ἱερῶι καὶ ἄλλην, ἣ προσονοµασθήσεται πέµ(25)πτη φυλὴ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν ἐπεὶ καὶ σὺν τῆι ἀγαθῆι τύχηι καὶ τὴν γένεσιν βασιλέως Πτολεµαίου τοῦ τῶν θεῶν Ἀδελφῶν συµβέβηκεν | γενέσθαι τῆι πέµπτηι τοῦ Δίου, ἣ καὶ πολλῶν ἀγαθῶν ἀρχὴ γέγονεν πᾶσιν ἀνθρώποις· εἰς δὲ τὴν φυλὴν ταύτην καταλεχθῆναι τοὺς ἀπὸ | τοῦ πρώτου ἔτους γεγενηµένους ἱερεῖς καὶ τοὺς προσκαταταγησοµένους ἕως µηνὸς Μεσορὴ τοῦ ἐν τῶι ἐνάτωι ἔτει, καὶ τοὺς τούτων ἐκγόνους εἰς τὸν ἀεὶ | χρόνον· τοὺς δὲ προϋπάρχοντας ἱερεῖς ἕως τοῦ πρώτου ἔτους εἶναι ὡσαύτως ἐν ταῖς αὐταῖς φυλαῖς, ἐν αἷς πρότερον ἦσαν· ὁµοίως δὲ καὶ τοὺς | ἐκγόνους αὐτῶν ἀπὸ τοῦ νῦν καταχωρίζεσθαι εἰς τὰς αὐτὰς φυλάς, ἐν αἷς οἱ πατέρες εἰσίν. ἀντὶ δὲ τῶν εἴκοσι βουλευτῶν ἱερέων τῶν αἱρουµένων (30) κατ’ ἐνιαυτὸν ἐκ τῶν προϋπαρχουσῶν τεσσάρων φυλῶν, ἐξ ὧν πέντε ἀφ’ κάστης φυλῆς αµβάνονται, εἴκοσι καὶ πέντε τοὺς βουλευτὰς | ἱερεῖς εἶναι, προσλαµβανο-

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die Rettergötter, vermehrt werden; [2.] und die Priester in jedem der Heiligtümer im Lande sollen Priester auch der Wohltätergötter genannt werden, und es soll auch die Priesterschaft der Wohltätergötter auf allen Urkunden verzeichnet werden und zusätzlich in die Siegelringe, die sie tragen, eingraviert werden; [3.] es soll zu den jetzt existierenden vier Phylen der Körperschaft der Priester, die in jedem Tempel sind, noch zusätzlich eine weitere eingerichtet werden, die ‚Fünfte Phyle der Wohltätergötter‘ genannt werden soll. [Zwischenbegründung 1:] Und da mit gutem Glück auch die Geburt des Königs Ptolemaios, des Sohnes der Geschwistergötter, sich am fünften Dios ereignete, der auch der Anfang von vielen guten Dingen für alle Menschen geworden ist, [3.1] sollen diejenigen für diese Phyle ausgewählt werden, die seit dem ersten Jahr (scil. des Königs) Priester geworden sind, und diejenigen, die außerdem noch bis zum Monat Mesore im neunten Jahr eingesetzt werden, und deren Nachkommen für alle Zeit; diejenigen aber, die zuvor Priester waren bis zum ersten Regierungsjahr, sollen in gleicher Weise in denselben Phylen sein, in denen sie vorher waren; ebenso sollen auch ihre Nachfahren von jetzt an den gleichen Phylen zugeteilt werden, in denen ihre Väter sind; [3.2] anstelle der zwanzig Ratspriester, die jedes Jahr gewählt werden aus den früheren vier Phylen, von denen fünf aus jeder Phyle genommen werden, sollen es fünfundzwanzig Ratspriester sein, indem aus der fünften Phyle der Wohltätergötter weitere fünf hinzuge-

94 µένων ἐκ τῆς πέµπτης φυλῆς τῶν Εὐεργετῶν θεῶν ἄλλων πέντε. µετέχειν δὲ καὶ τοὺς ἐκ τῆς πέµπτης | φυλῆς τῶν Εὐεργετῶν θεῶν τῶν ἁγνειῶν καὶ τῶν ἄλλων ἁπάντων τῶν ἐν τοῖς ἱεροῖς, καὶ φύλαρχον αὐτῆς εἶναι, καθὰ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων τεσ|σάρων φυλῶν ὑπάρχει. καὶ ἐπειδὴ καθ’ ἕκαστον µῆνα ἄγονται ἐν τοῖς ἱεροῖς ἑορταὶ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν κατὰ τὸ πρότερον γραφὲν ψήφισµα | ἥ τε πέµπτη καὶ ἡ ἐνάτ καὶ ἡ πέµπτη ἐπ’ εἰκάδι, τοῖς τε ἄλλοις µεγίστοις θεοῖς κατ’ ἐνιαυτὸν συντελοῦνται ἑορταὶ καὶ πανηγύρεις δηµοτε(35)λεῖς, ἄγεσθαι κατ’ ἐνιαυτὸν πανήγυριν δηµοτελῆ ἔν τε τοῖς ἱεροῖς καὶ καθ’ ὅλην τὴν {τὴν} χώραν βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι Βερενίκηι, | θεοῖς Εὐεργέταις, τῆι ἡµέραι, ἐν ἧι ἐπιτέλλεται τὸ ἄστρον τὸ τῆς Ἴσιος, ἣ νοµίζεται διὰ τῶν ἱερῶν γραµµάτων νέον ἔτος εἶναι, ἄγεται δὲ νῦν ἐν τῶι | ἐνάτωι ἔτει νουµηνίαι τοῦ Παῦνι µηνός, ἐν ὧι καὶ τὰ µικρὰ Βουβάστια καὶ τὰ µεγάλα Βουβάστια ἄγεται καὶ ἡ συναγωγὴ τῶν καρπῶν καὶ ἡ τοῦ | ποταµοῦ ἀνάβασις γίνεται. ἐὰν δὲ καὶ συµβαίνηι τὴν ἐπιτολὴν τοῦ στρου µεταβαίνειν εἰς ἑτέραν ἡµέραν διὰ τεσσάρων ἐτῶν, µὴ µετατί|θεσθαι τὴν πανήγυριν, ἀλλὰ ἄγεσθαι τῆι νουµηνίαι τοῦ Παυνί, ἐν ἧι καὶ ἐξ ἀρχῆς ἤχθη ἐν τῶι ἐνάτωι ἔτει, καὶ συντελεῖν αὐτὴν ἐπὶ ἡµέρας (40) πέντε µετὰ στεφανηφορίας καὶ

Texte nommen werden. [3.3] Es sollen auch die aus der fünften Phyle der Wohltätergötter an den Reinigungen und allen anderen Dingen in den Heiligtümem teilhaben, [3.4] und sie (scil. die Phyle) soll einen Phylarchen haben, wie es auch bei den anderen vier Phylen der Fall ist. [Zwischenbegründung 2:] Und da in jedem Monat am fünften und neunten und am fünfundzwanzigsten Tag Feste der Wohltätergötter gefeiert werden in den Tempeln gemäß des früher gefassten Beschlusses und da für die übrigen höchsten Götter jedes Jahr Feste gefeiert werden und öffentliche Prozessionen, [4.] soll jedes Jahr eine öffentliche Prozession in den Heiligtümern und im ganzen Land für König Ptolemaios und Königin Berenike, die Wohltätergötter, an dem Tag durchgeführt werden, an dem der Stern der Isis erscheint, der in den heiligen Schriften als Neujahr betrachtet wird; er wird jetzt aber im neunten Jahr, am ersten Tag des Monats Payni gefeiert, in dem auch die kleinen Feste der Göttin Bubastis und die großen Feste der Göttin Bubastis begangen werden und die Sammlung der Ernte und die Flußschwelle geschehen; [5.] immer wenn es sich nun ereignet, dass das Erscheinen des (Sothis)Sternes im Verlauf von vier Jahren auf einen anderen Tag hinübergeht, dann soll die Prozession nicht verschoben werden, sondern sie soll am Neumond des Payni vollzogen werden, an dem sie ursprünglich im neunten Jahr durchgeführt wurde, und sie soll fünf Tage lang

14. Das Priesterdekret von Kanopos θυσιῶν καὶ σπονδῶν καὶ τῶν ἄλλων τῶν προσηκόντων. ὅπως δὲ καὶ αἱ ὧραι τὸ καθῆκον ποιῶσιν διὰ παντὸς κατὰ τὴν νῦν | οὖσαν κατάσ{τασ}τασιν τοῦ κόσµου, καὶ µὴ συµβαίνηι τινὰς τῶν δηµοτελῶν ἑορτῶν τῶν ἀγοµένων ἐν τῶι χειµῶνι ἄγεσθαί ποτε ἐν τῶι θέρει, τοῦ ἄστρου | µεταβαίνοντος µίαν ἡµέραν διὰ τεσσάρω ἐτῶν, ἑτέρας δὲ τῶν νῦν ἀγοµένων ἐν τῶι θέρει ἄγεσθαι ἐν τῶι χειµῶνι, ἐν τοῖς µετὰ ταῦτα καιροῖς καθάπερ πρό|τερόν τε συµβέβηκεν γενέσθαι κα νῦν ἂν ἐγίνετο τῆς συντάξεως τοῦ ἐνιαυτοῦ ενούσης ἐκ τῶν τριακοσίων καὶ ἑξήκοντα ἡµερῶν καὶ τῶν ὕστερον προσ|νοµισθεισῶν ἐπάγεσθαι πέντε ἡµερῶν, ἀπὸ τοῦ νῦν µίαν ἡµέραν ἑορτὴν τῶν Εὐεργετῶν θεῶν ἐπάγεσθαι διὰ τεσσάρων ἐτῶν ἐπὶ ταῖς πέντε ταῖς (45) ἐπαγοµέναις πρὸ τοῦ νέου ἔτους, ὅπως ἅπαντες εἰδῶσιν διότι τὸ ἐλλεῖπον πρότερον περὶ τὴν σύνταξιν τῶν ὡρῶν καὶ τοῦ ἐνιαυτοῦ καὶ τῶν νοµιζο|µένων περὶ τὴν ὅλην διακόσµησιν τοῦ πόου διωρθῶσθαι καὶ ἀναπεπληρῶσθαι συµβέβηκεν διὰ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν. καὶ ἐπειδὴ τὴν ἐγ βασιλέως Πτολεµαίου | καὶ βασιλίσσης Βερενίκης, θεῶν Εὐεργετῶν, γεγενηµένην θυγατέρα καὶ ὀνοµασθεῖσαν Βερενίκην, ἣ καὶ βασίλισσα εὐθέως ἀπεδείχθη, συνέβη ταύτην παρθένον | οὖσαν ἐξαίφνης µετελθεῖν εἰς τὸν ἀέναον κόσµον ἔτι ἐνδηµούντων παρὰ τῶι βασιλεῖ τῶν ἐκ τῆς χώρας παραγινοµένων

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unter Bekränzungen und Rauchopfern und Trankspenden und den anderen erforderlichen Dingen vollzogen werden; damit aber auch die Jahreszeiten jederzeit das Gehörige gemäß der jetzigen Beschaffenheit des Kosmos machen und es nicht geschieht, dass einige der öffentlichen Feste, die im Winter gefeiert werden, jemals im Sommer gefeiert werden, weil sich der Stern während vier Jahren um einen Tag verschiebt; dass aber andere, jetzt im Sommer gefeierte (Feste) im Winter gefeiert werden in den Zeiten danach, entsprechend dem, was sich früher ereignet hat und jetzt wieder geschehen würde, wenn die Zusammenstellung des Jahres aus dreihundertsechzig Tagen und den nach späterer Praxis hinzugeschalteten fünf Tagen bestehen bliebe, so soll von jetzt an ein Tag als Fest der Wohltätergötter hinzugeschaltet werden nach vier Jahren zu den fünf, die vor dem neuen Jahr eingeschaltet sind, damit alle wissen, dass die Ordnung und Auffüllung des früheren Rückstandes in Bezug auf die Zusammenstellung der Jahreszeiten und des Jahres und der Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf die gesamte geregelte Bewegung der Himmelsachse durch die Wohltätergötter vorgenommen worden ist. [Begründung des 2. Beschlusses:] Und da es geschah, dass die dem König Ptolemaios und der Königin Berenike, den Wohltätergöttern, geborene und Berenike genannte Tochter, die auch sofort als Königin ausgerufen worden war, noch als Jungfrau plötzlich in den ewigen Kosmos hinüberging, während die aus dem gesamten Land jedes Jahr zu ihm herbeikommenden Priester noch beim König weilten, die sofort eine

96 πρὸς αὐτὸν κατ’ ἐνιαυτὸν ἱερέων, | οἳ µέγα µὲν πένθος ἐπὶ τῶι συµβεβηκότι εὐθέως συνετέλεσαν, ἀξιώσαντες δὲ τὸν βασιλέα καὶ τὴν βασίλισσαν ἔπεισαν, καθιδρῦσαι τὴν θεὰν µετὰ τοῦ Ὀσίριος ἐν τῶι (50) ἐν̣ Κ‚α̣[ν]ώ‚πωι ἱερῶι, ὃ οὐ µόνον ἐν τοῖς πρώτοις εροῖς ἐστιν, ἀλλὰ καὶ ὑπὸ τοῦ βασιλέως καὶ τῶν κατὰ τὴν χώραν πάντων ἐν τοῖς µάλιστα τιµωµένοις ὑπάρχει, | καὶ ἡ ἀναγωγὴ τοῦ ἱεροῦ πλοίου τοῦ Ὀσείριος εἰς τοῦτο τὸ ἱερὸν κατ’ ἐνιαυτὸν γίνεται ἐκ τοῦ ἐν τῶι Ἡρακλείωι ἱεροῦ τῆι ἐνάτι καὶ εἰκάδι τοῦ Χοιὰχ τῶν ἐκ τῶν π[ρώ]|των ἱερῶν πάντων θυσίας συντελούντων ἐπὶ ῶν ἱδρυµένων ὑπ’ αὐτῶν βωµῶν ὑπὲρ ἑκάστου ἱεροῦ τῶν πρώτων ἐξ ἀµφοτέρων τῶν µερῶν τοῦ δρ̣ό̣µο̣ ̣[υ], | µετὰ δὲ ταῦτα πρὸς τὴν ἐκθέωσιν αὐτῆς νόµιµα καὶ τὴν τοῦ πένθους ἀπόλυσιν ἀπέδωκαν µεγαλοπρεπῶς καὶ κηδεµονικῶς, καθάπερ καὶ ἐπὶ τῶι Ἄ[πει] | καὶ Μνήµει εἰθισµένον ἐστὶν γίνεσθαι, δεδόχθαι συντελεῖν τῆι ἐκ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν γεγενηµένηι βασιλίσσηι Βερενίκηι τιµὰς ἀϊδίους ἐν ἅπασι τοῖς (55) ατὰ τὴν χώραν ἱεροῖς, καὶ ἐπεὶ εἰς θεοὺς µετῆλθεν ἐν τῶι Τυβὶ µηνί, ἐν ὧιπερ καὶ ἡ τοῦ Ἡλίου θυγάτηρ ἐν ἀρχῆι µετήλλαξεν τὸν βίον, ἣν ὁ πατὴρ στέρξας ὠ‚[νό]|µασεν ὁτὲ µὲν βασιλείαν, ὁτὲ ὅρασιν αὑτοῦ, καὶ ἄγουσιν αὐτῆι ἑορτὴν καὶ περίπλουν ἐν πλείοσιν ἱεροῖς τῶν πρώτων ἐν τούτωι µηνί, ἐν ὧι

Texte große Trauerfeier wegen des Ereignisses durchführten, bewogen sie mit ihren Bitten den König und die Königin, die Göttin zusammen mit dem Osiris in dem kanopischen Heiligtum zu weihen (i.e. ihre Statue aufzustellen), das nicht nur zu den ersten Heiligtümern gehört, sondern auch zu den vom König und von allen im Lande lebenden Menschen zu den am meisten verehrten zählt; und die Heimführung des heiligen Schiffes des Osiris geschieht jedes Jahr am neunundzwanzigsten Choiak in dieses Heiligtum aus dem Heiligtum in Herakleion, wobei alle (Priester) aus den ersten Heiligtümern auf den von ihnen für jedes Heiligtum der ersten (Heiligtümer) errichteten Altären auf beiden Seiten des Dromos Opfer vollziehen; danach schlossen sie (scil. die Priester) mit großem Aufwand und Sorgfalt die für ihre (scil. der Berenike) Vergöttlichung üblichen Zeremonien und die Auflösung der Trauer ab, ganz so, wie es traditionellerweise für den Apis(stier) und den Mnevis(stier) geschieht. [2. Beschluss:] [1.] Es sei beschlossen, ewig andauernde Ehrungen für die von den Wohltätergöttern geborene Königin Berenike in allen Heiligtümern im Lande zu vollziehen; [Zwischenbegründung] und da sie hinschied zu den Göttern im Monat Tybi, in dem auch die Tochter des Helios ursprünglich aus dem Leben schied, die der Vater liebend bald seinen Uräus, bald sein Auge(nlicht) genannt hat, und man für sie ein Fest und eine Schiffsprozession in mehreren Heiligtümern der ersten (Heiligtümer) in eben dem Monat feiert, in dem ihre

14. Das Priesterdekret von Kanopos ἡ ἀποθέωσις αὐ[τῆς] | ἐν ἀρχῆι ἐγενήθη, συντελεῖν καὶ βασιλίσσηι Βερενίκηι τῆι ἐκ τῶν Εὐεργετῶν θεῶν ἐν ἅπασι τ[ο]ῖς κατὰ τὴν χώραν ἱεροῖς ἐν τῶι Τῦβι µηνὶ ἑορτὴν καὶ πε|ρίπλουν ἐφ’ ἡµέρας τέσσαρας ἀπὸ ἑπτακαιδεκάτη ἐν ἧι ὁ περίπλους καὶ ἡ τοῦ πένθους ἀπόλυσις ἐγενήθη αὐτῆι τὴν ἀρχήν· συντελέσαι δ’ αὐτῆς καὶ | ἱερὸν ἄγαλµα χρυσοῦν διάλιθον ἐν ἑάστωι τῶν πρώτων καὶ δευτέρων ἱερῶν καὶ καθιδρῦσαι ἐν τῶι ἁγίωι· ὃ πρ[ο]φήτης ἤ τῶν ἰς τὸ ἄδυτον εἱρηµένων (60) ἱερέων πρὸς τὸν στολισµὸν τῶν θεῶν οἴσει ἐν ταῖς ἀγκάλαις, ὅταν αἱ ἐξοδεῖαι καὶ πανηγύρεις τῶν λοιπῶν θεῶν γίνωντα, ὅπως ὑπὸ πάντων ὁρώµενον | τιµᾶται καὶ προσκυνῆται, καλούµενον Βερενίκης ἀνάσσης παρθένων. εἶναι δὲ τὴν ἐπιτιθεµένην βασιλείαν τῆι εἰκόνι αὐτῆς διαφέρουσαν τῆς ἐπιτιθεµένης | ταῖς εἰκόσιν τῆς µητρὸς αὐτῆς βασιλίσσης Βερενίκης ἐκ σταχύων δύ, ὧν ἀνὰ µέσον ἔσται ἡ ἀσπιδοειδὴς βασιλεία, τ̣α̣ύτης δ’ ὀπίσω σύµµετρον σκῆπτρον | παπυροειδές, ὃ εἰώθασιν αἱ θεαὶ ἔχειν ἐν ταῖς χερσίν, περὶ ὃ καὶ οὐρὰ τῆς βασιλείας ἔσται περιειληµένη, ὥστε καὶ ἐκ τῆς διαθέσεως τῆς βασιλείας δια|σαφεῖσθαι τὸ Βερενίκης ὄνοµα κατὰ τὰ ἐπίσηµα τῆς ἱερᾶς γραµµατικῆς.

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Apotheose ursprünglich geschah, [2.] soll auch für die Königin Berenike, die Tochter der Wohltätergötter, in allen Heiligtümern im Lande im Monat Tybi ein Fest veranstaltet werden und eine Schiffsprozession von vier Tagen vom siebzehnten an, an dem ursprünglich die Umfahrt zu Wasser und die Auflösung der Trauer für sie geschah; [3.] und ein heiliges Götterbild soll aus Gold, mit Edelsteinen verziert, in jedem der ersten und zweiten Heiligtümer für sie angefertigt werden, und es soll im Allerheiligsten aufgestellt werden; [3.1] der Prophet oder einer der Priester, die für das Allerheiligste zur Bekleidung der Götter bestimmt sind, soll es in den Armen tragen, wenn die Götterprozessionen und die Festversammlungen der übrigen Götter stattfinden, damit es von allen gesehen, verehrt und mit Kniefall begrüßt wird, und es wird genannt ,Berenike, Herrin der Jungfrauen‘; [3.2] die ihrem Bild aufgesetzte Krone soll sich aber unterscheiden von der, die den Bildern ihrer Mutter, der Königin Berenike, aufgesetzt ist, bestehend aus zwei Ähren, zwischen denen die uräusförmige Krone sein soll; auf deren Rückseite aber ein ebenso großes Szepter in Form eines Papyrus sein soll, wie es die Göttinnen in den Händen zu halten pflegen, um das herum auch der Schwanz der Uräusschlange gewunden sein soll, damit auch aus der Zusammenstellung der Krone der Name der Berenike gemäß den Zeichen der heiligen Schrift deutlich werde;

98 καὶ ὅταν τὰ Κικήλλια ἄγηται ἐν τῶν Χοιὰχ µηνὶ πρὸ τοῦ περίπλου τοῦ Ὀσείριος, κατα(65)σκευάσαι τὰς παρθένους τῶν ἱερέων ἄλλο ἄγαλα Βερενίκης ἀνάσσης παρθένων, ὧι συντελέσουσιν ὁµοίως θυσίαν καὶ τἆλλα τὰ σ̣[υν]τ̣ελούµενα νό|µιµα τῆι ἑορτῆι ταύτηι· ἐξεῖναι δὲ κατὰ ταὐτὰ καὶ ταῖς ἄλλαις παρθένοις ταῖς βουλοµέναις συντελεῖν τὰ νόµιµα τῆι θεῶι· ὑµνεῖσθαι δ’ αὐτὴν καὶ ὑ|πὸ τῶν ἐπιλεγοµένων ἱερ{ει}ῶν παρθένων καὶ τὰς χρείας παρεχοµένων τοῖς θεοῖς, περικειµένων τὰς ἰδίας βασιλείας τῶ‚[ν θεῶ]ν̣, ὧν ἱέρειαι νοµίζονται | εἶναι, καὶ ὅταν ὁ πρώϊµος σπόρος παραστῆι, ἀναφέρειν τὰς ἱερὰς παρθένους στάχυς τοὺς παρατεθησοµένους τῶι ἀγάλµατι τῆς θεοῦ, ἄιδειν δ’ εἰς αὐτὴν | καθ’ ἡµέραν καὶ ἐν ταῖς ἑορταῖς καὶ πανηγύρεσιν τῶν λοιπῶν θεῶν τούς τε ὠιδοὺς ἄνδρας καὶ τὰς γυναῖκας οὓς ἂν ὕµνους οἱ ἱερογραµµατεῖς γρά(70)ψαντες δῶσιν τῶι ὠιδοδιδασκάλωι, ὧν καὶ τἀντίγραφα καταχωρισθήσεται εἰς τὰς ἱερὰς βύβλους. καὶ ἐπειδὴ τοῖς ἱερεῦσιν δίδονται αἱ τροφαὶ [ἐκ τῶν] | ἱερῶν ἐπὰν ἐπαχθῶσιν εἰς τὸ πλῆθος, δίδοσθαι ταῖς θυγατράσιν τῶν ἱερέων ἐκ τῶν ἱερῶν προσόδων, ἀφ’ ἧς ἂν ἡµέρας γένωνται, τὴν συνκριθη̣[σοµέ]|νην τροφὴν ὑπὸ τῶν βουλευτῶν ἱερέων τῶν ἐν ἑκάστωι

Texte [4.] und wenn die Kikellia-Feste im Monat Choiak vor der Umfahrt des Osiris zu Wasser gefeiert werden, sollen die jungfräulichen Töchter der Priester ein anderes Bild der ,Berenike, Herrin der Jungfrauen‘ verfertigen, vor dem sie gleichfalls ein Brandopfer vollziehen sollen und die anderen für dieses Fest gebräuchlichen Handlungen; [5.] es stehe desgleichen auch den anderen Jungfrauen, die es wollen, frei, die Zeremonien für die Göttin zu vollziehen; [6.] es sollen aber auch Hymnen von den dazu ausgewählten jungfräulichen Priesterinnen, die den Dienst für die Götter verrichten, für sie gesungen werden, wobei sie die jeweiligen Kronen der Götter tragen, als deren Priesterinnen sie gelten; [7.] und wenn die erste Halmfrucht ansteht, sollen die heiligen Jungfrauen Kornähren hinauftragen, die am Standbild der Göttin hingelegt werden sollen; [8.] es sollen aber die Sänger und Sängerinnen täglich für sie Hymnen singen – sowohl bei den Festen als auch bei den Prozessionen der übrigen Götter – die die Tempelschreiber verfassen und dem Gesangslehrer geben sollen, deren Abschriften auch in die heiligen Buchrollen eingetragen werden sollen; [9.] und da den Priestern der Unterhalt aus den Heiligtümern gegeben wird, nachdem sie in die Körperschaft aufgenommen worden sind, soll den Töchtern der Priester die zugeteilte Nahrung aus den heiligen Einkünften gegeben werden, von dem Tag, an dem sie geboren werden, von den Mitgliedern des

14. Das Priesterdekret von Kanopos τῶν ἱερῶν κατὰ λόγον τῶν ἱερῶν προσόδων, καὶ τὸν διδόµενον ἄρτο ταῖς υναιξὶν | τῶν ἱερέων ἔχειν ἴδιον τύπον καὶ καλεῖσθαι Βερενίκης ἄρτον. ὁ δὲ ἐν ἑκάστωι τῶν ἱερῶν καθεστηκὼς ἐπιστάτης καὶ ἀρχιερεὺς καὶ οἱ τοῦ ἱεροῦ | γραµµατεῖς ἀναγραψάτωσαν τοῦτο τὸ ψήφισµα εἰς στήλην λιθίνην ἢ χαλκῆν ἱεροῖς γράµµασιν καὶ Αἰγυπτίοις καὶ Ἑλληνικοῖς, καὶ ἀναθέ(75)τωσαν ἐν τῶι ἐπιφανεστάτωι τόπωι τῶν τε αʹ ἱερῶν καὶ βʹ καὶ γʹ, ὅπως οἱ κατὰ τὴν χώραν ἱερεῖς φαίνωνται τιµῶντς τοὺς Εὐεργέτας θεοὺς καὶ τὰ τέκν̣ α̣ὐτῶν | καθάπερ δίκαιόν ἐστιν.

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Priesterrates, die in jedem der Heiligtümer sind, anteilmäßig von den Tempeleinkünften. Und das den Frauen der Priester gegebene Brot soll eine eigene Form haben und Berenikebrot genannt werden. [Veröffentlichungsbestimmungen:] Der (in) jedem der Heiligtümer eingesetzte staatliche Aufseher (epistates) und der Oberpriester und die Schreiber des Tempels sollen diesen Beschluss aufschreiben auf eine steinerne oder bronzene Stele in heiligen Schriftzeichen und in ägyptischen und in hellenischen und sie an der bestsichtbaren Stelle der ersten Heiligtümer und der zweiten und der dritten aufstellen lassen, auf dass offenkundig werde, dass die Priester im Lande die Wohltätergötter und ihre Kinder verehren, wie es rechtens ist.“

Kommentar: Das Ehrendekret gliedert sich, nach dem Präskript zur Datierung und den Umständen des Erlasses, in zwei große Untereinheiten – (a) die Begründung und den Beschluss zur Gleichstellung des dritten Ptolemäerpaares mit den ägyptischen Göttern und (b) die Begründung und den Beschluss zur Ausgestaltung des Kultes für die verstorbene und danach vergöttlichte Königstochter Berenike. Die Begründung des ersten Beschlusses führt aus, dass sich das Herrscherpaar um die Kulte im Lande kümmert, dann nehmen die Priester Bezug auf den im Dekret von 243 v. Chr. (Text 13) bereits erwähnten Feldzug des ersten Herrschaftsjahres 245 v. Chr. (Text 11) im 3. Syrischen Krieg. Nochmals loben sie den König für die Rückführung der Götterbilder aus Persien. Auch betonen sie den durch ihn gewährten Frieden im Land und die gute rechtliche Ordnung. Der eigentliche Grund für den vorliegenden Beschluss liegt aber in der Bewahrung Ägyptens vor einer drohenden Hungersnot durch das Herrscherpaar. Die explizite Erwähnung einer niedrigen Nilschwelle ist durchaus ungewöhnlich und passt in keiner Weise zur Vorstellung eines guten Pharaos, war dieser doch Garant der Fruchtbarkeit Ägyptens, die nur durch eine ausreichende Nilflut gesichert war: Der Pharao vollzog die Opfer für die Götter, wofür diese den Nil aus seinen Quellen kommen ließen. In vorptolemäischer Zeit wäre eine solche Wohltat also nicht erwähnt worden, weil eine niedrige Nilflut eigentlich als Ausweis einer gottlosen Herrschaft aufgefasst wurde. Sicherlich auch deshalb

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ziehen die Priester den Vergleich zur Vergangenheit, wenn sie schreiben, dass die Menschen „an die vergangene Vernichtung dachten, unter einigen, die früher König waren.“ (vgl. Text 40). Ptolemaios III. hingegen ließ keine „Vernichtung“ eintreten, sondern erwies sich sogar als besser als der Nil, denn mit seinem Handeln übernahm er dessen Aufgabe; der Pharao ist schließlich, wie es in den Tempelinschriften Ägyptens heißen kann, „Nil Ägyptens“. So können die Priester zu Recht sagen, dass die Götter ihm im Austausch für seine Wohltat eine stabile Herrschaft gaben. Damit ist das Königtum des dritten Ptolemäerpaares durch die Götter legitimiert, und die Priester beschlossen, dass jeder ägyptische Priester neben seinem Priesteramt für den jeweiligen Gott auch Priester der Wohltätergötter sein solle.

Abb. 8: Ägyptische Stele aus Rosengranit mit dem Dekret von Kanopos in hieroglyphischer und demotischer Version im großen Hypostyl des Tempels von Karnak. Im unteren Teil der Stele ist noch Platz für die griechische Version, die aber nicht ausgeführt wurde; Photo: Stefan Pfeiffer, 2016.

Bedeutender ist aber, dass die Priester nun auch die gesamte Tempelstruktur verändern. Waren es bisher vier Priestergruppen (Phylen), die alternierend den Dienst im Tempel versahen, so sollen es von nun an fünf sein. Das ist insofern bemerkenswert, als die Priester damit analog zu griechischen Städten handelten. Auch diese bestanden schließlich aus Phylen/Stämmen. Wollte eine Stadt einen hellenistischen Herrscher ganz besonders ehren, so kam es vor, dass sie eine ihrer Phylen umbenannte oder eine weitere zu den bestehenden hinzufügte und ihr den Herrschernamen gab (Plutarch, Demetrios 10–12; Diodor XX 46,2f.; vgl. Moyer).

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Diese priesterliche Verwaltungsreform zeigte Wirkung, denn von nun an begegnen in der Tat in allen Dokumenten fünf Priesterphylen (vgl. Text 25). Anders sah es mit der zweiten bedeutenden Änderung aus, die beschlossen wurde und wegen der noch heute das Dekret von Kanopos bekannt ist: Der Fixierung des Kalenders im Sonnenjahr durch einen vierjährlichen Schalttag. Die Reform scheiterte zumindest auf der Verwaltungsebene (falls sie hierfür gedacht war), denn der alte ägyptische Kalender blieb in Gebrauch. Es besteht aber die Möglichkeit, dass der „Kanoposkalender“ parallel dazu genutzt wurde. Auf diese Weise würden sich einige makedonisch-ägyptische Doppeldaten erklären (Bennett). In der Forschung ist umstritten, ob die ihrer Natur nach (angeblich so) traditionalistischen Priester selbst auf die, wie man heute meint, rationalisierende Kalenderkorrektur gekommen seien oder ob sie hier eine Vorgabe der Regierung, die z. B. auf die Forschungen des gleichzeitig in Alexandria wirkenden Eratosthenes von Kyrene oder eines seiner Kollegen zurückging, umsetzen mussten (Geus, Hauben, Berry). Über dessen Forschung berichtet Geminos (Isagoge VIII 24): „Daher wurde das Isis-Fest früher während der Wintersonnenwende gefeiert und noch früher während der Sommersonnenwende – wie auch Eratosthenes in seiner Abhandlung Über den achtjährigen Zyklus erwähnt – und wird [in Zukunft] im Herbst, während der Sommersonnenwende, im Frühling und dann wieder während der Wintersonnenwende gefeiert werden. Denn in 1460 Jahren muß jedes Fest alle Jahreszeiten durchlaufen und wieder zu demselben Zeitpunkt im Jahr zurückkehren.“ (Übersetzung: Geus). Der Wissenschaftler hat sich also zumindest mit dem gleichen Problem auseinandergesetzt, das die ägyptischen Priester in Kanopos formulierten und das sie aus ihrer jahrtausendealten Tradition auch hinreichend kannten. Auch in der Argonautengeschichte des Apollodoros scheint die Reform ihre Spuren hinterlassen zu haben, die Interpretation, dass Ptolemaios III. selbst mit seiner Herrschaft eine neue goldene Ära beginnen lassen wollte (Murray), ist aber nicht überzeugend. Da wiederum die Priester über die Problematik der kalendarischen Festverschiebung innerhalb der Jahreszeiten schon lange informiert waren, besteht freilich die Möglichkeit, dass der griechische Gelehrte sein Wissen im Austausch mit den ägyptischen Priestern überhaupt erst entwickelt hat – hierauf deutet auch der Bezug hin, den er selbst zu einem ägyptischen und eben nicht einem griechischen Fest herstellt (vgl. auch Strabon XVII 46). Die Priester bedurften deshalb sicherlich nicht der wissenschaftlichen Hilfe eines Griechen, um zu wissen, wie die Reform durchzuführen wäre. Man fragt sich zudem, weshalb bei einer herrscherlichen Vorgabe der ägyptische Kalender die Grundlage der Berechnungen bildete und nicht der makedonische. Sollte die Reform allein dem Festkalender und nicht dem der Verwaltung gegolten haben, dann wird ein griechischer Einfluss sogar unwahrscheinlich. Es ging der Reform schließlich um das rein ägyptische Anliegen, die einheimischen Feste entsprechend den Jahreszeiten, zu denen sie gehören, zu feiern. Damit griffen die Priester wiederum ein Motiv der ägyptischen Unheilsprophetie auf. So heißt es in einem de-

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motischen Text aus Tebtynis über das kosmische Unheil: „[Die Übersch]wemmung wird kommen zu ihrer Zeit, abzunehmen, [sie wird ab]nehmen [zu ihrer Zeit, zu kommen. Man wird] pflügen auf dem Feld zu der Zeit des [Er]ntens.“ (Quack; Frgt. A Kopenhagen Z. 1,8f.). Wenn also, wie es in der griechischen Version des Kanoposdekretes heißt, die Ordnung der Jahreszeiten durch das Königspaar wiederhergestellt wurde, so haben sie gleichsam auch den Kosmos selbst wieder in sein rechtes Maß gerückt. Gerade mit Blick auf den ägyptischen Aufstand, der aufgrund der drohenden Hungersnot ausgebrochen war, ist dieses Heilshandeln für die Bevölkerung von großer Bedeutung, stellt es Ptolemaios doch als Heilskönig dar. Wichtig ist weiterhin, dass auf diese Weise von nun an einer der bedeutendsten Tage im Jahr mit einem Fest der Herrscher verbunden war. Denn der Tag, an dem der Sothisstern nach 70 Tagen, die er nicht am Nachthimmel zu sehen war, wiedererschien, kündigte die Nilschwelle an, die die Fruchtbarkeit des Landes garantierte. Die Korrektur des „wandernden Kalenders“ wurde auf jeden Fall erst mit der Kalenderreform Caesars durchgesetzt, die 26 v. Chr. von Augustus in Ägypten eingeführt wurde (Malitz). Interessanterweise spielt auch bei dieser Reform die Fixierung der jahreszeitlichen Feste der Ernte oder Weinlese eine Rolle (vgl. Sueton, Iulius 40,1–2 und Plutarch, Caesar 59). Vor dem zweiten Beschluss steht zunächst eine Begründung für die Vergöttlichung der verstorbenen Königstochter: Der König selbst habe auf Bitten der Priester die Verstorbene durch das Aufstellen ihrer Statue im Tempel des Osiris von Kanopos bereits vergöttlicht. Die Königstochter erhielt damit von Ptolemaios III. die gleiche Behandlung wie die verstorbene Arsinoe II. von ihrem Gemahl Ptolemaios II. Im Text der hieroglyphischen Stele von Mendes (Z. 11– 14) heißt es hierzu: „Diese Göttin (= Arsinoe II.) ging hinauf zum Himmel, sie vereinte sich mit dem Leib dessen, [der ihre Schönheit geschaffen hat ...]. Nachdem die Mundöffnung dieser Göttin 4 Tage lang vollzogen worden war, ging sie hinaus als lebende Seele. ... Seine Majestät befahl aufzustellen ihren Ba (= Statue) in allen Tempeln. Es gefiel ihren Priestern, weil sie ihre Ansicht gegenüber den Göttern und ihre Vortrefflichkeit gegenüber den Menschen kannten. ... Ihr (Statuen-)Name wurde gemacht als: Geliebt vom Widder, Göttin, die ihren Bruder liebt (Arsinoe)|.“ (Übersetzung: Schäfer). Die neue Göttin Berenike konnte, wie es bei ägyptischen Gottheiten möglich war, recht einfach an bereits gut bekannte Göttinnen angeglichen werden („Synkretismus“). So etwa an Hathor, die ebenfalls den Beinamen „Herrin der Jungfrauen“ trug, oder auch an Bastet, die das „Auge des Re“ war. Auf diese Göttin spielt auch der „Mythos von der Fernen Göttin“ Tefnut an, den die Priester erwähnen: „und da sie hinschied ... im Monat Tybi, in dem auch die Tochter des Helios (= Re) ursprünglich aus dem Leben schied, die der Vater liebend bald seinen Uräus, bald sein Auge(nlicht) genannt hat.“ Die Priester sorgten mit ihrem Beschluss auf jeden Fall dafür, dass die neue Göttin vollwertig in alle Tempelkulte integriert wurde: Sie erhielt ein Fest, Opfer und Hymnen, genauso

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wie Arsinoe ein Götterbild mit einem eigenen Namen („Berenike, Herrin der Jungfrauen“) im Allerheiligsten und zudem eine Krone, die sich aus den hieroglyphischen Schriftzeichen ihres Namens zusammensetzte. Auch jungfräuliche Priesterinnen wurden in den Dienst der neuen Göttin gestellt und aus dem Tempelvermögen versorgt. Verbunden war der Kult um die neue Gottheit ebenso wie ihre Ikonographie mit der Bitte um Fruchtbarkeit für das ganze Land, denn die erste Halmfrucht sollte ihrem Bild dargebracht werden. So koppelt sich also der zweite Beschluss zu Ehren der Prinzessin an den ersten Beschluss zu Ehren der Herrscher, weil diese Ägypten vor einer Hungersnot bewahrt hatten. & W. SPIEGELBERG, Der demotische Text der Priesterdekrete von Kanopus und Memphis (Rosettana), Heidelberg 1922 (Edition und Übersetzung); F. DAUMAS, Les moyens d’expression du grec et de l’égyptien dans les décrets de Canope et de Memphis, Kairo 1952 (grundlegend zum Verhältnis zwischen griechischem und hieroglyphischem Text); E. WINTER, Der Herrscherkult in den ägyptischen Ptolemäertempeln, in: H. Maehler/V. Strocka (Hg.), Das ptolemäische Ägypten. Akten des internationalen Symposions. 27.–29. September 1976 in Berlin, Mainz 1978, 147–160 (zur Frage der Umsetzung des Herrscherkultes in den Tempeln); J. MALITZ, Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit, in: Ancient Society 18, 1987, 103–131; W. HUß, Die in ptolemaiischer Zeit verfaßten Synodal-Dekrete der ägyptischen Priester, in: ZPE 88, 1991, 189–208, Nr. 5 (mit Bibliographie); E. LANCIERS, Die ägyptischen Priester des ptolemäischen Königskultes, in: RdÉ 42, 1991, 117–145 (zum ägyptischen Herrscherkult); R. S. SIMPSON, Demotic Grammar in the Ptolemaic Sacerdotal Decrees, Oxford 1996 (grammatische Analyse und englische Übersetzung des demotischen Textes); W. CLARYSSE, Ptolémées et temples, in: D. Valbelle/J. Leclant (Hg.), Le décret de Memphis. Colloque de la Fondation Singer-Polignac à l’occasion de la célébration du bicentenaire de la découverte de la pierre de Rosette, Paris 2000, 41–65 (grundlegender Beitrag zum Verhältnis zwischen Priestern und König im Spiegel der Priesterdekrete); K. GEUS, Eratosthenes von Kyrene. Studien zur hellenistischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, München 2002, 207–210; J. F. QUACK, Ein neuer prophetischer Text aus Tebtynis (Papyrus Carlsberg 399 + Papyrus PSI Inv. D. 17 + Papyrus Tebtunis Tait 13 vs.), in: A. Blasius/B. U. Schipper (Hg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, Löwen u.a. 2002, 253–274; St. PFEIFFER, Das Dekret von Kanopos (238 v. Chr.). Kommentar und historische Auswertung eines dreisprachigen Synodaldekretes der ägyptischen Priester zu Ehren Ptolemaios’ III. und seiner Familie, München/Leipzig 2004 (historischer Kommentar); B. LEGRAS, La réforme du calendrier sous Ptolémée III: L’avènement d’une ‚age d’or‘, in: C. Auliard/L. Bodiou (Hg.), Au jardin des Hésperides. Histoire, société et épigraphie des mondes anciens. Mélanges offerts à Alain Tranoy, Rennes 2004, 191– 206 (Vermutung, dass ein neues Zeitalter verkündet wurde); Chr. TIETZE u.a., Ein neues Exemplar des Kanopus-Dekrets aus Bubastis, in: APF 51, 2005, 1–29; I. S. MOYER, Finding a Middle Ground: Culture and Politics in the Ptolemaic Thebaid, in: P. F. Dorman/B. M. Bryan (Hg.), Perspectives on Ptolemaic Thebes. Papers from the Theban Workshop 2006, Chicago 2011, 115–145 (zum Verhältnis Priester/König); H. HAUBEN, Ptolémée III et Bérénice II, divinités cosmiques, in: P. Iossif u.a. (Hg.), More than Men, less than Gods. Studies on Royal Cult and Imperial Worship. Proceedings of the International Colloquium organized by the Belgian School at Athens (November 1–2, 2007), Löwen u.a. 2011, 357–388 (zur Kalenderreform); C. BENNETT, Alexandria and the

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Moon. An Investigation into the Lunar Macedonian Calendar of Ptolemaic Egypt, Löwen u.a. 2011, 179–186 (zum Kalender); J. MURRAY, Anchored in time: The date in Apollonius’ Argonautica, in: M. A. Harder u.a. (Hg.), Hellenistic Poetry in Context, Löwen u.a. 2014, 247–283 (zum Kalender in Apollodoros’ Argonautica, mit problematischer Interpretation der Intention der Reform); I. SAVALLI-LESTRADE, Les adieux à la βασίλισσα. Mise en scène et mise en intrigue de la mort des femmes royales dans le monde hellénistique, in: Chiron 45, 2015, 209–211 (zum Tod der Königstochter); M. BERREY, Hellenistic Science at Court, Boston/Berlin 2017, 119–122 (zur Frage nach den Wissenschaftlern hinter der Kalenderreform).

15. Ein Herrscherkulttempel für Ptolemaios III. und Berenike II. in Hermopolis Magna (zw. 243 und 221 v. Chr.) I.Hermoupolis 1 = SB VIII 9735 = CPI 314 = TM 5949 15. Ein Her rs cherkulttempel in Hermopo lis M agna

In der mittelägyptischen Stadt des Herrn von „Chemenu“ (Stadt der Achtheit), des Gottes Thot, die die Griechen Hermupolis – Stadt des Hermes – nannten, gab es einen bedeutenden Anteil an griechischer Bevölkerung. Ein großer Tempel des Herrscherkultes für das zweite und dritte Ptolemäerpaar zeugt zudem, wie wir der folgenden Inschrift entnehmen können, von der Präsenz zahlreicher Soldaten des Ptolemäerheeres. Erhalten ist von der einst großen Tempelanlage mit Peristylhof unter anderem der vorliegende dorische Architrav aus fünf Blöcken mit einer dreizeiligen Stiftungsinschrift (vgl. Abb. 9). Text und Übersetzung βασιλεῖ Πτολεµαίωι τῶι Πτολεµαίου καὶ Ἀρσινόης, θεῶν Ἀδελφῶν, καὶ βασιλίσσηι Βερενίκηι τῆι ἀδελφῆι αὐτοῦ καὶ γυναικὶ | θεοῖς Εὐεργέταις, καὶ Πτολεµαίωι καὶ Ἀρσινόηι θ̣εοῖς Ἀδελφοῖς τὰ ἀγάλµατα καὶ τὸν ναὸν καὶ τὰ ἄλλα ἐντὸς τοῦ τεµένους | καὶ τὴν στο[ά]ν, οἱ τασσόµενοι ἐν τῶι Ἑρµοπολίτηι νοµῶι κάτοικοι ἱππε[ῖ]ς, εὐεργεσίας ἕνεκεν τῆς εἰς αὐτούς.

„Dem König Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios und der Arsinoe, der Geschwistergötter, und der Königin Berenike, seiner Schwester und Gemahlin, den Wohltätergöttern, und dem Ptolemaios und der Arsinoe, den Geschwistergöttern, (haben) die im hermopolitanischen Gau stationierten Reitersiedler die Statuen und den Schrein und alles andere, was sich im heiligen Bezirk befindet, und die Stoa aufgrund der ihnen erwiesenen Wohltätigkeit (geweiht).“

Kommentar: Ptolemäische Soldaten haben, wie die Inschrift deutlich zu erkennen gibt, dem dritten Ptolemäerpaar einen Tempel inmitten Ägyptens errichtet und ausgestattet. Beigestellt war dem Kult für das dritte Ptolemäerpaar derjenige für deren Eltern. Die Stifter waren als sogenannte Katökenreiter die militärische Elite des Reiches, die die Ptolemäer zu dieser Zeit insbesondere in Makedonien, Thrakien und Thessalien rekrutierten, zur Bindung an ihre Herrschaft

15. Ein Herrscherkulttempel in Hermopolis Magna

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mit Land in Ägypten versahen und in geschlossenen Gemeinschaften in Dorffluren ansiedelten (Scheuble-Reiter). Die in Hermopolis stationierte Kavallerie verfügte über ganz erhebliche finanzielle Mittel, was zeigt, wie gut die Könige ihre Soldatenelite versorgten. Vielleicht hatten die Soldaten die Anlage aus den Mitteln ihrer Beute aus dem Feldzug nach Syrien, den Ptolemaios III. nach seinem Herrschaftsantritt unternommen hatte (vgl. Text 11 und 13), finanziert (Wace, Scheuble-Reiter). Der Architrav ist seiner Bauordnung nach griechisch, was darauf hindeutet, dass auch die gesamte geweihte Tempelanlage griechisch gestaltet war. Wir begegnen hier also einer griechischen Form des Herrscherkultes, der parallel zum Herrscherkult in den ägyptischen Tempeln vollzogen wurde (vgl. Text 13, 14 und 22). Der Text gibt auch genau an, was die Militärsiedler gestiftet hatten: Das Tempelgebäude selbst (naos), die Ausstattung des heiligen Bezirks (temenos), die vier Statuen der im Tempel verehrten beiden Königspaare (agalmata) und die den Bezirk umgebende Porticus (stoa). Der archäologische Befund zeigt, dass es sich um eine enorme, 130 x 60 m große Anlage handelte, die von einer sich an der Umfassungsmauer entlangziehenden dorischen Stoa umgeben war. Der Architrav dürfte nicht den Tempel (Wace u.a.) im Inneren des Platzes geschmückt haben, sondern war wohl eher, da er mit 11,27 m Länge für einen Tempel zu lang ist, an einem Propylon (Höpfner) oder einem Eingang im Südwesten der Anlage (Sjöqvist) angebracht. Es ist bemerkenswert, dass einer der wenigen überhaupt aus Ägypten überlieferten Tempel im klassisch-griechischen Stil gerade ein Tempel des Herrscherkultes ist (McKenzie). Möglicherweise imitierten die Soldaten ein alexandrinisches Vorbild, so dass der archäologische Befund in Hermopolis ein Beispiel für den sicherlich noch prächtiger ausgestalteten alexandrinischen Herrscherkultbezirk bieten dürfte (Fraser; Höpfner). Dass der König und seine Gemahlin von den Zuwanderern aus der hellenistischen Welt einen Ort der kultischen Verehrung erhielten, ist in dieser Zeit nicht weiter ungewöhnlich, und auch die vorliegende Form der Anlage scheint ihre Vorbilder im griechischen Raum zu haben. So waren die ersten Griechen, die einen Herrscherkult schon für Ptolemaios I. eingerichtet hatten, die Bewohner der Insel Rhodos, die dem König damit für die Rettung bei einer Belagerung durch Demetrios Poliorketes danken wollten (vgl. Text 6). Aussagekräftig ist, auch für die vorliegende Inschrift, die Ausgestaltung des von den Rhodiern eingerichteten Herrscherkultes. Diodor (XX 100,3f.) berichtet dazu Folgendes: „Ptolemaios aber wollten sie, indem sie ihm Dank abstatteten, noch übertreffen. So schickten sie eine feierliche Gesandtschaft nach Libyen, die das Orakel im Ammonheiligtum befragen sollte, ob es den Rhodiern raten könne, Ptolemaios als einen Gott zu verehren. Das Orakel stimmte zu. Und so legten sie in der Stadt einen heiligen Bezirk an, viereckig, an jeder Seite mit einer Säulenhalle von der Länge eines Stadions, und nannten diesen Ptolemaion.“ (Übersetzung: Veh/Wirth). Der rhodische Ort des Herrscherkultes bestand also aus einem heiligen Bezirk und einer den Bezirk rahmenden Stoa. Von diesem rhodischen

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Baukomplex gibt es keine Überreste mehr, doch lässt sich seine Anlage mit dem Befund in Hermopolis durchaus vergleichen.

Abb. 9: Die Weihinschrift des Wohltätergöttertempels von Hermopolis auf einem dorischen Architrav. Über der Inschrift sind noch die Reste der Metopen und Triglyphen zu erkennen. Photo: Holger Kockelmann.

Offiziell ist der Tempel von Hermopolis, analog zum Geschehen auf Rhodos, eine Stiftung, die die Gemeinschaft der Katöken vorgenommen hatte und damit nicht von der Herrschaft selbst in Auftrag gegeben wurde. Eine Verbindung zum vom Herrscherhaus organisierten griechischen Dynastiekult, der an den Kult für Alexander den Großen in Alexandria angeschlossen war und in dem auch Ptolemaios I. und Berenike I. verehrt wurden, scheint ebenfalls nicht zu bestehen, da das erste Ptolemäerpaar fehlt. Anders als im ägyptischen religiösen Kontext, in dem die Ptolemäer zu Göttern wurden, die den Tempel mit der jeweiligen ägyptischen Hauptgottheit als synnaoi theoi teilten, war es im vorliegenden griechischen Fall möglich, dass die Herrscher einen eigenen Tempel erhielten. Es ist auch nicht so, dass das zweite Ptolemäerpaar die synnaoi theoi des dritten Ptolemäerpaares waren (Fraser, Pfeiffer), vielmehr waren der lebende König Ptolemaios III. und sein verstorbener Vater mitsamt ihren Gemahlinnen die Hauptgottheiten des neuen Tempels. & A. J. B. WACE, Recent Ptolemaic Finds in Egypt: Alexandria, in: JHS 65, 1945, 108f. (Vorbericht zu den Ausgrabungen); E. SJÖQVIST, Kaisareion. A Study in Architectural Iconography, in: Opuscula Romana 1, 1954, 86–108; A. J. B. WACE u.a., Hermopolis magna, Ashmunein. The Ptolemaic Sanctuary and the Basilica, Alexandria 1959, 4–11 (zur Inschrift und dem archäologischen Befund); Chr. HABICHT, Gottmenschentum und griechische Städte, München 21970 (grundlegende Studie zum hellenistischen Herrscherkult); P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria I, Oxford 1972, 234f. (zur Bedeutung des Herrscherkultes); W. HOEPFNER, Zwei Ptolemaierbauten in Olympia

16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien

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und ein Bauvorhaben in Alexandria, Berlin 1971, 81–83 (zur Archäologie des Baus); P. PENSABENE, Elementi architetonici di Alessandria e di altri siti egiziani, Rom 1993, 248–253 (zur Architektur des Tempels); F. RUMSCHEID, Untersuchungen zur kleinasiatischen Bauornamentik des Hellenismus I, Mainz 1994, 53f.; M. BARANSKI, The Archaeological Setting of the Great Basilica Church at el-Ashmunein, in: D. M. Bailey (Hg.), Archaeological Research in Roman Egypt, Ann Arbor 1996, 103f. (zum Tempel); P. E. STANWICK, Portraits of the Ptolemies. Greek Kings as Egyptian Pharaohs, Austin 2002, 24 (zum Tempel); J. MCKENZIE, The Architecture of Alexandria and Egypt. 300 BC – AD 700, New Haven/London 2007, 56–59 (zum Tempel); St. PFEIFFER, Herrscher- und Dynastiekulte im Ptolemäerreich. Systematik und Einordnung der Kultformen, München 2008, 53f. (zum Herrscherkult im Tempel); S. SCHEUBLE-REITER, Die Katökenreiter im ptolemäischen Ägypten, München 2012 (zu den Katökenreitern), 288– 293 (zum Herrscherkult der Katökenreiter); H. MAEHLER, Hermopolis Magna (GrecoRoman), in: The Encyclopedia of Ancient History VI (2012), 3168f. (zur Geschichte der Stadt); Chr. FISCHER-BOVET, Army and Society in Ptolemaic Egypt, Cambridge 2014, 342f.

16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien (zw. 238 und 221 v. Chr.) SEG XXXIX 1426 = BE 1990, 304 = BE 2003, 543 = PHRC010 Austin, Nr. 272 Standort: Türkei, Mersin Museum 79–215 16. Ein Dos s ier aus der Stadt A rs inoe in Kilik ien

Die Ptolemäer ließen in ihrem Herrschaftsbereich an verschiedenen, strategisch günstig gelegenen Orten Gemeinwesen gründen, um Soldaten zum Schutz der in Besitz genommenen Territorien anzusiedeln. Dies geschah in Ägypten (z.B. im Faijum), am Roten Meer oder in Nubien, also in „barbarischen“ Gegenden, aber auch in schon lange von Griechen bewohnten Regionen wie in Kleinasien. Funktionäre des Ptolemäerstaates übernahmen im Auftrag des Königs die Aufgabe der Stadtgründung. Selbst das ägyptische Ptolemais, das Ptolemaios I. als seinen Stadtgründer verehrte, hatte möglicherweise ein Funktionär namens Hermeias gegründet (vgl. Text 3). Die neugegründeten (oder umbenannten) Städte erhielten fast ausschließlich dynastische Namen, zumeist nach weiblichen Mitgliedern des Herrscherhauses. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Stadt, die ein gewisser Aetos, Sohn des Apollonios, als Stratege im kleinasiatischen Kilikien gegründet und nach der Gemahlin des zweiten Ptolemäers, Arsinoe, benannt hatte. Wahrscheinlich geschah das während des Chremonideischen Krieges (269/8–262/1 v. Chr.; nach Criscuolo erst 246/5 v. Chr.). Eine genaue Lokalisierung des Ortes ist nicht möglich, doch lag er in der Nähe von Nagidos, dem modernen Bozyazı/Türkei. In der späteren Regierungszeit des zweiten Ptolemäers, im 2. Syrischen Krieg (260–253 v. Chr.), fiel Kilikien an die Seleukiden, doch eroberte Ptolemaios III. es kurz nach seinem Herrschaftsantritt zurück. Mit der griechischen Nachbargemeinde Nagidos, auf deren Gebiet Arsinoe gegründet worden war, kam es dann zu einem Streit um das Eigentumsrecht der Siedler an dem Land, das sie

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bebauten und auf das Nagidos immer noch Anspruch erhob. Die Stadt Arsinoe schickte deshalb zwei Gesandte an den ptolemäischen Strategen Kilikiens, Thraseas, einen Sohn des Stadtgründers Aetos, der inzwischen das Amt seines Vaters übernommen hatte. Der Stratege löste das Problem mit diplomatischem Geschick, indem er Nagidos um einen Beschluss „bat“, der die Bürgerschaft von Arsinoe letztlich als autonomes Gemeinwesen, aber im Sinne einer Apoikie („Kolonie“) der Metropolis Nagidos anerkennt. Text und Übersetzung [Θρα]σ̣έας Ἀρσινοέων τῆι πόλει καὶ τοῖς ἄρχουσι χαίρειν. | [ἐκ]ο̣µισάµεθα τὴν παρ’ ὑµῶν ἐπιστολὴν καὶ τῶν πρεσ|[βε]υτῶν Ἀνδροµένους καὶ Φιλοθέου διηκούσαµεν ὑπὲρ τῶν | κατὰ τὴν χώραν. ἐπεὶ οὖν οἱ Ναγιδεῖς, ἐπακολουθήσαντες (5) τοῖς ὑφ’ ἡµῶν παρακληθεῖσιν, ἀφωρίκασιν ὥστε µηδεµιᾶς | ἀντιλογίας ἔτι καταλειποµένης ὑµετέραν εἶναι, καλῶς ποιήσε|τε ἐργαζόµενοί τε πᾶσαν αὐτὴν καὶ καταφυτεύοντες, ὅπως αὐτοί τε | ἐν εὐβοσίαι γίνησθε καὶ τῶι βασιλεῖ τὰς προσόδους πλείους τῶν | ἐν ἀρχῆι γινοµένων συντελῆτε. καὶ γὰρ αὐτοὶ σπουδάζοµεν περὶ (10) ὑµῶν καὶ βουλόµεθα τὴν πόλιν ἀξίαν τῆς ἐπωνυµίας ποιεῖν, πᾶν τὸ | συµφέρον καὶ χρήσιµον συνκατασκευάζοντες καὶ κοινῆι καὶ ἰδίαι τῶν | πολιτῶν ἑκάστωι. διὸ καὶ καλῶς ποιήσετε καὶ αὐτοὶ πολιτευόµεν[οί] | τε κατὰ τρόπον καὶ τὰς θυσίας τὰς εἰθισµένας τῶι τε βασιλεῖ κ[αὶ] | τῆι βασιλίσσηι συντελοῦντες ἐν τοῖς καθήκουσι καιροῖς. ὑπογaεγ[ρά](15)φαµεν δὲ ὑµῖν καὶ τὸ ἀντίγραφον τοῦ παρὰ τῶν Ναγιδέων ἀποσταλέντος | ἡµῖν ψηφίσµατος ὑπὲρ τούτων, ὅπως ἐπ-

[1.: Brief des Thraseas:] „Thraseas sendet der Stadt und den Archonten der Arsinoeer Grüße. Wir haben euren Brief erhalten und eure Gesandten Andromenes und Philotheos wegen der Landangelegenheit gehört. Nachdem nun die Bürger von Nagidos, unseren Bitten Folge leistend, die Abgrenzung (eures Landes) vorgenommen haben, so dass es ohne jedweden verbleibenden Einspruch euer ist, werdet ihr gut daran tun, es ganz zu bearbeiten und zu bepflanzen, damit ihr selbst zu Wohlstand kommt und dem König die Einkünfte größer macht, als es im Anfang geschehen ist. Denn auch wir selbst sind eifrig um euch bemüht und wollen die Stadt würdig ihres Namens machen, indem wir einem jeden von den Bürgern gemeinsam und als Individuen alles Nützliche und Brauchbare bereitstellen. Daher werdet ihr auch gut daran tun, indem ihr euch in rechter Weise als Bürger betätigt und dem König und der Königin zum jeweils erforderlichen Zeitpunkt die üblichen Opfer verrichtet. Wir haben euch unten auch die Abschrift des von den Bürgern von Nagidos an uns zugesandten Volksbeschlusses über diese Dinge aufzeichnen lassen, damit ihr dem Aufgeschriebenen folgt; das Weitere haben wir mit den Gesandten Andromenes und Philotheos besprochen, mit dem Auftrag, es euch

16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien

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ακολουθῆτε τοῖς γεγραµµένοις· | τὰ δὲ πλείονα τοῖς πρεσβευταῖς Ἀνδροµένει καὶ Φιλοθέωι συνδιειλέ|γµεθα, ἐντειλάµενοι ἀπαγγέλλειν ὑµῖν. ἔρρωσθε. |

mitzuteilen. Lebt wohl!“

Λεωσθένης ἐπεστάτει· γνώµηι προστατῶν· ἐπειδὴ Ἀετὸς Ἀπολλωνίου (20) Ἀσπένδιος καὶ ἡµέτερος πολίτης, στρατηγὸς γενόµενος κατὰ Κιλικίαν, | τόπον ἐπίκαιρον καταλαβόµενος πόλιν ἔκτισεν Ἀρσινόην ἐπώνυµον | τῆς µητρὸς τοῦ βασιλέως κ[αὶ κατώ]ιaκισεν οἰκητὰς ἐν τῶι τόπωι καὶ τὴν χώ|ραν ἐµέρισεν οὖσαν ἡµετέρα[ν, ἐ]κ̣βαλὼν τοὺς ἐπινεµοµένους βαρβά|ρους, καὶ νῦν Θρασέας ὁ υἱὸς α̣ὐτ̣ οῦ, ἀποσταλεὶς ὑπὸ τοῦ βασιλέως στ̣ρ[̣ α](25)τηγὸς Κιλικίας, σπεύδει τὴν πόλιν ἐνδοξοτέραν κατασκευάσαι καὶ [ἡµᾶς] | ἠξίωκεν τὴν χώραν τὴν δηµοσίαν ἐπιχωρῆσαι τοῖς κατοικοῦσιν ἔχ[ειν] | εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον αὐτοῖς καὶ ἐκγόνοις, βούλεται δὲ καὶ ἀρχεῖα καθίστασ|θαι κα̣ὶa νόµους ἰδίους κεῖσθαι καὶ τὴν χώραν καταγραφῆναι αὐτοῖς εἰς | [στήλ]ας,

„Leosthenes war Vorsitzender, (Beschluss auf) Antrag der Vorsteher. [1.] Weil Aetos, Sohn des Apollonios, Bürger von Aspendos und bei uns, als er Stratege in Kilikien war, einen günstig gelegenen Ort besetzt und dort eine Stadt Arsinoe gegründet hat, genannt nach der Mutter des Königs (i.e. Ptolemaios’ III.), und an diesem Platz Siedler angesiedelt hat und ihnen das Land zugemessen hat, das uns gehörte, nachdem er Barbaren, die sich dort breitgemacht hatten, vertrieben hatte, [2.] und weil nunmehr sein Sohn Thraseas als vom König entsandter Stratege von Kilikien eifrig bestrebt ist, der Stadt mehr Ansehen zu verleihen, und von uns erwünscht hat, das im Eigentum unserer Stadt befindliche Land den dortigen Siedlern zu übereignen, damit sie und ihre Nachkommen es auf alle Zeit besitzen sollen, und da er wünscht, dass dort auch Behörden eingerichtet werden und dass es eigene Gesetze gibt und dass das Land auf Stelen für sie aufgeschrieben wird, so haben Rat und Volk (von Nagidos) beschlossen, [1.] ihm das städtische Land zu überlassen und den Siedlern, und auch, falls [demnächst] Thraseas dort noch andere (Siedler) ansiedelt, (auch diesen), [2.] ferner Thraseas deshalb zu loben, [3.] und sie sollen dann als von Nagidos ausgeschickte Kolonisten gelten. [4.] Sie sollen ferner auch die Ehrungen für den König, Arsinoe und Berenike

ἔδοξεν τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήµωι· δοῦναι αὐτῶι τὴν χώραν (30) [τὴν δ]ηµοσίαν καὶ τοῖς κατοικοῦσιν καὶ ἐὰν τινὰς ἄλλους Θρασέας | [ποτὲ] κατοικίζηι· ἐπαινέσαι δὲ Θρασέαν, καὶ εἶναι αὐτοὺς ἀποίκους | [Ναγιδ]έων· συντελείτωσαν δὲ καὶ τὰς τιµὰς τῶι βασιλεῖ καὶ Ἀρσινόηι | [καὶ

[2.: Beschluss der Stadt Nagidos:]

110 Βε]ρενίκηι, πεµπέτωσαν δὲ καὶ θεωρὸν ἐκ τῶν ἰδίων ἀνηλωµάτων· | [πολι]τεύσονται δὲ καὶ χρήσονται νόµοις, οἷς ἂν αὐτοὶ θῶνται, ἔστωσαν (35) [δὲ κ]αὶ ἰσοπολῖται Ναγιδέων· ἔστω δὲ αὐτοῖς καὶ µετουσία παραγι|[νοµ]ένοις εἰς τὰ ἱερά· καὶ ἀπογραψάσθωσαν ἕκαστος εἰς φυλὴν | [ἣν ἂ]ν λάχηι, τελοῦντες τὸ γινόµενον· καλείσθωσαν δὲ καὶ οὗτοι, | [ὅτ]αν τῆι Ὁµονοίαι ἡ πόλις θύηι, καὶ φερέτωσαν τὸ γινόµενον· ὡσαύ|[τ]ω‚ς δὲ καὶ, ὅταν Ἀρσινοεῖς θύωσιν Θεοῖς Ἀδελφοῖς, παραγινέσθω(40)[σ]α̣ν Ναγιδεῖς φέροντες τὸ αὐτό· µὴ ἐξέστω δὲ µηκέτι | [Ν]αγιδεῦσιν παρευρέσει µηδεµιᾶι περὶ τῆς χώρας τῆς δοθείσης | [α]ὐτοῖς κατὰ ψήφισµα τοῦτο ἀµφισβητῆσαι· ἐὰν δέ τις ἄρχων προθῆι | [τὸ] δόγµα τοῦτο ἢ ῥήτωρ εἴπηι, ὁ µὲν ἄρχων ἀποτεισάτω δραχµὰς µυρίας | [ἱερ]ὰς Ἀρσινόηι ἀπαραιτήτους, ὁ δὲ ῥήτωρ δραχµὰς χιλίας, καὶ ἡ γνώµη αὐ(45)[το]ῦ̣ ἄκυρος ἔστω· ὅσα δ’ ἂν ἀδικήµατα ἰδίαι γένηται ἑκάστωι, ἐὰν µὲν ὁ | [Ἀρσι]ν̣οεὺς ἐν Ναγίδωι τινὰ ἀδικήσηι ἢ ἀδικηθῆι, λαµβανέτω τὸ δίκαιον καὶ | [διδότ]ω κατὰ τοὺς νόµους τοὺς Ναγιδέων, ἐὰν δὲ ὁ Ναγιδεὺς ἐν Ἀρσινόηι | [τινὰ] ἀ̣δικήσηι ἢ ἀδικηθῆι,

Texte mit durchführen, [5.] des Weiteren auch auf eigene Kosten einen Festgesandten (nach Alexandria?) schicken. [6.] Sie sollen sich politisch engagieren und die Gesetze anwenden, die sie sich selbst geben. [7.] Sie sollen Isopoliten (i.e. dem Bürgerrecht gleich) der Nagider sein, und sie sollen, wenn sie zu den Kulthandlungen kommen, Anteil (daran) haben. [8.] Und jeder soll in diejenige Phyle eingetragen werden, welche er erlost, und die fälligen Abgaben zahlen. [9.] Diese (i.e. die Arsinoeer) sollen auch eingeladen werden, wenn die Stadt (i.e. Nagidos) der Homonoia opfert, und die Abgabe zahlen. [10.] Ebenso sollen, wenn Arsinoeer den Geschwistergöttern (i.e. Ptolemaios II. und Arsinoe II.) opfern, die Nagider dabei sein und dasselbe leisten. [11.] Es soll den Nagidern nicht mehr erlaubt sein, unter keinerlei Vorwand über das ihnen gemäß diesem Beschluss überlassene Land zu streiten, das ihnen (den Arsinoeern) durch diesen Beschluss gegeben ist. Wenn irgendein Archon diese Beschlussvorlage zur Abstimmung stellen oder ein Redner sie beantragen sollte, so soll der Archon zwangsläufig zehntausend der Arsinoe geheiligte Drachmen zahlen, und der Redner tausend Drachmen, und sein Antrag soll ungültig sein. [12.] Zu den Delikten, die auf privater Ebene gegebenenfalls einem einzelnen widerfahren, (soll gelten): Wenn einerseits ein Arsinoeer in Nagidos jemandem Unrecht zufügt oder Unrecht erleidet, soll er (als Obsiegender) das Recht nehmen und (als Verurteilter) geben nach den Gesetzen der Nagider. Wenn

16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien λαµβανέτω τὸ δίκαιον καὶ διδότω κατὰ τοὺς | [νόµου]ς τοὺς Ἀρσινοέων, ἔστω δὲ αὐτοῖς πάντων τῶν ἀδικηµάτων (50) [ἐξ οὗ ἂ]ν̣ χρόνου γένηται τὸ ἀδίκηµα προθεσµία ἐνιαυτός, ἐὰν δέ τ[ις | παρελθ]όντος τοῦ χρόνου γράψηται δίκην ἢ ἐγκαλέσηι, ἄκυρος ἔστω α[ὕ|τη ἡ δίκ]η̣· τὸ δὲ ψήφισµα τοῦτο ἀναγράψαι εἰς στήλας λιθίνας δύο καὶ | [τὴν µὲν] ἀναθεῖναι ἐν τῶι τῆς Ἀφροδίτης ἱερῶι, τὴν δ’ ἑτέραν ἐν [Ἀρ|σινόηι ἐ]ν τῶι Ἀρσινόης τεµένει, τὸ δὲ ἀνήλ̣ωµ ‚ [̣ α τῶν στηλῶν µε(55)ρισάτω (e.g.) τ]ῆς µὲν ἐν Ναγίδωι ὁ ταµίας [ὁ Ναγιδέων, τῆς δὲ ἐν Ἀρ|σινόηι ὁ τα]µίας ὁ Ἀρσινοέων.

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andererseits ein Nagider in Arsinoe jemandem Unrecht zufügt oder Unrecht erleidet, soll er (als Obsiegender) das Recht nehmen und (als Verurteilter) geben nach den Gesetzen der Arsinoeer. [13.] Als Verjährungsfrist für alle Delikte soll ein Jahr gelten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu welchem das Delikt geschehen ist. Wenn aber einer nach Ablauf der Frist eine öffentliche oder private Klage anstrengt, soll diese Klage ungültig sein. [Veröffentlichungsbestimmungen:] Diesen Beschluss soll man aufzeichnen auf zwei steinerne Stelen und die eine soll man im Heiligtum der Aphrodite aufstellen, die andere in Arsinoe im heiligen Bezirk der Arsinoe. Die Kosten aber [für die Stelen soll bezahlen]: für die in Nagidos der Schatzmeister [der Nagider; für die in Arsinoe der] Schatzmeister der Arsinoeer.“ Übersetzung: nach Petzl

Kommentar: Die Inschrift besteht aus zwei Dokumenten. Das erste ist ein Brief des Thraseas an die Stadt Arsinoe, das zweite ein Volksbeschluss der Stadt Nagidos. Aufgrund dieses Beschlusses der Nagidier entsteht der Eindruck, dass die Stadt Arsinoe gerade erst als Polis von Nagidos aus konstituiert wurde, es sich also um eine Apoikie („Kolonie“) von Nagidos handelte. Das ist aber möglicherweise falsch, da Arsinoe bereits vom Vater des Thraseas, Aetos, als verfasste Polis gegründet worden sein dürfte. Es war aber zu Landstreitigkeiten zwischen beiden Städten gekommen: Die Bürger von Arsinoe bebauten Land, das der alten Stadt Nagidos gehörte, das aber der Stadtgründer Aetos den Arsinoeern zur Verfügung gestellt hatte – sicherlich ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Bürgerschaft von Nagidos. Thraseas löste diesen Streit nun derart, dass er Arsinoe konstitutionell und kultisch an Nagidos band bzw. korrekt, die Bitte an die Nagidier heranträgt, einen solchen Beschluss zu verabschieden – eine Bitte, der die Nagidier, wie der angefügte Beschluss zeigt, nachgekommen sind. Auf diese Weise war also Arsinoe keine ptolemäische Gründung mehr, sondern eine „Ausgründung“ der Stadt Nagidos. Gleichzeitig war damit der Anspruch auf das Land, das ehemals Nagidos gehörte, für die Neubürger von Arsinoe legitimiert, denn Nagidos hatte es auf diese Weise den Arsinoeern,

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den Bürgern ihrer Apoikie, zum Zwecke ihrer Autarkie „zur Verfügung“ gestellt. Dem Brief des Thraseas an die Arsinoeer ist recht deutlich zu entnehmen, wozu das Land dienen sollte: Der Wohlstand der Stadt sollte natürlich garantiert werden, gleichzeitig sollten die Arsinoeer aber vor allem Abgaben für den König erwirtschaften. Deshalb verbindet Thraseas mit dem Schreiben auch die explizite Aufforderung der Urbarmachung. Die Bewohner der Stadt Arsinoe sollen zudem ihrer Bürgerpflicht nachkommen, indem sie die regelmäßigen Opfer für den König und die Königin vollziehen (Z. 13/14) – gemeint sein müssen Ptolemaios III. und Berenike II. Diese Opfer fanden, wie wir aus dem Dekret von Alexandria (243 v. Chr.; Text 13) wissen, an drei Tagen des Monats statt: am Geburtstag des Königs (dem fünften jedes Monats), am Tag der Thronbesteigung (dem 25. jedes Monats) und am Geburtstag der Königin (dem neunten jedes Monats). Es sollte sich also um ein loyales und für die Herrschaft ertragreiches Gemeinwesen handeln. Der zweite Teil der Inschrift enthält die Abschrift des Beschlusses der Stadt Nagidos. In demokratischer Form hatten die prostatai (Vorsteher der Volksversammlung) einen Antrag gestellt, den die versammelte Bürgerschaft danach in Form eines Volksbeschlusses übernommen hat. Dieser Beschluss gliedert sich in mehrere Teile: Als erstes wird eine Begründung angeführt, dann verschiedene Beschlussbestimmungen, es folgen Strafbestimmungen, und zu guter Letzt Veröffentlichungsbestimmungen. Von nun an ist Arsinoe eine autonome Apoikie der Nagidier. In die Beschlussbegründung dürfte vielleicht wörtlich die schriftliche Aufforderung des Thraseas an Nagidos Eingang gefunden haben – indirekt wäre damit also auch ein drittes Schriftstück Teil des Dossiers. Die Begründung gibt Aufschluss über das Gründungsgeschehen von Arsinoe: Thraseas war der Sohn des Stadtgründers Aetos. Aetos, wohl der Sohn des berühmten Dioiketen Apollonios zur Zeit Ptolemaios’ II. (Criscuolo), hatte das Bürgerrecht der Stadt Aspendos (im kleinasiatischen Pamphylien) und ebenso das von Nagidos. In der Gemarkung von Nagidos gab es einen Landstrich, den sich „Barbaren“ angeeignet hatten, die Aetos vertreiben konnte. Wer diese Barbaren waren, muss offen bleiben – vielleicht handelte es sich um die lokale Urbevölkerung, landlose Gallier oder andere Zuwanderer oder gar die seleukidischen Truppen, die diffamierend als Barbaren bezeichnet wurden. Nachdem Aetos sie beseitigt hatte, vergab er das Land an Siedler der von ihm an einem strategisch günstigen Punkt gegründeten Stadt Arsinoe. Rechtlich war dieses Land jedoch weiterhin Eigentum der Stadt Nagidos. In der Begründung heißt es weiterhin, dass der Stratege Thraseas verschiedene „Wünsche“ an die Bürgerschaft von Nagidos gerichtet habe: 1. Nagidos soll das von den Siedlern besiedelte Land an diese übereignen, 2. es sollen Behörden in Arsinoe eingerichtet werden, 3. Arsinoe solle eine eigene Gesetzgebung be-

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sitzen und 4. soll ein Kataster (?) erstellt/sollen Grenzstelen (?) für das den Arsinoeern gehörende Lande aufgestellt werden. Es folgt der Beschluss mit der üblichen Einleitung „Rat und Volk haben beschlossen“. Sie legitimieren nach dem üblichen demokratischen Vorgehen alle „Wünsche“ des ptolemäischen Strategen. Aus dem Zwang der Herrschaft wurde auf diese Weise eine vorgeblich selbstbestimmte Beschneidung der städtischen Eigentumsrechte. Folgende Punkte führen die Nagidier an: 1. Der wichtigste Beschlusspunkt steht an erster Stelle: Das von den arsinoitischen Siedlern bebaute Land in der Gemarkung von Nagidos wird dem Thraseas zur Landversorgung der Arsinoer übereignet. Die einzelnen Bestandteile dieser Bestimmung sind aber durch weitere Beschlusspunkte voneinander getrennt. So erfährt man, dass, falls Thraseas gedenkt, weitere Siedler nach Arsinoe zu bringen, diese, genauso wie die, die dort bereits leben, als Kolonisten von Nagidos anerkannt werden (Punkt 3). Das Siedlerterritorium befindet sich nun, wie es weiter unten heißt, im Eigentum der Siedler und hierüber darf von Bürgern aus Nagidos kein Rechtsstreit mehr angestrengt werden. 2. Thraseas ist zu loben (Punkt 2). Es wird nicht weiter ausgeführt, aus welchem Grund. Außerdem ist dies ein nur kurzer Einschub mitten in den Bestimmungen zum Status des Landes und der Kolonisten. 3. Die Bürger von Arsinoe sollen die Ehrenfeierlichkeiten/Opfer für den König, für Arsinoe und Berenike begehen (Punkt 4). Hierzu soll auch auf eigene Kosten ein Festgesandter (möglicherweise nach Alexandria; vgl. Text 6) geschickt werden (Punkt 5). Die Stadt wird also in die ideelle Herrscherkulttopographie des gesamten Ptolemäerreiches eingebunden. 4. Die Bürger von Arsinoe sollen sich politisch engagieren (Punkt 6), was heißt, dass es nun eine politische Verfasstheit in Arsinoe gab, die unabhängig von Nagidos war. Das bringt es mit sich, dass die Stadt eigene Gesetze erhielt. Damit war Arsinoe politisch und rechtlich nicht mehr an die Gesetzgebung der Mutterstadt Nagidos gebunden. 5. Der Status als Apoikie von Nagidos brachte den Arsinoeern den Vorteil, dass sie auch das Bürgerrecht von Nagidos erhielten (Isopolitie). Hierzu mussten sie einer der Phylen, also Bürgerschaftsabteilungen der Stadt, zugeteilt werden, was per Los vorgenommen werden sollte (Punkt 8). An die Zugehörigkeit zu einer Phyle war wiederum üblicherweise das Bürgerrecht gebunden (vgl. Text 4 und 7). 6. Auch die Kultgemeinschaft wurde beschlossen (Punkt 7). Hierzu gehörte für die Arsinoeer die Möglichkeit, am Fest der nagidischen Stadtgöttin Homonoia (der personifizierten Eintracht) teilzunehmen (Punkt 9), was aber auch die Entrichtung der hierfür notwendigen Abgabe mit sich brachte. Diese Göttin ist sicherlich ganz bewusst anstelle der Stadtgöttin Aphrodite gewählt, um zu zeigen, dass tatsächlich Eintracht zwischen beiden Städten herrscht. Gleichzeitig kam aber für die Nagidier eine neue Abgabe hinzu, denn auch sie waren jetzt zum Fest der Hauptgötter von Arsinoe eingeladen. Sie mussten also die ent-

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sprechenden Kontributionen für das Fest Ptolemaios’ II. und Arsinoes II. anlässlich der Arsinoeia entrichten (Punkt 10). 7. Da Nagidos eine demokratisch organisierte Polis war, hätte die Möglichkeit bestanden, zu einem späteren Zeitpunkt den hier gefassten Beschluss über die Landzuweisung an die Arsinoer zu revidieren. Aus diesem Grund untersagt der vorliegende Beschluss bei Strafe (Punkt 11), jemals wieder über das nun den Arsinoeern gehörende Land zu verhandeln. Es soll nicht möglich sein, auf demokratischem Weg, also durch eine entsprechend in die Volksversammlung eingebrachte Beschlussvorlage, das einmal zugunsten der Arsinoeer Beschlossene wieder zu revidieren. 8. Rechtsstreitigkeiten zwischen den Bürgern beider Städte sollen nach dem Recht der Polis verhandelt werden, in der das Delikt geschehen ist (Punkt 12 und 13). Damit ist klar, dass trotz aller Gemeinsamkeit eine zukünftige Auseinanderentwicklung zumindest der rechtlichen Regelungen in beiden Städten vorhersehbar war. Die Veröffentlichungsbestimmungen sehen vor, den Beschluss auf zwei Stelen publizieren zu lassen, die am Tempel der jeweiligen städtischen Hauptgottheit – also der Aphrodite von Nagidos und der Arsinoe von Arsinoe – zur Aufstellung kommen sollten. So lässt sich vermuten, dass die Nagidier zum Zeitpunkt der rechtlichen Konstituierung von Arsinoe als Apoikie noch ein Bestimmungsrecht für Arsinoe hatten, denn sie beschlossen nicht nur, dass die Bürger von Arsinoe die betreffende Stele im Heiligtum der Arsinoe aufstellen müssen, sondern auch, dass die Finanzierung aus der Kasse von Arsinoe gewährleistet sein muss. Der Beschluss gibt über die „Stadtgründung“ hinaus wichtige Informationen zum ptolemäischen Herrscherkult. So ist festzustellen, dass die ptolemäischen Herrscherpaare im griechischen Raum als vollwertige Götter anerkannt wurden bzw. werden mussten. Die Hauptgottheit der neuen Stadt war schließlich Arsinoe II., die Gemahlin des zweiten Ptolemäers. Sie hatte auch einen eigenen heiligen Bezirk. Für das verstorbene zweite Ptolemäerpaar, die Geschwistergötter, gab es weiterhin einen städtischen Kult. Auch die Nagidier wurden zu diesem Kult verpflichtet. Es gab zudem Ehrungen für den amtierenden König, also Ptolemaios III., Arsinoe II. und eine gewisse Berenike (Z. 32/33). Da sie nicht den Titel „Königin“ trägt, gibt es die Vermutung, dass hiermit die Königstochter Berenike gemeint ist, die nach Beschluss des Dekretes von Kanopos zu einer Göttin erhoben worden war (Jones/Habicht). Hiergegen spricht, dass auch diese, wie wir aus dem Dekret von Kanopos wissen, bereits von Geburt an als Königin bezeichnet wurde (Text 14: „die dem König Ptolemaios und der Königin Berenike, den Wohltätergöttern, geborene und Berenike genannte Tochter, die auch sofort als Königin ausgerufen worden war.“). Der griechische Titel Königin beschränkte sich nicht nur auf die Königsgemahlin, sondern war Bezeichnung für alle weiblichen Mitglieder der Dynastie. So ist es wahrscheinlicher, dass im vorliegenden Fall schlicht die Gemahlin des dritten Ptolemäers, Berenike II.,

16. Ein Dossier aus der Stadt Arsinoe in Kilikien

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gemeint ist, die gemeinsam mit dem König die zu Anfang der Inschrift erwähnten Opfer erhält (Z. 13/14; vgl. Caneva PHRC010). Selbst nach der Eroberung und der seleukidischen Inbesitznahme Kilikiens im Jahr 197 v. Chr. behielt die Stadt ihren ptolemäischen Namen, denn noch Strabon (XIV 5,3) erwähnt Arsinoe, das zwischen Anemurion, Nagidos und Lelenderis liegen soll. Es könnte sich um einen Küstenort handeln, der heute Molla Veli Çiftliği heißt (Jones/Habicht). Die weitere erfolgreiche Karriere des Thraseas wiederum zeigt ein Reiterbild Ptolemaios’ IV., das Thraseas als dessen Stratege Syriens und Phöniziens, sicherlich infolge der Rückeroberung der Region nach dem 5. Syrischen Krieg, weihte (SEG LVI 1881; Rey-Coquais; vgl. Text 18). Sein Sohn Ptolemaios wiederum, der ebenfalls Stratege der Region war, wechselte nach dem Verlust Koilesyriens an die Seleukiden die Seiten und übte das Amt nun für die Seleukiden aus (OGIS I 230; vgl. Heinrichs). & V. TSCHERIKOVER, Die hellenistischen Stadtgründungen von Alexander dem Grossen bis auf die Römerzeit, Leipzig 1927 (grundlegend zu Stadtgründungen im Hellenismus); W. LESCHHORN, „Gründer der Stadt“. Studien zu einem politisch-religiösen Phänomen der griechischen Geschichte, Stuttgart 1984; I. OPELT/E. KIRSTEN, Eine Urkunde der Gründung von Arsinoe in Kilikien, in: ZPE 77, 1989, 55–66 (ed. pr.); J.P. REY-COQUAIS, Apports d’inscriptions inédites de Syrie et de Phénicie aux listes de divinités ou à la prosopographie de l’Égypte hellénistique ou romaine, in: L. Criscuolo/G. Geraci (Hg.), Egitto e storia antica dall’Ellenismo all’età araba. Bilancio di un confronto. Atti del Colloquio Internationale, Bologna, 31 agosto – 2 settembre 1987, Bologna 1989, 614–617 (zu Thraseas); C. P. JONES/Chr. HABICHT, A Hellenistic Inscription from Arsinoe in Cilicia, in: Phoenix 43, 1989, 317–346 (vgl. Ph. GAUTHIER, BE 1990, Nr. 304); J. HENGSTL, „Lokales Recht“ im außerrömischen Bereich – anhand einer neugefundenen Inschrift aus dem ptolemäischen Kilikien, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 109, 1992, 486–500; A. CHANIOTIS, Ein diplomatischer Statthalter nimmt Rücksicht auf den verletzten Stolz zweier hellenistischer Kleinpoleis (Nagidos und Arsinoe), in: Epigraphica Anatolica 21, 1993, 33–42; S. L. AGER, Interstate Arbitrations in the Greek World 337–90 B.C., Berkeley/Los Angeles 1996, Nr. 42; G. THÉRIAULT, Les culte d’Homonoia dans les cités grecques, Lyon/Quebec 1996, 81f.; A. MAGNETTO, Gli arbitrati interstatali greci. Introduzione, testo critico, traduzione, commento e indici, vol. II: Dal 337 al 196 a.C., Pisa 1997, 40; L. CRISCUOLO, Il dieceta Apollonios e Arsinoe, in: H. Melaerts (Hg.), Le culte du souverain dans l’Égypte ptolémaïque au IIIe siècle avant notre ère, Löwen 1998, 62–64 (zur Filiation des Aetos); S. HAGEL/K. TOMASCHITZ, Repertorium der westkilikischen Inschriften nach den Scheden der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Suppl. 22 a TAM, Wien 1998, Ars 1; P. BRIANT, Colonizatione ellenistica e popolazione locale, in: S. Settis (Hg.), I Greci. Storia Cultura Arte Società II. Una storia greca. Definizione, Florenz 1999, 309–333; G. PETZL, Das Inschriftendossier zur Neugründung von Arsinoe in Kilikien: Textkorrekturen, in: ZPE 139, 2002, 83–88; A. BENCIVENNI, Progetti di riforme costituzionali nelle epigrafi greche dei secoli IV–II a.C., Bologna 2003, Nr. 10. (letzte Edition, Lesung Z. 29; ausführlicher Kommentar); G. M. COHEN, The Hellenistic Settlements in Syria, the Red Sea Basin, and North Africa, Berkeley 2006 (zu ptole-

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mäischen Stadtgründungen); J. HEINRICHS, Antiochos III and Ptolemy, Son of Thraseas, on Private Villages in Syria Koile around 200 BC: The Hefzibah Dossier, in: ZPE 206, 2018, 298–301 (zur Familiengeschichte des Thraseas).

17. Das älteste bekannte jüdische Gebetshaus außerhalb Israels (zw. 246 und 221 v. Chr.) OGIS II 726 = I.Delta 414, Nr. 3 = SB V 8922 = CPJ III 1440 = JIGRE 22 = TM 6415 TUAT N.F. 6 IX 2.3 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 31 17. Das ältes te bekannte jüdis che Gebets haus außerhalb Is raels

Bereits die persischen Könige hatten jüdische Soldaten zur militärischen Sicherung fest in Ägypten stationiert. Das belegt die Garnison von Elephantine, die sogar über einen eigenen jüdischen Tempel verfügte. Unter den ersten beiden Ptolemäern kamen zahlreiche jüdische Kriegsgefangene nach Ägypten, die, wie ihre Vorfahren persischer Zeit, als Soldaten im Land angesiedelt wurden (Pfeiffer/von Recklinghausen). Insbesondere Alexandria entwickelte sich zu einem blühenden Ort jüdischen Lebens mit einer großen jüdischen Gemeinde, die in Form einer Landsmannschaft eigenen Rechts (politeuma) konstituiert war (vgl. Sänger). Natürlich gab es hier zahlreiche Gebetshäuser, proseuchai genannt (vgl. Philo, legatio ad Gaium 132; SB I 589; OGIS II 742; Text 38). Auch in der Chora selbst, etwa in Schedia (vgl. Text 2 und 60), einer wichtigen Warenumschlagstation, wo der nach Alexandria führende Kanal Agathos Daimon vom kanopischen Nilarm abzweigte, hat es eine jüdische Gemeinde gegeben, die ihrem Gott ein Gebetshaus (proseuche) mit vorliegender Inschrift weihte. Es handelt sich um den frühesten Beleg für eine jüdische Versammlungsstätte außerhalb Israels, sieht man vom sogenannten jüdischen Tempel auf Elephantine ab. Text und Übersetzung ὑπὲρ βασιλέως | Πτολεµαίου καὶ | βασιλίσσης | Βερενίκης ἀδελ(5)φῆς καὶ γυναικὸς καὶ | τῶν τέκνων | τὴν προσευχὴν | οἱ Ἰουδαῖοι.

„Zugunsten des Königs Ptolemaios und der Königin Berenike, der Schwester und Gemahlin, und ihrer Kinder, (haben) die Juden das Gebetshaus (geweiht).“

Kommentar: Ein Gebetshaus (vgl. Apostelgeschichte 16,13 und 16) war sicherlich nicht nur der religiöse, sondern auch der soziale Mittel- und damit Treffpunkt der Juden in Ägypten. Diese waren in Form von lokalen Landsmannschaften (politeumata) organisiert und trafen sich zu Festen, hielten den Rat ab und sammelten hier wohl auch die Tempelsteuer für Jerusalem ein (Kasher). Das kommt insbesondere in der späteren Bezeichnung des jüdischen Gebetshauses als synagoge – „Versammlung(sort)“ – zum Ausdruck. In Ägyp-

17. Das älteste bekannte jüdische Gebetshaus außerhalb Israels

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ten werden diese Häuser jedoch als proseuchai bezeichnet, das Wort Synagoge kommt erst seit dem 1. Jh. n. Chr. in Palästina auf (SEG VIII 170 = Boffo, Nr. 31). Da der vorliegende Stein in Schedia gefunden wurde, dürften „die Juden von Schedia“ (οἱ ἀπὸ Σχεδίας Ἰουδαῖοι) Stifter des Gebetshauses gewesen sein. Möglicherweise war ihr politeuma in Schedia mit der Flusswacht beauftragt, die ihnen – nach Flavius Josephus – Ptolemaios III. zugestanden hatte (contra Apionem II 64; vgl. JIGRE, S. 36). Im 3. Makkabäerbuch spielt der Ort Schedia ebenfalls eine Rolle (4,11). Die Weihung zeigt, dass die Juden in Ägypten eine große Nähe zum Königshaus suchten, denn sie stifteten ihre proseuche, wie es auch häufig bei Weihungen von Ägyptern und Griechen zu finden ist, „zum Heile/zugunsten“ der Herrscherfamilie. Das wird noch deutlicher bei einer ähnlichen Weihung aus dem 1. Jh. v. Chr., die in Alexandria „dem großen erhörenden Gott“ zugunsten der Herrscher gestiftet war (JIGRE 13). Man hatte also das Gebot des „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein“ (Deut 6,4), das einen Herrscherkult unmöglich machte, nicht missachtet, und trotzdem die Loyalität zum König mit der „zugunsten“-Formel zum Ausdruck bringen können. Gleichzeitig scheint es keine Umstände bereitet zu haben, dass die dynastische Fiktion einer Geschwisterehe Ptolemaios’ III. mit seiner Nichte Berenike II., die dem Vorbild der Ehe Ptolemaios’ II. mit seiner Schwester Arsinoe II. folgte, eigentlich jüdischen Geboten widersprach (Lev 18,9). Auf diese Weise war das Gebetshaus auch ein Ort der Herrscherverehrung und stand damit in gewisser Weise unter dem besonderen Schutz der Könige, denn eine Person, die sich gegen den Ort verging, verging sich auch an einem dem Herrscherheil geweihten Ort. Philo von Alexandrien schrieb deshalb ganz zu Recht an den römischen Kaiser, als es im Jahr 38 n. Chr. zum ersten Pogrom gegen die Juden und zur Entweihung der Gebetshäuser in Alexandria gekommen war: „Wisst ihr denn nicht, dass überall in der bewohnten Welt die Gotteshäuser ganz eindeutig für die Juden Stätten sind, wo das Kaiserhaus verehrt wird?“ (in Flaccum 49; Übersetzung: Cohn u.a.). & M. HENGEL, Proseuche und Synagoge: Jüdische Gemeinde, Gotteshaus und Gottesdienst in der Diaspora und in Palästina, in: G. Jeremias u.a. (Hg.), Tradition und Glaube: Das frühe Christentum in seiner Umwelt. Festschrift für Karl Georg Kuhn zum 65. Geburtstag, Göttingen 1971, 157–183; P.-E. DION, Synagogues et temples dans l’Égypte hellénistique, in: Science et Esprit 29, 1977, 45–75; A. KASHER, Three Jewish communities of Lower Egypt in the Ptolemaic period, in: SCI 2, 1975, 114–117; J. GUTMANN, Ancient Synagogues. The State of Research, Ann Arbor 1981 (Forschungsüberblick); A. KASHER, The Jews in Hellenistic and Roman Egypt: The Struggle for Equal Rights, Tübingen 1985, 107–114 (zum jüdischen Leben in Schedia); L. BOFFO, Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, Brescia 1994, Nr. 1 (italienische Übersetzung, ausführlicher Kommentar und Zusammenstellung der Literatur); A. KASHER, Synagogues as ‚House of Prayer‘ and ‚Holy Places‘ in the Jewish Communities of Hellenistic and Roman Egypt, in: D. Urman/P. V. M. Flesher (Hg.), Ancient Synagogues: Historical Analysis and Archaeological Discovery I, Leiden 1995, 205– 225 (zur Funktion der Gebetshäuser in Ägypten); J. MÉLÈZE MODRZEJEWSKI, The Jews

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of Egypt. From Ramses II to Emperor Hadrian, Princeton 1995 (zum jüdischen Leben in Ägypten); L. I. LEVINE, The Ancient Synagogue. The First Thousand Years, New Haven/London 1999 (zur Funktion der Synagoge vor 70 n. Chr.); J. M. S. COWEY/K. MARESCH, Urkunden des Politeuma der Juden von Herakleopolis (144/3–133/2 v. Chr.) (P. Polit. Iud.). Papyri aus den Sammlungen von Heidelberg, Köln, München und Wien, Wiesbaden 2001 (zu den jüdischen politeumata); J. BINGEN, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 275f. (zur „zugunsten“-Formel); S. SCHEUBLE, Inschriften aus Schedia, in: Chiron 39, 2009, 502, Anm. 93 (zur Inschrift); St. PFEIFFER/D. VON RECKLINGHAUSEN, Inversion des Exodus: Aus der Sklaverei in die Freiheit. Juden im frühptolemäischen Ägypten, in: H. Knuf u.a. (Hg.), Honi soit qui mal y pense. Studien zum pharaonischen, griechischrömischen und spätantiken Ägypten zu Ehren von Heinz-Josef Thissen, Löwen u.a. 2010, 405–418 (zur Zuwanderung von Juden nach Ägypten); Th. KRUSE, Das jüdische politeuma von Herakleopolis in Ägypten. Zur Methode der Integration ethnischer Gruppen in den Staat der Ptolemäer, in: V. Dementyeva/T. Schmitt (Hg.), Volk und Demokratie im Altertum, Göttingen 2010, 93–105 (zur Landsmannschaft der Juden); P. SÄNGER, Die ptolemäische Organisationsform politeuma. Ein Herrschaftsinstrument zugunsten jüdischer und anderer hellenischer Gemeinschaften, Tübingen 2019 (grundlegende Studie zu den jüdischen politeumata in Ägypten).

18. Eine Weihung in Joppe/Jaffa (bei Tel Aviv/Israel) kurz nach dem Sieg von Raphia (217 v. Chr.) CIIP III 2172 = SEG LIII 1846 = SEG XX 467 = SB VIII 10160 = TM 6180 Standort: Tel Aviv, Archäologisches Museum IAA-1993-2061 18. Eine Weihung in J oppe/J affa

Die Ptolemäer führten zahlreiche Kriege mit den Seleukiden. Kurz nach der Herrschaftsübernahme des vierten Ptolemäers, im Jahr 221 v. Chr., kam es zum 4. Syrischen Krieg gegen Antiochos III., den Ptolemaios IV. in der Schlacht von Raphia 217 v. Chr. schlagen konnte. Anlässlich dieses Sieges bereiste der König das zurückgewonnene Syrien und Phönizien. Vielleicht ist die vorliegende Inschrift, die bei den Ausgrabungen in Joppe gefunden wurde, ein Zeugnis dieser Reise. Es handelt sich um eine der frühesten Inschriften griechischer Sprache in Koilesyrien überhaupt (Fitzmyer). Sie ist auf einer weißen Marmorplatte angebracht, die das Podest einer Statue des Königs geziert haben könnte. Die lässt sich mit fünf weiteren Stiftungen vergesellschaften, die in dieser Zeit in der Region für Ptolemaios IV. errichtet wurden: SEG LVI 1881 (Tyros), SEG VII 326 (Qana), SEG XXXVIII 1571 (Libo), CIIP IV 3514 und 3513 (Marisa). Eventuell ist auch die Entstehung des Hefzibah Dossiers dieser Reise zuzuordnen (OGIS I 234–244; Heinrichs). Text und Übersetzung Βασιλέα µέγαν Πτολεµαῖον | θεὸν Φιλοπάτορα τὸν ἐγ βασιλέως | Πτολεµαίου κα βασιλίσσης | Βερε-

„Den Großkönig Ptolemaios (i.e. seine Statue), den Vaterliebenden Gott, den Sohn des Königs Ptole-

18. Eine Weihung in Joppe/Jaffa νίκης θεῶν Εὐε̣ργε̣τῶν, (5) καὶ Πτ̣ο[λε]µα[ίο]υ βασιλέως | [Φιλ]αδ[έλ]φ[ου ἔκγον]ον, Ἀνα̣ξικλῆς | [ — c. 8–10 — ἱ]ερεὺς τοῦ βασι|[λέως ἀνέθηκεν (?) — — —.]

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maios und der Königin Berenike, der Wohltätergötter, und Enkel des Ptolemaios, des Königs Philadelphos, [hat geweiht/geehrt?] Anaxikles, [...] Priester des Königs.“

Kommentar: Der Herrscherkultpriester Anaxikles versah Ptolemaios IV. in dieser Weihung mit dem Titel Großkönig – basileus megas. Anaxikles stellte den vierten Ptolemäer also in eine alte orientalische Tradition, denn es handelt sich um einen von den Perserkönigen (vgl. Aischylos, Perser 24) geführten Königstitel, der möglicherweise auch mit dem Titel „König der Könige“ zu verbinden ist. So beginnt der Titel des Perserkönigs nach der Besitun-Inschrift mit xšâyathiya vazraka xšâyathiya xšâyathiyânâm: „Großer König, König der Könige“. Hiermit brachte der König seine Oberherrschaft über verschiedene Völker und Territorien zum Ausdruck. Im vorliegenden Fall könnte der von den Ptolemäern selten geführte Titel vielleicht deshalb gewählt worden sein, weil Ptolemaios im Osten einen großen Erfolg gegen Antiochos III. (reg. 223–187 v. Chr.) feiern konnte. Schon Ptolemaios III. (vgl. Text 11) hatte sich nach seinem Sieg über die Seleukiden in seiner Siegesinschrift Großkönig genannt. Der zunächst von Ptolemaios IV. besiegte Antiochos III. wiederum nahm denselben Titel spätestens nach seinem Sieg über Ptolemaios V. und der Eroberung KoileSyriens an. Anaxikles, der Weihende, ist ein Priester des Königs. Deshalb übte er den Herrscherkult in einem Vereins- oder wahrscheinlicher sogar städtischen Kontext aus, der, wie es der griechische Name Anaxikles vermuten lässt, im griechischen Milieu Jaffas zu verorten ist. Andererseits wirft der eindeutig griechische Name im lokalen semitischen Kontext Fragen auf. So kann berechtigterweise eine semitische Herkunft des Trägers erwogen werden (Huß), wenn man den Namensbestandteil Anax- (Ἄναξ-), eigentlich das griechische Wort für „Herrscher“, auf den semitischen Gottesnamen Adon (Adn) – der „Herr“ – zurückführt. Stimmt diese These, dann handelt es sich um einen sogenannten Decknamen (covername): Anaxikles hatte seinen semitischen Namen „Adon ist erhaben“ (Adnrm) einfach übersetzt, indem er die griechische Entsprechung „ruhmreicher/erhabener Herrscher“ wählte. In diesem Falle wäre Anaxikles also ein indigener Semite, der sich aber an das kulturelle griechische Milieu angepasst hatte, ohne auf seine Wurzeln verzichten zu müssen. Wenn die Stiftung von einem städtischen Kult für Ptolemaios zeugen sollte, könnte es sich um den Kult der von den Ptolemäern mit dem Polisrecht ausgestatteten Stadt Joppe handeln. Diese Stadt war ein wichtiger ptolemäischer Handelshafen und für das Königshaus auch deshalb nicht ganz unbedeutend, weil sich in ihrer Nähe große königliche Domänen befanden. Die Datierung in die Zeit „aus den ersten Monaten nach der Schlacht von Raphia“ (Lifshitz, Hazzard, Lupu) basiert auf der Vermutung, dass der geehrte

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vierte Ptolemäer (reg. 222/1–204 v. Chr.) im Anschluss an die von ihm siegreich geführte Schlacht von Raphia gegen die Seleukiden einen Herrscherkult in Joppe erhielt. Die Inschrift und das Standbild des Königs wären möglicherweise im Zusammenhang mit der Reise des Königs durch das Land gestiftet worden. Von einer solchen Reise ist, wenn der Text auf diese Weise zu verstehen ist, auch im ägyptischen Priesterdekret von Raphia die Rede, denn hier heißt es im allein demotisch überlieferten Text über die Ereignisse nach dem Sieg: „Er durchzog die übrigen Orte, die in seinem Reiche waren. Er ging in die Tempel, die dort waren. Er machte Brandopfer und Trankopfer, indem alle Menschen, die in den Städten waren, ihn empfingen, indem ihr Herz froh war, indem sie ein Fest feierten, indem sie herauskamen ihm entgegen mit den Schreinen der Götter, ... Manche gaben ihm einen Goldkranz, indem sie verkündeten (versprachen), ihm eine Königsstatue aufzustellen und ihm einen Tempel zu bauen.“ (demot. Text, Z. 14f.; Übersetzung: Thissen). Vielleicht ist also die vorliegende Statuenstiftung ein Beleg für die Aussage des Dekretes (Boffo). Da Ptolemaios IV. seit der Heirat mit Arsinoe III. 220 v. Chr. zumindest in Ägypten den Kult gemeinsam mit ihr erhielt, ergibt sich das Problem, dass seine Gemahlin in vorliegender Dedikation nicht erwähnt ist, die Weihung folglich auch vor der Heirat erfolgt sein könnte. Es besteht freilich die Möglichkeit, dass neben der Statue des Königs separat noch eine Statue der Königin mit einer weiteren Inschrift geweiht worden ist (vgl. Lanciers), so dass an einer Datierung kurz nach der Schlacht von Raphia festgehalten werden kann. & V. TCHERIKOVER, Hellenistic Civilization and the Jews, Philadelphia 1959, 93f. (zu Jaffa); B. LIFSHITZ, Beiträge zur palästinischen Epigraphik, in: Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins 78, 1962, 82–84 (ed. pr.); H.-J. THISSEN, Studien zum Raphiadekret, Meisenheim am Glan 1966; J. N. SEVENSTER, Do You know Greek? How much Greek could the First Jewish Christians have known?, Leiden 1968, 100f. (zur Kontextualisierung des Textes in der Sprachwelt Palästinas); J. A. FITZMYER, The Languages of Palestine in the First Century A.D., in: Catholic Biblical Quarterly 32, 1970, 508; M. HENGEL, Judaism and Hellenism. Studies in their Encounter in Palestine during the Early Hellenistic Period I, Philadelphia 1974, 46 (zu den königlichen Domänen); W. HUß, Untersuchungen zur Außenpolitik Ptolemaios’ IV., München 1976, 72–74; W. HUß, Der „König der Könige“ und der „Herr der Könige“, in: Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins 93, 1977, 131–140; R. ARAV, Hellenistic Palestine. Settlement Patterns and City Planning, 337–31 B.C.E., Oxford 1989, 38–41; E. LANCIERS, Die Vergöttlichung und die Ehe des Ptolemaios IV. und der Arsinoe III., in: APF 34, 1988, 27–32 (zum Herrscherkult); A. KASHER, Jews and Hellenistic Cities in Eretz-Israel: Relations of the Jews in Eretz-Israel with the Hellenistic Cities during the Second Temple Period (332 BCE – 70 CE), Tübingen 1990 (vor allem zur Geschichte der Stadt in hasmonäischer Zeit); L. BOFFO, Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, Brescia 1994, Nr. 4 (italienische Übersetzung, ausführlicher Kommentar und Zusammenstellung der Literatur); R. HAZZARD, Imagination of a Monarchy. Studies in Ptolemaic Propaganda, Toronto 2000, 176–179 (ausführlicher Kommentar); E. LUPU, A New Look at Three Inscriptions from Jaffa, Jerusalem and Gaza, in: SCI 22, 2003, 193–195; O. TAL, Cult in Transition from Achaemenid to Greek Rule: The Contribution of

19. Die polis Naukratis

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Achaemenid-Ptolemaic Temples of Palestine, in: Transeuphratène 36, 2008, 165–183 (Einordnung der Inschrift in die Frage nach der Hellenisierung Palästinas); J. HEINRICHS, Antiochos III and Ptolemy, Sohn of Thraseas, on Private Villages in Syria Koile around 200 BC: The Hefzibah Dossier, in: ZPE 206, 2018, 272–311 (Verortung des Hefzibah-Dossiers, OGIS I 234–244, im Kontext der Reise Ptolemaios’ IV. nach Koilesyrien); S. PFEIFFER, The Representation of the Victorious King: Comments on a Dedication of a statue of Ptolemy IV in Jaffa (SEG XX 467 = SB VIII 10160 = CIIP III 2172), erscheint in: Times of Transition: Judea in the Early Hellenistic Period.

19. Die polis Naukratis (209–204 v. Chr.) I.Delta 749, Nr. 13 = SB V 8769 = OGIS I 89 = CPI 379 = TM 6362 Standort: New York, Metropolitan Museum of Art, Accession no. 89.2.652 19. Die polis Naukratis

Auf einer im Antikenhandel erworbenen Tafel findet sich vorliegende Weihung, die nach dem Stiftungstext ein für Naukratis zuständiger Finanzverwalter vornahm. Unklar bleibt, ob dieser Mann seine Weihung in einem Heiligtum Thebens gestiftet hat, also dort, wo das Objekt in der Neuzeit angeblich erworben wurde, oder ob der Stein aus Naukratis stammt, also der Stadt, für die der Stifter tätig war. Text und Übersetzung [ὑπὲρ β]ασιλέως Πτολεµαίου θε[οῦ] | [µ]εγάλου Φιλοπάτορος Σωτῆρος | καὶ Νικηφόρου, καὶ τοῦ υἱοῦ Πτολεµαίου̣ | Ἴσιδι, Σαράπιδι, Ἀπόλλωνι (5) Κόµων Ἀσκληπιάδου | οἰκονόµος τῶν κατὰ Ναύκρατιν.

„Zugunsten des Königs Ptolemaios, des großen Gottes Philopator, Retter und Siegbringer, und des Sohnes Ptolemaios für Isis, Sarapis und Apollon (hat es) Komon, Sohn des Asklepiades, Ökonom für den Bereich von Naukratis (geweiht).“

Kommentar: Als Alexander der Große Ägypten eroberte, siedelten im Land bereits seit längerer Zeit Griechen, so etwa die bei Memphis lebenden Hellenomemphiten. Der sicherlich wichtigste Ort griechischer Präsenz war aber in der Voralexanderzeit Naukratis, dessen Name sich auf die Bezeichnung der ursprünglich ägyptischen Siedlung Naiu-keredj (N#jw-krD) zurückführt (Yoyotte). Wann aus der Handelsniederlassung (emporion) Naukratis eine griechische polis mit den entsprechenden Institutionen wurde, ist unklar. Neben der Auffassung, dass Naukratis von Anfang an über den Polis-Status verfügte, weil sich der Rechtsstatus einer Polis und die Funktion eines Emporions nicht widersprechen (Austin, Hansen), gibt es die Ansicht, dass Naukratis erst in der Zeit der letzten Unabhängigkeit Ägyptens zwischen 404 und 342 v. Chr. diesen Status erhielt (Bresson). Sicher war Naukratis aber spätestens seit der makedonischen Eroberung des Landes eine Polis (Scholl). Über das Verhältnis des weihenden Finanzbeamten Komon zu Naukratis besteht ebenfalls Unklarheit. Handelt es sich um einen städtischen oder einen kö-

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niglichen Funktionär? Mit dem Titel Oikonomos kann er schließlich in der Finanzverwaltung der Armee, des Tempels, der Stadt und in anderen Bereichen tätig gewesen sein. Entweder war er im vorliegenden Fall ein städtischer Beamter „für den Bereich von Naukratis“ und damit Bürger der Stadt, oder aber er war ein königlicher Funktionär (Huß). Stimmt Letzteres, so würde dies bedeuten, dass die Herrschaft ganz offen in die Verhältnisse der Griechenstadt eingegriffen hat, indem ein nichtstädtischer Aufsichtsbeamter die Finanzen überwachte. Da aber andererseits die Stadt eigenständig neben dem Gau organisiert war, scheint es schwer vorstellbar, dass zwar nicht der Stratege, aber der Oikonomos des Gaus irgendwie geartete Rechte in der Stadt gehabt haben soll, sodass letztlich wohl davon auszugehen ist, dass es sich um einen Oikonomos der Stadt handelte. Neben griechischen Tempeln gab es in Naukratis auch eine große Tempelanlage des Amun (Yoyotte, Spencer), der mit dem thebanischen Amun in Zusammenhang stand (Guermeur). Die vorliegende Tafel ist jedoch nicht dem Amun geweiht, sondern der ägyptischen Isis, dem gräkoägyptischen Sarapis und dem griechischen Apollon. Der Kult für Isis wiederum war in Naukratis gut bekannt. In einer Anrufung, die die Epitheta der Aphrodite-Isis für jede ägyptische Stadt benennt, erscheint sie in Naukratis als „Vaterlose, Frohsinnige, Rettende, Allesbeherrschende, Größte“ (P.Oxy. XI 1380, 19–21). Die drei angerufenen Gottheiten Sarapis, Isis und Apollon sollen das Heil des Königs Ptolemaios Philopator und seines Sohnes garantieren. Es ist durchaus bemerkenswert, dass hingegen die Gemahlin des Königs, Arsinoe III. (wie in Text 18) nicht genannt ist, obwohl sie in ptolemäerzeitlichen Weihungen ansonsten fast durchgehend miterwähnt wird. Ihre Auslassung kann sich nicht daraus erklären, dass sie zum Zeitpunkt der Weihung noch nicht Königin war, denn die Heirat muss bereits längere Zeit zurückliegen (wohl schon seit 220 v. Chr., Lanciers), da auf beider Sohn verwiesen wird (Huß), den späteren fünften Ptolemäer. Vielleicht gab es also eine separate Weihung zugunsten der Königin. Die Aufnahme des Apollon in die Weihung bereitet nur scheinbar Probleme, selbst wenn dieser Gott für das ptolemäische Königshaus als Dynastiegott der seleukidischen Konkurrenten keine größere Bedeutung hatte (vgl. Weber). Apollon ist nichts anderes als die interpretatio Graeca des ägyptischen Horus, er kann also problemlos eine Götterdreiheit mit seinen Eltern Isis und Sarapis (= Osiris) bilden, was er möglicherweise gerade in Naukratis tat. Ganz ähnlich findet sich diese Dreiheit auch in einer Stele aus Taposiris Magna, ebenfalls aus der Zeit des vierten Ptolemäers und deutlich im Zusammenhang mit dem Sieg von Raphia verehrt. Hier heißt es: „Zugunsten des Sieges des Königs Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Vaterliebenden Götter, dem Sarapis und der Isis, die in Taposiris ist, und dem Apollon von Mareotis ...“ (ed. Martinez u.a., Nr. 3,1-8: ὑπὲρ τῆς τοῦ βασιλέως Πτολεµαίου νίκης καὶ βασιλίσσης Ἀρσι-

19. Die polis Naukratis

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νόης θεῶν Φιλοπατόρων τ]ῶι Σαράπιδι καὶ Ἴσιδι [τῆι] ἐν Τ̣αποσείριδι [κα]ὶ Ἀπόλλωνι Μαρεώτι). Interessant an der Weihung des Komon und ein Hinweis auf den Stiftungsanlass sind die Epitheta des Königs, Retter und Siegbringer, die den üblichen Kulttitel „Vaterliebender Gott“ erheblich ergänzen. Möglicherweise ist hier an eine Adaption der ägyptischen Titulatur des Königs zu denken, die auch ins Griechische übersetzt wurde (vgl. Text 22) und nach der der König „Retter der Menschen, Überwinder der Feinde“ war (W.Chr. 109,3f.). Es ist sogar durchaus denkbar, dass Komon eine griechische Übersetzung des ägyptischen Kulttitels „Gott König Ptolemaios, Horus, Retter (= Rächer, ägypt. nD) seines Vaters, dessen Sieg schön ist.“ (Dekret von Raphia, Z. 28/41) übernommen hatte. Die Priester des Landes hatten diesen Titel im Dekret von Raphia dem König verliehen. Gleichzeitig knüpft die Bezeichnung des Ptolemaios als „Retter“ an die beiden Dynastiegötter Sarapis und Isis an, die ihm den Sieg von Raphia gewährt hatten (vgl. Fassa). So erscheinen diese in der Stiftungsplakette eines Tempels für Sarapis, Isis und das vierte Ptolemäerpaar mit folgender Epiklese: „(Tempel) des Sarapis und der Isis, der Rettergötter, und des Königs Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Vaterliebenden Götter.“ (I.Alex. ptol. 18). Das Gleiche ist auch in Hieroglyphen auf der Plakette festgehalten. Als Siegbringer wiederum sprechen Untertanen die ptolemäischen Könige des Öfteren an (Huß). Da also die Sieghaftigkeit des Königs in der Weihung des Komon derart betont wird, ist davon auszugehen, dass er die Stiftung, ähnlich der Weihung aus Taposiris Magna, im Zusammenhang mit dem Sieg des Ptolemaios von Raphia vorgenommen hat. & A. C. MERRIAM, Egyptian Antiquities, in: AJA 2, 1886, 151, Nr. 2 (ed. pr.); E. A. GARDNER, Naukratis II, London 1888, 69, Nr. 22; P. Landvogt, Epigraphische Untersuchungen über den Oikonomos. Ein Beitrag zum hellenistischen Beamtenwesen, Straßburg 1908; M. N. TOD, A Bilingual Dedication from Alexandria, in: JEA 28, 1942, 53–56 (Stiftung des Soter-Tempels in Alexandria); M. M. AUSTIN, Greece and Egypt in the Archaic Age, PCPS Suppl. 2, 1970, 29–33 (= ders., CPCPapers 4, 1997, 91–94; zum Polis-Status); W. HUß, Untersuchungen zur Außenpolitik Ptolemaios’ IV, München 1976, 72, Anm. 305 (zu den Beinamen des Königs); A. BRESSON, Rhodes, l’Hellénion et le statut de Naucratis (VIe–IVe siècle a.C.), in: DHA 6, 1980, 316f. (zum PolisStatus); J. YOYOTTE, L’Amon de Naucratis, in: RdÉ 34, 1982/1983, 129–136 (zum ägyptischen Kult); E. Lanciers, Die Vergöttlichung und die Ehe des Ptolemaios IV. und der Arsinoe III., in: APF 34, 1988, 27–32; J. YOYOTTE, Naukratis, ville égyptienne, in: ACF 92, 1991/1992, 641f. (zum ägyptischen Ursprung der Stadt); R. K. SHERK, The Eponymous Officials of Greek Cities IV, in: ZPE 93, 1992, 268f. (zur Verwaltung der Stadt); G. WEBER, Dichtung und höfische Gesellschaft. Zur Rezeption von Zeitgeschichte am Hof der ersten Ptolemäer, Stuttgart 1993, 341; B. MUHS, The Great Temenos of Naukratis, in: JARCE 31, 1994, 99–113 (zum Amun-Tempel); H. BOWDEN, The Greek Settlement and Sanctuaries at Naukratis: Herodotus and Archaeology, in: CPCPapers 3, 1996, 29f. (zum Polis-Status); R. S. SIMPSON, Demotic Grammar in the Ptolemaic Sacerdotal Decrees, Oxford 1996, 242–257 (Transliteration und Übersetzung

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des Raphia-Dekretes); R. SCHOLL, Phylen und Buleuten in Naukratis. Ein neues Fragment zur Inschrift SB VIII 9747, in: Tyche 12, 1997, 213–228 (Publikation einer Liste von Buleuten und Phylennamen); L. BRICAULT, Sarapis et Isis, sauveurs de Ptolémée IV à Raphia, in: CdÉ 74, 1999, 334–343; A. MÖLLER, Naukratis. Trade in Archaic Greece, Oxford 2000, 184–191 (zur Stadtwerdung); M. H. HANSEN, A Survey of the Use of the Word Polis in Archaic and Classical Sources, in: P. Flensted-Jensen (Hg.), Further Studies in the Ancient Greek Polis, Stuttgart 2000, 199 (zum Polis-Status); I. GUERMEUR, Les cultes d’Amon hors de Thèbes. Recherches de géographie religieuse, Turnhout 2005, 126–138; A. BRESSON, Naucratis: de l’emporion à la cité, in: Topoi 12– 13, 2005, 133–155 (zum Polis-Status); F. LECLERE, Les villes de Basse Égypte au Ier millénaire av. J.-C. Analyse archéologique et historique de la topographie urbaine, Kairo 2008, 128–139; D. AGUT-LABORDERE, Le statut égyptien de Naucratis, in: V. Dieudonné u.a. (Hg.), Entités locales et pouvoir central: la cité dominée dans l’Orient hellénistique. Nancy, les 3, 4 et 5 juin, Nancy 2010, 353–373 (aktuelle Darstellung zur Entwicklung von Naukratis in vorhellenistischer Zeit); W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 15–17 (zur Verwaltung); A. J. SPENCER, The Egyptian Temple and Settlement at Naukratis, in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 17, 2011, 31–43; M. WEBER/A. GEISSEN, Die alexandrinischen Gaumünzen der römischen Kaiserzeit. Die ägyptischen Gaue und ihre Ortsgötter im Spiegel numismatischer Quellen, Wiesbaden 2013, 251–259 (Überblick zu Naukratis); J. BOARDMAN, Why Naucratis?, in: Ancient West & East 12, 2013, 265–267 (zur Lokalisierung von Naukratis); E. FASSA, Shifting Conceptions of the Divine: Sarapis as Part of Ptolemaic Egypt’s Social Imaginaries, in: E. Stavrianopoulou (Hg.), Shifting Social Imaginaries in the Hellenistic Period: Narrations, Practices, and Images, Leiden 2013, 130–133 (Sarapis als Retter); D. VON RECKLINGHAUSEN, Die Soubassements des Amun-Tempels in Naukratis. Ein Zeugnis für die Tempeldekoration in der frühen Ptolemäerzeit, in: A. Ashmawi u.a. (Hg.), Von Elephantine bis zu den Küsten des Meeres. Die Kulttopographie Ägyptens nach den Gauprozessionen der Spätzeit und der frühptolemäischen Epoche, Wiesbaden 2019, 281–378 (zum Amun-Tempel von Naukratis); K. MARTINEZ u.a., New Evidence for the Worship of Isis and Osiris from Taposiris Magna, erscheint in: Festschrift Zahi Hawass, Guardian of Egypt.

20. Ein Graffito in Abydos aus der Zeit der oberägyptischen Sezession (201/200 v. Chr.) SB V 7658 = Graffites d’Abydos 74 = P.Recueil 11 = TM 6244 20. Ein Gra ffito in Abydos aus der Zeit der oberägyp tis chen Sezes s ion

Das vorliegende Graffito (Abb. 10) ist in griechischen Buchstaben in der Osiriskapelle N im Tempel Sethos’ I. von Abydos angebracht. Es handelt sich aber nicht um griechische Sprache, sondern um einen ägyptischen Text in griechischer Schrift. Solche demotischen Texte in griechischer Schrift sind äußerst selten, denn üblicherweise kam es lediglich vor, dass Schreiber – bei Unkenntnis griechischer Entsprechungen – einzelne ägyptische Begriffe oder Titel in griechischen Buchstaben wiedergaben (vgl. die Priestertitel in CPR XV 1–3). Ein ähnlicher Fall findet sich aber auf zwei identisch beschriebenen Mumientäfelchen (CEML Nr. 616 und 632). Hier heißt es in griechischer Schrift ανχη βιου οµµα Ουσορ χοντεµοντ νοντω νοβ ηβωτ für das Demotische onX by=f m-

20. Ein Graffito in Abydos aus der Zeit der oberägyptischen Sezession 125 b#H Wsjr Xnty Jmn.t nTr o# nb #bDw: „Es möge sein Ba leben vor Osiris, dem Ersten des Westens, dem großen Gott, dem Herrn von Abydos“ (vgl. Quaegebeur). Die wenigen überlieferten Griechischschreibungen ägyptischer Sprache helfen auf jeden Fall bei der Rekonstruktion des damals gesprochenen Ägyptisch, das im Demotischen nur konsonantisch geschrieben ist. Gleichzeitig verweisen sie auf die regionalen Unterschiede in der Aussprache des Ägyptischen. Im vorliegenden Fall ist etwa – berücksichtigt man zudem den Iotazismus – der Gottesname „Amun-Ra-König-der-Götter“ als Emunlasontir ausgesprochen, in Text 40 hingegen Amonrasonthir. Das Graffito selbst führt in die Zeit der Anfänge des oberägyptischen Aufstandes gegen die ptolemäische Herrschaft im Jahr 206/205 v. Chr.: Der Ägypter Haronnophris (Or-Wnn-nfr) war in Theben von der dortigen Priesterschaft des Amun zum Pharao gekrönt worden und konnte bald seine Herrschaft bis nach Abydos, wo er 201/200 v. Chr. belegt ist, ausdehnen. Neben den griechischen Buchstaben wird hier auch die moderne Rekonstruktion einer hypothetischen Umschrift ins Demotische mit abgedruckt. Text und Übersetzung {Πορω Υρον} | (Ἔτους) ε Πορω Υρ γον̣αφορ | µηι Εσι νοµ Ουσιρι µηι Ε|µουνλασοντηρ Πνοτω (5) ..ιρ̣κτµηττονευ\α/µα.αθυ | Ουσορεταυ̣ νοµ Ποναµµη.ον | ρυµε.

(Übertragung ins Demotische: {Pr-o# Or-wnn} H#.t-sp 5 (n) Pr-o# Or-Wn-nfr mrj Js(.t) jrm Wsjr mr Jmn-Ro-nswt-nTr.w p# ntr o# – ? – ? – ? – Wsjr-n-t#-wr jrm – ? – ? –) „{Pharao Haron} Regierungsjahr 5 des Pharao Haronnophris, geliebt von Isis und Osiris, geliebt von Amun-Ra-König-der-Götter, dem großen Gott – – – Osiris-im-Gauvon-Abydos und – – –.“

Kommentar: Zwar ist nicht klar, welcher ‚Textgattung‘ das Graffito zuzuschreiben ist, doch sollte es sich um ein Proskynema handeln (vgl. Text 45), dann dürfte in der nicht zu übersetzenden Zeile 5 eine Wendung über den Verehrungsakt zu erwarten sein, also in etwa „Ich bin gekommen, um Osiris-en-tawer zu verehren“. Osiris-en-ta-wer (= „Osiris im Gau von Abydos“) wäre dann die bedachte Gottheit. Nicht alle griechischen Schreibungen der demotischen Sprache dieses Graffitos können also nachträglich in eine demotische Transkription umgesetzt werden, woran bereits zu erkennen ist, dass die lautliche Wiedergabe des Demotischen, wie wir sie hier mit griechischen Buchstaben und Vokalisation kennenlernen, erheblich von der Schrift selbst abwich. Das

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sieht man etwa an der Aussprache des ägyptischen Wortes Pharao (Pr-o#) mit Poro oder der Vokalisation des Namens Herwenennefer (Or-wnn-nfr) mit Hyrgonafor, den die Griechen selbst auch als Haronnophris bezeichneten. Mit seinem Namen, der Horus mit dessen Vater Osiris, „Der existiert, indem er vollkommen ist“ (Wnn-nfr), verband, wollte der ägyptische Gegenpharao sicherlich zum Ausdruck bringen, dass mit ihm, als Erben des Osiris, wieder das ursprüngliche Pharaonentum zurückkehrte (Veïsse), denn der rechtmäßige Pharao war Horus und Nachfolger des Osiris. Das zeigen die Beinamen „geliebt von Isis und Osiris“, denn auf diese Weise grenzte er sich vom Beinamen des fünften Ptolemäers „geliebt von Ptah“ ab. Gleichzeitig ist der starke Osirisbezug von Eigennamen und Epitheton und die zusätzliche Aufnahme der Isis deutlich ein Gegenakzent zur Selbstdarstellung der Ptolemäer, die sich – etwa im Königseid – eng an Sarapis – die griechische Version des Osiris – und Isis angeschlossen haben (vgl. Smith). Mit der zusätzlichen Wendung „geliebt von Amonrasonther“ verwies Haronnophris zudem noch auf den Ort seiner Krönung, Theben, die Stadt des Amun (vgl. Text 40). Weil auch nubische Könige entsprechende Beinamen getragen haben, vermuten manche eine Herkunft des Haronnophris aus diesem Raum, was aber unwahrscheinlich ist, weil die gesamte Dokumentation zum Gegenpharao aus Ägypten stammt (vgl. Veïsse) und zudem der königsideologische Aspekt über die Verbindung zum Amun von Theben hergestellt werden kann, ein Rückbezug auf Nubien also überhaupt nicht nötig ist. Das kurze Graffito führt uns also vor Augen, dass es den Rebellen wichtig war zu zeigen, dass alle großen Götter Ägyptens auf ihrer Seite standen. Bereits im August des Jahres 199 v. Chr. konnten die Ptolemäer freilich Abydos zurückerobern (vgl. Text 21). Der oberägyptische Aufstand dauerte aber noch über zehn Jahre, bis zum Jahr 186 v. Chr., an. Über den Charakter des ägyptischen Aufstandes gibt es unterschiedliche Einschätzungen. So geht insbesondere die ältere Forschung von einer „nationalen“ Erhebung gegen die Fremdherrschaft aus (McGing), während neuere Arbeiten diesen Aspekt für unwichtiger halten und die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten als Ursache hervorheben (Veïsse). Für einen ethnischen („nationalen“) Charakter spricht aber zumindest die Tatsache, dass einheimische Gegenpharaonen den Kampf gegen die Ptolemäer anführten. Allerdings wurden auch indigene Tempel zerstört, was darauf hindeuten könnte, dass bestimmte Priesterschaften inzwischen als verlängerter Arm der Fremdherrscher betrachtet wurden. Kurios ist es schließlich, wenn im vorliegenden Fall ein Ägypter seine Verehrung von Gott und Pharao in ägyptischer Sprache mit griechischen Buchstaben zum Ausdruck bringt, was zumindest bei ihm dafür spricht, dass ethnische Motive keine Rolle spielten. Es ist deshalb sicherlich nicht falsch, von einer Kombination aus ethnisch und wirtschaftlich-sozial begründeten Motiven für den Aufstand auszugehen (vgl. Ludlow/Manning).

20. Ein Graffito in Abydos aus der Zeit der oberägyptischen Sezession 127

Abb. 10: Graffito mit der Nennung des indigenen Pharaos Haronnophris; angebracht in der Wand des Durchgangs zum Schrein des Sethos-Osiris. Photo: Andreas Effland.

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& P. LACAU, Un graffito égyptien d’Abydos écrit en lettres grecques, in: ÉdP 2, 1933– 1934, 229–246; P. W. PESTMAN u.a., Recueil de textes démotiques et bilingues, Leiden 1977, 11 (Umzeichnung Graffito); J. QUAEGEBEUR, Mummy Labels: An Orientation, in: E. Boswinkel/P. Pestman (Hg.), Textes grecs, démotiques et bilingues, Leiden 1978, 254f. (zu den beiden Mumientäfelchen CEML 616 und 632); J. QUAEGEBEUR, Pre-Old Coptic, in: The Coptic Encyclopedia 8, New York 1991, 190, Nr. 2; P. W. PESTMAN, Haronnophris and Chaonnophris. Two Indigenous Pharaohs in Ptolemaic Egypt (205– 186 B.C.), in: S. P. Vleeming (Hg.), Hundred-Gated Thebes. Acts of a Colloquium on Thebes and the Theban Area in the Graeco-Roman Period (P. L. Bat. 27), Leiden u.a. 1995, 101–137 (zum Hintergrund); B. C. MCGING, Revolt Egyptian Style. Internal Opposition to Ptolemaic Rule, in: APF 43, 1997, 273–314; A. EFFLAND, Aufruhr in Abydos – Eine historische Notiz, in: Kemet 9,2, 2000, 33f. (kurze Vorstellung des Graffitos); W. CLARYSSE, De grote opstand der Egyptenaren (205–186 v.C.), in: R. J. Demarée/K.R. Veenhof, Zij schreven geschiedenis: historische documenten uit het Oude Nabije Oosten (2500–100 v.Chr.), Löwen 2003, 448–457 (historischer Kontext); A.E. VEÏSSE, Les „révoltes Égyptiennes“. Recherches sur les troubles intérieurs en Égypte du règne de Ptolémée III à la conquête romaine, Löwen 2004, 11–26, 83–99, 228–244 (tiefgehende Analyse); A. A. DEN BRINKER u.a., A Berichtigungsliste of Demotic Documents. Ostrakon Editions and Various Publications, Löwen 2005, 811f. § 13 (zur Chronologie des Aufstandes und dem Namen des Königs); B. C. MCGING, Revolt in Ptolemaic Egypt: Nationalism Revisited, in: P. Schubert (Hg.), Actes du 26e Congrés international de papyrologie, Genève, 16–21 août 2010, Genf 2012, 509–516 (zur Verwendung des Begriffs Nationalismus in der Antike); U. und A. EFFLAND, Abydos. Tor zur ägyptischen Unterwelt, Mainz 2013, 110–113 (zum Graffito und seinem historischen Hintergrund); A.-E. VEÏSSE, Retour sur les révoltes égyptiennes, in: G. Charpentier/V. Puech (Hg.), Villes et campagnes aux rives de la Méditerranée ancienne. Hommages à Georges Tate, Montpellier 2013, 507–516 (These, dass die beiden Rebellenkönige in Wirklichkeit ein König sind, der den Namen wechselte); S. P. VLEEMING, Demotic Graffiti and other Short Texts gathered from many Publications (Short Texts III 1201–2350), Löwen u.a. 2015, Nr. 1746; F. LUDLOW/J. G. MANNING, Revolts under the Ptolemies: A Paleoclimatological Perspective, in: J. J. Collins/J. G. Manning (Hg.), Revolt and Resistance in the Ancient Classical World and the Near East. In the crucible of Empire, Leiden/Boston 2016, 154–171; M. SMITH, Following Osiris: Perspectives on the Osirian Afterlife from Four Millennia, Oxford 2017, 412–414 (zur Bedeutung von Osiris für die Ptolemäer und die Gegenkönige).

21. Ein Graffito aus Abydos aus der Zeit der Belagerung der Stadt (5. August 199 v. Chr.) OGIS II 758 a und b = SB I 3776 = Graffites d’Abydos 32 und 32bis = CPI 328 = TM 7075 21. Ein Gra ffito aus Abydos

Abydos war in allen Zeiten der pharaonischen Geschichte ein bedeutender Kultort des Osiris. In griechisch-römischer Zeit hatte sich das geändert, große Tempelanlagen der Ptolemäer sind hier nicht bekannt. So schreibt dann auch Strabon, als er Abydos zu Beginn der römischen Herrschaft besichtigte: „Abydos aber scheint einst eine große Stadt gewesen zu sein, die zweite nach Theben, jetzt aber ist es ein kleiner Ort“ (XVII 1,42, Übersetzung: Radt). Aber auch in

21. Ein Graffito aus Abydos

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dieser Zeit gab es noch immer einen Tempelkult, und den Zeitgenossen war die einstige Bedeutung des Heiligtums durchaus bewusst. Im Jahr 206 v. Chr., also schon zwei Jahre vor dem Tod Ptolemaios’ IV., hatte sich Oberägypten gegen die ptolemäische Herrschaft erhoben, und Abydos konnte vom ägyptischen Pharao Haronnophris eingenommen werden (vgl. Text 20). Die Generäle des fünften Ptolemäers, die zu dieser Zeit noch in den 5. Syrischen Krieg verwickelt waren, bündelten nach der Niederlage im Jahr 200 v. Chr. die militärischen Kräfte und begannen, insbesondere mit Hilfe von griechischen Soldaten, mit der Rückeroberung der abgefallenenen oberägyptischen Landesteile. Das vorliegende Graffito (Abb. 11) befindet sich im Osiris-Tempel Sethos’ I. von Abydos und stammt von einem dieser gegen die Ägypter kämpfenden Griechen. Text und Übersetzung Φιλοκλῆς Ἱεροκλέους Τροιζήνιος παρεγενήθην προσκυνῶν τὸν Σάραπιν {τ ι ν}. ἐπὶ τῆς Ἀβύδου πολιορκίας ἔτους ϛ Παυνὶ κ̅η̅.

„Philokles, Sohn des Hierokles, aus Troizen, ist hierhin gekommen, den Sarapis verehrend. In der Zeit der Belagerung von Abydos, im 6. Regierungsjahr, am 24. Payni.“

Kommentar: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es sich bei Philokles, der aus Troizen auf der Peloponnes stammt, um einen Söldner im Heer des fünften Ptolemäers handelt, der an der Belagerung von Abydos beteiligt war. Die Ptolemäer rekrutierten schließlich auch noch nach dem Ende ihrer Thalassokratie Soldaten in der griechischen Welt (Stefanou). Während der Belagerung von Abydos oder nach dem Sieg scheint Philokles noch die Zeit gefunden zu haben, das auch bei Griechen berühmte Osireion, also den Tempel Sethos’ I. für Osiris von Abydos, zu besuchen und hier eine Verehrungsinschrift für den Gott zu hinterlassen. Für den Griechen ist der ägyptische Osiris wiederum identisch mit dem Dynastiegott Sarapis, als welchen er ihn anspricht. Es zeigt sich also, dass Griechen durchaus ägyptische Götter verehren wollten, auch wenn sie diese zuweilen mit ihrer griechischen Übersetzung ansprachen (vgl. Pfeiffer).

Abb. 11: Graffito des Philokles, aus: Milne Taf. XXIII.

& J. G. MILNE, in: M. A. Murray, The Osireion at Abydos, London 1904, 37, Nr. 12 (Kurzvorstellung, mögliche Interpretation auf den äthiopischen Einfall des Jahres 24 v. Chr. hin); P. W. PESTMAN, Haronnophris and Chaonnophris. Two Indigenous Phar-

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aohs in Ptolemaic Egypt (205–186 B.C.), in: S. P. Vleeming (Hg.), Hundred-Gated Thebes. Acts of a Colloquium on Thebes and the Theban Area in the Graeco-Roman Period (P. L. Bat. 27), Leiden u.a. 1995, 101–137 (zum Hintergrund); A. EFFLAND, Aufruhr in Abydos – Eine historische Notiz, in: Kemet 9,2, 2000, 33f. (kurze Vorstellung des Graffitos); M. STEFANOU, Waterborne Recruits: The Military Settlers of Ptolemaic Egypt, in: K. Buraselis u.a. (Hg.), The Ptolemies, the Sea and the Nile. Studies in Waterborne Power, Cambridge 2013, 108–131 (zur Rekrutierungspraxis der Ptolemäer); St. PFEIFFER, “The snake, the crocodile and the cat”. Die Griechen in Ägypten und die theriomorphen Götter des Landes, in: Fr. Hoffmann/K. S. Schmidt, Orient und Okzident in hellenistischer Zeit. Beiträge zur Tagung „Orient und Okzident – Antagonismus oder Konstrukt? Machtstrukturen, Ideologien und Kulturtransfer in hellenistischer Zeit“. Würzburg 10.–13. April 2008, Vaterstetten 2014, 215–244.

22. Das Priesterdekret von Memphis – die Rosettana (27. März 196 v. Chr.) OGIS I 90 = I.Prose 16–18 = SB V 8299 = CIG III 4697 = CPI 126 = TM 8809 Bagnall/Derow, Nr. 165; Austin, Nr. 283; Burnet, Nr. 3; Bertrand, Nr. 117 Standort: London, British Museum EA 24 22. Das Dekret von Ros ette

Der sicherlich bekannteste Denkstein aus dem ptolemäischen Ägypten enthält das Dekret von Rosette, mit dessen Hilfe Champollion 1822 die Entzifferung der Hieroglyphen gelang (Parkinson). Historisch lässt sich dieses Dekret der ägyptischen Priester in die Zeit der großen ägyptischen Erhebung im Süden des Landes verorten, die im Jahr 207/206 v. Chr., zwei Jahre vor dem Tod Ptolemaios’ IV., begonnen hatte (vgl. Text 20 und 21) und erst 183 v. Chr. vollständig niedergeschlagen werden konnte. 204 v. Chr. hatte der minderjährige Ptolemaios V. unter der Vormundschaft von Sosibios und Agathokles die Königsherrschaft übernommen. Wenig später gingen im 5. Syrischen Krieg (202– 195 v. Chr.) Syrien und Phönizien an die Seleukiden verloren. Im Jahr 197 v. Chr. feierte man vorgezogen (Polybios XVIII 55) die Volljährigkeit des jungen Königs (seine anakleteria), und ein Jahr später trafen sich die Priester zu einem Herrscherfest in Memphis, während dessen sie das Ehrendekret für Ptolemaios V. erließen, durch das sie ihn zu einem Gott in den ägyptischen Tempeln erhoben. War dies unter Ptolemaios III. noch in zwei Schritten geschehen – in den Dekreten des Jahres 243 v. Chr. (Text 13) und des Jahres 238 v. Chr. (Text 14) – so beschlossen die Priester, wie das vorliegende Dekret zeigt, für den fünften Ptolemäer alle Ehren en bloc. Das Dekret ist nicht nur auf dem berühmten Stein von Rosette überliefert, sondern auch auf folgenden, teils fragmentarisch erhaltenen Stelen: 1. aus Nobaireh: Ägyptisches Museum Kairo CG 22188 (nur Hieroglyphen) = TM 2979 2. aus Elephantine: I.Prose 18 = I.Louvre 3 = I.Thèbes 241 = CPI 413 = TM 6311 3. aus Noub-Taha/Leontopolis: I.Prose 17 = CPI 122 = TM 5958

22. Das Dekret von Rosette Text und Übersetzung βασιλεύοντος τοῦ νέου καὶ παραλαβόντος τὴν βασιλείαν παρὰ τοῦ πατρὸς κυρίου βασιλειῶν µεγαλοδόξου, τοῦ τὴν Αἴγυπτον καταστησαµένου καὶ τὰ πρὸς τοὺς | θεοὺς εὐσεβοῦς, ἀντιπάλων ὑπερτέρου, τοῦ τὸν βίον τῶν ἀνθρώπων ἐπανορθώσαντος, κυρίου τριακονταετηρίδων, καθάπερ ὁ Ἥφαιστος ὁ µέγας, βασιλέως καθάπερ ὁ Ἥλιος, | µέγας βασιλεὺς τῶν τε ἄνω καὶ τῶν κάτω χωρῶν, ἐκγόνου θεῶν Φιλοπατόρων, ὃν ὁ Ἥφαιστος ἐδοκίµασεν, ὧι ὁ Ἥλιος ἔδωκεν τὴν νίκην, εἰκόνος ζώσης τοῦ Διός, υἱοῦ τοῦ Ἡλίου, Πτολεµαίου | αἰωνοβίου, ἠγαπηµένου ὑπὸ τοῦ Φθᾶ, ἔτους ἐνάτου ἐφ’ ἱερέως Ἀέτου τοῦ Ἀέτου Ἀλεξάνδρου καὶ θεῶν Σωτήρων καὶ θεῶν Ἀδελφῶν καὶ θεῶν Εὐεργετῶν καὶ θεῶν Φιλοπατόρων καὶ (5) θεοῦ Ἐπιφανοῦς Εὐχαρίστου, ἀθλοφόρου Βερενίκης Εὐεργέτιδος Πύρρας τῆς Φιλίνου, κανηφόρου Ἀρσινόης Φιλαδέλφου Ἀρείας τῆς Διογένους, ἱερείας Ἀρσινόης Φιλοπάτορος Εἰρήνης | τῆς Πτολεµαίου, µηνὸς Ξανδικοῦ τετράδι, Αἰγυπτίων δὲ Μεχεὶρ ὀκτωκαιδεκάτηι, ψήφισµα· οἱ ἀρχιερεῖς καὶ προφῆται καὶ οἱ εἰς τὸ ἄδυτον εἰπορευόµενοι πρὸς τὸν στολισµὸν τῶν | θεῶν καὶ πτεροφόραι καὶ ἱερογραµµατεῖς καὶ οἱ ἄλλοι ἱερεῖς πάντες οἱ ἀπαντήσαντες ἐκ τῶν κατὰ τὴν

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[Präskript:] „Unter der Herrschaft des Königs, Jüngling, der von seinem Vater die Königsherrschaft übernommen hat, des Herren der Kronen, besonders Ruhmreicher, der Ägypten aufgerichtet hat und gegenüber den Göttern fromm ist, dessen, Bezwinger der Gegner, der das Leben der Menschen wieder in Ordnung gebracht hat, Herr der Dreißigjahrfeste wie Hephaistos (= Ptah) der Große, König wie Helios (= Re), des Großkönigs der oberen und der unteren Länder, Nachkomme der Vaterliebenden Götter (= Ptolemaios IV. und Arsinoe III.), den Hephaistos (= Ptah) erwählt hat, dem Helios (= Re) den Sieg gegeben hat, lebendes Abbild des Zeus (= Amun), des Sohnes des Helios (= Re), Ptolemaios, ewiglebend, geliebt von Ptah, im neunten Regierungsjahr, unter dem Priester des Alexander, der Rettergötter und der Geschwistergötter und der Wohltätergötter und der Vaterliebenden Götter und des Erschienenen (und) Begnadeten Gottes Aetos, Sohn des Aetos, unter der Athlophore der Berenike Euergetis Pyrrha, Tochter des Philinos, unter der Kanephore der Arsinoe Philadelphos Areia, Tochter des Diogenes, unter der Priesterin der Arsinoe Philopator Eirene, Tochter des Ptolemaios, am vierten des Monats Xandikos, der Ägypter aber am achtzehnten Mecheir. Beschluss: Die Oberpriester und Propheten und die, die ins Allerheiligste zur Bekleidung der Götter hineingehen, und die Federträger und die Schreiber der heiligen Schriften und alle anderen Priester, die in Memphis beim König zusammen-

132 χώραν ἱερῶν εἰς Μέµφιν τῶι βασιλεῖ πρὸς τὴν πανήγυριν τῆς παραλήψεως τῆς | βασιλείας τῆς Πτολεµαίου αἰωνοβίου, ἠγαπηµένου ὑπὸ τοῦ Φθᾶ, θεοῦ Ἐπιφανοῦς, Εὐχαρίστου, ἣν παρέλαβεν παρὰ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ, συναχθέντες ἐν τῶι ἐν Μέµφεερῶι τῆι ἡµέραι ταύτηι εἶπαν· | ἐπειδὴ βασιλεὺς Πτολεµαῖος αἰωνόβιος, ἠγαπηµένος ὑπὸ τοῦ Φθᾶ, θεὸς Ἐπιφανὴς Εὐχάριστος, ὁ ἐγ βασιλέως Πτολεµαίου καὶ βασιλίσσης Ἀρσινόης, θεῶν Φιλοπατόρων, κατὰ πολλὰ εὐεργέτηκεν τά θ’ ἱερὰ καὶ (10) τοὺς ἐν αὐτοῖς ὄντας καὶ τοὺς ὑπὸ τὴν ἑαυτοῦ βασιλείαν τασσοµένους ἅπαντας, ὑπάρχων θεὸς ἐκ θεοῦ καὶ θεᾶς καθάπερ Ὧρος ὁ τῆς Ἴσιος καὶ Ὀσίριος υἱός, ὁ ἐπαµύνας τῶι πατρὶ αὐτοῦ Ὀσίρει, τὰ πρὸς θεοὺς | εὐεργετικῶς διακείµενος ἀνατέθεικεν εἰς τὰ ἱερὰ ἀργυρικάς τε καὶ σιτιὰς προσόδους, καὶ δαπάνας πολλὰς ὑποµεµένηκεν ἕνεκα τοῦ τὴν Αἴγυπτον εἰς εὐδίαν ἀγαγεῖν καὶ τὰ ἱερὰ καταστήσασθαι | ταῖς τε ἑαυτοῦ δυνάµεσιν πεφιλανθρώπηκε πάσαις καὶ ἀπὸ τῶν ὑπαρχουσῶν ἐν Αἰγύπτωι προσόδων καὶ φορολογιῶν τινὰς µὲν εἰς τέλος ἀφῆκεν, ἄλλας δὲ κεκούφικεν, ὅπως ὅ τε λαὸς καὶ οἱ ἄλλοι πάντες ἐν | εὐθηνίαι ὦσιν ἐπὶ τῆς ἑαυτοῦ βασιλείας, τά τε βασιλικὰ ὀφειλήµατα, ἃ προσώφειλον οἱ ἐν Αἰγύπτωι καὶ οἱ ἐν τῆι λοιπῆι βασιλείαι αὐτοῦ, ὄντα πολλὰ τῶι πλήθει, ἀφῆκεν,

Texte trafen aus den Heiligtümern im Lande anlässlich des Festes der Übernahme der Königsherrschaft des ewiglebenden Ptolemaios, geliebt von Ptah, des Erschienenen Gottes, des Begnadeten, der sie (i.e. die Herrschaft) von seinem Vater selbst übernommen hat, nachdem sie sich im Heiligtum von Memphis an diesem Tag versammelt haben, sagten: [Begründung des Beschlusses:] [1.] Da König Ptolemaios, ewiglebend, geliebt von Ptah, der Erschienene (und) Begnadete Gott, der Sohn des Königs Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Vaterliebenden Götter, sich sowohl den Heiligtümern und den in ihnen Befindlichen als auch gegenüber allen, die seiner Königsherrschaft unterstehen, in vielfältiger Weise als wohltätig erwiesen hat, indem er sich als Gott aus einem Gott und einer Göttin, wie Horus, der Sohn der Isis und des Osiris, der seinem Vater Osiris Beistand geleistet hat, erwiesen hat, [2.] da er sich gegenüber den Göttern wohltätig verhalten hat und den Heiligtümern Einkünfte in Silber und Getreide zukommen ließ und viele Aufwendungen getätigt hat, um Ägypten in einen guten Zustand zu bringen und die Heiligtümer zu ordnen, [3.] da er sich menschenfreundlich gegenüber allen seinen Streitkräften gezeigt hat und von den Steuern und Einnahmen, die es in Ägypten gibt, einige vollständig erlassen, andere abgemildert hat, damit das Heer und alle anderen in gutem Zustand sein mögen unter seiner Königsherrschaft, [4.] und da er die Schulden an den königlichen Fiskus, die diejenigen in Ägypten und diejenigen in seinem restlichen Reich noch schuldeten – es wa-

22. Das Dekret von Rosette καὶ τοὺς ἐν ταῖς φυλακαῖς | ἀπηγµένους καὶ τοὺς ἐν αἰτίαις ὄντας ἐκ πολλοῦ χρόνου ἀπέλυσε τῶν ἐνκεκλµένων· προσέταξε δὲ καὶ τὰς προσόδους τῶν ἱερῶν καὶ τὰς διδοµένας εἰς αὐτὰ κατ’ ἐνιαυτὸν συντάξεις σιτι(15)κάς τε καὶ ἀργυρικάς, ὁµοίως δὲ καὶ τὰς καθηκούσας ἀποµοίρας τοῖς θεοῖς ἀπό τε τῆς ἀµπελίτιδος γῆς καὶ τῶν παραδείσων καὶ τῶν ἄλλων τῶν ὑπαρξάντων τοῖς θεοῖς ἐπὶ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ | µένειν ἐπὶ χώρας. προσέταξεν δὲ καὶ περὶ τῶν ἱερέων ὅπως µηθὲν πλεῖον διδῶσιν εἰς τὸ τελεστικὸν οὗ ἐτάσσοντο ἕως τοῦ πρώτου ἔτους ἐπὶ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ· ἀπέλυσεν δὲ καὶ τοὺς ἐκ τῶν | ἱερῶν ἐθνῶν τοῦ κατ’ ἐνιαυτὸν εἰς Ἀλεξάνδρειαν κατάπλου· προσέταξεν δὲ καὶ τὴν σύλληψιν τῶν εἰς τὴν ναυτείαν µὴ ποιεῖσθαι, τῶν τ’ εἰς τὸ βασιλικὸν συντελουµένων ἐν τοῖς ἱεροῖς βυσσίνων | ὀθονίων ἀπέλυσεν τὰ δύο µέρη, τά τε ἐγλελειµµένα πάντα ἐν τοῖς πρότερον χρόνοις ἀποκατέστησεν εἰς τὴν καθήκουσαν τάξιν, φροντίζων ὅπως τὰ εἰθισµένα συντελῆται τοῖ θεοῖς κατὰ τὸ | προσῆκον· ὁµοίως δὲ καὶ τὸ δίκαιον πάσιν ἀπένειµεν, καθάπερ Ἑρµῆς ὁ µέγας καὶ µέγας· πρσέταξεν δὲ καὶ τοὺς κατα-

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ren überaus viele –, erließ, [5.] und da er diejenigen, die in die Gefängnisse abgeführt worden waren und diejenigen, die seit langer Zeit unter Anklage standen, von ihren Anklagen befreit hat; [6.] weil er zudem angeordnet hat, dass die Einnahmen der Heiligtümer und die jährlich an sie gegebenen Zuwendungen in Getreide und Silber ebenso wie auch die den Göttern aus Weinland, Gärten und den anderen Ländereien zustehende Apomoira-Abgaben, die den Göttern gehörten unter der Herrschaft seines Vaters, auf dem Land bleiben; [7.] weil er auch bezüglich der Priester angeordnet hat, dass sie nicht mehr geben sollen als Priesteramtsabgabe als das, was ihnen auferlegt wurde unter seinem Vater bis zu seinem (des Ptolemaios’ IV.) ersten Jahr; [8.] weil er die Tempelbediensteten (Priesterklassen?) von der jährlichen Hinabfahrt nach Alexandria befreit hat; [9.] weil er angeordnet hat, dass ihre Einziehung zur Marine nicht (mehr) durchgeführt wird; [10.] und weil er zwei Drittel von den Abgaben an den königlichen Fiskus in den Heiligtümern an feinem Flachsgewebe erlassen hat; [11.] und weil er alle Dinge, die in den vorherigen Zeiten verschwunden waren, wieder in ihre zugehörige Ordnung eingesetzt hat, darauf bedacht, dass die üblichen Zeremonien für die Götter entsprechend dem, was sich gehört, durchgeführt werden; [12.] und weil er gleichfalls allen Gerechtigkeit gewährte, so wie Hermes (= Thot), der zweimalgroße (Gott); [13.] weil er zudem angeordnet hat,

134 πορευοµένους ἔκ τε τῶν µαχίµων καὶ τῶν ἄλλων τῶν ἀλλότρια (20) φρονησάντων ἐν τοῖς κατὰ τὴν ταραχὴν καιροῖς κατελθόντας µένειν ἐπὶ τῶν ἰδίων κτήσεων· προενοήθη δὲ καὶ ὅπως ἐξαποσταλῶσιν δυνάµεις ἱππικαί τε καὶ πεζικαὶ καὶ νῆες ἐπὶ τοὺς ἐπελθόντας | ἐπὶ τὴν Αἴγυπτον κατά τε τὴν θάλασσαν καὶ τὴν ἤπειρον, ὑποµείνας δαπάνας ἀργυρικάς τε καὶ σιτικὰς µεγάλας, ὅπως τά θ’ ἱερὰ καὶ οἱ ἐν αὐτῆι πάντ[ε]ς ἐν ἀσφαλείαι ὦσιν· παραγινόµε|νος δὲ καὶ εἰς Λύκων πόλιν τὴν ἐν τῶι Βουσιρίτηι, ἣ ἦν κατειληµµένη καὶ ὠχυρωµένη πρὸς πολιορκίαν ὅπλων τε παραθέσει δαψιλεστέραι καὶ τῆι ἄλληι χορηαι πάσηι, ὡς ἂν ἐκ πολλοῦ | χόνου συνεστηκυίας τῆς ἀλλοτριότητος τοῖς ἐπισυναχθεῖσιν εἰς αὐτὴν ἀσεβέσιν, οἳ ἦσαν εἴς τε τὰ ἱερὰ καὶ τοὺς ἐν Αἰγύπτωι κατοικοῦντας πολλὰ κακὰ συντετελεσµένοι, καὶ ἀν|τικαθίσας χώµασίν τε καὶ τάφροις καὶ τείχεσιν αὐτὴν ἀξιολόγοις περιέλαβεν, τοῦ τε Νείλου τὴν ἀνάβασιν µεγάλην ποιησαµένου ἐν τῶι ὀγδόωι ἔτει καὶ εἰθισµένου κατακλύζειν τὰ (25) πεδία κατέσχεν ἐκ πολλῶν τόπων ὀχυρώσας τὰ στόµατα τῶν ποταµῶν, χορηγήσας εἰς αὐτὰ χρηµάτων πλῆθος οὐκ ὀλίγον καὶ καταστήσας ἱππεῖς τε καὶ πεζοὺς πρὸς τῆι φυλακῆι | αὐτῶν, ἐν ὀλίγωι χρόνωι τήν τε πόλιν κατὰ κράτος εἷλεν καὶ τοὺς ἐν αὐτῆι ἀσεβεῖς πάντας διέφθειρεν, καθάπερ [Ἑρ-

Texte dass diejenigen, die (auf den rechten Weg) heimkehren wollen, sowohl von den ägyptischen Soldaten (machimoi) als auch den anderen, die eine abweichende Gesinnung gehegt hatten in den Zeiten der Unruhe, nach ihrer Rückkehr in ihrem eigenen Besitz verbleiben; [14.] und weil er auch Sorge dafür trug, dass Kavallerie und Infanterie und Marine ausgesandt werden gegen die, die gegen Ägypten gezogen sind zur See und zu Land; und dabei erhebliche Kosten an Silber und Getreide aufgewandt hat, damit die Heiligtümer und alle in ihm (i.e. Ägypten) befindlichen in Sicherheit sind; [15.] er kam auch nach Lykonpolis, das im busiritischen Gau, das erobert und gegen eine Belagerung befestigt war, sowohl mit einem ziemlich reichen Vorrat an Waffen als auch allem anderen Unterhalt insgesamt, weil dort seit langer Zeit eine Auflehnung von den in die Stadt eingedrungenen Gottlosen war, die sowohl gegen die Heiligtümer als auch gegen die in Ägypten Lebenden viel Schlechtes getan haben, und er hat sie belagert, indem er sie mit Wällen und Gräben und erheblichen Mauern umgeben hat. Als der Nil in seinem achten Regierungsjahr ganz besonders über die Ufer trat und wie gewohnt die Ebene überschwemmte, hielt er ihn zurück, indem er an vielen Orten die Mündungen der Kanäle befestigte, und er hat eine erhebliche Menge an Geld dafür aufgewendet, und hat Reiter und Fußsoldaten zu ihrer Bewachung aufgestellt; in kurzer Zeit nahm er die Stadt im Sturm ein und vernichtete alle in ihr befindlichen Gottlosen, so wie Hermes und Horus, der Sohn der Isis und des Osiris, die die an denselben Orten be-

22. Das Dekret von Rosette µ]ῆς καὶ Ὧρος ὁ τῆς Ἴσιος καὶ Ὀσίριος υἱὸς ἐχειρώσαντο τοὺς ἐν τοῖς αὐτοῖς | τόποις ἀποστάντας πρότερον. τοὺς ἀφηγησαµένους τῶν ἀποστάντων ἐπὶ τοῦ ἑαυτοῦ πατρὸς καὶ τὴν χώραν ἐ[νοχλήσ]αντας καὶ τὰ ἱερὰ ἀδικήσαντας παραγενόµενος εἰς Μέµφιν, ἐπαµύνων | τῶι πατρὶ καὶ τῆι ἑαυτοῦ βασιλείαι, πάντας ἐκόλασεν καθηκόντως καθ’ ὃν καιρὸν παρεγενήθη πρὸς τὸ συντελεσθῆ[ναι αὐτῶι τὰ] προσήκοντα νόµιµα τῆι παραλήψει τῆς βασιλείας. ἀφῆκεν δὲ καὶ τὰ ἐ[ν] | τοῖς ἱεροῖς ὀφειλόµενα εἰς τὸ βασιλικὸν ἕως τοῦ ὀγδόου ἔτους, ὄντα εἰς σίτου τε καὶ ἀργυρίου πλῆθος οὐκ ὀλίγον· ὡσαύ[τως δὲ] καὶ τὰς τιµὰς τῶν µὴ συντετελεσµένων εἰς τὸ βασιλικὸν βυσσίνων ὀθ[ονί](30)ων καὶ τῶν συντετελεσµένων τὰ πρὸς τὸν δειγµατισµὸν διάφορα ἕως τῶν αὐτῶν χρόνων· ἀπέλυσεν δὲ τὰ ἱερὰ καὶ τῆς ἀ[ποτεταγ]µένης ἀρτάβης τι ἀρούραι τῆς ἱερᾶς γῆς, καὶ τῆς ἀµπελίτιδος ὁµοίω[ς] | τὸ κεράµιον τῆι ἀρούραι, τῶι τε Ἄπει καὶ τῶι Μνεύει πολλὰ ἐδωρήσατο καὶ τοῖς ἄλλοις ἱεροῖς ζώιοις τοῖς ἐν Αἰγύπτωι, πολὺ κρεῖσσον τῶν πρὸ αὐτοῦ βασιλείων φροντίζων ὑπὲρ τῶν ἀνηκόν[των εἰς] | αὐτὰ διὰ παντός, τά τ’ εἰς τὰς ταφὰς αὐτῶν καθήκοντα διδοὺς δαψιλῶς καὶ ἐνδόξως καὶ τὰ τελισκόµενα εἰς τὰ ἴδια ἱερὰ µετὰ θυσιῶν καὶ πανηγύρεων καὶ τῶν ἄλλων τῶν νοµι[ζοµένων], | τά τε τίµια τῶν

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findlichen Abtrünnigen dereinst bezwangen. Die Anführer der Aufständischen aber, die auch in der Zeit seines Vaters das Land verwüstet und gegenüber den Heiligtümern Unrecht getan hatten, brachte er nach Memphis, um dem Vater ebenso wie seiner eigenen Königsherrschaft beizustehen, er bestrafte alle, wie es üblich ist, zu dem Zeitpunkt, an dem er ankam, um gleichzeitig für sich die üblichen Bräuche für die Übernahme der Königsherrschaft durchzuführen; [16.] weil er auch in den Tempeln die Schulden an den königlichen Fiskus bis zu seinem achten Regierungsjahr erließ – es handelte sich um eine ganz erhebliche Menge an Silber und Getreide –, gleichfalls auch den Wert der nicht an den königlichen Fiskus abgelieferten feinen Leinenstoffe und von den Lieferungen die Unkosten an den Musterstücken bis zur selben Zeit; [17.] weil er den Tempeln auch das (für den Fiskus) abgesonderte Artabemaß pro Arure (ca. 2750 m2) für das heilige Land erließ, und gleichfalls für das Weinland das Keramionmaß pro Arure; [18.] weil er dem Apis(stier) und dem Mnevis(stier) vieles schenkte und den anderen heiligen Tieren in Ägypten; viel mehr als die, die vor ihm König waren, sorgte er sich bei jeder Gelegenheit um die diese betreffenden Angelegenheiten; für ihre Begräbnisse gab er das ihnen Zukommende reichlich und ehrenvoll und die Zahlungen für ihre eigenen Heiligtümer mit Opfern und Festprozessionen und den anderen Bräuchen. Und die Ehrenvorrechte der

136 ἱερῶν καὶ τῆς Αἰγύπτου διατετήρηκεν ἐπὶ χώρας ἀκολούθως τοῖς νόµοις, καὶ τὸ Ἀπιεῖον ἔργοις πολυτελέσιν κατεσκεύασεν χορηγήσας εἰς αὐτὸ χρυσίο τε κ[αὶ ἀργυρί]|ου καὶ λίθων πολυτελῶν πλῆθος οὐκ ὀλίγον, καὶ ἱερὰ καὶ ναοὺς καὶ βωµοὺς ἱδρύσατο τά τε προσδεόµενα ἐπισκευῆς προσδιωρθώσατο ἔχων θεοῦ εὐεργετικοῦ ἐν τοῖς ἀνήκου[σιν εἰς τὸ] (35) θεῖον διάνοιαν· προσπυνθανόµενός τε τὰ τῶν ἱ[ε]ρῶν τιµιώτατα ἀνανεοῦτο ἐπὶ τῆς ἑαυτοῦ βασιλείας ὡς καθήκει·

ἀνθ’ ὧν δεδώκασιν αὐτῶι οἱ θεοὶ ὑγίειαν, νίκην, κράτος καὶ τἄλλ’ ἀγαθ[ὰ πάντα], | τῆς βασιλείας διαµενούσης αὐτῶι καὶ τοῖς τέκνοις εἰς τὸν ἅπαντα χρόνον· ἀγαθῆι τύχηι, ἔδοξεν τοῖς ἱερεύσι τῶν κατὰ τὴν χώραν ἱερῶν πάντων, τὰ ὑπάρχοντα τ[ίµια πάντα] | τῶι αἰωνοβίωι βασιλεῖ Πτολεµαίωι, ἠγαπηµένωι ὑπὸ τοῦ Φθᾶ, θεῶι Ἐπιφανεῖ Εὐχαρίστωι, ὁµοίως δὲ καὶ τὰ τῶν γονέων αὐτοῦ θεῶν Φιλπατόρων καὶ τὰ τῶν προγόνων θεῶν Εὐεργ[ετῶν καὶ τὰ] | τῶν θεῶν Ἀδελφῶν καὶ τὰ τῶν θεῶν Σωτήρων ἐπαύξειν µεγάλως· στῆσαι δὲ τοῦ αἰωνοβίου βασιλέως Πτοµαίου θεοῦ Ἐπιφανοῦς Εὐχαρίστου εἰκόνα ἐν ἑκάστωι ἱερῶι ἐν τῶι ἐπιφα[νεστάτωι τόπωι], | ἣ προσονο-

Texte Heiligtümer und Ägyptens beachtete er im Lande gemäß den Gesetzen. Und er hat den Apis-Tempel mit kostbaren Werken ausgestattet, indem er ihn mit einer großen Menge an Gold und Silber und kostbaren Steinen versah; [19.] und weil er Heiligtümer und Kapellen und Altäre weihte, diejenigen, die einen Wiederaufbau brauchten, wieder herrichtete, indem er den Sinn eines wohltätigen Gottes gegenüber den Dingen, die das Göttliche betreffen, aufwies. Und nachdem er Weiteres in Erfahrung gebracht hatte, erneuerte er die ehrenvollsten unter den Heiligtümern unter seiner eigenen Königsherrschaft, so wie es sich gehört. [anth-hon-Formel:] Dafür gaben ihm die Götter Gesundheit, Sieg und Stärke und alles andere Gute, für die Dauer der Königsherrschaft sowohl für ihn als auch für seine Kinder bis in alle Zeit. [Beschluss:] Mit gutem Glück. Es sei beschlossen durch die Priester aller Tempel im Lande, [1.] alle bestehenden Ehren für den ewiglebenden König Ptolemaios, geliebt von Ptah, dem Erschienenen und Begnadeten Gott, gleichwie auch für seine Eltern, die Vaterliebenden Götter und für seine Großeltern, die Wohltätergötter, und für die Geschwistergötter und für die Rettergötter in überaus großem Maße zu vermehren, [2.] eine Statue in jedem Heiligtum am bestsichtbaren Ort vom ewiglebenden König Ptolemaios, dem Erschienenen und Begnadeten Gott, aufzustellen, die benannt werden soll „Ptolemaios, der

22. Das Dekret von Rosette µασθήσεται Πτολεµαίου τοῦ ἐπαµύναντος τῆι Αἰγύπτωι, ἧι παρεστήξεται ὁ κυριώτατος θεὸς τοῦ ἱεροῦ, διδοὺς αὐτῶι ὅπλον νικητικόν, ἃ ἔσται κατεσκευασµέν[α τὸν τῶν Αἰγυπτίων] (40) τρόπον, καὶ τοὺς ἱερεῖς θεραπεύειν τὰς εἰκόνας τρὶς τῆς ἡµέρας καὶ παρατιθέναι αὐτοῖς ἱερὸν κόσµον καὶ τἆλλα τὰ νοµιζόµενα συντελεῖν καθὰ καὶ τοῖς ἄλλοις θεοῖς ἐν [ταῖς ἑορταῖς καὶ πα]|νηγύρεσιν. ἱδρύσασθαι δὲ βασιλεῖ Πτολεµαίωι θεῶι Ἐπιφανεῖ Εὐχαρίστωι, τῶι ἐγ βασιλέως Πτολεµαίου καὶ βασιλίσσης Ἀρσινόης θεῶν Φιλοπατόρων, ξόανον τε καὶ ναὸν χρ[υσοῦν ἐν ἑκάστωι τῶν] | ἱεῶν καὶ καθιδρῦσαι ἐν τοῖς ἀδύτοις µετὰ τῶν ἄλλων ναῶν, καὶ ἐν ταῖς µεγάλαις πανηγύρεσιν, ἐν αἷς ἐξοδεῖαι τῶν ναῶν γίνονται, καὶ τὸν τοῦ θεοῦ Ἐπιφανοῦς Εὐ[χαρίστου ναὸν συνε]|ξοδεύειν. ὅπως δ’ εὔσηµος ἦι νῦν τε καὶ εἰς τὸν ἔπειτα χρόνον, ἐπικεῖσθαι τῶι ναῶι τὰς τοῦ βασιλέως χρυσᾶς βασιλείας δέκα αἷς προσκείσεται ἀσπίς, [καθάπερ καὶ ἐπὶ πασῶν] | τῶν ἀσπιδοειδῶν βασιλειῶν τῶν ἐπὶ τῶν ἄλλων ναῶν· ἔσται δ’ αὐτῶν ἐν τῶι µέσωι ἡ καλουµένη βασιλεία Ψχέντ, ἣν περιθέµενος εἰσῆλθεν εἰς τὸ ἐν Μέµφ[ει ἱερόν, ὅπως ἐν αὐτῶι συν](45)τελεσθῆι τὰ νοµιζόµενα τῆι παραλήψει τῆς βασιλείας. ἐπιθεῖναι δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ περὶ τὰς βασιλείας τετραγώνου κατὰ τὸ προειρηµένον

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Ägypten beisteht“, dem der Hauptgott des Heiligtums beizustellen ist, indem er (i.e. der Hauptgott des Tempels) ihm (i.e. Ptolemaios) die Siegeswaffe überreicht, die auf ägyptische Weise ausgestaltet sein soll, und die Priester sollen den Statuen dreimal am Tag den Dienst vollziehen und vor ihnen den heiligen Kosmos (i.e. die Gerätschaften für das tägliche Tempelritual) ausbreiten und die anderen Bräuche durchführen, so wie es auch für die übrigen Götter bei den Festen und Festprozessionen geschieht; [3.] ferner in jedes Heiligtum ein Holzbild und einen goldenen Schrein dem König Ptolemaios, dem Erschienenen und Begnadeten Gott, dem Spross des Königs Ptolemaios und der Königin Arsinoe, der Vaterliebenden Götter, zu weihen und sie in die Allerheiligsten zu den anderen Schreinen (scil. der übrigen Götter des Tempels) zu stellen; und bei den großen Festprozessionen, bei denen die Schreine ausgeführt werden, auch den Schrein des Erschienenen und Begnadeten Gottes mitauszuführen. Damit er jetzt und für alle Zeit gut erkennbar ist, sollen oben auf den Schrein die zehn goldenen Kronen des Königs gesetzt werden, denen der Uräus beigefügt ist, so wie es üblich ist auf allen uräusförmigen Kronen auf den übrigen Schreinen. In deren Mitte soll sich aber die sogenannte Pschent-Krone befinden, die er trug, als er in das Heiligtum in Memphis eingetreten ist, als er in ihm die Gesetzmäßigkeiten zur Übernahme der Königsherrschaft durchgeführt hat. Fernerhin sind auf das Viereck um die Kronen nach der vorgenannten (Pschent-)Krone zwei golde-

138 βασίλειον φυλακτήρια χρυ[σᾶ τῶν δύο χωρῶν σηµαίνοντα ὅ]|τι ἐστὶν τοῦ βασιλέως τοῦ ἐπιφανῆ ποιήσαντος τήν τε ἄνω χώραν καὶ τὴν κάτω· καὶ ἐπεὶ τὴν τριαάδα τοῦ {τοῦ} Μεσορῆ, ἐν ἧι τὰ γενέθλια τοῦ βασιλέως ἄγεται, ὁµοίως δὲ καὶ [τὴν ἑπτακαιδεκάτην τοῦ Φαῶφι] | ἔν ἧι παρέλαβεν τὴν βασιλείαν παρ τοῦ πατρός, ἐπωνύµους νενοµίκασιν ἐν τοῖς ἱεροῖς, αἳ δὴ πολλῶν ἀγαθῶν ἀρχηγοὶ ᾶσίν εἰσιν, ἄγειν τὰς ἡµέρας ταύτας ἑορ[τὰς καὶ πανηγύρεις ἐν τοῖς κατὰ τὴν Αἴ]|γυπτον ἱεροῖς κατὰ µῆνα, καὶ συντελεῖν ἐν αὐτοῖς θυσίας καὶ σπονδὰς καὶ τἆλλα τὰ νοµιζόµενα, καθὰ καὶ ἐν ταῖς ἄλλαις πανηγύρεσιν τάς τε γινοµένας προθέ[σεις — — — — τοῖς πα]|ρεχοµένοις ἐν τοῖς ἱεροῖς. ἄγειν δὲ ἑορτὴν καὶ πανήγυριν τῶι αἰωνοβίωι καὶ ἠγαπηµένωι ὑπὸ τοῦ Φθᾶ βασιλεῖ Πτολεµαίωι θεῶι Ἐπιφανεῖ Εὐχαρίστωι κατ’ ἐνι[αυτὸν ἐν τοῖς ἱεροῖς τοῖς κατὰ τὴν] (50) χώραν ἀπὸ τῆς νουµηνίας τοῦ Θωῦθ ἐφ’ ἡµέρας πέντε, ἐν αἷς καὶ στεφανηφορήσουσιν συντελοῦντες θυσίας καὶ σπονδὰς καὶ τἆλλα τὰ καθήκοντα. προσαγορε[ύεσθαι δὲ τοὺς ἱερεῖς τῶν ἄλλων θεῶν] | καὶ τοῦ θεοῦ Ἐπιφανοῦς Εὐχαρίστου ἱερεῖς πρὸς τοῖς ἄλλοις ὀνόµασιν τῶν θεῶν ὧν ἱερατεύουσιν, καὶ καταχωρίσαι εἰς πάντας τοὺς χρηµατισµοὺς καὶ εἰς τοὺς δ[ακτυλίους οὓς φοροῦσι προσεγκολάπ-

Texte ne Wächterinnen (i.e. die schützende Geier-Göttin Nechbet und die Uräusschlange Uto) der beiden Länder zu setzen, die zu erkennen geben, dass es der König ist, der dem Oberen und Unteren Land erschienen ist; [4.] und weil der dreißigste Mesore, an dem der Geburtstag des Königs gefeiert wird, ebenso wie auch der siebzehnte Phaophi, an dem er die Königsherrschaft von seinem Vater übernommen hat, als eponyme Tage in den Heiligtümern gelten, die Urheber vieler guter Dinge für alle (Menschen) sind, sind diese Tage monatlich als Feste und Festprozessionen in den Heiligtümern Ägyptens zu feiern, und während diesen sind Brandopfer und Trankspenden durchzuführen und die übrigen Bräuche, so wie es auch bei den anderen Festprozessionen geschieht, und die stattfindenden Opferungen [---an] die Diensthabenden in den Tempeln; [5.] es ist jährlich ein Fest und eine Festprozession für den ewiglebenden und von Ptah geliebten König Ptolemaios, den Erschienenen und Begnadeten Gott, in den Heiligtümern im Lande durchzuführen fünf Tage lang vom Neumond des (Monats) Thoth an, an denen sie (i.e. die Zelebranten) sich auch bekränzen sollen, während sie die Brandopfer und Trankspenden und das übrige Dazugehörige vollziehen; [6.] zusätzlich sind die Priester der anderen Götter auch als Priester des Erschienenen und Begnadeten Gottes zu den anderen Amtstiteln der Götter, denen sie den Dienst versehen, zu benennen, und seine Priesterschaft ist in allen Urkunden zu verzeichnen, und sie ist einzugravieren auf die Siegelringe,

22. Das Dekret von Rosette τεσθαι τὴν] | ἱερατείαν αὐτοῦ. ἐξεῖναι δὲ καὶ τοῖς ἄλλοις ἰδιώταις ἄγειν τὴν ἑορτὴν καὶ τὸν προειρηµένον ναὸν ἱδρύεσθαι καὶ ἔχειν παρ’ αὑτοῖς συντελο[ῦντας] [τὰ νόµιµα ἐν ἑορταῖς ταῖς τε κατὰ µῆνα καὶ τ|αῖ]ς κατ’ ἐνιαυτόν, ὅπως γνώριµον ἦι διότι οἱ ἐν Αἰγύπτωι αὔξουσι καὶ τιµῶσι τὸν θεὸν Ἐπιφανῆ Εὐχάριστον βασιλέα, καθάπερ νόµιµόν ἐστι[ν αὐτοῖς. τὸ δὲ ψήφισµα τοῦτο ἀναγράψαι εἰς στή]|[λας σ]τερεοῦ λίθου τοῖς τε ἱεροῖς καὶ ἐγχωρίοις καὶ Ἑλληνικοῖς γράµµασιν, καὶ στῆσαι ἐν ἑκάστωι τῶν τε πρώτων καὶ δευτέρων [καὶ τρίτων ἱερῶν πρὸς τῆι τοῦ αἰωνοβίου βασιλέως εἰκόνι].

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die sie tragen. [7.] Es soll aber auch den übrigen Privatleuten möglich sein, das Fest zu feiern und den vorgenannten Schrein aufzustellen und bei sich die Bräuche bei den Festen, sowohl den monatlichen als auch den jährlichen, durchzuführen, damit offensichtlich ist, dass die in Ägypten (Lebenden) den Erschienenen und Begnadeten Gott König wertschätzen und ehren, so wie es bei ihnen üblich ist. [Veröffentlichungsbestimmungen:] Dieser Beschluss ist aufzuschreiben auf eine harte Steinstele in hieroglyphischen, demotischen und griechischen Schriftzeichen, und sie ist in jedem der Heiligtümer erster, zweiter und dritter Klasse aufzustellen beim Bild des ewiglebenden Königs.“

Kommentar: Die Priester Ägyptens hatten sich in Memphis anlässlich des Krönungsfestes des Königs versammelt und dort den Herrscherkult für den neuen Pharao beschlossen. Sie taten dies in Form eines typisch griechischen Ehrendekretes, das aber nicht nur in griechischer, sondern auch demotischer und hieroglyphenägyptischer Sprache veröffentlicht wurde. Dem griechischen Formular entsprechend gliedert sich der Text in ein Präskript, eine ausführliche Begründung des Beschlusses, den Beschluss selbst und abschließende Veröffentlichungsbestimmungen. Für Diskussionen sorgt immer wieder die Frage, ob im „Fest der Übernahme der Königsherrschaft von seinem Vater“ (hierogl.) wirklich die Krönung zum Pharao zu sehen ist. So gibt es die Ansicht, dass es sich beim Fest der Übernahme der Königsherrschaft um eine Krönung des Ptolemaios zum basileus in Alexandria gehandelt habe (Stadler). Dass aber in der Rosettana tatsächlich die ägyptische Krönung gemeint war, zeigt der Text selbst an späterer Stelle: Bei der Beschreibung der Bekrönung des Schreins heißt es: „In deren Mitte soll sich aber die sogenannte Pschent-Krone befinden, die er trug, als er in das Heiligtum in Memphis eingetreten ist, als er in ihm die Gesetzmäßigkeiten zur Übernahme der Königsherrschaft durchgeführt hat.“ (Beschlusspunkt Nr. 3). Ptolemaios wurde also definitiv in Memphis mit der ägyptischen Pschent-Krone zum Pharao gekrönt. Zu diskutieren wäre hingegen die Frage, ob es sich um das Krönungsfest selbst handelte oder nicht vielleicht ein (erster) Jahrestag dieser Feier begangen wurde. Wie wir aus dem Kanoposdekret (Text 14) wissen, wurde

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schließlich das „Fest der Übernahme der Königsherrschaft“ regelmäßig in den Tempeln gefeiert, so dass es sich auch beim vorliegenden Fest um eine Gedenkfeier handeln könnte. Diese Frage kann nicht abschließend geklärt werden, doch besteht die Möglichkeit, dass der Sieg über die Rebellen, von dem das Dekret berichtet, eine Voraussetzung für die ägyptische Krönung war, die nun in Memphis gefeiert wurde. Nachdem sich also Ptolemaios real durch den Sieg über die Gottesfeinde von Lykonpolis und die Hinrichtung der Gottesfeinde beim Fest in Memphis als Erbe des Horus erwiesen hatte, konnte er vom dortigen Hohepriester zum rechtmäßigen Nachfolger des Osiris auf dem Thron Ägyptens erklärt werden. Das war gleichzeitig ein starkes Zeichen in Richtung der von den thebanischen Amun-Priestern unterstützten oberägyptischen Gegenpharaonen (Veïsse), denen Ptolemaios nun das gleiche Schicksal androhen konnte wie den bereits besiegten unterägyptischen Rebellen. Der ägyptische Einfluss ist in diesem Text, der nach einem griechischen Formular aufgebaut ist, auf verschiedenen Ebenen deutlich zu bemerken und zeigt, dass der griechische Text die Übersetzung einer ägyptischen Vorlage ist. So erschließt sich der Sinn der griechischen Version häufig erst unter Berücksichtigung der beiden ägyptischen Versionen; etwa in Begründungspunkt 3, wo es heißt, dass „er sich menschenfreundlich gegenüber allen seinen Streitkräften gezeigt hat“. Diese Wendung mit dem Begriff „Streitkräfte“ (Z. 12: ταῖς τε ἑαυτοῦ δυνάµεσιν) könnte ebenfalls mit „with all his own means“ (Bagnall/Derow oder auch Bernand) übersetzt werden, doch macht der ägyptische Text die Übersetzung Streitkräfte (dem.: mtgß; hierogl. mSo.w) nötig (vgl. schon Sethe). In ähnlicher Weise ist in der gleichen Zeile die Übersetzung des griechischen Wortes laos – eigentlich „das Volk“ – mit „Heer“ (Z. 12: ὅπως ὅ τε λαὸς καὶ οἱ ἄλλοι πάντες) allein durch die hieroglyphische Version gesichert, denn dort steht das entsprechende Wort (hierogl. mnfjt; dem. allgemeiner: mSo.w; vgl. schon Sethe; aber Nespoulous Phalippou). Der Übersetzer/Verfasser hat entweder versehentlich das griechische laos gewählt, weil das demotische Wort nicht nur die Soldaten, sondern auch die Menschenmenge bezeichnen kann. Oder aber er meinte es in dem Sinne, dass einerseits die Kleruchen, also die nichtägyptischen Militärsiedler (als laos), und andererseits die anderen im Lande (als „alle anderen“) gemeint sind (Daumas). Nur aus den beiden ägyptischen Versionen geht auf jeden Fall hervor, dass die Streitkräfte gemeint sein müssen. Dass wiederum bereits Griechen in Ägypten den Text missverstehen konnten, zeigt die Tatsache, dass sie das Wort laos eigentlich für die ägyptische Bevölkerung verwendeten, denn die für die ägyptischen Rechtsstreitigkeiten zuständigen Richter hießen Laokriten. Beschlusspunkt 2 wiederum spricht im griechischen Text von einem nach ägyptischer Weise gefertigten Schwert, das der Hauptgott eines jeden Tempels dem König überreichen soll. Nur aus den ägyptischen Versionen geht aber hervor, dass die Anweisung „nach ägyptischer Weise gefertigt“ auf die Statuengruppe als Ganzes zu beziehen ist (vgl. Abb. 12). Insbesondere die Beschreibung des

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Schreines für Ptolemaios in Beschlusspunkt 3 ist schließlich ohne Lektüre der ägyptischen Texte nur schwer verständlich. Der ägyptische Einfluss ist zu guter Letzt besonders stark auch in der Datierung des Dekretes bemerkbar. Sie entspricht zwar einem typisch ptolemäischen (griechischen) Aktpräskript, das sich nach der Nennung des Königs und der anschließenden eponymen Priester, die dem Jahr dem Namen gaben, richtet, also des Alexanderpriesters und der Priesterinnen der Berenike, der Arsinoe Philadelphos und der Arsinoe Philopator, doch weist diese Datierung eine Besonderheit auf: Ptolemaios ist hier nicht als makedonischer König (basileus) vorgestellt, sondern als ägyptischer Pharao mit einer fünfteiligen ägyptischen Titulatur, die ins Griechische übersetzt wurde. Es handelt sich um folgende Namen (vgl. Text 1): 1. Der Horusname (Or), der hieroglyphisch lautet „Horus: Der Jüngling, er ist als König erschienen auf dem Thron seines Vaters.“ Das wird im Griechischen zu: „König, der Jüngling, der von seinem Vater die Königsherrschaft übernommen hat.“ 2. Der Name „der beiden Herrinnen“ (nb.tj), wobei die „beiden Herrinnen“ eine Bezeichnung der beiden Kronen ist, die als Geiergöttin Nechbet und Uräusschlangen-Göttin Uto dargestellt werden. Er lautet in hieroglyphischer Form „die beiden Herrinnen: Groß an Kraft, der die beiden Länder befestigt, der Ägypten leben lässt, mit trefflichem Herz vor den Göttern“, was im Griechischen wird zu „Herr der Kronen: Groß an Ehre, der Ägypten wieder aufgerichtet hat und gegenüber den Göttern fromm ist.“ In Beschlusspunkt 4 der Priester erscheint diese Krone nochmals, um den Schrein des Königs im Allerheiligsten zu identifizieren – hier werden die beiden Göttinnen als phylakteria bezeichnet, also als Schutzgöttinnen, was in der Tat ihre Aufgabe war. 3. Der Gold(horus)name (Or-nbw), der ägyptisch lautet „Goldfalke: Der das Leben gedeihen lässt für die Menschen, Herr der Dreißigjahrfeste wie Ptah, Fürst wie Re.“, was im Griechischen zu „Bezwinger der Gegner: Der das Leben der Menschen in Ordnung gebracht hat, Herr der Dreißigjahrfeste wie Hephaistos der Große, König wie Helios.“ wird. 4. Der Name als König von Ober- und Unterägypten (nswt-bjt) steht in einem schützenden Königsring, der Kartusche. Ägyptisch lautet er „nesut bit (die ursprüngliche Bedeutung dieser Wendung ist unklar): (Ptolemaios, der Erbe der beiden Götter, die ihren Vater lieben, erwählt von Ptah, stark ist der Ka des Re, lebendes Abbild des Amun)|.“ Dies lautet griechisch „Großkönig der oberen und der unteren Länder: Nachkomme der Vaterliebenden Götter, den Hephaistos erwählt hat, dem Helios den Sieg gegeben hat, lebendes Abbild des Zeus.“ 5. Der „Sohn des Re“-Name (s# Ro), dessen hieroglyphische Version den Eigennamen des Königs ebenfalls in einer Kartusche ausführt: „Sohn des Re: (Ptolemaios, er lebe ewiglich, geliebt von Ptah)|, der Gott, der erscheint, Herr der Vollkommenheit.“ Das wird im Griechischen zu „Sohn des Helios: Ptolemaios, ewiglebend, geliebt von Ptah.“

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Es gibt die Auffassung, dass sich zwischen dem Dekret von Kanopos (Text 14) und dem von Rosette aufgrund der beschriebenen stark ägyptischen Prägung des jüngeren Textes eine Verschiebung des Einflusses im Verhältnis zwischen König und Priestern feststellen ließe – wäre das erstere eher „griechisch“, so sei das zweite eher „ägyptisch“. Das sei auch daran zu erkennen, dass nicht mehr Alexandria/Kanopos, sondern die alte Reichshauptstadt Memphis der Versammlungsort ist und zudem erhebliche Konzessionen an die Tempel gemacht wurden (Onasch). Die Herrschaft sei also wesentlich mehr auf die Priester angewiesen gewesen als unter dem dritten Ptolemäer, oder andersherum formuliert: In der Zeit der Schwäche und Instabilität der Herrschaft konnten die Priester mehr Rechte für sich gewinnen und die Ptolemäer hätten ihr Königtum verstärkt ägyptisiert, um die Akzeptanz der Priester zu gewinnen. Diese Auffassung blieb aber aus guten Gründen nicht unwidersprochen, schließlich unterscheiden sich die Konzessionen des Königshauses an die Priester nicht wesentlich von denen vorheriger Priesterdekrete (Clarysse). Es fällt aber durchaus auf, dass der Bericht über die Wohltaten des Königs für Ägypten wesentlich ausführlicher ist als in den übrigen Priesterdekreten. Neben ganz allgemeinen Wohltaten verweisen die Priester insbesondere auf Steuererleichterungen für die Tempel, von denen zahlreiche genannt werden. Bezugspunkt dieser Remissionen ist immer die Herrschaft Ptolemaios’ IV. Möglicherweise hatten die Priester diese Vergünstigungen gerade während der Synode mit dem König ausgehandelt und sie dann durch die vorliegende Beschlussbegründung verklausuliert als Wohltat des Herrschers gekennzeichnet. Am ausführlichsten berichten die Priester in ihrer Beschlussbegründung über die Niederschlagung einer Rebellion in Unterägypten. Auch Polybios erwähnt möglicherweise den königlichen Triumph, auch wenn er ihn ins Jahr 185 v. Chr. zu verlegen scheint (XXII 7,1–6): „Als Ptolemaios ... Lykopolis belagerte, sank den ägyptischen Dynasten der Mut, und sie unterwarfen sich dem König. Er aber verfuhr übel mit ihnen und geriet dadurch in viele Gefahren. ... Ptolemaios aber brach sein Wort, ließ sie nackt an die Wagen binden und durch die Straßen schleifen, dann unter Martern hinrichten.“ (Übersetzung: Drexler). Der Bericht über den Sieg des Königs in der priesterlichen Beschlussbegründung wird von den diversen Vergünstigungen für die Tempel eingerahmt. Am Text ist zu erkennen, dass die Priester sich deutlich von dem Aufstand ihrer Landsleute distanzieren. Die Priester attribuieren die Rebellen, ihre Landsleute, deshalb sogar als „gottlos“ und betonen, dass diese sich an den Tempeln vergangen hatten. Die Vergünstigungen des Königs können deshalb auch als Dank für ihre Loyalität aufgefasst werden.

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Abb. 12: Die Stele von Nobaireh (Kairo CG 22188 = JE 22264). Darstellung der Statuengruppe, die nach dem Dekret von Rosette von den Priestern in Auftrag gegeben wurde. Die Stele enthält eigentlich ein Dekret aus dem 23. Jahr Ptolemaios’ V. (29. April 182 v. Chr.), doch hat der Steinmetz auch Teile des Dekretes von Rosette mit aufgenommen; aus: Kamal, Bd. 2, Taf. 62.

Der Ort Lyko(n)polis, in dem die Feinde besiegt wurden, ist heute nicht mehr zu lokalisieren, doch befand er sich sicherlich im Nildelta. Bereits zu Beginn der Beschlussbegründung klingt die Bedeutung der Eroberung der aufständischen Stadt an, wenn die Priester zunächst allgemein schreiben, „indem er (i.e. Ptolemaios) sich als Gott aus einem Gott und einer Göttin, wie Horus, der Sohn der Isis und des Osiris, der seinem Vater Osiris Beistand geleistet hat, erwiesen hat.“ Hiermit verweisen sie auf den Sieg des Horus über den Götterfeind Seth, der Osiris getötet und danach Horus sein Anrecht auf den Thron streitig gemacht hatte. Nach dem Sieg über Seth wurde Horus auf dem Thron des Osiris als Herrscher Ägyptens installiert. Ptolemaios hatte die Rebellen in Lykonpolis bezwungen, das in derselben Gegend lag, in der sich das mythologische Ereignis abgespielt haben soll, denn die Priester schreiben, der König habe „alle Gottlosen vernichtet, so wie Hermes und Horus, der Sohn der Isis und des Osiris, die die an denselben Orten befindlichen Abtrünnigen dereinst bezwangen.“ Damit besaß Ptolemaios das Anrecht auf den Pharaonenthron in der Nachfolge des Horus – er war kein „fremder“ König, sondern legitimer einheimischer Pharao. Das Dekret zeigt zu guter Letzt umfassend und anschaulich, wie wir uns die ägyptische Form des Herrscherkultes für die Ptolemäer in den Tempeln des

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Landes vorstellen müssen – Ptolemaios wurde von den Priestern zu einem Gott in jedem ägyptischen Tempel erhoben, der dort jeweils den Kult mit den ägyptischen Göttern teilte. Gleichzeitig ist er aber ein von den ägyptischen Göttern bedingter Gott, denn diese garantieren seine Sieghaftigkeit und seinen Status aufgrund seiner Handlungen zu ihren Gunsten. Inwiefern es sich hierbei lediglich um Lippenbekenntnisse einer sich der Fremdherrschaft eigentlich verschließenden Priesterschaft handelte, die den Kult in Wirklichkeit überhaupt nicht ausübte (Winter), ist schwer zu beurteilen, doch sollte man meinen, dass zumindest die Priester von Memphis den Herrscherkult im Tempel tatsächlich durchgeführt haben, waren sie doch die größten Profiteure der herrscherlichen Zuwendungen. & A. B. KAMAL, Stèles ptolémaiques et romaines (CG 22001–22208). 2 Bde., Kairo 1904–1905; K. SETHE, Zur Geschichte und Erklärung der Rosettana, in: NGWG: philol.-hist. Kl. 1916, 275–314; W. SPIEGELBERG, Der demotische Text der Priesterdekrete von Kanopus und Memphis (Rosettana), Heidelberg 1922 (Edition und Übersetzung der ägyptischen Versionen); F. DAUMAS, Les moyens d’expression du grec et de l’égyptien comparés dans les décrets de Canope et de Memphis, Kairo 1952, 277 (zum Begriff laos); J. BERGMAN, Ich bin Isis. Studien zum memphitischen Hintergrund der griechischen Isisaretalogien, Uppsala 1968, 99–106 (zur Krönung des Ptolemaios); Chr. ONASCH, Zur Königsideologie der Ptolemäer in den Dekreten von Kanopus und Memphis (Rosettana), in: APF 24–25, 1976, 137–155 (zum Gegensatz Priester/König); E. WINTER, Der Herrscherkult in den ägyptischen Ptolemäertempeln, in: H. Maehler/V. M. Strocka (Hg.), Das ptolemäische Ägypten. Akten des internationalen Symposions 27.–29. September 1976 in Berlin, Mainz 1978, 147–160 (maßgeblicher Beitrag über die Priesteropposition gegen den Herrscherkult); C. G. JOHNSON, Ptolemy V and the Rosetta Decree. The Egyptianization of the Ptolemaic Kingship, in: Ancient Society 26, 1995, 145–155 (gegen die These einer zunehmenden Ägyptisierung des Königtums); R. S. SIMPSON, Demotic Grammar in the Ptolemaic Sacerdotal Decrees, Oxford 1996 (grammatische Analyse und englische Übersetzung des demotischen Textes); G. HÖLBL, Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung, Darmstadt 1996, 144–150 (zu den späten Priesterdekreten); B. C. MCGING, Revolt Egyptian Style. Internal Opposition to Ptolemaic Rule, in: APF 43, 1997, 273–314 (zu den Rebellen); J. VON BECKERATH, Handbuch der ägyptischen Königsnamen, Mainz 1999 (zur ägyptischen Königstitulatur); R. B. PARKINSON (Hg.), Cracking Codes. The Rosetta Stone and Decipherment, Berkeley/Los Angeles 1999 (konzise Darstellung der Geschichte um den Stein); W. CLARYSSE, Ptolémées et temples, in: D. Valbelle/J. Leclant (Hg.), Le decret de Memphis. Colloque de la Fondation Singer-Polignac à l’occasion de la célébration du bicentenaire de la découverte de la Pierre de Rosette, Paris 2000, 41–65 (grundlegender Beitrag zum Verhältnis Priester/König im Spiegel der Priesterdekrete); A.-É. VEÏSSE, Les „révoltes Égyptiennes“. Recherches sur les troubles intérieurs en Égypte du règne de Ptolémée III à la conquête romaine, Löwen 2004, 187–194 (zu den politischen Implikationen der Krönung); J. BINGEN, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 262–266 (zum Problem, ob es zu einer verstärkten Ägyptisierung des Königtums gekommen ist); A. ELLI, La stele di Rosetta e il decreto di Menfi, Turin 2009 (Übersetzung aller drei Texte ins Italienische,

23. Zwei Stiftungsinschriften am Tempel von Antaiupolis

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Beschreibung des Fundes und der Bedeutung für die Forschung); St. PFEIFFER, Das Dekret von Rosette. Die ägyptischen Priester und der Herrscherkult, in: G. Weber (Hg.), Alexandreia und das ptolemäische Ägypten: Kulturbegegnungen in hellenistischer Zeit, Berlin 2010, 84–108 (zur Ausgestaltung des ägyptischen Herrscherkultes); C. BENNETT, Alexandria and the Moon. An Investigation into the Lunar Macedonian Calendar of Ptolemaic Egypt, Löwen u.a. 2011, 85 (Datierung auf 24.11.197 v. Chr.); A. NESPOULOUS PHAILIPPOU, L’amnistie décrétée en l’an 21 de Ptolémée Épiphane (185/184 a. C.), in: ENiM 5, 2012, 155f. (zur Bedeutung von laos mit der bisherigen Literatur); M. STADLER, Die Krönung der Ptolemäer zum Pharao, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft. Neue Folge 36, 2012, 59–95 (zur Krönung der Ptolemäer); M. BOMMAS, Das ägyptische Investiturritual, Oxford 2013 (zur Krönung, Investitur und „Natur“ des Pharao); D. GLADIC, Das Dekret von Memphis. Kommentar und Auswertung. Diss. Trier: https://ubt.opus.hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/year/2018/docId/829; Ch. ARMONI/A. JÖRDENS, Der König und die Rebellen. Vom Umgang der Ptolemäer mit strittigen Eigentumsfragen im Gefolge von Bürgerkriegen, in: Chiron 48, 2018, 88–96 (Übersetzung und Diskussion von Z. 19f.).

23. Zwei Stiftungsinschriften am Tempel von Antaiupolis (172–146 v. Chr. und 164 n. Chr.) OGIS I 109 = SB V 8318 = IGRR I 1146 = CIG III 4712 = CPI 326 = TM 103006 23. Zwei Sti ftungs ins chri ften am Te mpel von Antaiupo lis

Grundsätzlich war es die Aufgabe des Pharaos, einen Tempel zu gründen. Eindrücklich zeigt das die Gründungszeremonie des Tempels von Edfu, die nach Auskunft der hieroglyphischen Texte Ptolemaios III. persönlich vorgenommen hat. Es gibt im Gegensatz zu dieser alten Tradition, die der theologischen Notwendigkeit folgt, einen tempelgründenden Pharao zu präsentieren, interessanterweise nur ganz wenige griechische Inschriften, in denen die Herrscher selbst als Stifter eines Baus auftreten, obwohl zahlreiche Tempel in der Ptolemäerzeit gebaut oder erweitert wurden. An die Stelle des Pharaos treten nach Auskunft der griechischen Stiftungsinschriften häufig Vereinigungen oder Priester, die auf ihre Finanzierungstätigkeit verweisen, selbst dann, wenn das religiöse Ideal den Pharao als Bauherren erscheinen lässt (Kockelmann/Pfeiffer). Vorliegende Inschrift gehört zu den wenigen griechischen Stiftungen, die die Herrscher selbst als Finanziers nennen (vgl. ebenfalls Text 10). Der Tempel von Antaiupolis, an dessen Architrav sie einst angebracht war, ist heute nicht mehr erhalten (vgl. Abb. 13). Text und Übersetzung Inschrift a) [βασιλεὺ]ς Πτολεµα[ῖο]ς Πτολεµαίου καὶ Κλεοπάτρας, θεῶν Ἐπιφανῶν κ[αὶ] Εὐχαρίστων, | [καὶ βασ]ίλισσα Κλεοπάτρα ἡ τοῦ βασιλέως ἀδελφή, θεοὶ Φιλ[ο]µήτορες, | [τὸν πρόν]αον

„König Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios und der Kleopatra, der Erschienenen und Begnadeten Götter, und Königin Kleopatra, die Schwester des Königs, die Mutterliebenden

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Ἀνταίω[ι] καὶ τοῖς συννά[ο]ις θεοῖς.

Inschrift b) Αὐτοκράτορες Καίσαρες Αὐρή[λι]οι Ἀντωνῖνος | [καὶ Οὐῆρ]ς Σεβαστο[ὶ ἀν]ενεώσαντ[ο] τὴν στεγα[σ]τρίδα, ἔτους τετάρτο[υ, Π]ανὶ θ̅.

Götter, (haben) den Pronaos dem Antaios und den Göttern, die den Tempel mit ihm teilen, (gestiftet).“ „Die Imperatoren Caesares Aurelii Antoninus und Verus Augusti haben das Dach erneuert, viertes Regierungsjahr, 9. Payni.“

Kommentar: Der vom sechsten Ptolemäerpaar für Antaios gestiftete Pronaos gehörte zum Haupttempel von Antaiupolis (äg. Vbw) in der Thebais, auf dem östlichen Nilufer beim heutigen Qau el-Kebir gelegen. Über diesen Ort ist aus der Ptolemäerzeit fast nichts bekannt, weil die papyrologische Dokumentation hier rar ist, doch gab es sicherlich eine Militärgarnison (Quenouille). Unklar ist, ob Antaiupolis bereits in ptolemäischer Zeit die Metropole des erst in römischer Zeit belegten und auf dem Westufer gelegenen Gaus Antaiupolites war oder ob es auch schon als Metropolis des Gaus Aphroditopolites fungierte, von dem der Antaiupolites in augusteischer Zeit (Weber/Geissen) abgespaltet worden war. Der Name des libyschen Riesen Antaios diente den Griechen als interpretatio Graeca des ägyptischen Gottes Nmtj.wj („Die beiden Schreitenden“). Es handelte sich, wie bereits der ägyptische Dual des Namens andeutet, um zunächst zwei Falkengötter, die als Horus und Seth verstanden wurden und schließlich zu einer kampffreudigen Gottheit mit Seth- und Horuscharakter verschmolzen. Zur Gleichsetzung mit Antaios kam es möglicherweise deshalb, weil man Nemtiui in ptolemäischer Zeit als NTrwj („Die beiden Götter“) verehrte, was entáje ausgesprochen wurde (Weber/Geissen). Der Tempel aus der Zeit Ptolemaios’ IV. und der von Ptolemaios VI. errichtete Pronaos, zu dessen monumentalem Architrav die Inschrift einst gehörte, fiel erst zu Beginn des 19. Jhs. dem Steinraub zum Opfer, seine Reste spülten die Nilfluten der Jahre zwischen 1813 und 1821 fort. Die napoleonische Description de l’Égypte (IV, Taf. 38–42; siehe Abb. 13) zeigt hingegen die damals jeweils sechs in drei Reihen aufgestellten 12 m hohen Palmsäulen, die den Pronaos bildeten. Die Inschrift bekrönte zentral die fast 19 m hohe Fassade (Arnold). So prägnant wie in Antaiupolis ist an keinem anderen ägyptischen Tempel die griechische Weihinschrift im Gesamtbild eines mit hieroglyphischen Texten und ägyptischen Szenen geschmückten Kultbaus vertreten. Das Besondere an diesem Text ist jedoch nicht so sehr die erste Weihung durch die Ptolemäer, sondern die römerzeitliche Restaurierungsinschrift. Es sind aus Ägypten nur sehr wenige griechische oder lateinische Texte bekannt, in denen die Kaiser als Bauherren in Erscheinung treten (ebenso Text 67), in den meisten Fällen ist es der Präfekt, der als Entscheidungsträger auftritt (vgl. Jördens). Allein in diesem, wenn auch bedeutenden, aber von den religiösen und administrativen Zentren etwas abgelegenen Heiligtum nehmen einmal die Kaiser eine Stiftung vor. Man

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fragt sich freilich, ob Marc Aurel und Lucius Verus wirklich gerade ein Dach (?), wenn das Hapax stegastris derart zu übersetzen ist, finanziert haben sollten. Marc Aurel war erst im Winter 175/176 n. Chr. in Ägypten, also nach dem Tod des Lucius Verus. Nicht viel spricht folglich dafür, dass sich die beiden Herrscher für das Bauteil eines Tempels inmitten Ägyptens interessiert hatten. Es war also sicherlich die Zentralverwaltung, die den Tempel ausgestattet hatte, und da der praefectus Aegypti im Namen der Kaiser handelte, mussten folglich auch diese in der entsprechenden Inschrift erscheinen.

Abb. 13: Ansicht des heute nicht mehr erhaltenen Pronaos des Antaios-Tempels. Die Reste der beiden griechischen Inschriften sind noch über dem Mitteleingang zu erkennen; aus: Description de l’Egypte IV, Detail von Taf. 40.

& Z. KISS, Antaios et Kronos, in: L. Kahil u.a. (Hg.), Iconographie classique et identités régionales. Paris 26 et 27 mai 1983, Paris 1986, 331–340; D. ARNOLD, Die Tempel Ägyptens, Zürich 1992, 177 (zum Tempel); D. ARNOLD, Temples of the Last Pharaohs, New York/Oxford 1999, 184–186 (zum Tempel); N. QUENOUILLE, Eine Sklavenfreilassung aus der Ptolemäerzeit (P.UB Trier S 135-2 und 135-12), in: APF 48, 2002, 67– 97 (zur papyrologischen Dokumentation der Stadt); H. KOCKELMANN/St. PFEIFFER, Betrachtungen zur Dedikation von Tempeln und Tempelteilen, in: R. Eberhard u.a. (Hg.), „... vor dem Papyrus sind alle gleich!“ Papyrologische Beiträge zu Ehren von Bärbel Kramer, Berlin/New York 2009, 93–104 (zur Stiftertätigkeit von Privatleuten in ägyptischen Tempeln); Chr. WITSCHEL, Der Kaiser und die Inschriften, in: A. Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, München 2011, 81–92 (zur Infragestellung direkter kaiserlicher Initiative bei Bauinschriften); W. GRAJETZKI, Qau el-Kebir, in: UCLA Encyclopedia of Egyptology, Los Angeles 2012: http://digital2.library.ucla.edu/view Item.do?ark=21198/zz002dmv5s (Überblicksartikel); M. WEBER/A. GEISSEN, Die ale-

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xandrinischen Gaumünzen der römischen Kaiserzeit. Die ägyptischen Gaue und ihre Ortsgötter im Spiegel numismatischer Quellen, Wiesbaden 2013, 127–134 (zum Antaiupolites und seinen Kulten); A. JÖRDENS, Reflexe kaiserlichen Wirkens in ägyptischen Papyri und Ostraka (im Erscheinen).

24. Das (angebliche?) Testament Ptolemaios’ VIII. Euergetes (März 155 v. Chr.) IGCyr011200 = AE 1932, 80 = SEG IX 7 = SB VIII 9935 = RDGE, Nr. 31 = TM 5988 Burstein, Nr. 104; Bagnall/Derow, Nr. 51; Austin, Nr. 289; HGIÜ III 482; TUAT N.F. 2 VIII 6; Bertrand, Nr. 130 24. Das (angebliche) Tes tament Pt olemaios ’ VI II.

Im Jahr 168 v. Chr. zwang Rom den seleukidischen König Antiochos IV., der Ägypten bis auf Alexandria erobert hatte, zum Abzug aus dem Land. Die Herrschaft sollten Ptolemaios VI., Ptolemaios VIII. und Kleopatra III. gemeinsam ausüben. Bald zerstritten sich die Brüder und Rom organisierte 163 v. Chr. die Teilung des Reiches. Ptolemaios VIII. – „der Jüngere“ – erhielt Kyrene, Ptolemaios VI. Ägypten und Zypern. Die Spannungen zwischen beiden dauerten jedoch fort, und 155 v. Chr. wurde ein Mordanschlag auf den „Jüngeren“ verübt, in dessen Kontext folgende Inschrift aus Kyrene, die sein (angebliches?) Testament enthält, zu verorten ist. Text und Übersetzung ἔτους πεντεκαιδεκάτου, µηνὸς Λώιου· | ἀγαθῆι τυχῆι. τάδε διέθετο | βασιλεὺς Πτολεµαῖος, βασιλέως Πτολεµαίου | καὶ βασιλίσσης Κλεοπάτρας, θεῶν (5) Ἐπιφανῶν, ὁ νεώτερος· ὧν καὶ τὰ ἀντίγραφα | εἰς Ῥώµην ἐξαπέσταλται. εἴη µὲν µοὶ | µετὰ τῆς τῶν θεῶν εὐµενείας µετελθεῖν | καταξίως τοὺς συστησαµένους ἐπί µε | τὴν ἀνόσιον ἐπιβουλὴν καὶ προελοµένους (10) µὴ µόνον ⟦ον⟧ τῆς βασιλείας ἀλλὰ καὶ v. | τοῦ ζῆν στερῆσαι µε· ἐὰν δὲ τι συµβαίνηι | τῶν καθ᾿ ἄνθρωπον πρότερον ἢ διαδόχους | v. ἀπολιπεῖν τῆς βασιλείας, καταλείπω | Ῥωµαίοις τὴν καθηκούσάν µοι βασιλείαν, (15) οἷς

„Im fünfzehnten Regierungsjahr, im Monat Loios. Auf gutes Glück! [§ 1] Dies hat König Ptolemaios, Sohn des Königs Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Erschienenen Götter, der Jüngere, (als Testament) verfügt. Davon sind auch Abschriften nach Rom geschickt. [§ 2] Es möge mir mit dem Wohlwollen der Götter gelingen, die Rache an denen angemessen zu üben, die gegen mich den unheiligen Anschlag geplant haben und mir nicht nur die Königsherrschaft, sondern auch das Leben rauben wollten. [§ 3] Wenn mich aber das, was jedem Menschen zukommt, ereilen sollte, ehe Nachfolger für die Königsherrschaft hinterlassen sind, überlasse ich den Römern die mir

24. Das (angebliche) Testament Ptolemaios’ VIII. ἀπ᾿ ἀρχῆς τήν τε φιλίαν καὶ τὴν | συµµαχίαν γνησίως συντετήρηκα· | τοῖς δ᾿ αὐτοῖς παρακατατίθεµαι τὰ πράγµατα συντηρεῖν, | ἐνευχόµενος κατά τε τῶν θεῶν | πάντων καὶ τῆς ἑαυτῶν εὐδοξίας ἐάν τινες (20) ἐπίωσιν ἢ ταῖς πόλεσιν ἢ τῆι χώραι | βοηθεῖν κατὰ τὴν φιλίαν καὶ συµµαχίαν τὴν ⟦πρὸς⟧ | πρὸς ἀλλήλους ἡµῖν γενοµένην καὶ τὸ | δίκαιον παντὶ σθένει. v. | µάρτυρας δὲ τούτων ποιοῦµαι Δία τε τὸν (25) Καπετώλιον καὶ τοὺς Μεγάλους Θεοὺς | καὶ τὸν Ἥλιον καὶ τὸν Ἀρχηγέτην Ἀπόλλωνα | παρ᾿ ὧι καὶ τὰ περὶ τούτων ἀνιέρωται γράµµατα. | v. τύχηι τῆι ἀγαθῆι. v.

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gehörende Königsherrschaft, mit denen ich von Anfang an Freundschaft und Bundesgenossenschaft aufrichtig bewahrt habe. [§ 4] Ihnen übertrage ich ebenfalls die Sorge für die Staatsgeschäfte, indem ich bei allen Göttern und bei ihrem eigenen Ruhm erbete, dass, wenn irgendwelche in die Städte oder das Land einfallen, sie mit aller Macht helfen, gemäß der Freundschaft und Bundesgenossenschaft, die von uns gegenseitig eingegangen wurden, und gemäß der Gerechtigkeit, mit aller Kraft. [§ 5] Als Zeugen für diese Bestimmungen benenne ich den kapitolinischen Zeus und die Großen Götter und Helios und Apollon Archegetes, bei dem auch die diesbezügliche Urkunde geweiht ist. Auf gutes Glück!“

Kommentar: Das Testament des Königs von Kyrene, Ptolemaios’ VIII., der als der Jüngere bezeichnet wird, weil gleichzeitig sein älterer Bruder König Ägyptens und Zyperns war, gliedert sich nach der Einleitung mit der Datierungsformel in drei Teile. Zunächst gibt der König an, dass er ein Attentat überlebt habe, dessen Täter noch nicht bestraft seien, aber von denen er hofft, sie bestrafen zu können. Als Täter erwähnt er seinen Bruder Ptolemaios nicht explizit, doch ist offensichtlich, wen er als Hintermann des Anschlags vermutet. So heißt es bei Polybios (XXXIII 11,1f.): „Um dieselbe Zeit, zu der der Senat Opimius zum Krieg gegen die (ligurischen) Oxybier ausschickte, kam der jüngere Ptolemaios nach Rom, erschien vor dem Senat und erhob gegen seinen Bruder Anklage, den er für das Attentat verantwortlich machte. Indem er die Narben, die er von seiner Verwundung davongetragen hatte, offen zeigte und dazu auch mit Worten beweglich Klage führte, rührte er die Anwesenden zum Mitleid. ... Dem jüngeren gab er (der Senat) fünf Gesandte mit ..., stellte jedem von ihnen eine Pentere und beauftragte sie, Ptolemaios nach Kypern zurückzuführen; zugleich erteilte er den römischen Bundesgenossen in Griechenland und Asien schriftlich die Erlaubnis, Ptolemaios bei der Besitzergreifung Kyperns zu unterstützen.“ (Übersetzung: Drexler). Interessanterweise verschweigt Polybios das Testament. Weshalb der jüngere Ptolemaios freilich in diesem seinen Bruder nicht namhaft macht, bleibt unklar.

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Auf die Einleitung folgt die eigentliche testamentarische Verfügung. Hierbei handelt es sich sicherlich nur um einen Auszug und nicht um das vollständige „Staatstestament“ (Otto). Für den Setzer der Stele war nämlich allein die politische Aussage des Testaments wichtig: Im Todesfall sollte das Reich an Rom gehen, falls keine Nachkommenschaft vorhanden sei. Damit verbunden war freilich die Aufforderung an Rom, das Reich im Falle eines Angriffs von dritter Seite zu schützen. Hierzu berief Ptolemaios sich auf das bereits bestehende Freundschaftsverhältnis mit Rom – er hatte den Status eines „Freundes und Bundesgenossen der Römer“ (amicus et socius populi Romani). Das war zwar dem Anschein nach ein Verhältnis zwischen Gleichberechtigten, doch bedeutete ein solches Bündnis de facto, dass man sich dem Willen Roms zu fügen hatte, war doch ansonsten mit erheblichen Sanktionen zu rechnen. Der König hingegen versuchte diesen Umstand in seinem Sinne zu nutzen, weil der Feind, von dem er befürchtete, dass er in Kyrene einfallen könne, sein Bruder war. Dieser wiederum war ebenfalls amicus et socius der Römer, hatte sich also auch deren Willen zu fügen. Aus diesem Grund diente die testamentarische Verfügung dem Schutz der Königsherrschaft Ptolemaios’ VIII. gegen Ansprüche des Bruders. Rom sollte ein Interesse daran haben, den ehemaligen Teil des Ptolemäerreiches Kyrene als eigenständiges Reich zu erhalten. Der eigentliche Adressat des Testaments waren also einerseits der Konkurrent Ptolemaios VI. und andererseits die Bevölkerung von Kyrene. Im dritten Teil werden dann Götter als Zeugen angerufen. Es handelt sich um den Hauptgott Roms – Iuppiter Capitolinus, weiterhin um die „Großen Götter“, wohl Götter lokaler Herkunft, den Sonnengott Helios und Apollon, den Hauptgott von Kyrene. Die Authentizität des Testaments wurde unlängst bestritten. Der Text könnte aufgrund seiner Paläographie und seiner nicht besonders sorgfältigen Ausführung erst 60 oder 70 Jahre später zu Stein gebracht worden sein, z. B. zur Zeit des Todes von Ptolemaios Apion 96 v. Chr. Das ist freilich kein zwingendes Argument für eine Fälschung, da man sich in der späten Ptolemäerzeit aus welchem Grund auch immer dazu entschlossen haben könnte, das Testament auf Stein zu verewigen. Für eine Fälschung spricht aber die Tatsache, dass sich Ptolemaios im Testament als „der Jüngere“ (ὁ νεώτερος) bezeichnet, was zwar mit den literarischen, die römische Sicht wiedergebenden Quellen übereinstimmt, aber als Selbstbezeichnung des Königs zeitgenössisch nicht belegt ist (Otto), da sich die Ptolemäer üblicherweise mit ihrer Filiation und ihrem Kultnamen führen ließen bzw. Ptolemaios VIII. in der vorgangehenden Zeit der Koregentschaft als „der Bruder“ geführt wurde (vgl. P.Tebt. III 811). Ptolemaios VIII. selbst hätte sich sicherlich als Euergetes bezeichnet (Criscuolo). Entweder wurde also das Testament des Ptolemaios in späterer Zeit verändert oder es handelt sich um ein nachträglich verfasstes Dokument, dem zudem jegliche Elemente eines „Staatstestamentes“ fehlen (Otto: fehlendes Tagesdatum, die Formel „auf gutes Glück“ und deren Verdoppelung). Der Denkstein wurde des

24. Das (angebliche) Testament Ptolemaios’ VIII.

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Weiteren in situ am Apollon-Tempel von Kyrene gefunden, was bei einer Aufstellung bereits zur Zeit des achten Ptolemäers durchaus erstaunlich ist. In diesem Fall hätten schließlich die folgenden ptolemäischen Herrscher und deren Verwalter die nicht zur Anwendung gebrachte Verfügung des längst verstorbenen Königs über Generationen hinweg vor Ort stehen lassen. Das wiederum ist nur schwer vorstellbar (Criscuolo). Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, dass das Testament eine nachträglich entstandene römische Erfindung ist, um die römische Annektion der Kyrenaia im Jahr 75 v. Chr. mit dem Verweis auf den Wunsch Ptolemaios’ VIII. zu legitimieren. Man hätte den Stein also erst zu diesem Zeitpunkt aufgestellt, um den Vorgang als bereits von Ptolemaios VIII. vorgesehen darzustellen. Sollte freilich die Aufstellung des Testaments der Legitimation der Provinzialisierung dienen, dann könnte man sich auch vorstellen, dass es das Testament wirklich 155 v. Chr. gegeben hat, es danach aber nie angewendet wurde, weil Ptolemaios VIII. doch Nachkommen bekam. Rom hätte dann im Jahr 75 v. Chr. mit dem Testament darauf verwiesen, dass Ptolemaios, als die Dinge für ihn noch ungünstig standen, ursprünglich zumindest vorhatte, sein Reich an Rom zu vererben. & G. OLIVERIO, La stele di Tolemeo Neoteros, re di Cirene, Bergamo 1932 (Edition und Kommentar); W. OTTO, Zur Geschichte der Zeit des 6. Ptolemäers. Ein Beitrag zur Politik und zum Staatsrecht des Hellenismus, Hildesheim 1934, 97–117 (zur politischen Interpretation); G. PFOHL, Griechische Inschriften als Zeugnisse des privaten und öffentlichen Lebens, München 1966, Nr. 115 (deutsche Übersetzung); M. GUARDUCCI, Epigrafia greca II, Rom 1969, 585 (Abbildung des Steins); D. BRAUND, Royal Wills and Rome, in: PBSR N.S. 38, 1983, 16–21 (zu den königlichen Testamenten zugunsten Roms); E. S. GRUEN, The Hellenistic World and the Coming of Rome II, Berkeley 1984, 702–708 (zum historischen Kontext); A. LARONDE, Cyrène et la Libye hellénistique. Libykai historiai de l’époque républicaine au principat d’Auguste, Paris 1987, 439–442; W. HUß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001, 573, Anm. 285 (Zusammenstellung der wichtigsten Literaturtitel); A. COSKUN (Hg.), Roms auswärtige Freunde in der späten Republik und im frühen Prinzipat, Göttingen 2005 (zur amicitia); P. NADIG, Zwischen König und Karikatur. Das Bild Ptolemaios’ VIII. im Spannungsfeld der Überlieferung, München 2007; A. COSKUN (Hg.), Freundschaft und Gefolgschaft in den auswärtigen Beziehungen der Römer (2. Jahrhundert v. Chr.– 1. Jahrhundert n. Chr.), Frankfurt a.M. u.a. 2008 (zur amicitia); L. CRISCUOLO, I due testamenti di Tolomeo VIII Evergete II, in: A. Jördens/J. F. Quack (Hg.), Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck. Die Zeit Ptolemaios’ VI. bis VIII. Internationales Symposion Heidelberg 16.–19.9.2007, Wiesbaden 2011, 123–150 (historische Bewertung, neueste Literatur); E. GRZYBEK, Thronanspruch und Thronbehauptung. Studien zur Regierungszeit Ptolemaios’ VIII., Bonn 2018, 31–91 (ausführlicher forschungsgeschichtlicher Rückblick und Argumentation für eine Authentizität des Testaments; Datierung auf 154 v. Chr.).

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25. Eine Weihung der ägyptischen Priesterschaft von Elephantine an das sechste Ptolemäerpaar (zw. 152–145 v. Chr.) I.Louvre 14 = I.Thèbes 302 = OGIS I 111 = SB V 8878 = CPI 422 = TM 6398 Standort: Paris, Louvre RN MA 1676 25. Eine Weihung de r ägyptis chen Pries ters chaft vo n Elephant ine

Die ägyptischen Priesterschaften waren auf vielfältige Weise mit der ptolemäischen Fremdherrschaft verbunden. Die Einbindung von staatlichen Funktionären in die Tempelbelange kommt besonders eindrücklich in der vorliegenden Stele zum Tragen, die Herodes, ein hoher ägyptischer Priester gemeinsam mit seinen Priesterkollegen geweiht hat. Der Stifter war gleichzeitig ein ptolemäischer Militärführer und zudem überhaupt kein ethnischer Ägypter, sondern Pergamener aus Kleinasien. Der Text ist auf einer typisch ägyptischen Stele mit Giebelrund, aber ohne eingravierte Darstellung, angebracht. Der Fundort des Objektes ist unbekannt, doch dürfte die Stele beim Haupttempel der beschließenden Priesterschaft, also dem des Chnum von Elephantine, aufgestellt gewesen sein. Text und Übersetzung βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι | Κλεοπάτραι τῆι ἀδελ[φῆι, θε]οῖς Φιλοµήτορσ[ι], | καὶ τοῖς τούτων τέκνοις καὶ Ἄµµωνι | τῶι καὶ Χνού[βει κ]αὶ [Ἥ]ραι [τῆι κ]αὶ Σάτει, (5) καὶ Ἑστίαι [τ]ῆ[ι καὶ] Ἀνούκ[ει] καὶ Διονύσωι | τῶι καὶ Πετε̣µπαµέ̣ντει κ[α]ὶ τοῖς ἄλλοις | θεοῖς ὑπὲρ Βοήθου τοῦ Νικοστράτου | Χρυσαορέως, τοῦ ἀρ̣χισωµ̣ατοφύλακος | καὶ στρατηγοῦ καὶ [κτί]στου τῶν ἐν τῆ[ι] (10) Τριακοντασχοίνωι πόλεων Φιλοµητορίδ[ος] | καὶ Κλεοπάτρας, εὐ[ν]οίας ἕνε[κ]εν | ἧς ἔχων διατελ[εῖ] πρ[ός τε τὸν βασιλέα] | καὶ τὴν βασίλισσαν κ[αὶ τὰ τέκνα α]ὐτῶν, | Ἡρώιδης Δηµοφῶντος Π‚ε̣ρ̣[γα]µηνὸς (15) τῶν διαδό[χω]ν καὶ ἡγεµὼν ἐ[π’ ἀ]νδρῶν | καὶ φρούραρχος Συήνης κ̣α̣ὶa [γερ]ροφύλαξ | καὶ ἐπὶ τῶν ἄνω τόπων [τεταγµένος] καὶ | προφήτης τοῦ Χν[ούβεως] κ[αὶ

„Dem König Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Schwester, den Mutterliebenden Göttern, und ihren Kindern und dem Ammon, der auch Chnubis (ist), und der Hera, die auch Satis (ist), und der Hestia, die auch Anukis (ist), und dem Dionysos, der auch Petempamentis (ist), und den anderen Göttern, zugunsten des Boethos, des Sohnes des Nikostratos, Chrysaoreer, (im Hofrang eines) obersten Leibwächters, und Stratege und Stadtgründer der Städte Philometoris und Kleopatra im Dreißigmeilenland, aufgrund seiner guten Gesinnung, die er stets gegenüber dem König und der Königin und deren Kindern erwiesen hat, haben (diese Stele geweiht) Herodes, der Sohn des Demophon, Pergamener, (im Hofrang eines) der Nachfolger, und „Anführer von Männern“, und Garnisonskommandant von Syene und Befestigungswächter,

25. Eine Weihung der ägyptischen Priesterschaft von Elephantine ἀρχ]ιστολιστὴς | τῶν ἐν Ἐλεφαντίνηι [καὶ Ἀβάτωι] καὶ Φίλαις (20) ἱερῶν καὶ οἱ ἄλλοι [ἱερε]ῖς πεντ]αφυ̣λίας | τοῦ Χνόµω Νεβιὴβ [καὶ θεῶν Ἀδελφῶν] καὶ | θεῶν Εὐεργετῶν [καὶ θεῶν Φιλο]πατόρων | καὶ θεῶν Ἐπιφανῶν καὶ θεοῦ Εὐπάτορος | καὶ θεῶν Φιλοµητόρων,

οἱ τὴ[ν] σύνοδον (25) συνεσταµένο[ι εἰς τὸ ἐν Ἐλεφαντίνηι] ἱερό[ν], ὅπως ἄγωσι[ν — ]ε τοῦ | βασιλέως κα[ὶ] τ[ῆ]ς [β]ασιλίσση[ς] καὶ τῶν | τέκνων αὐτῶν ἐ[νιαυσίας ἑ]ο[ρ]τὰς κα[ὶ] | τὴν γενέθλιον ἡµέραν [τὴν Βοή]θου (30) κατὰ τὸν κείµενον [ — ]ὸν νόµο[ν], ὧν τὰ ὀνόµατα ὑπ[ογέγραπται].

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und Befehlshaber der oberen Regionen und Prophet des Chnubis und Oberankleidepriester der Heiligtümer auf Elephantine, im Abaton und auf Philae sowie die übrigen Priester der fünf Priesterklassen des Chnomo Nebieb und der Geschwistergötter und der Wohltätergötter und der Vaterliebenden Götter und der Erschienenen Götter und des Gottes Eupator und der Mutterliebenden Götter, nachdem sie zu einer Synode zusammengekommen waren im Heiligtum auf Elephantine, um die jährlichen Feste [...] des Königs und der Königin und ihrer Kinder und den Geburtstag des Boethos gemäß des [...] Brauches/Gesetzes zu feiern, von denen die Namen unten aufgeschrieben sind.“

Kommentar: Der Stiftungstext besteht aus einem einzigen langen Satz, der sich wie folgt untergliedern lässt: Zunächst nennen die Stifter die Götter, denen die Stele geweiht ist, also die Herrscherfamilie und die Götter der Kataraktregion. Dann folgt die Person, deren Heil mit der Weihung garantiert werden soll, also der ptolemäische Funktionär Boethos, ebenso wie die Begründung, nämlich seine gute Gesinnung gegenüber dem Herrscherhaus. Daran anschließend werden die Weihenden selbst genannt, also der Pergamener Herodes, der gleichzeitig Prophet des Chnum/Chnubis ist, und seine ägyptischen Priesterkollegen. Zum Ende führen die Stifter die Umstände aus, unter denen sie den Beschluss zur Weihung formuliert hatten: Sie waren anlässlich des Geburtstages des Boethos und eines Herrscherfestes zusammengekommen und hatten Opfer vollzogen. Die Angabe, dass es sich um die Priester der fünf Priesterklassen handelt, besagt, dass es alle Priester des Tempels von Elephantine waren, die Boethos ehrten, denn jede Priesterschaft in Ägypten bestand zu dieser Zeit aus fünf Abteilungen/Phylen, die alternierend ihren Dienst ausübten (vgl. Text 14). Die Bezeichnung der genannten Gottheit als Chnumo Nebieb ist die lautliche Wiedergabe der ägyptischen Gottesbezeichnung „Chnum, der Große, der Herr von Elephantine“ ($nmw o# nb #bw). Die Priester stehen aber nicht nur im Dienst des Chnum, sondern auch der ptolemäischen Dynastie, also „der Geschwistergötter (2. Ptolemäerpaar), der Wohltätergötter (3. Ptolemäerpaar), der Vaterlie-

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benden Götter (4. Ptolemäerpaar), der Erschienenen Götter (5. Ptolemäerpaar), des Gottes Eupator (der Sohn Ptolemaios’ VI.) und der Mutterliebenden Götter (6. Ptolemäerpaar).“ Ähnlich wie es das Priesterdekret von Kanopos für Ptolemaios III. (Text 14) und das Dekret von Rosette für Ptolemaios V. (Text 22) bestimmt hatten, muss folglich auch eine Synode aller ägyptischen Priester für Ptolemaios VI. und Kleopatra II. einen Herrscherkult in den Tempeln des Landes installiert haben. Dieser Beschluss ist nicht überliefert, doch belegt die Priestertitulatur des vorliegenden Ehrendekretes, in der die dynastischen Vorgänger und das regierende Königspaar mit angeführt sind, dass es einen solchen Beschluss für das sechste Ptolemäerpaar gab und dieser auch umgesetzt wurde. Die Stele liefert ein schönes Beispiel für das Phänomen der interpretatio Graeca, womit die Übersetzung von ägyptischen Götternamen in griechische gemeint ist (siehe Text 27). Interessanterweise sind hier zunächst die griechischen Götternamen genannt, obwohl die Stele eindeutig ägyptischen Göttern, der Dreiheit des Kataraktgebietes und dem Osiris (Petempamentis; vgl. Text 27), geweiht war. Der Begünstigte der Weihung, Boethos, ist einer der bedeutendsten ptolemäischen Funktionsträger der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. (Heinen). Seine wichtige Position ist im vorliegenden Fall auch daran zu erkennen, dass er als Gründer zweier Städte im gerade eroberten Unternubien, dem Dreißigmeilenland (Triakontaschoinos/τριακοντάσχοινος γῆ), auftritt. Die Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus drückte der Städtegründer, der zweifelsfrei im Auftrag der Herrscher gehandelt hatte, damit aus, dass er den Gründungen dynastische Namen gab: Philometoris ist nach dem Kultnamen des sechsten Ptolemäerpaares – der Mutterliebenden Götter – benannt und Kleopatra nach der Königsgemahlin. Wo diese Städte genau lagen, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Stifter Herodes hatte wichtige militärische Funktionen an der Grenze zu Nubien und dem Dreißigmeilenland inne. Parallel dazu gehörte er als Prophet zu den obersten Priestern des Chnum von Elephantine und übte das ebenfalls wichtige Amt eines Oberankleidepriesters bedeutender ägyptischer Heiligtümer im Kataraktgebiet aus. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er seinen priesterlichen Aufgaben auch wirklich in jedem der genannten Tempel nachkam. Vielmehr ist daran zu denken, dass mit dem Priesteramt Einkünfte verbunden waren, auf die der Funktionär damit ein Anrecht hatte. Entweder hat ihn also der Staat zum Priester gemacht/machen lassen, um ihm ein zusätzliches Einkommen zu garantieren und gleichzeitig Kontrolle über die inneren Angelegenheiten der Tempel zu erhalten, oder aber die Priester haben ihn in ihre Reihen aufgenommen, um ihn als Fürsprecher ihrer Kulte beim Herrscher zu gewinnen. Zumindest im vorliegenden Fall ist Herodes seiner Priesterpflicht nachgekommen. Gemeinsam mit seinen Priesterkollegen des Chnumtempels von Elephantine hat er die betreffende Synode und die damit verbundenen Riten durchgeführt. Anlass der Feierlichkeiten war ein Herrscherkultfest und der Geburtstag des Boethos. Dass auch Funktionäre von Priestern einen solchen festlich begangenen sogenannten eponymen Tag erhalten konnten, zeigt der Beschluss

26. Eine Eingabe der Priester des Mandulis

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für Kallimachos (vgl. Text 40). Ein ähnliches Dekret wird es demnach auch für Boethos gegeben haben. & P. HEILPORN, La provenance de la dédicace I. Th. Sy. 302, in: CdÉ 65, 1990, 116– 121; H. HEINEN, Ein griechischer Funktionär des Ptolemäerstaates als Priester ägyptischer Kulte, in: B. Funck (Hg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums Berlin, 9.–14. März 1994, Tübingen 1996, 339–353 (historischer Kontext); B. KRAMER/H. HEINEN, Der κτίστης Boethos und die Einrichtung einer neuen Stadt, in: APF 43, 1997, 315–363 (zu Boethos); J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 252–256 (zum Dreißigmeilenland); H. HEINEN, Boéthos, fondateur de poleis en Égypte ptolémaïque (OGIS I 111 et un nouveau papyrus de la collection de Trèves), in: L. Mooren (Hg.), Politics, Administration and Society in the Hellenistic and Roman World. Proceedings of the International Colloquium, Bertinoro 19–24 July 1997, Löwen 2000, 123–153 (zu Boethos); K. MÜLLER, „Oh King Ptolemy – Founder of Cities, Nomes and the Two Lands!“: On Founder Cults and Concepts in Ptolemaic Egypt, in: S. Bickel/A. Loprieno (Hg.), Basel Egyptology Prize. 1. Junior Research in Egyptian History, Archaeology, and Philology, Basel 2003, 181–197 (zu den Stadtgründungen); K. MUELLER, Settlements of the Ptolemies. City Foundations and New Settlement in the Hellenistic World, Löwen 2006, 159 (zu den Gründungen des Boethos); St. PFEIFFER, Herrscher- und Dynastiekulte im Ptolemäerreich. Systematik und Einordnung der Kultformen, München 2008, 117f. (zum Herrscherkult); St. PFEIFFER, Die Politik Ptolemaios’ VI. und VIII. im Kataraktgebiet: Die „ruhigen“ Jahre von 163 bis 132 v. Chr., in: A. Jördens/J. F. Quack (Hg.), Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck. Die Zeit Ptolemaios’ VI. bis VIII. Internationales Symposion Heidelberg 16.–19.9.2007, Wiesbaden 2011, 235–254 (zum historischen Kontext); St. G. CANEVA, Ritual Intercession in the Ptolemaic Kingdom. A Survey of Grammar, Semantics and Agency, in: Erga-Logoi. Rivista di storia, letteratura, diritto e culture dell'antichità 4,2, 2016, 136–142 (zum Verhältnis des Königspaars und des Boethos im Kontext der Ehrung).

26. Eine Eingabe der Priester des Mandulis (März 148 v. Chr.?) I.Philae I 12bis = SB VIII 9737 = I.Prose 19 = CPI 418 = TM 5950 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 22690 26. Eine E ingabe der P ries ter des M andulis

Der Tempel der Isis und die kleineren Heiligtümer weiterer Götter auf Philae hatten in ptolemäischer Zeit aufgrund herrscherlicher Protektion erheblichen Einfluss gewonnen. An Bedeutung hatte der Tempel der Isis die einst wichtigeren Tempelanlagen des Chnum und der Satet auf der nahe gelegenen Insel Elephantine weit übertroffen. Zahlreiche Graffiti von sogenannten Pilgern zeugen davon, dass Philae und insbesondere der Isistempel ein religiöses Zentrum Gesamtägyptens war. Ein eher unbedeutender Tempel auf der Insel war der des nubischen Gottes Mandulis. Dessen Priesterschaft hatte sich mittels vorliegender Eingabe an den König gewandt. Der König dürfte ihr Ansinnen positiv be-

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schieden haben, denn sonst hätten die Priester den Vorgang nicht auf Stein verewigt. Text und Übersetzung [βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι Κλεοπάτραι θεοῖς Φιλοµήτορσι | οἱ ἱερεῖς τοῦ ἐν Φίλαις Μανδουλεύου θεοῦ µεγίστου χαίρειν. ἐπειδὴ] | — — ——————————— ——————————— — — — — — — — — — — | (1) ——————————— — — —Ε‚ΙΕ ̣ ‚Ι— ̣ —————— ——————————— |․ καὶ ἐν τῆι γενηθείσηι χρείᾳ, προσ[όδων δεοµένων ἡµῶν, τὸν τότε ὄν]|τα τῶν Αἰθιόπων ἐπάρχοντα Φοι[— — — παρακαλέσας, ὁ στρα]τηγὸς ἐποίησεν ἡµῖν µῆν[α σύνταξιν ἐπιδοθῆναι σίτου µὲν] (5) ἀρτάβων τριάκοντα, οἴνου κεραµίων [— — — — — — — — — — — — — — — — —] | ἐρίων ὁλκῆς τάλαντα δύο δια[— — — ——————————— — — — — — —] | ταξαµένοις, ἵν’ ἔχωµεν εἰς τά[ς τε θυσίας καὶ τὰς σπονδὰς ἐν τῶι τοῦ] Μονδουλεύου θεοῦ µεγίστου [ἱερῶι καὶ εἰς τἆλλα τὰ νοµιζόµενα ἐν τοῖς κατὰ] | Φίλας τόποις ὑπέρ τε σοῦ καὶ [τῆς βασιλίσσης καὶ τῶν τέκνων καὶ τῶν προγό](10)νων σοῦ· νυνὶ δὲ προαιρούµε[νοι τάς τε θυσίας καὶ τὰς σπονδὰς ἀνα]|νεῶσαι, δεόµεθά σου, εἰ δοκ[εῖ, προστάξαι — — — τῶι συγγενεῖ] | καὶ ὑποµνηµατογράφωι ὅπως Φ[οι— — — γράψηι, ἵνα διατηρῆι ἡµῖν] | κατὰ µῆνα τὰ προκείνα µηθὲν π[αραλείπων φροντίδος µητ’ εὐνοίας καὶ ἵ]|να ἡµῖν κατακολουθῆι

„[Dem König Ptolemaios und der Königin Kleopatra, den Mutterliebenden Göttern, senden die Priester des größten Gottes Mandulis in Philae Grüße. Weil — — — — — — — — — — ———————————— ———————————— ———————————— — — — —— — — — — — — — ———————————— — — — — — — — —— —]. Und in der damaligen Notlage, weil es uns an Einkünften mangelte, [hatte der Stra]tege, [nachdem er den damals tätigen] Anführer der Äthiopen Phoi[... angewiesen hatte], veranlasst, dass uns monatlich [eine Zuweisung gegeben wird]: 30 Artaben Getreide (1 Artabe = ca. 39 Liter/30 kg), [x] Krüge Wein [— — — — — — —], Wolle im Gewicht von zwei Talenten (1 Talent = ca. 27 kg) [— —], die dazu bestimmt waren, dass wir sie für die Opfer und Trankspenden im Heiligtum des Mandulis, des größten Gottes, und für die übrigen Bräuche an den Orten auf Philae erhalten, zu deinen und der Königin und deiner Kinder und deiner Vorfahren Gunsten. Da wir uns jetzt aber dazu entschlossen haben, [die Opfer und Trankspenden zu er]neuern, bitten wir dich, wenn es recht erscheint, [dem NN, (im Hofrang eines) Verwandten] und hypomnematographos [anzuordnen], dass er Ph[oi ... schriftlich beauftragt, damit er sich darum kümmert], dass er uns jeden Monat die

26. Eine Eingabe der Priester des Mandulis τοῖς ἔτι [πρότερον ἐπικεχωρηµένοις ...] (15) καὶ νῦν προστεταγµένοις·

τού[του δὲ γενοµένου, ἐσόµεθα ἡµεῖς τε καὶ] | τὸ ἱερὸν πεφιλανθρωπηµένοι. ε[ὐτύχει]. | ἔτους λγ, Μεχ[εὶρ —].

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vorgenannten Zuweisungen beibehält und in nichts nachlässt, weder in der Sorgfalt noch in der guten Gesinnung, und damit er in Übereistimmung handelt mit uns in den uns schon einst zugewiesenen [ ... ] und den jetzt angeordneten Dingen. [Wenn das geschieht, werden wir] und der Tempel deiner Menschenfreundlichkeit teilhaftig werden. L[ebe wohl!] 33. Regierungsjahr, am [x.] Mechir.

Kommentar: Der Kult für den nubischen Gott Mandulis (Mrwl) auf Philae war auf der Insel selbst nicht von so großer Bedeutung, wie es die vorliegende Eingabe der Priester vermuten lässt. Mandulis erhielt seine Verehrung lediglich in einem kleinen Kultbau (Haeny), und auf den Tempelreliefs der Insel kommt er nur selten vor. Sein eigentlicher Hauptkultort lag im weiter südlich gelegenen Kalabscha/Talmis, das aber zum Einflussbereich des Isistempels gehörte. Mandulis war der „Herr von Talmis“ (nb vrms), doch hatte er auf Philae einen Filialkult. Der Gott konnte in zwei Formen, als Erwachsener und als Kind, als Sohn der Isis und des Osiris, auftreten. Einmal ist er der „große Gott“ (nTr o#), womit er in die Nähe des Horus in seiner erwachsenen Erscheinungsform rückte. Als „Kind“ (p# xrd) ist er an den jugendlichen Chons angeglichen. Die vorliegend gewählte griechische Bezeichnung als „größter Gott“ thematisiert also möglicherweise den Horusaspekt des Gottes. Die Datierung der Eingabe ist schwierig, weil es mehrere ptolemäische Herrscher gab, die mindestens 33 Jahre regierten, und der Beiname des Königs, der eine Identifizierung ermöglichen würde, nicht erhalten ist. Es bieten sich Ptolemaios II., VI., VIII. und IX. an. Man geht gemeinhin davon aus, dass Ptolemaios VI. (Bernand, Locher) gemeint ist, so dass die Eingabe 148 v. Chr. verfasst worden wäre. Ein Ehrenbeschluss der Priester von Elephantine (vgl. Text 25) aus der Zeit um 150 v. Chr. zeigt, dass nur wenige Jahre zuvor das sogenannte Dreißigmeilenland zwischen erstem und zweitem Nilkatarakt, das nicht mehr zu Ägypten, sondern zu Äthiopien gehörte (vgl. Text 44), von den Ptolemäern (zurück)erobert worden war. Allem Anschein nach war den Priestern des Mandulis von Philae im Anschluss an die Eroberung und während einer Zeit der Nahrungsmittelknappheit ein Anteil an Getreide, Wein, Wolle und anderen Dingen als Opfergüter aus diesen südlich gelegenen Gegenden zugewiesen worden, um hiervon Opfer für Mandulis zum Heil der Ptolemäer durchzuführen. Diese Zuwendungen gingen natürlich gleichzeitig, das heißt im Anschluss an den Opferritus, als Versorgungsgüter an die Priester. So heißt es in einer Ermahnung an die Priester in Edfu: „Geht nicht so weit, seine Opfergaben

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an euch zu nehmen, ..., denn: Nahrung nennt man nur das, was vom Opfertisch kommt nach der Freigabe, wenn der Gott sich daran befriedigt hat.“ Oder: „Nahrung sind die Reste seines Opfermahls, und köstliche Speise ist das Essen seiner Opferbrote.“ (Kurth). Für die regelmäßige Lieferung dieser Opfergüter an Mandulis war ein eparchos, also ein Anführer der Äthiopen, zuständig, dessen Name mit Phoi- beginnt. Hierbei handelte es sich wohl um ein Mitglied der lokalen nubischen Elite, der an die Weisungen der ptolemäischen Verwaltung, also des Strategen des ersten Gaus, gebunden war (Eide u.a.). Nachdem diese Zuwendungen ausgeblieben waren – möglicherweise deshalb, weil die Einkünfte des Zwölfmeilenlandes seit 157 v. Chr. den Priestern der Isis von Philae gehörten (Locher) –, wandten sich die Priester mit der Bitte an den König, den eparchos anzuweisen, die Lieferungen wieder an ihren Tempel vorzunehmen. Die Anweisung solle durch den hypomnematographos erfolgen. Dieser „Chef der Abteilung Regierungsverlautbarungen“ (Huß) gehörte zur höchsten Verwaltungsebene des Ptolemäerreiches. Das ist auch seinem Hofrang eines „Verwandten“ zu entnehmen, der der höchste in der Hofrangtitulatur war. Er stand damit wahrscheinlich sogar über dem Gaustrategen oder dem Militärverwalter der Region. Die Priester wollten also, dass von oberster Stelle dem Anliegen Nachdruck verliehen wurde. Es ist durchaus möglich, dass die Eingabe überhaupt nicht bis zum König gelangte, der der nominelle Ansprechpartner solcher Eingaben war, sondern dass die Priester mit der Wendung, der hypomnematographos möge sich um die Angelegenheit kümmern, auch diesen als eigentlichen Adressaten ihrer Eingabe ausgemacht hatten. Der Hinweis auf die zum Heil des Königs durchgeführten Opfer ist wiederum als ein Topos zu verstehen, das sich in fast allen Eingaben ägyptischer Priester an die Herrscher findet (vgl. Text 29 und 36; vgl. Pfeiffer). Die Vergünstigungen, die der König bzw. sein hypomnematographos den Priestern dann wieder zu gewähren scheint, zeigen, wie sehr die Herrschaft darum bemüht war, alle Priesterschaften an der Südgrenze Ägyptens an sich zu binden. Gerade eine Privilegierung der Priester des Mandulis war wichtig, weil es sich um einen zwar ägyptisierten, aber trotzdem doch nubischen Kult handelte, so dass die südliche unterworfene Reichsbevölkerung der Äthiopen bei dieser Maßnahme berücksichtigt war. Über eine der Herrschaft wohlgesinnte Priesterschaft erhofften sich die Ptolemäer politische Stabilität im Grenzgebiet. Die Priester wiederum waren sich dessen bewusst, denn sonst würden sie kaum so offensiv ihre Opfergaben, also letztlich ihr Gehalt, einfordern. & M. SEGRÈ, Epigraphica V: Frammento di ἔντευξις, in: BSAA 33, 1939, 325–332 (ed. pr.); J. D. THOMAS, The Epistrategos in Ptolemaic and Roman Egypt, 1975, 76f. (zum Verhältnis von hypomnematographos und epistrategos); E. HENFLING, Mandulis, in: Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, 1177–1179; G. HAENY, A Short Architectural History of Philae, in: BIFAO 85, 1985, 222 (zur Mandulis-Kapelle auf Philae); L. TÖRÖK, Der meroitische Staat I. Untersuchungen und Urkunden zur Ge-

27. Eine Weihung des ptolemäischen Funktionärs Herodes

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schichte des Sudan im Altertum, Berlin 1986, 238–240, Nr. 52; J. BINGEN, Épigraphie grecque d’Égypte: la prose sur pierre, in: CdÉ 69, 1994, 154f.; G. DIETZE, Philae und die Dodekaschoinos in ptolemäischer Zeit. Ein Beitrag zur Frage ptolemäischer Präsenz im Grenzland zwischen Ägypten und Afrika an Hand der architektonischen und epigraphischen Quellen, in: Ancient Society 25, 1994, 82f. (zum politischen Hintergrund); T. EIDE u.a., Fontes Historiae Nubiorum II, Bergen 1996, Nr. 140; D. KURTH, Treffpunkt der Götter: Inschriften aus dem Tempel des Horus von Edfu, Düsseldorf/Zürich 2 1998, 148, 150; J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 248f.; J. LOCHER, Die Anfänge der römischen Herrschaft in Nubien und der Konflikt zwischen Rom und Meroe, in: Ancient Society 32, 2002, 82–86; W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 40f. (zum hypomnematographos); St. PFEIFFER, Offerings and Libations for the King and the Question of Ruler-Cult in Egyptian Temples, im Erscheinen (zur Bedeutung der hyper-Formel im ägyptischen Tempel).

27. Die Weihung des Herodes und eines Königsvereins zugunsten des achten Ptolemäerpaares und seiner Kinder (143/142 v. Chr.) OGIS I 130 = I.Thèbes 303 = SB V 8394 = CIG III 4893 = TM 6329 Standort: Frankfurt, Liebieghaus 1628 27. Eine Weihung des ptolemäis chen Fun ktionärs Herodes

Ein Verein des Königs(kultes), dessen Mitglieder sich als Basilisten (von basileus = griechisch für König; vgl. Text 12) bezeichneten, hatte den vorliegenden Denkstein geweiht und mit dieser Weihung auch die Finanzierung von monatlichen Opfern auf der Nilinsel Sehel veranlasst. Der Text gibt nicht nur Aufschluss über das Verhältnis von Griechen und Ägyptern zu ägyptischen und griechischen Göttern, sondern auch zu der Verbindung von Königsverehrung und einheimischen Kulten. Der Denkstein von der zwischen Elephantine und Philae gelegenen Nilinsel Sehel ist eine typisch griechische Stele mit einem Dreiecksgiebel und seitlichen Ansätzen (Eckakroteren; vgl. Abb. 14). In der Mitte des Giebelfeldes ist ein Kantharos, also ein griechisches Weintrinkgefäß, zu sehen, das zwei Thyrsosstäbe flankieren, die auf den für die Ptolemäerdynastie so wichtigen Gott Dionysos verweisen. Gefunden wurde die griechisch gestaltete Stele in einem kleinen, unter Ptolemaios IV. dekorierten ägyptischen Heiligtum auf der Insel Sehel, das sicherlich als Tempel des Dionysos-Petempamentes zu identifizieren ist (Heilporn, Rondot). Text und Übersetzung ὑπὲρ βασιλέως Πτολεµαίου καὶ βασιλίσσης | Κλεοπάτρας τῆς ἀδελφῆς, θεῶν Εὐεργετῶν, | καὶ τῶν τέκνων Ἡρώιδης Δηµοφῶντος | Βερενικεύς, ὁ ἀρχισωµατοφύλαξ καὶ στρατηγός, |

„Zugunsten des Königs Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Schwester, der Wohltätergötter, und ihrer Kinder (weihen) Herodes, Sohn des Demophon, aus (dem Demos) Berenike,

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καὶ οἱ συνάγοντες ἐν Σήτει τῆι τοῦ Διονύσου (5) νήσωι βασιλισταὶ ὧν τὰ ὀνόµατα ὑπόκειται, | Χνούβει τῶι καὶ Ἄµµωνι, Σάτει τῆι καὶ Ἥραι, | Ἀνούκει τῆι καὶ Ἑστίαι, Πετεµπαµέντει τῶι καὶ | Διονύσωι, Πετενσήτει τῶι καὶ Κρόνωι, Πετενσήνε[ι] | τῶι καὶ Ἑρµεῖ, θεοῖς µεγάλοις, καὶ τοῖς ἄλλοις τοῖς (10) ἐπὶ τοῦ Καταράκτου δαίµοσιν τὴν στήλην καὶ τὰ | πρὸς τὰς θυσίας καὶ σπονδὰς τὰς ἐσοµένας | ἐν τῆι συνόδωι κατὰ τὰς πρώτας ἐνάτας τοῦ | µηνὸς ἑκάστου καὶ τὰς ἄλλας ἐπωνύµους ἡµέρας | δι’ ἑκάστου εἰσενηνεγµένα χρήµατα, ἐπὶ v. (15) Παπίου τοῦ Ἀµµωνίου v. προστάτου καὶ | Διονυσίου τοῦ Ἀπολλωνίου ἱερέως τῆς συνόδου· | Ἡρώιδης Δηµοφῶντος, | Ἑρµίας Ἀµµωνίου, | Παπίας Ἀµµωνίου, (20) Διονύσιος Ἀπολλωνίου, | Φιλάµµων Φιλάµµωνος, | Ἀµµώνιος Ἀπολλωνίου, | Πετεαρόηρις Φανούφιος, | Δωρίων Ἀπολλωνίου, (25) Ψένχνουβις Πελαίου, | Πανίσκος Κεφάλωνος, | Ψενπόηρις Πετήσιος, | Πρώταρχος Πρωτάρχου, | Πρωτίων Ἡρακλείδου, (30) Σαραπίων Ἀπολλωνίου, | Διονύσιος Κεφάλωνος, | Πάχνοῦβις Τοτέους, | Πελαίας Πελαίου, | Σαραπίων Ἀµµωνίου, Ἀµµώνιος Ἀπ̣ο̣λ̣λωνίου, (35) Ἀσκληπιάδης Πτολεµαίου, Ξεινιάδης | Ἰτάγου, | ⟦Διονύσιος Ἀµµωνίου⟧, Ἁρµόδιος Βασιλείδου, | Νησιώτης Π‚[...], | Διονύσιος Ἀµµωνίου, (40) Ἀσκληπιάδης Διονυσίου, | Διονύσιος Σω‚κράτου, Εὐµένης Διο-

im Hofrang eines Obersten Leibwächters und Stratege, und die Basilisten, die sich auf Setis, der Insel des Dionysos, treffen und deren Namen unten aufgeschrieben stehen, dem Chnubis, der auch Ammon (ist), der Satis, die auch Hera (ist), der Anukis, die auch Hestia (ist), dem Petempamentis, der auch Dionysos (ist), dem Petensetis, der auch Kronos (ist), dem Petensenis, der auch Hermes (ist), den großen Göttern, und den anderen im Kataraktgebiet ansässigen Schutzmächten die Stele und die Aufwendungen für die Brandopfer und Trankspenden, die während der Synode jeweils am neunten Tag der ersten Dekade jedes Monats und an den übrigen eponymen Tagen jeden Monat stattfinden, unter Papias, Sohn des Ammonios, dem Vorsteher, und Dionysios, Sohn des Apollonios, dem Priester der Synode: Herodes, Sohn des Demophon, Hermias, Sohn des Ammonios, Papias, Sohn des Ammonios, Dionysios, Sohn des Apollonios, Philammon, Sohn des Philammon, Ammonios, Sohn des Apollonios, Peteharoeris, Sohn des Phanuphis, Dorion, Sohn des Apollonios, Psenchnubis, Sohn des Pelaias, Paniskos, Sohn des Kephalon, Psenpoeris, Sohn des Petesis, Protarchos, Sohn des Protarchos, Protion, Sohn des Herakleides, Sarapion, Sohn des Apollonios, Dionysios, Sohn des Kephalon, Pachnubis, Sohn des Toteus, Pelaias, Sohn des Pelaias, Sarapion, Sohn des Ammonios, Ammonios, Sohn des Ammonios, Asklepiades, Sohn des Ptolemaios,

27. Eine Weihung des ptolemäischen Funktionärs Herodes νυ(σίου), | Ἀπολλώνιος Ἰτάγου, Πελαίας Ζµενιχνούβιος.

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Xeniades, Sohn des Itagos, ⟦Dionysios, Sohn des Ammonios⟧, Harmodios, Sohn des Basileides, Nesiotes, Sohn des P[...], Dionysios, Sohn des Ammonios, Asklepiades, Sohn des Dionysios, Dionysios, Sohn des Sokrates, Eumenes, Sohn des Diony(sios), Apollonios, Sohn des Itagos, Pelaias, Sohn des Zmenichnubis.“

Kommentar: Der Verein von Basilisten, eine Korporation des Königskultes, hat die Weihung „zugunsten“ der Königsfamilie, also zu deren Heil, vorgenommen, das durch die angerufenen Götter des Kataraktgebietes garantiert werden sollte. Die derart Bedachten sind Ptolemaios VIII. und seine Schwestergemahlin Kleopatra II. (reg. 145–116 v. Chr.). Der Treffpunkt, aber nicht unbedingt Sitz des Vereins, ist die Nilinsel Sehel/Setis, die etwa auf halbem Weg zwischen Assuan und Philae liegt. Hier trat der Verein monatlich zu einer Synode zusammen, ebenso wie an eponymen Tagen, wohl Tagen, die zu Feiertagen des Herrscherhauses erklärt worden waren (vgl. Text 14 und 40). Die Stiftung hat allem Anschein nach maßgeblich Herodes (dieselbe Person wie in Text 25) finanziert, da er an erster Stelle genannt ist. Ob er Mitglied des Vereins war, muss offen bleiben, ist aber eher unwahrscheinlich, da er nicht in einer Vereinsfunktion genannt wird. Die Schenkung war so umfangreich, dass von nun an die Opfer an die Götter des ersten Katarakts (also der Nilstromschwellen, die gleichzeitig auch die Grenze zu Nubien bilden, wo noch fünf weitere Katarakte liegen) für das Heil des Herrscherhauses „jeweils am neunten Tag der ersten Dekade jedes Monats“ und an den eponymen Tagen gewährleistet waren. Es ist zu vermuten, dass der Verein hierzu in einer nicht mehr erhaltenen Satzung weitere Regelungen getroffen hatte, die etwa einen bestimmten Mitgliedsbeitrag festlegten (vgl. Erichsen; de Cenival). Aufgrund der genannten Namen der Vereinsmitglieder lassen sich bedingt Rückschlüsse auf die ethnische Zusammensetzung der Königskultkorporation ziehen. So gibt es einerseits rein ägyptische Namen, wie Peteharoeris („Der, den Horus der Ältere gegeben hat“), Psenchnubis („Der Sohn des Chnum“), Psenpoeris („Der Sohn des Großen“), Pachnubis („Der des Chnum“), Pelaias („Der Vorsteher der Rinderherden“). Die griechischen Namen lassen sich wiederum in zwei Gruppen unterteilen. Das wären einerseits theophore Namen, die unmittelbar mit Ägypten verbunden sind, wie Sarapion (vom Gott Sarapis) und Ammonios bzw. Philammon (vom Gott Ammon), andererseits theophore griechische Namen wie Dionysios oder Apollonios. Sie stehen eindeutig mit lokalen Göttern in Verbindung (Dionysos = Osiris; Apollon = Horus) und geben keinerlei Auskunft über die Ethnizität ihrer Träger. Schließlich finden sich auch noch

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seltenere griechische Namen, die möglicherweise auf ethnische Griechen hindeuten: Protarchos, Xeniades und Nesiotes. Unterstützt wird die Annahme, dass es sich bei diesen tatsächlich um Griechen handelte, durch die Tatsache, dass die ägyptischen Götter hier nicht nur mit ihrem ägyptischen, sondern auch mit ihrem griechischen Namen angeführt werden. Der einzige, von dem wir aber sicher sagen können, dass er Grieche war, ist der Hauptstifter Herodes, denn aus einer anderen Inschrift wissen wir, dass es sich um einen Pergamener handelt (vgl. Text 25). Nach der Aufnahme in den Demos Berenikidai einer nicht näher bezeichneten Stadt – es kann sich nur um Ptolemais Hermiu oder Alexandria handeln – führte er die Demenabkunft als neue Herkunftsbezeichnung. Er war Verwalter des Gaus von Elephantine und hatte den relativ hohen Hofrangtitel eines „obersten Leibwächters“ erhalten. Das ägyptische Kolorit des Königskultes, das man schon an der Zusammensetzung der vornehmlich ägyptischen Vereinsmitglieder erkennt, kommt auch im Kultort und den mit dem Kult bedachten Gottheiten zum Tragen. Den Stiftern war es wichtig, dass die Opfer an die lokalen Götter gingen. Es handelt sich um die Götterdreiheit des nahegelegenen großen Tempels von Elephantine: Chnum, Satet und Anukis. Vielleicht war diese Insel auch der eigentliche Vereinssitz. Ihre drei Hauptgötter erhalten jeweils griechische Übersetzungen (interpretationes Graecae). Satet ist die Gemahlin des höchsten Gottes Chnum, griechisch Hera, Anukis entspricht im Griechischen der Hestia. Es fällt jedoch auf, dass Chnum als Hauptgott nicht mit Zeus „übersetzt“ wird, also dem griechischen Gemahl der Hera, sondern mit Ammon, der für die Stifter allem Anschein nach der griechische Hauptgott war. Möglicherweise wählte man Ammon, weil dieser Gott ebenso wie Chnum mit Widderhörnern dargestellt werden konnte und bei den Griechen spätestens seit Alexander dem Großen äußerst beliebt und auch außerhalb Ägyptens bestens bekannt war (vgl. Text 1) und ebenfalls mit Zeus gleichgesetzt werden konnte. Nach der Triade der Insel partizipieren weitere Gottheiten des Kataraktgebietes am Opfer, die in derselben Reihenfolge auch bildlich in einer Opferszene aus Elephantine dargestellt sind (Laskowska-Kusztal): An erster Stelle ist Petempamentis genannt – also „der Gott des Westens“ (p# nTr (n p#?) jmn.tj(t?), sicherlich eine Erscheinungsform des Osiris), dem die Stifter die interpretatio Graeca Dionysos gaben. Unter diesem Namen ist Osiris nur noch auf Elephantine belegt (Laskowska-Kusztal). In einem dieser Texte aus der Zeit Ptolemaios’ XII. heißt es „Worte zu sprechen durch ‚den Gott des Westens‘, den König, den Fürsten von Sehel; es ist Osiris [...] in seiner Erscheinungsform.“ (Rondot). Dionysos-Osiris war wiederum der Gott des Königshauses schlechthin, und mit seinen griechischen Attributen (Thyrsosstäbe und Kantharos) hatten die Stifter auch das Giebelfeld der Stele versehen.

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Abb. 14: Die griechisch gestaltete Stele OGIS I 130 mit Dreiecksgiebel und Eckakroteren; Frankfurt, Liebieghaus 1628, Umzeichnung: I.Thèbes 303.

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Es folgt Petensetis – „der Gott von Sehel“ (p# nTr n ct.t, wohl Sobek-Geb). Wie Petempamentis begegnet Petensetis als „Herr von Sehel, der Gott an der Spitze von Elephantine“ auf einer hieroglyphischen Stele von Elephantine, die auf der Kultterasse des Chnumtempels aufgestellt war (Jaritz). Er kann hier auch mit Krokodilskopf dargestellt werden (Laskowska-Kusztal), was seinen Fruchtbarkeitsaspekt als Sobek-Geb betonte und die Übersetzung mit Kronos erklärt. Auf Sehel selbst ist eine Inschrift zu finden, in der „Der Gott von Sehel“ nach Chnum, Satis und Anukis verehrt wird (SEH 541; Rondot). Der letztgenannte Petensenis ist „der Gott von Senmet“ (p# nTr n cnm.t, wohl Osiris der Region von Philae – von anderen als Thot oder „Pharao von Senmet“ [= Osiris] gedeutet). Er erscheint nochmals in der griechischen Stiftungsinschrift einer ägyptischen Totenopfertafel aus Edfu (I.Louvre 15) – es handelt sich um eine Erscheinungsform des Osiris. Da die drei Götter in einer 2014 edierten Opferszene (Laskowska-Kusztal) den König mit Gaben der Sieghaftigkeit versehen, besteht die Möglichkeit, dass sie für das Königtum speziell mit dieser Funktion verbunden waren, was natürlich im Kontext der militärischen Funktionsträger, die verantwortlich für die Weihung waren, durchaus verständlich wäre. & W. ERICHSEN, Die Satzungen einer ägyptischen Kultgenossenschaft aus der Ptolemäerzeit. Nach einem demotischen Papyrus in Prag, Kopenhagen 1959 (zu ptolemäischen Vereinssatzungen); J. BERGMAN, Beitrag zur Interpretatio Graeca. Ägyptische Götter in griechischer Übersetzung, in: Scripti Instituti Donneriani Aboensis III, Stockholm 1969, 207–227; F. de CENIVAL, Les associations religieuses en Égypte d’après les documents démotiques, Kairo 1972 (zu ptolemäischen Vereinssatzungen); H. JARITZ, Elephantine III. Die Terassen vor den Tempeln des Chnum und der Satet. Architektur und Deutung, Mainz 1980, 27–29 (zu Petensetis); J. BINGEN, Notes d’épigraphie grecque II, in: CdÉ 56, 1981, 137–142, Nr. 6 (zu den Personennamen); P. HEILPORN, La provenance de la dédicace I. Th. Sy. 302, in: CdÉ 65, 1990, 116–121; H. J. THISSEN, Zwischen Theben und Assuan. Onomastische Anmerkungen, in: ZPE 90, 1992, 292– 296 (zu einigen Personennamen); H. J. THISSEN, in: H. Beck (Hg.), Liebieghaus – Museum Alter Plastik. Ägyptische Bildwerke III. Skulptur, Malerei, Papyri und Särge, Melsungen 1993, 230–237 (Edition, mit der älteren Literatur); E. LASKOWSKAKUSZTAL, Petempamentes, Petensetis et Petensenis. Dieux toujours inconnue?, in: Hommages à Jean Leclant IV: Varia, Kairo 1994, 177–182 (zu den Göttern); E. LASKOWSKA-KUSZTAL, Elephantine XV. Die Dekorfragmente der ptolemäisch-römischen Tempel von Elephantine, Mainz 1996, 129 (zu Petempamentis); H. HEINEN, Ein griechischer Funktionär des Ptolemäerstaates, in: B. Funck (Hg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums Berlin, 9.– 14. März 1994, Tübingen 1996, 339–353 (historischer Kontext); V. RONDOT, Séhel et son dieu. Une île de la première cataracte et ses cultes à l’époque tardive, in: A. Gasse/V. Rondot (Hg.), Séhel entre Égypte et Nubie. Inscriptions rupestres et graffiti de l’époque pharaonique. Actes du colloque international (31 mai–1er juin 2002), Montpellier 2004, 111–125 (zu den Göttern); St. PFEIFFER, Die Entsprechung ägyptischer Götter im griechischen Pantheon – Bemerkungen zur Überwindung interkultureller Differenz am Fallbeispiel der Inschrift des Herodes im Liebieghaus Frankfurt (LH Inv.-

28. Ein Gymnasium in Ombos/Kom Ombo

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Nr. 1628 = OGIS I 130) und verwandter Texte, in: H. Beck u.a. (Hg.), Ägypten Griechenland Rom. Abwehr und Berührung, Tübingen/Berlin 2005, 285–290 (religiöser Kontext); P. P. KOEMOTH, Osiris, Dionysos et le culte royal à l’île de Séhel, in: CdÉ 81, 2006, 235–244 (zu den Kulten auf Sehel); G. GORRE, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009, Nr. 1 (zu Herodes); E. LASKOWSKA-KUSZTAL, Petempamentes, Petensetis, Petensenis – their Portraits on Elephantine, in: Études et Travaux 27, 2014, 217–232; Chr. FISCHER-BOVET, Army and Society in Ptolemaic Egypt, Cambridge 2014, 287–289 (zu den oberägyptischen Basilisten); A. BIELMAN SÁNCHEZ/G. LENZO, Inventer le pouvoir féminin: Cléopâtre I et Cléopâtre II, reines d’Égypte au IIe s. av. J.-C., Bern u.a. 2015, 201–203 (zu den erwähnten Kindern); 212 (zur königlichen Reise nach Oberägypten); St. G. CANEVA, Ritual Intercession in the Ptolemaic Kingdom. A Survey of Grammar, Semantics and Agency, in: Erga-Logoi. Rivista di storia, letteratura, diritto e culture dell’antichità 4,2, 2016, 136– 142 (zum Verhältnis des Königspaars und Boethos im Kontext der Ehrung).

28. Ein Gymnasium in Ombos/Kom Ombo (22. April 135 v. Chr.) I.Varsovie 42 = I.Thèbes 189 = I.Prose 21 = C.Ord. Ptol. 48f. = CPI 408 = TM 44156 Standort: Warschau, National Museum 198817 28. Ein Gymnas ium in Ombos /Kom O mbo

Das Gymnasium war in hellenistischer Zeit der Ort griechischer Kultur, sportlicher Lebensart und Bildung schlechthin. Im vorliegenden Fall lernen wir das Gymnasium in der Stadt Ombos kennen, die nach einer Reform unter Ptolemaios VI. zur Gauhauptstadt des Ombitischen Gaus wurde (Locher, Weber/Geissen). Die Mitglieder des Gymnasiums ehrten in vorliegender, leider nur fragmentarisch erhaltenener Inschrift, die wohl auf dem Antiquitätenmarkt in Kairo erworben wurde, einen königlichen Funktionsträger. Text und Übersetzung [ — — — — — — — ]ασαι αὐτὸ χ[ — — — — — — — | — — — — — — — ]ν καθ᾿ ἔνουσα χ̣[— — — — — — ]ασα [— — — — — — | — — — — — — — ἀ]ξιούµενον καὶ δ̣[ — — — — — — ]µένης ἐπιστο[λῆς | — — — — — — — ]ναι ἐφ᾿ οἳς καὶ του[ — — — — ]ε[ — ]ξατο τὴν τῶν ε[ — | — — — — — Καλῶ]ς δ᾿ ἔχοντος καὶ τὸ γεγ[ονὸς] παρὰ τωπ[.]ρ̣ιaφανε [ . (5) δεδόχθαι τοῖς τε ἐφήβοις? καὶ τ]οῖς νεανίσκοις ἀναγ[ρ]ά[ψ]αι τὸ ψήφισµα τοῦτ[ο | καὶ τὴν παρὰ τῶν βασιλέων ἐπιστολὴν τὴ]ν περὶ

[1. Präskript:] ——— [2. Begründung des Beschlusses:] ———

[3. Beschluss:] ... es sei beschlossen für die Epheben? und] für die Jungmänner, dass sie diesen Beschluss [und den diesbezüglichen Brief der Könige] auf

166 τούτων εἰς στήλ[η]ν | λι[θίν]ην τοῦ γείτονος ε[ — | — — — καὶ ἀνατε]θ̣ῆναι ταύτην ἐν τῶι γυµ[νασίωι παρ]ὰ τῇ ἑσταµένη[ι | — — — εἰκόνι — — — ]ου πρώτου φίλου καὶ κτίστου τοῦ γυµνασίου, ὅπως τ[ (10) — — — — ]ιa παρὰ τῶν σεµνοτάτων βασιλέων ἀποµνηµονεύ[η|ται εἰς τὸν ἅπαντα χρόνον. — — —] v. | [⟦Βασιλεὺς Πτολεµαῖος καὶ⟧‚ βασί]λισσα Κλεοπάτρα ἡ ἀδελφὴ ⟦καὶ | βασίλισσα Κλεοπάτρα ἡ γυνὴ⟧‚ | [τοῖς ἐκ τοῦ ἐν Ὄµβοις γυµνασίο]υ χαίρειν. Ἀλκιµάχου καὶ Θεµιστο|κλέους τῶν παρ᾿ ὑµῶν ἀποδό[ν|των ἡµῖν τὴν ἔντευξιν] πρὸς Βόηθον τὸν συγγενῆ καὶ στρατηγὸν τὴν ὑποκειµένη[ν (15) ἐπιστολὴν ἐγράψαµεν.] v. Ἔρρωσθε. (Ἔτους) λε Γορπιαίου κ̅θ̅ Φαµενὼθ κ̅θ.̅ v. | [⟦Βασιλεὺς Πτολεµαῖος καὶ⟧‚ βασ]ίλισσα Κλεοπάτρα ἡ ἀδελφὴ ⟦καὶ βα|σίλισσα Κλεοπάτρα ἡ γυνὴ⟧‚ | [Βοήθωι τῶι ἀδελφῶι χαίρειν· Ἧς ἔγραψαν] ἡµῖν ἐπιστολῆς οἱ ἐκ τοῦ ἐν Ὄµβοις γυµνασίου | [ὑποτετάχαµέν σοι τὸ ἀντίγραφον. Καλῶς οὖν ποιήσεις — — — — ] τοῖς εισ̣[..]λ[ — — — ].

Texte eine steinerne Stele aufschreiben sollen [...] und sie diese im Gymnasium aufstellen bei dem dort aufgestellten Bild [... des N.N.] im Hofrang eines ersten Freundes und Gründers des Gymnasiums, damit [...] von unseren ausgezeichnetesten Königen bedacht wird [in alle Zeit ...]. [4. Brief der Herrscher an das Gymnasium] ⟦König Ptolemaios und⟧ Königin Kleopatra, die Schwester, ⟦und Königin Kleopatra, die Gemahlin⟧, [senden den Mitgliedern des Gymnasiums in Omboi Grüße]. Nachdem eure Gesandten Alkimachos und Themistokles uns eure Eingabe überreicht haben, haben wir Boethos, im Hofrang eines Verwandten und Stratege, den unten stehenden Brief geschrieben. Lebt wohl. Im 35. Regierungsjahr, am 29. Gorpiaios, 29. Phamenoth. [5. Brief der Herrscher an Boethos:] ⟦König Ptolemaios und⟧ Königin Kleopatra, die Schwester, ⟦und Königin Kleopatra, die Gemahlin⟧, [senden Boethos, dem Bruder, Grüße. Von dem Brief,] den die Mitglieder des Gymnasiums in Omboi uns [geschrieben haben, fügen wir Dir eine Abschrift bei. Du tust nun gut daran, ...].

Kommentar: Überall dort, wo Griechen siedelten, gründeten sie auch Gymnasien. In Ägypten dienten diese Stätten insbesondere dem militärischen Training und der körperlichen Ertüchtigung. Für die intellektuelle, künstlerische und literarische Grundausbildung, die diese Institution in der griechischen Welt ebenfalls wahrnahm, gibt es in Ägypten keinen Beleg. Hierfür waren wohl Privatlehrer zuständig (Maehler). Den Erwachsenen wiederum diente das Gymnasium als Ort der sportlichen und militärischen Übung, gleichzeitig konnte man

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über die Zugehörigkeit zum Gymnasium seinen Status als Hellene nachweisen. Den Formen des hier betriebenen Sports, der auch in Agonen gegeneinander ausgetragen wurde, begegnen wir in der Siegerliste in Text 8. Umstritten ist, ob auch Nichtgriechen Zugang zum Gymnasium hatten. In Ägypten scheint diese Institution auf jeden Fall eng mit dem Militär verbunden gewesen zu sein und es ist sehr wahrscheinlich, dass diejenigen Ägypter, die ins Militär kamen und damit zu „Hellenen“ wurden, auch das Recht erhielten, im Gymnasium zu trainieren (Scheuble-Reiter). Die griechischen Namen der Neuhellenen wurden häufig mit den Gottheiten des Gymnasiums, Herakles oder Hermes, gebildet, z. B. Herakleides oder Hermogenes (Clarysse). Wie sehr das Gymnasium von den unterworfenen Völkern des Ostens als Faktor der Hellenisierung verstanden werden konnte, zeigt die Einrichtung eines solchen in Jerusalem, das letztlich zwar nicht Ursache, aber doch mit als Auslöser des Makkabäeraufstandes gegen die Seleukiden zu betrachten ist (1 Makk 1,14f.): „Darauf bauten sie in Jerusalem ein Gymnasion, wie es bei den anderen Völkern üblich war, und ließen sich operieren, damit man ihnen nicht mehr ansah, dass sie beschnitten worden waren. So wurden sie zu Verrätern an dem Bund, den der Herr mit seinem Volk Israel geschlossen hatte. Sie taten sich mit den fremden Völkern zusammen und gaben sich dazu her, alles mögliche Böse zu tun.“ Wie die Ägypter auf die Gymnasien in Ägypten reagierten, berichtet wiederum Diodor, ein Grieche, der Ägypten in den 60er Jahren des 1. Jhs. v. Chr. besuchte (I 81,7): „Sie sind nämlich der Ansicht, die täglichen Übungen in der Palaistra der Gymnasien bewirkten keine Gewandtheit, sondern lediglich kurz andauernde Körperkraft, die überdies mit großen Gefahren verbunden sei. Musik aber sei nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich, weil sie die Zuhörer verweichliche.“ (Übersetzung: Wirth/Veh). Der vorliegende Ehrenbeschluss setzt sich aus drei Dokumenten zusammen: Dem eigentlichen Ehrenbeschluss, der entweder allein von den Jungmännern (neaniskoi) oder von der Gesamtheit des Gymnasiums gemeinsam mit diesen getragen wurde (1.–3.), einem Brief (4.) der Herrscher an die Mitglieder des Gymnasiums (οἱ ἐκ τοῦ ἐν Ὄµβοις γυµνασίου) und einem Brief (5.), der ein prostagma (Erlass) der Herrscher an Boethos (vgl. Text 25), den Verwalter desjenigen Gaues, in dem sich das Gymnasium befindet, enthält. Die beiden letzten Dokumente sind Bestandteil des Ehrendekretes, weil in dessen Beschlussbestimmungen ihre Kopie auf Stein angeordnet wurde. Da Ombos keine griechische Polis war, hatten die Gymnasiumsmitglieder hier also die Funktion von Rat und Demos übernommen und kommunizierten auf diese Weise in Stellvertretung für die griechischen Bewohner von Ombos, ähnlich wie die ägyptischen Priester (vgl. Text 13) in Stellvertretung für die Ägypter, als organisierte Körperschaft mit dem Herrscherhaus. Datiert ist das Dokument in die Zeit der Samtherrschaft von Ptolemaios VIII., Kleopatra II. und Kleopatra III., nachdem der achte Ptolemäer 140 v. Chr. seine Stieftochter Kleopatra, die Tochter Ptolemaios’ VI. und Kleopatras II., geheira-

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tet hatte, so dass er jetzt mit Mutter und Tochter gleichzeitig vermählt war. Die Namen Ptolemaios’ VIII. und Kleopatras III. wurden jedoch nachträglich aus der Inschrift getilgt. Das geschah sicherlich während des Bürgerkrieges 131– 124 v. Chr., als Kleopatra II. mit den Kulttiteln Philometor Soteira (Mutterliebende Rettende) die Alleinherrschaft an sich reißen konnte. Sie war die erste ptolemäische Königin, die die Herrschaft rechtsgültig und eigenständig, also ohne den Namen eines formal amtierenden Königs (etwa eines Sohnes), ausübte. So ist ein Königseid allein auf sie geschworen worden (UPZ II 217, 22.11.131 v. Chr.): „Ich schwöre bei Kleopatra, der Mutterliebenden Rettenden Göttin ...“ und in der Subskription ist nach ihr datiert: „Unter der Herrschaft der Kleopatra, der Mutterliebenden Rettenden Göttin, im 2. Jahr, unter dem in Alexandria tätigen Priester des Alexander, der Rettergötter, der Geschwistergötter, der Wohltätergötter, der Vaterliebenden Götter, der Erschienenen Götter und des Gottes Eupator, und der Mutterliebenden Götter und der Mutterliebenden Rettenden Göttin ...“ Die Gründung des Gymnasiums von Ombos geht wohl schon auf die Zeit vor der Etablierung des Ortes als Gaumetropole, ins 3. Jh. v. Chr. zurück, denn der Stifter war ein „erster Freund“ (πρῶτος φίλος), ein Titel, der mit der Ausgestaltung der Hofrangtitulatur im zweiten Jahrhundert verschwand, nach der er dann eher „einer der ersten Freunde“ (τῶν πρώτων φίλων) gewesen wäre (Habermann). Wichtig ist, dass das Gymnasium auf eine private Initiative hin gestiftet wurde und das Königshaus damit wohl die Gymnasien nicht als Hellenisierungsinstrument des Landes betrachtet hat. Welche Art von Mitgliedschaft im Gymnasium mit der Bezeichnung neaniskoi, die hier als Beschlussfassende genannt sind, gemeint ist, bleibt unklar (Wilcken). Es handelte sich möglicherweise um eine militärische Kategorie im Sinne von „Jungmannschaft“ (Scheuble-Reiter). Diese hatten die Ephebie schon durchlaufen und waren deshalb vollwertige Mitglieder der Gymnasialgemeinschaft (Habermann). Der Ehrenbeschluss selbst geht möglicherweise nicht allein auf diese neaniskoi zurück, denn das Königshaus spricht in seinem Bewilligungsschreiben für die Ehrung von „denen aus dem Gymnasium“, womit alle Mitglieder gemeint sein müssen. So ist es wahrscheinlich, dass noch weitere Gruppierungen des Gymnasiums, etwa die Epheben (Wilcken), also die in der Grundausbildung Befindlichen, oder die presbyteroi, also die „Älteren“, in der Lücke auf dem Stein vor den neaniskoi genannt wurden. Ansonsten wäre davon auszugehen, dass die neaniskoi die maßgebliche Gruppierung der Mitglieder des Gymnasiums war, die stellvertretend für alle einen Ehrenbeschluss erlassen konnte, was allerdings wenig wahrscheinlich ist. Die Mitglieder des Gymnasiums müssen eine bedeutende Persönlichkeit geehrt haben, denn die Stele sollte neben der Statue des Stifters des Gymnasiums aufgestellt werden. Wahrscheinlich hat man auch noch weitere Ehren, wie die Ausrufung eines Kranzes und besondere Vorrechte bei Feierlichkeiten, mitdekretiert. Weshalb hierzu freilich eine herrscherliche Direktive an einen Verwal-

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tungsbeamten notwendig war, muss offen bleiben. Es kann aber letztlich nur bedeuten, dass die Ehrung öffentliche Belange, die über den Binnenraum des Gymnasiums hinausgingen, betraf, die geehrte Person möglicherweise also eine entscheidende Funktion am Hof, in der Verwaltung oder im Heer innehatte. So erklärt sich, weshalb die Ehrenden das Ziel haben, dass der Geehrte „von unseren ausgezeichnetsten Königen bedacht wird.“ (Z. 10). & U. WILCKEN, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde I 1, Leipzig 1912, 138–140 (zum Gymnasium in Ägypten); M. SAN NICOLO, Ägyptisches Vereinswesen zur Zeit der Ptolemäer und Römer I: Die Vereinsarten, München 1913, 43–45 (zur Verbandsorganisation im Gymnasium); U. WILCKEN, Ein Gymnasium in Ombos, in: APF 5, 1913, 410–416 (Edition und Kommentar); F. SCHROETER, De regum hellenisticorum epistulis in lapidibus servatis quaestiones stilisticae, Leipzig 1932, 82f. Nr. 37f.; M. LAUNEY, Recherches sur les armées hellénistiques II, Paris 1950, 859–866 (zum Gymnasium als Ort des militärischen Trainings und zu den neaniskoi); M.-Th. LENGER, La notion de „bienfait“ (philanthrôpon) royal et les ordonnances des rois Lagides, in: Studi in onore di Vincenzo Arangio-Ruiz, I, Neapel 1952, 499, Nr. 79; G. SACCO, Sui νεανίσκοι dell’età ellenistica, in: Rivista di filologia e di istruzione classica 103, 1979, 39– 49; H. MAEHLER, Die griechische Schule im ptolemäischen Ägypten, in: E. Van ’t Dack u.a. (Hg.), Egypt and the Hellenistic World. Proceedings of the International Colloquium Leuven – 24–26 May 1982, Löwen 1983, 191–203 (zu Privatlehrern); W. CLARYSSE, Greeks in Ptolemaic Thebes, in: S. P. Vleeming (Hg.), Hundred-Gated Thebes. Acts of a Colloquium on Thebes and the Theban Area in the Graeco-Roman Period, Leiden u.a. 1995, 7 (zur Aufnahme von Ägyptern ins Gymnasium); A. ŁAJTAR, Greek Inscriptions in Polish Collections. A Checklist, in: ZPE 125, 1999, 156, Nr. 46 (Bibliographie); B. LEGRAS, Néotês. Recherches sur les jeunes grecs dans l’Égypte ptolémaïque et romaine, Genf 1999, 195–217, 225 (zu den neaniskoi); J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am Ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 201–229, 281–285 (zum Gau Ombites); A. TWARDECKI, Inscriptions grecques acquises par le Musée Nationale de Varsovie lors des fouilles franco–polonaises a Edfou, in: Tell-Edfou soixante ans après. Actes du colloque francopolonais. Le Caire – 15 octobre 1996, Kairo 1999, 83–93; W. HABERMANN, Gymnasien im ptolemäischen Ägypten – eine Skizze, in: D. Kah/P. Scholz (Hg.), Das hellenistische Gymnasion. Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Berlin 2004, 335–348 (grundlegender Beitrag zum Gymnasium in Ägypten); S. SCHEUBLE-REITER, Die Katökenreiter im ptolemäischen Ägypten, München 2012, 309–315 (zum Militär im Gymnasium); 42, 53, 94, 314 (zu den neaniskoi); M. WEBER/A. GEISSEN, Die alexandrinischen Gaumünzen der römischen Kaiserzeit. Die ägyptischen Gaue und ihre Ortsgötter im Spiegel numismatischer Quellen, Wiesbaden 2013, 49f. (zum Gau Ombites); A. BIELMAN SANCHEZ/G. LENZO, Inventer le pouvoir féminin: Cléopâtre I et Cléopâtre II, reines d’Égypte au IIe s. av. J.-C., Bern u.a. 2015, 273–340 (zu Kleopatra II. im Bürgerkrieg).

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29. Ptolemaios VIII. und eine Beschwerde der Priester von Philae (zw. 124 und 118 v. Chr.) I.Philae I 19 = OGIS I 137–139 = SB V 8396 = I.Prose 22 = CIG III 4896 = C.Ord. Ptol. 51f. = CPI 424 = TM 6331, 103007 Standort: Wimborne Minster, Private collection Bankes n.n. 29. Eine Bes chwerde der Pr ies ter von Philae

Die Bedeutung der Nilinsel Philae an der Grenze Ägyptens zu Nubien in griechisch-römischer Zeit zeigt sich nicht nur an der Tatsache, dass der Tempel in ptolemäischer Zeit vollständig neu errichtet wurde und hier sogar eine Garnison des ptolemäischen Militärs angesiedelt war, sondern auch an den direkten Kontakten der dortigen Priester zum Herrscher (vgl. Text 26). Die engen Beziehungen zwischen Priesterschaft und Königshaus gehen auch aus vorliegendem Dossier hervor, das die Korrespondenz zwischen Priestern und König enthält. Die Priester beschwerten sich über die Belastungen, die ihnen durch die freie Verköstigung durchreisender königlicher Funktionäre enstanden. Die diesbezüglichen Schreiben brachten sie zusammen mit der Antwort des Königs auf dem Sockel eines Obelisken an, der ursprünglich auf der Ostseite vor dem Eingang des großen Pylons zum Isistempel aufgestellt war. Belzoni brachte den Obelisken 1819 nach England zu William J. Bankes’ Landgut Kingston-Lacy in Dorsetshire, wo er noch heute zu sehen ist. Die hieroglyphische Inschrift des Obelisken half, neben dem Dekret von Rosette, entscheidend bei der Entzifferung der Hieroglyphen. Text A und B der griechischen Inschrift waren nur in roter Farbe ausgeführt und sind heute, bedingt durch das Klima in Großbritannien, nicht mehr erhalten, der eingravierte Text C ist wohl noch entzifferbar. Als Lesereihenfolge bietet es sich an, mit Text C, der Priesterbeschwerde an den König, zu beginnen und dann erst Text A, die Antwort des Herrschers, und B, die Anweisung des Königs an den Strategen, zu lesen. Die ganze Rekonstruktion der griechischen Inschrift beruht bisher ausschließlich auf Abschriften aus der Zeit vor der Versetzung. Neue Lesungen könnten in näherer Zukunft durch das Oxford Centre for the Study of Ancient Documents zu erwarten sein, das den Stein mit Hilfe der Reflectance Transformation Imaging-Methode untersucht hat. Text und Übersetzung [βασιλεὺς Πτολεµαῖος καὶ βασίλισσα Κλεοπάτρα | ἡ ἀδελφὴ καὶ βασίλισσα Κλεοπάτρα ἡ γυνὴ θεοὶ Εὐεργέται τοῖς ἱερεῦ|σι τῆς ἐν τῶι Ἀβάτωι καὶ ἐν Φίλαις Ἴσιδος καὶ θεῶν | Ἀδελφῶν καὶ θε]ῶν Εὐεργετ[ῶν καὶ θεῶν Φιλοπατόρων

[A Antwort der Herrscher an die Priester] „König Ptolemaios und Königin Kleopatra, die Schwester, und Königin Kleopatra, die Gemahlin, die Wohltätergötter, senden den Priestern der Isis und der Geschwistergötter und der Wohltätergötter und der Vaterliebenden Götter

29. Eine Beschwerde der Priester von Philae (5) καὶ θε]ῶν Ἐπιφανῶν καὶ θεοῦ Εὐπάτορος [καὶ θεοῦ Φιλο]|µήτορος καὶ θεῶν Εὐεργετῶν χαίρειν. τῆ[ς γεγραµ]|µένης ἐπιστολῆς πρὸς Λόχον τὸν συγγενέα κ̣[αὶ] | στρατηγὸν τὸ ἀντίγραφον ὑποτετάχαµεν. ἐπιχω|ροῦµεν δὲ ὑµῖν καὶ τὴν ἀνάθεσιν ἧς ἠξιοῦτε στήλης (10) π̣ο[ιή]σ̣α̣σθ̣α[ι]. ἔ̣ρ̣ρ[ωσθε, (ἔτους) —, Πα]ν̣ήµ̣ου β̅, Παχὼν κ̅β̅.

βασιλεὺς Πτολεµαῖος καὶ βασίλισσα Κλεο|πάτρα ἡ ἀδελφὴ καὶ βασίλισσα Κλεοπάτρα ἡ γυνὴ | [Λό]χωι τῶι ἀδελφῶι χαίρειν· [τῆ]ς̣ δ̣[εδο]µ̣έν̣ ̣η̣ς ἡµ̣ῖν | [ἐντεύξε]ως παρὰ τῶν ἱ[ερέων τῆς ἐν τῶι Ἀβάτ]ωι καὶ ἐ̣ν̣ (15) [Φίλ]αις̣ Ἴσιδ̣ος ὑποτετ̣ά̣[χαµέν σοι τὸ] ἀντίγρα[φον]· | [κ]αλῶς οὖ̣ν̣ ποιήσης συν[τάξας, καθάπε]ρ̣ ἀ̣ξ̣[ιοῦσι, µηδέ|ν]α ἐνοχλεῖν αὐτοὺς [— — — — ca.20-25 — — — — | — —ca.10— —]. ἔρρωσο. βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι Κλεοπάτραι (20) τῆι ἀδελφῆι καὶ βασιλίσσηι Κλεοπάτραι τῆι γυναι|κί, θεοῖς Εὐεργέταις, χαίρειν οἱ ἱερεῖς τῆς ἐν τῶι Ἀβά|τωι καὶ ἐν Φίλαις Ἴσιδος θεᾶς µεγίστης· ἐπεὶ οἱ παρεπι|δηµοῦντες εἰς τὰς Φίλας στρατηγοὶ καὶ ἐπιστάται | καὶ θηβάρχαι καὶ βασιλικοὶ γραµµατεῖς καὶ ἐπιστάται φυ(25)λακιτῶν καὶ οἱ ἄλλοι πραγaµατικοὶ πάντες καὶ αἱ ἀ|κολουθοῦσαι δυνάµεις καὶ ἡ λοιπὴ ὑπηρεσία ἀναγκά|ζουσι ἡµᾶς παρουσίας αὐτοῖς ποιεῖσθαι οὐχ ἑκόντας, | καὶ ἐκ τοῦ τοιούτου συµβαίνει

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und der Erschienenen Götter und des Gottes Eupator und des Mutterliebenden Gottes und der Wohltätergötter im Abaton und in Philae Grüße. Wir haben eine Abschrift des an Lochos, im Hofrang eines Verwandten und Stratege, geschriebenen Briefes unten angefügt. Wir erlauben euch auch die Aufstellung einer Stele, die ihr erbeten habt, durchzuführen. Lebt wohl! Im x. Regierungsjahr, am 2. Panemos, am 22. Pachon.“ [B Schreiben der Herrscher an den Strategen der Thebais] König Ptolemaios und Königin Kleopatra, die Schwester, und Königin Kleopatra, die Gemahlin, senden Lochos, dem Bruder, Grüße. Wir haben dir unten die Abschrift einer von den Priestern der Isis im Abaton und in Philae bei uns eingereichten Eingabe angefügt. Du tust nun gut daran, anzuordnen, wie sie es erbeten, dass niemand sie belästigt [...]. Lebe wohl!“ [C Beschwerde der Priester von Philae beim Herrscher:] „Dem König Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Schwester, und der Königin Kleopatra, der Gemahlin, den Wohltätergöttern, senden die Priester der größten Göttin Isis im Abaton und in Philae Grüße. Weil die in Philae residierenden Strategen und Vorsteher und Thebarchen und Königlichen Schreiber und Vorsteher der Wächter und alle anderen Funktionsträger und die sie begleitenden Truppen und der Rest ihrer Begleitung uns zwingen, ihnen den Aufenthalt gegen unseren Willen zu gewährleisten, und weil es

172 ἐλαττοῦσθαι τὸ ἱερὸν καὶ | κινδυνεύειν ἡµᾶς τοῦ µὴ ἔχειν τὰ νοµιζόµενα πρὸς τὰς (30) γινοµένας ὑπέρ τε ὑµῶν καὶ τῶν τέκνων θυσίας | καὶ σπονδάς, δεόµεθ’ ὑµῶν θεῶν µεγίστων, ἐὰν | φαίνηται, συντάξαι Νουµηνίωι τῶι συγγενε καὶ ἐπιστο|λογράφωι, γράψαι Λόχωι τῶι συγγενεῖ καὶ στρατηγῶι τῆς Θηβαΐδος µὴ παρενοχλεῖν ἡµᾶς πρὸς ταῦτα µηδ’ ἄλ(35)λωι µηδενὶ ἐπιτρέπειν τὸ αὐτὸ ποιεῖν, καὶ ἡµῖν διδόναι | τοὺς καθήκοντας περὶ τούτων χρηµατισµούς, ἐν οἷς | ἐπιχωρῆσαι ἡµῖν ἀναθεῖναι στήλην, ἐν ἧι ἀναγράψοµεν | τὴν γεγονυῖαν ἡµῖν ὑφ’ ὑµῶν περὶ τούτων φιλανθρωπίαν, | ἵνα ἡ ὑµετέρα χάρις ἀείµνηστος ὑπάρχει παρ’ αὐτῆι εἰς τὸν (40) ἅπαντα χρόνον· τούτου δὲ γενοµένου ἐσόµεθα καὶ ἐν | τούτοις καὶ τὸ ἱερὸν τὸ τῆς Ἴσιδος εὐεργετηµένοι· | εὐτυχεῖτε.

Texte deshalb geschieht, dass das Heiligtum Schaden erleidet und wir Gefahr laufen, nicht mehr über die vorgeschriebenen Opfergaben für die Brandopfer und Trankspenden zu verfügen, die zu Euren und Eurer Kinder Gunsten vollzogen werden, bitten wir euch, größte Götter, wenn es recht erscheint, dem Numenios, im Hofrang eines Verwandten und im Amt eines Briefschreibers, anzuordnen, den Lochos, im Hofrang eines Verwandten und Stratege der Thebais, anzuweisen, uns in dieser Sache nicht mehr zu belästigen, noch irgendjemand anderem zu erlauben, das Gleiche zu tun, und uns die diese Dinge betreffenden Anordnungen zu übergeben, in denen uns eingeräumt wird, eine Stele aufzustellen, um auf dieser die uns diesbezüglich von euch gewährte Menschenfreundlichkeit niederzuschreiben, damit eure Gnade bei ihr (i.e. Isis?) ewig in Erinnerung bleibt auf alle Zeit. Wenn dies eintritt, werden wir ebenso wie das Heiligtum der Isis auch in diesen Dingen Empfänger einer Wohltat sein. Es möge euch wohl ergehen!“

Kommentar: Die drei Inschriften bilden ein Dossier, das die Korrespondenz zwischen lokaler Priesterschaft, Königshaus und Verwaltung spiegelt und in umgekehrter Reihenfolge auf dem Sockel angebracht wurde. Die Priester hatten sich mit einer Eingabe direkt an die Herrscher gewandt (Brief C). Der König leitet üblicherweise im Falle eines positiven Bescheids solcher Eingaben (enteuxeis), die zahlreich auf Papyrus erhalten sind (Guéraud), entsprechende enteuxis mit dem Verweis auf Bearbeitung an die zuständige Behörde weiter, womit aus dem Text der Eingabe ein königlicher Erlass wurde (vgl. Text 26). In vorliegendem Fall haben sich Ptolemaios VIII. und seine beiden Gemahlinnen in der Tat persönlich mit der Angelegenheit beschäftigt (Brief A): Sie wiesen den für die Verwaltung der Region zuständigen Strategen Lochos an (Brief

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B), der Bitte der Priester Folge zu leisten. Sie sprechen Lochos als „Bruder“ an, nicht weil er tatsächlich ihr Bruder war, sondern weil er den Hofrangtitel eines „Verwandten“ des Königs (syngenes) führte, also den höchstmöglichen Titel am Hof. Hier ist also deutlich zu erkennen, wie ein Hofrangtitel direkte Nähe zum König ausdrückt. In umgekehrter Richtung freilich hätte Lochos es sicherlich nicht wagen dürfen, den König als „Bruder“ zu titulieren. König und Königin verzichten nun, wie gesagt, darauf, eine explizite Anweisung zur Ausgestaltung zu geben: Sie hingen einfach die Bitte der Priester an, die damit eine Dienstanweisung wurde. Der Gattung nach handelt es sich beim Herrscherschreiben zwar um einen Brief, der Funktion nach aber um einen Erlass, ein prostagma (Lenger). Die hieroglyphischen Inschriften auf dem Obelisken stehen zwar in keinerlei Zusammenhang zu dem darunter angebrachten griechischen Dossier. Sie helfen aber bei der Datierung der griechischen Inschrift, von der wir nur wissen, dass sie aus der Zeit der Herrschaft von Ptolemaios VIII., Kleopatra II. und III. stammt. Aufgestellt muss der Obelisk bereits in in der Zeit der Doppelherrschaft Ptolemaios’ VIII. mit Kleopatra III. zwischen 131 und 124 v. Chr. gewesen sein, weil die später erneut als Koregentin akzeptierte Kleopatra II. in einer hieroglyphischen Eulogie des Obelisken nicht erwähnt wird (Minas). Terminus ante quem der griechischen Inschrift ist wiederum die Aufnahme des Neos Philopator in den Dynastiekult 118 v. Chr., denn dieser fehlt in der hieroglyphischen Ahnenreihe des Obelisken. Da der in der griechischen Inschrift erwähnte Stratege Lochos zwischen 127 und 117 v. Chr. amtierte und der Epistolograph Numenios zwischen 124 und 117 v. Chr. im Amt war, dürfte die griechische Inschrift also in der Phase der Dreierherrschaft Ptolemaios’ VIII., Kleopatras II. und III. zwischen 124 und 117 v. Chr. verfasst worden sein (Dietze). Die Priester beschwerten sich darüber, dass sie kostenfrei Lager- und Verpflegungskapazitäten für durchreisende Funktionäre und deren Entourage zur Verfügung stellen mussten. Gerade auf Philae gab es einen erheblichen Durchreiseverkehr staatlicher Funktionsträger, weil die Insel genau an der Grenze zwischen Ägypten und dem eine Generation zuvor eroberten Zwölfmeilenland, der Dodekaschoinos, lag. Möglicherweise war auch die angeschlossene Garnison nicht unbeteiligt an den materiellen Belastungen, die der Priesterschaft entstanden, indem sie die Kosten für Unterhalt und Verpflegung der offiziellen Besucher an den Tempel auslagerte (Dietze). Den Priestern hätte eigentlich die Korrespondenz und der Brief des Königs auf Papyrus ausgereicht, um gegenüber Vertretern des Staates, die sie abermals in dieser Sache behelligen würden, entsprechende Verfügung vorzulegen. Ihnen war aber deren Publizierung an einem bestsichtbaren Platz – auf dem Dromos, vor dem Eingang zum Tempel – wichtig. Hierzu wiederum war, wie der Verfügung zu entnehmen ist, eine Erlaubnis des Königs nötig, die dieser auch erteilte. Von nun an konnten die Priester also auf den Text auf Stein verweisen, wenn staatliche Stellen widerrechtlich versuchten, auf die Ressourcen des Tempels

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zurückzugreifen. Eigentlich hätte die Wiedergabe des königlichen Beschlusses vollkommen ausgereicht, doch dokumentieren die Priester den gesamten Verwaltungsvorgang vielleicht deshalb, um der Verfügung volle Authentizität zu verleihen. Die Inschrift vermittelt zudem einen Eindruck von der Funktion der Herrscherverehrung im Tempel. Die Prieser argumentieren schließlich nicht direkt mit der Tatsache, dass das Opfer für Isis, die Göttin des Tempels, in Gefahr sei. Sie geben vielmehr an, dass die Opfer zum Heile der Herrscher – der „größten Götter“ – vernachlässigt werden könnten. Implizit ist damit das Opfer an Isis gemeint, denn da die Opfer zugunsten der Dynastie vollzogen werden, ist es Isis, an die die Opfer gerichtet werden und die im Gegenzug das Heil des Ptolemaios und seiner Familie garantieren wird. Wie wichtig diese Opfer für sein Heil Ptolemaios’ VIII. waren, belegt nochmals ein im Jahr 118 v. Chr. von ihm erlassenes Edikt, in dem er ebenfalls einer Priesterschaft ihre Privilegien mit der Begründung garantiert, dass „sie ungestört die gesetzmäßigen Opfer an die Götter für unser und unserer Kinder Heil vollziehen könnten.“ (P.Tebt. I, 6, 47–49). & U. WILCKEN, Die Obeliskeninschrift von Philae, in: Hermes 22, 1887, 1–26 (ausführliche Besprechung); O. GUÉRAUD, Enteuxeis. Requêtes et plaintes adressées au roi d’Égypte au III siècle avant J.-C., Kairo 1931 (Sammlung von papyrologisch überlieferten Eingaben); F. SCHROETER, De regum hellenisticorum epistulis in lapidibus servatis quaestiones stilisticae, Leipzig 1931, 35f.; H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit. Ein Beitrag zum antiken Staatsrecht III, München 21967, 226 (zu Numenios und Lochos); E. IVERSEN, Obelisks in Exile II. The Obelisks of Istanbul and England, Kopenhagen 1972, 62–85 (zum Obelisken); J. D. THOMAS, The Epistrategos in Ptolemaic and Roman Egypt. Part 1: The Ptolemaic Epistrategos, Opladen 1975, 73– 77 (zur Frage von Strategie und Epistrategie am Beispiel des Lochos); G. DIETZE, Philae und die Dodekaschoinos in ptolemäischer Zeit. Ein Beitrag zur Frage ptolemäischer Präsenz im Grenzland zwischen Ägypten und Afrika an Hand der architektonischen und epigraphischen Quellen, in: Ancient Society 25, 1994, 63–110; J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am Ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 150 (zur Priesterschaft auf Philae); M. MINAS, Die hieroglyphischen Ahnenreihen der ptolemäischen Könige. Ein Vergleich mit den Titeln der eponymen Priester in den demotischen und griechischen Papyri, Mainz 2000, 7–9 (zur Ahnenreihe auf dem Obelisken); P. NADIG, Zwischen König und Karikatur. Das Bild Ptolemaios’ VIII. im Spannungsfeld der Überlieferung, München 2007, 98–101 (Besprechung mit Blick auf die Politik Ptolemaios’ VIII.); St. PFEIFFER, Offerings and Libations for the King and the Question of Ruler-Cult in Egyptian Temples, in: Kernos Suppl. 34, 2020, im Erscheinen (zur Bedeutung der hyper-Formel im ägyptischen Tempel).

30. Das älteste lateinische Graffito in Ägypten

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30. Das älteste lateinische Graffito in Ägypten (26. August 116 v. Chr.) I.Thèbes 321 = AE 1977, 838 = SEG XXVIII 1485 = AE 1985, 837 = CIL I2 2,4 2937a = CPI 514 = TM 88950 30. Das ältes te lateinis che Graffito in Ägypten

Die Beziehungen zwischen Rom und dem ptolemäischen Ägypten waren von jeher intensiv. 168 v. Chr. garantierte Rom sogar die Existenz des ptolemäischen Königtums: Nachdem der Seleukide Antiochos IV. Ägypten erobert hatte, wies ein römischer Gesandter ihn an, das Land wieder zu verlassen, was auch geschah. Ägypten dürfte aufgrund seiner enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten schon recht früh unternehmerisches Ziel römischer Kaufleute gewesen sein, und in diesem Rahmen dürften sich die ersten außenpolitischen Kontakte zwischen beiden Staaten entwickelt haben. Der frühste epigraphische Beleg römischer Anwesenheit in Ägypten ist vorliegendes Graffito, das auf dem Ostturm des ersten Pylons von Philae, an der Südseite am Soubassement, angebracht war (an der Ecke zum Philadelphos-Tor). Es handelt sich um einen wiederverwendeten Stein, der ursprünglich zu einem anderen Bau auf Philae gehört haben dürfte, an dem die Gesandtschaft ihre Graffiti hinterlassen hatte. Die Inschriften konnten erst im Rahmen des Abbaus von Philae während der Versetzung der Anlage gelesen werden. Der Stein wurde nicht wieder verbaut, sondern befindet sich heute im „Lapidarium“ von Philae. Da die Inschrift so lange nicht sichtbar verbaut war, sind noch heute Reste roter Farbe, mit denen die Buchstaben hervorgehoben wurden, zu sehen. Text und Übersetzung col. I [C(aius)] (?) | Acu[ti]us [.] f(ilius) • Ter(etina) | hoc • venit • primus | a(nte) • d(iem) • V • k(alendas) • Septembris (sic) | Q(uinto) • Fabio • C(aio) • Licinio • co(n)s(ulibus) (5) Γάϊος Ἀκούτιος | col. II M(arcus) • Claudius • Varus | Sp(urius) • Varaeus • N(umeri) • f(ilius) • | hoc • venerunt • | a(nte) • d(iem) • V • k(alendas) • Septem(bres) • co(n)s(ulibus) • (10) Romae Q(uinto) • Fabio • C(aio) • Li[cinio] •.

Kolumne I „(Gaius?) Acutius, Sohn des [...], aus der Tribus Teretina, kam als erster hierhin am 26. August, als Quintus Fabius und Gaius Licinius Konsuln waren. Gaios Akoutios. Kolumne II Marcus Claudius Varus, Spurius Varaeus, Sohn des Numerus, kamen hierhin, am 26. August, als Konsuln in Rom Quintus Fabius und Gaius Licinius waren.“

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Abb. 15: Block mit der Besucherinschrift dreier Römer nach Philae; Photo: Stefan Pfeiffer 2017.

30. Das älteste lateinische Graffito in Ägypten

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Kommentar: Gaius Acutius betrachtet sich als den ersten Römer, der nach Philae, also an die Südgrenze Ägyptens, gelangt ist. Nur das war ihm wichtig, eine Verehrungsaussage für eine der in Philae verehrten Gottheiten tätigte er hingegen nicht. Datiert hat er seinen Besuch nach den beiden amtierenden römischen Konsuln, die aber in der umgekehrten Reihenfolge genannt sind (Benes/Hillard). Der Datierung folgt nochmals der Name des Gaius Acutius, diesmal in griechischer Schrift. Dies macht er wohl für die griechischen Leser, die des Lateinischen in dieser Zeit und Region allesamt selten mächtig gewesen sein dürften. Es folgen seitlich neben dem Graffito des Acutius als eine zweite Kolumne, zunächst in etwa gleich großer Schrift, der Name des Marcus Claudius Varus und darunter deutlich kleiner und in wesentlich unbeholfenerer Linienführung (vgl. Abb. 15) der Name Spurius Varaeus, woran sich nochmals die gleiche Datierung anschließt. Möglicherweise war ein gewisser M. Ti(n?)trius, der auf einem weiteren Block genannt ist, ebenfalls Mitglied der Gruppe (AE 1977, 839 = I.Philae II 323). Natürlich stellt man sich die eigentlich nicht lösbare Frage, was diese Römer nach Philae geführt hatte. So wäre zu vermuten, dass es sich um die Mitglieder einer römischen Gesandtschaft an den Königshof handelte, weil Ptolemaios VIII. kurz zuvor, am 28.6.116 v. Chr., verstorben war. Vielleicht nutzten die Gesandten ihre Anwesenheit im Land dann auch zu einer Reise nach Oberägypten (Van ’t Dack). Genauso könnte es sich aber auch um eine Gruppe von Händlern handeln, die aus touristischem oder religiösem Interesse nach Philae gekommen war. Möglich ist weiterhin, dass sie an der Feier des Nilhöchststandes teilnahmen, sie deshalb gar „voyeuristische“ Interessen hatten (Beness/Hillard). Der Spekulation stehen also Tür und Tor offen (vgl. Text 66). Die genannte Tribus Teretina, in die Acutius eingeschrieben war, also der römische Wahlbezirk, dem er angehörte, befand sich in Zentralitalien, zwischen der via Latina und der via Appia, die beide nach Süden, in Richtung des hellenistischen Ostens, führten. Es handelt sich möglicherweise um die erste Nennung einer Tribus in der epigraphischen Überlieferung überhaupt (Devijver). Andererseits möchten manche anstelle von Ter(etina) die Abkürzung zu Ter(tius) ergänzen, und hierin entweder das Cognomen des Acutius erkennen (Bernand) oder aber das Wort als Adverb deuten, also als die Angabe, dass Acutius als erster zum dritten Mal dorthin gekommen sei (Bingen). Die erste Lösung bleibt aber sicherlich die plausibelste. & A. ROCCATI, Nuove epigrafi greche e latine da File, in: M. B. de Boer/T. A. Edrige (Hg.), Hommages à Maarten J. Vermaseren, Leiden 1978, 994f., Nr. 5 (ed. pr.); J. BINGEN, Les inscriptions de Philae des IIIe et IIe siècles avant notre ère, in: CdÉ 54, 1979, 305, Anm. 3; E. VAN ’T DACK, Reizen, expedities en emigratie uit Italië naar Ptolemaeïsch Egypte, Brüssel 1980, 26 (zu der Reisegruppe); A. GIAMMARUSTI/A. ROCCATI, File. Storia e vita di un santuario egizio, Novara 1980, 115, 117, 120f.; H. DEVIJVER/E. VAN ’T DACK, Un nouveau témoignage concernant le nom Aqutius (CIL X

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4876, Venafrum, Italia), in: Ancient Society 13/14, 1982/83, 175–177 (zur Überlieferung der Acutii); E. VAN ’T DACK, Les relations entre l’Égypte ptolémaïque et l’Italie. Un aperçu des personnages revenant ou venant d’Alexandrie ou d’Égypte en Italie, in: ders. u.a. (Hg.), Egypt and the Hellenistic World, Löwen 1983, 393–397 (Deutung als römische Gesandtschaft); H. DEVIJVER, La plus ancienne mention d’une tribu romaine en Égypte, in: CdÉ 60, 1985, 96–101; M. P. GUIDOBALDI/F. PESANDRO, in: F. Coarelli (Hg.), Minturnae, Rom 1989, 44f. (vgl. Gnomon 64, 1992, 49–53); I. RUTHERFORD, Island on the Extremity: Space, Language and Power in the Pilgrimage Traditions of Philae, in: D. Frankfurter (Hg.), Pilgrimage and Holy Space in Late Antique Egypt, Leiden 1998, 236f. (Deutung als Pilgerinschrift); J. L. BENESS/T. HILLARD, The First Romans at Philae (CIL 12.2.2937a), in: ZPE 144, 2003, 203–207 (Interpretation als „voyeuristische“ Reisegruppe).

31. Die Ehrung des Strategen Dorion durch die Idumäer von Memphis (112/111 v. Chr.) OGIS II 737 = SB V 8929 = I.Prose 25 = BE 1996, 519 = CPI 200 = TM 6421 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 33027 31. Die Ehrun g des Strategen Dor ion

Die nach Ägypten gezogenen Fremden konnten sich wohl seit dem 2. Jh. v. Chr. in sogenannten politeumata (Sg. politeuma) organisieren, die vom König auch gewisse Rechte der Selbstverwaltung erhielten (Sänger). Solche „Landsmannschaften“ sind belegt für die Böoter (SEG II 871 = SB II 6664), Kilikier (SB IV 7270 = I.Louvre 22), Kreter (P.Tebt. I 32), Lykier (SB III 6025 = I.Prose 61), Phryger (OGIS II 658), Juden (P.Polit. Iud.) und Idumäer. Ein politeuma kann deshalb ein ethnisch recht homogener, sich selbst verwaltender Verbund sein, was die Umschreibung als „Landsmannschaft“ rechtfertigt, doch gibt es daneben auch rein militärische politeumata, wie dasjenige der in Alexandria gelisteten Soldaten (SEG XX 4999 = SB VIII 9812: πολίτευµα τῶν ἐν Ἀλεξανδρείαι φεροµένων στρατιωτῶν). Im vorliegenden Fall der in Mit Rahineh/Memphis gefundenen Inschrift verabschiedet ein nicht näher benanntes politeuma zusammen mit den Idumäern von „der Stadt“ im memphitischen Tempel des Apoll, bei dem es sich wohl um den idumäischen Apollon-Kos (vgl. auch SB I 681) handelte, einen Ehrenbeschluss (psephisma) für den Strategen Dorion. Die Mitglieder des politeuma stammen wahrscheinlich, genauso wie ihre Mitweihenden, aus Idumäa, einer Gegend südlich des Toten Meeres, von wo die Ptolemäer gerne Soldaten anwarben, zumal viele Idumäer nach der Einnahme ihrer Siedlungsräume durch die Hasmonäer 125 v. Chr. ins Ptolemäerreich geflohen waren. Text und Übersetzung ἔτους ἕκτου· ἐπὶ συναγωγῆς | τῆς γενηθείσης ἐν τῶι ἄνω Ἀπολλ[ω]|νιείωι τοῦ πολιτεύµατος καὶ τῶν | ἀπὸ τῆς πόλεως Ἰδουµαίων. |

„Im sechsten Regierungsjahr: Während die Versammlung des politeuma und der Idumäer aus der Stadt im oberen Apolloneion abgehalten wur-

31. Die Ehrung des Strategen Dorion ἐπεὶ Δωρίων ὁ συγγενὴς καὶ στρατηγὸς (5) καὶ ἱερεὺς τοῦ πλήθους τῶν µαχαιροφόρων | ἐν πολλοῖς εὐεργετηκὼς ἐφαίνετο καὶ κοινῆι | καὶ κατ’ ἰδίαν ἕκαστον, εὐσεβῶς τε διακείµενος | πρὸς τὸ θεῖον προθύµως πεπόηται µετὰ πολλῆς | καὶ δαψιλοῦς δαπάνης τήν τε καταλιφὴν καὶ (10) κονίασιν τοῦ δηλουµένου ἱεροῦ καθάπερ καὶ | πᾶσι πρόδηλόν ἐστιν·

ἔδοξεν τὰς µὲν ἄλλας | ἃς ἔχει τιµὰς µένειν αὐτῶι διὰ βίου· καὶ ἐπὶ | τῶν δὲ ἀεὶ γινοµένων θυσιῶν ἀναγορεύ|εσθαι αὐτῶι θαλλὸν κατὰ τὸν πάτριον νόµον (15) καὶ ἐπιτάξαι τοῖς ἱερεύσι καὶ ἱεροψάλταις | ἐπὶ τῶν ὕµνων µεµνῆσθαι αὐτοῦ· ἔτι δὲ καὶ | ἐπὶ τῶν τοῦ πολιτεύµατος εὐωχιῶν στε|φανοῦσθαι διὰ παντὸς ἐξάλλωι στεφάνῳ. | τὸ δὲ ψήφισµα ἐνγράψαντας εἰς στήλην (20) λιθίνην ἀναθεῖναι ἐν τῶι ἐπιφανεστάτωι | τοῦ ἱεροῦ τόπωι καὶ µεταδοθῆναι αὐτοῦ ἀντί|γραφον τῶι Δωρίωνι, ἵν’ εἰδῆι ἣν ἔσχηκεν | πρὸς αὐτὸν ἡ πόλις εὐχάριστον ἀπάντησιν.

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de: Weil Dorion, im Hofrang eines Verwandten und Stratege und Priester der Truppe der Schwertträger, sich sowohl der Vereinigung als auch jedem einzelnen gegenüber in vielerlei Hinsicht als wohltätig erwiesen hat, sich (zudem) fromm gegenüber dem Göttlichen gezeigt hat, indem er eifrig die Bemalung und Bestuckung des genannten Tempels vorgenommen hat mit vielen und reichlichen finanziellen Aufwendungen, wie es ja auch für alle ganz offensichtlich ist, ist beschlossen, dass ihm die übrigen Ehren, die er hat, auf Lebenszeit bleiben. Und bei den ewigwährenden Opfern soll ihm nach dem väterlichen Brauch ein Ölzweig ausgerufen werden, und es soll den Priestern und heiligen Sängern aufgetragen sein, seiner während der Hymnen zu gedenken; und darüber hinaus soll er alle Zeit bei den Festmahlzeiten des politeuma mit einem besonderen Kranz bekränzt werden. Das Dekret soll auf einer steinernen Stele aufgeschrieben und am bestsichtbaren Ort des Heiligtums aufgestellt werden, und seine Abschrift soll dem Dorion übergeben werden, damit er die dankbare Entgegnung, die die Stadt ihm erwiesen hat, erfahren möge.“

Kommentar: Der Text gliedert sich in die üblichen Bestandteile eines griechischen Ehrendekretes. Nach Datierung, Nennung der beschlussfassenden Körperschaft und des Versammlungsortes folgt die Begründung der Ehrung des Dorion, dann die Ehrung selbst, und abschließend werden die Publikationsbedingungen des Beschlusses festgelegt. Die beschlussfassenden Körperschaften bilden einerseits ein politeuma, wohl die Idumäer (s.u.), die ein Stadtviertel (sicherlich in Memphis) bewohnten, und andererseits diejenigen Idumäer

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dieser Stadt, die diesem politeuma nicht administrativ zugeordnet waren, aber ebenfalls in Memphis lebten. Beide Gruppen beschlossen im Namen der als polis bezeichneten Stadt Memphis die Ehrung (Sänger). Vielfach diskutiert wurde die Frage, welche Landsmannschaft an der Seite der Idumäer von Memphis hier agierte. In der älteren Literatur findet sich die Ansicht, dass die griechische Gemeinschaft von Memphis gemeint sei (Jouguet, auch Lüderitz) oder es ein ethnisch durchmischtes politeuma war (Launey). Heute geht man hingegen entweder davon aus, dass es sich um das politeuma der Idumäer handelt, das sich aus Berufssoldaten, den sogenannten Schwertträgern, zusammensetzte (Thompson), oder aber, dass es sich um das ethnische politeuma der Idumäer handelte, das sich aus den Soldaten und ihren Angehörigen zusammensetzte (Sänger). Die Beschlussfassenden hatten sich auf jeden Fall im Tempel des Apollon versammelt. Wenn mit Apollon der griechische Name eines idumäischen Gottes gemeint sein sollte, dann war hiermit der Gott Kos gemeint (abgeleitet von arabisch qaus, der Bogen, woraus sich die interpretatio Graeca mit dem bogenschießenden Apollon ergibt). Gemeinsam haben das politeuma und die Idumäer von Memphis beschlossen, Dorion zu ehren, weil er die Ausgestaltung des Tempels mit Stuck und Malerei finanziert hatte. Er erhielt daraufhin folgende Ehren: 1. Seine bisher bestehenden Ehrungen werden verstetigt. Es hatte also bereits einen vorhergehenden Ehrenbeschluss gegeben, der aus einer anderen guten Tat des Strategen resultierte. 2. Nach „väterlicher“ Tradition soll er, als Auszeichnung seiner Person, mit einem Ölzweig während der Opfer im Tempel bedacht werden. 3. Sein Andenken soll in die Hymnen während des Kultes aufgenommen werden. 4. Bei den Festen des politeuma erhält Dorion einen „besonderen“ Kranz. Das Formular des Ehrendekretes ist griechisch und auch alle beschlossenen Ehrungen – insbesondere die Bekränzung – kennen wir in dieser Art von griechischen Ehrendekreten, doch sind Hymnen eigentlich eine Ehrung, die den Göttern vorbehalten ist. Möglicherweise handelte es sich deshalb um Ehrungen nach idumäischem Brauch (Thompson). Sollte das der Fall sein, dann hätten die Idumäer, ähnlich wie die ägyptischen Priester (vgl. Text 13, 14 und 22), ein griechisches Formular übernommen, nicht um den König, sondern um einen Funktionär zu ehren. Zu klären bleibt nur, wie sich der Geehrte selbst zum politeuma verhält. Er war schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach kein Idumäer: Aus dem vorliegenden Dekret erfahren wir über ihn zwar lediglich, dass er der Verwalter des Gaus, also Stratege war, den höchsten ptolemäischen Hofrang innehatte und in einer Militäreinheit der Waffengattung der Schwertträger priesterliche Tätigkeiten ausübte. Doch ist es wahrscheinlich, dass Dorion identisch mit einem gewissen erjn (= Dorion) ist, den wir in einer hieroglyphischen Stele aus dem unterägyptischen Athribis antreffen (CG 22137). Dieser Dorion wiederum stammte aus einer griechisch-ägyptischen Mischfamilie, denn sein Vater hieß ebenfalls Do-

31. Die Ehrung des Strategen Dorion

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rion, aber seine Mutter, Herakleia-Horanch, war eine Tochter der Bastet-iiti, also einer Ägypterin. Stimmt diese Identifikation, dann war der Geehrte „Kommandant“ (H#wtj), „General“ (mr-mSo) und „Königlicher Schreiber“ (sSnswt). Zudem versah er das Priesteramt eines Propheten des Horus-Chentechtai, eines „Propheten des Königs von Ober- und Unterägypten Onnophris“ und eines „Propheten des Osiris zu Gast in Athribis“ (Vittmann). Die Frage nach der Ethnizität des Dorion ist durchaus von Interesse, denn nach der communis opinio sind das politeuma der Idumäer und die Mitglieder der Militäreinheit der Schwertträger identisch. Dorion wiederum war „Priester der Truppe der Schwertträger“, also Mitglied des genannten politeuma, gleichzeitig war er aber kein Idumäer. So hatte sich also die Militäreinheit der Idumäer bewusst unter die Patronage eines hohen königlichen Funktionärs gestellt (Thompson). Ganz ähnlich konnten ptolemäische Funktionäre auch zu Patronen ägyptischer Tempel werden (vgl. den Fall des Griechen Herodes in Text 25). Andererseits wäre ebenfalls zu erwägen, dass Dorion eine Truppe der Schwertträger anführte, von denen sich dann einige Mitglieder aus dem politeuma der Idumäer rekrutierten (Sänger). Das bedeutet dann, dass der Geehrte Dorion nicht Priester des politeuma der Idumäer, sondern eben der ethnisch gemischten Truppe der Schwertträger gewesen ist. & P. JOUGUET, Les assemblées d’Alexandrie à l’époque ptolémaïque, in: BSAA 37, 1948, 93f.; M. LAUNEY, Recherches sur les armées hellénistiques II, Paris 1950, 1072– 1077; 1107f. (ausführliche Besprechung des Textes und der Idumäer im Ptolemäerheer); M. VANDONI, Feste pubbliche e private, Mailand 1964, Nr. 7; U. RAPPAPORT, Les Iduméens d’Égypte, in: RPh 43, 1969, 73–82; H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit. Ein Beitrag zum antiken Staatsrecht III, München 21967, 66; A. BISCARDI, Polis politeia politeuma, in: Atti del XVII Congresso Internazionale di Papirologia. Napoli, 19–26 maggio 1983 III, Neapel 1984, 1201–1215 (zur Bedeutung von politeuma); D. J. THOMPSON (CRAWFORD), The Idumaeans of Memphis and the Ptolemaic politeumata, in: ebd., 1069–1075; C. ZUCKERMANN, Hellenistic Politeumata and the Jews. A Reconsideration, in: SCI 8–9, 1985–1988, 175f.; M. LAUNEY, Recherches sur les armées hellénistiques. Réimpression avec addenda et mise à jour, en postface par Y. Garlan, P. Gauthier, C. Orrieux, Paris 1987, 1064–1085 (zum militärischen Kontext); J. BINGEN, Épigraphie grecque d’Égypte: la prose sur pierre, in: CdÉ 69, 1994, 157f. (zum politeuma nach Thompson Crawford); G. LÜDERITZ, What is the politeuma, in: J. van Henten/P. van der Horst (Hg.), Studies in Early Jewish Epigraphy, Leiden 1994, 199 (zum politeuma); G. VITTMANN, Beobachtungen und Überlegungen zu fremden und hellenisierten Ägyptern im Dienste einheimischer Kulte, in: W. Clarysse u.a. (Hg.), Egyptian Religion the Last Thousand Years II. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur, Löwen 1998, 1236 (zu Dorion); K. GOUDRIAAN, Les signes de l’identité ethnique en Égypte ptolémaïque, in: C. Décobert (Hg.), Valeur et distance: identités et sociétés en Égypte, Paris 2000, 50–52 (zur Ethnizitätsfrage); G. GORRE, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009, Nr. 54 (zum Geehrten Dorion); W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 287–300 (zu den politeumata); D. J. THOMPSON, Memphis under the Ptolemies, Princeton/Oxford 22012, 92–98 (zu den Idumäern in Memphis); Chr. FISCHER-BOVET, Army and Society in Ptolemaic Egypt, Cambridge 2014,

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291f., 353 (zum Engagement der Soldaten für die lokalen Tempel); P. SÄNGER, Die ptolemäische Organisationsform politeuma. Ein Herrschaftsinstrument zugunsten jüdischer und anderer hellenischer Gemeinschaften, Tübingen 2019, 79, 114–120, 160f., Belegnr. 29 (ausführliche Besprechung des Textes).

32. Das Grabepigramm für den Soldaten Apollonios aus Edfu (spätes 2. Jh. v. Chr.) I.Métrique 5 = Milne, CG 9205 = TM 43972 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 9205 32. Das Grabepigramm fü r den So ldaten Apolloni os

In der späten Ptolemäerzeit bestattete ein hoher ptolemäischer Militär namens Ptolemaios seinen Sohn Apollonios und seine Frau Aphrodisia in der Nekropole Nag el-Hassaia von Apollonopolis Magna/Edfu (etwa 10 km von Edfu entfernt). Der ägyptische Name dieser Stadt lautet BHd.t, was im Griechischen Bachthis ausgesprochen wurde (I.Métrique 35; O.Edfou 362). Von der Bestattung sind Grabstelen überliefert, die griechische Grabepigramme aufweisen und so auf die Einbindung der Familie in die griechische Kultur verweisen sollten. Neben der hier besprochenen Inschrift handelt es sich um eine oder zwei weitere für Apollonios (I.Métrique 6 und 7?) und eine für Aphrodisia (I.Métrique 35). Das vorliegende Epigramm befindet sich auf einer typisch griechischen Stele mit Dreiecksgiebel. Der mittlere Akroter ist noch vorhanden, die beiden seitlichen sind abgebrochen. Zum gleichen Bestattungskontext dürften weiterhin drei hieroglyphisch geschriebene ägyptische Stelen mit Rundgiebeln gehören (CG 22018, 22021, 22050; s.u.). Diese enthalten Anrufungen an Osiris. Text und Übersetzung [πατρ]ίδ’ ἐµὴν συνγνοὺς καὶ τίς τίνος εἰµὶ προσελθώ[ν], | [ξ]εῖνε, σὺν εὐτυχίηι στεῖχε δι’ ἀτραπιτοῦ. | εἰµὶ γὰρ εὐκλειοῦς Ἀπολλώνιος ὁ Πτολεµαίου | κοῦρος, ὃν εὐέρκται µίτρᾳ ἐπηγλάισαν, (5) συγγενικῆς δόξης ἱερὸν γέρας· εὔνοια γάρ µιν | βαῖνε καὶ εἴσω γᾶς ἄχρι καὶ ὠκεανόν. | τοὔνεκα κἀµὲ πατρὸς καλὸν κλέος εἰσορόωντα | τῆς αὐτῆς ψαύειν θυµὸς ἔθηγ’

„Komm her, Fremder, und erfahre, was meine Heimat ist und wer ich bin und von wem ich abstamme, dann setze deinen Weg mit gutem Geschick fort. Ich bin nämlich Apollonios, der Sohn des berühmten Ptolemaios, den die Wohltäter mit der Mitra (i.e. Stirnbinde) geehrt haben, die heilige Ehre des Ruhmes eines Mannes im Hofrang eines Verwandten. Denn (seine) gute Gesinnung brachte ihn ins Innere des Landes ebenso wie bis zum Ozean. Deshalb hatte auch ich, nachdem ich den vorzüglichen Ruhm meines Vaters erkannt hatte, das Verlan-

32. Das Grabepigramm für den Soldaten Apollonios ἀρετῆς, | καὶ πατρίδος καλῆς τὸν ἐπάξιον ἑσµὸν ἑλέσθαι, (10) αἰπ{υ}είας Φοίβου τῆσδ’ ἱερᾶς πόλεως, | πατρὸς ἐµοῦ γνωτοῖσι συνεκπλεύσαντα, φέριστε | ξεῖνε, ὅτε σκάπτρων ἤ̣λυ̣ θ’ Ἄρης Συρίην. | καὶ γενόµην εὔνους, γλυκερὰν τηρῶν ἅµα πίστιν, | καὶ δορὶ καὶ τόλµᾳ πάντας ἐνεγκάµενος. (15) ὡς δ’ ἐµὲ Μοῖρ’ ἐδάµασσε βιοκλώστειρα, τί σε χρὴ | τοῦτο µαθεῖν, νόστου µν̣ησάµενον γλυκεροῦ, | ἡλικίης ἀκόρητον, ὅτ’ ο̣ὐδὲ φίλων ἐνέπλησα | θυµὸν ἐµῶν τέκνων, ὧν̣ λίπον ἐν θαλάµοις; | ταῦτα µαθών, ὦ ξεῖνε, λ̣έ̣γοις πατρὶ τῶι κτερίσαντι, (20) σαυτὸν µὴ τρύχειν µνησάµενον β̣ιότου | καὶ σοὶ δ’ εὐοδίης τρίβον ὄλβιον εὔχοµαι εἶναι | πρός γ’ ἔτι καὶ τέκνοις σοῖσι φιλοφροσύνοις. | Ἀπολλώνιε χρηστέ, χαῖρε. | Ἡρώδου.

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gen, die gleiche Tugend zu erlangen und die würdige Truppe meiner schönen Heimatstadt zu erwählen, dieser heiligen, hoch gelegenen Stadt des Phoibos (i.e. Apoll), indem ich mit den Verwandten (i.e. den Mitkombattanten) meines Vaters heraussegelte, trefflichster Fremder, als ein Krieg (wörtlich „Ares“) der Szepter nach Syrien kam. Und ich war wohlgesinnt, habe zugleich die süße Treue bewahrt, und mit meiner Lanze und meinem Mut habe ich alle überstanden. Als die Schicksalsgöttin, die den Lebensfaden spinnt, mich bezwungen hatte – was bringt es dir, das zu wissen? – während ich der süßen Heimkehr gedachte, war ich weder vom Alter gesättigt noch war mein Herz erfüllt von meinen geliebten Kindern, die ich zu Hause zurückgelassen hatte. Mit diesem Wissen, Fremder, sprich zu meinem Vater, der die Bestattung vorgenommen hat: ‚Quäle dich nicht selbst, gedenke des Lebens!‘ Und dir wünsche ich, dass du einen erfolgreichen (und) glücklichen Weg hast und ebenso auch deinen liebevollen Kindern. Lebe wohl, ehrenwerter Apollonios! (Verfasst von) Herodes.“

Kommentar: Die „Wohltäter“, die dem Vater Ptolemaios das Abzeichen eines syngenes, also eines Mannes im höchsten ptolemäischen Hofrang eines Verwandten des Königs, verliehen hatten, sind nach allgemeiner Ansicht Ptolemaios VIII. Euergetes II. (reg. 145–116 v. Chr.) und seine Gemahlinnen Kleopatra II. und III. Das als Mitra bezeichnete Kopfband ist als Attribut zahlreicher Statuen hoher Würdenträger in Ägypten gut bekannt (vgl. Baines). Es ist nicht identisch mit dem Königsdiadem, sondern Auszeichnung eines Mannes im Hof-

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rang eines „Verwandten“ des Königs. Der Vater des Apollonios, Ptolemaios, war allem Anschein nach Offizier im Ptolemäerheer. Er hatte an verschiedenen militärischen Expeditionen bis zum „Ozean“, also möglicherweise zum Roten Meer, und „im Land“ selbst, wohl an der Südgrenze oder während innerer Erhebungen, teilgenommen und sich hierbei ausgezeichnet. Sein Sohn Apollonios hatte ebenfalls eine militärische Karriere eingeschlagen, starb aber vor der Rückkehr von einem ptolemäischen Feldzug, der als „Krieg der Szepter“ bezeichnet wird. Es muss sich also um einen Konflikt zwischen Königen, den Trägern der Szepter, handeln, der in Syrien stattfand. Damit könnte die Expedition des Alexander Zabinas 129–123 v. Chr (von Wilamowitz-Moellendorff, Yoyotte) gemeint sein oder, was wahrscheinlicher ist, die Kampagne der Jahre 103–101 v. Chr. (Clarysse). In einer sehr verworrenen Situation, in der auch innerhalb des ptolemäischen Königshauses Parteiungen gegeneinanderstanden, kämpfte damals Ptolemaios IX., der von Kleopatra III. aus Ägypten vertrieben worden war, gegen den hasmonäischen König Alexander Iannaios. Kleopatra sandte ebenfalls ein Heer in Richtung Syrien, um gegen Ptolemaios IX. vorzugehen. Schließlich gab Ptolemaios auf und zog sich nach Zypern zurück. Apollonios hätte folglich im Heer der Kleopatra gedient. Ansonsten erfahren wir über ihn nur, dass er wohl noch keine Kinder hatte. Höhere Positionen im Militär oder der Verwaltung hatte er ebenfalls noch nicht erreicht. Das größte Lob erhält deshalb der ruhmreiche Vater, der die Stele auch in Auftrag gab. Interessant ist dieser Text nicht nur wegen seines Inhalts, der Vater und Sohn als fest in der griechischen Bildung und Kultur verwurzelt präsentiert, sondern vor allem deshalb, weil die beiden parallel dazu auch ägyptische Priester waren und ägyptische Namen trugen (Yoyotte). Denn in der gleichen Nekropole fand man die bereits erwähnten drei hieroglyphischen Grabstelen (Museum Kairo, Catalogue Général 22018, 22021, 22050), in denen Ptolemaios als Pa-menech, seine Frau Aphrodisia als Hut-her-iti und Apollonios als Pa-schi auftreten. Es handelt sich folglich ganz klar um eine ägyptische Familie. So erklärt sich auch die enge Bindung, die Apollonios an die ägyptische Heimat hatte. Für ihn ist Edfu seine patris, sein ‚Vaterland‘; der verehrte Gott Apoll, im Text mit seinem Beinamen Phoibos genannt, ist niemand anderes als der Stadtgott von Apollonopolis Magna, der falkenköpfige Horus. Stimmt Yoyottes Identifikation, dann könnten die hieroglyphischen Titel des Vaters Ptolemaios auch noch auf weitere militärische Positionen hindeuten, ihn sogar als Verwaltungsoberhaupt der Region (strategos) ausweisen. Doch da die hieroglyphischen Titel nicht unbedingt realen Positionen entsprechen müssen, sondern ebenso alte Topoi von Idealbiographien aufgreifen können, ist dies nicht mit letzter Sicherheit zu erweisen. Es zeigt sich aber insgesamt, dass Mitglieder der lokalen Elite im Land, je nach Kontext, entweder als Griechen oder als Ägypter in jeweils hohen Positionen der lokalen Verwaltung und Religion auftreten konnten. Gerade das Beispiel

33. Reinheit beim Eintritt in einen Tempel

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dieser Familie belegt, dass eine dichotome Unterscheidung zwischen „Grieche“ und „Ägypter“ spätestens im spätptolemäischen Ägypten nicht mehr möglich ist. Die Eliten konnten sich selbst sowohl als Griechen als auch als Ägypter verstehen (vgl. Text 40). & P. JOUGUET, Inscriptions grecques d’Égypte, in: BCH 20, 1896, 193–196 (ed. pr.); U. VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Zwei Gedichte aus der Zeit Euergetes’ II., in: APF 1, 1900, 219–225; A. KAMAL, Stèles ptolémaïques et romaines (Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire), Kairo 1905 (zu den hieroglyphischen Stelen); W. PEEK, Griechische Versinschriften I. Grab-Epigramme, Berlin 1955, Nr. 1151; W. PEEK, Griechische Grabgedichte. Griechisch und Deutsch, Berlin 1960, Nr. 165 (deutsche Übersetzung); J. YOYOTTE, Bakhthis: religion égyptienne et culture grecque à Edfou, in: Ph. Derchain (Hg.), Religions en Égypte hellénistique et romaine, Paris 1969, 127–141 (grundlegender Kommentar, französische Übersetzung); W. CLARYSSE, Greeks and Egyptians in the Ptolemaic Army and Administration, in: Aegyptus 65, 1985, 62–64 (zum Stammbaum der Familie); W. CLARYSSE, in: E. Van ’t Dack u.a. (Hg.), The Judean-Syrian-Egyptian Conflict of 103–101 B.C.: A Multilingual Dossier Concerning a „War of Scepters“, Brüssel 1989, 84–88 (historischer Kontext, Kommentar, englische Übersetzung); J. BAINES, Egyptian Elite Self-Representation in the Context of Ptolemaic Rule, in: W. V. Harris/G. Ruffini (Hg.), Ancient Alexandria between Egypt and Greece, Leiden 2005, 42f. (zum Kopfband); G. GORRE, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009, Nr. 4 (Ptolemaios), Nr. 5 (Apollonios); I. S. MOYER,
Court, Chora, and Culture in Late Ptolemaic Egypt, in: AJPh 132, 2011, 15–44 (zum Kontext); I. S. MOYER, Finding a Middle Ground: Culture and Politics in the Ptolemaic Thebaid, in: P. F. Dorman/B. M. Bryan (Hg.), Perspectives on Ptolemaic Thebes. Papers from the Theban Workshop 2006, Chicago 2011, 125–137 (mit Stemma der Familie).

33. Reinheit beim Eintritt in einen Tempel von Ptolemais Hermiu (1. Jh. v. Chr.) SEG XLIII 1131 = SB I 3451 = I.Prose 47 = SEG VIII 639 = LSCG, Suppl. 119 = CGRN 144 = CPI 362 = TM 103548 Burnet, Nr. 104 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 209 33. Reinheit beim Ei ntrit t in einen Tempel

Der Tempel war ein heiliger Ort, der nach den religiösen Gesetzen vieler antiker Völker nur von „reinen“ Menschen betreten werden durfte. In ägyptischen Tempeln finden sich ausführliche hieroglyphische Inschriften, die diese Reinheitsvorschriften formulieren, was auch im „Buch vom Tempel“ festgehalten ist (vgl. Quack). Das Gleiche lässt sich auch bei zahlreichen griechischen Tempeln beobachten, deren Reinheitsvorschriften ganz ähnlich klingen, wie die vorliegende. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte lex sacra, die zu einem Heiligtum in der Griechenstadt Ptolemais Hermiu, wo sie gefunden wurde, gehört zu haben scheint; der Text ist leider nur fragmentarisch erhalten. Angebracht ist die Inschrift auf einer Basaltsäule, die im griechisch-römischen Museum von

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Alexandria aufbewahrt wurde und möglicherweise noch wird, auch wenn sie nicht mehr auffindbar ist. Text und Übersetzung τοὺς εἰσιόντας εἰς τὸ̣ [ἱερὸν] | ἁγνεύειν κα ὑποκε̣[ίµενα]· | ἀπὸ πάθους ἰδίου καὶ [ἀλλο–τρίου ?] | ἡµέρας ζ̅, ἀπ̣’ ἀπαλλ[αγῆς — ἡµέρας .̅], (5) ἀ̣π̣’ ἐκτρωσµοῦ συν[ — — ἀπὸ] | τετοκυαίας καὶ τρεφούσης [.̅]· | καὶ ἐὰν ἐχθῇ ι̅δ·̅ τοὺς δὲ ἄ[νδρας | ἀ]πὸ γυναικὸς β̅, τὰς δὲ γa[υναῖκας] | ἀκολούθως τοῖς ἀνδρά[σιν· v? — — ] (10) ἀ̣π̣’ ἐκτρωσµοῦ µ̅, v | τὴν δὲ τεκοῦσαν καὶ τρέ̣[φουσαν µ̅· | ἐ]ὰν δὲ ἐχθῇ τὸ βρέφος [— —]· | ἀπὸ καταµηνίων ζ̅· v [ἀπ’] | ἀνδρὸς β̅, µυρσίνην δὲ [οἴσει?].

„Diejenigen, die den [Tempel] betreten, sollen die Reinheitsvorschriften nach den folgenden Bestimmungen beachten: (Von der Unreinheit), die von einer eigenen und [eines Fremden?] Krankheit verursacht ist, 7 Tage, von der durch den Tod [... x Tage], von der durch Fehlgeburt [... x Tage], von der einer Frau, die geboren hat und nährt, [x Tage], und wenn sie (ihr Kind) ausgesetzt hat, 14 Tage. Die M[änner (sollen sich fernhalten) v]on einer Frau 2 Tage. Die F[rauen] sollen es den Männern entsprechend halten: (Von der Unreinheit) von einer Fehlgeburt 40 Tage, von der einer Frau, die geboren hat und nä[hrt, 40 Tage], wenn sie den Nachwuchs ausgesetzt hat [x Tage]; von der durch Menstruation 7 Tage, von der (durch den Verkehr mit einem) Mann 2 Tage, und sie soll Myrrhe [herbeibringen?].“

Kommentar: Die griechisch verfasste Reinheitsvorschrift gliedert sich in zwei Teile. Zunächst werden die Vorschriften für Männer angeführt, anschließend die für Frauen (Z. 9). Beide Geschlechter haben die fast identischen Auflagen vor Betreten des Tempels zu erfüllen, doch müssen Frauen sich zudem, anders als Männer, nach dem vollzogenen Geschlechtsverkehr mit Myrrhe reinigen. Über eine mögliche sakrale Funktion der Eintretenden wird nichts gesagt. Reinheit ist in den erhaltenen Zeilen als physische Reinheit begriffen, es geht um die Vermeidung von Kontakt mit Krankheit, Tod, Fehlgeburt (worunter natürlich auch Abtreibung gefasst werden kann), Kindesaussetzung, Geschlechtsverkehr und Menstruation. Damit sind die drei zentralen Bereiche griechischen Reinheitsdenkens angesprochen: Sexualität, Geburt und Tod. Inte-

33. Reinheit beim Eintritt in einen Tempel

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ressant ist, dass der Text auch auf die Praxis der Aussetzung von Kindern verweist. Das steht keineswegs im Widerspruch zur sonstigen ägyptischen Praxis (Bingen, Pomeroy), vielmehr ist die Aussetzung von Säuglingen zumindest in römischer Zeit auch durch entsprechende Angaben in Ammenverträgen gesichert, wo berichtet wird, dass Kinder vom Müllhaufen (SB V 7607: σῶµα δουλικὸν, ὅπερ ἐνεχείρισεν ἀπὸ κοπρίας) von gemieteten Sklavinnen oder Freien als zukünftige Sklaven großgezogen werden. Ein solches Kind wurde dann als „Zögling vom Müllhaufen“ (κοπριαίρετος) bezeichnet (BiezunskaMalowist). Den Vorschriften ist nicht zu entnehmen, um welchen Kult es sich handelt. Meist geht man von dem des Asklepios und der Hygieia aus, weil diese Götter in einem römerzeitlichen Hymnus aus Ptolemais erwähnt werden (Bernand). Es könnte aber andererseits durchaus eine gewisse Nähe zu den gräkoägyptischen Kulten gegeben sein. So lautet ein Gesetz aus Megalopolis in Arkadien für einen Tempel der Isis, des Sarapis und des Anubis aus dem 2. Jh. v. Chr.: „Derjenige, der opfern will, soll rein in das Heiligtum eintreten: Vom Kindbett 9 Tage, von einer Fehlgeburt 44 Tage, von der Menstruation 7 Tage, vom (Verzehr) von Schweinefleisch (?) 7 Tage, vom (Verzehr) von Ziegen- oder Hammelfleisch 3 Tage, von anderen Speisen, nach Waschung des Kopfes, am gleichen Tag, vom Geschlechtsverkehr, am gleichen Tag ...“ (NGSL 7 = RICIS 102/1701). Zwar sind sich Reinheitsvorschriften im griechischen Raum sehr ähnlich, doch ist aufgrund des Fundortes in Ägypten die Vermutung berechtigt, dass es sich ebenfalls um Kultvorschriften für einen gräkoägyptischen Kult, möglicherweise den der Isis, handelt, deren Tempel in Ptolemais auch inschriftlich über eine Asylverleihung belegt ist (SB I 3926). Griechische Kultgesetze stehen in keiner Abhängigkeit zu ägyptischen Vorstellungen, doch ist die Praxis der Reinheitsvorschrift auch aus ägyptischen Tempeln bekannt, an deren Zugangstüren für das Tempelpersonal sie seit der Zeit Ptolemaios’ VIII. angebracht werden konnten (Leroux). So heißt es in einer hieroglyphischen Inschrift in Esna: „Was jeden betrifft, der in ihn (i.e. den Tempel) eintritt, der sei gereinigt bezüglich einer Frau mittels einer Reinigung von fünf Tagen. Jeder Mann, der in diesen Tempel einzutreten wünscht oder seine Arbeit verrichtet: Dessen Kopf und dessen Leib sei rasiert und dessen Fingernägel seien beschnitten, und es werde veranlasst, dass er den Gott preist ... Lasst nicht zu, dass eine Frau in irgendeinen Umkreis gelangt innerhalb von 200 Aruren Ackerland auf irgendeinem Weg.“ (Esna III 197; Übersetzung: Chr. Leitz). Während also die griechischen Vorschriften sich auf Zeitabstände beschränken, die verunreinigte Personen einzuhalten haben, verlangt die hieroglyphische Inschrift konkrete Reinigungsmaßnahmen. Frauen ist zudem der Zutritt zum Heiligtum vollständig untersagt. & G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten, Leipzig 1910, 54–58; E. FEHRLE, Die kultische Reinheit im Altertum, Gießen 1910; Th. WÄCHTER, Reinheitsvorschriften im griechischen Kult, Gießen 1910; J. ZINGERLE, Zu griechischen Reinheitsvorschriften,

188

Texte

in: Strena Buliciana, Zagreb 1924, 176–182; H. JUNKER, Vorschriften für den Tempelkult in Philae, in: Analecta Biblica 12, 1959, 151–160 (zu ägyptischen Reinheitsvorschriften); F. SOKOLOWSKI, Lois sacrées de cités grecques. Supplément, Paris 1962, Nr. 119; J. BIEZUNSKA-MALOWIST, Die Expositio von Kindern als Quelle der Sklavenbeschaffung im griechisch-römischen Ägypten, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1971/II, 129–133; A. GUTBUB, Textes fondamentaux de la théologie de Kom Ombo, Kairo 1973, 144–184 (Reinheitsvorschriften für ägyptische Priester); M. WEINFELD, Instructions for Temple Visitors in the Bible and in Ancient Egypt, in: S. Groll (Hg.), Scripta Hierosolymitana. Egyptological studies Vol. XXVIII, Jerusalem 1982, 224–250; S. B. POMEROY, Copronyms and the Exposure of Infants in Egypt, in: R. S. Bagnall u.a. (Hg.), Studies in Roman Law in Memory of A. Arthur Schiller, Leiden 1986, 147– 166 (zur Kindesaussetzung); J. BINGEN, La lex sacra SB I 3451 = LSCG. Suppl. 119 (Ptolemaïs, Haute-Égypte), in: CdÉ 68, 1993, 219–228 (grundlegende Überarbeitung des Textbestandes); J. F. QUACK, Ein ägyptisches Handbuch des Tempels und seine griechische Übersetzung, in: ZPE 119, 1997, 297–300 (zu ägyptischen Reinheitsvorschriften); J. ROWLANDSON, Women and Society in Greek and Roman Egypt: A Sourcebook, Cambridge 1998, Nr. 40 (englische Übersetzung); D. KURTH, Treffpunkt der Götter: Inschriften aus dem Tempel des Horus von Edfu, Düsseldorf/Zürich 21998, 147–151 (Ermahnung an die Priesterschaft des Tempels); P. J. FRANDSEN, The Menstrual „Taboo“ in Ancient Egypt, in: JNES 66, 2007, 81–106 (zur Reinheitsvorschrift); E. TEETER, Religion and Ritual in Ancient Egypt, Cambridge 2011, 32–34 (zu den Reinheitsvorschriften ägyptischer Priester); Chr. LEITZ, Mythen, Hymnen und Enzyklopädien, in: D. von Recklinghausen/M. Stadler (Hg.), KultOrte. Mythen, Wissenschaft und Alltag in den Tempeln Ägyptens, Berlin 2011, 82 (Übersetzung Esna III 197); B. LEGRAS, Avortement et infanticide dans l’Égypte hellénistique. Transferts de droits et traditions grecques: Réponse à Laura Pepe, in: M. Gagarin/A. Lanni (Hg.), Symposion 2013, Wien 2014, 65–74 (Besprechung der lex sacra in Bezug auf die Regelung zur „Abtreibung“); N. LEROUX, Les Recommandations aus prêtres dans les temples ptolemaïques et romains. Esquisse d’un héritage culturel et religieux, Wiesbaden 2018 (Studie zu den hieroglyphischen Inschriften an den Zugangstüren zu ägyptischen Tempeln mit Ermahnungen an die eintretenden Priester).

34. Ein Asyliedekret für den Tempel des Horus der Stadt Athribis im Delta (25. März oder 4. April 96 v. Chr.) OGIS II 761 = I.Prose 30 = I.Asylia 219 = SB I 620 = C.Ord. Ptol. 64 = TM 6542 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 31089 34. Ein As yliedekret für den Tempel des Horus in Ath ribis

Der Begriff Asyl (asylon) stammt aus dem antiken Griechenland und bezeichnete dort einen sakralen Ort, an dem ein Schutzflehender vor dem Zugriff durch staatliche Autoritäten oder Menschen, die ihm Gewalt antun wollten, geschützt war. In der Forschung findet sich die Ansicht, dass verfolgten Menschen auch in Ägypten seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends in den Tempeln Asyl gewährt werden konnte. Der einzige Zeuge hierfür ist aber eine Stelle bei Herodot (II 113), dessen Glaubwürdigkeit durchaus bestritten werden kann. Doch gibt es die Auffassung, dass sich das ägyptische Asylwesen trotzdem bis in die

34. Ein Asyliedekret für den Tempel des Horus in Athribis

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vorptolemäische Zeit zurückverfolgen lässt (Thiers). Das erste Mal belegt ist das Wort asylon in Ägypten jedoch erst im Papyrus UPZ I 4 aus dem Jahr 164 v. Chr. (vgl. auch P.Tebt. III 699,15–17; P.Tebt. I 5,83f.; BGU VI 1212,12–20). Liste der Asylieinschriften Ägyptens (außer den jüdischen; vgl. Text 38): Inschrift SB I 620 I.Fayoum III 152 I.Fayoum II 112f. SB I 3926 I.Fayoum II 114

Ort Athribis Magdola Theadelphia Ptolemais Hermiu Theadelphia

Datum 97/96 v. Chr. 2.12.95 v. Chr. 19.2.93 v. Chr. 21.3.75 v. Chr./46 v. Chr.? 29.7.70 v. Chr.

I.Fayoum II 135

Euhemeria

5.5.69 v. Chr.

I.Fayoum II 136 I.Fayoum II 116–118 SEG XXXIII 1362

Euhemeria Theadelphia ?

69/68 v. Chr. 22.10.57 v. Chr. 95/4–57/6 v. Chr.

Gottheit Horus (Text 34) Heron Isis Sachypsis Isis Isis Eseremphis und Herakles Kallinikos Psosnaus, Pnepheros und Soxis (Text 36) Amun Pnepheros ?

Die vorliegende Stele überliefert eine Asylieverleihung an den Tempel des Horus von Athribis (beim heutigen Benha), das im mittleren Nildelta liegt. Das Recht, Asyl zu gewähren, ist in drei Schriften – hieroglyphisch, demotisch und griechisch – festgehalten, was interessanterweise anders als in der Asylieverleihung I.Fayoum III 152 nicht explizit vorgeschrieben ist. Da letztere nur in griechischer Sprache überliefert ist, darf man in der Tat davon ausgehen, dass solche Verleihungen üblicherweise zweisprachig, aber eben auf unterschiedlichen Stelen, publiziert wurden. Der vorliegende Textträger selbst hat ein typisch ägyptisches rundes Giebelfeld (vgl. Abb. 16). Auf der rechten und linken Seite steht jeweils der Pharao, begleitet von einem Kind. Er ist zur Mitte hin ausgerichtet und zeigt den Opfergestus vor einem Gott bzw. vor einer Göttin. Wahrscheinlich handelt es sich um Horus und seine Mitgöttin in Athribis, also Chuit – die „Schützerin“. Unter dem Giebelfeld folgt an erster Stelle der hieroglyphische Text, dann die demotische und zuletzt die griechische Version des königlichen Dekretes. Die ägyptischen Texte sind nur fragmentarisch erhalten, boten aber anscheinend den gleichen Inhalt wie die griechische Version. Text und Übersetzung Βασιλεὺς Πτολεµαῖος ὃς καὶ Ἀλέξανδρος. | Πτολεµαίου τοῦ συγγενοῦς καὶ διοικητοῦ προσανενέγκαντος ἡµῖν πᾶσι | µὲν τοῖς κατ’ Αἴγυπτον ἱεροῖς ἔτι ἀ̣πὸ τῶν προγόνων ἡµῶν µείζονα φιλάνθρω-

„König Ptolemaios, der auch Alexander (genannt wird): Nachdem Ptolemaios, im Hofrang eines Verwandten und Verwaltungschef Ägyptens (dioiketes), uns gemeldet hat, dass allen Tempeln in Ägypten

190 |πα ἐπικεχωρῆσθαι, ἔνια δὲ τῶν ἐπισήµων καὶ ἄσυλα γεγονέναι, τὸ ἐν Ἀ(5)θ[ρίβ]ει τοῦ Ἁρκεντεχθαὶ τὸ µὲν πρῶτον καὶ λόγιµον ἀρχ[α]ιότατόν τε καὶ ἐνδοξ|ότατον τῶν πλείστων ὑπάρχον τῶν µὲν ἄλλων τιµῶν τετευχέν{ι}αι λείπ̣[εσ]θ|α̣ι δὲ ἐν τῷ µὴ εἶναι ἄσυλον,

προστάχαµεν ἐπιχωρῆσαι καὶ τούτῳ τῷ ἱερῶι | ἐ̣ν̣τὸ̣ ς αὐτοῦ περιβόλ τὴν ἀσυλίαν καθάπερ ἐ καὶ τῶι ἐν Μέµφει καὶ Βου|σίρει καὶ ἑτέροις καὶ τῶν ἄλλων ἱερῶν· γινέσθω οὖν ἀκολούθως.

Texte bereits von unseren Vorfahren ziemlich große Wohltaten erwiesen wurden, einige von den ausgezeichneten (Heiligtümern) sogar das Asylrecht erhalten haben, während der (Tempel) in Athribis des (Gottes) Harkentechthai, obwohl er ein Heiligtum der ersten Ordnung und berühmt und besonders alt und zudem äußerst angesehen unter den meisten (Heiligtümern) ist, und in den Besitz der anderen Ehren gekommen ist, aber zurücksteht, weil er das Asylrecht nicht besitzt, haben wir angeordnet, auch diesem Tempel innerhalb der Umfassungsmauer das Asylrecht einzuräumen, wie es auch im (Heiligtum) in Memphis und Busiris und in den anderen der übrigen Heiligtümer besteht. Es soll dementsprechend geschehen!“

Kommentar: Der Unterschrift „Es soll dementsprechend geschehen!“ ist zu entnehmen, dass es sich um eine Anordnung des Königs handelt. Das ginesthô („es geschehe“) steht für die königliche Unterschrift, die Ptolemaios dem von ihm diktierten Papyrus, auf dem sich die originale Verordnung befand, hinzugefügt hat (vgl. P.Bingen 45). König Ptolemaios Alexander, also Ptolemaios X. Alexander I., der Mutterliebende Gott (reg. 107–88 v. Chr.), berichtet über die Mitteilung seines Dioiketen, also des obersten Verwaltungschefs Ägyptens und damit eines der entscheidenden Funktionäre im Reich, dass der Tempel des krokodilgestaltigen Gottes Horus von Athribis (Or-Xntj-xty) noch nicht im Besitz des Asylrechtes sei. Der Verwalter hatte Ptolemaios mitgeteilt, dass der Tempel von seiner Bedeutung her in keiner Weise den übrigen wichtigsten Heiligtümern des Landes nachstehe und deshalb, wie diese, auch über das Asylrecht verfügen solle. Der König nennt in seiner Anordnung explizit die Tempel von Busiris und Memphis als Parallelfälle. Beim Tempel von Memphis könnte es sich um das Serapeum handeln, das als einer der bedeutendsten Tempel ptolemäischer Zeit in der Tat eine Asylstätte war, wie es der eingangs erwähnte Papyrus UPZ I 4 belegt (Legras). Busiris, das ein häufiger Städtename in Ägypten ist, könnte die in der Nähe, am gleichen Nilarm nördlich von Athribis gelegene Stadt mit einem bekannten Heiligtum des Osiris sein. Busiris galt als Heimat des Osiris und gehörte zu den Orten, die über ein „Osirisgrab“ verfügten.

34. Ein Asyliedekret für den Tempel des Horus in Athribis

191

Athribis als Hauptstadt des 10. unterägyptischen Gaus sollte also das gleiche Recht erhalten wie das nahe gelegene Busiris, die Hauptstadt des 9. unterägyptischen Gaus.

Abb. 16: Stele mit den drei Texten zur Gewährung des Asylrechtes an den Tempel von Athribis; Kairo CG 31089; Abdruck der Umzeichnung mit freundlicher Genehmigung von Sven P. Vleeming.

Das Asylrecht der Tempel wurde von den ptolemäischen Königen immer wieder bestätigt und war für die Heiligtümer allem Anschein nach von großer Bedeutung. In einem Erlass (prostagma) des achten Ptolemäers aus dem Jahr 118 v. Chr. heißt es: „Sie haben angeordnet, dass niemand unter keinem Vorwand aus den bestehenden Asylorten entfernt oder gewaltsam herausgeholt werden darf.“ (P.Teb. I 5, IV 83-84 = C.Ord. Ptol. 53). In der Forschung gibt es verschiedene Thesen, wie dieses Reservatrecht der Tempel zu beurteilen ist. Manche vermuten, dass die Priester sich auf diese Weise ein Vorrecht gegenüber dem König erkämpft hätten, weil der Binnenraum des heiligen Bezirks vor königlichem Zugriff geschützt war. Andere hingegen sehen das Asylrecht der Tempel und die Verfügungsgewalt der Priester hierüber als Beleg dafür, dass die Tempel ein integraler Bestandteil des Staates waren (Legras). Ein gegenüber dem im ersten Jahrhundert angeblich schwachen Königtum auftrumpfender ägyptischer Klerus (Dunand) ist in den Asylieverleihungen dieser Zeit aber eher nicht zu erkennen (Bingen).

192

Texte

& W. SPIEGELBERG, Die Demotischen Denkmäler I. Die Demotischen Inschriften (CGC 30601–31166), Leipzig 1904, Nr. 31089 (demotischer Text); Fr. VON WOEß, Das Asylwesen Ägyptens in der Ptolemäerzeit und die spätere Entwicklung. Eine Einführung in das Rechtsleben Ägyptens besonders der Ptolemäerzeit, München 1923; F. SCHROETER, De regum hellenisticorum epistulis in lapidibus servatis quaestiones stilisticae, Leipzig 1931, 58; P. VERNUS, Athribis: documents relatifs à la géographie, aux cultes et à l’histoire d’une ville du delta égyptien à l’époque pharaonique, Kairo 1978, Nr. 165 (hieroglyphischer Text); F. DUNAND, Droit d’asile et refuge dans les temples dans l’Égypte lagide, in: Hommages à la mémoire de S. Sauneron II: Égypte post-pharaonique, Kairo 1979, 77–97 (zum Asylwesen in Ägypten); J. BINGEN, Les ordonnances des Lagides sur le droit d’asile des temples, in: Πρακτικὰ τοῦ η᾿ διεθνοῦς συνεδρίου ἑλληνικῆς καὶ λατινικῆς ἐπιγραφικῆς ΙΙ, Athen 1987, 70 (zum Verhältnis der Priester zum König); S. P. VLEEMING, Some Coins of Artaxerxes and Other Short Texts in the Demotic Script Found on Various Objects and Gathered From Many Publications, Löwen u.a. 2001, Nr. 152 (englische Übersetzung und jüngste Edition aller drei Texte; mit Bibliographie); P. VAN MINNEN, A Royal Ordinance of Cleopatra and Related Documents, in: S. Walker/S. A. Ashton (Hg.), Cleopatra Reassessed, London 2001, 35– 44 (zu mehrsprachigen prostagmata); J. BINGEN, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 266–274 (zu Asylieverleihungen in Ägypten); Chr. THIERS, La stèle de Ptolémée VIII Évergète II à Héracléion, Oxford 2009, 46–48 (zum vorptolemäischen Asylwesen); B. LEGRAS, Les reclus grecs du Sarapieion de Memphis. Une enquête sur l’hellénisme égyptien, Löwen 2011, 101– 108 (zum Asylwesen in Ägypten).

35. Eine Statuenweihung für Aphrodite von Palaipaphos/Zypern (88 v. Chr.) I.Hell. Paphos 110 = OGIS I 172 = TM 47804 Zypern, Kouklia, Epigraphical Museum KM 45 35. Eine Statuenwei hung an Aphro dite in Palaipaph os

Die Insel Zypern war fast die gesamte hellenistische Zeit hindurch, von 294–58 v. Chr., integraler Bestandteil des Ptolemäerreiches. Anders als in Ägypten, wo die einheimische Bevölkerung relativ homogen war, herrschten die Ptolemäer hier über eine eteo-kyprische, ionische und phönizische Bevölkerung, bei der sie die Akzeptanz ihres Königtums sicherstellen mussten. Maßgeblich zur Sicherung der Herrschaft trugen auswärtige Funktionäre bei, doch spielten selbstverständlich auch die lokalen Eliten eine entscheidende Rolle bei der Verwaltung der Insel. Die vorliegende Inschrift wurde im Tempel der Aphrodite von Paphos, einem weit über die Grenzen der Insel hinaus bekannten Heiligtum, gefunden. Der Sage nach soll Aphrodite hier dem Meer entstiegen sein (Pomponius Mela II 102): „Innerhalb des größten Golfs, den Asien in sich aufnimmt, liegt etwa in der Mitte Zypern ... Es ist so riesig, dass es einst neun Königreiche fasste und noch heute einige Städte trägt, deren berühmteste Salamis, Paphos und Paläpaphos sind, wo nach den Erzählungen der Anwohner Aphrodite zuerst dem Meere entstiegen ist.“ (Übersetzung: Brodersen).

35. Eine Statuenweihung an Aphrodite in Palaipaphos

Text und Übersetzung Ἀφρ[ο]δίτηι Παφίαι· | [ἡ π]όλις ἡ Παφίων Ὀνήσανδρον Ναυσικράτους, | [τὸν σ]υνγενῆ καὶ ἱερέα διὰ βίου βασιλέως Πτολεµαί[ου Θεοῦ Σ]ωτῆρος καὶ τοῦ ἱδρυµένου ὑπ’ αὐτοῦ ἱεροῦ Πτολε[µαείου, τὸ]ν γραµµατέα τῆς Παφίων πόλεως, τεταγµένον δὲ | [ἐπὶ τῆς ἐν] Ἀλεξανδρείαι µεγάλης βυβλιοθήκης, εὐνοίας | ἕνεκεν.

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„Der Aphrodite von Paphos: Die Polis der Paphier (hat) den Onesandros (i.e. seine Statue), den Sohn des Nausikrates, im Hofrang eines Verwandten und Priester auf Lebenszeit des Königs Ptolemaios, des Rettergottes, und des von ihm gestifteten Heiligtums Ptolemaeion, den Schreiber der Stadt der Paphier, den Vorsteher der großen Bibliothek in Alexandria, aufgrund seiner guten Gesinnung (aufgestellt).“

Kommentar: Die ideologische Bedeutung des in der gesamten Oikumene bekannten Heiligtums der Aphrodite für das Herrscherhaus der Ptolemäer ist daran zu erkennen, dass die Göttin, neben Dionysos, eine der wichtigsten Gottheiten der Dynastie war. Arsinoe II. wurde gar an Aphrodite angeglichen (vgl. Barbantani). Zahlreiche Altäre und Stiftungen an Arsinoe im Tempel der paphischen Aphrodite belegen, wie eng die Verbindung der Königin mit der Göttin war (Anastassiades). Inschriften von Statuenbasen zeigen zudem, dass nicht wenige ptolemäische Funktionäre und natürlich auch die Herrscher selbst in Form von Standbildern im Heiligtum präsent waren. Einer der Funktionäre war Onesandros, dessen Statue die Stadt Paphos gestiftet hatte. Die Inschrift verbindet dabei die Verehrung der lokalen Gottheit Aphrodite mit der Ehrung eines Funktionärs aus der lokalen Elite und weist damit gleichzeitig auf die Bedeutung des Herrscherkultes auf lokaler Ebene hin, denn Onesandros hatte einen Tempel für Ptolemaios gestiftet und war dessen Priester auf Lebenszeit. Mit dem höchsten Hofrang versehen, war Onesandros sowohl Stadtschreiber von Paphos als auch (wohl im Anschluss daran) Leiter der berühmten Bibliothek von Alexandria. Als Priester auf Lebenszeit für Ptolemaios, Gründer des Ptolemaeions und Schreiber von Paphos erscheint er noch in einer weiteren Inschrift (APF 13, 1939, 36,18 = TM 2978). Die genaue Datierung der Inschrift in die Regierungszeit des Ptolemaios IX. Soter II. (Ptolemaios I. ist aufgrund der Anführung des Hofrangtitels auszuschließen) ist schwierig. Da Onesandros in der vorgenannten Inschrift noch nicht als Vorsteher der großen Bibliothek bezeichnet wird, dürfte dieses Amt einen terminus post quem für die Statuenstiftung liefern: Der neunte Ptolemäer – der als zweiter König der Dynastie den Beinamen „Retter“ trug – war von 116–107 v. Chr. König Ägyptens, floh dann aber, nach einem Zerwürfnis mit Kleopatra III., seiner Mutter, nach Zypern, wo er 106/105 v. Chr. eine eigene Herrschaft etablieren konnte. Die Königin hingegen führte mit dem jüngeren Bruder des Königs, Ptolemaios X. Alexander I.,

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Texte

die Herrschaft fort, die letzterer nach ihrem Tod dann selbstständig innehatte. Infolge eines Umsturzes musste der zehnte Ptolemäer das Land verlassen und sein älterer Bruder – der „Retter“ – konnte sich 88 v. Chr. wieder in Alexandria als König etablieren. Man darf wohl annehmen, dass der König seinen treuen zypriotischen Anhänger Onesandros bei der Rückkehr nach Ägypten aus Zypern mitgenommen und ihn, wohl auch aus Dank für die Unterstützung in Zypern, in das alexandrinische Amt eingesetzt hatte (Dittenberger, Fraser). Auf diese Weise hatte es mit Onesandros ein Mitglied der lokalen Elite von Paphos als einer der ganz wenigen Zyprioten geschafft, gleichzeitig städtische Ämter und Positionen am Ptolemäerhof miteinander zu verbinden (Michaelidou-Nicolaou). Das lebenslange Priestertum des Königs dürfte Onesandros, wenn die erste Inschrift aus der Zeit vor der Rückkehr des Königs nach Alexandria stammt, bereits auf Zypern ausgeübt haben. In Alexandria übernahm er dann die Funktion des Alexanderpriesters im Dynastiekult. Hierfür spricht ein demotisches Aktpräskript aus Hawara vom 9.4.83 v. Chr. mit folgender Datierungsformel (P.dem. Hawara XXIa): „Regierungsjahr 34, Monat 3 der Winterjahreszeit, Tag 29, des Pharao Ptolemaios, des Gottes, welcher rettet, (und zur Zeit des) Priesters des Alexandros und des Priesters auf Lebenszeit des Königs Ptolemaios, des Gottes, welcher rettet, des Wnsjms, Sohn des Nausikrates.“ Im Demotischen dürfte der griechische Name Onesandros versehentlich als Onesimos wiedergegeben worden sein (Bagnall). Mit diesem Text greifen wir im Übrigen auch die letzte namentliche Nennung eines eponymen Alexanderpriesters überhaupt (Minas). Seitdem findet sich in den Datierungsformeln nur noch die Wendung: „Unter dem Priester des Alexander und denen, welche in Rhakotis (= Alexandria) eingeschrieben sind.“ (vgl. P.dem. Cairo II 31232; 12.6.40 v. Chr.). & H. VOLKMANN, Der Herrscherkult der Ptolemäer in phönikischen Inschriften und sein Beitrag zur Hellenisierung von Kypros, in: Historia 5, 1956, 448–455 (zur Hellenisierungsfunktion des Herrscherkultes); P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria I, Oxford 1972, 334; II 492, Anm. 222 (zur Bibliothek und Onesandros); J. SEIBERT, Zur Bevölkerungsstruktur Zyperns, in: Ancient Society 7, 1976, 1–28; R. S. BAGNALL, The Administration of the Ptolemaic Possessions outside Egypt, Leiden 1976, 70f. (zu Onesandros); A.-M. COLLOMBIER, La fin des royaumes chypriotes: ruptures et continuités, in: Transeuphratène 6, 1993, 119–147; A. MEHL, Griechen und Phoiniker im hellenistischen Zypern – ein Nationalitätenproblem?, in: B. Funck (Hg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums 9.–14. März 1994 in Berlin, Tübingen 1996, 377–414; R. R. STIEGLITZ, Ptolemy IX Soter II Lathyrus on Cyprus and the Coast of the Levant, in: S. Swiny u.a. (Hg.), Res Maritimae: Cyprus and the Eastern Mediterranean from Prehistory to Late Antiquity. Proceedings of the Second International Symposium ‚Cities on the Sea‘. Nicosia, Cyprus, October 18–22, 1994, Atlanta 1997, 301–306 (zu den militärischen Aktionen zwischen 108 und 95 v. Chr.); A. ANASTASSIADES, Ἀρσινόης Φιλαδέλφου: Aspects of a Specific Cult in Cyprus, in: Report of the Department of Antiquities Cyprus, 1998, 129–140 (zu den Arsinoe-Stiftungen in Paphos); M. MINAS, Die hieroglyphischen Ahnenreihen der ptol-

36. Ein Asylieverfahren für einen kleinen Tempel im Faijum

195

emäischen Könige. Ein Vergleich mit den Titeln der eponymen Priester in den demotischen und griechischen Papyri, Mainz 2000, 162 (zum eponymen Alexanderpriester); A. ANASTASSIADES, Egypt in Cyprus: The Ptolemaic Royal Cult, in: Kypriakai Spoudai 64–65, 2003, 41–52; S. BARBANTANI, Notes on a Hellenistic Hymn to ArsinoeAphrodite (P.Lit. Goodsp. 2, I–IV), in: Ancient Society 35, 2005, 135–165 (zur Verbindung von Arsinoe II. mit Aphrodite); I. MICHAELIDOU-NICOLAOU, The Inscriptions, in: A. H. S. Megaw, Kourion. Excavations in the Episcopal Precinct, Washington D.C. 2007, 373 (zu den städtischen Beamten, die auch am Hof tätig waren); G. PAPANTONIOU, Religion and Social Transformations in Cyprus. From the Cypriot Basileis to the Hellenistic Strategos, Leiden/Boston 2012 (allgemeine Studie zum hellenistischen Zypern).

36. Ein Asylieverfahren für einen kleinen Tempel im Faijum (5. Mai 69 v. Chr.) I.Asylia 224 = I.Fayoum II 135 = SB I 5827 = SB III 6154 = I.Prose 38 = C.Ord. Ptol. 69 = TM 7230 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum n.n. 36. Ein As yliever fahren fü r einen kleinen Tempel im Faijum

Heiligtümer konnten von den ptolemäischen Königen das Recht des Asyls erhalten. Das geschah in Ägypten insbesondere im 1. Jh. v. Chr., wie es zahlreiche Asylieverleihungen belegen (vgl. Text 34), die alle zwischen dem Jahr 95 v. Chr. und dem Ende der Ptolemäerherrschaft erlassen wurden (Bingen). Vorliegende Inschrift aus dem im Westen des Faijum gelegenen Euhemeria/Qasr el-Banat führt den Vorgang einer solchen Asylgewährung vor Augen. Der Text ist auf einer typisch ägyptischen Stele mit rundem Giebel angebracht (Abb. 17). Unter einer Flügelsonne sieht man im mittig aufgeteilten Giebelfeld jeweils den Pharao nach außen gewandt. Er vollzieht das Opfer vor einem Krokodil, das auf einem Postament vor ihm sitzt und eine Sonnenscheibe auf dem Kopf trägt. Da es sich nicht um den Haupttempel des kleinen Ortes handelt – dieser war Suchos und Isis geweiht –, wird es ein kleineres Heiligtum für sogenannte Sekundäre Krokodilgötter gewesen sein. Hierunter sind zu „Heiligen“ verklärte Verstorbene zu verstehen, die wohl zu Lebzeiten besondere Wohltaten für ihren Ort vollbracht hatten und postum an den Krokodilgott Sobek/Suchos angeglichen, mithin „krokodilisiert“ wurden (Kockelmann). Das Postament ist in Form der ägyptischen Hieroglyphe für die Lunge ( ) als Zeichen für das „Vereinigen“ (sm#) gestaltet. Damit ist das Vereinigen der beiden Länder, also von Ober- und Unterägypten, gemeint. Der Bildhauer wollte wohl diesen rituellen Akt, der sich auf solchen Postamenten häufig dargestellt finden konnte, in einer Art Abbreviatur zum Ausdruck bringen. Die Darstellung des Giebelfeldes entspricht grundsätzlich pharaonischen Traditionen, doch das Besondere an ihr ist, dass der Pharao nicht „von außen“ jeweils das Opfer vollzieht, sondern innen steht, also an der Stelle, wo sich üblicherweise die Gottheit befinden müsste. Eine sinnvolle Erklärung hierfür lässt sich nicht finden. Vielleicht wollte man derart die besondere Position des Königs

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zum Ausdruck bringen, der gleichzeitig Herr des Opfervollzuges ist – so wie er auch dargestellt ist – und, wie wir dem Text der Inschrift entnehmen, gleichzeitig Kultbegünstigter ist. Text und Übersetzung ἄσυλον κατὰ τὰ προστεταγµένα. | βασιλεῖ Πτολεµαίωι καὶ βασιλίσσηι | Κλεοπάτραι τῆι καὶ Τρυφαίνηι θεοῖς Φιλο|πάτορσι καὶ Φιλαδέλφοις χαίρειν (5) Ἀπολλοφάνης Βίωνος Ἀντιοχεὺς τῶν α | φίλων καὶ χιλιάρχων λογχοφόρων.

ὑπάρχει | ἐν Εὐηµερίαι κώµηι τοῦ Ἀρσινοΐτου τῆς | Θεµίστου µερίδος ἱερὸν Ψοσναῦτος καὶ Πνεφερῶτο(ς) | καὶ Σόξιτος, θεῶν κροκοδείλων, ἐν ὧι καὶ ἀνάκειντ̣[αι] (10) τῶν προγόνων ὑµῶν εἰκόνς· τούτων δὲ χάριν, | [ἐπεὶ] καὐτὸ τὸ ἱερὸν πεπαλαιῶσθαι καὶ τῶν εἰθισ|µένων ἐπιτελεῖσθαι ὑπέρ τε ὑµῶν καὶ τῶν τέκνων | θυσιῶν καὶ σπονδῶν ἐµποδιζοµένων, αὐτός τε | εὐσεβῶς διακείµενος πρὸς τὸ θεῖον καὶ προαιρού(15)µενος ἀνοικοδοµῆσαι τοῦτο σὺν τῶι περιβόλωι, | ἀναθεῖναι δὲ καὶ ὑµῶν τῶν µεγίστων βασιλέων | [εἰκ]όνας πρὸς τὸ ἐπιφανεσττου {τοῦ} τόπου γενη|[θέ]ντος πολὺ µᾶλλον τὰ νοµιζόµενα τοῖς θεοῖ[ς] | ἐπιτελῆται,

ἀξιῶ, τοῦ πράγµατος ἀβαροῦς ὄντο[ς], (20) ἐὰν φαίνηται, π̣ρ̣οσ ̣ τάξαι περὶa τ̣ο̣ύτων Ἀπο̣λ̣λω[νίωι] | τῶι συγγενεῖ καὶ στρατηγῶι τοῦ νοµοῦ

[1.] „Asylort aufgrund von königlichen Verordnungen: [2.] ‚Dem König Ptolemaios und der Königin Kleopatra, die auch Tryphaina (genannt wird), den Vaterliebenden und Bruderliebenden Göttern, sendet Apollophanes, Sohn des Bion, Antiochener, im Hofrang eines der Ersten Freunde und einer von den lanzentragenden Chiliarchen, Grüße. Im Dorf Euhemeria, im ThemistosBezirk des Arsinoites, gibt es ein Heiligtum des Psosnaus und des Pnepheros und des Soxis, der Krokodilgötter, in dem auch die Bildnisse eurer Vorfahren aufgestellt sind. Aus diesem Grund, weil auch das Heiligtum selbst heruntergekommen ist und die üblicherweise zu eurem und eurer Kinder Wohl durchgeführten Opfer und Trankspenden verhindert werden, ich selbst mich aber fromm gegenüber dem Göttlichen verhalte und vorhabe, dieses (Heiligtum) zusammen mit der Umfassungsmauer wieder aufzubauen, und auch eure, der größten Könige, Bildnisse aufstellen will, damit die Bräuche für die Götter, nachdem es ein ganz herausragender Ort geworden ist, viel besser vollzogen werden können, bitte ich, wenn die Angelegenheit keine Mühe bereitet und falls es recht erscheint, diesbezüglich dem Apollonios, im Hofrang eines Ver-

36. Ein Asylieverfahren für einen kleinen Tempel im Faijum ἐπι|χωρῆσαι ἡµῖν τὸ προκείµενον ἐπι[τε]λέσαι, | ὄντος ἀσύλου, µηδενὸς εἰσβιαζο|µένου, µήτε τοὺς ἐν τῶι ἱερῶι ἱερεῖ[ς] (25) καὶ παστοφόρους καὶ τοὺς ἄλλο[υς] | παρενοχλοῦντς, ἐνκολαφθῆναι δ[ὲ] | τήν τε ἔντευξιν καὶ τὸ πρὸς αὐτὴν | προστεταγµένον· εὐτύχει. | τῶι στρατηγῶι· ἐπιχωρῆσαι· (30) (ἔτους) ιβ, Φαρµοῦθι κ̅θ̅ | ἐπὶ λεσώνου Ἁρµοδίου τοῦ Ἀσκλη|πιάδου Μακεδόνος τῶν κατοίκων ἱππέ. | ἔγραψε Πτολεµαῖος Διδύµου | κοινὸς γραµµατεύς.

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wandten und Strategen des Gaues anzuordnen, uns zu gewähren, das oben Stehende auszuführen, damit das (Heiligtum) ein Asylort sei, niemand gewaltsam eindringen, noch die Priester im Heiligtum und die Pastophoren und die anderen behelligen darf, fernerhin, dass die Eingabe und die sie betreffenden Anordnungen eingemeißelt werden. Lebe wohl!‘ [3.] ‚An den Strategen: Gewähre es!‘ [4.] 12. Regierungsjahr, am 29. Pharmuthi. Unter dem Lesonis Harmodios, dem Sohn des Asklepiades, Makedone, einer der Katökenreiter. Es hat Ptolemaios, der Sohn des Didymos, der Schreiber der Gemeinschaft, aufgeschrieben.“

Kommentar: Die Inschrift umfasst mehrere Elemente. Zunächst findet sich, ähnlich einer Überschrift, die zentrale Aussage, dass der mit der Stele markierte Tempel aufgrund eines königlichen Beschlusses (prostagma) zum Asyl erklärt wird. Es folgt zweitens eine wörtliche Kopie der Eingabe des Apollophanes an den König und die Königin. Daran schließt drittens die Anweisung der Herrscher an den zuständigen Strategen an, also den Zivilverwalter des Gaues. Als Letztes ist eine genaue Datierung angegeben, ebenso wie Ausführungen zur Anbringung des Textes auf der Stele zu finden sind. Die Könige haben sich nicht die Mühe gemacht, einen eigenen Erlass über die konkrete Ausgestaltung des Asylrechtes des Tempels zu verfassen, sondern einfach die Eingabe mit dem entsprechenden Ausführungsvermerk an die Gauverwaltung geschickt (vgl. Text 26). Auf diese Weise wird dann auch der den Herrscher lobpreisende Text und vor allem die Initiative des Nichtägypters Apollophanes aus Antiochia, der sich für einen ägyptischen Tierkult einsetzte, in Zukunft durch die Verewigung in Stein für jeden sichtbar gehalten. Der Text zeigt, wie Herrscherverehrung und ägyptischer Götterkult in einem kleinen lokalen Heiligtum verbunden sein konnten. Ihm ist etwa zu entnehmen, dass in einem Tempel auch Herrscherstatuen vorhanden waren. Allem Anschein nach war der Kult in betreffendem Tempel aber zum Erliegen gekommen, denn niemand hatte sich verantwortlich dafür gefühlt, auch das regierende Herrscherpaar mit in die Galerie der Ptolemäerbilder aufzunehmen. Dem möchte der Antiochener Abhilfe schaffen, indem er das Heiligtum wieder in seiner alten

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Pracht herstellt, was eigentlich eine königliche Aufgabe ist (hierzu Kockelmann/Pfeiffer), und zudem die aktuellen Herrscher mittels der Aufstellung ihrer Statuen in den Kult integriert. Apollophanes macht dies, wie er schreibt, aufgrund seiner Frömmigkeit. Das dient ihm als captatio benevolentiae, um seinem eigentlichen Anliegen Nachdruck zu verleihen: dem Wunsch, dass dem Tempel das Asylrecht zuteil und dies inschriftlich fixiert werde. Sollten nun in Zukunft königliche Behörden versuchen, gewaltsam auf Personen, die zum Tempel gehören (Priester, Pastophoren und „andere“), zuzugreifen, so konnte man auf die Inschrift verweisen, die dies untersagte. Das wiederum scheint für die Priester, möglicherweise insbesondere deshalb, weil damit auch Steuereinnehmer keinen Zutritt zum Heiligtum hatten, ein großer Vorteil des Asylrechts gewesen zu sein.

Abb. 17: Stele mit dem Asyliedekret aus Euhemeria; aus: I.Fayoum.

Interessant ist auch die Form der Datierung, denn nach der Nennung des Regierungsjahres und Monats folgt die Angabe, dass das Verfahren in der Amtszeit des Lesonis Harmodios abgelaufen war. Der Lesonis war das jährlich gewählte Verwaltungsoberhaupt eines Tempels, in vorliegendem Fall also wohl des betreffenden Krokodilgöttertempels von Euhemeria. Harmodios ist deshalb von Interesse, weil er, wie Apollophanes, kein Ägypter zu sein scheint, sondern das ‚Ethnikon‘ Makedone ebenso wie den griechischen Namen Harmodios führte. Bei ihm handelte es sich aber vielleicht nicht wirklich um einen Makedonen, denn aus dem Zusatz „einer der Katökenreiter“ ist zu erkennen, dass er zur Truppe der Makedonen gehörte, er also Soldat war. Ob er freilich Ägypter war oder aus einer „Mischfamilie“ stammte (Fischer-Bovet), lässt sich nicht entscheiden. Der Schreiber Ptolemaios, Sohn des Didymos, könnte aufgrund des Vatersnamens, der auf den Kult der beiden Krokodile verweist („Zwilling“, vgl. Text 12), ägyptischer Herkunft sein. Der gesamte Text zeigt auf jeden Fall eindrücklich die Anziehungskraft der ägyptischen Götter auf die griechischen Einwanderer wie den Antiochener Apollophanes (Scheuble-Reiter), verweist

37. Eine Ehrung Kleopatras VII.

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aber gleichzeitig darauf, dass ägyptische Priester durchaus dazu bereit waren, sich zu gräzisieren, indem sie griechische Namen annahmen. & Fr. VON WOEß, Das Asylwesen Ägyptens in der Ptolemäerzeit und die spätere Entwicklung. Eine Einführung in das Rechtsleben Ägyptens besonders der Ptolemäerzeit, München 1923, 249f. (zum Asylwesen); F. DUNAND, Droit d’asile et refuge dans les temples dans l’Égypte lagide, in: Hommages à la mémoire de S. Sauneron II: Égypte post-pharaonique, Kairo 1979, 77–97; H. HEINEN, Ägyptische Tierkulte und ihre hellenistischen Protektoren. Überlegungen zum Asylieverfahren SB III 6154 (= IG Fay. II 135) aus dem Jahr 69 v. Chr., in: M. Minas/J. Zeidler (Hg.), Aspekte spätägyptischer Kultur. Festschrift für Erich Winter zum 65. Geburtstag, Mainz 1994, 157–168 (ausführlicherer Kommentar); J. BINGEN, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 266–274 (zu Asylieverleihungen in Ägypten); H. KOCKELMANN/St. PFEIFFER, Betrachtungen zur Dedikation von Tempeln und Tempelteilen, in: R. Eberhard u.a. (Hg.), „... vor dem Papyrus sind alle gleich!“ Papyrologische Beiträge zu Ehren von Bärbel Kramer, Berlin/New York 2009, 93–104 (zur Stiftertätigkeit von Privatleuten in ägyptischen Tempeln); S. SCHEUBLEREITER, Die Katökenreiter im ptolemäischen Ägypten, München 2012, 291f., 307f. (zur Religion der Katöken); Chr. FISCHER-BOVET, Un aspect des conséquences des réformes de l’armée lagide: soldats, temples égyptiens et inviolabilité (asylia), in: A.-E. Veïsse/St. Wackenier (Hg.), L’armée en Égypte aux époques perse, ptolémaïque et romaine, Genf 2014, 137–169 (zur Beziehung der Tempel zu den Soldaten des Heeres); H. KOCKELMANN, Der Herr der Seen, Sümpfe und Flußläufe. Untersuchungen zum Gott Sobek und den ägyptischen Krokodilgötter-Kulten von den Anfängen bis zur Römerzeit, Wiesbaden 2017, 415–417 (zu den Krokodilkulten in Euhemeria).

37. Eine Ehrung Kleopatras VII. (2. Juli 51 v. Chr.) I.Fayoum III 205 = I.Louvre 21 = CPI 223 = TM 8171 Standort: Paris, Louvre E 27113 37. Eine E hrung Kleopat ras VII.

Anfang des Jahres 51 v. Chr. verstarb Ptolemaios XII., dessen offizieller Beiname nicht (das möglicherweise despektierlich verstandene) auletes – der Flötenspieler –, sondern theos Neos Dionysos Philopator Philadelphos, also „Gott Junger Dionysos, der Vaterliebende, der Schwesterliebende“, war. Er hatte in seinem in Rom hinterlegten Testament das Königtum seiner 18-jährigen Tochter Kleopatra und seinem zehnjährigen Sohn Ptolemaios übertragen. Möglicherweise hatte er bereits im Frühjahr die Tochter an der Herrschaft beteiligt, denn sie zählte ihr erstes Herrschaftsjahr parallel zum 30. Jahr ihres Vaters (Huß). Das Testament des Vaters sah aber auch vor, dass sie ihren Bruder Ptolemaios XIII. heiraten solle (Cassius Dio XXXV 4; Caesar, Bürgerkrieg III 108,3). Ob sie die Herrschaft gemeinsam mit oder gar als Gemahlin ihres Bruders ausübte, ist umstritten. Sollte der Knabe tatsächlich noch vor seiner Volljährigkeit mit ihr geherrscht haben, dann wäre er nominell auch König (basileus) gewesen und müsste neben ihr in allen Dokumenten als solcher erscheinen, was aber

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nicht der Fall ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass Kleopatra gegen das Testament des Vaters als Alleinherrscherin agierte (Heinen). Erst im Sommer 49 v. Chr. konnte eine Fraktion von Höflingen im Namen des jungen Ptolemaios die Macht an sich reißen. Federführend tätig waren dabei der Eunuch Potheinos, der General Achillas und Theodotos, der Lehrer des Knaben. Nach der Volljährigkeitserklärung des jetzt Zwölfjährigen wurde nach seinem ersten Jahr datiert: „Das erste Jahr, das auch das dritte ist“ (SB VIII 9764). Wenig später beschloss der Teil des Senats, der nach Caesars Überschreitung des Rubicon gemeinsam mit Pompeius aus Rom geflohen war, die Herrschaft allein dem Ptolemaios zuzuweisen. Kleopatra verließ daraufhin Alexandria. Die vorliegende, möglicherweise aus Hawara stammende Inschrift aus der Zeit kurz nach dem Tod des zwölften Ptolemäers ist das früheste nach der siebten Kleopatra datierte Dokument und befindet sich auf einer rundgiebeligen, also ägyptischen Stele (vgl. Abb. 18). Sie zeigt im Bildfeld unter einer Flügelsonne mit zwei herabhängenden Uräen und über dem griechischen Text rechts einen ägyptischen Pharao vor einem Opferaltar, der in zwei Bechern eine Trankspende an die Göttin Isis, die das Horuskind stillt, reicht. Text und Übersetzung ὑπὲρ βασιλίσσης | Κλεοπάτρας θε|ᾶς Φιλοπάτωρ τό|πος Σνοναιτια(5)κῆς συνόδου | ὧν συναγ{ο}γὸς | Ὀννῶφρις λεσώνης· (ἔτους) α, Ἐπὶφ α̅.

„Zugunsten der Königin Kleopatra, der Vaterliebenden Göttin, (wurde gestiftet) der Ort des Vereins der (Isis) Snonais, deren Vorsteher Onnophris, der Lesonis, ist. 1. Regierungsjahr, 1. Epeiph.“

Kommentar: Ein Kultverein der Isis S(o)nonais hatte einen Baugrund, wenn das griechische Wort topos nicht auch ein bereits errichtetes Gebäude bezeichnen sollte, erworben und diesen der Göttin gestiftet – sicherlich, um anschließend eine wie auch immer geartete Kultstätte, möglicherweise ein Deipneterion („Vereinsspeisehaus“) am Dromos des Tempels, auf ihm zu bauen. Das Epitheton der Isis S(o)nonais rührt entweder von der Verbindung von Isis mit der orientalischen Göttin Nanaia her oder ist eine griechische Wiedergabe des Titels „Isis die Große“ – Js(.t)-wr(.t) (Quaegebeur). Ursprünglich war man der Ansicht, dass der Verein dem Kult für die Göttin in Soknopaiunesos verschrieben war (Wagner, vgl. OGIS I 175 und SB IV 8957). Inzwischen gibt es jedoch die Auffassung, dass der Kult in Nabla, dem modernen Hawara im Faijum, zu verorten ist (Gascou), von wo alle drei Belege zu Isis Sononais herstammen sollen. Die Königin, der das Heil gewährt werden soll, kann dem Namen nach sowohl Kleopatra Berenike III. (Chauveau, pace Bingen) als auch Kleopatra VII. sein. Eine letztgültige Entscheidung gegen die hier nicht berücksichtigte Kleopatra Berenike III. ist nicht möglich.

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Es ist bemerkenswert, dass der Verein die Weihung allein an Kleopatra gerichtet hat, denn eigentlich müsste auch ein Pharao genannt sein. Dieser war schwerlich einfach vergessen worden, denn es war üblich, derartige Weihungen entweder allein an den König oder doch – wie meistens – an König und Königin gemeinsam zu stiften. Wenn der Lesonis die Stiftung nun explizit allein zum Heil der Königin vornimmt, dann muss das einen Grund haben. Das Fehlen des Königs gibt der Inschrift wiederum, wenn sie wirklich aus der Zeit der siebten Kleopatra stammt, auch eine politikgeschichtliche Relevanz, denn sie wirft Licht auf die alte Frage, ob Kleopatra nach dem Tod Ptolemaios’ XII. die Herrschaft, so wie es ihr Vater auch vorgesehen hatte, gemeinsam mit ihrem Bruder ausübte oder ob sie alleine als Herrscherin agierte.

Abb. 18: Ein Pharao vollzieht das Opfer vor Isis mit dem Horuskind, Stele Paris, Musée du Louvre, E 27113 (Umzeichnung: Silke CaßorPfeiffer).

Es gibt die Ansicht, dass Kleopatra deshalb nicht alleine als Königin die Macht innehaben konnte, weil sie als Frau keine eigenständigen Rechtsakte vollziehen konnte, sie aus diesem Grund schon gar nicht dazu in der Lage war, die Vormundschaft für ihren Bruder zu übernehmen (Schäfer). Dass diese Ansicht nicht

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zu halten ist, zeigt der Umstand, dass nach dem Tod Ptolemaios’ V. im Jahr 180 v. Chr. schon einmal eine ähnliche Situation vorlag, als dessen Witwe Kleopatra I. eigenständig die Herrschaft und Vormundschaft für ihren Sohn Ptolemaios VI. übernommen hatte; Kleopatra II. war wiederum 131–127 v. Chr. sogar alleinige Herrscherin Ägyptens (vgl. Text 28). Das Gleiche gilt auch für die bereits erwähnte Kleopatra Berenike III. Die papyrologische Dokumentation zeigt, dass nach dem Tod des Ptolemaios XII. Urkunden anfangs noch doppelt datiert wurden, also nach dem 30. Jahr des verstorbenen Königs und gleichzeitig einem nicht näher spezifizierten 1. Jahr, wohl dem der Kleopatra (vgl. BGU VIII 1832 vom 20.6.51 v. Chr.). Im Aktpräskript des Papyrus PSI X 1098b,3 vom 29. August 51 v. Chr. (29. Mesore) wird sie schließlich alleine als Königin genannt. Dass ein weibliches Pharaonentum den ägyptischen Priestern seltsam vorkam, zeigt eine Stele, die in römischer Zeit auf die Alleinherrschaft der Kleopatra rekurriert. Es handelt sich um die Totenstele für einen Buchis-Stier, der im ersten Jahr der Herrschaft des Octavian über Ägypten, 20 Jahre später, verstorben war. Anlässlich des Todes des betreffenden Stieres erhielt dieser einen hieroglyphischen Denkstein, der auch, wie üblich, die „Lebensgeschichte“ des Tieres in kurzen Worten darlegt. Diejenigen Königskartuschen, die aus der ptolemäischen Vergangenheit des Stieres berichten, sind bewusst nicht ausgefüllt worden: Weder der Name des Ptolemaios noch der der Kleopatra finden sich, und doch mussten die Priester Daten angeben, wofür nur die Regierungszeiten von Königen zur Verfügung standen. So entschlossen sie sich zu folgender Lösung (Bucheum-Stele 13, Z. 10–12): „Er (i.e. der Stier) wurde eingeführt durch den König (gemeint sein dürfte: durch die Königin; Heinen) persönlich im Jahr 1, Monat 3 der Peret-Jahreszeit, Tag 19, durch die Herrscherin, die Herrin der beiden Länder (leere Kartusche)|, die Göttin, die ihren Vater liebt, wurde er stromab gefahren auf der Barke des Amun zusammen mit der Flotte des Königs (lies: der Königin), ... Er (i.e. der Stier) erreichte Hermonthis, es ist sein Wirkungsbereich, im Monat 2 (lies: 3) der Peret-Jahreszeit, Tag 22.“ Die Inthronisation des Buchis-Stieres fand damit also am 22. März 51 v. Chr. statt, etwas mehr als zwei Monate vor der Stiftung der Stele für Isis Snonais. Datieren können wir das Ereignis der Buchis-Inthronisation allein deshalb, weil die Priester, die die Kartuschen ja leer gelassen hatten, das Epitheton der Kleopatra, Philopator, angegeben haben. Damit kann also vorliegende Stele einen weiteren Beleg für ihre Alleinherrschaft bieten. Da diese aber prekär war, schließlich war die Mitregentschaft des Bruders testamentarisch verlangt worden, wählte Kleopatra sicherlich bewusst das Epitheton Philopator, also die „Vaterliebende“. Auf diese Weise versuchte sie wohl ihr Zuwiderhandeln gegen den Willen des Vaters vergessen zu machen und ihren Anspruch auf den Thron zu legitimieren: Ptolemaios war es schließlich, der ihr das Königtum vermacht hatte.

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Im Bildfeld der Stele des Kultvereins ist der Pharao eindeutig männlich, obwohl mit Kleopatra eine Pharaonin hätte dargestellt werden müssen. Bei genauer Betrachtung des Textes sieht man jedoch, dass es sich um ein Palimpsest handelt (Bianchi), denn die Inschrift wurde auf einem Feld eingraviert, das gegenüber der ursprünglichen Oberfläche soweit eingetieft wurde, dass es sich auf derselben Höhe wie das Bildfeld befindet, so dass die Reste der ursprünglichen Oberfläche heute einen erhabenen Rahmen bilden. Möglicherweise befand sich also ursprünglich eine andere Stiftungsinschrift, etwa für Ptolemaios XII., auf dem Textfeld, die später durch die Stiftung für das Heil der Kleopatra ersetzt wurde (Étienne). Auf diese Weise wäre also die Darstellung eines Pharaos leicht zu erklären. Anders sieht das hingegen bei einer Stele im Museum der Universität von Peking aus, bei der der opfernde männliche Pharao den Namen Kleopatra in die Kartusche geschrieben bekommen hat (Clarysse/Yan). Diese Repräsentation der Kleopatra als Pharao entsprach aber nicht der offiziellen Diktion, denn in ägyptischen Tempeln und auf ägyptischen Urkunden erscheint sie immer als Frau. Vielleicht hielt sich aber in bestimmten Kreisen das Bedürfnis nach einem männlichen Pharao, denn nur dieser konnte legitim für die Aufrechterhaltung der Weltordnung sorgen, oder man verfügte über keine eindeutigen Charakteristika, die einen weiblichen Pharao ikonographisch zu erkennen geben konnten. Wahrscheinlicher ist aber letztlich, dass das Giebelfeld schon fertig war und die Inschrift nachträglich hinzugefügt wurde. & R. MOND/O. H. MYERS, The Bucheum II, London 1934, 11–13, Nr. 13 (BuchisStele der Zeit des Octavian mit Datierung der Einsetzung des Stieres unter Kleopatra VII. und Ptolemaios XIII.); H. HEINEN, Rom und Ägypten von 51 bis 47 v. Chr. Untersuchungen zur Regierungszeit der 7. Kleopatra und des 13. Ptolemäers, Tübingen 1966 (grundlegende Studie zum Anfang der Herrschaft Kleopatras; Nd. in: H. HEINEN, Kleopatrastudien. Gesammelte Schriften zur ausgehenden Ptolemäerzeit, Konstanz 2009, 13–153); G. WAGNER/J. QUAEGEBEUR, Une dédicace grecque au dieu égyptien Mestasytmis de la part de son synode (Fayoum – époque romaine), in: BIFAO 73, 1973, 59, Anm. 2 (zur Identifikation der Gottheit); G. WAGNER, Une dédicace à la grande Cléopâtre de la part du synode snonaïtiaque. 2 juillet av. J.-C. – Fayoum-Soknopéonèse, in: BIFAO 73, 1973, 103–108; R. S. BIANCHI, in: ders. (Hg.), Cleopatra’s Egypt. Age of the Ptolemies, New York 1989, Nr. 78 (Vorstellung der Stele); L. CRISCUOLO, La succesione a Tolemeo Aulete ed i pretesi matrimoni di Cleopatra VII con i fratelli, in: dies./G. Geraci (Hg.), Egitto e storia antica dall’Ellenismo all’età araba. Bilancio di un confronto. Atti del Colloquio Internationale, Bologna, 31 agosto – 2 settembre 1987, Bologna 1989, 325–339; J. GASCOU, Nabla/Labla, in: CdÉ 65, 1990, 111–115 (zur Gottheit); W. HUß, Ägypten in hellenistischer Zeit. 332–30 v. Chr., München 2001, 705–709 (zu den Quellen und der Chronologie); M. ÉTIENNE, in: S. Walker/P. Higgs, Cleopatra of Egypt. From History to Myth, London 2001, Nr. 154 (Vorstellung der Stele); M. CHAUVEAU, Cleopatra. Beyond the Myth, Ithaca/London 2002, 14–17 (zur Alleinherrschaft Kleopatras); L. GOLDBRUNNER, Buchis. Eine Untersuchung zur Theologie des heiligen Stieres in Theben zur griechisch-römischen Zeit, Brüssel 2004, 112f., 152–155 (zur Buchisstele Nr. 13); H.-J. GEHRKE, Prinzen und Prinzessinnen bei den späteren Ptolemäern, in: V. Alonso Troncoso (Hg.), ΔΙΑΔΟΧΟΣ ΤΗΣ ΒΑΣΙΛΕΙΑΣ. La

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figura del sucesor en la realeza hellenística, Madrid 2005, 103–117 (zu den Hofstrukturen); Chr. SCHÄFER, Kleopatra, Darmstadt 2006 (aktuelle Biographie Kleopatras); St. PASEK, Hawara. Eine ägyptische Siedlung in hellenistischer Zeit I, Berlin 2007, 138–140 (Diskussion des topos-Begriffs); J. BINGEN, The Dynastic Politics of Cleopatra VII, in: ders., Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Berkeley/Los Angeles 2007, 67f. (Begründung der Zuschreibung der Stele an Kleopatra VII. und nicht Kleopatra Berenike III.); W. CLARYSSE/H. YAN, Two Ptolemaic Stelae for the Sacred Lion of Leonton Polis (Tell Moqdam), in: CdÉ 82, 2007, 77–100 (Publikation einer Stele mit Darstellung einer „männlichen“ Kleopatra; mit weiteren Belegen auf S. 97f.).

38. Eine Asylzuweisung für ein jüdisches Gebetshaus mit lateinischer Subskription (47–31 v. Chr.) I.Asylia 228 = OGIS I 129 = W.Chr. 54 = ILS I 574 = JIGRE 125 = I.Prose 23 = SB V 8880 = IGRR I 1315 = CIL III Suppl. I 6583 = CPJ III 1449 = CPI 125 = TM 6400 TUAT N.F. 6 IX 2.11, Helbing Nr. 18 Standort: Berlin, Ägyptisches Museum ÄM 7733 38. Eine As ylzuweis ung fü r ein jüdis ches Gebets haus

Nicht nur ägyptische Tempel (vgl. Text 34 und 36) konnten das Asylrecht erhalten, sondern auch, wie es die vorliegende Inschrift belegt, jüdische Gebetshäuser. Die mit der Inschrift versehene proseuche hatte das Asylrecht ursprünglich unter einem König mit dem Beinamen Euergetes erhalten, und die beiden Herrscher, die das Asylrecht (erneut) verliehen oder bestätigten, verfügten ihre Maßnahme sowohl in griechischer als auch in lateinischer Sprache. Äußerlich fällt an beiden Inschriften besonders auf, dass sie sich von der Schriftgröße her ganz erheblich unterscheiden, denn die lateinischen Buchstaben sind fast doppelt so groß wie die griechischen (vgl. Abb. 19). Der ursprüngliche Aufstellungort der Stele ist unbekannt, erworben wurde sie in Kairo. Text und Übersetzung βασιλίσσης καὶ βασι|λέως προσταξάντων, | ἀντὶ τῆς προανακει|µένης περὶ τῆς ἀναθέσε(5)ως τῆς προσευχῆς πλα|κός, ἡ ὑπογεγραµµένη | ἐπιγραφήτω. | βασιλεὺς Πτολεµαῖος Εὐ|εργέτης τὴν προσευχὴν (10) ἄσυλον. | regina et | rex • iusser(un)t.

„Die Königin und der König haben angeordnet: Anstelle der vorherigen Stele, die bezüglich der Weihung des Gebetshauses aufgestellt war, soll das unten Stehende aufgeschrieben werden: König Ptolemaios Euergetes (gewährt) dem Gebetshaus Asylrecht.“ [Lat.:] „Die Königin und der König haben es angeordnet.“

Kommentar: Der sehr kurze Text lässt drei Fragen offen: Wer hatte ursprünglich das Asylrecht verfügt – wer ist also König Ptolemaios Euergetes? Wer sind

38. Eine Asylzuweisung für ein jüdisches Gebetshaus

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diejenigen, die die Wiederzuweisung gewährt haben? Um welches Gebetshaus handelt es sich? Der erwähnte Ptolemaios Euergetes, der sich zeitgenössisch sicherlich nicht mit seinem Beinamen Euergetes genannt, sondern seine Filiation angegeben hätte, könnte sowohl der dritte (246–222 v. Chr.) als auch der achte Ptolemäer (169–163 und 145–116 v. Chr.) sein, da beide den betreffenden Beinamen trugen. Bereits die ersten beiden Ptolemäer hatten zahlreiche Juden nach Ägypten geführt und diese im Lande angesiedelt (vgl. Text 17). Es ist also möglich, dass schon der dritte Ptolemäer das Asyl gewährt hatte. Für den achten Ptolemäer spricht möglicherweise, dass fast alle Asylgewährungen ptolemäischer Zeit erst aus dem 1. Jh. v. Chr. datieren (Boffo). Allerdings sagt die antike Überlieferung diesem kein gutes Verhältnis zu den Juden nach (Iosephus, contra Apionem II 51–55; vgl. aber Nadig). Da sich der dritte Ptolemäer üblicherweise in Inschriften nicht selbst als Euergetes bezeichnete (vgl. Text 10), spricht einiges für eine Gewährung des Asylrechts durch den achten Ptolemaios. Das fehlende Gottesepitheton des Königs muss wiederum nicht weiter verwundern, weil es an einem jüdischen Gebetshaus überaus unangebracht gewesen wäre. Auch über die Frage, wer die regina und der rex sind, herrscht keine Einigkeit. Es gibt die ältere Ansicht, dass es sich um die palmyrenische Herrscherin Zenobia und ihren Sohn Vaballathus handelt (ca. 270 n. Chr.), nachdem diese Ägypten eingenommen hatten, aber noch nicht den Augustus- und AugustaTitel (seit 272 n. Chr.) führten. So könnte paläographisch die lateinische Schriftform auf das 3. Jh. hindeuten (Mommsen). Da Zenobia Sympathien für das Judentum zugeschrieben werden, bestünde die Möglichkeit, dass sie diese Sympathien auch in der Wiederverleihung von ptolemäerzeitlichen Vergünstigungen ausgedrückt hat, als Ägypten kurzzeitig zu ihrem Herrschaftsbereich gehörte (Hartmann). Sollte die Inschrift aus der Zeit der Zenobia stammen, dann wäre die Königin jedoch eher an zweiter Stelle, also nach dem rex Vaballathus, genannt worden. So sprechen sich andere für eine Datierung der Stele in die späte Ptolemäerzeit aus. Hierzu wird ebenfalls auf die Schriftform verwiesen, die gut in diese Zeit passe (Bingen; vgl. schon ILS III 2, CLXXI, zu Nr. 574). Nach der Paläographie lässt sich also keine Sicherheit hinsichtlich der Datierung gewinnen. Sollte die Stele aus der späten Ptolemäerzeit stammen, was durchaus wahrscheinlich ist, dann muss man nach einer Königin suchen, die die Regierungsgeschäfte offensichtlich für einen mitregierenden König führte und die ihren Befehl auch Menschen lateinischer Sprache – wohl im Lande anwesenden römischen Soldaten oder Funktionsträgern – vermitteln wollte. Es kann sich damit nur um Kleopatra VII. handeln, entweder in der Zeit, als sie mit ihrem Bruder Ptolemaios XIV. (47–44 v. Chr.) oder mit ihrem Sohn Ptolemaios XV. (44–31 v. Chr.) herrschte (Bingen, vgl. Text 39). Diese hätten dann in der Art einer Zusammenfassung die Asylieverleihung des Euergetes angeführt, die ursprünglich sicherlich so ausführlich war, wie wir es auch von anderen Asylieverleihungen her kennen (vgl. Text 34 und 36).

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Abb. 19: Asylzuweisung an ein jüdisches Gebetshaus; Copyright Staatliche Museen zu Berlin – Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Inv.-Nr. ÄM 7733.

Da der ursprüngliche Anbringungsort des Textes unbekannt ist, es in Ägypten sicherlich an vielen Stellen, zumindest dort, wo Juden in größerer Zahl siedelten, auch Gebetshäuser gab, lässt sich die Frage, welches jüdische Gebetshaus das Asylrecht erhielt, im Grunde genommen nicht beantworten. Trotzdem gibt es in der Forschung Spekulationen über eine Lokalisierung. Es wird etwa die Ansicht vertreten, dass es sich um ein ganz herausragendes Gebetshaus gehandelt haben müsse, weil die Asylrechtsvergabe nur selten in Ägypten belegt sei. Aus diesem Grund wird der jüdische Tempel von Leontopolis ins Spiel gebracht (Rigsby). Allerdings zeigen die überlieferten Asylstätten in Ägypten (siehe die Tabelle zu Text 34), dass auch weniger bedeutende ägyptische Heiligtümer dieses Recht erhalten konnten. Bei einer Lokalisierung des Gebetshauses in Leontopolis stellt sich zudem die Frage, ob man den dort von Onias gegründeten Tempel (Josephus, antiquitates XIII 62: naos) überhaupt als proseuche bezeichnet hätte. So lässt sich also nichts über den ursprünglichen Anbringungsort des Steines sagen, außer, dass es eine Stätte war, die auch von Römern frequentiert werden konnte und die deshalb nicht nur vor ptolemäi-

39. Ein Beschluss der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kaisar 207 schen, sondern auch vor römischen Ansprüchen geschützt werden sollte. Die Synagoge von Alexandria würde sich als Anbringungsort deshalb durchaus anbieten. Da es keinen antiken Parallelfall mit dem Hinweis auf die Wiederzuweisung eines Asylrechtes nach dem Vorbild eines Vorgängers gibt, ist möglicherweise an einen lediglich fiktiven Rückbezug auf Ptolemaios Euergetes zu denken, um eine aktuelle Zuweisung zu legitimieren (Rigsby mit weiteren Argumenten). & E. MILLER, Inscriptions grecques découvertes en Égypte, in: RevArch 30, 1875, 111f. (ed. pr.); Th. MOMMSEN, Aegyptus, in: Ephemeris Epigraphica 4, 1881, 25f.; E. GABBA, Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, Marietti 1958, Nr. 8; V. A. TCHERIKOVER, Hellenistic Civilization and the Jews, Philadelphia 1959, 303, n. 2, 349, n. 23; M. HENGEL, Proseuche und Synagoge. Jüdische Gemeinde, Gotteshaus und Gottesdienst in der Diaspora und in Palästina, in: G. Jeremias u.a. (Hg.), Tradition und Glaube. Das frühe Christentum in seiner Umwelt. Festgabe für Karl Georg Kuhn zum 65. Geburtstag, Göttingen 1971, 160; P. E. DION, Synagogues et temples dans l’Égypte hellénistique, in: Science et Esprit 29, 1977, 45–75; J. BINGEN, L’asylie pour une synagogue: CIL III Suppl. 6583 = CIJ 1449, in: J. Quaegebeur (Hg.) Studia Paulo Naster oblata II: Orientalia Antiqua, Löwen 1982, 11–16; A. KASHER, The Jews in Hellenistic and Roman Egypt, 1985, 110f., 138, 223; L. H. KANT, Jewish Inscriptions in Greek and Latin, ANRW II 20,2, 1987, 693, n. 132; J. G. GRIFFITHS, Egypt and the Rise of the Synagogue, JTS, N.S., 38, 1987, 10, n. 42; L. BOFFO, Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, Brescia 1994, Nr. 12; J. MELEZE MODRZEJEWSKI, The Jews of Egypt. From Ramses II to Emperor Hadrian, Princeton 1995, 97f.; U. HARTMANN, Das palmyrenische Teilreich, Stuttgart 2001, 288, 328 (Interpretation im Kontext der Politik der Zenobia); K. J. RIGSBY, A Jewish Asylum in Greco-Roman Egypt, in: M. Dreher, Das antike Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Köln 2003, 127–142 (aktuelle, etwas zu weitgehende Interpretation, vollständige Bibliographie); P. NADIG, Zur Rolle der Juden unter Ptolemaios VI. und Ptolemaios VIII., in: A. Jördens/J. F. Quack (Hg.), Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck. Die Zeit Ptolemaios’ VI. bis VIII. Internationales Symposion Heidelberg 16.–19. 9. 2007, Wiesbaden 2011, 186–200 (zu den Juden unter Ptolemaios VIII.); S. PEARCE, The Cleopatras and the Jews, in: Transactions of the Royal Historical Society 27, 2017, 29–64 (unter anderem auch Besprechung der vorliegenden Inschrift).

39. Ein Beschluss der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kaisar (12.4.41 v. Chr.) SB IV 7337 = I.Prose 45 = C.Ord. Ptol. 75f. = CPI 303 = TM 6449 39. Ein Bes chlus s der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kais ar

Von den zahlreichen auf Stein und Papyrus überlieferten Dekreten der Ptolemäer ist der vorliegende Erlass der Kleopatra und ihres Sohnes Ptolemaios’ XV. der letzte. Er betrifft unrechtmäßige Steuereintreibungen aus Ländereien durch Verwaltungsfunktionäre. Die Stele wurde im antiken Herakleopolis gefunden, was zeigt, dass der Erlass nicht nur in den in ihm erwähnten Gauen im Delta, sondern, wie vorgesehen, in ganz Ägypten bekannt gemacht wurde.

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Text und Übersetzung βασίλισσα Κλεοπάτρα θεὰ Φιλοπάωρ καὶ βασιλεὺς | Πτολεµαῖος ὁ̣ καὶ Καῖσαρ θεὸς Φιλοπάτωρ καὶ | Φιλοµήτωρ τῶι στρατηγῶι τοῦ Ἡρακλεοπολίτου | χαίρειν. vac. τὸ ὑποκείµενον πρόσταγµα σὺν τῶι (5) χρηµατισµῶι µεταγραφήτω τοῖς τε Ἑλληνικοῖς | καὶ ἐνχωρίοις γράµµασι. καὶ ἐκτεθήτω ἔν τε τῆι | µητροπόλει καὶ ἐν τοῖς ἐπισηµοτάτοις τοῦ νοµοῦ | τόποις, καὶ τἆλλα γινέσθω τοῖς προστεταγµένοις | ἀκολούθως. v. ἔρρωσο. v. ἔτους ἑνδεκάτου (10) Δαισίου ι̅γ̅, Φαρµοῦθι ι̅γ̅. | Θέωνι. | τῶν ἀπὸ τῆς πόλεως γεωργούντων δ’ ἐν τῶι | Προσωπίτηι καὶ Βουβαστείτηι ἐντυχόντων | ἡµεν

vac. ἐπὶ χρηµατισµοῦ τῆι ι̅ε̅ τοῦ Φαµενὼθ (15) κατὰ τῶν π̣ρὸς̣ χρείαιaς τῶν νοµῶν vac. ὃν τρόπον | οὗτοι, παρὰ τὴν ἡµετέραν π̣ρ̣οαίρεσιν καὶ τὰ | πολλάκις ὑπὸ τῶν διοικούντων ἀκολούθως | ἡµῶν τῆι κρίσει ἐπιστελλόµενα, ὑπὲρ τοῦ µηδὲν | πλ̣εῖaν ἀ̣π̣α̣ιaτεῖν̣ αὐτοὺς τῶν γνησίων βασιλικῶν,

(20) ἐπιβάλλονται παραπράσσειν ταῖς τε ἀγροικικαῖς | καὶ χωριaκαῖς vac. ξενιζούσαις ἀπαιτήσεσι συνκατα|ριθµεῖν,

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Königin Kleopatra, die Vaterliebende Göttin, und König Ptolemaios, der auch Caesar (heißt), der Vaterliebende und Mutterliebende Gott, senden dem Strategen des Herakleopolites Grüße. Der unten angefügte Erlass soll zusammen mit der Ausführungsanweisung in griechischer und einheimischer Schrift kopiert werden. Und er soll ausgehängt werden in der Metropolis und an den bestsichtbaren Orten des Gaues, und das Andere soll entsprechend den Anordnungen geschehen. Leb’ wohl! Im 11. Regierungsjahr, am 13. Daisios, am 13. Pharmuthi. Dem Theon! Da uns diejenigen aus der Stadt, die als Landwirte im Prosopites und Bubastites tätig sind, eine Beschwerde vorgebracht haben – während der Verhandlung vom 15. Phamenoth gegen die Verwaltungsbeamten der Gaue – über die Art und Weise, wie diese (i.e. die Verwaltungsbeamten), gegen unseren Willen und die, entsprechend unserer Entscheidung, häufig ergangenen Anordnungen durch die Finanzverwaltung, betreffs der Angelegenheit, dass man von ihnen (i.e. den Klageführenden) nicht mehr einfordern darf als die vorschriftsmäßigen königlichen Steuern, versuchen, unrechtmäßigerweise Abgaben aufzubürden und eine für sie fremde landwirtschaftliche und zum Land gehörige Steuererhebung mit zu verrechnen.

39. Ein Beschluss der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kaisar 209 µεγάλως µεισοπονηρήσαντες κοινήν | τε καὶ καθολικὴν ἐπέξοδον πάντων κρείνοντες | ποιεῖσθαι, vac. προστετάχαµεν τοὺς γεωργοῦντας (25) κατὰ τὴν χώραν τῶν ἀπὸ τῆς πόλεως πάντας | µὴ γείνεσθαι συνεισφόρους τοῖς κατὰ καιροὺς | καὶ περιστάσεις ἱσταµένοις ἐν τοῖς νοµοῖς | στεφά{π}οις καὶ ταῖς ἐπιγραφαῖς µηδὲ τὰ ὑπά[ρ]|χοντα αὐτῶν εἰς τοὺς τοιούτους ἄγιν µερισµοὺς (30) µηδὲ τέλεσµα ἐπ’ αὐτῶν καινίζν, vac. διορθουµένους | δ̣ὲ̣ τὰ ἄνωθεν v. εἰς τὸ βασιλικὸν ὑποκείµενα τῆς | [τε σ]ιτοφόρου καὶ ἀµπελίτιδος σιτικὰ καὶ ἀργυρικὰ | γνήσια τελέσµατα, πρὸς µηδὲν ἕτερον καθοντινοῦν | τρόπον παρευρέσει µηδεµιᾷ παρενοχλεῖν. vac. γεινέσθω (35) οὖν ἀκολούθως καὶ προσεκτεθήτω{ι} κατὰ νοµόν.

Da wir dergleichen ganz besonders verabscheuen und wir beschlossen haben, eine allgemeine und umfassende Bestrafung aller durchzuführen, haben wir angeordnet, dass alle diejenigen von denen aus der Stadt, die in Ägypten Ackerbau betreiben, nicht abgabepflichtig sind für das Kranzgeld (stephanos) und die Erntesteuer (epigraphai), die zu gegebenen Zeiten und Notlagen in den Gauen erhoben werden, und dass man weder ihre Besitzungen mit derartigen Steuerveranlagungen belegt noch neue Steuerforderungen an sie richtet. Solange sie aber die früher für die königliche Kasse veranschlagten ordnungsgemäßen Steuern auf Getreideland und auf Weingärten, sowohl in natura als auch in bar, entrichten, soll man sie auf keine erdenkliche Art und Weise unter keinem Vorwand belästigen. Es geschehe nun dementsprechend und sei veröffentlicht in jedem Gau.

Kommentar: Neben dem ägyptischen und griechischen Recht gab es in der Ptolemäerzeit das durch den König gesetzte Recht, das unter anderem auch Einzelfälle in Form von Verordnungen regelte, den sogenannten prostagmata. Diese sind auf Papyrus oder Stein reichhaltig überliefert. In der maßgeblichen Edition der ptolemäischen Erlasse von Lenger ist die vorliegende Inschrift in zwei Einzelerlasse unterteilt, weil der Brief an den Verwaltungschef des Herakleopolites ebenfalls als eigenständige Verfügung aufzufassen ist. Der erwähnte Gau Herakleopolites liegt in Mittelägypten und schließt südlich an das Faijum an. Kleopatra VII. tritt hier gesetzgebend gemeinsam mit ihrem Sohn Ptolemaios XV. auf, der Sohn war also Mitregent der Königin (von 44 bis 30 v. Chr.). Diese Mitregentschaft eines gerade erst dreijährigen Knaben, lange vor seiner Volljährigkeit, ist auch auf einem Tempelrelief in Dendera imaginiert, wo der (natürlich erwachsen dargestellte) Pharao, vor Kleopatra stehend, das Opfer vor

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den Göttern vollzieht. Die kultische Notwendigkeit stellte also den amtierenden Pharao vor die eigentlich herrschende Mutter, die in vorliegendem Erlass vor ihrem Sohn als Gesetzgeberin agiert. Der Knabe trägt das gleiche Epitheton wie Kleopatra, doch ist sein Titel „Vaterliebender“ selbstverständlich nicht auf Ptolemaios XII., sondern auf Caesar, seinen Vater, zu beziehen. Aus diesem Grund konnten Kleopatra und Ptolemaios auch nicht als „Vaterliebende Götter“ auftreten. Das Ptolemaios Kaisar zugewiesene zweite Epitheton, der „Mutterliebende“, soll wiederum seine enge Bindung an die Mutter zum Ausdruck bringen. Kleopatra hat also versucht, ihrem Sohn eine größtmögliche, da doppelte Legitimation zuzuweisen. Die Epitheta deuten damit gleichzeitig darauf hin, dass eine neue Dynastie, die die Iulier und Ptolemäer verband, entstehen sollte (Heinen). In der literarischen Überlieferung erscheint der Sohn Caesars zumeist nicht mit seinem richtigen Namen, sondern mit dem „Scherznamen“ (Deininger) als Kaisarion. Bei Cassius Dio (XLVII 31,5) ist zu lesen: „Kleopatra aber erhielt wegen ihrer dem Dolabella geleisteten Hilfe das Recht, ihren Sohn König von Ägypten nennen zu dürfen. Dieses Kind, das sie Ptolemaios nannte, gab sie vor, von Caesar zu haben, und legte ihm daher gewöhnlich den Beinamen Kaisarion zu.“ (Übersetzung: Veh). Die tatsächliche oder nur vorgeschobene Vaterschaft Caesars wurde im propagandistischen Kampf zwischen Octavian, dem Adoptivsohn Caesars, und Marcus Antonius von eminent wichtiger Bedeutung, denn Caesar hatte in seinem Testament verfügt, dass sein Erbe an seinen leiblichen Sohn gehen sollte und nur dann, wenn er keinen hätte, Octavian der Haupterbe sein solle. Als nicht legitimer Sohn hatte Kaisarion keinen Anspruch in der Erbfolge, doch Marcus Antonius erklärte den Knaben 31 v. Chr. zum rechtmäßigen Sohn Caesars und sorgte damit ganz offen für den Bruch mit seinem Triumviratskollegen Octavian. Nach dem Sieg Octavians über Marcus Antonius war das Schicksal des 14-jährigen Knaben besiegelt, denn der Lehrer des Octavian riet ihm „Nicht von Nutzen ist die Vielkaiserei“ (Plutarch, Antonius 81,5: οὐκ ἀγαθὸν πολυκαισαρίη). Hiermit meinte er, dass es nur einen Sohn Caesars mit dem Namen Caesar, den Octavian als Imperator Caesar trug, geben könne. Und so ließ der zukünftige Augustus den Knaben umgehend umbringen. Das dem Brief hier beigefügte prostagma der Königin und ihres Sohnes mit der rechtlichen Regelung gliedert sich in verschiedene Abschnitte, die aus einem einzigen langen Satz bestehen. Zunächst rekurrieren die Herrscher auf den Grund und das Beschlussdatum ihrer Verfügung: In der Landwirtschaft tätige Bewohner einer Stadt – gemeint sein kann allein, da nicht weiter spezifiziert, Alexandria – hatten am 15. Phamenoth eine Beschwerde über die königlichen Verwaltungsbeamten vorgebracht. Allem Anschein nach waren die Bauern in den Gauen Bubastites und Prosopites von Steuereintreibern unberechtigterweise zu Sonderabgaben gepresst worden. Weshalb gerade diese beiden Gaue zusammen in einer Beschwerde auftauchen, muss offen bleiben, denn sie lagen nicht einmal nebeneinander. Der Prosopites befand sich im Südwesten des Del-

39. Ein Beschluss der Kleopatra VII. und des Ptolemaios XV. Kaisar 211 tas, der Bubastites im Südosten. Möglicherweise hatten die Beschwerdeführer in beiden Gauen Landbesitz. Wie der angestrebten Reichweite des Erlasses zu entnehmen ist, dürfte es sich um eine exemplarische Beschwerde gehandelt haben, die den Herrschern den Anlass für den gesamtägyptischen Entscheid lieferte. Umstritten ist, ob es sich bei den Beschwerdeführenden um griechische Bürger Alexandrias handelte (Bingen) oder um Alexandriner ohne Bürgerrecht der Stadt, die sich im Land niedergelassen hatten, um sich hier als Landwirte zu verdingen (Lenger u.a.). Wahrscheinlich ist der ersten Ansicht zuzustimmen, denn die Wendung „diejenigen von der Stadt“ ist sicherlich nicht als terminus technicus für „Nichtbürger aus Alexandria“ aufzufassen (Jouguet), sondern als Herkunftsangabe (Bingen), die auf das Bürgerrecht verweist. Es folgt die Begründung für das königliche Urteil, das daran anschließend mit der Aussage „haben wir angeordnet“ ausgeführt wird: Die Bürger Alexandrias sind, sofern sie ihrer üblichen Steuerpflicht nachkommen, von den gelegentlich fälligen Zusatzabgaben ausgenommen. Das prostagma (vgl. Z. 4) führt mitten in die Konflikte zwischen der königlichen Verwaltung und den Eliten Alexandrias mit Besitz in der Chora. Diese Konflikte wurden verschärft durch die Tatsache, dass es in den späten 40er Jahren auch noch zu zwei nur ungenügenden Nilschwellen gekommen war (Seneca, quaestiones naturales IV a 2,16), so dass mit einer baldigen Nahrungsmittelknappheit zu rechnen war, wie sie dann in Theben sogar zum eigenständigen Handeln der Zivilverwaltung geführt hatte (vgl. Text 40). Möglicherweise versuchte die Lokalverwaltung die wegen der fehlenden Nilschwellen zu erwartenden Mindereinnahmen an Steuern durch eine Ausweitung der Steuerpflicht und zusätzliche Abgaben abzufangen. Kleopatra hält in ihrem Erlass deshalb explizit fest, dass die Alexandriner von solchen zusätzlichen Steuern befreit sind. Daraus ergibt sich, dass der Königin besonders an einer positiven Einstellung der Alexandriner zu ihrer Herrschaft gelegen war. An ihrer Person hatte sich schließlich der alexandrinische Krieg entzündet, den Caesar gegen die Bevölkerung Alexandrias gewonnen hatte. Die Legitimation Kleopatras als Herrscherin beruhte also allein auf dem Gewaltakt Caesars, der gegen den Willen der Stadtbevölkerung entschieden hatte. So benötigte die Königin zwar dringend die Einkünfte aus dem Land für ihr außenpolitisches Handeln in den Konflikten um die Nachfolge Caesars, verzichtete aber trotzdem auf einen sicherlich nicht unerheblichen Teil von Steuern, um die Stadtbevölkerung hinter sich zu wissen. Der Königin war es wichtig, dass ihre Bestimmung von Dauer war, so dass sie die Publikation in beiden Landessprachen anordnete. Die zuständige Verwaltungsinstanz ist diesem Wunsch im vorliegenden Fall nur bedingt nachgekommen, weil man das Prostagma nicht auf Demotisch, aber zumindest auf Stein in Form einer Inschrift und nicht nur auf Papyrus veröffentlich hat (vgl. SB XVI 12821,6). Die Übersetzung einer königlichen Verfügung ins Demotische zusammen mit dem griechischen Original ist uns bisher nur ein einziges Mal überliefert. Es handelt sich um eine Asylieerklärung für den Tempel von Athribis

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(vgl. Text 34), die nicht nur ins Demotische, sondern sogar ins Hieroglyphische übersetzt wurde. Im Revenue Laws-Papyrus war eine zweisprachige, also griechisch-demotische Veröffentlichung von Urkunden durchaus von Ptolemaios II. vorgesehen worden (P.Rev. Laws Kol. IX; vgl. auch UPZ I 106,19–31 und 108,29–31). Man fragt sich freilich, weshalb ein Rechtsentscheid zugunsten der privilegierten griechischen Stadtbürgerschaft überhaupt auf Demotisch publiziert werden musste, denn sowohl die mit der Steuereinziehung betrauten Personenkreise als auch die Betroffenen waren doch wohl der Eliten- und Verwaltungssprache mächtig. Möglicherweise sollte die demotische Version diejenigen ägyptischen Bauern, die sich über eine scheinbare Benachteiligung bei der Steuereintreibung beklagten, darüber informieren, dass der niedrigere Satz für die Griechen auf königlicher Gesetzgebung beruhte und dass die Alexandriner zu Hause besteuert wurden. & P. JOUGUET, La vie municipale dans l’Égypte romaine, Paris 1911; G. LEFEBVRE, Le dernier décret des Lagides, in: Mélanges Holleaux. Recueil des mémoires concernant l’antiquité grecque offert à Maurice Holleaux en souvenir de ses années de direction à l’École Française d’Athènes (1904–1912), Paris 1913, 103–113 (ed. pr.); Cl. PRÉAUX, L’économie royale des Lagides, Brüssel 1939, 132, 184, 400, 414f. (zu den genannten Steuern); M.-Th. LENGER, Note sur ‚le dernier décret des Lagides‘, in: CdÉ 25, 1950, 324–327; M. ROSTOVTZEFF, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Darmstadt 1955, 716–721 (zur wirtschaftlichen Situation Ägyptens); H. BRAUNERT, Die Binnenwanderung. Studien zur Sozialgeschichte Ägyptens in der Ptolemäer- und Kaiserzeit, Bonn 1964, 87f. (zur Situation in der Chora); H. HEINEN, Cäsar und Kaisarion, in: Historia 18, 1969, 181–203 (zur Frage der Vaterschaft des Ptolemaios Kaisar); H. HEINEN, Eine Darstellung des vergöttlichten Iulius Caesar auf einer ägyptischen Stele? Beobachtungen zu einem mißverstandenen Denkmal (SB I 1570 = IG Fay. I 14), in: P. Kneissl/V. Losemann (Hg.), Imperium Romanum. Studien zur Geschichte und Rezeption. Festschrift für Karl Christ zum 75. Geburtstag, Stuttgart 1998, 334–345 (zur Repräsentation Kleopatras und Ptolemaios’ XV.); J. DEININGER, Kaisarion. Bemerkungen zum alexandrinischen Scherznamen für Ptolemaios XV., in: ZPE 131, 2000, 221–226; H. J. WOLFF, Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens in der Zeit der Ptolemaeer und des Prinzipats I. Bedingungen und Triebkräfte der Rechtsentwicklung, München 2002, 49–54 (zum königlichen Recht); J. BINGEN, Two Royal Ordinances of the First Century and the Alexandrinians, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Berkeley/Los Angeles 2007, 141–145; D. BUDDE, Das Götterkind im Tempel, in der Stadt und im Weltgebäude. Eine Studie zu drei Kultobjekten der Hathor von Dendera und zur Theologie der Kindgötter im griechisch-römischen Ägypten, Darmstadt/Mainz 2011, Dok. 6 a/b (zum Relief in Dendera); A. MONSON, From the Ptolemies to the Romans. Political and Economic Change in Egypt, Cambridge 2012, 172–184 (zu den Steuern auf Land).

40. Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos

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40. Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos (18.3.40 v. Chr.?) OGIS I 194 = I.Prose 46 = SB V 8334 = IGRR I 1208 = SEG XXIV 1217 = CIG III 4717 = CPI 387 = TM 6325 Burstein, Nr. 111 Standort: Turin, Ägyptisches Museum C. 1764 40. Ein Ehrendekret der P ries ter von T heben für Kall imachos

Die Priester des Tempels des Amun-Re in Karnak ehrten mit vorliegendem Dekret den Strategen Kallimachos (II.), also den Zivilverwalter des Gaues Perithebas (Theben und seine Umgebung). In der Forschung erhält Kallimachos die Nummerierung „der Zweite“, weil er Mitglied einer Familie war, die schon seit Generationen hohe Verwaltungsposten in der Region innehatte (Blasius).

Abb. 20: Giebelfeld der Stele mit dem Dekret zu Ehren des Kallimachos. Ein Pharao und eine Pharaonin mit leeren Namenskartuschen opfern vor Amun und Month; Turin, Cat. 1764, Nicola Dell’Aquila e Federico Taverni/Museo Egizio.

Das Dekret datiert in die unruhigen Jahre nach dem Tod Caesars unter der Herrschaft Kleopatras VII., die zu dieser Zeit nominell gemeinsam mit ihrem Sohn Ptolemaios Kaisar (Kaisarion) über Ägypten herrschte. Da von einer Nahrungsmittelknappheit die Rede ist, bietet sich eine Datierung in das Jahr 41 oder 40 v. Chr. an, weil Seneca (quaestiones naturales IV a 2,16) davon berichtet, dass der Nil in den beiden vorangehenden Jahren jeweils nicht ausreichend angestiegen war (Blasius). Der Text zeigt, dass die übergeordneten staatlichen Strukturen nicht mehr reibungslos funktionierten und die lokalen Verwaltungsfunktionäre aus eigenem Antrieb die Funktion des Königs übernahmen bzw. überneh-

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men mussten. Zudem weist der Text auf das enge Verhältnis der griechischen Elite zu den lokalen Kulten des Landes hin. Der Textträger ist eine wiederverwendete ägyptische Stele mit rundem Giebel (Abb. 20 und 21). Sie wurde vor dem ersten Pylon des Tempels von Karnak gefunden. Das im Neuen Reich oder in der 25. Dynastie (747–656 v. Chr.) skulptierte Giebelfeld zeigt unter einer geflügelten Sonnenscheibe die beiden Götter Amun und Month mit dem Rücken zueinander stehend. Der Rest der bildlichen Darstellung, ebenso wie der Text, ist ein Palimpsest. Nach der Tilgung des ursprünglich opfernden Pharaos hat der Überarbeiter einen neuen Pharao (wohl Ptolemaios Kaisar) beim Feldopfer vor Amun und eine Pharaonin (wohl Kleopatra VII.) beim Opfer von Lotus und einem Getränk vor Month eingraviert, die Kartuschen aber interessanterweise leer gelassen. Darunter befinden sich eine 32-zeilige griechische und eine (nicht mehr zu entziffernde) zwölfzeilige demotische Inschrift. Text und Übersetzung [βασιλευόντων Κλεοπ]άτρας θεᾶς [Φ]ιλοπάτο[ρος καὶ Π]τολεµαίου τοῦ καὶ Καίσαρος θεοῦ Φιλοπάτορος Φιλο|[µήτορος, ἔτους ιγ, Ἀρτ]εµισίου ι̅η̅ Φαµενὼθ ι̅η̅, ἔδοξε τοῖς ἀπὸ Διοσπόλεως τῆς [µ]εγάλης ἱερεῦσι τοῦ | [µεγίστου θεοῦ Ἀµο]νρασωνθὴρ καὶ τοῖς πρεσβυτέροις καὶ τοῖς ἄλλοις πᾶσι· ἐπειδὴ Καλλίµαχος ὁ συγγενὴς | [καὶ στρατηγὸς καὶ ἐπ]ὶ τῶν προσόδων τοῦ Περιθήβας καὶ [γ]υµνασίαρχος καὶ ἱπ[πάρ]χης καὶ πρότερον παρα(5)[λαβὼν ὑπ’ ἐπισφαλῶν] καὶ ποικίλων περιστάσεων κατεφθαρµένην τὴν πόλιν ἔθαλψε κηδεµονικῶς ἀνεπιβάρητο[ν | διατηρήσας αὐτὴν ἐν] τῆι πάσηι εἰρήνηι, τὰ τε τῶν µεγίστων καὶ πατρώιων θεῶν ἱερὰ εὐσεβῶς ἐξυπηρέτησε καὶ τοὺς βίους | [τῶν ἐν αὐτοῖς ἔσωσε] καὶ καθόλου πάντας, δαπανησάµενος ἀνὰ δαπά[ν]ας τοὺς ἅπαντας ἐποίησε ν̣ε̣α[νί]ζ̣ε̣ιaν̣ τ̣ε̣

„[Unter der Königsherrschaft der Kleop]atra, der Vaterliebenden Göttin, und des P]tolemaios, auch Kaisar (genannt), des Vaterliebenden Mutterliebenden Gottes, [im 13. Regierungsjahr, am 18. Art]emision, am 18. Phamenoth, beschlossen die Priester des [größten Gottes Amo]nrasonther aus Diospolis Magna sowie die Älteren und alle anderen: [Beschlussbegründung:] [1.] Da Kallimachos, im Hofrang eines Verwandten [und Stratege und Leiter] der Einkünfte des (Gaues) Perithebas und [G]ymnasiarch und Hip[par]ch, schon früher, als er die [infolge gefährlicher] Wechselfälle daniederliegende Stadt über[nommen hatte], sie fürsorglich aufgerichtet hat, indem er sie in vollem Frieden unbelastet [bewahrte], und er die Tempel der größten und heimischen Götter fromm unterstützt und den Lebensunterhalt [der in ihnen Befindlichen] und überhaupt alle [erhalten] hat; indem er für die je anfallenden Kosten aufkam (?), hat er sie alle wieder Mut fassen lassen (?) und hat alles [in

40. Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos κ̣αὶa | [εἰς τὴν ἀρχαίαν εὐ]δαιµονίαν πάντα ἤγαγεν, ἀλήθειαν µὲν καὶ δικαιοσύνην [ἰ]σχ[υρ]ὰς [ποιήσας] καὶ δὴ καὶ χρηστότητα | [παρασχών, φιλανθρωπί]αι δὲ καὶ τοῖς κατ’ εὐεργεσίαν ὑπε[ρ]βαλοῦ[σ]ι[ν] ἀεὶa π̣[αραγενό]µεν̣ος̣· [ἔ]τι δὲ καὶ ν[ῦ]ν [ — — 9 — — (10) ἐπιγιγνοµένης τῆς] σκληρᾶς σιτοδείας ἐκ τῆς γενοµένης ἀνιστορήτου ἀπορίας καὶ σχεδὸ[ν] τὴν πόλιν τρ[ι]βούσης | [ἀνάγκης ἐπι]δοὺς µεγαλοψύχως ἑαυ[τ]ὸν αὑτόκλητο[ς] ἐπὶ τῆι ἑκάστου τῶν ἐντοπίων σωτηρίαι ἐσέφερε, πονήσας | [ὥσπερ πατὴρ ὑπὲρ] οἰκείας πατρίδος καὶ τέκνων γνησίων σὺν τῆι τῶν θεῶν εὐµενείαι ἀνενλιπεῖς µὲν διηνε[κ]ῶς | [σιτίων σχεδ]ὸν πάντας πάντων ἐ[τ]ήρησεν, ἀνεπαισθήτους δὲ τῆς περιστάσεως ἐξ ἧς παρέσχεν εὐθηνίας | [διεφύλαξε]· συσχούσης δὲ τὴν οὖσαν σιτοδείαν καὶ ἐν τῶι ἐνεστῶτι ἔτει σκληροτέρας καὶ [ἀτε]λ̣ε̣υ̣[τ]ήου σιτο[δ]είας (15) [παραµεν]ούσης µιᾶι µιᾶς ἀβ[ρ]ο[χ]ίας καὶ πολὺ µᾶλλον ὡς οὐδεπώποτε τοῦ δεινοῦ καθ’ ὅλην ἐπιταθέντος | [τὴν χώραν, π]αντελῶς δὲ τῆς πόλεως κρινοµένης καὶ οὐθενὸς οὐδεµίαν ἰδία[ν ἔτι] πρὸς τὸ ζῆ[ν τε]τραφότο[ς | ἐλπίδα, π]άντων δὲ διὰ τὴν ἀπορίαν λελιποψυ[χ]ηκότων καὶ συνεγγὺς ἑκάστου παραιτου[µ]έ[ν]ου πά[ντα, οὐ|δενὸς δὲ συλλα]µβάνοντος, ἐπικαλεσάµενος τὸν καὶ τότε συµπαραστάντα αὐτῶι µέγιστον θεὸν | [Ἀµονρασωνθ]ὴρ καὶ εὐγενῶς µόνος ὑποστὰς τὸ βάρος πάλιν

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die ursprüngliche Glück]seligkeit zurückgeführt, indem er Wahrheit und Gerechtigkeit [stärkte] und vor allem auch Güte [zeigte, menschenfreundlich] und überaus wohltätig sich jederzeit [engagierend]. [2.] Und so hat er auch nun [...], als infolge des eingetretenen unerhörten Mangels [die] furchtbare Hungersnot [auftrat] und [Not] die Stadt fast aufrieb, sich großherzig und spontan für das Wohl eines jeden Einheimischen eingesetzt; sich mühend [wie ein Vater für] die eigene Vaterstadt und seine echten Kinder, hat er mit dem Wohlwollen der Götter ständig [fast] alle vor jeglichem [Nahrungs]mangel bewahrt und hat sie, ohne dass sie die Not spürten, dank der von ihm besorgten Verpflegung [erhalten]. [3.] Als der bestehende Mangel im laufenden Jahr gar durch eine noch härtere und [endlose] Hungersnot infolge [fortwährend] aufeinanderfolgender Trockenheit fortgesetzt wurde und darüber hinaus wie noch nie zuvor das Übel sich über das ganze [Land] ausdehnte und sich die Stadt vollends in einer Krise befand und niemand mehr sich irgendeine persönliche [Hoffnung] auf Leben machte, denn allen schwand die Kraft infolge Mangels und jeder Nahestehende verhielt sich [in allem] ablehnend (?) [und niemand empfing (?)], da rief er (d.h. Kallimachos) den auch damals ihm zur Seite stehenden größten Gott [Amonrasonth]er zu Hilfe, schulterte hochherzig allein die Last und erstrahlte wiederum alle[n] wie ein leuchtender

216 ὥσπερ λαµπρὸς ἀστὴρ καὶ δαίµων ἀγαθὸς (20) [τοῖς ἅπασι]ν ἐπέλαµψε· τὸν γὰρ ἑαυτοῦ βίον ὁλοσχερῶς ἀνέθετο τοῖς χρῆσθαι βουλοµένοις, ἐπιφa[αν]νέστα[τα δὲ | καλῶς ἐβοήθησεν] τοῖς κατοικοῦσι τὸν Περιθήβας καὶ διαθρέ[ψ]ας καὶ σώσας πάντας σὺν γυναιξὶ καὶ τέκνοις καθάπερ ἐ[κ | ζάλης καὶ ἀντι]πάλων χειµώνων εἰς εὐδινοὺς λιµένας ἤγαγεν· τὸ δὲ πάντων πρῶτον καὶ µέγιστον τῆς | [...]ν ἐπιµελείας τῶν εἰς τὸ θεῖον ἀναπεµποµένων πάντων ὡς ἔνι κράτιστα εὐσεβῶς καὶ ἀγ[ρ]ύπνως | [ὑπὲρ τῶν ἱερῶν ἐφ]ρόντισεν, ὥστε ἀφ’ ὅου ὁ πατὴρ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ Καλλιµάχου τοῦ συγγενοῦς καὶ ἐπιστρατήγου (25) [ἀνενεώσατο αὐτὰς ποι]ηθῆναι τὰς τῶν κυρίων θεῶν κωµασίας καὶ πανηγύρεις εὖ µάλα ὁσίως καὶ [κ]α[λ]ῶς ὥσπε[ρ] ἐπὶ τῶν | [ἀρχαίων χρόνων· ἀ]γαθῆι τύχηι· προσαγορεύεσθαι µὲν αὐτὸν σωτῆρα τῆς πόλεως, ἥ ἐστιν ἀρχεῖον, ὃ στα̣[µίο]ν, | [ἀναθεῖναι δὲ αὐτοῦ ἐν] τῆι γενεσίωι ἡµέραι ἐν ἐπισήµοις τόποις τοῦ ἱεροῦ τοῦ µεγίστου θεοῦ Ἀµονρασωνθὴρ | [τρεῖς εἰκόνας αὐτοῦ, µίαν] µὲν τοὺς ἱερεῖς ἐκ σκληροῦ λίθου, δύο δὲ τὴµ πόλιν, ἣν µὲν χαλκῆν, ἣν δὲ [ὁ]µοίως σκληρόλιθον, | [ἄγειν δὲ κατ’ ἐνιαυτὸν ἐ]πώνυµον τὴν αὐτὴν ἡµέραν καὶ θύειν τοῖς κυρίοις θεοῖς καὶ στεφανη[φ]ορεῖν καὶ εὐωχεῖσθαι (30) [καθάπερ νόµιµόν ἐστιν], τὸ δὲ ψήφισµα ἀναγράψαι εἰς στήλην λιθίνην τοῖς τε ἑλλη-

Texte Stern und guter Daimon, denn sein eigenes Vermögen setzte er vollständig für jene ein, die (davon) Gebrauch zu machen wünschten; in der glänzendsten Weise [half er] den Einwohnern des Perithebas und, indem er sie alle mit ihren Frauen und Kindern nährte und erhielt, führte er sie wie aus [Unwetter und feind]lichen Stürmen in ruhige Häfen. [4.] Doch von allen das erste und größte [... (?)] Fürsorge, kümmerte er sich so fromm und unermüdlich wie möglich um alles, was das Göttliche betrifft, so dass, seit der Vater seines Vaters Kallimachos, im Hofrang eines Verwandten und Epistrategos, [sie erneuert hatte,] die Umzüge und Feste der Herren Götter in reinster und schönster Weise wie zu [alten Zeiten] begangen wurden. [Beschluss:] Auf gutes Glück! Man soll ihn deshalb zum Retter der Stadt erklären, die Residenz ist [...? man soll von ihm errichten an] seinem Geburtstag an hervorgehobenen Stellen des Tempels des größten Gottes Amonrasonther [drei Standbilder, eines davon] die Priester aus Hartstein, zwei die Stadt, davon eines aus Bronze, eines gleichfalls aus Hartstein. [Jährlich soll man] diesen Tag als eponymen [begehen,] den Herren Göttern opfern, sich bekränzen und feiern, [wie es Brauch ist]. [Veröffentlichungsbestimmungen:] Den Beschluss soll man in griechischen wie auch einheimischen Buchstaben auf

40. Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos νικοῖς καὶ ἐγχωρίοις γράµµασι, | [καὶ ἀναθεῖναι αὐτὴν ἐπὶ] τῆς κρηπῖδος τοῦ αὐτοῦ ἱεροῦ, ὡς καὶ δηµοσίαι τέτευχεν αὐτὸς τῆς παρὰ τοῦ µεγίστου θεοῦ | [Ἀµονρασωνθὴρ εὐµενείας, ὅ]πως εἰς τὸν αἰῶνα αἰείµνηστοι αὐτῶι ὦσιν αἱ εὐεργεσίαι.

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eine steinerne Stele aufschreiben [und diese aufstellen auf] der Terrasse des gleichen Tempels, da er (d.h. Kallimachos) ja auch öffentlich die [Gunst] seitens des größten Gottes [Amonrasonther] erlangt hat, damit (seine) Wohltaten ihm für alle Zeiten unvergessen bleiben.“ Übersetzung: nach H. Heinen

Kommentar: Das typisch griechische Dekret beginnt mit einer Datierung und der Nennung der beschlussfassenden Gruppen: Es handelt sich um die Priester des Amun-Re, König der Götter, sowie „Ältere“ und „alle anderen“, womit die Stadtführung von Theben gemeint sein dürfte. Dann folgt eine Begründung für die Ehrung und die Ehrung selbst, eingeleitet mit der Wendung „auf gutes Glück“. Am Ende finden sich noch die Veröffentlichungsbestimmungen, was zeigt, dass das Dekret gleichzeitig auch ein Protokoll der beschlussfassenden Sitzung war. Kallimachos hatte in Theben die höchste Verwaltungsposition inne, unterstand aber dem Epistrategen der Thebais, also dem Vorsteher Oberägyptens. Neben seiner obersten Verwaltungstätigkeit war Kallimachos auch für die Einkünfte des Gaus zuständig. Seine Zugehörigkeit zur griechischen Elite erkennt man vor allem daran, dass er das recht kostenintensive Amt eines Gymnasiumsvorstehers (Gymnasiarch) ausübte. Das betreffende Gymnasium könnte sich in der griechischen Polis Ptolemais befunden haben, die wohl auch gleichzeitig die Heimatstadt seiner Familie war. Die Beschlussfassenden präsentieren Kallimachos II. in ihrer Antragsbegründung als einen Mann, der allen Vorgaben, die auch ein Pharao zu erfüllen hat, nachkommt. Wie einem Pharao kommt ihm dabei sogar die Gottheit zu Hilfe. Hierzu gliedern sie ihre Begründung in vier Abschnitte. Der erste Abschnitt würdigt die allgemeinen Leistungen des Strategen: Er hat die Stadt wieder aufgerichtet, den Frieden bewahrt, die Tempel unterstützt und die Priesterschaften mit Einkünften versehen. Alles befindet sich nun wieder in wohlgeordneten Verhältnissen; mit ägyptischen Worten könnte man sagen, dass Kallimachos auf lokaler Ebene Maat, also die gute Weltordnung, hergestellt hat. Der zweite und dritte Teil berichten von einer Zeit des Nahrungsmangels, während der Kallimachos sich um die lokale Bevölkerung kümmerte. Es müssen sich mehrere aufeinanderfolgende niedrige Nilfluten ereignet haben, die zu erheblichen Nahrungsmittelengpässen geführt hatten. Das Thema Hungersnot war in Ägypten von alters her allgegenwärtig. Aufgabe eines guten Pharaos war es, im Falle einer Hungersnot für die Untertanen zu sorgen und die Götter zufriedenzustellen, damit diese den Nil wieder in ausreichendem Maße anschwellen ließen (vgl. die Hungersnotstele (Peust), die sieben Jahre der Dürre in der Mosesge-

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schichte und Text 14). Kallimachos konnte den Gau vor der Hungersnot mit Hilfe des Hauptgottes von Karnak Amonrasonther, was die griechische Wiedergabe der ägyptischen Wendung Imn-Ro-nswt-nTr.w (Amun-Re-König-derGötter) ist, bewahren. Im vierten Abschnitt betonen die Beschlussfassenden schließlich, dass mit Hilfe des Kallimachos der geregelte Kult in ihrem thebanischen Tempel wieder möglich war. In der Forschung diskutiert man, ob Kallimachos mit seinem Handeln die Stellung eines Königs beansprucht und sich vom Ptolemäerstaat lösen wollte (vgl. Hutmacher). Hierauf hindeuten könnte die Tatsache, dass die Kartuschen im Giebelfeld der Stele leer geblieben sind, Kallimachos sich also eine ähnliche Position anmaßte wie einst der Satrap und spätere erste Ptolemäer in der Satrapenstele des Jahres 311 v. Chr. (vgl. Blasius). Andere sehen im Handeln des Kallimachos hingegen die Aktionen eines loyalen Staatsbeamten (Heinen). Mit großer Wahrscheinlichkeit ist letzterer Auffassung zuzustimmen, denn die von Kallimachos vollbrachten Wohltaten sind zwar solche, die auch Aufgabe eines Pharaos sind, gleichzeitig entsprechen sie aber auch dem Handlungsideal eines guten ägyptischen Beamten, wie wir es in den ägyptischen Lebenslehren und vor allem in spätzeitlichen Biographien kennenlernen. Ein guter Beamter wie der Priester Djed-Hor aus Tanis (3./2. Jh. v. Chr.; Gorre, Nr. 80, ebenso der Priester Hor Nr. 41) kann sich deshalb sogar selbst als „Nil seiner Stadt, wenn die beiden Länder in Trockenheit sind“ bezeichnen. Wenn also Kallimachos zugunsten seines Gaues eingreift, dann kommt er schlichtweg seiner Pflicht nach und erhält im Gegenzug den Ruhm, den sich auch seine indigenen Vorgänger stets wünschen: eine gute Erinnerung im Gedächtnis der Nachwelt (Caneva/Pfeiffer). Der Beschluss sieht aufgrund der genannten Leistungen des Kallimachos vor, ihn mit Statuen zu ehren. Wir sehen hier, dass nicht nur die Priesterschaft von Theben an diesem Beschluss beteiligt war, sondern auch die Stadt, denn die eingangs erwähnten „Älteren und alle anderen“ dürften das Gemeinwesen Theben repräsentieren. Polis bezeichnet in diesem Fall aber nicht die Stadt im Sinne eines griechisch verfassten Gemeinwesens, sondern die ägyptische Siedlung von Theben, die, wie alle Gauhauptstädte im ptolemäischen Ägypten, kein griechisches Stadtrecht besaß. Der Geburtstag des Kallimachos wurde zu einem „eponymen“ Tag erklärt, gab also dem Tag des Jahres seinen Namen, und sollte mit einem jährlichen Fest verbunden werden (vgl. Text 25). Anders als es bei den ptolemäischen Synodaldekreten (vgl. Text 13, 14 und 22) der Fall war, erhielt Kallimachos aber keinen eigenen Kult, denn der Kult wurde „den Herren Göttern“, also für die Prinzipalgottheiten von Theben, durchgeführt. Das Dekret sollte in zwei Sprachen auf der Terrasse des Tempels, also dort, wo alle Menschen anlässlich öffentlicher Tempelfeste und -prozessionen hinkommen konnten, aufgestellt werden. Der Fundort der Stele vor dem ersten Pylon von Karnak zeigt, dass das auch geschehen ist.

40. Ein Ehrendekret der Priester von Theben für Kallimachos

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Abb. 21: Stele mit dem Dekret zu Ehren des Kallimachos. Der griechische und der demotische Text sind deutlich als Palimpsest zu erkennen. Turin, Cat. 1764, Nicola Dell’Aquila, Federico Taverni/Museo Egizio.

& M. VANDONI, Feste pubbliche e private, Mailand 1964, Nr. 5; R. HUTMACHER, Das Ehrendekret für den Strategen Kallimachos, Meisenheim am Glan 1965 (ausführliche Edition); J. D. THOMAS, The Epistrategos in Ptolemaic and Roman Egypt I. The Ptolemaic Epistrategos, Opladen 1975, 106–108 (zur Karriere); L. M. RICKETTS, The Epistrategos Kallimachos and a Koptite Inscription: SB V 8036 Reconsidered, in: Ancient Society 13/14, 1982/1983, 161–165; A. FARID, Fünf demotische Stelen aus Berlin, Chicago, Durham, London und Oxford mit zwei demotischen Türinschriften aus Paris und einer Bibliographie der demotischen Inschriften, Berlin 1995, 223, Nr. 18, 619; 301; Nr. 57, 19; A. BLASIUS, Army and Society in Ptolemaic Egypt. A Question of Loyalty, in: APF 47, 2001, 90–98; C. PEUST, Hungersnotstele, in: G. Wilhelm/B. Jankowski (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge, Band 1. Texte zum Rechts- und Wirtschaftsleben, Gütersloh 2004 (Übersetzung der Hungersnotstele); S. P. VLEEMING, Some Coins of Artaxerxes and Other Short Texts in the Demotic Script Found on Various Objects and Gathered From Many Publications, Löwen u.a. 2001, Nr. 156 (zum Demotischen auf der Stele); H. HEINEN, Hunger, Not und Macht. Bemerkungen zur herrschenden Gesellschaft im ptolemäischen Ägypten, in:

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Texte

Ancient Society 36, 2006, S. 13–44 = HEINEN., Kleopatra-Studien. Gesammelte Schriften zur ausgehenden Ptolemäerzeit, Konstanz 2009, 258–287 (Text, Übersetzung, grundlegende Interpretation, Literatur); G. GORRE, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009; A. BLASIUS, Die lokalen Eliten im ptolemäischen Ägypten, in: B. Dreyer/P. F. Mittag (Hg.), Lokale Eliten unter den hellenistischen Königen. Zwischen Kooperation und Konfrontation, Berlin 2011, 179– 181 (zum Kontext); A. BLASIUS, Die Familie der Kallimachoi – griechische Elite im ägyptischen Kontext, in: L. Morenz/A. El Hawary, Weitergabe. Festschrift für die Ägyptologin Ursula Rößler-Köhler zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 2015, 74–102; S. P. VLEEMING, Demotic Graffiti and other Short Texts gathered from Many Publications (Short Texts III 1201–2350), Löwen u.a. 2015, Nr. 2265 (neuer demotischer Text mit Nennung des Kallimachos); St. CANEVA/St. PFEIFFER, Strategos Kallimachos II of the Thebaid: The honors for a royal local official in the context of the epigraphical records from the Hellenistic world (in Vorbereitung).

41. Eine Statue des Marcus Antonius in Alexandria (28. Dezember 34 v. Chr.) I.Alex. ptol. 36 = SB V 8777 = SEG XVIII 641 = OGIS I 195 = IGRR I 1054 = CPI 60 = TM 6366 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 10 41. Eine Statue des M arcus Antonius in Alexand ria

Nach der Ermordung Caesars ließ Kleopatra in Alexandria eine große Kultanlage, ein Heroon (Cassius Dio LI 15,5), für ihren Liebhaber errichten. Unter Augustus wurde die Anlage in einen Tempel des Kaiserkultes umgewandelt (vgl. Text 43; Heinen). Bei Ausgrabungen auf dem Gelände dieses ehemaligen Caesareums fand man die vorliegende Statuenbasis, auf deren Oberseite noch die Standspuren des Dargestellten zu sehen sind. Es handelt sich um ein Palimpsest (Crowther, CPI). Text und Übersetzung Ἀντώνιον µέγαν | ἀ̣µίµητον φροδισίοις | Παράσιτος τὸν ἑαυτοῦ θεὸν | κ̣αὶ εὐεργέτην, (ἔτους) ιθ τοῦ κ(αὶ) δ̅, (5) Χοιὰχ κ̅θ.̅

„Den großen Antonius (i.e. seine Statue), unnachahmlich in den Dingen der Aphrodite, (hat) Parasitos als seinen eigenen Gott und Wohltäter (geweiht). 19. Regierungsjahr, das auch das 4. ist, am 29. Choiak.“

Kommentar: In der Propaganda des Octavian, des späteren Kaisers Augustus, erscheint Marcus Antonius in denkbar schlechtem Licht. In einer Rede vor der Entscheidungsschlacht von Actium im Jahr 31 v. Chr. soll Octavian seine Soldaten unter anderem mit folgenden Worten auf die Konfrontation eingestimmt haben: „Wem kämen nicht die Tränen ..., wenn er erleben muss, dass dieser Mensch jetzt sämtliche Lebensformen seiner Vorfahren abgelegt und dafür allen fremden und barbarischen Sitten nachgeeifert hat, dass er weder uns noch unse-

41. Eine Statue des Marcus Antonius in Alexandria

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ren väterlichen Göttern Ehre erweist, jenem Frauenzimmer (i.e. Kleopatra) aber wie einer Art Isis oder Selene huldigt ...? Und schließlich hat er selbst die Beinamen Osiris und Dionysos angenommen.“ (Cassius Dio L 25; Übersetzung: Veh). Wie war es dazu gekommen und beruhten diese Anschuldigungen auf Tatsachen? Nachdem Marcus Antonius 41 v. Chr. als Sieger über die Caesarmörder in den hellenistischen Osten des Römischen Reiches gegangen war, zeigte er dort in der Tat offen seine Vorliebe für die fremden Kulte und übernahm gerne das von den Römern (offiziell) verachtete luxuriöse Leben der hellenistischen Könige, deren Herrscherideal die tryphé war, also das Zurschaustellen des üppigen Lebens und Reichtums. Die mythischen Vorbilder des Marcus Antonius waren Herakles und Dionysos, und in gleicher Weise wie die hellenistischen Könige wurde der Römer auch in den hellenistischen Herrscherkult integriert. Er ließ sich Junger/Neuer Dionysos – Neos Dionysos (vgl. IG II 12, 1043,23) – nennen und trat damit als solcher in die Fußstapfen Ptolemaios’ XII., des Vaters der Kleopatra. So inszenierte sich Marcus Antonius bereits 41 v. Chr., nach dem Sieg über die Caesarmörder bei Pharsalos, bei seinem Einzug in Ephesos als siegreich von einem Feldzug heimkehrender Dionysos: „Als er in Ephesos einzog, gingen Frauen als Bakchantinnen, Männer und Knaben als Satyrn und Pane kostümiert vor ihm her, von Efeu und Thyrsosstäben, vom Klang von Saiteninstrumenten, von Schalmeien und Flöten war die Stadt erfüllt, und ihn selber priesen sie als Dionysos den Freudenbringer, den Huldreichen.“ (Plutarch, Antonius 24; Übersetzung: Ziegler). Die von Marcus Antonius nach Tarsos bestellte Kleopatra kam ihm als Aphrodite entgegen, und unter diesen Auspizien gingen beide ein Bündnis ein, das nicht nur politischer Natur war. Im Jahr 34 v. Chr., nur wenige Monate vor der Weihung der vorliegenden Inschrift, feierten beide schließlich, nach dem Sieg über Armenien, eine rauschende Triumphfeier in Alexandria (Plutarch, Antonius 54; Cassius Dio XLIX 41), und aufgrund seiner Schenkungen an die Königin und der Anerkennung ihres Sohnes mit Iulius Caesar, Kaisarion, brach Antonius vollends mit Octavian. Man kann sich also gut vorstellen, dass folgende Beschreibung des Velleius Paterculus zutrifft (historia Romana II 82,4): „Zuvor hatte er sich noch ‚den neuen Dionysos‘ nennen lassen. Mit Efeu bekränzt, mit einem goldenen Kranz geschmückt, den Thyrsosstab in der Hand und den Jagdstiefel (des Dionysos) an den Füßen, so war er auf einem Prozessionswagen wie Dionysos durch Alexandria gefahren.“ Mit dem Beinamen Neos Dionysos verband Marcus Antonius sicherlich den Wunsch und das Streben, wie ein zweiter Alexander der Große in der Nachfolge des Dionysos den Orient zu erobern. Aber auch das Leben in dionysischen Genüssen spielte eine wichtige Rolle. So schreibt ihm Plinius gar eine Schrift über die Trunkenheit zu (naturalis historia XIV 22): „Der (i.e. Marcus Antonius) nämlich hatte ... sogar ein Buch ‚Über die Trunkenheit‘ veröffentlicht, worin er sich zu verteidigen wagte, aber, wie ich wenigstens meine, deutlich machte, wieviel Unglück er durch seine Trunkenheit über die Welt gebracht hat.

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Knapp vor der Schlacht bei Actium gab er dieses Buch von sich, woraus man leicht ersehen kann, wie er, schon berauscht vom Blut der Bürger, um so mehr danach dürstete.“ (Übersetzung: König/Winkler). Der Genuss von Alkohol war für die Römer grundsätzlich nichts Verwerfliches, doch das Übermaß war es, das Marcus Antonius schlecht erscheinen ließ. Das Gleiche gilt für die Sexualität, die im Übermaß letztlich zur Unterwerfung unter die Frau, also Kleopatra, führte (Russell). Die vorliegende Inschrift tritt nun eventuell als Zeitzeuge neben die negative Schilderung des Marcus Antonius in den Quellen späterer Zeit, die durch die negative Propaganda des Augustus geprägt sind, und bestätigt damit in gewisser Weise die enge Verbindung, die Marcus Antonius zu Dionysos und auch zum sexuellen Vergnügen, den „Dingen der Aphrodite“, gesucht hat. Der Stifter preist Marcus Antonius zudem als seinen Gott und Wohltäter. Diese Attribuierung ist aus den Papyri und Inschriften der Zeit im Kontext des Herrscherkultes gut bekannt (vgl. OGIS I 283,10; I.Salamis XIII 135,4; BGU XVI 2600, 2600 und 2604). Durch die Angabe „seinen eigenen“ drückt der Stifter Parasitos seine besonders enge Bindung an Marcus Antonius aus. Der ansonsten nicht belegte Name Parasitos – „der, der auf Kosten des Gastgebers isst/der Schmarotzer“ – ist in diesem Zusammenhang vielleicht sogar aussagekräftig, denn es könnte sich um einen Sklaven oder Freigelassenen des Marcus Antonius handeln, dessen „mitessende“ Position an der Tafel seines Herren in seinem Namen zum Ausdruck kommen sollte. Das größte Problem einer solchen Interpretation der Inschrift besteht aber eben darin, dass der Personenname Parasitos ansonsten nicht belegt ist. So besteht die Möglichkeit, dass ein Steinmetzfehler vorliegt, der Graveur also beim Wort aphrodisiois das letzte Iota, das auf dem Stein aber sicher zu lesen ist, zuviel eingemeißelt hat. Streicht man dieses Iota (wie jetzt auch in CPI 60 mit Verweis auf eine Steinschreiberkorrektur), dann wäre Aphrodisios als Personenname zu lesen, Parasitos wiederum als der Titel eines Teilnehmers von Kultmahlen oder aber als Kostgänger am Herrscherhof (vgl. Vössing) zu verstehen. So wäre zu übersetzen: „Den großen, unvergleichlichen Antonius (hat) Aphrodisio{i}s, der Tischgenosse, (gestiftet) ...“. (Chauveau, CPI). Die Inschrift wäre dann vielleicht im Kontext des von Plutarch (Antonius 28,2) erwähnten Vereins der Amimetobioi, von „unnachahmlichen Lebenskünstlern“, zu verorten: „Sie (i.e. Kleopatra und Antonius) hatten da eine Vereinigung, die sich Amimetobioi, ‚die Unnachahmlichen‘, nannte, sie bewirteten einander Tag für Tag und betrieben geradezu einen unglaublichen Aufwand.“ Auch diese Lösung ist jedoch eine Scheinlösung, denn titular ist das häufig zudem noch negativ konnotierte parasitos ebensowenig belegt wie der Personenname, so dass vielleicht besser der Inschrift selbst zu glauben ist – als Name ist schließlich zumindest Parasitas in I.Knidos 606 zu finden. & K. SCOTT, Octavian’s Propaganda and Antony’s de sua ebrietate, in: Classical Philology 24, 1929, 133–141; J. TONDRIAU, Les thiases dionysiaques royaux de la cour pto-

42. Die Offenbarung der Isis auf einer Stele aus Kyme

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lémaïque, in: CdÉ 41, 1946, 149–171 (zu den Kultgenossenschaften); P. M. FRASER, Marc Antony in Alexandria – a Note, in: JRS 47, 1957, 71–73; L. CERFAUX/J. TONDRIAU, Le culte des souverains dans la civilisation gréco-romaine, Paris 1957, 295–306; F. TAEGER, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes II, Stuttgart 1960, 89–101 (zur Adaption des Herrscherkultes durch Marcus Antonius); D. KIENAST, Augustus und Alexander, in: Gymnasium 76, 1969, 430–456 (auch zur Selbstdarstellung des Marcus Antonius); H. HEINEN, Vorstufen und Anfänge des Herrscherkultes im römischen Ägypten, in: ANRW II 18,5 (1995), 3155–3160 (zu Marcus Antonius und Ägypten); Th. SCHRAPEL, Das Reich der Kleopatra. Quellenkritische Untersuchungen zu den ‚Landschenkungen‘ Mark Antons, Trier 1996, 240–242 (Text, Übersetzung, Kommentar der Inschrift); B. F. RUSSELL, The Emasculation of Antony: The Construction of Gender in Plutarch’s Life of Antony, in: Helios 25, 1998, 121–137; P. HIGGS, Nr. 213, in: S. Walter/P. Higgs (Hg.), Cleopatra of Egypt. From History to Myth, London 2001, 232 (Abbildung des Steins); M. CHAUVEAU, Cleopatra. Beyond the Myth, Ithaca/London 2002 (franz. Orig. 1998); K. VÖSSING, Mensa Regia. Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München/Leipzig 2004, 92–100 (zum Gebrauch des Begriffes Parasitos beim königlichen Bankett); F. HERKLOTZ, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main 2007, 87–102; H. HALFMANN, Marcus Antonius, Darmstadt 2011 (aktuelle Biographie).

42. Die Offenbarung der Isis auf einer Stele aus Kyme/Aiolis (spätes 1. Jh. v. Chr./1. Jh. n. Chr.) IG XII Suppl. 14 = I.Kyme 41 = Totti, Texte, 1 = RICIS 302/0204 Burstein, Nr. 112; TUAT N.F. 7 V 1 Standort: Museum von Izmir n.n. 42. Die Offenbaru ng der Is is auf eine r Stele aus Kyme

In hellenistischer Zeit kam der ägyptischen Göttin Isis eine weit über Ägypten hinausreichende Bedeutung zu, das Bild und die Funktion der Göttin lösten sich in der antiken Welt jedoch mehr und mehr von der traditionellen Isisfigur. Isis wurde vielmehr zu einer hellenistischen Panthea (Allgöttin), die insbesondere Aspekte der Demeter und Aphrodite aufwies (Malaise). Auch in Ägypten selbst erhielt die Göttin, wie es die demotischen Texte zeigen, einen universalen Charakter. Es sind mehrere griechische, aber auch demotische und hieroglyphische Texte überliefert, in denen Isis in der Ich-Form selbstoffenbarend auftritt. Heute nennt man diese Textform Isisaretalogie. Da die Göttin in den Texten ihre gesamte Machtfülle verkündet, meinen manche, dass der Begriff Aretalogie, der eigentlich eine Aufzählung von Einzelwundern bezeichnet, nicht zutreffend sei. Da sich der Begriff Isisaretalogie in der Forschung aber eingebürgert hat, bleiben viele bei dieser Bezeichnung (Grandjean). Der vorliegende Text stammt von einer im Isisheiligtum der kleinasiatischen Stadt Kyme gefundenen Stele ungewisser Datierung (1. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.). Er ist in sieben Textzeugen aus Hafenstädten des Mittelmeeres überliefert: Neben Kyme sind das die Isistempel von Thessalonike (RICIS 113/0545, 1./2. Jh. n. Chr.), der Insel Ios (RICIS 202/1101, 3. Jh. n. Chr.) und Kassandreia (RICIS Suppl. 113/1201, 2. Jh. n. Chr.); zudem sind Fragmente aus Telmessos

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Texte

(RICIS 306/0201, 1. Jh. v. Chr.?) erhalten. In Maroneia (RICIS 114/0202, spätes 2. Jh. v. Chr.) und auf Andros (RICIS 202/1801, 1. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.) liegen die Aretalogien ebenfalls vor, doch ist hier aus der Selbstaussage eine Ansprache im Sinne „Du bist Isis“ geworden (Martzavou). Auch Diodor (I 27,3–5) überliefert einen Teil des Inhalts (s.u.). Es ist davon auszugehen, dass die Isisaretalogie in dieser oder ähnlicher Form in zahlreichen außerägyptischen Isisheiligtümern aufgestellt war (Merkelbach) und auf eine Urversion aus dem frühen, nach neuerer Ansicht späteren Hellenismus (Moyer) zurückgeht. Eine häufig diskutierte Frage ist die, ob die Aretalogien eher auf eine griechische (Festugière, Nock) oder ägyptische (Harder, Bergman, Quack) Vorlage zurückzuführen sind. Text und Übersetzung [§1] Δηµήτριος Ἀρτεµιδώρου ὁ καὶ Θρασέας Μάγνη[ς] | ἀπὸ Μαιάνδρου Ἴσιδι εὐχήν· | [§2] τάδε ἐγράφηι ἐκ τῆς στήλης τῆς ἐν Μέµφει, ἥτι|ς ἕστηκεν πρὸς τῷ Ἡφαιστιήωι· [§3] Εἶσις ἐγώ εἰ(5)µι ἡ τύραννος πάσης χώρας· [§3a] καὶ ἐπαιδεύθην ὑπ[ὸ] | Ἑρµοῦ [§3b] καὶ γράµµατα εὗρον µετὰ Ἑρµοῦ, τά τε ἱερὰ | καὶ τὰ δηµόσια γράµµατα, ἵνα µὴ ἐν τοῖς αὐτοῖς | πάντα γράφηται. [§4] ἐγὼ νόµους ἀνθρώποις ἐθέµην, | καὶ ἐνοµοθέτησα ἃ οὐθεὶς δύναται µεταθεῖναι. (10) [§5] ἐγώ εἰµι Κρόνου θυγάτηρ πρεσβυτάτηι. [§6] ἐγώ εἰµι γ[υ]|νὴ καὶ ἀδελφὴ Ὀσείριδος βασιλέως. [§7] ἐγώ εἰµι ἡ καρπὸν | ἀνθρώποις εὑροῦσα. [§8] ἐγώ εἰµι µήτηρ Ὥρου βασιλέως. | [§9] ἐγώ εἰµι ἡ ἐν τῷ τοῦ Κυνὸς

„[§1] Demetrios, Sohn des Artemidoros mit dem Beinamen Thraseas, aus Magnesia am Mäander, (weiht es) der Isis als Erfüllung eines Gelübdes. [§2] Dieses wurde kopiert nach der Stele in Memphis, die beim Tempel des Hephaistos (= Ptah) steht: [§3] Ich bin Isis, die Herrin jedes Landes. [§3a] Ich wurde von Hermes (= Thot) erzogen, [§3b] und ich habe mit Hermes die Schrift erfunden, sowohl die Hieroglyphen als auch die demotische Schrift, damit nicht alles mit denselben (Schriftzeichen) geschrieben werde. [§4] Ich habe den Menschen Gesetze gegeben und Gesetze erlassen, die niemand abändern kann. [§5] Ich bin die älteste Tochter des Kronos (= Geb). [§6] Ich bin die Gattin und Schwester des Königs Osiris. [§7] Ich bin es, die für die Menschen die Feldfrucht gefunden hat. [§8] Ich bin die Mutter des Königs Horus. [§9] Ich bin es, die im Sternbild des

42. Die Offenbarung der Isis auf einer Stele aus Kyme ἄστρῳ ἐπιτέλλουσα. [§10] ἐγώ | εἰµι ἡ παρὰ γυναιξὶ θεὸς καλουµένη. [§11] ἐµοὶ Βούβαστος (15) πόλις ᾠκοδοµήθη. [§12] ἐγὼ ἐχώρισα γῆν ἀπ’ οὐρανοῦ. | [§13] ἐγὼ ἄστρων ὁδοὺς ἔδειξα. [§14] ἐγὼ ἡλίου καὶ σελήνη[ς] | πορέαν συνεταξάµην. [§15] ἐγὼ θαλάσσια ἔργα εὗρον. [§16] ἐ|γὼ τὸ δίκαιον ἰσχυρὸν ἐποίησα. [§17] ἐγὼ γυναῖκα καὶ ἄνδρα | συνήγαγον. [§18] ἐγὼ γυναικὶ δεκαµηνιαῖον βρέφος εἰς (20) φῶς ἐξενεγκεῖν ἔταξα. [§19] ἐγὼ ὑπὸ τέκνου γονεῖς | ἐνοµοθέτησα φιλοστοργῖσθαι. [§20] ἐγὼ τοῖς ἀστόρ|γς γονεῦσιν διακειµένοις τειµωίαν ἐπέθηκα. | [§21] ἐγὼ µετὰ τοῦ ἀδελφοῦ Ὀσίριδος τὰς ἀνθρωποφα|γίας ἔπαυσα. [§22] ἐγὼ µυήσεις ἀνθρώποις ἐπέδε[ι](25)ξα. [§23] ἐγὼ ἀγάλµατα θεῶν τειµᾶν ἐδίδαξα. [§24] ἐγὼ | τεµένη θεῶν ἱδρυσάµην. [§25] ἐγὼ τυράννων κατέλυσα. [§26] ἐγὼ φόνους ἔπαυσα.

ἀρ|χὰς

[§27] ἐγὼ στέρ|γεσθαι γυναῖκας ὑπὸ ἀνδρῶν ἠνάγκασα.

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Hundes (= des Sirius/Sothis) aufgeht. [§10] Ich bin es, die bei den Frauen die (eine) Göttin genannt wird. [§11] Mir wurde die Stadt Bubastos erbaut. [§12] Ich bin es, die den Himmel von der Erde getrennt hat. [§13] Ich habe den Sternen den Weg gewiesen. [§14] Ich habe die Fahrt der Sonne und des Mondes angeordnet. [§15] Ich habe das seemännische Handwerk erfunden. [§16] Ich habe die Gerechtigkeit mächtig gemacht. [§17] Ich habe Frau und Mann zusammengeführt. [§18] Ich habe festgesetzt, dass die Frau das Kind nach zehn Monaten ans Licht bringt. [§19] Ich habe das Gesetz erlassen, dass die Eltern vom Kind geliebt werden. [§20] Ich habe denen, die sich gegen die Eltern lieblos verhalten, Strafe auferlegt. [§21] Ich habe mit meinem Bruder Osiris die Menschenfresserei beendet. [§22] Ich habe den Menschen die Einweihungsriten gezeigt. [§23] Ich habe gelehrt, die Götterbilder zu ehren. [§24] Ich habe heilige Bezirke der Götter geweiht. [§25] Ich habe die Herrschaften der Tyrannen beseitigt. [§26] Ich habe dem Morden ein Ende gesetzt. [§27] Ich habe erzwungen, dass die Frauen von den Männern geliebt werden.

226 [§28] ἐγὼ | τὸ δίκαιον ἰσχυρότερον χρυσίου καὶ ἀργυρίου ἐποίη(30)σα. [§29] ἐγὼ τὸ ἀληθὲς καλὸν ἐνοµο[θέ]τησα νοµίζε[σ]|θαι. [§30] ἐγὼ συνγραφὰς γαµικὰς εὗρον. [§31] ἐγὼ διαλέκτους | Ἕλλησι καὶ βαρβάροις ἔταξα. [§32] ἐγὼ τὸ καλὸν καὶ αἰσχρὸ[ν] | διαγεινώσκεσθαι ὑπὸ τῆς φύσεως ἐποίησα. [§33] ἐγὼ | ὅρκου φοβερώτερον οὐθὲν ἐποίησα. [§34] ἐγὼ τὸν ἀδίκως (35) ἐπιβουλεύοντα ἄλλοις {ἄλλῳ} ὑποχείριον τῷ ἐπιβου|[λ]ευοµένῳ παρέδωκα. [§35] ἐγὼ τοῖς ἄδικα πράσσουσιν | τειµωρίαν ἐπιτίθηµι. [§36] ἐγὼ ἱκέτας ἐλεᾶν ἐνοµοθ[έ]|τησα. [§37] ἐγὼ τοὺς δικαίως ἀµυνοµένους τειµῶ. [§38] πὰ|ρ’ ἐµοὶ τὸ δίκαιον ἰσχύει. [§39] ἐγὼ ποταµῶν καὶ ἀνέµων (40) [κ]αὶ θαλάσσης εἰµὶ κυρία. [§40] οὐθεὶς δοξάζεται ἄνευ τῆς ἐ|µῆς γνώµης. [§41] ἐγώ εἰµι πολέµου κυρία. [§42] ἐγὼ κεραυ|νοῦ κυρία εἰµί. [§43] ἐγὼ πραΰνω καὶ κυµαίνω θάλασσαν. | [§44] ἐγὼ ἐν ταῖς τοῦ ἡλίου αὐγαῖς εἰµί. [§45] ἐγὼ παρεδρεύω τῇ | τοῦ ἡλίου πορείᾳ. [§46] ὃ ἂν ἐµοὶ δόξῃ, τοῦτο καὶ τελεῖτα[ι]. (45)

Texte [§28] Ich habe das Recht stärker gemacht als Gold und Silber. [§29] Ich habe ein Gesetz erlassen, dass das Wahre für schön gehalten wird. [§30] Ich habe die Eheverträge erfunden. [§31] Ich habe den Griechen und Barbaren die Sprachen angeordnet. [§32] Ich habe veranlasst, dass das Gute und Schlechte von Natur unterschieden wird. [§33] Ich habe veranlasst, dass nichts furchterregender ist als der Eid. [§34] Ich habe den, der einem anderen in ungerechter Weise Unrecht zufügen will, jenem anderen, gegen den vorgegangen wird, in die Hand gegeben. [§35] Ich erlege denjenigen Strafe auf, die Unrecht tun. [§36] Ich habe die Sitte eingeführt, dass Schutzflehende Mitleid erlangen. [§37] Ich ehre diejenigen, die sich zu Recht wehren; [§38] bei mir ist das Recht stark. [§39] Ich bin die Herrin der Flüsse, der Winde und des Meeres. [§40] Niemand wird berühmt ohne meine Zustimmung. [§41] Ich bin die Herrin des Krieges. [§42] Ich bin die Herrin des Donnerkeils. [§43] Ich besänftige das Meer und lasse es aufwogen. [§44] Ich bin in den Strahlen des Helios. [§45] Ich sitze neben dem Weg der Sonne (über den Himmel); [§46] was ich entscheide, das geschieht.

42. Die Offenbarung der Isis auf einer Stele aus Kyme [§47] ἐµοὶ πάντ’ ἐπείκει. [§48] ἐγὼ τοὺς ἐν δεσµοῖς λύωι. [§49] ἐγὼ | ναυτιλίας εἰµὶ κυρία. [§50] ἐγὼ τὰ πλωτὰ ἄπλωτα ποι[ῶ ὅ]|ταν ἐµοὶ δόξῃ. [§51] ἐγὼ περιβόλους πόλεων ἔκτισα. [§52] ἐ|γώ εἰµι ἡ Θεσµοφόρος καλουµένη. [§53] ἐγὼ νσσους ἐγ β[υ|θ]ῶν εἰς φῶ ἀνήγαγον. [§54] ἐγὼ ὄµβρων εἰµὶ κυρία. [§55] ἐγὼ (50) τὸ ἱµαρµένον νικῶ. [§56] ἐµοῦ τὸ εἱµαρµένον ἀκούει. | [§57] χαῖρε Αἴγυπτε θρέψασά µε.

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[§47] Mir weicht alles. [§48] Ich löse die, die in Fesseln sind. [§49] Ich bin Herrin der Schifffahrt. [§50] Ich mache das zu Schiff Befahrbare unbefahrbar, wenn es mir gefällt. [§51] Ich habe die Mauern der Städte errichtet. [§52] Ich bin die, die ‚Geberin von Sitte und Recht‘ genannt wird. [§53] Ich habe die Inseln aus der Meerestiefe ans Licht emporgehoben. [§54] Ich bin die Herrin des Regens. [§55] Ich besiege das Schicksal. [§56] Mir gehorcht das Schicksal. [§57] Freue dich, Ägypten, dass du mich großgezogen hast!“

Kommentar: Die meisten Aussagen beginnen mit der Wendung „Ich bin ...“, worauf eine genauere Qualifikation folgt. Diese Art der Formulierung widerspricht griechischen Satzgewohnheiten, ist aber gut orientalisch (vgl. die Jesuslogien) und wohl auch ägyptisch zu erklären, weil es einige ägyptische Texte gibt, in denen Götter in der 1. Person in Nominalphrasen, basierend auf dem unabhängigen Personalpronomen „ich“ (jnk), von sich sprechen (Assmann; Quack). Doch handelt es sich hierbei ursprünglich um einen sepulkralen Kontext oder osirianische Feste, in deren Rahmen sich der Verstorbene als Gottheit manifestieren möchte (Stadler; Nagel). Falls die Form der Aretalogie also auf ägyptische Ursprünge zurückgehen sollte, dann ist durchaus ein ursprünglich sepulkraler Zusammenhang anzunehmen (vgl. Totenbuch Spruch 182, Stadler). Sucht man nach einem Sitz im Leben der Aretalogie selbst, so ließe sich entweder vermuten, dass eine als Isis gekleidete Priesterin den Text als Hymnus vortrug – es hätte sich um ein „sakrales Rollenspiel“ gehandelt (Merkelbach) –, oder aber die Aretalogie bildete eine Art Initiationshymnus (Martzvaou). Vielleicht hing es aber auch einfach vom sakralen Kontext ab, welche Funktion die Aretalogie jeweils einnahm. Die Aretalogie offenbart in relativ ungeordneter Weise die verschiedensten Eigenschaften und Aspekte der Isis ebenso wie ihre Wohltaten für die Menschheit. An erster Stelle steht ihre Legitimation: Hermes, also Thoth, hat sie erzogen, sie hat mit ihm gemeinsam die Schrift erfunden und die Gesetze gegeben (beides sind ursprünglich allein Thoth zustehende Charakteristika). Isis gehört zu den ältesten existierenden Göttern, stammt von Geb (= Kronos) ab, ist also

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Texte

Mitglied der heliopolitanischen Neunheit und Schwestergemahlin des Osiris. Auf diese Weise ist sie zudem Mutter des Horus, der sich im lebenden Pharao inkarniert. Es folgen ägyptenspezifische Qualifikationen (§§ 9f.). So ist Isis die Göttin des Hundssternes, also des Sothis/Sirius-Sternes, dessen heliakischer Aufgang die Nilflut ankündigt und damit die Fruchtbarkeit Ägyptens garantiert. Hieraus erklärt sich, weshalb sie in der griechisch-römischen Kunst auf einem Hund reitend dargestellt wird. Auch Bubastos (= Bubastis), die Stadt der Katzengöttin Bastet, vereinnahmt Isis für sich. Insgesamt entsprechen die Aussagen der vorliegenden Inschrift dem Tenor des Textes, den Diodor überliefert (I 27,3–5): „Mir ist auch nicht unbekannt, weshalb einige Schriftsteller berichten, die Gräber dieser beiden Götter (Osiris und Isis) lägen in Nysa ... Denn es gebe von beiden dort Grabstelen, mit heiligen Schriftzeichen versehen. Auf der der Isis aber stehe: (4) ‚Ich bin Isis, die Herrin der ganzen Erde, von Hermes erzogen, und meine Gesetze darf keiner aufheben. Ich bin die älteste Tochter des Kronos, des jüngsten der Götter. Ich bin Gattin und Schwester des Osiris zugleich. Ich bin es, die als erste den Menschen die Feldfrucht fand. Ich bin die Mutter des Königs Horus. Ich bin die, die sich mit dem Hundsgestirn am Himmel erhebt. Mir ist die Stadt Bubastis erbaut. Heil Dir, Heil Dir Ägypten, das mich hervorgebracht hat!“ (Übersetzung: Wirth/ Veh). Im Hymnus von Kyme schließen sich die unterschiedlichsten, auf Isis zurückgehenden Errungenschaften an, die nicht unbedingt mit ägyptischen Mythologemen zu erklären sind – selbst wenn es zu ihnen ebenfalls ägyptische Vorläufer gibt (Quack; Nagel) –, sondern möglicherweise eher der Gedankenwelt der Sophistik entspringen (Henrichs): Sie hat die Welt erschaffen, den Ackerbau eingeführt, für Recht und Gesetz gesorgt, die Institution Familie begründet, den Kult der Götter eingerichtet, sorgt schließlich sogar für die gelingende Seefahrt. Auch ist Isis die Herrin des Schicksals, dem ja eigentlich die Götter unterworfen sind. Es geht also letztlich um eine Darstellung der Göttin als Gesetzgeberin und Garantin des sozialen Zusammenlebens, zweitens um eine Darstellung als Kultstifterin und drittens um eine Darstellung als Herrin des Kosmos (Baumgarten). Gerade die §§ 31 (vgl. aber Sauneron), 36, 39, 41–43, 49, 53f. sind schwer mit ägyptischen Vorstellungen zu erklären, andere Zuschreibungen der Göttin sind hingegen aus Ägypten gut bekannt, so dass in der Aretalogie möglicherweise eine Verbindung von griechischen und ägyptischen Isisvorstellungen vorliegt. Eine ägyptische Vorlage wurde also wahrscheinlich im frühen Hellenismus ins Griechische umgesetzt und entwickelte eine Art Eigenleben, indem dann in griechischer Sprache auf Grundlage der Struktur „Ich bin...“ weitere Errungenschaften der Göttin hinzukamen. Zu prüfen wäre, inwiefern diese neu komponierten Texte, die altes ägyptisches mit griechischem Traditionsgut verbanden, auf den Lobpreis der Isis in ägyptischen Tempeln der Spätzeit rückwirkten, ob

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auf diesem Weg also griechische Vorstellungen in die hieroglyphischen Texte ‚einwandern‘ konnten. & A. SALAČ, Inscriptions de Kymé d’Étolide, de Phocée, de Tralles et de quelques autres villes d’Asie Mineure, in: BCH 51, 1927, Nr. 3 (ed. pr.); W. PEEK, Der Isishymnus von Andros und verwandte Texte, Berlin 1930; R. HARDER, Karpokrates von Chalkis und die memphitische Isispropaganda, Berlin 1944, 18–52 (mit A. D. NOCK, in: Gnomon 21, 1949, 221–228; Nd in: ders., Essays on Religion and the Ancient World, Oxford 1971, 703–711 zum ägyptischen Hintergrund); A.-J. FESTUGIÈRE, À propos des arétalogies d’Isis, in: Harvard Theological Review 42, 1949, 209–234 (Nd. in: ders., Études de religion grecque et hellénistique, Paris 1972, 138–163); S. SAUNERON, La différenciation des langages d’après la tradition égyptienne, in: BIFAO 60, 1960, 31– 41; D. MÜLLER, Ägypten und die griechischen Isis-Aretalogien, Leipzig 1961 (Untersuchung der Textstruktur); J. BERGMAN, Ich bin Isis, Lund 1968, 172–240, 297–300 (zum ägyptischen Hintergrund); R. E. WITT, Isis in the Graeco-Roman World, London 1971, 100–110; V. F. VANDERLIP, The Four Greek Hymns of Isidorus and the Cult of Isis, Toronto 1972 (griechische Isishymnen aus Ägypten); Y. GRANDJEAN, Une nouvelle arétalogie d’Isis à Maronée, Leiden 1975; J. ASSMANN, s.v. Aretalogie, in: Lexikon der Ägyptologie I, Wiesbaden 1975, 425–434; F. SOLMSEN, Isis among the Greeks and Romans, Cambridge/MA 1979, 42–47; J. LECLANT, Aegyptiaca et milieux isiaques. Recherches sur la diffusion du matériel et des idées égyptiennes, in: ANRW II 17,3, 1984, 1692–1709 (Zusammenstellung der Aegyptiaca an den Fundorten der Texte); A. HENRICHS, The Sophists and Hellenistic Religion: Prodicus as the Spiritual Father of the Isis Aretalogies, in: Harvard Studies in Classical Philology 88, 1984, 139–158 (zum sophistischen Hintergrund); R. S. KRÄMER, Maenads, Martyrs, Matrons, Monastics. A Sourcebook on Women’s Religion in the Greco-Roman World, Philadelphia 1988, 133; H. VERSNEL, Ter unus. Isis, Dionysos, Hermes. Three Studies in Henotheism Inconsistencies in the Greek and Roman Religion I, Leiden/New York 1990, 38–95 (Überblicksbeitrag); R. BAUMGARTEN, Heiliges Wort und heilige Schrift bei den Griechen. Hieroi Logoi und verwandte Erscheinungen, Tübingen 1998, 196–213; M. MALAISE, Le problème de l’héllenisation d’Isis, in: L. Bricault (Hg.), De Memphis à Rome. Acts du Ier colloque international sur les études isiaques Poitiers–Futuroscope, 8–10 avril 1999, Leiden u.a. 2000, 1–19 (zur Hellenisierung der Isisgestalt); R. MERKELBACH, Isis regina – Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt, München/Leipzig 2001, 115–119 (Text und Übersetzung); J. F. QUACK, ‚Ich bin Isis, die Herrin der beiden Länder‘. Versuch zum demotischen Hintergrund der memphitischen Isisaretalogie, in: S. Meyer (Hg.), Egypt – Temple of the Whole World. Studies in Honour of Jan Assmann, Leiden/Boston 2003, 319–365 (ausführliche Diskussion, Rückübersetzung ins Demotische und Bibliographie); M. A. STADLER, Zur ägyptischen Vorlage der memphitischen Isisaretalogien, in: Göttinger Miszellen 204, 2005, 7–9; H. KOCKELMANN, Praising the Goddess. A Comparative and Annotated Re-Edition of Six Demotic Hymns and Praises to Isis, Berlin/New York 2008 (zu demotischen IsisHymnen); M. A. STADLER, Weiser und Wesir. Studien zu Vorkommen, Rolle und Wesen des Gottes Thot im ägyptischen Totenbuch, Tübingen 2009, 220–234 (Analyse von Totenbuch Spruch 182); P. MARTZAVOU, Isis Aretalogies, Initiations, and Emotions. The Isis Aretalogies as a Source for the Study of Emotions, in: A. Chaniotis (Hg.), Unveiling Emotions. Sources and Methods for the Study of Emotions in the Greek World, Stuttgart 2012, 267–291 (zur Funktion des Textes bei Initiationsritualen auf Basis von Apuleius’ Metamorphosen XI); L. BRICAULT, Les cultes isiaques dans le monde gréco-

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romain, Paris 2013, Nr. 15 (mit aktueller Literatur); A. JÖRDENS, Aretalogy, in: E. Stavrianopoulou (Hg.), Shifting Social Imaginaries in the Hellenistic Period: Narrations, Practices, and Images, Leiden/Boston 2013, 143–206; I. MOYER, The Memphite Selfrevelations of Isis and Egyptian Religion in the Hellenistic and Roman Aegean, in: Religion and the Roman Empire 3, 2017, 318–343; S. NAGEL, Isis im Römischen Reich, Wiesbaden 2018, 831–846 (Auswertung und reichhaltig belegter Vergleich mit ägyptischen Texten).

43. Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom (Ende 30 v. Chr.) AE 1964, 255 und CIL VI 882 (cf. 31191) = ILS I 115 = I.Alex. imp. 1 und 4 = TM 107330 und 106374 43. Der Obelis k auf dem Pete rs platz in Rom

In der Mitte des Petersplatzes, vor dem Petersdom in Rom, steht heute ein ägyptischer unbeschrifteter Obelisk aus Assuangranit. Er ist ca. 25 Meter hoch und erhebt sich auf einem etwa 8 Meter hohen Sockel – damit ist er, nach dem Lateran-Obelisken, der zweitgrößte Obelisk Roms. Kaiser Caligula hatte die ‚Steinnadel‘ nach Rom bringen lassen (Plinius, naturalis historia XVI 201), um sie auf der Spina zwischen den beiden Fahrtrichtungen des vatikanischen Circus aufzustellen. Bekrönt war der Obelisk mit einer Bronzekugel nebst einem nach oben herausragenden Dorn, der 1586 durch ein Kreuz ersetzt wurde. Auf dem oberen Teil des Sockels sieht man die Dübellöcher einer ursprünglich in Bronzebuchstaben ausgeführten augusteischen Inschrift (Inschrift a). Solche aureae litterae genannten gegossenen Buchstaben gehörten zu einer neuen Form von „Repräsentationsepigraphik“ (Alföldy). Sie waren vergoldet und zierten zahlreiche von Augustus gestiftete Bauten. Auf diese Weise symbolisierten sie das neue, vom Prinzeps herbeigeführte „goldene Zeitalter“ (aurea aetas). Etwas mehr als eine Generation später wurden genau diese Bronzebuchstaben wieder abgenommen, damit unter Tiberius auf der West- und der Ostseite eine Widmung für Augustus und seinen Nachfolger Tiberius angebracht werden konnte (Inschrift b). Texte und Übersetzung Inschrift a) Iussu Imp(eratoris) Caesaris Divi f(ili) | C(aius) Cornelius Cn(aei) f(ilius) Gallus | praef(ectus) fabr(um) Caesaris Divi f(ili) | forum Iulium fecit. Inschrift b) Divo Caesari Divi Iulii f(ilio) Augusto, | Ti(berio) Caesari Divi Augusti f(ilio) Augusto | sacrum.

„Im Auftrag des Imperators Caesar, des Sohnes Gottes, hat Gaius Cornelius Gallus, Sohn des Gnaeus, der praefectus fabrum des Caesar, des Sohnes des Gottes, das Forum Iulium errichtet.“ „Dem Gott Caesar, dem Sohn des Gottes Iulius, Augustus, und dem Tiberius Caesar, dem Sohn des Gottes Augustus, geweiht.“

43. Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom

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Kommentar: Gaius Cornelius Gallus war ein römischer Ritter, gehörte hiermit zum ordo equester. Als praefectus fabrum, eine Art Feldadjutant und Vertrauensperson des Octavian, hatte er im Sommer 30 v. Chr. entscheidenden Anteil an der kampflosen Einnahme Alexandrias. Octavian machte Gallus daraufhin wohl noch im Jahr 30 v. Chr. zum praefectus Aegypti, also zum Verwalter der neu dem Reich hinzugefügten Provinz Ägypten (vgl. Text 44). Damit tat der erste Mann Roms und Sieger im Bürgerkrieg gegen Marcus Antonius etwas äußerst Ungewöhnliches, denn mit der Verwaltung einer Provinz konnte dauerhaft eigentlich nur ein Mann senatorischen Ranges (ordo senatorius) beauftragt werden. Weshalb Octavian sich hierzu entschieden hat, ist umstritten. Vielleicht lag es an der besonderen Qualifikation des Gallus (Brunt), vielleicht war Octavians Misstrauen gegenüber den Senatoren, denen er nicht die günstige geostrategische Lage Ägyptens als Basis einer möglichen Erhebung in Verantwortung geben wollte, hierfür verantwortlich (vgl. Jördens, Eich). In Inschrift a) verweist Gallus darauf, dass nicht er selbst für die Errichtung des Forum Iulium verantwortlich war, sondern dass er im Auftrag des Imperators handelte. Das ist durchaus ungewöhnlich, denn im republikanischen Rom, dessen Traditionen Octavian wiederherzustellen behauptete, wäre zu erwarten gewesen, dass Gallus die Fertigstellung im Auftrag von Senat und Volk von Rom durchgeführt hätte. Die Monarchie des Augustus zeigt hier also ihren ersten inschriftlichen Anspruch überhaupt (vgl. Alföldy). Was aber ist das in der Inschrift genannte Forum Iulium und wie steht es mit Ägypten in Zusammenhang? Handelte es sich um das bekannte Caesarforum in Rom, die Stadt Forum Iulium in der Gallia Narbonensis, das römische Militärlager bzw. dessen Forum in Nikopolis bei Alexandria oder aber um eine Platzanlage in Alexandria selbst? Die Lösung dieser Frage lässt sich wohl chronologisch klären: Das betreffende Forum muss schließlich bereits kurz nach der Eroberung Ägyptens fertig gewesen sein, da Gallus noch nicht als Präfekt Ägyptens auftritt. So ist das römische Militärlager auszuschließen. Der einzige bekannte Ort wiederum, der im alexandrinischen Kontext hierfür als Forum Iulium in Frage käme, wäre der von der ägyptischen Königin für den verstorbenen Iulius Caesar geplante heilige Bezirk. Nach der Provinzwerdung wurde dieser in eine Herrscherkultanlage für Octavian umgewandelt (Heinen). So stand der Obelisk vielleicht auf einer als Forum bezeichneten Freifläche des von Gallus vollendeten heiligen Bezirks. Doch erst mit der Errichtung von zwei weiteren Obelisken im 18. Jahr des Augustus (vgl. Text 46) fanden die Baumaßnahmen ihren tatsächlichen Abschluss. Man nannte die Anlage zunächst forum Iulium, und nach der Verleihung des Ehrennamens „der Erhabene“, also Augustus, an den ersten Mann Roms wurde sie in forum Augusti umbenannt (Alföldy). Die Errichtung eines Obelisken in der Herrscherkultanlage von Alexandria begründete die kaiserliche Tradition, die mit dem römischen Gott Sol verbunde-

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nen ‚Sonnennadeln‘ Ägyptens für die eigene Repräsentation auch in Rom selbst in Anspruch zu nehmen. Sol wiederum konnte ebenfalls an Apollon angeglichen werden, den Schutzgott des Augustus. Durch die Verbindung zum Sonnengott zeigte Octavian, in dessen Auftrag Gallus das Forum errichtet hatte, folglich seine durch Apollon begründete und legitimierte neue Position innerhalb des römischen Reiches. Dieser Gott hatte ihm schließlich den Sieg im Bürgerkrieg und über Kleopatra gebracht. Für Ägypten bedeutete dies, dass an die Stelle der Pharaonen und dann der Ptolemäer nun ein neuer gottgleicher Herrscher mit direkter Verbindung zum Sonnengott getreten war. Wenn sich die (noch heute erhaltene) Bronzekugel mit dem Dorn schon in Alexandria auf dem Obelisken befunden hatte, dann besteht die Möglichkeit, dass die alexandrinische Aufstellungskonzeption des Obelisken sogar das Vorbild für die „Sonnenuhr“ des Augustus (vgl. Text 48) in Rom bildete (Alföldy) und somit das alexandrinische solare Kaiserkultkonzept zwar nicht inhaltlich, aber doch zumindest symbolisch ins Zentrum des Reiches übertragen wurde. Über das Anbringungsdatum der zweiten Inschrift gibt es unterschiedliche Ansichten. Ursprünglich ging man davon aus, dass Gaius Caligula sie eingravieren ließ (Mommsen in CIL VI 882). Hiergegen lässt sich freilich einwenden, dass Caligula sich dann auch selbst als Dedikant genannt hätte und zudem die Inschrift auf der Circusspina überhaupt nicht zu sehen war, weil die Zuschauer nur die Süd- und Nordseite des Sockels lesen konnten (Alföldy). Somit dürfte die neue Weihinschrift schon kurz nach dem Tod des Augustus im Jahr 14 n. Chr., also noch in Alexandria, angebracht worden sein. Da es sich ebenfalls um eine lateinische Inschrift handelt, war hierfür sicherlich die Zentralverwaltung verantwortlich und nicht die Stadtbürgerschaft. Nach dem Tod des Augustus wurde also auch dessen Nachfolger Tiberius in den alexandrinischen Kaiserkult mit aufgenommen. Weshalb dann Caligula den Obelisken aus Alexandria nach Rom verbringen ließ, bleibt unklar. & J. SUOLAHTI, The Junior Officers of the Roman Army in the Republican Period. A Study on Social Structure, Helsinki 1955, 205–209 (zur Funktion des praefectus fabrum); F. MAGI, Le iscrizioni recentemente scoperte sull’obelisco vaticano, in: Studi Romani 11, 1963, 50–56; F. MAGI, L’obelisco di Caio Cornelio Gallo, in: Capitolium 38, 1963, 488–494; J.-P. BOUCHER, Caius Cornélius Gallus, Lyon 1966 (grundlegende Biographie des Cornelius Gallus); E. IVERSEN, Obelisks in Exile I. The Obelisks of Rome, Kopenhagen 1968, 19–46; A. ROULLET, The Egyptian and Egyptianizing monuments of imperial Rome, Leiden 1972, 67–69, Nr. 68; P. A. BRUNT, Princeps and Equites, in: JRS 73, 1983, 42–75; A. E. GORDON, Illustrated Introduction to Latin Epigraphy, Berkeley 1983, 110f.; H. HÄNLEIN-SCHÄFER, Veneratio Augusti. Eine Studie zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers, Rom 1985, 211–215 (Diskussion zur Lokalisierung des Forum Iulium); C. SALVATERRA, Forum Iulium nell’iscrizione di C. Cornelio Gallo sull’obelisco Vaticano, in: Aegyptus 67, 1987, 171–181; G. ALFÖLDY, Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom. Ein historisches Monument der Antike, Heidelberg 1990 (umfassende Analyse und Interpretation); K. P. ALMAR, Inscriptiones Latinae. Eine illustrierte Einführung in die lateinische Epigraphik, Odense 1990, Nr. 131;

44. Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus

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G. ALFÖLDY, Augustus und die Inschriften: Tradition und Innovation. Die Geburt der imperialen Epigraphik, in: Gymnasium 98, 1991, 289–324 (zu epigraphischen Neuerungen unter Augustus); H. HEINEN, Vorstufen und Anfänge des Herrscherkultes im römischen Ägypten, in: ANRW II 18,5, 1995, 3144–3180 (zum Augustustempel in Alexandria); F. HERKLOTZ, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main 2007, 267–272 (Beschreibung des Augustustempels); A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 46–53 (zur Diskussion um die Bedeutung der Einsetzung eines römischen Ritters als Provinzverwalter); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 237–241 (Beschreibung des Augustustempels); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 11–15.

44. Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus (16. April 29 v. Chr.) CIL III Suppl. 141475 = IGRR I 1293 = ILS III 8995 = OGIS II 654 = I.Philae II 128 = TM 80859 HGIÜ III 512 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 9295 44. Die Sieges s tele des Gaius Cornelius Gallus

In seinem Tatenbericht schrieb Augustus am Ende seines Lebens: „Ägypten habe ich dem Herrschaftsbereich des römischen Volkes hinzugefügt.“ (RGDA 27,1). Das Land am Nil war also eine Provinz des Imperiums. Anstatt sie aber, wie üblich, durch ein Mitglied des Senatorenstandes verwalten zu lassen, setzte Octavian einen römischen Ritter (eques Romanus), seinen Freund C. Cornelius Gallus, als praefectus Alexandreae et Aegypti ein. Auf diese Weise wollte Octavian verhindern, dass abermals ein römischer Feldherr dazu in der Lage sein könnte, von Ägypten aus die einmal erreichte Position des Prinzeps in Rom zu bedrohen, denn ein römischer Ritter konnte, anders als ein Mann senatorischen Ranges, im Senat mit keinem Rückhalt rechnen. Der Verwalter Ägyptens befand sich damit in vollständiger Abhängigkeit von Octavian. Ägypten war nach der Eroberung keinesfalls sofort befriedet, vielmehr war Gallus zu Beginn seiner Amtszeit zur Niederschlagung einer Revolte nach Oberägypten aufgebrochen und nutzte diesen Feldzug gleichzeitig dazu, auch die Verhältnisse an der ägyptischen Grenze im Süden zu ordnen. Nachdem er dies alles vollbracht hatte, stiftete er am 16. April 29 v. Chr. zum Andenken an seine großen Leistungen eine Stele für den Gott Nilus, also den personifizierten Nil. Sie wurde auf der Nilinsel Philae aufgestellt, doch wohl spätestens im Jahr 12 v. Chr. in zwei Hälften zerschnitten und zur Fundamentierung eines Altars vor dem Tempel des Augustus von Philae zweitverwendet. Die Stele ist mit einem Text in hieroglyphenägyptischer, lateinischer und griechischer Sprache beschriftet. Das typisch ägyptisch gerundete Giebelfeld (Abb. 22) zeigt unter einer Flügelsonne einen nach griechischer Bildtradition gestalteten Mann zu Pferd, der einen Feind niederreitet. Flankiert ist die Mittel-

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szene rechts und links von Hieroglyphenkolumnen, die die Namen ägyptischer Götter nennen (links: Chnum, Satis und Anukis; rechts: Osiris, Isis und Horus). Es handelt sich, da Gallus der Stifter der Inschrift ist, die seine Siege preist, zweifelsfrei um Gallus. Für Diskussionen sorgte aber die dem Bildfeld beigefügte Namenskartusche mit der vorangestellten Wendung: „Worte zu sprechen von dem Fürsten von Ägypten, von Ober- und Unterägypten [... Lücke ...] (???)|.“ Die Lesung der Kartusche (???)| ist umstritten. Manche meinen, hier die hieroglyphische Schreibung für Cornelius zu erkennen (Bresciani), doch handelt es sich wohl eher um den Namen „Romaios“ (Hoffmann u.a.), so dass wohl zu lesen ist: „Worte zu sprechen von dem Fürsten ... [Gallus (?), Stellvertreter des Sohnes des Re o.ä.] (Romaios)|“. Das in die Kartusche geschriebene Ethnikon des Octavian ist in hieroglyphischen Texten durchaus üblich.

Abb. 22: Giebelfeld der Siegesstele des C. Cornelius Gallus (Umzeichnung: Ulrike Denis, Klassische Archäologie Trier).

Unter dem Giebelfeld folgt zunächst der hieroglyphenägyptische, dann der lateinische und am Ende der griechische Text. Während letzterer eine Übersetzung der lateinischen Version ist, steht der hieroglyphische Text mit einem Lob des Gallus und seiner Taten für Ägypten nicht in direkter Relation zu den beiden anderen Versionen, die Weihinschriften sind. Texte und Übersetzung lateinischer Text: C(aius) Cornelius Cn(aei) f(ilius) Galluṣ, [eq]ụes Romanus, pos rege[s] | a Caesare Deivi f(ilio) devictos praefect[us Ale]x̣andreae et Aegypti primus, defectionị[s] |

„Gaius Cornelius, Sohn des Gnaeus, Gallus, römischer Ritter, nach der Unterwerfung der Könige durch Caesar, den Sohn Gottes, erster Präfekt Alexandrias und Ägyptens, Sie-

44. Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus Thebaidis intra dies XV, quibus hostem ṿ[icit II] ạcie, victor, • V • urbium expugnator, Bore[se]|os, Copti, Ceramices, Diospoleos Meg[ales, Op]hieu, ducibus earum defectionum interc ̣[e](5)pṭ is, exercitu ultra Nili catarhactẹ[n trad]ucto, in quem locum neque populọ | [R]omano neque regibus Aegypti ạṛ[ma s]unt prolata, Thebaide communi omn[i]|um regum formidine subacṭ[a, l]eg[atis re]gis Aethiopum ad Philas auditis, eoq[ue] | rege in tutelam recepto, tyran[n]ọ Tṛ[iacontas]choen[i] ịnde Aethiopiae constituto | die[is] patrieis et Nei[lo adiut]ọri d(onum) ḍ(edit).

griechischer Text: (10) [Γ]άιος Κορνήλιος, Γναίου υἱός, Γάλλ[ος, ἱππεὺ]ς Ῥωµαίων, µετὰ τὴν κατάλυσιν τῶν | ἐν Αἰγύπτωι βασιλέων πρῶτος ὑπὸ Καίσ[αρος ἐπὶ] τῆς Αἰγύπτου κατασταθεὶς τὴν Θηβαΐδα ἀ|ποστᾶσαν ἐν πεντεκαίδεκα ἡµέραις δὶς [ἐν παρ]ατάξει κατὰ κράτος νικήσας σὺν τῶι τοὺς ἡ̣|γεµόνας τῶν ἀντιταξαµένων ἑλεῖν πέν[τε τε πόλει]ς, τὰς µὲν ἐξ ἐφόδου, τὰς δὲ ἐκ πολιορκία̣[ς] | καταλαβόµενος, Βορῆσιν, Κόπτον, Κεραµική[ν, Διόσπ]ολιν Μεγάλην, Ὀφιῆον, καὶ σὺν τῆι στρατιᾶι ὑ(15)περάρας τὸν καταράκτην ἀβάτου στρατια[ῖς τῆς χώ]ρας πρὸ αὐτοῦ γενοµένης καὶ

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ger über den Abfall der Thebais innerhalb von 15 Tagen, in denen er den Feind zweimal in der Feldschlacht besiegte, Erstürmer von fünf Städten: von Boresis, Koptos, Keramike, Diospolis Megale, Ophieon, wobei er sich der Führer ihrer Aufstände bemächtigt hatte; nachdem er das Heer jenseits des Nilkataraktes geführt hatte in eine Gegend, in die weder vom römischen Volk noch von den ägyptischen Königen eine Kriegsmacht hingeführt worden war, (und) nachdem er die Thebais, den gemeinsamen Schrecken aller Könige, unterworfen hatte, (und) nachdem Legaten des Königs der Äthioper auf Philae eine Audienz erhalten hatten und dieser König unter (seinen) Schutz gestellt wurde und nachdem ein Tyrann über das von da an Äthiopische Dreißigmeilenland eingesetzt wurde, hat die Dankesgabe den väterlichen Göttern und dem helfenden Nilus geweiht. Gaius Cornelius, Sohn des Gnaeus, Gallus, Ritter der Römer, der nach dem Sieg über die in Ägypten (regierenden) Könige als erster von Caesar über Ägypten eingesetzt worden ist, der zweimal die Thebais, die abgefallen war, innerhalb von fünfzehn Tagen im Sturm in der Schlacht besiegt hat, unter gleichzeitiger Gefangennahme der Anführer der Feinde, der fünf Städte, die einen im Sturm, die anderen nach Belagerung, eingenommen hat: Boresis, Koptos, Keramike, Diospolis Megale, Ophieon, der mit dem Heer den Katarakt überschritten hat, wobei die Gegend für Heere vor ihm unbetretbar gewesen

236 σύµπασαν τὴ[ν]| Θηβαΐδα µὴ ὑποταγεῖσαν τοῖς βασιλεῦσιν [ὑποτάξ]ας δεξάµενός τε πρέσβεις Αἰθιόπων ἐν Φί|λαις καὶ προξενίαν παρὰ τοῦ βασιλέως λ[αβὼν τύ]ραννόν τε τῆς Τριακοντασχοίνου τοπαρχία[ς]| µιᾶς ἐν Αἰθιοπίαι καταστήσας θεοῖς πατ[ρώιοις, Ν]είλωι συνλήπτορι χαριστήρια.

Texte war, und der die gesamte Thebais, die nicht den Königen unterworfen war, unterworfen hat, und Gesandte der Äthiopier in Philae empfangen und die Staatsgastfreundschaft vom König erhalten hat, der (= Gallus) auch einen Tyrannen über die eine Toparchie „Dreißigmeilenland“ in Äthiopien eingesetzt hat, (hat) den väterlichen Göttern und dem Neilos, dem Helfer, die Dankgeschenke (geweiht).“

Übersetzung des hieroglyphischen Textes „Regierungsjahr 1, 4. Monat der Winterjahreszeit (= Pharmuthi), Tag 20 unter der Majestät des Horus: Vollkommener Jüngling, mit starkem Arm, Herrscher der Herrscher [……, den Pta]h [erwählt hat], Kaisaros, er lebe ewig. Es war ein mächtiger Fürst in den Beiden Ländern, mit schlachtendem (?)/packendem (?) Arm, der als Herr ergreift, der [Schrecken] verbreitet unter [den ...]. Er hat Ägypten wohlbehalten sein lassen, der Ägypten mit seiner Vollkommenheit überflutet; er hat Ägypten Gutes erwiesen. [Er hat die Troglo]dyten (?) [ergriffen (?)/erbeutet (?)]; er hat die Fremdlandbewohner gepackt; ein Bogen, Starker im Kampfgewühl, trefflicher Held. Er hat in Wut vernichtet, der die Feinde schlägt. [Er (?)] sandte (?) [– – –], einer, der Erstklassiges herbeibringt wie Horus, der die wunderbaren Erzeugnisse von Punt verheißt; zu dem die ‚Nubier‘ und Inder in Lobpreis fahren mit (?) den (?) schönen (?) (Dingen) (?), dem (?) ... [der] geheim[en […..]-Länder. Er gewann (?) Macht (?) [über den Westen (o.ä.); er eroberte (o.ä.) das Ge]biet (o.ä.) bis zu den Grenzen des Ostens: Er griff den Osten der Beiden Länder an, er eroberte bis zum Land von Manu (= Westen). Sie sind die ‚Phönizier‘ (und) ‚Libyer‘. Er errichtete einen Tempel, er ließ einen Tempel gedeihen, [er] stellt[e die Götter (?)] zufrieden, [er (?) stellte (?)] Götterbilder [her (?)], er schenkte den Göttern der beiden Quelllöcher Nützliches, wobei er ein Denkmal des ‚großen Ach/Trefflichen‘ (= Chnum) errichtete. Er berechnete das zu Bestimmende des ganzen Landes, indem er dafür sorgte, dass das Opfer für Chnum, den Großen, nützlich ist. [Er] pries [all]e (?) [Götter (?)] beim Aufhäufen von Gaben, (so dass) Hapi für seinen Ka hervorquillt. Er (= Gallus) wiederum versorgte [jede (?)] Stadt. Nun blieb er (also) dabei, Gutes zu erweisen, indem die Uferländer des Horus (= Ägypten/Tempel Ägyptens) seine Liebe sahen, (und) er tat Nützliches, (und) er erneuerte Ober- und Unterägypten. (Da) waren Feinde [„fern“ davon] zu vernichten. Er ging gegen den Feind, (er,) stark an Arm am Tage des Zusammentreffens, der die Leiber packt (?) zu […,] ohne damit aufzuhören beim […] von […] Bigges (?). Er befriedete die Großen

44. Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus

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von Kusch, [er] stör[te (?) die Pläne (?) der] Großen des Bogen(volkes) der Beduinen. Er ehrte die Isis von Renu, groß an Stätte in Philae. Er berechnete die […] der Beiden Länder. befahl ihre Dinge an Isis von Nenet, die Goldene. [Er] stellte zufrieden Os[iris (o.ä.), er setzte die Einkünfte fest (o.ä.) für den Tempel (o.ä.) des Herrn (o.ä.)] des Ruhens (= Osiris), (nämlich) das Abaton ‚Dessen mit verborgener Gestalt‘ (= Osiris), vor den Beamten von Ober- und Unterägypten. [Er (?) hat (?)] Gaben eingezogen [durch] (seine) Macht, (und) man soll den Herrn der Kasse (?) geben [während (?) vi]eler (?) [Jahre (?)], so dass Ägypten reich ist in/unter den (?) Ländern (?) entsprechend [dem (?), was (?) befohlen (?) hat (?) … (?) Kai]saros, er lebe ewig.“ Übersetzung nach Hoffmann u.a. Kommentar: Octavian-Augustus stellte sich als denjenigen dar, der Ägypten von der Herrschaft der Ptolemäer befreit hatte. Die Ägypter sollten also mit Freude den römischen Friedensbringer begrüßen. Gleichzeitig griff Rom aber unmittelbar nach der Eroberung auf die reichen Ressourcen des Landes zu, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass die ansässige Bevölkerung, wie Strabon (XVII 1,53) berichtet, mit einer Erhebung reagierte. Die Gallusstele liefert den inschriftlichen Beleg für einen solchen Aufstand. In etwas mehr als zwei Wochen war aber in Oberägypten wieder Ruhe hergestellt. Dass die antiken Autoren über die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den neuen Begebenheiten berichten, ist verständlich. In Ägypten selbst war es aber wichtig, die neue Zeit als eine Zeit der Befreiung, des Glücks und der wiedergekehrten Ordnung darzustellen. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass im hieroglyphischen Text der Stele allein von den Leistungen des Gallus für Ägypten und die lokalen Tempel die Rede ist, der Verfasser den Aufstand hingegen verschweigt. Aus historischer Perspektive ist es deshalb interessant, dass die als Siegesmonument des römischen Verwalters verstandene Stele in ihrer lateinischen und griechischen Version indirekt zu erkennen gibt, dass die Bewohner der neuen Provinz den Sieg Roms über Kleopatra nicht mit allzugroßer Freude begrüßt hatten. Gallus musste vielmehr Aufstände niederschlagen. Besonders bezeichnend ist, dass zu den von Gallus besiegten Städten auch Diospolis Megale gehörte, also die alte Königsstadt Theben, die vormals das religiöse Zentrum Ägyptens war. Der Kultname des Octavian in Ägypten, Zeus Eleutherios, also „befreiender Zeus“, dürfte deshalb ‚von oben‘ vorgegeben gewesen sein, um die Provinzialisierung als Befreiung Ägyptens von der Ptolemäerherrschaft erscheinen zu lassen. Wenn Gallus nun trotzdem von seinen Siegen über ägyptische Städte berichtet, dann übersieht er in seinem Triumph einen wichtigen Punkt octavianischer Selbstdarstellung – den der Befreiung –, nur um seine militärische Leistungsfähigkeit zu präsentieren. Neben der Niederschlagung des Aufstandes und der Überschreitung der Grenze Ägyptens berichtet Gallus, dass er erstens den meroitischen König in römischen

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„Schutz“ (tutela) nahm bzw., wie es im griechischen Text heißt, zu dessen proxenos („Staatsgastfreund“) wurde. Gallus war damit der patronus des Königs und das meroitische Reich zu einem Klientelkönigtum Roms geworden. Zudem setzte Gallus noch einen als tyrannus bezeichneten Verwalter über das Dreißigmeilenland ein, womit Unternubien gemeint ist. Damit stand die Region, die zwischen dem Meroitischen Reich und der Provinz Ägypten lag und auf die die Meroiten eigentlich Anspruch erhoben, nun unter römischer Kontrolle. Gallus hat also in seiner Handlungsvollmacht über die Provinz Ägypten, zu der das Dreißigmeilenland aufgrund der zuvor durchgeführten kampflosen Einnahme gehörte, einen Stellvertreter eingesetzt, der in direkter Verantwortung gegenüber ihm, damit gegenüber Octavian und folglich auch gegenüber dem populus Romanus stand. Das außenpolitische Handeln des Präfekten wirft durchaus Probleme auf. So führte er sein Heer über die Grenzen Ägyptens hinaus, ohne dass er aber den Befehl oder Auftrag des Octavian erwähnt. Zu erklären ist das allein damit, dass Gallus in einem rechtlichen Graubereich agierte, als er das Dreißigmeilenland der Provinz hinzufügte. Historisch konnte der Präfekt sein Vorgehen damit legitimieren, dass Unternubien bereits einmal zum Ptolemäerreich gehört hatte, er also letztlich nur alte Gebietsansprüche restituierte und innerhalb seiner provincia blieb. Darauf deutet insbesondere die Bezeichnung Unternubiens nach seinem alten ptolemäischen Verwaltungsterminus Triacontaschoinos hin. Andererseits kontrastiert Gallus einen solchen Anspruch mit der Aussage, dass vor ihm niemals Könige ihren Fuß in diese Gegend gesetzt hatten. Auch die Etablierung eines persönlichen Klientelverhältnisses mit dem meroitischen König ist mehr als problematisch. Rechtlich gesehen konnte allein der Senat einen Bündnisvertrag mit einer auswärtigen Macht schließen. Der Konsul schlug dem Senat den Vertragsschluss vor, der dann zustimmen musste. Der Vertrag zwischen Gallus und dem König hatte also als Feldherrenvertrag für Rom keinen bindenden Charakter. Der Präfekt führte über drei Jahre lang die Provinz zur Zufriedenheit des Prinzeps. Erst im Jahr 27 v. Chr. kehrte Gallus nach Rom zurück und beging dann wenig später Selbstmord, weil Octavian ihm seine Freundschaft entzogen hatte und der Senat rechtlich gegen ihn vorging. Cassius Dio (LIII 23,5f.) berichtet hierzu, dass Gallus aus folgendem Grund bei Augustus in Ungnade fiel: Der Präfekt „ließ in fast ganz Ägypten Standbilder von sich errichten und Verzeichnisse seiner sämtlichen Taten auf den Pyramiden anbringen. Er wurde deswegen von Valerius Largus, seinem Gefährten und Vertrauten, angeklagt und von Augustus geächtet, worauf er sich in den kaiserlichen Provinzen nicht mehr aufhalten durfte. Nachdem es so weit war, griffen ihn auch zahlreiche andere Persönlichkeiten an und reichten gegen ihn eine Menge schriftlicher Klagen ein.“ (Übersetzung: Veh). Die Vergehen des Gallus waren also Hybris und Respektlosigkeit gegen Octavian. Der Senat verurteilte Gallus daraufhin zur Ver-

44. Die Siegesstele des Gaius Cornelius Gallus

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bannung und zum Verlust seines Vermögens, was schließlich zum Selbstmord des ehemaligen Präfekten führte. Man kommt nicht umhin, die Stele des Präfekten mit den von Cassius Dio erwähnten Anklagepunkten in Verbindung zu bringen, doch handelt es sich bei der Gallusstele erstens nicht um eine Pyramide, und ihre Aufstellung an der Südgrenze der Provinz dürfte zweitens auch nicht für eine große Publizität gesorgt haben. Doch in der Tat rückt Gallus mittels der Stele seine eigenen Leistungen deutlich in den Vordergrund. Es ist trotzdem wenig wahrscheinlich, dass gerade diese Siegesinschrift aus dem ersten Jahr des Octavian in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Anklagen gegen Gallus stand. So ist etwa zu bemerken, dass Gallus bereits in den ersten Worten der Stele ganz klar seine Legitimationsgrundlage zu erkennen gibt: Er bindet sein gesamtes Handeln an Octavian, denn Octavian war derjenige, der nach Auskunft der Stele die Ptolemäer besiegt und Gallus zum Präfekten gemacht hatte. Die größte Leistung, die Bezwingung der Ptolemäer, hatte Octavian vollbracht, die Leistung des Gallus ist zwar nach Auskunft der Stele großartig, doch nicht zu vergleichen mit der des Octavian. Der oberste Befehl lag des Weiteren bei Octavian, denn er war derjenige, der Gallus eingesetzt hatte, und nur durch Octavian wurde die Leistung des Gallus erst ermöglicht und legitimiert. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass das Handeln des Präfekten letztlich von Octavian toleriert, wenn nicht gar in Auftrag gegeben worden ist (vgl. ähnlich auch Text 59). & U. WILCKEN, Zur trilinguen Inschrift von Philae, in: ZÄS 35, 1897, 70–87; J. P. BOUCHER, Caius Cornélius Gallus, Lyon 1966 (zur vita des Präfekten); E. JUDGE, Veni. Vidi. Vici, and the Inscription of Cornelius Gallus, in: Akten des VI. Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigraphik München 1972, München 1973, 571–573; H. HAUBEN, On the Gallus Inscription at Philae, in: ZPE 22, 1976, 189–190; D. B. THOMPSON/L. KOENEN, Gallus as Triptolemos on the Tazza Farnese, in: BASP 21, 1984, 111–156, bes. 132–142; T. EIDE u.a. (Hg.), Fontes Historiae Nubiorum: Textual Sources for the History of the Middle Nile Region Between the Eighth Century BC and the Sixth Century AD II, Bergen 1994, Nr. 163–165 (Texte, Übersetzung, Kommentar); E. BRESCIANI, La stele trilingue di Cornelio Gallo: una rilettura egittologica, in: EVO 12, 1998, 93–97 (Deutung des Reiterbildes); F. COSTABILE, Le res gestae di C. Cornelius Gallus nella trilingue di Philae: Nuove letture e interpretazioni, in: MEP 4/6, 2001, 297–330; P. FEWSTER, Bilingualism in Roman Egypt, in: J. Adams u.a. (Hg.), Bilingualism in Ancient Society: Language Contact and the Written Text, Oxford 2002, 220–245 (zur Sprache); T. STICKLER, „Gallus amore peribat“? Cornelius Gallus und die Anfänge der augusteischen Herrschaft in Ägypten, Rahden/Westfalen 2002 (historische Interpretation); F. HERKLOTZ, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main 2007, 272–275 (zum Kaiserkulttempel auf Philae und in Theben); F. HOFFMANN u.a., Die dreisprachige Stele des C. Cornelius Gallus. Übersetzung und Kommentar, Berlin/New York 2009 (Neuedition und Kommentar); P. EICH, Die Administratoren des römischen Ägyptens, in: R. Haensch/J. Heinrichs (Hg.), Herrschen und Verwalten, Köln 2007, 378–399; M. MINASNERPEL/St. PFEIFFER, Establishing Roman Rule in Egypt: The Trilingual Stela of C. Cornelius Gallus from Philae, in: K. Lembke u.a. (Hg.), Tradition and Transformation:

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Egypt under Roman Rule. Proceedings of the International Conference, Hildesheim, Roemer- und Pelizaeus-Museum, 3–6 July 2008, Leiden/Boston 2010, 265–298; F. HOFFMANN, Lost in Translation? Beobachtungen zum Verhältnis des lateinischen und griechischen Textes der Gallusstele, in: K. Lembke u.a. (Hg.), Tradition and Transformation: Egypt under Roman Rule. Proceedings of the International Conference, Hildesheim, Roemer- und Pelizaeus-Museum, 3–6 July 2008, Leiden/Boston 2010, 149–157 (zur Übersetzungstechnik); A. LUKASZEWICZ, Cornelius Gallus and the Beginnings of Roman Policy in Nubia, in: W. Godlewski/A. Lajtar (Hg.), Between the Cataracts. Proceedings of the 11th Conference of Nubian Studies Warsaw University, 27 August – 2 September 2006, Warschau 2010, 535–540; P. GAGLIARDI, La stele di Cornelio Gallo a Philae: qualche spunto di riflessione, in: Historia 61, 2012, 94–114 (zur Diskussion über die Absetzung des Gallus); F. ROHR VIO/E. M. CIAMPINI (Hg.), La lupa sul Nilo. Gaio Cornelio Gallo tra Roma e l’Egitto, Venedig 2015; D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 11–15; P. GAGLIARDI, La presunta damnatio memoriae di Cornelio Gallo, in: Historia 66, 2017, 65–82; S. BUSSI, L’Égypte et la Nubie au tournant de la domination romaine: pour une lecture politique de la trilingue de Philae, in: Aegyptus 98, 2018, 197–216.

45. Ein Proskynema im Tempel der Isis von Philae (4. Februar 28 v. Chr.?) I.Philae II 132 = CIG III 4897f = SB V 8655 = TM 80863 45. Ein P ros kynema aus Philae

Bestimmte religiöse Zentren Ägyptens hatten eine große überregionale Anziehungskraft. Manche von denen, die eine Reise zu einem dieser heiligen Orte durchgeführt hatten, hinterließen kurze Graffiti. In der Literatur werden diese teils unter dem Namen „Pilgerinschriften“ geführt. Die meisten von ihnen finden sich am Tempel der Isis auf der Insel Philae. Die Graffiti formulieren oftmals eine Bitte an die Gottheit, sie möge für das Heil des Reisenden, das Heil seiner Angehörigen und Bekannten oder gar von Vorgesetzten sorgen. Eine solche Verehrungsinschrift war ein dauerhaftes Substitut des Verehrenden bei der Gottheit. Man bezeichnet diese Graffiti aufgrund des häufig hierin verwendeten griechischen Wortes proskynema, also „Fürbitte zum Heile jemandes“ mit dem Plural dieses Begriffes als proskynemata. Das Wort leitet sich ab vom Verb proskynein (προσκυνεῖν), was mit „eine Verehrung vor einer Gottheit durchführen“ zu übersetzen ist. Text und Übersetzung Δηµήτριος Δηµητρίου. | {ου} ἥκω πρὸς τὴν κυρίαν | Ἶσιν καὶ προσκυ[ν]ή̣σας | ἐπ’ ἀγαθῷ µνεί[αν] πεποίη(5)µαι τῶν γονέ[ω]ν̣ καὶ | ἀδελφῶν µου [κ]α̣ὶ φίλ|ων. (ἔτους) | β̣, Μεχεὶρ ι̅.

„Demetrios, der Sohn des Demetrios. Ich bin zur Herrin Isis gekommen, und, als ich sie verehrt habe, habe ich in guter Absicht meine Eltern und Brüder und Freunde erwähnt. 2. Regierungsjahr, am 10. Mecheir.“

45. Ein Proskynema aus Philae

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Kommentar: Ein gewisser Demetrios war nach Philae gekommen und hatte das Graffito zur dauerhaften Verehrung hinterlassen, in der Hoffnung, dass auch seine Verwandtschaft in den Genuss des durch die Göttin im Gegenzug gewährten Heils und Schutzes kommen möge. Ein solches Graffito dürfte als ein günstiger Ersatz für die Weihung eines teureren Objektes wie eines Altares oder eines Votivs zu werten sein. Man vermutet deshalb, dass das Graffito selbst das Proskynema war (Geraci). Natürlich liegt es aber nahe, dass diejenigen, die eine solche Inschrift hinterlassen haben, auch einen Verehrungsakt, sei es nur eine Proskynese vor der Gottheit oder aber auch ein weitergehendes Opfer, vollzogen haben (vgl. I.Philae II 135). Zwar gibt es auch in der restlichen hellenistischen Welt die Praxis, sich beim Besuch eines regionalen oder überregionalen Heiligtums zum Dank oder zu anderen Zwecken zu verewigen, doch ist uns die Gattung der „Proskynemata“ in dieser spezifischen Form einzig und allein aus Ägypten bekannt – es handelt sich also um eine originär ägyptische Praxis, die folgerichtig aus ägyptischen Bräuchen heraus zu erklären ist. Bereits im pharaonischen Ägypten war es möglich, kurze Inschriften oder auch nur seinen Namen an der Wand eines Heiligtums zu hinterlassen: Auf diese Weise hoffte man, dass der Name im Schutz der betreffenden Gottheit weiterleben würde. So heißt es in demotischen Besucherinschriften: „Der schöne Name bleibt hier vor Schai (= Agathos Daimon)“ (Preisigke/Spiegelberg, Nr. 222 und öfter). Dementsprechend ist also das griechische Formular aus dem Ägyptischen übernommen worden, wobei der im Demotischen formulierte Gedanke den Zweck der griechischen Texte erklärt – man möchte dauerhaft in der Anwesenheit der Gottheit bleiben. Die demotischen Texte können zudem wesentlich ausführlicher ausfallen als die kurzen griechischen Proskynemata, die nur den Namen des Verehrenden und die Begünstigten des Verehrungsaktes nennen. So lautet ein demotisches Proskynema aus Philae z. B. (Philae dem. 289): „Die Anbetung von Teos, des Sohnes des Weinhändlers Pa-wia, des Meisters von Meistern, mit allen Leuten, die bei ihm sind, in Gegenwart von Isis, die Leben schenkt, der Herrin des Abaton, der vollkommenen Herrin, Herrin von Philae. Ich bin hier, indem ich die jährliche Sache (= Opfer?) für den großen Gott des ganzen Landes Osiris-Onnophris vollziehe zugunsten der ältesten Tochter, Tascheretendjedher, zugunsten […] und der großen Mutter in dem genannten Jahr. Ich bin nicht betrunken gewesen, indem ich nicht Wasser gespendet habe wegen der Furcht vor Isis, der Angst vor dem König Osiris. Derjenige, der diese Verehrung tilgen wird: Sein Name ist abgeschnitten auf immer und ewig.“ & F. PREISIGKE/W. SPIEGELBERG, Ägyptische und griechische Inschriften aus den Steinbrüchen des Gebel Silsile (Oberägypten), Straßburg 1915; N. AIMÉ-GIRON, Une stèle trilingue du stratège Ptolémée fils de Panas, in: ASAE 26, 1926, 148–156, bes. 149–152; W. SPIEGELBERG, Demotica II (20–34), München 1928 (zu demotischen Besucherinschriften); F. Ll. GRIFFITH, Catalogue of the Demotic Graffiti of the Dodecaschoenus, Oxford 1935–1937 (zu den demotischen Proskynemata); J. YOYOTTE, Les

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Texte

pèlerinages dans l’Égypte ancienne, in: A. M. Esnoul u.a. (Hg.), Les pèlerinages, Paris 1960, 17–74; G. GERACI, Ricerche sul Proskynema, in: Aegyptus 51, 1971, 3–211 (grundlegende Abhandlung); M. MALAISE, Pèlerinages et pèlerins dans l’Égypte ancienne, in: J. Chélini/H. Branthomme (Hg.), Histoire des pèlerinages non chrétiens entre magique et sacré: le chemin des dieux, Paris 1987, 55–82; É. BERNAND, Pèlerins dans l’Égypte grecque et romaine, in: M.-M. Mactoux/É. Geny (Hg.), Mélanges Pierre Lévêque I, Paris 1988, 49–63; D. FRANKFURTER (Hg.), Pilgrimage and Holy Space in Late Antique Egypt, Leiden 1998; I. RUTHERFORD, Island of the Extremity: Space, Language and Power in the Pilgrimage Traditions of Philae, in: D. Frankfurter (Hg.), Pilgrimage and Holy Space in Late Antique Egypt, Leiden u.a. 1998, 230–256; I. RUTHERFORD, Pilgrimage in Greco-Roman Egypt: New Perspectives on Graffiti from the Memnonion at Abydos, in: R. Matthews/C. Roemer (Hg.), Ancient Perspectives on Egypt, London 2003, 171–189; J. ELSNER/I. RUTHERFORD (Hg.), Pilgrimage in GraecoRoman and Early Christian Antiquity. Seeing the Gods, Oxford 2006 (zur sogenannten Pilgerschaft in der Antike).

46. Die „Nadel der Kleopatra“ – ein Obelisk vom Caesareum in Alexandria (13/12 v. Chr.) OGIS II 656 = CIL III Suppl. I 6588 = IGRR I 1072 = SB V 8785 = ILS II 1, 5483a = I.Alex. imp. 2 = TM 102611 46. Die Nadel der Kleopatra

Kleopatra VII. hatte nach dem Tod des Iulius Caesar damit begonnen, für ihn einen Tempel in Alexandria errichten zu lassen. Nach der Eroberung Ägyptens ließ Octavian diesen Tempel in eine Kultanlage zu seinen eigenen Ehren umgestalten und fertigstellen (vgl. Text 43). Ihren Abschluss fanden die Arbeiten wohl mit der Errichtung von zwei Obelisken im Jahr 13/12 v. Chr. Nebeneinander wurden die beiden ca. 22 m hohen Steinnadeln am Hafen der Stadt aufgestellt und flankierten den Eingang zum Augustustempel. Der eine der beiden Obelisken befindet sich heute in London, der andere in New York. Zu Letzterem gehören vier Bronzekrabben, die am Unterbau des Obelisken angebracht waren. Auf einer der heute noch erhaltenen Krabben befindet sich vorliegende griechische und lateinische Weihinschrift. Text und Übersetzung Inschrift a) (ἔτους) ιη Καίσαρος. | Βάρβαρος ἀνέθηκε | ἀρχιτεκτονοῦντος | Ποντίου. Inschrift b) A[n]no X̣ṾIII Caesaris | Baṛbaṛus praef(ectus) | Aegypti posuit | ạrchị tectante Pontio.

„18. Regierungsjahr des Caesar. Barbarus hat ihn aufgestellt, Architekt war Pontius.“ „Im 18. Regierungsjahr des Caesar. Barbarus, der praefectus Aegypti, hat ihn aufgestellt, Architekt war Pontius.“

46. Die Nadel der Kleopatra

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Kommentar: Plinius schreibt in seiner Naturkunde (XXXVI 69): „Es befinden sich noch zwei andere Obelisken zu Alexandreia am Hafen beim Tempel Caesars, die der Pharao Mesphres hatte aushauen lassen und die 42 Ellen hoch sind.“ (Übersetzung: König). Beide Obelisken stammen eigentlich aus Heliopolis, der Stadt des Re. Thutmosis III. (reg. 1479–1425 v. Chr.) hatte sie dem Sonnengott gestiftet. Im Ägyptischen lautete der Thronname des Thutmosis Mn-Xpr-Ro („Dauerhaft ist die Erscheinung des Re“), woraus Plinius Mesphres machte (von MnX-p#-Ro „Vortrefflich ist Pa-Ra“), wie er es wohl von einem ägyptischen Gewährsmann lautlich verstanden oder einer griechischen Quelle entnommen hat (vgl. schon Manetho Fr. 50). Verantwortlich für die Errichtung in Alexandria war wiederum der Präfekt Ägyptens Publius Rubrius Barbarus (vgl. CIL X 5169; CIL VI 9245), in dessen Amtszeit im selben Jahr auch der Bau des Augustusheiligtums an der Südgrenze Ägyptens, auf Philae, datiert wurde (OGIS II 657 = I.Philae II 140). Er hatte die beiden Obelisken aus Heliopolis nach Alexandria verbringen lassen. Der Tempel des Re von Heliopolis war in dieser Zeit bereits nicht mehr in Betrieb und ein beliebter Bezugsort von Aegyptiaca in römischer Zeit, die dann insbesondere nach Alexandria verbracht wurden. So holte Augustus die nach Rom verbrachten Obelisken ebenfalls aus Heliopolis (Text 48 und 49). Für ihn bot sich dieser Ort auch deshalb an, weil Augustus über seinen Schutzgott Apollon eine enge Beziehung zu solaren Gottheiten hatte und der Sonnengott Re als ägyptische Entsprechung des Apoll-Sol verstanden werden konnte (vgl. Text 43). Der alexandrinische Tempel des vergöttlichten Augustus (Kaisareion oder Sebasteion genannt), vor dem die beiden Obelisken standen, war eine der größten Anlagen dieser Art überhaupt. Der jüdische Gelehrte Philo von Alexandria beschreibt den heiligen Bezirk. Er führt aus, dass Augustus in der gesamten bekannten Welt die gleichen Ehrungen wie die römischen Götter erhielt, und dann fährt er fort (legatio ad Gaium 151): „So viele Städte, ob sie neue oder alte Prachtbauten enthalten, sie treten an Schönheit und Größe hinter die Tempel für den Caesar (Augustus) zurück, und besonders in unserem Alexandria. Denn es gibt kein solches Heiligtum wie das sogenannte Augusteum, ein Tempel des Caesar Epibaterios, des Schutzherrn der Matrosen, errichtet auf der höchsten Erhebung, von großer Ausdehnung und weithin sichtbar gegenüber den Buchten mit vorzüglichen Landeplätzen. Er ist wie nirgendwo sonst angefüllt mit Weihgaben, rundherum überladen mit Gemälden, Standbildern und Gegenständen in Silber und Gold. Der heilige Bezirk umfasst ausgedehnte Hallen, Bibliotheken, Klubräume, Parks, Tempeltore und Tempelvorbauten, Höfe, freie Plätze, mit allen Dingen zu kostbarstem Schmuck ausgestattet, ein Hort der Hoffnung auf Schutz den Seefahrern aus- und einlaufender Schiffe.“ (Übersetzung: Kohnke). Die römische Verwaltung hatte also, wie es die vorliegende Inschrift ebenso wie diejenige des Gallus-Obelisken (Text 43) nahelegt, den Auftrag erteilt, einen Kultort für Augustus in Ägypten zu errichten, denn die Römer treten als Bauherren der Anlage auf. Das werden sie wiederum kaum ohne Zustimmung

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des „ersten Mannes“ Roms getan haben. Die Krabben am Fuß des Obelisken könnten auf das Sternbild des Krebses verweisen, also auf den Ort der Sonnenwende, den tiefsten Süden (vgl. Macrobius I 17,63), der solare Bezug des Tieres zur Sonnennadel war also deutlich gegeben. In Alexandria war Augustus Schutzgott der Seefahrt, was auf Apollon ebenfalls zutraf, weshalb Augustus an diesen seinen Schutzgott angeglichen werden konnte. So priesen alexandrinische Kaufleute Augustus damit, dass sie nur „durch ihn leben, durch ihn zur See fahren und die Freiheit und das Glück durch ihn genießen“ könnten (Sueton, Augustus 98,2). Auch wenn Obelisken die Kaiserkultanlage in Alexandria zierten, so ist doch aufgrund der römischen Bauherren eine eindeutig römische Prägung nicht zu verkennen; mit einem Schutzgott der Seefahrt haben Obelisken in ihrer ursprünglichen theologischen Konzeption ebenfalls nichts zu tun. Die Beschreibung des Philo zeigt weiterhin, dass hier eine griechische oder römische Konzeption der Kultanlage zugrunde lag. Mit altägyptischen Kulten hatte der Tempel deshalb keine Berührungspunkte, der Obelisk war neu interpretiert worden und ein Symbol eines neuen Kultes geworden, der insbesondere die Beziehung des Kaisers zum Sonnengott Apollon zum Ausdruck bringen sollte. & H. HÄNLEIN-SCHÄFER, Veneratio Augusti. Eine Studie zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers, Rom 1985, 203–219 (grundlegende Studie zu den überlieferten Augustustempeln im Imperium und speziell zum Tempel in Alexandria); B. TAKACZOW, The Topography of Ancient Alexandria (An Archeological Map), Warschau 1993, 128f. (Forschungsüberblick mit Literatur); H. HEINEN, Vorstufen und Anfänge des Herrscherkultes im römischen Ägypten, in: ANRW II 18,5 (1995), 3144–3180 (zur Entstehung des Augustuskultes in Alexandria); J.-Y. EMPEREUR, Alexandria Rediscovered, London 1998, 110–123 (zahlreiche Abbildungen, auch eine der Bronzekrabben); J.L. ARNAUD, Sources et méthodes de restitution. Les obélisques et le Césaréum d’Alexandrie, in: J.-Y. Empereur (Hg.), Alexandrina 2, Kairo 2002, 177–190; F. HERKLOTZ, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main, 2007, 65–69, 267–272 (Beschreibung des Augustustempels); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 237– 241 (Beschreibung des Augustustempels); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 20f. (Dokumentation zum Präfekten).

47. Eine dreisprachige Weihung an Isis aus Dendera (30. März 12 v. Chr.) I.Portes 24 = SEG VIII 653 = SB III 7257 = TM 53806 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 50044 47. Eine dreis prachi ge Weihung an Is is aus Dendera

Der in der Ptolemäerzeit am Beispiel der dreisprachigen Synodaldekrete besonders eindrücklich gezeigte Brauch, im Kontext der indigenen Tempel wichtige Maßnahmen in der in Hieroglyphen geschriebenen Sakralsprache, auf Demotisch und in der Sprache der Zuwanderer, Griechisch, auf Stelen festzuhalten (vgl. Text 13, 14 und 22), endete unter der frühen römischen Herrschaft. Die

47. Eine dreisprachige Weihung an Isis aus Dendera

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hier vorgestellte Weihung von Land an Isis-Thermuthis bietet eines der letzten Beispiele für die ptolemäische Praxis dreisprachiger Inschriften; weiterhin üblich war es aber, Stelen mit griechischen und demotischen oder demotischen und hieroglyphischen Texten zu weihen (vgl. Moje). Nach einem nicht mehr erhaltenen Giebelfeld (Abb. 23) folgt bei vorliegender Stele eine nur zur Hälfte erhaltene hieroglyphische Dedikationsinschrift, deren vierzeiliger Rest exakt der daran anschließenden demotischen Version entspricht, deren Sprachstufe sie ebenfalls angenommen hat. Darunter ist dann die etwas anders formulierte griechische Version der Stiftung angebracht. Der Text bietet einen wichtigen Beleg für die Entwicklung der lokalen Verwaltung im Übergang von der ptolemäischen zur römischen Herrschaft. Text und Übersetzung demotischer Text: [O#.t-sp 18] ibd 4 pr.t sw 4 n Gysrs p# ntr p# Sr (n) p# ntr . M-b#H Is(.t) n v#-rmt.t nb [— — , nti Hr (?)] p# tni n XftH n Ow.t-Or nb-Iwn ir.t-Ro nb-p(.t) Hnw.t ntr.w nb,– Hnk [P]tlwmys s# Pa-n#, p# srtyQws p# sn-yns p# sn n Pr-o# onX wD# snb p# Hm-ntr Or p# Hm-ntr Ow.t-Or p# Hmntr IHy p# Hm-ntr Is(.t) p# Hm-ntr n n# ntr.w n Hw.t-ntr Iwn-t#-ntr.t p# mr p# pr-HD n Ow.t-Or nb-Iwn Is(.t) t# ntr.t o#.t Or-BHd.ti ntr o# nb-p(.t) So D.t,

n# wrH.w nti Hr p# Hr {n} rsi n p# rpy iw.w ir n n# Sms.w n p# m#o n p# Cy Hw n pr-rsi r pr-mHt n Hr-xt p# Qy n pr-imnt r pr-i#bt So t# xl#t nti XftH Ow.t-Or nb Iwn.

„[Jahr 18], Monat 4 der Peretjahreszeit, Tag 4, des Caesar, des Gottes, des Sohnes des Gottes. Vor Isis Thermuthis, der Herrin von [— — die auf (?)] dem Damm des Vorhofs der Hathor, der Herrin von Dendera, dem Auge des Re, der Herrin des Himmels, ist, die Herrin aller Götter, hat geschenkt Ptolemaios, der Sohn des Panas, der Stratege, im Hofrang eines Verwandten, der Bruder des Pharao, er lebe, sei heil und gesund, der Prophet des Horus, der Prophet der Hathor, der Prophet des Ihi, der Prophet der Isis, der Prophet der Götter des Tempels von Dendera, der Vorsteher des Schatzhauses der Hathor, der Herrin von Dendera, und der Isis, der großen Göttin, und des Horus Behedeti, des großen Gottes, des Herrn des Himmels bis in Ewigkeit, die Bauplätze, die auf der südlichen Seite des Tempels sind, indem sie gemacht sind für die Kultdienste des Platzes von Schai, (in der) Breite (?) von Süden nach Norden, in einer

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Texte Länge (?) von Westen nach Osten bis zum Kanal, der am Dromos der Hathor, der Herrin von Dendera, liegt.“

griechischer Text: ὑπὲρ Αὐτοκράτορος Καίσαρος θεοῦ υἱοῦ Σαστοῦ | Διὸς Ἐλευθερίου Ἴσιδι θεᾶι µεγίστηι ἐπικαλουµένηι | [Θε]ρµούθι{ος} τῆι ἐπὶ τῶι χώµατι κατ̣α̣ντίον τοῦ δρόµου τῆς | Ἀφροδίτης Πτολεµαῖος Πανάτος ὁ στρατηγὸς καὶ ἐπὶ τῶν (5) προσόδων τοῦ Τεντυρίτου τοὺς ἀπὸ νότου τοῦ ἱεροῦ | ψιλοὺς τόπους, ἀπὸ δὲ ἀπηλιώτου τοῦ Σωτηρίου µέχρι | [τῆς διώρ]υ̣γaος· (ἔτους) ιη Καίσαρος, Φαρµοῦθι δ̅.

„Zugunsten des Imperator Caesar, Sohn Gottes, Augustus, Zeus Eleutherios, für Isis, die größte Göttin, die Thermuthis genannt wird, die auf dem Damm ist gegenüber dem Dromos der Aphrodite, (hat) Ptolemaios, der Sohn des Panas, der Stratege und Zuständige für die Einkünfte des Tentyrites, die unbebauten Grundstücke südlich des Heiligtums (geweiht), vom Osten des Soter-Tempels bis zum Kanal. 18. Regierungsjahr des Caesar, am 4. Pharmouthi.“

Kommentar: Die neue römische Herrschaft Ägyptens beließ, wie die Inschrift zeigt, zunächst die alten Verwaltungs- und Priestereliten zumindest auf Gauebene in ihren Positionen. Ptolemaios war in seiner Funktion als Stratege der Zivilverwalter des Gaues von Dendera. Der Name seines Vaters, Panas (Pa-n#), gibt zu erkennen, dass Ptolemaios ethnisch Ägypter war. Bereits Panas hatte das Amt des Gauverwalters inne, und Ptolemaios selbst erscheint noch in anderen Texten der Zeit zwischen 20/19 und 7/6 v. Chr., denen wir entnehmen können, dass sein ägyptischer Name P#-Sr-p#-Xy, „der Sohn des Pachi“, lautete (Gorre; Warda). Die demotische Version der Stele bietet wichtige Informationen, die der griechische Text verschweigt. Insbesondere ist es die Tatsache, dass Ptolemaios neben seinen Verwaltungsämtern auch als Priester verschiedener Gottheiten die Kulte vollzog. Er war Prophet des Horus, der Hathor, des Ihi, der Isis und der anderen Götter im Tempel von Dendera. Zudem führte er die Aufsicht über das Schatzhaus der Hathor, der Isis und des Horus von Behedet, war also Finanzverwalter des großen Tempels der Hathor. Da er neben der Zivilverwaltung die Aufsicht über den wichtigsten Tempel des Gaus hatte, war Ptolemaios mit Sicherheit die führende Persönlichkeit von Dendera in dieser Zeit. Wie tief Ptolemaios aber noch in der ptolemäischen Tradition verwurzelt war, zeigt die Tatsache, dass er sich im demotischen Text Titel anmaßt, die er klugerweise im Griechischen verschweigt. Er gibt sich selbst den Hofrang eines Verwandten (demotisch snyns für syngenes) und die Bezeichnung eines „Bruders des Pharao“. Letztere wiederum ist lediglich die Erklärung des Hofrangs: Die Könige

47. Eine dreisprachige Weihung an Isis aus Dendera

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sprachen einen syngenes üblicherweise als ihren „Bruder“ an (vgl. Text 29). Den Titel und Hofrang gab es unter römischer Herrschaft nicht mehr und es ist zudem unwahrscheinlich, dass Ptolemaios bereits unter der letzten Ptolemäerin so hoch in der Hofrangtitulatur gestiegen war (La’da). Davon abgesehen erreichten Gaustrategen diese hohe Position in den seltensten Fällen. Vielleicht sah sich Ptolemaios aber berechtigt, den Titel anachronistisch zu führen, weil er sich in anderen demotischen Texten auch „Vertreter des Caesar Imperator“ nennt (Vleeming, Nr. 161,6f; 262,7; 164,4f.). Ptolemaios war auch der letzte Stratege eines Gaus, der aus der lokalen Elite stammte. Im ersten Jahrhundert der römischen Herrschaft agierten in den meisten Fällen nur noch Alexandriner als Strategen in den Gauen (Jördens). Auf diese Weise versuchte die römische Herrschaft vielleicht, Vorteilsnahmen von staatlichen Verwaltern in lokalen Netzwerken zu verhindern. Größere Bedeutung erhielten von nun an zudem die städtischen Gremien der Gauhauptstädte (metropoleis). Das zeigen zwei weitere griechische Weihinschriften aus Dendera. So ist folgende Weihinschrift am Propylon zum kleinen Isistempel angebracht (I.Portes 25; 23.9.1 n. Chr.): „Zugunsten des Imperator Caesar, Sohn Gottes, Zeus Eleutherios, Augustus, unter Publius Octavius, dem praefectus Aegypti, und Marcus Clodius Postumus, dem Epistrategen, als Tryphon Stratege war, (haben) die von der Metropolis und vom Gau das Propylon für Isis, die größte Göttin, und die Götter, die den Tempel mit ihr teilen, (gestiftet). Im Regierungsjahr 31 des Caesar, Thoth, am Augustustag.“ Stifter des Propylons, der sich in der Umfassungsmauer des großen Hathortempels befand, innerhalb der auch der kleine Isistempel lag, sind die Bewohner der Metropolis und des Gaus, nicht mehr der Stratege. Dieser wiederum heißt Tryphon und erscheint nur noch in der Datierungsformel, also lediglich eponym; er hatte wohl auch keine engere Bindung mehr an die lokalen Kulte, da er nicht aus Dendera stammen dürfte. Die gleiche Beobachtung lässt sich auch bei der Weihinschrift des großen Hypostyls des Hathortempels selbst machen, die zwischen 32 und 37 n. Chr. angebracht wurde (I.Portes 28): „Zugunsten des Imperator Tiberius Caesar, des neuen Augustus, des Sohnes des Gottes Augustus, ⟦unter Aulus Avillius Flaccus, praefectus Aegypti, und Aulus Folmius Crispus, Epistratege⟧, als Sarapion, Sohn des Trychambos Stratege war, (haben) die (Bewohner) von der Metropolis und die vom Gau den Pronaos (geweiht) für Aphrodite, die größte Göttin, und die Götter, die mit ihr den Tempel teilen, im Regierungsjahr [x] des Tiberius Caesar.“ Es hatte sich also voll und ganz das römische Modell der Gauverwaltung etabliert: Die Metropoliten traten als eigenständige Körperschaft mit Magistraturen (archontes) der städtischen Selbstverwaltung auf (Bowman/Rathbone), auch wenn natürlich die oberste Zivilverwaltung weiterhin in den Händen eines Strategen lag. Erst 200 Jahre später zog Rom aber die letzte Konsequenz aus der gestiegenen Verantwortung der Metropolitanverwaltung, indem Septimius Severus den Metropolen 199/202 n. Chr. auch den rechtlichen Status

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eines römischen Munizipiums verlieh, womit die Städte auch einen Stadtrat (bulé) bilden konnten. Betrachtet man nun die Stiftung des Ptolemaios selbst, so wirft diese einige Fragen auf, so etwa die, weshalb der Stratege die Stiftung gerade für Isis-Thermuthis vornahm. Ihrem Ursprung nach geht die Göttin auf die als Kobra mit menschlichem Kopf dargestellte ägyptische Renenutet zurück (Dunand). Sie garantierte, wie Darstellungen der Gottheit mit Kornähren zeigen, insbesondere die gute Getreideernte. Es liegt also nahe, dass der Zuständige für Einkünfte des Gaues sich besonders um diese Gottheit kümmerte. Zu klären wäre weiterhin, wo der Tempel der Isis-Thermuthis lag, wozu die von Ptolemaios gestifteten Grundstücke dienten und welcher Soter-Kult gemeint ist, der im benachbarten Sotereion betrieben wurde. Zunächst zum Isistempel: Was bedeutet die Aussage, dass er „auf dem Damm (chôma) gegenüber dem Dromos der Aphrodite“ liegt? Wie kann es einen Damm gegenüber einem Dromos geben? Der demotische Text hilft hier aufgrund einer Beschädigung im Stein nicht weiter. Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass der Damm diejenige künstliche Erhebung bezeichnet, auf der sich noch heute der eben erwähnte Isistempel, das „Geburtshaus“ der Göttin, auf der Rückseite des Hathortempels befindet? Diesen Isistempel hatte man in augusteischer Zeit auf einem Tempel der Zeit des Nektanebos, um 2 Meter erhöht, neu gebaut (Hölbl). Offen bliebe dann freilich, inwiefern sich die mit der Weihung bedachte Geburts- und Fruchtbarkeitsgottheit Isis-Thermuthis theologisch mit dem Geburtshaus der Isis verbinden ließe. Die Grundstücke wiederum, die Ptolemaios Isis-Thermuthis stiftete, dienten entweder der wirtschaftlichen Nutzung, um Erträge für den Kult und die Priesterschaft zu erzielen, oder aber der Errichtung von Kultgebäuden, z. B. von Vereinshallen, die vermietet werden konnten. Das der Göttin geweihte Gelände lag südlich ihres Tempels in der Nähe eines Sotereion genannten Heiligtums. Hierin ist kein Tempel für den Gründer der Lagidendynastie Ptolemaios Soter zu sehen, denn nach Auskunft des demotischen Textes handelt es sich um einen Kultbau des ägyptischen Gottes Schai, den die Griechen mit Agathos Daimon identifizierten und der als Rettergottheit für den Schutz des Hauses und die Garantie der Fruchtbarkeit des Landes zuständig war. Es bestand aber möglicherweise eine enge Verbindung zwischen dem Schai-Kult und dem Soter-Kult des ersten Ptolemäers (vgl. Text 72). Die Verbindung von Schai und Isis-Thermuthis ist vor allem deshalb einsichtig, weil Schai-Agathos Daimon die männliche Komplementärgottheit zu Isis-Thermuthis, der Agathe Tyche, war. Auch er wurde als Kobra mit menschlichem Kopf dargestellt, wie es zahlreiche Werke der Kleinkunst belegen, die beide Gottheiten gemeinsam als zwei Schlangen mit Kornähren darstellen.

47. Eine dreisprachige Weihung an Isis aus Dendera

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Abb. 23: Stele mit den drei Inschriften zur Stiftung an IsisTermuthis; Kairo CG 50044 (Abdruck der Umzeichnung mit freundlicher Genehmigung von Sven P. Vleeming).

Zu guter Letzt sei noch kurz auf den Begünstigten der Stiftung eingegangen, weil seine Erwähnung einerseits auf die Konzeption der Herrschaft des Augustus über Ägypten verweist und andererseits auf die Wahrnehmung dieses Herrschaftsverständnisses durch die neuen Untertanen: Ptolemaios nahm die Stiftung der Grundstücke für die Göttin zum Heil des Kaisers vor, das die Göttin gewähren möge. Somit sicherte er gleichzeitig seine Stiftung gegen Ansprüche anderer auf das Gelände. Ptolemaios nennt Augustus jedoch nicht nur mit seinem üblichen Namen als Imperator Caesar Augustus, Sohn des zum Gott gewordenen Caesar, sondern auch noch Zeus Eleutherios, also „befreiender“ Zeus. Diesen Beinamen erhielt Augustus in Ägypten des Öfteren – hiermit sollte wohl auf die Befreiung Ägyptens von der nun als „schlecht“ charakterisierten Ptolemäerherrschaft hingewiesen werden (vgl. Text 50). Im demotischen Text hingegen führt Augustus den Namen „Caesar, der Gott, der Sohn des großen Gottes“. Er selbst erscheint also explizit als Gott, was wohl als Reminiszenz an die Vergöttlichung der Ptolemäer zu verstehen ist. Die ägyptischen Untertanen versuchten also, den Herrscher in die Rolle einzubinden, die sie von ihren ptolemäischen Königen kannten. & F. DUNAND, Les représentations de l’Agathodémon. À propos de quelques basreliefs du Musée d’Alexandrie, in: BIFAO 67, 1969, 9–48 (zu Agathos DaimonDarstellungen); V. F. VANDERLIP, The Four Greek Hymns of Isidorus and the Cult of Isis, Toronto 1972, 19f. (zu Isis-Thermuthis); J. QUAEGEBEUR, Le dieu égyptienne Shaï dans la religion et l’onomastique, Löwen 1975, 164–166 (zum Sotereion); F. DUNAND,

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Religion populaire en Égypte romaine. Les terres cuites isiaques du Musée du Caire, Leiden 1979, 173–177 (zu Isis-Thermuthis-Darstellungen); G. DESCHENES, Isis-Thermouthis, exemple d’un biculturalisme, in: J. B. Caron u.a. (Hg.), Mélanges d’études anciennes offertes à Maurice Lebel, Québec 1980, 363–370 (zur Bedeutung der IsisThermuthis); D. DEVAUCHELLE, De nouveau la construction du temple d’Hathor à Dendara, in: RdÉ 36, 1985, 172–174 (zur Gründung des Hathortempels); E. WINTER, A Reconsideration of the Newly Discovered Building Inscription on the Temple of Denderah, in: GM 108, 1989, 75–85 (zur Gründung des Hathor-Tempels mit Gegenthese zu Devauchelle); A. K. BOWMAN/D. W. RATHBONE, Cities and Administration in Roman Egypt, in: JRS 82, 1992, 107–127 (zum Strategen und älterer Literatur); S. CAUVILLE, Le temple d’Isis à Dendera, in: BIFAO 90, 1990, 83–114 (zum kleinen Isistempel auf der Rückseite des Hathortempels); C. A. LA’DA, One Stone: Two Messages, in: Proceedings of the 20th International Congress of Papyrologists Copenhagen, 23–29 August, 1992, Kopenhagen 1994, 160–164 (zu den Unterschieden zwischen griechischen und ägyptischen Texten); G. HÖLBL, Altägypten im römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel I. Römische Politik und altägyptische Ideologie von Augustus bis Diocletian, Tempelbau in Oberägypten, Mainz 2000, 72–87 (Vorstellung des Hathortempels in Dendera); S. P. VLEEMING, Some Coins of Artaxerxes and Other Short Texts in the Demotic Script Found on Various Objects and Gathered From Many Publications, Löwen u.a. 2001, Nr. 163 (englische Übersetzung und jüngste Edition aller drei Texte; weitere Literatur); M. BOMMAS, Die Genese der Isis Thermouthis im kaiserzeitlichen Ägypten sowie im Mittelmeerraum zwischen Aufnahme und Abgrenzung, in: Mediterraneo Antico 9,1, 2006, 221–240; G. GORRE, Les relations du clergé égyptien et des Lagides d’après les sources privées, Löwen 2009, Nr. 30 und 31 (zu Ptolemaios und Panas); D. BUDDE, Das Götterkind im Tempel, in der Stadt und im Weltgebäude. Eine Studie zu drei Kultobjekten der Hathor von Dendera und zur Theologie der Kindgötter im griechisch-römischen Ägypten, Mainz 2011 (trotz des Titels eine umfassende Darstellung zum Hathortempel zu Beginn der römischen Herrschaft); W. HUß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011, 77–83 (zum epi ton proshodon); A. JÖRDENS, Government, Taxation and Law, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 56–67 (zur Verwaltung der römischen Provinz); J. MOJE, Materiale Präsenz sakraler vs. profaner Schriften in bilinguer Epigraphik des ptolemäisch-römischen Ägypten, in: J. F. Quack u.a. (Hg.), Erscheinungsformen und Handhabungen ‚Heiliger Schriften‘, Berlin 2014, 137–175; M. A. STADLER, Die Größe der nubischen Katze im Mythos vom Sonnenauge. Zur Semantik von demotisch qy „hoch“ oder „lang“, in: S. L. Lippert u.a. (Hg.), Sapientia Felicitas. Festschrift für Günter Vittmann zum 29. Februar 2016, 526–532 (zur Problematik der demotischen Begriffe für „Länge“ und „Breite“); A. WARDA, Statue of Strategos Tryphon from Dendera (SEG LVIII 1823), in: R. Jasnow/G. Widmer (Hg.), Illuminating Osiris. Egyptological Studies in Honor of Mark Smith, Atlanta 2017, 379–387 (aktuelle Zusammenstellung zur Familie des Ptolemaios und seinen lokalen Beziehungen).

48. Das solarium Augusti in Rom (zwischen 26. Juni 10 und 25. Juni 9 v. Chr.) CIL VI 702 = CIL VI 30815 = ILS I 91 48. Das s olarium Augus ti

Auf der Piazza di Monteciterio in Rom steht heute ein Obelisk, den ursprünglich Pharao Psammetich II. (reg. 594–589 v. Chr.) anlässlich seines ersten Herr-

48. Das solarium Augusti

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schaftsjubiläums (Sed-Fest) in Heliopolis hatte errichten lassen. Augustus ließ das 250 t schwere und ca. 22 m hohe Monument im Jahr 10 v. Chr. nach Rom bringen und nahe dem vom Senat im Jahr 9 v. Chr. geweihten Altar des augusteischen Friedens, der ara Pacis Augustae, auf dem Marsfeld (Abb. 24) aufstellen. Der Obelisk diente als Gnomon, d.h. Zeiger, des solarium Augusti, und steht auf einem Sockel, der auf zwei gegenüberliegenden Seiten eine identische lateinische Weihinschrift des Augustus aufweist. Die Akzente im lateinischen Text sollen sogenannte Apices (Sg. Apex) anzeigen, die der Verfasser zur Kennzeichnung von langen Vokalen über den Buchstaben gesetzt hat. Ein langes i wiederum wurde mit einer vergrößerten Ausführung des Buchstaben ausgedrückt. Text und Übersetzung Imp(erator) • Caesar • Divi • f(ilius) | Augustus | pontifex • maximus | imp(erator) • X̅ I̅ I̅ • co(n)s(ul) • X̅ I̅ • trib(unicia) • pot(estate) • X̅ I̅ V̅ | Aeguptó • in • pótestátem | populi • Rómáni • redacta | Sóli • dónum • dedit.

„Imperator Caesar, Sohn Gottes, Augustus, pontifex maximus, zum 12. Mal Imperator, zum 11. Mal Konsul, zum 14. Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt, hat, nachdem/weil Ägypten in die Verfügungsgewalt des römischen Volkes versetzt worden war, (den Obelisken) dem Sol als Geschenk gegeben.“

Kommentar: Bei Plinius (naturalis historia XXXVI 72) findet sich folgende Information: „Dem auf dem Marsfeld stehenden Obelisken gab der vergöttlichte Augustus eine bemerkenswerte Bestimmung, nämlich die Schatten der Sonne und auf diese Weise die Länge der Tage und Nächte anzuzeigen; er ließ der Länge des Obelisken ein Steinpflaster in den Boden legen, dem der Schatten am Tage der Wintersonnenwende in der sechsten Stunde gleichkommen sollte und der allmählich nach den aus Erz eingelegten Streifen an den einzelnen Tagen abnahm und wieder länger wurde, eine Anlage, die wert ist, sie kennenzulernen, ersonnen vom Scharfsinn des Mathematikers Novius Facundus.“ (Übersetzung: König/Hopp). Bei Ausgrabungen konnte auf dem antiken Pflaster noch ein Fragment der von Plinius beschriebenen Kalenderskala gefunden werden. Auf einer von Süden nach Norden laufenden Bronzelinie fanden sich noch die Namen von Tierkreiszeichen eines Zodiacus, und zwar der Widder ([κρι]ός) und der Stier (ταῦ[ρος]) auf der Westseite und der Löwe ([λέ]ων) und die Jungfrau (παρθ[ένος]) auf der Ostseite. Zudem fand sich eine ‚Monatslinie‘ mit der Angabe „Anfang des Sommers“ (θέρους ἀρχή) und eine mit der Angabe „die Etesien hören auf“ (ἐτησίαι παύονται) (IGUR IV 1647 = SEG XXX 1195). Die erwähnten Etesien sind wiederum eine Klimaerscheinung des östlichen Mittelmeerraumes, auch ist der Sommerbeginn allem Anschein nach auf Mitte Mai festgelegt, was auf

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Nordafrika, aber nicht auf Italien zutrifft. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, dass es sich um einen alexandrinischen Kalender handelte (Kolb), der, ebenso wie die Inschrift, auf die Eroberung Ägyptens und indirekt auch auf die nun Rom zur Verfügung stehende Fruchtbarkeit des Landes verweist, dessen beide Sprachen – das Griechische auf dem Boden, das Ägyptische auf dem Obelisken – in der Gesamtkonzeption des „Sonnenstandanzeigers“ eine bedeutende Rolle spielten.

Abb. 24: Personifikation des Marsfeldes. Ein hingelagerter Mann hält den Augustus-Obelisken, der das Kennzeichen der Personifikation wurde. Detail der Marmorbasis der sogenannten Antoninus-Pius-Säule. Aufstellungsort war das Marsfeld, heute befindet sich die Basis in den Vatikanischen Museen in Rom (Photo: Stefan Pfeiffer 2009).

Der Gnomon fungierte, da er allein die Länge des mittäglichen Schattens auf der Horizontallinie (der Meridianlinie) maß, als Anzeiger der Tagesmitte, wodurch die Jahreszeiten und die Sternzeichen bestimmt werden konnten. Es handelte sich somit um einen Kalender, der bis zur Wintersonnenwende reichte. Die häufig fälschlich als die Sonnenuhr (horologium) des Augustus bezeichnete Anlage ist mithin überhaupt keine Sonnenuhr, sondern lediglich ein(e) Meridian(linie), da es keinen Hinweis darauf gibt, dass mit ihrer Hilfe auch die Tagesstunden abgelesen werden konnten (Schütz vs. Buchner). Die Funktion und Bedeutung der „Sonnenuhr“ des Augustus ist in der Forschung umstritten. Maßgeblich sind immer noch die Studien des Ausgräbers Buchner. Er war der Überzeugung, dass der Friedensaltar des Augustus (in 83 m Entfernung), das Mausoleum des Augustus (in 350 m Entfernung) und der Obelisk symbolisch direkt aufeinander bezogen waren: Der von dem Obelisken bei der Tagundnachtgleiche geworfene Schatten, auch der des 23. Septembers, des Geburtstags des Augustus, falle, wie manche annehmen, in die Mitte des Friedensaltars. Auch die durch das solarium markierte Wintersonnenwendlinie war mit dem Altar verbunden, da das Sternzeichen des Steinbocks die Empfängnis des Augustus markierte. Nach dieser Interpretation waren also Empfängnis

48. Das solarium Augusti

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und Geburt des princeps mit dem Beginn eines neuen Jahres und damit einer neuen Friedenszeit, des goldenen Zeitalters, verbunden. Die hierfür nötigen astronomischen Berechnungen sind jedoch falsch (Schütz). Es ist aber durchaus möglich, dass der Schatten des Obelisken während der Äquinoktien, in der Zeit, an der Tag und Nacht die gleiche Länge haben, also auch am 23. September, mit einer Länge von knapp 90 m am späten Nachmittag, den Friedensaltar zumindest berührte (Hannah). Aus diesem Grund ist eine kosmologische Gesamtkonzeption der drei Anlagen auf dem Marsfeld nicht auszuschließen, die Augustus als göttlichen Bringer eines neuen Zeitalters darstellen sollte. So ist etwa ein Bezug zum nahe gelegenen Mausoleum des Augustus durch zwei Obelisken gegeben, die den Eingang der Grabanlage markierten. Die drei Obelisken spiegeln in ihrer topographischen Gesamtkonzeption also vielleicht den Kultkontext der Kaiserkultanlage von Alexandria wider, wo ebenfalls drei Obelisken aufgestellt waren (Alföldy, Text 43). Friedensaltar, Mausoleum und Obelisk markierten folglich symbolisch auf dem damals noch unbebauten Marsfeld an der via Flaminina für den nach Rom aus dem Norden anreisenden Besucher den Anbruch eines neuen goldenen Zeitalters, das durch die Einbeziehung Ägyptens ins Römische Reich seinen Anfang nahm. Zu verdanken war dies dem Sonnengott Sol, dem ägyptischen Re und dem griechischen Apollon (vgl. Text 49). & E. IVERSEN, Obelisks in Exile I. The Obelisks of Rome, Kopenhagen 1968, 142–160 (zum Obelisken); A. ROULLET, The Egyptian and Egyptianizing Monuments of Imperial Rome, Leiden 1972, 79, Nr. 83; M. MALAISE, Les conditions de penetration et de diffusion des cultes égyptiens en Italie, Leiden 1972, 387, Nr. 5; E. BUCHNER, Die Sonnenuhr des Augustus. Nachdruck aus RM 1976 und 1980 und Nachtrag über die Ausgrabung 1980/1981, Mainz 1982; M. SCHÜTZ, Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld, in: Gymnasium 97, 1990, 432–457 (Ablehnung der Thesen Buchners durch einen Naturwissenschaftler); K. P. ALMAR, Inscriptiones Latinae. Eine illustrierte Einführung in die lateinische Epigraphik, Odense 1990, Nr. 130; E. BUCHNER, Neues zur Sonnenuhr des Augustus, in: Nürnberger Blätter zur Archäologie 10, 1993/1994, 77–84 (Stellungnahme zu Schütz); L. HABACHI, Die unsterblichen Obelisken Ägyptens (überarb. und erw. Neuaufl. von C. Vogel), Mainz 2000, 75f. (Kurzbesprechung der Geschichte des Obelisken); F. KOLB, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 22002, 342f. (Deutung der Sonnenuhr); P. REHAK, Imperium and Cosmos. Augustus and the Northern Campus Martius. Edited by John G. Younger, Madison/WI, 2006, 81–85 (Unterstützung der These Buchners); P. HESLIN, Augustus, Domitian and the So-called Horologium Augusti, in: JRS 97, 2007, 1–20 (Annahme, dass die Anlage auf Domitian zurückgeht, der sich ideologisch auf Augustus rückbeziehen wollte); M. SWETNAM-BURLAND, Aegyptus Redacta: The Egyptian Obelisk in the Augustan Campus Martius, in: The Art Bulletin 92, 2010, 135–153 (weitere Literatur zum Thema in Anm. 8); L. HASELBERGER, A Debate on the Horologium of Augustus: Controversy and Clarifications, in: JRA 24, 2011, 47–73 (Überblick über die Forschungsdiskussion); M. SCHÜTZ, The Horologium on the Campus Martius Reconsidered, in: JRA 24, 2011, 78–86 (Stärkung der Kritik an Buchner); R. HANNAH, The Horologium of Augustus as a Sundial, in: JRA 24, 2011, 87–95; G. ALFÖLDY, The Horologium of Augustus and its model at Alexandria, in: JRA 24, 2011, 96–98 (Auseinandersetzung mit Heslin); K. SCHALDACH, Eine seltene Form antiker Sonnenuhren: Der Meridian von Chios, in:

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Archäologisches Korrespondenzblatt 41, 2011, 73–83 (zur Bedeutung von Meridianlinien); E. WINTER, Zeitzeichen. Zur Entwicklung und Verwendung antiker Zeitmesser II, Berlin 2013, 522–527 (aktuelle Darstellung des Forschungsstands).

49. Der Obelisk vom Circus Maximus (zwischen 26. Juni 10 und 25. Juni 9 v. Chr.) CIL VI 701 = ILS I 91 49. Der Obelis k vom Circus M aximus

Als Teil seiner Siegesbeute und Zeichen des Sieges über Ägypten ließ Augustus im Jahr 10 v. Chr. nicht nur den Obelisken des solarium Augusti (Text 48) in Rom errichten, sondern noch einen weiteren fast 30 m hohen Obelisken aus Heliopolis nach Rom bringen, der heute auf der Piazza del Popolo steht und sich ursprünglich auf der spina des Circus Maximus befand (Strabon XVII 1,27; Ammianus Marcellinus XVII 4,12; Abb. 25). Der Obelisk erhielt eine Weihinschrift, die identisch mit derjenigen des gerade erwähnten solarium Augusti ist. Im Jahr 357 ließ Kaiser Constantius II. noch einen weiteren Obelisken auf der Spina errichten, der heute auf der Piazza San Giovanni in Laterano steht. Text und Übersetzung Imp(erator) • Caesar • Divi • f(ilius) | Augustus | pontifex • maximus | imp(erator) • X̅ I̅ I̅ • co(n)s(ul) • X̅ I̅ • trib(unicia) • pot(estate) • X̅ I̅ V̅ | Aeguptó • in • pótestátem | populi • Rómáni • redacta | Sóli • dónum • dedit.

„Imperator Caesar, Sohn Gottes, Augustus, pontifex maximus, zum 12. Mal Imperator, zum 11. Mal Konsul, zum 14. Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt, hat, nachdem/weil Ägypten in die Verfügungsgewalt des römischen Volkes versetzt worden war, (den Obelisken) dem Sol als Geschenk gegeben.“

Kommentar: Plinius berichtet in seiner naturalis historia: „Jenen Obelisken aber, den der vergöttlichte Augustus im Circus Maximus aufstellte, hatte der Pharao Psemetnepserphreus, unter dessen Regierung Pythagoras in Ägypten war, aushauen lassen; er ist 85 ¾ Fuß hoch, abgesehen von der Basis, die aus ein und demselben Stein besteht; derjenige aber, der sich auf dem Marsfeld befindet, ist 9 Fuß niedriger und stammt von Sesosthis. Beide tragen Inschriften, die eine Deutung der Naturgegenstände nach der Philosophie der Ägypter enthalten.“ (XXXVI 71; Übersetzung: König). Der von Plinius genannte Psemetnepserphreus ist Psammetich II. (reg. 595–589 v. Chr.) – es handelt sich um eine Verbindung der Aussprache seines Eigennamens Psametik (PsmTk) und seines Thronnamens Neferibre (Nfr-jb-Ro). Der antike Autor, der die Inschriften ja nicht lesen konnte, muss also auf eine irreführende Quelle zurückgegriffen haben, denn tatsächlich wurde der Obelisk von Sethos I. begonnen und von

49. Der Obelisk vom Circus Maximus

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dessen Nachfolger Ramses II. (reg. 1279–1213 v. Chr.) geweiht, Psammetich hingegen ließ den Obelisken, der später als solarium Augusti fungierte, in Heliopolis errichten. Ammianus Marcellinus (XVII 4,18–23) bietet die griechische ‚Übersetzung‘ oder besser ‚Nacherzählung‘ der hieroglyphischen Inschrift, die ihm von einem gewissen Hermapion vorlag (Erman; Lambrecht), der möglicherweise identisch ist mit dem von Flavius Josephus bekämpften alexandrinischen Gelehrten Apion des 1. Jhs. (Benaissa; Blasius). Mit dem Aufstellungsort des vorliegenden Obelisken im Circus Maximus hatte Augustus einen der sicherlich öffentlichsten Orte Roms ausgewählt, denn hier konnten bis zu 200.000 Römer zum Spektakel der Wagenrennen zusammentreffen und hier artikulierte sich auch häufig die Meinung des Volkes. Der Aufstellungsort zeigt folglich die politisch-symbolische Bedeutung, die Augustus seiner Eroberung Ägyptens zumaß. Die Weihinschrift des Obelisken ist an den Sonnengott Sol gerichtet, eine Gottheit, die mit Apollon verschmelzen konnte, unter dessen besonderem Schutz sich Augustus sah und dem er anlässlich seines Sieges von Actium ein großes Siegesmonument in Griechenland hatte errichten lassen. Ebenso wie das solarium Augusti wies der Aufstellungsort dieses Obelisken zudem einen direkten Bezug zur Sonne auf, denn der Circus war auf das Engste mit dem Kult des Sonnengottes verbunden. Tertullian (de spec. 8,1; vgl. Tacitus, Annalen XV 74) bezeichnete ihn als einen „vorzüglich dem Sol geweihten“ Ort (Schneider). Hier befand sich wohl schon in republikanischer Zeit ein Sol-Tempel, der auch auf einer Münze links neben dem Obelisken abgebildet ist (vgl. Abb. 25). Die enge Verbindung des Sonnengottes zum Wagenrennen erklärt sich vielleicht daher, dass der Sonnengott das Firmament ebenfalls mit einer Quadriga durchquerte (Matern). Die Verbindung des Sonnengottes mit dem Obelisken war wiederum vor allem deshalb gut möglich, weil diese Form eines Steindenkmals in Ägypten ein Medium des Sonnenkultes war (Quirke). Der Obelisk symbolisierte wahrscheinlich den Urhügel, der als erstes Land aus der Urflut hervorgekommen war, auf dem der Sonnengott dann das Leben entstehen ließ. Auch Römern war der Zusammenhang von Obelisk und Sonnengott bekannt, denn Plinius schreibt in seiner naturalis historia (XXXVI 64): „Sie (i.e. die Obelisken) waren dem Sonnengott geweiht. Ihre Gestalt ist eine symbolische Darstellung der Sonnenstrahlung, und das ist auch der Sinn des ägyptischen Namens.“ (Übersetzung: R. König). In Wirklichkeit ist das ägyptische Wort für Obelisk, techen (tḫn), noch nicht gedeutet. Man meint, dass es „dauerhafter Ruheplatz“ heißen könnte. Das alternative Wort menu (mnw), das auf die ägyptische Wurzel „bleiben“ zurückgeht, bezeichnet den Obelisken einfach als Denkmal. Am ehesten könnte der Name benben (bnbn) mit der Deutung des Plinius übereinstimmen, wenn es denn mit dem ägyptischen Wort weben (wbn) für „aufgehen, glänzen“ in Verbindung zu bringen ist. Vielleicht ließ Augustus gerade aufgrund des Bezugs zu Apollon-Sol auch die ersten beiden Obelisken Roms aus

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Heliopolis herbeibringen, also der Stadt des Sonnengottes. So war aus dem ägyptischen Objekt des Kultes für Re ein Kultobjekt für den römischen Sol geworden.

Abb. 25: Rom, Sestertius (103–111 n. Chr.), Revers. Circus Maximus. Auf der Spina steht ein Obelisk, im Hintergrund ist der tetrastyle Tempel des Sol zu sehen (BMCRE Traian 854, RIC 751, Numismatische Bilddatenbank Eichstätt).

Insgesamt kamen unter Augustus vier Obelisken nach Rom, neben den beiden aus Heliopolis noch zwei weitere, die vor seinem Mausoleum aufgestellt wurden. Römische Ingenieure brachten die Obelisken zunächst über den Nil und dann auf dem Seeweg nach Rom. Hierzu nutzten sie ägyptische DoppelrumpfSchiffe, die sie für die Verwendung auf dem Meer angepasst hatten (Wirsching). Die Leistung des Transports von mehreren hundert Tonnen war ein propagandistisch ausgewerteter Erweis römischer Ingenieursfähigkeiten. Augustus vollbrachte damit schließlich, wie Plinius (naturalis historia XXXVI 70) schreibt, ein Wunder: „Eine ganz besondere Schwierigkeit bereitete der Transport der Obelisken auf dem Seeweg nach Rom auf äußerst sehenswerten Schiffen. Der vergöttlichte Augustus widmete das Schiff, das den ersten (Obelisken) herbeigebracht hatte, des Wunders wegen, für immer der Werft zu Puteoli.“ (Übersetzung: R. König). Der Begründer eines neuen goldenen Zeitalters hatte also seine allumfassende Leistungsfähigkeit erwiesen und sogar die Naturkräfte bezwungen. & A. ERMAN, Die Obeliskenübersetzung des Hermapion, in: Sitzungsberichte der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften 1914, Berlin 1914, 245–273 (Übersetzung der hieroglyphischen Inschrift und Vergleich mit Ammianus Marcellinus); E. IVERSEN, Obelisks in Exile I. The Obelisks of Rome, Kopenhagen 1968, 65–75 (zum Obelisken); J. BAINES, bnbn: Mythological and Linguistic Notes, in: Orientalia 39, 1970, 389–404 (zum ägyptischen Wort für Obelisk); A. ROULLET, The Egyptian and Egyptianizing monuments of imperial Rome, Leiden 1972, 69f., Nr. 69; K. MARTIN, Ein Garantsymbol des Lebens. Untersuchungen zu Ursprung und Geschichte des alt-

50. Catilius und die römische Eroberung Ägyptens

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ägyptischen Obelisken bis zum Ende des Neuen Reiches, Hildesheim 1977 (zur Bedeutung von Obelisken); L. HABACHI, Die unsterblichen Obelisken Ägyptens. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage von Carola Vogel, Mainz 2000, 70–72, 105 (zum Obelisken); St. QUIRKE, The Cult of Ra. Sun-worship in Ancient Egypt, London 2001, 134– 142 (zur kultischen Bedeutung von Obelisken); B. LAMBRECHT, L’obélisque d’Hermapion (Ammien Marcellin, Res Gestae, XVII, 4, 17–23), in: Le Muséon 14, 2001, 51–95 (Nachweis, dass die von Ammian gebotene Übersetzung der Obeliskeninschrift auf den Flaminius-Obelisken zu beziehen ist); A. WIRSCHING, Die Obelisken auf dem Seeweg nach Rom, in: Römische Mitteilungen des DAI 109, 2002, 141–156 (zum Transport nach Rom); T. MATTERN, Helios und Sol. Kulte und Ikonographie des griechischen und römischen Sonnengottes, Istanbul 2002, 24–27 (zum Solkult im Circus); A. BLASIUS, Das Königtum der Ramessiden im Spiegel der griechisch-römischen Überlieferung, in: R. Gundlach/U. Rößler-Köhler (Hg.), Das Königtum der Ramessidenzeit. Voraussetzungen – Verwirklichung – Vermächtnis, Wiesbaden 2003, 305–352 (informativer Beitrag zur Sicht der griechisch-römischen Antike auf die Ramessiden mit ausführlicher Besprechung der griechischen Übersetzung der hieroglyphischen Obeliskeninschrift); R. M. SCHNEIDER, Nicht mehr Ägypten, sondern Rom: Der neue Lebensraum der Obelisken, in: Städel-Jahrbuch N.S. 19, 2004, 161–167; O. HEIN/R. MADER, Die Geschichte der beiden Obelisken im Circus Maximus in Rom als Beispiel philologischer Fehlinterpretation, in: Archiv für Kulturgeschichte 88, 2006, 433–438 (zum Verhältnis des Lateran-Obelisken und dem von der Piazza del Popolo); G. PARKER, Obelisks in Exile: Monuments Made to Measure, in: L. Bricault u.a. (Hg.), Nile into Tiber: Egypt in the Roman World. Proceedings of the IIIrd International Conference of Isis Studies. Faculty of Archaeology, Leiden University, May 11–14, 2005, Leiden 2007, 209–222; A. BENAISSA, Ammianus Marcellinus Res Gestae 17.4.17, and the Translator of the Obelisk in Rome’s Circus Maximus, in: ZPE 186, 2013, 114–118 (Vorschlag, bei Marcellinus anstelle von Hermapion den Gelehrten Apion des 1. Jhs. als Übersetzer der Obeliskeninschrift zu lesen).

50. Das Epigramm des Catilius auf die Eroberung Ägyptens durch Octavian (8. März 7 v. Chr.) I.Philae II 142 = SB V 8420 = IGRR I, 5 1295 = CIG III 4923 = Totti, Texte, 31 = TM 80874 50. Catilius und die röm is che Eroberun g Ägyptens

Am großen Pylon des Isistempels von Philae ist auf der zum Dromos hin gewandten Seite des westlichen Turms eine für Pylone typische Szene des Erschlagens der Feinde durch den Pharao abgebildet (vgl. Abb. 26). Eine solche Darstellung gehört zum ägyptischen Königsdogma und war Bestandteil der Aufrechterhaltung der Weltordnung. Im Jahr 7 v. Chr., also 23 Jahre nach der Eroberung Ägyptens durch Octavian, besuchte ein römischer Bürger namens Catilius die Nilinsel und hinterließ das vorliegende Graffito. Es ist ein eindrückliches Beispiel für die kultische Überhöhung des Kaisers und den privaten Kaiserkult. Gestaltet ist der Text als Epigramm, also als eine Versinschrift.

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Text und Übersetzung Κατ(ιλίου) | Καίσαρι ποντοµέδοντι καὶ ἀπείρων κρατέοντι, | Ζανὶ τῶι ἐκ Ζανὸς πατρὸς Ἐλευθερίωι, | δεσπόται Εὐρώπας τε καὶ Ἀσίδος, ἄστρωι ἁπάσας | Ἑλλάδος, ὃς σωτὴρ Ζεὺς ἀνέτειλε µέγας, (5) ἱαρᾶι ἐν πέτραι τὸ Κατίλιος ἁγνὸν ἔθηκε | γράµµ’, ἀπ’ Ἀλεξάνδρου δεῦρο µολὼν πόλιος, | καὶ µέγαν ἐκ µεγάλων Τουρράνιον, ἄνδρα δίκαιον, | Αἰγύπτω πάσας φέρτατον ἁγεµόνα, | στάλαι ἐνεστάλωσεν, ἵν’ εἰς τόδε νάσω ἔδεθλον (10) πᾶς ὁ µολὼν ὑµνῆι τὸν χθονὸς ὀλβοδόταν· | ταὶ δὲ Φίλαι φωνεῦντι καλὸν πέρας Αἰγύπτοιο | ἐµµὶ καὶ Αἰθιόπων γᾶς ὅριον νεάτας. | Κατιλίου τοῦ καὶ | Νικάνορος (15) τοῦ Νικάνο[ρος]· | (ἔτους) κγ Καίσαρος, | Φαµενὼθ ι̅β̅, | ἐπὶ Νείλου στρατηγοῦ.

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„(Epigramm) des Catilius: Dem Caesar, dem Herrscher der Meere und Herrscher der Festlande, dem Zeus, der nach seinem Vater Zeus Befreier (heißt), dem Herrn Europas und Asiens, dem Stern ganz Griechenlands, der als Retter Zeus groß aufgegangen ist. Catilius hat auf dem heiligen Stein die heilige Inschrift geweiht, aus der Stadt des Alexander hierhergekommen. Auch den Großen, von Großen abstammenden Turranius, einen gerechten Mann, den fähigsten Statthalter ganz Ägyptens, hat er auf der Inschrift eingravieren lassen, damit jeder Besucher, der diesen Inselboden betritt, den Segenspender des Landes besingt. Philae aber ruft aus: Ich bin das treffliche Ende Ägyptens und die Grenze zum äußersten Lande der Äthiopen. Catilius alias Nikanor, Sohn des Nikanor. Im 23. Regierungsjahr des Caesar, am 12. Phamenoth, unter dem Strategen Neilos.“

Kommentar: Catilius alias Nikanor dürfte ein Alexandriner sein, der das römische Bürgerrecht erhalten hatte. Vielleicht handelt es sich um den Enkel des alexandrinischen Philosophen Areios (Bernand mit Verweis auf Sueton, Augustus 89,1). Unter anderem aufgrund der Überzeugungskraft des Areios hatte Octavian Alexandria vor der Plünderung durch seine Soldaten bewahrt. Der Verfasser vollzog mit diesem Epigramm einen privaten Kaiserkult, denn Augustus tritt im Dativ in die Position einer Gottheit. Catilius verehrte den Kaiser also gottgleich als Herrscher der gesamten Welt, der als befreiender und rettender Zeus (Zeus eleutherios und Zeus soter) nach Ägypten gekommen war. Man sieht hier, auch noch 27 Jahre nach dem Sieg des Octavian über Kleopatra, wie wirksam die augusteische Propaganda immer noch war, die die Eingliederung Ägyptens ins Imperium Romanum als Befreiung des Landes von der Ptolemäerherrschaft deutete. Gleichzeitig ist Augustus auch der Sohn des Zeus, ebenso wie er mit einem aufgehenden Stern identifiziert wird. Ob die Anbringung des

50. Catilius und die römische Eroberung Ägyptens

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Epigramms neben dem Gesicht des Pharao zudem eine Umdeutung des dargestellten Ptolemaios XII. in Augustus bedeuten sollte (Hölbl), muss offen bleiben.

Abb. 26: Überblick über die Verteilung der griechischen Graffiti auf der linken Hälfte des ersten Pylons zum Isistempel von Philae. Das Epigramm des Catilius (weißer Pfeil) befindet sich vor dem Gesicht des Pharaos. (aus: Lepsius, Denkmäler, Abth. VI, Band XII, Blatt 84).

Nicht nur dem fernen Herrscher in Rom zollte der Verfasser mittels des Epigramms Respekt, sondern auch dessen direktem Repräsentanten vor Ort, dem praefectus Aegypti Gaius Turranius, der 7–4 v. Chr. amtierte. Wie es für Römer wichtig war, wird seine Abstammung von bedeutenden Vorfahren und die Tatsache, dass er sein Amt gerecht ausübte, betont. Der abschließend erwähnte Stratege Neilos war schließlich der Zivilverwalter der Region. Zu guter Letzt sehen wir an diesem Epigramm noch, dass die Region des ersten Katarakts von jeher als die Grenze Ägyptens betrachtet wurde, selbst in solchen Zeiten, in denen auch Nubien zum pharaonischen Reich gehörte oder in denen das südlich Philaes gelegene Zwölfmeilenland, die Dodekaschoinos zwischen Philae und Hierasykaminos, Teil der Provinz Aegyptus war (vgl. Text 44). & F. HILLER VON GAERTRINGEN, Historische griechische Epigramme, Bonn 1926, Nr. 118; T. EIDE u.a. (Hg.), Fontes Historiae Nubiorum: Textual Sources for the History of the Middle Nile Region between the Eighth Century BC and the Sixth Century AD II: From the Mid-Fifth to the First Century BC, Bergen 1996, Nr. 169 (englische Übersetzung und Kommentar); G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel II. Die Tempel des römischen Nubien, Mainz 2004, 51–

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53 (zum Kontext); F. HERKLOTZ, Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten, Frankfurt am Main 2007, 335–337 (Kommentar); A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009 (zu den Präfekten Ägyptens); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 55–57 (zu Zeus Eleutherios); N. DÖRNER, Feste und Opfer für den Gott Caesar. Kommunikationsprozesse im Rahmen des Kaiserkultes im römischen Ägypten der julisch-claudischen Zeit (30 v. Chr.–68 n. Chr.), Rahden/West. 2014, 416–419 (zur kaiserkultischen Motivik des Epigramms); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 21–23 (Dokumentation zum Präfekten).

51. Die Stiftung eines Pan-Heiligtums in der Ostwüste (23. Juli 18 n. Chr.) SEG XLV 2097 = AE 1995, 1615 = TM 129723 Standort: Magazin Gebel Dokhan? 51. Die Stift ung eines Pan-Heilig tums in der Os twüs te

Etwa 50 km vom heutigen Badeort Hurghada entfernt, in der lebensfeindlichen Ostwüste, suchten die römischen Herrscher nach exquisitem Baumaterial für ihre Paläste und Tempel und wurden am Mons Porphyrites (Gebel Dokhan) fündig, der nach dem dort gebrochenen Porphyr benannt wurde. Aufgrund der vorliegenden Weihung an Pan und Sarapis lässt sich sogar das Jahr der Erschließung der Steinbrüche, die bis ins 5. Jh. n. Chr. ausgebeutet wurden, datieren. Der Mons Porphyrites war neben dem Mons Claudianus der größte der bekannten 13 römischen Steinbrüche in der Ostwüste. Bei der in Gebel Dokhan gefundenen Weihung (Abb. 27) handelt es sich um eine ägyptische rundgieblige Stele aus schwarzem Porphyr, deren Giebelfeld von einer Flügelsonne bekrönt wird. Sie zeigt den ägyptischen Gott Min in seiner typischen Ikonographie mit erigiertem Phallos (i.e. ithyphallisch) und seinen Attributen, d. h. der Geißel und den beiden Federpaaren auf dem Kopf. Hinter ihm steht ein Altar oder Weihrauchständer, der eigentlich vor ihm stehen müsste, oder es ist eine etwas misslungene Form der „Rundhütte des Min“, die tatsächlich üblicherweise hinter dem Gott steht. Text und Übersetzung Γαῖος Κοµίνιος | Λευγας ὁ εὑρὼν | τὰ µέταλλα το|ῦ πορφυρίτου κα(5)ὶ κνηκίτου καὶ | µέλανος πορ|φυρίτου καὶ ποι|κίλους λίθους | εὐχὴν τέµενο(10)ς Πανὶ καὶ Σαρά|πιδι θεοῖς µεγ|ίστοις ὑπὲρ τῆς | σωτηρίας τῶν | τέκνων αὑτοῦ. (15) (ἔτους) δ Τιβερίου | Καίσαρος Σεβα|στοῦ Ἐπεὶφ κ̅θ̣̅.

„Gaius Cominius Leugas, der die Steinbrüche des Porphyrites und des Knekites und des schwarzen Porphyrites und bunte Gesteine gefunden hat, hat in Erfüllung eines Gelübdes den heiligen Bezirk für Pan und Sarapis, die größten Götter, für das Heil seiner Kinder gestiftet. 4. Regierungsjahr des Tiberius Caesar Augustus, am 29. Epeiph.“

51. Die Stiftung eines Pan-Heiligtums in der Ostwüste

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Kommentar: Es handelt sich um die erste Nennung der betreffenden Steinbrüche überhaupt. Plinius berichtet über sie Folgendes (naturalis historia XXXVI 57): „Ebenfalls in Ägypten gibt es den roten porphyrites; ist er weiß gesprenkelt, so nennt man ihn leptopsephos. Die Steinbrüche sind ergiebig , um beliebig große Blöcke zu brechen. Standbilder aus Porphyr brachte für Claudius Caesar sein Prokurator Vitrasius Pollio aus Ägypten nach Rom, eine Neuigkeit, die nicht gerade Billigung fand; jedenfalls hat dies später niemand nachgeahmt.“ (Übersetzung: König/Hopp). In der Tat wurde roter Porphyr erst seit dem 3. Jh. n. Chr. zu einem kaiserlichen Porträt- und Statuengestein.

Abb. 27: Stele des Gaius Cominius Leugas. Unter einer Flügelsonne steht der ithyphallische Min, hinter ihm ein Altar oder die sogenannte „Rundhütte des Min“; Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Wilfried Van Rengen.

Bereits zu Beginn der Steinbruchtätigkeit sieht man, dass die Römer verschiedene Steinsorten im Mons Porphyrites unterschieden. Dies wäre zum einen der rote Porphyr (ruber porphyrites), weiterhin der melanos/niger porphyrites und drittens der hieracitis. In vorliegender Inschrift sind der rote und schwarze Porphyr genannt und zudem noch eine heute nicht klar zu identifizierende, Knekites genannte Steinsorte heller/weißer Farbe (Bagnall/Harrell). Der Stifter ist, wie die tria nomina – also praenomen Gaius, nomen gentile Cominius und cognomen Leugas – zu erkennen geben, ein Römer. Der Gentilname Cominius zeigt, dass er zu einer angesehenen römischen Familie gehörte (vgl. Tacitus, Annalen IV 31). Möglicherweise handelt es sich um einen Freigelassenen der Familie, denn das unrömische cognomen Leugas dürfte sein ur-

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sprünglicher Sklavenname gewesen sein. Dieser Römer weihte ein Heiligtum nun aber nicht für römische Götter, sondern für Pan und Sarapis. Gedacht hat er dabei wohl vor allem an deren ägyptische Ausformungen, denn Pan ist die griechische Entsprechung des ägyptischen Gottes Min, also des Gottes, der auch auf der Stele dargestellt ist und der seit pharaonischer Zeit der Gott der Ostwüste war. Der gräkoägyptische Sarapis war ebenfalls Gottheit im Heiligtum, fehlt aber auf dem Bildfeld der Stele – möglicherweise erachtete der Stifter seine Darstellung aufgrund der theologischen Nähe beider Götter für nicht nötig, denn Sarapis konnte Min in der Götterdreiheit von Koptos – Min, Isis, Horus – als Gemahl der Isis problemlos ersetzen (Hölbl). Wir fassen mit dieser Weihung aber auch einen religiösen Wandel in der Ostwüste, denn seit trajanischer Zeit, also hundert Jahre später, löste der gräkoägyptische Sarapis den ägyptischen Min als Hauptgott dieser Region vollständig ab (Hölbl; vgl. Text 64). & W. VAN RENGEN, A New Paneion at Mons Porphyrites, in: CdÉ 70, 1995, 240–245 (ed. pr.); H. CUVIGNY, Le crépuscule d’un dieu. Le déclin du culte de Pan dans le désert oriental, in: BIFAO 97, 1997, 139–147 (zur Bedeutung des Pan-Kultes in der Wüste); V. A. MAXFIELD/D. P. S. PEACOCK, The Roman Imperial Quarries. Survey and Excavation at Mons Porphyrites, 1994–1998, I. Topography and Quarries, London 2001 (zu den Ausgrabungen und surveys); R. S. BAGNALL/J. A. HARRELL, Knekites, in: CdÉ 78, 2003, 229–235; G. HÖLBL, Ersetzt Sarapis altägyptische Götter in der römischen Provinz Aegyptus?, in: H. Heftner/K. Tomaschitz (Hg.), Ad fontes! Festschrift für Gerhard Dobesch zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 15. September 2004 dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden, Wien 2004, 601–607; G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel III. Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen, Mainz 2005, 28–34 (Beschreibung der Örtlichkeit und Kulte); D. PEACOCK/V. MAXFIELD, The Roman Imperial Quarries. Survey and Excavations at Mons Porphyrites, 1994–1998, II. The Excavations, London 2007 (zu den Ausgrabungen und der Datierung der Erschließung); H. CUVIGNY, La toponymie du désert Oriental égyptien sous le Haut-Empire d’après les ostraca et les inscriptions, in: J.-P. Brun u.a. (Hg.), Le désert oriental d’Égypte durant la période gréco-romaine: bilans archéologique, Paris 2018 (http://books.openedition.org/cdf/5154; zum Namen mons porphyrites).

52. Eine Statuenweihung für Caligula (39 n. Chr.) und Trajan (98 n. Chr.) AE 1896, 39–40 = CIL III Suppl. 2,14147,1–2 = ILS III 8899 = TM 154478 Standort: unbekannt 52. Eine Statuenwei hung fü r Caligula und Trajan

Das direkt nördlich des ersten Kataraktes gelegene Syene, das heutige Assuan, bildete den strategisch wichtigsten Punkt an der Grenze Ägyptens zum Süden; von dieser Grenzstadt aus konnten der Handel auf dem Nil in Richtung Süden und die Steinbrüche der Region kontrolliert werden. Es ist selbstverständlich, dass hier auch römisches Militär stationiert war (vgl. Not. Dig. Or. XXXI 35, 37, 64–66), das zudem für das römische Einflussgebiet südlich von Assuan zuständig war. Nach Plinius befand sich das römische Militärlager von Syene auf

52. Eine Statuenweihung für Caligula und Trajan

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der arabischen, also östlichen Nilseite (naturalis historia V 10,59). In der Zeit des Gaius Caligula weihte der Vorsteher der Garnison Gaius Vitrasius Pollio eine Statue seines Kaisers, in der Zeit des Trajan wurde die Basis seitlich gedreht und erhielt eine neue Weihinschrift für Letzteren. Text und Übersetzung Inschrift a) C(aio) Caesari Aug(usto) Germanico, divi Aug(usti) | pronepoti, Ti(beri) Caesaris Aug(usti) n(epoti), Germanici Caesaris f(ilio), | co(n)s(uli) II trib(unicia) potest(ate) pontif(ici) maximo imp(eratori) patri patriae | per C(aium) Vitrasium Pollionem praef(ectum) Aegyp(ti) cohors Ituraeor(um) (5) cui prae(e)st L(ucius) Eienus L(uci) f(ilius) Fal(erna) Saturninus anno III C(ai) Caesaris Augusti | Germanici IIII Kal(endas) Maias N(---) d(ie) h(ora) III. Inschrift b) Imp(eratori) Caesar[i] | Nervae Traiano Aug(usto) | Germ(anico) pont(ifici) max(imo) tribunic(ia) | potest(ate) co(n)s(uli) II p(atri) p(atriae) per C(aium) Pompeium (5) Plantam praef(ectum) Aeg(ypti) et L(ucium) Genucium Priscum | praef(ectum) castror(um) coh(ortes) tres I Hispanor(um) eq(uitata) cui praeest Ti(berius) Claudius | Africanus et II Itur(aeorum) eq(uitata) cui praeest Ti(berius) Claudius Berenicianus | et I Theb(aeorum) eq(uitata) cui praeest P(ublius) Cl{r}udius Iustus curam agente P(ublio) Claudio | Iusto praef(ecto) coh(ortis) I Theb(aeorum) eq(uitatae) et curatore coh(ortis) I Hispanor(um) eq(uitatae) et (10) coh(ortis) II Ituraeor(um) equit(atae).

„Dem Gaius Caesar Augustus Germanicus, Enkel des Gottes Augustus, Großneffe des Tiberius Caesar Augustus, Sohn des Germanicus Caesar, zum 2. Mal Konsul, Inhaber der tribunizischen Gewalt, pontifex maximus, Imperator, Vater des Vaterlandes, (gestiftet) durch C. Vitrasius Pollio, praefectus Aegypti, und die cohors Ituraeorum, der L. Eienus Saturninus, Sohn des Lucius, aus der tribus Falerna, vorsteht, im Jahr 3 des Gaius Caesar Augustus Germanicus, am 28. April, Stunde 3.“ „Dem Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus, pontifex maximus, Inhaber der tribunizischen Gewalt, zum 2. Mal Konsul, Vater des Vaterlandes, (gestiftet) durch C. Pompeius Planta, praefectus Aegypti, und L. Genucius Priscus, praefectus castrorum, und die drei Kohorten: I Hispanorum equitata, der Ti. Claudius Africanus vorsteht, und II Ituraeorum equitata, der Ti. Claudius Berenicianus vorsteht, und I Thebaeorum equitata, der Publius Claudius Iustus vorsteht, unter der Leitung von P. Claudius Iustus, dem Präfekten der cohors I Thebaeorum equitata, der auch die Aufsicht führt über die cohors I Hispanorum equitata und die cohors II Ituraeorum equitata.“

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Kommentar: Strabon (XVII 1,12; vgl. 1,48 und 53) berichtet über die Armee in Ägypten zur Zeit des Augustus (exercitus Aegyptiacus) Folgendes: „Es gibt auch drei Legionen Militär, von denen eine in der Stadt (i.e. Alexandria) stationiert ist, die anderen auf dem Lande; außer diesen gibt es noch neun Kohorten der Römer, drei in der Stadt, drei an den Grenzen Äthiopiens in Syene – als Bewachung der Gegend – und drei in dem Rest des Landes; es gibt auch drei Reiterscharen, die ebenso über die kritischen Orte verteilt sind.“ (Übersetzung: Radt). Damit standen etwa 20–24.000 Soldaten in der neuen Provinz (Lesquier; Speidel). Die regulären Legionen setzten sich allein aus römischen Bürgern zusammen. Die Kohorten hingegen waren Auxiliareinheiten, die aus der Provinzialbevölkerung rekrutiert wurden – zu Beginn der römischen Herrschaft wahrscheinlich aber noch nicht aus der gräkoägyptischen lokalen Bevölkerung, sondern aus anderen Provinzen. Vielleicht schon seit dem 1. Jahrhundert findet sich dann aber ein erheblicher Anteil an lokaler Bevölkerung sogar in den Legionen (wo ja eigentlich nur römische Bürger dienen durften), die seit dem 2. Jahrhundert möglicherweise fast ausschließlich aus Provinzbewohnern bestanden (Stoll; Mitthof). Die ursprünglich drei römischen Legionen reduzierte Tiberius auf zwei (Tacitus, Annalen IV 5): Die legio XXII Deiotariana und die legio III Cyrenaica. In Syene, an der Südgrenze Ägyptens, standen seit der Zeit des Augustus drei Kohorten Hilfstruppen und eine Reitereinheit (ala). Von hier konnten sowohl die Grenze vor den südlichen Nachbarn als auch Oberägypten vor inneren Erhebungen gesichert werden. Syene beherbergte, wie den vorliegenden Inschriften zu entnehmen ist, die cohors I Hispanorum, die cohors II Ituraeorum und die cohors I Thebaeorum. Die ituräische und die hispanische Einheit wurden 105 n. Chr. nach Judaea verlegt und durch die cohors II Thracum und die cohors I Augusta praetoria Lusitanorum ersetzt, wovon die lusitanische später durch die cohors I Flavia Cilicum ausgetauscht wurde (Maxfield, vgl. Text 64; 68). Es handelt sich, wie der zweiten Inschrift weiterhin zu entnehmen ist, um cohortes equitatae, also Mischeinheiten aus Infanterie und Kavallerie, bestehend aus 120 Reitern und 480 Fußsoldaten. Gerade die Reiterei war wichtig, weil sie schnell auf asymmetrische Konflikte mit einfallenden Beduinen reagieren konnte. Die cohors I Thebaeorum verfügte, wie wir der Inschrift entnehmen können, über einen Präfekten, der auch den Oberbefehl über die durch curatores geleiteten beiden anderen Kohorten hatte. Möglicherweise war die Statue des Kaisers in der principia aufgestellt, also dem Stabsgebäude des Militärlagers von Syene, doch kann der Aufstellungsort auch eine Kaiserkultkapelle gewesen sein. Man fand die Basis im ausgehenden 19. Jh. auf dem Kom der Stadt noch in situ, also an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort, zusammen mit zwei weiteren Statuenbasen für Kaiser Hadrian (AE 1896, 41 = CIL III 14147,3; zw. 140 und 142 n. Chr.) und Lucius Verus (AE 1896, 42 = CIL III 14147,4; 162 n. Chr.). Vielleicht gehörte auch noch die

52. Eine Statuenweihung für Caligula und Trajan

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Weihung an Diadumenianus (AE 1905, 54 = ILS III 8919; 217/218 n. Chr.) zu diesem Komplex. In der ersten Weihung an Kaiser Gaius, der heute meist unter seinem inoffiziellen „Spitznamen“ Caligula, also Soldatenstiefelchen, bekannt ist, ist die Bedeutung seines Vaters Germanicus für dessen Legitimation zu erkennen. Obwohl Germanicus selbst nie Kaiser war, ist er hier genannt, weil er als Großneffe des Augustus von diesem selbst zum Nachfolger des Tiberius auf dem Kaiserthron bestimmt worden war. So nahm Gaius den Ahnen nur allzugerne in seine Titulatur mit auf, denn dadurch verlieh er seiner eigenen Stellung die entsprechende Rechtmäßigkeit. Die Anbringung der zweiten Weihinschrift lässt sich wie folgt erklären: Nach dem Tod des Gaius Caligula hatte man bereits darüber diskutiert, die Erinnerung an ihn zu tilgen (Sueton, Caligula 60: abolitio memoriae). Unter den flavischen Kaisern fehlt sein Name in der Liste der römischen Kaiser, es muss also zu einer offiziellen oder inoffiziellen damnatio memoriae, der Tilgung der Erinnerung, gekommen sein. Mit Sicherheit hatte man also dessen Statue gestürzt und die Basis entfernt. Vielleicht war auch die Inschrift „übertüncht“ und die Statue durch die eines Nachfolgers ersetzt worden. In der Zeit des Trajan drehte man auf jeden Fall das Statuenpostament um 90° und brachte die neue Inschrift an, die zu einer Statue des Trajan gehörte, der 98 n. Chr. gerade seine Herrschaft angetreten hatte. Verantwortlich für die zweite Stiftung waren der Statthalter Ägyptens (praefectus Aegypti), der den Oberbefehl über das in Ägypten stationierte Heer hatte, und der ihm unterstellte Lagerkommandant (praefectus castrorum), der das direkte Kommando über die in Ägypten stationierte Armee, also auch die Kohorten, führte (Dobson). Sein Amt gab es seit der Zeit des Augustus in der römischen Armee (vgl. Text 68). Den militärischen Befehl über die drei Kohorten führte wiederum, wie erwähnt, der praefectus der cohors I Thebaeorum. & R. CAGNAT, Quatre inscriptions latines inédites d’Assouan, in: Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Paris. Comptes rendus des séances de l’année 1896, quatrième série, 24, 1896, 37–45 (ed. pr., zu den Fundumständen); J. LESQUIER, L’armée romaine de l’Égypte d’Auguste à Dioclétien, Kairo 1918 (grundlegende Darstellung zur römischen Armee in Ägypten); A. VON DOMASZEWSKI, Die Rangordnung des römischen Heeres. Einführung, Berichtigungen und Nachträge von Brian Dobson, 3., unveränderte Auflage, Köln/Wien 1981 (zu den militärischen Ämtern); M. P. SPEIDEL, Augustus’ Deployment of the Legions in Egypt, in: CdÉ 47, 1982, 120–124 (zu den Legionen Ägyptens in der frühen Kaiserzeit); B. DOBSON, Praefectus castrorum Aegypti – a Reconsideration, in: CdÉ 57, 1982, 322–337 (zur Stellung des Lagerkommandanten); H. JUCKER, Bildnisstrafen gegen den toten Caligula, in: Praestant Interna. Festschrift Ulrich Hausmann, Tübingen 1982, 110–118 (zu Bildnissen des Caligula, die nach seinem Tod in den Tiber geworfen wurden); M. P. SPEIDEL, Nubia’s Roman Garrison, in: ANRW II 10,1 (1988), 767–798 (zur Bedeutung des 1. Katarakts für das Militär); V. A. MAXFIELD, The Deployment of the Roman Auxilia in Upper Egypt and the Eastern Desert, in: G. Alföldy u.a. (Hg.), Kaiser, Heer und Gesellschaft in der römischen

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Kaiserzeit. Gedenkschrift für Eric Birley, Stuttgart 2000, 410–418 (zur Verteilung römischer Truppen in Ägypten); F. MITTHOF, Soldaten und Veteranen in der Gesellschaft des römischen Ägypten (1.–2. Jh. n. Chr.), in: ebd., 377–405; O. STOLL, Zwischen Integration und Abgrenzung. Die Religion des Römischen Heeres im Nahen Osten, St. Katharinen 2001, 63, 219, 223–230 (zu den Kaiserstatuen im Militärlager); H. I. FLOWER, Damnatio Memoriae and Epigraphy, in: E. R. Varner (Hg.), From Caligula to Constantine: Tyranny and Transformation in Roman Portraiture, Atlanta 2001, 58–69 (zur damnatio memoriae); P. ERDKAMP (Hg.), A Companion to the Roman Army, Oxford 2007 (Überblick über das römische Heer); J. DE JONG/O. HEKSTER, Damnation, deification, commemoration, in: S. Bénoist/A. Daguet Gagey (Hg.), Un discours en images de la condamnation de mémoire, Metz 2008, 79–96 (zur damnatio memoriae); V. A. MAXFIELD, Aswan and the River Nile: Frontier and Highway, in: A. Morillo Cerdán u.a. (Hg.), Limes XX. XX Congreso Internacional de Estudios sobre la Frontera Romana/XXth International Congress of Roman Frontier Studies, León (España), 9. 2006, Anejos e Gladius 13,1–3, Madrid 2009, 73–84; O. STOLL, Integration und doppelte Identität. Römisches Militär und die Kulte der Soldaten und Veteranen in Ägypten von Augustus bis Diokletian, in: R. Gundlach/C. Vogel (Hg.), Militärgeschichte des pharaonischen Ägypten. Altägypten und seine Nachbarkulturen im Spiegel aktueller Forschung, Paderborn 2009, 433f. (zur lokalen Rekrutierung von Soldaten); R. HAENSCH, Der exercitus Aegyptiacus – ein provinzialer Heeresverband wie andere auch?, in: K. Lembke u.a. (Hg.), Tradition and Transformation: Egypt under Roman Rule. Proceedings of the International Conference, Hildesheim, Roemer- and PelizaeusMuseum, 3–6 July 2008, Leiden/Boston 2010, 111–132; R. HAENSCH, The Roman Army in Egypt, in: Chr. Riggs (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford 2012, 68–82 (Überblicksartikel mit neuester Literatur); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 36–37 (zu Vitrasius Pollio), 71–73 (zu Pompeius Planta).

53. Eine Weihung für Pax und Concordia im Tempel von Dendera (42 n. Chr.) OGIS II 663 = IGRR I 1165 = SB V 8899 = I.Portes 30 = Smallwood, Nr. 156 = Charlesworth, Nr. 35 = TM 88343 53. Eine Weihung aus der Zeit des Tibe rius Iulius Alexander

Die vorliegende Weihinschrift (Abb. 28) ist auf einem unter Claudius angebrachten Tempelrelief an der Außenwand des Tempels von Dendera im zweiten Register von unten eingeschrieben. Die griechischen Buchstaben befinden sich auf der Basis der Throne von Osiris-Neferhotep/Nephotes von Diospolis/Theben und Geb von Koptos, denen der Kaiser-Pharao Claudius einen Stabstrauß von Lotusblumen darbringt (Abb. 29), darüber befindet sich ein weiteres Relief, das ebenfalls im Zusammenhang mit der Inschrift zu interpretieren ist und den Pharao beim Maat-Opfer vor dem Sobek des Faijum und Horus von Edfu zeigt. Die Weihung ist aus historischer Perspektive vor allem aufgrund ihrer Datierungsformel interessant: Sie nennt unter anderem den Epistrategen der Thebais, Tiberius Iulius Alexander. Dieser wiederum wurde über 20 Jahre später einer der sicherlich bekanntesten Präfekten Ägyptens (66–70 n. Chr.). Als Neffe des

53. Eine Weihung aus der Zeit des Tiberius Iulius Alexander

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jüdischen Gelehrten und Philosophen Philon von Alexandria hatte er von Kaiser Tiberius das römische Bürgerrecht erhalten. Der alexandrinische Jude durchlief eine Karriere in römischen Diensten und kannte die Verhältnisse in Ägypten besser als alle seine Vorgänger und Nachfolger im Präfektenamt.

Abb. 28: Die Weihinschrift zweier Tempelreliefs. Photo: A. Lecler. © IFAO; Umzeichnung: Dümichen, in: ZÄS 14, 1876, Taf. 3.

Text und Übersetzung ὑπὲρ τῆς Τ[ιβερίου Κλ]αυδίου Καίσαρος Σεβαστο[ῦ Γε]ρµανικοῦ Αὐτο|κράτορος εἰρή[ν]ης καὶ ὁµονοία̣[ς το]ὺς προκειµέ̣[νους] θεούς, ἐπὶ | Λευκίου Αἰµιλίου Ῥή[κτου] ἡ̣γaεµόνος [καὶ] Τ‚ιaβερίου Ἰουλίου Ἀλ[εξάνδ]ρου ἐπιστρατήγου, | Ἀρείου τοῦ Ἀρείου στρα[τηγοῦν]τος, ἔτους β Τιβερίου Κλαυδ[ίο]υ Καίσαρος Σεβαστοῦ (5) Γερµανικοῦ Αὐτοκράτορο[ς], Φαρµοῦθι η̅ Σεβαστῆι.

„Zugunsten der Pax und der Concordia des Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, (wurde es) den oben sitzenden Göttern (geweiht), unter Lucius Aemilius Rectus, praefectus Aegypti, und Tiberius Iulius Alexander, Epistratege, als Areios, Sohn des Areios, Stratege war, im 2. Regierungsjahr des Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, am 8. Pharmuthi, am Augustustag.“

Kommentar: Der Anbringungsort der Inschrift im Kontext zweier Tempelreliefs, die sich im Zusammenhang mit zahlreichen darunter und darüber befindlichen Tempelszenen befinden, ist schon aufgrund des direkten Bezuges der griechischen Inschrift zu den beiden ausgewählten Szenen mehr als ungewöhnlich. Aus der sonstigen Überlieferung gibt es fast keinen Beleg für eine derartig enge auch inhaltliche Verbindung (vgl. Text 50). Es fällt zudem auf, dass sich niemand explizit als Weihender nennt. Da es sich um ein Tempelrelief handelt, könnte es sich um die lokale Priesterschaft gehandelt haben, die es aufgrund des direkten lokalen Bezugs nicht für nötig erachtet hatte, sich selbst mit anzuführen. Der Frieden und die Eintracht des Claudius, die hier in ihren griechischen Übersetzungen Eirene und Homonoia genannt werden, waren gerade mit Blick auf die Wahrnehmung kaiserlicher Selbstdarstellung durch die Provinzbevölkerung

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von großer Bedeutung. So hatten die Alexandriner sogar eine goldene Statue der Pax Augusta Claudiana zu Ehren des Kaisers hergestellt, die sie dem Kaiser schenken wollten (Pfeiffer). Gleiches dürfte wohl auch für die Personifikation der Eintracht gegolten haben. Claudius selbst hatte der Bürgerschaft daraufhin geschrieben: „Von den zwei goldenen Statuen (ἀνδρ̣ι̣άν̣ των) aber soll die eine, der Pax Augusta Claudiana (Κλαυδιαν̣ῆ̣ς Εἰρήνης Σεβασ̣τῆς) gewidmete – wie es mein verehrtester Barbillos vorschlug und mit Ausdauer vertrat, als ich sie ablehnen wollte, weil sie mir übertrieben erschien –, in Rom aufgestellt werden.“ (CPJ II 153,34–37). Es könnte sein, dass im vorliegenden Fall die griechische Inschrift und die beiden Tempelszenen über ihr im Zusammenhang mit der Beilegung von innerägyptischen Streitigkeiten zwischen verschiedenen lokalen Kulten zu verstehen sind (vgl. Strabon XVII 1,44; Iuvenal, Satiren XV 33-38): In vorliegendem Fall hätte es sich um den Beilegungsversuch eines Konfliktes zwischen den Priestern des Ombites und des Koptites, die Sobek und Geb als Hauptgottheiten verehrten, mit den Priestern des Tentyrites und des Diospolites (Mikros), die Horus und Osiris-Neferhotep verehrten, gehandelt. So berichtet Aelian (Tierleben X 21.24): „Einige Ägypter – etwa die Ombiten – verehren die Krokodile und halten sie in solcher Achtung wie wir die Olympischen Götter. Wenn ihnen Kinder geraubt werden, was oft geschieht, freuen sie sich darüber ganz außerordentlich; die Mütter der armen Kleinen sind wohlgemut und gehen stolz einher, weil sie dem Gott eine Mahlzeit geboren haben. Die Apollonopoliten hingegen, eine Abteilung der Tentyriten, fangen die Krokodile in Netzen, hängen sie dann an die Perseai – das sind einheimische Bäume – und geißeln sie so in der Schwebe hängend mit vielen gewaltigen Schlägen, wobei die Tiere winseln und weinen; dann töten und essen sie die Tiere. ... Die Apollonopoliten hassen das Krokodil und sagen, dass Typhon seine Gestalt annehme. ... 24 Die Tentyriten verehren den Habicht; um also diese Feinde der Krokodile zu kränken, schlagen die Bewohner von Koptos oft Habichte an das Kreuz.“ (Übersetzung: Kai Brodersen). Die griechische Inschrift und die beiden über ihr angebrachten Tempelreliefs wiederum könnten auf eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen den verschiedenen Kulten hindeuten. Es lässt sich nämlich feststellen, dass die beiden über der Inschrift angebrachten Opferszenen im vorliegenden Haupttempel des Tentyrites nachträglich verändert wurden: Im 2. Register von unten hatte zunächst ein Pharao das Opfer vor Harsomtus und Osiris-Neferhotep vollzogen, doch wurde dann aus dem Harsomtus der Gott Geb gemacht. Das darüberliegende 3. Register zeigte zunächst das Opfer des Pharaos vor Hathor und Horus. Nachträglich wurde die Hathor-Figur getilgt und durch den Krokodilgott Sobek des Faijum ersetzt, der zudem nicht, wie zuvor Hathor, zum Pharao hin ausgerichtet ist, sondern mit dem Gesicht zu Horus gewandt sitzt, dem er die Hand reicht, um den römischen Ritus der dextrarum iunctio zu vollziehen, ein Bildmotiv, das sich auch auf kaiserzeitlichen Münzen in Zusam-

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menhang mit den Begriffen pax und concordia findet. Aus dem Horus von Dendera, der üblicherweise das als Götterfeind imaginierte Krokodil mit dem Speer harpuniert, ist nun also ein Horus in freundschaftlicher Verbundenheit mit dem Krokodilgott Sobek geworden.

Abb. 29: Tempel von Dendera, Außenwand. Pharao Claudius beim Lotusopfer vor Osiris-Neferhotep und Geb (unten) und beim Maat-Opfer vor Sobek und Horus (oben). Die griechische Inschrift befindet sich auf dem unteren Podest der Göttersitze. Umzeichnung des Tempelreliefs Dendara XII, Taf. 27; © IFAO.

Das wiederum ist eine vollkommen ungewöhnliche, ansonsten in der ägyptischen Kunst unbekannte Darstellung einer Opferszene. So ist es durchaus möglich, dass die in der griechischen Inschrift bekräftigten kaiserlichen Tugenden der Eintracht und des Friedens auch mit dem Relief zum Ausdruck gebracht werden sollten und dass damit auf einen ideell durch den Kaiser, tatsächlich aber eher vor Ort durch den Epistrategen herbeigeführten Frieden zwischen verfeindeten Priesterschaften verwiesen werden sollte (Cauville). Aus historischer Perspektive interessant ist die Inschrift zudem, wie gesagt, aufgrund der Erwähnung des Tiberius Iulius Alexander. In seiner Funktion als römischer Beamter musste sich der Jude unmittelbar an den römischen Ritualen beteiligen. So ließ er auch im Juli 69 n. Chr. die Legionen in Ägypten auf den Bürgerkriegsgeneral und Thronprätendenten Vespasian den Eid ablegen (Tacitus, historiae II 79; Iosephus, bellum Iudaicum IV 617). Auch war er als Offizier des Titus bei der Eroberung Jerusalems zugegen (Iosephus, bellum Iudaicum VI 237), ebenso wie er an den Feiern zur Eroberung der Stadt teilnahm (Iosephus, bellum Iudaicum VII 16). Vorliegende Inschrift wird gerne als direk-

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ter Beleg für eine Beteiligung des Tiberius Iulius Alexander an den paganen Kulten verwendet, doch ist dies bei genauerem Hinsehen nicht der Fall. Der Epistratege hat schließlich das Relief nicht geweiht, denn als Weihender wäre er im Nominativ genannt worden (vgl. Text 23). Als Epistratege ist Tiberius vielmehr aufgeführt, weil er, ebenso wie der vor ihm genannte Präfekt und der nach ihm angeführte Stratege, zur genauen Datierung des Stiftungsvorgangs dient: Man hatte sie in der Zeit, als der Präfekt Aemilius Rectus, der Epistratege Tiberius Iulius Alexander und der Stratege Areios tätig waren, verfasst. Nötig gewesen wäre die Erwähnung des Epistrategen und auch des Strategen nicht, denn üblicherweise wurde nur der Präfekt genannt, auch wenn natürlich gelegentlich nachgeordnete Verwaltungsmitglieder angeführt werden können. Vielleicht wollten die Stifter in solchen Fällen dem Epistrategen und dem Strategen durch die Erwähnung ihre Wertschätzung bekunden. & E. G. TURNER, Tiberius Iulius Alexander, in: JRS 44, 1954, 54–64 (zur Karriere); F. DAUMAS, Dendara et le temple d’Hathor. Notice sommaire, Kairo 1969, 75f. (zum Kontext des Tempelreliefs); M.-L. RYHINER, L’offrande du lotus dans les temples égyptiens de l’époque tardive, Brüssel 1986, 91–93 (hieroglyphischer Text und französische Übersetzung); K.-G. SANDELIN, Attraction and Danger of Alien Religion: Studies in Early Judaism, 15–18 (zur sog. Assimilation des Tiberius Iulius Alexander); J. M. G. BARCLAY, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Edinburgh 1996, 105f.; G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel I. Römische Politik und altägyptische Ideologie von Augustus bis Diocletian. Tempelbau in Oberägypten, Mainz 2000, 72–87 (zum Tempel von Dendera in römischer Zeit); S. CAUVILLE, L’impossible serrement de main ou la pax Romana à Dendara, in: RdÉ 58, 2007, 29–40 (Diskussion von Tempelrelief und Inschrift); S. CAUVILLE, Dendara XII, Kairo 2007, Taf. 27 und 68 (Abbildungen der Reliefs); A. JÖRDENS, Judentum und Karriere im antiken Alexandria, in: dies. (Hg.), Quaerite faciem eius semper. Studien zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum (= Festschrift für Albrecht Dihle), Hamburg 2008, 116– 133; St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 80f. (zur Pax Augusta Claudiana); N. DÖRNER, Feste und Opfer für den Gott Caesar. Kommunikationsprozesse im Rahmen des Kaiserkultes im römischen Ägypten der julisch-claudischen Zeit (30 v. Chr.–68 n. Chr.), Rahden/West. 2014, 229–231 (zu Pax und Concordia des Claudius); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 38 (Dokumentation zum Präfekten).

54. Verfügungen des Präfekten Gnaeus Vergilius Capito (7. Dezember 48 n. Chr.) I.Hibis 1 = I.Prose 53 = SEG VIII 794 = CIG III 4956 = OGIS II 665 = IGRR I 1262 = SB V 8248 = Smallwood, Nr. 382 = TM 103022 Freis, Nr. 36 54. Verfügungen des P räfekten Gnaeus Vergilius Capito

Ein Edikt des Präfekten Ägyptens befasste sich üblicherweise mit der Regelung einer einzigen Rechtsfrage. Es wurde in Alexandria publiziert und ging in Form

54. Verfügungen des Präfekten Gnaeus Vergilius Capito

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einer Abschrift an die Strategen, also die Verwaltungsoberhäupter der einzelnen Gaue, die den Text dann publik machten. Für gewöhnlich hängte man wohl nur einen Papyrus mit den Entscheidungen des Präfekten aus oder machte diese mündlich bekannt. Im vorliegenden Fall hingegen war bestimmten Kreisen, eventuell den ägyptischen Priestern (Bingen), eine Verewigung des Textes auf Stein, am Pylon des Amuntempels von Hibis, wichtig. Es handelt sich um einen spezifischen epigraphic habit der Großen Oasen Ägyptens, denn hier wurden auch andere statthalterliche Entscheidungen in Stein publiziert (I.Hibis 2–4 = I.Prose 56 und 57). So stammen drei von den vier insgesamt epigraphisch überlieferten Edikten aus den Oasen (vgl. Text 58; aus dem Faijum kommt Text 55), die zudem chronologisch eng beeinanderliegen. Text und Übersetzung Ποσιδώνιος στρατηγός. v. | τῆς πεµφθείσης µοι ὑπὸ τοῦ κυρίου ἡγεµόνος | ἐ̣πι̣ aστολῆς σὺν τῶι ὑποτεταγµένωι προστά[γ|µατ]ιa τὰ ἀντίγραφα ὑµεῖν ὑποτέταχα, ἵν’ εἰδό(5)[τες κ]α̣τακο̣[λ]ουθῆτε καὶ µηδὲν ὑπεναντίον τοῖς προσ|[τεταγµένοι]ς̣ [ποι]ῆτε v. (ἔτους) ἐνάτου Τιβερίου Κλαυδίου Καίσαρος | [Σεβαστοῦ Γερµανι]κ̣[οῦ Αὐ]τοκράτορος, Μεχεὶρ v. ζ̅. v. |

Γν(αῖος) [Οὐεργίλιος Κα]π̣ίτων Ποσειδωνίωι, στρατηγῶι Ὀάσε|[ως, χαίρειν· οὗ ἐπὶ] τῆς πόλεως προέθηκα διατάγµα(10)[τος τὸ ἀντίγραφον ἔ]πε̣µψά̣ σ[οι· β]ο̣ύ̣λο̣ µαι οὖν [σ]ε ἐν | [τόπωι φανερῶ‚ι ἔν̣] τε τῆι µητροπόλει τοῦ νοµοῦ καὶ καθ’ ἑ|[κάστην κώµη]ν α[ὐ]τ̣ὸ προθεῖναι σαφέσι καὶ εὐσήµοις | [γράµµασιν] καὶ φρο[ν]τίσα̣ιa ἵνα γένηται ταῦ[τ’] ἐµοῦ. v. |

[Brief des Strategen Poseidonios vom 1. Februar 49; Z. 1–6] „Poseidonios, der Stratege: Ich habe euch die Abschriften des Briefes, der mir von unserem Herrn, dem Statthalter, geschickt wurde, zusammen mit dem beigefügten Edikt (prostagma) unten angefügt, damit ihr Bescheid wisst und Folge leistet und nichts den Anordnungen Widersprechendes unternehmt. Im 9. Jahr des Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, am 7. Mecheir.“ [Brief des Präfekten Cn. Vergilius Capito an Poseidonios; Z. 6–14] „Gnaeus [Vergilius Ca]pito sendet dem Poseidonios, dem Strategen der Oase, [Grüße]. Ich habe dir eine [Abschrift] des Ediktes (diatagma), das ich in der Stadt (Alexandria) anschlagen ließ, zugeschickt. Ich will nun, dass du es auch [an einem gut sichtbaren Ort] in der Metropole des Gaus und in jedem Dorf in lesbaren und klaren [Buchstaben] aushängen lässt und dafür Sorge trägst, dass meine Anordnungen bekannt werden.“

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[Edikt des Cn. Vergilius Capito; Z. 15–77, 7. Dezember 48] Γναῖος Οὐ[εργί]λιος Καπίτων λέγει· v (15) καὶ πάλαι µὲν ἤκουόν τινας δαπάνας ἀδίκους καὶ παραλογηί|ας ὑπὸ τῶν πλεονεκτικῶς καὶ ἀνα̣ιaδῶ ̣ ς ταῖς ἐξ[ο]υσίaα̣ις ἀπο|χρωµένων γείνεσθαι, καὶ νῦν δὲ ἐν τῆι τῶν Λιβ̣ύων µάλιστα | ἔγνων ὑποθέσει ὅτι ἀναλίσκεταί τιν̣α ἁρπ̣αζόντων ἀδε|ῶς τῶν ἐπὶ ταῖς χρείαις ὡς ὑποκείaµενα̣ εἰς δαπάνας (20) καὶ ξενίας αὑτῶν τὰ µήτε ὄντα µήτε ὀφείλοντα εἶναι, | ὁµοίως δὲ καὶa ἀν̣γα[ρ]ειῶν ὀνόµατι.

διὸ κελεύω{ι} τοὺς | δ̣ιaοδ̣ εύοντας διὰ τῶν νοµῶν στ̣ρατιώτας καὶ ἱππεῖς καὶ | [σ]τάτορας καὶa ἑ̣κατοντάρχας καὶ χειλιάρχ̣ο̣υς καὶ το̣ὺς λο̣ι|ποὺς ἅ̣παντα̣ς̣ µηδὲν λ̣αµβάνειν µηδ̣ὲ ἀνγαρεύειν εἰ µή (25) τινες ἐµὰ διπλώµατα ἔχου̣σι̣ ν· καὶ τούτους δὲ στέγη{ι} µόνον δέ|χ̣εσθαι τοὺς διερχοµένους, ὑποκ̣είµενόν τε µηδένα µηδὲν πράτ|τειν ἔξω τῶν ὑπὸ Μαξίµου σταθέντων.

[ἐ]ὰν [δ]έ τις δῶι ἢ ὡς δε|δοµένον λογίσηται καὶ εἰσπράξηι δηµοσίᾳ, τοῦτον τὸ δ̣ε̣κ̣απλοῦν | ἐγὼ{ι} ἐκπράξω{ι} οὗ αὐτὸς ἔπραξεν τὸν νοµόν, καὶ τῶι µηνύσαντι (30) τὸ τε[τρ]απλάσειον µέρος δώσω{ι} ἐκ τῆς τοῦ κατακριθέντος οὐσί[α]ς. |

„Gnaeus Vergilius Capito erklärt: Ich habe schon länger davon gehört, dass irgendwelche unrechtmäßige Aufwendungen und Rechnungsstellungen von Personen gefordert werden, die raffgierig und schamlos ihre Vollmachten ausnutzen. Und jetzt habe ich ganz besonders in Zusammenhang mit dem Vorfall der Libyer erfahren, dass einiges durch willkürliche Räubereien von staatlichen Funktionären abgerechnet wird, so als ob es für ihre Aufwendungen und ihre Bewirtungen zur Verfügung stehe, obwohl es sie (die Leistungen) weder gibt noch sie geschuldet werden; gleichfalls werden auch (Leistungen erbracht) im Namen der Beförderung. Deshalb befehle ich, dass Soldaten, Ritter, Statores, Zenturionen, Tribunen und alle anderen, die die Gaue durchreisen, weder etwas requirieren noch Transportdienste fordern dürfen, falls sie nicht von mir ausgestellte Diplome (hierüber) besitzen. Und selbst diesen Durchreisenden soll nur ein Quartier geboten werden. Im Hinblick auf das, was zur Verfügung steht, soll niemand etwas einfordern außer den von (dem Statthalter) Maximus festgesetzten Leistungen. Wenn aber einer etwas ausgibt oder etwas als Ausgabe verrechnet oder für den Staat eintreibt, so werde ich von ihm das Zehnfache dessen erheben, was er im Gau erhoben hat, und dem, der es zur Anzeige gebracht hat, werde ich den vierfachen Anteil aus dem Eigentum des Verurteilten

54. Verfügungen des Präfekten Gnaeus Vergilius Capito οἱ [δὲ β]ασιλικοὶ γραµ[µ]ατεῖς καὶ κωµογραµµατεῖς καὶ τοπογραµ|[µατ]εῖς κατὰ νοµὸν πάντα ὅσα [δ]α̣πανᾶται ἐκ τοῦ νοµοῦ εἴς τινα | ἢ̣ πέπρακ̣ται παραλόγως ἢ ἄλλο τ[ι] ἀν̣α̣γρ̣αφ[έ]σθω‚σα ̣ ν καὶ ἐν̣ ἡ̣[µέρ]αι[ς] | ἑξήκοντα ἐπιδότωσαν, οἱ δ’ ἐπὶ τ[ῆ]ς Θηβαΐδος δ̣ιaὰ τ̣ετρα̣µή ̣ ̣νο̣ υ̣, εἰς τὰ̣ (35) λογιστήρια, καὶ πρὸς Βασιλείδην τὸν̣ Καίσαρο̣ς ἀ̣πελε̣ύθερον̣, τ[ὸν] ἐπ̣ὶa | τοῦ λογιστηρίου, καὶ τοὺς ἐκλογιστὰς πεµπέτωσαν, ἵν’ ἐά̣ν̣ τ̣[ι] παρὰ τὸ δί|καιον λελογευµένον ἢ πεπραγµένον ᾖ, τοῦτο διορθώσοµαι.

ὁµοίως | δ[ὲ βού]λοµαι δηλοῦσθαί µ̣[οι εἴ που] | π[υρ]ὸς ἢ ἀργύριον δίδ̣ο̣τ[̣ αι εἰς τι](40)µὴν σκεπαστικοῦ· ὃ [γὰρ ἐγὼ καὶ] | πρῶτον ἀκούσας ἐ[θαύµασα ὅτι τινὲς] | παρὰ τὴν τοῦ κυρίο̣υ̣ [ἡµῶν διάταξιν] | ἐτόλµησαν ἢ σκε[παστικὸν ἀντὶ σκέ]|πης τι λαµβάνει[ν ἢ ἀπαιτεῖν, — — — ].

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geben. Die Königlichen Schreiber, die Dorfschreiber und die Gebietsschreiber sollen gauweise alles aufschreiben, wieviel im Gau aufgewendet wurde, was rechtswidrig eingetrieben wurde oder was sonst geschah, und es innerhalb von sechzig Tagen, diejenigen in der Thebais innerhalb von vier Monaten, an die Rechnungskammern (in Alexandria) übermitteln und es dem Basilides, dem kaiserlichen Freigelassenen, dem Vorsteher der Rechnungskammer, und den Rechnungsbeamten schicken, damit, wenn etwas gegen das Recht verrechnet oder eingetrieben wurde, ich dies in Ordnung bringen kann. Zudem will ich, dass mir zur Kenntnis gebracht wird, wenn irgendwo Weizen oder Geld als Preis für Schutz gegeben wird. Als [ich dies nämlich] zum ersten Mal gehört habe, [war ich erstaunt, dass einige es gegen die Anordnung unseres] Herrn gewagt haben oder ein Schutzgeld gegen irgendeinen Schutz genommen [oder gefordert haben ...“ hier bricht der zusammenhängende Text ab und es sind nur noch Fragmente der Inschrift zu erkennen.

Kommentar: Die Inschrift besteht aus insgesamt drei Dokumenten, die nicht nur das Edikt des Präfekten selbst zur Kenntnis bringen, sondern auch einen Brief des Gaustrategen Poseidonios an die lokale Behörde der Oase, die für die Veröffentlichung des Textes zuständig war, sowie ein Begleitschreiben, das der Präfekt zusammen mit dem Edikt an Poseidonios geschickt und in dem er den Strategen mit der Publikation beauftragt hatte. Anders als im Edikt des Tiberius Iulius Alexander, das mehrere Angelegenheiten regelt (vgl. Text 58), beinhaltet das Edikt des Capito nur die Regelung des Problems der widerrechtlichen Belangung der Bevölkerung durch staatliche Funktionäre. Mehrere Sachverhalte

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wurden dabei angesprochen, was der übliche Weg war (vgl. z. B. die Edikte des M. Sempronius Liberalis [BGU II 372; 154 n. Chr.], A. Aquilius Flaccus [W.Chr. 13], M. Mettius Rufus [P.Oxy. II 237, VIII 27ff.], Ti. Claudius Subatianus Aquila [P.Oxy. VIII 1100, 206 n. Chr.]). Der Präfekt setzt sich in seinem Edikt mit dem Problem auseinander, dass es staatliche Funktionäre gab, die sich auf Kosten der Staatskasse während ihrer Reise durch die Provinz bereicherten. Das war möglich, weil die Provinzialbevölkerung dazu verpflichtet war, Funktionsträgern gewisse Leistungen zu erbringen – etwa Unterbringung und Verpflegung während ihres Aufenthaltes sicherzustellen oder ihnen Transportmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich hatten Staatsbedienstete, wenn sie Leistungen von der lokalen Bevölkerung in Anspruch nahmen (Unterbringung, Kost und Transport), diese aus öffentlichen Geldern zu begleichen. Das hatte bereits ein Edikt des Germanicus Caesar so geregelt (SB I 3924; vgl. auch das Edikt des Präfekten L. Aemilius Rectus: W.Chr. 439): „Ich halte es für nötig, darauf hinzuweisen, dass ich weder irgendjemandes Schiff noch Lasttier – außer auf Anordnung meines Freundes und Sekretärs Baebius – beschlagnahmt noch Gastfreundschaft in Anspruch genommen wissen will ... Und für die zu Transportdiensten eingesetzten Schiffe oder Lasttiere verfüge ich, Entlohnungen entsprechend dem von mir festgelegten Tarif zu zahlen.“ (Übersetzung: A. Jördens). Die korrupten Funktionäre nun würden, wie der Präfekt bemerkt hat, 1. unter Ausnutzung von Vollmachten „gewisse unrechtmäßige Aufwendungen und Rechnungsstellungen“ fordern; 2. Abrechnungen vornehmen, „so als ob es geschuldete Leistungen für ihre Aufwendungen und ihre Bewirtungen sind“; 3. Gleiches in Hinblick auf Beförderungsdienste machen. Die betrügerischen Funktionäre nahmen also unter Ausnutzung ihrer Position Leistungen in Anspruch, die sie überhaupt nicht erhalten durften, und rechneten sie trotzdem ab (1) oder aber sie rechneten überhaupt nicht erbrachte Leistungen der Bevölkerung ab (2 und 3), und führten das Geld dann in ihre eigene Tasche. Dadurch entstand der öffentlichen Kasse natürlich ein erheblicher Schaden. Der Präfekt ruft deshalb nochmals die Regelungen seines Vorgängers M. Magius Maximus aus dem Jahr 14/15 n. Chr. in Erinnerung: Leistungen für die Durchreisenden, abgesehen von der Quartiergewährung, durften allein unter Vorlage eines entsprechenden Diploms des Präfekten in Anspruch genommen werden. Rechtswidrigkeiten der Funktionäre werden von nun an mit einer erheblichen Geldstrafe versehen, ebenso wie diejenigen, die die Straftaten zur Anzeige bringen, aus dem Vermögen des Angezeigten Belohnungen erhalten. Neben diesem erheblichen finanziellen Anreiz zur Denunziation, der zeigt, dass Funktionäre entweder großen Druck ausüben konnten oder ihre Prellung der Staatskasse unter Mithilfe der Bevölkerung vornahmen, sollten von nun an auch alle zwei bzw. in Oberägypten alle vier Monate Akten über Requirierungen und Transportleistungen in der Provinz nach Alexandria geschickt werden, damit

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diese kontrolliert und mögliche unrechtmäßige Aufwendungen auch bestraft werden konnten. Des Weiteren scheint es Probleme mit Schutzgeldforderungen von staatlichen Funktionsträgern gegeben zu haben, die der Präfekt ebenfalls unterbinden will. An dieser Stelle bricht der lesbare Teil aber ab. & F. F. ABBOTT/A. C. JOHNSON, Municipal Administration in the Roman Empire, Princeton 1926, Nr. 163; P. JOUGUET, Observations sur les inscriptions grecques de l’oasis de Khargeh. L’edit de Vergilius Capito, in: Atti del IV Congresso Internazionale di Papirologia. Firenze 28 aprile – 2 maggio 1935, Mailand 1936, 12–22; N. LEWIS, On Official Corruption in Roman Egypt: the Edict of Vergilius Capito, in: PAPhS 98, 1954, 153–158 (Kommentar und Neuinterpretation als Maßnahme des Präfekten gegen Funktionäre, die den Staat betrügen); F. C. BOURNE u.a., Ancient Roman Statutes: A Translation with Introduction, Commentary, Glossary, and Index, Austin, 1961, Nr. 176; R. KATZOFF, Sources of Law in Roman Egypt: The Role of the Prefect, in: ANRW II, 13, 1980, 807–844 (Kommentar); F. KAYSER, Les „statores“ en Égypte, in: BIFAO 90, 1990, 241–246 (zu Z. 23); G. PURPURA, Gli editti dei prefetti d’Egitto, in: Annali del Seminario Giuridico della Università di Palermo 42, 1992, 516–529 (Literatur zum Edikt); S. STRASSI, Problemi relativi alla diffusione delle disposizioni amministrative nell’Egitto romano, in: ZPE, 96, 1993, 94 (allgemeine Zusammenstellung); S. R. LLEWELYN, New Documents Illustrating Early Christianity VII, Sydney 1994, 68–70; J. BINGEN, Chronique. Épigraphie grecque d’Égypte: la prose sur pierre, in: CdÉ 69, 1994, 162f. (zur Anbringungspraxis); G. WESCH-KLEIN, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit, Stuttgart 1998, 135–139; W. ECK, Zur Einleitung. Römische Provinzialadministration und die Erkenntnismöglichkeiten der epigraphischen Überlieferung, in: ders. (Hg.), Lokale Autonomie und römische Ordnungsmacht in den kaiserzeitlichen Provinzen vom 1. bis 3. Jahrhundert, München 1999, 13; Th. KRUSE, Der Königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (30 v. Chr.–245 n. Chr.), Leipzig/München 2002, 696f. und 818f.; N. QUENOUILLE, Neues zum Steuerwesen im Fayum: Die διπλῶν-Steuer, in: S. Lippert/M. Schentuleit (Hg.), Graeco-Roman Fayum – Texts and Archaeology. Proceedings of the Third International Fayum Symposion, Freudenstadt, May 29–June 1, 2007, Wiesbaden 2008, 205 (zu den Requirierungen); A. JÖRDENS, Verwaltungsroutine jenseits der Inschriften, in: R. Haensch (Hg.), Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der Römischen Welt (München, 1.-3.7.2006), München 2009, 313– 324; A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 169–172 (ausführlicher Kommentar und Übersetzung); D. FAORO, I preffi d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 40–42 (Dokumentation zum Präfekten).

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55. Ein Edikt des Präfekten Lucius Lusius Geta zugunsten der Priester des Soknopaios (29. März 54 n. Chr.) I.Fayoum I 75 = I.Prose 54 = OGIS II 664 = IGRR I 1118 = SB V 8900 = Smallwood, Nr. 383 = TM 47190 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 9242 55. Ein Edikt des Prä fekten Lucius Lus ius Geta

Die ägyptischen Priesterschaften hatten unter der römischen Herrschaft große Teile ihrer erheblichen Vorrechte der Ptolemäerzeit verloren, doch erfreuten sich bestimmte Tempel weiterhin gewisser Privilegien. Dass Verwaltungsorgane unrechtmäßigerweise in diese Rechte eingriffen, zeigt der vorliegende Erlass, den der Präfekt zugunsten der Priester des krokodilgestaltigen Gottes Soknopaios veröffentlichte und den die Priester in Form einer Stele so gut sichtbar aufstellten, dass er noch 150 Jahre später gesehen werden konnte und deshalb wohl auch rechtsgültig blieb. Text und Übersetzung Λούσιος ⟦Γέτας⟧ Κλαυδίωι Λυσα|νίᾳ στρατηγῶι Ἀρσινοείτου | χαίρειν· τὸ ὑπογεγραµµένον | ἔκθεµα πρόθες ἐν οἷς καθήκει (5) τοῦ νοµοῦ τόποις, ἵνα πάντες | εἰδῶσι τὰ ὑπ’ ἐµοῦ κελευόµενα· | ἔρρωσο. | Λούκιος Λούσιος ⟦Γέτας⟧ λέγει· | ἐπεὶ Ἀρσινοείτου ἱερεῖς θεοῦ (10) Σοκνοπαίου ἐνέτυχόν µοι | λέγοντες εἰς γεωργίας ἄγεσθαι, | τούτους µὲν ἀπολύωι· ἐὰν | δέ τις ἐξελεγχθῆι τὰ ὑπ’ ἐµοῦ | ἅπαξ κεκριµένα ἢ προστα(15)χθέντα κεινήσας ἢ βουληθεὶς | ἀµφίβολα ποιῆσαι, κατ’ ἀξίαν | ἢ ἀργυρικῶς ἢ σωµατικῶς | κολασθήσεται. (ἔτους) ιδ Τιβερίου | Κλαυδίου Καίσαρος Σεβαστοῦ, (20) Γερµανικοῦ Αὐτοκράτορος, | Φαρµοῦθι γ̅.

„Lusius ⟦Geta⟧ (sendet) Claudius Lysanias, dem Strategen des Arsinoites, Grüße. Veröffentliche die unten niedergeschriebene Verordnung an den Orten des Gaues, wo es üblich ist, damit alle wissen, was von mir befohlen wurde. Leb’ Wohl! Lucius Lusius ⟦Geta⟧ erklärt: Weil die Priester des Gottes Soknopaios im Arsinoites sich mit einer Eingabe an mich gewandt haben und darin berichten, dass sie zur Zwangspacht verpflichtet wurden, entbinde ich diese davon. Wenn aber jemand überführt wird, der das einmal von mir Entschiedene oder Angeordnete entweder verändern oder verdrehen will, wird er gemäß dem Wert/entsprechend seinen Möglichkeiten entweder mit einer Geld- oder Leibstrafe bestraft. 14. Regierungsjahr des Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, am 3. Pharmuthi.“

55. Ein Edikt des Präfekten Lucius Lusius Geta

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Kommentar: Die Inschrift setzt sich aus zwei Dokumenten zusammen: Erstens aus dem Brief des Präfekten an den Strategen des Gaus mit der Aufforderung, seinen Erlass bekannt zu machen, und zweitens der Verfügung des Präfekten selbst. Der Name des Präfekten Geta (amt. 53–54 n. Chr.) wurde nicht der Person des Präfekten Lucius Lusius Geta wegen getilgt – zumindest gibt es keinen Hinweis darauf, dass ein solcher Beschluss über den Präfekten gefällt wurde –, sondern 150 Jahre später im Rahmen der Durchsetzung der damnatio memoriae (vgl. Text 52) des Kaisers Geta (nach 211 n. Chr.) – bis mindestens in diese Zeit konnten die Priester also auf das ihnen gewährte Privileg verweisen. Üblicherweise wurden Edikte von Präfekten nicht in Stein verewigt – es handelt sich um einen ägyptenspezifischen epigraphic habit, für den es nur noch drei weitere Belege gibt (vgl. Text 54 und 58). Im vorliegenden Fall ist es wahrscheinlich, dass die Priester selbst für die Aufstellung der Stele sorgten, denn sie dachten in „ewigen“ Dimensionen (Bingen). So wollten sie auch für die Zukunft sicherstellen, dass sie von der Zwangspacht befreit bleiben. Es ist davon auszugehen, dass der Erlass ausschließlich die Priester des Soknopaios und nicht etwa alle Priester im Arsinoitischen Gau betraf, auch wenn es heißt, dass der Beschluss an allen Orten des Gaues, wo es üblich ist, auszuhängen sei. Diese Bestimmung soll vielmehr dafür sorgen, dass jeder staatliche Funktionsträger im Gau über die Befreiung der Priester Bescheid weiß, damit er sie nicht zu Diensten heranzieht. Die Priester hatten sich darüber beschwert, dass staatliche Funktionäre sie unter Vorgabe von Rechtsgründen zur Zwangspacht verpflichteten, sie also unbebautes öffentliches Land bestellen mussten. Die agrarische Tätigkeit auf diesen Ländereien war aufgrund der aus dem daraus gewonnenen Ackerertrag erhobenen hohen Steuern derart unbeliebt, dass viele Bauern geflohen waren (sog. Anachorese). Die Verwaltung versuchte deshalb, die zu erwartenden Ernteausfälle durch Verpflichtungen zur Bebauung der öffentlichen Ländereien zu kompensieren. So wies man teils ganzen Dorfgemeinschaften bestimmte brachliegende Flächen zum Zwecke der Bebauung zu, und im vorliegenden Fall sind selbst die Priester des Soknopaios von dieser Zwangsmaßnahme nicht verschont geblieben. Der Tempel des Gottes gehörte jedoch zu den bedeutenden Heiligtümern im Faijum, er war im Status eines „angesehenen Tempels“ (ἱερὸν λόγιµον; vgl. BGU I 296,12 von 219 n. Chr.) und damit, wie es eine spätere Bestimmung aus der Zeit zwischen 104–107 n. Chr. nochmals sicherstellt, von der Zwangspacht ebenso ausgenommen wie Viehhalter im Transportwesen, Ärzte, verschiedene Handwerker und Alte bzw. Kranke (P.Phil. 1,26–35). & F. F. ABBOTT/A. Ch. JOHNSON, Municipal Administration in the Roman Empire, Princeton 1926, Nr. 164; A. Ch. JOHNSON u.a., Ancient Roman Statutes. A Translation with Introduction, Commentary, Glossary, and Index, Austin 1961, Nr. 178 (englische Übersetzung und Kommentar); W. RÜBSAM, Götter und Kulte im Faijum während der griechisch-römisch-byzantinischen Zeit, Diss. Marburg 1974, 162–166 (zu Soknopaios); R. KATZOFF, Sources of Law in Roman Egypt: The Role of the Prefect, in: ANRW

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II 13, 1980, 811; P. BURETH, Le préfet d’Égypte (30 av. J.C. – 297 ap. J.C.): Etat présent de la documentation en 1973, ANRW II 10,1 (1988), 478 (Belege); G. PURPURA, Gli editti dei prefetti d’Egitto. I sec. a. C. – I sec. d. C., in: Annali del Seminario Giuridico della Università di Palermo 42, 1992, Nr. 9, 527–529 (Text, Literaturangaben, kurzer Kommentar); S. STRASSI, Problemi relativi alla diffusione delle disposizioni amministrative nell’Egitto romano, in: ZPE 96, 1993, 94; N. LEWIS, The Compulsory Public Services of Roman Egypt, Florenz 21997, 144f. (zu den Exemptionen); A. JÖRDENS, Zum Regierungsstil des römischen Statthalters – das Beispiel des praefectus Aegypti, in: H.-U. Wiemer (Hg.), Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit, Berlin/New York 2006, 87–106; J. BINGEN, Normality and Distinctiveness in the Epigraphy of Greek and Roman Egypt, in: R. S. Bagnall (Hg.), Jean Bingen: Hellenistic Egypt. Monarchy, Society, Economy, Culture, Edinburgh 2007, 277; A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 458–468 (zur Zwangspacht; deutsche Übersetzung); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 42f. (Dokumentation zum Präfekten).

56. Die Befreiung des Sphinx vom Sand durch den praefectus Aegypti Balbillus (zwischen 55 und 59 n. Chr.) I. Prose 55 = IGRR I 1110 = OGIS II 666 = CIG III 4699 = SB V 8303 = Smallwood, Nr. 418 RDGE, Nr. 63 = TM 103023 Standort: London, British Museum EA 192 56. Die Befreiung des Sphinx vom Sand du rch Balbillus

Der große Sphinx von Giza gehört aller Wahrscheinlichkeit nach zum Pyramidenkomplex des Pharao Chephren (reg. ca. 2570–2530 v. Chr.) und steht unterhalb des Plateaus mit den Pyramiden des Cheops, Chephren und Mykerinos. Er war nicht nur in pharaonischer Zeit ein religiöser Anziehungspunkt, sondern behielt seine Attraktivität bis in die römische Zeit hinein. Immer wieder kamen Fremde hierher, die sich für die Kulttopographie des Ortes interessierten. Ein großes Problem war aber die stete Versandung, die dem Sphinx drohte und die schon öfter zu Schutzmaßnahmen geführt hatte. Von besonderer Bedeutung war die Freilegung des Sphinx für Thutmosis IV. (reg. ca. 1400–1390 v. Chr.), denn er verband sie mit der Legitimation seiner Herrschaft. In der bekannten Traumstele, die man in situ vor dem Sphinx fand, berichtet der Pharao, wie sich ihm der Gott Harmachis in einem Traum offenbart und gesprochen hat: „Du wirst die weiße und die rote Krone tragen ... Siehe, mein Zustand (?) ist wie der dessen, der in Not ist. Jedes meiner Glieder ist ausgelöst. Der Sand der Wüste, auf dem ich mich befinde, nähert sich mir. Ich habe gewartet, um zu veranlassen, dass du das machst, was in meinem Herzen existiert, wissend, dass du mein Sohn und mein Schützer bist.“ (Übersetzung: Klug). Danach wird der hieroglyphische Text fragmentarisch, doch darf man davon ausgehen, dass Thutmosis den Sand anschließend beseitigen ließ und damit auch seinen Anspruch auf die Herrschaft bestätigt sah. Vielleicht fand man bei der Befreiung des Sphinx

56. Die Befreiung des Sphinx vom Sand durch Balbillus

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von Sand in römischer Zeit eben diese Stele des Thutmosis, sodass die vorliegende Weihung hierauf möglicherweise indirekt Bezug nimmt. Der Textträger des vorliegenden Ehrendekretes ist auf jeden Fall eine typisch ägyptische Stele mit Giebelrund (vgl. Abb. 30). Von der geflügelten Sonnenscheibe hängen wie üblich zwei Uräen herab. Nachträglich wurde auf der Stele unterhalb der beiden Uräen noch ein Proskynema (vgl. Text 45), eine kurze Huldigungsinschrift, angebracht, die zeigt, dass die Stele relativ lange offen zugänglich beim Sphinx gestanden haben dürfte, wo sie auch noch vor 1819 gefunden wurde. Text und Übersetzung Ἀγαθῇ Τύχηι. | ᾿Επεὶ ⟦Νέρων⟧ Κλαύδιος Καῖσαρ Σεβαστὸς | Γερµανικὸς αὐτοκράτωρ, ὁ Ἀγαθὸς Δαίµων τῆς | οἰκουµένης, σὺν ἅπασιν οἷς εὐεργέτησεν ἀγα(5)θοῖς τὴν Αἴγυπτον τὴν ἐναργεστάτην πρόνοι̣ | αν ποιησάµενος ἔπεµψεν ἡµεῖν Τιβέριον Κλαύδ[ι]|ον Βάλβιλλον ἡγεµόνα· διὰ̣ δ̣ὲ̣ τ̣ὰ̣ς̣ τούτου χ̣[ά]|ριτας καὶ εὐεργεσίας πληµυροῦσα πᾶσιν ἀγαθοῖς ἡ̣ | Αἴγυπτος, τὰς τοῦ Νείλου δωρεὰς ἐπαυξοµέ(10)νας κατ᾿ ἔτος θεωροῦσα, νῦν µᾶλλον ἀπέλαυ|σ̣ε τῆς δικαίας ἀναβάσεως τοῦ θεοῦ· ἔδοξε | τοῖς ἀπὸ κώµης Βουσίρεως τοῦ Λητο[πολ]ε̣ ί̣ |του παροικοῦσι ταῖς πυραµίσι καὶ τοῖς ἐ̣ ν̣ αὐτ[ῷ] | καταγεινοµένοις τοπογραµµατεῦσι καὶ κω(15)µογραµµατε̣ ῦ̣ σ̣ι̣ ψη[φίσ]α̣ σ̣θαι κ[αὶ ἀν]αθεῖναι | στήλην λιθίνην παρὰ̣ [τῶ]ι µ̣ [εγίσ]τ̣ ω̣ι θεῶ̣ι̣ Ἡ‚λί̣ a|[ω]ι Ἁρµάχει, ἐκ τῶν ἐνκεχαρα[γ]µένω‚ν̣ ἀ̣γa[αθῶν | δηλοῦσα]ν τὴν πρὸς αὐτοὺ[ς ε]ὐ̣ εργεσίαν, | ἐξ ὧν ἐπι[στήσονται καὶ] τ̣ ὴ̣ ν̣ π̣ρ̣ ὸς ὅλην τὴ[ν] Αἴγυπτον καλοκα[γαθίαν πάντες· ἁρµό](20)ζει γὰρ τὰς ἰσοθέους αὐτο̣ ῦ̣ χάρι[τας] ἐ̣ ν̣ ε̣ στηλ{ει|δ}ωµένας τοῖς ἱεροῖς γράµµασιν αἰῶνι µνηµο|νεύεσθαι [παντί]· παραγενόµενος γὰρ ἡµῶ̣[ν] | εἰς τὸν

„Auf gutes Glück! Weil ⟦Nero⟧ Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, der Agathos Daimon der bewohnten Erde, neben allen anderen Wohltaten, die er Ägypten erwiesen hat, in offenkundiger Vorsorge uns als Präfekten den Tiberius Claudius Balbillus geschickt hat, durch dessen Gunstbeweise und Wohltaten Ägypten von allen guten Dingen überströmt wurde und Jahr für Jahr die sich mehrenden Gaben des Nils erblickte und nun erst recht den richtigen Anstieg des Gottes genossen hat, haben die Dorfbewohner von Busiris im Gau Letopolites, die bei den Pyramiden wohnen, sowie die in diesem Gau ansässigen Gebiets- und Dorfschreiber beschlossen, eine Abstimmung durchzuführen und eine steinerne Stele bei dem größten Gott Helios Harmachis aufzustellen, deren eingemeißelter Text die ihnen erwiesenen Wohltaten bekannt machen möge und aus dem alle die vorzügliche Gesinnung gegen ganz Ägypten erfahren sollen. Es ziemt sich nämlich, dass dessen göttergleiche Gunstbeweise in heiligen Schriftzeichen eingemeißelt und für ewige Zeiten in Erinnerung bewahrt

280 νοµὸν καὶ προσκυ̣ νήσας τὸν Ἥλιο[ν] | Ἅρµα̣ χιν ἐπόπτην καὶ σωτῆρα τῆι τε τῶν πυρ[α](25)µί̣ δ̣ω̣ν̣ µεγ̣ [αλ]ειό̣ τητι καὶ ὑπερφυίᾳ τερφθείς, | [θεασ]άµενος τ̣ε̣ πλείστης ψάµµου διὰ τὸ µῆκος | τοῦ [χρόνου] ...

Texte bleiben. Denn als er zu unserem Gau gekommen war, den Helios Harmachis als Hüter und Beschirmer verehrt hatte, seine Freude über die außergewöhnliche Größe der Pyramiden bekundet und die im Laufe langer Zeit (angesammelte ?) enorme Menge Sand betrachtet hatte ...“ [hier bricht der lesbare Text ab; am Ende folgt die Datierung] Übersetzung in Anlehnung an H. Heinen

Kommentar: Dem Inhalt nach handelt es sich um ein griechisches Ehrendekret, das sich in eine Begründung und eine sich daraus ergebende Ehrung aufgliedert. Das Grundmuster des Beschlusses bildet also die Wendung „Weil Nero (das und das getan hat) ... haben die Dorfbewohner ... beschlossen“. Der Name Nero wurde nach seinem Tod getilgt, weil der Senat ihn zum Staatsfeind erklärt hatte (Sueton, Nero 49: hostis iudicatio). Das zog eine Löschung der Erinnerung an ihn nach sich, was man modern gerne mit dem Begriff der damnatio memoriae fasst (vgl. Text 52). Die Ehrung selbst besteht in der vorliegenden Stele, auf der die großartigen Taten des Geehrten festgehalten werden. Erstaunlich ist aber, dass, anders als zu erwarten, nicht Nero der Geehrte ist, sondern der Präfekt. Der Statthalter und nicht Nero hatte schließlich den vom Sand fast zugewehten Sphinx besucht und, auch wenn der Text abbricht, sicherlich veranlasst, dass man ihn hiervon befreite. Das Lob des Präfekten ist fast schon gottgleich, weil in Ägypten eigentlich ein mit Opfern bedachter Gott oder der Pharao verantwortlich für das regelmäßige Ansteigen der Nilflut war. Im vorliegenden Fall ist es der Präfekt, durch dessen Handeln sich die Bewohner am „richtigen Anstieg des Gottes“, also des Nils, erfreuen konnten. Und doch ist es den Ehrenden gelungen, die Distanz zwischen Präfekt und Kaiser aufrechtzuerhalten, denn es war schließlich Nero, der den Präfekten geschickt hatte – auf Nero selbst, den „guten Daimon“, ist damit das Wohlergehen Ägyptens zurückzuführen. Damit ist Nero in die Position einer Gottheit gerückt. Zwischen Nero und dem Sphinx konnten die Bewohner zudem eine enge Beziehung konstruieren. Der Gott Harmachis war „Horus-im-Horizont“ und wurde von ihnen mit dem Sonnengott Helios gleichgesetzt. Griechen wiederum haben Nero an eben diesen Helios angeglichen und der Kaiser stellte sich in Rom mittels einer Monumentalstatue als Sonnengott dar (vgl. Bergmann). Da zudem festgehalten ist, dass der Text auch in den „heiligen Schriftzeichen“ eingemeißelt werden soll, ist davon auszugehen, dass es eine zweite Ausführung dieser Stele mit einem hieroglyphischen Text gab. Damit hätten die Stifter eine alte Tradition wieder aufgegriffen, auch die sakrale Sprache für Ehrenbe-

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schlüsse zu verwenden, die nur von den Priestern und ideell den Göttern selbst gelesen werden konnte.

Abb. 30: Die Sphinxstele für Balbillus; nachträglich brachte ein Horion ein proskynema (vgl. Text 45) unter den Schlangen der Flügelsonne an (J. A. Letronne, Recueil des inscriptions grecques et latines de l’Égypte, Atlas, Paris 1848, Taf. XXXIX 1).

& F. VITTINGSHOFF, Der Staatsfeind in der römischen Kaiserzeit. Untersuchungen zur „damnatio memoriae“, Speyer 1936 (allgemein zur Tilgung der Erinnerung); F. W. DANKER, Benefactor: Epigraphic Study of a Graeco-Roman and New Testament Semantic Field, San Louis 1982, Nr. 35; É. BERNAND, Pèlerinage au grand Sphinx de Gizeh, in: ZPE 51, 1983, 185–189 (zu den Proskynemata beim Sphinx); P. J. SIJPESTIJN, More Remarks on Some Imperial Titles in the Papyri II, in: ZPE 54, 1984, 65 Nr. 2b; M. KAPLAN, Greeks and the Imperial Court, from Tiberius to Nero, New York/London 1990, 49–62; M. BERGMANN, Die Strahlen der Herrscher. Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1998, 133–229 (zum Verhältnis Neros zum Sonnengott); H. I. FLOWER, Damnatio Memoriae and Epigraphy, in: E. R. Varner (Hg.), From Caligula to Constantine: Tyranny and Transformation in Roman Portraiture, Atlanta 2001, 58–69 (zur damnatio memoriae); A. KLUG, Königliche Stelen in der Zeit von Ahmose bis Amenophis III., Turnhout 2002, 296–304 (Traumstele Thutmosis’ IV.); Chr. ZIVIE-COCHE, Sphinx. Das Rätsel des Kolosses von Gizeh, Darmstadt 2004 (allgemeine Einführung zur Örtlichkeit); W. ECK, Die Vernichtung der memoria Neros. Inschriften der neronischen Zeit aus Rom, in: J.-

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M. Croisille/Y. Perin (Hg.), Neronia 6: Rome à l’époque néronienne, Brüssel 2006, 285–295; H. HEINEN, Ägypten im Römischen Reich. Beobachtungen zum Thema Akkulturation und Identität, in: St. Pfeiffer (Hg.), Ägypten unter fremden Herrschern zwischen persischer Satrapie und römischer Provinz, Berlin 2007, 191–196 (deutsche Übersetzung und Kommentar); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 98–102 (zu Nero im Kaiserkult); N. DÖRNER, Feste und Opfer für den Gott Caesar. Kommunikationsprozesse im Rahmen des Kaiserkultes im römischen Ägypten der julisch-claudischen Zeit (30 v. Chr.–68 n. Chr.), Rahden/West. 2014, 378–383 (zu den Wohltaten des Balbillus), 447–454 (zu Nero als Agathos Daimon); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 43–47 (Dokumentation zum Präfekten).

57. Nero, der Wohltäter und Retter der Welt (60/61 n. Chr.) I.Fayoum III 147 = OGIS II 668 = IGRR I 1124 = Smallwood, Nr. 419 = TM 44527 Standort: Cambridge, Fitzwilliam Museum n.n. 57. Nero, der Wohltäte r und Retter de r Welt

Die römischen Kaiser erhielten von den Untertanen ähnliche Ehrungen und Ehrentitel wie zuvor die ptolemäischen Könige. Es bestand zudem allenthalben das Bedürfnis, den Herrscher mit Weihungen zu ehren. Wahrscheinlich entsprang die Initiative solcher Weihungen dem originären Interesse der Stifter selbst, die auf diese Weise in Dialog mit dem Herrscher bzw. seinen Vertretern vor Ort treten wollten. Da sie sich mit der Weihung offen als loyale Untertanen zu erkennen gegeben hatten, erhofften sie sich Privilegien oder die Garantie bisher gewährter Rechte. Die vorliegende Ehrung befand sich auf einem ansonsten schmucklosen Denkstein, der in Kom Talit im Faijum sekundär in einer Mauer verbaut gefunden wurde. Text und Übersetzung Νέρωνι Κλαυδίωι Καίσαρ[ι] | Σεβαστῶι Γερµανικῶ[ι] | Αὐτοκράτορι, τῶι σω|τῆρι καὶ εὐεργέτηι τῆ[ς] (5) οἰκουµένης, ἡ πόλις | ἡ Πτολεµαιέων διὰ τῶ[ν] | ἑξακισχιλίων τετρα[κο]|σίων ἑβδοµήκ[οντα καὶ] | οἱ τῶι β (ἔτει) θεοῦ Τ[ιβερίου] (10) Κλαυδίου Καίσαρ[ος Σεβαστοῦ] | Γερµανικοῦ Αὐτοκρά[τορος] | ἐφηβευκότες πάν[τες] | ἐ[π]ὶ Λευκίου Ἰουλίου [Οὐηστί]|[ν]ου ἡγεµόνος, (ἔτους) ζ [Νέρωνος] (15) Κλαυδίου Καίσαρος [Σεβαστοῦ] | Γερµανικοῦ Αὐτοκ[ρά-

„Dem Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, dem Retter und Wohltäter der Welt, (haben es) die Polis der Ptolemaier durch die Sechstausendvierhundertsiebzig und alle, die im 2. Jahr des Gottes T[iberius] Claudius Caesar [Augustus] Germanicus Imperator Epheben waren, (geweiht), unter dem Statthalter Lucius Iulius [Vestin]us, im 7. Regierungsjahr des [Nero] Claudius Caesar [Augustus] Germanicus Imperator, Ph[...].“

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τορος] | Φ[— — — — — — — — — — — —]

Kommentar: Die vorliegende Weihung an Nero haben drei Stifterkorporationen vorgenommen. Erstens war es die Stadt Ptolemais, wobei nicht genauer spezifiziert ist, welches Ptolemais in Ägypten damit gemeint sein sollte. Der Fundort der Weihung könnte trotz der Sekundärverwendung darauf hindeuten, dass nicht die oberägyptische Griechenstadt Ptolemais die Stiftung vorgenommen hat (Plaumann), sondern die im südlichen Faijum gelegene Gauhauptstadt Ptolemais Euergetis (Bernand). Im letzteren Fall wäre die Selbstbezeichnung als polis aber zumindest ungewöhnlich, schließlich hatte in Ägypten – neben Alexandria und Naukratis – allein das oberägyptische Ptolemais ein eigenes polisRecht. Sollte deshalb tatsächlich die gleichnamige Metropole des Arsinoites gemeint sein, dann handelte es sich keinesfalls um eine Stadt mit dem Status einer Griechenstadt und deren Institutionen. Zweitens trat eine Gruppe von Personen auf, die sich als die „6470“ (vgl. I.Fay I 25; in den Papyri erscheinen sie hingegen immer als die „6475“) bezeichneten. Hierbei handelt es sich statusrechtlich gesehen um Griechen, die im Faijum lebten und aufgrund ihres Status eine geringere Kopfsteuer zu entrichten hatten. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die „6470“/„6475“ entweder eine separate (Alston) oder eine zur Metropolis des Gaus gehörende Körperschaft bildeten (Bowman/Rathbone). Wenn sie zur Stadt gehörten, dann waren sie sicherlich die Mitglieder des Gymnasiums der Metropolis, die auch den politisch aktiven Teil der Bevölkerung ausmachten (Bowman/Rathbone). Drittens stifteten schließlich die Epheben, die im zweiten Jahr des Kaisers Claudius, also 41/42 n. Chr., die Ephebie im Gymnasium absolviert hatten, die Stele. Hier stellt sich die Frage, weshalb sie separat von den „6470“ genannt werden, obwohl sie als ehemalige Epheben und damit vollgültige Mitglieder des Gymnasiums eigentlich ein Teil der „6470“ sein müssten. Einerseits wird deshalb die Ansicht vertreten, dass diese ehemaligen Epheben eine eigenständige Gruppierung darstellten, die unter Kaiser Claudius besonders privilegiert worden war, und die, anders als die „6470“, damit auch nicht mit der Stadt Euergetis in Zusammenhang stand. Es handele sich vielmehr, wie man annimmt, um alexandrinische Bürger, die in der Chora lebten, da die Ephebie eine allein auf Alexandria beschränkte Institution gewesen sei (Whitehorne). In einer anderen Interpretation ist hingegen eine Emendation der Inschrift nötig und anstelle von „alle, die im 2. Jahr ... Epheben waren“ ein „alle, die im 12. Jahr ... Epheben waren“ zu lesen. Es wären also die ehemaligen Epheben nicht des Jahres 41, sondern des Jahres 51 n. Chr. Diese Epheben wären dann wiederum ein Teil der Bewohner von Ptolemais Euergetis und, ebenso wie die „6470“, Mitglieder des Gymnasiums. Nach der einjährigen Ephebie im Jahr 51 waren sie etwa 15 Jahre alt gewesen und zum Zeitpunkt der Setzung der Inschrift hatten sie mit 22/23 Jahren gerade das Alter erreicht, das es ihnen erlaubte, Ämter innerhalb der Metropolis zu übernehmen (so Bow-

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man/Rathbone aus dem Vergleich mit Bithynien: Plinius, Briefe X 79,1f.), waren also vollwertig in die „6470“ aufgenommen worden. Der Beschluss würde dann zum Ausdruck bringen, dass wirklich alle Griechen der Stadt, also auch die gerade hinzugekommenen neuen Vollmitglieder des Gymnasiums, die Weihung vorgenommen hatten. Bis auf den Monatsnamen, von dem nur noch der erste Buchstabe Phi erhalten ist, der zu Phaophi (Oktober 60), Phamenoth (März 61) oder Pharmuthi (April 61) ergänzt werden kann, ist die Inschrift komplett. Sollte sie aus dem Monat Phaophi stammen, dann wäre die Stele zu Beginn des „heiligen Jahres“ des Nero gestiftet worden. Hierbei handelte es sich um eine Änderung der Zählung der tribunizischen Gewalt des Nero (Geraci). Um die vorliegende Weihung einordnen zu können, ist es wichtig zu wissen, dass Euergetis gemeinsam mit den „6475“ Griechen dem Kaiser Nero bereits anlässlich seiner Thronbesteigung mittels einer Gesandtschaft große Ehren erwiesen hatte. Nero antwortete hierauf, wie aus einem Papyrus hervorgeht, zu Beginn seiner Herrschaft noch die von ihm erwartete moderatio zeigend: „Von den übrigen zwei Dingen aber habe ich den Tempel für mich mir verbeten, da den Göttern allein eine solche Ehre von den Menschen gerechterweise zuteil wird, und ebenso den goldenen Kranz, den ihr als Ehrengabe schicktet, da ich nicht zu Beginn meiner Herrschaft euch beschweren möchte. Was alles aber ihr, die sechstausendvierhundertfünfundsiebzig, als Besitz von den Kaisern vor mir empfangen habt ... sowohl gemeinsam von euch allen wie auch nach jedes einzelnen Anteil, dass ihr das ohne Übergriffe und Beschwernisse bewahren könnt, wie es auch der Gott mein Vater gewünscht hat – wobei ihr Zeugen seid für alles, was er der Stadt und den sechstausendvierhundertfünfundsiebzig gewährte –, das befürworte und dafür verbürge ich mich. Die Gesandten waren: ...“ (SB XII 11012; TUAT NF 3 VIII 2,2). Die Stadt – auch bei dem Brief Neros dürfte, wegen der gemeinsamen Erwähnung mit den „6475“, Ptolemais Euergetis gemeint sein, – konnte also genau so handeln, wie ein Gemeinwesen mit dem Status einer Polis: Man kommunizierte direkt mit dem Kaiser über Gesandtschaften und erließ Ehrenbeschlüsse für ihn. Die Griechen in der Chora agierten damit wie die Städte griechischen Rechts im restlichen römischen Imperium, und der Kaiser akzeptierte dies, denn er reagierte persönlich auf das Kommunikationsangebot der Griechen aus Ptolemais Euergetis. Was genau die Stadt dem Kaiser im vorliegenden Fall geweiht hat, bleibt unklar – bei einem heiligen Bezirk wäre eine Spezifikation des Ortes im Akkusativ zu erwarten. Sollte die Inschrift in die Basis einer Statue des Nero eingesetzt gewesen sein, wäre der Akkusativ anstelle des Dativs bei der Namensnennung Neros zu erwarten. Da es in Ägypten (zumindest seit dem 2. Jh.) durchaus vorkam, dass eine Statue in römischer Zeit auch im Dativ geweiht werden konnte (vgl. Text 77), könnte dies auch hier, bereits im 1. Jh., der Fall sein. Nero wäre also nicht mittels des Dativs in die Position einer Gottheit gerückt, sondern der

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Dativ bezeichnet nach lateinischer Praxis den Dargestellten. Damit haben die Weihenden sich also an den ‚Wunsch‘ des Nero gehalten, ihn nicht zu vergöttlichen, auch wenn sie ihn natürlich, ganz in hellenistischer Tradition, als „Retter“ und „Wohltäter“ bezeichnen (vgl. besonders Text 6). Unklar bliebe bei einer solchen Lösung freilich, weshalb die Griechen (und nicht Armeeangehörige im Kontext römischer Institutionen) ein lateinisches Formular nutzten. Sollte es sich deshalb stattdessen um die Weihung etwa eines heiligen Bezirkes oder eines Votivs an Nero handeln, dann hätte Nero bereits zu Lebzeiten für die Stifter die Position einer Gottheit übernommen, was ihn in die direkte Nachfolge des Augustus stellt, denn nach diesem war kein Kaiser mehr derart vergöttlich worden (Pfeiffer). & G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hellenismus in Ägypten, Leipzig 1910, 71–78 (für eine Identifizierung mit dem oberägyptischen Ptolemais); O. MONTEVECCHI, Nerone a una polis e ai 6475, in: Aegyptus 50, 1970, 5–33 (grundlegende Bearbeitung der Texte); O. MONTEVECCHI/G. GERACI, Documenta papyracea inedita ad Neronis atque Othonis principatus pertinentia in papyris Mediolanensibus reperta, in: E. Kießling/H.-A. Rupprecht (Hg.), Akten des XIII. Internationalen Papyrologenkongresses. Marburg/Lahn, 2.–6. August 1971, München 1974, 293–307 (zum Brief der 6475 Griechen an Nero); J. F. OATES, Ptolemais Euergetis and the City of Arsinoites, in: BASP 12, 1975, 113–120 (zur Identifikation der Stadt); J. E. G. WHITEHORNE, The Ephebate and the Gymnasial Class in Roman Egypt, in: BASP 19, 1982, 171–184 (von Bowman/Rathbone bestrittene Ansicht, dass die Ephebie allein Alexandrinern vorbehalten war); G. GERACI, Gli anni settimo e ottavo ‚sacriʻ di Nerone in Egitto: unʼ ipotesi, in: Aegyptus 70, 1990, 97–111 (zum „heiligen Jahr“ des Nero); D. CANDUCCI, I 6475 cateci greci dellʼArsinoite, in: Aegyptus 70, 1990, 211–255; D. CANDUCCI, I 6475 cateci greci dellʼArsinoite, in: Aegyptus 71, 1991, 121–216 (zur Statusgruppe der Griechen im Faijum); A. K. BOWMAN/D. W. RATHBONE, Cities and Administration in Roman Egypt, in: JRS 82, 1992, 120–125 (zum städtischen Charakter der Metropoleis); Chr. KIRBY/D. W. RATHBONE, Kom Talit: The Rise and Fall of a Greek Town in the Faiyum, in: Egyptian Archaeology 8, 1996, 29–31 (zum Fundort); R. ALSTON, The City in Roman and Byzantine Egypt, London/New York 2002 (zur Stadt); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 102–105 (zur Vergöttlichung des Nero in der Chora); S. BÖNISCH-MEYER/Chr. WITSCHEL, Das epigraphische Image des Herrschers. Entwicklung, Ausgestaltung und Rezeption der Ansprache des Kaisers in den Inschriften Neros und Domitians, in: S. Bönisch-Meyer u.a. (Hg.), Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich, Tübingen 2014, 81–179.

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58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander (6. Juli 68 n. Chr.) CHALON 1964 = I.Prose 57 A und B = CIG III 4957 = IGRR I 1263 = I.Hibis 3– 4 = OGIS II 669 = SB V 8444 = TM 103024 und 105134 Freis, Nr. 39; TUAT N.F. 2 VIII 11 58. Ein Edikt des Ti berius Iuli us Alexander

Im Jahr 68 n. Chr. hatte der römische Kaiser Nero mit Hilfe eines Sklaven Selbstmord begangen und es folgte das sogenannte Vierkaiserjahr, das mit dem Sieg des Vespasian endete. Der erste Herrscher der vier Thronprätendenten war der römische Senator Galba. In Zusammenhang mit dem Herrscherwechsel erließ der amtierende Präfekt Ägyptens ein Edikt, das sich insbesondere mit der Kontrolle der Steuereintreiber in Ägypten beschäftigt. Eine Kopie dieses Erlasses ist in zwei Versionen am Amuntempel von Hibis, dem wichtigsten Heiligtum der Oase Charga, auf dem Eingangspylon angebracht worden. Text A auf der Innenwand des Pylons wurde nicht vollständig ausgeführt, möglicherweise, weil man feststellte, dass nicht genug Platz vorhanden war, sodass man mit Text B auf der nach außen gerichteten Ostseite der nördlichen Torwand nochmals neu anfing. Das Edikt ist einer der längsten epigraphisch überlieferten griechischen Texte aus Ägypten. Das Besondere an diesem Edikt ist zudem, dass es nicht, wie sonst üblich, nur einen einzigen Präfektenentscheid, sondern ein ganzes Bündel von Verfügungen des Tiberius Iulius Alexander enthält und dass es zu den wenigen Edikten gehört, die überhaupt inschriftlich angebracht wurden (vgl. Text 54 und 55). Eine Parallele des vorliegenden Ediktes findet sich auf dem Papyrus BGU VII 1563 vom Anfang des 2. Jhs. n. Chr. (nur mit den Zeilen 3–14 der Inschrift). Text und Übersetzung [§1] Ἰούλιος Δηµήτριος, στρατηγὸς Ὀάσεως Θ[ηβαΐ]δος v. τοῦ πεµφθέντος µοι διατάγµατος ὑπὸ τοῦ κυρίου ἡγεµόνος vv. | Τιβερίου Ἰουλίου Ἀλεξάνδρου τὸ ἀντίγραφον ὑµεῖν ὑπέταξα, ἵν’ εἰδότες ἀπολαύητε τῶν εὐεργειῶ. (ἔτους) β Λουκίου Λιβίου εβαστοῦ ουλπικίου | Γάλβα Αὐτοκράτορος Φαῶφι α̅ Ἰουλίᾳ Σεβαστῆι. vvv . Τιβέριος Ἰούλιος Ἀλέξανδρος λέγει· vv [§ 2] πᾶσαν πρόνοιαν ποιούµενος τοῦ διαµένειν τῶι προσήκον̣τι κα|ταστήµατι τὴν πόλιν

[Brief des Iulius Demetrius:]

[§ 1] „Iulius Demetrius, Stratege der Oase in der Thebais: Ich habe euch die Abschrift des mir vom Herrn, dem Statthalter Tiberius Iulius Alexander, geschickten Edikts unten angefügt, damit ihr Bescheid wisst und der Wohltaten teilhaftig werdet. Im 2. Regierungsjahr des Lucius Livius Augustus Sulpicius Galba Imperator, am 1. Phaophi, am Iulius-Augustus-Tag (= 28.9.68). [Präambel:] Tiberius Iulius Alexander erklärt: [§ 2] Ich wende alle Vorsorge dafür auf, dass die Stadt (i.e. Alexandria) in dem ihr zukommenden Zustand

58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander ἀπολαύουσαν τῶν εὐεργεσιῶν ἃς ἔχει παρὰ τῶν Σεβαστῶν καὶ τοῦ τὴν Αἴγυπτον ἐν εὐσταθείᾳ διάγουσαν εὐθύµως ὑπηρετεῖν τῆι τε εὐθηνίᾳ καὶ τῆι µεγίσ(5)τηι ῶ[ν] νῦν καιρῶν εὐδαιµονίᾳ, µὴι βαρυνοµένην καιναῖς καὶ ἀδίκοις εἰσπράξεσι, σχεδὸν δὲ ἐξ οὗ τῆς πόλεως ἐπέβην καταβοώµενος ὑπὸ τῶν ἐντυγχανόντων καὶ κατ’ ὀλίγους καὶ κα|τὰ πλήθηι τῶν τε ἐνθάδε εὐσχηµονεστάτων καὶ τῶν γεωργούντων τὴν χώραν µεµφοµένων τὰς ἔγγιστα γενοµένας ἐπηρείας, οὐ διέλιπον µὲν κατὰ τὴν ἐµαυτοῦ δύναµιν τὰ ἐπείγον|τα ἐπανορθούµενος· v.

ἵνα ὲ εὐθυµότεροι πάντα ἐλπίζητε παρὰ τοῦ ἐπιλάµψαντος ἡµεῖν ἐπὶ σωτηρίᾳ τοῦ παντὸς ἀνθρώπων γένους εὐεργέτου Σεβαστοῦ Αὐτοκράτορος Γάλβα τά τε πρὸ σωτηρίαν | [κ]αὶ τὰ πρὸς ἀπόλαυσιν, καὶ γινώσκητε ὅτι ἐφρόντισα τῶν πρὸς τὴν ὑµετέραν βοήθειαν ἀνηκόντων, προέγραψα ἀναγκαίως περὶ ἑκάστου τῶν ἐπιζητουµένων, ὅσα ἔξεστί µοι κρεί|νειν καὶ ποιεῖν, τὰ δὲ µείζονα καὶ δεόµενα τῆς τοῦ αὐτοκράτορο δυνάµεως καὶ µεγαλειότητος αὐτῶι δηλώσωι µετὰ πάσης ἀληθείας, τῶν θεῶν ταµιευσαµένων εἰς τοῦτον τὸν (10) ἱερώτατον καιρὸν τὴν τῆς οἰκουµένης ἀσφάλειαν. [§ 3] ἔγνων γὰρ πρὸ παντὸς εὐλογωτάτην οὖσαν τὴν ἔντευξιν ὑµῶν ὑπὲρ τοῦ µὴι ἄκοντας ἀνθρώ-

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verbleibt, indem sie die Wohltaten genießt, die sie von den Augusti erhalten hat, und dass sich Ägypten in dauerndem Wohlbefinden befindet und freudig zum wohlgeordneten Zustand und dem größten Glück der jetzigen Zeiten beiträgt, ohne durch neue und ungerechte Abgaben beschwert zu sein; beinahe seit dem Zeitpunkt, seit dem ich die Stadt betreten habe, wurde ich von Leuten um Hilfe angerufen, die Eingaben einreichten, von wenigen ebenso wie in großer Menge, sowohl von den hier sehr Wohlhabenden, als auch von denen, die das Land bebauen, die die gerade eingetretenen Missstände beklagten; nichts, was in meiner Macht stand, habe ich unterlassen, um die Bedrängnisse zu beheben. Damit ihr nun frohgemuter alles erhofft von dem uns zum Heil des gesamten Menschengeschlechtes erschienenen Wohltäter Augustus Imperator Galba, sowohl zum Heil als auch zum Genuss, und damit ihr wisst, dass ich mich um das, was euer Heil betrifft, gekümmert habe, habe ich notwendigerweise über jede der Untersuchungen, soweit es bei mir lag, zu entscheiden und zu handeln, ein Urteil gefällt, die wichtigeren Angelegenheiten aber, die der Macht und der Majestät des Imperators bedürfen, werde ich ihm in aller Wahrheit kundtun, beschirmen doch die Götter in dieser heiligsten Zeit die Sicherheit der Welt.

[Bestimmungen des Präfekten:]

[§ 3] Vor allem habe ich erkannt, dass eure Eingabe wohlbegründet ist, dass nicht Menschen gegen ihren

288 πους εἰς τελωνείας ἢι ἄλ|[λ]ας µισθώσεις οὐσιακὰς παρὰ τὸ κοινὸν [ἔ]θος τῶν ἐπαρχειῶν πρὸς βίαν ἄγεσθαι, καὶ ὅτι οὐκ ὀλ[ίγ]ον ἔ̣βλα̣ψε τὰ πράγaµα ̣ τα τὸ πολλοὺ̣ς̣ ἀπείρους ὄντα τῆς τοιαύ̣|της πραγµατείας ἀχθῆναι µετ’ ἀνάγκης ἐπιβληθντων αὐτοῖς τῶν τελῶν.

διόπερ καὶ αὐτὸς οὔτε ἤ̣γαγόν τινα εἰς τελωνείαν ἢι µίσθωσιν οὔτε ἄξωι, ἰaδὼς τοῦτο | συµφέρειν καὶ ταῖς κυριακαῖς ψήφοις τὸ µετ̣ὰ προθυµίας ἑκόντας πραγµατεύεσθαι τοὺς υνατούς. v.

πέπεισµαι δὲ ὅτι οὐδ’ εἰς τὸ µέλλον ἄκοντάς τις ἄξει τελώνας | ἢ µισθωτάς, ἀλλὰ διαµισθώσει τοῖς βουλοµένοις ἐκουσίως προέρχεσθαι, µᾶλλον τὴν τῶν προτέρων ἐπάρχων αἰώνιον συνήθειαν φυλάσσων ἢι τὴν πρόσκαιρόν τινος ἀδικίαν (15) µειµησάµενος· v.

[§ 4] ἐπειδὴι ἔνιοι προφάσει τῶν δηµοσίων καὶ ἀλλότρια δάνεια παραχωρούµενοι εἴς τε τὸ πρακτόρειόν τινας παρέδοσαν καὶ εἰς ἄλλας φυλακάς, ἃς καὶ δι’ αὐτὸ τοῦτο | ἔγνων ἀναιρεθείσας, ἵνα αἱ πράξεις τῶν δανείων ἐκ τῶν ὑπαρχόντων ὦσι καὶ µὴι ἐκ τῶν ωµάτων, ἑπόµενος τῆι τοῦ θεοῦ Σεβατοῦ βουλήσει, v.

Texte Willen zur Übernahme der Steuerpacht oder zu anderen Pachten von kaiserlichem Domänenland gegen den allgemeinen Brauch in den Provinzen gezwungen werden, und dass es dem Staat sehr großen Schaden zugefügt hat, dass viele, die unerfahren waren bei der Durchführung dieser Angelegenheit, unter Zwang herangezogen wurden, wenn man ihnen die Aufsicht über die Steuereintreibung auferlegte. Deshalb habe ich auch selbst weder jemanden zur Steuerpacht noch zur Pacht von kaiserlichem Domänenland gezwungen, noch habe ich es vor, weil ich weiß, dass es auch für das kaiserliche Konto zuträglich ist, wenn die, die dazu in der Lage sind, es bereitwillig und freiwillig durchführen. Ich bin aber davon überzeugt, dass auch in Zukunft niemand Steuerpächter oder Pächter (von kaiserlichem Domänenland) gegen ihren Willen heranzieht, sondern sie den Willigen verpachtet, die freiwillig an ihn herantreten, womit man eher die stete Gewohnheit der vorherigen Präfekten bewahrt als das gerade geschehene Unrecht einer gewissen Person (= des Vorgängers C. Caecina Tuscus) nachzuahmen. [§ 4] Weil sich einige unter dem Vorwand von Steuerschulden auch andere Darlehen übertragen lassen haben und Personen ins Amtsgebäude des Zuständigen für die Steuererhebung (praktoreion) oder in andere Gefängnisse einlieferten, die, wie ich weiß, genau deshalb abgeschafft wurden, damit die Eintreibungen der Darlehen aus den Vermögen erfolgen

58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander

κελεύω µηδένα τῆι τῶν ηµοσίων προφά|σει παραχωρεῖσθαι παρ’ ἄλλων άνεια ἃ µὴ{ι} αὐτὸς ἐξ ἀρχῆς ἐδάνεισεν µη{ι} δ’ ὅλως κατακλείεθαί τινα ἐλευθέρους εἰς φυλακὴν ἡντινοῦν, εἰ µὴι κακοῦργον, µη’ εἰς τὸ πρακ|τόρειον, ἔξω{ι} ῶν ὀφειλόντων εἰς τὸν κυρικὸν λόγον. [§ 5] ἵνα ὲ µη{ι}αµόθεν βαρύνηι τὰ πρὸ ἀλλήλου υναλλαγὰς τὸ τῶν δηµοσίων ὄνοµα µηὲ συνέχωσι τὴν κοινὴν πίστιν | οἱ τῆι πρωτοπραξίᾳ πρὸς ἃ µὴ δεῖ καταχρώµενοι, καὶ περὶ ταύτης ἀναγκαίως προέγραψα. ἐδηώθη γάρ µοι πολλάκις ὅτι ἤδηι τινὲς καὶ ὑποθήκας ἐπείρασαν ἀφελέσθαι νοµίµως (20) εγονυίας καὶ ἀποδεδοµένα δάνεια παρὰ τῶν ἀπολαβόντων ἀναπράσσειν πρὸς βίαν καὶ ἀγορασµοὺς ἀναάστους ποιεῖν ἀποσπῶντες τὰ κτήµατα τῶν ὠνησαµένων ὡς | συµβεβληκότων τισὶν ἀναβολικὰ εἰληφόσ[ι] ἐκ τοῦ φίσκου ἢι στρατηγοῖς ἢι πραγµατικοῖς ἢι ἄλλοις τῶν προσοφειλ̣ηκότων τῶι δηµοσίωι λόγωι.

κελεύω οὖν, ὅστις {ς} ἂν ἐνθάε | ἐπίτροπος τοῦ κυρίου ἢι οἰκονόµος ὕποπτόν τινα ἔχηι τῶν ἐν τοῖς δηµοσίοις πράγµασιν ὄντων, κατέχεσθαι αὐτοῦ τὸ ὄνο[µ]α ἢ{ι} προ-

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und nicht aus den Personen, befolge ich den Willen des Gottes Augustus und befehle, dass sich niemand unter dem Vorwand von Steuerschulden von anderen Darlehen übertragen lassen darf, wenn er nicht selbst von Anfang an das Darlehen gewährt hat, und dass überhaupt keine freien Personen in irgendein Gefängnis abgeführt werden dürfen, wenn nicht als Straftäter, auch nicht ins Praktoreion, außer denen, die Schulden an die kaiserliche Kasse haben. [§ 5] Damit aber die Privatgeschäfte von keiner Seite her im Namen von Steuerschulden belastet werden und die allgemeine Kreditwürdigkeit nicht dadurch eingeschränkt wird, dass man das Vorpfandrecht in Angelegenheiten nutzt, bei denen es nicht angewandt werden darf, habe ich notwendigerweise auch hierüber eine Verfügung erlassen. Häufig ist mir nämlich berichtet worden, dass einige schon versucht haben, auch Hypotheken, die rechtmäßig zustande gekommen sind, aufzulösen und zurückgezahlte Darlehen mit Gewalt von denen, die sie empfangen hatten, wieder einzutreiben und Kaufverträge zu annullieren, indem sie den Käufern die Besitztümer entrissen, als ob sie Verträge mit solchen geschlossen hätten, die Aufschub vom Fiskus haben, oder mit Strategen oder Steuereintreibern oder mit anderen, die gegenüber der öffentlichen Kasse Schulden haben. Ich verfüge nun, dass von nun an jeder Prokurator des Kaisers oder Verwalter (dispensator), der jemanden von denen, die in öffentlichen Angelegenheiten tätig sind, in Ver-

290 γράφειν, ἵν[α µηδ]ὶς τῶι τοιούτωι συνβάλληι v | ἢι µέρηι τῶν ὑπαρχόντων αὐτοῦ κατέχειν ἐν τοῖς δηµοσίοις γραµµατοφυλακίοις πρὸς ὀφείληµα.

ἐὰν δέ τις µήιτε ὀνόµατος κατεσχηµένου̣ µ̣ήτε τῶν ὑπαρχόντων κρατου|µένων δανίσηι νοµίµως λαβὼν ὑποθήκην, ἢι φθάσηι ἃ ἐδάνισεν κοµίσασθαι ἢι καὶ ὠνήσηταί τι, µὴι κατεχοµένου τοῦ ὀνόµατος µηδὲ τοῦ ὑπάρχοντος, οὐδὲν πρᾶγµα ἕξει. vvv. (25) [§ 6] τὰς µὲν γὰρ προῖκας ἀλλοτρίας οὔσας καὶ οὐ τῶν εἰληφότων ἀνδρῶν καὶ ὁ θεὸς Σεβαστὸς ἐκέλευσεν καὶ οἱ ἔπαρχοι ἐκ τοῦ φίσκου ταῖς γυναιξὶ ἀποδίδοσθαι, ὧν βεβαίαν δεῖ v | τὴν πρωτοπραξίαν φυλάσσειν· v. [§ 7] ἐνετεύχθην δὲ καὶ περὶ τῶν ἀτελειῶν καὶ κουφοτελειῶν, ἐν αἷς ἐστιν καὶ τὰ προσοδικά, ἀξιούντων αὐτὰς φυλαχθῆναι, ὡς ὁ θεὸς Κλαύδιος vv. | ἔγραψεν Ποστόµωι ἀπολύων, καὶ λεγόντων ὕστερον κατακεκρίσθαι τὰ ὑπὸ ἰδιωτῶν πραθέντα ἐν τῶι µέσωι χρόνωι µετὰ τὸ Φλάκκον κτκρεῖναι καὶ πρὸ τοῦ τὸν θεὸν vv. | Κλαύδιον ἀπολῦσαι· v.

ἐπεὶ οὖν καὶ Βάλβιλλος καὶ Οὐηστεῖνος ταῦτα ἀπέλυσαν, ἀµφο-

Texte dacht hat, dessen Namen sperrt oder einen Vermerk macht, damit niemand mit einem solchen einen Vertrag schliesst, oder dass er einen Teil seines Vermögens zurückhält (= eine Verfangenschaft einträgt) in den öffentlichen Archiven in Hinblick auf die Schuld. Wenn aber einer jemandem, dessen Namen weder gesperrt, noch dessen Vermögen einbehalten wird, ein Darlehen gibt und eine rechtlich wirksame Hypothek erhält oder bereits zurückerhalten hat, was er als Darlehen gegeben hat, oder etwas erworben hat, ohne dass der Name oder das Vermögen gesperrt waren, soll dieser keinen Zugriff haben. [§ 6] Da die Mitgiften anderen gehören und nicht den Ehemännern, die sie erhalten haben, hat auch der Gott Augustus befohlen ebenso wie die Präfekten, sie aus dem Fiskus den Frauen zurückzugeben, deren Vorgriffsrecht sicher zu bewahren ist. [§ 7] Mir wurden auch Eingaben überreicht über die Steuerfreiheit und Steuererleichterung, zu denen auch die Staatseinkünfte gehören, und in denen die Petenten baten, sie zu bewahren, wie der Gott Claudius (reg. 41–54 n. Chr.) dem Postumus (praefectus Aeg. 45–47 n. Chr.) zu befreien schriftlich aufgetragen hat, und sie sagten, dass das, was in der Zwischenzeit an Privatbesitz erworben wurde, später voll veranlagt wurde, das heißt, nachdem Flaccus (praefectus Aeg. 32–38 n. Chr.) es veranlagt hatte und vor der Befreiung durch den Gott Claudius. Weil also auch Balbillus (praefectus Aeg. 55–59 n. Chr.) und Vestinus

58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander τέρων τῶν ἐπάρχων ἐπικρίµατα φυλάσσωι, καὶ ἐκείνων κατηκολουθηκότων τῆι v. | τοῦ θεοῦ Κλαυδίου χάριτι, ὥστε ἀπολελύσθαι τὰ µηδέπωι ἐξ αὐτῶν εἰσπραχθέντα, δηλονότι εἰς τὸ λοιπὸν τηρουµένης αὐτοῖς τῆς ἀτελείας καὶ κουφοτελείας.

[§ 8] ὑπὲρ ὲ v. (30) τῶν ἐκ τοῦ Καίσαρος λόγου πρα{χ}θέντων ἐν τῶι µέσωι χρόνωι, περὶ ὧν ἐκφόρια κατεκρίθηι, ὡς Οὐηστεῖνος ἐκέλευσεν [τ]ὰ καθήκοντα τελεῖσθαι καὶ αὐ|τὸς ἵστηµι, ἀπολελυκὼς τὰ µηδέπωι εἰσπραχθέντα καὶ πρὸς τὸ µέλλον µένειν αὐτὰ ἐπὶ τοῖς κ̣αθήκουσι· ἄδικον γάρ [ἐ]στιν τοὺς ὠνησαµένους κτή|µατα καὶ τιµὰς αὐτῶν ἀποδόντας, ὡς δηµοσίους γωργοὺς ἐκφόρια ἀπαιτεῖσθαι τῶν ἰδίων ἐδαφῶν.

[§ 9] ἀκόλουθον δέ ἐ[σ]τιν ταῖς τῶν Σεβαστῶν v. | χάρισι καὶ τὸ τοὺς ἐνγενεῖς Ἀλεξανδρεῖς καὶ ἐν τῆι [χώ]ρ̣ᾳ̣ διὰ φιλεργίαν κ̣α̣το̣ ̣ιaκ̣ο̣ῦ̣ν̣τα ̣ ̣ς̣ ε̣ἰaς̣ µ̣η̣δε̣ ̣µί̣ aα̣[ν ἄγ]ε̣σ[̣ θαι χωρικὴν λ]ειτουρ[γίαν]. | πολλάκις µὲν ἐπεζητήσατε, καὐτὸς δὲ φυλάσσω{ι}, ὥστε µηδένα τῶν ἐνγενῶν Ἀλεξανδρέων εἰς λειτουργίας χωρικὰς ἄγεσθαι. v. [§ 10] µελήσει δέ (35) µοι καὶ τὰς στρατηγίας µετὰ διαλογισµὸν πρὸς τριετίαν ἐνχιρίζειν τοῖς κατασταθησοµένοις. v.

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(praefectus Aeg. 60–62 n. Chr.) diese Befreiung vorgenommen haben, bewahre ich die Entscheidungen beider Präfekten, da beide auch dem Gnadenerweis des Gottes Claudius gefolgt sind, so dass (von Steuern) befreit sein soll, was bisher noch nie von ihnen eingetrieben wurde, natürlich bleibt den Petenten in Zukunft ihre Steuerfreiheit und Steuererleichterung bewahrt. [§ 8] In Hinblick auf das, was in der Zwischenzeit aus dem kaiserlichen Besitz erworben wurde, für das Pachtzins verlangt wurde, setze auch ich selbst fest, so wie Vestinus angeordnet hat, dass nur die fälligen Abgaben zu entrichten sind, dass ich das, was noch nicht eingetrieben wurde, erlasse, und dass es auch in Zukunft bei den fälligen Abgaben bleibt. Es ist nämlich nicht rechtmäßig, dass von denjenigen, die Grundbesitz gekauft haben und den Preis dafür bezahlt haben, wie von Staatsbauern eine Pacht von ihrem eigenen Ackerland zu verlangen. [§ 9] Es entspricht den kaiserlichen Gnadenerweisen, dass auch die gebürtigen Alexandriner, selbst wenn sie aufgrund ihrer Tätigkeit in der Chora leben, zu keiner ländlichen Liturgie verpflichtet werden dürfen. Häufig habt ihr darum nachgesucht, und ich selbst bewahre es, damit niemand der gebürtigen Alexandriner zu einer ländlichen Liturgie herangezogen wird. [§ 10] Ich werde mich aber auch darum kümmern, nach einer Prüfung, die Strategenämter für eine dreijährige Dienstzeit für die festzusetzen, die darin eingesetzt werden.

292 [§ 11] καθόλου ὲ κελεύω{ι}, ὁσάκις ἔπαρχος ἐπ’ αὐτὸν ἀχθέντα ἔφθα|σεν κρείνας ἀπολῦσαι, µηκέτι εἰς διαλογισµὸν ἄγεσθαι. ἐὰν δὲ καὶ δύο ἔπαρχοι τὸ αὐτὸ πεφρονηκότες ὦσι, καὶ κολαστέος ἐστὶν ὁ ἐγλογιστὴς ὁ τὰ αὐτὰ εἰς διαλογισµὸν | ἄγων, κ̣[α]ὶ µηδὲν ἄλλο ποιῶν πλὴν ἀργυρισµοῦ πρόφασιν καταλείπων ἑαυτῶι καὶ τοῖς ἄλλοις πραγµατικοῖς.

πολλο[ὶ] οῦν ἠξίωσαν ἐκστῆναι µᾶλλον τῶν ἰδίων κτηµάτων ὡς v. | πλεῖον τῆς τιµῆς αὐτῶν ἀνηλωκότες διὰ τὸ καθ’ ἕκαστον διαλογισµὸν τὰ αὐτὰ πράγµατα εἰς κρίσιν ἄγεσθαι. τὸ δ’ αὐτὸ καὶ περὶ τῶν ἐν ἰδίωι λόωι πραγµάτων ἀγοµένων ἵστηµι, ὥσ|τε εἴ τι κριθὲν ἀπελύθηι ἢι ἀπολυθήσεται ὑπὸ τοῦ πρὸς τῶι ἰδίωι λόγωι τεταγµένου, µηκέτι ἐξεῖναι τούτωι εἰσαγγέλλειν κατηγόρωι µηὲ εἰς κρίσιν ἄγεσθαι, ἢι ὁ τοῦτο ποιήσας ἀπαραιτή(40)τως ζηµιωθήσεται. οὐδὲν γὰρ ἔσται πέρας τῶν συκοφαντηµάτων, ἐὰν τὰ ἀπολελυµένα ἄγηται ἕως τις αὐτὰ κατακρείνηι.

Texte [§ 11] Überhaupt verfüge ich aber, dass, sooft ein Präfekt in ihm zuvor zugekommenen Fällen darüber befunden hat, eine Befreiung vorzunehmen, sie niemals wieder beim Konvent vorzulegen ist. Wenn aber zwei Präfekten dasselbe entschieden haben, dann ist der Eklogist (der für den Gau zuständige Finanzbeamte der alexandrinischen Verwaltung) zu bestrafen, der dieselben Dinge nochmals beim Konvent vorlegt und (damit) nichts anderes tut, als einen Vorwand zur Bereicherung für sich selbst und für die anderen Finanzbeamten zu liefern. Viele haben nämlich darum gebeten, lieber ihren eigenen Grundbesitz abzutreten, weil sie mehr als deren Kaufpreis aufgewendet haben, weil zu jedem Konvent die gleichen Angelegenheiten zur Entscheidung vorgebracht werden. Dasselbe bestimme ich auch in Hinblick auf die Angelegenheiten, die dem (Zuständigen für die) Sonderkasse (idios logos) vorgelegt werden, so dass, wenn eine Sache entschieden und eine Befreiung ausgesprochen ist oder ausgesprochen werden wird vom Zuständigen für die kaiserliche Sonderkasse, es diesem (dem Eklogisten) weder möglich sein soll, eine Klage anzustrengen beim Kläger, noch es zur Entscheidung (beim Konvent) vorzulegen, oder derjenige, der dies tut, wird unerbittlich bestraft werden. Denn die falschen Anklagen werden nicht aufhören, wenn die Befreiungen solange vorgebracht werden, bis jemand eine Entscheidung über sie gefällt hat.

58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander [§ 12] ἤδη δὲ τῆς πόλεως σχεδὸν ἀοικήτου γενοµένης διὰ τὸ | πλῆθος τῶν συκοφαντῶν καὶ πάσης οἰκίας συνταρασσοµένης v., ἀνγκαίως κελεύωι, ἐὰν µέν τις τῶν ἐν ἰδίωι όγωι κατηγόρων ὡς ἑτέρωι συνηγορῶν εἰσάγηι ὑπόθεσιν, παρίστασθαι ὑπ’|αὐτοῦ τὸν προσαγγείαντα, ἵνα µηδὲ ἐκεῖνος ἀκίνδυνος ἦι. ἐὰν ὲ ἰίωι ὀνόµατι κατενεγκὼν τρεῖς ὑποθέσεις µὴι ἀποδείξηι, µηκέτι ἐξεῖναι αὐτῶι κατηγορεῖν, ἀλλὰ τὸ ἥµισυ αὐτοῦ | τῆς οὐσίας ἀναλαµβάνεσθαι.

ἀδικώτατον [γά]ρ ἐστιν πολλοῖς ἐπάγοντα κινδύνους ὑπὲρ οὐσιῶν καὶ τῆς ἐπ[ιτ]ιµίας αὐτὸν διὰ παντὸς ἀνεύθυνον εἶναι. v. καὶ καθόλου δὲ | [κ]ε̣λε̣ ̣ύ̣σο̣ µαι τὸν γνώµονα τοῦ̣ ἰa[δ]ίaου λόγου [κεῖσθ]αι, τὰ καινοποιηθέ̣ν̣τα παρὰ τὰς τῶν Σεβαστῶν χάριτας ἐ[πα]νο[ρθ]ω‚σάµεν̣ο̣ς.̣ προγράψω[ι δὲ φανερῶς ὅπως τοὺς ἤδηι ἐξ] (45) ελεχθέντα[ς] συκοφάντας ὡς ἔδει ἐτιµωρησάµην. [§ 13] οὐκ ἀγνοῶ δ’ ὅτι πολλὴν πρόνοιαν ποιεῖσθε καὶ τοῦ τὴν Αἴγυπτον ἐν εὐσταθείᾳ [δ]ιaα̣µ̣[ένειν], ἐξ ἧς̣ [... ca. 23 Buchst. ...] | χορηγίας ἔχετε, ὅσα οἷόν τε ἦν ἐπηνωρθωσάµην. ἐνέτυχον γάρ µοι πολλάκις οἱ καθ’ ὅλην τὴν χώραν εωργοῦντες καὶ

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[§ 12] Da die Stadt (i.e. Alexandria) schon nahezu unbewohnbar geworden ist aufgrund der Menge falscher Ankläger und jedes Haus beunruhigt ist, ordne ich notwendigerweise an, dass, wenn irgendeiner der Kläger (im Bereich der) kaiserlichen Sonderkasse eine Klage anstrengt, als ob er die Klage für einen anderen führt, von ihm der Mitkläger beizubringen ist, damit auch dieser nicht ohne Risiko bleibt. Wenn er aber im eigenen Namen drei Klageschriften vorgebracht und nicht erwiesen hat, soll es ihm nicht mehr möglich sein, Klage zu führen, stattdessen soll die Hälfte seines Besitzes konfisziert werden. Es ist nämlich äußerst ungerecht, dass jemand, der für viele (Untertanen) Gefahren für ihren Besitz auch mittels der (diesbezügliche) Strafe heraufbeschwört, selbst völlig frei von Verantwortung sein soll. Und überhaupt ordne ich an, dass das Handbuch für die kaiserliche Sonderkasse (gnomon des idios logos) gelten soll, nachdem ich, was an Neuem gegen die Gunsterweise der Kaiser eingeführt worden war, wieder in Ordnung gebracht habe. Ich werde öffentlich bekannt machen, wie ich die bereits überführten falschen Ankläger, wie es sich gehört, bestraft habe. [§ 13] Ich weiß sehr wohl, dass ihr jegliche Vorsorge dafür trefft, dass auch Ägypten in Wohlstand verbleibt, wodurch [...] ihr über Aufwendungen verfügt, die ich alle, soweit es möglich war, in Ordnung gebracht habe. Mir haben nämlich oft die Bauern aus dem ganzen Land Eingaben ge-

294 ἐδήωσαν ὅτι ποὰ καιν̣[ῶ]ς̣ κατεκρίθησα[ν, ca. 16 Buchst. ... | ca. 7 Buchst. ...] διaὰ τελέσµατα σιτικὰ καὶ ἀργυρικά, καὶ οὐκ ἐξὸν τοῖς βουλοµένοις εὐχερῶς καθολικόν τι καινίζειν. ταῦτα δὲ καὶ τὰ τοιαῦτα κατακρίµατ[α ο]ὐκ ἐπὶ τὴν Θηβαΐδα µόνη[ν ca. 16 Buchst. ... | οὐ]δὲ ἐπὶ τοὺς πόρρω{ι} νοµοὺς τῆς κάτωι χώρας, ἀλὰ καὶ τὰ προάστια τῆς πόεως ἔφθασεν τήν τε Ἀλεξανδρέων καλουµένην χ̣ώρ‚ αν καὶ τὸν Μαρεώτην [νοµόν. διὸ κελεύωι | το]ῖς κατὰ̣ νοµὸν στρατηγοῖς ἵνα εἴ τινα καινῶς τῆι ἔγγιστα πενταετίᾳ τὰ µὴι πρότερον τελούµενα καθολικῶς ἢι πληθικῶς νοµῶν ἢ{ι} τοπα[ρχιῶν γεωργοῖς (50) κατ]εκρίθη{ι}, ταῦτα εἰς τὴν προτέραν τάξιν ἀποκαταστήσωσιν, παρέντες αὐτῶν τὴν ἀπαίτησιν, ἃ καὶ ἐπὶ τὸν διαλογισµὸν ἀχθέντα ἐκ τῶν [δικαίων διακρί|νω]. [§ 14] ἐ̣κ̣ώλ‚ [̣ υ]σα δ̣’ ἔτι καὶ πρότερον καὶ τὴν ἄµετρον ἐξουσίαν τῶν ἐογιστῶν διὰ τὸ πάντας αὐτῶν καταβοᾶν ἐπὶ τῶι παραγράφειν αὐτοὺς πλεῖστα ἐκ τ[οῦ ὁ|µοιώµατος] ἐξ οὗ συνέβαινεν αὐτοὺς µὲν ἀργυρίζεσθαι, τὴν δὲ Αἴγυπτον ἀνάστατον γείνεσθαι. καὶ νῦν τοῖς αὐτοῖς παραγγέλλωι µηδὲν ἐξ ὁµοιώµα[τος | παρα]γράφειν ἀλλὰ [µ]ηι [δ’] ἄλλο τι τῶι καθόλου χωρὶς τοῦ κρεῖναι τὸν ἔπαρχον· v κελεύω{ι} δὲ καὶ τοῖς στρατηγοῖς µηδὲν παρὰ ἐγλογιστῶν µεταλαµβάνειν χωρὶς ὑ[πο|γραφ]ῆς ἐπάρχου. καὶ οἱ ἄλλοι δὲ πραγµατικοί, ἐάν τι εὑρεθῶσι ψευὲς ἢι παρὰ

Texte schickt und kundgetan, dass vieles neu veranlagt wurde, [...] aus Getreide- und Geldabgaben, und dabei ist es nicht jedem Beliebigen erlaubt, leichtsinnig etwas Allgemeingültiges neu einzuführen. Derartige und ähnliche Veranlagungen nicht nur in der Thebais [...] oder in den fernen Gauen Unterägyptens, sondern sie erreichten auch die Vororte der Stadt (Alexandria), das sogenannte „Land der Alexandriner“ und den mareotischen Gau. Deshalb befehle ich den Strategen: Falls in den letzten fünf Jahren den Bauern in den Gauen und Toparchien irgendetwas allgemein oder in den meisten Fällen verbindlich neu auferlegt wurde, das es vorher nicht gab, ist es in den vorherigen Zustand zurückzusetzen, indem sie deren Eintreibung sein lassen. Das, was auch vor den Konvent gebracht wurde, werde ich [rechtmäßig aburteilen]. [§ 14] Bereits in vorherigen Zeiten hatte ich auch die maßlose Handlungsvollmacht der Eklogisten eingeschränkt, weil alle über sie klagten, da sie die Listeneinträge meist anhand eines Vergleichs vornahmen, wodurch es eintritt, dass sie sich selbst bereichern, Ägypten aber aufständisch wird. Und auch jetzt ordne ich ihnen an, die Listeneinträge nicht auf der Basis eines Vergleiches vorzunehmen, aber auch ansonsten allgemein nichts ohne Entscheidung durch den Präfekten. Ich ordne auch den Strategen an, nichts von den Eklogisten zu übernehmen ohne Unterschrift des Präfekten. Und die übrigen Finanzbeamten, wenn sie dabei überführt werden,

58. Ein Edikt des Tiberius Iulius Alexander τ[ὸ] δέον παραγεγραφότες, καὶ τοῖς ἰδιώταις ἀποδώσουσιν ὅον ἀπῃτήθησαν καὶ τὸ σ[ον (55) ἀποτίσ]ο̣υσ ̣ ι̣ a [ε]ἰς τὸ δηµόσιον. v. [§ 15] τῆς δ’ αὐτῆς κακοτεχνίας ἐστὶν καὶ ἡι λεγοµένηι κατὰ σύνοψιν ἀπαίτησι[ς], ο̣ὐ πρὸς τὴν οὖσαν ἀνάβα[σι]ν̣ v | [Νίλου, ἀ]λ̣λ̣ὰ πρὸς σύνκρισιν ἀρχαιτέρων τινῶν ἀναβάσε[ων, καίτοι] τῆς ἀληθείας αὐτῆς οὐδὲν δοκεῖ δικαιότερον εἶναι· θαρ|[σεῖν δὲ βούλ]ο̣µα ̣ ̣ι καὶ προθύµως γεωργεῖν τοὺς ἀνθρώπου[ς, εἰδότα]ς ὅτι πρὸς τὸ ἀληθὲς τῆς οὔσης ἀναβάσεως καὶ τῆς βεβρ̣ε̣γaµ̣[έ|νης γῆς, κα]ὶa ο̣ὐ πρὸς σ[υ]κοφαντίαν τῶν κατὰ σύνοψιν παραγραφ[οµέ]νων ἡι ἀπαίτησις ἔσται. ἐὰν δέ τις ἐξελεγχθῆι ψευσάµ[ενος τοῦτο, εἰς | τὸ δηµ]όσιον τριπλάσιον ἀποδώσει. v [§ 16] ὅσοι µὲν γὰρ ἐφοβήθησαν ἀ[κ]ούσαντες περὶ ἀναµετρήσεως τῆς ἐν τῆι Ἀ[λε]ξανδρέω[ν χώρᾳ καὶ (60) ἐν τῶι] Μενελαΐτηι ἀρχαίας γῆς, [ε]ἰς ἣν οὐδέποτε σχοινίον κα[τ]ηνέχθη{ι}, µὴ{ι} µάτην εὐλ[αβ]είσθωσαν· οὔτε [γὰρ ἐ]τόλµησέ [ποτέ τις ποι|ήσασθα]ι τὴν ἀνα[µ]έτρησιν οὔτε [πο]ιήσεται. µένειν γὰρ ὀφεί[λ]ει τ[ὸ] ἐξ αἰῶνος αὐτῆς δίκ[αιον. τὸ] δ’ αὐτὸ ἵστηµι [καὶ π]ερὶ τῶν το[ύτοις προστε|θέντ]ων προσγενηµάτων, ὥστε [µη]δὲν ἐπ’ αὐτῶν καινίζεσθαι.

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dass sie falsche oder unpassende Listeneinträge vornehmen, werden auch den Privatleuten alles zurückgeben, was sie gefordert haben, und dieselbe Summe (zudem noch als Strafe) an die Staatskasse abführen. [§ 15] Zu der gleichen üblen Praxis gehört auch die sogenannte Veranlagung nach dem Schätzwert, nicht nach der tatsächlichen Nilschwelle, sondern im Vergleich zu einigen alten Nilschwellen, und das, obwohl es doch nichts Gerechteres zu geben scheint als die Wahrheit selbst. Ich will, dass die Menschen zuversichtlich sind und frohen Mutes Landwirtschaft betreiben, wissend, dass die Berechnung auf Grundlage der tatsächlichen Nilschwelle und des überschwemmten Landes und nicht auf falschen Angaben von Listeneinträgen gemäß dem Schätzwert beruht. Wenn aber jemand einer Falschaussage überführt wird, soll er das Dreifache vom Üblichen (als Strafe) in die Staatskasse zahlen. [§ 16] Denn alle, die sich fürchteten, als sie von der Vermessung des alten Landes (ge) im Land (chora) der Alexandriner und im Gau Menelaites hörten, in welches niemals ein Messstab gebracht wurde, sollen sich nicht unnötig sorgen: Denn weder hat es jemand bislang gewagt, eine solche Vermessung vorzunehmen noch wird er sie vornehmen. Denn sein seit Urzeiten bestehendes Recht muss bestehen bleiben. Das Gleiche ordne ich auch für das Neuland, das diesem hinzugefügt wurde, an, damit bei ihnen nichts erneuert wird.

296 [§ 17] περὶ δὲ τῶν ἀρχαιοτ[ρων] ἐκ[θ]έσεων, νκει[µένω]ν ὑµ[ῶ]ν, αἷς [τινες ὥστε | ἐκπράσ]σ̣ε̣ιaν ἢ ὁ̣ρί̣ aσαι πολλάκις ο[ὐδὲν] πλέ[ο]ν περιε[ποί]ησαν πλὴν ἀργυρισµοῦ τῶν πραγµ[ατικ]ῶν καὶ τῆς τῶ[ν ἀνθρώ]π̣ων‚ ἐπιτ̣[ρίψεως, Καί|σαρι Σ]ε̣[β̣α]στῶ‚[ι] Α—[ὐ]τοκράτορι γράψωι [µ̣]ετὰ τῶν ἄλλω[ν ὅ]σα αὐτῶι δήλω{ι} τῶι µόνωι δυναµ[ένω]ι τὰ τοιαῦτα ὁλ[οσχερ]ῶς [ἐ]κκόπ̣τ[ειν, οὗ εἰσι (65) αἴτι]α̣ι τῆς πάντων ἡ[µ]ῶν σωτηρίας ἡ{ι} διa[η]ν̣εκὴς [εὐ]εργεσία καὶ πρόνοια. vvv. ἔ̣[το]υ̣ς v. πρώτο[υ Λουκ]ίaο̣υ̣ Λειβίο[υ] vvv. | [Γάλ]βα Καί[σ]αρος Σεβαστοῦ Αὐτο̣κράτορος, Ἐ[π]εῖφ[ι] ι̅β̅.

Texte [§ 17] Bezüglich der älteren Steuerrückstände, auf denen ihr beharrt und die einige häufig einzutreiben oder zu begrenzen versuchten und die damit nicht mehr erreichten als eine Bereicherung der Finanzbeamten und Bedrückung der Menschen, werde ich dem Caesar Augustus Imperator, zusammen mit den anderen Fragen, die ich ihm mitteile, schreiben, ihm, der allein dazu in der Lage ist, derartige Dinge vollständig zu beseitigen, er, dessen unablässige Wohltätigkeit und Fürsorge der Grund für unser aller Heil sind. [Datierung:] Im ersten Jahr des Lucius Livius Galba Caesar Augustus Imperator, am 12. Epeiph (6.7.68 n. Chr.).

Kommentar: Tiberius Iulius Alexander (zu seiner Person Text 53) hatte bereits seit dem Beginn seiner Amtszeit als Präfekt zwei Jahre zuvor Eingaben von Untertanen erhalten, in denen sie sich über die verschiedensten Missstände und Benachteiligungen durch die kaiserliche Provinzialverwaltung beklagten. Das war jedoch unter der Herrschaft des inzwischen verfemten Nero gewesen. Nun, mit Herrschaftsantritt des neuen Kaisers Galba, entschloss sich Tiberius Iulius Alexander im Namen der neuen Zeit zum Handeln. In der Forschungsliteratur wird diskutiert, ob es sich bei dem Edikt um einen Beleg für eine reichsweit geltende Entscheidung handelt (Chalon; Seidl), denn hierauf deutet etwa die Wendung „gegen den allgemeinen Brauch in den Provinzen gezwungen werden“ (Z. 11) hin. Es könnte dort aber auch „gegen den allgemeinen Brauch der Präfekten (ἐπάρχων statt ἐπαρχειῶν nach der Lesung der Stelle in BGU VII 1563,30) gezwungen werden“ gemeint sein, womit Tiberius Iulius Alexander sich auf die Praxis seiner Vorgänger bezogen hätte. In dieser Lesart handelt es sich um eine Präfektenentscheidung, die allein die Provinz Aegyptus betrifft (Katzoff). Möglicherweise sind die erlassenen Gnadenerweise im Kontext einer neuen Politik gegenüber den Provinzialen und ihrer vom Kaiser aus vorgegebenen Umsetzung zu verstehen, denn das Edikt wurde vom Präfekten gut einen Monat nach der Anerkennung des Galba als Kaiser durch den Senat (8.(?)6.68) erlassen – freilich noch vor dem Einzug des neuen Prinzeps in Rom, der erst im September oder Oktober aus Spanien in die Stadt kam. Der Kaiser wollte also die

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Provinzialbevölkerung für seine Herrschaft gewinnen. Abgesehen davon war es genau aus diesem Grund natürlich üblich, mit einer Thronbesteigung auch Wohltaten für die Untertanen zu vollbringen. Es geht in diesem Edikt insbesondere um Probleme, die bei der Steuereintreibung auftraten (Zwang, Missbrauch, willkürliche Auslegung von Vorschriften), und damit letztlich um die Grundsätze der fiskalischen Verwaltung des Landes. Dem Erlass selbst ist ein ebenfalls zu Stein gebrachter Brief vorangestellt, in dem der Gauverwalter Iulius Demetrius den Mitgliedern seiner Verwaltungseinheit – der großen Oase – die Präfektenentscheidung zur Kenntnis brachte. Der Erlass untergliedert sich wiederum in eine Präambel, die auf die Thronbesteigung des Galba verweist, und die einschlägigen Verfügungen selbst. Er endet mit einer Datierung. Die statthalterliche Präambel beschreibt zunächst die Stimmung im Imperium, die den Herrschaftsantritt eines neuen Kaisers begleiten sollte: Galba ist der den Menschen gesandte Heiland und Wohltäter (Z. 8), der gerade eingetretene Misslagen beseitigt. Der Präfekt Tiberius Iulius Alexander war hier durchaus unter Zugzwang, denn er war zum Zeitpunkt seines Ediktes bereits seit zwei Jahren Statthalter des Landes, die im Edikt beschriebenen Missstände hatte er also schon längere Zeit zugelassen oder gar mit zu verantworten. Er verweist indirekt selbst darauf, wenn er schreibt, dass die Klagen der Ägypter ihm fast unmittelbar seit seinem Amtsantritt vorgetragen wurden. Mit dem Herrschaftsantritt des Galba, der unter der Devise des Heils für die Menschen firmierte, hat er, so impliziert es der Präfekt, nun endlich die Möglichkeit, sich um das, „was euer Heil anbetrifft“, zu kümmern, ebenso wie er nun Probleme, die nicht in seiner Entscheidungsgewalt lagen, dem Kaiser vortragen kann. Auf diese Weise schob Tiberius Iulius Alexander jegliche Schuld von sich auf seine Vorgänger im Amt und den unzugänglichen Kaiser Nero ab. Ob die Veröffentlichung auf Stein durch den Strategen oder den Präfekten oder sogar, aufgrund des Anbringungsortes, durch die lokale Priesterschaft veranlasst worden war, ist unklar. Die Vorplätze oder Dromoi der ägyptischen Tempel hatten in Ägypten die gleiche Funktion wie in Griechenland die Agora, sodass es den Personen, die die Anbringung veranlasst haben, um eine größtmögliche Publizität der Präfektenentscheidung ging, die durch die Verewigung auf Stein auch eine Bindung der Nachfolger an diese Entscheidung bewirken sollte. Da eine offizielle Veröffentlichung als Anweisung häufig in den Begleitschreiben ausdrücklich vorgegeben wird, was hier nicht geschah, besteht die Möglichkeit, dass die Initiative bei den lokalen Behörden oder Priestern lag. Diese publizierten auf jeden Fall den gesamten Text des Ediktes und damit auch die Teile, die die Landbevölkerung nicht betrafen, sondern allein die Bürger von Alexandria. Auf folgende Beschwerden der Untertanen ist der Präfekt eingegangen: 1. Bei der Steuerpacht und der Pacht von kaiserlichem Land war es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Da wäre zunächst der Zwang von Untertanen, die Steuereintreibung als Steuerpächter zu übernehmen (vgl. Text 62). Diese Auf-

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gabe war vor allem deshalb unbeliebt, weil man trotz der damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten das Risiko trug, etwaige Steuerausfälle aus dem eigenen Vermögen begleichen zu müssen. Schon des Öfteren war es deshalb bei Auktionen zu Problemen gekommen. Das Schreiben eines Strategen aus dem Oxyrhynchites an den königlichen Schreiber illustriert das um das Jahr 66 in einem ähnlich gelagerten Fall: „Bei der von mir und Dir durchgeführten Versteigerung der Steuerpacht in Gegenwart des üblichen Beamten lehnten es die Pächter der Verkaufssteuer und die Pächter des städtischen Urkundenbüros nicht nur ab, die Pacht weiter zu übernehmen, sondern schienen auch flüchten zu wollen. Deshalb schien es uns das Beste, dem ehrenwerten Präfekten über die Angelegenheiten Bericht zu erstatten. Er wies mich in seiner Antwort an, die früheren Pachtkontrakte durchzusehen und nach Möglichkeit die Pachtbedingungen abzusenken, damit die Abgabenpächter nicht – zur Pacht gezwungen – fliehen müssten.“ (vgl. P.Oxy. I 44,1–15 = Sel.Pap. II 420; nach Herrenbrück). Im vorliegenden Fall setzte der Präfekt auf solche Personen, die dieses Risiko als Chance sahen, denn nur bereitwillige Steuereintreiber nutzten dem Staat. Das gleiche Problem galt auch für Bauern, die zur Bearbeitung kaiserlichen Landes gezwungen wurden, was von einem namentlich nicht genannten Vorgänger des Präfekten, möglicherweise C. Caecina Tuscus (63/64 n. Chr.), eingeführt worden war. 2. Auch bei der Eintreibung von Steuerschulden war es zu Problemen gekommen, weil Schuldner in Zwangshaft genommen wurden. Es galt aber seit der Zeit des Augustus, so der Präfekt, die Praxis, dass Steuerschulden allein aus dem Vermögen, nicht aber der Person vollstreckt werden durften. 3. Ein weiterer Punkt betraf den Schutz von Privatgeschäften vor dem Zugriff durch Steuereintreiber. Diese hatten ein Vorpfandrecht, das aber an bestimmte Bedingungen geknüpft war. In dem Fall, in dem bereits eine Eigentumsübertragung stattgefunden hatte, konnten die Funktionsträger nicht auf die veräußerten Besitztümer zugreifen – dies sollte dafür sorgen, dass Rechtssicherheit für die Käufer bestand. 4. Einem ähnlichen Schutz unterstanden die Mitgiften, die Frauen in die Ehe einbrachten; auch auf diese durfte der Staat bzw. richtiger, ein Funktionsträger, der im Namen des Staates agierte und den Ehemann belangte, keinen Zugriff nehmen. 5. Die von der Administration des Kaisers Claudius eingerichteten Steuerbefreiungen oder Steuerdeckelungen auf vom Staat erworbenes Land sollten auch beim Weiterverkauf in Kraft bleiben. 6. Die Praxis, den Bauern, die eigenes Land aus kaiserlichem Grundbesitz erworben hatten, die daraus resultierende niedrigere Besteuerung zu nehmen und sie wie Bauern auf kaiserlichem Grundbesitz mit einer Zusatzabgabe, der Ekphoria, zu belegen, unterband der Präfekt.

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7. Alexandriner in Ägypten durften nicht zu Liturgien in der Chora herangezogen werden. 8. Die Amtszeit der Gauverwalter wurde auf drei Jahre begrenzt. 9. Einmal durch einen Präfekten oder hohe Funktionsträger getroffene Entscheidungen waren bindend, und Funktionsträgern war eine Wiedervorlage bei Androhung strenger Strafen untersagt, weil ein solches Verhalten nur der Bereicherung diente. 10. Einer ‚berufsmäßigen‘ Klageanstrengung sollte ein Riegel vorgeschoben werden, indem bei wiederholt grundlos vorgebrachten Klagen/falschen Klagen eine empfindliche Strafe festgesetzt wurde. 11. Die in den vorangegangenen fünf Jahren eingeführten Sondersteuern, also auch diejenigen aus seiner eigenen Amtszeit, hob der Präfekt wieder auf. 12. Die Praxis der Eklogisten, also der für die Gauverwaltung zuständigen Finanzbeamten in Alexandria, die Vermögensdaten nicht nach dem tatsächlichen Besitz, sondern auf Vergleichsbasis zu berechnen, untersagte der Präfekt. 13. Die Praxis der Ekologisten, den zu erwartenden Steuerertrag aus dem Ackerbau (wohl aus der durchschnittlich zu erwartenden Nilschwelle) zu schätzen, statt die aktuelle tatsächliche Nilschwelle zu berücksichtigen, untersagte der Präfekt ebenfalls. 14. Die bisher nicht mit für die Steuererhebung vermessenen Gegenden bei Alexandria sollten auch in Zukunft nicht vermessen werden. In der Einleitung hatte der Präfekt zudem auf Eingaben Bezug genommen, über die zu entscheiden er nicht die Kompetenz besäße. Hierauf geht er dann im letzten Paragraphen ein. Es handelte sich um Steuerrückstände – über diese kann selbstverständlich nur der Kaiser entscheiden, weil berechtigte Steuereinnahmen dem Staat gehören und allein Galba über einen möglichen Verzicht auf dieses Recht befinden kann. Betrachtet man die Ausführungen genauer, so sieht man zwar, dass die im Agrarbereich tätige Landbevölkerung mit ihren Problemen berücksichtigt wurde, dass aber gleichzeitig insbesondere die Privilegien der alexandrinischen Bürger in vielfältiger Hinsicht geschützt wurden. Selten ist die Unterscheidung zwischen der Stadt, also Alexandria, und Ägypten so deutlich zu fassen wie in diesem Edikt. Zu Beginn drückt das der Präfekt mit einem parallelismus membrorum aus (§ 2): Er möchte, dass Alexandria die von den Augusti erhaltenen Wohltaten genießen kann und dass Ägypten sich in dauerndem guten Zustand befindet. Es fällt zudem der stete Rückbezug des Statthalters auf die Entscheidungen der Augusti (mit Ausnahme des Nero) oder des Augustus auf. Er will zeigen, dass er selbst nichts Neues beschloss, sondern im Rahmen der Tradition handelte: Alexandria sollte die Wohltaten genießen (Z. 3), die die Stadt von den Augusti erhalten hatte, Tiberius Iulius Alexander befolgte lediglich „die Entscheidung des Augustus“ (Z. 16). Der Gott Claudius erscheint ebenfalls als Referenz (Z. 27). Der Missstand hingegen war aufgrund des individuellen Fehlverhaltens des

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vorhergehenden Präfekten entstanden – weder die guten Kaiser noch die guten Präfekten des Landes trugen also Schuld. Unverhohlen beschreibt Tiberius Iulius Alexander auch den Grund der römischen Wohltätigkeit gegenüber Ägypten: Ziel ist die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Landes für den römischen Staat – Ägypten sollte, wie es heißt, zum „größten Glück unserer Zeiten“ beitragen. Damit ist das Grundthema des Ediktes, die Steuereintreibung und die Getreidelieferungen nach Alexandria, aufgegriffen, die als dringend notwendig charakterisiert werden, wohingegen die Auswirkungen ungerechtfertigter Eintreibung zu bekämpfen waren, weil Ägypten sonst „aufständisch wird“. Der Präfekt wollte garantieren, „dass die Menschen zuversichtlich sind und frohen Mutes die Landwirtschaft betreiben.“ & F. F. ABBOTT/A. Ch. JOHNSON, Municipal Administration in the Roman Empire, Princeton 1926, Nr. 165; G. CHALON, L’édit de Tiberius Julius Alexander. Étude historique et exégétique, Lausanne 1964 (grundlegende Neuedition und Kommentar, Paragraphenzählung); D. BONNEAU, Le fisc et le Nil, Paris 1971, 165–171 (zur alexandrinischen Regelung und den Erhebungsmodalitäten); R. KATZOFF, Sources of Law in Roman Egypt: The Role of the Prefect, in: ANRW II 13, Berlin/New York 1980, 807– 844; D. BRAUND, Augustus to Nero. A Sourcebook on Roman History. 31 BC–AD 68, London 1985, Nr. 600; A. BARZANO, Tiberio Giulio Alessandro, Prefetto d’Egitto (66/70), in: ANRW II 10,1 (1988), 518–580 (ausführliche Behandlung des Iulius Alexander); F. HERRENBRÜCK, Jesus und die Zöllner: historische und neutestamentlichexegetische Untersuchungen, Tübingen 1990 (Text Nr. 5.6.2.4); N. LEWIS, Εὐσχήµονες in Roman Egypt, in: BASP 30, 1993, 105–113; J.-L. MOURGUES, Le préambule de l’édit de Tiberius Julius Alexander, témoin des étapes de son élaboration, in: BCH 119, 1995, 415–435; Th. KRUSE, Κατάκριµα – Strafzahlung oder Steuer? Überlegungen zur Steuererhebung im römischen Ägypten in iulisch-claudischer Zeit anhand von P. Oxy. XLI 2971, SB XIV 11381, SPP IV p. 70–71, BGU VII 1613 und OGIS II 669, in: ZPE 124, 1999, 157–190 (zu § 13); B. LEVICK, The Government of the Roman Empire. A Sourcebook, London/New York 22000, Nr. 172; A. JÖRDENS, Zum Regierungsstil des römischen Statthalters – das Beispiel des praefectus Aegypti, in: H.-U. Wiemer (Hg.), Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit, Berlin/New York 2006, 87–106; A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 136–138 (zu den Sondersteuern), 271– 280 (über die Kontrolle der Steuereintreiber); A. EICH, Diplomatische Genauigkeit oder inhaltliche Richtigkeit. Das Verhältnis von Original und Abschrift, in: R. Haensch (Hg.), Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt, München 2009, 267–299 (zu Eingriffen in die Originalurkunden bei der inschriftlichen Publikation); A. MONSON, From the Ptolemies to the Romans: Political and Economic Change in Egypt, Cambridge 2012, 184–191 (zu den durch das Edikt belegten Steuerreformen); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 50–54 (Dokumentation zum Präfekten).

59. Die Bauinschrift eines Kastells in der Ostwüste

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59. Die Bauinschrift eines Kastells in der Ostwüste (76/77 n. Chr.) AE 2001, 2051 = O.Berenike II 120 = TM 105712 59. Die Bauins chrift eines Kas tells in der Os twüs te

Die Hafenstadt Berenike an der Küste des Roten Meeres war ein wichtiger Anlaufpunkt der Ptolemäer und Römer für den Handel mit Indien. Von hier aus wurden die Waren über eine Wüstenroute ins Niltal nach Koptos transportiert. Um Berenike herum hatten die Römer mehrere Forts angelegt, von denen bisher zehn identifiziert werden konnten. Mindestens vier dieser Forts (Siket, Aphrodito, Didymoi und Phoenicon) wurden in der Zeit Vespasians errichtet. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine vor Ort gefundene Stiftungsinschrift einer Anlage in Siket/Sikayt, die etwa 7 km von Berenike entfernt war, aber nicht an der Verbindungsroute zum Niltal lag. Die Inschrift ist auf einem großen dreieckigen Giebel griechisch-römischer Bauform angebracht, der das Tor des Kastells markierte. Text und Übersetzung Anno  VIIII  Imp(eratoris) | Caesar(is) Aug(usti) Vespasiani | L(ucius) Iulius Ursus pr(aefectus) Aegy(ti) vac. rediens a | Bern(icide) hoc vac. loco vac. (y)dreuma queri praecepit (5) hoc cum esset vac. inventum vac. praesidium et | lacus aedificari iussit cura(m) agente | M(arco) Trebonio Valente vac. pr(aefecto) monts | Berenicidis.

„Im Jahr 9 des Imperator Caesar Augustus Vespasianus. Lucius Iulius Ursus, praefectus Aegypti, gab, zurückkehrend von Berenike, den Befehl, an diesem Ort ein Hydreuma zu suchen. Als es gefunden worden war, ordnete er an, hier ein Militärlager und eine Zisterne anzulegen unter der Leitung des Marcus Trebonius Valens, praefectus der Wüstenregion von Berenike.“

Kommentar: Noch zwei weitere Forts, eins in Didymoi und eins in Aphrodito, mit ähnlichen Stiftungsinschriften befanden sich in der Nähe, so dass davon auszugehen ist, dass sie auf einen Musterbrief des Präfekten an die Vorsteher der Lager zurückgehen (Bagnall/Bülow-Jacobsen/Cuvigny). Siket wiederum lag nicht an der Straße nach Koptos (hierzu Cuvigny u.a.), konnte also nicht der Wegesicherung dienen, sondern hat eine Bedeutung für den Schutz und die Wasserversorgung der Stadt Berenike am Roten Meer gehabt. Das war vor allem deshalb nötig, weil das Grundwasser bei Berenike ungenießbar und salzig war (Sidebotham). Zwar tritt der Präfekt als Auftraggeber der Arbeiten in Erscheinung, doch gibt es die Vermutung, dass er letztlich auf kaiserliche Direktive hin handelte (Jördens); man fragt sich freilich, weshalb das dann nicht auch angeführt wurde, wie es etwa bei der Bauinschrift der via Hadriana nova geschehen ist (vgl. Text 67). Ein eigenständiges Handeln des Präfekten innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches sollte wohl nicht ausgeschlossen werden.

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Der Text hilft beim Verständnis von lateinischen Fachbegriffen für Anlagen in der Wüste (Bagnall/Bülow-Jacobsen/Cuvigny), denn die Termini (y)dreuma, praesidium und lacus lassen sich nun genauer bestimmen, weil der Inhalt zum archäologischen Befund in Beziehung gesetzt werden kann. Das erste Wort bezeichnet die Quelle, das zweite ein kleines Militärlager und das dritte meint die Zisterne. Mit dem Begriff praesidium greifen wir wiederum einen Wandel in der Architektur der Wüstenstationen – es ist der erste Beleg für deren Fortifizierung (Bagnall u.a.). So lässt sich insgesamt in flavischer Zeit eine Reorganisation der Versorgungsstationen an der Wüstenstraße zwischen Koptos und Berenike feststellen (Sidebotham). Möglicherweise ist dies auf eine angespannte Sicherheitssituation wegen unruhiger Nomadenstämme zurückzuführen (Brun). Andererseits gibt es nur selten Hinweise auf tatsächliche Auseinandersetzungen (etwa O.Krok. 87, 31 und 45, aus der Zeit nach 118 n. Chr.) – die Befestigungen dienten deshalb sicherlich vor allem als offene Machtdemonstration an die Beduinen. Die Überfälle sollten schon von vornherein nutzlos erscheinen. Die erwähnte Zisterne befand sich in einem nahezu rechteckigen Kastell und war in durch Röhren verbundene Kammern unterteilt. Sie zeigt, dass die römische Armee dauerhaft auch in der Wüste stationiert war. In der Tat unterstand der Schutz der Wüstenrouten und Hydreumata der Zentralverwaltung und bildete neben der Präsenz bei Alexandria und Syene eine der Hauptaufgaben des römischen Militärs in Ägypten. & R. S. BAGNALL u.a., Security and Water on the Eastern Desert Roads, in: JRA 14, 2001, 325–333 (ed. pr.); H. CUVIGNY u.a., La route de Myos Hormos, Kairo 2003, 187– 198 (zur Entwicklung der Wüstenstraße); R. S. BAGNALL u.a., Documents from Berenike. Volume II. Texts from the 1999–2001 Seasons, Brüssel 2005, Nr. 120; L. A. PINTOZZI, Excavations at the Praesidium et Hydreuma at Siket, in: St. E. Sidebotham/W. Z. Wendrich (Hg.), Berenike 1999/2000. Report on the Excavations at Berenike. Including Excavations in Wadi Kalalat and Siket, and the Survey of the Mons Smaragdus Region, Los Angeles 2007, 358–367; A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 424–429 (zur kaiserlichen Initiative); M. SZÉKELY, Tra Coptos e Berenice (Plin. Nat. Hist. 6. 26. 100–106), in: Acta antiqua 2010, 63–69 (zur Wortbedeutung von praesidium); St. E. SIDEBOTHAM, Berenike and the Ancient Maritime Spice Route, Berkely u.a. 2011, 103– 108 (zu den Wasserspeichern in der Wüste); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 59–61 (Dokumentation zum Präfekten); J.-P. BRUN u.a. (Hg.), Le désert oriental d’Égypte durant la période gréco-romaine: bilans archéologique, Paris 2018 (http://books.openedition.org/cdf/5154).

60. Die Renovierung eines Nilkanals nach Alexandria

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60. Die Renovierung eines Nilkanals nach Alexandria (zwischen 28. August 80 und 27. August 81 n. Chr.) OGIS II 672 = IGRR I 1098 = SB V 8902 = I.Delta 332, Nr. 3 = TM 103025 Standort: Tübingen, Museum der Universität 60. Die Renovierung eines Nilkanals nach Alexandria

Alexandria lag nicht an einem der Nilarme, sondern musste mit dem westlichsten, dem kanopischen Arm durch einen als „Agathos Daimon“ bezeichneten Kanal verbunden werden, um die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser ebenso wie den Handel und die Verbindung zum Niltal zu gewährleisten (vgl. Text 2, vgl. Alexanderroman I 31,7). Dieser wohl bereits unter dem ersten Ptolemäer fertiggestellte Kanal bedurfte regelmäßig der Wartung und Ausbesserung, wovon auch die vorliegende Inschrift aus der Zeit des Kaisers Titus zeugt. Sie ist auf einer ansonsten undekorierten Stele mit Dreiecksgiebel angebracht (Abb. 31). In der Mitte des Giebels findet sich eine runde „Bosse“, wie sie sonst aus kleinasiatischen Stelen bekannt ist. Das Objekt dürfte aus Schedia stammen und wird heute in Tübingen aufbewahrt. Text und Übersetzung vac. ἔτους τρίτου vac. | Αὐτοκράτορος Τίτου | Καίσαρος Οὐεσπασιανοῦ | Σεβαστοῦ ἐπὶ Γαΐου (5) Τεττίου Ἀφρικανοῦ | Κασσιανοῦ Πρίσκου ἡγεµόνος | ὠρύγη Ἀγαθὸς Δαίµων | ποταµὸς ἐπὶ τὰ τρία στερεὰ | καὶ ἐπὶ τὸ ἀρχαῖον ἀπεκατε(10)στάθη ἕως τῆς πέτρας καὶ | ἐτέθησαν παρ’ ἑκάτερα τῶν το[ί]|χων πλάκες ἐπιγεγραµµέ|ναι δεκατέσσαρες.

„Im dritten Jahr des Imperator Titus Caesar Vespasianus Augustus, unter dem Statthalter Gaius Tettius Africanus Cassianus Priscus, wurde der Wasserweg Agathos Daimon in die drei Richtungen ausgehoben und in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt bis zum Felsgrund, und auf beiden Seiten des Uferwalls wurden vierzehn beschriftete Stelen aufgestellt.“

Kommentar: Bereits in pharaonischer Zeit priesen sich Herrscher, Kanäle in Stand gesetzt zu haben. Auf Sehel ließ etwa Thutmosis III. in seinem 50. Regierungsjahr einen Kanal erneuern: „Seine Majestät befahl, diesen Kanal zu graben, nachdem er ihn angefüllt mit Steinen vorfand, so dass kein Schiff mehr hinunterfahren konnte.“ (SEH 242; Übersetzung nach Gallert). Ähnliche Wiederherstellungsinschriften sind auch aus der gesamten römischen Welt bekannt. Auf vorliegender Stele ist die Instandsetzung des „Flusses“ (potamos) Agathos Daimon vermerkt. Hiermit dürfte der Kanal zwischen Alexandria und dem kanopischen Nilarm gemeint sein, der nun wieder bis zum Felsgrund ‚ausgebaggert‘ worden war (Scheuble). Diese Instandsetzung scheint dem Bauherren, der nicht explizit genannt ist, so wichtig gewesen zu sein, dass er gleich 14 Stelen identischen Inhalts hierzu aufstellte. Für eine griechische Inschrift verfügt der Text über einige sehr ungewöhnliche bzw. ansonsten unbekannte Wendungen

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und Begriffe, die auf eine Übersetzung aus dem Lateinischen hindeuten könnten; so etwa das epi to archaion apekatestathe (ἐπὶ τὸ ἀρχαῖον ἀπεκατεστάθη), das für in integrum restituere stehen könnte (Scheuble). Seltsam ist auch die Nutzung des Wortes plax (πλάξ), wo eigentlich das übliche stele (στήλη) zu erwarten wäre (Scheuble).

Abb. 31: Stele über die Renovierung eines Nilkanals, Tübingen, Museum der Universität.

Schedia, der Ort, an dem der Kanal vom Nil abzweigte, war von zentraler Bedeutung für die Administration des Landes, so dass der Kanal stets für den Schiffsverkehr offen gehalten werden musste. Strabon (XVII 1,6) schreibt: Die Stadt „besitzt eine Station der Flussbarken, mit denen die Praefekten nach Ägypten fahren. In Schedia gibt es auch eine Zollstation für alle Waren, die nilabwärts oder -aufwärts transportiert werden.“ (Übersetzung: Radt). Es ist deshalb schwer vorstellbar, dass der Kanal in der Zeit vor Titus wirklich unbrauchbar war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass lediglich eine Grundreinigung und Instandsetzung durchgeführt worden war. Wer für die Instandsetzung

61. Die Stiftung der Hathorkapelle von Kom Ombo

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verantwortlich war, ist dem Text nicht zu entnehmen. Es dürfte sich, wegen des wichtigen Verkehrsweges, des sicher erheblichen Aufwands und der Memorierung durch 14 Stelen, nicht um eine Gemeinschaft von Anliegern gehandelt haben, sondern um eine römische Stelle. Man möchte deshalb vermuten, dass der Präfekt Ägyptens Gaius Tettius sich persönlich um den für die Hauptstadt sicherlich wichtigsten Verbindungsweg nach Ägypten gekümmert hatte (Scheuble). Nur so ist zudem zu erklären, weshalb er eine Infrastrukturmaßnahme, die es im römischen Ägypten allenthalben gegeben haben dürfte, derart nachdrücklich vermerken ließ. Möglicherweise hängt die Instandsetzung mit dem Namen des Kanals zusammen, denn der „Agathos Daimon“ war nicht nur der Schutzgott Alexandriens, sondern auch der Kaiser selbst konnte in Ägypten mit ihm gleichgesetzt werden (Zimmermann; vgl. Text 56), der Auftraggeber wollte dem Kaiser also seine Ehre erweisen. Es sind aber noch weitere Namen für Nilkanäle, die nach Alexandria führten, belegt (Sebastos-Kanal, Neapolis-Kanal), so dass umstritten ist, ob es sich um zeitlich variierende verschiedene Benennungen ein und desselben Kanals handelt oder ob mehrere Kanäle zur Stadt führten (vgl. Jördens). Möglich wäre schließlich auch noch, dass unterschiedliche Abschnitte ein- und desselben Kanals verschiedene Namen trugen (Zimmermann). & S. GALLERT, Bauen – Stiften – Weihen. Ägyptische Bau- und Restaurierungsinschriften von den Anfängen bis zur 30. Dynastie, Berlin 2001, 180f. (zum Sehelkanal); M. ZIMMERMANN, Der Kaiser als Nil. Zur Kontinuität und Diskontinuität von Repräsentation im frühen Prinzipat, in: G. Weber/M. Zimmermann (Hg.), Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jhs. n. Chr., Stuttgart 2003, 317–348 (ausführliche Besprechung und Interpretation); M. BERGMANN/M. HEINZELMANN, Schedia, Alexandrias Hafen am Kanopischen Nil. Zwischenbericht zu den Arbeiten 2003–2007, in: Hefte des Archäologischen Seminars der Universität Bern 20, 2007, 65–77 (zu den aktuellen Ausgrabungen); A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 414–417 (zur Problematik der Benennung des Kanals); S. SCHEUBLE, Inschriften aus Schedia, in: Chiron 39, 2009, 478–483, Nr. 6 (neueste Edition mit Übersetzung und Kommentar); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 62f. (Dokumentation zum Präfekten).

61. Die Stiftung einer Hathorkapelle im heiligen Bezirk von Kom Ombo durch die Römerin Petronia (26. Februar 88 n. Chr.) I.Thèbes 193 = OGIS II 675 = SB V 8905 = IGRR I 1287 = McCrum/Woodhead, Nr. 178 = TM 47451 Rowlandson, Nr. 43 61. Die Stift ung der Hatho rkapelle von Kom O mbo

In römischer Zeit war es durchaus möglich, dass auch reiche Frauen Bauteile von Tempeln finanzierten, also wirtschaftlich eigenständig agierten und als Stifterinnen auftraten (vgl. Text 63). Die vorliegende Weihinschrift einer römi-

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schen Bürgerin befindet sich an einer Kapelle (Abb. 32), die zum Kultkomplex des Sobek- und Haroeris-Tempels von Kom Ombo gehört und sich östlich des Hofes des Tempels befindet. Der Text ist direkt über der Eingangstür auf dem Rand einer vorspringenden Hohlkehle angebracht. Interessant sind die Punkte als Worttrenner, die eigentlich nur in lateinischen Inschriften üblich sind, aber auch in einigen wenigen griechischen Papyri erscheinen (SB VI 9017, Nr. 44 = O.Fawakhir 44; P.Oxy. LVIII 3917; P.Ross.Georg. V 4). Text und Übersetzung ὑπὲρ Αὐτοκράτορος • Καίσαρος ⟦Δοµιτιανοῦ⟧ [Σ]ε̣βαστοῦ • ⟦Γερµανικοῦ⟧ • καὶ τοῦ • παντὸς • α̣[ὐτοῦ οἴκου] • Ἀφρο̣δείτηι • θεᾶι • µεγίστηι Πετρωνία Μάγνα • καὶ • τὰ ταύτης | τέκνα τὸ ἱερὸν • οἰκοδόµησαν • ἐπὶ Γαίου Σεπτιµίο̣[υ Οὐ]εγέτου ἡγεµόνος, στρατηγοῦντος • Ἀρ[τε]µ̣ιaδώρου· • ἔτους ἑβδόµου • Αὐτοκράτορος • Καίσαρος • ⟦Δοµιτιανοῦ⟧ | Σεβαστ⟦οῦ Γερµανικοῦ⟧ • µηνὶ • Φαµενὼθ νουµ[ηνίαι].

„Zum Heil des Imperator Caesar ⟦Domitianus⟧ Augustus ⟦Germanicus⟧ und seiner gesamten Familie haben Petronia Magna und ihre Kinder das Heiligtum für Aphrodite, die größte Göttin, errichtet; unter dem Statthalter Gaius Septimius Vegetus, als Artemidor Stratege war. Im siebten Jahr des Imperator Caesar ⟦Domitianus⟧ Augustus ⟦Germanicus⟧, am ersten Tag des Monats Phamenoth.“

Kommentar: Petronia war allem Anschein nach eine Geschiedene, denn sonst hätte sie sicherlich ihren Mann erwähnt, mit dem sie auch Kinder hatte. Eine Witwe hätte wohl ihren Mann aus Pietät mit angeführt. Aufgrund ihres römischen Namens könnte man annehmen, dass sie vormals die Gattin eines römischen Veteranen war. Die Römerin weihte das Tempelchen der ägyptischen Göttin Hathor, die sie in ihrer interpretatio Graeca als Aphrodite ansprach. Obwohl die Kapelle bis auf einige wenige Opferszenen aus der Zeit des Marc Aurel rechts und links des Eingangs nahezu undekoriert und schriftlos ist, wird der Bau deshalb heute als Hathorkapelle bezeichnet. Tatsächlich erscheint in den wenigen Szenen neben Hathor aber auch Tasenetneferet als Opferempfängerin. Hathor und Tasenetneferet sind die Gemahlinnen von Sobek und Haroeris, den Hauptgöttern des Tempels von Kom Ombo, weshalb vielleicht davon auszugehen ist, dass die Kapelle nicht allein der Hathor, sondern auch der Tasenetneferet geweiht war. Der Name des Domitian (reg. 81–96 n. Chr.) wurde nachträglich ausgemeißelt, weil der Senat die damnatio memoriae über ihn verhängt hatte, sein Name folglich aus allen Dokumenten zu tilgen war (vgl. Text 52). Man beschränkte sich aber allein auf den Eigennamen des Kaisers und seinen Siegertitel Germanicus. So war nur noch Imperator Caesar Augustus, also der Name des ersten Kaisers Augustus, zu lesen.

61. Die Stiftung der Hathorkapelle von Kom Ombo

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Abb. 32: Sogenannte Hathorkapelle im Tempelbezirk von Kom Ombo. Photo: Stefan Pfeiffer 2012.

Ob es sich bei dem Tag der Stiftung, also dem Neumond des Phamenoth, um einen besonderen Tag im Festkalender des Tempels handelte, muss offen bleiben. Bei Plutarch (De Iside et Osiride 43) ist zumindest zu lesen: „Endlich feiern sie den Frühlingsanfang beim Neumonde des Monats Phamenoth durch ein Fest, das sie ‚Das Einsteigen des Osiris in den Mond‘ nennen. Indem sie also in dieser Weise die Kraft des Osiris in den Mond hineinsetzen, sagen sie, dass Isis, die das Prinzip des Gebärens ist, ihm beiwohne.“ (Übersetzung: Parthey). In Kom Ombo selbst fand zu diesem Zeitpunkt nach Auskunft eines Tempeltextes ebenfalls ein Fest statt. Es wurde für Panebtaui ausgerichtet, den Sohn der Tasenetneferet und des Haroeris, und hieß das „Öffnen des Gesichtes im Goldhaus“ (Kom Ombo 597, Grimm D 14). Zwar ist nichts über das Fest bekannt, doch hatte sich Petronia zumindest einen kalendarisch wichtigen Termin als Zeitpunkt der Weihung ausgesucht, an dem der Tag eines im nebenstehenden Tempel mitverehrten Gottes gefeiert wurde. & J. de MORGAN u.a., Kom Ombos. Deuxième partie – fascicule premier, Wien 1902, 316–327 (Reliefs der Kapelle); A. GRIMM, Die altägyptischen Festkalender in den Tempeln der griechisch-römischen Epoche, Wiesbaden 1994 (zum Festwesen); G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel I. Römische Politik und altägyptische Ideologie von Augustus bis Diocletian, Tempelbau in Oberägypten, Mainz 2000, 98–100 (zur Hathorkapelle); H. I. FLOWER, Damnatio Memoriae and Epigraphy, in: E. R. Varner (Hg.), From Caligula to Constantine: Tyranny and Transformation in Roman Portraiture, Atlanta 2001, 58–69 (zur damnatio memoriae); H. KOCKELMANN/St. PFEIFFER, Betrachtungen zur Dedikation von Tempeln

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und Tempelteilen, in: R. Eberhard u.a. (Hg.), „... vor dem Papyrus sind alle gleich!“ Papyrologische Beiträge zu Ehren von Bärbel Kramer, Berlin/New York 2009, 93–104 (zur Stiftertätigkeit von Privatleuten in ägyptischen Tempeln); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 65f. (Dokumentation zum Präfekten).

62. Der sogenannte Tarif von Koptos (10. Mai 90 n. Chr.) I.Portes 67 = I.Prose 59 = SB V 8904 = OGIS II 674 = IGRR I 1183 = McCrum/Woodhead, Nr. 459 = TM 88375 Freis, Nr. 63 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 157 62. Der s ogenannte Tari f von Koptos

Koptos war der Hauptumschlagplatz für Waren aus Indien, die vom Roten Meer über die Ostwüste ins Niltal transportiert, dort auf Nilschiffe umgeschlagen und dann weiter nach Alexandria gebracht wurden. Da von Koptos aus ein direkter Weg durch die Wüste nach Berenike (vgl. Text 59) ans Rote Meer führte, lag der römischen Verwaltung an einer Kontrolle der Waren- und Menschenströme, die im Begriff waren, Ägypten zu verlassen. Die vorliegende Inschrift aus Koptos enthält eine Auflistung der Abgaben, die bestimmte Personengruppen an den Staat zu entrichten hatten, wenn sie die Wüstenroute nutzen wollten. Den Weg durch die Wüste selbst beschreibt Plinius (naturalis historia VI 102) recht eindrücklich wie folgt: „Von Koptos geht man auf Kamelen, wobei die Rastplätze im Hinblick auf die Wassernahme verteilt sind: Der erste heißt Hydreuma, 32 , der zweite an einem Berg eine Tagesreise , ... (Nennung mehrerer Rastplätze) ..., nun nach NeuHydreuma, von Koptos 236 . Es gibt auch ein anderes, nämlich AltHydreuma – es wird das Troglodytische genannt –, wo eine Besatzung liegt in einer Herberge für 2000 ... Von da zur Stadt Berenike, wo ein Hafen im Roten Meer , 257 Meilen von Koptos. Weil aber der größere Teil des Weges wegen der Hitze nachts durchgeführt wird und weil die Tage an den Standplätzen zugebracht werden, schließt man die Reise von Koptos nach Berenike erst am zwölften Tage ab.“ (Übersetzung: König). Text und Übersetzung ἐξ ἐπιταγῆς ⟦ΜÆ[ετ]τίου [Ῥού]φ[ου, ἐπάρ|χου Αἰγύπτου]⟧, ὅσα δεῖ τοὺς µισθω|τὰς τοῦ ἐν Κόπτωι ὑποπείπτον|τος τῆι ἀραβαρχίᾳ ἀποστολίου πράσ(5)σειν κατὰ τὸν γνώµονα̣ τῇδε τῇ | στήληι ἐνκεχάρακται διὰ Λουκίου | Ἀντιστίου Ἀσιατικοῦ, ἐπάρχου | ὄρους Βερενείκης· |

„Auf Anordnung des ⟦Mettius Rufus, [praefectus Aegypti]⟧: Wie viel die Steuerpächter des der Arabarchie in Koptos zufallenden apostolion eintreiben dürfen gemäß dem gnomon, wurde auf diese Stele eingemeißelt durch Lucius Antistius Asiaticus, den praefectus der Wüste von Berenike:

62. Der sogenannte Tarif von Koptos κυβερνήτου Ἐρυθραικοῦ δρα(10)χµὰς ὀκτώι, | πρωρέως δραχµὰς δέκα, | [φυλ]άκου δραχµὰς δέκα, | [να]ύτου δραχµὰς πέντε, | [θερα]π̣εύτου ναυπηγοῦ δραχµὰς (15) [πέ]ντε, χειροτέχνου δραχµὰς | ὀκτώι, γυναικῶν πρὸς ἑταιρισ|µὸν δραχµὰς ἑκατὸν ὀκτώ, | {τ}υναικῶν εἰσπλεουσῶν δρα|χµὰς εἴκοσι, γυναικῶν στρατι(20)ωτῶν δραχµὰς εἴκοσι, | πιττακίου καµήλων ὀβολὸν ἕνα, | σφραγισµοῦ πιττακίου ὀβολοὺς δύο, | πορείας ἐξερχοµένης ἑκάστου | πιττακίου τοῦ ἀνδρὸς ἀναβαίνον(25)τος δραχµὴν µίαν, γυναικῶν | πασῶν ἀνὰ δραχµὰς τέσσαρας, | ὄνου ὀβολοὺς δύο, ἁµάξης ἐχού|σης τετράγωνον δραχµὰς τέσσαρες, | ἰστοῦ δραχµὰς εἴκοσι, κέρατος δρα(30)χµὰς τέσσαρες, ταφῆς ἀναφεροµέ|νης καὶ καταφερ̣οµένης δραχµὴν µίa|αν τετρώβολον· (ἔτους) θ Αὐτοκράτορος | Καί[σαρ]ος ⟦Δοµιτιανοῦ⟧ Σεβαστοῦ ⟦Γερµαν(ικοῦ)⟧, Παχὼν ι̅ε̅.

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Für einen Steuermann auf dem Roten Meer: acht Drachmen, für einen Untersteuermann: zehn Drachmen, für einen Wächter: zehn Drachmen, für einen Seemann: fünf Drachmen, für einen Hilfsarbeiter beim Schiffsbau: fünf Drachmen, für einen Handwerker: acht Drachmen, für Prostituierte: hundertacht Drachmen, für Frauen, die auf den Schiffen einreisen: zwanzig Drachmen, für Frauen von Soldaten: zwanzig Drachmen, für Passierscheine für Kamele: eine Obole, für die Siegelung der Passierscheine: zwei Obolen, wenn die Reisen losgehen, für jeden Passierschein pro Mann, der in die Wüste zieht: eine Drachme, für alle Frauen: je vier Drachmen, für einen Esel: zwei Obolen, für einen Wagen, der ein viereckiges Verdeck hat: vier Drachmen, für einen Mastbaum: zwanzig Drachmen, für eine Segelstange: vier Drachmen, für das Hinauf- und Hinabbringen einer Mumie: eine Drachme, vier Obolen. 9. Regierungsjahr des Imperator Caesar ⟦Domitianus⟧ Augustus ⟦Germanicus⟧, am 15. Pachon.

Kommentar: Es handelt sich um einen Präfektenerlass (Burkhalter), der auf einen gnomon Bezug nimmt, also im vorliegenden Fall einen Tarif. Der Name des Präfekten Mettius Rufus wurde nachträglich möglicherweise deshalb eradiert, weil er zu den familiares des Domitian gehörte, die nach dessen Tilgung

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aus der öffentlichen Erinnerung das gleiche Schicksal erlitten (Dittenberger; vgl. Text 61). Der Präfekt legte Gebühren für Personen, Tiere und Güter fest, die die Route zur Küste des Roten Meeres nutzten. Für die Eintreibung der Gebühren waren Steuerpächter zuständig, die die Abgaben dann an die Arabarchie überwiesen, der der Arabarch als „Chef der arabischen Zollbeamten“ (Kramer) vorstand. Wofür die Gebühr, das apostolion, genau zu entrichten war, ist umstritten. Entweder handelte es sich um eine Art Wegegeld, das dazu dienen sollte, die Straße instand zu halten und den Schutz der Reisenden zu gewährleisten (Adams), um eine Passgebühr (Herz), um eine Gebühr, die sowohl bei der Einreise als auch der Ausreise zu zahlen war (Lewis) oder aber um eine Gebühr für aus Ägypten Ausreisende, wie sie auch in Alexandria zu entrichten war (Burkhalter, Cuvigny). Wenn Letzteres stimmt, müsste allerdings in Z. 19 das „für Frauen, die auf den Schiffen einreisen“ in „für Frauen, die auf den Schiffen ausreisen (ἐκπλεουσῶν)“ emendiert werden, was ein erheblicher Eingriff in den Text wäre. Vom apostolion ist der in der Inschrift ebenfalls erwähnte Passierschein zu unterscheiden, das pittakion. Er wurde denjenigen ausgestellt, die auf der Straße selbst beruflich tätig waren. Solche Passierscheine sind auch auf Ostraka überliefert (vgl. I.Did. 47–51). So lautet ein Schein aus der Zeit zwischen 88 und 96 n. Chr.: „Cassius, decurio, lasst zwei Männer passieren. Ich habe es geschrieben am 3. Tag vor den Nonen des August“ (I.Did. 47: Cassius • dec(urio) • transmittite • homines duos • scripsi • III non(as) Augustas •). Die Zusammenstellung der verschiedensten Posten, von Seeleuten über Prostituierte, von Transporttieren bis zu Gegenständen des Schiffsbaus führt zu der Vermutung, dass es sich nur um die Auswahl einer längeren Zusammenstellung handelt, doch ist die Inschrift vollständig erhalten (Burkhalter). Nicht genannt sind Militärangehörige, Händler, die Berufstätigen in Koptos und Berenike, Eselstreiber und Fuhrleute (Cuvigny). Nicht nur die Tatsache, dass Frauen insgesamt mehr zu zahlen hatten, sondern gerade die exzeptionell hohe Gebühr von 108 Drachmen für Prostituierte verwundert. Handelt es sich um eine Pauschale (Montserrat) oder um einen Betrag je käuflicher Dame (Wallace)? Da eine Prostituierte in den Wüstengegenden gute Gewinne erzielen konnte, dürfte sich die Investition schnell amortisiert haben, ebenso wie nicht auszuschließen ist, dass einige Damen als Unfreie für den Export bestimmt waren (Cuvigny), so dass in der Tat von einem Betrag je Prostituierter auszugehen ist. Natürlich fragt man sich auch, wie denn diese zu erkennen gewesen sein können, denn bei derart hohen Gebühren könnten sie über ihr geschäftliches Ansinnen die Unwahrheit gesagt haben. Waren sie vielleicht Inderinnen und als solche an der Hautfarbe gut zu erkennen – über Koptos lief schließlich der Indienhandel (Petrie)? Das scheint ebenso wenig wahrscheinlich wie die Ansicht, dass der hohe Betrag der symbolischen Ausgrenzung von Prostituierten diente (Montserrat). Die strikte staatliche Kontrolle

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der käuflichen Liebe belegt auf jeden Fall die Tatsache, dass die entsprechenden Damen auch Erlaubnisscheine ausgestellt bekamen, wie es ein Ostrakon vom 23.9.142 n. Chr. zeigt: „Ammonios und die, die mit ihm Pächter der Hetärensteuer sind, der Thinmareine Gruß. Wir haben Dir erlaubt, am 26. Toth des 6. Jahres des Antoninus Caesar, des Herrn, als Dirne zu arbeiten.“ (SB VI 9545,33; Übersetzung: Hengstl). Hiermit wies Thinmareine nach, dass sie die Hetärensteuer (ἑταιρικόν) entrichtet hatte. Der Text zeigt, dass die Abgaben nicht von staatlichen Funktionären eingezogen wurden, sondern private Steuerpächter hierfür zuständig waren, die das Recht der Eintreibung bei einer jährlichen Versteigerung erhalten hatten. Sie garantierten dem Staat die Steuereinnahmen, zogen die geforderten Abgaben ein und entrichteten sie an die Arabarchie. Natürlich musste sich diese Aufgabe lohnen, zumal die Pächter bei Ausbleiben ausreichender Zahlungen durch die Steuerpflichtigen mit dem eigenen Vermögen hafteten. In Ägypten erhielten sie, nach Einzug der festgelegten Steuersumme, im vorliegenden Fall nach Einzug der Gebühren, vom Staat eine Aufwandsentschädigung von 5 bzw. 10% der Einnahmen. Die Aufgabe der Arabarchie war ebenfalls ein Pachtamt, das in der frühen Kaiserzeit noch äußerst beliebt war, von den Mitgliedern der lokalen Elite ausgeübt wurde und wahrscheinlich zu hohen persönlichen Gewinnen führte – so war auch der Vater des Präfekten Tiberius Iulius Alexander in dieser Funktion tätig (Josephus, antiquitates Iudaicae XX 100; Jördens; vgl. Text 53 und 58). Der praefectus der Wüste (wörtlich „Bergregion“) von Berenike, der für die Veröffentlichung des Erlasses sorgte, ist aus den Papyri und Inschriften bekannt als praefectus montis Berenicidis, auch praefectus praesidiorum et montis Berenicidis oder praefectus Berenices. Sein Titel zeigt an, dass die Ostwüste unter der Verwaltung und Aufsicht eines römischen Militärs stand. & W. M. F. PETRIE, Roman Portraits and Memphis, London 1911, 14 (zu den Inderinnen); S. L. WALLACE, Taxation in Egypt from Augustus to Diocletian, Princeton 1938, 273–275, 468f.; N. LEWIS, On Timber and Nile Shipping, in: TAPhA 91, 1960, 137– 141; St. E. SIDEBOTHAM, Roman Economic Policy in the Erythra Thalassa 30 B.C. – A.D. 217, Leiden 1986, 67, 80f., 102f.; M. E. ABD EL-GHANY, The Arabs in Ptolemaic and Roman Egypt through Papyri and Inscriptions, in: L. Criscuolo/G. Geraci (Hg.), Egitto e storia antica dall’Ellenismo all’età araba. Bilancio di un confronto. Atti del Colloquio Internazionale, Bologna, 31 agosto – 2 settembre 1987, Bologna 1989, 236– 239 (zum Arabarchen); R. S. BAGNALL, A Trick a Day to Keep the Tax Man at Bay? The Prostitute Tax in Roman Egypt, in: BASP 28, 1991, 5–12; D. MONTSERRAT, Sex and Society in Graeco-Roman Egypt, London/New York 1996, 120–135 (zu den Prostituierten); B. E. STUMPP, Prostitution in der römischen Antike, Berlin 1998; D. W. RATHBONE, Koptos the Emporion. Economy and Society, I – III AD, in: M.F. Boussac u.a. (Hg.), Autour de Coptos. Actes du colloque organisé au Musée des Beaux-Arts de Lyon (17–18 mars 2000), Lyon/Paris 2002, 179–198; F. BURKHALTERARCE, Le ‚tarif de Coptos‘. La douane de Coptos, les fermiers de l’apostolion et le préfet du désert de Bérénice, in: ebd., 199–233; H. CUVIGNY u.a., La route de Myos Hormos, Kairo 2003, 374f., 383–389, 22006, 693 (zu den Prostituierten und ihren Ver-

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dienstmöglichkeiten); B. LEGRAS, L’Égypte grecque et romaine, Paris 2004, 147f. (zum Inhalt); C. E. P. ADAMS, Land Transport in Roman Egypt. A Study of Economics and Administration in a Roman Province, Oxford 2007, 132f. (zur Verwendung des apostolion); D. NAPPO, Il ruolo dell’arabarchia nella fiscalità romana, in: E. Lo Cascio/G. Merola (Hg.), Forme di aggregazione nel mondo romano, Bari 2007, 273–291 (zur Bedeutung der Arabarchen); H. I. FLOWER, Memory Sanctions and the Disgrace of Emperors in Official Documents and Laws, in: R. Haensch (Hg.), Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt, München 2009, 409–421 (zur sog. damnatio memoriae Domitians); A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 355–396 (grundlegend zum römischen Zollwesen in Ägypten, eingehende Diskussion der Inschrift); P. HERZ, Freier Handel und staatliche Kontrolle in römischer Zeit, in: ders. u.a. (Hg.), Ökonomie und Politik. Facetten europäischer Geschichte im Imperium Romanum und dem frühen Mittelalter, Berlin 2011, 11– 31; D. NAPPO/A. ZERBINI, On the Fringe. Trade and Taxation in the Egyptian Desert, in: O. Hekster/T. Kaizer (Hg.), Frontiers in the Roman World. Proceedings of the Ninth Workshop of the International Network Impact of Empire (Durham), 16–19 April 2009, Leiden 2011, 61–77 (zu den Passierscheinen aus Berenike); J. KRAMER, Von der Papyrologie zur Romanistik, Berlin/New York 2010, 175–184 (Erklärung des Titels arabarches); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 66– 68 (Dokumentation zum Präfekten); H. CUVIGNY, La toponymie du désert oriental égyptien sous le Haut-Empire d’après les ostraca et les inscriptions, in: J.-P. Brun u.a. (Hg.), Le désert oriental d’Égypte durant la période gréco-romaine: bilans archéologique, Paris 2018 (https://books.openedition.org /cdf/4932).

63. Eine zweisprachige Stiftungsinschrift an die „Neue Göttin“ durch Isidora (2. Juni 98 n. Chr.) I.Louvre 28 = SB V 8331 = I.Portes 33 = CIG III 4716c = IGRR I 1167 = SEG XXXIV 1616 = TM 53889 Standort: Paris, Louvre C 131 63. Eine zweis prachige Sti ftungs ins chri ft an die „Neue Göttin“

Die Inschrift ist auf einer Stele angebracht, die sich heute im Louvre befindet und die möglicherweise aus Dendera stammt. Im Giebelfeld befinden sich unter einer Flügelsonne zwei liegende und einander zugewandte Schakale (Abb. 33). Über deren Rücken ist jeweils eine von einer Uräensonne gekrönte senkrechte Kartusche zu sehen, in der das hieroglyphenägyptische Wort „Pharao“ steht. Darunter ist in griechischer Sprache eine Inschrift angebracht, die aus drei Teilen besteht. Zunächst ist das eine Weihung der Isidora [1.]. Darauf folgt ein Proskynema [2.], an das sich eine Art Bestätigung des Weiheaktes [3.] anschließt. In einem letzten Schritt zeichnete am Ende nochmals der Tempelvorsteher in demotischer Schrift gegen [4.]. Text und Übersetzung ὑπὲρ Αὐτοκράτορος | Καίσαρος Τραιανοῦ Σε|βαστοῦ Νεωτέρᾳ | Θεᾷ

„[1.] Zum Heil des Imperator Caesar Traianus Augustus hat Isidora, die

63. Eine zweisprachige Stiftungsinschrift an die „Neue Göttin“ µεγίστηι Ἰσιδώ(5)ρα Μεγίστου ἀπὸ Τεντύ|ρων κατεσκε{δ}ύασεν ἐκ | τοῦ ἰδίου τὸ φρέ{ο}ρ καὶ τὸ | περίβωλον ὑπὲρ ἁτῆς καὶ | ὑπὲρ Ἁρτβῶτος ἀν{ὴ}ρ καὶ (10) τῶν τέκνων. τὸ προσκύ|νηµα Ἀπολλωνίου ἀ|δελφο{ς} αὐτῆς, | (ἔτους) α Αὐτοκράτορος | Νέρουα Καίσαρος (15) Τραιανοῦ Σεβαστοῦ | [µηνὸς] Παυνὶ η̅. | καὶ πολλὰ δαπανήσασ ἰς τὸ | ἱερὸν τῆς Νεωτέρας ἡ Ἰσιδώρα | εὐσεβίας χάριν, διὰ Ὥρου Λάβυ(20)τος, φροντιστοῦ ἱεροῦ Ἀφροδί|της Θεᾶς Νεωτέρας, ἐφρόντισε | τοῦ ἱεροῦ καὶ τοῦ φρητὸς καὶ τῶν | λυπῶν (= λοιπῶν) ἔργων εὐσεβίας χάριν.

Or s# Lybs (?) p# swrd (?) Ow.t-Or nb Imnt

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Tochter des Megistos, aus Tentyris (= Dendera), der Neotera, der größten Göttin, aus eigenen Mitteln den Brunnen und die Umfassungsmauer zu ihrem eigenen Heil und zum Heil ihres Mannes Hartbos und ihrer Kinder errichtet. [2.] Der ‚Akt der Verehrung‘ (proskynema) des Apollonios, ihres Bruders. Jahr 1 des Imperator Nerva Caesar Traianus Augustus, am 8. des Monats Payni. [3.] Und indem Isidora zahlreiche Aufwendungen für das Heiligtum der Neotera aufgrund ihrer Frömmigkeit getätigt hatte, durch Horos, den Sohn des Labys, den Verwalter des Heiligtums der Aphrodite, der Göttin Neotera, sorgte sie für das Heiligtum und den Brunnen und die übrigen Arbeiten aufgrund ihrer Frömmigkeit.“ [4. auf Demotisch] „Hor, Sohn des Labys (?), der Aufseher (?) der Hathor, der Herrin des Westens.“

Kommentar: Der griechische Text ist vor allem deshalb ungewöhnlich, weil er neben der Weihung durch Isidora an zweiter Stelle und völlig unvermittelt ein Proskynema ihres Bruders anführt, also einen Verehrungsakt für die Göttin (vgl. Text 45). Als drittes folgt dann eine Angabe zu weiteren Tätigkeiten der Isidora für das Heiligtum. Die Anbringung von Text 1 und 2 erfolgte wohl in einem Zug, denn das Proskynema schließt ohne Zeilenwechsel und im gleichen Schriftstil direkt an die Dedikation der Isidora an. Der Bruder wollte möglicherweise gesondert in die Gunst der von seiner Schwester vorgenommenen Stiftung geraten, weil sie ihn in ihrer „Heilsaussage“ unerwähnt lässt. Wohl einige Zeit später wurde dann hinzugefügt, dass Isidora ihre Investitionen mit Hilfe des Verwalters des Heiligtums getätigt hatte. Vielleicht hatte die Stifterin ihre Unterstützung für den Tempel über einen längeren Zeitraum, auch nach dem Bau des Brunnens, aufrechterhalten. Der Verwalter Horos wiederum bestätigte das anschließend nochmals in demotischer Schrift. Der Verfasser des griechischen Textes dürfte kein Spezialist dieser Sprache gewesen sein, weil sich zahlreiche grammatikalische Fehler und Rechtschreib-

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mängel finden. Auffällig ist auch die falsche Angabe des amtierenden Kaisers Traian in der Datierungsformel (Z. 13–15), denn der Schreiber hat versehentlich den Namen Nerva vor Caesar gestellt, zu Beginn den Namensbestandteil Nerva hingegen ganz vergessen; korrekt wäre die Wendung Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus gewesen.

Abb. 33: Die zweisprachige Stiftung der Isidora. Das Giebelfeld zeigt zwei einander zugewandte Schakale, die darüber befindlichen Kartuschen haben die Inschrift „Pharao“. Umzeichnung mit hinzugefügter demotischer Inschrift Vleeming, Nr. 202.

Der Name der Gottheit, also „die Jüngere“, bereitet Probleme (Hölbl). Ursprünglich war es ein Beiname der Kleopatra VII., der thea neotera Philopator kai Philopatris, doch wird sie schwerlich, zumal außerhalb Ägyptens, noch in der hohen Kaiserzeit unter dieser Epiklese verehrt worden sein. Ob man in Dendera, also in einem Tempel, der auch in der Zeit der Kleopatra dekoriert wurde – das bekannteste ägyptische Relief mit einer Darstellung der Königin stammt von der Rückseite des Hathorheiligtums –, an sie dachte, wenn man Neotera verehrte, bleibe dahingestellt, ist jedoch nicht zwingend nötig. Eben-

64. Zwei Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel in den Steinbrüchen

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falls unwahrscheinlich ist eine Identifizierung der Göttin mit der Gemahlin Traians, Plotina, denn sie führte zu dieser Zeit noch nicht einmal den Titel einer Augusta und war erst recht noch keine diva, also noch nicht verstorben und vergöttlicht worden. Neotera dürfte auf jeden Fall eine ägyptische Göttin sein – es liegt eine interpretatio Graeca vor – da die Göttin häufig gemeinsam mit anderen ägyptischen Göttern, vor allem Isis und Sarapis, verehrt wird (Moretti; Veymiers). Um welche Göttin es sich bei Neotera im vorliegenden Fall handelt, ist durch die demotische Beischrift dahingehend zu beantworten, dass Hathor gemeint sein muss, denn für diese ist der Verwalter, der die Stiftung bestätigt, tätig. Somit dürften die Arbeiten, die Isidora finanzierte, wohl am Tempel der Hathor von Dendera durchgeführt worden sein, die von ihr unter dem Namen Aphrodite Neotera verehrt wurde. Die Stiftung verweist auf eine möglicherweise rege Stiftungstätigkeit an Tempeln durch reiche Frauen in der Provinz Aegyptus (vgl. auch Text 61). & A. D. NOCK, Neotera, Queen or Goddess?, in: Aegyptus 33, 1953, 283–296 (Identifizierung der Neotera mit Aphrodite-Hathor); L. MORETTI, A proposito di Neotera, in: Aegyptus 38, 1958, 203–209 (Identifizierung der Neotera mit Nephthys); J. T. MILIK, Recherche d’épigraphie proche-orientale, 1972, 418f. (zum Kult der Aphrodite Neotera); G. HÖLBL, Andere ägyptische Gottheiten. Juppiter Ammon, Osiris, Osiris-Antinoos, Nil, Apis, Bubastis, Bes, Sphinx, Hermes-Thot, Neotera-Problem, in: M. J. Vermaseren (Hg.), Die orientalischen Religionen im Römerreich (OrRR), Leiden 1981, 182f. (zu Neotera); M. PEZIN, Hor, fils des Labys, φροντιστής/swrd d’Hathor de Dendera, en 98, in: RdÉ 43, 1992, 210–214 (zum Demotischen); S. P. VLEEMING, Some Coins of Artaxerxes and Other Short Texts in the Demotic Script Found on Various Objects and Gathered From Many Publications, Löwen u.a. 2001, Nr. 204 (englische Übersetzung beider Texte); A. MASTROCINQUE, Neotera and her Iconography, in: ders./C. Giuffrè Scibona (Hg.), Demeter, Isis, Vesta, and Cybele. Studies in Greek and Roman Religion in Honour of Giulia Sfameni Gasparro, Stuttgart 2012, 105–118 (Zusammenstellung der Quellen zu Neotera); R. VEYMIERS, Sarapis et Neôtera élus parmi les dieux, in: Revue archéologique 1, 2014, 37–56 (zur Identifikation von Neotera mit Isis).

64. Zwei Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel in den Steinbrüchen der Ostwüste (zwischen 117 und 119 n. Chr.) a) I.Pan 42 = CIG III 4713f = SB V 8324 = OGIS II 678 = IGRR I 1255 = TM 81617 b) I.Pan 21 = CIG III 4713 = SB V 8320 = IGRR I 1256 = SEG XIII 601 = TM 81586 64. Zwei Zeus -Hel ios -M egas -Sarapis -Tempel in den Steinb rüchen

Aus zwei bedeutenden Steinbrüchen in der ägyptischen Ostwüste bezogen die Römer Steine für ihre Bauprogramme in Rom – dem Mons Porphyrites, in dem insbesondere der rote und der schwarze Porphyr gewonnen wurden, und dem Mons Claudianus, der Granodiorit (etwa für die Säulen des Forum Traiani, das Pantheon und den Venus- und Romatempel in Rom) lieferte. Die Steinbrüche des Mons Porphyrites lagen am Nordende des Wadi Abu Maamel und wurden

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seit der Herrschaft des Tiberius ausgebeutet (vgl. Text 51), die des Mons Claudianus lagen an der Nordseite des Wadi Umm Hussein. Hier lassen sich erste Belege für Steinbruchtätigkeiten in der Zeit des Domitian (reg. 81–96 n. Chr.) nachweisen, der Name und damit der Beginn der Ausbeutung des Steinbruchs könnten aber auf Kaiser Claudius zurückgehen. Die Blütezeit der Steinbrucharbeiten war in der Herrschaftszeit des Traian und Hadrian. Seitdem war die Anwesenheit von Menschen an diesen unwirtlichen Orten dauerhaft nötig. In Porphyrites wurde deshalb an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. eine Siedlung angelegt. In Klaudianon, wie die Siedlung am Mons Claudianus hieß, geschah dies in domitianischer Zeit. Zwei Kastelle schützten beide Orte; dasjenige des Mons Claudianus ist noch heute hervorragend erhalten. Aufgrund der ständigen Anwesenheit vieler Menschen versteht es sich von selbst, dass auch Kultorte vorhanden waren. In hadrianischer Zeit errichtete beispielsweise der kaiserliche Sklave Epaphroditus Sigerianus in der Nähe beider Steinbrüche jeweils ein Heiligtum für die gräkoägyptische Mischgottheit Sarapis, die hier in Form des seit trajanischer Zeit beliebten ZeusHelios-Megas-Sarapis verehrt wurde. Texte und Übersetzung a) Der Tempel vom Mons Claudianus (23.4.118 n. Chr.) ὑπὲρ σωτηρίας καὶ αἰωνίου νίκης „Zum Wohle und ewigen Sieg des Αὐτοκράτορος Καίσαρος Τραιανοῦ Imperator Caesar Traianus HadriἉδριανοῦ Σεβαστοῦ καὶ τοῦ σύνanus Augustus und seiner gesamten παντος αὐτοῦ οἴκου | καὶ τῆς τῶν Familie und zum guten Gelingen der ὑπὸ αὐτοῦ ἐπιταγέντων ἔργων ἐπιvon ihm beauftragten Arbeiten hat τυχίας, | Διὶ Ἡλίωι µεγάλωι ΣαράEpaphroditus Sigerianus, (kaiserπιδι καὶ τοῖς συννάοις θεοῖς τὸν licher) Sklave, Pächter der Steinναὸν καὶ τὰ περὶ τὸν ναὸν πάντα | brüche, dem Zeus-Helios-MegasἘπαφρόδειτος δοῦλος Σειγηριανός, Sarapis und den Göttern, die den µισθωτὴς τῶν µετάλλων, κατεσκεύTempel mit ihm teilen, den Tempel ασεν, (5) ἐπὶ Ῥαµµίωι Μαρτιάλει und alles um den Tempel herum ἐπάρχωι Αἰγύπτου, ἐπιτρόπου τῶν errichtet, unter Rammius Martialis, µετάλλων Χρησίµου, Σεβαστοῦ ἀπdem praefectus Aegypti, als Chresiελευθέρου, | ὄντος πρὸς τοῖς τοῦ mus, kaiserlicher Freigelassener, Κλαυδιανοῦ ἔργοις Ἀουίτου, (ἑκαVorsteher der Steinbrüche war, als τοντά)ρχ(ου) σπείρης πρώτης Φλαfür die Arbeiten am Mons Claudiουίας Κιλίκων ἱππικῆς, | (ἔτους) β anus Avitus, Zenturio der cohors I Αὐτοκράτορος Καίσαρος Τραιανοῦ Flavia Cilicum equitata, zuständig Ἁδριανοῦ, Φαρµοῦθι κ̅η̅. war, im 2. Regierungsjahr des Imperator Caesar Traianus Hadrianus, am 28. Pharmuthi.“

64. Zwei Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel in den Steinbrüchen

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b) Der Tempel vom Mons Porphyrites (zwischen 117 und 119 n. Chr.) ὑπὲρ σωτηρίας καὶ αἰωνίου νίκης „Zum Wohle und ewigen Sieg unseτοῦ κυρίου ἡµῶν Αὐτοκράτορος res Herrn Imperator Caesar Traianus Καίσαρος Τραϊανοῦ Ἁδριανοῦ | ΣεHadrianus Augustus und seiner geβαστοῦ καὶ τοῦ παντὸς αὐτοῦ οἴκου, samten Familie hat Epaphroditus vac. Διὶ Ἡλίωι µεγάλωι Σαράπιδι Sigerianus, (Sklave) Caesars, dem καὶ τοῖς συννάοις θεοῖς τὸν ναὸν καὶ Zeus-Helios-Megas-Sarapis und den τὰ περὶ τὸν ναὸν | ἘπGöttern, die den Tempel mit ihm αφρό{λ}ιτος Καίσαρος Σιγηteilen, den Tempel und alles um ihn ριανός, ἐπὶ • Ῥ•αµµίωι Μαρτιάλι ἐπherum (errichtet), unter Rammius άρχῳ Αἰγύπτου, Μάρκου Οὐλπίου Martialis, dem praefectus Aegypti, Χρησίµου ἐπιτροπεύοντος τῶν µεals Marcus Ulpius Chresimus Vorτάλλων, ἐπὶ (ἑκατοντάρχου) Προsteher der Steinbrüche war, unter κουληιανοῦ. dem Zenturio Proculeianus.“ Kommentar: Die Schutzgottheit der Reisenden in der Ostwüste war in pharaonischer Zeit Min von Koptos, den die Griechen mit Pan gleichsetzten (vgl. Text 51). In den Weihinschriften zu beiden Tempeln wird eine Entwicklung in der hohen römischen Kaiserzeit sichtbar, denn nun ist eine neue Gottheit an die Stelle des gräkoägyptischen Min getreten – der synkretistische Zeus-HeliosSarapis. Das geschah in einer Zeit, als Sarapis sich ingesamt immer größerer Beliebtheit in der griechisch-römischen Welt erfreute. Man darf hier durchaus von einer Hellenisierung des Min-Pan-Kultes sprechen, da der Kult bisher in ägyptischer Form mit ägyptischer Götterikonographie vollzogen worden war (Hölbl). Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Tempel ursprünglich dem Min geweiht waren und unter Sigerianus nur „umgeweiht“ wurden, wobei in diesem Fall das kateskeuasen (κατεσκεύασεν) in der ersten Inschrift statt mit „errichten“ als „ausstatten“ übersetzt werden müsste (Cuvigny). Beide Heiligtümer waren aber nicht wie typisch ägyptische Tempel ausgestaltet, sondern wiesen griechisch-römische Bauformen auf (Naerebout), wie es in dieser Zeit nur für den Sarapis-Kult belegt ist, weshalb eine „Umweihung“ unwahrscheinlich ist. Der Tempel am Mons Porphyrites stand auf einem Podium mit einer viersäuligen Vorhalle (prostylos) und ionischen Kapitellen. Der Tempel vom Mons Claudianus wies ganz ähnlich eine viersäulige Vorhalle mit korinthischen Kapitellen auf. Nicht zufällig dürfte die Gleichsetzung des Sarapis mit Zeus in der Zeit des Hadrian entstanden sein, der sich in der griechischen Welt allenthalben für den Zeus-Kult eingesetzt hatte und sich selbst an diesen Gott anglich. So wurde am Geburtstag des Hadrian, am 24. Januar 126 n. Chr., auch der Sarapistempel am Dromos des Tempels von Luxor eingeweiht (Text 65). Weshalb Min-Pan an Bedeutung verloren hat, muss offen bleiben. Gerade im „semimilitärischen“ Umfeld der Steinbrüche war aber die in dieser Form neue Mischgottheit – auch Zeus und Helios waren nun in dem ursprünglich „hades-

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nahen“ Sarapis aufgegangen – besonders beliebt, denn sie bot allen dort tätigen Menschen einen Anknüpfungspunkt. Für die Ägypter war der Gott ägyptisch genug, für das Verwaltungspersonal aus Alexandria, die kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen war er griechisch. Die wenigen Soldaten römischer Herkunft schließlich konnten ihn mit Iuppiter Optimus Maximus identifizieren (Cuvigny). & D. MEREDITH, Eastern Desert of Egypt. Notes on Inscriptions, in: CdÉ 29, 1954, 103–105, Nr. 22 (zu Text a); P. A. HOLDER, Studies in the Auxilia of the Roman Army from Augustus to Trajan, Oxford 1980, 1313; M. J. KLEIN, Untersuchungen zu den kaiserlichen Steinbrüchen an Mons Porphyrites und Mons Claudianus in der östlichen Wüste Ägyptens, Bonn 1988, 32–35 (zur Funktion des Pächters); H. CUVIGNY, Le crépuscule d’un dieu. Le déclin du culte de Pan dans le désert oriental, in: BIFAO 97, 1997, 139–147; V. A. MAXFIELD, Stone Quarrying in the Eastern Desert with Particular Reference to Mons Claudianus and Mons Porphyrites, in: D. Mattingly/J. Salmon (Hg.), Economies beyond Agriculture in the Classical World, London/New York 2001, 143– 170; R. B. JACKSON, At Empire’s Edge: Exploring Rome’s Egyptian Frontier, New Haven 2002, 35–40 (Beschreibung des Fundortes, englische Übersetzung); G. HÖLBL, Ersetzt Sarapis altägyptische Götter in der römischen Provinz Aegyptus?, in: H. Heftner/K. Tomaschitz (Hg.), Ad fontes! Festschrift für Gerhard Dobesch zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 15. September 2004 dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden, Wien 2004, 601–607 (zur Bedeutung des Sarapiskultes in der Wüste); G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel III. Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen, Mainz 2005, 23–34 (zur Topographie und Religion an den beiden Örtlichkeiten); F. G. NAEREBOUT, The Temple at Ras el-Soda. Is it an Isis Temple? Is it Greek, Roman, Egyptian, or Neither? And so what?, in: L. Bricault u.a. (Hg.), Nile into Tiber. Egypt in the Roman World. Proceedings of the IIIrd International Conference of Isis studies, Faculty of Archaeology, Leiden University, May 11–14 2005, Leiden/Boston 2007, 507–549 (Studie zur architektonischen Gestaltung der Sarapis-Tempel); D. PEACOCK/V. MAXFIELD, The Roman Imperial Quarries. Survey and Excavations at Mons Porphyrites, 1994– 1998. II. The Excavations, London 2007 (Korrekturen zur Lesung von I.Pan 21); A. BÜLOW-JACOBSEN, Mons Claudianus. Ostraca Graeca et Latina IV. The Quarry-Texts (O.Claud. 632-896), Kairo 2009 (letzte der bisher erschienenen Ostraka-Editionen mit Texten aus dem täglichen Leben in den Steinbrüchen); K. KLEIBL, Iseion. Raumgestaltung und Kultpraxis in den Heiligtümern gräco-ägyptischer Götter im Mittelmeerraum, Worms 2009, Kat. 49 und 51; H. CUVIGNY, The Shrine in the Praesidium of Dios (Eastern Desert of Egypt): Graffiti and Oracles in Context, in: Chiron 40, 2010, 276–280 (zu Zeus-Helios-Megas-Sarapis); A. BÜLOW-JACOBSEN, Le désert oriental: les carrières impériales du Mons Claudianus, in: P. Ballet (Hg.), Grecs et Romains en Égypte. Territoires, espaces de la vie et de la mort, objets de prestige et du quotidien, Kairo 2012, 65–74 (kurzer Überblicksartikel); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 84f. (Dokumentation zum Präfekten); J.-P. BRUN u.a. (Hg.), Le désert oriental d’Égypte durant la période gréco-romaine: bilans archéologique, Paris 2018 (http://books.openedition.org/cdf/5154).

65. Der Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel von Luxor

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65. Die Weihung des Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempels von Luxor (24. Januar 126 n. Chr.) SEG XXXI 1548 = AE 1952, 159 = TM 102276 65. Der Zeus -Helios -M egas -Sarapis - Tempel von Luxo r

Der Tempel des Amun-Re von Luxor gehörte in pharaonischer Zeit zu den wichtigsten Heiligtümern Ägyptens und stand in direktem Zusammenhang mit dem Kult für den königlichen Ka, also dessen überzeitlich göttliche Wirkkraft. Auch in der Zeit des Hadrian dürfte der Kultbetrieb im Tempel noch nach den alten Traditionen vollzogen worden sein, doch gab es zudem den Wunsch nach öffentlicheren Formen der Religion, denn die ägyptischen Kulte fanden zumeist innerhalb der Tempel und damit unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. So erklärt sich die Errichtung eines nichtägyptischen Tempels für Zeus-HeliosMegas-Sarapis am Dromos zum Tempel von Luxor (Abb. 34), nur wenige Meter vom ersten Pylon entfernt. Das kleine Heiligtum befand sich noch innerhalb der unter Tiberius wieder instandgesetzten Ummauerung des Vorhofes, der für Laien zugänglich war. Der Kult für Zeus-Helios-Megas-Sarapis war auf diese Weise deutlich in die Kulttopographie des großen ägyptischen Tempels einbezogen, und das kleine Heiligtum in keiner Weise als Konkurrenz zu dem ägyptischen Kult gedacht. Ein römischer Bürger sorgte für die (Wieder?-)Errichtung des kleinen Kultbaus, was er mit vorliegender Inschrift kundtat. Belegt ist ein Sarapieion in Theben zumindest seit dem Jahr 182 (oder 158) v. Chr. (O.Amst. 7,2f.: τὸ ἐν Διὸς π(όλει) Σαραπῖον), ob es sich bei dieser Erwähnung freilich um den Vorgängerbau des von dem Römer errichteten Tempels handelt, bleibt offen. Text und Übersetzung ὑπὲρ Αὐτοκράτορος Καίσαρος Τραιανοῦ Ἁδριανοῦ Σεβαστοῦ | καὶ τοῦ παντὸς οἴκου αὐτοῦ, Διὶ Ἡλίῳ µεγάλῳ Σαράπιδι, Γαῖος Ἰούλιος Ἀντωνεῖνος̣, | τῶν ἀπολελυµένων δεκαδάρχων, ἐκ τοῦ ἰδίου ἀνοικοδοµήσας τὸ ἱερόν, τὸ ζῴδιον | ἀνέθηκεν εὐχῆς καὶ εὐσεβείας χάριν ἐπὶ ⟦Τ‚[ίτου] Φ—[λαουίου Τιτιανοῦ]⟧ ἐπάρχου Αἰγύπτου· (5) ὁ αὐτὸς δὲ καὶ νεοκόρος αὐτοῦ τοῦ µεγάλου Σαράπιδος καὶ τ̣ὰ̣ κατ̣ά̣λοιπα ζῴδια ἀνέθηκε. | (ἔτους) ι Αὐτοκράτορος Καίσαρος Τραιανοῦ Ἁ—δριανοῦ Σεβαστοῦ, Τῦβι κ̅θ.̅

„Zum Heil des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus und seiner gesamten Familie hat Gaius Iulius Antoninus, einer von den ehemaligen Decurionen, dem Zeus-Helios-MegasSarapis aus eigenen Mitteln das Heiligtum (wieder?)errichtet; die Statue hat er in Erfüllung eines Gelübdes und aufgrund seiner Frömmigkeit geweiht, unter ⟦Titus Flavius Titianus⟧, dem praefectus Aegypti. Er selbst war auch Tempelwächter (neokoros) desselben großen Sarapis und hat auch die restlichen Statuen geweiht. Im 10. Regierungsjahr des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus, am 29. Tybi.“

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Kommentar: Der kleine Tempel des Sarapis stand im Grunde genommen im Schatten der riesigen altägyptischen Tempelanlage von Luxor und bot den Verehrern der gräkoägyptischen Götter die Möglichkeit eines intensiven Kontaktes, denn es musste nur die Türe geöffnet werden und Sarapis konnte mitsamt seiner Tempelgefährten inmitten der Cella des Tempels gesehen und verehrt werden. Das Datum der Weihung entspricht, sicherlich nicht zufällig, dem Geburtstag des Kaisers Hadrian. An diesem Tag war auch der Tempel des Sarapis von Ostia geweiht worden (RICIS 503/1102). Dass gerade im Kontext des ägyptischen Tempels von Luxor Sarapis in seiner solaren Form als Zeus-Helios einen Kult erhielt, erklärt sich sicherlich auch aus der Tatsache, dass er die hellenisierte Entsprechung des ägyptischen Amun-Re von Luxor war, wobei gleichzeitig über die thebanische Osiristheologie eine Verknüpfung zu Sarapis möglich war (Nagel). Der Kult des Zeus-Helios-Megas-Sarapis wurde in dem kleinen Tempel jedoch nicht den alten ägyptischen Traditionen entsprechend ausgeübt. Es handelt sich vielmehr um den gräkoägyptischen Sarapiskult, worauf sowohl der unägyptische Baustil des Tempels hinweist, als auch das Amt der Neokorie (Tempelwacht) des Stifters, das ein griechisches ist. Die Bedeutung der Neokorie in Ägypten ist nicht gänzlich zu klären – sie ist nur für den Sarapis- und Kaiserkult, ebenso wie für den Soter-Kult (wohl den des Ptolemaios Soter, des Stadtgründers von Ptolemais) belegt. Die Amtsinhaber mussten offenbar nicht zwingend Priester sein, hatten aber wichtige Funktionen in der Stadt- und Provinzverwaltung inne. Es gibt sogar die Vermutung, dass es sich nicht um einen Kult- oder Amtstitel, sondern um ein reines Ehrenprädikat handelte (Kruse). Die Architektur des Tempels ist für griechisch-römische Traditionen ungewöhnlich (Naerebout): Wie andere römische Sarapisheiligtümer befindet sich der Tempel zwar auf einem Podium, hat aber keine Säulenstellung allein vor der Front (prostylos), sondern einen Säulenumgang (peripteros). Auf die durchaus ägyptische Identität oder auch Wahrnehmung des Kultes im kleinen Tempel weist die mittig im Architrav des Eingangs angebrachte Sonnenscheibe mit Uräenpaar hin. Die erste in der Weihung genannte Statue dürfte selbstverständlich diejenige des Sarapis gewesen sein – von ihr haben sich nur noch Fragmente erhalten. Fast vollständig gefunden wurde hingegen eine Isisstatue im griechischen Stil, zudem Reste eines Osiris-Kanopos und zwei Apis-Stiere/ein Apis- und ein Mnevis-Stier (Nagel) sowie eine weitere weibliche Statue. Ein heute im ägyptischen Museum von Kairo aufbewahrtes Monumentalrelief aus Luxor zeigt den im Tempel verehrten Zeus-Helios-Sarapis zusammen mit Isis und Harpokrates und dürfte aus der Zeit des Hadrian stammen (Bricault); es war möglicherweise am Tempel selbst angebracht. In der Forschung wird bisweilen die Ansicht vertreten, dass nicht Sarapis, sondern Isis die eigentliche Hauptgottheit des Heiligtums war. Die Stiftung an Zeus-Helios-Megas-Sarapis sei vor allem aufgrund der besonderen Nähe des Hadrian zu dieser Gottheit gewählt worden (Golvin u.a.). Isis wiederum erhielt

65. Der Zeus-Helios-Megas-Sarapis-Tempel von Luxor

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in der gleichen Zeit zudem noch besondere Verehrung im Tempel von Deir elSchelwit auf dem Westufer, wo noch im 2. Jh. n. Chr. Baumaßnahmen stattfanden (Klotz). Selbst wenn Sarapis die Hauptgottheit war, so war seine Gemahlin, wie die Statue belegt, im Tempel von Luxor zugegen. Der gräkorömische Kult der Isis bestand also parallel zu ihrem ägyptischen Kult in ein- und derselben Region und wahrscheinlich wurden beide Kulte auch nicht als ‚gegensätzlich‘ empfunden, denn ein Verehrer der gräkoägyptischen Isis konnte auch zum IsisTempel von Philae reisen und die dortige Isis preisen (vgl. Text 72).

Abb. 34: Das Serapeum von Luxor, moderne Rekonstruktion (Photo: Stefan Pfeiffer 2010).

Unklar bleibt, weshalb der Name des Präfekten Titus Flavius Titianus (amtierte vom 20.3.126–März/April 133 n. Chr.) nachträglich eradiert wurde, weil sein Name in drei anderen Inschriften und Papyri unberührt blieb. So hinterließ der Präfekt selbst nur drei Monate später, am 20. März 126 n. Chr., eine kurze lateinische Inschrift an den Memnonskolossen (I.Col. Memnon 24). Nicht dieser Titianus ist deshalb, wie manche meinen, der damnatio memoriae verfallen, sondern er wurde mit dem Konsul T. Attilius Rufus Titianus (cos 127 n. Chr.) verwechselt, der unter Antoninus Pius zum Staatsfeind erklärt und dessen Name aus den Fastes Ostiense getilgt wurde (Golvin u.a.). Andere sind der Ansicht, dass der Präfekt tatsächlich selbst der damnatio memoriae verfallen war, wenn er mit dem in der Historia Augusta genannten Titianus (SHA Hadr. 15,6: „Titi-

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anus ließ er als Hochverräter anklagen und ächten.“) identisch sein sollte, der dieses Schicksal erlitten hatte (van der Leest). & A. BATAILLE, Néocores de Sérapis à Thèbes, in: BIFAO 36, 1936–1937, 164–174 (Neokoren in Theben); J. LECLANT, Fouilles et travaux en Égypte, 1950–1951, in: Orientalia 20, 1951, 455f. (zu den Funden im Tempel); P. M. FRASER, Bibliography: Graeco-Roman Egypt. Greek Inscriptions (1952–3), in: JEA 40, 1954, 125f.; M. ABDUL-QADER MUHAMMAD, Preliminary Report on the Excavations Carried out in the Temple of Luxor. Seasons 1958–1959 & 1959–1960, in: ASAE 60, 1968, 227–279; J.Cl. GOLVIN u.a., Le petit Sarapieion romain de Louqsor, in: BIFAO 81, 1981, 115–148 (Bearbeitung des Tempels und der Funde); É. BERNAND, Épigraphie grecque et architecture égyptienne à l’époque impériale, in: H. Walter (Hg.), Hommages à Lucien Lerat, Besançon 1984, 37–89 (Zusammenstellung der Weihungen von Sakralarchitektur in römischer Zeit); J. VAN DER LEEST, The Prefect of Egypt on an Inscription from Luxor (AE 1952, 159), in: ZPE 59, 1985, 141–145; G. BASTIANINI, Il prefetto d’Egitto (30 a.C. – 297 d.C.): Addenda (1973–1985), in: ANRW II 10,1, 1988, 508; G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel I. Römische Politik und altägyptische Ideologie von Augustus bis Diocletian, Tempelbau in Oberägypten, Mainz 2000, 53f. (kurze Beschreibung des Tempels); Th. KRUSE, Der königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (20 v. Chr. – 245 n. Chr.) II, München/Leipzig 2002, 751 (zur Neokorie); L. BRICAULT, Zeus Hélios Mégas Sarapis, in: C. Cannuyer (Hg.), La langue dans tous ses états, Brüssel u.a. 2005, 243–254 (zum Monumentalrelief des Zeus-Helios-Sarapis und der Isis aus Luxor); P. GROSSMANN, Zum Serapistempel von Luqsur, ein klassisches oder pharaonisches Bauwerk?, in: G. Moers u.a. (Hg.), jn.t Dr.w. Festschrift für Friedrich Junge, Bd. I, Göttingen 2006, 281– 286 (Beschreibung und architektonische Einordnung des Tempels); R. St. BIANCHI, Images of Isis and her cultic shrines reconsidered. Towards an Egyptian understanding of the interpretatio graeca, in: L. Bricault u.a. (Hg.), Nile into Tiber. Egypt in the Roman World. Proceedings of the IIIrd International Conference of Isis Studies, Leiden, May 11–14 2005, Leiden 2007, 470–505 (zur kultischen Funktion der Architektur); K. KLEIBL, Iseion. Raumgestaltung und Kultpraxis in den Heiligtümern gräcoägyptischer Götter im Mittelmeerraum, Worms 2009, Kat. 54; D. KLOTZ, Caesar in the City of Amun: Egyptian Temple Construction and Theology in Roman Thebes, Turnhout 2012 (zur religiösen Topographie des thebanischen Raums; 326f. zur Neokorie); D. FAORO, I preffi d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 88–91 (Dokumentation zum Präfekten); S. NAGEL, Isis im Römischen Reich, Wiesbaden 2018, 696–700 (ausführliche Analyse der Ausstattung des Tempels).

66. Der Besuch Kaiser Hadrians in Ägypten nach Epigrammen an den Memnonskolossen (20. November 130 n. Chr.) I.Col. Memnon 28–31 = CIG III 4725, 4727, 4729, 4730, 4731 = IGRR I 1187 = SEG VIII 715–718 = Smallwood, Nr. 75 = SB V 8210–8213 = Kaibel 988– 992 = TM 93183–93186 66. Hadrian bei den M emnons kolos s en

Hadrian war einer der wenigen römischen Kaiser, die das Land am Nil besuchten. Neben den sicherlich nötigen wirtschaftspolitischen Angelegenheiten, die

66. Hadrian bei den Memnonskolossen

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er hier zu erledigen gedachte, war er touristisch und sicherlich auch religiös interessiert an Ägypten. So kam die kaiserliche Reisegruppe nach Theben, wo sie die Reste des auf dem Westufer gelegenen Millionenjahrhauses Amenophis’ III. (reg. 1390–1352 v. Chr.) besichtigte. Von diesem war wohl schon damals nicht viel mehr als die beiden monumentalen Sitzstatuen des Pharaos zu sehen (Abb. 35). Die nördliche Kolossalstatue identifizierten die Griechen mit dem mythischen Helden Memnon, weil der Thronname des Amenophis Mimmuria (Nb-m#o.t-Ro) ausgesprochen wurde, was sie an Memnon erinnerte (Gardiner). Beim Sonnenaufgang ließ diese Statue einen Ton hören, wie es zahreiche der am Koloss angebrachten Graffiti bezeugen, die im Griechischen und Lateinischen angeben, „ich habe gehört“ (ἤκουσα/audivi), mithin verkünden, einer göttlichen Epiphanie teilhaftig geworden zu sein (Haensch). Nach einer Restaurierung des Kolosses in nachhadrianischer Zeit hörte dieses Naturphänomen auf. Alle datierbaren der insgesamt 107 Graffiti stammen aus römischer Zeit (ältestes: I.Memnon 1: 20 n. Chr.; jüngstes: I.Memnon 57: 196 n.Chr.) und wurden, soweit ersichtlich, ausschließlich von gesellschaftlich hochstehenden Persönlichkeiten angebracht; auch drei Dichterinnen haben sich verewigt. Unter ihnen befindet sich wiederum die vornehme Römerin und Poetin Iulia Balbilla, die zur kaiserlichen Reisegruppe gehörte. Sie verfasste gleich vier Epigramme in elegischem Versmaß (I.Col. Memn. 28–31). Die ersten drei sind auf dem linken Bein angebracht (a-c), wo die Strahlen der aufgehenden Sonne früh hingelangen. Das vierte Epigramm findet sich auf dem linken Fuß (d). Texte und Übersetzung a) Nr. 28 Ἰουλίας Βαλίλλης· | ὅτε ἤκουσε τοῦ Μέµνος | ὁ Σεβαστὸς Ἁδριανός. | Μέµνονα πυνθανόµαν Αἰγύπτιον, ἀλίω αὔγαι (5) αἰθόµενον, φώνην Θηβαΐω ’πυ λίθω. | Ἀδρίανον δ’ ἐσίδων, τὸν παµβασίληα, πρὶν αὔγας | ἀελίω χαίρην εἶπέ οι ὠς δύνατον. | Τίταν δ’ ὄττ’ ἐλάων λεύκοισι δι’ αἴθερος ἴπποις | ἐ̣ν̣ὶ σκίαι ὠράων δεύτερον ἦχε µέτρον, (10) ὠς χάλκοιο τύπεντ[ο]ς ἴη Μέµνων πάλιν αὔδαν | ὀξύτονον· χαίρω[ν κ]αὶ τρίτον ἆχον ἴη. | κοίρανος Ἀδρίανο[ς τότ’ ἄ]λις δ’ ἀσπάσσατο καὖτος | Μέµνονα, κἀν [στά]λαι κάλ̣λι̣ [π]εν ὀψ[ι]γόνοις |

„Von Julia Balbilla, als den Memnon hörte der erhabene Hadrian. Von Memnon hört ich, dem Ägypter, dass er vom Strahl der Sonne erglänzend redet aus dem thebischen Stein. Doch wie er Hadrian sah, den Allherrscher, entbot er ihm noch vor der Sonne Strahl, wie er vermochte, den Gruß. Als aber Titan mit leuchtenden Rossen durch den Äther fahrend im Schatten der Stunden das zweite Maß erreichte, da entsandte Memnon wieder, wie angeschlagenes Erz, hellklingend seine Stimme. Und scheidend entbot er zum dritten den Gruß. Da grüßte gebührend auch

324 γρόππατα σαµαίνο[ν]τά τ’ ὄσ’ εὔϊδε κὤσσ’ ἐσάκουσε, (15) δῆλον παῖσι δ’ ἔγε[ν]τ’ ὤς ε φίλισι θέοι.

b) Nr. 29 ὅτε σὺν τῇ Σεβαστῇ Σαβείνη|ι ἐγενόµην παρὰ τῷ Μέµνονι. | Αὔως καὶ γεράρω, Μέµνον, πάϊ Τιθώνοιο, | Θηβάας θάσσων ἄντα Δίος πόλιος, (5) ἢ Ἀµένωθ, βασίλευ Αἰγύπτιε, τὼς ἐνέποισιν | ἴρηες µύθων τῶν παλάων ἴδριες, | χαῖρε, καὶ αὐδάσαις πρόφρων ἀσπάσ̣δε̣ [ο κ]αὔτ[αν] | τὰν σέµναν ἄλοχον κοιράνω Ἀδριάνω. | γλῶσσαν µέν τοι τµᾶξε [κ]αὶ ὤατα βάρβαρο̣ς̣ ἄνηρ, (10) Καµβύσαις ἄθεος· τῶ ῥα λύγρῳ θαν̣άτῳ | δῶκέν τοι ποίναν τὤτωι ἅκ[ρῳ] ἄορι πλάγεις | τῷ νήλας Ἆπιν κάκτανε τὸν θέϊον. | ἀλλ’ ἔγω οὐ δοκίµωµι σέθεν τόδ’ ὄ̣λε̣ σθ’ ἂ̣ν ἄγαλµα, | ψύχαν δ’ ἀθανάταν λοίπ̣ο̣ν̣ ἔσωσ̣α̣ νόῳ. (15) εὐσέβεες γὰρ ἔµοι γένεται πάπποι τ’ ἐγένο̣ντο, | Βάλβιλλός τ’ ὀ σόφος κ’ Ἀντίοχος βασίλευς, | Βάλβιλλος γενέταις µᾶτρος βασιλήϊδος ἄµµας̣, | τῶ πάτε̣ρος δὲ πάτηρ Ἀντίοχος βασίλευς· | κήνων ἐκ γενέας κἄγω λόχον αἶµα τὸ κᾶλον, (20) Βαλβίλλας δ’ ἔµεθεν γρόπτα τάδ’ εὐσέβεος.

c) Nr. 30 ὅτε τῇ πρώτῃ ἡµέρᾳ οὐκ ἀ|κούσαµεν τοῦ Μέµνονος. | χθίσδον µέν Μέµνων σίγαις ἀπε-

Texte der Gebieter Hadrian den Memnon und ließ aufgezeichnet auf einer Stele den Nachgeborenen die Kunde zurück von allem, was er gesehen und was er gehört hatte. Offenbar aber wurde allen, wie ihn die Götter lieben.“ „Als ich mit der erhabenen Sabina zum Memnon gekommen war. Der Eos und des ehrwürdigen Tithonos Sohn, Memnon, der du Theben gegenüber sitzest, der Stadt des Zeus; oder Amenoth, ägyptischer König, wie die Priester sagen, die der alten Mythen kundig sind: Ich grüße dich; sprich auch du und bewillkommne freundlich die erlauchte Gattin des Gebieters Hadrian. Die Zunge schnitt dir ab und die Ohren ein barbarischer Mann, Kambyses der Gottlose; für den schmählichen Tod denn zahlte er dir Buße, getroffen, der Freche, vom selben Schwert, mit dem der Frevler Apis erschlug, den göttlichen. Aber ich glaube nicht, dass dieses dein herrliches Bild vernichtet ist; mit reinem Sinn habe ich deine unsterbliche Seele bewahrt. Denn fromm waren meine Väter und Vorväter: Balbillos der Weise und Antiochos der König: Balbillos der Vater, von königlicher Mutter Geblüt, und dessen Vatersvater, Antiochos der König. Aus deren Geschlecht entsprossen ward auch ich teilhaft des edlen Blutes: von Balbilla sind diese Verse, der Frommen.“ „Als wir am ersten Tag den Memnon nicht hörten. Gestern, Memnon, hast du dich

66. Hadrian bei den Memnonskolossen [δέξατ’ ἀκ]οίτα[ν](?), | ὠς πάλιν ἀ κάλα τυῖδε Σάβιννα µ̣ό[λοι]. (5) τέ̣ρπει γάρ σ’ ἐράτα µόρφα βασιλήϊδος ἄµ̣µας, | ἐλθοίσαι δ’ [α]ὔ̣ται θήϊον ἄ̣χον ἴη, | µὴ καί τοι βασίλευς κοτέ̣σῃ, τό νυ δᾶρον ἀτά[ρβης] | τὰν σέµναν κατέ̣χ̣ες κουριδίαν ἄλοχον. | κὠ Μέµνων τρέσσαις µεγάλω µένος Ἀδρι[άνοιο] (10) ἐξαπίνας αὔδασ’, ἀ δ’ ὀΐοισ’ ἐχάρη.

d) Nr. 31 ἔκλυον αὐδήσαντος ἔγω ’πυ λίθω Βάλβιλλα | φώνα τᾶς θεΐας Μέµνονος ἢ Φαµένωθ. | ἦλθον ὔµοι δ’ ἐράται βασιλήϊδι τυῖδε Σαβίννᾳ, | ὤρας δὲ πρώτας ἄλιος ἦχε δρόµος. (5) κοιράνω{ι} Ἀδριάνω πέµπτῳ δεκότῳ δ’ ἐ|νιαύτῳ, | α δ’ ἔχεσκε Ἄθυρ εἴκοσι | καὶ πέσυρα. | εἰκόστῳ πέµπτῳ | δ’ ἄµατι µῆνος Ἄθυρ.

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schweigend versagt, du Arger: auf dass wieder die Schritte hierher lenke die schöne Sabina. Denn du hast Wohlgefallen an der lieblichen Gestalt unserer Königin. Nun sie kommt, lass ihr deinen göttlichen Klang ertönen, damit dir der König nicht gar zürne, dass du so lange furchtlos seine erlauchte Gattin hinhältst. – Und Memnon, zitternd vor des gewaltigen Hadrians Majestät, tönt allsogleich; die aber freute sich des, wie sie’s vernahm.“ „Aus dem tönenden Stein hörte ich, Balbilla, die göttliche Stimme des Memnon oder Phamenoth. Ich war hierhergekommen mit Sabina, der lieblichen Königin; der ersten Stunde Lauf hatte Helios vollendet, im fünfzehnten Jahre der Herrschaft Hadrians, [der Tage hatte der Athyr vollendet zwanzig und vier,] am 25. Tag des Monats Hathyr.“ Übersetzungen: W. Peek

Kommentar: Das Tönen des Kolosses hat Strabon (XVII 1,46) wie folgt beschrieben: „Es herrscht der Glaube, dass einmal an jedem Tag ein Ton wie von einem leichten Schlag aus dem noch auf dem Thron und dem Sockel gebliebenen Teil ertönt, und auch ich habe, als ich mit Aelius Gallus und der großen Gesellschaft der ihn begleitenden Freunde und Soldaten um die erste Stunde an Ort und Stelle war, den Ton gehört; aber ob er von dem Sockel kam oder von dem Koloss oder ob einer von denen, die ringsherum und um den Sockel standen, absichtlich den Ton hervorgebracht hat, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.“ (Übersetzung: Radt). Pausanias (I 42,3) merkt zudem an, dass das zur Morgenstunde erklingende laute Geräusch dem Reißen der Saite einer Kithara oder Lyra ähnele. Es handelte sich also um ein beachtenswertes, aber keinesfalls angenehm anzuhörendes Ereignis. Das Naturphänomen des Rufes des Memnon, das auch im ersten Epigramm mit dem Klingen von Metall verglichen wird, lässt sich wohl mit der Erwärmung des Gesteins durch die Morgensonne in Zusammenhang bringen. Nach Auskunft von Text a) hatte Hadrian selbst den Koloss besucht und insgesamt dreimal habe Memnon den Ruf erklingen lassen: Vor Sonnenaufgang und zweimal in der zweiten Stunde. Es hatte sich also,

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gerade, als Hadrian zugegen war, angeblich ein Wunder ereignet, da der Memnon noch vor Sonnenaufgang erklungen war. Der Kaiser wiederum, den die Verfasserin mit nahezu göttlichen Epitheta und epischen Akklamationen als „Allherrscher“ (panbasileus) und „Gebieter“ (koiranos) belegt, sorgte für die Verewigung dieses Wunders durch eine Stele, was bedeutet, dass er eine Inschrift auf dem Koloss anbringen ließ. Durch das Wunder hatte sich schließlich die Liebe der Götter zu ihm ausgedrückt. Einerseits wird damit klar, dass Hadrian eben kein Gott ist, andererseits verweist Hadrian auf die Legitimation seiner Herrschaft, die göttlich sanktioniert ist. Besonders wird hierbei an die ägyptischen Untertanen gedacht worden sein, denn diese lasen die das Ereignis memorierende Inschrift und diesen waren auch die Freveltaten des Kambyses allem Anschein nach noch sehr gut bekannt. Über diese Geschichte berichtet Balbilla dann in ihrem zweiten Epigramm. Aus ihm geht hervor, dass die kaiserliche Reisegruppe von den ägyptischen Priestern oder zumindest sehr kundigen Begleitern über die wahre Identität des Kolosses aufgeklärt worden war. So bezeichnet die Verfasserin den Koloss einerseits der griechischen Tradition folgend als Memnon, Sohn der Eos (Aurora ist die lateinische Wiedergabe ihres Namens) und des Tithonos, andererseits aber als Amenoth (Nr. 29) oder Phamenoth (Nr. 31). Der letztere Name ist eine Verbindung aus dem ägyptischen Artikel P – „der“ – und der griechischen Aussprache des Königsnamens Imen-hetep („Amun ist zufrieden“) bzw. Amen(h)oth. Beide Male ist Amenophis III. gemeint. Dann kommt Balbilla auf die bereits von Herodot überlieferte Geschichte vom Mord des Apis-Stieres, den Kambyses mit einem Schwertstoß in die Hüfte getötet hatte (Herodot III 27– 29), zu sprechen. So erinnert sie auch an das daran anschließende Schicksal des Kambyses, den sein eigenes Schwert an der gleichen Stelle des Körpers beim Absteigen von einem Pferd todbringend verletzte (Herodot III 64). Die thebanischen Priester schrieben nun Kambyses nicht nur den Apisfrevel zu, sondern auch die Verstümmelung der Statue des Memnon/Amenoth. Vielleicht erzählten sie dazu die Untaten und Brandschatzungen, die Kambyses den Heiligtümern angetan haben soll (Diodor I 46,4; I 49,5). Bei Pausanias schließlich findet sich, etwa eine Generation nach dem Hadrianbesuch, ebenfalls der Hinweis, dass Kambyses die Memnon-Statue zerstört habe (I 42,3). Auf diese Weise erscheint also Hadrian als Anti-Kambyses und eine Art neuer ägyptischer Heilsherrscher, dessen Herrschaft durch Amenophis III. höchstpersönlich legitimiert wird. Wie wir dann aber dem dritten abgedruckten Text entnehmen können, konnte der Koloss auch „feindlich“ schweigen –, möglicherweise eher deshalb, weil die Witterungsbedingungen ungünstig waren, so dass das Naturphänomen ausblieb. Das war der Fall, als die Kaisergemahlin Sabina Memnon besuchte – Memnon habe dies nur getan, um „die schöne Sabina“ noch einmal zu sehen, weil sie nun zu einem erneuten Besuch gezwungen war. Vielleicht wenig später oder am folgenden Morgen rief Memnon dann doch, weil er, wie die Verfasserin meint, Respekt und Furcht vor Hadrian zeigte. Geschehen ist dies, wie aus dem vierten

66. Hadrian bei den Memnonskolossen

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Epigramm hervorgeht, als die Kaiserin gemeinsam mit der Dichterin den Koloss besuchte, und zwar während des Sonnenaufganges (und nicht schon vor Sonnenaufgang, wie es bei Hadrian der Fall war). Das bedeutet wohl, dass Hadrian und Sabina nicht gleichzeitig zu den Kolossen gekommen waren. Es kann natürlich aber auch sein (nach Bernand), dass die Reisegruppe gemeinsam am 19. November kam und der Memnonskoloss keinen Ruf abgab. Als sie ihn am 20. besuchten, waren zuerst die Kaiserin und Julia Balbilla zugegen und wenig später Hadrian. Andere hegen aber berechtigte Zweifel daran, dass eine Rekonstruktion der Ereignisse aufgrund der poetischen Reflexionen überhaupt möglich ist (Hemelrijk).

Abb. 35: Die Memnonskolosse auf dem thebanischen Westufer. Die rechte Sitzstatue wurde von den Griechen mit Memnon identifiziert (Photo: Stefan Pfeiffer 2010).

Zwar ehrt die Dichterin die Gemahlin des Kaisers Vibia Sabina, doch letztlich geht es ihr insbesondere um die eigene memoria: Sie betont, dass sie mütterlicherseits Enkelin des Astrologen Tiberius Claudius Balbillus ist, der selbst von 55 bis 59 n. Chr. Präfekt Ägyptens war (vgl. hierzu Text 56). Väterlicherseits stammt sie als Enkelin von Antiochos IV. ab, dem König Kommagenes. Balbilla imitiert die Sprache der berühmten Dichterin Sappho aus dem späten 7. Jh. v. Chr. (West), suchte also eine Anlehnung an das berühmte Vorbild. Aus den Epigrammen geht zudem eine durchaus enge Beziehung der Verfasserin zur Kaiserin hervor. Die Tatsache, dass die Texte auch noch im Lesbischen Dialekt, also dem der Insel Lesbos, verfasst sind, hat natürlich die Vermutung genährt, die Beziehung zwischen den Frauen sei so intensiv gewesen wie diejenige des

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Hadrian zu Antinoos (Birley) – hier kann aber auch der Wunsch des Historikers Vater des Gedankens sein. & W. PEEK, Zu den Gedichten auf dem Memnonskoloss von Theben, in: MDAIK 5, 1934, 95–110; A. H. GARDINER, The Egyptian Memnon, in: JEA 47, 1961, 91–99 (zum Namen Memnon); G. PFOHL, Griechische Inschriften als Zeugnisse des privaten und öffentlichen Lebens, München 1966, Nr. 91 (= Nr. 28); M. GUARDUCCI, Epigraphia Greca III, Rom 1975, 215f. (= Nr. 31); M. L. WEST, Balbilla Did Not Save Memnon’s Soul, in: ZPE 25, 1977, 120; M. L. WEST, Die griechischen Dichterinnen der Kaiserzeit, in: H. G. Beck (Hg.), Kyklos: Griechisches und Byzantinisches. Rudolf Keydell zum 90. Geburtstag, Berlin/New York 1978, 104–108; H. HOMEYER, Dichterinnen des Altertums und des frühen Mittelalters. Zweisprachige Textausgabe, Paderborn u.a. 1979, 103 (deutsche Übersetzung); G. W. BOWERSOCK, The Miracle of Memnon, in: BASP 21, 1984, 21–32 (zum Gesang des Memnon); E. L. BOWIE, Greek Poetry in the Antonine Age, in: D. A. Russell (Hg.), Antonine Literature, Oxford 1990, 62f. (englische Übersetzung); A. R. BIRLEY, Hadrian and Greek Senators, in: ZPE 116, 1997, 209–245 (zur Familie der Balbilla); T. C. BRENNAN, The Poets Julia Balbilla and Damo at the Colossus of Memnon, in: Classical World 91, 1998, 215–234 (Behandlung der Poetin); J. ROWLANDSON, Women and Society in Greek and Roman Egypt: A Sourcebook, Cambridge 1998, Nr. 244f. (englische Übersetzung von Nr. 28 und 29); E. A. HEMELRIJK, Matrona docta. Educated Women in the Roman Elite from Cornelia to Julia Domna, London/New York 1999, 157–167; R. BURNET, L’Égypte ancienne à travers les papyrus. Vie quotidienne, Paris 2003, Nr. 189 (Übersetzung und kurzer Kommentar zur Nr. 29 und 30); I. M. PLANT, Women Writers of Ancient Greece and Rome: An Anthology, Norman/OK 2004, Nr. 43 (englische Übersetzung, kurzer Kommentar); M. FRAß, Reiselustige Frauen im Römischen Ägypten, in: R. Rollinger/B. Truschnegg (Hg.), Altertum und Mittelmeerraum: Die antike Welt diesseits und jenseits der Levante. Festschrift für Peter W. Haider zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2006, 488–491; P. ROSENMEYER, Greek Verse Inscriptions in Roman Egypt: Julia Balbilla’s Sapphic Voice, in: Classical Antiquity 27, 2008, 334–358 (Vermutung einer Nachahmung Sapphos); A. M. CIRIO, Gli epigrammi di Giulia Balbilla (ricordi di una dama di corte) e altri testi al femminile sul colosse di Memnone, Lecce 2011 (Kritik BE 2014, 533); M. CASSIA, Hormos. Ricerche di storia antica 9, 2017, 29–99 (Kommentar, Kritik bei BE 2018, 503: „surinterpretation“); P. A. ROSENMEYER, The Language of Ruins. Greek and Latin Inscriptions on the Memnon Colossus, Oxford 2018; R. HAENSCH, Die Vertreter Roms und die ,heiligen‘ Stätten in Ägypten und Nubien. Vergesellschaftete griechische und lateinische Inschriften auf den Monumenten der Provinz Aegyptus, in: U. Ehmig (Hg.), Vergesellschaftete Schriften. Beiträge zum internationalen Workshop der Arbeitsgruppe 11 am SFB 933, Wiesbaden 2019, 85–91 (Überblick zu den Inschriften I.Memnon).

67. Die via Hadriana nova

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67. Die via Hadriana nova: Der Weg zum Roten Meer (137 n. Chr.) I.Pan 80 = I.Portes 4 = OGIS II 701 = IGRR I 1142 = SB V 8908 (+ S. 551) = I.Kanaïs 12 = Smallwood, Nr. 423 = TM 81675 Standort: Kairo, Ägyptisches Museum CG 9291 67. Die via Hadriana nova

Die unter Hadrian gebaute via Hadriana nova war mit 800 km Länge das letzte große Bauprogramm Roms in der Ostwüste. Sie diente dazu, das von Hadrian gegründete Antinoopolis und die Häfen der Küste des Roten Meeres miteinander zu verbinden. Die Route führte von Antinoopolis zunächst quer durch die Wüste nach Osten ans Rote Meer und von da aus, entlang der Küste, hunderte Kilometer bis nach Berenike, das auf etwa der gleichen Höhe liegt wie Syene. Anlässlich der Fertigstellung ließ Hadrian bzw. wohl eher der praefectus Aegypti im Namen des Kaisers in Antinoopolis eine Statue (vielleicht des Kaisers) errichten, deren heute noch erhaltene Basis die vorliegende griechische Inschrift trug. An der gegenüberliegenden Seite des Monuments befand sich eine heute nicht mehr lesbare lateinische Fassung der Stiftungsinschrift. Text und Übersetzung Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ, θεοῦ | [Τραιαν]οῦ Παρθικοῦ υἱὸς, | θεοῦ Νέρουα υἱωνὸς, Τραιανὸς | Ἁδριανὸς Σεβαστός, ἀρχιερεὺς (5) µέγιστος, δηµαρχικῆς ἐξουσίας | τὸ κα, Αὐτοκράτωρ τὸ β, | ὕπατος τὸ γ, πατὴρ πατρίδος, | ὁδὸν καινὴν Ἁδριανὴν ἀπὸ | Βερενίκης εἰς Ἀντινόου διὰ (10) τόπων ἀσφαλῶν καὶ ὁµαλῶν | παρὰ τὴν Ἐρυθρὰν θάλασσαν | ὑδρεύµασιν ἀφθόνοις καὶ | σταθµοῖς καὶ φρουρίοις δι|ειληµµένην ἔτεµεν. (15) ἔτους κα, Φαµενὼθ α̅.

„Imperator Caesar, Sohn des Gottes Traianus Parthicus, Enkel des Gottes Nerva, Traianus Hadrianus Augustus, pontifex maximus, zum 21. Mal Inhaber der tribunizischen Amtsgewalt, zum 2. Mal zum imperator ausgerufen, zum 3. Mal Konsul, pater patriae, hat die via nova Hadriana von Berenike nach Antinoe gebaut, durch sichere und ebene Gebiete am Roten Meer, und er hat sie in regelmäßigen Abständen mit ausreichenden Quellen und Unterkünften und Festungen ausgestattet. Im 21. Regierungsjahr, am 1. Phamenoth.“

Kommentar: Rom setzte seine Soldaten allenthalben zu öffentlichen Bauvorhaben ein, die der kulturellen oder auch infrastrukturellen Durchdringung einer Provinz dienen sollten. Im vorliegenden Fall bauten die Soldaten nicht nur die Wüstenroute, sondern legten auch die nötigen Brunnen an. Zwar konnten im Imperium solche Straßen durchaus gepflastert sein, doch sah man in der Wüste von einer solchen letztlich unnötigen Maßnahme ab. Es handelte sich deshalb nur um eine gereinigte Fläche, die die Römer als via terrena bezeichneten, deren Begrenzung nicht einmal durch beschriftete Meilensteine, sondern nur

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durch kleine Steinhügel von ca. 60 x 70 cm Umfang gekennzeichnet war. Die Straßenbreite variierte zwischen wenigen Metern und 46,5 m. Freilich ist nicht der ganze Weg durch die bergreiche Ostwüste „eben und sicher“ gewesen, sondern lediglich das Stück, das entlang des Roten Meeres führte. Von der Küste selbst hält die Straße aber meist einen Abstand von bis zu 15 Kilometern, was möglicherweise daran lag, dass man so nicht die Mündungen verschiedener Wadis, also ausgetrockneter Flusstäler, durchkreuzen musste, denn nach einem Sturzregen hätte die Straße jeweils neu hergerichtet werden müssen (Sidebotham). Zudem werden die Wadis an der Küste immer tiefer, so dass Reisende ständig das Höhenniveau hätten wechseln müssen. Und schließlich hätten die neu ausgehobenen Quellen hier nur Brackwasser geliefert. Der Zweck der Straße ist umstritten. Anders als die übrigen sechs Wüstenstraßen diente die Route möglicherweise nicht so sehr dem Warenverkehr oder den Steinbruchtätigkeiten (hierzu konnte man die alten, direkten Verbindungswege ins Niltal nutzen), sondern insbesondere für Bewegungen von Verwaltung und Militär, weil erstmals alle Städte des Roten Meeres durch die Straße miteinander verbunden wurden (Sidebotham). Andererseits lässt sich aber nicht ausschließen, dass Hadrian die Stellung des von ihm gegründeten Antinoopolis gegen Koptos (vgl. Text 62) stärken wollte und deshalb ganz im Gegenteil vor allem den Handel im Blick hatte (Adams, pace Young). Die erwähnten Wegestationen waren sicherlich Bestandteil des cursus publicus. Oberflächenbegehungen der Straße zeigen, dass etwa alle 32 Kilometer Stationen angelegt worden waren. Befestigungen wiederum gab es nur entlang des Roten Meeres, nicht aber zwischen dem Niltal und dem Meer (Sidebotham/Zitterkopf). & E. MILLER, Sur une inscription grecque découverte à Cheikh Abad, l’ancienne Antinoé, in: Revue archéologique 21, 1870, 313–318 (ed. pr.); St. E. SIDEBOTHAM/R. E. ZITTERKOPF, Survey of the Via Hadriana by the University of Delaware: The 1996 Season, in: BIFAO 97, 1997, 221–237; S. E. SIDEBOTHAM u.a., Survey of the Via Hadriana: The 1998 Season, in: JARCE 37, 2000, 115–126; G. K. YOUNG, Rome’s Eastern Trade. International Commerce and Imperial Policy 31 BC–AD 305, London 2001, 69–71 (zur Handelsfunktion); B. PALME, Zivile Aufgaben der Armee im kaiserzeitlichen Ägypten, in: A. Kolb (Hg.), Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich. Akten der Tagung an der Universität Zürich 18.–20.10.2004, Berlin 2006, 304f. (zur Errichtung öffentlicher Gebäude durch das Heer); S. E. SIDEBOTHAM/R. E. ZITTERKOPF, Surveying the Via Nova Hadriana: The Emperor Hadrian’s Desert Highway in Egypt, in: Minerva 17/3, 2006, 34f.; C. E. P. ADAMS, Land Transport in Roman Egypt. A Study of Economics and Administration in a Roman Province, Oxford 2007, 41f.; St. E. SIDEBOTHAM u.a., The Red Land. The Illustrated Archaeology of Egypt’s Eastern Desert, Kairo/New York 2008, 42–50 (zur Archäologie, mit Literatur zu den Surveys 380f.); A. JÖRDENS, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009, 424–429; St. E. SIDEBOTHAM, Berenike and the Ancient Maritime Spice Route, Berkeley/Los Angeles 2011, 125–136.

68. Die Errichtung einer Basilika

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68. Die Errichtung einer Basilika durch eine römische Kohorte (zwischen 138 und 140 n. Chr.) CIL III 2, 6025 = ILS I 2615 = TM 128448 Standort: Wien, Kunsthistorisches Museum n.n. 68. Die Er richtung einer Bas ilika

Aus der Nähe von Philae stammt eine Inschrift, die von der Errichtung einer Basilika durch das römische Militär berichtet. Obwohl der Stein nicht zu einem in situ-Befund gehört, gibt es die Ansicht, dass die Inschrift ein Beleg für eine Basilika sei, die zu einem römischen Lager bei Shellal, am Nilufer südlich von Syene, gehörte (Maxfield). Allerdings kennen wir auch in Syene selbst zumindest archäologische Reste einer Basilika, so dass die betreffende Inschrift auch diesem Bau zugeordnet werden könnte. Angebracht ist der Text auf einer Sandsteinplatte, in die die Form einer tabula ansata eingetieft ist. Text und Übersetzung Imp(eratori) • Caesar(i) • T(ito) • Aelio Hadriano | Antonino Aug(usto) Pio p(atri) • p(atriae) • | coh(ors) I Fl(avia) • Cil(icum) • eq(uitata) • basilicam fecit per | C(aium) • Avidium Heliodorum praef(ectum) • Aeg(ypti) et (5) T(itum) Flavium Vergilianum praef(ectum) • castr(orum) | cura agente Statilio Tauro (centurione) leg(ionis) • II • Tr(aianae) • f(ortis) | curatore coh(ortis) • eiusdem.

„Dem Imperator Caesar Titus Aelius Hadrianus Antoninus Augustus Pius, Vater des Vaterlandes, hat die cohors I Flavia Cilicum equitata die Basilika errichtet, durch Gaius Avidius Heliodorus, den praefectus Aegypti, und Titus Flavius Vergilianus, den praefectus castrorum, indem Statilius Taurus, centurio der legio II Traiana fortis, curator derselben Kohorte, Sorge dafür getragen hat.“

Kommentar: Seit dem Beginn des 2. Jhs. n. Chr., nach der Niederschlagung der jüdischen Aufstände im ersten Jahrzehnt, war nur noch eine einzige Legion in Ägypten stationiert, die legio II Traiana, die spätestens 127 n. Chr. (vgl. CIL III 79, CIL III 42) die legio XXII Deiotariana und die legio III Cyrenaica abgelöst hatte. Jetzt standen statt der 18–20.000 Soldaten nur noch 14–15.000 in der Provinz (Mitthof). Nach dem Präfekten Ägyptens ist hier der Legionskommandeur Titus Flavius Vergilianus mit dem Amt eines praefectus castrorum als Verantwortlicher des Baus genannt. Er war als Legionskommandeur also, anders als in anderen Regionen des Imperiums, kein legatus legionis oder tribunus laticlavus. Hierfür hätte er aus dem Senatorenstand kommen müssen. Wie es das Amt zeigt, stammte er jedoch aus dem Ritterstand (ordo equester). Dies war in Ägypten deshalb Usus, weil der Legionskommandeur nicht aus einem höheren Stand kommen konnte als der ritterliche praefectus Aegypti. Das Fehlen senatorischer Funktionsträger in hohen Ämtern in der Provinz Aegyptus hatte Augustus bestimmt (vgl. Texte 43 und 44), nachdem er gesehen hatte, welche

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Machtmöglichkeiten sein Gegner Marc Anton hier vorgefunden hatte. So sollte Senatoren die Möglichkeit genommen werden, von hier aus Usurpationen anzustreben. Neben den Legionen gab es in Ägypten noch verschiedene Auxiliareinheiten, bestehend aus Infanterie und Kavallerie. Ihre Mitglieder wurden üblicherweise aus der Bevölkerung der Provinz rekrutiert, in Ägypten insbesondere aus der griechischen oder hellenisierten Bevölkerung der Gaumetropolen. Nach bis zu 26 Dienstjahren und der honesta missio, also der ehrenvollen Entlassung, erhielt dann auch der aus der Provinz stammende Soldat das römische Bürgerrecht. Die cohors I Flavia Cilicum equitata, die hier genannt ist, setzte sich hingegen, wie es der Name der Kohorte zeigt, nicht aus Ägyptern, sondern aus Kilikiern zusammen (Bennett). Sie war bei Syene stationiert und verfügte neben der Infanterie auch über eine leichte berittene Einheit. Die Truppe diente insbesondere der Sicherung vor Einfällen von Beduinen in Assuan, war aber auch in anderen Wüstenregionen des Landes tätig (Daris). Der Kommandeur der Einheit und Bauleiter des Gebäudes war ein gewisser Statilius Taurus. In Ägypten waren Kommandeure der Auxiliartruppen nicht, wie sonst im Imperium, Männer am Anfang ihrer militärischen Karriere, sondern langgediente und erfahrene römische Offiziere (Haensch). Der curator Statilius Taurus wiederum war ein abkommandierter Zenturio der legio II Traiana. Dem Namen nach könnte er ein Nachfahre des Titus Statilius Taurus (cos. 26 v. Chr.) sein, also einer Familie angehören, deren Mitglieder im 1. Jh. n. Chr. immer wieder das Konsulat innehatten. Sollte dies stimmen, dann müsste seine Familie allerdings den Senatorenstand, etwa aufgrund mangelnden Vermögens, im 2. Jahrhundert verlassen haben. Möglicherweise ist Statilius Taurus zudem identisch mit einem von Aelius Aristides nicht namentlich erwähnten Phrurarchen, also Festungskommandanten, der dem Schriftsteller den Besuch der Kataraktenregion ermöglichte (Locher). Der römische Autor berichtet von einer Reise, die ihn im Jahr 141/142 n. Chr. (Or. XXXVI 49) in die Region führte: „Nachdem ich so wieder in Syene war, das der Nil von Elephantine trennt, bat ich den Festungskommandanten trotz meines durch die Krankheit bedingten schlechten Befindens, mir ein leichtes Boot zur Verfügung zu stellen und mich zurückzuschicken, um die Katarakte sehen zu können. Ich bat ihn auch, Leute mitzuschicken, die die Bewohner auf der Katarakteninsel zwingen sollten – diese sind Schiffer, die mit der Strömung vertraut sind –, uns sowohl die Katarakte als auch ihr Schauspiel auf den Schiffen zu zeigen, was es auch sei. Davon erfahren habe ich von denen, die hier leben. Er aber sagte, dass das sehr schwierig sei, er sich selbst gewiss nicht bis dorthin traue, und staunte über meine Absicht. Aber er verweigerte es nicht komplett, sondern, nachdem er mich trotz des Versuches, mich davon abzubringen, nicht überreden konnte, schickte er mich so los, auch da er sonst in freundschaftlichem Verhältnis zu mir stand und sich gefällig erweisen wollte.“ (Übersetzung: Jan Tattko).

68. Die Errichtung einer Basilika

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Bei dem errichteten Gebäude könnte es sich um eine sogenannte Übungsbasilika (basilica exercitatoria) handeln, in der die Soldaten das militärische Training absolvierten (Devijver, dagegen Le Bohec). Oder es war eine basilica principiorum, also eine Basilika, die sich bei der principia, dem Stabsgebäude in der Mitte des Lagers, befand. Da Soldaten aber auch zur Errichtung öffentlicher Gebäude eingesetzt wurden (Palme), besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass es die Basilika von Syene war, auch wenn in diesem Fall vielleicht zu erwarten wäre, dass der Kaiser als Stifter genannt worden wäre. & J. LESQUIER, L’armée romaine de l’Égypte d’Auguste à Dioclétien, Kairo 1918 (grundlegende Darstellung zur römischen Armee in Ägypten); R. NOLL, Griechische und lateinische Inschriften der Wiener Antikensammlung: ein Verzeichnis, Wien 1962, Nr. 113; A. VON DOMASZEWSKI, Die Rangordnung des römischen Heeres. 2. durchgesehene Auflage, Einführung, Berichtigung und Nachträge von Brian Dobson, Köln/Graz 1967, 121f. (zum praefectus legionis); H. DEVIJVER, Cohortes Cilicum in the Service of Rome, in: ZPE 47, 1982, 173–183 (Belege zu den Abteilungen des Heeres in Ägypten); M. G. ANGELI BERTINELLI, I centurioni della „Legio II Traiana“, in: Studi in onore di Arnaldo Biscardi 4, Mailand 1983, 167, Nr. 69 (Text); H. DEVIJVER, L’Égypte et l’histoire de l’armée romaine, in: L. Criscuolo/G. Geraci (Hg.), Egitto e storia antica dall’ellenismo all’età araba. Bilancio di un confronto. Atti del colloquio internazionale. Bologna, 31 agosto – 2 settembre 1987, Bologna 1989, 41–44 (zum praefectus castrorum); B. DOBSON, Praefectus castrorum Aegypti – a Reconsideration, in: CdÉ 57, 1982, 322–337 (zum Problem der Rangordnung im ägyptischen Heer); M. P. SPEIDEL, Nubia’s Roman Garrison, in: ANRW II 10,1 (1988), 767–798; H. HEINEN, Army, Roman, in: The Coptic Encyclopedia I (1991), 235–239 (Überblicksbeitrag mit Literatur); Y. LE BOHEC, Die römische Armee: Von Augustus zu Konstantin d. Gr., Stuttgart 1993, 125– 128 (zur Übungsbasilika); K. STROBEL, Rangordnung und Papyrologie, in: Y. Le Bohec (Hg.), La hiérarchie (Rangordnung) de l’armée romaine sous le Haut-Empire, Paris 1995, 93–111 (kritischer Forschungsüberblick mit Plädoyer zur Nutzung der papyrologischen Evidenz für das gesamte Imperium); R. ALSTON, Soldier and Society in Roman Egypt, London/New York 1995 mit der Rezension von A. MARTIN, in: CdÈ 72, 1997, 184f. (zum römischen Militär in Ägypten); J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 83–86 (zur römischen Armee in Syene); V. A. MAXFIELD, The Deployment of the Roman Auxilia in Upper Egypt and the Eastern Desert, in: G. Alföldy u.a. (Hg.), Kaiser, Heer und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit. Gedenkschrift für Eric Birley, Stuttgart 2000, 410–418 (zur Verteilung römischer Truppen); F. MITTHOF, Annona Militaris. Die Heeresversorgung im spätantiken Ägypten. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Heeresgeschichte des Römischen Reiches im 3. bis 6. Jh. n. Chr., Florenz 2001, 222f. (zur Heeresgröße in Ägypten); B. PALME, Zivile Aufgaben der Armee im kaiserzeitlichen Ägypten, in: A. Kolb (Hg.), Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich. Akten der Tagung an der Universität Zürich 18.–20.10.2004, Berlin 2006, 299–328; V. A. MAXFIELD, Aswan and the River Nile: Frontier and Highway, in: A. Morillo Cerdán u.a. (Hg.), Limes XX. XX Congreso Internacional de Estudios sobre la Frontera Romana/XXth International Congress of Roman Frontier Studies, León (España), 9. 2006, Anejos e Gladius 13,1–3, Madrid 2009, 73–84 (zur Lokalisierung); R. HAENSCH, Der exercitus Aegyptiacus – ein provinzialer Heeresverband wie andere

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Texte

auch?, in: K. Lembke u.a. (Hg.), Tradition and Transformation: Egypt under Roman Rule. Proceedings of the International Conference, Hildesheim, Roemer- and PelizaeusMuseum, 3–6 July 2008, Leiden/Boston 2010, 111–132; J. BENNET, The Regular Roman Auxiliary formed from the Provinces of Asia Minor, in: Anatolica 37, 2011, 265– 267 (zur cohors I Flavia Cilicum equitata); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 95f. (Dokumentation zum Präfekten).

69. Zwei griechische Kolossalstatuen aus Mittelägypten (zwischen 138 und 161 n. Chr.) I.Alex. imp. 54 = TM 118715 Standort: Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung SK 159 und 177 69. Zwei Kolos s als tatuen aus M ittelägypten

Die beiden Kolossalstatuen eines jugendlichen Gottes und einer Göttin sind jeweils über 2,80 m hoch und aus Marmor von der Insel Thasos gefertigt. Sie sollen in der ersten Hälfte des 19. Jhs. in den Ruinen des mittelägyptischen Antinoopolis oder in Lykonpolis/Assiut gefunden worden sein (Fendt), andere gehen von einem alexandrinischen Aufsstellungsort aus (Kayser). Für Letzteres würden das exquisite Herstellungsmaterial und die Qualität der Skulptur sprechen, die aus der Chora ansonsten nicht bekannt ist. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass auch im Inneren des Landes Eliten zu solchen Stiftungen in der Lage waren. Die männliche Figur ist, bis auf einen um die Schultern drappierten Mantel, nackt und steht im Kontrapost. Die voll gewandete weibliche Statue steht mit dem rechten Arm auf eine Ablage gelehnt und hat das entlastete rechte Bein über das linke Standbein geschlagen. Beide können nicht über ihre Attribute identifziert werden, weil diese heute nicht mehr erhalten sind. Die modernen Ergänzungen entspringen dem Geist des 19. Jhs. und dürfen nicht in die Interpretation mit einbezogen werden (vgl. Abb. 36). Die Plinthen tragen jeweils eine kurze dreizeilige, stark zerstörte Dedikationsinschrift. Da die Inschriften wohl identisch waren, können Fehlstellen jeweils aus dem anderen Text ergänzt werden. Text und Übersetzung a) Statue des Sarapis: Διὶ Ἡλίω‚[ι µεγάλῳ Σαράπιδι καὶ τοῖς συννάοις θεοῖς — ] | τοῦ Μα[ — , γυµνασίαρχος, ἀνέθηκεν ἐπ᾿ ἀγαθῷ, ἔτους — ] | Ἀντω‚[νείνου — ι̅γ̅].

b) Statue der Isis: [Διὶ Ἡλίωι µεγάλῳ Σα]ράπιδι καὶ

„Dem Zeus-Helios-[Megas-Sarapis und den Göttern, die den Tempel mit ihm teilen, hat NN, Sohn] des Ma[..., Gymnasiarch, sie (die Statue) zum Heil aufgestellt, im x.ten Regierungsjahr] des Antoninus [am 14. des Monats x].“ „[Dem Zeus-Helios-Megas-Sa]rapis

69. Zwei Kolossalstatuen aus Mittelägypten τοῖς συννά[οις θεοῖς — | τοῦ Μα —, γυµνασ]ίaαρχος, ἀνέθηκεν ἐπ᾿ ἀγ[αθῷ, ἔτους — | Ἀντωνείνου — ] ι̅γ̅.

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und den Göttern, die den Tempel mit ihm teilen ... des Ma..., Gymnas]iarch, er hat sie (die Statue) zum Heil aufgestellt, [im x. Regierungjahr des Antoninus,] am 14. [des Monats x].“

Abb. 36: Zeus-HeliosMegas-Sarapis und Isis. Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz –; Photo © Johannes Laurentius.

Kommentar: Mit seinem Amt eines Gymnasiarchen gehörte der Stifter zur griechischen Elite, möglicherweise in einer der Gaumetropolen des Landes oder aber in Alexandria selbst. Da die Statuen aus importiertem Marmor gefertigt sind, muss er sehr wohlhabend gewesen sein. Er weihte die Statuen an ZeusHelios-Megas-Sarapis. Diese synkretistische Gottheit ist seit der Zeit Traians bekannt und wurde entweder von Alexandria (Tallet, Cuvigny) oder von Theben (Bricault) aus verbreitet (vgl. Text 64 und 65). Da die Rückseiten beider Statuen nicht für die Ansicht bearbeitet waren, dürften sie ursprünglich in einer Wandnische aufgestellt gewesen sein. Die Weihung an Zeus-Helios-Megas-Sarapis legt zudem nahe, dass beide zu einem Sarapistempel gehörten. Solche Heiligtümer sind in Alexandria und Ägypten seit römischer Zeit auch im römisch-griechischen Baustil von Podiumtempeln gut belegt (Naerebout).

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Es ist nicht möglich, die beiden dargestellten Gottheiten zu identifizieren, weil keine Attribute mehr erhalten sind (Opferschale und Kranz sind Ergänzungen). Möglicherweise stellt der jugendliche Mann Zeus-Helios-Sarapis selbst dar, doch eigentlich wäre in diesem Fall zu erwarten, dass er im Akkusativ benannt würde. Im vorliegenden Fall wurde aber der Dativ verwendet – es handelt sich also, wie bei der Frauenstatue, um eine Stiftung „für“ Zeus-Helios-Sarapis. Vielleicht hat der Stifter also gegen die griechische Tradition der römischen Tradition folgend den Dativ statt des Akkusativs für die Statuenstiftung verwendet (vgl. Text 77). Das Problem ist aber, dass eben auch die Frauenstatue „dem Sarapis“ geweiht ist, was bedeutet, dass eine Verwechslung im Kasus nicht möglich ist. Trotzdem findet sich in der Literatur üblicherweise die Ansicht, dass es sich bei dem Dargestellten um Helios handelte, also der jugendliche Aspekt des mit der Weihung bedachten Gottes in den Vordergrund gerückt wurde. Im Gegensatz zu den bekannten Statuen des Sarapis, die ihn als bärtige Vatergottheit mit Korb (Kalathos) auf dem Kopf und, begleitet vom Cerberus, auf einem Thron sitzend präsentieren, hätte der Gymnasiarch also bewusst den von ihm geweihten Helios-Sarapis nach dem Bild des jugendlicheren Helios gestaltet. Der Stifter hätte im Kontext des lokalen Kultes den Aspekt der Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung durch den Gott besonders betonen wollen. Diese Form des Sarapis passt zudem gut zur „Ursprungslegende“ (origio dei), die Tacitus (Historien IV 83,1) überliefert, denn hier heißt es: „Dem König Ptolemaeus ... sei im Schlafe ein Jüngling von außergewöhnlicher Schönheit und übermenschlicher Gestalt erschienen.“ & R. MERKELBACH, Isis regina – Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt, München/Leipzig 2001, 78f. (zum Synkretismus); S. BAKHOUM, Dieux égyptiens à Alexandrie sous les Antonins. Recherches numismatiques et historiques, Paris 2002, 38f. (zu Helios-Sarapis auf Münzen); L. BRICAULT, Zeus Hélios Mégas Sarapis, in: C. Cannuyer (Hg.), La langue dans tous ses états, Brüssel u.a. 2005, 243–254 (zu Zeus-Helios-Megas-Sarapis); K. PARLASCA, Ein Sarapistempel in Oxyrhynchos?, in: CdÉ 81, 2006, 253–275 (zum „klassischen“ Heliostypus in Ägypten); F. G. NAEREBOUT, The Temple at Ras el-Soda. Is it an Isis Temple? Is it Greek, Roman, Egyptian, or Neither? And so what?, in: L. Bricault u.a. (Hg.), Nile into Tiber. Egypt in the Roman World. Proceedings of the IIIrd International Conference of Isis studies, Faculty of Archaeology, Leiden University, May 11–14 2005, Leiden/Boston 2007, 507–549 (Studie zur architektonischen Gestaltung der SarapisTempel); A. FENDT, Helios und die Göttin. Zwei vergessene Kolossalstatuen aus dem römischen Ägypten in der Berliner Antikensammlung, in: Jahrbuch der Berliner Museen, N.F. 51, 2009, 47–61 (kunsthistorischer Kommentar); H. CUVIGNY, The Shrine in the praesidium of Dios (Eastern Desert of Egypt): Graffiti and Oracles in Context, in: Chiron 40, 2010, 276–280 (zu Zeus-Helios-Megas-Sarapis); G. TALLET, Zeus Hélios Megas Sarapis, un dieu égyptien „pour les Romains“?, in: N. Belayche/J.-D. Dubois (Hg.), L’oiseau et le poisson: Cohabitations religieuses dans le monde grec et romain, Paris 2011, 227–261 (zu Zeus-Helios-Megas-Sarapis).

70. Obelisken in Assuan

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70. Obelisken in Assuan (166 n. Chr.) SB XX 14376 = AE 1974, 664 = TM 106128 Standort: Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 21790 70. Obelis ken in As s uan

Wie wichtig Obelisken für die Repräsentation der kaiserlichen Herrschaft waren, belegen zahlreiche aus Ägypten nach Rom importierte Exemplare (vgl. Text 46, 48 und 49). Es handelte sich dabei sowohl um alte pharaonische Obelisken als auch um solche, die speziell für einen Kaiser angefertigt und später in Italien dekoriert wurden, wie z. B. der Obelisk des Domitian auf der Piazza Navona. Der in den Steinbrüchen von Assuan gebrochene Rosengranit war das bevorzugte Herstellungsmaterial für Obelisken. Vorliegende Inschrift befindet sich auf der Rosengranitbasis eines Obelisken aus Assuan. Sie gehörte zu einem Obeliskenpaar, das möglicherweise vor einem Tempel des Iuppiter und der Iuno aufgestellt war und sich heute im Griechisch-Römischen Museum von Alexandria befindet. Text und Übersetzung Iovi [O]ptim[o] M[ax(imo) Ammo(?)]ṇi eṭ [Iunoni Reginae pro] | salute • et victoria • Imp(eratorum) • n(ostrorum) • Antonini • et • Veri Aug(ustorum) • | sub • T(ito) • Fl(avio) • Titiano • pr(aefecto) Aeg(ypti) • et • Attio • Restituto p(raefecto) • k(astrorum)(!) • | oboliscos(!) • duos • T(itus) • Aurelius • Restitutus • (centurio) • leg(ionis) • II • T(raianae) • f(ortis) (5) cur(ator) • coh(ortis) • I • Fl(aviae) • Cil(icum) • eq(uitatae) vac. de suo • posuit • | Servilio • Pudente • et • Fufi{c}io • Pollione • co(n)s(ulibus).

„Dem Iuppiter Optimus M[aximus Amm(?)]on und [der Iuno Regina zum] Wohl und Sieg unserer Imperatoren Antoninus und Verus, der Augusti, unter Titus Flavius Titianus, dem praefectus Aegypti, und Attius Restitutus, dem praefectus castrorum, hat Titus Aurelius Restitutus, centurio der legio II Traiana fortis, curator der cohors I Flavia Cilicum equitata aus seinen Mitteln die zwei Obelisken aufgestellt, unter den Konsuln Servilius Pudens und Fufidius Pollio.“

Kommentar: Die cohors I Flavia Cilicum equitata erscheint des Öfteren in den oberägyptischen Texten (vgl. Text 64 und 68). Sie war unter Domitian beim Wadi Hammamat stationiert (I.Koptos 52), unter Traian ist sie am Mons Claudianus belegt (Text 64), und seit Hadrian bis zum Anfang des 3. Jhs. n. Chr. lag sie in Syene (vgl. CIL 141474; I.Philae II 178). Die Kohorte wurde also insbesondere an den Steinbrüchen Ägyptens, in den Grenzregionen, eingesetzt. Möglicherweise war gerade deshalb das „rauhe Kilikien“, wo die Bevölkerung an die Situation von Bergregionen gut gewöhnt war, die Hauptrekrutierungsregion der Kohorte (Daris).

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Das Kommando über die Auxiliareinheit lag immer in der Hand eines Centurios der legio II Traiana fortis, der als erfahrener und langgedienter Militär des mittleren Offizierskorps der Legion als curator der Kohorte nach Assuan abgeordnet war. Vorliegende Stiftung ist eine Privatweihung, die Aurelius Restitutus zum Wohl und Sieg der beiden Kaiser Marc Aurel und Lucius Verus, die 161– 169 n. Chr. gemeinsam regierten, errichtet hatte. Interessant ist, dass der Stifter nicht nach dem Regierungsjahr der Kaiser datierte, wie es in Ägypten eigentlich üblich war. Stattdessen nennt er beide amtierenden Konsuln und bedient sich damit der im restlichen Imperium üblichen eponymen Datierungsweise. Das zeigt recht deutlich, dass Restitutus kein Mitglied der Provinzialbevölkerung war und sich auch noch nicht an die in Ägypten üblichen Repräsentationsformen der Kaiserherrschaft mit ihrer monarchischen Datierungsweise gewöhnt hatte. Gleichzeitig erinnert aber die Wendung, dass der Stifter die Weihung „unter“ (sub) dem Präfekten und dem praefectus castrorum, also dem Befehlshaber der in Ägypten stationierten Truppen (vgl. Text 64 und 68) vorgenommen hat, an die griechische Praxis, die wichtigsten amtierenden staatlichen Funktionsträger in der Provinz mit epi (ἐπί) anzugeben (vgl. etwa Text 64, 65, 73 u.a.). Er weihte die beiden Obelisken dem Iuppiter(-Ammon?) und der Iuno, wohl aus Anlass des kaiserlichen Sieges über die Perser. Lucius Verus hatte 162–166 n. Chr. einen Krieg gegen die Parther geführt und 165 n. Chr. sogar Ktesiphon erobern können. 166 n. Chr. wurde der Sieg mit einem Triumphzug gefeiert, den Verus gemeinsam mit Marc Aurel in Rom durchführte. Vielleicht war Restitutus als Militärführer selbst an den entsprechenden Kämpfen beteiligt gewesen. Das erwünschte Heil brachte der Sieg freilich nicht, denn die ins Imperium zurückkehrenden Soldaten brachten 166 n. Chr. die Pest mit nach Ägypten und dann nach Italien. & J. LESQUIER, L’armée romaine d’Égypte d’Auguste à Dioclétien, Kairo 1918, 86f. (zur cohors I Flavia Cilicum equitata); E. IVERSEN, Obelisks in Exile I. The Obelisks of Rome, Kopenhagen 1968 (zu den Obelisken Roms); T. ZADAWSKI, Un nouveau praefectus castrorum en Égypte et deux obélisques érigés par un centurion, in: CdÉ 44, 1969, 106–117 (Edition und Kommentar); S. DARIS, P.L.Bat. XIX 11 e le cohortes Cilicum, in: ZPE 39, 1980, 185–189 (Belegsammlung zur Kohorte); H. DEVIJVER, Cohortes Cilicum in the Service of Rome, in: ZPE 47, 1982, 173–183 (zu Weihungen durch Militäreinheiten und Ergänzungen zu Daris); M. G. ANGELI BERTINELLI, I centurioni della „Legio II Traiana“, in: Studi in onore di Arnaldo Biscardi 4, Mailand 1983, 156, Nr. 22 (Text); S. DARIS, Le truppe ausiliarie romane in Egitto, in: ANRW II 10,1 (1988), 756f. (Belegliste, Literatur); R. P. DUNCAN-JONES, The Impact of the Antonine Plague, in: JRA 9, 1996, 108–136; J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 68–72 (zu den Steinbrüchen); R. S. BAGNALL, P. Oxy. 4527 and the Antonine Plague in Egypt: Death or Flight?, in: JRA 13, 2000, 288–292 (zur Pest in Ägypten); P. VAN MINNEN, P.Oxy LXVI 4527 and the Antonine Plague in the Fayyum, in: ZPE 135, 2001, 175–177 (zur Pest in Ägypten, gegen Bagnall); J. BENNET, The Regular Roman Auxiliary formed

71. Eine Weihung für die Erschienene Göttin in Aquileia

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from the Provinces of Asia Minor, in: Anatolica 37, 2011, 265–267 (zur cohors I Flavia Cilicum equitata); I. HAYNES, Blood of the Provinces. The Roman Auxilia and the Making of Provincial Society from Augustus to the Severans, Oxford 2013 (zu den Auxiliartruppen); D. FAORO, I prefetti d’Egitto da Augusto a Commodo, Bologna 2015, 114f. (Dokumentation zum Präfekten).

71. Eine Weihung für die Erschienene Göttin in Aquileia/Italien (um 172 n. Chr.) AE 1934, 245 = SIRIS 613 = RICIS 515/0115 Standort: Aquileia, Lapidarium des Archäologischen Museums 71. Eine Weihung für die Ers chienene Göttin in Aquileia

In den Jahren zwischen 172 und 175 n. Chr. führte Marc Aurel einen Feldzug gegen den germanischen Stamm der Quaden. Hierbei begleitete ihn auch ein ägyptischer Priester namens Harnuphis. Möglicherweise geht die vorliegende Stiftung eines Altares, der in Aquileia gefunden wurde, auf genau diesen Priester zurück. In Aquileia befand sich auch ein bekannter Tempel der Isis, in dem Harnuphis vielleicht tätig war. Text und Übersetzung Ἁρνοῦφις | ἱερογραµµατεὺς | τῆς Αἰγύπτου καὶ | Τερέντ(ιος) Πρεῖσκος | θεᾷ ἐπιφανεῖ.

„Harnuphis, Heiliger Schreiber Ägyptens, und Terentius Priscus (haben den Altar) der Erschienenen Göttin (geweiht).“

Kommentar: Harnuphis, dessen deutlich ägyptischer Name mit „Horus ist vollkommen“ (Or-nfr) zu übersetzen ist, war ein ägyptischer Priester mit dem Amt eines Heiligen Schreibers, was ihn in der ägyptischen Priesterhierarchie an die dritte Stelle nach den Propheten und Götterbekleidern (Stolisten) setzte. Als Hierogrammateus wird er, wie für dieses Amt üblich, mit einer oder zwei Federn, die an einem Kopfband befestigt waren (Clemens, strom. VI 4,36,1), und kahlrasiertem Schädel aufgetreten sein. Ein weiteres Attribut dieses Priesters ist, wie es der Name schon nahelegt, die Buchrolle, aus der er bei Ritualen rezitiert. Auch auf italischen Abbildungen aus Pompeji und Rom sind diese Priester vertreten (vgl. Malaise, Frontispiz; Abb. 37). Gemeinsam mit einem Römer hatte der Ägypter den Altar für die Erschienene Göttin gestiftet. Der Name der Göttin ist eigentlich ein typisches Epitheton des hellenistischen Herrscherkultes – bezieht sich also auf eine als Göttin erschienene Königin (vgl. I.Prose 42). Für unsterbliche Gottheiten findet sich der Beiname selten, doch konnten ihn in hellenistischer Zeit verschiedene Göttinnen, etwa Aphrodite, Hygieia, Roma, aber auch Isis, erhalten. Da ein Ägypter den Altar weihte, ist davon auszugehen, dass er in der „erschienenen Göttin“ Isis sah, die sich den beiden Stiftern vielleicht in einer Notsituation als Helferin offenbart hatte. Das passt gut zu der Verbindung von Lobpreis der Göttin und

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damit ermöglichter Gottesschau, wie sie P.Oxy. XI 1380,152f. (frühes 2. Jahrhundert) in einer Isis-Litanei überliefert: „Es sehen dich die, die dich in Treue anrufen.“

Abb. 37: Ein ägyptischer Hierogrammateus auf einer römischen Steinplatte in den Vatikanischen Museen, Detail nach Malaise: Frontispiz.

Was aber führte den Ägypter Harnuphis nach Aquileia (Fontana)? Vielleicht war er, wie erwähnt, im dortigen Isistempel tätig. Möglicherweise ist Harnuphis zudem identisch mit einem literarisch belegten Priester gleichen Namens, der in der Tat in diese Region gekommen ist. So berichtet Cassius Dio (LXXII 8), dass die Legionen des Marc Aurel auf ihrem Feldzug im Jahr 172 (oder 174) in einen Hinterhalt geraten waren: „Auch mit den sogenannten Quaden geriet er in einen gewaltigen Krieg, wobei ihm ein unerwarteter Sieg vom Glück oder besser gesagt vom Himmel geschenkt wurde. Als nämlich während des Kampfes die Römer in Gefahr gerieten, rettete sie himmlische Macht auf ganz unerwartete Weise: Die Quaden hatten ihre Gegner an einem für sie günstigen Platz eingekesselt. ... Sie riegelten ... die ganze Umgebung ab und hinderten sie daran, von irgendwoher Wasser zu bekommen. Während sich die Römer infolge von Erschöpfung, Wunden, Sonnenhitze und Durst in einer höchst üblen Lage befanden, ... ballten sich plötzlich zahlreiche Wolken und – nicht ohne göttliches Eingreifen – rauschte ein gewaltiger Wolkenbruch nieder. Es geht in der Tat die Rede, Harnuphis, ein ägyptischer Zauberer im Gefolge des Marcus (Aurelius), habe mit Beschwörungen neben einigen anderen Gottheiten vor allem den Merkur, den Gott der Lüfte, angerufen und so den Regenguss herbeigeholt.“ (Übersetzung: Veh). Dieses Regenwunder war für die Zeitgenossen so bedeutend, dass es auch an der Marc Aurel-Säule in Rom dargestellt ist – man sieht hier

72. Ein Epigramm auf den Ruhm der Stadt Ptolemais

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den Oberkörper eines bärtigen Regengottes am Himmel, aus dessen ausgestreckten Armen ein Starkregen niedergeht. Ein ägyptischer Magier ist nicht dargestellt, ebenso wie es sich beim Regengott nicht um den jugendlicheren Hermes handeln kann. Diese Darstellung beruft sich vielmehr auf die ebenfalls kolportierte Version des Wunders, nach der es sich aufgrund eines Gebets des Kaisers ereignete (Historia Augusta, Marcus Aurelius XXIV 4; vgl. auch die Version bei Eusebius, Kirchengeschichte V 5,1–6). Will man die Weihung des Harnuphis mit dem Regenwunder in Verbindung bringen, so stellt sich das Problem, dass Cassius Dio den Ägypter eine Anrufung an Mercur (= Hermes = Thot?) durchführen lässt. Eigentlich ist aber zu erwarten, dass sich der Priester besonders an die im griechisch-römischen Raum verehrte Isis wandte, zumal die Göttin im Isishymnus von Kyme (Text 42) von sich selbst sagt [§ 54]: „Ich bin die Herrin des Regens“. Auch in einem demotischen Papyrus des 2. Jhs. n. Chr. kann Isis sagen: „Ich werde veranlassen, dass der Himmel [Regen] macht auf das Land.“ (P.dem. Wien D. 6920–22 rto; Übersetzung: Nagel). So sah Harnuphis möglicherweise im Regen eine Epiphanie der Isis und weihte ihr deshalb unter diesem Epitheton den Altar. & R. EGGER, Rez. G. Brusin, Gli scavi di Aquileia, Udine 1934, in: Gnomon 10, 1934, 583f.; G. POSENER, À propos de la „pluie miraculeuse“, in: RPh 25, 1951, 162–168; V. TRAN TAM TINH, Essai sur le culte d’Isis à Pompéi, Paris 1964, pl. V (Darstellung eines Hierogrammateus); M. MALAISE, Les conditions de pénétration et de diffusion des cultes égyptiens en Italie, Leiden 1972, 429–432 (zu Marc Aurel und den ägyptischen Kulten); G. FOWDEN, Pagan Versions of the Rain Miracle of A.D. 172, in: Historia 36, 1987, 83–95 (zum Regenorakel); R. KLEIN, Das Regenwunder im Quadenland. Vita des Mark Aurel 24,4 im Vergleich mit heidnischen und christlichen Quellen, in: K. Rosen (Hg.), Beiträge zur Historia-Augusta-Forschung, Bonn 1991, 117–138 (zur christlichen Interpretation des Regenwunders); C. MOTSCHMANN, Die Religionspolitik Marc Aurels, Stuttgart 2002, 125–144 (ausführliche politische Deutung des Regenswunders); P. KOVÁCS, Marcus Aurelius’ Rain Miracle and the Marcomannic Wars, Leiden 2009 (zur Datierung des Ereignisses); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 172–174; F. FONTANA, Sacerdoti egizi ad Aquileia: una riconsiderazione, in: B. Callegher (Hg.), Studia archaeologica Monika Verzár Bass dicata, Triest 2015, 59–66; S. NAGEL, Isis im Römischen Reich, Wiesbaden 2018, 747–749 (Isis als Herrin des Regens).

72. Ein Epigramm auf den Ruhm der Stadt Ptolemais (Mitte 2. Jh. n. Chr.) I.Philae II 166 = CIG III 4925 = SB V 8423 = Kaibel 982 = TM 80917 72. Ein Epigram m auf den Ruhm de r Stadt Ptolemais

An der Westseite des Hadrianstores der Tempelanlage von Philae ist ein kurzes Epigramm angebracht (vgl. Abb. 38), das ein gewisser Celsus zu Ehren seiner Familie und seiner Heimatstadt Ptolemais verfasst hat. Ptolemais war bis zur Gründung von Antinoopolis durch Hadrian die einzige Stadt mit dem Status einer griechischen polis in Oberägypten und auch noch in der hohen Kaiserzeit

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scheint man hierauf stolz gewesen zu sein, wie es das vorliegende Epigramm zeigt. Text und Übersetzung Ἴσιδι καρποτόκῳ Κέλσος τόδε γράµ’ ἀνέ|θηκα, µνησθεὶς ἧς ἀλόχου καὶ τεκέων | φιλίων | καὶ πάτρης γλυκερῆς Πτολεµαίδος, ἣν ἐπόλισ|σεν Σωτήρ, Ἑλλήνων νιλογενὲς τέµενος.

„Der Isis Karpotokos habe ich, Celsus, diese Inschrift geweiht, erinnernd an meine Gemahlin, meine geliebten Kinder und meine süße Heimat Ptolemais, die Soter gegründet hat, ein durch den Nil entstandener heiliger Bezirk der Griechen.“

Kommentar: Der Verfasser der Versinschrift preist hier vorgeblich Isis, in Wirklichkeit aber seine Heimatstadt Ptolemais Hermiu (Πτολεµαὶς ἡ Ἑρµείου, Πτολεµαὶς τῆς Θηβαίδος), die er mit der Göttin möglicherweise eng verbunden sehen will (s.u.). Es liegt mit diesem Epigramm der einzige sichere Beleg dafür vor, dass Ptolemaios I. Soter selbst für die Gründung der Stadt verantwortlich war und einen Gründerkult in ihr erhalten hat (vgl. Text 3). Sein Sotereion genannter Tempel ist papyrologisch durch einen Streit der Stadt mit einem Filialkult in Koptos aus dem Jahr 160 n. Chr. belegt, in dem es um die Rechte der Neokorie im Tempel des Soter von Koptos geht (SB VI 9016). Es gibt zudem die Ansicht, dass der Kult für Ptolemaios Soter mit dem Agathos-Daimon-Kult verbunden war, denn ein Tempel in Dendera wird als Sotereion bezeichnet (vgl. Text 47; Ray), doch ist es plausibler, den Agathos-Daimon-Kult als von Ptolemaios unabhängigen Kult zu betrachten, denn auch Götter konnten selbstverständlich als „Retter“ verehrt werden. Für den Stifter ist seine Heimat ein ‚Hort des Griechentums‘, ein „heiliger Bezirk der Griechen“ inmitten des fremden Ägypten. Das wirft natürlich die Frage auf, wie „griechisch“ Ptolemais in dieser Zeit überhaupt noch war? Zwar bleibt bis heute unklar, wie ausgeprägt das ägyptische Element in den Jahrhunderten des Bestehens von Ptolemais geworden ist, doch ist davon auszugehen – das zeigt auch das vorliegende Epigramm –, dass die Bürger der Stadt, egal welcher Herkunft sie auch immer ursprünglich einmal waren, sich kulturell selbst als „Griechen“ definierten und sich dementsprechend auch selbst verwalteten (vgl. Text 7). Das änderte sich sicherlich nicht dadurch, dass neben diesen Bürgern wohl auch sehr viele Ägypter in der Stadt gelebt haben dürften, ebenso wie vielleicht einige der Bürger selbst einmal Ägypter waren oder von diesen abstammten: In dem Moment, in dem sie in die Bürgerschaft aufgenommen wurden, waren sie Griechen.

72. Ein Epigramm auf den Ruhm der Stadt Ptolemais

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Abb. 38: Das Epigramm des Celsus am Hadrianstor des Isistempels von Philae. Deutlich sind zwei unterschiedliche Buchstaben- und Einritztiefen zu erkennen, die jedoch von ein- und derselben Hand stammen könnten. Die heutigen Fehlstellen in Z. 1 stammen aus der Zeit der Versetzung des Tempels; Photo: Stefan Pfeiffer 2017.

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Sicherlich hatte zudem schon in ptolemäischer Zeit, wie in Alexandria, ein erheblicher Adaptionsprozess der Bürgerschaft vor allem auf religiöser Ebene an die neue Heimat Ägypten stattgefunden. So ist etwa ein Isistempel in oder bei Ptolemais belegt, der von Kleopatra VII. das Asylrecht erhalten hatte (SB I 3926 = C.Ord. Ptol. 67 = I.Asylia 226). Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass Celsus die ägyptische Göttin Isis von Philae an einem ihrer wichtigsten Heiligtümer mit dem Epigramm verehrt. Durchaus möglich ist, dass Celsus aber nicht die rein ägyptische Form der Isis, sondern deren gräkoägyptisches Pendant, die Panthea Isis, ansprach. Das könnte erklären, weshalb er ihr den äußerst seltenen Titel Karpotokos, also Erntespenderin, zuweist (vgl. ähnlicher Lobpreis im ‚Traum des Nektanebos‘, UPZ 81 II 9, im Isishymnus von Medinet Madi, I.Métrique 175 I 8 und § 7 in der Isisaretalogie Text 42: „Ich bin es, die für die Menschen die Feldfrucht (καρπόν) gefunden hat.“). Diesen auch von Demeter geführten Beinamen trägt Isis ebenfalls in einem weiteren Epigramm (Anthologia Graeca XVI 264; Übersetzung: Beckby): „Isis, der tausendgestaltigen, der Mutter von Ähren (καρποτόκῳ) und Früchten, kommen in steinernem Korb auch ohne die Arbeit des Pfluges ihrer Mutter zu Ehren die Früchte von selber entgegen.“ Römer wiederum konnten die Göttin auch als Isis frugifera – die „fruchtbringende“ – verehren (RICIS 501/0111 mit Suppl. III). Selbstverständlich stand aber die ägyptische Isis für die Vorstellung der gräkoägyptischen Isis als Erntegöttin Pate: Die „Lebensspenderin“ war schließlich einer ihrer Haupttitel auf der Nilinsel Philae (Nagel). Als Bringerin der Nilflut hatte sie folglich für ihre ägyptischen Verehrer eine äußerst enge Beziehung zur Fruchtbarkeit und Ernte. In Esna rezitiert die Göttin ganz ähnlich einer griechischen Isisaretalogie: „Ich bin Isis, die Feldgöttin, die Herrin des Feldes“ (Esna III, Nr. 307bis; Übersetzung: Nagel). Wenn also Celsus die Göttin gerade auf Philae mit dem Epitheton Karpotokos bedenkt, dann hatte das seinen berechtigten Grund, zumal in dieser Region auch die Nilquellen situiert wurden. Genau deshalb könnte er auch sein Epigramm genau dort angebracht haben, wo sich eine Darstellung besagter Nilquelle befindet: Im Inneren des Hadriantores (Abb. 39; vgl. hierzu Junker). Das Wasser des Nils wiederum galt als Ausfluss des Osiris und Osiris selbst war es, der Isis als fruchtbares Feld bewässerte. So heißt es im Hadrianstor in einer Litanei auf die Göttin: „Osiris ist der Nil, Isis ist das Feld.“ (Philae Photo 1298; Junker). Dass diese Vorstellung den Griechen der Zeit gut bekannt war, zeigt Plutarchs De Iside et Osiride 38: „Ebenso wie sie (die Ägypter) den Nil als Ausfluss des Osiris ansehen, so behandeln und betrachten sie die Erde als den Leib der Isis.“ (Übersetzung: Herwig Görgemanns). Auf den Fruchtbarkeitsaspekt der Isis legt der sich mit dem Epitheton sehr gewählt ausdrückende Verfasser auf jeden Fall besonderen Wert. Das greift er wiederum mit der Wendung auf, dass Ptolemais selbst ein nilentsprossener heiliger Bezirk sei. Nicht nur die Fruchbarkeit Ägyptens ist also durch den Nil bedingt, sondern die Griechenstadt Ptolemais selbst kann als Frucht des Nils,

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als Tochter der Isis und des Osiris, gelten. Wollte Celsus vielleicht die Stadt auf diese Weise als ein „Geschenk“ der Isis deklarieren und Isis zur Schutzgöttin seines Gemeinwesens machen?

Abb. 39: Nordwand des Hadrianstors von Philae. Szene mit zweifacher Darstellung der Isis, links kuhköpfig mit Gefäß, aus dem sie der vogelgestaltigen Ba-Seele des Osiris eine Libation darbringt, rechts in Adoration. Am linken Bildrand ist in einer Höhle der Felsen des Kataraktengebietes Osiris als personifizierte Nilquelle dargestellt, der zwei Gefäße hält, aus denen sein Wasser kommt; Photo: Holger Kockelmann, Projekt „Edition der Tempelinschriften von Philae“, ÖAW, Wien.

Der Schreiber, der stolz auf das Griechentum von Ptolemais ist und seine griechische Bildung durch das Verfassen einer Versinschrift kundtut, mit der er die ägyptische Isis von Philae ehrt, führt keinen griechischen, sondern einen römischen Namen, den er unter Auslassung von Pränomen und Gentilnamen nur mit seinem Cognomen Celsus angibt. Handelte es sich also um einen Römer, der in Ptolemais lebte? Einen ehemaligen Auxiliarsoldaten, der nach seiner Dienstzeit das Bürgerrecht erhalten hatte? Mit der (gräko?)ägyptischen Isis, der griechischen Versinschrift und einem römischen Bürger verbinden sich in diesem Epigramm auf jeden Fall sehr schön alle drei Kulturen des Landes am Nil in römischer Zeit. & G. PLAUMANN, Ptolemais in Oberägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hellenismus in Ägypten, Leipzig 1910 (zur Stadtgeschichte); H. JUNKER, Das Götterdekret über das Abaton, Wien 1913, 37–41 (zur Nilquelle auf dem Abaton bei Philae und Isis als personifiziertes fruchtbares Feld); Chr. HABICHT, Gottmenschentum und griechische Städte, München 21970, 123 (zum Gründerkult); M. ABD EL-GHANI, The Role of Pto-

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lemais in Upper Egypt Outside its Frontiers, in: I. Andorlini u.a. (Hg.), Atti del XXII congresso internazionale di Papirologia, Firenze, 23–29 agosto 1998, Bd. I, Florenz 2001, 17–33; Th. KRUSE, Der königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (20 v. Chr. – 245 n. Chr.), München/Leipzig 2002, 751–754 (zu SB VI 9016); J. D. RAY, Demotic Papyri and Ostraca from Qasr Ibrim, London 2005, 24f. (zum Soter-Kult); G. M. COHEN, The Hellenistic Settlements in Syria, the Red Sea Basin, and North Africa, Berkeley u.a. 2006, 350–352 (zur Stadtgründung, alle Quellenbelege und aktuelle Literatur); K. MUELLER, Settlements of the Ptolemies. City Foundations and New Settlement in the Hellenistic World, Löwen 2006, 166–168 (kurzer, nicht treffender Kommentar); J. G. MANNING, The Last Pharaohs. Egypt Under the Ptolemies, 305– 30 BC, Princeton/Oxford 2010, 109 (zum „Griechentum“ der Stadt); S. NAGEL, Isis im Römischen Reich, Wiesbaden 2018 (umfassende Arbeit zu allen Aspekten der späten Isis).

73. Sarapis offenbart sich einem römischen Soldaten (zwischen 180 und 192 n. Chr.) a) I.Did. 8 = I.Kanais 59bis = SB V 8828 = IGRR I 1275 = TM 81521 b) I.Did. 7 = SB XXVI 16596 = AE 2001, 2038 = TM 106906 Standtort Text a): Berlin, Ägyptisches Museum 15726 73. Sarapis offenba rt s ich einem rö mis chen Soldaten

Den Verbindungswegen vom Nil zum Roten Meer wandte Rom besondere Aufmerksamkeit zu (vgl. Text 59, 64 und 67). Die Routen führten meist von Koptos ausgehend zu Städten an der Küste (wie z. B. Berenike), denn über diesen Weg lief der Indienhandel des Imperiums. Zum Schutz vor Beduinen waren römische Soldaten in Kastellen entlang des Weges stationiert. An der Straße zwischen Koptos und Berenike befindet sich auch das kleine römische Fort Didymoi. Die dort liegenden Soldaten wandten sich in den Ausdrucksformen ihrer persönlichen Frömmigkeit den lokalen Gottheiten zu. In der Wüste war das zunächst Min gewesen, der aber im Laufe der Kaiserzeit von Sarapis abgelöst wurde (vgl. Text 51 und 64). Vorliegende Inschrift zeigt, dass Sarapis, wie im Kernland Ägypten auch, als Orakelgottheit fungieren konnte. Aufgebracht ist der Text auf einem beidseitig beschriebenen Steinfragment aus Schist. Eine zweite, abgekürzte Version des Textes kam bei den Grabungen in Didymoi zu Beginn des neuen Jahrtausends ans Licht. Dieser komplett erhaltene Textzeuge befindet sich wiederum auf einem viereckigen gebrannten Ziegel, der ursprünglich zu den Ziegeltürmen einer Hypocaustumanlage gehörte. Nach ihm lässt sich der erste größere Text ergänzen. Texte und Übersetzung Inschrift a) Seite a) [Οὐέττ]ις Κρισπῖνος στρα|[τιώτ]ης χώρτης α̅ Λυτα|[νῶν] (ἑκατοντ-

„[Vett]i(u)s Crispinus, Soldat der cohors I Lusitanorum, aus der Zen-

73. Sarapis offenbart sich einem römischen Soldaten α)ρχ(ίας) Σερήνου ἐν ὀνίροις | [ἤκουο]ν τὸ συµπόσι(ο)ν ποιῆσαι (5) [τοῦ κ]υρίου Σεράπιδος [καὶ ε]ὐχαριστήσας ἐποίησα | [ — ] ἐπ’ ἀγαθῷ. Seite b) Μάρκου Αὐρηλίο[υ] | Κοµµόδου Καίσα̣[ρος] (10) ἐπὶ Οὐαλερίωι Φή[στωι(?)] | ἐπάρχῳ κά[στρων(?)]. Inschrift b) Οὐέττις̣ Κρισ|πῖνος {ισ}στρα|τιώτης χώρτης I̅ Λυτα|νώ{ν}ροµ v. κ̣αὼς̣ ἴδο̣ν | ἐν ὀνίaροι ἐ̣π̣ο|ησ̣α τὸ σ(υµπόσιον) v. ἐπ᾿ ἀγα(θῷ) v.

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turie des Serenus. Ich habe in (meinen) Träumen gehört, ein Gelage für den Herren Serapis veranstalten zu sollen. Und dankbar habe ich [das Gelage?] veranstaltet. Auf gutes Glück! Während der Herrschaft des Marcus Aurelius Commodus Caesar. Unter Valerius Festus, dem praefectus [castrorum?].“ „Vettius Crispinus, Soldat der cohors I Lusitanorum. So wie ich es gesehen habe in Träumen, habe ich das Gelage veranstaltet. Auf gutes Glück!“

Kommentar: Zwar verweist der Name des Ortes Didymoi, also „Zwillinge“, auf die Dioskuren Kastor und Pollux/Polydeukes, doch besteht die Möglichkeit, dass der Hauptgott des Ortes, wie in Mons Claudianus, Mons Porphyrites und dem nahe gelegenen praesidium Dios auch, der zum Schutzgott der Wüste gewordene Zeus-Helios-Megas-Sarapis war. Als Orakelgottheit offenbarte er seine Wünsche den Menschen in ihren Träumen. Das hatte er schon für seinen „Erfinder“ Ptolemaios I. getan. Der Gott erschien ihm angeblich zweimal im Traum und trug ihm auf, seine Statue, die sich in Sinope am Schwarzen Meer befinde, nach Alexandria zu verbringen (Tacitus, Annalen IV 83f.; Plutarch, De Iside 28). Auch inschriftlich sind solche durch Sarapis gesandten Träume gut bekannt. Auf der Gründungsplakette des Harpokratestempels im Serapeum von Alexandria geben etwa Sarapis und Isis die Anordnung an den vierten Ptolemäer, das Heiligtum zu bauen (SB VI 9300,3f.: κατὰ πρόσταγµα Σαράπιδος καὶ Ἴσιδος). Im Delos-Hymnus auf Sarapis trägt der Gott seinem Priester im Traum auf, ein Heiligtum für ihn zu errichten, und später im Traum offenbart er ihm, dass er in einem diesbezüglichen Rechtsstreit siegen werde (RICIS 202/0101; Moyer). In der Ostwüste wiederum scheint die Traumorakelfunktion des Sarapis besonders wichtig gewesen zu sein, denn aus Dios, das an der gleichen Wüstenroute lag, wissen wir, dass es dort sogar Chresmologoi gab, die die Träume der Ratsuchenden deuteten (Cuvigny). In Mons Claudianus hieß einer der Steinbrüche Chresmosarapis („Orakel des Sarapis“, O.Claud. IV 576f.; 811). So liegt es nahe, dass auch in Didymoi ein Orakelkult existierte und Vettius Crispinus auf eine solche Erfahrung rekurriert. Der Gott hatte dem Soldaten aufgetragen, ein Festessen für ihn auszurichten. Es wurde nach den Speisebetten, auf denen die Zelebranten ruhten, auch als kline

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des Sarapis bezeichnet (Merkelbach). Über die Ausgestaltung eines derartigen Festes berichtet Aelius Aristides (Hymnos an Sarapis XLV 27): „Mit diesem Gott allein kommunizieren die Menschen in besonderer Weise die richtige Kommunion in den Opfermahlzeiten, indem sie ihn zum Herd einladen und ihn sich als Speisegenossen und Gastgeber zum Vorgesetzten machen, so dass er ... der gemeinsame Vollführer aller gemeinsamen Mahlzeiten ist und für alle, die sich um ihn versammeln, die Rolle des Vorsitzenden beim Trinkgelage hat. ... Er ist gleichzeitig derjenige, der die Opferspenden darbringt und empfängt; der als Gast zum rauschenden Fest kommt und die Festgenossen zu sich einlädt.“ (Übersetzung: Merkelbach). Auch Papyri mit kurzen Einladungsbriefen sind überliefert. So heißt es in SB X 10496 (Koenen) aus dem 3. Jh. n. Chr.: „Der Gott lädt dich zu dem Mahle ein, das morgen im Heiligtum der Thoeris von der 9. Stunde an stattfindet.“ Es ist anzunehmen, dass bei diesem bereits in hellenistischer Zeit nachweisbaren Fest insbesondere der dionysische Aspekt der Mischgottheit im Mittelpunkt stand (Stambaugh). Gerade in der kürzeren Version b) fällt aber die Latinizität der römischen Armee in Ägypten auf, denn statt des griechischen Alpha für cohors prima = „erste Kohorte“ verwendet der Schreiber das lateinische Zahlzeichen I. Das Gleiche gilt für den Genitiv des ursprünglichen Aushebungsortes der Lusitani (aus der römischen Provinz Lusitania auf der iberischen Halbinsel). Der Verfasser verwendet hier nicht den griechischen Genitiv, wie in Text a), sondern den lateinischen, den er in griechischen Buchstaben schreibt. Datiert hat der Soldat seine Inschrift a) zudem noch nach dem römischen Kaiser. Daran schließt er nicht, wie zu erwarten wäre, die Nennung des praefectus Aegypti an, sondern, wenn die Ergänzung der Lacuna korrekt sein sollte, die des Befehlshabers des exercitus Aegyptiacus, des praefectus castrorum Valerius Festus. Diesen bezeichnet er wiederum nicht mit der sonst üblichen griechischen Übersetzung des römischen Titels als stratopedarches (στρατοπεδάρχης), sondern als „eparchos ka[stron]“, womit er den griechischen Titel latinisiert hätte, denn statt des griechischen Wortes stratopedon für Feldlager verwendete er das Lateinische castra. Sollte hingegen nicht das ka- von kastron zu lesen sein, dann wäre eigentlich eparcho or[ous] (ἐπάρχῳ ὄρ[ους]) zu erwarten (Cuvigny), womit der praefectus montis Berenicidis gemeint wäre (vgl. Text 62). Weshalb Vettius Crispinus gleich zweimal auf seinen Traum in Form von in Stein und Ton eingravierten Inschriften hinweist, muss offen bleiben. & S. DE RICCI, Bulletin épigraphique de l’Égypte romaine, APF 2, 1903, 447, Nr. 76; L. KOENEN, Eine Einladung zur Kline des Sarapis (P. Colon. inv. 2555), in: ZPE 1, 1967, 121–126 (mit der älteren Literatur und den papyrologischen Quellen); J. E. STAMBAUGH, Sarapis under the Early Ptolemies, Leiden 1972, 55–59 (zu Sarapis und Dionysos); R. MERKELBACH, Isis regina – Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt, München/Leipzig 2001, 165f. (zur kline des Sarapis); H. CUVIGNY, Un soldat de la cohors I Lusitanorum à Didymoi: du nouveau sur l’inscription I.Kanais 59bis, in: BIFAO 101, 2001, 153–157; H. CUVIGNY, The

74. Die Ägyptenreise des Septimius Severus

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Shrine in the praesidium of Dios (Eastern Desert of Egypt): Graffiti and Oracles in Context, in: Chiron 40, 2010, 258–276 (zu den Traumorakeln); I. S. MOYER, Egypt and the Limits of Hellenism, Cambridge 2011, 142–207 (ausführliche Interpretation des Delos-Hymnus RICIS 202/0101); L. BRICAULT, Les cultes isiaques dans le monde gréco-romain, Paris 2013, Nr. 130 (zur Kline des Sarapis, mit Literatur); Nr. 135 (zum Traumorakel durch Sarapis, mit Literatur); E. FASSA, Divine commands, authority, and cult: Imperative dedications to the Egyptian gods, in: Opuscula 9, 2016, 59–70 (zu den kata prostagma Inschriften); M. NELSON u.a., P.Brit.Col. Inv. 1 and Invitations to Sarapis Dinners, in: ZPE 205, 2018, 207–211 (Zusammenstellung von ‚Sarapis-Einladungen‘).

74. Die Ägyptenreise des Septimius Severus nach einer Inschrift aus Portus Ostiae (zwischen 201 und 203 n. Chr.) IG XIV 917 = IGRR I 380 = SIRIS 522 = EDR118482 = RICIS 503/1207 Standort: Vatikanische Museen, Museo Chiaramonti Inv. Nr. 2011 74. Die Ägyptenreis e des Septimius Severus

Der Seehandel Roms verlief lange Zeit über den Hafen von Puteoli, um dann aber seit dem Ende des 2. Jhs. auch über den Hafen von Ostia abgewickelt zu werden. In Portus, dem Überseehafen von Ostia, landeten die Schiffe aus allen Provinzen mit den Versorgungsgütern für die Hauptstadt des Reiches. Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Flotte aus Alexandria, die jährlich das Getreide Ägyptens lieferte. Als Folge hieraus waren in Ostia viele alexandrinische Händler ansässig, und es bildete sich ein multikulturelles Milieu heraus, das sich sicherlich auch im Kontext des Sarapis-Isis-Tempels traf. Vorliegende Inschrift ist auf einem Marmorblock angebracht, der ursprünglich als Statuenbasis einer Adrastia-/Nemesisstatue gedient hat. Gestiftet hat die Statue ein Tempelwächter (neokoros) des Sarapistempels. Text und Übersetzung ὑπὲρ σωτηρίας καὶ ἐπανόδου | καὶ αἰδίου διαµονῆς τῶν κυρίων | αὐτοκρατόρ(ων) Σεουήρου καὶ Ἀντωνίνου καὶ Ἰουλίας Σεβ(αστῆς) καὶ τοῦ σύνπαντος (5) αὐτῶν οἴκου καὶ ὑπὲρ εὐπλοίας | παντὸς τοῦ στόλου τὴν Ἀδράστιαν σὺν τῷ περὶ αὐτὴν κόσµῳ | Γ. Οὐαλέριος Σερῆνος, νεωκόρος | τοῦ µεγάλου Σαράπιδος, (10) ὁ ἐπιµελητὴς παντὸς τοῦ | Ἀλεξανδρεινοῦ στόλου, | ἐπὶ Κλ(αυδίου) Ἰουλιανοῦ ἐπάρχου | εὐθενείας.

„Zum Wohle und der Anlandung und der ewigen Dauer (der Herrschaft) der Herren Imperatoren Severus und Antoninus (= Caracalla) und der Iulia Augusta (= Iulia Domna) und ihrer gesamten domus (Familie) sowie zugunsten der glücklichen Seefahrt der gesamten Flotte (hat gestiftet) die Adrastia (= ihre Statue) zusammen mit ihrem gesamten Schmuck C. Valerius Serenus, Tempelwächter (neokoros) des großen Sarapis, der Epimelet (Zuständige) für die gesamte alexandrinische Flotte, unter dem praefectus annonae Claudius Iulianus.“

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Kommentar: Nach seinem zweiten Partherkrieg hatte Septimius Severus mit seiner gesamten Familie im Spätsommer 199 n. Chr., von Syrien kommend, Ägypten besucht und war hier mehrere Monate geblieben, bevor er Ende 200 n. Chr. wieder nach Syrien reiste (Halfmann). Valerius Serenus stiftete die Statue vielleicht anlässlich des Sieges des Septimius Severus, denn Adrastia war eine Personifikation der „höheren Gerechtigkeit“, der allessehenden Göttin der Vergeltung. Sie konnte mit Nemesis identifiziert werden, die in Alexandria auch einen eigenen Tempel besaß. Im Kontext der ägyptischen Kulte von Ostia ist wohl aber an eine Angleichung der Adrastia an Isis zu denken. Mit dem Sieg über die Parther hatte der Kaiser also Gerechtigkeit geübt, die der Stifter mit der ägyptischen Isis verbunden sehen wollte (vgl. die Isisaretalogie Text 42 § 35). Der Stifter selbst ist auch aus anderen Inschriften des Hafens von Ostia gut bekannt (RICIS 503/1208–503/1210). Er ist der Vorsteher der alexandrinischen Kriegsflotte (classis Alexandrina), die der Sicherung der ägyptischen und libyschen Küste diente und den alexandrinischen Getreideschiffen Geleitschutz gewährte (Kienast). In dieser Funktion dürfte er den Titel eines praefectus geführt haben, auch wenn der Titel epimeletes (ἐπιµελητής) eher mit (pro)curator zu übersetzen ist. Seit ihrer Hilfe für Vespasian führte die Kriegsflotte auch das Adjektiv Augusta – also classis Augusta Alexandrina; in den griechischen Texten erscheint sie als stolos Sebastos Alexandrinos (στόλος Σεβαστὸς Ἀλεξανδρεῖνος) oder classa Alexandrine (κλάσσα Ἀλεξανδρείνη) (Palme). Im vorliegenden Fall fehlt das Ehrenadjektiv, was aber nicht weiter bedeutend ist. Dem ebenfalls genannten praefectus annonae aus dem Ritterstand, mit dem Valerius Serenus eng zusammenarbeiten musste, oblag seit der Zeit des Augustus die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung Roms. Er kontrollierte die Qualität der Ware und organisierte ihre Lagerung in Ostia und Rom. Die Verbindung zwischen dem militärischen Aufgabenbereich des Serenus und dem administrativ-zivilen des Iulianus zeigt also, dass es eine enge Verknüpfung zwischen der Getreideversorgung Roms durch Ägypten und der alexandrinischen Flotte gab. Historisch interessant ist die Inschrift vor allem deshalb, weil der Kaisersohn Geta seit 197 n. Chr. im Rang eines Caesars an der Herrschaft des Augustus Severus beteiligt war und deshalb zu erwarten gewesen wäre, dass er gemeinsam mit Antoninus, dem späteren Kaiser Caracalla, genannt wird. Anders als sein jüngerer Bruder Geta war Antoninus aber bereits im Rang eines Mitkaisers, denn er führte seit 197 n. Chr. den Titel eines Augustus. Geta ist also lediglich in der Wendung „seiner gesamten domus“ subsumiert, nur die beiden Augusti und die Augusta werden explizit mit der Weihung bedacht. Geta hingegen wurde erst 209 n. Chr. zum Augustus erhoben, zwei Jahre vor dem Tod des Septimius Severus. & J. LESQUIER, L’armée romaine d’Égypte d’Auguste à Dioclétien, Kairo 1918, 98– 101 (zur classis Alexandrina); S. SAUNERON, Les querelles impériales vues à travers les

75. Eine Statuenweihung für Caracalla und seine Familie

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scènes du temple d’Esné, in: BIFAO 51, 1952, 111–121 (zur Dekoration des Tempels von Esna unter den Severern); D. KIENAST, Untersuchungen zu den Kriegsflotten der römischen Kaiserzeit, Bonn 1966, 82–88 (zur Funktion der alexandrinischen Flotte); M. MALAISE, Inventaire préliminaire des documents égyptiens découverts en Italie, Leiden 1972, 91f., Nr. 8 (kurzer Kommentar); G. SACCO, Iscrizioni greche d’Italia. Porto, Rom 1984, Nr. 3 (Kommentar); H. HALFMANN, Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, Stuttgart 1986, 216–223 (zur Ägyptenreise des Septimius Severus); M. REDDÉ, Mare nostrum. Les infrastructures, le dispositif et l’histoire de la marine militaire sous l’Empire romain, Rom 1986, 241–243 (zur classis Alexandrina); P. HERZ, Studien zur römischen Wirtschaftsgesetzgebung. Die Lebensmittelversorgung, Stuttgart 1988, 70–81, 117–120, 176–178 (zum praefectus annonae); A. R. BIRLEY, Septimius Severus. The African Emperor, London 21988 (historischer Hintergrund und Zusammenstellung der Quellen); H. HEINEN, Herrscherkult im römischen Ägypten und damnatio memoriae Getas. Überlegungen zum Berliner Severertondo und zu Papyrus Oxyrhynchus XII 1449, in: MDAI (R) 98, 1991, 263–298 (historischer Hintergrund, Text und Übersetzung Dok. 2); B. PALME, Die classis Alexandrina und der κύριος der Gellia Didyme, in: ZPE 101, 1994, 87–95 (Belegliste zur classis Alexandrina); D. ROHDE, Zwischen Individuum und Stadtgemeinde. Die Integration von collegia in Hafenstädten, Mainz 2012, 113–119 (zu den navicularii in Ostia); L. ROSSI, Entre gentes putéolitaines et élite alexandrine: étude des acteurs du commerce au long cours dans l’Égypte romaine, in: Cahiers „Mondes anciens“ 7, 2015, 10; S. NAGEL, Isis im Römischen Reich, Wiesbaden 2018, 1108–1114 (zum Isiskult in Ostia).

75. Eine Statuenweihung für Caracalla und seine Familie aus der Stadt Berenike am Roten Meer (8. September 215 n. Chr.) SEG XLVIII 1977 = SB XXVIII 16916 = BE 2001, 553 = AE 2000, 1578 = TM 142358 Standort: Magazin von Berenike? 75. Eine Statuenwei hung fü r Caracalla und s eine Familie

Die für ca. 500 Einwohner ausgelegte Hafenstadt Berenike gehörte zu den beiden wichtigsten Umschlagplätzen für den Handel am Roten Meer (vgl. Text 59). Sie bildete den Ausgangspunkt für die Route über die Wüste ins Niltal nach Koptos und war von großer Bedeutung für den römischen Indien- und Äthiopienhandel. In Berenike fand man vor wenigen Jahren bei Ausgrabungen die Weihinschrift eines Statuensockels zu Ehren der Kaiserfamilie aus der Zeit des Caracalla. Text und Übersetzung ὑπὲρ αἰωνίου κράτους καὶ διαµο[νῆς] | τοῦ κυρίου ἡµῶν κοσµοκράτορος Μάρκ̣[ου] | Αὐρηλίου Σεου[ήρ]ου [Ἀντ]ω‚ν[ί]νου Εὐσεβ(οῦς) Σ‚[εβ(αστοῦ)] | Ἰουλίας Δόµν[ας µητρὸς στ]ρατοπέδων̣ (5) τῆς κυρίας

„Zugunsten der ewigen Stärke und Dauer (der Herrschaft) unseres Herren, des Weltenherrschers Marcus Aurelius Severus Antoninus Pius Augustus (und) der Iulia Domna, der Mutter der Heerlager (mater castro-

352 Σεβ̣α̣σ[̣ τῆς καὶ] τ̣οὺ σύνπαντος | αὐτῶν οἴκου Μ(άρκος) Αὐρήλ(ιος) Μόκιµος | Ἀβδα̣ίaο̣υ̣, Παλµυ(ρηνὸς), Ἀτωνιανὸς τοξότ(ης) | [ — ]ου β(ενεφικιαρίου) ἐπάρχ(ου) (scil. Ὄρους Βερενίκης). ἔτους κδ, Θὼτ ι̅.

Texte rum), der Herrin Augusta und ihrer gesamten Familie (hat es gestiftet) Marcus Aurelius Mocimus, Sohn des Abdaios, Palmyrener, Antoninischer Bogenschütze [...] des Beneficiarius des Präfekten (der Ostwüste). Im 24. Regierungsjahr, am 10. Thoth.“

Kommentar: Es gibt nur wenige Belege für die Anwesenheit des römischen Militärs in Berenike, doch ist es undenkbar, dass an einem derart wichtigen Außenposten des Reiches nicht auch Soldaten stationiert waren. Das spiegelt sich in dem archäologisch zu erschließenden „Speiseplan“ der Bevölkerung, der typisch römisch war und damit Produkte aufwies, wie sie üblicherweise im Kontext des römischen Militärs zu finden sind bzw. wie sie von den lokalen Bevölkerungen unter dem Einfluss hier stationierten Militärs übernommen wurden (Wendrich). Mit der Statuenweihung lernen wir nun erstmals einen dieser römischen Soldaten kennen, sehen aber gleichzeitig, dass es sich nicht um einen Mann aus Italien handelt. Er trägt vielmehr das semitische Cognomen Mocimus/Mokimos und gehörte deshalb sicherlich zu denjenigen Provinzialen, die ihr Bürgerrecht mit der sogenannten constitutio Antoniniana erlangt hatten (Buraselis). Der römische Kaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus Augustus, der unter seinem Spitznamen Caracalla bekannt ist, hatte im Jahr 212 fast allen Untertanen des römischen Reiches das Bürgerrecht erteilt (Cassius Dio LXXVII 9,5; Digesten I 5,17). Diese erhielten nun alle den Gentilnamen des Kaisers Aurelius. Aus diesem Grund führte auch Mokimos die kaiserlichen Prae- und Gentilnamen Marcus Aurelius. Er war als Bogenschütze in einer nach diesem Kaiser Antoninus (= Caracalla) als Antoninianer benannten Auxiliareinheit des Heeres tätig. Durchaus interessant ist, dass Mokimos seinen Kaiser mit dem eigentlich Sarapis gebührenden Titel als Kosmokrator – Weltenherrscher – bezeichnet. Dieses Epitheton des Caracalla ist allein für Ägypten überliefert und spiegelt wohl Elemente des lokalen Kaiserkultes wider (Pfeiffer). Iulia Domna wiederum führt den Titel „Mutter der Heerlager“. Sie steht hiermit in der, wie es ähnliche Münzbilder zeigen, direkten Nachfolge der Gemahlin des Marc Aurel, Annia Galeria Faustina, die ebenfalls schon als mater castrorum auftreten konnte (Speidel). Erstmals in der römischen Geschichte war damit eine direkte Beziehung der Kaisergemahlin zum Heer etabliert worden, dem sie von nun an mütterlichen Schutz bot. Auf diese Weise war die Kaisergemahlin ihrer Funktion nach auf eine Ebene mit Iuno und Minerva gehoben worden, die neben Iuppiter den Heerlagern göttlichen Schutz boten (Speidel). Die Augusta war also in den Kaiserkult mit eingebunden. Wie Iuppiter und der Kaiser das Heer im Feld

76. Die Grabstele des C. Iulius Valerius

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schützten, so schützen die Augusta und Iuno das Heer im Feldlager und erhielten hierfür Verehrung. & A. M. VERHOOGT, Greek and Latin Textual Material, in: St. E. Sidebotham/W. Z. Wendrich (Hg.), Berenike 1996. Report of the Excavations at Berenike (Egyptian Red Sea Coast) and the Survey of the Eastern Desert, Leiden 1998, 193–196; W. Z. WENDRICH, Fringes are Anchored in Warp and Weft: The Relations Between Berenike, Shenshef and the Nile Valley, in: O. Kaper (Hg.), Life on the Fringe: Living in the Southern Egyptian Deserts during the Roman and Early-Byzantine Periods, Leiden 1998, 242–252; S. E. SIDEBOTHAM/W. Z. WENDRICH, Berenike, Roms Tor am Roten Meer nach Arabien und Indien, in: Antike Welt 2001, 251–264 (Überblicksdarstellung zu Berenike); R. B. JACKSON, At Empire’s Edge. Exploring Rome’s Egyptian Frontier, New Haven/London 2002, 87–91 (zu Berenike); K. BURASELIS, Θεία δωρεά. Das göttlich-kaiserliche Geschenk. Studien zur Politik der Severer und zur Constitutio Antoniniana, Wien 2007 (zur Bürgerrechtsverleihung); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 208f. (zum Epitheton Kosmokrator); St. E. SIDEBOTHAM, Berenike and the Ancient Maritime Spice Route, Berkely u.a. 2011 (Überblicksdarstellung); M. A. SPEIDEL, Faustina – mater castrorum. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte, in: Tyche 27, 2012, 127–152 (zum Ehrentitel der Iulia Domna).

76. Die Grabstele des C. Iulius Valerius (zwischen 225 und 250 n. Chr.) CIL III 6604 = BE 1965, 460 = TM 102420 Standort: New York, Brooklyn Museum Accession no. 16.105 76. Die Grabs tele des C. Iulius Valerius

Die möglicherweise aus Terenuthis stammende Grabstele bietet eine interessante Mischung lateinischer und ägyptischer Elemente (Abb. 40). Das Giebelfeld zeigt eine von zwei Lotus- oder Papyrussäulen getragene Aedicula (ein kleines offenes Tempelchen). In dieser steht ein Knabe, der in der Linken eine Tasche oder Situla hält, also einen kleinen Eimer, der zum Opfern dienen konnte, und der mit der Rechten mit Hilfe einer Patera, also einer flachen Opferschale, über einem Altar das Opfer vollzieht. Er trägt eine über dem Bauch gegürtete Tunica, die die Arme verhüllt und bis zu den Knien reicht. Das kurze Haupthaar bedeckt die Hälfte der Stirn. Zudem trägt er eine an der rechten Seite des Kopfes herabhängende Jugendlocke. Links von ihm sitzt auf dem Boden ein Greif, das eine Bein über einem Rad erhoben. Das Mischwesen verkörpert Isis-Nemesis, die Göttin des Maßes und der strafenden Vergeltung, die sich im römischen Ägypten besonderer Verehrung erfreute. Sie weist gleichzeitig Aspekte auf, die aus dem griechischvorderorientalischen Raum nach Ägypten gekommen sind, denn der Greif war ursprünglich das Begleittier der Nemesis. In Alexandria besaß sie sogar einen eigenen Tempel. An den beiden Säulen der Aedicula befinden sich auf Kopfhöhe des Knaben zwei nach Innen weisende Postamente. Auf dem rechten sitzt

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der Horusfalke mit der Krone Ober- und Unterägyptens, auf der linken Seite sitzt ein Schakal oder Hund – wohl eine Andeutung des Anubis. Text und Übersetzung C(aius) • Iul(ius) • Valerius | C(ai) Iul(i) Severi filius | m(ilitis) • leg(ionis) • I • I • Traianae. | Vixit annos • I • I • I •.

„Gaius Iulius Valerius, Sohn des Gaius Iulius Severus, des Soldaten der legio II Traiana. Er lebte 3 Jahre.“

Kommentar: Der Stifter der Grabstele, also der Vater des verstorbenen Knaben, war Legionär der legio II Traiana, die seit den 20er Jahren des 1. Jahrhunderts dauerhaft in Nikopolis bei Alexandria stationiert war. Die Legionäre in Ägypten stammten seit dem 2. Jahrhundert wohl zum größten Teil aus Ägypten selbst, man spricht von einer „Provinzarmee“ (Mitthof). Trotzdem gab es immer noch zahlreiche Soldaten, die die Militärsprache Latein verwendeten, die also nicht Ägypter, Griechen oder Gräkoägypter waren und ihre römische Identität insbesondere durch die Verwendung der römischen tria nomina zum Ausdruck bringen wollten. Sie führten Vornamen (praenomen), den Namen des Familiengeschlechts, dem man angehörte (nomen gentile), und einen individuellen Beinamen (cognomen). Bei Gaius Iulius Severus könnte es sich natürlich trotzdem um einen Gräkoägypter handeln, der durch das Führen der drei Namen auf seine neu erworbene römische Identität verwies, ohne dabei auf seine herkömmliche Religion verzichten zu müssen, deren Elemente er auf die Grabstele seines Sohnes setzte. Über die Ethnizität des Trägers sagen die tria nomina deshalb nichts aus. Der bestattete Knabe kann also Ägypter oder auch anderer Herkunft gewesen sein; vielleicht stammte er auch aus einer römisch-ägyptischen Mischehe. Würden wir nur den Text besitzen, so müssten wir hier von einem Zeugnis kultureller Latinizität inmitten Ägyptens ausgehen. Der Text ist aber auf einer Grabstele angebracht, die deutlich ihre ägyptische Herkunft zu erkennen gibt (Jugendlocke des Bestatteten, Horusfalke und Anubis). Im alten Ägypten war die vom kahlrasierten Schädel herabhängende Locke ikonographisches Kennzeichen von Kindern. Auf Tempelreliefs griechischrömischer Zeit sind Götterkinder, insbesondere der junge Horus, derart dargestellt. Manche meinen nun, dass es sich bei dem Knaben der vorliegenden Stele um einen „Isismysten“ handele (Hermann), also einen Knaben, der einen bestimmten Status innerhalb des gräkoägyptischen Isiskultes erreicht habe. Wenn das stimmen sollte, kann er sich aber nur im Stand der Vorweihe befunden haben, wäre der Göttin geweiht und noch nicht als Myste voll in den Kult aufgenommen gewesen, weil er hierfür zu jung gewesen wäre (von Gonzenbach). Vielleicht sollte die mit der Locke zum Ausdruck gebrachte „Adoption“ durch die ägyptische Göttin dem Jungen die Unsterblichkeit und ein glückliches Leben im Jenseits garantieren (Goette; Wrede). Problematisch an der Interpretation der Locke als Isislocke ist aber die Tatsache, dass eine solche an einem an-

76. Die Grabstele des C. Iulius Valerius

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sonsten rasierten Schädel hätte herabhängen müssen (vgl. Macrobius, Saturnalien I 21,14), was bei Valerius nicht der Fall ist. Er dürfte deshalb eher eine einfache Jugendlocke getragen haben, die auf einen auch papyrologisch belegten Brauch verweist (Borg): Kinder konnten bis zu ihrer Volljährigkeit, die sich in ihrer Aufnahme in die Steuerlisten im 14. Lebensjahr bzw. in der Aufnahme in die Ephebie ausdrückte (vgl. P.Oxy. XL 3463), eine solche Locke tragen, die dann rituell geopfert und im Rahmen einer mallokuria (µαλλοκούρια) genannten Zeremonie abgeschnitten wurde.

Abb. 40: Die Stele des C. Iulius Valerius, aus (NY.BROOK.BM.L.16.105): Herbert, pl. XIV.

Das Begräbnis des römischen Legionärssohnes bietet also ein schönes Beispiel für die Akkulturation im Imperium. Als Soldat war der Vater „Römer“ – diese Romanitas drückte er auch im Gebrauch der lateinischen Sprache aus, ebenso wie das Inschriftenformular typisch römisch ist (Filiation mit vixit annos und der hedera  am Ende). Die Religion des „Römers“ war aber ägyptisch, denn er war es, der für die ägyptischen Elemente der Grabstele, den Horusfalken, den Anubis als Gott der Toten und für Isis-Nemesis als Schützerin der Toten und als bestrafende Göttin verantwortlich war. Diese Göttin war zudem gerade im römischen Militär beliebt. & V. VON GONZENBACH, Untersuchungen zu den Knabenweihen im Isiskult der römischen Kaiserzeit, Bonn 1957, 116, mit Rezension von L. CASTIGLIONE, in: Gnomon 31, 1959, 539–543 (zur Haartracht); H. W. MÜLLER, Grabstele eines Isismysten aus Antinoe, in: Pantheon 18, 1960, 271; A. HERMANN, Antinous infelix. Zur Typologie des Heiligen-Unheiligen in der Spätantike, in: Mullus. Festschrift Theodor Klauser, Münster 1964, 165; H. PETERSEN, The Earliest Christian Inscriptions of Egypt, in: CPh 59, 1964, 172, Nr. 100; K. PARLASCA, Zur Stellung der Terenuthis-Stelen. Eine Gruppe

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römischer Grabreliefs aus Ägypten in Berlin, in: MDAIK 26, 1970, 173–198 (Parallelen); K. HERBERT, Greek and Latin Inscriptions in the Brooklyn Museum, Brooklyn N.Y. 1972, Nr. 22 (Edition und Kommentar); I. FLAGGE, Untersuchungen zur Bedeutung des Greifen, Sankt Augustin 1975, 106–121 (zur Identifikation von Greif und Nemesis); H. WREDE, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1981; J. QUAEGEBEUR, De l’origine égyptienne du griffon Némésis, in: F. Jouan (Hg.), Visages du destin dans les mythologies. Mélanges Jacqueline Duchemin. Actes du colloque de Chantilly, 1er–2 mai 1980, Paris 1983, 48; H. GOETTE, Römische Kinderbildnisse mit Jugend-Locken, in: Athener Mitteilungen 104, 1989, 203–221; D. MONTSERRAT, Mallocouria and Therapeuteria: Rituals of Transition in a Mixed Society, in: BASP 28, 1991, 43–49; B. LEGRAS, Mallokouria et mallocourètes. Un rite de passage dans l’Égypte romaine, in: CCG 4, 1993, 113–127; B. BORG, Mumienporträts. Chronologie und kultureller Kontext, Mainz 1996, 112–121 (zur Problematik der Horus-, Isis- oder Jugendlocke); F. MITTHOF, Soldaten und Veteranen in der Gesellschaft des römischen Ägypten (1.–2. Jh. n. Chr.), in: G. Alföldy u.a. (Hg.), Kaiser, Heer und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 2000, 377– 405 (zur Herkunft der Soldaten); B. LICHOCKA, Nemesis en Égypte romaine, Mainz 2004, Nr. I B 9 (zum Greifen); M. VONDERSTEIN, Cirrus, Mallos oder Horuslocke – Überlegungen zu einem römischen Knabenporträt in der Berliner Antikensammlung, in: O. Pilz/M. Vonderstein (Hg.), Keraunia. Beiträge zu Mythos, Kult und Heiligtum in der Antike, Berlin/Boston 2011, 161–176 (zur Jugendlocke, mit weiterführender Literatur); D. BUDDE, Das Götterkind im Tempel, in der Stadt und im Weltgebäude. Eine Studie zu drei Kultobjekten der Hathor von Dendera und zur Theologie der Kindgötter im griechisch-römischen Ägypten, Mainz 2011, 356f. (zum Gebäude); F. KAYSER, Épitaphes et monuments des soldats romains en Égypte, in: A-E. Veïsse/St. Wackenier (Hg.), L’armée en Égypte aux époques perse, ptolémaïque et romaine, Genf 2014, 227f. (Kontextualisierung der Stele im Rahmen der Soldatengrabsteine aus Ägypten); M. BERGMANN, Mallokouria: Portraits of Local Elite Boys in Roman Egypt, in: S. E. Alcock u.a. (Hg.), Beyond Boundaries. Connecting Visual Cultures in the Provinces of Ancient Rome, Los Angeles 2016, 156–173.

77. Ein Siegesmonument (?) für Alexander Severus (232 n. Chr.) I.Portes 12 = SB V 8312 = CIG III 4705 = IGRR I 1143 = TM 88326 77. Ein S ieges monument (?) für A lexander Severus

Vorliegende Inschrift befand sich auf zwei Säulenbasen, die heute nicht mehr erhalten sind und die wohl zu einem Siegesmonument gehören, das die Bürgerschaft von Antinoopolis für den römischen Kaiser Severus Alexander gestiftet hatte. Neben Naukratis, Alexandria und Ptolemais war Antinoopolis die vierte Stadt griechischen Rechts in Ägypten. Hadrian hatte sie auf seiner Reise durch Ägypten gegründet, nachdem im Jahr 130 n. Chr. sein Liebling Antinoos im Nil ertrunken und nach ägyptischer Vorstellung zu Osiris-Antinoos geworden war. Danach erhielt der Verstorbene Kulte als Gottheit im gesamten römischen Reich. Die nach ihm benannte Stadt liegt in Mittelägypten beim heutigen Dorf Scheich Ibada auf der östlichen Seite des Nils. Nicht weit entfernt finden sich auch die Ruinen des schon lange zuvor verlassenen Tell el-Amarna und am gegenüberliegenden Nilufer lag die bedeutende Stadt Hermopolis Magna.

77. Ein Siegesmonument (?) für Alexander Severus

Text und Übersetzung ἀγαθῆι τύχηι. | Αὐτοκράτορι Καίσαρι Μάρκωι Αὐρηλίωι | Σεουήρωι Ἀλεξάνδρωι Εὐσεβεῖ Εὐτυχεῖ | Σεβαστῶι [καὶ Ἰουλίαι Μαµµαία]ι Σεβαστῆι, | (5) µητρὶ αὐτοῦ [καὶ τῶ]ν ἀηττήτων | στρατοπέδων, [ὑπὲρ νίκ]ης καὶ αἰωνίου | διαµονῆς αὐτῶν κ̣[αὶ τοῦ σύ]µ̣παντος αὐτῶν οἴκου, | ἐπὶ Μηουίου Ὡνωρ[ατιανο]ῦ, ἐπάρχου Αἰγύπτου, | ἐπιστρατηγοῦντος Σ‚εου[ήρου Ο]ὐ̣ιβίου [Αὐρ]ηλιανο[ῦ], (10) Ἀντινοέων νέων Ἑλλήνων [ἡ βουλ]ή, | πρυτανεύοντος Αὐρηλίου Ὠριγέν[ους] | [το]ῦ καὶ Ἀπολλωνίου, βουλευτοῦ, γυµν[ασιάρχου], | ἐπὶ τῶν στεµµάτων καὶ ὡς χρηµα[τίζει] | φυλῆς Ἀθηναίδος. (ἔτους) ια Τ[υβὶ — ].

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„Auf gutes Glück! Dem Imperator Caesar Marcus Aurelius Severus Alexander Pius Felix Augustus und der [Iulia Mammaea] Augusta, seiner und der unbesiegten Heerlager Mutter (mater invictorum castrorum), zum Wohl ihres Sieges und ihrer ewigen Dauer (scil. ihrer Herrschaft) und ihrer gesamten Familie, unter Mevius Honoratianus, dem praefectus Aegypti, als Severus Vibius Aurelianus Epistratege war, (hat es gestiftet) der Rat der neuen Griechen von Antinoe, als Aurelius Origenes Prytane war, der auch Apollonios heißt, Buleut, Gymnasiarch, Zuständiger für die stemmata, und was er sonst noch für Titel führen mag, aus der Phyle Athenais. Im 14. Regierungsjahr, am [x.] T[ybi].“

Kommentar: Das Siegesmonument, zu dem die Inschrift gehörte, dürfte der Stadtrat anlässlich des Persersieges des Severus Alexander (reg. 222–235 n. Chr.) geweiht haben. Die Sassaniden hatten ein neues persisches Großreich gegründet und waren unter Ardaschir 230 n. Chr. im römischen Mesopotamien eingefallen. Severus Alexander zog gemeinsam mit seiner Mutter Iulia Mammaea im Jahr 231 n. Chr. gegen sie in den Krieg und konnte den Feind 232 n. Chr. zurückschlagen. Die Inschrift beginnt mit der Weihformel „Auf gutes Glück“. Es folgen im Dativ der Name des Kaisers Alexander Severus und der seiner Mutter Iulia Mammaea. Es ist ungewöhnlich, dass beide hier im Dativ stehen, also funktional die mit der Stiftung angesprochenen Gottheiten sind, denn gleichzeitig ist die Stiftung durch die hyper-Formel „zugunsten“, also „zum Heil“ ihres Sieges, ihrer Dauer, also der Dauer ihrer Herrschaft, und ihrer Familie geweiht. Zu erwarten wäre deshalb eigentlich die Weihung an Iuppiter-Zeus oder eine andere Gottheit, die das Heil des Kaisers gewähren sollten, denn Severus Alexander und Iulia Mammaea konnten schwerlich Garantiegottheiten ihres eigenen Heils sein. So liegt hier wohl ein „Fehler“ dergestalt vor, dass man im Griechischen versehentlich den Dativ lateinischer Inschriften übernommen hatte. Bei lateinischen Weihinschriften auf Statuenbasen kennzeichnete der Dativ nämlich die

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Stiftung einer Statue der genannten Person, hatte also die Funktion, die in griechischen Inschriften mit dem Akkusativ ausgedrückt wurde (vgl. ein ähnliches Versehen, nur in umgekehrter Richtung, in Text 81). Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass Statuen des Kaisers und seiner Mutter das Säulenmonument bekrönten. Dass die Mutter eines Kaisers in einer Inschrift so prominent erscheint, ist unüblich, erklärt sich aber aus der Tatsache, dass Iulia Mammaea ihren Sohn überhaupt erst auf den Thron gebracht hatte und allem Anschein nach, wie alle Frauen des severischen Kaiserhauses, erheblichen Einfluss auf die Herrschaft ihres Sohnes ausübte bzw. wohl selbst die Regierungsgeschäfte führte. Den Ehrentitel „Mutter der unbesiegten Heerlager“ (mater invictorum castrorum) erhielt sie, weil sie den Sohn auf seinen Feldzügen begleitet hatte. Hiermit wird auf ihre göttliche Schutzfunktion der Heerlager als Äquivalent zum Kaiser, der das Heer im Feld schützte, zum Ausdruck gebracht (Speidel) – er steigert noch einmal den Titel der Kaisergemahlin als „Mutter der Heerlager“, wie er seit Marc Aurel belegt ist. Mit der typischen Wendung „unter“ (ἐπί) nennen die Weihenden im Anschluss an den Zweck der Weihung zunächst den Präfekten Ägyptens und den Vorsteher der Region, den Epistrategen, in deren Amtszeit sie die Stiftung vorgenommen haben (vgl. Text 64, 65, 70). Erst darauf geben sie sich selbst zu erkennen und beschließen die Stiftung mit der Angabe des Herrschaftsjahres des Kaisers, so wie es üblich war in Ägypten, wo als einziger Provinz nicht nach den jeweils amtierenden eponymen Konsuln datiert wurde. Als Griechenstadt, die sich aus den von Hadrian angesiedelten „neuen Hellenen“ konstituierte, verfügte Antinoopolis selbstverständlich über eine Gliederung der Bürgerschaft in Phylen – hier ist die nach Athena benannte Einheit angeführt. Zudem gab es eine bule, also einen Stadtrat, mit seinen jeweils alternierend tätigen Prytanen, den Ratsherren. Der Stadtrat hatte getagt und unter der Prytanie des Aurelius Origenes, der, wie es das praenomen Aurelius zu erkennen gibt, mit der constitutio Antoniniana unter Caracalla im Jahr 212 n. Chr. das römische Bürgerrecht erhalten hatte, die Errichtung des Säulenmonuments beschlossen. Der Name (H)Origenes ist griechisch und lautet übersetzt „Horus hat ihn geboren“. Hieraus erklärt sich sein ebenfalls griechischer Aliasname Apollonios, also „Zugehöriger zu Apoll“, der die interpretatio Graeca des Horus war. Als Gymnasiarch führte er eines der kostspieligsten Ämter der Stadt, muss damit zur reichen Oberschicht gehört haben. Zudem war er zuständig für die Stemmata, eine Aufgabe, von der wir nicht genau sagen können, worum es sich handelte (Kayser). Manche sehen hierin die Aufsicht über die Verteilung der Siegeskränze bei den Wettkämpfen oder die Eintreibung der Kranzsteuer, andere die Aufsicht über bestimmte Altersklassen (etwa des Gymnasiums oder der Stadt). & E. KETTENHOFEN, Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung. Ein Beitrag zum Problem der Orientalisierung, Bonn 1979 (zu Iulia Mammaea); H. HALF-

78. Das Dekret des Strategen Aurelius Besarion

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MANN, Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, Stuttgart 1986, 231f. (zum Reiseweg des Alexander Severus); E. WINTER, Die sāsānidisch-römischen Friedensverträge des 3. Jahrhunderts n. Chr. – ein Beitrag zum Verständnis der außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Großmächten, Frankfurt am Main 1988; M. ZAHRNT, Antinoopolis in Ägypten: Die hadrianische Gründung und ihre Privilegien in der neueren Forschung, in: ANRW II 10,1 (1988), 669–706; F. KAYSER, À propos de l’ΕΠΙ ΤΩΝ ΣΤΕΜΜΑΤΩΝ, in: BIFAO 89, 1989, 219–226; M. T. BOATWRIGHT, Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000, 190–196 (zur Gründung von Antinoopolis); M. A. SPEIDEL, Faustina – mater castrorum. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte, in: Tyche 27, 2012, 127–152 (zum Ehrentitel der Iulia Mammaea).

78. Das Dekret des Strategen Aurelius Besarion über die Schweine im Hof des Mandulistempels von Kalabscha (247/248 n. Chr.) OGIS I 210 = W.Chr. 73 = I.Prose 63 = SB V 8534 = CIG III 5069 = IGRR I 1356 = TM 103021 78. Das Dekret des Strategen Aurelius Bes arion

Das Zwölfmeilenland, die Dodekaschoinos, war der in Nubien gelegene Teil der römischen Provinz Aegyptus. In dem heute im Nassersee versunkenen Talmis/Kalabscha entstand in der Zeit des Augustus an der Stelle eines vom nubischen König Arkamani erbauten Tempels für den lokalen (nichtägyptischen) Gott Mandulis (vgl. Text 26) ein neuer monumentaler ägyptischer Tempel. Die erhaltenen Bauten wurden im Rahmen der UNESCO-Aktion zur Verlegung von Kulturdenkmälern anlässlich des Baus des Assuan-Staudamms 1962/1963 nach Neu-Kalabscha (50 km nördlich des ursprünglichen Standorts) verlegt. Die vorliegende Inschrift ist am Pronaos des Tempels angebracht, an der dem öffentlichen Hof der Menge zugewandten Seite, so dass sie von Besuchern des Tempels gelesen werden konnte. Text und Übersetzung Αὐρήλ(ιος) Βησαρίων ὁ καὶ Ἀµµώνιος | στρ(ατηγὸς) Ὀµβ(ίτου) Ἐλεφ(αντίνης). τοῦ κρατ(ίστου) Μύρωνος δια|δεχοµέν(ου) τὴν ἀρχιερωσύνην δι’ ὧν µοι ἔγραψ[ε] | κελεύσαντος πάντας τοὺς χοίρους ἐξελασθῆναι (5) ἀπὸ ἱεροῦ κώµης Τάλεως τῆς ι̅β̅ σχοί(νου), παραγγέλλε|ται πᾶσι τοῖς κεκτηµένοις χοίρους τούτ ἐξε|λάσαι ἐντὸς πεντεκαίδεκα ἡµερῶν ἀπὸ τῆς προ|κειµένης κώµης, πρὸ ὀφθαλµῶν ἔχουσι τὰ περὶ τούτου | κελευσθέντα πρὸς τὸ

„Aurelius Besarion, der auch Ammonios heißt, Stratege des Ombites und von Elephantine. Weil der vir egregrius Myron, der Nachfolger im Oberpriestertum (Alexandrias und ganz Ägyptens) ist, durch das, was er mir geschrieben hat, angeordnet hat, dass alle Schweine aus dem Heiligtum des im Zwölfmeilenland gelegenen Dorfes Talmis herauszutreiben sind, ist allen Schweinebesitzern zu befehlen, dass sie diese innerhalb von 15 Tagen aus dem vorgenannten Dorf treiben, in-

360 δύνασθαι τὰ περὶ τὰ ἱερὰ θρήσ(10)κια κατὰ τὰ νενοµισµένα γείνεσθαι. | [(ἔτους)] ς τῶν κυρίων ἡµῶν ⟦[Φιλίππω]ν̣⟧ Σ‚εβαστ[ῶν].

Texte dem sie sich die diesbezügliche Anordnung vor Augen halten, damit die heiligen Kulte nach den üblichen Bräuchen vollzogen werden können. Im 6. [Regierungsjahr] unter der Herrschaft unserer Herren ⟦Philippi⟧ Augusti.“

Kommentar: Die Datierung der Inschrift war zunächst umstritten, weil es sich bei den Herrschern entweder um Maximinus Thrax (reg. 235–238) und seinen Sohn Maximus (IGRR und Török = 235–238) oder um C. Iulius Philippus Arabs (reg. 244–249), der gemeinsam mit seinem Sohn Philippus 244–247 regierte, handeln könnte (OGIS, Bingen = 248/249). Letzteres ist vor allem deshalb die richtige Lösung, weil Bingen noch die Jahreszahl 6 am Stein lesen konnte, Maximinus Thrax aber nicht entsprechend lange regierte, so dass nur die beiden Philippi gemeint sein können. Die Priester des Tempels von Talmis hatten eine Beschwerde an den Oberpriester Alexandrias und Ägyptens gerichtet, weil ihr Tempel zur Schweinehaltung missbraucht wurde. Diesem in Alexandria residierenden römischen Funkionär oblag die Oberaufsicht für die rechtmäßig durchgeführten Kulte. Sein voller Titel lautete: „Oberpriester der Götter-Augusti und des großen Sarapis und Zuständiger für die Heiligtümer in Alexandria und Ägypten.“ Er war insbesondere für die Oberaufsicht der Kulte in der Provinz Aegyptus zuständig (Pfeiffer). Der Oberpriester übertrug dann die Klärung der Angelegenheit dem für diese Frage zuständigen Myron, der den Strategen mit der Veröffentlichung der Entscheidung beauftragte. Die Inschrift zeigt, dass die Dodekaschoinos – das an die Grenze Ägyptens in Syene/Philae südlich anschließende Zwölfmeilenland – keinen eigenen Gau bildete, sondern in dieser Zeit vom Strategen von Omboi und Elephantine mitverwaltet wurde. Der anordnende und damit dem Strategen auch weisungsbefugte Myron war ein vir egregius. Es handelt sich hierbei um die Kennzeichnung der Würde eines römischen Ritters in höchsten Verwaltungspositionen, die seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts belegt ist. Myron ist aber keinesfalls, wie es sich in nicht wenigen Übersetzungen findet, Oberpriester, sondern diadochumenos tên archierosynên: Er trägt also den Funktionärstitel „Nachfolger im Oberpriesteramt“. Als solcher ist er wahrscheinlich gleichzeitig procurator usiacus (ἐπιτρόπος τῶν οὐσιακῶν, Wilcken), also Vorsteher der ousiakos logos (οὐσιακὸς λόγος) genannten Kasse für Einkünfte aus kaiserlichen Besitzungen. Die Schweinehalter mussten ihre Tiere aus dem heiligen Bezirk entfernen, damit die Kulte wieder ungestört ablaufen konnten. Ob mit der Wendung „aus dem vorgenannten Dorf entfernen“ zu entnehmen ist, dass Schweinehaltung auch noch in Talmis selbst untersagt wird, ist zumindest schwer vorstellbar.

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Vielleicht handelt es sich hierbei auch lediglich um einen Fehler und der Verfasser wollte eigentlich „aus dem vorgenannten Tempel entfernen“ schreiben. Das Verbot von Schweinehaltung im Tempel wiederum kann nur bedeuten, dass es den Tierhaltern in den vorangegangenen Jahren möglich geworden war, Schweinezucht im heiligen Bezirk zu betreiben und die Kulte damit zu entweihen. Umso schlimmer war die Anwesenheit der Schweine im Tempelbezirk, weil diese den Ägyptern als unrein, ja sethisch galten (Herodot II 47f.) – was freilich nicht ausschloss, dass Schweine auf den Ländereien und den Stallungen der Tempel gezüchtet und gehalten wurden. So zeigt ihre Haltung im Tempel durch die nichtpriesterlichen Hirten einerseits die schwache Position, die die Priester in dieser Region gegenüber der Bevölkerung hatten, und andererseits, dass der Tempelbetrieb nicht mehr in dem Maße von den Priestern durchgeführt werden konnte, wie es in den Jahrhunderten davor möglich war. Das passt gut zu dem Bild, das auch andere ägyptische Heiligtümer seit der Mitte des 3. Jahrhunderts zu erkennen geben: Nach und nach bricht nicht nur die Tempeldekorations- und -bautätigkeit ab, sondern auch die papyrologische Überlieferung zur Tempelverwaltung (Bagnall). Es handelt sich um einen längeren Prozess des Umbruchs, der zeigt, dass die alte Priesterreligion schon vor dem sogenannten Sieg des Christentums nicht mehr viele Verfechter hatte. & U. WILCKEN, Kaiserliche Tempelverwaltung in Ägypten, in: Hermes 23, 1888, 592– 606; H. GAUTHIER, Le Temple de Kalabchah. 2. Bde., Kairo 1911/1914, 193; F. PREISIGKE, Antikes Leben nach den ägyptischen Papyri, Leipzig/Berlin 1916, 109; L. TÖRÖK, Der meroitische Staat 1. Untersuchungen und Urkunden zur Geschichte des Sudan im Altertum, Berlin 1986, 304f., Nr. 99 (deutsche Übersetzung); R. S. BAGNALL, Egypt in Late Antiquity, Princeton 1993, 261–273 (zum Ende des Tempelkultes); J. BINGEN, Date et genèse d’OGIS I 210 (Talmis – Kalabchah), in: CdÉ 72, 1997, 348– 354; T. EIDE u.a. (Hg.), Fontes Historiae Nubiorum III, Bergen 1999, Nr. 248; J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechischrömischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 230–251 (zum Zwölfmeilenland); G. HÖLBL, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel II. Die Tempel des römischen Nubien, Mainz 2004, 21, 111; J. H. F. DIJKSTRA/K. A. WORP, The Administrative Position of Omboi and Syene in Late Antiquity, in: ZPE 155, 2006, 183–187; F. BEUTLER, Wer war ein „Procurator usiacus“? Die Verwaltung des Patrimoniums in Ägypten in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, CCG 18, 2007, 67–82; J. H. F. DIJKSTRA, Philae and the End of Ancient Egyptian Religion. A Regional Study of Religious Transformation (298–642 CE), Löwen u.a. 2008, 125 (zum Ende der Tempelkulte); St. PFEIFFER, Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr.–217 n. Chr.), Stuttgart 2010, 270–278 (zum Oberpriester); Y. VOLOKHINE, Le porc en Égypte ancienne. Mythes et histoire à l’origine des interdits alimentaires, Lüttich 2014, 184– 187 (zum Schwein in der Tempelwirtschaft), 187–192 (zur Unreinheit des Schweins).

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79. Der „heiligste“ Nil erreicht Philae (2. September 290 n. Chr.?) I.Philae II 187 = SB I 4100 = TM 80938 79. Der „heiligs te“ Nil erreicht Philae

Unter der Herrschaft Diokletians entstand einer der letzten großen Bauten der Repräsentation römischer Macht auf Philae: das Bogenmonument des Diokletian (Abb. 41). Schritt man vom Landungssteg der Insel hinauf in die Stadt Philae, die sich hinter dem Tempel erstreckte, dann passierte man, bevor man auf den Tempel des Augustus zuging, einen dreibogigen, nicht fertiggestellten Ehrenbogen (Fauerbach/Sählhof), dessen Dedikationsinschrift mit der Nennung des Diokletian und des Constantius noch äußerst fragmentarisch erhalten ist (I.Philae II 185, zw. 293 und 305 n. Chr.). An diesem Monument findet sich vorliegendes Graffito angebracht, das das Kommen der Nilflut preist. Text und Übersetzung ὁ ἱερώτατο̣[ς Νε]ῖλος εἰσῆλθεν εἰς τὸ[ν] πυλῶνα τῆς [πό]λ̣εως Φιλ[ῶν], ἐπὶ Πασῆνις Παταν[νοῦ]φις κυβερνήτης Νεί[λου] [Ν]οφερῶ[ς], ἔτ[ου]ς ἑβδόµου, Θὼθ ε̅ · Τ‚ΟΙ‚ [̣ — — ]ΟΙ̣Κ[ — — —] ἔγραψε̣ Τ‚Ο[‚ — —].

„Der heiligste Nil ist in das Tor der Stadt Philae gekommen, unter Pasenis, Sohn des Patransnuphis, kybernetes des Nilos Nopheros, im 7. Regierungsjahr, am 5. Thoth [...] hat geschrieben [...].“

Kommentar: Der durch die reichhaltigen Monsunregenfälle im abessinischen Hochland bedingte jährliche Anstieg des Nils garantierte die Fruchtbarkeit Ägyptens (Bonneau). Aus diesem Grund war das Naturereignis der Nilflut seit ältester Zeit fest in das Kultgeschehen Ägyptens eingebunden: Der Fluss war Gottheit und Gottesgabe zugleich. Nicht nur an den Nilometern in den Tempeln des Landes wurde dieses Naturereignis genau registriert und verkündet, sondern auch an den Nilufern, insbesondere an Treppenanlagen konnte dieses Ereignisses gedacht werden, wie es das vorliegende Beispiel oder auch die große Niltreppe der Insel Elephantine zeigen. Das Epitheton „heiligster“ kann der Nil in diesem Zusammenhang seit hadrianischer Zeit erhalten.

Abb. 41: Rückseite des sogenannten Diokletiantores auf Philae mit den Resten des dahinterliegenden Tempels des Augustus. Photo: Stefan Pfeiffer 2017.

79. Der „heiligste“ Nil erreicht Philae

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Angebracht hat das Graffito der Ägypter Patransnuphis, der sich als „Steuermann“ des Nil bezeichnet. Es handelt sich aber sicherlich nicht um eine Berufsbezeichnung, sondern um ein Priesteramt (Borchardt, vgl. I.Thèbes 171), denn wahrscheinlich stand eine Prozessionsbarke im Mittelpunkt der Feierlichkeiten und dem „Steuermann“ oblag als oberstem Priester die Zuständigkeit für die Riten. Der Gott Nil erhält hier im philensischen Kontext zudem noch den Beinamen Nopheros (Nfr-Hr), „der Schöngesichtige“, womit sicherlich Osiris gemeint ist. Das jährliche Ansteigen und Abschwellen des Nils konnte mit dem Tod und der Auferstehung des Gottes verglichen werden. So wird Osiris in einem Hymnus auf Philae wie folgt angesprochen: „Du bist der Nil, der sich zu seiner Zeit ergießt, von dessen Ausflüssen Götter und Menschen leben, der zu seiner Periode kommt, zu seiner Zeit geboren wird, dessen Glieder sich alljährlich erneuern.“ (Junker, 39).

Abb. 42: Blick vom Nil auf das sogenannten Diokletianstores auf Philae. Photo: Silke Caßor-Pfeiffer 2020.

& L. BORCHARDT, Nilmesser und Nilstandsmarken. Abhandlungen der königlichpreussischen Akademie der Wissenschaften. Philosophische und historische Abhandlungen, Berlin 1906 (zur Nilmessung); H. JUNKER, Das Götterdekret über das Abaton, Wien 1913 (zum Osiriskult auf Philae); W. SPIEGELBERG, Der Gott Nephotes (Nfr-Htp) und der κυβερνήτης des Nils, in: ZÄS 62, 1927, 36f. (Erklärung des Kultamtes); D. BONNEAU, La crue du Nil, divinité égyptienne à travers mille ans d’histoire (332 av. – 641 ap. J.-C.), Paris 1964, 11–26 (zum Nilhochwasserstand); Ph. GERMOND, À propos

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de l’expression Or nfr, ‚beau visage‘: une lecture au second degré?, in: BSEG 4, 1980, 39–43 (zum Beinamen Nopheros); L. ZABKAR, A Hymn to Osiris Pantocrator at Philae, in: ZÄS 108, 1981, 145; G. HAENY, A Short Architectural History of Philae, in: BIFAO 85, 1985, 232 (Erklärung des Diokletian-Tores als Triumphbogen); F. R. TROMBLEY, Hellenic Religion and Christianization c. 370–529, Bd. 2, Leiden u.a. 1994, 225–238 (zu den späten paganen Zeugnissen auf Philae); D. BONNEAU, La divinité du Nil sous le principat en Égypte, in: ANRW II 18,5 (1995), 3199–3204, 3208 (Belege für den „heiligsten“ Nil); J. LOCHER, Topographie und Geschichte der Region am ersten Nilkatarakt in griechisch-römischer Zeit, Stuttgart/Leipzig 1999, 131f. (zur Bewertung des Tores); J. H. F. DIJKSTRA, Philae and the End of Ancient Egyptian Religion. A Regional Study of Religious Transformation (298–642 CE), Löwen u.a. 2008, 27f., 118 (zum „heiligsten“ Nil); U. FAUERBACH/M. SÄHLHOF, Kaiserkult am Katarakt. Der Augustustempel auf Philae, in: Koldewey-Gesellschaft (Hg.), Bericht über die 46. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung vom 12. bis 16. Mai 2010 in Konstanz, Stuttgart 2012, 74–77.

80. Die sogenannte Pompeiussäule in Alexandria (298 oder 302 n. Chr.) I.Alex. imp. 15 = CIG III 4681 = OGIS II 718 = IGRR I 1068 = SB V 8278 = SEG XVII 789 = TM 103043 80. Die s ogenannte Pompeius s äule in Alexandria

Noch heute weithin sichtbar kündet die sogenannte Pompeiussäule von der Örtlichkeit des alexandrinischen Serapeums, das in römischer Zeit neu aufgebaut worden war (Abb. 42). Nach Pompeius ist sie benannt, weil man im Mittelalter glaubte, hier sei der große Gegner Caesars, Pompeius, begraben gewesen. Die monumentale Säule steht am Rand des Heiligtums, dort, wo der Besucher über den breiten Ostaufgang den Tempelbezirk betritt. Mit einem Durchmesser von etwa 2,8 Metern ist die aus Rosengranit bestehende Säule von einem (pseudo)korinthischen Kapitell bekrönt. Der 6 Meter hohe Sockel trägt auf seinem als Plinthe gestalteten oberen Abschluss die Stiftungsinschrift. Sie ist auf einer in Form einer tabula ansata ( ) ausgestalteten Spiegelfläche an der Plinthe angebracht und war einst sicherlich farblich deutlich vom Untergrund abgehoben. So konnte jeder Besucher des Tempels sehen, wer hier geehrt wurde. Eingraviert war die Inschrift an der zum Tempelhof hin gerichteten Westseite, sie sollte also erst vom Binnenraum der Kultstätte aus gelesen werden können. Text und Übersetzung τὸ[ν τι]µιώτατον Αὐτοκράτορα, | τὸ[ν] πολιοῦχον Ἀλεξανδρείας, | Διο[κλη]τιανόν, τὸν ἀν[ίκη]τον, | Πού̣π̣[λιος] ἔπαρχος Αἰγύπτου | [ — ? — ? — ].

„Den verehrtesten Imperator, den Stadtschützer Alexandrias, Diokletian, den Unbesiegten (i.e. seine Statue), (hat) Publius, der praefectus Aegypti, (aufgestellt) [...?...].“

Kommentar: Errichtet hat der Präfekt Ägyptens die von einer Statue Diokletians bekrönte monolithische Säule, die inklusive Sockel über 28 Meter hoch ist,

80. Die sogenannte Pompeiussäule in Alexandria

365

unter Kaiser Diokletian, wie es die vorliegende Stiftungsinschrift belegt. Der Präfekt stiftete die Säule möglicherweise während eines der beiden Besuche Diokletians in Ägypten, also entweder 298, nach der Niederschlagung des Aufstandes des Domitius Domitianus, oder 302, als Diokletian nochmals in Ägypten war. Daneben gibt es die Auffassung, dass die Säule bereits in severischer Zeit errichtet wurde und die Stiftungsinschrift nachträglich angebracht wurde (Łukaszewicz). Der Kaiser führt in dieser Inschrift eine seltsame Mischung aus individuellen Ehrentiteln und Bestandteilen seiner offiziellen Titulatur, die Imperator Caesar Gaius Aurelius Valerius Diocletianus Pius Felix Invictus Augustus pontifex maximus pater patriae lautete. Hinzu kamen noch verschiedene Siegerbeinamen mit der Nummerierung ihrer mehrmaligen Verleihung. Von dieser Titulatur übrig geblieben ist nur Imperator Diocletianus Invictus; weiterhin erhielt er den eindeutig lokal zu deutenden Beinamen eines Stadtschützers, der den Kaiser mit dem alexandrinischen Sarapis, dem Gott des Heiligtums, in dem die Säule errichtet wurde, gleichsetzte. Somit zeigt sich, dass auch noch im ausgehenden 3. Jahrhundert der Kult für Sarapis von essentieller Bedeutung für Alexandria und Ägypten war (vgl. Iulianus, Brief 53). Dass der Kaiser gerade in diesem Tempel mit Sarapis identifiziert wurde, belegt zudem, wie wichtig der Kaiserkult in einer an die jeweiligen Verhältnisse vor Ort adaptierten Form für die Legitimation seiner Herrschaft war. Natürlich ist zu erwarten, dass Diokletian auch im Augustustempel am Hafen der Stadt (vgl. Text 46) entsprechend verehrt wurde, doch kein Kaiser bis auf Vespasian und Hadrian hatte eine derartig enge Bindung an das Serapeum erhalten wie Diokletian. Da er des Weiteren als „Stadtschützer“ geehrt wurde, ist es wahrscheinlich, dass die Weihung im Kontext der Niederwerfung des Aufstandes des Domitius Domitianus errichtet wurde. Aus diesem Grund dürfte der Stifter, also der Präfekt Publius, mit dem anderweitig belegten Präfekten Aelius Publius (amt. 297/98–Sept. 299) zu identifizieren sein, der nach dem Usurpationsversuch des Domitius Domitianus und Aurelius Achilleus von Diokletian in sein Amt eingesetzt worden war (Thiel). Er hätte dem Kaiser mit der Stiftung seine Dankbarkeit erwiesen und gleichzeitig der Bevölkerung die Göttlichkeit des Herrschers vor Augen geführt. Gerade im Lichte der Niederschlagung dieser Revolte erhält der dem Kaiser verliehene Beiname „Stadtbeschützer“ freilich eine pikante Note, denn als wirklicher Schützer Alexandrias sah sich Diokletian eher nicht. Zumindest berichtet Malalas (Weltchronik XII 41) Folgendes über das Handeln Diokletians nach der Niederschlagung eines ägyptischen Aufstandes: „Als er aber Alexandreia erobert hatte, steckte er es in Brand. Er zog nun beritten in diese Stadt ein, wobei sein Pferd die Füße auf die Leichen setzte. Er hatte dann dem Heer befohlen, es solle sich des Metzelns nicht enthalten, bis das Blut der Abgeschlachteten bis zum Knie des Pferdes, auf dem er saß, ansteigen würde. Auf Befehl Gottes aber fügte sich, daß das Pferd, auf dem der Kaiser saß, ganz nahe am Stadttor, als er eingezogen war, auf die Leiche eines

366

Texte

Mannes trat, strauchelte, auf dem Toten in die Knie sank, und daß das Knie des Pferdes mit Blut besudelt wurde. Und er hielt sich an den Vorfall und gewährte Schonung, und die Soldaten hörten auf, die Bürger von Alexandreia abzuschlachten. Und es stellten eben diese Alexandriner dem Pferde ein bronzenes Denkmal zum Danke auf.“ (Übersetzung: Thurn).

Abb. 42: Heutiger Zustand des Serapeums in Alexandria: Die sogenannte Pompeiussäule mit zwei wiederaufgestellten Sphingen aus der pharaonischen Epoche. Photo: Stefan Pfeiffer 2010.

In der Nähe der Säule fand man Überreste einer Porphyrstatue (einen 1,60 m hohen Oberschenkel), die vielleicht zur Statue des Diokletian auf der Säule gehörte (Delbrück). Sie soll eine errechnete Gesamthöhe von 7 m gehabt haben. In neuerer Zeit wird die These vertreten, dass die Säule ursprünglich Bestandteil eines Zwei- oder Viersäulenmonuments war (Thiel), wie wir es auch aus dem Legionslager von Luxor (vgl. Text 81) oder, in vergleichbarer Größe, aus Hermopolis Magna kennen. Am archäologischen Befund kann diese durchaus plausible Vermutung aber nicht bestätigt werden. Ebenso ist zu bedenken, dass sol-

81. Die beiden Vier-Säulen-Monumente im Militärlager von Luxor

367

che Viersäulenmonumente üblicherweise an Wegkreuzungen aufgestellt waren (Kayser). Für ein ursprünglich geplantes Zweisäulenmonument könnte aber zumindest das große, 2 m tiefe und 11 x 10,50 m messende Wasserbecken sprechen. Als keine zweite Säule ausgeführt wurde, habe man die Fundamentierung für die Säule in ein Becken umgestaltet (Thiersch/Thiersch nach Sabottka). Sollte die These zutreffen, dass die Säule bereits unter Caracalla (215 n. Chr.) errichtet wurde, dann könnte sich hier tatsächlich ursprünglich eine zweite Säule mit einer Statue des Geta befunden haben, die dann nach seiner damnatio memoriae eingerissen und in ein Becken umgewandelt wurde (Lembke). Beide Säulen hätten also ursprünglich den Eingang des heiligen Bezirks flankiert. Eine Entscheidung über die genaue Datierung der Säule ist deshalb noch nicht letztgültig möglich. & R. DELBRUECK, Antike Porphyrwerke. Studien zur spätantiken Kunstgeschichte VI, Berlin 1932, 100f. (zu den Resten der Porphyrstatue des Kaisers); C. VANDERSLEYEN, Le préfet d’Égypte de la colonne de Pompée à Alexandrie, in: CdÉ 33, 1958, 113–134; J.-Y. EMPEREUR, Alexandria Rediscovered, London 1998, 110–123 (zahlreiche Abbildungen); A. ŁUKASZEWICZ, Antoninus Philoserapis. Observations on Caracalla’s visit to the Sarapeum of Alexandria (A.D. 215–216), Warschau 1998, 70–100 (These, dass die Säule bereits von den Severern errichtet, die Inschrift hingegen nachträglich angebracht wurde); W. THIEL, Tetrakionia. Überlegungen zu einem Denkmaltypus tetrarchischer Zeit im Osten des Römischen Reiches, in: AntTard 10, 2002, 299–326 (zu den Säulenmonumenten); J. MCKENZIE u.a., Reconstructing the Serapeum in Alexandria from the Archaeological Evidence, in: JRS 94, 2004, 73–114; W. THIEL, Die „Pompeius-Säule“ in Alexandria und die Viersäulenmonumente Ägyptens. Überlegungen zur tetrarchischen Repräsentationskultur in Nordafrika, in: D. Boschung/W. Eck (Hg.), Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Präsentation, Wiesbaden 2006, 251–270 (Interpretation der Säule als Bestandteil eines Tetrastylons; dagegen Kayser, BE 2008, Nr. 587); J. MCKENZIE, The Architecture of Alexandria and Egypt. 300 BC – AD 700, New Haven/London 2007, 195–203 (zur Archäologie und zum Aussehen des Serapeums in römischer Zeit); M. SABOTTKA, Das Serapeum in Alexandria. Untersuchungen zur Architektur und Baugeschichte des Heiligtums von der frühen ptolemäischen Zeit bis zur Zerstörung 391 n. Chr., Kairo 2008, 288–293 (archäologische Bestandsaufnahme, mit Rezension K. LEMBKE, in: Gnomon 82, 2010, 148– 154).

81. Ehreninschriften auf den beiden Vier-Säulen-Monumenten im Militärlager von Luxor (301 und 308 n. Chr.) AE 1934, 0007–0010 = AE 1987, 0975e = AE 2004, 1636 = TM 220340– 220343 81. Die beiden Vier- Säulen-M onumente i m M ilitärlager von Lu xor

Zu Beginn der Spätantike, zur Zeit der Tetrarchie, wurde der Tempel von Luxor in ein römisches Militärlager umgebaut. Möglicherweise geschah dies während der persönlichen Anwesenheit Diokletians in Ägypten, entweder 298 oder 302. Im Rahmen einer Neugliederung der Verwaltung des gesamten römischen Rei-

368

Texte

ches wurde die Thebais als eigene Provinz etabliert, in der zwei Legionen stationiert waren, Verwaltungssitz war aber Antinoopolis, nicht Theben. Der einst so wichtige Ort hatte seine administrative und strategische Bedeutung schon lange verloren, das nahegelegene Koptos war viel wichtiger. So stellt sich die Frage, weshalb gerade Luxor dazu erwählt wurde, ein mit derart repräsentativen Bauten versehener militärischer Standort zu werden. Anscheinend hatte die Sicherheitslage in Oberägypten diese einschneidende Maßnahme nötig gemacht. Es wird neuerdings die Ansicht vertreten, dass noch in diokletianischer Zeit trotz der Einrichtung des Militärlagers der Tempel selbst in Betrieb war und der altägyptische Königskult in seinem hinteren Teil weiter begangen wurde (Heidel/Johnson). Mit alten Vorstellungen von der Reinheit eines Heiligtums war das aber schwer zu legitimieren, schließlich lebten nun Soldaten innerhalb der Tempelmauern. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass Diokletian und seine Mitkaiser kein Sakrileg begingen, als sie einen bereits längere Zeit aufgelassenen Bau einer neuen Zweckbestimmung als Legionslager – castra (davon arab. qasr und Luxor) – zuführten (Smith). Unklar ist, welche Legion genau in Luxor stationiert war, die legio III Diocletiana oder die legio II Flavia Constantia, oder ob es sich gar um ein Doppellegionslager gehandelt hat. Eine typisch römische Mauer umgab nun den Tempel, wobei dessen Pylon in die Fortifikation integriert wurde (vgl. Abb. 44). Der sich von Nord nach Süd erstreckende Tempelbau selbst markierte die Zentralachse des Lagers, das sich östlich und westlich der Tempelanlage erstreckte. In regelmäßigen Abständen ragten hufeisenförmige Türme aus der Mauer heraus, die auch die beiden rechts und links des Pylons gelegenen Haupttore flankierten. Sie hatten ihr Pendant in einem Tor im Osten der Tempelrückseite. Hinzu kamen ein Tor am Hafenkai im Westen und eines zur Landseite im Osten. Im Inneren des Tempels befand sich ein Fahnenheiligtum (sacellum), in dem, wie es die Wanddekoration zeigt, ein kaiserlicher adventus dargestellt ist und der Kaiserkult für die vier römischen Herrscher vollzogen wurde (Decker; Jones/McFadden). Im Binnenraum des Kastells gab es westlich und östlich des Tempels zwei Hauptstraßen. Kurz hinter dem Nordtor befand sich an der Kreuzung der westlichen Hauptstraße mit einer Straße, die von der Toranlage des Nilkais ausging, ein Tetrastylon (sog. Tetrastylon I; Abb. 43), also vier Säulen, die jeweils an der Kreuzungsecke errichtet waren und die die vier Kaiser der Tetrarchie als Statuen trugen. Wenige Jahre später wurde anlässlich der neuen Tetrarchie ein weiteres Tetrastylon (sog. Tetrastylon II) errichtet, das an der Kreuzung der östlichen NordSüd-Straße mit der vom Osttor kommenden Straße lag. Beide Monumente dürften eine Gesamthöhe von 17 bis 18 Metern aufgewiesen haben. Mit Hilfe beider Tetrastyla, deren Basen die folgenden Inschriften trugen, versucht man die letztlich ungewisse Entstehungszeit des Lagers zu datieren.

81. Die beiden Vier-Säulen-Monumente im Militärlager von Luxor

369

Abb. 43: Blick vom Nil auf das Tetrastylon I auf der westlichen Seite des Tempels von Luxor. Es sind nur noch die Basen der Säulen erhalten; Photo: Stefan Pfeiffer 2012.

Texte und Übersetzung a) Tetrastylon I im Westen Basis 1, an der Südostecke der Kreuzung: [ — — — ] | nobilissimum Cae[s]arem | pont(ificem) max(imum) trib(unicia) pot(estate) X | co(n)s(ulem) III | Aurel(ius) Reginus v(ir) p(erfectissimus) praes(es) provinc(iae) (5) Thebaid(os) n(umini) m(aiestati)q(ue) eius semper | dicatissim[u]s. Basis 2, an der Nordostecke der Kreuzung: [ — — — | — Ca]e[sarem — | — ] pot(estate) [ — — ], | Aur(elius) R[e]ginus, v(ir) p(erfectissimus), praes(es) prov(inciae) (5) Theb(aidos), n(umini) m(aiestati)q(ue) eius semper | dicatissimus.

„Den [ ... ] nobilissimus Caesar, pontifex maximus, zum 10. Mal Inhaber der tribunizischen Amtsgewalt, zum 3. Mal Konsul, (hat) Aurelius Reginus, vir perfectissimus, praeses der Provinz Thebais (errichtet), seinem Numen und seiner Majestät absolut ergeben.“

„Den [...] Caesar [zum x.ten Mal Inhaber der tribunizischen] Amtsgewalt, (hat) Aurelius Reginus, vir perfectissimus, praeses der Provinz Thebais (errichtet), seinem Numen und seiner Majestät absolut ergeben.“

370 Basis 3, an der Südostecke der Kreuzung: [ — — — | — — — | — — —] | [Aur]el(ius) Reginus v(ir) p(erfectissimus) [praes](es) pro[v](inciae) (5) [ — ei]u[s — ] | [dicatiss]im[us]. b) Tetrastylon II im Osten Basis 1, an der Nordostecke der Kreuzung: Pacis aeternae propagatorem | et publicae securitatis con|servatorem d(ominum) n(ostrum) Gal(erium) Valerium | Maximianum P(ium) F(elicem) Invictum Aug(ustum) (5) Aurel(ius) Max[im]inus v(ir) [p(erfectissimus)] dux | Aeg(ypti) et Theb(aidos) [u]trarumq(ue) Libb(yarum) | devotus n(umini) m(aiestati)que eorum. Basis 2, an der Südostecke der Kreuzung: Pietatis auctorem et barbara|rum gentium extinctorem, | dominum nostrum Valerium Licinium, P(ium) F(elicem) Invictum | Aug(ustum), Aur(elius) Maximinus, v(ir) p(erfectissimus), dux (5) Aeg(ypti) et Theb(aidos) utrarumq(ue) Libb(yarum), | devotus n(umini) m(aiestati)q(ue) eorum. Basis 3, an der Südwestecke der Kreuzung: Iuventutis auctorem et pacis | aeternae conservatorem | d(ominum) n(ostrum) Fl(avium) Val(erium) Constantinum nob(ilissimum) | Caesarem, Aur(elius) Maximinu[s] (5) v(ir) p(erfectissimus) dux Aeg(ypti) et Theb(aidos) utrarum[q(ue)] | Libb(yarum), devotus n(umini) m(a-

Texte

„[...] (hat) Aurelius Reginus, vir perfectissimus, praeses der Provinz [...] absolut ergeben.“

„Den Verbreiter des ewigen Friedens und Bewahrer der öffentlichen Sicherheit, unseren Herren Galerius Valerius Maximianus Pius Felix Invictus Augustus, (hat) Aurelius Maximinus, vir perfectissimus, dux Ägyptens und der Thebais und beider Libyen, (errichtet), ihrem Numen und ihrer Majestät ergeben.“

„Den Förderer der Frömmigkeit und Auslöscher der barbarischen Völker, unseren Herren Valerius Licinius Pius Felix Invictus Augustus, (hat) Aurelius Maximinus, vir perfectissimus, dux Ägyptens, der Thebais und beider Libyen, (errichtet), ihrem Numen und ihrer Majestät ergeben.“

„Den Förderer der Jugend und Bewahrer des ewigen Friedens, unseren Herren Flavius Valerius Constantinus, nobilissimus Caesar, (hat) Aurelius Maximinus, vir perfectissimus, dux Ägyptens und der Thebais und beider Libyen, (errichtet), ihrem Numen und ihrer Majestät ergeben.“

81. Die beiden Vier-Säulen-Monumente im Militärlager von Luxor

371

iestati)q(ue) eorum. Basis 4, an der Nordwestecke der Kreuzung: ⟦[ — — — | — — — | — — —]| d(ominum) n(ostrum) Gal(erium) Val(erium) Maximinum (5) [nob(ilissiumum) Caesarem Aur(elius) Maximinus v(ir p(erfectissimus) | dux Aeg(ypti) et Theb(aidos) utrarumq(ue) Libb(yarum) devotus n(umini) m(aiestati)q(ue) eorum]⟧.

„⟦[...] unserem Herren Galerius Valerius Maximinus, nobilissimus Caesar, (hat) Aurelius Maximinus, vir perfectissimus, dux Ägyptens und der Thebais und der beiden Libyen, (errichtet), ihrem Numen und ihrer Majestät ergeben]⟧.“

Kommentar: „Weil so über den gesamten Erdkreis hin Aufruhr herrschte, ... machte Diokletian den Maximianus Herculius vom Caesar zum Augustus, den Constantius und Maximianus (Galerius) zu Caesares.“ (Eutrop 9,22; Übersetzung: Brandt). Das erste Viersäulenmonument im Militärlager Luxor hat der praeses provinciae Thebaidos genau diesen vier Kollegen der ersten diokletianischen Tetrarchie (1.3.293–1.5.305 n. Chr.) gewidmet, also den beiden Augusti Diocletianus Iovius und Maximianus Herculius sowie den beiden Caesares Constantius I. Iovius und Galerius Maximianus Herculius. Diokletian hatte die Viererherrschaft (= Tetrarchie), in der ihm als Augustus der Caesar Galerius und Maximian als Augustus der Caesar Constantius zugeordnet waren, eingerichtet, weil das die vielfältigen militärischen Herausforderungen im Reich und an den Grenzen notwendig gemacht hatten; die Teilung der Herrschaft war eine Lehre aus der vorangegangenen Zeit der Soldatenkaiser, in der ein Usurpator auf den nächsten gefolgt war. In Wirklichkeit hatte freilich Diokletian als senior Augustus und mit dem Schutzgott Iuppiter die höchste Autorität, wohingegen sein Mitherrscher dem Schutzherrn Hercules zugeordnet war. Ob es sich zudem wirklich um eine konzeptionelle Neuordnung der römischen Kaiserherrschaft durch Diokletian handelte (Seston), ist umstritten, weil Diokletian im Grunde genommen nur auf eine aktuelle Notlage reagierte. In seiner Propaganda legte Diokletian größten Wert darauf, dass alle als gleichberechtigt, in Eintracht agierend dargestellt erschienen. Das zeigen Monumente aus dem gesamten Reich. Im sacellum des Legionslagers von Luxor findet sich noch heute ein Wandgemälde, das die vier Tetrarchen in trauter Einigkeit um eine Büste des Iuppiter gruppiert zeigt, und auch das vorliegende Tetrarchenmonument I in Luxor ist ein Ausweis dieser bildlich zur Schau gestellten concordia (Eintracht). Möglicherweise nahm Diokletian, nach der Niederschlagung des DomitianusAufstandes (vgl. Text 80), persönlich an der Einweihung des ersten Säulenmonumentes teil, und vielleicht ist das große Gemälde im sacellum des Lagers ein Reflex des Kaiserbesuches (el-Saghir u.a.).

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Texte

Als Diokletian und Maximian im Jahr 305 von ihrem Amt zurücktraten, rückten Constantius Chlorus im Westen und Galerius im Osten als neue Augusti nach und erhoben Valerius Severus und Maximinus Daia zu Caesares. Diese Ordnung hielt sich jedoch nur ein Jahr, denn 306 starb Constantius Chlorus und seinem Sohn Konstantin (dem späteren „Großen“) gelang es, Severus als Nachfolger zu verhindern. Nun drohte die gesamte Ordnung zu implodieren. In dieser prekären Situation erkannte Galerius Konstantin zwar nicht als Augustus, aber doch als Caesar an und Severus wurde zum Augustus ernannt. Gleichzeitig ließ sich 306 auch noch der Sohn des Maximian, Maxentius, in Rom zum Kaiser ausrufen. Die politische Gesamtlage im Imperium war also prekär, denn nun erhoben neben den rechtmäßigen Augusti auch noch zwei weitere Männer den Anspruch auf den gleichen Titel: Konstantin und Maxentius. So war es wichtig, erneut Einheit zu demonstrieren, wie es auch das zweite Säulenmonument von Luxor aus dem Jahr 308 zeigt, in dem Konstantin seine offizielle Position als Caesar zugewiesen bekam und die Herrscher allesamt Titel erhalten, die auf den inneren und äußeren Frieden verweisen: Verbreiter des ewigen Friedens, Bewahrer der öffentlichen Sicherheit, Förderer der Frömmigkeit, Auslöscher der barbarischen Völker, Förderer der Jugend, Bewahrer des ewigen Friedens.

Abb. 44: Das Legionslager von Luxor. Die Westmauer der Rekonstruktion ist in schräger Linie, dem Nil folgend (siehe Markierung), zu korrigieren; aus: el-Saghir, Taf. XX.

Die Weihung an die göttliche Wirkkraft – das Numen – und die Majestät, zwei Qualitäten des Kaisers, die im Kaiserkult verehrt wurden, ist im 3. und

81. Die beiden Vier-Säulen-Monumente im Militärlager von Luxor

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4. Jh. zahlreich zu finden, insbesondere in Stiftungen von Verwaltungsbeamten und Militärangehörigen (Gundel). Interessant, aber in dieser Zeit nicht unüblich (Eck) ist die Devotionsform des Aurelius Maximinus nur deshalb, weil er die Statuen nicht mit der Wendung devotus numini maiestatique eius, also „seinen“ Wirkkräften stiftete. Stattdessen verwendete er den Plural eorum, also „ihren“, und beteuerte damit seine Ergebenheit gegenüber der göttlichen Wirkkraft und Majestät aller vier Kaiser. Anders als in lateinischen Inschriften eigentlich üblich sind die mit der Statue jeweils bedachten Kaiser nicht im Dativ, sondern, wie es bei griechischen Inschriften üblich ist, im Akkusativ benannt, was vor allem daran liegt, dass Ägypten im griechischen Sprachraum des Imperiums lag und der Schreiber hier dem lokalen Stiftungsformular in lateinischer Sprache folgte (vgl. für ein ähnliches Versehen in umgekehrter Richtung Text 77). Beide Säulenmonumente weisen auf die Reform der Provinzeinteilung durch Diokletian und seine Trennung von ziviler und militärischer Verwaltung hin. Das war einerseits notwendig geworden, um möglichen Usurpatoren aus einer Provinz, wie es in Ägypten mit Domitius Domitianus geschehen war, die Ressourcen zu beschränken, aber andererseits vor allem auch, um die Administration effizienter zu gestalten und so das Steueraufkommen zu maximieren. Eine Provinz stand nun unter der Verwaltung eines praeses provinciae – das Amt des praefectus Aegypti war nicht mehr nötig. Der praeses war es dann auch, der das erste Tetrastylon stiftete. Anders als der Präfekt Ägyptens, der militärische und zivile Macht in seiner Person vereint hatte, war dem obersten Verwaltungsamt nun die militärische Kompetenz genommen und an einen dux übertragen worden, der gleich für mehrere Provinzen zuständig war – in unserem Fall die Provinzen Aegyptus, Thebais, Libya Inferior und Libya Superior. Dieser dux wiederum stiftete das zweite Tetrastylon. An dem Rangtitel vir perfectissimus erkennt man sofort, dass es sich bei den beiden Inhabern dieser Ämter um Mitglieder des römischen Ritterstands handelte, also des Standes, der seit der Reform Diokletians im gesamten Reich die Provinzialverwaltung stellte. Aurelius Maximinus war als dux im Jahr 309/310 auch für den Bau eines Lagers bei Abu Sha’ar zuständig. Das zweite Tetrastylon könnte also im Kontext einer Verstärkung der römischen Präsenz in Oberägypten entstanden sein – möglicherweise hat der Caesar Maximinus Daia zu dieser Zeit sogar Ägypten besucht, so dass die Weihung anlässlich seiner Parusie stattgefunden hätte. Da Säulenmomumente, wie diese beiden, üblicherweise nicht in Militärlagern aufgestellt wurden, geht man neuerdings davon aus, dass die Wehranlage von Luxor nicht so sehr einen militärischen Zweck hatte – hiergegen spräche auch der fehlende strategische Nutzen –, sondern als römisches Stadtzentrum zu verstehen sei (McFadden), es damit Bestandteil einer römischen Urbanisierungspolitik Oberägyptens wäre. Das ist eine gewagte Idee, die gleichzeitig auf die weiterhin prekäre Lage Roms in der Region verweisen würde, die es nötig gemacht hat, eine derart massive Festung an den einst so wichtigen Kultort zu setzen.

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Texte

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82. Das Opfer eines Esels

375

spectives on the Osirian Afterlife from Four Millennia, Oxford 2017, 521f. (Argumente gegen eine Nutzung als ägyptischer Tempel in diokletianischer Zeit).

82. Das Opfer eines Esels durch einen Verein von Metallhandwerkern in Deir el-Bahari (27. und 28.12.324 n. Chr.) Łatjar 2006, Nr. 168 = TM 108917 82. Das Opfer eines Es els

Der Totentempel bzw. das Millionenjahrhaus der Hatschepsut in Deir el-Bahari war seit ptolemäischer Zeit ein Heiligtum für die beiden paganen „Heiligen“ Imhotep und Amenhotep, Sohn des Hapu. Der Erste von beiden war in einer interpretatio Graeca Asklepios, den Zweiten kannten die Griechen nicht aus ihren Kulten, so dass sie ihn mit seinem ägyptischen Namen als Amenothis bezeichneten. Ägyptologen bezeichnen die beiden als „Heilige“, weil ihr Kult sich aus dem Totenkult für zwei historische Persönlichkeiten entwickelt hatte. Der Heiligenkult, der vor allem ein Heilungskult war, fand möglicherweise im 2. Jahrhundert sein Ende, doch gibt es zwölf Inschriften späterer Zeit, die sich in vier Nischen der südlichen Seite der Westwand des Hofes befinden. Zumindest sechs dieser Inschriften in Nische D, wenn nicht gar alle, stammen von einer Korporation von Metallarbeitern aus Hermonthis, die in einem Zeitraum von etwa 50 Jahren (283/4–333/4) regelmäßig nach Deir el-Bahari kamen, um hier einen Esel zu opfern (Abb. 45). Text und Übersetzung {Τυ¯} Τῦβι α̣̅ καὶ β̅, ὑπατείας τῶν δεσποτῶν ἡµῶν Κρίaσπου καὶ Κvvvων|vvvσ[ταν]τίνου τῶν ε[ὐγεν]ε̣στάτων καὶ ἐπιφ[ανεστάτω]ν Καισά̣ρ[ων] τὸ γ̅ | γενόµεθα ἐνταῦθα µ[.]τοτων θυσίαν ὄνον. πλῆθος σιδηρουργ[ῶ]ν Ἑρµώνθεος̣, | ὧν τὸ κατ’ ὄνοµα δι(αγέγραπται)· Ποΰµσι Ἀσκοῦ µαλος ἀρχι( ), β̅ ἀρχι( ) Πενᾶς Ἀσκοῦ [.]µαλος, (5) [γ̅] ἀρχι( ) Λούσις .]σανκ[..]µ[.]µ( )ε( ) Πλ(ῆνις) Πκ[ο]ί(λιος) ζυτοπ(οιὸς) φ.ατεως, Χολλῶς Πασῆµις καὶ Τύρα[ννος] | Βησᾶ καὶ Πεσοῦρις Φθόϊ καὶ Πλ(ῆνις) Πκοί(λιος) Χολλῶς καὶ Κουελ( ) καὶ Πλ(ῆνις) Πκοῖσις Πκοί(λιος) 〚καὶ〛| καὶ Πεσοῦρις Λολο[ῦ]τος καὶ Ἁτρῆς Ὡρίονος Θεοφάνους γραµµατεὺ τῶν πλήθου | καὶ Δίδυµος Σ‚τρ̣ ώτου καὶ Πλῆ(νις) ὀνη-

„Am 1. und 2. Tybi, unter dem 3. Konsulat unserer Herren Crispus und Constantinus, der edelsten und ausgezeichnetsten, sind wir hierhin gekommen [...] Opfer eines Esels. Die Gemeinschaft der Metallhandwerker aus Hermonthis, deren Namen (unten) aufgeführt sind: Poymsi, Sohn des Askos [...] Ober( ), zweiter Ober( ) Penas, Sohn des Askos [...], dritter Ober( ) Lusis [...] Plenis, Sohn des Pkoilis, Bierbrauer [...], Chollos, Sohn des Pasemis, und Tyrannos, Sohn des Besas, und Pesuris, Sohn des Phthoi, und Plenis, Sohn des Pkoilis, Enkel des Chollos, und Kuel( ), und Plenis, Sohn des Pekoisis, Enkel des Pkoilis, und Pesuris, Sohn des Lolus, und Hatres, Sohn des Horion, Enkel

376

Texte

λάτου. αὐτὸς ἔσφαξεν τὸν ὄνον ἔµπροσθεν τοῦ θε[ο]ῦ | κ[α]ὶ πάντες τὸ προσκύνηµα υµ[....] ἐνταῦθ’ ε[....]τα τοῦ µεγάλου θεοῦ ἐποί[ησα]ν.

des Theophanes, Schreiber der Gemeinschaft, und Didymos, Sohn des Strotes, und Plenis, Eselshalter. Er selbst hat den Esel geschlachtet vor dem Gott und alle haben den Akt der Verehrung (scil. das Proskynema) vollzogen [...] dort [...] des großen Gottes.“

Kommentar: Die berufsständische Korporation der Schmiede reiste zum 1. und 2. Tybi nach Deir el-Bahari, um hier gemeinsam einen Esel zu opfern. Wie sehr die Mitglieder ihrem Berufsstand verpflichtet waren, zeigt die Bedeutung ihrer Namen, denn viele von ihnen hießen Plenis. Der ägyptische Name Πλῆνις (P#ljn) wiederum ist auch die Berufsbezeichnung für den Schmied. Der Verein besaß, wie dem Graffito zu entnehmen ist, eine Binnengliederung. Die drei wichtigsten Ämter sind die des ersten, zweiten und dritten Ober( ). Wie die griechische Abkürzung archi- (ἀρχι), also Ober(–), zu ergänzen ist, muss offen bleiben. Vielleicht waren es, was nach ägyptischem Vorbild am wahrscheinlichsten ist, die drei Vereinsvorsitzenden, es könnten aber auch Obermetallarbeiter oder Oberpriester gewesen sein. Weiterhin hatte die Vereinigung noch einen Vereinsschreiber: Hatres, Sohn des Horion, hatte sein Amt mindestens über einen Zeitraum von zehn Jahren innegehabt, denn so lange tritt er als Schreiber in den überlieferten Graffiti des Vereins in Erscheinung. Zu fragen ist, ob der erwähnte Bierbrauer und der Eselhalter ebenfalls zum Verein dazugehörten, oder ob sie nur für die entsprechende Sitzung in Deir el-Bahari angeheuert worden waren und als externe Unterstützer den Riten beiwohnten bzw. diese, wie der Eselhalter durch das Opfern des Esels, aktiv mitgestalteten. Das Ritual dürfte, wie es die Datierung der Graffiti vermuten lässt, in der Nacht vom 1. auf den 2. Tybi vollzogen worden sein. Entsprechend ägyptischen Bräuchen bei religiösen Vereinsfesten spielte der gemeinsame Genuss von Alkohol eine wichtige Rolle, denn sonst wäre ein Bierbrauer nicht nötig gewesen. Wie ist es aber möglich, dass ein Esel, der den antiken Völkern als ein unreines Tier galt, für einen Gott geopfert wurde? Es ist davon auszugehen, dass es sich um die Adaption eines alten ägyptischen Rituals handelte (Łajtar): In der ägyptischen Kultpraxis gibt es die Unterscheidung zwischen dem normalen Opfer, bei dem das Fleisch des Opfertieres verzehrt wurde, und dem Vernichtungsopfer. Mit dieser Vernichtung wurde der mythologische Kampf zwischen Horus und Seth wiederholt.

82. Das Opfer eines Esels

377

Abb. 45: Faksimile der Inschrift Łatjar 2006, Nr. 168 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Adam Łatjar).

378

Texte

Der Esel wiederum konnte in Ägypten als Personifikation des Seth-Typhon aufgefasst werden. So schreibt Plutarch (de Iside 30): „Sie glauben nämlich, dass der Esel durch seine Ähnlichkeit mit jenem überhaupt ein unreines und dämonisches Tier ist, und bilden, wenn sie bei den Opfern im Payni und Phaophi Kuchen backen, darauf als Schimpf einen gefesselten Esel ab.“ (Übersetzung: Parthey). Auch beim agrarischen Fest des Erdhackens wurde, wie es im Tempel von Hibis dargestellt ist, ein Esel getötet (Hibis III, Taf. 23, S-Wand, Kol. 16; Barucq/Daumas, Nr. 86) – das Fest wurde also religiös ausgedeutet in einen Kampf zwischen Osiris und seinen Feinden, die im Symboltier Esel vernichtet wurden (vgl. Totenbuchspruch 18,8 und 175). Im Tempel von Edfu gibt es deshalb Texte, die das Ritual „Seth töten“ als Durchstechen des Esels mit einer Lanze beschreiben (Edfou III 188,6-7; Edfou IV 77,16; Edfou V 296,8; Edfou VII 274,7). Die Vernichtung des Seth-Esels wurde zudem in einem jährlichen öffentlichen Ritual in den Tempeln gefeiert. Es handelt sich um die Wiederholung des Horusmythos, wie er sich in den Tempeln von Karnak und Edfu dargestellt und beschrieben findet (Sethe, Chassinat). In einem ausgefeilten Ritual tötet der König in Stellvertretung für Horus einen roten Esel (Edfou VI 219-223). Das Opfer des Esels ist also nicht so sehr als Gabe an die Götter zu verstehen, sondern als ritueller Akt, der dazu diente, die Weltordnung aufrechtzuerhalten. Das Datum der Zusammenkunft der Metallarbeiter spricht für eine solche Deutung. Ende des Monats Choiak fanden die Osirismysterien statt. Am 30. Choiak wurde der Djed-Pfeiler errichtet, der den Sieg des Osiris über Seth symbolisierte. Damit wurde Osiris selbst zum unbestrittenen König der Unterwelt. Am 1. Tybi dann wurde Horus zum König der Erde eingesetzt. Das Fest selbst überlebte bis in die Spätantike – möglicherweise handelt es sich um die sogenannten Kikellia, ein alexandrinisches Fest, das den alexandrinischen Kronia und den römischen Saturnalien entsprach (Epiphanios, Panarion haer. 51,22; Fournet), ein Fest, das am 25. Dezember gefeiert wurde und über das wir sonst fast nichts wissen. & E. CHASSINAT, Le temple d’Edfou IV, Kairo 1929, 77–80, col. 234–237 (Horusmythos); K. SETHE, Thebanische Tempelinschriften aus der griechisch-römischen Zeit, Berlin 1957, Nr. 32 (Horusmythos); F. de CENIVAL, Les associations religieuses en Égypte d’après les documents démotiques, Kairo 1972 (in demotischen Kultsatzungen gibt es 1., 2. und weitere Vorsitzende); A. BARUCQ/Fr. DAUMAS, Hymnes et prières de l’Égypte ancienne, Paris 1980, 301–306 (Fest des Erdhackens); A. ŁATJAR, Proskynema Inscriptions of a Corporation of Iron-Workers from Hermonthis in the Temple of Queen Hatshepsut in Deir el-Bahari: New Evidence for Pagan Cults in Egypt in the 4th Cent. A.D., in: JJP 21, 1991, 55–59 (ed. pr., Übersetzung, Kommentar); L. LABRIQUE, „Transpercer l’âne“ à Edfou, in: J. Quaegebeur (Hg.), Ritual and Sacrifice in the Ancient Near East. Proceedings of the International Conference organized by the Katholieke Universiteit Leuven from the 17th to the 20th of April 1991, Löwen 1993, 175–189 (zu den Seth-Vernichtungsritualen); D. FRANKFURTER, Religion in Roman Egypt. Assimilation and Resistance, Princeton/New Jersey 1998, 25 (zum Opfer des Esels); R. S. BAGNALL, The Last Donkey Sacrifice at Deir el-Bahari, in: JJP 24, 2004, 15–21; A. ŁATJAR, Deir el-Bahari in the Hellenistic and Roman Periods. A Study of an

82. Das Opfer eines Esels

379

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12 Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen Allgemeine altertumswissenschaftliche Abkürzungen von Zeitschriften, Papyri und Reihen sind zu finden in: & W. Helck u.a., Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975–1992. & H. Cancik (Hg.), Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart 1996– 2010. : J. F. Oates u.a., Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets: http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html. : Journal Abbreviations in L’année philologique online: http://www.anneephilologique.com/files/sigles_fr.pdf. Abkürzungen von Ins chr iften und Übe rs etzungen

AE Austin1 Austin2

Bagnall/Derow BE Beckby Bernand, Pan Bertrand BIFAO Brodersen Burnet Burstein CEML

Charlesworth

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Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen CGRN

CID CIG CIIP

CIJ

C.Ord. Ptol. Cohn u.a. CPI C.Ptol. Sklav. Drexler EDR

FHN III

Freis Fritz Gehrke/Schneider Giebel

381

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382

Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen

Graffites d’Abydos Haeuser Helbing Hengstl

HGIÜ I.Alex. imp.

I.Alex. ptol. I.Asylia I.Col. Memnon I.Delta I.Did.

I.Fayoum IGCyr

IGRR

I.gr. Éthiopie

sche Geschichte. Lateinisch/Deutsch, Stuttgart 21998. P. Perdrizet/G. Lefebvre, Les Graffites grecs du Memnonion d’Abydos, Nancy u.a. 1919. Ph. Haeuser, Eusebius: Kirchengeschichte, München 3 1989. R. Helbing, Auswahl aus griechischen Inschriften, Berlin/Leipzig 1915. J. Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse des öffentlichen und privaten Lebens. Griechisch/Deutsch, München 1978. K. Brodersen u.a., Historische Griechische Inschriften in Übersetzung. 3 Bde., Darmstadt 1992–1999. F. Kayser, Recueil des inscriptions grecques et latines (non funéraires) d’Alexandrie impériale (Ier-IIIe s. apr. J.-C.), Kairo 1994. É. Bernand, Inscriptions grecques d’Alexandrie ptolémaïque, Kairo 2001. K. J. Rigsby, Asylia: Territorial Inviolability in the Hellenistic World, Berkeley u.a. 1996. A. und É. Bernand, Les inscriptions grecques et latines du Colosse de Memnon, Paris 1960. A. Bernand, Le Delta égyptien d’après les textes grecques, I: Les Confins libyques. 3 Bde., Kairo 1970. H. Cuvigny (Hg.), Didymoi. Un garnison romain dans le désert Oriental d’Égypte. Praesidia du désert de Bérénice IV. II – Les textes, Kairo 2012. É. Bernand, Recueil des inscriptions grecques du Fayoum. 3 Bde. Leiden und Paris 1975–1981. C. Dobias-Lalou u.a., Inscriptions of Greek Cyrenaica, Bologna: CRR-MM, Alma Mater Studiorum Università di Bologna, 2017. http://doi.org/10.6092/UNIBO/IGCYRGVCYR. R. Cagnat u.a., Inscriptiones graecae ad res romanas pertinentes. 3 Bde. Paris 1901–1927. Vol. 1, fasc. 5, mit J. F. Toutain/P. Jouguet, Paris 1908 (zu Ägypten, Nubien und Abyssinien vgl. É. Bernand, Inscriptions Grecques d’Égypte et de la Nubie: Repertoire bibliographique des IGRR, Annales litteraires de l’Universite de Besançon 286 = Centre de Recherche d’Histoire Ancienne 51, Paris 1983). É. Bernand u.a., Recueil des inscriptions de l’Éthiopie des périodes pré-Axoumite et Axoumite, 2 Bde., Paris 1991.

Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen IGUR I.Hell. Paphos I.Hermoupolis I.Hibis

I.Kanaïs I.Koptos I.Kyme I.Louvre ILS I.Métrique

I.Pan I.Philae

I.Portes

I.Prose I.Thèbes I.Varsovie

IvPrien JIGRE Kaibel König Kohnke

383

L. Moretti, Inscriptiones Graecae urbis Romae. 4 Bde., Rom 1968–1990. T. B. Mitford, The Hellenistic Inscriptions of Old Paphos, in: ABSA 56, 1961, 1–41. É. Bernand, Inscriptions grecques d’Hermoupolis Magna et de sa nécropole, Paris 1999. H. G. Evelyn White/J. H. Oliver, The Temple of Hibis in el Khargeh Oasis. Part II: Greek Inscriptions, New York 1938. A. Bernand, Le Paneion d’el-Kanaïs: les inscriptions grecques, Leiden 1972. A. Bernand, De Koptos à Kosseir, Leiden 1972. H. Engelmann, Die Inschriften von Kyme, Bonn 1976. É. Bernand, Inscriptions grecques d’Égypte et de Nubie au Musée du Louvre, Paris 1992. H. Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae, Berlin 1892– 1916. É. Bernand, Inscriptions métriques de l’Égypte grécoromaine. Recherches sur la poésie épigrammatique des Grecs en Égypte, Paris 1969. A. Bernand, Pan du désert, Leiden 1977. A. Bernand/É. Bernand, Les inscriptions grecques de Philae: I–II. 2 Bde., Paris 1969. Bd. I, Nr. 1–127: Époque ptolemaïque, hg. von A. Bernand; Bd. II, Nr. 128–246: Haut et Bas empire, hg. von E. Bernand. A. Bernand, Les portes du désert. Recueil des inscriptions grecques d’Antinooupolis, Tentyris, Koptos, Apollonopolis Parva et Apollonopolis Magna, Paris 1984. A. Bernand, La Prose sur pierre dans l'Égypte hellénistique et romaine. 2 Bde., Paris 1992. A. Bernand, De Thèbes à Syène, Paris 1989. A. Łajtar/Alfred Twardecki, Catalogue des inscriptions grecques du Musée National de Varsovie, Warschau 2003. F. Hiller von Gaertringen, Inschriften von Priene, Berlin 1906. W. Horbury/D. Noy, Jewish Inscriptions of GraecoRoman Egypt, Cambridge 1992. G. Kaibel, Epigrammata Graeca ex lapidibus conlecta, Berlin 1978. R. König u.a., C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. 37 Bde., Zürich u.a. 1990–2004. F. W. Kohnke, Philo von Alexandria. Die Werke in deut-

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Abkürzungen von Inschriften und Übersetzungen SIRIS Smallwood Syll.3 Thiel

Thurn TM Totti, Texte TUAT N.F. Veh Wirth/Veh W.Chr.

Ziegler

385

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13 Konkordanz zu den Inschriften Konkordanz zu den Ins chri ften

Inschrift AE 1896, 39–40 AE 1932, 80 AE 1934, 0007–0010 AE 1934, 245 AE 1952, 159 AE 1964, 255 AE 1974, 664 AE 1977, 838 AE 1985, 837 AE 1987, 0975e AE 1995, 1615 AE 2000, 1578 AE 2001, 2038 AE 2001, 2051 APF 5, 1913, 157f., Nr. 1 Austin, Nr. 29 Austin, Nr. 222 Austin, Nr. 256 Austin, Nr. 283 Austin, Nr. 289 Austin, Nr. 293 Austin, Nr. 294 Bagnall/Derow, Nr. 26 Bagnall/Derow, Nr. 51 Bagnall/Derow, Nr. 136 Bagnall/Derow, Nr. 165 BE 1965, 460 BE 1977, 566 BE 1990, 304 BE 1996, 519 BE 2003, 543 BE 2013, 472 und 475 Burnet, Nr. 104

Text 52 24 80 71 65 43 70 30 30 80 51 75 73 59 5 4 14 6 22 24 7 8 11 24 14 22 76 8 16 31 16 13 33

Burnet, Nr. 3 Burstein, Nr. 92 Burstein, Nr. 104 Burstein, Nr. 111 Burstein, Nr. 112 C.Ord. Ptol. 48f. C.Ord. Ptol. 51f. C.Ord. Ptol. 64 C.Ord. Ptol. 69 C.Ord. Ptol. 75f. CGRN 144 Charlesworth, Nr. 35 CIG III 4681 CIG III 4697 CIG III 4699 CIG III 4705 CIG III 4712 CIG III 4713 CIG III 4713f CIG III 4716c CIG III 4717 CIG III 4725 CIG III 4727 CIG III 4729 CIG III 4730 CIG III 4731 CIG III 4893 CIG III 4896 CIG III 4897f CIG III 4923 CIG III 4925 CIG III 4956 CIG III 4957 CIG III 5069 CIG III 5127a CIIP III 2172

22 6 24 40 42 28 29 34 36 39 33 53 79 22 56 77 23 64b 64a 63 40 66 66 66 66 66 27 29 45 50 72 54 58 78 11 18

Konkordanz zu den Inschriften CIL I2 2,4 2937a CIL III 6025 CIL III 6604 CIL III Suppl. I 6583 CIL III Suppl. I 6588 CIL III Suppl. 14147,1– 2 CIL III Suppl. 141475 CIL VI 701 CIL VI 702 CIL VI 882 (cf. 31191) CPI 60 CPI 107 CPI 108 CPI 109 CPI 119 CPI 122 CPI 125 CPI 126 CPI 129 CPI 176 CPI 183 CPI 200 CPI 223 CPI 229 CPI 303 CPI 314 CPI 323 CPI 326 CPI 328 CPI 354 CPI 355 CPI 358 CPI 362 CPI 369 CPI 377 CPI 379 CPI 387 CPI 395 CPI 404 CPI 408

30 68 76 38 47 52 44 49 48 43 41 2a 2b 17 14 22 38 22 14 14 34 31 37 36 39 15 5 23 21 7 9 3 33 14 14 19 40 13 32 28

CPI 410 CPI 413 CPI 418 CPI 422 CPI 423 CPI 424 CPI 427 CPI 514 CPI 516 CPI 573 CPI 574 CPI 599 CPI 625 CPJ III 1440 CPJ III 1449 EDR118482 Freis, Nr. 36 Freis, Nr. 39 Freis, Nr. 63 Gehrke/Schneider, Q 140 Graffites d’Abydos 32 und 32bis Graffites d’Abydos 74 HGIÜ II 312 HGIÜ III 403 HGIÜ III 412 HGIÜ III 482 HGIÜ III 512 I.Alex. imp. 1 und 4 I.Alex. imp. 2 I.Alex. imp. 15 I.Alex. imp. 54 I.Alex. ptol. 36 I.Asylia 219 I.Asylia 224 I.Asylia 228 I.Col. Memnon 28–31 I.Delta 332, Nr. 3 I.Delta 413, Nr. 1 I.Delta 413, Nr. 2

387

13 22 26 25 27 29 10 30 11 14 14 12 8 17 38 74 54 58 62 11 21 20 6 11 14 24 44 43 47 79 69 41 34 36 38 66 60 2a 2b

388 I.Delta 414, Nr. 3 I.Delta 749, Nr. 13 I.Delta 989, Nr. 1 I.Did. 7 I.Did. 8 I.Fayoum I 75 I.Fayoum II 135 I.Fayoum III 147 I.Fayoum III 205 IGCyr 010800 IGCyr 011200 I.gr. Éthiopie 276 I.Hell. Paphos 110 I.Hermoupolis 1 I.Hibis 1 I.Hibis 3–4 I.Kanaïs 12 I.Kanaïs 59bis I.Kyme 41 I.Louvre 1 I.Louvre 4 I.Louvre 14 I.Louvre 21 I.Louvre 28 I.Métrique 5 I.Pan 21 I.Pan 42 I.Pan 80 I.Philae I 4 I.Philae I 12bis I.Philae I 19 I.Philae II 128 I.Philae II 132 I.Philae II 142 I.Philae II 166 I.Philae II 187 I.Portes 4 I.Portes 12 I.Portes 24 I.Portes 30 I.Portes 33

Konkordanz zu den Inschriften

17 19 14 73b 73a 55 36 57 37 4 21 11 35 15 54 58 67 73a 42 13 7 25 37 63 32 64b 64a 67 10 26 29 44 45 50 72 81 67 77 46 53 63

I.Portes 67 I.Prose 3 I.Prose 4 I.Prose 8 und 9 I.Prose 16–18 I.Prose 19 I.Prose 21 I.Prose 22 I.Prose 23 I.Prose 25 I.Prose 30 I.Prose 38 I.Prose 45 I.Prose 46 I.Prose 47 I.Prose 53 I.Prose 54 I.Prose 55 I.Prose 57 A und B I.Prose 59 I.Prose 62 I.Prose 63 I.Thèbes 1 I.Thèbes 189 I.Thèbes 193 I.Thèbes 302 I.Thèbes 303 I.Thèbes 321 I.Varsovie 42 I.Varsovie 44 I.Varsovie 50 IG XII 7, 506 IG XII Suppl. 14 IG XIV 917 IGRR I 380 IGRR I 1054 IGRR I 1068 IGRR I 1072 IGRR I 1098 IGRR I 1110 IGRR I 1118

62 9 7 14 22 26 28 29 38 31 34 36 39 40 33 54 55 56 58 62 3 78 13 28 61 25 27 30 28 12 5 6 42 74 74 41 79 47 60 56 55

Konkordanz zu den Inschriften IGRR I 1124 IGRR I 1142 IGRR I 1143 IGRR I 1146 IGRR I 1165 IGRR I 1167 IGRR I 1183 IGRR I 1187 IGRR I 1208 IGRR I 1255 IGRR I 1256 IGRR I 1262 IGRR I 1263 IGRR I 1275 IGRR I 1287 IGRR I 1293 IGRR I 1295 IGRR I 1315 IGRR I 1356 ILS I 91 ILS I 115 ILS I 574 ILS I 2615 ILS II 1, 5483a ILS III 8899 ILS III 8995 JIGRE 22 JIGRE 125 Kaibel 982 Kaibel 988–992 Kotsidu, Nr. 131 Łatjar 2006, Nr. 168

LSCG, Suppl. 119 McCrum/Woodhead, Nr. 178 McCrum/Woodhead, Nr. 459 Michel 373 Michel 1018 Michel 1239a Milne, CG 9205

57 67 77 23 53 63 62 66 40 64a 64b 54 58 73a 61 44 50 38 78 48, 49 43 38

68 47 52 44 17 38 72 66 6 82 33 61 62 6 9 11 32

Milne, CG 22187 O.Berenike II 120 OGIS I 48 OGIS I 50 OGIS I 54 OGIS I 56 OGIS I 61 OGIS I 89 OGIS I 90 OGIS I 109 OGIS I 111 OGIS I 129 OGIS I 130 OGIS I 137–139 OGIS I 172 OGIS I 194 OGIS I 195 OGIS I 210 OGIS I 234–244 OGIS II 654 OGIS II 656 OGIS II 663 OGIS II 664 OGIS II 665 OGIS II 666 OGIS II 668 OGIS II 669 OGIS II 672 OGIS II 674 OGIS II 675 OGIS II 678 OGIS II 701 OGIS II 718 OGIS II 726 OGIS II 737 OGIS II 758 a und b OGIS II 761 P.Recueil 11 RDGE, Nr. 31 RDGE, Nr. 63 RICIS 302/0204

389

14 59 7 9 11 14 10 19 22 23 25 38 27 29 35 40 41 78 18 44 47 53 55 54 56 57 58 60 62 61 64a 67 79 17 31 21 34 20 24 56 42

390 RICIS 503/1207 RICIS 515/0115 Rowlandson, Nr. 6 Rowlandson, Nr. 43 SB I 620 SB I 2262 SB I 2263 SB I 3451 SB I 3776 SB I 4100 SB I 5827 SB III 6154 SB III 7257 SB IV 7337 SB V 7658 SB V 8210–8213 SB V 8248 SB V 8278 SB V 8299 SB V 8303 SB V 8312 SB V 8318 SB V 8320 SB V 8324 SB V 8331 SB V 8334 SB V 8394 SB V 8396 SB V 8420 SB V 8423 SB V 8444 SB V 8534 SB V 8545a SB V 8655 SB V 8769 SB V 8777 SB V 8785 SB V 8828 SB V 8852 SB V 8854 SB V 8859

Konkordanz zu den Inschriften

74 71 14 61 34 2a 2b 33 21 81 36 36 46 39 20 66 54 79 22 56 77 23 64b 64a 63 40 27 29 50 72 58 78 11 45 19 41 47 73a 7 9 10

SB V 8878 SB V 8880 SB V 8899 SB V 8900 SB V 8902 SB V 8904 SB V 8905 SB V 8908 (+ S. 551) SB V 8922 SB V 8929 SB VIII 9735 SB VIII 9737 SB VIII 9820 SB VIII 9935 SB VIII 10160 SB XX 14376 SB XXVI 16596 SB XXVIII 16916 SEG VII 326 SEG VIII 639 SEG VIII 653 SEG VIII 715–718 SEG VIII 794 SEG IX 1 SEG IX 7 SEG XIII 601 SEG XVII 789 SEG XVIII 641 SEG XVIII 726 SEG XX 467 SEG XX 665 SEG XX 695 SEG XXIV 1217 SEG XXVII 1114 SEG XXVIII 1485 SEG XXXI 1548 SEG XXXIV 1616 SEG XXXVIII 1571 SEG XXXIX 1426 SEG XLII 1500 SEG XLII 1645

25 38 53 55 60 62 61 67 17 31 15 26 3 24 18 70 73 75 18 33 46 66 54 4 24 64b 79 41 4 18 3 38 40 8 30 65 63 18 16 3 11

Konkordanz zu den Inschriften SEG XLIII 1103 SEG XLIII 1131 SEG XLV 2097 SEG XLVII 2130 SEG XLVIII 1977 SEG L 1560 SEG LIII 1846 SEG LVI 1881 SEG LIX 1764 SIRIS 522 SIRIS 613 Smallwood, Nr. 75 Smallwood, Nr. 156 Smallwood, Nr. 382 Smallwood, Nr. 383 Smallwood, Nr. 418 Smallwood, Nr. 419 Smallwood, Nr. 423 Syll.3 390 TM 5949 TM 5950 TM 5983 TM 5988 TM 6079 TM 6080 TM 6180 TM 6244 TM 6325 TM 6329 TM 6331, 103007 TM 6347 TM 6362 TM 6366 TM 6372 TM 6374 TM 6379 TM 6398 TM 6400 TM 6415 TM 6421 TM 6449

8 33 51 10 75 10 18 18 1 74 71 66 53 54 55 56 57 67 6 15 26 3 24 13 13 18 20 40 27 29 11 19 41 7 9 10 25 38 17 31 39

TM 6542 TM 6695 TM 6696 TM 7075 TM 7230 TM 8171 TM 8542 TM 8809 TM 43972 TM 44043 TM 44156 TM 44527 TM 47190 TM 47451 TM 47804 TM 53806 TM 53889 TM 55659 TM 80859 TM 80863 TM 80874 TM 80917 TM 80938 TM 81521 TM 81586 TM 81617 TM 81675 TM 88326 TM 88343 TM 88375 TM 88950 TM 93183–93186 TM 102276 TM 102420 TM 102611 TM 103006 TM 103021 TM 103022 TM 103023 TM 103024 und 105134 TM 103025

391

34 2a 2b 21 36 37 8 22 32 12 28 57 55 61 35 46 63 14 44 45 50 72 81 73a 64b 64a 67 77 53 62 30 66 65 76 47 23 78 54 56 58 60

392 TM 103043 TM 103548 TM 105712 TM 106128 TM 106906 TM 107330 und 106374 TM 108917 TM 110352 TM 118715 TM 128448 TM 129723 TM 142358 TM 154478 TM 220340–220343 Totti, Texte, 1 Totti, Texte, 31

Konkordanz zu den Inschriften

80 33 59 70 73 43 82 5 69 68 51 75 52 81 42 50

TUAT N.F. 2 VIII 6 TUAT N.F. 2 VIII 11 TUAT N.F. 6 IX 2.3 TUAT N.F. 6 IX 2.11 TUAT N.F. 7 V 1 W.Chr. 54 W.Chr. 73

24 58 17 38 42 38 78

14 Konkordanz vorhandener Inventarnummern Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 10 Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 31 Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 157 Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 209 Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 21790 Alexandria, Griechisch-Römisches Museum 22690 Berlin, Ägyptisches Museum ÄM 7733 Berlin, Ägyptisches Museum 15726 Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung SK 159 und 177 Frankfurt, Liebieghaus 1628 Kairo, Ägyptisches Museum CG 9205 Kairo, Ägyptisches Museum CG 9242 Kairo, Ägyptisches Museum CG 9270 Kairo, Ägyptisches Museum CG 9291 Kairo, Ägyptisches Museum CG 9295 Kairo, Ägyptisches Museum CG 22187 Kairo, Ägyptisches Museum CG 31089 Kairo, Ägyptisches Museum CG 33027 Kairo, Ägyptisches Museum CG 50044 London, British Museum EA 24 London, British Museum EA 192 New York, Brooklyn Museum Accession no. 16.105 New York, Metropolitan Museum of Art Accession no. 89.2.652 Oxford, Ashmolean Museum inv. AN 198756 Paris, Louvre C 131 Paris, Louvre E 27113 Paris, Louvre MA 3172 Paris, Louvre RN MA 1676 Rom, Vatikanische Museen, Museio Chiaramonti Inv. Nr. 2011 Tel Aviv, Archäologisches Museum IAA-93-2061 Tübingen, Museum der Universität Inv. S/13 3954 und 3956 Türkei, Mersin Museum 79–215 Turin, Ägyptisches Museum C 1764 Warschau, National Museum 198730 Warschau, National Museum 198817 Warschau, National Museum 198832 Zypern, Kouklia, Epigraphical Museum KM 45

41 17 62 33 70 26 38 73 a) 69 27 32 55 9 67 44 14 34 31 47 22 56 76 19 3 63 37 7 25 74 18 2 16 40 5 28 12 35

15 Indizes (nach Textnummer)

1. Sachen 1. Sachen

Abgaben Agon Ägyptisierung, ägyptisiert Akkulturation Alexanderimitatio Alexanderkult Alexandrinischer Krieg Alleinherrscher, Alleinherrschaft Altar

Ältestenrat Anordnung

Antigoniden, antigonidisch Apoikie Arabarchie Architekt Archiv Archon Aretalogie Armee Arzt Asyl Athlophore Aufseher

6, 16, 22, 39, 58, 62 s. Wettkampf 22, 26 76 11 15 39 6, 11, 28, 37 1, 6, 13, 14, 22, 35, 37, 44, 45, 48, 51, 71, 76 s. Geronten 4, 29, 34, 36, 39, 54, 62, 73, 78 5, 6 4, 16 62 46 58 16, 47 42 s. Heer 4, 55 33, 34, 36, 38, 39 22 14, 63

Aufstand

Aufstand, Jüdischer Aufstand, MakkabäerAuxiliartruppen Basileia (Königsfest) Basilisten Bauherr Befestigung Begräbnis, Bestattung Belagerung Beschwerde Bule Bund, Bundesgenosse, Bündnis Bürgerkrieg Bürgerrecht

Bürgerschaft captatio benevolentiae Chiliarch Christentum classis Alexandrina

11, 13, 19, 20, 21, 22, 28, 32, 44, 58, 68, 80 68 28 52, 68, 72, 75 8 s. Königskult 23,46, 60 11, 25, 59, 67 13, 22, 32, 76 15, 21, 22, 44 29, 39, 58, 78 4, 7, 47, 77 6, 24, 28, 41, 44 4, 28, 32, 43, 53 4, 16, 39, 50, 53, 68, 72, 75, 76 s. politeuma 9, 36 36, 78 78 74

1. Sachen cohors I Augusta praetoria Lusitanorum cohors I Flavia Cilicum (equitata) cohors I Hispanorum (equitata) cohors I Lusitanorum cohors I Thebaeorum (equitata) cohors II Ituraeorum (equitata) cohors II Thracum damnatio memoriae Demos Demokraten, demokratisch Diadem Diadoche/-n Dioiket Dioskuriast Dipinti Edikt (diatagma) Ehe

Ehrung

einheimisch

Einnahmen Eklogist Elefant

Eliten 52 52, 64, 68, 70 52 73 52 52 52 52, 55, 56, 61, 65, 80 7 4, 7, 16 32 4, 6, 11 16, 34 12 s. Graffito 54, 58 10, 11, 17, 18, 19, 28, 37, 42, 58 3, 6, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 14, 16, 22, 25, 26, 28, 31, 35, 37, 40, 46, 53, 56, 57, 65, 67, 72, 74, 75, 77, 79, 80, 81 13, 14, 20, 22, 27, 35, 39, 40 13, 22, 39, 58, 62 58 11, 13

emporion eparchos Epheben, Ephebie Ephoren epistates Epistratege Eponymität, eponym

Erlass Erlass (prostagma) Esel Ethnikon Fächer/Feder Fahnenheiligtum (sacellum) Federträger Feier/Fest

Feiertag Feind, feindlich

Feind, StaatsFeldzug

Fest, Herrscher(kult)Fest, Kikellia-

395 3, 8, 15, 26, 32, 33, 35, 35, 39, 40, 47, 62, 69 19 26, 73 28, 57, 76 4 14, 29 40, 53, 77 3, 13, 22, 25, 27, 35, 40, 47, 70, 77 62 28, 29, 34, 36, 39, 54 62, 82 36, 44 51, 71 81 13, 14, 22 6, 7, 8, 9, 12 13, 14, 15, 16, 18, 22, 25, 27, 28, 30, 40, 41, 53, 61, 70, 79, 82 12, 27 11, 19, 22, 24, 40, 44, 49, 50, 56, 65, 66, 77, 82 56, 65 11, 12, 13, 14, 15, 32, 41, 44, 70, 77 22, 25 14, 82

396 Fest, KönigsFest, KrönungsFinanzbeamter Fiskus Flotte Flottenbefehlshaber Flüchtling Flügelsonne

Flusswacht Fort Freigelassener Fremder, fremd

Fremdherrschaft Frevel Frieden

Frömmigkeit, fromm

Fruchtbarkeit, fruchtbar Funktionsträger, Funktionär

Fürbitte Garnison Gebetshaus Geburtshaus

Indizes (nach Textnummer) 8 22 s. Eklogist 13, 22, 58 6, 74 s. nauarchos 4, 22 10, 36, 37, 44, 51, 56, 63 17 s. Lager 41, 51, 54, 64 4, 8, 11, 22, 28, 31, 32, 33, 34, 39, 41, 44, 56, 72 13, 20, 22, 25 7, 66 4, 6, 10, 11, 13, 14, 40, 44, 48, 53, 81 6, 7, 22, 31, 36, 40, 63, 65, 66, 73, 81 14, 42, 47, 48, 72, 79 3, 6, 7, 16, 19, 25, 28, 29, 35, 38, 39, 54, 55, 58 s. proskynema 3, 4, 17, 23, 25, 29, 52 s. proseuche 10, 47

Geburtstag

Gefangene, Gefängnis Gegenpharao Geier Gelage General Gericht Geronten Gesandter, Gesandtschaft Gesetze

Getreide/Korn

Gnomon Götterbild Gottlosigkeit Grab

Graffito

Gräzisierung, Hellenisierung Grenze

Großkönig Gründer, Gründung

Gymnasiarch

8, 13, 14, 16, 22, 25, 40, 48, 64, 65 13, 16, 22, 44, 58 20, 22 22 73 21, 31, 47 4, 7 4 6, 7, 13, 15, 16, 24, 28, 30, 44, 57 4, 6, 7, 14, 16, 2, 33, 39, 40, 42 14, 22, 26, 39, 47, 58, 74 48 11, 13, 14, 42, 44, 76 7 13, 32, 34, 42, 48, 76, 80 20, 21, 26, 30, 45, 50, 66, 79, 82 28, 36, 64, 65, 68 10, 11, 13, 16, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 34, 44, 46, 50, 52, 70 11, 18, 22 3, 7, 16, 25, 28, 35, 47, 49, 65, 72 40, 69, 77

1. Sachen Gymnasium Hafen

Handel

Handwerker (Techniten) Hasmonäer Heer

Heirat Hellenisierung, Gräzisierung Heroon Herrschaftsjubiläum Herrscherkult

hierogrammateus Hofrangtitel „ Nachfolger“ Hofrangtitel „Bruder des Pharaos“ Hofrangtitel „Einer der ersten Freunde“ Hofrangtitel „Oberster Leibwächter“ Hofrangtitel „Verwandter“

Horusname Hundesstern

4, 8, 28, 40, 57, 69, 77 2, 3, 11, 18, 40, 42, 46, 59, 62, 67, 74, 75, 80, 81 3, 11, 18, 19, 30, 59, 62, 67, 73, 74, 75 9, 62, 82 31, 32 2, 7, 8, 11, 12, 13, 15, 21, 22, 28, 29, 32, 44, 62, 73, 75, 77, 80, 81 s. Ehe 64 41 14, 48, 49 5, 8, 12, 13, 15, 17, 18, 25, 29, 35, 36, 41 14, 22, 70, 71

Hungersnot

Hymnus Imperator

Infanterie interpretatio Graeca

Isisstern Juden, jüdisch Isopolitie Jungfrau Jungmänner Ka Kalender Kalkstein Karthager, karthagisch Kanephore Kartusche

25 47

Kastell Katökenreiter

28, 36

Kavallerie

25, 27 26, 28, 29, 31, 32, 34, 35, 36, 40, 47 1, 22 s. Isisstern

Keilschrift Kind

397 s. Nahrungsmittelknappheit 31, 33, 42, 71, 79 23, 39, 43, 47, 48, 49, 52, 53, 55, 56, 57, 58, 60, 62, 63, 64, 65, 67, 69, 74, 76, 80 22, 52, 68 2, 12, 19, 23, 25, 27, 31, 61, 63, 64, 77, 82 14, 42 17, 31, 38, 53, 68 16 14, 48 s. neoteroi 44, 65 14, 48 5 4 13, 14, 22 1, 22, 37, 40, 44, 63 s. Lager 15, 16, 28, 36 15, 22, 52, 68 11 4, 8, 11, 14, 22, 25, 26, 27, 29, 32, 33, 34, 36, 39, 40, 42, 51, 61, 63,

398

Indizes (nach Textnummer)

72, 76 Klage 13, 16, 22, 24, 39, 44, 58, 65 Kleruchen 8, 22 Knekites 51 Kohorte 52, 64, 68, 70, 73 Königliche Schreiber 29, 31, 54, 58 Königskult 12, 27 Konsul 30, 44, 48, 49, 52, 65, 67, 68, 70, 77, 81, 82 Korbträgerin s. Kanephore Kranke, Krankheit 33, 56, 68 Kranz 6, 9, 18, 22, 28, 31, 39, 40, 41, 57, 69, 77 Kranz, Efeu9, 41 Kranz, Gold6, 18, 41, 57 Kranz, Sieges77 Kranzgeld, Kranzsteuer 39, 77 Krieg 4, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 20, 22, 24, 28, 32, 37, 39, 42, 43, 44, 53, 70, 71, 74, 77 Krone 13, 14, 22, 56 Krone, Pschent22, 76 Krönung 1, 8, 19, 20, 22 Kult, Alexander15 Kult, Dynastie13, 15, 35 Kult, Filial26, 72 Kult, Herrscher5, 13, 14,

Kult, Kaiser-

Kult, PrivatKult, TierKult, VereinsLager Lagerkommandant

Landsmannschaft Laodike-Krieg

legio II Flavia Constantia legio II Traiana (fortis) legio III Cyrenaica legio III Diocletiana legio XXII Deiotariana Legion

Legitimation

Lesonis Liturgie Lob, Lobpreis Lotus Magistratur Marmor Maat metropolis (Gaumetropole)

15, 16, 17, 18, 22, 25, 27, 35, 41, 43, 71 41, 43, 46, 48, 50, 52, 75, 81 5 13, 36 9, 12 59, 64, 73, 80, 81 s. praefectus castrorum s. politeuma s. Syrischer Krieg, dritter 81 68, 70, 76 52, 68 81 52, 68 52, 68, 69, 70, 71, 76, 80, 81 8, 11, 37, 39, 42, 56, 66, 80 36, 37 58 16, 32, 36, 44, 56 53, 76 47 17, 48, 69, 74 40 7, 23, 28, 39, 47, 54, 57, 68, 69

1. Sachen Metropolit Militär, militärisch

Militärsiedler Missstand Mitra Mord Mundöffnung Myste Nachfolge/-r

Nahrungsmittelknappheit nauarchos neaniskoi Nekropole neokoros neoteroi Nesioten, Nesiotenbund Nilflut, Nilschwelle

nomophylakes Numen Oase Obelisk Oberpriester Oligarchen, oligar-

47 3, 4, 8, 12, 15, 17, 21, 22, 23, 25, 26, 28, 29, 30, 31, 32, 43, 44, 52, 59, 62, 64, 67, 68, 70, 74, 75, 76, 81 s. Kleruchen 58 32 11, 24, 41, 42, 66 14 76 11, 13, 20, 22, 24, 39, 41, 43, 52, 53, 58, 75, 78, 81 14, 26, 39, 40 6 28 32 65, 72, 75 7 6, 13 14, 23, 30, 39, 40, 42, 56, 58, 79 4 81 1, 4, 53, 54, 58, 64 29, 43, 46, 48, 49, 70 13, 14, 22, 78, 82

chisch Opfer

Opfer, BrandOrakel Osireion Pacht Palimpsest Panthea Partherkrieg, zweiter Persersieg des Severus Alexander Pferd Pharao, pharaonisch

Phruarch Phylarch Phyle Pilger Polis

politeuma

399 4, 7 6, 12, 13, 14, 16, 18, 22, 25, 26, 27, 29, 31, 34, 36, 37, 39, 40, 45, 53, 56, 61, 69, 73, 76, 82 13, 14, 18, 22, 27, 29 1, 5, 15, 73 21 12, 55, 58, 62, 64 37, 40 42, 72 74 77 8, 13, 44, 66, 80 1, 7, 8, 11, 13, 14, 20, 22, 27, 34, 36, 37, 40, 42, 43, 45, 46, 47, 49, 50, 51, 53, 56, 60, 63, 64, 65, 66, 70 68 14 7, 14, 16, 25, 77 26, 45 2, 4, 7, 16, 19, 19, 28, 35, 40, 57, 72 4, 7, 16, 17, 31, 39, 43, 53, 76, 77

400

Indizes (nach Textnummer)

pontifex maximus

48, 49, 52, 67, 80, 81 Porphyr 51, 64, 80 praefectus Aegypti 23, 43, 46, 47, 50, 52, 53, 54, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 70, 73, 77, 80, 81 praefectus castrorum 52, 68, 70, 74 praefectus fabrum 43 praefectus montis Berenicidis 62, 73 praefectus praesidiorum 62 presbyteroi 7, 28 Priester 1, 4, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 18, 19, 20, 22, 23, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 34, 35, 36, 37, 40, 47, 53, 54, 55, 56, 58, 65, 66, 71, 78, 79, 82 Priester, Alexander- 8, 13, 14, 22, 28, 35 Priester, Ankleidepriester 25, 71 Priester, Oberpries13, 14, 22, ter 78 Priester, Ratspriester 14 Priesterdekret 11, 12, 13, 14, 18, 22, 25 Priesterin 13, 14, 22, 42 Privileg/-ierung 8, 22, 26,

Prokurator Propaganda Prophet

proseuche proskynema Proskynese prostatai Prostitutierte Provinz

Prozession

Prytan Ptolemaia Ptolemaion Ratsherr Rebellen, Rebellion Reinheitsvorschrift Reise

Reiter Reitersiedler Restaurierung Rind Ritter (ordo equester) Sänger, Sängerin Sassaniden, Sassanide, sassanidisch

28, 34, 39, 55, 57, 58 51, 58, 78 39, 41, 49, 50, 81 1, 13, 14, 22, 25, 31, 47, 71 17, 38 20, 45, 56, 63 45 16, 27 62 13, 24, 43, 44, 50, 53, 54, 58, 65, 67, 68, 70, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 81 6, 13, 14, 22, 40, 41, 79 7, 9, 76, 77 6, 8, 9, 13 15, 35 s. Prytan s. Aufstand 33 8, 10, 18, 29, 30, 54, 62, 64, 66, 67, 74, 77 6, 11, 15, 22, 52 s. Katökenreiter 23, 65 27 43, 44, 54, 68 14, 31 77

1. Sachen Satrap Schatzmeister Schenkung Schiff, Schiffahrt, Seefahrt

Schreiber

Schreiber, Tempel-

Schreiber, VereinsSchulden Schwein Schwertträger Selbstmord Seleukiden, seleukidisch Senat, Senator

Serapeum Siedler Sieg, Sieger, siegreich

Siegel Soldat

4, 40 16 27, 41 2, 13, 14, 42, 46, 49, 54, 60, 62, 68, 74 13, 14, 22, 29, 35, 36, 54, 56, 71, 73, 82 s. hierogrammateus 82 4, 13, 22, 54, 58 33, 78 31 44 11, 12, 16, 18, 19, 22, 24, 28, 30 24, 37, 43, 44, 45, 48, 56, 58, 68 34, 65, 73, 80 2, 4, 8, 15, 16, 22 6, 8, 10, 11, 13, 16, 18, 19, 22, 28, 39, 41, 42, 43, 44, 49, 50, 61, 62, 64, 70, 73, 77, 78, 80 14, 22, 39, 62 2, 8, 12, 15, 16, 17, 21, 31, 32, 36, 38, 40, 52, 54, 62, 64,

Söldner Sonnenwende Sotereion Sothisstern Staatsfreundschaft Stadtrat Statue

Steinbruch Steuer

Steuer, HetärenSteuerpächter Stier

Stirnschlange Stoa Strafe

Straße

Stratege

stratopedon, stratopedarch

401 66, 67, 68, 70, 73, 75, 76, 80, 81 4, 21 14, 48 47, 72 14 44 s. Bule 5, 8, 13, 14, 15, 18, 22, 28, 35, 36, 40, 41, 51, 52, 53, 65, 66, 69, 73, 74, 75, 77, 80, 81 67, 70, 73 8, 13, 14, 16, 17, 22, 36, 39, 55, 57, 58, 62, 76, 77 62 58, 62 1, 5, 14, 20, 37, 42, 44, 48, 65, 66 s. Uräus 15 4, 16, 24, 42, 54, 55, 58, 76 22, 59, 62, 66, 67, 72, 73, 81 4, 6, 16, 19, 26, 27, 29, 31, 36, 39, 40, 47, 52, 53, 54, 55, 58, 61, 76, 78 73

402 Streitkräfte Synagoge Synkretismus, synkretisch Synode Syrischer Krieg, dritter Syrischer Krieg, fünfter Syrischer Krieg, vierter Syrischer Krieg, zweiter Tempelschreiber

Tempelwächter Testament Tetrarchie Theadelphia Thebarch Thronbesteigung Tod, Totenkult, Totenopfer Toparchie Trankspende

Trauer Triumph Truppen Uräus

Usurpation Verein

Verfassung Vergöttlichung

Indizes (nach Textnummer) s. Heer 17, 38

14, 64, 69 13, 14, 22, 25, 27, 47 11, 13, 14

Vergünstigung Vernichtung Verordnung Vertrag, FeldherrenVerwaltung, FinanzVolksbeschluss Volljährigkeit

21, 22 18, 16 16 s. hierogrammateus s. neokoros 24 81 13 29 13, 16, 57, 58 27, 33, 42, 82 44, 58 13, 14, 18, 22, 26, 27, 29, 36, 37 14 10, 22, 41, 44, 70 s. Heer 13, 14, 22, 37, 56, 63, 65, 43 43, 80 9, 12, 18, 23, 27, 31, 37, 41, 47, 82 4, 6, 7 5, 14, 26,

Vorrecht Wein Weltherrscher (Kosmokrator) Weltordnung Wettkampf Wohltat/Zuwendung

Zeremonie Zoll

2.

38, 47, 57, 63 22, 26, 38 14, 22, 82 s. Anordnung 44 19, 39, 47 3, 16 22, 37, 39, 76 s. Privileg 14, 22, 26, 39 75 s. Maat 6, 8, 28, 77, 22 6, 13, 14, 22, 26, 34, 40, 42, 56, 58 14, 22, 76 2, 60, 62

Orte

Orte

Abaton Abu Sha‘ar Abydos Actium Adulis Agathos Daimon (Kanal) Ainos Alexandria

25, 29, 45 81 20, 21 41, 49 11 17, 45, 60 11 2, 3, 6, 7, 8, 17, 22, 24, 27, 31, 37, 38, 39, 43, 47, 50, 52, 53, 54, 57,

Orte

Amorgos Andros Anemurion Antaiupolis Antinoopolis Antiochia Antinoe Aphroditopolites (Gau) Apollonopolis Magna Aquileia Arkadien Arsinoe (Stadt) Arsinoites (Gau) Asien, asiatisch

Assuan Athen Athenais (Phyle) Äthiopien, Äthioper, äthiopisch Athribis Babylon, Babylonien, babylonisch Baharia (Oase) Baktrien, Baktrier, baktrisch Beduine, beduinisch Berenike (Stadt) Berenikidai (Demos) Boiotien, Boiotier, boiotisch Boresis Bubastis/Bubastos Bubastites (Gau)

58, 59, 60, 62, 69, 73, 74, 77, 78, 80 6 42 16 23 3, 67, 69, 72, 77 36 s. Antinoopolis 23 s. Edfu 71 33 16 55, 57 8, 11, 12, 13, 16, 24, 25, 35, 42, 50 70 5, 11 77 11, 26, 44, 50, 52, 75 31, 34 11, 13 1 11 68, 72, 44, 52, 59 59, 62, 67, 73, 75 27 8 44 15, 42 39

403 Busiris Busirites (Gau) Charga Chora Chresmosarapis Deir el Schelwit Deir el-Bahari Delos Dendera Didymoi Dios (praesidium) Diospolis Magna/Megale Theben Dreißigmeilenland Edfu Elephantine Elephantinischer Gau El-Khazindariya Elkab Ephesos Esna Euhemeria Qasr el-Banat Euphrat Faijum Forum Iulium Gallia Narbonensis Gebel Dokhan Giza Griechenland Halikarnassos Hawara Heliopolis Hellespont Herakleopolis Herakleopolites (Gau) Hermonthis Hermopolis

34, 56 22, 34 4, 58 8, 10, 17, 39, 57, 58 73 65 82 6 39, 47, 53, 72 73 73 s. Theben 40, 44 25, 26, 44 23, 26, 27, 32 10, 17, 22, 25, 68, 78 27 13 14 11, 41 33 34, 36 s. Euhemeria 11 8, 16, 36, 37, 55, 57 43 43 51, 53 56 6, 8, 24, 34, 49, 50, 58 8 37 46, 48, 49 11 39 8, 39 37, 82 15, 77

Indizes (nach Textnummer)

404 Hibis Hierasykamninos

54, 58 50

Hispanien, Hispanier, hispanisch Idumäa, Idumäer, idumäisch Indien, Inder, indisch Ionien, Ionier, ionisch Ios Israel Jaffa/Joppe Jerusalem Judaea Kalabscha Talmis Kanopos

52, 58

Karien, Karer, karisch Karnak Kassandreia Katarakt Katarakt, erster Keramike Kilikien, Kilikier, kilikisch Klaudianon Kleinasien Koilesyrien Kom el-Ahmar Scharuna Kom Ombo Kom Talit Koptos

Korinth Kreta, Kreter, kretisch

31 44, 59, 62, 73, 75 2, 11, 35 42 17 18 17, 28, 53 52 26 s. Kalabscha 2, 13, 14, 17, 22, 25, 60 11, 25 14, 40 42 25, 26, 27, 44, 68 12, 50, 52 44 11, 13, 16, 31, 52, 64, 68, 70 64 6, 11, 16, 25 11, 18 5 s. Kom elAhmar s. Ombos 57 44, 52, 62, 64, 67, 72, 73, 75 6 31

Ktesiphon Kusch, Kuschiten, kuschitisch Kykladen Kyme Kyrenaika Aiolis Lelenderis Leontopolis Lesbos Letopolites (Gau) Libyen, Libyer, libysch Lusitanien, Lusitaner, lusitanisch Luxor Lykien, Lyker, lykisch Lykonpolis Assiut Magdola Makedonien, Makedonen, makedonisch Maroneia Medien Megalopolis Memphis Menelaites (Gau) Meroitisches Reich, Meroiter, meroitisch Mesopotamien Messenien, messenisch mons Claudianus mons porphyrites Nable Nag e-Hassaia Hawara Naukratis Neapolis (Kanal) Nikopolis Nikuria

70 44 11 42 4, 24 s. Kyme 16 22, 38 66 56 44, 11, 23, 44, 81 52, 73 64, 65, 80, 81 11, 31 22, 69 s. Lykonpolis 34 1, 8, 15, 18, 22 11, 42 11 33 3, 19, 22, 31, 34, 42 58

44 11 7 51, 64, 70, 73 51, 64, 73 37 32 s. Nable 7, 19, 57, 77 60 43 6

Orte Nil

Nobaireh Noub-Taha Nubien, Nubier, nubisch Nysa Ombites (Gau) Ombos Ophieon Ostia Ostwüste Oxyrhynchites (Gau) Paläpaphos Palmyra, Palmyrer, palmyrisch Pamphylien Paphos Paraitonion Parthien, Parther, parthisch Peloponnes Perithebas (Gau) Persien, Perser, Persisch Pharsalos Philae

Philippopolis Phönikien, Phönikier, phönikisch Phrygien, Phryger, phrygisch Pompeji Prosopites (Gau) Ptolemais Hermiu

10, 13, 14, 17, 22, 29, 34, 39, 44, 49, 58, 59, 60, 62, 66, 68, 73, 75, 77 22 s. Leontopolis 16, 20, 25, 44 42 28, 78 28, 61 44 65, 74 51, 50, 62, 67 12, 58 35 38, 75 11 35 1 70 21 40 1, 11, 13, 14, 17, 18 41 3, 10, 25, 26, 29, 30, 44, 45, 50, 68, 72, 79 3 11, 13, 14, 18, 22, 35, 44 31 71 39 3, 7, 9, 16, 27, 33, 34,

405 Puteoli Qasr el-Megysba Quaden, quadisch Raphia Rhakotis Rhodos Rom Rosette Rotes Meer Rubicon Salamis Samos Schedia Schwarzes Meer Sebastos (Kanal) Sehel Semiten, semitisch Sesosthis Shellal Siket/Sikayt Sinope Siwa Soknopaionesos Susiane Syene Syrien, Syrer, syrisch Talmis Tarent Tarsos Tell el-Amarna Telmessos Tentyrites (Gau) Terenuthis Thasos Thebais (Gau) Theben

72, 77 49 1 71 18 35 5, 15 30, 70 22 16, 32, 59, 62, 67, 73 37 35 5, 6, 8 2, 17, 60 73 60 12, 60 18 49 68 59 73 1 37 11, 13 25, 52, 59, 67, 68 11, 13, 14, 18, 22, 32 78 8 41 77 42 47 76 69 3, 23, 29, 50, 55, 53, 58, 81 3, 19, 39, 40, 44, 66

Thessalien, Thessalier, thessalisch 8, 15 Thessalonike 42

Indizes (nach Textnummer)

406 Thinis Thrakien, Thraker, thrakisch tribus Falerna tribus Teretina Troglodyten, troglodytisch Troizen Uruk via Appia via Hadriana nova via Latina Wadi Abu Maamel Wadi Hammamat Wadi Umm Hussein Zwölfmeilenland Zypern, Zyprer, zyprisch Mareotis

3.

4 3, 8, 11, 15, 52 52 30 11, 62 21 11 30 67 30 64 70 64 39, 50, 78 11, 14, 24, 32, 35 58

Personen

Amenhotep/Amenophis III. Anaxikles Antinoos Antiochos II. Antiochos IV. Antiochos IV. (König von Kommagene) Antistius Asiaticus, L. (praefectus praesidiorum) Antoninus Pius Apollonios (Dioiket) Apollonios (Soldat) Apollonios (Stratege) Apollophanes Ardaschir Areios (Philosoph) Areios (Stratege) Aristobulos (Alexanderhistoriker) Arsinoe I. Arsinoe II.

3. Pers onen

(Aelius) Publius (praefectus Aegypti) Achillas (General) Acutius, C. Aelius Gallus (praefectus Aegypti) Aemilius Rectus, L. (praefectus Aegypti) Aetos, Sohn des Appolonios (Stratege) Agathokles Alexander Iannaios Alexander III. „der Große“ Alexander Severus Alexander Zabinas Amadokos

80 37 30

Arsinoe III.

66 53 16 22 32 3, 4, 8, 11, 15, 19, 41 77 32 8

Attilius Rufus, T. (cos. 127 n. Chr.) Attius Restitutus (praefectus castrorum) Augustus/Octavian

Aurelius Aurelius Besarion/Amonios

66, 82 19 66, 77 11, 18 24, 30 66

62 48, 65, 69, 75 16 32 36 36 77 50 53 1 16 10, 11, 13, 14, 15, 16, 22, 25, 28, 29, 35 18, 19, 22, 25, 28, 29, 65 70 37, 39, 41, 43, 44, 45, 46, 47, 49, 50, 52 75 78

3. Personen Aurelius Maximinus Aurelius Mocimus, M. (Soldat) Aurelius Origines/Apollonios Aurelius Reginus (vir perfectissimus) Aurelius Restitutus, T. Avidius Heliodorus, C. (praefectus Aegypti) Avillius Flaccus, Aulus (praefectus Aegypti) Avitus Bakchon Balbillus (praefectus Aegypti) Bastet-iiti Berenike (Tochter des Ptolemaios III.) Berenike I.

Berenike II.

Boethos Caecina Tuscus, C. (praefectus Aegypti) Caligula Caracalla Catilius Celsus Chephren Chresimus Claudius

81 75 77 81 70 68 47 64 6 56 31 10, 14 5, 11, 12, 13, 14, 22, 28 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22, 25, 28, 29 25, 28 58 43, 52, 58 74, 75, 80 50 72 56 64 51, 53, 54, 55, 58, 64

Claudius Balbillus, Tiberius (praefectus Aegypti) Claudius Iulianus (praefectus annonae) Claudius Lysanias (Stratege) Claudius Varus, M. Clodius Postumus, M. (Epistratege) Cominius Leugas, C. Commodus Cornelius Gallus, C. (praefectus Aegypti) Crispus (Konsul) Demetrios Demetrios Poliorketes Diadumenianus Diokletian Dionysios Dolabella Domitian Domitius Domitianus Dorion (Stratege) Epaphroditus Sigerianus Eratosthenes von Kyrene Fabius, Q. (Konsul) Flaccus (praefectus Aegypti) Flavius Titianus, T. (praefectus Aegypti) Flavius Vergilianus, T. (praefectus castrorum) Folmius Crispus, Aulus (Epistratege) Fufidius Pollio (Konsul) Galba Galeria Faustina, Annia Galerius Genucius Priscus, L. (praefectus castrorum) Germanicus Geta Hadrian

407 54, 56, 66 74 55 30 47 51 73 43 82 45 5, 6 52 79, 80, 81 7 39 61, 64, 70 80 31 64 14 30 58 53, 58 68 47 70 58 75 81 52 52 55, 74 3, 64,

408

Harmodios (Lesonis) Harnuphis (Priester) Haronnophris/Herwennefer Herakleia-Horanch Herakleitos Hermeias Hermogenes Herodes (Prophet des Chnum) Isidora Iulia Balbilla (Poetin) Iulia Domna Iulia Mammaea Iulius Alexander, Tiberius (praefectus Aegypti) Iulius Antoninus, C. (Decurio) Iulius Caesar, C.

Iulius Demetrius (Stratege) Iulius Philippus Arabs, C. Iulius Severus, C. Iulius Ursus, L. (praefectus Aegypti) Iulius Valerius, C. Iulius Vestinus, L. (praefectus Aegypti) Kallimachos I. Kallimachos II. Kallixeinos von Rhodos Kambyses Kleopatra Berenike III. Kleopatra I.

Kleopatra II.

Indizes (nach Textnummer) 65, 66, 67, 68, 72, 77, 79, 80 36 71 20, 21 31 8 3, 16 5 25, 27 63 66 74, 75 77 54, 58 65 37, 39, 41, 46, 80 58 78 76 59 76 57 40 25, 40 6 66 5, 37 23, 24, 25, 28, 29, 37 23, 25, 26, 28, 29, 32,

Kleopatra III.

Kleopatra VI. Tryphaina Kleopatra VII. Philopator

Komon (Ökonom) Konstantin I. „der Große“ Kosmas Indikopleustes Laodike Licinius, C. (Konsul) Lochos (Stratege) Lucius Verus Lusius Geta, L. (praefectus Aegypti) Lysimachos, S. d. Ptolemaios Magius Maximus, M. (praefectus Aegypti) Marc Aurel

Marcus Antonius Maxentius Maximian Maximinus Daia Maximinus Thrax Maximus (Sohn des Maximinus Thrax) Mespheres Mettius Rufus (praefectus Aegypti) Mevius Honoratianus (praefectus Aegypti) Mykerinos Myron (vir egregios) Neilos (Stratege) Nektanebo II. Nektanebo I. Nero Nerva

37 24, 27, 28, 29, 32, 35 36 37, 38, 39, 40, 41, 43, 46 19 81, 82 11 11 30 29 23, 70 53 9

54 23, 61, 70, 71, 75, 77 39, 41 81 81 81 78 78 46 62 77 56 78 50 1, 47 10 56, 57, 58 63, 67

3. Personen Nikanor Numenios Octavius, P. (praefectus Aegypti) Olympias Onesandros (Priester) Onias Ophellas Panebtauiu Parasitos Patransnuphis (Priester) Petronia Magna Philipp II. Philippus (Sohn des Arabs) Philo von Alexandria Philokles (König der Sidonier) Philokles (Söldner aus Troizen) Pompeius Pompeius Planta, C. (praefectus Aegypti) Pontius (Architekt) Poseidonios (Stratege) Postumus (praefectus Aegypti) Potheinos (Eunuch) Psammetich II. Psansos Ptolemaios (Militär) Ptolemaios (Stratege) Ptolemaios, S. d. Lysimachos Ptolemaios Eupator Ptolemaios I. Soter I.

s. Catilius 29

Ptolemaios II. Philadelphos

47 1 35 38 4 61 41 79 61 3

Ptolemaios III. Euergetes I.

78 53

Ptolemaios IV. Philopator I.

6 21 37, 80

Ptolemaios V. Epiphanes

52 46 54 58 37 48, 49 12 32 47 9

Ptolemaios VI. Philometor

25, 29 1, 2, 3, 5, 6, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 22, 28, 65, 69, 72, 73

Ptolemaios IX. Soter II.

Ptolemaios VIII. Euergetes II.

Ptolemaios X. Alexander I. Theos Philometor Ptolemaios XII.

Ptolemaios XIV. Ptolemaios XV. Kaisar

409 3, 6, 8, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 18, 22, 25, 26, 28, 29, 37 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22, 25, 28, 29, 38 10, 18, 19, 21, 22, 23, 25, 27, 28, 29, 73 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 28, 29, 37 23, 24, 25, 26, 28, 29, 37 24, 27, 28, 29, 30, 32, 34, 38 5, 26, 32, 35 34 27, 36, 37, 41, 50 38 38, 39, 40

410 Pythagoras Rammius Martialis (praefectus Aegypti) Ramses II Rubrius Barbarus, P. (praefectus Aegypti) Sabina Sappho Sarapion (Stratege) Seleukos II. Septimius Severus Septimius Vegetus, C. (praefectus Aegypti) Servilius Pudens (Konsul) Sethos I. Severus Vibius Aurelianus (Epistratege) Sosibios Spurius Varaeus Statilius Taurus Statilius Taurus, T. (Konsul) Tettius Africanus Cassianus Priscus, C. (praefectus Aegypti) Theodotos Thibron (Söldnerführer) Thraseas (S. des Aetos) Thutmosis III. Thutmosis IV. Thymoides Tiberius

Titus Trajan Trebonius Valens, M. (praefectus montis Berenicidis) Tryphon (Stratege) Turrianus, C. (praefectus Aegypti)

Indizes (nach Textnummer) 49 64 49 46 66 66 47 11 74 61 70 20, 21, 49 77 22 30 68

Ulpius Chresimus (Vorsteher der Steinbrüche) Vaballathus Valerius Festus (praefectus castrorum) Valerius Largus Valerius Serenus, C. Valerius Severus Vergilius Capito, Gnaeus (praefectus Aegypti) Vespasian Vestinus (praefectus Aegypti) Vettius Crispinus Vitrasius Pollio, C. (praefectus Aegypti) Zenobia

4.

64 38 73 45 74 81 54 53, 58, 59, 80 58 73 51, 52 38

Götter, mythische Figuren

4. Götter, myth is che Figuren

68

60 37 4 16 46, 60 56 5 43, 51, 52, 53, 54, 64 53, 60 52, 63, 64

Arastia Agathos Daimon Amunrasonther Amun

Amun-Ra Antaios Anubis Anukis Aphrodite

Aphrodite-Isis Apis(stier) Apollon

59 47 50

Apollon Archegetes Apollon-Kos

74 47, 56, 72 20, 40 1, 19, 20, 22, 25, 27, 34, 40, 54, 58 1, 20, 40, 65 10, 23, 19, 33, 76 27, 44 16, 35, 41, 42, 47, 61, 63, 71 19 13, 14, 22, 65, 66 4, 19, 31, 32, 43, 46, 48 24 31

4. Götter, mythische Figuren Ares Asklepios Athena Polias Bastet Bubastis Buchis(stier) Caesar Epibaterios Cerberus Chnubis Chnum Chuit Concordia Demeter Dionysia Dionysos Dioskuren Eirene Geb Geschwistergötter

Hapi Harkentechthai Harmachis Haroeris Harpokrates Hathor Helios Helios Harmachis Hephaistos Hera Herakles Hermes Heron Hestia Homonoia Horus

32 33, 82 2 14, 42 14 37 46 69 25, 27 25, 26, 27, 44 34 53 42 8 11, 25, 26, 35, 41 s. Kastor u. Pollux 53 42, 53 s. Ptolemaios II., Arsinoe II. 44 34 56 61 10, 19, 37, 65, 73 14, 47, 61, 63 14, 22, 24, 42, 64, 69 56 22, 42 25, 27 11, 28, 41, 81 22, 27, 28, 42 34 25, 27 16, 53 1, 10, 13, 19, 20, 22, 26, 34, 37, 42, 44, 47, 52, 56, 76, 77, 82

Horus Behedeti Horus Chentechtai Hygieia Imhotep Amenhotep/ Amenophis, Sohn des Hapu Isis

Isis Karpotokos Isis Sachypsis Isis Snoais Isis Panthea Isis-Nemesis Isis-Thermuthis Iuno Iuppiter Iuppiter-Ammon Iuppiter Optimus Maximus Iuppiter-Zeus Jason Kastor Kos Kronos Kyme Mandulis Memnon Merkur Min Minerva Mnevis(stier) Moira Month Nechbet Neith Nemesis Nemtiui Neotera

411 47 31 33, 71 82

82 10, 13, 19, 20, 22, 26, 29, 33, 34, 37, 41, 42, 44, 45, 47, 50, 52, 63, 65, 71, 72, 73, 76 72 34 37 72 76 47 70, 75 24, 75, 81 70 64, 70 77 11 12, 73 31 27 71 26 66 71 51, 64, 73 75 13, 14, 22 32 40 22 2 74 23 63

412 Nilus Onnophris Osiris

Osiris-Antinoos Osirisentawer Osiris-Neferhotep/ Nephotes Osiris-Onnophris Pan Pax Petempamentis Petensetis Phoibos Pnepheros Pollux/Polydeukes Psosnaus Ptah Re Renenutet Rettergötter Roma Sarapis

Sarapis-Isis Satet/Satis Schai Selene Seth Sirius/Sothis Sobek/Suchos Soknopaios Sol Soxis Tasenetneferet Tefnut Thot Uto

Indizes (nach Textnummer) 44, 79 31, 37 10, 13, 14, 20, 21, 22, 25, 26, 27, 31, 34, 41, 42, 44, 65, 82 77, 79 20 53, 61 45 51, 64 53 25, 27 27 32 34, 36 12, 73 34, 36 20, 22, 42, 44 1, 14, 22, 48 47 s. Ptolemaios I., Berenike I. 71 19, 21, 33, 51, 52, 63, 64, 65, 69, 73, 75, 78, 80 74 25, 26, 27 47 41 78, 82 42 12, 61 55 43, 48, 49 34, 36 61 14 15, 22, 42, 47, 71 22

Vaterliebende Götter Wohltätergötter

Zeus Zeus Basileus Zeus Eleutherios Zeus Soter Zeus-Helios Zeus-HeliosMegas-Sarapis

5.

s. Ptolemaios IV. u. Arsinoe III. s. Ptolemaios III. u. Berenike II. 11, 22, 24, 27, 64, 66 8 44, 47, 50 2, 50 65 64, 65, 69, 73

Inschriften

5. Ins chriften

BM 34428 CIIP IV 3513 CIIP IV 3514 C.Ord. Ptol. 67 I.Alex. ptol. 30 I.Asylia 226 I.Louvre 3 I.Louvre 22 I.Métrique 175 I 8 I.Philae II 140 I.Prose 17 I.Prose 61 IG II/I², 1043,23 IG II² 3779,19f. IG XI 4,1125 IG XI 4,1126 IG XII 3, 443 IGUR IV 1647 ILS III 2, CLXXI Nr. 574 JIGRE 13 JIGRE S. 36 Kêmi 20,1970,73f. Kom Ombo 597 NGSL 7 OGIS I 47

11 18 18 72 13 72 22 31 72 46 22 31 41 8 6 6 12 48 38 17 17 14 61 33 9

6. Papyri OGIS I 49 OGIS I 49,5f. OGIS I 50 OGIS I 51 OGIS I 51 OGIS I 175 OGIS I 230 OGIS I 283 OGIS II 657 OGIS II 658 OGIS II 728 OGIS II 742 Philae dem. 289 RGDA 27,1 RICIS 113/0545 RICIS 114/0202 RICIS 202/0101 RICIS 202/1101 RICIS 202/1801 RICIS 306/0201 RICIS 501/0111 RICIS 503/1102 RICIS 503/1208–503/1210 RICIS Suppl. 113/1201 SB I 589 SB I 620 SB I 682 SB I 3926

SB II 6664 SB III 6025 SB IV 7270 SB IV 8957 SB VI 9300,3f. SB VIII 9812 SEG II 871 SEG LV 1816 SEG VII 170 SEG XVIII 628 SEG XVIII 629 SEG XX 4999 SEG XXX 1195 SEG XXXIII 1362 SEG LII 1805

7, 9 7 7 7, 9 9 37 16 41 46 31 9 17 45 44 42 42 73 42 42 42 72 65 74 42 17 34 31 33 34 72 31 31 31 37 73 31 31 14 17 13 13 31 48 34 13

SEG LVI 1881 SEG LXII 1762 SEH 242 SEH 541 I.Thèbes 241

413 16 13 60 27 22

6. Papyri 6. Papyri

BGU I 296,12 BGU II 372 BGU VI 1212,12–20 BGU VII 1563 BGU VII 1832 BGU XVI 2600 BGU XVI 2604 CEML 616 u. 632 C.Jud. Syr. Eg. 1 CPJ II 153,34-37 CPR XV 1-3 O.Amst. 7 O.Claud. IV 576f. O.Claud. IV 811 O.Edfou 362 O.Krok. 87,31 und 45 P.Bingen 45 P.dem. Cairo 30631 P.dem. Cairo II 31232 P.dem. Hawara XXIa P.Hal. 1,260-264 P.Haun. 6,15 P.Haun. IV 70,18 P.Merton I 5,27f. P.Oxy. II² 37 P.Oxy. II 254 P.Oxy. VIII 1100 P.Oxy. XXVII 2465 P.Oxy. XI 1380, 19-21 P.Oxy. XL 3463 P.Oxy. LVIII 3917 P.Phil. 1,26-35 P.Polit. Iud P.Ross. Georg. V 4

55 54 34 58 37 41 41 20 12 53 20 65 73 73 32 59 34 5 35 35 8 11, 13 3 3 54 12 54 11 19 76 61 55 31 61

414

Indizes (nach Textnummer)

P.Tebt. I 5, IV 83-84 = C.Ord. Ptol. 53 P.Tebt. I 32 P.Tebt. III 699,15–17 P.Tebt. III 811 PSI IV 364 PSI X 1098b,3 SB I 3924 SB VI 9016 SB VI 9017, Nr. 44 SB VIII 9764 SB X 10496 SB XII 11012 Sel.Pap. II 420 UPZ I 4 UPZ I 81 II 9 UPZ II 161,4 UPZ II 217 W.Chr. 1 W.Chr. 13 W.Chr. 109,3f. W.Chr. 439

34 31 34 24 6 37 54 72 61 37 73 57 58 34 72 12 28 11 54 19 54

7. Literarische Quellen 7. Literar is che Quellen

Aristeid. hym. Sar. XLV 27 Aristeid. Or. XXXVI 49 Arr. an. III 4,5 Arr. an. III 16 Arr. an. IV 13,2 Arr., frg. Diadochengeschichte 1,34 Aischyl. Pers. 24 Alexanderroman I 4-7 Alexanderroman I 28,4 Alexanderroman I 30,5 Alexanderroman I 31,7 Amm. XVII 4,12 Anth. Gr. XVI 264 Apg 13 Apg 16 App. Syr. 65, 242–346 Arr. an. III 16

73 68 1 11 11 4 18 1 1 1 60 49 72 17 17 11 11

Arr. an. IV 13,2 Arr. succ. fr. 1,34 Athen. deip. V 197c- 203b Athen. deip. V 198c Caes. civ. III 108,3 Cass. Dio XXXV 4 Cass. Dio XLVII 31,5 Cass. Dio XLIX 41 Cass. Dio L 25 Cass. Dio LI 15,5 Cass. Dio LIII 23,54 Cass. Dio LXXII 8 Cass. Dio LXXVII 9,5 Catull. 66,35f. Clem. Al. Strom. VI 1 Clem. Al. Strom. VI 4 Clem. Al. Strom. VI 36 Curt. X 5,4 Deut 6,4 Dig. I 5,17 Diod. I 27,3–5 Diod. I 46,4 Diod. I 49,5 Diod. I 81,7 Diod. XVIII 3,5 Diod. XVIII 21,6 Diod. XVIII 21,9 Diod. XVIII 51 Diod. XX 40 Diod. XX 46,2f. Diod. XX 100,3f. Diog. Laert. II 140 Duris von Samos FgrHist 76 F 13, 20-24 Eus. HE V 5,1-6 Eutr. 9,22 Geminos, Isagoge VIII 24 Hdt. II 113 Hdt. II 47f. Hdt. III 27–29 Hdt. III 64 Ios. ant. Iud. XIV 62 Ios. ant. Iud. XX 100 Ios. bell. Iud. IV 617

11 4 6 9 37 37 39 41 41 41 44 71 75 11 71 71 71 1 17 75 42 66 66 28 1 4 4 1 4 14 5, 15 6 5 71 81 14 34 78 66 66 38 62 53

7. Literarische Quellen Ios. bell. Iud. VI 237 Ios. bell. Iud. VII 16 Ios. c. Ap. II 51–55 Ios. c. Ap. II 64 Iust. XI 7 Iust. XII 15,7 Iust. XXVII 1,1–2,10 Lev 18,9 Macr. Sat. I 21,14 1. Makk. 1,14f. 3. Makk. 4,11 Malalas XII 42 Not. Dig. Or. XXXI 35 Not. Dig. Or. XXXI 37 Not. Dig. Or. XXXI 64–66 Paus. I 8,6 Paus. I 42,3 Paus. III 16,7–9 Paus. VIII 46,4 Phil. in Flacc. 49 Phil. leg. 132 Phil. leg. 151 Philostr. vita Apoll. II 43 Plin. ep. X 79,1f. Plin. nat. V 10,59 Plin. nat. VI 102 Plin. nat. XIV 22 Plin. nat. XVI 201 Plin. nat. XXXVI 57 Plin. nat. XXXVI 64 Plin. nat. XXXVI 69 Plin. nat. XXXVI 70 Plin. nat. XXXVI 71 Plin. nat. XXXVI 72 Plut. Alex. 2 Plut. Alex. 40 Plut. Ant. 24 Plut. Ant. 28,2 Plut. Ant. 54 Plut. Ant. 81,5 Plut. Caes. 59 Plut. de Is. 28 Plut. de Is. 30 Plut. de Is. 43 Plut. Dem. 10–12

53 53 38 17 1 1 11 17 76 28 17 80 52 52 52 5 66 11 11 17 17 46 1 57 52 62 41 43 51 49 46 49 49 48 11 11 41 41 41 39 14 73 82 61 14

Plut. Dem. 27,1 Plut. Per. 13 Polyain. VIII 50 Pol. V 34 Pol. XVIII 55,3f. Pol. XXII 7,1-6 Pol. XXXIII 11,1f. Pomp. Mela II 102 Prophyr. F43 = FGrHist 260 Prokop. Aed. VI 1,2 Sen. quaest. nat. IVa 2,16 SHA Aur. 24,4 SHA Hadr. 15,6 Strab. XIV 5,3 Strab. XVII 1,6 Strab. XVII 1,12 Strab. XVII 1,16 Strab. XVII 1,27 Strab. XVII 1,42 Strab. XVII 1,42 Strab. XVII 1,43 Strab. XVII 1,46 Strab. XVII 1,53 Suet. Aug. 89,1 Suet. Aug. 98,2 Suet. Cal. 60 Suet. Iul. 40,1–2 Suet. Nero 49 Tac. ann. IV 5 Tac. ann. IV 31 Tac. ann. IV 83f. Tac. ann. XV 74 Tac. hist. II 79 Tac. hist. IV 83,1 Tert. de spec. 8,1 Theok. Eid. XVII 27 Theok. Eid. XVII 85–94 Theok. Eid. XVII 121–128 Vell. II 82,4

415 6 7 11 11 22 22 24 35 11 2 39f. 71 65 16 60 52 2 49 3 21 1 14 66 44 50 46 52 14 56 52 51 73 49 53 69 49 11 11 6 41

Stammbaum der Ptolemäerdynastie, © Alexander Flegler

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Griechische und lateinische Inschriften zum Ptolemäerreich und zur römischen Provinz Aegyptus (LQIKUXQJHQXQG4XHOOHQWH[WH]XUbJ\SWRORJLH

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