Grafomotorik und Händigkeit: Ergotherapie bei Kindern [2. unveränderte ed.] 3132428442, 9783132428447

Sie haben es in der Hand! Dieses Buch vermittelt übersichtlich und stringent gegliedert alles Wissenswerte über die Han

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Grafomotorik und Händigkeit: Ergotherapie bei Kindern [2. unveränderte ed.]
 3132428442, 9783132428447

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Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Grafomotorik und Händigkeit Ergotherapie bei Kindern Herausgegeben von Erna Schönthaler Unter Mitarbeit von Andrea Espei Bernhard Gröss † Andrea Oswald Daniela Rolf Ingrid Sarközi Erna Schönthaler Christin Weigelt Gudrun Zimmermann

2. Auflage 216 Abbildungen

Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Group Zeichnungen: Angelika Brauner, Hohenpeißenberg Redaktion: Katrin Veit, Kirchheim Satz: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg gesetzt in 3B2, Version 9.1, Unicode Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe (Saale)

DOI 10.1055/b-006-166366 ISBN 978-3-13-242844-7 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-242845-4 eISBN (epub) 978-3-13-243024-2

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Vorwort Die Idee zu diesem Buch geht auf den 4. ergotag im Oktober 2010 zurück. Unter dem Motto „Hände hoch!“ hatten der Georg Thieme Verlag und der Deutsche Verband der Ergotherapeuten nach Stuttgart eingeladen. Im vorliegenden Buch greifen Referentinnen dieses Tages mit einem Autorenteam aus Deutschland und Österreich die Themen der Veranstaltung, Grafomotorik und Händigkeit, wieder auf. Handschrift bleibt auch im Zeitalter des Computers eine wichtige Kulturtechnik. Das Erlernen des Schreibens stellt hohe Anforderungen an die feinmotorischen Fähigkeiten eines Kindes. Manche Kinder lernen den präzisen Umgang mit dem Stift spielend leicht, für andere ist es eine große Herausforderung. Probleme wie mangelnde Lesbarkeit, langsames Tempo, zu wenig Ausdauer oder Schmerzen beim Schreiben sind ein häufiger Zuweisungsgrund zur Ergotherapie. In den letzten Jahren wird neben der Therapie auch der Prävention, dem Vermeiden dieser Schwierigkeiten, vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Beide Themenbereiche werden im Buch aufgegriffen. Schreiben ist in den ersten Grundschuljahren ein wichtiges Lernziel und bleibt für die gesamte Schulzeit ein wesentliches Mittel für das Lernen. Kinder mit grafomotorischen Schwierigkeiten haben weniger Kapazität frei, um sich auf die Rechtschreibung eines Wortes, die Gestaltung eines Satzes oder die Inhalte eines Textes zu konzentrieren. Sie müssen dem motorischen Aspekt der Ausführung viel Aufmerksamkeit widmen. Das vorliegende Buch richtet sich in erster Linie an Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, die diese Kinder betreuen. Ziel der Therapie ist es, dass das Kind seine grafomotorischen Fertigkeiten verbessert, gute Strategien für den Alltag entwickelt und somit das Schreiben „leicht(er) von der Hand geht“. Mit präventiven Maßnahmen werden Kinder auf den effizienten Einsatz des Stiftes und das Schreiben vorbereitet. Es können nicht alle Probleme verhindert, aber die Zahl der Kinder mit Schwie-

rigkeiten in diesem Bereich verringert werden. Mit fundiertem Wissen und Erfahrung möchte das Autorenteam eine gute Basis für beide Aufgabenbereiche legen und viele Ideen für die therapeutische Arbeit bereitstellen. Die vorgestellten Programme und Therapieansätze zeigen unterschiedliche Wege zur Behandlung auf. Gemeinsam ist ihnen ein betätigungsorientiertes Vorgehen, bei dem Alltagsaktivitäten nicht nur Ziel, sondern auch Mittel in der Therapie und Förderung sind. Dem Themenfeld der Grafomotorik ist ein Kapitel zur Handgeschicklichkeit vorangestellt. Die Entwicklung der Hand mit ihren differenzierten Einsatzmöglichkeiten und vielfältigen Aufgaben sowie die Therapie von Kindern mit feinmotorischen Problemen ist Inhalt des ersten Kapitels. Zwei Kapitel am Ende des Buches sind der Händigkeit gewidmet. Hintergrundwissen, eine genaue Befundung und Fallbeispiele möchten zu einer differenzierten Sichtweise führen. Mit der Beratung linkshändiger Kinder schließt das Buch. Auch für diese Themen war es unser Ziel, Wissen aus der Forschung und Erfahrungen aus der therapeutischen Praxis zu verknüpfen. Ich danke allen Personen, die am Entstehen dieses Buches mitgewirkt haben: Daniela Ottinger organisierte den ergotag 2010 und initiierte damit das Buch. Frau Grünewald betreute und koordinierte das Projekt im Thieme Verlag. Mein Dank geht an alle Autorinnen und den Autor, die mit ihren Beiträgen das Thema so vielfältig und umfassend aufgegriffen haben. Im Entstehungsprozess musste manche Hürde überwunden werden, aber gemeinsam, mit Geduld und Ausdauer aller beteiligten Personen haben wir es geschafft, das Projekt abzuschließen. Mein ganz persönlicher Dank geht an meinen Mann, der mich immer ermutigt und unterstützt. Erna Schönthaler Mai 2013

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5

Inhaltsverzeichnis 1

Handgeschicklichkeit und Handfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

Andrea Oswald 1.1

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1.1 1.1.2 1.1.3

Voraussetzung für die manuelle Feinmotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebrauch der Hände . . . . . . . . . . . .

14 14 14

1.2

Normalentwicklung . . . . . . . . . . .

16

1.2.1

Im ersten Lebensjahr: Greifen und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . Im zweiten Lebensjahr: Greifen und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . Im dritten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit . . . . . . . Im vierten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit . . . . . . . Im fünften Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit . . . . . . . Im sechsten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit . . . . . . . Greifformen und In-HandManipulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Grundlagen der Handgeschicklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Neurologische Grundlagen der Handfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7

1.3

1.3.1

14

16

1.3.2

Entwicklungsstörung motorischer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1.4

Grundlagen der Ergotherapie . . .

25

1.4.1 1.4.2

Therapieansätze breit anlegen . . . . Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25

1.5

Ergotherapeutischer Prozess . . .

26

1.5.1 1.5.2

Ergotherapeutische Diagnostik. . . . Planung und Durchführung der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation und Dokumentation . . .

26 27 28

Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1.6.1 1.6.2

Ergotherapie: 1. Therapieblock. . . . Ergotherapie: 2. Therapieblock. . . .

29 29

1.7

Therapiemethode und Therapiesetting . . . . . . . . . . . . . . .

34

Graduierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapiesetting . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstwirksamkeit und Erfolg . . . . .

34 34 35

17 1.5.3 18

1.6 19 19 19

1.7.1 1.7.2 1.7.3

Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

2

.........................

38

Die Praxis begründen: Wie Denken und Wissen unser therapeutisches Handeln beeinflussen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

Daniela Rolf 2.1

Betätigungzentrierung . . . . . . . . .

39

2.1.1

Person-Environment-Occupation Modell (PEO-Modell) . . . . . . . . . . . .

39

2.2

Eltern und Kind im Mittelpunkt: Klientenzentrierung/Familienzentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.3

2.3.1 2.3.2 40 2.3.3

2.2.1 2.2.2

6

Klientenzentrierung nach Law et al. (1997). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Familienzentrierung. . . . . . . . . . . . .

Clinical Reasoning. . . . . . . . . . . . . . . Ergotherapie zeitgemäß gestalten – Occupation-centred Practice. . . . . . Irreführung traditionsbedingt! Ein Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 45

41 41

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Inhaltsverzeichnis 2.4

2.4.1 2.4.2

3

Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift . . . . . . . . . .

2.5

Umgang mit Stift und Papier . . . .

59

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4

Malen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Malphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stifthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 63 66

Ergotherapeutische Befunderhebung bei grafomotorischen Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

Handfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe feinmotorische Fertigkeiten als Basis für den Umgang mit dem Stift . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46

53

Daniela Rolf 3.1

Screening Prewriting skills Occupational Therapy (SPOT) . . .

75

3.1.1 3.1.2 3.1.3

Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung des SPOT . . . . . . . . . . . . .

75 75 76

3.2

McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift . . . . .

76

3.3.2

3.2.1 3.2.2 3.2.3

Ziel und Entwicklung . . . . . . . . . . . . Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Version des Protokolls . . .

76 77 78

3.3.3

4

Ergotherapeutische Intervention bei grafomotorischen Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.2.4

Bewertung des McMasterProtokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

3.3

Durchführung weiterer Tests? . .

84

3.3.1

Empfehlungen des EvidenceStatement „motorische Schreibprobleme“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung (FEW-2) . . . . . Beery-Buktenica Developmental Test of Visual Motor Integration (Beery-VMI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 85

86

90

Daniela Rolf 4.1

4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4

4.2

Therapiefokus auf Betätigung: Training der Betätigungen Malen und Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . Direktes Training von (Aus-) Malen und Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzieren als Vorbereitung für die Schreibbewegung . . . . . . . . . . . . . . . Begleiten des Schreibens . . . . . . . . . Therapie-Hausaufgaben bei Schreibproblemen?. . . . . . . . . . . . . .

Therapiefokus auf die Person (Kind): Training der Voraussetzungen und Performanzkomponenten für den Umgang mit Stift und Papier . . . . . . . . . . . .

91

92

4.2.1 4.2.2 4.2.3

4.3

94 95 97

4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

Feinmotorisches Training . . . . . . . . . Training der In-Hand-Manipulation Der Hit als Hausaufgabe: ein Monster als Übernachtungsgast . . .

Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sitzhaltung am Tisch . . . . . . . . . Beratung des Umfelds bezüglich der Sitzhaltung des Kindes. . . . . . . . Haltung und Papierlage . . . . . . . . . . Schreibmaterial und der Einsatz von Stifthilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 102 105

105 106 112 113 113

98

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7

Inhaltsverzeichnis

5

Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik . .

5.1

Der CO-OP Ansatz . . . . . . . . . . . . . Daniela Rolf

116

5.3.2

5.1.1 5.1.2 5.1.3

Was ist CO-OP? . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiel: Ein sechsjähriges Mädchen mit einer umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 116

5.3.3

5.2

5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6

Der Einsatz des TREFFPUNKTs und der SCHREIB-MAL-SCHULE vor dem Hintergrund des Bieler Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Kraus Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bottom-up- und Top-downAnsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Händigkeitsentwicklung . . . . . . . . . Konzeptionelle Verknüpfung . . . . . Ergotherapeutische Diagnostik – Bieler Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung von TREFFPUNKT und von der SCHREIB-MAL-SCHULE . . .

123

125 125 125 126 126

5.4

Biofeedback, Lernprozesse und Aufmerksamkeitsfokus als untrennbares Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biofeedback als Baustein in der ergotherapeutischen Grafomotorikintervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Bleistift-Rallye – ein grafomotorisches Präventionsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Espei

5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6

Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppensituation . . . . . . . . . . . . . . . Sitzposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stifthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkzeuge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Programm. . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.5

Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell) Bernhard Gröss

127

142

148

150 150 150 151 151 152 153

154

Anforderungen und Belastungen zum Schuleintritt . . . . . . . . . . . . . . . Förderziele des Programms. . . . . . . Therapie oder Prävention . . . . . . . .

154 158 162

5.3.1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

Die Händigkeit des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

5.3

Ist die Therapie mit Biofeedback bei Kindern mit grafomotorischen Auffälligkeiten effektiv und effizient?. . . . . . . . . . . . . . . . . . Christin Weigelt, Gudrun Zimmermann

129

5.5.1

116

5.5.2 5.5.3 140

140

Erna Schönthaler 6.1

Hintergrundwissen . . . . . . . . . . . .

166

6.2

Entwicklung der Händigkeit . . . .

175

6.1.1 6.1.2

Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsgeschichte der Händigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung von Rechts- und Linkshändigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . Händigkeitsgruppen. . . . . . . . . . . . . Fuß, Auge, Sprachzentrum und Händigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle zur Händigkeit . . . . . . . . . .

166

6.2.1

Entwicklung der Händigkeit bis zum 4. Lebensjahr. . . . . . . . . . . . . . .

175

6.3

Kreuzen der Körpermittellinie . .

176

6.3.1

Entwicklung zum Kreuzen der Körpermittellinie . . . . . . . . . . . . . . . Kreuzen der Körpermittellinie und Händigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6

8

167 167 168 172 174

6.3.2

176 177

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Inhaltsverzeichnis 6.4

Befundung der Händigkeit . . . . . .

177

6.6.2

6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4

Anamnesegespräch . . . . . . . . . . . . . . Befundung der Handpräferenz . . . . Vergleich der Handleistung . . . . . . . Kreuzen der Körpermittellinie . . . .

178 181 184 187

6.6.3

6.5

Standardisierte Händigkeitstests

188

6.5.1 6.5.2 6.5.3

188 190

191

6.5.5 6.5.6

Testgütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . H-D-T: Hand-Dominanz-Test. . . . . . PTK-LDT: Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (5–12 Jahre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HAPT 4–6: Handpräferenztest für 4- bis 6- jährige Kinder. . . . . . . . . . . Händigkeitsprofil. . . . . . . . . . . . . . . . HPT: Handpräferenztest. . . . . . . . . .

6.6

Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199

6.6.1

Kinder, die keine eindeutige Handpräferenz und keinen Leistungsunterschied zwischen den Händen haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199

6.5.4

7

Linkshandberatung

193 195 198

6.6.4

6.6.5

6.7

6.7.1 6.7.2

Kinder, deren präferierte Hand die motorisch schwächere ist . . . . . . . . Kinder mit einer eindeutigen Händigkeit, ohne spontanes Kreuzen der Körpermitte . . . . . . . . . Kinder mit einer schwach ausgeprägten Handpräferenz und konstanter Händigkeit innerhalb von Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . Linkshändige Kinder, die für das Schreiben auf die rechte Hand umgeschult wurden . . . . . . . . . . . . .

Händigkeitssensibles oder händigkeitsgerechtes Verhalten von Eltern und Pädagogen . . . . . .

208

210

215

217

219

Händigkeit thematisieren . . . . . . . . Entwicklung der Händigkeit durch vielfältige Aktivität . . . . . . . . . . . . . .

219 220

........................................................

222

Ingrid Sarközi 7.1

Warum Linkshandberatung? . . . .

7.2

Linkshandberatung in der Ergotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.2.1

222

222

7.2.3

Form und Umfang der Linkshandberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liebevolles Akzeptieren des „Andersseins“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen an die Eltern . . . . . . . . . . . . .

223 223

7.3

Linkshändiges Schreiben . . . . . . .

223

7.3.1

Herausforderungen für das Schreiben mit der linken Hand . . . . Optimaler Schreibvorgang . . . . . . . . Stifte, Tintenroller und Füllfeder. . . Üben und Automatisieren . . . . . . . .

224 225 227 227

7.2.2

7.3.2 7.3.3 7.3.4

7.4

Gebrauchsgegenstände für Linkshänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

232

7.4.1 7.4.2 7.4.3

Im Kindergarten und in der Schule Kochen und Essen . . . . . . . . . . . . . . . Spiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 234 235

7.5

Linkshändige Kinder im Kindergarten und in der Schule . . . . . . .

235

223

7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6

Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basteln und Malen. . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung der Händigkeit durch das Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grüßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handarbeit und Handwerk . . . . . . .

236 236 236 236 236 237

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Inhaltsverzeichnis 7.6

7.6.1 7.6.2

Spezielle Überlegungen zum Thema Freizeit und Hobby. . . . . .

237

Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237

Literatur

Spezielle Überlegungen zum Thema Selbstversorgung . . . . . . .

238

7.7.1 7.7.2

An- und Ausziehen . . . . . . . . . . . . . . In der Küche und beim Essen . . . . .

238 238

7.8

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . .

238

....................................................................

239

Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . .

247

Quellen der Motoriktests. . . . . . .

247

Quellen der standardisierten Händigkeitstests . . . . . . . . . . . . . .

247

M-ABC-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zürcher Neuromotorik. . . . . . . . . . .

247 247

Bezugsquellen für LinkshänderGebrauchsgegenstände (Geschäfte und Versandhandel) .

247

Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 247 248

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249

H-D-T: Hand-Dominanz-Test . . . . . PTK-LTD: Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (5–12 Jahre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HAPT 4–6: Handpräferenztest für 4- bis 6-jährige Kinder. . . . . . . . . . . Händigkeitsprofil . . . . . . . . . . . . . . .

10

7.7

247

247 247 247

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Anschriften Herausgeber Erna Schönthaler FH Campus Wien Favoritenstraße 226 1100 Wien Österreich

Mitarbeiter Andrea Espei Schuhmann Reha Dütestraße 3 49145 Hasbergen Bernhard Gröss † Andrea Oswald Irma-von-Troll-Straße 7 5020 Salzburg Österreich

Daniela Rolf Hoffmannallee 6a 47533 Kleve Ingrid Sarközi Pummergasse 22-26/4/5 3002 Purkersdorf Österreich Erna Schönthaler FH Campus Wien Favoritenstraße 226 1100 Wien Österreich Christin Weigelt Fuchsleite 177 09474 Walthersdorf Gudrun Zimmermann Gutenbergstr. 1 08523 Plauen

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11

1 Handgeschicklichkeit und Handfunktion

14

2 Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

38

3 Ergotherapeutische Befunderhebung bei grafomotorischen Fragestellungen

74

4 Ergotherapeutische Intervention bei grafomotorischen Fragestellungen

90

5 Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

116

6 Die Händigkeit des Kindes

166

7 Linkshandberatung

222

8 Literatur

239

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Kapitel 1

1.1

Einführung

14

Handgeschicklichkeit und Handfunktion

1.2

Normalentwicklung

16

1.3

Grundlagen der Handgeschicklichkeit

23

Grundlagen der Ergotherapie

25

Ergotherapeutischer Prozess

26

Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre

29

Therapiemethode und Therapiesetting

34

1.4 1.5 1.6 1.7

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

1 Handgeschicklichkeit und Handfunktion Andrea Oswald

1.1

Einführung

Voraussetzung für die manuelle Feinmotorik

1.1.1

Die Entwicklungsgeschichte der Hand beginnt mit dem aufrechten Gang, der die Hände freigibt für feinmotorische Tätigkeiten und für die Handhabung von Werkzeug. Die Art Australopithecus afarensis der Gattung Australopithecinen bezeichnet aufrecht gehende Affen in Ostafrika und direkte Vorfahren der Menschen. Lucy, die Protagonistin dieser Gruppe, verfügte über differenzierte feinmotorische Fähigkeiten (Wilson 2000, Nacke 2005, S. 141): ● den Dreipunktgriff, um mit Steinen zu klopfen (z. B. Nüsse aufschlagen), ● die Fähigkeit, Objekte zwischen Daumen, Zeigeund Mittelfingerspitze zu halten und zu manipulieren, ● das Vermögen, durch ein stabiles Handgelenk bei Schlagbewegungen den Rückprall abzufedern.

Hand Die Hand (med./lat.: manus) ist das Greifwerkzeug der oberen Extremitäten der Primaten. Beim Menschen zeichnet sie sich durch den opponierbaren Daumen und die frei beweglichen Finger aus. Auch der Kleinfinger kann Richtung Daumen bewegt werden, ulnare Opposition. Durch gelenkige Verbindung mit den Unterarmknochen Radius und Ulna und den speziell angeordneten Handwurzelknochen erreicht die Hand ihr großes Bewegungsrepertoire, das für die Handgeschicklichkeit notwendig ist.

Haltung und Bewegung Die aufrechte Haltung, das Stehen und Sitzen und die Fortbewegung, das Laufen und Rennen, bilden die Voraussetzung, um mit den Händen frei agieren zu können. Aber auch in Rückenlage oder Bauchlage können wir mit den Händen Tätigkeiten durchführen; z. B. ein Buch halten und lesen, einfache Steck- und Würfelspiele spielen, den Gameboy betätigen.

14

Gehirn Laut Washburn (Wilson 2000) steht die Gehirnentwicklung in engem Zusammenhang mit dem Werkzeuggebrauch der Hominiden. Die Verarbeitung von unterschiedlichen Informationen im Gehirn ermöglicht die Handhabung von Werkzeug. Die Genese der Bewegung erfolgt durch zentral gesteuerte Prozesse und gliedert sich in 3 Teilbereiche: ● Ideation, ● motorische Planung, ● Ausführung der Bewegung.

1.1.2

Definition

Merke Unter Handgeschicklichkeit wird die Koordination von feinmotorischen Bewegungen der Hände und der Arme zur Ausführung von Tätigkeiten verstanden. Für eine gute Handfunktion sind neben motorischen Funktionen auch sensorische Funktionen erforderlich. Die Aufnahme und die Verarbeitung von taktilen und propriozeptiven Sinnesreizen der Hand in Verbindung mit den visuellen Sinnesinformationen ermöglichen eine gute Auge-Hand-Koordination. Wir verwenden die Hände effizient und ökonomisch, um Tätigkeiten durchzuführen.

1.1.3

Gebrauch der Hände

Unsere Hände führen im Alltag die unterschiedlichsten Tätigkeiten aus. Mit den Händen ziehen wir uns an. Wir benutzen die Zahnbürste und kämmen unser Haar mit Kamm oder Bürste. Wir gebrauchen die Hände, um das Gesicht und den Körper zu waschen und essen mit Löffel, Messer und Gabel (▶ Abb. 1.1). Wir schälen Obst und Gemüse und schneiden Fleisch, Fisch, Brot etc. Mit den Händen betätigen wir weitere alltägliche Werkzeuge: Schere, Schreibgeräte, Computertastatur, Computermaus etc. Auch für spielerische, sportliche Aktivitäten gebrauchen wir die Hände; unter anderem beim

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

1 Handgeschicklichkeit und Handfunktion Andrea Oswald

1.1

Einführung

Voraussetzung für die manuelle Feinmotorik

1.1.1

Die Entwicklungsgeschichte der Hand beginnt mit dem aufrechten Gang, der die Hände freigibt für feinmotorische Tätigkeiten und für die Handhabung von Werkzeug. Die Art Australopithecus afarensis der Gattung Australopithecinen bezeichnet aufrecht gehende Affen in Ostafrika und direkte Vorfahren der Menschen. Lucy, die Protagonistin dieser Gruppe, verfügte über differenzierte feinmotorische Fähigkeiten (Wilson 2000, Nacke 2005, S. 141): ● den Dreipunktgriff, um mit Steinen zu klopfen (z. B. Nüsse aufschlagen), ● die Fähigkeit, Objekte zwischen Daumen, Zeigeund Mittelfingerspitze zu halten und zu manipulieren, ● das Vermögen, durch ein stabiles Handgelenk bei Schlagbewegungen den Rückprall abzufedern.

Hand Die Hand (med./lat.: manus) ist das Greifwerkzeug der oberen Extremitäten der Primaten. Beim Menschen zeichnet sie sich durch den opponierbaren Daumen und die frei beweglichen Finger aus. Auch der Kleinfinger kann Richtung Daumen bewegt werden, ulnare Opposition. Durch gelenkige Verbindung mit den Unterarmknochen Radius und Ulna und den speziell angeordneten Handwurzelknochen erreicht die Hand ihr großes Bewegungsrepertoire, das für die Handgeschicklichkeit notwendig ist.

Haltung und Bewegung Die aufrechte Haltung, das Stehen und Sitzen und die Fortbewegung, das Laufen und Rennen, bilden die Voraussetzung, um mit den Händen frei agieren zu können. Aber auch in Rückenlage oder Bauchlage können wir mit den Händen Tätigkeiten durchführen; z. B. ein Buch halten und lesen, einfache Steck- und Würfelspiele spielen, den Gameboy betätigen.

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Gehirn Laut Washburn (Wilson 2000) steht die Gehirnentwicklung in engem Zusammenhang mit dem Werkzeuggebrauch der Hominiden. Die Verarbeitung von unterschiedlichen Informationen im Gehirn ermöglicht die Handhabung von Werkzeug. Die Genese der Bewegung erfolgt durch zentral gesteuerte Prozesse und gliedert sich in 3 Teilbereiche: ● Ideation, ● motorische Planung, ● Ausführung der Bewegung.

1.1.2

Definition

Merke Unter Handgeschicklichkeit wird die Koordination von feinmotorischen Bewegungen der Hände und der Arme zur Ausführung von Tätigkeiten verstanden. Für eine gute Handfunktion sind neben motorischen Funktionen auch sensorische Funktionen erforderlich. Die Aufnahme und die Verarbeitung von taktilen und propriozeptiven Sinnesreizen der Hand in Verbindung mit den visuellen Sinnesinformationen ermöglichen eine gute Auge-Hand-Koordination. Wir verwenden die Hände effizient und ökonomisch, um Tätigkeiten durchzuführen.

1.1.3

Gebrauch der Hände

Unsere Hände führen im Alltag die unterschiedlichsten Tätigkeiten aus. Mit den Händen ziehen wir uns an. Wir benutzen die Zahnbürste und kämmen unser Haar mit Kamm oder Bürste. Wir gebrauchen die Hände, um das Gesicht und den Körper zu waschen und essen mit Löffel, Messer und Gabel (▶ Abb. 1.1). Wir schälen Obst und Gemüse und schneiden Fleisch, Fisch, Brot etc. Mit den Händen betätigen wir weitere alltägliche Werkzeuge: Schere, Schreibgeräte, Computertastatur, Computermaus etc. Auch für spielerische, sportliche Aktivitäten gebrauchen wir die Hände; unter anderem beim

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1.1 Einführung

1

Abb. 1.1 Essen mit der Gabel. (Foto: Andrea Oswald)

Abb. 1.3 Schnappverschluss, Fahrradhelm schließen. (Foto: Andrea Oswald)

Abb. 1.4 Sonnenbrille aufsetzen. (Foto: Andrea Oswald)

Abb. 1.2 Wurfpfeile werfen. (Foto: Andrea Oswald)

Verschluss betätigen (▶ Abb. 1.3, ▶ Abb. 1.4), Knoten und Schleifen binden. Wir erkennen die Komplexität meist erst dann, wenn die manuelle Geschicklichkeit nicht zur Gänze vorhanden ist. Am deutlichsten wird sie durch das Fehlen der Hand, wenn diese durch ein Hilfsmittel (Orthese) ersetzt werden soll.

Wichtig Werfen von Wurfpfeilen (▶ Abb. 1.2) oder bei Ballspielen wie Völkerball, bei Ballspielen gegen eine Wand, beim Trippeln des Balles oder bei Federball und Tennis. ▶ Komplexität. Die Hände führen komplexe Tätigkeiten aus: Knöpfe öffnen und schließen, einen

Um Auffälligkeiten unserer handmotorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten erkennen zu können, ist die Kenntnis der Normalentwicklung, speziell der Hände und der oberen Extremitäten, unerlässlich.

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15

Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Normalentwicklung

1.2.1

Er kann Gegenstände kurz fixieren und sie mit den Augen verfolgen. Die Koordination der Augenbewegungen beginnt.

1. Monat

4. und 5. Monat

Der neugeborene Säugling liegt in Rücken- und Bauchlage in leichter Beugehaltung. In den wachen, aktiven Phasen bewegt er sich mit globalen, fließenden, komplexen und variationsreichen Bewegungen (Einspieler et al. 2008). Die Greifreaktion bestimmt weitgehend die Bewegungen der Hände; spontane Fingerbewegungen sind bereits vorhanden. In Bauchlage und Seitenlage nuckelt der Säugling an seinen Händen und erkundet diese.

Der Säugling hat die Symmetrie erreicht und hält den Kopf stabil in der Mitte. In der Bauchlage wird der Kopf bis 90° angehoben und gehalten. Das Abstützen auf den Unterarmen wird stabiler, der Handstütz entwickelt sich. Der Säugling stützt sich mit gestreckten Ellbogen auf den Händen ab (Handwurzelknochen). Der Säugling erwirbt das willkürliche Greifen. Gegenstände in der Nähe werden mit zielgerichteter Arm- und Handbewegung umfasst, festgehalten, bewegt und (noch) unabsichtlich losgelassen. Palmares Greifen mit beiden Händen ist möglich. Hände und Finger werden intensiv betrachtet und in den Mund gesteckt. Mit den Händen wird gespielt und erkundet. Der Säugling greift beidhändig mit gestreckten Armen. Das einhändige Greifen beginnt sich zu entwickeln. Das Kind kann nun Gegenstände länger fixieren und über 180° visuell gut verfolgen. Es betrachtet einen Gegenstand und bringt seine Hand und den Gegenstand in Beziehung zueinander. Dann ergreift das Kind den Gegenstand (beginnende Augen-Hand-Koordination).

1.2

Im ersten Lebensjahr: Greifen und Spiel

2. Monat In Rückenlage ist die Beugehaltung noch vorherrschend, doch Streckbewegungen treten häufiger auf. Der Kopf kann zu beiden Seiten gelegt werden. In Bauchlage liegt der Säugling vorwiegend in Beugehaltung, der Kopf kann bis 45° angehoben werden. Die Hände sind meist gefaustet, öffnen sich häufiger. Der Säugling nuckelt an der ganzen Hand oder an den einzelnen Fingern. Bei Berührung des Handrückens öffnet sich die Hand. Gegenstände werden umfasst und zufällig wieder losgelassen. Die Hände bereiten sich auf das Greifen vor. Bewegte Gegenstände in 30–40 cm Abstand von den Augen können kurz fixiert werden. Die Augen können nicht getrennt vom Kopf bewegt werden.

3. Monat Die fließenden, globalen Bewegungen werden von willkürlichen motorischen Aktivitäten abgelöst. Der Säugling entwickelt sich in Bauch- und Rückenlage zur Symmetrie und lernt, seine Körperlängsachse zu stabilisieren. In Rückenlage zeigt sich der Hand-Hand-Kontakt. In Bauchlage ist der Säugling auf seine Unterarme gestützt und hebt den Kopf 45° an. Die Hände sind meist geöffnet oder locker gefaustet. Ein in die Hand gelegter Gegenstand wird mittels Greifreaktion festgehalten. Der Säugling greift meist ulnar. Er umfasst den Gegenstand mit Mittel-, Ring- und Kleinfinger. Er spielt mit seinen Händen und steckt die ganze Hand oder den Daumen in den Mund.

16

6.–8. Monat Das Kind beginnt die selbstständige Fortbewegung (Drehen, Robben, Krabbeln) zu erlernen. Mit etwa 8 Monaten kann das Kind frei sitzen. Das Kind greift mit der ganzen Hand und es kann seine Hände willkürlich öffnen. Die Greifreaktion ist nicht mehr vorhanden. Es kann einen Gegenstand von einer Hand in die andere Hand transferieren. Das dissoziierte Greifen ist möglich. Eine Hand ist geöffnet, die andere Hand schließt sich. Mit ca. 8 Monaten kann das Kind in jeder Hand einen Gegenstand halten und gegeneinander schlagen (manuelles Erkunden). Das Greifen wird differenzierter. Das palmare Greifen wird durch den Scherengriff (Schlüsselgriff) erweitert. Der Daumen entwickelt sich Richtung Oppositionshaltung. Das Kind verwendet den Zeigefinger auch isoliert und bohrt damit in Löcher. Es greift jetzt mit 3 Fingern (Zeige-, Mittelfinger und Daumen), wobei Gegenstände radialseitig am Zeigefinger fixiert werden (Scherengriff). Ringfinger und Klein-

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1.2 Normalentwicklung finger werden eher gebeugt gehalten. Das Kind ertastet und erkundet unterschiedliche Materialien. Das Kind steckt Gegenstände in den Mund. Es fühlt mit den Fingerspitzen. Bei einem visuellen Reiz greift das Kind nach einem Gegenstand. Es nimmt diesen in den Mund und erkundet ihn oral. Das Kind verbindet visuelle, taktile, propriozeptive und gustatorische Sinnesreize. Es schaut bewegten und fallenden Gegenständen nach, verfolgt Personen oder einen rollenden Ball mit den Augen. Auge-Hand-, Hand-Handund Hand-Mund-Koordination entwickeln sich zusehends differenzierter.

9.–12. Monat Das Kind zeigt Bewegungsübergänge vom Liegen bis zum freien Sitz. Es kommt in den Vierfüßlerstand und krabbelt. Es zieht sich über den Kniestand und Halbkniestand zum gehaltenen Stand hoch. Die Bewegungen sind harmonisch, koordiniert und variabel. Einige Kinder erreichen den freien Stand und freies Gehen, andere gehen seitwärts entlang von Möbeln. Mit dem 9.–10. Monat beginnt das Kind, den Pinzettengriff zu entwickeln. Ein Gegenstand wird mit Zeigefinger und Daumen ergriffen. Zunächst ist der Mittelfinger mitbeteiligt. Mit ca. 12 Monaten greift das Kind mit Zeigefinger und opponiertem Daumen. Die proximalen und distalen Fingergelenke sind dabei anfangs gestreckt. Mit zunehmender Bewegungsgeschicklichkeit werden die Fingergelenke in leichter Beugestellung gehalten (Zangengriff). Das Kind betrachtet den Gegenstand vor dem Ergreifen genau und lässt den Gegenstand absichtlich wieder los. Es wirft Spielzeug weg. Der Zeigefinger wird isoliert verwendet. Das Kind nimmt den Deckel einer Dose ab. Es interessiert sich für den Inhalt von Gefäßen. Es räumt Gefäße aus. Es benutzt ein Spielzeug und manipuliert damit. Das Spielzeug wird an einer Schnur herangezogen. Gugu-Dada- und Winke-Winke-Spiele entwickeln sich (Largo 2000). Das Kind ahmt Tätigkeiten mit Gegenständen nach und bleibt konzentrierter bei Einräumspielen. Das visuelle Erkunden ist zu dieser Zeit sehr ausgeprägt (Largo 2000). Das Kind wiederholt Spielsituationen aktiv und variabel. Es erfährt UrsacheWirkung, Wenn-Dann- und Mittel-zum-ZweckSpiele. Das Kind verwendet Gegenstände, um etwas zu tun.

Das Wichtigste in Kürze ●







1

Beginnend mit globalen, jedoch variationsreichen Bewegungsmustern entwickelt der Säugling gezielte Bewegung- und Haltungsaktivitäten wie den freien Sitz, den Stand und das Gehen. Mit 4–5 Monaten beginnt der Säugling erst beidhändig, dann einhändig zu greifen. Daraus entwickeln sich gegen Ende des 1. Lebensjahres differenzierte Griffe, wie der Scherengriff, Pinzettengriff, Zangengriff. Greifen dient unter anderem dem manuellen Erkunden der gegenständlichen Umwelt. Die Augen nehmen in den ersten Lebensmonaten visuelle Sinnesreize wahr, sie können kurz fixieren. Im 3. Trimenon des 1. Lebensjahres werden die Augen unabhängig vom Kopf zur Aufnahme der visuellen Informationen bewegt. Die gegenständliche Umwelt wird visuell erkundet. Der Mund ist das erste Greiforgan des Säuglings. Beginnend mit dem 4.–5. Lebensmonat werden die Hände und Finger intensiv oral erkundet.

Im zweiten Lebensjahr: Greifen und Spiel

1.2.2

13.–15. Monat Die meisten Kinder gehen frei. Das Kind kann seine Bewegungen an unterschiedliche Unterstützungsflächen anpassen. Aufgrund der Bewegungsfreiheit kommt das Kind mit vielen Gegenständen in Kontakt, ergreift sie und lässt sie gezielt wieder los. Vorhandene Erfahrungen bezüglich Gewicht, Materialbeschaffenheit und Bewegungsmöglichkeiten werden erweitert und differenzierter. Das Kind beginnt, selbstständig mit dem Löffel zu essen, es kleckert noch. Es baut einen Turm aus 2 Bausteinen. Das funktionelle Spiel beginnt. Das Kind führt den Löffel zum Mund, es beginnt, aus dem Becher zu trinken. Das Kind gebraucht eine Haarbürste, es hält den Telefonhörer ans Ohr (Largo 2000). Es erfährt die Funktion eines Stiftes und erkennt die ersten Bewegungsspuren mit dem Stift auf einem Papier. Es beginnt, Becher zu füllen und zu entleeren (Largo 2000). Es spielt Inhalt-Behäl-

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion ter-Spiele. Das Kind blättert Bilderbuchseiten um und schaut Bilderbücher an. Es handelt mit Absicht und Zweck, setzt Mittel zum Zweck ein (Werkzeuggebrauch) und erkennt die Bedeutung von innen, außen, oben und unten (Largo 2000).

16.–18. Monat Mit Ende dieser Periode geht das Kind frei. Das Gehen wird richtungsbestimmt und variabler. Das Kind hebt Gegenstände aus dem Stand vom Boden auf und kann im Stand einen Ball werfen. Es stellt Becher ineinander, baut einen Turm aus 3–4 Bausteinen und beginnt, Drehverschlüsse hin und her zu bewegen. Es steckt Ringe auf eine Steckpyramide. Beim gezielten Füllen und Entleeren des Bechers wird die zielgerichtete, harmonische Armund Handgeschicklichkeit spielend erworben. Der Becher wird nach innen und nach außen gekippt und waagrecht stabil gehalten. Das Kind ahmt Alltagshandlungen und Haushaltsaktivitäten nach (den Teig mit dem Nudelholz rollen, bügeln, putzen). Das Kind trinkt beidhändig aus einem Glas, isst mit Löffel und Gabel. Es hält das Besteck mit proniertem Unterarm mittels Pressgriff.

19.–24. Monat Das Kind geht sicher, beginnt zu rennen, geht rückwärts und mit Seitschritten. Es zeigt eine beginnende Handpräferenz und verwendet Pinzettengriff, Pressgriff und Grobgriff variabel und situationsabhängig. Die In-HandManipulation beginnt sich zu entwickeln. Lineare Bewegungen von den Fingerspitzen zur Handfläche entstehen (Translation). Eine Murmel wird mit Pinzetten- oder Zangengriff aufgenommen und zur Handfläche transportiert (Exner 1992). Das Kind baut einen Turm aus 5–6 Bausteinen und reiht Bausteine oder Autos horizontal aneinander (Largo 2000). Es stellt 3 Becher ineinander. Das Kind öffnet Drehverschlüsse beim Fläschchen (einfache Rotation, vgl. Exner 1992). Es dreht an der Kurbel einer Spieluhrdose. Aus dem repräsentativen Spiel entwickelt sich das Symbolspiel. Das Kind spielt Handlungen nach und lässt z. B. die Puppe handeln (Largo 2000). Das Kind isst mit Löffel und Gabel und trinkt aus dem Glas, ohne zu kleckern. Das Kind zieht einzelne Kleidungsstücke, z. B. T-Shirt oder Pyjamahose, aus.

18

Das Wichtigste in Kürze ●





Werkzeuggebrauch: Verwendung des Löffels, des Kamms, der Haushaltsgegenstände beginnend mit 13–15 Lebensmonaten. Gegen Ende des 2. Lebensjahres Verwendung der Gabel. In-Hand-Manipulation beginnend in der 2. Hälfte des 2. Lebensjahres, z. B. mehrere Murmeln auflesen. Inhalt-Behälter-Spiele und beginnendes Bauen in der 2. Hälfte des 2. Lebensjahrs.

Im dritten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit

1.2.3

25.–36. Monat Die Bevorzugung (Präferenz) einer Hand wird deutlicher. Beim Spiel und bei Tätigkeiten bilden sich eine führende (agierende) und eine haltende (assistierende) Hand heraus. Bausteine werden horizontal und vertikal aneinandergereiht bzw. gestapelt (Largo 2000). Das Kind ergreift 2–3 kleine Gegenstände (Murmeln), transportiert diese zur Handfläche und hält sie fest (Translation). Es ergreift nacheinander 2–3 Geldmünzen aus der Handfläche. Die einfache Rotation, wie das Öffnen und Schließen von Drehverschlüssen oder das Auf- und Zudrehen des Wasserhahns, wird gezielter und effektiver. Das Kind spielt in der Sandkiste und sammelt dabei taktile und propriozeptive Sinnesreize und verbindet diese mit Inhalt-Behälter-Spielen. Es verwendet die Handschaufel, um Behälter zu füllen. Es stürzt Sandspielgefäße, um „Kuchen zu backen“. Es füllt unterschiedliche Materialien in Gefäße und erfährt dabei viel über Menge, Größe und Gewicht und lernt räumliche Beziehungen kennen. Es reiht Autos aneinander (Spiel mit räumlichen Charakteristika, Largo 2000.) Das Kind lernt den Umgang mit der Kinderschere. Zu Beginn hält es die Schere mit 2 Händen und schneidet in bereitgehaltenes Papier. Das Kind zieht einfache Kleidungsstücke aus und beginnt damit, diese selbstständig anzuziehen. Das Kind öffnet einen Reißverschluss.

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1.2 Normalentwicklung

Im vierten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit

1.2.6

37.–48. Monat

61.–72. Monat

Die Leistungsfähigkeit und Bevorzugung einer Hand wird wiederum deutlicher. Das Kind fädelt Kugeln und Perlen auf eine Schnur. Es trägt ein Trinkglas mit beiden Händen und verschüttet dabei kaum Flüssigkeit. Es spielt und matscht gerne mit Sand und verwendet die Schaufel, füllt Behälter mit Inhalt. Es nimmt z. B. mehrere Murmeln auf und legt diese nacheinander auf die Kugelbahn (Translation). Es schneidet und schnipselt einhändig mit der Kinderschere. Dabei hält es das Papier mit der anderen Hand fest. Es schneidet entlang einer geraden Linie. Das Kind baut gerne mit Duplosteinen. Es verbindet horizontales mit vertikalem Bauen. Es öffnet große Knöpfe. Die Kraftdosierung beim Öffnen des Reißverschlusses wird verfeinert.

Das Kind verwendet geschickt unterschiedliche Werkzeuge wie Schere, Messer, Hammer und liebt einfache Bastelarbeiten wie Falten, Malen, Zeichnen, Bekleben (Zeichenentwicklung siehe Grafomotorik, Kap. Grafomotorik als Teilbereich der Textproduktion). Es kann seine Stifte spitzen und mit der Schere runde und eckige Formen ausschneiden. Es beginnt, einen einfachen Knoten zu binden. Mit Erreichen des 6. Geburtstags sollte es eine Schleife binden können. Das Kind öffnet und schließt kleine Knöpfe, zieht sich selbstständig an und aus. Bei diffizilen Reißverschlüssen benötigt es gelegentlich Hilfe. Das Kind spielt Regel- und Kartenspiele und putzt sich alleine die Zähne. Das Kind beginnt, mit Messer und Gabel zu essen. Es schneidet mit der präferierten Hand und verwendet die Gabel mit der assistierenden Hand. Viele Kinder halten die Gabel mit dem sogenannten Schlüsselgriff, das Messer mit dem Pressgriff. Der Pressgriff ermöglicht der Hand, mit dem Messer ausreichend Druck auf das Material zu bringen.

1.2.4

Im fünften Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit

1.2.5

49.–60. Monat Das Zusammenspiel der Hände, als Ausdruck der agierenden und assistierenden Hand, wird ausgeprägter. Der Ball wird mit den Händen gefangen. Das Kind schneidet mit der Schere einfache Formen aus. Das Kind verwendet das Messer des Kinderbestecks. Es hält mittels Pressgriff das Messer und schneidet Stücke von Knetmasse ab. Mit der anderen Hand hält es die Knetmasse fest. Es lernt, aus Knetmasse oder Teig eine Rolle zu formen oder mit beiden Händen eine Kugel zu kneten. Es faltet Papier. Die Kraftdosierung verfeinert sich dabei. Es hält den Stift und zeichnet einfache Formen nach. Das Kind zieht seine Kleidungsstücke an und öffnet und schließt Knöpfe, Häkchen- und Reißverschlüsse. Es zieht seine Schuhe aus und an und schließt die Klettverschlüsse. Das Kind verfeinert weiter die In-Hand-Manipulationen „Translation, Rotation und Shift“. Es putzt seine Zähne mit der Zahnbürste. Das Kind verwendet den Löffel mit sicherer Kraftdosierung und löffelt flüssige Nahrung wie Cremesuppen oder Joghurt. Es isst mit der Gabel.

Im sechsten Lebensjahr: Greifen, Spiel und Selbstständigkeit

1

Greifformen und In-HandManipulation

1.2.7

Greifformen Palmares Greifen Der Säugling ergreift Objekte vorwiegend mit den Fingern und ohne Beteiligung des Daumens. Der Gegenstand wird mit den Langfingern gegen die Handfläche gedrückt. Ab dem 6. Monat mit Handgelenkextension (▶ Abb. 1.5).

Abb. 1.5 Palmares Greifen. Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Scherengriff oder Schlüsselgriff

Zangengriff

Ein kleiner Gegenstand wird mit Daumen und Zeigefinger (radialseitig) ergriffen, 10. Monat (▶ Abb. 1.6).

Ein kleiner Gegenstand wird ca. ab dem 12. Monat mit Daumen und Zeigefinger ergriffen, dabei werden die MCP-, PIP- und DIP-Gelenke gebeugt (▶ Abb. 1.9).

Indexfinger Ab dem 10. Monat bohrt das Kind mit dem Zeigefinger in kleine Löcher oder befühlt Unebenheiten (▶ Abb. 1.7).

Pinzettengriff Ein kleiner Gegenstand wird mit Daumen und Zeigefinger ergriffen, ca. ab dem 11. Monat, dabei werden die Metakarpophalangealgelenke (MCP) gebeugt, die proximalen Interphalangealgelenke (PIP) und die distalen Interphalangealgelenke (DIP) eher gestreckt (▶ Abb. 1.8).

Abb. 1.6 Scherengriff: Der Daumen fixiert den Gegenstand mehr an der Außenkante des Zeigefingers (wie eine Schere).

Pressgriff Beim Pressgriff drücken der Daumen, Zeigefinger, Mittel-, Ring- und Kleinfinger den Gegenstand gegen die Handfläche (Halten von Messer, Zahnbürste, Hammer oder Pfannengriff; (▶ Abb. 1.10). Anmerkung: In der Literatur wird häufig nicht zwischen Pinzetten- und Zangengriff unterschieden oder es wird das Greifen mit Daumen und Zeigefinger als Spitzgriff beschrieben.

Abb. 1.7 Indexfinger.

Abb. 1.8 Pinzettengriff. Abb. 1.9 Zangengriff.

20

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1.2 Normalentwicklung

1

Abb. 1.10 Pressgriff: Schneiden mit dem Messer. (Foto: Andrea Oswald)

In-Hand-Manipulation Definition Die Manipulation von kleinen Objekten in der Hand wird als In-Hand-Manipulation bezeichnet.

Abb. 1.11 Shift: Gurke schälen. (Foto: Andrea Oswald)

Stiftes an der Ulnarseite der Hand zu liegen kommt, rotieren wir den Stift, damit die Spitze zwischen Zeigefinger und Daumen platziert werden kann (Rotation). Exner (1992) unterscheidet 3 Formen der InHand-Manipulation.

Translation Im Alltag verwenden wir unterschiedliche Formen der In-Hand-Manipulation. Wenn wir Münzen aus der Geldbörse herausnehmen, ergreifen wir einzelne Geldstücke nacheinander mit Zeigefinger und Daumen, transportieren diese zur Handfläche, fixieren sie mit dem Mittel-, Ring- und Kleinfinger (Translation) bis wir die Münzen an eine andere Person weitergeben oder, z. B. bei der Parkuhr, in einen Schlitz für Münzen einwerfen (Shift). Beim Schälen einer Gurke führt die assistierende Hand Bewegungen mit In-Hand-Manipulation aus (▶ Abb. 1.11). Die assistierende Hand dreht die Gurke, damit die agierende Hand mit dem Schäler die Gurkenschale entfernen kann. Wenn wir einen Stift zum Schreiben aufnehmen und die Spitze des

Zur Translation gehören lineare Bewegungen: ● lineare Bewegungen von der Handfläche zu den Fingerspitzen, beginnend mit ca. 15 Monaten, ● lineare Bewegungen von der Handfläche zu den Fingerspitzen, mit Stabilisation, mit mehreren kleinen Objekten (Glasmurmeln auf eine Kugelbahn auflegen oder Geldmünzen einzeln ausgeben), beginnend mit 24–30 Monaten (▶ Abb. 1.12), ● lineare Bewegungen von den Fingerspitzen zur Handfläche, mit und ohne Stabilisation, beginnend mit ca. 24–30 Monaten.

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Abb. 1.12 Translation. (Foto: Andrea Oswald) a Geldmünzen in die Hand aufnehmen. b Geldmünzen einzeln ausgeben.



haltung zu positionieren, beginnend mit 36 Monaten (▶ Abb. 1.13). Auch beim Kartenspiel verschiebt die agierende Hand einzelne Spielkarten, um die gewünschte Karte aus dem Kartenfächer herauszuziehen. Verschieben mit Stabilisation: beginnend mit 4–5 Jahren (z. B. Schnappverschluss öffnen).

Rotation

Abb. 1.13 Shift: Stoffqualität prüfen. (Foto: Andrea Oswald)

Shift Der Shift bezeichnet das Verschieben von Objekten in der Hand: ● Verschieben eines Objekts zwischen den Fingern, längs der Fingerspitzen oder quer der Fingerspitzen. Zum Beispiel die Stoffqualität prüfen, nachgreifen am Stift, um diesen in die richtige Stift-

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Bei der Rotation wird ein Objekt mit isolierten, unabhängigen Fingerbewegungen um 180° oder 360° in einer Hand rotiert: ● einfache Rotation: Schraubverschluss auf- und zudrehen, beginnend mit 24 Monaten (▶ Abb. 1.14); ● einfache Rotation mit Stabilisation: z. B. ein Puzzleteil mit dem 3., 4., 5. Finger in der Handfläche fixieren und gleichzeitig ein 2. Teil mittels Zangengriff zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her drehen (rotieren; ▶ Abb. 1.15). ● komplexe Rotation: ein Objekt (Stift, Bausteine) in einer Hand drehen, z. B. den Bleistift um 180° rotieren, um mit dem Radiergummiende zu radieren, beginnend mit 36–48 Monaten.

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1.3 Grundlagen der Handgeschicklichkeit

Fazit

1

Im 1.2 Normalentwicklung wurden die Meilensteine der handmotorischen Entwicklung unter Berücksichtigung der Greifentwicklung, des Spiels und der Selbstständigkeit dargestellt. Die kindliche Entwicklung folgt einem bestimmten vorgegebenen Verlauf. Wie das Kind jedoch diese Fähigkeiten und Fertigkeiten erwirbt, ist individuell. Die kindliche Entwicklung ist abhängig vom Kind und seiner Biografie, von der Familie, in der das Kind aufwächst, und von seiner Umwelt.

Grundlagen der Handgeschicklichkeit

1.3

Abb. 1.14 Schraubverschluss öffnen, einfache Rotation. (Foto: Andrea Oswald)

Neurologische Grundlagen der Handfunktion

1.3.1







Von großer Wichtigkeit für Handgeschicklichkeit und manuelle Fertigkeiten ist die Vernetzung von Gehirnarealen, die für die Bewegungen der Unterarme und Hände zuständig sind. Die motorische Entwicklung der oberen Extremitäten einschließlich der Hände verläuft von proximal nach distal. Die Kontrolle der distalen Bewegungen, der Hand- und Fingerbewegungen, ist nicht direkt mit der Kontrolle von proximalen Bewegungen (Kopf, Rumpf und Arm/Schulter) verbunden. Die motorische Antwort der Reizverarbeitung läuft über unterschiedliche absteigende Bahnen.

Kontrolle von proximalen Bewegungen (Kopf, Rumpf)

Abb. 1.15 Puzzleteil einfügen, einfache Rotation. (Foto: Astrid Fridrich)

Die posturale Kontrolle (Kopf- und Rumpfkontrolle) wird über die medialen, absteigenden Bahnen geleitet. Diese ziehen durch den ventromedialen Hirnstamm mit Interneuronen für die Kopf-, Rumpf- und die Schultermuskulatur (proximale Muskulatur).

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Kontrolle von distalen Bewegungen (Unterarm, Hand und Finger) Die Bewegungskontrolle für Handfertigkeiten umfasst 3 unterschiedliche, jedoch gut vernetzte Gehirnregionen: ● primärer Motorkortex (primäre motorische Rinde), ● primärer somatosensibler Kortex, ● parietaler Kortex: Areale um den Sulcus intraparietalis, direkt hinter dem Gyrus postcentralis (Hand- und Mundareal) und den prämotorischen Kortexarealen. Die motorischen Befehle werden über laterale, absteigende Bahnen zur distalen Arm-, Hand- und Fingermuskulatur geleitet (Henderson u. Pehoski 2005). Die genannten Regionen der Großhirnrinde sind für folgende Funktionen verantwortlich: ● somatosensorische Wahrnehmungsverarbeitung (taktile und propriozeptive Reize) der Hände und Finger, ● unabhängige Fingerbewegungen, ● handmotorische Aktivitäten, wie die Handhabung von Objekten und Gestenimitation.

Entwicklungsstörung motorischer Funktionen

Im ICD-10 werden die Hauptmerkmale der UEMF beschrieben: „Hauptmerkmal ist eine schwerwiegende Entwicklungsbeeinträchtigung der motorischen Koordination, die nicht allein durch eine Intelligenzminderung oder eine spezifische angeborene oder erworbene neurologische Störung erklärbar ist. In den meisten Fällen zeigt eine sorgfältige klinische Untersuchung dennoch deutliche entwicklungsneurologische Unreifezeichen, wie choreiforme Bewegungen freigehaltener Glieder oder Spiegelbewegungen und andere begleitende motorische Merkmale, ebenso wie Zeichen einer mangelhaften fein- oder grobmotorischen Koordination.“ (ICD-10)

Untersuchung auf UEMF, inklusive Entwicklungsbedingte Koordinationsstörung, Entwicklungsdyspraxie, Syndrom des ungeschickten Kindes.

Untersuchung auf UEMF, exklusive Koordinationsstörungen infolge einer Intelligenzminderung. (ICD-10)

1.3.2

Diagnose nicht vor dem Alter von 5 Jahren

Probleme der Handgeschicklichkeit werden in der ICD-10 (10. Fassung der International statistical Classification of Diseases and related Health Problems) als umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (UEMF) als F 82 klassifiziert.

Eine umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen wird im Laufe des Kleinkindalters auffällig, soll jedoch typischerweise nicht vor dem Alter von 5 Jahren diagnostiziert werden. Wenn ein Kind zwischen 3 und 5 Jahren motorische Auffälligkeiten bei angemessenen Lernmöglichkeiten zeigt, soll die Diagnose UEMF auf Grundlage der Ergebnisse von zumindest 2 Untersuchungen in ausreichend langen Intervallen (mindestens 3 Monate) erfolgen. (AWMF Leitlinie) Bei der Therapieentscheidung (Therapieindikation) sollen persönliche Faktoren (z. B. Leidensdruck), Umgebungsfaktoren, der Schweregrad der Störung sowie die Teilhabe (Partizipation) berücksichtigt werden.

Definition UEMF = umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (F 82 der ICD-10).

In der englischsprachigen Literatur wird diese Entwicklungsstörung als Developmental Coordination Disorder – DCD nach dem Diagnoseschema DSMIV bezeichnet (DSM = Diagnostic and statistical Manual of Mental Disorders).

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Hauptmerkmal der UEMF

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1.4 Grundlagen der Ergotherapie

Grundlagen der Ergotherapie

Ungeschicklichkeit als Ausdruck von UEMF

1.4

Kinder mit einer umschriebenen Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen haben bei ihren fein- und grobmotorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten Probleme. Sie sind im Alltag im Vergleich mit anderen Gleichaltrigen ungeschickt. Meist bemerken die Kindergartenpädagogin und die Eltern, dass das Kind sich bei handmotorischen oder sportlichen Aktivitäten ungeschickter verhält. Besonders Bastelarbeiten gelingen diesen Kindern nicht gut. Aber auch in den Bewegungsstunden sind sie tollpatschig, ängstlich oder waghalsig. An den Spielplatzgeräten verhalten sie sich zurückhaltend oder wild und ungestüm. Ähnliche Verhaltensweisen zeigen diese Kinder in der Sandkiste. Viele meiden diese und versuchen, möglichst wenig mit Sand in Kontakt zu kommen. Die anderen hingegen können gar nicht genug im Sand wühlen und matschen. Gemeinsam ist diesen Kindern, dass der Erfolg und die Ergebnisse ihrer Betätigung nicht befriedigend sind. Es stellt sich die Frage, wie sich die Kinder selbst erleben? Ob sie sich bei Betätigungen als „selbstwirksam“ erleben? Die Einschätzung durch die Umwelt ist meist offensichtlicher, weil im direkten Vergleich mit anderen Gleichaltrigen die Schwierigkeiten des Kindes erkennbar sind.

Erfahrungen haben gezeigt, dass die Therapiemethode auf eine breite Basis gestellt werden sollte. Dabei können traditionelle Therapieansätze mit sogenannten neuen Therapiemethoden ergänzt werden. Es erscheint sinnvoll, einen betätigungsorientierten Therapieansatz zu wählen, den die Therapeutin gemäß den Möglichkeiten des Kindes graduiert. Dabei wird das Kind mit seinen Eltern eng in den Therapieprozess eingebunden. Die Problemidentifikation wird durch das Kind mit seinen Eltern vorgenommen. Die Therapeutin führt und unterstützt sie dabei, um ergotherapiespezifische Probleme zu identifizieren. Nicht außer Acht zu lassen sind die Anforderungen der Umwelt an das Kind. Sich selbstständig ankleiden, Schneidearbeiten, Umgang mit einem Schreibgerät zählen zu den Voraussetzungen, um dem Schulalltag gerecht zu werden. Die Therapeutin erstellt eine umfassende Diagnostik und bietet eine zielorientierte Therapie an.

Therapiemethoden dem Entwicklungsstand der Kinder anpassen Nachdem Ergotherapeuten, Ärzte und Kindergartenpädagogen bemüht sind, Kinder mit Entwicklungsstörungen möglichst in der frühen Kindheit zu erkennen und zu behandeln, müssen die Therapiemethoden dem Entwicklungsstand der Kinder und ihren Interessen angepasst werden. Viele Kinder, die vom Kinderarzt oder Neuropädiater zugewiesen werden, sind im Alter von 4–6 Jahren. Bei anderen Kindern wird die Problematik erst im Schulalter erfasst. Die Auswirkungen der motorischen Koordinationsstörung auf die Betätigung entscheiden über die Zuweisung zur Therapie. Häufig werden Kinder mit 6, 7 oder 8 Jahren der Ergotherapie zugewiesen, weil die Schule (Umwelt) spezielle Anforderungen an die motorische Geschicklichkeit eines Kindes stellt. Der Therapieansatz gestaltet sich bei Schulkindern etwas anders als bei Kindergartenkindern.

1.4.1

1.4.2

1

Therapieansätze breit anlegen

Therapieziele

Die Ergotherapie orientiert sich in der Zielsetzung an der ICF (= Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit; ▶ Abb. 1.16). Therapieziele ergeben sich aufgrund von Schwierigkeiten, die das Kind bei Aktivitäten hat. Diese Probleme beeinflussen seine Teilhabe/Partizipation im Alltag. Der Alltag aus dem Blickwinkel der Ergotherapie beinhaltet die Teilbereiche ● Kindergarten/Schule, ● Selbstversorgung (d. h. Selbstständigkeit beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken usw.), ● die Bereiche Freizeit und Erholung.

Beispiel Die Interaktion der Komponenten der ICF wird beispielhaft gezeigt.

Körperfunktionen Ein Gesundheitsproblem oder eine Gesundheitsstörung entstehen durch Schwierigkeiten in den Körperfunktionen, z. B. bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von Sinnesreizen, bei der motori-

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Gesundheitsprobleme (Gesundheitsstörung oder Krankheit)

Körperfunktionen und -strukturen

Partizipation (Teilhabe)

Aktivitäten

Umweltfaktoren

personbezogene Faktoren

Abb. 1.16 Grafische Darstellung der ICF-Domänen (WHO).

schen Planung und/oder der motorischen Ausführung. Körperfunktionen bilden die Voraussetzung, dass sich Aktivitäten oder Betätigung entwickeln können, z. B. Schneiden mit der Schere. Dies kann die Partizipation beeinflussen.

finiert, die Behandlung geplant und durchgeführt. Nach Beendigung eines Therapieblocks wird die Therapie evaluiert. Schwierigkeiten im Bereich der Handgeschicklichkeit werden im folgenden Abschnitt anhand des ergotherapeutischen Prozesses dargestellt.

Partizipation/Teilhabe Im Kindergarten ist das Kind immer das Langsamste bei Schneidearbeiten. Ob dies Auswirkung auf die persönlichen Faktoren des Kindes hat, ist individuell verschieden. Das eine Kind wird diese Situation als belastend wahrnehmen, ein anderes Kind nicht. Die Umweltfaktoren können die persönlichen Faktoren beeinflussen.

Umweltfaktoren Die Kindergartenpädagogin legt großen Wert auf einen geschickten Gebrauch der Schere, weil dies z. B. zu ihren pädagogischen Förderzielen zählt, um das Kind für alltägliche Anforderungen vorzubereiten. Oder die Eltern des Kindes möchten, dass ihr Kind mit der Schere genauso gut Figuren ausschneidet wie sein Spielkamerad. Außerdem sorgen sich die Eltern vielleicht, ob ihr Kind den Anforderungen des bevorstehenden Schulbeginns gerecht werden kann.

1.5

Ergotherapeutischer Prozess

Wenn ein Kind der Ergotherapie zugewiesen wird, beginnt der ergotherapeutische Prozess mit der Diagnostik. Ergotherapiespezifische Schwierigkeiten werden erfasst. Anschließend werden Ziele de-

26

Ergotherapeutische Diagnostik

1.5.1

Bei der Vorstellung des Kindes, zugewiesen vom Kinderarzt, erfasst die Therapeutin die Ausgangssituation mit Fokus auf jene Bereiche, die für die Ergotherapie relevant sind.

Problemerhebung Die Ergotherapeutin lässt sich die Schwierigkeiten des Kindes im Alltag und die Erwartungen an die Ergotherapie schildern.

Beobachtung Auf Basis der Problemerhebung beginnt die Therapeutin mit der Beobachtung des Kindes beim Spiel oder bei handmotorischen Tätigkeiten, wie Faltoder Ausschneidearbeiten, Bänder binden, Anund Auskleiden und Ähnlichem. Die Therapeutin erfasst Defizite (Einschränkungen, Schwächen) und Ressourcen (Stärken) in Bezug auf die Aktivität und Partizipation (Teilhabe) des Kindes. Zusätzlich schätzt sie die Fähigkeiten des Kindes hinsichtlich der Wahrnehmung, Motorik, Kognition und der emotionalen Beteiligung ein.

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1.5 Ergotherapeutischer Prozess

1

Wahrnehmung Ziele des Kindes und der Eltern

Motorik Therapeutin fasst die Komponenten zusammen. Kognition

Anforderungen durch die Umwelt Emotion

Abb. 1.17 Zusammenführen der Komponenten.

Anamnese

Weiteres Vorgehen

Eine gezielte Anamneseerhebung bezüglich der motorischen Entwicklung, der Wahrnehmungsverarbeitung, der sozial-emotionalen Entwicklung sowie der Umweltbedingungen, in denen das Kind lebt, unterstützt die Therapeutin bei der Einschätzung der Schwächen und Stärken des Kindes und seiner Familie.

Die Ergotherapeutin fasst die unterschiedlichen Ergebnisse der Diagnostik zusammen und erläutert dem Kind und den Eltern den Zusammenhang der Betätigungsprobleme mit den Ergebnissen der standardisierten Tests und der Beobachtung. Sie beurteilt, ob Ergotherapie die geeignete Therapieform ist. Es gibt wichtige Komponenten, die es bei der Diagnostik und der Behandlung zu berücksichtigen gilt: ● Wahrnehmung, ● Motorik, ● Kognition, ● Emotion, ● Ziele des Klienten (bei Kindertherapie umfassen diese das Kind mit seinen Eltern/Bezugspersonen), ● Anforderungen durch die Umwelt (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren).

Anwendung von standardisierten Tests Um ihre Ersteinschätzung zu verifizieren, verwendet die Therapeutin standardisierte und normierte Messinstrumente. Damit werden die Leistungen des Kindes mit altersentsprechenden Normen verglichen. Bei Kindern mit Schwierigkeiten in der Handmotorik eignet sich die Movement-ABC-2 (Petermann 2008), um die motorischen Fähigkeiten zu bewerten. Für eine standardisierte Einschätzung der sensorischen Qualitäten (Wahrnehmungsverarbeitung der körpernahen Sinne) und der motorischen Planung (Praxie) zu erhalten, eignen sich Teile des Sensory-Integration-and-PraxisTests nach J. Ayres (Ayres 1991), immer unter der Voraussetzung, dass das Kind und seine Eltern mit der Anwendung von Messinstrumenten einverstanden sind und das Kind mitarbeitet. Durch eine standardisierte Bewertung von altersentsprechenden Fähigkeiten wird eine subjektive Beurteilung, sei es von den Eltern, der Kindergartenpädagogin, des Arztes oder der Therapeutin ergänzt.

Die Therapeutin führt diese Komponenten zusammen (▶ Abb. 1.17).

Planung und Durchführung der Therapie

1.5.2

Therapieziele und Therapiemethode Nach Zusammenfassung aller Befundergebnisse und der Problemidentifikation durch Kind und Eltern formuliert die Therapeutin, gemeinsam mit dem Kind und seinen Eltern, Therapieziele. Die Ziele werden betätigungsorientiert formuliert. Die Ergotherapeutin unterstützt Kind und Eltern aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz in der Frage, ob

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion die festgelegten Ziele realistisch sind. Das heißt, ob und wie diese Ziele erreicht werden können. Sie schlägt den Eltern die Therapiemethode, die sie anwenden wird, vor. Dabei berücksichtigt sie die individuellen Wünsche des Kindes und seiner Eltern. Die Ergotherapeutin muss die Normalentwicklung eines Kindes kennen (1.2). Die Therapie darf sich jedoch nicht ausschließlich an der hierarchischen Bewegungsentwicklung von proximal nach distal orientieren. Mit dem Wissen, dass proximale und distale Bewegungen unterschiedlich gesteuert werden, ist es selbst dann sinnvoll, an der Handfunktion zu arbeiten, wenn die Kopf- und Rumpfkontrolle noch nicht optimal sind.









Die neuronalen Impulse werden ins ZNS weitergeleitet. Dekodieren und Integrieren: Auf diese Weise entsteht ein inneres Bild der äußeren Welt. Dank immer neu entstehender neuronaler Verbindungen entwickelt das ZNS ein kognitives und neuromuskuläres Gedächtnis. Motorische Planung: Der Bewegungsablauf wird vorbereitet. Ausführung der Bewegung: Weiterleiten der zentralen Impulse zur Peripherie zum Motoneuron, zur Muskulatur. Die Tätigkeit wird ausgeführt.

Aktivität Beispiel Ein 5-jähriges Kind hat Schwierigkeiten in der Feinmotorik. Es kann beim Anziehen die Knöpfe nicht gut schließen und sich seine Socken nicht alleine anziehen. Bei Bastelarbeiten verwendet es die Schere ungelenk und kann nicht entlang einer Linie schneiden. Gemäß der gemeinsamen Zieldefinition, wie z. B. einen Stern aus Buntpapier auszuschneiden, um eine Laterne für das Martinsfest zu basteln, werden wir in der Ergotherapie an der Fertigkeit „Schneiden mit der Schere“ und anderen Fähigkeiten der Hände arbeiten. Obwohl das Kind mit Rundrücken sitzt, wird der Therapieschwerpunkt nicht bei einer besseren Rumpfaufrichtung im Sitz liegen.

Therapieziel: Ausschneiden Die Zieldefinition im oben genannten Beispiel ist das Ausschneiden eines Sternes aus Buntpapier mit der Schere.

Körperfunktionen und Körperstrukturen Diese lassen sich wie folgt charakterisieren: ● Visuelle, taktile und propriozeptive Wahrnehmung: Sehen, Spüren und Bewegen werden koordiniert. ● Dies erfolgt durch die Aufnahme und Umwandlung von physikalischen Reizen in neuronale Impulse.

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Das Kind schneidet mit der Schere eine Figur (z. B. Stern) aus Papier aus.

Partizipation Das Kind arbeitet im Kindergarten bei Bastel- und Schneidetätigkeiten motiviert und interessiert mit.

Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren Die Ergotherapeutin bezieht die Umwelt mit ein. Durch den Austausch und die Beratung mit der Kindergartenpädagogin unterstützt sie eine Anpassung der Umwelt an den Klienten. Durch die enge Einbindung der Eltern in den Therapieprozess wird die Anpassung der Umwelt weiter beeinflusst. Die personbezogenen Faktoren werden durch die direkte Intervention verändert. In der erfolgreichen Aktivität erlebt sich das Kind selbstwirksam. Die Veränderung der personbezogenen Faktoren erfolgt unter anderem durch die erlebte Selbstwirksamkeit und die sprachlich-kognitive Reflexion der Tätigkeit.

Evaluation und Dokumentation

1.5.3

Während der Intervention (z. B. 15 Therapieeinheiten) werden die Veränderungen des Kindes und der Umwelt reflektiert und bewertet (Verlaufsevaluation). Bei Beendigung der gesamten Therapieeinheiten bewerten das Kind und seine Eltern, ob die betätigungsorientierten Ziele erreicht wurden. Test-

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1.6 Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre ergebnisse, die eine Therapieindikation zeigten, werden nochmals überprüft. Die Therapeutin fasst die Ergebnisse zusammen, interpretiert diese und teilt sie dem Kind und seinen Eltern mit. Zusätzlich informiert sie den zuweisenden Arzt über die Therapieergebnisse. Das weitere Vorgehen wird gemeinsam geplant: Fortführen der Ergotherapie, Therapiepause, Therapieende.

Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre

1.6

Ergotherapie: 1. Therapieblock

1.6.1

Ein kleiner Junge besucht das letzte Kindergartenjahr und wird im Herbst in die erste Klasse Volksschule eingeschult. Er wurde mit 4 9/12 Jahren vom Neuropädiater zur Ergotherapie zugewiesen. Die Kindergartenpädagogin machte die Eltern darauf aufmerksam, dass sich der Junge wenig am Spiel mit gleichaltrigen Kindern beteiligte. Er suchte eher den Kontakt zu Erwachsenen, mit denen er gerne plauderte. Die Ergotherapie wird in Therapieblöcken angeboten, bei Einzeltherapie sind dies 2 Therapieblöcke zu je 15 Therapieeinheiten, dazwischen ein halbes Jahr Pause. Die Ergotherapie findet einmal wöchentlich statt und wird als Einzeltherapie im Beisein der Mutter oder des Vaters oder beider Elternteile durchgeführt.

geeignet für ein Kind mit motorischer Ungeschicklichkeit beurteilt wurde. Bei einer therapeutisch geführten Klettergruppe werden die motorische Koordination der unteren Extremitäten, der oberen Extremitäten einschließlich der Hände und aller 4 Extremitäten zusammen gefördert. Es konnte nachgewiesen werden, dass therapeutisches Klettern die Grafomotorik bei Kindern verbessert (Fridrich 2009). Außerdem erwirbt das Kind soziale Kompetenzen.

1

Ergotherapie: 2. Therapieblock

1.6.2

Der Junge war 5 9/12 Jahre alt, zwischenzeitlich war eine Vorstellung beim Neuropädiater erfolgt mit der neuerlichen Zuweisung zur Ergotherapie.

Problemerhebung Der Junge mochte die Bastelarbeiten im Kindergarten nach wie vor nicht. Lieber arbeitete er mit den Vorschulblättern (schulvorbereitende Übungen für grafomotorische Fertigkeiten und Übungen für die visuell-räumliche Wahrnehmung). Laut der Mutter benötigte er beim Essen viel Unterstützung. Er aß sehr langsam und kleckerte.

Beobachtungsbefundung Schneiden mit der Schere: Ausschneiden eines sogenannten Hubschraubers (▶ Abb. 1.18) mit einfachen Faltschritten (▶ Abb. 1.19a, b). Die Rich-

Balancieren und alternierendes Treppensteigen Der Therapieschwerpunkt des ersten Blocks Ergotherapie lag darin, Balancieren und alternierendes Treppensteigen zu verbessern. Bei Tätigkeiten am Tisch wurde an der aufrechten Sitzhaltung und der freien Kopfbeweglichkeit gearbeitet. Der Bereich Balance wurde am Ende der ersten 15 Therapieeinheiten mit dem Movement-ABC-2 überprüft. Dieser verbesserte sich und lag damals am unteren Rand des Normbereichs.

Therapeutisches Klettern Den Eltern wurde empfohlen, während der Therapiepause ein Gruppenangebot zu nützen. Wir wählten eine Kleingruppe für therapeutisches Klettern, da dieses in der Stadt angeboten wurde und aufgrund der Referenzen anderer Eltern als

Abb. 1.18 Ausschneiden eines Hubschraubers. (Foto: Andrea Oswald)

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Abb. 1.19 Faltschritte. (Foto: Andrea Oswald) a Papier falten. b Faltkante glatt streichen.

Durchführen der klinischen Beobachtung nach Jean Ayres Die klinische Beobachtung nach Jean Ayres mit Videodokumentation ergab folgende Befunde: ● Der Junge hatte Schwierigkeiten bei der Daumen-Finger-Opposition in Sequenz, sowohl beim Richtungswechsel als auch beim Einhalten der Reihenfolge. ● Diadochokinese: Pronation und Supination im Wechsel erfolgten unharmonisch und wurden durch Armbewegungen, Innen- und Außenrotation des Armes, ersetzt.

Abb. 1.20 Treppensteigen mit 2 Faltflugzeugen. (Foto: Andrea Oswald)

Deshalb entschloss sich die Ergotherapeutin dazu, mit Teilen des Sensory-Integration-and-PraxisTests (Ayres 1991) die taktile und propriozeptive Wahrnehmung sowie die Praxie zu überprüfen.

Tests tungsänderungen mit der Schere waren möglich. Das Schneiden war jedoch ungenau und mit vielen kleinen Zacken. Der Hubschrauber wurde im Treppenhaus fliegen gelassen, um das alternierende Treppensteigen (hinauf und hinunter) zu beurteilen. Der Junge stieg die Treppe alternierend hinauf, ohne sich am Geländer festzuhalten. In jeder Hand hielt er ein Faltflugzeug (▶ Abb. 1.20). Treppab hielt er sich am Handlauf fest.

30

Movement-ABC-2 Der Bereich Balance lag im Normbereich. Die Handgeschicklichkeit lag mit Prozentrang 5 im therapiebedürftigen Bereich. Auch der Teilbereich Ballfertigkeiten war mit Prozentrang 5 therapiebedürftig.

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1.6 Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre

1

Aufgabe

Üben der Fertigkeit

Üben von Fähigkeiten

Elternarbeit

Graduierung leicht – schwer

Graduierung leicht – schwer

Übungsaufgaben für Zuhause

unterschiedliche Wahrnehmungsangebote

unterschiedliche Wahrnehmungsangebote

Austausch und Beratung mit Pädagogen

Abb. 1.21 Therapiemethode ASTT®.

Sensory-Integration-and-Praxis-Test

Planung

Taktile Items wie die Fingeridentifikation, Lokalisation von taktilen Stimuli, Graphästhesie und die posturale Praxie lagen bei dem Jungen im therapiebedürftigen Bereich.

Als Therapieangebot wurde eine betätigungsorientierte Ergotherapie gewählt.

Ergebnisvermittlung und Therapiemethode Nach Zusammenfassung aller Ergebnisse teilte die Therapeutin diese dem kleinen Jungen und seinen Eltern mit. Sie erklärte den Zusammenhang der Testergebnisse mit den Problemen bei Bastelarbeiten und mit dem Gebrauch von Löffel, Gabel und Messer. Als Therapiesetting wurden 15 Einheiten Einzeltherapie im Beisein von Mutter oder Vater festgelegt.

Merke Bei jüngeren Kindern im Vorschulbereich bewährt es sich, dass während der Therapie eine Bezugsperson anwesend ist.

So kann in der Stunde besprochen werden, welche Angebote bis zur nächsten Therapiestunde geübt werden. Die Eltern erleben, wie Therapieinhalte vermittelt werden, können Teile übernehmen und für ihren persönlichen Alltag variieren.

Therapieziele Zu den Therapiezielen gehörten: ● das Falten eines „Himmel-und-Hölle“-Spiels, ● das Essen einer pürierten Suppe mit dem Löffel, dabei wenig kleckern, ● das Zerschneiden des Frühstücksbrots mit dem Messer in 2 Teile.

Therapiemethode Die Therapiemethode ASTT®1 umfasste (▶ Abb. 1.21): ● das Üben der Tätigkeit/Fertigkeit, ● das Üben von ähnlichen handmotorischen Fähigkeiten, ● die Graduierung des Schwierigkeitsgrades der Fertigkeit und der Fähigkeit (von einfach zu schwierig oder umgekehrt), ● unterschiedliche taktile und propriozeptive Wahrnehmungsangebote, ● das Therapiesetting: Einzeltherapie im Beisein der Mutter oder des Vaters während der Therapiestunde, ● klar definierte Übungsaufgaben für zu Hause, ● Austausch und Beratung mit der Kindergartenpädagogin.

1

Ability, Skill and Task Training (ASTT 2012 Oswald, Fridrich)

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Therapiebeispiele Es werden exemplarisch 3 Therapiestunden herausgegriffen mit dem direkten Bezug zu den genannten Therapiezielen.

1. Therapieangebot: Falten eines „Himmel-und-Hölle“-Spiels Die Therapeutin sitzt gemeinsam mit dem Kind am Tisch. Sie sitzen nebeneinander, damit das Kind die von der Therapeutin vorgezeigten Faltschritte beobachten kann und es diese Tätigkeit selbst durchführt. Die Therapeutin zeigt, wie unterschiedlich sie ihre Hände und Finger benutzt, um den Bug zu falten: mit dem Zeigefingerballen, dem Daumenballen und/oder mit 4 Fingern (Fingerkuppen) gleichzeitig. Das Kind wird aufgefordert, auch unterschiedliche Fingerstellungen auszuprobieren. Die Therapeutin achtet darauf, dass das Kind trotzdem genügend Freiraum für seine individuelle Durchführung hat. Durch das Streichen mit Druck werden taktile und propriozeptive Informationen verarbeitet. Das Feedback erfolgt durch das Ergebnis. Bei Faltarbeiten sind beide Hände gleichzeitig tätig, agierende und assistierende Hand wechseln häufig. Anschließend werden die Fingerkuppen mit Aquimalfarben bemalt. Fingerabdrücke werden auf der Innenseite des „Himmel“ und der „Hölle“ platziert. In derselben Therapiestunde können mit Fingerfarben Handabdrücke auf ein großes Blatt Papier gedruckt werden. Günstig erweist es sich, dabei die Tischfläche schräg zu stellen, weil dadurch die Hand- und Armbewegungen verändert werden. Zum Abschluss wird das große Blatt Papier zusammengefaltet und nach Hause mitgegeben.

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Hausaufgaben und Feedback Übungen oder Anregung für zu Hause: das Falten des „Himmel-und-Hölle“-Spiels wiederholen, Papierhubschrauber ausschneiden und falten, Trinkbecher falten. Der Mutter werden die benötigten Vorlagen und Faltanweisungen mitgegeben. In der nächsten Therapiestunde darf das Kind zeigen, wie es die Hausübung durchgeführt hat und leitet dabei z. B. die Therapeutin an.

2. Therapieangebot: Essen mit dem Löffel, Umgang mit Löffel, Gabel und Messer Der Vater bringt einen Joghurt zur Therapie mit. Wir essen gemeinsam den Joghurt, die Therapeutin unterstützt und korrigiert die Hand des Kindes bei der Löffelführung, wenn es notwendig ist. Die Therapeutin erklärt und zeigt dem Jungen, wie er den Löffel genau halten soll, auch worauf er beim Joghurtessen achten muss: „Den Joghurtbecher eher nahe am Körper halten, nicht zu viel auf den Löffel laden, den Löffel zügig zum Mund führen“. Bei häufigem Misslingen kann sie nochmals fragend intervenieren: „Wie musst du den Joghurtbecher halten, damit du nicht kleckerst? Wie kannst du den Löffel halten, damit das Joghurtessen gut gelingt?“ Danach wird in dieser Stunde mit Play Doh (Spielknete) gearbeitet, eine lange Rolle aus Knete wird geformt. Anschließend schneiden wir Teile mit einem Messer des Kinderbestecks ab. Mit dem Löffel füllen wir die Kneteteile in einen Eimer und transportieren diesen zur „Betonmischmaschine“ (Stehleiter mit befestigtem Rohr aus Pappe). Der Junge sitzt im Reitsitz auf der Stehleiter und zieht mit dem sogenannten Flaschenzug den Eimer hoch. Er füllt mit dem Löffel (oder einer Gabel) die Knetestücke in das Rohr. Wieder am Boden zurück, „betonieren“ wir die Straße, indem wir die Knete flach drücken (▶ Abb. 1.22a, b). Es werden gemeinsam bestimmte Übungen mit Therapiekitt durchgeführt, bei welchen unterschiedliche Hand- und Fingerbewegungen geübt werden. Die Therapeutin gibt dem Vater das Übungsblatt und eine kleine Dose „Therapiekitt extra soft“ mit.

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1.6 Fallbeispiel kleiner Junge, 6 Jahre

1

Abb. 1.22 Spielknete. (Foto: Andrea Oswald) a Umgang mit der Gabel, Werkzeuggebrauch. b Gezielte, dosierte Fingerbewegungen.

Hausaufgaben und Feedback

3. Therapieangebot: Schneiden mit dem Messer

Übungen zu Hause: Es werden 5-mal in der Woche die Übungen mit dem Therapiekitt durchgeführt (viele Eltern und Kinder bevorzugen für einen begrenzten Zeitraum ein klar strukturiertes Übungsangebot). In der nächsten Therapiestunde fragt die Therapeutin, wie Kind und Eltern zurechtgekommen sind. Sie lässt das Kind die Übungen zeigen, um eventuelle Verbesserungsvorschläge zur Durchführung zu geben. Die Therapeutin achtet darauf, dass die Hand- und Fingerübungen vorwiegend durch die Unterarm-, Handund Fingermuskulatur erfolgen. Die Durchführung der Übungen wird für die nächsten Wochen vereinbart. Es hat sich als günstig erwiesen, die Übungen 4–6 Wochen lang anzubieten. Meist muss zwischenzeitlich pausiert werden, weil es 5-jährigen Kindern schnell langweilig werden kann. Die Übungen benötigen ungefähr 10–15 min.

Aus einem Apfel, einer Banane und einer Orange wird ein Obstsalat zubereitet. Die Therapeutin schält den Apfel und die Orange und schneidet beide in 2 Hälften. Der Junge bekommt ein kleines Obstmesser mit Wellenschliff. Dieses soll gut schneiden, weil mit einem schlecht schneidenden Messer das Obst nur zerdrückt wird und der Erfolg geringer ist. Schneiden mit dem Messer erfolgt durch eine „Sägebewegung“. Die Banane kann der Junge selbst schälen. Die Therapeutin sitzt neben ihm beim Tisch. Er schneidet das Obst klein. Eventuell gibt die Therapeutin eine Handführung beim Schneiden. Sie korrigiert die Handhaltung, wenn das Schneiden nicht gut gelingt. Kurzes Führen vermittelt seiner Hand Spürinformationen über Zug und Druck (Zersägen) beim Schneiden. Es ermöglicht auch kleine Korrekturen beim Pressgriff, um mit dem Messer optimalen Druck auf das Obst zu übertragen.

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Handgeschicklichkeit und Handfunktion

Merke Das Führen sollte kurz gehalten werden, weil der Junge sonst weniger eigenständig arbeitet. Aktive Bewegungen werden am besten im neuromuskulären Gedächtnis gespeichert.

Obst in eine Schüssel geben und mit Löffel und Gabel vermengen; eine Zitrone teilen, mit einer Presse den Saft auspressen und über den Obstsalat gießen, nochmals durchmischen. Teilweise essen die Anwesenden den Obstsalat gemeinsam (mit dem Löffel essen üben), aber meist gibt die Therapeutin den Obstsalat mit nach Hause, um in dieser Therapiestunde weiter das Schneiden und andere handmotorische Tätigkeiten üben zu können. Knete wird zu Rollen geformt, die in Teile zerschnitten werden. Die Teile werden mit den Händen in eine Knetepresse oder Knoblauchpresse gefüllt und durchgepresst. Daraus werden „Plätzchen“ (Kekse) mit den Fingern geformt.

Hausaufgaben Übungen für zu Hause: vorbereitete Orangen halbieren, Orangensaft auspressen, wenn möglich mit der elektrischen Handpresse. Oder kleine Obstspieße aus Bananenscheiben und Mandarinen- und Apfelstückchen herstellen.

Therapieangebote Die aufgeführten Therapiebeispiele zeigen, wie das Kind mit der Therapeutin an unterschiedlichen Therapiezielen arbeitet. Ähnliche Stunden werden mit Variationen wiederholt. Es scheint sinnvoll zu sein, an unterschiedlichen Handaktivitäten zu arbeiten Die Therapeutin gestaltet z. B. eine Therapiestunde zum Thema „Reißen – Schneiden – Kleben“. Auch eine Stunde zum Thema Handhabung eines Steines ist empfehlenswert: Mit dem Stein werden Walnüsse aufgeschlagen und die Frucht wird mit den Fingern herausgelöst. Nach wie vor eignet sich der Pertra-Spielsatz (Holz-Hoerz 1973) mit unterschiedlichen Übungen und Spielangeboten für die Handmotorik.

34

Therapiemethode und Therapiesetting

1.7

Die Therapieangebote beinhalten unterschiedliche Aspekte: ● aufgabenbezogenes Üben von Fertigkeiten, ● Üben von Fähigkeiten (feinmotorische Koordination, Zielgenauigkeit, Kraft und Kraftdosierung). Die Therapeutin gestaltet die Therapieangebote mittels Graduierung des Materials, der unterschiedlichen Ausgangspositionen durch Umfeldgestaltung.

1.7.1

Graduierung

Die Therapie wird mit Werkzeug (Messer, Löffel, Presse) sowie ohne Werkzeug durchgeführt. Die unterschiedlichen taktil-propriozeptiven Erfahrungen der Hände beeinflussen die motorischen Anpassungsleistungen der Hände für die Tätigkeit. Sie ermöglichen außerdem die unterschiedliche Graduierung des Therapieangebots. Dabei lässt sich einfach oder schwer nicht generell beschreiben. Meist stellt der Werkzeuggebrauch eine höhere Funktion im Vergleich zur direkten Tätigkeit der Hände mit Material dar. Doch bei taktil empfindlichen, berührungsempfindlichen Kindern kann es auch umgekehrt sein. Der Wechsel von einfacheren und schwierigeren Aktivitäten unterstützt die Anpassung der Handmotorik an die Aktivität und fördert dadurch die Handgeschicklichkeit. Deshalb ist es sinnvoll, diese Graduierungsmöglichkeiten anzubieten.

1.7.2

Therapiesetting

Der Therapieerfolg wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst.

Kinder im Vorschulalter Bei Kindern im Vorschulalter erweist sich ein Therapiesetting in Begleitung der Mutter oder des Vaters als günstig. Die Eltern beobachten die Therapiestunde und erleben, wie bestimmte Fähigkeiten erlernt und geübt werden. Sie können dieses Angebot in ihren Alltag übernehmen. Sie erleben, wie ihr Kind erfolgreich ist, aber auch, wie die Therapeutin bei Überforderung des Kindes die Tätigkeit vereinfacht, damit ein Gelingen ermöglicht wird. Die Therapeutin erklärt der Mutter oder dem Va-

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1.7 Therapiemethode und Therapiesetting ter, warum sie das Angebot auswählt und wie sie es variiert. Sie besprechen, welche Angebote zu Hause möglich sind.

Schulkinder Bei größeren Kindern wird die Therapiestunde vielfach ohne Eltern durchgeführt. Das größere Kind übernimmt dadurch mehr Eigenverantwortung. Trotzdem ist es notwendig, die Eltern eng mit einzubinden. Dafür eignen sich unterschiedliche Angebote, so kann man: ● in den letzten 10 Minuten gemeinsam mit den Eltern die Therapiestunde und die Übungen für zu Hause besprechen, ● nach einigen Therapiestunden eine gemeinsame Reflexionsstunde durchführen.

1.7.3

Selbstwirksamkeit und Erfolg 1

In der Kindergartengruppe oder in der Schule gehören diese Kinder meist zu den Langsamsten oder zu den Ungeschickten. In der Therapie erleben sich die Kinder als selbstwirksam und erfolgreich. Die erlebte Selbstwirksamkeit und der Erfolg fördern die intrinsische Motivation, diese Tätigkeiten selbstständig zu wiederholen. Nur häufige Wiederholungen ermöglichen die Integration der erlernten motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten in das Bewegungsrepertoire der Kinder. Somit werden neue Fähigkeiten im Alltag verwendet und verbessert.

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35

Kapitel 2

2.1

Betätigungzentrierung

39

Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

2.2

Eltern und Kind im Mittelpunkt: Klientenzentrierung/Familienzentrierung

40

Die Praxis begründen: Wie Denken und Wissen unser therapeutisches Handeln beeinflussen

42

Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

46

Umgang mit Stift und Papier

59

2.3

2.4

2.5

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

2 Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen Daniela Rolf Ergotherapeuten betrachten die Betätigungen von Kindern als Aktivitäten des täglichen Lebens, des Lernens, des Spielens und der sozialen Teilhabe (Schneck u. Amundson 2010). Kinder verbringen einen großen Teil ihrer Kindheit im Kindergarten und in der Schule. Zeichnen und Schreiben sind hier wichtige und alltägliche Aktivitäten. In der Literatur findet man unterschiedliche Definitionen für Grafomotorik. Ziviani und Wallen (2006) bezeichnen als grafomotorische Fertigkeiten die konzeptionellen und perzeptiv-motorischen Fertigkeiten, die für das Malen und Schreiben erforderlich sind. Der Fokus der Grafomotorik liegt daher weder auf der inhaltlichen Gestaltung von Bildern oder Texten noch auf der Rechtschreibung. Thema der Grafomotorik sind vielmehr die Prozesse, die für die motorische Ausführung des Malens und Schreibens erforderlich sind. Erste grafomotorische Fertigkeit eines Kindes ist das Kritzeln. Malen oder Abzeichnen von unterschiedlichen Formen erfordert schon eine bessere Kontrolle über den Stift und Schreiben gelingt nur mit einem hohen Maß an exakter Strichführung. Da die Grafomotorik so unterschiedliche Aufgaben beinhalten kann, ist es wichtig jeweils zu benennen, ob vom Malen, vom Abzeichnen von Formen oder von der Handschrift gesprochen bzw. geschrieben wird. Grafomotorik kann als Überbegriff für alle Tätigkeiten mit dem Stift gesehen werden.

Wichtig „Schulkind zu sein“, stellt eine der wichtigsten Rollen im Leben eines Kindes dar (Smits-Zuzovsky u. Exner 2004).

Im Umgang mit feinmotorischem Material, mit Schere, Stift und Papier entwickeln Kinder im Laufe der Jahre immer mehr Geschick. Basale Fertigkeiten der Feinmotorik wie Reichen, Greifen und Loslassen entwickeln sich früh in den ersten Lebensjahren. Die Entwicklung der Handgeschicklichkeit dagegen (Manipulieren von Gegenständen mit der Effektivität eines Erwachse-

38

nen) dauert von den späten Kinderjahren bis in das Jugendalter hinein (Pehoski 2006). Verläuft diese Entwicklung, aus welchem Grund auch immer, nicht zufriedenstellend, äußert sich dies häufig im unzureichenden Ausführen von vorschulischen Aktivitäten wie Perlenfädeln, Malen, Schneiden und vorbereitendem Schreiben. Dieser Rückstand in der feinmotorischen Entwicklung (Exner 2005), kann zu Handschriftproblemen führen.

Wichtig Schreiben ist eine hochkomplexe Fertigkeit mit einer Reihe von zugrundeliegenden Faktoren wie Kinästhesie, feinmotorischen und visuellmotorischen Fertigkeiten (Weintraub u. Graham 2000). Nach Feder u. Majnemer (2007) spielen auch die fortwährende Aufmerksamkeit und die Kognition eine Rolle.

Die Forschung hat bei dem Thema Handschriftprobleme einige blinde Flecken, wenn es um die Klärung geht, welche Komponenten bei Handschriftproblemen eine entscheidende Rolle spielen. Trotzdem ist es möglich, basierend auf wissenschaftlicher Evidenz die Fragestellung „Handschriftprobleme“ einzugrenzen: ● Wie verläuft die Entwicklung des Schreibens und was sind die Unterscheidungsmerkmale guter und schlechte Schreiber? ● Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Einschränkungen in bestimmten Körperfunktionen und Problemen in der Handschrift? ● Über welche Kenntnisse müssen wir verfügen, um betroffenen Kindern die effektivste Befunderhebung und Intervention zu bieten? Die Darstellungen in diesem Kapitel spiegeln den derzeitigen Stand der Wissenschaft wider.

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2.1 Betätigungzentrierung

Wichtig Das Ziel dieses Beitrags ist es, die Qualität ergotherapeutischen Handelns bei Fragestellungen rund um Stift und Papier auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz zu fördern. Ergotherapeuten mit evidenzbasierten Kenntnissen und darauf aufbauendem Interventionsstrategien bieten ihren Klienten die beste Therapie. Sie können ihre Vorgehensweise besser begründen – vor sich selbst, den Klienten und vor Zuweisern/Kostenträgern.

Das ältere Kindergartenkind führt Aktivitäten aus, die für die spätere Entwicklung der motorischen Aspekte des Schreibens von Hand wichtig sind. Dazu gehören das Hantieren mit der Schere sowie Mal- und Zeichenaktivitäten. In der ersten Grundschulzeit wird die Basis für die spätere Schreibfertigkeit gelegt. Schreibfertigkeiten sind sehr davon abhängig, auf welche Art und Weise das Kind Instruktionen beim Schreibenlernen erhält und wie das praktische Üben gestaltet wird. Schreibenlernen kostet Kinder enorm viel Energie. Deshalb ist es wichtig, Kinder in dieser Phase gut zu unterstützen und zu begleiten. Sind die Bemühungen von Eltern und Lehrern bei der Unterstützung des Kindes nicht ausreichend, kann eine ergotherapeutische Analyse bei der Entschlüsselung des Handschriftproblems Hilfestellung bieten. Die Befunderhebung und Planung ergotherapeutischer Maßnahmen bei Handschriftproblemen beziehen immer Einflussfaktoren des Kindes, der Umwelt und der Betätigung mit ein. Zur Realisierung eines zeitgemäßen ergotherapeutischen Prozesses wägt der Therapeut unterschiedliche Interventionsmethoden vor dem Hintergrund des aktuellen Standes der Wissenschaft, seiner eigenen Erfahrung und der Meinung des Klienten ab (evidenzbasierte Praxis).

2.1

Betätigungzentrierung

Dieses Buch möchte einladen, traditionelle Pfade (Bottom-up-Prozesse) zu verlassen und die Richtung der Betätigungzentrierung einzuschlagen, bei der die Betätigung im Mittelpunkt der Befunderhebung, therapeutischen Intervention und Evaluation steht.

Ergotherapie fußt auf einer Betrachtung der Interaktion zwischen der Person, bzw. dem Kind, seiner Umwelt und seiner Betätigung. Diese dynamische Interaktion wird in der angloamerikanischen Fachterminologie als „Occupational Performance“ oder zu Deutsch „Betätigungsperformanz“ bezeichnet.

2

Definition „Mit Betätigungsperformanz bezeichnen Ergotherapeuten die eigentliche Ausführung von Betätigung, den Prozess, durch den der Mensch mit seiner Umwelt verbunden ist und somit die Fähigkeit, sinnvolle, kulturbedingte und altersentsprechende Betätigungen auszuwählen, zu organisieren und für sich selbst zufriedenstellend auszuführen.“ (DVE u. Miesen 2004, S. 159)

Person-EnvironmentOccupation Modell (PEO-Modell)

2.1.1

Die Interaktion von Person/Kind, Umwelt und Betätigung wird in einem international in der Ergotherapie häufig eingesetzten Modell, dem PEOModell (Person-Environment and Occupation Model), dargestellt (PEO Model; Law et al. 1996; ▶ Abb. 2.1).

Person

Betätigungsperformanz Betätigung

Umwelt

Abb. 2.1 PEO-Modell.

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen Je ausgewogener und größer die Überschneidung der Bereiche Person, Umwelt und Betätigung ist, desto zufriedenstellender ist die Betätigungsausführung im realen Kontext. Das vorherrschende Ziel der Kinderergotherapie ist es, diese Betätigungsausführung zu optimieren. Erreicht wird dies durch die Stimulation sowie das Zuwegebringen einer Veränderung im Kind selbst und/oder in der Umwelt und/oder der Betätigung.

Betätigung (Occupation) Definition Nach Law et al. (1996) ist die Betätigung (Occupation) die Gesamtheit der selbst gesteuerten funktionellen Aufgaben und Aktivitäten, mit denen sich eine Person im Laufe des Lebens beschäftigt.

Person/Kind (Person) Das Kind (Person) wird als eine Einheit aus Spiritualität, Performanzkomponenten und Fertigkeiten dargestellt.

Spiritualität Die Spiritualität beinhaltet den Willen, die Motivation und das Selbstbestimmungsrecht eines Kindes. Durch die Spiritualität erhält die Betätigung eine Bedeutung und einen Sinn. Das Kind wird als einzigartiges Wesen betrachtet, das an einer Vielzahl von Rollen partizipiert.

Im Fokus stehen Betätigungen, die für das Kind bedeutungsvoll sind. Beim jungen Kind bestimmen oftmals auch die Eltern und Lehrkräfte über die Betätigungen des Kindes.

Fazit ●



Performanzkomponenten Die Perfomanzkomponenten werden als basale Voraussetzung für die Betätigung beschrieben und in 3 Domänen unterteilt (Law et al. 1997): ● Fühlen (sozial-emotional), ● Denken (kognitiv), ● Tun (sensomotorisch).



Der ergotherapeutische Behandlungsprozess spannt einen Bogen vom Erstkontakt mit dem Klienten (Eltern und Kind) bis zur Evaluation und dem Beenden der Therapie. Alle 3 Komponenten (Person, Umwelt und Betätigung) müssen im ergotherapeutischen Prozess berücksichtigt und einbezogen werden. Die ergotherapeutische Befunderhebung und Intervention richtet sich bei Fragestellungen rund um Stift und Papier in erster Linie auf die tatsächliche Ausführung dieser Betätigung.

Umwelt (Environment) Jede Betätigung findet in einer spezifischen Umwelt statt. Die Umwelt kann auf ein Kind und seine Betätigungen stimulierend oder einschränkend wirken. Selbiges gilt für Bezugspersonen aus der Umwelt des Kindes. Das PEO-Modell bedient sich der Terminologie „Umwelt“, um die physische Umwelt, die soziale Umwelt, die kulturelle Umwelt sowie die institutionelle Umwelt zu beschreiben (Law et al. 1996).

40

Eltern und Kind im Mittelpunkt: Klientenzentrierung/ Familienzentrierung

2.2

Ursprünglich entstammt der Begriff „Klientenzentrierung“ der Psychotherapie und geht auf den amerikanischen Psychologen Carl Rogers (1902– 1987) zurück. Er vertrat die Auffassung, den Klienten nicht zu führen und ihn stattdessen als gleichberechtigten Partner und „Experten“ für seine eigene Persönlichkeit zu betrachten.

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2.2 Eltern und Kind im Mittelpunkt: Klientenzentrierung/Familienzentrierung

Klientenzentrierung nach Law et al. (1997)

2.2.1

Nach Law et al. (1997) kennzeichnet sich die Klientenzentrierung durch: ● Respekt gegenüber dem Klienten, ● gemeinsam Entscheidungen treffen, ● den Klienten unterstützen und seine Belange beherzigen, ● Anerkennung der Erfahrung des Klienten mit seiner eigenen Geschichte. Um diese Klientenzentrierung in der Kinderergotherapie zu realisieren, müssen auch die Eltern des Kindes eng und vertrauensvoll in den gesamten Prozess eingebunden sein. Die Klientenzentrierung wird innerhalb der Kinderergotherapie deshalb auch „Familienzentrierung“ genannt.

2.2.2

Familienzentrierung

Law et al. (2005) führen dafür folgende Gründe auf: ● Eltern wollen das Beste für ihr Kind und kennen das Kind am besten, ● jede Familie ist einzigartig, ● Hilfe und Unterstützung sind die Hauptkomponenten zum Fertigkeitenerwerb des Kindes. Dies bietet v. a. die Familie. Im familienzentrierten Prozess stellen Eltern und Kind die alltäglichen Probleme aus ihrer Sicht dar und filtern heraus, woran sie zuerst arbeiten möchten. Dies geschieht in der Form eines Interviews in dem der Alltag des Kindes und seiner Eltern im Mittelpunkt stehen.

Canadian Occupational Performance Measure Durch den Einsatz des Canadian Occupational Performance Measure (COPM; Law et al. 2009; ▶ Abb. 2.2) oder der im Rahmen einer Projektarbeit adaptierten Kinderversion COPM a-kids (Gede et al. 2005) erhält solch ein Interview eine Struktur sowie Vergleichswerte, die dazu dienen, Prioritäten für die Therapie zu setzen und eine Verlaufskontrolle oder Abschlussevaluation zu ermöglichen.

2

Abb. 2.2 Abnahme COPM mit Bewertungsskalen und Activity Cards. (Foto: Christian Knospe)

Wichtig Der Einsatz dieser Instrumente (COPM, COPM a-kids, Kids Activity Cards) soll Ergotherapeuten dabei unterstützen, bedeutungsvolle, klientenzentrierte und betätigungszentrierte Ziele zu formulieren.

Kids Acitivity Cards Um Kinder noch besser in das Erstgespräch einzubinden, können neben dem COPM a-kids auch die Kids Activity Cards (Büscher, Mester & Wilbers 2007) eingesetzt werden.

Wichtig Die Kids Activity Cards wurden ursprünglich für 6–10-jährige Kinder mit expressiven Sprachstörungen entwickelt, damit auch sie in der Lage sind, Betätigungsbedürfnisse bei der Durchführung des COPM a-kids zu benennen.

Die Kids Activity Cards haben für Kinder einen motivierenden Charakter und fördern die Konzentration und Ausdauer bei der Durchführung des COPM a-kids. Zusätzlich erkennen Kinder durch die Bildkarten, welche Aktivitäten bereits selbst-

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen ständig und zufriedenstellend ausgeführt werden. Der Fokus richtet sich somit nicht alleine auf die Handlungsprobleme, sondern auch auf die Stärken und Ressourcen des Kindes. Der praktische Einsatz der Kids Activity Cards zeigt auch, dass Eltern einen sehr guten Einblick in die Zielbereiche der Kinderergotherapie erhalten und Eltern und Kind anfängliche Zurückhaltung im Erstgespräch schnell überwinden. Das COPM erlaubt eine subjektive Einschätzung der Eltern und/oder des Kindes in Bezug auf seine Schwierigkeiten bei der Ausführung von Aktivitäten in den Bereichen: ● Spiel, ● Selbstversorgung und ● Kindergarten/Schule. Auf einer Bewertungsskala von 1–10 können sie angeben, ● wie wichtig sie eine Betätigung bewerten, ● wie die derzeitige Ausführung abschneidet und ● wie zufrieden sie damit sind. Das COPM a-kids bietet hierfür adaptierte, kindgerechte Skalen.

Fazit ●



Klienten- bzw. Familienzentrierung ist mehr als das gemeinsame Inventarisieren des Problems mit Eltern und Kind: Klientenzentrierung soll in allen Schritten des ergotherapeutischen Prozesses Anwendung finden. Um sich zu verdeutlichen, welche Schritte der ergotherapeutische Prozess überhaupt beinhaltet und zu klären„wo im Prozess ich gerade stehe“ dienen der Einsatz eines Prozessmodells und die Anwendung von Clinical-Reasoning-Fertigkeiten.

Auf Klientenzentrierung basierende Prozessmodelle Beispiele für Prozessmodelle, die auf Klientenzentrierung basieren und an denen wir uns in unserem therapeutischen Ablauf orientieren können, sind:

42





das OTPF (Occupational Therapy Practice Framework) der AOTA (American Association of Occupational TherapistsAmerican Association of Occupational Therapists 2014), sowie, das CPPF (Canadian Practice Process Framework; Polatajko et al. 2007).

Die Praxis begründen: Wie Denken und Wissen unser therapeutisches Handeln beeinflussen

2.3

2.3.1

Clinical Reasoning

Im gesamten Therapieprozess durchläuft der Therapeut Denk- und Entscheidungsprozesse, die wir Clinical Reasoning nennen. Feiler (2003) unterscheidet 6 Clinical-Reasoning-Formen: ● Scientific Reasoning: umfasst logisch-sachliches Denken oder auch die wissenschaftliche Argumentation. ● Interaktives Reasoning: das durch Gefühle, Wahrnehmung und Beobachtung geleitete Denken, die Ebene der Beziehungen. ● Konditionales Reasoning: das durch das Vorstellungsvermögen und die Interpretation des Therapeuten geleitete Denken. ● Narratives Reasoning: das Denken in und durch Geschichten. ● Pragmatisches Reasoning: sachliches Denken und die Fähigkeit, nach pragmatischen Gesichtspunkten zu handeln. ● Ethisches Reasoning: durch Einstellungen, Haltungen und Werte bestimmtes Denken.

Definition Mit Clinical-Reasoning-Fertigkeiten sind die komplexen Problemlösestrategien gemeint, die sich durch eine Vernetzung von Hypothesenbildung, Hypothesenüberprüfung, eventuell Hypothesenkorrektur, erneute Hypothesenüberprüfung usw. auszeichnen (Handgraaf et al. 2004).

In diesem Abschnitt soll ansatzweise auf den Denkprozess innerhalb des Clinical Reasonings eingegangen werden.

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2.3 Die Praxis begründen: Wie Denken und Wissen unser therapeutisches Handeln beeinflussen

Traditionelles Vorgehen bei feinmotorischen Fragen Denken setzt Wissen voraus: Das traditionelle Vorgehen bei feinmotorischen Fragestellungen und Aufgaben mit Stift und Papier basiert auf traditionell vermitteltem Wissen über Zusammenhänge von Performanzkomponenten und funktionellen Schwierigkeiten. Dies erscheint aus einer entwicklungsneurologischen Sichtweise völlig logisch und wurde jahrelang so weitergegeben. Das schlussfolgernde Denken, das immer auf „Wissen“ beruht, wird dadurch im Clinical-Reasoning-Prozess dahin geleitet, dass beispielsweise Schwierigkeiten in der Sitzhaltung des Kindes sofort mit sogenannten „Tonusproblemen“, Buchstabendreher mit „Lateralitätsproblemen“ und Nichtauf-der-Linie-schreiben-Können mit „visuellen Wahrnehmungsproblemen“ in Verbindung gebracht werden.

Wichtig Therapeuten analysieren ein Problem vor einem bestimmten theoretischen Hintergrund und entwicklen davon ausgehend ihre therapeutischen Interventionen.

Integration zeitgemäßen Wissens An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass sich Denkprozesse im therapeutischen Pro-

zess nur verändern können, wenn in diesen Prozess zeitgemäßes Wissen integriert wird. In unserem Fall, der Kinderergotherapie, bedeutet dies die kindliche Entwicklung und die Ausführung kindlicher Betätigungen im realen Kontext zu betrachten. Vor allem erfahrene Therapeuten handeln aus ihrem Erfahrungswissen heraus und setzen dies unbewusst ein, daher kann es für sie besonders schwierig sein, neues Wissen mit traditionellen Überzeugungen in Einklang zu bringen.

2

Ergotherapie zeitgemäß gestalten – Occupation-centred Practice

2.3.2

International tendieren Ergotherapeuten dazu, die Befunderhebung und Therapie „occupation-centred“ also betätigungszentriert, auszurichten. Es besteht ein Bezug zur tatsächlichen Lebenswelt des Klienten. Für die Befunderhebung bedeutet es, dass das Assessment der Betätigungsperformanz kontextgebunden und bedeutungsvoll ist (Hocking 2001) (▶ Tab. 2.1).

Top-down-Ansatz Im Top-down-Ansatz (▶ Tab. 2.1) steht die Erhebung von Partizipationsproblemen im Vordergrund, und zwar im Gegensatz zur traditionellen Vorgehensweise, bei der zuerst Körperfunktionen (Motorik, Sensorik, Sensomotorik, Wahrnehmung) beurteilt wurden. In der Vergangenheit lag der Fokus bei der Behandlung von Kindern mit Problemen in der Betätigungsausführung hauptsächlich

Tab. 2.1 Top down, Bottom up (Barnhart 2003). Ansatz

Theoretische Basis

Beispiele

Bottom up

Der Fokus liegt auf der Behebung zugrundeliegender Defizite durch gezieltes Angebot sensorischer Informationen, die vom zentralen Nervensystem interpretiert und organisiert werden, um geeignete Bewegungsstrategien zu entwickeln (Polatajko et al. 1995, Sugden u. Chambers 1998, Sims et al. 1996, Mandich et al. 2001)



Schwerpunkt auf kognitiven Problem-Löse-Fertigkeiten um angemessene Strategien zur Aufgabenausführung auszuwählen und anzuwenden (Mandich et al. 2001; Polatajko et al. 1995)



Top down

● ●



sensorische Integrationstherapie prozessorientierte Interventionen perzeptiv-motorisches Training

aufgabenspezifische Interventionen kognitive Ansätze (z. B. Cognitive Orientation to daily Occuaptional Performance)

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen auf der Verbesserung ihrer Defizite in den Performanzkomponenten, anstatt auf der Betrachtung ihrer funktionellen Schwierigkeiten im Alltag (Gentile 1992, Mandich et al. 2001).

Wichtig Der Top-down-Ansatz stellt die Erhebung von Partizipationsproblemen in den Fokus der Betrachtung.

Der Begriff Top-down-Ansatz ist auch mit Betätigungzentrierung gleichzusetzen, ein Merkmal zeitgemäßer Ergotherapie: „A top-down assessment … starts with inquiry into role competency and meaningfulness … [and] further determines which particular tasks define each of the roles … whether he or she can now do these tasks, and probable reasons for an inability to do so.“ (Trombly 1993, S. 253)

Zentrale Faktoren des Top-downAnsatzes Zentral für diesen Ansatz ist, dass zugrundeliegende Faktoren (Performanzkomponenten) erst später betrachtet werden, falls dies notwendig ist (Weinstock-Zlotnick u. Hinojosa 2004, S. 594).

Wichtig Übertragen auf die Arbeit mit Kindern bedeutet die Anwendung des Top-down-Ansatzes, ihre Rollenkompetenz und ihre Betätigungen in den Bereichen „Selbstversorgung“, „Ruhe“, „Spiel“ und „Schule“ in der Befunderhebung zuerst zu betrachten und sich erst später den zugrundeliegenden Fähigkeiten (Performanzkomponenten) zu widmen, wenn dies überhaupt nötig ist.

Grundlagen des Vorgehens Diese Vorgehensweise beruht auf einer evidenzbasierten Praxis, Klientenzentrierung und einer veränderten Sicht auf Krankheit und Gesundheit, die im Kontext von Aktivitäten und Partizipation betrachtet werden (WHO 2001, zit. nach Mandich u. Rodger 2006, S. 122). Ergänzt wird der Ansatz durch zeitgemäße Prinzipien des motorischen Lernens und der motorischer Kontrolle. Ein Beginn des ergotherapeutischen Prozesses auf Partizipationsniveau sowie eine weitere Befundung im Bereich der Betätigungsausführung (Aktivitäten), der Umwelt und der Person (Performanzkomponenten, Funktionen) schließt an die Terminologie der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF; WHO 2001) an. Nach Law et al. (2005) wird die ergotherapeutische Tätigkeit durch die Reflexion auf ergotherapeutische Praxismodelle und therapeutische Bezugsrahmen geleitet. Sie vertreten die Meinung, dass in der ergotherapeutischen Befunderhebung und Intervention immer eine betätigungszentrierte Perspektive eingenommen werden sollte, die sich in zeitgemäßen Praxismodellen, wie beispielsweise dem Person-Environment-Occupation-Modell (PEO-Modell), wiederfindet (▶ Abb. 2.1).

Wichtig Für Fragestellungen im Bereich des Umgangs mit Stift und Papier bedeutet dies, dass die Befunderhebung und Intervention nicht wie früher standardmäßig bei den Performanzkomponenten (z. B. gezielte Beobachtungen aus der SI oder ein visueller Wahrnehmungstest) ansetzt. Bei der Wahl des theoretischen Rahmens bezüglich der Diagnostik und Therapie kombiniert der Therapeut seine Erfahrung mit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft.

Zum Beispiel wurde herausgefunden, dass Kinästhesie als sensomotorische Komponente beispielsweise kein Unterscheidungsmerkmal zwischen guten und schlechten Schreibern darstellt (Lord u. Hulme 1987, Tseng u. Murray 1994). Eine andere Studie belegt, dass direktes Training der Betätigung „Schreiben“ einer sensomotorischen Therapie überlegen ist (Denton et al. 2006).

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2.3 Die Praxis begründen: Wie Denken und Wissen unser therapeutisches Handeln beeinflussen

Fazit ●





Performanzkomponenten werden in Bezug auf ein konkretes Alltagsproblem nur dann in die Befunderhebung und Intervention einbezogen, wenn die Betätigungsanalyse dies rechtfertigt. Wissenschaftliche Beweise und Kenntnisse über signifikante Zusammenhänge zwischen Performanzkomponenten und einer bestimmten Betätigungsperformanz unterstützen uns dabei, zu rechtfertigen (vor uns selbst, dem Klienten und dem Gesundheitssystem, das die Intervention finanziert), welche Performanzkomponenten überhaupt näher betrachtet werden sollten. Ein Trugschluss und in vielen Bereichen wissenschaftliche Evidenz entbehrend ist die Annahme, dass ein Training der defizitären Performanzkomponenten (z. B. Muskeltonus, bilaterale Integration, visuelle Wahrnehmung, taktile Wahrnehmung) eine automatische Verbesserung der Betätigungsperformanz nach sich zieht.

Irreführung traditionsbedingt! Ein Beispiel

2.3.3

Konkrete Zielformulierung und Betätigungsanalyse vor der Anwendung von Tests! Früher und auch oftmals noch heute werden bei Handschriftproblemen standardmäßig Performanzkomponenten wie „visuelle Wahrnehmung“ (z. B. durch DTVP-2 [Developmental Test of Visual Perception 2], FEW-2 [Frostig Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung]), „Muskeltonus“ und „taktile Wahrnehmung“ (z. B. durch „Gezielte Beobachtungen der Sensorischen Integration“) überprüft. Geschieht die Abnahme dieser Tests und Beobachtungen, bevor eine konkrete Zielformulierung bezüglich der Fragestellung „Schreiben“ mit dem Kind und/oder den Eltern formuliert wurde (z. B. anhand des COPM) und noch bevor eine „Betätigungsanalyse“ durchgeführt wurde, die das Kind bei Ausführung der Betätigung „Schreiben“ sowie die Umweltsfaktoren genauer unter die Lupe nimmt, hat sich der Therapeut bereits weit von der „Betätigungzentrierung“ entfernt. Defizite in

den Performanzkomponenten dienen dann nicht selten als Behandlungsziele – ging man doch traditionell immer davon aus, dass eine Verbesserung im Bereich einer Performanzkomponente zur Auflösung eines funktionellen Alltagsproblems beiträgt.

2

Traditionelle Ansätze halten sich hartnäckig Erst einmal an der sogenannten „Basis“ zu arbeiten und von proximal nach distal, diente als grundlegende Konzeption ergotherapeutischer Arbeit in der Pädiatrie. Traditionelle Ansätze halten sich hartnäckig, aus einem Mangel an Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse in die deutsche, ergotherapeutische Fachliteratur. So finden sich in Fachbeiträgen zur Ergotherapie bei Kindern mit grafomotorischen Störungen Empfehlungen wie: „Bei der Diagnostik muss gemäß der späteren Förderung von proximal nach distal gedacht werden“ oder die Auffassung, dass grundsätzlich für alle sensomotorischen Lern- und Übungsvorgänge gelte: von der Grobmotorik zur Fein- und Grafomotorik, vom Großen zum Kleinen, vom Langsamen zum Schnellen, bis hin zum Automatisierten. An dieser Stelle soll nicht mit erhobenem Zeigefinger auf traditionell arbeitende Kolleginnen gezeigt werden. Ergotherapeuten haben sich in Deutschland ohne Unterstützung durch einen akademischen Hintergrund zu einer anerkannten Berufsgruppe entwickelt. Dazu haben die praktisch tätigen Ergotherapeuten und -therapeutinnen wesentlich beigetragen, die sich nach bestem Wissen und Gewissen für ihre Klienten einsetzten. Der fehlende akademische Hintergrund hat leider auch dazu beigetragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und neuere Konzepte nicht flächendeckend in die Berufslandschaft eingezogen sind und sich auch der Berufsverband (DVE e. V.; Deutscher Verband der Ergotherapeuten) wesentlich später als im europäischen Vergleich mit Thematiken wie Leitlinien und evidenzbasierter Praxis beschäftigte. Dies alles trug dazu bei, dass sich ein Bezugsrahmen wie die Sensorische Integrationstherapie zu einer Art Berufsphilosophie in der pädiatrischen Ergotherapie entwickeln konnte. Wenn demnach in der Therapie bei Handschriftproblemen z. B.: ● gehämmert wird (zur Verbesserung der AugeHand-Koordination), ● in Bauchlage geschaukelt und mit Pfeilen geworfen wird (zur Verbesserung des Haltungstonus im Rumpf und der Stabilität des Schultergürtels),

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen ●



Kastanienmännchen gebastelt werden (zur Verbesserung der Handgeschicklichkeit), grafomotorisches Übungsmaterial ohne fundierte Hintergrundkenntnisse abgearbeitet wird,

sollte man sich kritisch hinterfragen und seine Argumente prüfen, ob dies in der Tat zur Verbesserung der Mal- und Handschriftkompetenz im Kontext von Kindergarten und Schule beiträgt.

Wichtig Traditionelles Vorgehen basiert häufig auf einer entwicklungsneurologischen Betrachtungsweise. Diese ist heutzutage für die Planung der Intervention nicht unbedingt relevant. Dem Fertigkeitenerwerb liegt ein Bezugsrahmen zugrunde, der die Fertigkeit (z. B. Handschrift) als das Erlernen einer motorischen Aufgabe betrachtet, bei der die Person, die Umwelt und die Aufgabe interagieren.

Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

2.4

Durch den Einsatz der Hände tritt das Kind mit seiner Umwelt in Kontakt (Exner 2010). Ist die Handfunktion eingeschränkt, können viele alltägliche Dinge nicht verrichtet werden. Geschieht dies von klein auf an, hat ein Kind kaum Gelegenheit, sensorische Reize aufzunehmen, mit seinen Fähigkeiten zu experimentieren und zu schauen, welche Reaktionen es durch seine Aktionen auslöst.

Definition Exner (2005) definiert Feinmotorik als „Fertigkeiten, die mit den Händen ausgeführt werden, um Gegenstände zu ergreifen und zu manipulieren“.

Weiterhin beschreibt sie, dass der effektive Einsatz der Hände im alltäglichen Leben von einer komplexen Interaktion von Handgeschicklichkeit, posturalen Haltungsmechanismen, Kognition und visueller Perzeption abhängig ist. Handgeschicklichkeit wird durch Informationen aus dem taktilpropriozeptiven und visuellen System ermöglicht. Exner (2005) unterscheidet zwischen basalen und komplexen Fertigkeiten:

Infobox: basale und komplexe Fertigkeiten der Hand Siehe (▶ Abb. 2.3). Basale Fertigkeiten : ● Reichen: Bewegung des Armes und der Hand, um einen Gegenstand zu berühren; ● Greifen: das Aufnehmen eines Gegenstands mit der Hand; ● Tragen: das Transportieren eines Gegenstands von einem Ort zum anderen; ● willkürliches Loslassen: zielgerichtetes, bewusstes Fallenlassen eines Gegenstands zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort; Komplexe Fertigkeiten: In-Hand-Manipulation: Fertigkeit, bei der die Position eines Gegenstands in der Hand für den Einsatz, die Positionierung und das Loslassen angepasst wird; der Gegenstand verweilt dabei in der Hand und kommt mit der Unterlage nicht in Berührung; ● bilaterale Fertigkeiten: die Zusammenarbeit der Hände, um eine Aktivität auszuführen; ● Einsatz von Werkzeugen: Werkzeug wird als eine Verlängerung der Hände betrachtet und dient der Effizienzvergrößerung bei der Ausführung einer Betätigung. Der Einsatz von Werkzeug wird als zielgerichtete Form der Manipulation definiert, um die Position, Beschaffenheit oder Lage eines anderen Gegenstands zu verändern (Connolly u. Dalgleish 1989). ●

2.4.1

Handfunktion

Feinmotorischer Handgebrauch Die ICF (WHO 2001) beschreibt unter der Domäne „Aktivitäten und Teilhabe“ den feinmotorischen Handgebrauch unter dem Code d 440: Koordinierte Handlungen mit dem Ziel auszuführen, Gegenstände mit der Hand, den Fingern und dem Daumen aufzunehmen, zu handhaben und loszulassen, wie es für das Aufnehmen von Münzen von einem Tisch, für das Drehen einer Wählscheibe oder eines Knaufes erforderlich ist. Inkl.: aufnehmen, ergreifen, handhaben, loslassen / exkl.: Gegenstände anheben und tragen (d 430).

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

2

Abb. 2.3 Basale und komplexe Fertigkeiten. (Foto: Christian Knospe) a Reichen. d Willkürliches Loslassen. f Bilaterale Fertigkeit. b Greifen. e In-Hand-Manipulation. g Einsatz von Werkzeug. c Tragen.

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen Durch die Entwicklung der feinmotorischen Fertigkeiten, gerade im Alter zwischen 4 und 6 Jahren, sind Kinder immer besser in der Lage, mit Werkzeugen umzugehen (Malen mit Stiften, Schneiden mit der Schere) und visuomotorische Aufgaben (z. B. Männchen malen, vorbereitende Schreibübungen) auszuführen (Case-Smith 1989). In der Rolle als Vorschulkind/Schulkind werden viele Betätigungen ausgeführt, die Anforderungen an die feinmotorischen Fertigkeiten des Kindes stellen (▶ Abb. 2.4). Nach Pape u. Ryba (2004) gehören dazu:





● ●



● ●



Arbeiten, bei denen ausgeschnitten, gemalt und geklebt wird, Arbeitsblätter, auf denen gemalt und „geschrieben“ wird, das Manipulieren von Konstruktionsmaterial, das Manipulieren kleiner Gegenstände beim Stecken und Legen geometrischer Figuren, das Manipulieren von Gegenständen für das Rechnen (Würfel und Buchstaben), der Einsatz von Tastatur und Computermaus, das Hantieren von persönlichen Dingen, wie Öffnen und Schließen des Reißverschlusses des Rucksacks, die Ausführung von Selbstversorgung, wie z. B. das Essen und Trinken einer Zwischenmahlzeit.

Abb. 2.4 Komplexe feinmotorische Fertigkeiten. (Foto: Christian Knospe) a Butterbrot schmieren. b Bearbeiten eines Arbeitsblatts. c Bauen mit Konstruktionsmaterial.

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift Um einen Eindruck über die feinmotorischen Fertigkeiten eines Kindes zu bekommen, kann man es bei der Ausführung der in ▶ Abb. 2.4 aufgezählten Betätigungen beobachten. Das Tempo ist dabei ein Merkmal, dem man Beachtung schenken sollte. Kinder mit Schwierigkeiten in der Ausführung feinmotorischer Aufgaben zeigen eine langsamere und variationsreichere Ausführung und keine konsistente, effiziente Ausführungsstrategie (Cup 2000).

Handschrift Zur Entwicklung einer flüssigen Handschrift tragen viele Faktoren bei. Hierzu zählen zugrunde liegende Faktoren wie die In-Hand-Manipulation und visuell-motorische Integration sowie ergonomische Faktoren und das „Schreibumfeld“. Aufbauend auf den Fertigkeiten, die bereits im Klein- und Vorschulalter erworben werden, setzt sich die Entwicklung zum flüssigen, zügigen Schreiben fort.

Wichtig Da in zeitgemäßer Ergotherapie die Befunderhebung und Therapie bei Handschriftproblemen bei der Betätigung ansetzt, ist es unabdingbar, dass Ergotherapeuten fundierte Kenntnisse über die Ausführung der Betätigungen Schreiben und die relevanten Perfomanzkomponenten und Umweltfaktoren besitzen.

schiedlicher sensorischer Aspekte (Größe, Oberfläche, Form und Gewicht) notwendig (Eliasson 2006, Van Hartingsveldt et al. 2006).

2

Haptische Wahrnehmung Die Entwicklung der haptischen Wahrnehmung beginnt beim Baby mit der Exploration von Gegenständen mit dem Mund und wird von der Exploration mit den Händen abgelöst. Diese haptische Wahrnehmung entwickelt sich weiter bis in die frühe Jugend hinein. Bei der Synthese von Informationen der Rezeptoren steht der Hand ein dynamisches Abbild des Körpers sowie über dessen Position im Raum zur Verfügung. Die Fähigkeit zum aktiven Manipulieren wird als eine Voraussetzung zur haptischen Wahrnehmung betrachtet.

Sehen Dem Sehvermögen wird bei der Betrachtung der haptischen Wahrnehmung eine wichtige Rolle zugesprochen. Rochat (1989) stellt dar, dass sich verfeinerte manipulative Fertigkeiten besser entwickeln, wenn Kinder schauen, was ihre Hände tun. Dass Kinder nach dem schauen müssen, was sie mit den Händen tun, zeigt die Bedeutung der Auge-Hand-Koordination. Die haptische Wahrnehmung ist mit Tests nur schwer einzuschätzen, da diese sich ausschließlich auf die Erkennung einer Form beziehen (Cermak 2006).

Wichtig

Einfluss somatosensorischer Funktionen auf die Handfunktion Im Alter von 2,5 Jahren gelingt Kindern das Erkennen bekannter Gegenstände unter Ausschluss des visuellen Systems durch Tasten. Aufgrund ausgereifter haptischer Wahrnehmung gelingt 5-Jährigen das Erkennen nicht vertrauter Gegenstände (Bushnell u. Boudreau 1999).

Somatosensorisches Feedback Dieses spielt eine wesentliche Rolle in der feinmotorischen Entwicklung, v. a. für die unabhängigen Daumen- und Fingerbewegungen (Exner 2010). Für das geschickte Manipulieren kleiner Gegenstände ist eine interne Repräsentation unter-

Insgesamt ist die Beurteilung des somatosensorischen Systems bei jungen Kindern eher schwierig, da junge Kinder eine große Variation an Ausführungsstrategien zeigen.

Einfluss sensorischer Funktionen auf die Handfunktion Eine sensorisch bedingte Überreaktion (Sensory Overresponsivity – SOR) führt dazu, dass auf einen Reiz schneller, intensiver oder für längere Zeitdauer reagiert wird. Die sensorisch bedingte Unterreaktion (Sensory Underresponsivity – SUR) führt dazu, dass Reize missachtet werden oder nicht auf sie reagiert wird (Miller et al. 2007). Das Missach-

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen ten von oder Überreagieren auf sensorische Reize kann dazu führen, dass ein Kind unzureichend mit Material experimentiert und handgeschickliche Aktivitäten vermeidet. Der Kontakt mit den Händen kann auf bestimmte Gegenstände begrenzt sein.

Definition Schwierigkeiten in der motorischer Planung oder motorische Ungeschicklichkeit die durch Einschränkungen in taktilen und propriozeptiven Funktion verursacht sind, werden als Somatodyspraxie bezeichnet (Ayres 1989).

Einfluss visueller Funktionen auf die Handfunktion Der Einfluss visueller Fertigkeiten auf die Handfunktion ist offensichtlich. Auch mehrere Autoren (Bertenthal u. von Hofsten 1998; Jeannrod 1994; von Hofsten 1991) betonen die bedeutende Rolle visueller Fertigkeiten bei der Entwicklung der Handfunktion. Das Sehvermögen trägt entscheidend zum Erlernen neuer motorischer Fertigkeiten bei. Im Alter von ca. 4 Monaten bringen Babys ihre Hände unter visuelle Kontrolle und verfeinern diese Fähigkeit mit ca. 6 Monaten durch die visuomotorische Entwicklung, die ihnen zielgenaues Reichen ermöglicht. Durch die Entwicklung visuell-motorischer Koordination ist das Kind in der Lage, seine Handbewegungen mittels visuell-somatosensorischer Integration genau zu beobachten und zu führen. Das Sehvermögen spielt beim Erlernen neuer motorischer Fertigkeiten oder beim Ausführen von Fertigkeiten, die viel Präzision erfordern eine bedeutende Rolle (z. B. beim Auffädeln kleiner Perlen oder Ineinanderfügen von Puzzleteilen; Exner 2010).

Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion Der effektive Einsatz der Hand basiert auf einem Zusammenspiel der gesamten Arm-Hand-Muskulatur. Schulter, Ellbogen, Unterarm und Hand sorgen in ihrem Zusammenspiel dafür, dass alltäg-

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liche Betätigungen ausgeführt werden können (Pape u. Ryba 2004).

Schultergelenk Das Schultergelenk hat viele Freiheitsgrade. Das dynamisch stabilisierte Schulterblatt sorgt für die benötigte Stabilität des Arms beim Ausführen feinmotorischer Aktivitäten.

Ellbogen Der Ellbogen ermöglicht Bewegungen zum Körper hin oder vom Körper weg. Mit einem gebeugten Ellbogen und Supination des Unterarms ist es z. B. möglich, einen Löffel oder einen Keks zum Mund zu führen.

Unterarm, Pro- und Supination Die Rotationsbewegung um die Längsachse des Unterarms nennt man Pro- und Supination. Diese ermöglicht der Hand, sich in alle Richtungen zu bewegen, um etwas zu greifen, zu tragen oder loszulassen. Die Pro- und Supinationsbewegung ist entscheidend für die Positionierung der Hand, um etwas zu greifen. Kombiniert mit Schulter- und Ellbogenbewegungen ist dadurch nahezu jede Körperstelle für die Hände erreichbar. Dies ist entscheidend bei Aktivitäten aus den Bereichen Spiel, Selbstversorgung und Kindergarten/Schule, die mit den Händen ausgeführt werden. Die Pro- und Supinationsbewegung ist eine wichtige Bewegung, um Gegenstände zu rotieren, wie z. B. einen Schraubenzieher. Die Entwicklung der Pro- und Supination wird als ein wichtiger Meilenstein in der feinmotorischen Entwicklung betrachtet.

Handgelenk Eine adäquate Position des Handgelenks ermöglicht der Hand gute Greif- und Manipulationsfertigkeiten. Kombiniert mit Pro- und Supinationsbewegungen des Unterarms sind Bewegungen der Hand in alle Richtungen möglich, um etwas zu greifen oder festzuhalten. Das Handgelenk befindet sich bei ca. 40–45° Streckung und 15° ulnarer Deviation in einer funktionellen Stellung. Diese Stellung ist für die Fingerflexoren die günstigste Position. Bei einem gestreckten Handgelenk ist die Finger-Daumen-Opposition am besten durchführbar.

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

Hand Die wichtigste Bewegung der Hand ist das Greifen. Die Finger, in Kombination mit einem opponierten Daumen, sorgen für unbegrenzte Greifmöglichkeiten. 3 Handbögen (transversaler, longitudinaler, schräger Handbogen) ermöglichen die Anpassung des Greifens an kleinere oder größere Gegenstände. Verantwortlich für die Anpassung der Handbögen an den Gegenstand sind die intrinsischen Handmuskeln. Diese Handbögen sind wesentlich für komplexe feinmotorische Fertigkeiten wie InHand-Manipulation und Einsatz von Werkzeug.

Eine Hand, zwei Funktionen Eine unsichtbare Trennung verläuft zwischen der ulnaren und radialen Seite der Hand (▶ Abb. 2.5). Benbow (2006) beschreibt, dass beiden Seiten der Hand beim Ausführen feinmotorischer Aktivitäten unterschiedliche Funktionen zukommen. Beim Ausführen schneller, geschickter Fingerbewegungen mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger ruhen Ringfinger und kleiner Finger stabilisierend in Flexion in der Hand. Der ulnaren Seite der Hand kommt die Aufgabe des kräftigen Zupackens zu. Die funktionelle Zweiteilung der Hand sieht man z. B. beim Halten einer Teetasse oder beim Schnei-

Abb. 2.5 Funktionelle Zweiteilung der Hand. (Foto: Julia Mischner)

den mit der Schere, wenn die Schneidebewegung von Daumen, Zeige- und Mittelfinger ausgeführt wird, während Ringfinger und kleiner Finger stabilisierend in der Handinnenfläche ruhen. Auch beim Malen mit einem Stift, der im Dreipunktgriff gehalten wird, stabilisieren Ringfinger und kleiner Finger die ulnare Seite der Hand auf dem Papier, während die Finger in Zusammenarbeit mit dem Daumen feine Bewegungen ausführen. Auch bei den manipulativen Fertigkeiten mit Stabilisation ist diese funktionelle Zweiteilung der Hand zu sehen. Während Ringfinger und kleiner Finger einen Gegenstand in der Hand stabilisieren, können Daumen, Zeige- und Mittelfinger einen neuen Gegenstand manipulieren (Van Hartingsveldt et al. 2006).

2

Webspace Durch die Opposition kann der Daumen in einer Rotationsbewegung allen Fingern gegenübertreten. Dadurch entsteht beim Halten eines Stiftes der sogenannte „offene Webspace“ (▶ Abb. 2.6). Handgriffe mit offenem Webspace sind nicht nur nützlich beim Ausführen feiner Fingerbewegungen mit dem Stift, sondern auch für alltägliche Aktivitäten wie Knöpfeschließen (Myers 2006).

Abb. 2.6 Webspace. (Foto: Julia Mischner)

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

Einfluss von Stabilität und Mobilität auf die Handfunktion Effektive Mobilität des Armes und der Hand basiert auf Stabilität in Rumpf und Arm. Stabilität geht der Mobilität in diesem Falle voraus. So entwickelt z. B. ein Kind die Fähigkeit, einen Gegenstand zu greifen, bevor es lernt, den Gegenstand mit den Fingern zu bewegen (Exner 2006). Die Stabilität, die durch die Sitzposition gewährt wird, sowie deren Auswirkung auf die Handfunktion wurde in Studien untersucht.

Sitzhaltung Laut einer Studie von Smith-Zuzowski u. Exner (2004) haben adäquate und nicht adäquate Sitzhaltungen einen Einfluss auf die Manipulationsfertigkeiten der Hand. Bei der Beobachtung von InHand-Manipulations-Tests schnitten Kinder umso schlechter ab, je weniger das Mobiliar ihrer Körpergröße entsprach. Bei schlechter Sitzhaltung verschlechterte sich auch die Manipulationsfertigkeit. Man geht davon aus, dass die Effizienz des Schreibprozesses und das fertige Schreibprodukt durch die Körperhaltung beeinflusst werden (Coulter et al. 1994). Die korrekte Sitzhaltung, die bei Arbeiten mit Stift und Papier eingehalten werden sollte, wird die 90 – 90 – 90 Position genannt, bei der Sprunggelenk, Knie und Hüfte im 90°-Winkel stehen.

Gelenke des Armes Für eine gute Handfunktion müssen sich die Gelenke des Armes unabhängig voneinander bewegen können. Jedes Gelenk bietet dem Gelenk, das distal von ihm liegt, Stabilität. Zum Ausführen einer Drehbewegung im Unterarm muss die Schulter stabilisiert werden können. Gelingt dies nicht, wird eine viel globalere Bewegung ausgeführt, als eigentlich beabsichtigt ist. Sollen allein die Finger gestreckt oder gebeugt werden, müssen Handgelenk, Ellbogen und Schulter stabil gehalten werden können, sonst bewegt sich der ganze Arm mit.

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Wichtig Bei der Entwicklung von Malen und Schneiden kann eine Zunahme von dynamischer Stabilität und Mobilität, beginnend beim Schultergelenk hin zu den Fingergelenken, beobachtet werden.

Der Einfluss von Umweltfaktoren auf die Handfunktion Vor allem die Entwicklung der komplexen feinmotorischen Fertigkeiten wird durch die Umwelt wesentlich beeinflusst. So haben Kinder aus niedrigerer sozialer Schicht oft weniger Zugang zu ansprechendem feinmotorischen Spielmaterial, zu Malstiften und Scheren als Kinder aus Mittelschichtfamilien. Darüber hinaus hat die Einstellung der Eltern über den Umgang mit Werkzeugen wie Scheren und Messer einen Einfluss darauf, ab welchem Alter Kinder Zugang dazu erhalten und inwieweit sie selbstständig damit umgehen dürfen. Es ist kulturbedingt verschieden, für wie wichtig das kindliche Spiel erachtet wird und damit zusammenhängend der Zugang zu Spielmaterial, das die Entwicklung manipulativer Fertigkeiten stimuliert (z. B. Perlenfädeln, Puzzle, Tischspiele). Es gibt Kulturen, in denen der Schwerpunkt mehr auf grobmotorischem Spiel liegt, oder Kulturen, die das kindliche Spiel als nicht sonderlich wichtig erachten. Verdonck und Henneberg (1997) verglichen die feinmotorischen Fertigkeiten südafrikanischer Kinder zwischen 6 und 7 Jahren. Sie fanden heraus, dass Kinder der städtischen Mittelschicht besser abschnitten als Kinder aus ärmeren ländlichen Gebieten. Auch ergonomische Faktoren, wie das vorhandene Mobiliar (Tische und Stühle), können zu den Umweltfaktoren gezählt werden. Bei Aufgaben mit Stift und Papier wird die Ausgangsposition des Kindes am Tisch durch die Stabilitäts- und Mobilitätsaspekte der oberen Extremität mitbestimmt (siehe Kap. Einfluss von Stabilität und Mobilität auf die Handfunktion).

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

Komplexe feinmotorische Fertigkeiten als Basis für den Umgang mit dem Stift

2.4.2

2

Beidhändiges Arbeiten und der Einsatz von Werkzeug Ein Kind entwickelt sich von der Asymmetrie zur Symmetrie, um von dort aus asymmetrische Bewegungen auszuführen, wie sie bei bilateralem Handgebrauch üblich sind (Exner 2010). Sobald ein Kleinkind in der Lage ist, beide Körperhälften zu dissoziieren, hat dies einen Effekt auf den Einsatz seiner Hände. Kleinkinder im Alter von 17–18 Monaten stabilisieren ihr Spielzeug mit der einen Hand, um es mit der anderen zu betasten und zu bewegen. Das effektive Halten/Stabilisieren des Gegenstands ist auch von ausreichender Stabilität der Schulter, des Ellbogens und des Handgelenks abhängig (siehe Kap. Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion; Ramsey u. Weber 1986).

Abb. 2.7 Einsatz von Werkzeug (hier: Messer) als Verlängerung der Hand. (Foto: Christian Knospe)

Einsatz bringt. Während sich die Basisfertigkeiten Reichen, Greifen und Loslassen weiter verfeinern, spielt der Einsatz von Werkzeugen ab dem 2. Lebensjahr eine immer größere Rolle (▶ Abb. 2.7).

Fazit

Beidhändiges Arbeiten Setzt sich diese Entwicklung fort, werden im Alter von 18–24 Monaten die Vorläufer des gleichzeitigen Manipulierens ausgebildet, bei dem das Kind mit beiden Händen gleichzeitig jeweils unterschiedliche Funktionen ausführt.

Wichtig Die verfeinerte Ausbildung der bilateralen Fertigkeiten ist in hohem Maße von der fortgesetzten Entwicklung des Reichens, Greifens, Loslassens und der manipulativen Fertigkeiten abhängig. Die sich fortsetzende Integration visuellperzeptiver, kognitiver und motorischer Fertigkeiten mündet darin, dass ein Kind ab ca. 2,5 Jahren bilaterale Aktivitäten wie das „Schneiden mit der Schere“ ausführt.

Angefangen beim Essen und Spielen ist der Einsatz von Werkzeug entscheidend beim Ausführen von Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Spielen und Kindergarten/Schule (Exner 2010).

Übung macht den Meister Zu Beginn lassen alle Kinder beim motorischen Fertigkeitenerwerb eine große Variation in ihren Ausführungen sehen. Je häufiger sie die Fertigkeit ausführen, desto effektiver wird ihre Strategie im Umgang mit dem Werkzeug. Gleichzeitig mit dem Einsatz von Werkzeug entwickeln sich die manipulativen Fertigkeiten, die für ein geschicktes Hantieren des Werkzeugs entscheidend sind (s. „Manipulative Fertigkeiten“, S. 100 ff.).

In-Hand-Manipulation Einsatz von Werkzeug Beim Hantieren mit Werkzeugen bedient ein Kind das Werkzeug mit seinen Händen. Der Einsatz von Werkzeugen ist komplexer als andere feinmotorische Tätigkeiten, da das Kind anstatt direkt auf einen Gegenstand einzuwirken das Werkzeug zum

Nachdem ein Gegenstand ergriffen wurde, wird er durch Bewegungen innerhalb der Hand für den weiteren Gebrauch perfekt positioniert. Exner (1990, 1992) benennt diese Fähigkeit „InHand-Manipulation“. Diese komplexe feinmotorische Fertigkeit setzt die Beherrschung der Hand-

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

Abb. 2.8 Translation von den Fingern zur Handfläche. (Foto: Christian Knospe) a Aufnahme eines kleinen Gegenstands mit den Fingerspitzen. b Translation zur Handinnenfläche. c Stabilisation des Gegenstands mit Ringfinger und kleinem Finger, sodass mit dem Daumen, dem Zeige- und dem Mittelfinger erneut ein kleiner Gegenstand aufgenommen werden kann.

bögen voraus (siehe Kap. Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion). Das Ziel dieser Aktion ist es, den Gegenstand für den Einsatz oder für das gezielte Loslassen in Position zu bringen. Die In-Hand-Manipulation findet ausschließlich einhändig statt. Es werden 5 wesentliche Formen der In-Hand-Manipulation unterschieden: ● Translation von den Fingern zur Handfläche, ● Translation von der Handfläche zu den Fingern, ● Shift: Schiebebewegung, ● einfache Rotation, ● komplexe Rotation.

Translation von den Fingern zur Handfläche Einhändiger Transport eines Gegenstands von den Fingern zur Handfläche (▶ Abb. 2.8). Der Gegen-

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stand wird mit den Fingerspitzen aufgenommen und in einer linearen Bewegung zur Handfläche transportiert. Die meisten Erwachsenen tun dies unter Einbezug der Schwerkraft, indem sie den Gegenstand in einer Rotationsbewegung des Unterarms (Supination) in die Handfläche gleiten lassen. Diese Bewegung wird ausschließlich durch die langen Fingerflexoren ermöglicht, die intrinsische Handmuskulatur wird hierbei nicht benötigt (Case-Smith 2006).

Translation von der Handfläche zu den Fingern Soll ein Gegenstand von der Handfläche zu den Fingerspitzen bewegt werden (▶ Abb. 2.9), so setzt diese Translationsbewegung ein unabhängiges Bewegen des Daumens und ein Bewegungsmuster,

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

2

Abb. 2.9 a-e Translation von der Handfläche zu den Fingern. a-b Ohne Stabilistation: Einen kleinen Gegenstand von der Handinnenfläche zu den Fingerspitzen befördern und ablegen. c-e Mit Stabilisation: Einen kleinen Gegenstand von der Handinnenfläche zu den Fingerspitzen befördern und ablegen, während sich noch weitere kleine Gegenstände in der Hand befinden und vom Ringfinger und kleinen Finger stabilisiert werden.

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen das in Flexion beginnt und in einer Extension endet voraus (Exner 2010). Diese Bewegung ist in ihrer Gesamtheit anspruchsvoller als die zuvor beschriebene Translation von den Fingerspitzen zur Handfläche.

Finger verhalten sich als eine Einheit. Beispiele von Bewegungsausführungen der einfachen Rotation sind das Öffnen eines Drehverschlusses, das Aufnehmen eines Stiftes, das Formen einer Knetkugel zwischen Daumen, Zeige-, und Mittelfinger.

Shift: Schiebebewegung

Komplexe Rotation

Die Shiftbewegung (▶ Abb. 2.10) ist eine lineare Bewegung auf der Fingeroberfläche der palmaren Seite der Hand, meist durch die Fingerbeere von Daumen, Zeige- und Mittelfinger ausgeführt. Durch diese Bewegung kann ein Griff verfeinert werden. So kann man einen Gegenstand auf der Fingerbeere umpositionieren, um z. B. einen Stift, der sich bereits in Schreibhaltung befindet, noch etwas näher an der Spitze festzuhalten, oder um z. B. zwei Blätter, die aneinander haften, in einer leichten Schiebebewegung voneinander zu lösen. Darüber hinaus werden diese feinen Schiebebewegungen beim Knöpfeschließen, Schleifebinden, Schließen von Klettverschlüssen oder beim Einfädeln von Schuhbändern eingesetzt.

Bei der komplexen Rotationsbewegung wird der Gegenstand um 180° oder mehr in der Hand gedreht (▶ Abb. 2.12). Hierfür sind unabhängige Fingerbewegungen eine Voraussetzung. Zur Rotation des Gegenstands wechseln sich Daumen und Finger in der Bewegung ab (Exner 2010). Die Finger fungieren hierbei nicht als Einheit wie bei der einfachen Rotation. Beispiele für die komplexe Rotation sind das einhändige Um-die-eigene-Achse-Drehen eines Stiftes, damit der Radierer am anderen Ende benutzt werden kann (Exner 2010), oder das Rotieren einer Büroklammer in einer Hand, um sie auf ein Papier zu schieben (Van Hartingsveldt 2006).

Einfache Rotation Die einfache Rotation (▶ Abb. 2.11) beschreibt eine Bewegung des Gegenstands mit den Fingern von weniger als 90°. Der Daumen befindet sich bei dieser Bewegung immer in Opposition, die anderen

Abb. 2.10 Shift: Schiebebewegung des Daumens: Ein Gegenstand wird mit dem Daumen zu den Fingerspitzen geschoben. (Foto: Christian Knospe)

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Wichtig Handgeschicklichkeit besteht aus einem Zusammenspiel aller manipulativen Fertigkeiten (Translation, Shift und Rotation).

Abb. 2.11 Einfache Rotation: Öffnen eines Gefäßes mit Schraubverschluss. (Foto: Christian Knospe)

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2.4 Handfunktion als Basis für den Umgang mit dem Stift

2

Abb. 2.12 Komplexe Rotation: Ein Püppchen um die eigene Achse drehen.

Vorläuferfertigkeiten der In-HandManipulation Basierend auf einer Arbeit von Eliasson u. Gorden (2000) definiert Exner (2010) Vorläuferfertigkeiten der In-Hand-Manipulation: ● Beweglichkeit und Stabilität in verschiedenen Bewegungsphasen der Supination des Unterarms, ● Stabilität des Handgelenks, ● Greifen mit opponiertem Daumen gegenüber den anderen Fingern, ● isolierte Bewegung des Daumens und des Zeigefingers, ● Kontrolle über den transversalen Handbogen (Handgewölbe), ● Dissoziation zwischen ulnarer und radialer Seite der Hand,



fortwährende Anpassung der Kraftdosierung in den Fingerspitzen.

Normen zur In-Hand-Manipulation Normen zur In-Hand-Manipulation sind derzeit nur auf Basis der Literatur zugänglich. Exner (1997; in Van Hartingsveldt et al. 2006) beschreibt, dass Kinder ab 5 Jahren durchschnittlich 5 kleine Stecker (Holzdübel oder Metallstifte) mit einer Translationsbewegung von den Fingerspitzen zur Handfläche aufnehmen können; hierbei fällt manchmal einer der stabilisierten Stecker aus der Hand. Eine Translation der Stecker zurück zu den Fingern können sie mit Stabilisation und einer Rotationsbewegung mit maximal vier Steckern durchführen. Kompensationen durch die Unterlage, die andere Hand oder den Rumpf werden von 5-Jäh-

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen rigen nur wenig angewendet. Manchmal fallen stabilisierte Stecker aus der Hand; dies geschieht selbst Erwachsenen noch.

Alter Hut: Proximal-distal-Prinzip Nach diesem Prinzip entwickelt sich die Motorik zuerst proximal in Rumpf und Kopf und darauffolgend distal in Armen und Händen. Die Beobachtung gesunder Kinder bestätigt die Annahme, dass zuerst Kontrolle über das Schultergelenk und später über den Ellbogen, das Handgelenk und die Finger erfolgt (Pehoski 1992). Nach diesem Prinzip wurde weltweit in der Ergo- und Physiotherapie gearbeitet. Man ging davon aus, dass proximale Fertigkeiten (Rumpf-, Schulterkontrolle) eine Voraussetzung für mehr distale Fertigkeiten (Ellbogen, Hand, Finger) seien. Die Therapie wurde dementsprechend gestaltet, sodass zuerst an proximalen Fertigkeiten gearbeitet wurde, bevor man sich feinmotorischen Komponenten widmete. Ebenfalls herrschte die Annahme vor, dass bei einer Verbesserung der proximalen Fertigkeiten automatisch eine Verbesserung der feinmotorischen Fertigkeiten erfolgen würde.

Proximale und distale Motorik unabhängig voneinander trainierbar Nach den tatsächlichen Zusammenhängen beider Systeme wurden in vielen wissenschaftlichen Studien geforscht. Das Prinzip ist hierbei stark unter Kritik geraten (Pehoski 1992, Pape u. Ryba 2004, Exner 2005).

ximale Stabilität tatsächlich als Voraussetzung für distale Fertigkeiten zu betrachten, so wäre diese Korrelation viel größer. Der Zusammenhang aus proximaler und distaler Motorik ist eher ein biomechanischer. Auch wenn proximale Motorik keine Voraussetzung für die distale Motorik darstellt, ist ein funktioneller Zusammenhang deutlich erkennbar. Proximale Stabilität ist zur Platzierung des Armes im Raum nötig und unterstützt die Hand während der Ausführung von Tätigkeiten. So hat die Behandlung einer proximalen Schwäche eine positive Auswirkung auf die distalen Fertigkeiten. Es muss aber betont werden, dass nicht erst die proximale Motorik trainiert werden muss, bevor man sich der distalen Motorik zuwendet, wie immer angenommen wurde (Case-Smith et al. 1989).

Schneiden Im Schneiden mit der Schere vereinen sich die Fähigkeiten zum Einsatz von Werkzeug, das beidhändig koordinierte Arbeiten und die In-Hand-Manipulation, die es dem Vorschulkind ermöglichen, effektiv mit einer Schere zu hantierten (CaseSmith 2010). Neben Betätigungen mit Stift und Papier begleiten auch Schneideaktivitäten die Vorschul- und Schulzeit des Kindes. Wird eine Schere von optimaler Größe (▶ Abb. 2.13) für die Kinderhand korrekt gehalten (▶ Abb. 2.14), werden genau

Wichtig Die Arm-/Handmotorik und die Rumpfmuskulatur werden durch zwei separate Systeme gesteuert. Dies bedeutet für die therapeutische Arbeit, dass proximale und distale Motorik unabhängig voneinander trainiert werden können. Es ist also nicht so, dass erst an den proximalen Fertigkeiten gearbeitet werden muss, bevor man den distalen Fertigkeiten Aufmerksamkeit schenken darf (Case-Smith et al. 1989, Exner 2005 u. 2006).

Klinische Studien zeigen, dass es zwischen proximaler und distaler Motorik nur einen schwachen Zusammenhang gibt (r = 0.20–0.35). Wäre die pro-

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Abb. 2.13 Optimale Schere für Kinderhände.

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2.5 Umgang mit Stift und Papier

2

Abb. 2.14 Korrekte Scherenhaltung. (Foto: Daniela Rolf)

jene intrinsischen Handmuskeln beübt, die auch für den Umgang mit einem Stift eingesetzt werden (Myers 2006).

Wichtig Das Schneiden mit einer adequaten Schere in einer korrekten Scherenhaltung trainiert die funktionelle Zweiteilung der Hand (Schneiden).

Eltern, Erzieher und Lehrer können ein Kind in seiner feinmotorischen Entwicklung allein mit dem Erlernen einer korrekten Scherenhaltung meilenweit voranbringen. Leider hat sich das Scherenangebot dahin entwickelt, dass eine korrekte Scherenhaltung erschwert wird (▶ Abb. 2.15). Sicher gut gemeint sind große Griffmulden, in die Kinder bequem 2–4 Finger hineinlegen können. Dies führt dazu, dass sich Kinder während vieler Jahre Schneidefertigkeiten aneignen, die durch große Muskeln in einer Gesamtbewegung der Hand ausgeführt werden.

Wichtig Schneiden mit der Schere ist, korrekt ausgeführt, eine exzellente feinmotorische Übung, die für Kinder aller Entwicklungsstufen angepasst werden kann.

Abb. 2.15 Kommerziell angebotene, aber unvorteilhafte Schere. Die Schere stimuliert nicht die funktionelle Zweiteilung der Hand, da die Schneidebewegung mit der gesamten Hand ausgeführt wird. (Foto: Christian Knospe)

2.5

Umgang mit Stift und Papier

Fertigkeiten mit Stift und Papier beschreiben alle Aktivitäten, bei denen gemalt und gezeichnet, mit Kreide, Bleistift oder Füller geschrieben oder mit einem Pinsel gemalt wird (Marr et al. 2003). Die Entwicklung der Fertigkeiten mit Stift und Papier beginnt mit dem ersten Kritzeln und verläuft vom Hantieren des Schreib- und Malmaterials des Kindergartenkinds hin zum Erlernen der Buchstaben nach einer bestimmten Schreibmethode beim Erstklässler. Der Wechsel von Druckschrift zur Schreibschrift führt hin zum flotten Schreiben in einer eigenen Handschrift mit Beginn der 6. Klasse. Alle diese Lernstadien sollten gut begleitet werden, sodass Kinder eine flotte, gut lesbare Handschrift erlernen und damit über eine lebenslange Fertigkeit verfügen. Malen und Ausmalen erfordern die Ausführung und Dosierung feiner Fingerbewegungen. Deshalb wird Malen als wichtige Vorbereitung auf das Schreiben betrachtet (Van Hartingsveldt et al. 2006).

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen 2.5.1

Malen

Die Malbewegungen des Kleinkinds geschehen meist zufällig. Das Kind entdeckt, dass es mit dem Stift auf dem Papier Spuren hinterlässt, und wiederholt dies zum Spaß immer wieder. Der Bewegungseinsatz geschieht aus der Schulter, der Unterarm wird meist nicht auf der Unterlage abgelegt (Levine 1991). Die „unreife“ Stifthaltung (siehe Kap. 2.5.3) wird bis zum Alter von 4 Jahren als völlig normal betrachtet (Schneck u. Henderson 1990). Die Bewegung des Stiftes in einer „unreifen“ Stifthaltung kann als eine Art Kombinationsbewegung aus Handgelenk-, Arm- und Rumpfbewegung beschrieben werden. Daumen- und Fingerbewegungen sind dabei nicht erkennbar. Im Alter von 3–4 Jahren beginnen Kinder, aus dem Handgelenk heraus auszumalen und zu zeichnen (Levine 1991). Reife Stifthaltungen (siehe Kap. 2.5.3) sind bereits in diesem Alter möglich, entwickeln sich aber gewöhnlich im Alter von 4– 6 Jahren (Schneck u. Henderson 1990). In der Übergangsphase von einer unreifen zu einer reifen Stifthaltung sind die sogenannten „Übergangsgriffe“ (siehe Kap. 2.5.3) im Alter von 3–6 Jahren zu beobachten. Der Bewegungseinsatz kommt zum Teil aus der Schulter, aber meist aus Ellbogen und Handgelenk. Der Unterarm ruht dabei fast immer auf der Unterlage. Während der Entwicklung bringt das Kind seine zufälligen Malbewegungen stets mehr unter Kontrolle. Es entstehen erkennbare Zeichen, z. B. eine Linie oder ein Kreis, und das Kind bemerkt, dass das, was es gemalt hat, etwas ähnelt, was es kennt. In dieser Entwicklungsstufe benennt das Kind Dinge, nachdem es gemalt hat. Dies geschieht allerdings noch planlos. Nach und nach werden diese Zufallsprodukte weiter ausgeschmückt. Nachdem das Kind in seiner Zeichnung etwas „erkannt“ hat, werden hier und da noch Linien, Kreise und Kritzel hinzugefügt und plötzlich wird ein Gesicht daraus. Nach und nach beginnen Kinder, ihre Zeichnungen zu planen. So entstehen einfache Bäume, Blumen und aus dem kritzligen Kreis mit 4 Ausläufern wird der Kopffüßler (Litiere 2002).

60

2.5.2

Malphasen

Kellogg (1969) unterscheidet folgende Malphasen (▶ Abb. 2.16): ● 2–3-Jährige kritzeln. Dem Produkt wird noch keine Bedeutung beigemessen (▶ Abb. 2.16). ● 3–4-Jährige beginnen hinterher zu benennen, was sie gemalt haben – zu Beginn haben sie noch keinen Plan (▶ Abb. 2.16). ● 4–5-Jährige haben von Anfang an eine Idee von dem, was sie malen wollen. Die Anordnung ist unterschiedlich. Kinder beginnen, ihre Zeichnungen mit unvollständigen Wörtern und verdrehten Buchstaben zu beschriften und zu „unterschreiben“ (▶ Abb. 2.16). ● 6–7-Jährige können alle Details malen, insofern sie ihnen bekannt sind. Diese stimmen jedoch nicht immer mit der Wahrnehmung und Realität von Erwachsenen überein (▶ Abb. 2.16). ● Ab 8 Jahre bezieht das Kind die Perspektive mit ein und die Position und Anordnung der Objekte werden immer wichtiger (▶ Abb. 2.16). Im Verlauf der Malentwicklung wachsen nicht nur das feinmotorische Potenzial des Kindes und damit die Beherrschung des Stiftes. Auch in der Abbildung von Linien und Formen ist eine deutliche Steigerung im Schwierigkeitsgrad erkennbar. Ab dem Alter von 6 Jahren hält ein Kind den Stift gewöhnlich in einer „reifen“ Stifthaltung (siehe Kap. 2.5.3). Die Merkmale reifer Stifthaltungen sind die dynamische Handgelenkkontrolle und der Einsatz intrinsischer und extrinsischer Handmuskeln, wodurch koordinierte distale Fingerkontrolle möglich ist (Edwards et al. 2002). Die Bewegungen bestehen aus Beuge- und Streckbewegungen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger, während Ringfinger und kleiner Finger beim Malen für die Stabilität der Hand sorgen.

Startklar zum Schreiben Wann sind Kinder startklar, um eine komplexe Fertigkeit wie das Schreiben zu erlernen? Es gibt kontroverse Diskussionen darüber, wann Kinder für das Schreibenlernen bereit sind. Der individuelle Entwicklungsstand, Umweltfaktoren und das Interesse des Kindes beeinflussen seine ersten Versuche und den Erfolg beim Kopieren der Buchstaben. Die Zeitspanne, in der Kinder bereit sind, um mit dem Schreiben zu beginnen, ist groß. So wäre mancher 4-Jährige bereits startklar, wo-

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2.5 Umgang mit Stift und Papier

2

Abb. 2.16 Malphasen nach Kellogg (1969). a 2–3-Jährige b 3–4-Jährige c 4–5-Jährige d 6–7-Jährige e 8-Jährige

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen hingegen einem anderen 6-Jährigen noch grundlegende Fertigkeiten fehlen.

● ● ●

Wichtig Schneck u. Amundson (2010) zählen etliche Autoren auf, die besonders betonen, dass ein Kind nicht mit dem Schreiblernprozess beginnen sollte, bevor nicht dazugehörende, grundlegende Fertigkeiten erworben wurden. Wird ein Kind ohne diese Fertigkeiten mit dem Schreibenlernen konfrontiert, führt dies zu Entmutigung und zum Aneignen fehlerhafter Gewohnheiten, die später nur mühsam zu korrigieren sind.





die Augen-Hand-Koordination, die Fähigkeit, Schreibwerkzeug zu halten, das problemlose Zeichnen von einfachen Formen, wie Kreise und Linien, die Buchstabenwahrnehmung; die Fähigkeit, die Gestalt von Zeichen zu erkennen, gleiche und ungleiche Merkmale wahrzunehmen, um davon abzuleiten, wie ein Zeichen gestaltet wird; die Fähigkeit, eine verbale Beschreibung dessen geben können, was gesehen wurde, eine Orientierung auf die Schriftsprache, was die Links-rechts-Unterscheidung beinhaltet und eine visuelle Analyse, um zu erkennen, wann eine Gruppe von Buchstaben ein Wort bildet.

Weitere mögliche Kriterien Schneck u. Amundson (2010) verfassten, basierend auf der Literatur von Bayley (2005), Beery u. Beery (2005), Tan-Lin (1981) und Weil u. Amundson (1994), eine Übersicht über die Entwicklung des Malens und beginnenden Schreibens amerikanischer Kinder (▶ Tab. 2.2). Aufgrund der großen Variabilität in der Entwicklung, v. a. bei jungen Kindern, sollten die Altersangaben nicht zu eng gesehen werden.

Andere Autoren definieren die Bereitschaft zum Schreiben auf der Basis der Kopierfähigkeit von geometrischen Formen. Beery (1997) sowie Benbow et al. (1992), legen nahe, dass das Schreibenlernen aufgeschoben werden sollte, bis ein Kind die ersten 9 Zeichen des Developmental Test of Visual Motor Integration (Beery-VMI; Beery 2010) kopieren kann. Eine Studie von Weil u. Amundson (1994) zeigte, dass Kinder, die die ersten 9 Zeichen des Beery-VMI sicher kopieren konnten, besser in der Lage waren, Buchstaben zu kopieren.

Vorläuferfertigkeiten Schneck und Amundson (2010) beschreiben, basierend auf Arbeiten von Donaghue (1975) und Lamme (1979) 6 Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten, bevor ein Kind mit Handschriftinstruktionen konfrontiert wird: ● die Entwicklung der kleinen Handmuskeln,

Entwicklung der Vorläuferfertigkeiten Um diese Vorläuferfertigkeiten zu entwickeln, können diesbezügliche Aktivitäten in den Kindergartenalltag und in die Therapiestunde einfließen. Ausgewählte Aktivitäten zielen darauf ab, feinmotorische Ansteuerung und isolierte Fingerbewe-

Tab. 2.2 Entwicklung des Malens und des beginnenden Schreibens amerikanischer Kinder. Tätigkeit ●

kritzelt auf Papier



10–12 Monate



imitiert eine horizontale und vertikale Linie und einen Kreis



2 Jahre



zeichnet eine vertikale, eine horizontale Linie und einen Kreis nach einer Motivvorlage



3 Jahre



zeichnet ein Kreuz, eine diagonale Linie nach rechts, ein Viereck, eine diagonale Linie nach links, ein Kreuz aus diagonalen Linien, manche Zahlen und Buchstaben nach Motivvorlage und manchmal auch schon seinen Namen



4–5 Jahre



zeichnet ein Dreieck nach Motivvorlage und schreibt seinen Namen schreibt die meisten Groß- und Kleinbuchstaben nach Motivvorlage nach



5–6 Jahre



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Alter

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2.5 Umgang mit Stift und Papier gungen zu entwickeln, Schreibvorläuferfertigkeiten zu fördern, Links-rechts-Unterscheidung zu unterstützen und die Orientierung bei der Schriftsprache zu verbessern.

Wichtig Ergotherapeuten müssen entscheiden, wann es für das Kind angebracht ist, an Vorläuferfertigkeiten für das Schreiben, am Schreiben selbst oder an beidem zu arbeiten (Schneck u. Amundson 2010).

2.5.3

Stifthaltung

Einer dynamischen Stifthaltung im Dreipunktgriff eilte lange der Ruf voraus, die effizienteste Stifthaltung zu sein. Forschungsergebnisse zeigen uns, dass die Stifthaltung an sich keinen wesentlichen Einfluss auf die Leserlichkeit und das Schreibtempo hat. Die Entwicklung der Stifthaltungen verläuft bei Kindern meist nach einem vorhersagbaren Schema. Ein wenig entwickeltes Griffmuster formt sich mit der Zeit zu einem voll entwickelten Griffmuster aus. Auf der Grundlage von Forschungsergebnissen haben Schneck und Henderson (1990), Edwards et al. (2002) eine Einteilung der Stifthaltungen in 3 Gruppen vorgenommen: ● unreife Stifthaltungen (Primitive Grasps), ● Übergangsgriffe (Transitional Grasps), ● reife Stifthaltungen (Mature Grasps).

Unreife Stifthaltungen Wichtig Die Kategorie der „unreifen“ Stifthaltungen ist bei Kindern bis zum Alter von 4 Jahren vollkommen normal und entspricht ihrer Entwicklung (Schneck u. Henderson 1990).

Der Stift wird bei diesen Haltungen mit der Handfläche in einem kraftvollen Handgriff festgehalten. Der Unterarm kann hierbei auf der Schreibunterlage abgelegt sein oder ohne Kontakt zur Unterlage sein. Handgelenk, Arm und Rumpf führen die Bewegungen aus, mit denen der Stift etwas zu Papier

bringt.Daumen- und Fingerbewegungen sieht man bei diesen Stifthaltungen nicht. Schreibenlernen ist mit einer unreifen Stifthaltung sehr mühsam. Zu den unreifen Stifthaltungen (▶ Abb. 2.17) zählen nach Edwards et al. (2002): ● der palmare Pronationsgriff, ● der palmare Supinationsgriff, ● der Fingerpronationsgriff, ● der Pinselgriff, ● die Stifthaltung mit gestreckten Fingern.

2

Übergangsgriffe In die Kategorie der „Übergangsgriffe“ fallen Stifthaltungen die man häufig bei Kindern sieht, die sich in der Entwicklung von einer unreifen zu einer reifen Stifthaltung befinden. Sie sind vor allem im Alter zwischen 3 und 6 Jahren zu beobachten (Schneck u. Henderson 1990). Bei Übergangsgriffen wird die Bewegung manchmal aus der Schulter, meist aber aus dem Ellbogen und dem Handgelenk initiiert. Der Unterarm ruht dabei fast immer auf der Schreibunterlage. Fingerbewegungen sind bei Übergangsgriffen nicht wahrnehmbar. Zu den Übergangsgriffen (▶ Abb. 2.18) zählen nach Edwards et al. (2002): ● der laterale Flexionsgriff, ● der statische Dreipunktgriff, ● der statische Vierfingergriff.

Reife Stifthaltungen Zur Kategorie der „reifen Stifthaltungen“ zählen Stifthaltungen, bei denen der Stift durch intrinsische und extrinsische Handmuskelbewegungen mit stabiler Handgelenkskontrolle geführt wird. Meist sieht man diese Stifthaltung ab dem Alter von 4 bis 6 Jahren (Schneck u. Henderson 1990). Zu den reifen Stifthaltungen (▶ Abb. 2.19) gehören: ● der dynamische Dreipunktgriff, ● der laterale Dreipunkgriff, ● der dynamische Vierfingergriff, ● der laterale Vierfingergriff, ● der „A-la-ronde“-Griff (interdigitaler Dreipunktgriff). Von der Fingerposition unterscheiden sich der statische und der dynamische Dreipunkt bzw. Vierpunktgriff nicht. Auch auf einem Foto ist der Unterschied nicht erkennbar. Die Bewegungen der Finger sind nur in Aktion erkennbar.

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen

Abb. 2.17 Unreife Stifthaltungen. (Foto: Christian Knospe) a Palmarer Pronationsgriff. b Palmarer Supinationsgriff. c Fingerpronationsgriff. d Pinselgriff. e Stifthaltung mit gestreckten Fingern.

Abb. 2.18 Übergangsgriffe. (Foto: Christian Knospe) a Lateraler Flexionsgriff. b Statischer Dreipunktgriff. c Statischer Vierfingergriff.

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2.5 Umgang mit Stift und Papier

2

Abb. 2.19 Reife Stifthaltungen. (Foto: Christian Knospe) a Dynamischer Dreipunktgriff. b Lateraler Dreipunktgriff. c Dynamischer Vierfingergriff. d Lateraler Vierfingergriff. e „A-la-ronde“-Griff (interdigitaler Dreipunktgriff).

Bilaterale Koordination und das Kreuzen der Körpermittellinie Ergotherapeuten beobachten das Bewegungsverhalten von Kindern unter den Aspekten von Symmetrie/Asymmetrie und der Möglichkeit zu isolierten und dissoziierten Bewegungen. Die Entwicklungsmodelle, die in der Vergangenheit zur Erklärung von Lateralisation und Dominanzentwicklung herangezogen wurden, sind unter wissenschaftlichen Kriterien fragwürdig (z. B. Theorie von Mesker). Eine Übersicht von Kraus (1997) zeigt auf, dass es aus der Literatur nur einen unzureichenden Beweis für die Korrelation zwischen der Entwicklung der Handpräferenz und dem Kreuzen der Mittellinie und für die Korrelation zwischen der bilateralen Koordination und der Entwicklung der Handpräferenz gibt (s. 6).

Symmetrieneigung Nach Njiokiktjien (2004) ist bei 5-Jährigen beim Zeichnen von Kreisen in der horizontalen Ebene eine Symmetrieneigung wahrnehmbar, die man bei jüngeren Kindern so nicht sieht. Die Aktivität des Zeichnens beidhändiger Kreise in der horizontalen Ebene, wie z. B. im Beobachtungsinstrument SPOT, ist daher geeignet, um zu beobachten, ob das Kind symmetrisch oder asymmetrisch ist oder überhaupt in der Lage, Kreise beidhändig zu Papier zu bringen. Bei der Überkreuzung der Mittellinie ist es interessant festzustellen, ob ein Kind dazu isoliert in der Lage ist oder ob es den Rumpf mitbewegt, wie z. B. beim Zeichnen einer großen, liegenden Acht, wobei sich die Kreuzung auf der Mittellinie befindet.

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen 2.5.4

Schreiben

Ist Schreiben überhaupt noch wichtig? Immer wieder hört man davon, dass das Schreiben von Hand im Zuge des Computerzeitalters keinen Stellenwert mehr hat. Diktate, Aufsätze und Abiturklausuren werden nach wie vor von Hand geschrieben. Notizen und handschriftliche Nachrichten haben alltägliche Relevanz. Trotz automatisierter Kommunikationssysteme bleibt Schreiben von Hand eine wichtige Fertigkeit des täglichen Lebens (Amundson 2010). Schreiben ist noch stets eines der am häufigsten eingesetzten Kommunikationsmittel (KNGF 2011). Laut Feder u. Majnemer (2007) begleitet uns die Fertigkeit „Schreiben“ das ganze Leben und bedarf deshalb großer Aufmerksamkeit. Eine Untersuchung von Marr et al. (2003) zeigt, dass amerikanische Kindergartenkinder ca. die Hälfte ihrer Zeit mit Aktivitäten verbringen, die feinmotorische Kompetenzen erfordern. 40 % davon werden mit Stift und Papier zugebracht. McHale und Cermak (1992) untersuchten an einer amerikanischen Mittelschichtgrundschule, wie viel Zeit Schulkinder täglich mit feinmotorischen Aktivitäten verbringen. 31–60 % des Schultages wurden mit Aktivitäten zugebracht, die feinmotorische Komponenten beinhalteten. Ein Großteil der Zeit (85 %) führten Kinder Aufgaben mit Stift und Papier durch. Insgesamt haben laut ihrer Untersuchung ca. 10 % der Kinder Schwierigkeiten im Ausführen feinmotorischer Aktivitäten.

Wichtig Die Entwicklung der Handschriftkompetenz ist nicht nur für den Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens wichtig, sondern wird auch als Bestandteil für schulischen Erfolg betrachtet (Sassoon 1990, Steward 1992).

Schreiben in der Grundschule Das Schreibenlernen fällt in die Domäne der schulischen Fertigkeiten und ist bei uns im Bildungsstandard für das Fach Deutsch verankert. Seit 2008 begleiten neue Richtlinien und Lehrpläne den Schulalltag. Das Erlernen von Kompetenzen steht

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dabei für den Schüler im Mittelpunkt. Diese erwerben sie in der Auseinandersetzung mit Aufgaben aus unterschiedlichen Anforderungsbereichen (Reproduzieren – Zusammenhänge herstellen – Verallgemeinern und Reflektieren).

Kompetenzbereiche Schreiben ist einer der 4 Kompetenzbereiche, deren Umsetzung in den sogenannten Kernlehrplänen festgehalten ist: ● Kompetenzbereich 1: Sprechen und Zuhören, ● Kompenzbereich 2: Schreiben, ● Kompentenzbereich 3: Lesen – mit Texten und Medien umgehen, ● Kompenzbereich 4: Sprache und Sprachgebrauch untersuchen. Diese umfassen standortorientierte Lehrpläne, die die zu erwartenden Lernergebnisse als fachbezogene Kompetenzen in fachdidaktisch begründeten Kompetenzbereichen beschreiben. Sie zeigen auf, in welchen Abstufungen die erwarteten Kompetenzen erreicht werden können (Ende von Klasse 2 und Klasse 4) und beschränken sich auf Kompetenzen, die für den weiteren Bildungsweg unverzichtbar sind. Außerdem bestimmen sie die Bezugspunkte für die Überprüfung der Lernergebnisse an der Einzelschule und im Land. Exemplarisch soll an dieser Stelle die Kompetenzerwartung am Beispiel „Deutsch“, Bereich „Schreiben“ dargestellt werden (▶ Tab. 2.3).

Schreibreifekriterien ohne Beachtung in Lehrplänen Die Materialdatenbank des Ministeriums für Schule und Weiterbildung z. B. des Landes NordrheinWestfalen (www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de) unterstützt die kooperative Unterrichtsentwicklung der Schulen in Nordrhein-Westfalen insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kernlehrpläne. Sie bietet den Schulen eine einfach zu handhabende Möglichkeit, unterrichtliche Hinweise, Erfahrungsberichte und selbsterstellte Materialien einzusehen und verfügbar zu machen. Sichtet man dieses Material unter der Fragestellung: Finden Schreibreifekriterien, ergonomische Faktoren und feinmotorische Komponenten als Basis für freudvolles Erlernen der Kompetenz „Schreiben“ in Lehrplänen und fachdidaktischen Hinweisen Beachtung, so muss diese Frage eindeu-

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2.5 Umgang mit Stift und Papier

Tab. 2.3 Kompetenzerwartung Schreibfertigkeit. Schwerpunkt: über Schreibfertigkeit verfügen Kompetenzerwartung am Ende der Schuleingangsphase ● ●

Kompetenzerwartung am Ende der 4. Klasse

flüssig und formklar in Druckschrift schreiben den PC als Schreibwerkzeug nutzen





tig mit Nein beantwortet werden. Aufgegriffen werden ausschließlich inhaltliche Aspekte des Schreibens.

keiten. Der Schreibprozessansatz nach Ludwig (1983) stellt die Komplexität des Schreibprozesses dar (▶ Abb. 2.20).

Schriftspracherwerb ist mehr als die Produktion von Buchstaben

Fokussierung auf reinen Schreibakt

Schreiben geht weit über die Fähigkeit der Produktion von Buchstaben hinaus und zur Textproduktion bedarf es mehr als grafomotorischer Fertig-

Ergotherapeuten soll an dieser Stelle empfohlen sein, sich in Bezug auf die Betätigung „Schreiben“ auf den reinen Schreibakt zu fokussieren, bei dem die Grafomotorik „als Entwicklung der Schreib-

Motivationale Basis 2 konzeptionelle Prozesse

Langzeitgedächtnis

Fähigkeiten Beherrschung der motorischen Prozesse

2.2 gedankliche Konzeption

der entstehende Text

2.3 Bildung eines Schreibplanes Schreibprozess

Wissen – insbes. sprachliches Wissen – auch Wissen über Schreibpläne

KontextBedingungen

2.1 Zielsetzung

Vorbereitungshandlungen

situative Bedingungen

3 innersprachliche 3.1 Textbildung Prozesse 3.2 Satzbildung 3.3 Berücksichtigung von Konventionen der geschriebenen Sprache 4 motorische Prozesse

5 redigierende Aktivitäten

4.1 Bildung eines Bewegungsprogramms 4.2

Ausführung

4.3

Kontrolle

5.1

Lesen

5.2

Korrigieren

5.3

Emendieren

5.4

Redigieren

5.5

neu fassen

Schreibprozesse

1

2

flüssig und gut lesbar in einer verbundenen Schrift schreiben Nutzen von Gestaltungs- und Überarbeitungsmöglichkeiten herkömmlicher und neuer Medien (z. B. Schmuckblätter, Korrekturlinien, Clip-Art und Rechtschreibprogramme des PC)

Anlaß, Leser, Ort, Zeit und weitere Umstände

Abb. 2.20 Schreibprozessansatz nach Ludwig (vgl. Ludwig 1983, S. 37–73).

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen fähigkeit anhand motorischer Variablen“ definiert wird (Wendler 2001, S. 110). Natürlich sollten Ergotherapeuten in der Lage sein, inhaltliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Textproduktion wahrzunehmen (z. B. Sprachauffälligkeiten, Dyslexie, Lese-Rechtschreibstörung), diese dann aber in professionelle Hände weiterzuleiten (z. B. Logopädie und Lerntherapie).

Schriftspracherwerb Im Schriftspracherwerb geht es um den Erwerb der Lese- und Schreibfertigkeiten. Man geht davon aus, dass sich beide Kulturtechniken, Lesen und Schreiben, gegenseitig bedingen (Wendler 2001). Zum Nachteil für die Kinder im Schulsystem ist der Mangel an empirisch begründeten Theorien zum Schriftspracherwerb, auf den auch die Autoren Feilke und Augst (1989) hinweisen. Ein 5-phasiges Entwicklungsmodell, das sich auf alle nennenswerten Ansätze im Bereich des Schriftspracherwerbs (Wygotski, Luria, Piaget) bezieht, wurde 1986 durch Günther entwickelt. In allen Modellen wird die Entwicklung des Schriftspracherwerbs (Rechtschreibbeherrschung und Integration der grundlegenden Rechtschreibstrategien) dargestellt:

rungswissen. Jede Phase beinhaltet eine Strategieänderung die angewendet werden muss. Der Denkentwicklung wird daher eine zentrale Rolle im Schriftspracherwerb beigemessen. Als Träger der Erwerbsstrategie fungieren Lesen und Schreiben

1. Phase: präliteral-symbolisch ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●

Strategie Nicht explizit.

2. Phase: logographemisch ●

Wichtig

● ●

Vom Wissen um Regeln („know that“) zum Erfahrungswissen („know-how“). Vom Neuling → zum fortgeschrittenen Anfänger → zur Entwicklung der Kompetenz → zur Gewandtheit → hin zum Expertentum.









Auf jeder Stufe vollzieht sich eine Strategieänderung. Der Denkentwicklung kommt im Schriftspracherwerb eine zentrale Bedeutung zu. Diese Entwicklung vollzieht sich in 5 Phasen, der jeweils eine Strategie zugeordnet werden kann.

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rezeptiver Schriftumgang produktive Bildanschauung, Symbolspiel Nachahmen von Schreibbewegungen Schreibrichtung: von links nach rechts Kritzeleien Buchstabenvorformen logografisches Schreiben (POST) Mitteilungen Abstraktionsfähigkeit (Gegenstand/Abbildung) keine Phonem-Graphem-Korrespondenz (PGK) wenn Wörter geschrieben werden, dann auswendig

● ● ●

nur von kurzer Dauer rezeptiver, visueller Schriftumgang Erfassen des Wortes als Ganzes Orientierung an Charakteristika der Wortbilder/ Sätze Wortmaterial: Erfahrungskontext (Personen, Namen) erstes produktives Umgehen: Schreiben von Namen Wortruinen, rudimentäre alphabetische Strategie, Skelettschreibung erste Wortgrenzen Schreibrichtung: von links nach rechts kommt langsam zu korrekten Buchstabenfolgen

Strategie

Schriftspracherwerb und Denkentwicklung

„Merke dir die Form und die Anordnung der Zeichen (Buchstaben).“

Günther (Günther 1986) bezieht sich mit seinem Model zur Entwicklung der Schriftsprache und Denkentwicklung auf alle nennenswerten Ansätze im Bereich des Schriftspracherwerbs. Alle Modelle beschreiben die Entwicklung des Rechtschreiberwerbs vom „Wissen um Regeln“ zum Erfah-

3. Phase: alphabetisch ●

● ●

Entdeckung des Zusammenhangs zwischen gesprochener und geschriebener Sprache zentraler Schritt des Schriftspracherwerbs reine Phonetik

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2.5 Umgang mit Stift und Papier ● ●

● ● ● ●





entfaltete alphabetische Strategie vollständige Phonem-Graphem-Korrespondenz (PGK) lautliche Durchgliederung Wortgrenzen lesen: buchstabenweise schreiben: lautgetreu unter Präferierung von Worteigenschaften (Klang, Kenntnis, Konzept) bei Kindern mit LRS (Lese-RechtschreibSchwäche): Schwierigkeiten bei der PGK Wortbeispiele: GOLBS (Columbus), Fata (Vater), UI (Mutti), NT (Ente), KSTN (Kasten), GaRTN (Garten)

Strategie „Achte auf die eigene Aussprache und schreibe für jeden Laut einen Buchstaben.“

4. Phase: orthografisch ●







● ● ●

● ● ●

deutsche Sprache: 40 Laute = 28 Buchstaben (inkl. Umlaute und Sonderzeichen) schreiben: gleiche Laute werden unterschiedlich geschrieben (Dachs – Max – Koks) lesen: Buchstaben werden unterschiedlich gelesen (Vase – viel) phonetische Umschrift mit Rechtschreibmustern: Vata (Vater), Muta (Mutter) Anwendung von Rechtschreibregeln Endungen wie -er/en und Nasale (ng) Übergeneralisierung: Oper (Opa), Coler (Cola), liler (lila) erster Grundwortschatz Umgang mit strukturellen Regelmäßigkeiten bei Kindern mit LRS: Schwierigkeiten bei der Automatisierung der Anwendung von Rechtschreibregeln und deren Ausnahmen

Strategie „Merke dir die von der Lautung abweichende Schreibung oder nutze eine dir bekannte Vorschrift (Regel) für die Schreibung.“

5. Phase: integrativ-automatisiert Diese Phase beinhaltet im Wesentlichen keine neuen Vorgehensweisen. Vielmehr werden die zuvor erworbenen Strategien gefestigt und automatisiert. ● linguistische Regeln (Regelwissen) ● Phonem-Graphem-Zuordnung ● Morpheme zum Wortaufbau



● ● ●

Erwerb weiterer orthografischer und morphematischer Strukturen visuelle Korrektur Regelwissen ver-, -ung (Anfangs- und Endsilben) z. B. Verbitterung

2

Strategie „Gliedere die Wörter in ihre Bausteine, suche nach verwandten Wortstämmen und leite die Schreibweise von diesen ab.“ Das Lesen als weiterer Bestandteil des Schriftspracherwerbs wird hier nicht weiter aufgegriffen.

Grafomotorik als Teilbereich der Textproduktion Beschäftigt man sich mit der Thematik Handschrift und ihren zugrundeliegenden Faktoren, fällt einem sehr schnell ins Auge, dass es keine einheitlichen Definitionen gibt. Je nach wissenschaftlicher Ausrichtung wird der Begriff „Grafomotorik“ unterschiedlich gefasst. Die Betrachtungsweise dieses Kapitels lehnt sich an die Erläuterung von Ziviani und Wallen an:

Definition „Grafomotorische Fertigkeiten beinhalten die konzeptionellen und perzeptiv-motorischen Fähigkeiten, die für das Malen und Schreiben nötig sind“ (Ziviani und Wallen 2006, S. 217).

Grafomotorik, Feinmotorik, Handmotorik In der Literatur werden oftmals gleichbedeutend die Begriffe Feinmotorik und Handmotorik verwendet (Stachelhaus 2003). In der Literatur findet man noch weitere Definitionen von Grafomotorik: „Unter dem Begriff ‚Grafomotorik‘ lassen sich alle Prozesse einordnen, die zu einer Produktion von grafischen Zeichen mittels der Hand und einem Schreibgerät auf einem Untergrund führen“ (Rix 2001, S. 6.). „Grafomotorik ist die mit individuellem Ausdruck versehene psychisch regulierte und sozial kommunikative Handlung der Entwicklung der Schreibfertigkeit auf Basis von grob- und fein-

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Grafomotorik und Ergotherapie – Grundlagen motorischen sowie sensorischen Fähigkeiten (Vetter et al. 2010, S. 43). „Grafomotorik stellt die Grundlage für den späteren Lese- und Schreibprozess zur Verfügung (Fischer u. Wendler 1994, S. 75).

Entwicklung der Handschrift Sie beginnt mit dem ersten Kritzeln auf Papier, das dann immer bewusster fortsetzt wird (Ajuriaguerra u. Auzias 1975; Oliver 1990). Zu den grundlegenden Prinzipien, die sowohl dem Malen als auch dem Schreiben zugrunde liegen, gehören beispielsweise die Theorien des motorischen Lernens. Aus dieser Perspektive werden Malen und Schreiben als das Erlernen einer motorischen Fertigkeit betrachtet (Motor Learning Theory). Theoretiker erklären die Kontrolle über koordinierte Bewegungen mit offenen und geschlossenen Regelsystemen. Offene Regelsysteme beinhalten kein afferentes Feedback. Geschlossene Regelsysteme beinhalten ein afferentes Feedback. Die Bewegungen können aufgrund des Feedbacks an das zentrale Nervensystem ständig adaptiert und angepasst werden (Bass-Haugen u. Mathiowetz 2002; Magill 1998). Beim Schreiben wird das zentrale Nervensystem mit unterschiedlichsten Rückmeldungen konfrontiert: ● Druck der Finger auf das Schreibgerät, ● Druck des Schreibgeräts auf die Unterlage, ● Spüren des Stiftes, ● Spüren der Bewegungen von Finger, Hand und Arm, ● visuelles Folgen des Geschriebenen. All dies dient als afferentes Feedback zum sogenannten „Update“ des zentralen Nervensystems über die Präzision des Schreibens. Auf der Basis dieses Feedbacks wird die Schreibbewegung ständig angepasst.

Malen als besondere Lernperiode Grafomotorische Fertigkeit kann als eine Kommunikationsform betrachtet werden und ist deshalb ein so wichtiger Teil der kindlichen Entwicklung. Das Malen ist eine besondere Lernperiode als Vorbereitung auf das Schreiben (Ziviani u. Wallen 2006). „Malen und Schreiben sind hochkomplexe motorische Verhaltensweisen, bei denen psychomotorische, linguistische und biomechanische Prozesse mit Reifungs-, Entwicklungs- und Lern-

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prozessen interagieren“ (Smits-Engelmann u. Van Galen 1997, S. 164–184). Grafomotorische Fertigkeiten ermöglichen dem Kind, zu experimentieren, sich während seiner Entwicklung selbst auszudrücken und mit der Umwelt in Interaktion zu treten. Darüber hinaus erlernt das Kind die grundlegende Handhabung von Schreib- und Malutensilien, die es ihm ermöglichen, ein Produkt zu erschaffen, das sozial anerkannt und geschätzt wird. In diesem Bereich tragen diese Fertigkeiten auch zur Entwicklung einer Persönlichkeit bei (Ziviani u. Wallen 2006).

Schreiben und Schreibprobleme Definition Schreiben ist das Zupapierbringen einer Botschaft. Schreiben kann als motorische Fertigkeit, als Kommunikations- und Expressionsmittel betrachtet werden.

Die Qualität des Schreibens wird beeinflusst durch (KNGF Evidence StatementEvidence Statement, KNGF 2011): ● den Inhalt der Botschaft, ● das Buchstabieren und korrekte Schreiben von Sätzen und Wörtern, ● die Lesbarkeit von Buchstaben, Wörtern und Sätzen, ● die Schreibbewegung, ● das Tempo und den Umfang.

Bei Handschriftproblemen Performanzkomponenten identifizieren Die hochkomplexe perzeptiv-motorische Fertigkeit „Handschrift“ umfasst eine Mischung aus visuellmotorischen, kognitiven und perzeptiven Fähigkeiten, der Fähigkeit zur motorischen Planung sowie der taktilen und kinästhetischen Wahrnehmung (Maeland 1992). Zur Entwicklung effektiver Interventionsstrategien bei Handschriftproblemen ist es wichtig, zugrundeliegende Performanzkomponenten zu identifizieren (Amundson u. Weil 1992), weil damit deutlich wird, welche Komponenten überhaupt in Zusammenhang mit einem Handschriftproblem stehen. Die Forschungsarbeit von Cornhill u. Case-Smith (1996) gibt uns Aufschluss über den Zusammenhang von Performanz-

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2.5 Umgang mit Stift und Papier komponenten wie Auge-Hand-Koordination, visuell-motorische Integration und In-Hand-Manipulation in Bezug auf Handschrift.

Defizite in perzeptiv-motorischen Funktionen Empirische Evidenz zeigt auf, dass Handschriftprobleme einen Zusammenhang mit Defiziten in perzeptiv-motorischen Funktionen aufweisen. Die motorischen und perzeptiven Komponenten, die einer schlechten Handschriftausführung zugrunde liegen, könnten feinmotorische Kontrolle, visuellmotorische Integration, visuelle Perzeption, Kinästhesie und sensorische Modulation beinhalten (Feder u. Majnemer 2007, Cornhill u. Case-Smith 1996). Feder und Majnemer (2007) sagen, dass der Zusammenhang zwischen visueller Wahrnehmung, Kinästhesie und sensorischer Wahrnehmung der Finger unklar bleibt, es aber eindeutige wissenschaftliche Evidenz für einen Zusammenhang zwischen feinmotorischer Kontrolle, visuellmotorischer Integration und Handschrift gibt. Etliche Studien zeigen, dass Kinder mit Handschriftproblemen ein Defizit in den feinmotorischen Fertigkeiten aufweisen (Maeland 1992, Smits-Engelmann u. Van Galen 1997, Cornhill u. Case-Smith 1996, Smits-Engelmann et al. 2001) wohingegen in anderen Studien der Zusammenhang zwischen Handschriftproblem und der visuell-motorischen Integration hervorgehoben wurde (Tseng u. Chow 2000). Ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen visuell-motorischer Integration und InHand-Manipulation (mit einer Translations- und Rotationsaufgabe) beim Ausführen eines Handschrift-Assessments. Eine Studie mit dem Forschungsziel mittels Varianzanalyse zwischen guten und schlechten Handschreibern zu unterscheiden, zeigt den größten Zusammenhang zur Performanzkomponente „In-Hand-Manipulation“.

Korrekte Handschriftinstruktion Auch ergonomische Faktoren (Sitz- und Schreibhaltung) und allem voran die Art und Weise, wie Kindern das Schreiben vermittelt wird, haben einen großen Einfluss auf das Endprodukt. Während des Schreibens gelangen orthografische Codes aus dem Langzeitgedächtnis ins Arbeitsgedächtnis und verweilen dort zur Textproduktion (Weintraub u. Graham 2000). Wenn das Kind seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich dem Schreiben der Buchstaben widmet, dann können Ideen zur Textproduktion, die sich im Arbeitsgedächtnis befinden, verloren gehen (Graham et al. 2001). In diesem Sinne ist die Vermittlung korrekter Handschriftinstruktion, für ein automatisiertes und flüssiges Schreiben erforderlich. Schreibprobleme können isoliert auftreten oder Ausdrucksform einer komplexeren motorischen Problematik (z. B. umschriebende Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität, zentral neurologische Störungen), einer Verhaltensstörung (Autismus) oder von Lernproblemen aufgrund kognitiver Einschränkungen (z. B. Lernbehinderung) sein.

2

Definition Man spricht von einem motorischen Schreibproblem wenn (KNGF Evidence Statement 2011): ● die Handschrift/das Schreibprodukt nicht oder kaum lesbar ist (Dysgrafie), ● das Schreibtempo zu langsam ist, ● die Schreibbewegung nicht erlernt wird oder Schmerzen beim Schreiben entstehen, ohne dass dies auf intellektuelle Einschränkungen zurückzuführen ist oder eine somatische Pathologie zugrunde liegt.

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Kapitel 3 Ergotherapeutische Befunderhebung bei grafomotorischen Fragestellungen

3.1

3.2

3.3

Screening Prewriting skills Occupational Therapy (SPOT)

75

McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift

76

Durchführung weiterer Tests?

84

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Befunderhebung

3 Ergotherapeutische Befunderhebung bei grafomotorischen Fragestellungen Daniela Rolf Da Betätigung in den Mittelpunkt der deutschsprachigen Ergotherapie rückt, steht am Beginn der Befunderhebung die Betätigung. In Bezug auf die isolierte Fragestellungen „Grafomotorik“ oder konkret „Handschriftprobleme“, mit der ein Kind häufig vorgestellt wird, dient ein Betätigungsprofil dem Therapeuten dazu, einen vollständigen Überblick über die Rollen und Betätigungen des Kindes zu erhalten. Oftmals kommen dadurch noch weitere „Brennpunkte“ ans Licht, die aktuell durch das vorrangige grafomotorische Problem überlagert werden. Idealerweise leitet sich eine konkrete Zielformulierung aus dem Betätigungsprofil ab, z. B. unter Einsatz des COPM (Canadian Occupational Performance Measure; Law et al. 2009) bzw. COPM a-kids (adaptierte Version des COPM für Kinder; Gede et al. 2011). In das Betätigungsprofil fließen Informationen aus den Bereichen Person, Umwelt und Betätigung ein (siehe PEO-Modell Kap. 2.1.1) ein. Im weiteren betätigungszentrierten Befunderhebungsprozess steht die Beobachtung des Kindes beim Ausführen funktioneller Fertigkeiten im Mittelpunkt. Larkin u. Cermak (2002; in: Van Hartingsveldt 2006) zeigen auf, dass eine Beobachtung von funktionellen Fertigkeiten zuverlässiger ist, wenn eine zuvor geplante Beobachtungsstrategie zur Anwendung kommt. Mehrere Autoren (Burgman 1998; Exner 2005; Larkin u. Cermak 2002; Richardson 2005; in: Case-Smith 2005) betonen, dass die ergotherapeutische Diagnostik aus der Beobachtung bedeutungsvoller Betätigungen in Kombination mit einem oder mehreren normbezogenen Tests bestehen sollte. Vorgestellt und bewertet werden an dieser Stelle: ● SPOT (Screening Prewriting skills Occupational Therapy), ● McMaster Protokoll zur Bewertung der Handschrift Deutsche Beobachtungsinstrumente sind in der Regel nicht wissenschaftlich untermauert. Sie wurden von engagierten Berufskolleginnen aus der praktischen Arbeit heraus entwickelt. Sie boten ergotherapeutischen Praktikern eine Hilfestellung bei der traditionellen Vorgehensweise in der

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Befunderhebung und Therapie bei Kindern mit grafomotorischen Fragestellungen. Praktiker haben in der Regel nur limitierten Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, darüber hinaus ist immer noch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber englischsprachiger Literatur wahrnehmbar. Vor allem in ihrer theoretischen Untermauerung sind der SPOT (Van Hartingsveldt 2006) und die Beobachtungsaufgaben des Treffpunkt (Kraus u. Sichert-Grinstead 2003; siehe Kap. 5.2) hervorzuheben, weil sie auf Betätigung ausgerichtet sind und aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich des motorischen Lernens integrieren. Es sind Beispiele dafür, wie Beobachtungsinstrumente auf wissenschaftlichem Niveau heranwachsen können.

Wichtig Instrumente auf der Basis von Betätigung entwickeln.

Es soll an dieser Stelle betont werden, dass die Entwicklung von Befunderhebungsinstrumenten zukünftig auf der Basis von Betätigung erfolgen sollte, da diese den ergotherapeutischen Gegenstandsbereich von Befunderhebung und therapeutischer Intervention/Evaluation darstellt. Ein Beispiel für ein Assessment auf dem Niveau von Betätigungsausführung ist das McMaster Protokoll zur Bewertung der Handschrift. Performanzkomponenten kommen nur dann ins Spiel, wenn es aus evidenzbasierter Sicht zu rechtfertigen ist. Dies stellt für die kommenden Jahre eine der größten Herausforderungen an unsere Berufsgruppe dar, da mit lieb gewonnenen Traditionen und Überzeugungen gebrochen wird. Zur Grundlage der Entwicklung von Assessments gehört immer die Beschreibung des Forschungsstands zu diesem Thema. Hierzu ist nicht nur der Zugang zu wissenschaftlicher Literatur nötig, sondern auch die Fähigkeit, Studien hinsichtlich ihrer Methodik und Ergebnisse zu bewerten. Instrumente, die sich auf qualitative Aspekte ausrichten, sollten wenigstens auf ihre inhaltliche Va-

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3.1 Screening Prewriting skills Occupational Therapy (SPOT) lidität und ihre Anwendbarkeit hin untersucht werden. Nach Auffassung der Autorin dieses Kapitels gehört diese Entwicklung in die Hände von Wissenschaftlern in ergotherapeutischen Zentren oder an die Hochschulen.

Screening Prewriting skills Occupational Therapy (SPOT)

3.1

Mit dem Instrument SPOT wird die Ausführung komplexer feinmotorischer Fertigkeiten im Vorschulalter und zu Beginn der 1. Klasse in Form einer standardisierten Beobachtung befundet. Hauptautorin des SPOT (Van Hartingsveldt et al. 2006) ist Margo van Hartingsveldt. Sie ist seit 1983 Ergotherapeutin und heute leitende Mitarbeiterin (Director und Assistant Professor Occupational Therapy) der Hogeschool Amsterdam. In ihrer Dissertation entwickelte sie ein betätigungszentriertes Assessement: Writing Readiness Inventory Tool in Context (WRITIC)“. Sie arbeitete 25 Jahre als Ergotherapeutin in den Niederlanden, Surinam und den niederländischen Antillen. Das in den Niederlanden entwickelte Beobachtungsinstrument SPOT heißt dort KOEK (Korte Observatie Ergotherapie Kleuters; Van Hartingsveldt 2006). WRITIC ist aktuell nur in der holländischen Version verfügbar. An der englischen Version wird gearbeitet. Das Malbuch kann auf www.hva.nl heruntergeladen werden.

3.1.1

Entwicklung

Die Entwicklung des SPOT wurde durch eine Fragestellung aus der Praxis initiiert. Grundschullehrer, an deren Schule eine der SPOT-Autorinnen 2001 tätig war, wünschten sich ein Screening bezüglich feinmotorischer Fertigkeiten für die ältesten Vorschulkinder. Da ein solches Instrument nicht verfügbar war, wurde eine erste Version entwickelt. In die weitere Entwicklung flossen die Ergebnisse eines Literaturreview ein und das Instrument wurde in 2 Expertenrunden evaluiert. Der SPOT ist für Kinder entwickelt, die: ● leichte feinmotorische Probleme haben, die nicht die Folge einer neurologischen Erkrankung sind; dies sind u. a. Kinder mit umschriebener Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (UEMF), ● geringe feinmotorische Probleme haben oder bei denen UEMF nicht bestätigt werden wurde,



leichte feinmotorische Probleme haben, die Folge einer neurologischen Erkrankung sind, wie z. B. Zerebralparese (Hemiplegie, Diplegie), Spina bifida.

Das Instrument verfügt über standardisierte Instruktionen und basiert, soweit verfügbar, auf Normen aus der Literatur. Durch die Abnahme des SPOT wird deutlich, ob ein Kind Schwierigkeiten im Ausführen vorschulischer feinmotorischer Fertigkeiten hat. Das Buch besteht aus 3 Teilen: ● Theorie, ● Beobachtung, ● ergotherapeutische Empfehlungen.

3.1.2

3

Durchführung

Der SPOT enthält Aufgaben mit Stift und Papier wie Ausmalen, eine Menschzeichnung und das Schreiben des Namens. Auch die genaue Strichführung auf unterschiedlich breiten Wegen oder das Zeichnen von Zacken und Schlingen wird beobachtet. Zusätzlich werden feinmotorische Aufgaben wie das Schneiden mit der Schere, manipulativen Fertigkeiten (In-Hand-Manipulation), beidhändiges Malen und das Kreuzen der Mittellinie durchgeführt. Die Beobachtungen können auf einer Checkliste eingetragen werden. Beobachtet werden u. a. die Sitzposition des Kindes, die Position der Arme, die Stifthaltung, die Strategien und Fertigkeiten bei den grafomotorishen Aufgabenstellungen. Auch für das Schneiden und die In-Hand-Manipulation stehen viele Beobachtungskategorien zur Verfügung. Auf einem Übersichtsblatt können die Beobachtungen zusammengefasst werden. Wie bereits erwähnt, fordern einige Autoren, dass die ergotherapeutische Diagnostik aus der Beobachtung bedeutungsvoller Betätigungen in Kombination mit einem oder mehreren normbezogenen Tests bestehen sollte. Im SPOT wird daher empfohlen, die Beobachtungen mit quantitativen Daten aus dem „Beery Developmental Test of Visual Motor Integration“ (Beery-VMI; Beery, Buktenica & Beery; 2010) und dem Handgeschicklichkeitsteil der „Movement Assessment Battery for Children, 2nd edition“ (M-ABC-2; Petermann 2009) zu ergänzen.

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Befunderhebung Im Theorieteil des SPOT Handbuches werden die Grundlagen dargestellt, auf denen die Beobachtungsaufgaben erstellt wurden. Nach den Beobachtungsaufgaben werden Ideen für therapeutische Aufgabenstellungen beschrieben.

3.1.3

Bewertung des SPOT

Mit dem SPOT ist es gelungen, eine Beobachtungsstruktur komplexer feinmotorischer Fertigkeiten vor dem Hintergrund zeitgemäßer Ergotherapie zu entwickeln. Die getroffenen Aussagen in Bezug auf Ergotherapie, Theorie und Intervention sind transparent (Quellenangaben) und dadurch nachvollziehbar dargestellt. Ein großer Nachteil ist für uns, dass das Handbuch in englischer Sprache vorliegt, wodurch die Instruktionen bei der Anwendung frei übersetzt werden müssen. Da es sich nicht um ein quantitatives Verfahren handelt, könnte über diese Schwachstelle hinweggesehen werden. Das Formular zur Dokumentation der Beobachtungen wurde bereits ins Deutsche übersetzt. Die theoretischen Hintergründe und Empfehlungen zur Therapie entsprechen zeitgemäßen Theorien und die Autorinnen treten für ein klientenzentriertes, betätigungszentriertes und evidenzbasiertes Vorgehen in der ergotherapeutischen Praxis mit Kindern ein.

McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift

3.2

Als bestätigungszentriertes Instrumentfür den Bereich Handschrift, ist das kanadische McMaster Handwriting Protocol zu nennen. Es wurde im Rahmen einer Masterthesis ins Deutsche übersetzt und inhaltlich validiert (Rolf 2009). Da häufig eingesetzte Instrumente bei den Körperfunktionen ansetzen und damit eher einen Bottom-up-Therapieprozess einleiten, ist es dringend notwendig, dass Assessments mit dem Fokus auf Betätigung den Weg in die deutschsprachige Ergotherapie finden, sodass auch wir in der Lage sind, zeitgemäße Ergotherapie in Deutschland zu realisieren. „Um Betätigung zu untersuchen, sollten betätigungszentrierte Assessments eingesetzt werden. Ansonsten läuft man Gefahr, in einem Befundungsprozess zwar mit Betätigungen anzufangen, aber bei Körperfunktionen zu enden“ (Espei u. Romein 2006, S. 114).

76

3.2.1

Ziel und Entwicklung

Schwächen in der Grafomotorik, in der Handschrift oder im Zeichnen zählen in Kanada zu den primären Gründen für die Überweisung an Kinderergotherapeuten (Burton u. Dancisak 2000). Sie werden regelmäßig gebeten, die Handschrift eines Kindes zu beurteilen, wenn sich diese scheinbar auf seine Schreibleistungen auswirkt (Amundson 2010). Das McMaster Handwriting Protocol ist, wenn wir es auf das deutsche Schulsystem übertragen, auf Kinder der 1.-4. Grundschulkasse ausgerichtet. Bei der Beurteilung der Schreibleistung eines Kindes spielt eine Reihe von Aspekten eine Rolle, ohne die eine sorgfältige Bewertung nicht möglich ist. Dazu gehören: ● Arbeitsplatz des Kindes, ● Haltung, ● Nutzung von Schreibutensilien, ● Verhalten, ● Schreibgeschwindigkeit, ● Leserlichkeit, ● Inhalt. In Kanada bedienten sich Ergotherapeuten bislang mehrerer Instrumente zur Handschriftbewertung. Eine Kombination von standardisierten und empirischen Bewertungen wurde eingesetzt. Keines der verwendeten Instrumente konnte jedoch eine Hilfestellung bei der anschließenden Entscheidungsfindung für die Intervention bieten.

Wichtig Das McMaster Handwriting Protocol hat zum Ziel, bei der Feststellung der spezifischen Problembereiche eine Richtung vorzugeben und dadurch die Entscheidung zu erleichtern, ob und an welcher Stelle die Therapie ansetzen könnte.

Analysieren der Schreibfertigkeit Das Protokoll zur Handschriftbewertung ist dazu da, die Schreibfertigkeit zu analysieren. Es ist nicht dafür gedacht, eine komplette Beurteilung der Leistungskomponenten zu erstellen, die für ein effektives und erfolgreiches Schreiben mit der Hand nötig sind. Beobachtungen, die während der Durchführung dieses Assessments gemacht wur-

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3.2 McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift den, können den Bedarf an weiterführenden Tests für zugrundeliegende Leistungskomponenten aufzeigen.

Entwicklung Das McMaster Handwriting Protocol hat seinen Ursprung 1994. Das sogenannte „Blue Book“ wurde zur Beurteilung von Kindern im Vorschul- und Grundschulalter als ein günstiges und einfach zu handhabendes Werkzeug für Ergotherapeuten veröffentlicht, um Kinder mit Schwächen im Schreiben von Hand zu beurteilen. Da in ein Befunderhebungsinstrument die aktuellen Forschungsergebnisse und Lehrplanvorgaben miteinbezogen werden sollten, wurde das Buch 2006 aktualisiert. Darüber hinaus war es den Autoren besonders wichtig, dass das Protokoll eine Hilfestellung bei der klinischen Entscheidungsfindung im Anschluss an die Beobachtung des Schreibens bietet. In Kanada arbeiten Ergotherapeuten im Schulsetting häufig auf sich gestellt und ihnen fehlt der Kontakt zu erfahrenen Praktikern, von denen sie lernen können oder die ihnen bei dieser Aufgabe zur Seite stehen. ▶ Erster Entwurf 2006. 2006 wurde der erste Entwurf des Protokolls zur Handschriftbewertung erstellt und im Rahmen eines Pilotprojekts in der Hamilton-Region (Kanada) an Kindern getestet, die ergotherapeutisch betreut wurden. Anschließend wurde das Protokoll von Ergotherapiestudenten der McMaster University im Rahmen ihres Praktikums eingesetzt. Das Feedback der Studenten diente der Entwicklung des zweiten Entwurfs. ▶ Pilotstudie 2007. Anfang 2007 wurden auf der Homepage von CanChild (www.canchild.ca) praktisch tätige Ergotherapeuten aufgerufen, an einer Pilotstudie zum Protokoll teilzunehmen. 14 kanadische Ergotherapeuten beteiligten sich und gaben Rückmeldung zur Praktikabilität, zur Verständlichkeit des Protokolls und zur inhaltlichen Validität. Auch zu den neu hinzugefügten Forschungsergebnisse und Bewertungsbeispielen wurde Feedback eingeholt. Die Ergebnisse der Studie wurden ausgewertet und in die 2. Version des Protokolls eingearbeitet. Aktuell ist die 3. Version auf Englisch auf der Homepage von CanChild verfügbar.

3.2.2

Durchführung

Nachdem die Fragestellungen für die Ergotherapie mit dem Kind und seiner Familie z. B. unter Einsatz des COPM (Law et al. 2009) oder COPM a-kids (Gede et al. 2011) geklärt wurden, besteht der nächste Schritt im betätigungszentrierten Therapieprozess aus einer Beobachtung und Analyse der Ausführung der als problematisch erfahrenen Betätigungen. Die Bewertung der Handschrift mit dem McMaster Handwriting Protocol besteht aus mehreren Teilen und sollte, wenn möglich, im natürlichen Lernumfeld des Kindes durchgeführt werden. Dies gestaltet sich in Deutschland noch schwierig, kann aber z. B. in der ambulanten Ergotherapie im Rahmen der Integration ins Umfeld realisiert werden. Die Beurteilung kann auch beim Kind zu Hause stattfinden. Hier sollte die Beobachtung am typischen Arbeitsplatz durchgeführt werden. Das Protokoll setzt sich aus 4 Teilen zusammen:

3

1. Vorabinformationen einholen Hier werden der Vorstellungsgrund, das Anliegen von Kind, Eltern und Lehrer sowie wichtige Untersuchungsergebnisse (z. B. Sehtests, aktuelle Gutachten) festgehalten. Wenn das Protokoll nicht in der Schule durchgeführt werden kann, sollen relevante Informationen zum Arbeitsplatz in der Schule und zu Hause unbedingt eingeholt werden. Diese Erhebung kann persönlich oder telefonisch oder auch unter Einsatz eines Fragebogens durchgeführt werden.

2. Beobachtungen im Klassenzimmer Während der Durchführung der Bewertungsaufgaben wird der Arbeitsplatz, die Arbeitshaltung, das Verhalten und die Motivation des Kindes als „angemessen“ oder „nicht angemessen“ bewertet.

3. Durchführung der Bewertungsaufgaben Während der Durchführung der Bewertungsaufgaben wird die beobachtete Stifthaltung in einer Übersicht eingeordnet und mehrere Items zum Umgang mit Stift und Papier bewertet. Auf Grundlage des Manuals erschließt sich dem Anwender, was in Bezug auf jedes Beobachtungsitem als „an-

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Befunderhebung gemessen“ oder „nicht angemessen“ zu betrachten ist. Die Kriterien werden auf Basis nachvollziehbarer wissenschaftlicher Evidenz und unter Angabe von Quellennachweisen dargestellt.

Bewertungsaufgaben Zu den 4 Bewertungsaufgaben erhält der Anwender eine Vorgabe und lose Instruktion. Insgesamt führt jedes Kind 4 Bewertungsaufgaben durch. 1. Schreiben aus dem Gedächtnis: Je nach Alter schreibt das Kind etwas aus dem Gedächtnis auf, z. B. seinen Vornamen, die Zahlen 1–10. 2. Abschreiben von der Tafel: Ein altersentsprechender Text wird aus einer Entfernung von 180–240 cm abgeschrieben. Hierzu werden die kopierten Textpassagen auf einer Höhe von 122 cm vom Boden angebracht. Vor dem Beginn der Aufgabe stellt man sicher, dass das Kind die Passage lesen kann. 3. Abschreiben vom Blatt: Der abzuschreibende Text befindet sich ca. 7,5 cm vom Schreibblatt des Kindes entfernt. Das Kind wird aufgefordert, die entsprechende Passage oder das Wort auf das Papier zu schreiben. Hierbei wird die Zeit gestoppt. 4. Diktat: Das Kind schreibt einen vorgelesenen Satz mit; hierbei wird die Zeit gestoppt. 5. Aufsatz: Das Kind verfasst einen kurzen Aufsatz. Hierbei kann man folgende Erwartungen stellen: ● Klasse 1 (Deutschland; entspricht kanadischer Vorschule): kein Aufsatz, ● Klasse 2: Schreiben eines einfachen, aber vollständigen Satzes zu einem Thema nach Wahl, ● Klasse 3: Schreiben eines kurzen Absatzes zu einem Thema (2–3 Sätze), ● Klasse 4: Schreiben eines Absatzes zu einem Thema.

Analyse Schulklassenspezifisch können Statements zum Erscheinungsbild und zum Inhalt der Schreibprobe angekreuzt werden. Der Protokollbogen (▶ Abb. 3.1) bietet viel Platz für eine Zusammenfassung aller Beobachtungen und die Ableitung spezifischer Ziele für die Behandlung. Die Fallbeispiele im Anhang des Manuals sollen helfen, der ergotherapeutischen klinischen Entscheidungsfindung eine Richtung zu geben. Bei der Bearbeitung der Fallbeispiele ist für deutsche Ergo-

78

therapeuten sicher auffallend, dass kaum weitere quantitative Befunderhebungsinstrumente zum Einsatz kommen und direkt an der Betätigung Schreiben gearbeitet wird. Folgenden Materialien werden für die Abnahme des Protokolls benötigt: ● Protokoll, ● Maßband, ● Textbeispiele, ● Schreibutensilien, ● Stoppuhr, ● Papier/Hefte, die in der Schule verwendet werden, ● Klebeband.

Deutsche Version des Protokolls

3.2.3

Die deutsche Version des McMaster Handwriting Protcol wurde im Rahmen einer Masterarbeit erstellt (Rolf 2009). Für die Übersetzung und Validierung des McMaster Handwriting Protocol wurden die kanadischen Schreibbeispiele in Zusammenarbeit mit einer Grundschullehrerin für den deutschen Kontext angepasst Ein ergotherapeutisches Expertenpanel von 19 Ergotherapeuten nahm an einer Studie zur inhaltlichen Validität und Anwendbarkeit des Instruments im deutschen Kontext teil. Für die Bestimmung der inhaltlichen Validität ist es von zentraler Bedeutung, wie repräsentativ jedes Item des McMaster Handwriting Protocol zur Beurteilung der Betätigung „Schreiben“ ist. Wie in den Empfehlungen von Lynn (1986) beschrieben wird, reicht es nicht aus, die Experten zu fragen, ob sie ein Item als „inhaltsvalide“ bezeichnen oder nicht. Zur Bestimmung der inhaltlichen Validität wird zu jedem Item erfragt, inwieweit es repräsentativ genug ist, um zur Beurteilung der Betätigung „Schreiben“ herangezogen zu werden. Zur eindeutigen Verständlichkeit jeder Frage wurden Aussagen oder Feststellungen formuliert, die sich ausschließlich auf einen Sachverhalt beziehen. Neben den geschlossenen Fragen, die dazu dienten, bestimmte Daten zu ermitteln, wurden in Form explorativer Fragen Vorschläge und Meinungen zum McMaster Handwriting Protocol erfasst. Eine deutsche Übersetzung der ersten Version darf in Rücksprache mit den Autorinnen in Rahmen von Weiterbildungen/Fortbildungen ausgegeben werden.

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3.2 McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift

Appendix B Bewertungsformulare McMaster Protokoll zur Handschriftbewertung Ausführliche Anweisungen und Informationen finden Sie im Handbuch. Name:

Klasse:

Geburtsdatum:

Alter:

Gutachter:

Datum:

3

I. Vorabinformation Füllen Sie den folgenden Abschnitt vor dem Treffen mit dem Schüler aus. Grund der Überweisung: Anliegen des Lehrers: Anliegen der Eltern: Anliegen des Schülers: (falls angemessen) Relevante Historie aus der Schülerakte: (z.B. aktuelle Sehtests, Gutachten) II. Beobachtung im Klassenzimmer Füllen Sie den folgenden Abschnitt beim Beobachten des Schülers in seiner natürlichen Lernumgebung aus. Vollstzändige Beschreibung finden Sie im Handbuch. Arbeitsplatz:

angemessen

nicht angemessen

Tischhöhe





Stuhlgröße





Tischpositionierung





Umgebung





Kontrolle der Haltung:

angemessen

nicht angemessen

Ausrichtung Kopf/Rumpf





Position der Füße





Stabilisierung des Unterarms





Sitzposition auf dem Stuhl





angemessen

nicht angemessen

Aufmerksamkeit





Aktivitätsniveau





Motivation





Verhalten:

Kommentare zum Arbeitsheft:

Abb. 3.1 Protokollbogen.

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Befunderhebung

III. Tests Füllen Sie diesen Fragebogen während der Bearbeitung von Schreibaufgaben aus. Entnehmen Sie bitte dem Handbuch die schulalter-typischen Schreibaufgaben (Tabelle 1) und weitere Anweisungen. Benutzung von Schreibutensilien und -materialien: Beschreiben Sie die Schreibutensilien, das Papier und alle zusätzlichen Utensilien, die während der Bewertung benutzt wurden:

Schreibhand?

□ rechts

□ links

□ wechselhaft

Kommentare:

Welcher Griff kommt dem Griff des Kindes am nächsten, wenn es seine typischen Schreibutensilien benutzt? □ radial-palmarer Griff

□ palmarer Supinationsgriff

□ Stifthaltung mit einwärts gedrehten Fingern

□ Quastgriff

□ Stifthaltung mit gestreckten Fingern

□ Daumengriff

□ statischer Drei-Punkt-Griff

□ Vierfingergriff

□ lateraler Drei-Punkt-Griff

□ dynamischer Drei-Punkt-Griff

□ Sonstige (beschreiben): Effektive Stabilisierung des Papiers mit der Nicht-Schreibhand?



ja



nein

Ausreichend Druck auf dem Stift?



ja



nein

Druck des Stiftes auf dem Papier ausreichend?



ja



nein

Benutzt der Schüler den Stift in einer kontrollierten Weise?



ja



nein

Wird der Stift im richtigen Winkel zum Papier gehalten?



ja



nein

Ausrichtung des Papiers angemessen?



ja



nein

Beschwert sich der Schüler über Schmerzen oder Müdigkeit?



ja



nein

Zeit für die Schreibaufgabe: Zur Bestimmung der Schreibgeschwindigkeit, siehe Abschnitt IV-Analyse Schreibaufgabe

Geschwindigkeit

Abschreiben vom Blatt

Sekunden

Diktat

Sekunden

Beobachtungen und Komentare: (Verhalten, Haltungsabweichungen im Vergleich zum Kassenzimmer, ect.)

Abb. 3.1 Fortsetzung; Protokollbogen.

80

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3.2 McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift

IV. Analyse Füllen Sie diesen Abschnitt nach Abschluss der Begutachtung aus. Handschriftgeschwindigkeit: Beispielberechnung siehe Seite 11 Schreibaufgabe

Geschwindigkeit

Abschreiben vom Blatt

Buchstaben/Minute

Diktat

Buchstaben/Minute

3

Chekliste für die Handschriftanalyse: Nach der Prüfung der Schülerarbeiten, machen Sie Häckchen neben den Aussagen, die die identifizierten Schwierigkeiten beschreiben. Fangen Sie in den Abschitt für die Vorschule an und verfahren Sie bis zum aktuellen Jahrgang des Schülers fort. Füllen Sie alle Abschnitte einschließlich des Schulgrads des Schülers aus bezüglich des Erscheinungsbildes und Inhalts des Schreibmusters. Erscheinungsbild: Vorschule



ungenaue Buchstabenbildung



häufiges Ausradieren oder Schmierereien



mangelhafte Qualität der Linien, z.B. zu hell/zu dunkel oder wechselhaft

1. Klasse



inkonsistenter Abstand zwischen den Buchstaben bzw. Wörtern



inkonsistente Buchstabengröße

ab der 2. Klasse



mangelhafte Beachtung der Grundlinie



mangelhafte Randnutzung



mangelhafte Seitenorganisation



orthografische Fehler in einfachen, häufig vorkommenden Wörtern, z.B. the (der)

Inhalt: 1. Klasse 2. Klasse

ab der 3. Klasse



eingeschränkte Produktivität für das Schuljahr (Erwartungen, siehe Handbuch)



phonetische Lautschrift dominierend



mangelhafte Nutzung der phonetischen Fertigkeiten, z.B. nicht phonetische Buchstabierungsfehler



Auslassung der Buchstaben



Umstellung, z.B. „saw“ für „was“



verkehrte Schreibweise der Buchstaben, z.B. „b“ für „d“



Buchstabenverdrehungen, z.B. „b“ für „p“



Vermischung von Groß- und Kleinbuchstaben



Fehler oder Auslassungen in der Zeichensetzung



Fehler oder Auslassungen in der Großschreibung



Auslassungen oder Wiederholungen der Wörter



zu einfaches Vokabular



mangelhafte Abfolge oder Anbindung von Ideen

Abb. 3.1 Fortsetzung; Protokollbogen.

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Befunderhebung

Zusammenfassung und Synthese/Analyse:

Ziele/Empfehlungen/Plan:

Abb. 3.1 Fortsetzung; Protokollbogen.

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3.2 McMaster-Protokoll zur Bewertung der Handschrift

Vorgehensweise bei der Studie zur Bestimmung des Content Validity Index (CVI)

Abb. 3.2 Bewertungsergebnisse: Niklas’ Arbeitsplatz ermöglichte eine korrekte Sitzposition während der Aufgabe. Er ist Rechtshänder und hat konsequent den Vierfingergriff benutzt (h). Während der Arbeit übte er einen angemessenen Druck und Kontrolle auf das Schreibwerkzeug aus. Es wurden keine Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. Bei der Analyse des Schreibmusters wurde folgendes beobachtet: (1) Vermischung von Klein- und Großbuchstaben, (2) schwache Buchstabenbildung, (3) ungleicher Abstand zwischen den Buchstaben und Wörtern, (4) ungleiche Buchstabengröße und (5) Verwechslung von Buchstaben und Zahlen. Niklas’ Arbeit zeigt, dass er Probleme mit der räumlichen Gestaltung hat, die die Qualität seiner Handschrift beeinträchtigen. Anhand dieser Ergebnisse würde der Ergotherapeut visuelle Strukturen und Strategien zur Anwendung bringen, um die räumliche Gestaltung beim Schreiben zu unterstützen. (© N. Pollock, J. Lockhart, L. Farhat, J. Jacobson, J. Bradley, & S. Brunetti, 2008; Deutsche Übersetzung: Daniela Rolf. November 2008.)

Bei Rückfragen hierzu wenden sie sich an D. Rolf [email protected]

Bestimmung von Reliabilität bzw. Interrater Agreement (IRA) Hierbei wurde in der Studie im Rahmen der Validierung ermittelt, „in welchem Ausmaß die Experten reliabel in ihren Bewertungen sind“ (McGartland et al. 2003, S. 97). Das „Interrater Agreement“ wurde für die Bereiche „Repräsentativität“ und „eindeutige Formulierung“ berechnet. Zur Bestimmung des IRA der gesamten Skala werden alle Items, die zu 100 % übereinstimmend bewertet wurden, durch die Anzahl der Items geteilt. Zur Berechnung des Gesamt-IRA wurden alle Items ab einer Übereinstimmung von 0,80 herangezogen.

Zur Ermittlung der inhaltlichen Validität jedes Items und des McMaster Handwriting Protocol insgesamt wurde ein Content Validity Index (CVI) gebildet. Für diese Berechnung werden ausschließlich die Daten zur „Repräsentativität“ herangezogen.

3

Ergebnisse Die deutsche Übersetzung des McMaster Handwriting Protocol verfügt über eine sehr befriedigende inhaltliche Validität, bei einem CVI für das gesamte Protokoll von 1,0. Die Bewertungen der Experten ergaben eine Übereinstimmung von 100 % in Bezug auf die Repräsentativität der Items und eine Übereinstimmung von 70 % in Bezug auf die eindeutige Formulierung der Items.

Wichtigste Bereiche zur Handschriftbewertung Die Experten sind der übereinstimmenden Meinung, dass mit dem McMaster Handwriting Protocol die wichtigsten Bereiche zur Handschriftbewertung bei Kindern identifiziert werden können. 83 % der Experten sind der Meinung, dass die Bewertungsaufgaben altersentsprechend sind, und die Mehrheit findet das Protokoll einfach zu verstehen. 92 % bestätigen eine ausreichende Evidenz der Bewertungsitems und finden den Aufbau des Protokolls logisch. 75 % der Experten erachten das Protokoll als hilfreich beim Treffen klinischer Entscheidungen (z. B. für den weiteren Befunderhebungsprozess).

Betätigungzentrierung Insgesamt geht aus der Beschreibung des allgemeinen Eindrucks vom McMaster Handwriting Protocol hervor, dass dieses Befunderhebungsinstrument auf Betätigung ausgerichtet ist und von den befragten Berufspraktikern gerne angenommen wird.

Verbesserungsmöglichkeiten Wünschenswert sind Bewertungsbeispiele in deutscher Sprache, ein vertieftes Eingehen auf das kindliche Verhalten, die Berücksichtigung der Koordination sowie Übungen, bei denen Kinder von

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Befunderhebung einer realen Tafel abschreiben und nicht von einem Ausdruck, der in einer bestimmten Entfernung aufgehängt wird.

Bewertung des McMasterProtokolls

3.2.4

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Praktikalibiltät und die inhaltliche Validität des Protokolls in unserem deutschen Kontext und haben Fragen für weitere Entwicklungen in Deutschland aufgeworfen. Vor dem Hintergrund zeitgemäßer theoretischer Grundlagen ist es jedoch nicht ausreichend ein betätigungszentriertes Instrument anzuwenden, ohne die Konzeptionen der Klientenzentrierung, Evidenzbasierung und Top-Down-Vorgehensweise im ergotherapeutischen Prozess implementiert zu haben.

Wichtig Werden im Anschluss an das Protokoll standardmäßig gezielte Beobachtungen gemacht und ein visueller Wahrnehmungstest abgenommen, dessen Ergebnisse dann die Basis der darauf aufbauenden Zielformulierung darstellen, wurde der Weg der Betätigungzentrierung bereits wieder verlassen.

3.3

Durchführung weiterer Tests?

Standardmäßig machte laut einer Erhebung der DVE-Projektgruppe „Befundinstrumente in der ergotherapeutischen Praxis“ (2010) ein visueller Wahrnehmungstest in Deutschland neben den gezielten Beobachtungen der sensorischen Integration einen großen Teil der ergotherapeutischen Befunderhebung aus. Der Beitrag der Projektgruppe veranschaulicht die auf „Körperfunktionen“ ausgerichtete Tendenz in der ergotherapeutischen Vorgehensweise bis 2004 und stellt den Mangel an „auf Betätigung“ ausgerichteten Befunderhebungsinstrumenten anschaulich dar. Seit 2004 ist viel Zeit vergangen, jedoch bleibt ein visueller Wahrnehmungstest in der Befunderhebung, v. a. bei Fragestellungen rund um Stift und Papier, vermutlich ein Klassiker. Die Fragestellung „Handschriftprobleme“ sollte nicht im Rahmen einer Standardbefunderhebung

84

auf dem Gebiet der Körperfunktionen beleuchtet werden, sondern vor dem Hintergrund der Frage: „Welche Funktionsstörungen und Einschränkungen in Fertigkeiten stehen mit einer schwachen oder dysgrafischen Handschrift in Zusammenhang?“. Diese Frage beantwortet das EvidenceStatement zu „motorischen Schreibproblemen“ des niederländischen Verbandes der Physiotherapeuten (KNGF 2011). Empfohlen wird, die weiterführende Testabnahme immer vor den formulierten Hypothesen, das individuelle Kind betreffend, abzuwägen. Im Anschluss an das Evidence Statement werden zwei Tests zur visuellen Wahrnehmung, der FEW2 und der Berry-VMI beschreiben.

Empfehlungen des EvidenceStatement „motorische Schreibprobleme“

3.3.1

Visuell-motorische Integration Im Folgenden werden die Empfehlungen der Arbeitsgruppe des KNGF Evidence-Statement (2011) zu motorischen Schreibstörungen in Bezug auf die Befunderhebung auf dem Gebiet der Körperfunktionen (KNGF Evidence Statement 2011, S. 18) zitiert: ● „Die Projektgruppe empfiehlt die Abnahme des ‚Beery-Buktenica Developmental Test of VisualMotor Integration‘ (VMI; Beery et al. 2010), wenn eine Beobachtung und Analyse des Schreibens vermuten lassen, dass es Schwierigkeiten in der visuell-motorischen Integration oder beim Erlernen von Buchstaben gibt.“ (KNGF Evidence Statement 2011, S. 18) ● „Die Projektgruppe rät vom Einsatz des BeeryVMI ab, wenn damit Handschriftprobleme aufgespürt werden sollen. Zu diesem Zweck muss ein Instrument eingesetzt werden, das die Schreibfertigkeit misst.“ (KNGF Evidence Statement 2011, S. 18) ● „Dies bedeutet, dass der Beery-VMI nicht zu einer ‚Standard-Testbatterie‘ bei Kindern mit Schreibproblemen gehört. Vermutet man bei der Abnahme einer Schreibanalyse Schwierigkeiten in Bezug auf die visuell-motorische Intergration oder Buchstabenformung empfiehlt die Projektgruppe die Abnahme des VMI inklusiv der ergänzenden Tests ‚Visuelle Perzeption‘ und ‚Motorische Koordination‘ “ (KNGF Evidence Statement 2011, S. 18).

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3.3 Durchführung weiterer Tests? ●

„Da aus wissenschaftlicher Perspektive die Sprachfertigkeit zunimmt und der Einfluss der motorischen Fertigkeit abnimmt, wird von einer Standardabnahme des Beery-VMI ab der 2. Klasse bei Kindern mit Handschriftproblemen abgeraten und ausschließlich im Falle vieler Fehler bezüglich Buchstabenform und räumliche Aspekte betreffend angeraten.“ (KNGF Evidence Statement 2011, S. 18.)

Cave „Durch die Zusammenstellung und Berechnung des Gesamtwertes des M-ABC-2 werden Kinder, die ausschließlich Schwierigkeiten in der Handschrift haben, nicht schlecht abschneiden. Hierfür müssen spezifische Schreibtests zur Anwendung kommen!” (KNFG EvidenceStatement 2011)

3

Kinästhesie Aufgrund der Literaturlage „ist anzunehmen, dass weder die Abnahme eines Tests noch das Trainieren der Kinästhesie für schwache Schreiber einen Mehrwert darstellen (Lord u. Hulme 1987, Tseng u. Murray 1994, Copley u. Ziviani 1990, Ziviani u. Wallen 2006)“ (KNGF EvidenceStatement, 2011).

Motorik/Feinmotorik Zur Thematik der Motorik/Feinmotorik ist anzumerken, dass motorische Tests immer nur einen Teilbereich abdecken können. „Darum ist es von Wichtigkeit zu betonen, dass ein motorischer Test immer nur ein Hilfsmittel bei der klinischen Begründung darstellt.“ (Smits-Engelsman u. Niemeijer 2010, in: KNGF Evidence Statement 2011, S. 24). In der praktischen Arbeit kann der M-ABC (Version 1 oder 2) eingesetzt werden, um zu analysieren, ob die Handschriftschwierigkeiten Teil eines allgemeinen motorischen/oder die Handgeschicklichkeit betreffenden Problems sind. Aufgrund der Studienlage empfiehlt die Projektgruppe des KNGF Evidence Statement (2011) auch die Überprüfung der Fingerbewegungen. Hierzu eignen sich die Finger-Daumenopposition nach der Methode Largo (Largo et. al 2001, in: KNGF Evidence Statement 2011, S. 23) bei Kindern von 5–18 Jahren sowie eine Aufgabe zur In-Hand-Manipulation, am besten nach der Methode, wie sie im KOEK/SPOT (Van Hartingsveldt 2006; siehe Kap. 3.1) beschrieben wird, als Unterteil der Analyse durchzuführen, um herauszufinden, ob das Kind über ausreichende feinmotorische Fertigkeiten für Schreibaufgaben verfügt. (KNFG Evidence Statement 2011, S. 23) Die Projektgruppe empfiehlt eine Nachspuraufgabe in die Analyse mit einzubeziehen. Diese Aufgabe kann mit dem M-ABC-2 oder Beery-VMI, abhängig von der individuellen Hypothesenformulierung für ein Kind, abgenommen werden.

Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung (FEW-2)

3.3.2

Dieses standardisierte Testverfahren dient der quantitativen Erfassung visueller und visuomotorischer Leistungen bei Kindern im Alter von 4– 9 Jahren. Die Autoren (Büttner et al. 2008) haben mit dem FEW-2 die deutsche Bearbeitung des Developmental Test of Visual Perception 2 (DTVP-2), der seit 10 Jahren in der Therapie und Rehabilitation von Kindern mit Entwicklungsstörungen einen festen Platz hat, abgelöst. Mit der Überarbeitung sollten bedeutsame Mängel und methodische Schwierigkeiten aus der Zeit des Frostig-Entwicklungstests überwunden werden.

Subtests Insbesondere die explizite Trennung in motorikfreie (motorikreduzierte) und motorikabhängige Anteile erlaubt jetzt eine differenzierte Beurteilung der visuellen Wahrnehmung, die in 8 Subtests durchgeführt wird: 1. Auge-Hand-Koordination, 2. Lage im Raum, 3. Abzeichnen, 4. Figur-Grund, 5. räumliche Beziehungen, 6. Gestaltschließen, 7. visuomotorische Geschwindigkeit, 8. Formkonstanz. Jeder der 8 Subtests misst einen Teilbereich visueller Wahrnehmungsfähigkeit – klassifizierbar als Lage im Raum, Formkonstanz, räumliche Beziehungen oder Figur-Grund. Das Testmaterial wurde – soweit möglich – für den deutschen Sprachraum übernommen und teilweise an den deutschen

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Befunderhebung Sprachgebrauch angepasst bzw. präzisiert und erweitert. Die Itemreihenfolgen der amerikanischen Originalversion wurden teilweise verändert, das Layout und die Bewertungsrichtlinien einiger Subtests zum Teil etwas modifiziert. Für die Testabnahme benötigt man durchschnittlich 40 Minuten, hinzukommen 10–15 Minuten für die Auswertung. Das Material und die Durchführung sind durchgehend standardisiert.

Normierung Zur Normierung wurden Daten von 1436 Kindern aus unterschiedlichen deutschen Regionen und aus Wien erhoben. Das Geschlecht und Migrationshintergründe wurden berücksichtigt.

Gütekriterien Zur Einschätzung der inhaltlichen Validität führen die Autoren unterschiedliche Studien mit anderen Testverfahren an – diese sind leider 20 oder mehr Jahre alt. Es werden Trennschärfeanalysen vorgelegt, die sich nur auf die Untertests in Bezug auf den Gesamttestwert (globale visuelle Wahrnehmung) beziehen; Itemkennwerte fehlen. Eine Faktorenanalyse liefert zunächst einen einzigen Faktor, den die Autoren als „Globale visuelle Wahrnehmung“ interpretieren. Ein 2. Faktor mit einem Eigenwert kleiner als 1 stützt in Ansätzen die Zuordnung der Untertests zu den Indexwerten, Aussagen zur Varianzaufklärung der Faktoren fehlen. Laut einer neueren Studie zur Reliabilität (Beuthan et al. 2011) wurden deutlich niedrigere Werte erreicht als empfohlen.

Interpretation der Ergebnisse Für die Interpretation der Untertests werden Wertebereiche definiert und als durchschnittlich, unter dem Durchschnitt, schwach oder sehr schwach interpretiert. Von einer Interpretation auf Basis einzelner Subtests wird abgeraten.

Bewertung des Instruments in Bezug auf Fragestellungen mit Stift und Papier In der Literatur finden sich keine Empfehlungen zur Abnahme des FEW-2 in Zusammenhang mit Schreibproblemen. Auch bleibt er in Zusammen-

86

hang mit Forschungsarbeiten rund um Fragestellungen mit Stift und Papier unerwähnt. Aus der Abnahme des FEW-2 ergeben sich Resultate für die visuomotorische Integration, die in Zusammenhang mit Handschriftproblemen eine Rolle spielen können. Um eine Aussage treffen zu können müssen jedoch alle 8 Untertests abgenommen werden.

Beery-Buktenica Developmental Test of Visual Motor Integration (Beery-VMI)

3.3.3

Der Beery-VMI (Beery et al. 2010) misst das Ausmaß der Integration der visuellen und motorischen Fertigkeiten. Der Test dient der Früherkennung von Kindern, die Schwierigkeiten haben, ihre visuell-perzeptiven und motorischen Fähigkeiten (Finger- und Handbewegungen) zu koordinieren und zu integrieren. Das Instrument dient als Screening-Instrument, um Kinder herauszufiltern, die ggf. spezielle Unterstützung benötigen. Es wird als Messinstrument zur Evaluation von Förderprogrammen und in der Forschung eingesetzt. Die im Manual beschriebenen theoretischen Hintergründe nehmen Bezug auf die Ergotherapie und auf Schwierigkeiten, die auf mangelhafter Fähigkeit zur visuell-motorischen Integration basieren. Darüber hinaus werden Hilfestellungen zur Förderung der visuell-motorischen Integration im Manual erwähnt. Zusätzliches Übungsmaterial zu diesem Test ist erhältlich. Der Beery-VMI ist als Kurz- und Langfassung konzipiert und kann individuell oder in der Gruppe abgenommen werden. Die Langversion umfasst 30 Items und ist für das Alter von 2–100 Jahren geeignet. Die 21 Items umfassende Kurzversion wird für Kinder zwischen 2–7 Jahren eingesetzt. Die Abnahme dauert zwischen 10 und 15 Minuten. Neben dem Beery-VMI (visuell-motorische Integration) besteht der Test aus 2 optionalen, ergänzenden standardisierten Tests (visuelle Wahrnehmung und visuell motorische Koordination), die herangezogen werden, wenn das Ergebnis der visuell-motorischen Integration auffällig ist. Die Abnahme der Subtests ermöglicht die Interpretation der Ergebnisse, z. B. inwiefern die Einschränkungen in der visuell-motorischen Integration durch die visuelle Perzeption oder motorische Koordination bedingt sind. Neben dem Test gibt es eine umfangreiche Übersicht mit „visuell-motorisch inte-

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3.3 Durchführung weiterer Tests? grativen Meilensteinen“, die aber ausschließlich zu Beobachtungszwecken dienen.

Auswertung Rohwerte werden in Standard- und Skalenwerte konvertiert sowie in Prozenträngen ausgedrückt. Bei der Interpretation der Altersäquivalente wird zur Vorsicht geraten, weil dies zu Missverständnissen führen kann.

Gütekriterien Der Beery-VMI verfügt über eine hohe inhaltliche, kongruente und prädiktive Validität. Die Reliabilität wird mit 0.92 für den Beery-VMI, 0.91 für die visuelle Perzeption und 0.90 für die motorische Koordination beschrieben.

Bewertung des Instruments in Bezug auf Fragestellungen mit Stift und Papier Der Zusammenhang zwischen visuell-motorischer Intergration und Handschriftproblemen wird im KNGF Evidence Statement (2011, S. 18) geschildert. Der Beery-VMI (Beery et al. 2010) zielt mit seiner Messung genau auf diesen Bereich ab. Der Einsatz der Untertests zur visuellen Perzeption und motorischen Koordination ermöglicht eine Interpretation, ob Einschränkungen in der visuell-motorischen Koordination eher im perzeptiven oder motorisch-koordinativen Bereich begründet sind. Zur generellen Überprüfung der visuellen Perzeption dient der Beery-VMI eher nicht, da er sich im Bereich der visuellen Wahrnehmung ausschließlich auf die Bereiche visuelle Formkonstanz und Diskrimination richtet.

3

Normierung Der Test wurde zwischen 1964–2010 6-mal anhand von 13 000 Kindern und 1021 Erwachsenen normiert.

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Kapitel 4 Ergotherapeutische Intervention bei grafomotorischen Fragestellungen

4.1

4.2

4.3

Therapiefokus auf Betätigung: Training der Betätigungen Malen und Schreiben

91

Therapiefokus auf die Person (Kind): Training der Voraussetzungen und Performanzkomponenten für den Umgang mit Stift und Papier

98

Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

105

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Ergotherapeutische Intervention

4 Ergotherapeutische Intervention bei grafomotorischen Fragestellungen Daniela Rolf Dieses Kapitel widmet sich der ergotherapeutischen Intervention bei Fragestellungen rund um Stift und Papier (Malen, vorbereitendes Schreiben und Schreiben) sowie feinmotorischen Fragestellungen bezüglich der In-Hand-Manipulation und des Schneidens. Grundlage für die Intervention bilden der zuvor beschriebene theoretische Hinter-

grund und die betätigungsorientierte Vorgehensweise in der ergotherapeutischen Befunderhebung. Spezielle Programme und Ansätze zur Förderung der Grafomotorik werden in Kap. 5 beschrieben. Die Intervention kann sich beim Vorschul- oder Schulkind auch auf die Beratung von Eltern, Leh-

Person

Betätigungsperformanz Betätigung

Umwelt

a

Person Person Betätigungsperformanz Betätigungsperformanz Betätigung

Betätigung

Umwelt

b

Umwelt

c

Abb. 4.1 „Minimum/maximum fit PEO-Model“. a PEO-Modell. b Maximum fit. c Minimum fit.

90

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4.1 Therapiefokus auf Betätigung

Ansatzpunkte der Ergothetrapeutischen Intervention

Person

Training der Voraussetzungen Performanzkomponenten

4

Betätigungsperformanz Training der Betätigung z.B. CO-OP Direktes Schreibtraining

Betätigung

Umwelt Beratung/Anpassung der Umwelt

Abb. 4.2 PEO-Modell und Ansatz der ergotherapeutischen Arbeit.

rern und Erziehern richten und/oder auf die Ausführung bedeutungsvoller Betätigungen aus dem Bereich Vorschule/Schule. Die ergotherapeutische Intervention ergibt sich aus dem Behandlungsplan, der auf Basis der individuellen Zielsetzungen des Kindes und seiner Familie sowie aus Schlussfolgerungen der ergotherapeutischen Befunderhebung gemeinsam formuliert wird. SMART-formulierte Therapieziele (SMART = „specific, measurable, accepted, realistic, timely“) sind dabei unerlässlich und gewährleisten, dass der Therapieverlauf messbar evaluiert werden kann. In der ergotherapeutischen Intervention werden häufig unterschiedliche Behandlungsstrategien verfolgt. Dies bestätigt eine Studie von Feder et al. (2000). Häufig wird in der ergotherapeutischen Intervention gleichzeitig auf den Ebenen von Person (z. B. Performanzkomponenten wie In-Hand-Manipulation), Umwelt (Beratung und/oder Anpassung der Umwelt) und Betätigung (z. B. direktes Schreibtraining) gearbeitet. Die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen beziehen sich auf das generelle Arbeiten mit Stift und Papier; Besonderheiten in Bezug auf das Schreiben werden hervorgehoben.

Wichtig Übergeordnetes Ziel der Ergotherapie ist die Partizipation des Kindes im Alltag vor dem Hintergrund seiner individuellen Fragestellung. Durch die ergotherapeutische Intervention werden die Bereiche Person (Kind und seine Performanzkomponenten), Betätigung und Umwelt in Balance gebracht. Hieraus resultiert eine optimale Betätigungsperformanz (Occupational Performance).

Die Vorgehensweise für die ergotherapeutische Intervention bei Fragestellungen rund um Stift und Papier wird in Bezug auf jede PEO-Domäne vorgestellt (▶ Abb. 4.1 u. ▶ Abb. 4.2).

Therapiefokus auf Betätigung: Training der Betätigungen Malen und Schreiben

4.1

Es gibt verschiedene Wege, direkt an den Betätigungen mit Stift und Papier zu arbeiten (▶ Abb. 4.3). Insgesamt gibt es noch wenig wissenschaftlichen Beweis dafür, dass dabei die Anwendung eines bestimmten Bezugsrahmens besser

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Ergotherapeutische Intervention

Person

Training der Voraussetzungen Performanzkomponenten

Betätigungsperformanz Training der Betätigung z.B. CO-OP Direktes Schreibtraining

Betätigung

Umwelt Beratung/Anpassung der Umwelt

Abb. 4.3 PEO-Betätigung.

„wirkt“ als andere. Beim Nachweis der Effektivität von Ergotherapie bei feinmotorischen Fragestellungen (was einen deutlichen Zusammenhang zu den Betätigungen mit Stift und Papier hat) handelt es sich um kleinere, unkontrollierte Studien. Aus diesem Grund beziehen sich Kindertherapeuten vor allem auf ihre eigenen klinischen Erfahrungen. In der deutschsprachigen Ergotherapie steht der Bezugsrahmen der sensorischen Intergration häufig im Vordergrund des Therapieprozesses. Diese sollte kritisch reflektiert werden, wenn man eine Ausrichtung auf Betätigungszentrierung mit Aufgaben-orientierten Behandlungen anstrebt. Therapeuten individualisieren die Therapie, bringen verschiedene Bezugsrahmen zur Anwendung und gehen auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes ein (Mandich et al. 2001). Ein Weg, direkt an einer bestimmten Betätigung zu arbeiten, ist die Anwendung des CO-OP Ansatzes (Cognitive Orientation to daily Occupational Performance). Dieser Therapieansatz wurde primär für Kinder mit umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen konzipiert, wird aber auch für andere Diagnosen auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht (siehe Kap. 5.1).

92

Direktes Training von (Aus-) Malen und Schreiben

4.1.1

Neben dem Arbeiten an Betätigungskomponenten und einer Anpassung und Beratung des Umfelds wird bei den Fragestellungen rund um das Malen und Schreiben direkt an der Betätigung gearbeitet. Es werden die Schwierigkeiten aufgegriffen, die aus der Analyse der Betätigung Malen oder Schreiben resultieren.

Kleine Flächen Beim Training des Ausmalens wählt man möglichst kleine Flächen, die den Flexions- und Extensionsmöglichkeiten der 3 Schreibfinger (Daumen, Zeige- und Mittelfinger) entsprechen. Abhängig von der Größe der Kinderhand beträgt diese Fläche ca. 1–1,5 cm2 (Scholten u. Hamerling 2005). Gut zu überblickende, nicht zu große Abbildungen (± 25 cm2) mit kleinen Ausmalflächen sind ideal, um auch jüngere Kinder in ihrer Aufmerksamkeitsspanne nicht zu überfordern. Diese Malvorlagen können sehr einfach aus bestehenden Malbüchern selbst hergestellt werden. Mit etwas Übung ist ein Therapeut auch in der Lage, einfache Ausmalvorlagen mit Phantasiegebilden selbst zu malen. Kinder bewundern in der Re-

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4.1 Therapiefokus auf Betätigung gel frei gemalte Abbildungen, die dann ausgemalt und verziert werden können. Din-A4-Malvorlagen verführen v. a. zu großen Armbewegungen (auch wenn die auszumalenden Flächen darin klein sind), also zu einer proximalen Motorik. Das Kind setzt die auszumalende Fläche in Bezug zur Größe seiner Stiftspitze und wählt schon deshalb große Bewegungen, um die große Fläche möglichst schnell und effektiv zu füllen (Scholten u. Hamerling 2005). Da die proximale Motorik unabhängig von der distalen Motorik zu betrachten ist (siehe auch Kap. Alter Hut: Proximal-distal-Prinzip), entwickelt das Kind durch diese Ausmalstrategie keine Verbesserung in den Fertigkeiten der distalen Motorik, die für das spätere Schreiben so wichtig ist (Scholten u. Hamerling 2005). Eine willkommene Nebenwirkung bei kleinen Malvorlagen ist, dass Kinder die nicht dominante Hand effektiv zur Stabilisierung des Papiers einsetzen.

Konkrete Aufträge Neben möglicher Anpassung der Umwelt (z. B. vertikale Arbeitsfläche) erhält das Kind v. a. die Möglichkeit zu imitieren und konkrete Aufträge, worauf es beim Malen achten soll: ● „Male genau zwischen den Linien“, ● „Lass keine weißen Stellen übrig“, ● „Male immer wieder mit kleinen Kreisen“.

Abb. 4.4 Ausmalen einer Perlenkette mit 2 Farbnuancen. (Foto: Christian Knospe)

Wichtig ●

Das Kind sollte immer wieder die Möglichkeit erhalten, eine korrekte Stifthaltung und Malbewegung abzuschauen. Daher macht der Therapeut dies regelmäßig vor, für rechtshändige Kinder mit rechts, für linkshändige Kinder mit links!

4 Verbale Instruktionen Sie begleiten die Ausführung. „Schau, welche Finger bewegen sich bei mir? (Daumen, Zeige- und Mittelfinger), der Ringfinger, der kleine Finger und der Rest meines Körpers haben Pause. Meine Finger bewegen sich in alle Richtungen. Ich brauche sonst nichts zu bewegen. Ich bleibe innerhalb der Linien und male mit kleinen Kreisen, sowie auf und ab; schau mal, ob weiße Stellen übrig sind.“

Druck auf den Stift Beim Ausmalen unterschiedlich kleiner Flächen (▶ Abb. 4.4 u. ▶ Abb. 4.5) erfährt das Kind Variationen im Umgang mit dem Druck, der auf den Buntstift ausgeübt wird. Hieran können aufbauend Malaufträge gekoppelt werden, bei denen mit unterschiedlichem Druck auf den Buntstift mit einer Farbe unterschiedliche Farbnuancen erstellt wer-

Abb. 4.5 Ausmalen eines Fantasietiers mit 3 Farbnuancen. (Foto: Christian Knospe)

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Ergotherapeutische Intervention den (Scholten u. Hamerling 2005): „Diese Fläche ganz hell ausmalen (wenig Druck)“ und „Diese Fläche ganz dunkel ausmalen (viel Druck)“.

Verzieren als Vorbereitung für die Schreibbewegung

4.1.2

Schreiben von Buchstaben, egal ob Schreib- oder Druckschrift, beinhaltet Auf- und Abbewegungen mit dem Stift innerhalb vorgegebener Begrenzungslinien. Früh geübt, können Kinder erlernte Auf- und Abbewegungen und deren genaue Platzierung auf den späteren Schreibprozess übertragen.

Wichtig Neben dem Ausmalen kleiner Flächen trägt das sogenannte „Verzieren“ dazu bei, dass Kinder die Extensions- und Flexionsmöglichkeiten der 3 Schreibfinger optimal nutzen.

Dies ist für das Schreibenlernen von großer Bedeutung. Neben der Fingerfertigkeit werden auch räumliche Aspekte, v. a. in Bezug auf „Abstand“ angesprochen (Scholten u. Hamerling 2005).

Abb. 4.6 Linien ergänzen. (Foto: Christian Knospe)

94

Verzieren mit Linien Beim Verzieren werden Linien (▶ Abb. 4.6) oder Muster in immer gleichem Abstand zu Papier gebracht. Die hier vorgestellten Ideen basieren auf einem Beitrag von Scholten und Hamerling (2005). Ein Schreibgerät mit feiner Mine ist bei den Verzieraktivitäten unerlässlich. Schon junge Kinder im Alter von 4 Jahren lernen dabei, den Druck z. B. auf einen Fineliner zu regulieren. Ältere Kinder können die Verzierübungen auch mit ihrem eigenen Füller durchführen. Zuerst versucht das Kind, seine Linie zwischen 2 vorgegebene Linien zu platzieren und achtet dabei auf die Einhaltung des Abstandes und dass der Strich auf den Außenlinien der Abbildung ansetzt und endet. Ausmalen und Verzieren können ideal miteinander kombiniert werden.

Verzieren mit Mustern Im nächsten Stadium werden kleine Flächen mit offenen oder geschlossenen Zeichen verziert (▶ Abb. 4.7). Neben der motorischen Ausführung liegt ein Schwerpunkt immer auf den räumlichen Aspekten bei der Anordnung der Verzierungen, nämlich dem gleichen, harmonischen Abstand. Diese Fähigkeit hilft Kindern beim Platzieren von Buchstaben in einer vorgegebenen Lineatur. Dies ist also auch eine Übung für Kinder mit Handschriftproblemen, die Schwierigkeiten in der Anordnung der Buchstaben haben.

Abb. 4.7 Verzieren mit Mustern. (Foto: Christian Knospe)

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4.1 Therapiefokus auf Betätigung 4.1.3

Begleiten des Schreibens

Wichtig Beim Begleiten des Schreibens profitieren Kinder v. a. von einer korrekten, immer gleichen Instruktion für die Schreibweise der Buchstaben.

Ein häufiger Grund für Schreibprobleme liegt darin, dass ein Kind die korrekte Schreibweise der Buchstaben sozusagen verpasst hat und nun auf

Abb. 4.8 Beispiel von „Alles-durcheinander“ in der Lineatur. (Foto: Christian Knospe)

Abb. 4.9 Beispiel Lineatur Handwriting without Tears. (Foto: Christian Knospe)

sich allein gestellt ist und irgendwie versucht, ein Zeichen zu malen, das dem gewünschten Buchstaben ähnelt. Häufig fällt in der Analyse der Schreibbeispiele auf, dass Kindern Kenntnisse über „Merkmale“ von Buchstaben fehlen und sie nicht wissen, worin sie sich ähneln oder unterscheiden und welche Konsequenzen dies für die Platzierung innerhalb der Lineatur hat (▶ Abb. 4.8). In der Therapie wird dem Kind eine möglichst übersichtliche Lineatur angeboten. Als effektiv hat sich die einfache Lineatur der Schreibmethode „Handwriting without Tears“ (Ohlsen u. Knapton 2008) erwiesen, bei der Kindern der Transfer des Gelernten auf die in der Schule verwendete Lineatur gut gelingt (▶ Abb. 4.9). Alle bekannten Buchstaben werden je nach Zugehörigkeit zu „in der Linie“, „über der Linie“ und „unter der Linie“ sortiert und z. B. mit einer Farbe je Gruppe eingekreist (▶ Abb. 4.10). Die Mitte bedeutet „in der Linie“. Hierher gehören die kleinen Buchstaben a, e, i (außer seinem Pünktchen), m, n, o, r, s, u, v, w, x, z. Alle Buchstaben, die nach oben hinausgehen, heißen „über der Linie“. Zu ihnen gehören: b, d, h, k, l, t. Alle Buchstaben, die nach unten weisen, heißen „unter der Linie“. Zu diesen zählen: g, j (außer seinem Pünktchen), p, q, y. „Ausreißer“ bilden das deutschsprachige f und ß, sie lassen sich meist keiner Gruppe zuordnen, je nachdem wie Kinder sie in der Schule lernen.

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Abb. 4.10 Buchstabensortieren nach Zugehörigkeit in der Linie. (Foto: Christian Knospe)

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Ergotherapeutische Intervention

Einfache Lineatur Das Arbeiten mit unterschiedlichen Lineaturen im Schulkontext ist für die meisten Kinder sehr verwirrend, da sie die Größenverhältnisse der Buchstaben noch nicht übertragen können. Kinder, die generell Probleme mit dem Schreibenlernen haben, verzweifeln hieran komplett. Auch der angebotene Platz zum Schreiben ist oft gering. Mit der einfachen Lineatur des Programms „Handwriting without Tears“ (Ohlsen u. Knapton 2008) lernen Kinder in welchen wesentlichen Merkmalen sich Buchstaben unterscheiden. Sie können sich später schnell an verschiedene Lineaturen anpassen. Die

einfache Lineatur kann zeitweise, in Rücksprache mit der Lehrerin, in den Heften und Arbeitsbüchern übernommen werden. Hierzu wird die Mittellinie mit einem Fineliner markiert (▶ Abb. 4.11).

Kein endloses Schreiben von Übungsreihen Das endlose Schreiben von Übungsreihen (▶ Abb. 4.12) ist für Kinder mit Handschriftproblemen definitiv unmotivierend und frustrierend, da sich hier das von Ohlsen u. Knapton (2008) beschriebene Phänomen von „The more you do, the

Abb. 4.11 a, b Anpassung der Lineatur. (Foto: Christian Knospe)

Abb. 4.12 Beispiele von sinnvollen und wenig sinnvollen Übungsreihen. (Foto: Christian Knospe) a Wenig sinnvolle Übungsreihe. b Sinnvolle Übungsreihe.

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4.1 Therapiefokus auf Betätigung worse it get’s“ bestätigt. Meist werden diese Übungsreihen im Verlauf immer schlechter und das Kind verfügt am Ende über keinen Lerneffekt, da es 18–20 falsch geformte und falsch platzierte „b“ geschrieben hat. Eine Methode, die auch linkshändigen Kindern sehr entgegenkommt, besteht darin, eine Übungsreihe mit einigen Beispielen zu versehen und dem Kind den Auftrag zu erteilen, einen einzigen Buchstaben zwischen 2 Beispielen zu platzieren (Ohlsen u. Knapton 2008). Dies kann in Rücksprache mit der Lehrerin auf die Übungshefte des Kindes übertragen werden. Vorteilhaft ist es immer, so nah wie möglich an der Schreibmethode der Schule zu arbeiten. Therapeuten sollten Kenntnisse über die Arbeitshefte der unterschiedlichen Schreibmethoden erwerben und sie auch an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung haben. Bei Kindern, die sich im Schreiblernprozess befinden, setzt das Schreibtraining bei den Buchstaben und Wörtern an, die gerade im Schulkontext erarbeitet werden oder bereits bekannt sind. Hierbei ist es wichtig, dem Kind immer wieder die Möglichkeit zur Imitation zu geben, es bei der Ausführung verbal zu begleiten und direkt Rückmeldung zu geben, wenn es z. B. beginnt, Buchstaben auf eine eigene Art und Weise „zu malen“.

Der Handschrift Aufmerksamkeit schenken Der Schreibdidaktik wird in einigen Schulen heute keine große Bedeutung mehr beigemessen oder das Schreiben wird aus „Zeitgründen“ autodidaktisch in die Hände der Kinder und Eltern gelegt. Dies hat für das Erlernen dieser hochkomplexen Fertigkeit fatale Folgen. Der Handschrift sollte bis zum Ende der vierten Klasse mit unterschiedlichen Schwerpunkten Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Buchstabenlupe Wenn Kinder bereits alle Buchstaben beherrschen und Texte in Druck- oder Schreibschrift schreiben, können sie mit der Buchstaben-Lupe (▶ Abb. 4.13; Idee aus: „Zo zit dat met schrijven“ von Wouters u. Schaerlakens 2009) selbst Buchstaben „herausfischen“, die für eine schlechte optische Qualität des Textes mitverantwortlich sind, z. B. „die a, d, g sind oben immer offen“ oder die „e sind nie in der Linie“.

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Abb. 4.13 Die Buchstaben-Lupe. (Foto: Christian Knospe)

Die Buchstaben-Lupe sieht aus wie ein Lesezeichen mit einem Guckloch; die Anwendung schärft den kritischen Blick auf die Buchstaben und macht Spaß.

Therapie-Hausaufgaben bei Schreibproblemen?

4.1.4

Das Kind sollte unbedingt Hausaufgaben aus der Therapie mitnehmen – aber niemals in Form von Extra-Aufgaben mit Stift und Papier. Ein Kind mit Handschriftproblemen ist durch das geforderte Schreibpensum in der Schule meist völlig überfordert.

Sinnvolle Hausaufgaben für den Transfer in den Alltag In jeder Therapiestunde sollte dem Kind deutlich sein, woran es konkret arbeitet und was sein Ziel ist. Dies kann nicht oft genug zum Thema gemacht werden. „Besser schreiben“ ist dabei zu unkonkret formuliert. Insgesamt mag das Therapieziel lauten „Ich schreibe meine Buchstaben leserlich und in richtiger Größe innerhalb der Linien. Mein Tempo ist dabei wie das bei den meisten Kindern aus meiner Klasse.“ Dem Kind sollte in der Therapiestunde deutlich vermittelt werden, was das Ziel der Stunde ist, z. B.: „Heute üben wir, dass die a, d, und g, die du rausgefischt hast, am Ende der Therapiestunde in

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Ergotherapeutische Intervention

Person

Training der Voraussetzungen Performanzkomponenten

Betätigungsperformanz Training der Betätigung z.B. CO-OP Direktes Schreibtraining

Betätigung

Umwelt Beratung/Anpassung der Umwelt

Abb. 4.14 PEO-Performanzkomponenten.

den Wörtern die richtige Größe haben und auf der Linie stehen.“ Hausaufgabe: „Alles was Du heute lernst, versuchst Du, bei allem was Du schreibst, anzuwenden, bis wir uns wiedersehen. Beim nächsten Mal bringst Du alle Schreibsachen mit und wir schauen, wie es geklappt hat.“

Minimal 2-mal wöchentlich und nicht weniger als 20-mal In einer systematischen Übersichtsarbeit von Hoy et al. (2011) wird betont, dass eine effektive Intervention bei Handschriftproblemen unbedingt die Betätigung „Schreiben“ aufgreifen muss und die Therapie 2-mal wöchentlich stattfinden sollte. Alle in den Review einbezogenen Studien, bei denen die Therapie weniger als 2-mal wöchentlich und insgesamt weniger als 20-mal stattfand, wiesen schwache Resultate auf. Bei 2 von 3 Studien zeigten sich positive Effekte, u. a. durch das Anbieten der Intervention in einer Gruppe. Auch das Aufgeben von Hausaufgaben erscheint sinnvoll. Therapeutische Interventionen, die bei der Fragestellung „Handschriftprobleme“ die Betätigung „Schreiben“ nicht aufgreifen, gelten als ineffektiv.

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Therapiefokus auf die Person (Kind): Training der Voraussetzungen und Performanzkomponenten für den Umgang mit Stift und Papier

4.2

Zu den Voraussetzungen des Umgangs mit Malund Schreibmaterial gehören optimale feinmotorische Kompetenzen (In-Hand-Manipulation). Eine gut entwickelte funktionelle Zweiteilung der Hand (siehe Kap. Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion) und ein stabiles Handgelenk tragen zur sicheren Handhabe des Mal- und Schreibmaterials bei und ermöglichen feine, isolierte Fingerbewegungen. Über eine gezielte Beobachtung relevanter komplexer feinmotorischer Fertigkeiten, z. B. mittels SPOT (Van Hartingsveldt et al. 2006) (siehe Kap. 3.1), erhält der Therapeut Informationen, ob er in der Therapie auf diesen Bereich näher eingehen sollte. Ergänzend geben die Ergebnisse des MABC-2 (Skala Handgeschicklichkeit) Hinweise auf eine feinmotorische Störung. Natürlich wendet sich eine Therapie diesen Performanzkomponenten nur dann zu, wenn die Betätigungsanalyse Anlass dazu gibt.

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4.2 Therapiefokus auf die Person 4.2.1

Feinmotorisches Training

Wie auch beim Arbeiten mit Stift und Papier am Tisch, sollte beim feinmotorischen Training zuerst eine gute Sitzhaltung eingenommen werden (siehe Kap. 4.3). Ist die Handhabung einer stabilen Ausgangsposition und Schulterstabilität für das Kind schwierig, sollten in die Therapiestunde vorbereitende Übungen einfließen. Diese Übungen, die auf einem entwicklungsneurologischen Bezugsrahmen basieren, helfen Kindern, ihren Muskeltonus und ihre Haltungskontrolle zu regulieren und Arme und Hände für den Umgang mit Stift und Papier vorzubereiten (Schneck u. Amundson 2010). Die Aktivitäten können in der Therapie, in der Klasse und zu Hause durchgeführt werden. Hierzu können z. B. StuhlPush-ups (▶ Abb. 4.15), Tafelputzen, schwerere Gegenstände tragen und Liegestütze an der Wand eingesetzt werden, um die proximale Stabilität zu stimulieren (Amundson 2010). Vor allem Kinder mit leichten neuromuskulären Einschränkungen und sensorischen Verarbeitungsstörungen profitieren von diesen vorbereitenden Übungen zur Haltungskontrolle und Vorbereitung der Arme für das Schreiben (Schneck u. Amundson

Abb. 4.15 Stuhl-Push-up.

2010). Wenn nötig, nehmen sie aber nur wenige Minuten der Therapiezeit in Anspruch. Exner (2010) beschreibt, dass Kinder von verbaler Begleitung und Imitation beim feinmotorischen Training profitieren.

Therapieaktivitäten zur Stimulierung der Entwicklung eines stabilen Handgelenks

4

Gehen mäßige Fähigkeiten der In-Hand-Manipulation mit zu wenig Stabilisation des Handgelenks einher, sollte dieses stimuliert werden.

Vertikale Arbeitsfläche Generell verhilft das Arbeiten an einer vertikalen Arbeitsfläche (▶ Abb. 4.16) zur Stabilisierung des Handgelenks beim Malen und Schreiben. Die hierbei forcierte Extension des Handgelenks stimuliert eine reife Stifthaltung, indem die Handbögen geformt werden und sich der Webspace (siehe Kap. Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion) öffnet. Die vertikale Position erleichtert dem Kind, räumliche Begriffe zuzuordnen, da

Abb. 4.16 Schreiben in vertikaler Arbeitsfläche.

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Ergotherapeutische Intervention „oben“ wirklich oben und „unten“ wirklich unten bedeutet. Weitere Ideen zur Anpassung des Tisches und zur Realisierung einer vertikaleren Arbeitsfläche am Tisch (siehe auch Kap. 4.3).

Vorbereitende Übung Als vorbereitende Übung zur Handgelenkstabilisation dient auch eine Übung aus dem handtherapeutischen Bereich. Hierbei liegen Unterarm und Hand auf dem Tisch. In einer Extensionsbewegung wird Therapieknete aus einem „Kneteberg“ gezogen. Man kann auch über den Tischrand hinaus arbeiten. Hierbei „hängt“ die Hand über dem Tischrand, mit der Handfläche nach unten. Aus einem Behälter mit Therapieknete zieht das Kind Knetfäden in einer ausgedehnten Extensionsbewegung (▶ Abb. 4.17). Im Anschluss kann es einen Knetefaden in dieser Hand zum Kügelchen formen, welches später, z. B. „als Futter für die Tiere“, im Feinmotoriktraining dient.

Therapieaktivitäten zur Entwicklung stabiler Handbögen Nicht ausreichend entwickelte Handbögen können die Fähigkeit zur In-Hand-Manipulation einschränken (Exner 2010). Ausgewählte Aktivitäten zur Stimulation der Entwicklung der Handbögen sollten dann in das feinmotorische Training integriert werden. Beobachten kann man die Ausprägung der Handbögen ganz einfach, indem man das Kind bittet, mit der Hand ein Schälchen zu formen, sodass kleine Gegenstände hineingelegt werden können (▶ Abb. 4.18).

Wie viele passen in deine Hand? Alle Aktivitäten, die das Formen dieser „Handschale“ herausfordern, können in das feinmotorische Training integriert werden: ● Einhändiges Formen von Würsten und Kugeln aus Knete. Hierbei wird der Einsatz der intrinsischen Handmuskeln aktiviert. ● Zerschneiden von Knetwürsten mit dem Messer oder Pizzaroller. ● Füllen der Hand mit kleinen Gegenständen (z. B. „Futter für die Tiere“). ● Würfelspiel, bei dem die „Handschalen“ beider Hände als Würfelbecher dienen. Man muss die Würfel klackern hören. ● Chinese Balls: Die Kugeln werden in einer Hand gehalten und umeinander rotiert. ● Kräftemessen Daumen-Opposition: Der Daumen geht mit jedem Finger in die Daumen-Opposition – richtig rund mit offenem Webspace. Eine andere Person versucht, diese Verbindung mit 2 zum Haken flektierten Ringfingern zu lösen.

Stärkung des Webspace Ein offener Webspace hat eine runde Form (Benbow 1988). Kinder, die beim Ausführen feinmotorischer Aktivitäten und beim Halten des Stiftes einen eher geschlossenen oder ellipsenartigen Webspace zeigen, neigen dazu, den Daumen zu strecken oder gar in Hyperextension zu bringen. Die Bewegungsmöglichkeit des Daumens ist dadurch eingeschränkt und die Mal- und Schreibbewegungen werden erschwert. Für diese Kinder sollten Aktivitäten ausgesucht werden, die den Einsatz

Abb. 4.17 a, b Handgelenkextension mit Therapieknete. (Foto: Christian Knospe)

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4.2 Therapiefokus auf die Person

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Abb. 4.18 Beobachtung der Ausprägung der Handbögen. (Foto: Christian Knospe) a Beobachtung der Handbögen. b Einhändig Kugeln und Würste formen. c Würfeln. d Chinese Balls.

des Daumens in Flexion herausfordern. Hierbei ist es sehr wichtig, auf eine korrkte Positionierung des Daumens zu achten: ● Gebasteltes Tennisballgesicht mit einem Schnitt als Mund. Durch Druck öffnet sich der Mund, sodass er gefüttert werden kann. ● Wäscheklammern anbringen; hierbei muss die Funktion des Daumens gut überwacht werden.



Das Kind sollte die Möglichkeit zum Imitieren erhalten. Auch die verbale Begleitung kann ihm helfen, z. B. „Daumen mit Türmchen“. Kunstwerke aus Kaffeefiltern herstellen: Mit einer Pipette (z. B. aus altem Augentropfenfläschchen) können mit Wasserfarbe Kunstwerke getröpfelt werden.

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Ergotherapeutische Intervention

Stimulation der funktionellen Zweiteilung der Hand

tun, damit Deine Finger sich super flott bewegen können.“

Aktivitäten zur Förderung der funktionellen Zweiteilung der Hand (siehe auch Kap. Einfluss biomechanischer Aspekte auf die Handfunktion): ● das einhändige Formen kleiner Knetbällchen mit den Fingerspitzen, ● das Auffädeln kleiner Perlen, ● das Schneiden mit der Schere mit korrekter Scherenhaltung (siehe Kap. Schneiden), ● das einhändige Formen von Seidenpapierkügelchen, die aufgeklebt werden, ● das einhändige Abschrauben einer Mutter, ● das Schnipsen mit den Fingern.

Dem Kind wird die Funktion der ulnaren und radialen Seite der Hand erklärt

Training der In-HandManipulation

4.2.2

Zum Schneiden, Basteln, Malen, Zeichnen, Schreiben und Hantieren von kleinen Gegenständen sind feinmotorische Fertigkeiten unerlässlich. Liegen unzureichende feinmotorische Fertigkeiten dem Ausführungsproblem des Kindes zugrunde, können diese direkt (siehe Kap. Alter Hut: Proximaldistal-Prinzip) mit einem feinmotorischen Training geübt werden. Das feinmotorische Training basiert auf den von Exner (1990 a u. 1992) beschriebenen Formen der In-Hand-Manipulationen (siehe Kap. In-Hand-Manipulation). Hierdurch entwickeln sich die feinmotorischen Fertigkeiten zum Hantieren von Werkzeug und die funktionelle Zweiteilung der Hand. Das Erlernen isolierter Daumen- und Fingerbewegungen und der Einsatz der Fingerspitzen tragen zur Realisierung einer dynamischen Stifthaltung bei. Das Training setzt auf dem Niveau des Kindes an, das noch gut bewältigt wird, sodass das Kind mit Spaß an der Sache bleibt und sich nach und nach steigern kann.

Kindern wird das Ziel des feinmotorischen Trainings erklärt Zum Beispiel: „Nur Finger, die sich flott und unabhängig voneinander bewegen können, können den Stift gut über das Papier führen, egal ob beim Ausmalen kleinerer Flächen oder beim Schreiben. Das üben wir mit dem Fingertraining. Ich hatte Dir ja versprochen, dass wir hier nicht ständig ausmalen und schreiben, sondern auch ganz andere Dinge

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Zum Beispiel: "Diese 3 sind Arbeiter. Die halten deine Stift und machen all die Schreib- und Malbewegungen.Die anderen beiden (Ringfinger und kleiner Finger) haben es ganz schön gut; die haben ziemlich viel Pause. Sie tun nämlich nichts und ruhen gebeugt in der Hand. Damit alle ihre Aufgabe gut erfüllen, machen wir ein Fingertraining."

Basisprinzipien des Trainings Wichtig Von einfach → komplex, ohne Stabilisation → mit Stabilisation.

Aufbau des Trainings (Hierzu siehe auch Kap. In-Hand-Manipulation): ● Translation von den Fingerspitzen zur Handfläche, ● einfache Rotation, ● Translation von der Handinnenfläche zu den Fingerspitzen, ● Shiftbewegung, ● komplexe Rotation, ● mit Stabilisation, ● zuerst kleine Gegenstände, die nicht rollen, ● zuerst größere Gegenstände (mehr Spreizung der Finger nötig), ● dann kleinere Gegenstände (präziser Einsatz der Handkraft, Kontrolle der Fingerspitzen).

Translation von den Fingerspitzen zur Handfläche (einfach) Zuerst wird ein nicht rollender kleiner Gegenstand (z. B. Würfel) mit den Fingerspitzen aufgenommen und zur Handfläche transportiert.

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4.2 Therapiefokus auf die Person

Translation von der Handfläche zu den Fingerspitzen (einfach) Der in der Hand verborgene Würfel wird, ausschließlich unter Einsatz der Finger, zurück zu den Fingerspitzen geschoben.

Translation von den Fingerspitzen zur Handfläche (mit Stabilistation) Es werden nacheinander mehrere kleine Gegenstände mit den Fingerspitzen aufgenommen. Die bereits aufgenommenen werden durch Ringfinger und kleinen Finger in der Handfläche stabilisiert (▶ Abb. 4.19).

Translation von der Handfläche zu den Fingerspitzen (mit Stabilisation) Nacheinander werden die kleinen Gegenstände aus der Handfläche einzeln zu den Fingerspitzen geschoben. Die in der Hand verbleibenden Gegenstände werden währenddessen in der Handfläche von Ringfinger und kleinem Finger stabilisiert.

Wichtig Bei der Translation von den Fingerspitzen zur Handfläche und zurück sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass das Kind die Bewegung qualitativ gut ausführt. Das bedeutet, dass das Kind beim Aufgreifen des kleinen Gegenstandes wirklich die Fingerspitzen einsetzt und bei der Translation zurück nicht den Gegenstand bereits im Schlüsselgriff oder Ähnlichem, ohne Beteiligung der Fingerspitzen, ablegt.

4

Einfache Rotation Bei der einfachen Rotation werden Drehverschlüsse unterschiedlicher Größe mit den Fingerspitzen geöffnet (▶ Abb. 4.20).

Abb. 4.19 Translation eines kleinen Gegenstands von den Fingerspitzen zur Handfläche und zurück. (Foto: Christian Knospe) a Translation von der Handfläche zu den Fingerspitzen einfach. b Translation von der Handfläche und zurück zu den Fingerspitzen (mit Stabilisation).

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Ergotherapeutische Intervention

Grenzenlose Kreativität und Ideen des Kindes

Abb. 4.20 Einfache Rotation: Öffnen eines Döschens. (Foto: Christian Knospe)

Shiftbewegung Hierbei wird etwas mit einer Schiebebewegung in der Hand positioniert, wie z. B. beim Positionieren von Spielkarten in der Hand (achte darauf, wie die Finger feine Schiebebewegungen machen, um die Karten an die richtige Stelle zu bewegen). Oder eine Münze, die sich in der Hand befindet, wird nach vorne geschoben, um sie in eine Spardose zu stecken.

Komplexe Rotation Gemeint sind Drehbewegungen, z. B. mit einem Stift (den man um die eigene Achse kreisen lässt) oder mit einem Taler (den man unter Einsatz von Daumen, Zeige- und Ringfinger kreisen lässt).

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Bei Manipulationsspielen sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt und das Kind übernimmt indirekt die Führung, indem seine Ideen umgesetzt werden. Der Therapeut bestimmt einzig die Art und Weise, wie mit dem Material hantiert wird, gemäß seinen Zielen, die für den Bereich der InHand-Manipulation aufgestellt wurden. Bei kreativen Spielideen werden meist alle Bereiche der In-Hand-Manipulation angesprochen und nach und nach komplexer aufgebaut (mehr Gegenstände, kleinere Gegenstände). Aus Talern werden Bereiche, die „von kleinen Tieren bewohnt“ werden. Sie erhalten „Futter“ und aus Kettengliedern werden „Gehege“ errichtet. „Mäuse“ segeln auf kleinen „Flößen“ aus Pappe; die „Bojen“ aus Büroklammern wurden in einer Translationsbewegung von den Fingerspitzen zur Handfläche bewegt, zurückgebracht und aufgesteckt. Wege auf Schatzkarten werden mit 2-farbigen Mustern verziert. Hierbei kommen 2-farbige Stifte zum Einsatz, die jeweils in einer komplexen Rotationsbewegung und mit dem Shift zur einen oder anderen Farbe gedreht werden (ohne Einsatz der nicht dominanten Hand! ▶ Abb. 4.21). Übungen zur In-Hand-Manipulation können auf unterschiedliche Materialien übertragen und in bestehende Spielideen integriert werden, z. B. Perlenfädeln und Steckspiele: ● Perlen und Stecker werden in kleine Döschen deponiert, die aufgeschraubt werden müssen (einfache Rotation); ● mehrere Perlen/Stecker werden mit den Fingerspitzen aufgenommen und in der Hand stabilisiert, bevor sie dann einzeln zu den Fingerspitzen geschoben werden.

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4.3 Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

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Abb. 4.21 a–c Wegverzierung mit 2-farbigen Stiften; komplexe Rotation und Shiftbewegung. (Foto: Christian Knospe)

Der Hit als Hausaufgabe: ein Monster als Übernachtungsgast

4.2.3

Ein kleines „Fingermonster“ verbringt die Zeit bis zur nächsten Therapieeinheit als Übernachtungsgast beim Kind. Das Kind verspricht, ihm regelmäßig einmal täglich zu essen zu geben, z. B. abends am Tisch, wenn alle essen – es liebt nämlich Gesellschaft beim Essen. Das Material, das als „Futter“ verwendet wird, richtet sich danach, welche Translationsfähigkeiten das Kind sicher beherrscht, da-

mit es diese Aktivität mit Spaß durchführt. Dies reicht vom einzelnen Würfel, den das Kind von den Fingerspitzen zur Handfläche und zurück schiebt, bis hin zu 5 kleinen Gegenständen.

Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

4.3

Der dritte Ansatzpunkt für die Therapie liegt in der Umwelt (▶ Abb. 4.22).

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Ergotherapeutische Intervention

Person

Training der Voraussetzungen Performanzkomponenten

Betätigungsperformanz Training der Betätigung z.B. CO-OP Direktes Schreibtraining

Betätigung

Umwelt Beratung/Anpassung der Umwelt

Abb. 4.22 PEO-Modell Umwelt.

4.3.1

Die Sitzhaltung am Tisch

Eine adäquate Sitzhaltung ist der Ausgangspunkt für optimale proximale Stabilität beim Ausführen von Arbeiten am Tisch. Diese ist für einen bestmöglichen Einsatz der Hände beim Malen, Schreiben und Schneiden mit der Schere eine wichtige Voraussetzung. Die Sitzhaltung hat einen Einfluss auf die Ausführung feinmotorischer Fertigkeiten (siehe Kap. Einfluss somatosensorischer Funktionen auf die Handfunktion). Damit die Ausführung feinmotorischer Fertigkeiten und das Arbeiten mit Stift und Papier gelingt, sollten Eltern, Erzieher und Lehrer über eine gute Haltung am Tisch informiert werden, um eine optimale Sitzhaltung im Alltag des Kindes (zu Hause und in der Schule) zu realisieren. In der ergotherapeutischen Behandlung werden Tisch und Stuhl für jedes Kind bestmöglich eingestellt.

Die Sitztiefe Der Abstand zwischen der vorderen Stuhlkante und dem Ende der Sitzfläche sollte optimal zur Länge des Oberschenkels und zum Gesäß passen (▶ Abb. 4.23; ▶ Abb. 4.24; ▶ Abb. 4.25).

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Abb. 4.23 Nicht optimale Sitztiefe: zu tief.

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4.3 Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

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Abb. 4.24 Nicht optimale Sitztiefe: zu wenig Unterstützung des Oberschenkels.

Abb. 4.25 Optimale Sitztiefe.

Die Sitzhöhe Die Sitzhöhe ergibt sich aus dem Abstand zwischen Fußboden und Sitzfläche (▶ Abb. 4.26, ▶ Abb. 4.27, ▶ Abb. 4.28 und ▶ Abb. 4.29).

Abb. 4.26 Nicht optimal: Nur die Fußspitze berührt den Boden. Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Ergotherapeutische Intervention

Abb. 4.27 Nicht optimal: Oberschenkel ragen schräg nach unten und der Po sitzt auf dem Stuhlrand.

Abb. 4.28 Nicht optimal: Bei zu geringer Stuhlhöhe bildet sich ein Zwischenraum zwischen Oberschenkel und Sitzfläche. Das Gewicht wird nicht auf den Oberschenkel verteilt.

Die Tischhöhe Die Tischhöhe ergibt sich aus dem Abstand vom Fußboden zur Tischplatte. Es wird empfohlen, dass die Ellbogen des Kindes leicht über die Tischkante hinausragen und die Tischoberfläche sollte ca. 5 cm höher als die angewinkelten Ellbogen des sitzenden Kindes sein (Naus 2000). Während die Arme auf dem Tisch abgelegt werden, bleiben die Schultern dabei entspannt. Wenn das Kind übermäßig nach vorne gebeugt sitzen muss, damit es sich mit den Armen auf dem Tisch abstützen kann, ist möglicherweise der Tisch zu niedrig (▶ Abb. 4.30). Beim Sitzen an einem zu hohen Tisch sind die hochgezogen Schultern des Kindes wahrnehmbar. Die Unterarme können beim Platzieren auf dem Tisch nicht entspannt liegen (▶ Abb. 4.31). Bei einer optimalen Höhe des Tisches sind die Schultern entspannt und das Kind sitzt mit geradem Rücken (▶ Abb. 4.32).

Abb. 4.29 Optimale Sitzhaltung in der 90–90–90Position.

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4.3 Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

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Abb. 4.30 Zu niedriger Tisch.

Abb. 4.31 Zu hoher Tisch.

Sitzprobleme trotz guten Mobiliars Trotz guten Mobiliars kann es vorkommen, dass Kinder während der Ausführung feinmotorischer Fertigkeiten oder im Umgang mit Stift und Papier nicht optimal sitzen und eine schlechte Sitz- und Schreibhaltung entwickeln (Wouters u. Schaerlackens 2009). Wenn es einem Kind schwer fällt, eine aufrechte Sitzhaltung am Tisch beizubehalten, sollten zuallererst Visusprobleme ausgeschlossen werden.

Vertikale Arbeitsfläche

Abb. 4.32 Optimale Tischhöhe.

Ein Tisch, dessen Arbeitsfläche in vertikaler Richtung zu verstellen ist, kann helfen, gerade sitzen zu bleiben (▶ Abb. 4.33). Im Schulkontext ist dies häufig nicht realisierbar, jedoch zu Hause und während der ergotherapeutischen Behandlung. Als Hilfsmittel kann eine Schreibtischauflage oder ein Aktenordner als Unterlage dienen (▶ Abb. 4.34 u. ▶ Abb. 4.35). Das Arbeiten an einer vertikalen Arbeitsfläche stimuliert daneben auch die Extension des Handgelenks und erleichtert die Stifthaltung (siehe Kap. 2.5.3).

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Ergotherapeutische Intervention

Abb. 4.33 Sitzen an vertikaler Arbeitsfläche.

Abb. 4.34 Aktenordner als Unterlage.

Das Arbeiten an einer vertikalen Arbeitsfläche dient der Entwicklung eines stabilen Handgelenks und einer reifen Stifthaltung mit offenem Webspace. Das Handgelenk stabilisiert sich in Extension, wohingegen es beim Arbeiten an einer flachen Arbeitsfläche am Tisch dazu neigt, zu flektieren. Das Arbeiten an einer vertikalen Arbeitsfläche fördert im Schulter- und Armbereich eine bessere Positionierung und ermöglicht einen ausgewogenen Einsatz der intrinsischen Fingermuskulatur.

Buchständer Zum Lesen kann der Einsatz eines Buchständers unterstützend wirken, damit dem „Hängen“ auf dem Tisch vorgebeugt wird (▶ Abb. 4.36).

Keilkissen

Abb. 4.35 Stokke-Tischauflage.

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Eine aktive Sitzhaltung kann auch mit einem Keilkissen stimuliert werden. Die Form des Keils (hinten höher als vorne) sorgt für eine Aufrichtung des Beckens. Kindern mit großem Bewegungsdrang kann ein luftgefülltes Kissen das Sitzenbleiben erleichtern (▶ Abb. 4.37). Wird ein Ballkissen einge-

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4.3 Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt

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Abb. 4.36 Verwendung eines Buchständers.

Abb. 4.37 Sitzhaltung mit Keilkissen. Achtung: darauf achten, dass die Füße flach auf dem Boden aufliegen und die Tischhöhe nicht zu niedrig wird wie in diesem Beispiel.

setzt, so muss die Höhe des Kissens in die Sitzhöhe einberechnet werden. D. h. das Kind benötigt für die Zeit, die es das Kissen verwendet, einen kleineren Stuhl damit die Stuhlhöhe und die Kissenhöhe zusammen die optimale Sitzhöhe ergeben. Besonders bei einer so wackeligen Sitzoberfläche müssen beide Füße fest am Boden stehen.

Tisch mit Bauchaussparung Neigt ein Kind dazu, den 90°-Winkel im Becken ständig zu verlieren, „hängt“ es durch und hat dann die Tendenz, mit den Ellbogen gegen den Tischrand zu drücken. Dadurch verschlechtert sich seine Sitzhaltung noch mehr. Eine Tischauflage, z. B. aus MDF oder Multiplex, mit Bauchaussparung könnte das Problem lösen ▶ Abb. 4.38) und ist einfach herzustellen oder zu bestellen (www.pomnijmegen.nl).

Abb. 4.38 Tischplatte mit Bauchaussparung.

Visueller Hinweis Einem Kind mit Problemen bei der aufrechten Sitzhaltung kann auch eine auf den Tisch geklebte Abbildung einer optimalen Sitzhaltung (▶ Abb. 4.39) helfen, sich an die optimale Ausgangsposition zu erinnern (Amundson 1998).

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Ergotherapeutische Intervention Größenverhältnisse von Möbeln sind für das Schreiben- und Lesenlernen von wesentlicher Bedeutung. Ein Kind würde selbst bestimmt nicht danach fragen, aber merkt garantiert den Unterschied.

Beratung bei der Auswahl des Mobiliars

Abb. 4.39 Visueller Hinweis zur guten Sitzhaltung. (Foto: Christian Knospe)

Beratung des Umfelds bezüglich der Sitzhaltung des Kindes

4.3.2

Wenn Lehrer und Erzieher Zugang zu unterschiedlichen Stuhl- und Tischmaßen haben, sollten sie davon unbedingt Gebrauch machen. Ergotherapeuten können hierbei eine beratende Rolle einnehmen. Diese Beratung kann individuell für ein spezifisches Kind, aber auch für eine ganze Klasse oder Schule durchgeführt werden. Für die Grundschulen ist in der Regel Mobiliar nach DIN ISO 5970 mit der Farbkennzeichnung lila, rot, gelb, grün vorgesehen.

Die Auswahl (Wouters u. Schaerlaeckens 2009) beginnt mit einem Stuhl von optimaler Sitztiefe, bei dem der Po gut hinten im Stuhl sitzt und der untere Rücken mit der Rückenlehne in Kontakt ist. Zwischen Kniekehle und Vorderkante des Stuhls sind ca. 2 Fingerbreit Platz. Bei der Auswahl der Höhe ist darauf zu achten, dass die Füße flach auf dem Boden stehen können. Dann wird eine passende Tischhöhe ausgewählt. Passt keine Höhe zur optimalen Sitztiefe, dann kann ein zu hoher Stuhl mit einem Fußbänkchen ausgleichen werden.

Wichtig Generell gilt, ein Kind lieber auf einem zu niedrigen Stuhl, aber dann mit passender Tischhöhe, als auf einem zu hohen Stuhl mit baumelnden Füßen Platz nehmen zu lassen. Bei Gruppentischen lässt sich ein zu hoher Tisch mit einem passenden Stuhl mit Fußbänkchen ausgleichen.

Wichtig Im Kontakt mit Schulen und Kindergärten sollten Ergotherapeuten immer auf wichtige ergonomische Aspekte im Zusammenhang mit feinmotorischen Aktivitäten und Schreiben aufmerksam machen, da diese für alle Kinder von Bedeutung sind, nicht nur für das Kind, das sich in ergotherapeutischer Behandlung befindet – für dieses aber erst recht.

Ergonomische Möbel statt Standardausführung Millionen Menschen üben einen sitzenden Beruf aus und bekommen einen ergonomischen Schreibtischstuhl und einen Tisch in der richtigen Höhe. Millionen Kinder sitzen jeden Tag in der Schule, häufig mit baumelnden Beinen. Sie bekommen einen Standardtisch und einen Standardstuhl. Die

112

Für zu Hause eignen sich v. a. einstellbare Kinderstühle, die aber leider häufig nach dem Kleinkindalter aus der Küche verschwinden. Schade, denn ein „Tripp-Trapp“ z. B. hat die ergonomischen Voraussetzungen, optimal mitzuwachsen. Beratung im ergotherapeutischen Kontext bedeutet häufig: „So optimal wie möglich“, denn auch die Einschränkungen des Umfelds sind in die Beratung mit aufzunehmen. Wenn Kinder den Klassenraum sehr häufig wechseln und keinen festen Raum haben, können sie z. B. sensibilisiert werden, dass sie die ISO-Farbe ihrer Stuhlhöhe kennen und sich wenigstens einen entsprechenden Stuhl aussuchen. Dies gelingt aber häufig nur, wenn ganze Klassen für das Thema Ergonomie im Klassenzimmer sensibilisiert sind, z. B. in Form von Projekten, die von Ergotherapeuten in Schulen und Kindergärten initiiert werden könnten.

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4.3 Therapiefokus Umwelt: Beratung und Anpassung der Umwelt Die Beratung eines individuellen Klienten schließt immer mit der Planung von Maßnahmen ab. Es wird festgelegt, was bis wann von wem umgesetzt wird. Aufgabe des Ergotherapeuten ist es, die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen und ggf. anzupassen.

4.3.3

Haltung und Papierlage

Die Position des Unterarms, die Papierlage und der Papiertransport sowie die Stifthaltung beeinflussen ebenfalls die Sitzhaltung des Kindes. Um sich günstig auf die Sitzhaltung auszuwirken, sollte in der Therapie, in Kindergarten und Schule sowie zu Hause auf eine richtige Positionierung der Unterarme geachtet werden. Diese befinden sich auf dem Tisch. Zwischen Oberarm und Rumpf ist immer etwas Platz. Als visuelle Stütze können Sticker auf dem Tisch zur Positionierung der Unterarme angebracht werden. Die Unterarme bleiben während des Schreibens auf den Stickern liegen, die Ellbogen ragen etwas über die Tischkante hinaus. Dies gelingt nur, wenn die nicht schreibende Hand zum Papiertransport eingesetzt wird. Befindet sich die Schreibzeile auf der Höhe der Finger, dann liegt die Hand optimal unter der Zeile. An den Papiertransport kann auch mit einem Sticker auf dem Tisch oder im Schreibheft erinnert werden.

Die Papierlage beim Schreiben Das Heft wird bei rechtshändigen Kindern so platziert, dass es mit einer Linksneigung auf dem Tisch liegt. Hierbei liegt es parallel zum Unterarm, wenn dieser auf dem Tisch ruht (Levine 1991). Für Linkshändige wird es genau andersherum platziert (siehe Kap. 7). Um sich die Neigung einzuprägen, können Markierungen auf dem Tisch als visuelle Unterstützung dienen. Für manche Kinder kann es schwer sein, sich auf der schrägen Zeile zu orientieren. Gemeinsam sollte ausprobiert werden, welche Neigung das Kind als optimal erfährt.

Schreibmaterial und der Einsatz von Stifthilfen

4.3.4

Alle Stifthilfen, die das Schreibgerät unnötig verdicken, sollten mit Vorsicht betrachtet werden, da sie die Bewegungsmöglichkeiten der Finger einschränken können. Dies gilt es gut zu beobachten. Schließlich basiert das Schreiben auf feinen Fingerbewegungen. Kinderhände sind eigentlich gut in der Lage, dünne Stifte zu handhaben. Dünne Stifte locken feine Fingerbewegungen hervor, wohingegen dicke Stifte die Flexions- und Extensionsmöglichkeiten der 3 Hauptakteure beim Schreiben (Daumen, Zeige- und Mittelfinger) einschränken. Zeigt das Kind wenige oder keine Fingerbewegungen beim Malen und Schreiben, können dem unzureichende manipulative Fertigkeiten zugrunde liegen. Der Einsatz einer Stifthilfe würde hier nicht den gewünschten Effekt zeigen und das Problem eher verschleiern.

4

„Zur Einschulung bitte einen dicken, dreieckigen Bleistift kaufen!“ Die standardmäßig empfohlenen dicken dreieckigen Bleistifte sind für Kinder beim Schreibenlernen nicht immer gut geeignet. Aus dem Bauch heraus wird argumentiert, dass solch ein Stift besser in der Kinderhand liegt. Das tut er auch. Aber er soll dort nicht liegen, sondern sich bewegen und gerade das fällt der kleinen Kinderhand mit einem dicken Bleistift besonders schwer. Außerdem nutzt sich die frisch gespitzte dicke Miene schnell ab und die Linien werden zu dick. Kinder spitzen in den seltensten Fällen freiwillig, wenn noch Miene sichtbar ist. Auch dünne dreieckige Bleistifte liegen oft zu statisch in der Kinderhand. Sie erlauben zwar Extensions- und Flexionsbewegungen, aber keine kleinen Rotationsbewegungen (Scholten u. Hamerling 2005) Schulen und Lehrer werden mit Material beworben, in dem die positiven Effekte besonderer Schreibmaterialien hervorgehoben sind. Sie empfehlen diese Materialien ihrerseits dann nach bestem Wissen und Gewissen. Wahrscheinlich ist ihnen nicht bewusst, dass sie dadurch indirekt zum (günstigen) Vermarkter des Produkts werden. Manchmal geht es so weit, dass Eltern sogar vorgeschrieben wird, welche Stifte sich bei Schuleintritt im Etui zu befinden haben.

Pauschal kann man den Einsatz von Stifthilfen weder empfehlen noch ablehnen. Den Effekt, den die Stifthilfe auslöst, sollte man gut im Auge behalten.

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Ergotherapeutische Intervention

Wichtig Nach der Devise „weniger ist mehr“ sollten die Stifte ausgewählt werden. Alles was vom Normalbleistift und Normalbuntstift abweicht, sollte als „Hilfsmittel“ betrachtet werden, das eingesetzt werden kann, wenn es mit dem einfachen, mittelharten (HB-)Bleistift nicht funktioniert.

114

Ergotherapeuten sollten mit Lehrern in Kontakt treten, wenn sie wahrnehmen, dass das Kind mit dem Schreibmaterial Schwierigkeiten hat und dieses das Handschriftproblem ggf. sogar noch verstärkt. Ergotherapeuten können für Erzieher und Pädagogen in Bezug auf Ergonomie, Mal- und Schreibmaterial sowie Instruktionen zum Malen und Schreiben eine wichtige beratende Rolle im Kontext Schule einnehmen.

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Kapitel 5

5.1

Der CO-OP Ansatz

116

Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

5.2

Der Einsatz des TREFFPUNKTs und der SCHREIB-MAL-SCHULE vor dem Hintergrund des Bieler Modells

125

Ist die Therapie mit Biofeedback bei Kindern mit grafomotorischen Auffälligkeiten effektiv und effizient?

140

Die Bleistift-Rallye – ein grafomotorisches Präventionsprogramm

150

5.3

5.4

5.5

Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell) 154

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

5 Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik 5.1

Der CO-OP Ansatz

Daniela Rolf

5.1.1

Was ist CO-OP?

CO-OP (Cognitive Orientation to daily Occupational Performance; Polatajko u. Mandich 2004, 2008, Polatajko et al. 2001) ist ein in Kanada entwickelter Therapieansatz, der auch in Deutschland immer mehr Verbreitung findet. Ursprünglich entwickelt für Kinder mit „Developmental Coordination Disorder“ (DCD); zu Deutsch: umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (UEMF), findet CO-OP aufgrund positiver Forschungsresultate auch bei anderen Zielgruppen Anwendung. Eine Zusammenfassung der Anwendungsbereiche des CO-OP-Ansatzes wird durch Roger u. Polatajko (2010, S. 161) gegeben: Neben Kindern mit UEMF findet CO-OP mittlerweile Anwendung bei Kindern mit Asperger-Syndrom (Roger et al. 2008, Roger et al. 2009, Roger et al. 2007), Kindern mit infantilier Zerebralparese (Samonte et al. 2004) und Personen nach Schädel-Hirn Trauma (Dawson et al. 2009; Dawson, Polatajko, Cameron 2007; Dawson, Polatajko, Levine 2007; Solish, Samonte u. Polatajko 2005) oder nach Schlaganfall (McEwen et al. 2008). CO-OP ist strikt auf Betätigung ausgerichtet und ermöglicht Klienten, die Betätigungen auszuführen, die sie sich auszuführen wünschen oder die von ihnen erwartet werden.

Motorische Fertigkeiten: erlernt und nicht entwickelt Im Gegensatz zu traditionellen, hierarchischen Ansätzen basiert CO-OP auf Elementen der kognitiven Lerntheorien und dynamischen Systemtheorie und betrachtet motorische Fertigkeiten als erlernt und nicht entwickelt. CO-OP hat den Anspruch, zeitgemäße Ergotherapie in der Behandlung von Kindern mit motorischen Schwierigkeiten einzusetzen und wird als effektiver, aufgabenorientierter Behandlungsansatz in der „Leitlinie zu umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen“ (AWMF 2011) empfohlen. Betrachtet man motorisches Lernen als das Lösen eines Bewe-

116

gungsproblems, so müssen Kinder mit z. B. der Diagnose UEMF lernen, ein konkretes Bewegungsproblem zu lösen. Unter Einsatz von CO-OP schaffen sie dies, mit Begleitung des Therapeuten als Coach, selbstständig. „CO-OP ist eine klientenzentrierte, ausführungsbasierte Problemlösungsmethode, die den Erwerb von Fertigkeiten mithilfe von Strategieanwendung und geleiteter Entdeckung ermöglicht“ (Polatajko u. Mandich 2008, S. 2). Die Therapie wird immer auf den Einzelfall zugeschnitten. Ausgangspunkt sind dabei alltagsrelevante, von Kind und Umfeld formulierte Therapieziele.

Ziele Mit CO-OP werden 4 übergeordnete Ziele verfolgt: ● Erwerb von Fertigkeiten, ● Einsatz von Strategien, ● Generalisierung des Lernens, ● Transfer. CO-OP hat eine klare Struktur und Vorgehensweise, die auf 7 Hauptmerkmalen basiert (▶ Abb. 5.1).

5.1.2

Hauptmerkmale

Hauptmerkmal 1: vom Klienten gesetzte Ziele Zuerst werden mögliche und realisierbare Ziele im CO-OP eingegrenzt. Ein Aktivitätstagesbogen zur Beschreibung eines typischen Tagesablaufs, Fotokarten mit Kinderaktivitäten (Pediatric Activity Card Sort; PACS; Mandich et al. 2004), das semistrukturierte Interview Canadian Occupational Perfomance Measure (COPM; Law et al. 2009) und die Bewertungsskala PQRS ▶ Abb. 5.2) (Performance Quality Rating Scale; Henry u. Polatajko 2004, Martini u. Polatajko 2004, Miller et al. 2001), die eigens zur Anwendung im CO-OP Ansatz entwickelt wurde, dienen der konkreten Festlegung der Therapieziele und Bestimmung einer „Baseline“ als Ausgangspunkt. Für CO-OP werden 3 Therapieziele herausgearbeitet. Die aktuellen Fertigkeiten des Kindes in der Zielaktivität werden mithilfe der Performance Quality Rating Scale (PQRS) erhoben und damit messbar gemacht (Base Line). Die Bewertung der

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5.1 Der CO-OP Ansatz

Kognitive Orientierung bei der alltäglichen Betätigungsausübung (CO-OP)

Beteiligung von Eltern/ wichtigen Bezugspersonen

vom Klienten gesetzte Ziele

dynamische Ausführungsanalysee

Anwendung kognitiver Strategien

geleitete Entdeckung

Befähigungsprinzipien

Zielparameter setzen

Motivation

globale Problemlösungsstrategie

Eins nach dem anderen!

Lass es Spaß machen!

Struktur des Programms

Struktur der Therapieeinheit

Aktivitätstagesbogen

Aufgabenwissen

Aufgabenspezifische Strategien

Fragen, nicht sagen!

Fördere Lernen!

Fotokarten (PACS)

Performanzkompetenz

gute Strategieanwendung

Begleiten, nicht berichtigen!

Strebe Selbständigkeit an!

Mach es deutlich!

Fördere Generalisierung und Transfer!

Canadian Occupational Performance Measure (COPM)

Interventionsformat

5

Materialien

Bewertungsskala (PQRS)

Abb. 5.1 Hauptmerkmale des CO-OP Ansatzes (Polatajko und Mandich 2008).

PQRS obliegt der Einschätzung des Therapeuten auf einer Skala von 1–10. Die PQRS bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das Ausmaß der Veränderung pro Ziel auf einer Skala von – 5 bis + 5 festzuhalten (▶ Abb. 5.2).

Hauptmerkmal 2: Durchführen der dynamischen Performanzanalyse (DPA) Um Lösungsstrategien entwickeln zu können, muss herausgefunden werden, an welcher Stelle und warum die Betätigungsausführung scheitert oder hakt.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Name: Therapeut/in Datum – Pretest

Datum – Post-Test

Ziel

1.

2.

3.

Kommentar

überhaupt

sehr

nicht

gut

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

a

Name: Therapeut/in Datum – Pretest

Datum – Post-Test

Datum (Ausmaß der Veränderung) Ziel

1.

2.

3.

Kommentar

–5 –4 –3 –2 –1

0

+1 +2 +3 +4 +5

–5 –4 –3 –2 –1

0

+1 +2 +3 +4 +5

–5 –4 –3 –2 –1

0

+1 +2 +3 +4 +5

b

Abb. 5.2 a, b PQRS (Quelle: Polatajko und Mandich 2008).

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5.1 Der CO-OP Ansatz Da im CO-OP-Ansatz, im Gegensatz zu traditionellen Vorgehensweisen, nicht automatisch die Performanzkomponenten für eine schlechtere oder unmögliche Betätigungsausführung verantwortlich gemacht werden, muss die Betätigungsausführung genau unter die Lupe genommen werden. Für Therapeuten, die bislang Probleme in der Betätigungsausführung durch die traditionelle Brille („Oh, er sitzt schlecht – er hat ein Tonusproblem“) betrachtet haben, stellt die DPA sicher eine der größten Herausforderungen, aber auch eine gute Möglichkeit der Reflexion des eigenen therapeutischen Vorgehens dar.

Erstanwendung DPA kommt erstmals zur Anwendung, während das Kind die als Ziel bestimmte Betätigungen zur Baseline-Bestimmung ausführt. Fragen, die dabei unbedingt Beantwortung finden müssen, sind: ● Ist das Kind zur Ausführung der Betätigung motiviert und weiß es, was zu tun ist? ● Wie sehen seine Kenntnisse rund um die Betätigungsausführung aus?

Kontinuierlicher Einsatz

DPA verfolgt 2 Ziele DPA kann zu jeder Betätigungsausführung herangezogen werden und zielt darauf ab, Ausführungsprobleme und potenzielle Strategien, die die Ausführung befähigen, zu identifizieren. Mit der DPA werden also 2 Ziele verfolgt: ● Probleme in der Betätigungsausführung zu identifizieren und herauszufinden, wo und warum diese scheitert sowie ● Lösungsstrategien zu finden und auszuloten.

Voraussetzungen beim Klienten Möchte der Klient diese Betätigung ausführen?

ja

Voraussetzungen für die Performanz

Weiß der Klient im Allgemeinen, wie es zu machen ist?

nein

5

Später setzt der Therapeut DPA in Interaktion mit dem Kind kontinuierlich ein. Leitfragen wie: „Was läuft schief?“ – mit dem Kind, der Umwelt und/ oder der Aufgabe – sind hauptsächlich auf die Betätigungsausführung bezogen. Die Beobachtung von Faktoren, wie neurologische Faktoren, Entwicklung, Sensomotorik und visuelle Wahrnehmung, dienen ausschließlich als Hintergrundinformationen und der Identifizierung potenzieller Lösungen. Ein klinischer Entscheidungsbaum (▶ Abb. 5.3) leitet den Therapeuten durch den Weg der DPA. Er setzt sich aus einer Reihe gestufter Fragen zusam-

ja

Gelingt die Ausführung?

nein

nein

An welchen Stellen scheitert die Ausführung?

nein

Hat er die Fähigkeit dazu?

ja

DPA beenden

DPA beenden

Bei jedem Scheitern Weiß der Klient was er tun muss? nein

ja

Möchte der Klient es tun? nein

ja

Kann der Klient es tun? nein

Sind die Anforderungen der Betätigung/Hilfen angemessen? nein

nein

nein

Sind die Umweltbedingungen/ Hilfen angemessen? nein

Intervention durchführen

Abb. 5.3 Klinischer Entscheidungsbaum (Quelle: Polatajko und Mandich 2008).

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik men, mit denen man durch den komplexen Prozess zum Erkennen der spezifischen Probleme geführt wird. Der Berichtsbogen dazu, der Dynamic Performance Analysis Record (DPAR), ergänzt den klinischen Entscheidungsbaum (Polatajko u. Mandich 2004).

Hauptmerkmal 3: Anwendung kognitiver Strategien Globale Strategie Durch die Anwendung von Strategien wachsen Fertigkeiten.

Merke Die globale Strategie, die CO-OP zugrunde liegt, ist: ZIEL – PLAN – TU – CHECK.

Die Begriffe stehen für: ● ZIEL – Was will ich tun? ● PLAN – Wie werde ich es tun? ● TU – Tu es (den Plan ausführen), ● CHECK – Hat mein Plan funktioniert? (Selbstbeobachtung, -befragung, -evaluation).

Abb. 5.4 Beispiel einer „Captain ZIEL PLAN TU CHECK“Handpuppe (Foto: Christian Knospe)

Die aufgabenspezifischen Strategien Auf eine spaßvolle Art wird diese Strategie gemeinsam mit dem Kind erarbeitet. Der Therapeut knüpft am Wissen des Kindes zu den Begriffen an: Was ist ein Ziel, ein Plan, Tun und Check? Um sich die Kenntnisse rund um die globale Strategie anzueignen hilft „Captain ZIEL – PLAN – TU – CHECK“. Der Kapitän, der in Form einer Handpuppe (▶ Abb. 5.4) in Erscheinung tritt, führt die Konversation über ZIEL, PLAN, TU, CHECK mit dem Kind, wobei er immer die vom Kind geäußerten Begrifflichkeiten aufnimmt und reflektiert. Um das Verständnis zu vertiefen, präsentiert der Therapeut dem Kind eine einfache Betätigungsausführung und verbalisiert hierbei die Schritte von ZIEL, PLAN, TU, CHECK. Zum Abschluss bittet der Therapeut das Kind, ihm eine Betätigung, die es gut beherrscht, unter Anwendung von ZIEL, PLAN, TU, CHECK beizubringen. Hiermit stellt der Therapeut sicher, dass sich das Kind die globale Strategie zueigengemacht hat, bevor es an die Entwicklung aufgabenspezifischer Strategien geht.

120

CO-OP möchte Kinder zu geschickten Strategieanwendern machen. Während ZIEL – PLAN – TU – CHECK den generellen Bezugsrahmen darstellt, betreffen aufgabenspezifische Strategien einen Teilbereich einer Aufgabe oder sind aufgaben-, kindund situationsabhängige Strategien. Diese werden mittels „geleiteter Entdeckung“ unter Begleitung des Therapeuten vom Kind erarbeitet. Während der geleiteten Entdeckung wendet der Therapeut eine Reihe von Techniken an, die es dem Kind ermöglichen, selbst Lösungen zur Betätigungsausführung zu entwickeln. Alle aufgabenspezifischen Strategien basieren auf verbaler Begleitung, die zu Beginn des therapeutischen Prozesses vom Therapeuten übernommen wird. Die Rolle des Therapeuten ist immer eine begleitende, niemals Lösungen vorwegnehmende. Im Laufe der Therapiesequenzen wird das Kind unterstützt, sich die verbale Selbstinstruktion selbst zu geben und sich dabei verbal durch die Betätigungsausführung zu navigieren.

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5.1 Der CO-OP Ansatz

Hauptmerkmal 4: geleitete Entdeckung In den Therapiestunden leitet der Therapeut das Kind an, die Lösung seiner Performanzprobleme selbst zu entdecken. Die Konzeption der geleiteten Entdeckung basiert auf allgemeinen Grundlagen der Lerntheorie. 4 Merksätze prägen die geleitete Entdeckung:

Eins nach dem anderen! Beim Lernen ist es am besten, sich immer nur einer Sache zu widmen und nicht alle Teilprobleme gleichzeitig zu lösen.

Fragen, nicht sagen! Wenn in der Begleitung der Kinder genau die Fragen gestellt werden, die dazu beitragen, dass das Kind selbst die Lösung findet, hat man es genau richtig gemacht.

Begleiten, nicht berichtigen! Eine Kombination von Vormachen und Fragen kann dazu beitragen, dass das Kind eine Lösung entdeckt. Hierbei wird nicht vorgemacht, „wie es richtig geht“, sondern zuerst demonstriert, wie das Kind die Betätigung ausführt und dann, wie die Betätigung besser ausgeführt werden könnte (ohne zu sagen: „Schau, so geht es besser!“). Beispiel Ausmalen: Ein Vorschulkind malt kleine Flächen immer noch mit groben Bewegungen aus der Schulter aus. Die Therapeutin kann die großen Bewegungen vormachen und danach zeigen, wie sie mit feineren Fingerbewegungen ausmalt. Sie kann das Kind fragen: „Was meinst Du? Bei welcher Art und Weise verbrauchst Du weniger Energie? Wenn Dein ganzer Arm beim Malen rudert oder wenn er gemütlich auf der Tischplatte liegt und nur die Finger kleine Bewegungen machen? Probier’ mal aus!“ Der Therapeut berichtigt auch nicht „nebenbei“. Wenn z.B: das Kind das Papier nicht festhält, so greift er nicht ein und übernimmt diese Aufgabe, sondern er führt das Kind dahin, dass es erkennt, dass es wichtig ist das Papier zu halten.

Mach es deutlich! In „Mach es deutlich“ vereinen sich die Merksätze „Fragen, nicht sagen“ und „Begleiten, nicht berichtigen“. Kinder mit UEMF haben Schwierigkeiten herauszufiltern, was gerade der wichtigste Aspekt ist, auf den sie bei der Betätigungsausführung achten müssen. Deshalb haben sich die Probleme im Ausführen der Betätigungen auch nicht durch das endlose Vormachen und Hinweise durch Eltern oder andere Bezugspersonen verbessert. Der Merksatz „Mach es deutlich“ zielt darauf ab, genau den Aspekt in der Betätigungsausführung hervorzuheben, der für die Ausführung in dem Moment wichtig ist. Hierbei darf übertrieben werden und es dürfen Fragen gestellt werden, deren Antwort offensichtlich ist.

5

Hauptmerkmal 5: Befähigungsprinzipien Im CO-OP werden 4 Befähigungsprinzipien genannt, die für den Erwerb von Fertigkeiten, die Anwendung von Strategien, für Generalisierung und Transfer zur Anwendung kommen. Diese entstammen aus der Erfahrung bei Kindern mit Koordinationsstörungen und beziehen sich speziell auf Prinzipien der Lerntheorien, der Literatur über kognitive Techniken sowie Vermittlungstechniken und neuen Erkenntnissen zum motorischen Lernen.

Es muss Spaß machen! Dies ist ein Appell an den Interaktionsstil des Therapeuten und die Auswahl der Requisiten für die Therapie. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Unterstütze das Lernen! Vom Therapeuten fließen grundlegende Prinzipien des Lernens in die Therapie ein: ● Lernen geschieht in Stufen. Informationen werden in kleinen Schritten vermittelt. ● Wer lernt, benötigt Unterstützung, Feedback, Übung und Überprüfung. ● Motivation und Umweltfaktoren beeinflussen das Lernen.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik Techniken, um diese Prinzipien in die Praxis umzusetzen, sind: ● Verstärken, ● direktes Lehren, ● Vormachen, ● Formen (Shaping), ● Impulse geben, ● Ausblenden und ● Verketten (chaining).

Fördere die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit! Die Unterstützung und verbale Begleitung des Therapeuten wird konsequent abgebaut, sobald das Kind in der Ausführung und verbalen Selbstinstruktion seiner gewünschten Betätigungen selbstständiger wird. Das Ziel, das mit CO-OP verfolgt wird, ist, dass das Kind, unabhängig von welcher Fragestellung auch immer, in der Lage ist, Strategien zu bedenken und diese zur Anwendung zu bringen. Auch der Einsatz von Hausaufgaben, die darauf abzielen, das neu Gelernte im Alltag zu erproben, trägt zur Förderung der Selbstständigkeit bei.

Unterstütze die Generalisierung und den Transfer! Um die Generalisierung zu stimulieren, wird in der Therapiestunde vorbereitet, wie das Kind das Gelernte in seinem realen Alltagskontext zur Anwendung bringen kann. Transfer bedeutet, einen spezifischen Plan und dessen Strategien auch auf andere Fragestellungen zu übertragen. Zusätzlich wird im Transfer auch angestrebt, dass das Kind die globale Strategie Ziel-Plan-Tu-Check auf neue Lernsituationen übertragen kann.

Hauptmerkmal 6: Mitwirkung der Eltern und wichtiger anderer Personen Eltern und andere Bezugspersonen spielen im COOP eine wichtige, unterstützende Rolle. Eltern sollten unbedingt bei der Zieldefinition und dem Erlernen der globalen Strategie anwesend sein. Auch die Beobachtung der DPA kann ihnen Aufschluss darüber geben, warum das Kind bei der Ausführung der Betätigung scheitert und wie es begleitet werden kann, Lösungen selbst zu entdecken.

122

Wenn es Eltern gelingt, Prinzipien wie „Eins nach dem anderen!“, „Fragen, nicht sagen!“, „Begleiten, nicht berichtigen!“ und „Lass es Spaß machen!“ in ihr eigenes Handlungsrepertoire aufzunehmen, profitiert die Familie davon im Alltag sehr. Je öfter sie die Therapiestunden als stille Beobachter verfolgen, desto mehr Einblick bekommen sie in die CO-OP-Strategien. Am Ende der Stunde kann diskutiert werden. Eltern sind in diesem Fall eine wichtige Brücke zwischen Therapiesituation und Alltag. Sie können die Ausführung der erlernten Fertigkeiten im Alltag und damit die Generalisierung und den Transfer stimulieren.

Hauptmerkmal 7: Interventionsformat CO-OP-Therapie weist eine bestimmte Programmstruktur mit 3 Phasen auf, die auch der Struktur von ZIEL, PLAN, TU, CHECK folgen. Insgesamt sind für eine CO-OP-Intervention 10 Therapieeinheiten vorgesehen.

ZIEL: Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase werden die Eltern über CO-OP informiert, es wird sichergestellt, dass diese sich in der Therapie einbringen und der Bogen zum Tagesablauf wird übergeben. Während des ersten Kontakts werden gemeinsam die Ziele erhoben, eine Baseline mit dem PQRS festgehalten und mit der DPA begonnen.

PLAN und TU: die Lernphase Das Kind erlernt die globale Strategie von ZIEL, PLAN, TU, CHECK. Eltern und/oder andere Bezugspersonen unterstützen das Lernen des Kindes am Alltag. Zu Beginn der Lernphase wird an 2 Zielen gearbeitet, später kommt das dritte Ziel hinzu. Das Kind wird immer wieder dazu angehalten, die globale Strategie anzuwenden. Die DPA wird weiter fortgesetzt und daraus werden aufgabenspezifische Strategien abgleitet. Befähigende Prinzipien werden fortgesetzt und die Eltern angeregt, beim Übertragen der Strategien in den Alltag mitzuwirken.

CHECK: die Überprüfungsphase Nach 10 Therapieeinheiten wird die Zielerreichung mit COPM und PQRS überprüft. Im letzten Treffen wird nachgegangen, ob das Kind mit Generalisie-

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5.1 Der CO-OP Ansatz rung und Transfer im Alltag umgehen kann, und es findet ein letzter Austausch mit den Eltern oder anderen Bezugspersonen über die Anwendung von Strategien statt. Dem Therapeuten steht standardmäßig eine Reihe von Therapiematerial zur Verfügung, das speziell für CO-OP entwickelt wurde. Dieses ist dem Handbuch von Polatajko HJ, Mandich A. Ergotherapie bei Kindern mit Koordinationsstörungen – der CO-OP-Ansatz. Stuttgart: Thieme; 2008 auf CDRom beigelegt. In dieser Publikation ist auch die Falldarstellung „Jordan, ein Kind mit entwicklungsbedingter Kordinationsstörung“ (S. 78 ff.) veröffentlicht.

Fallbeispiel: Ein sechsjähriges Mädchen mit einer umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen

5.1.3

Das sechsjährige Mädchen wurde von der Kinderärztin in die Ergotherapie überwiesen, weil im Elternhaus und in der Schule ausgeprägte feinmotorische Probleme festgestellt worden waren.

Vorbereitungsphase Aktivitäten vor dem ersten Treffen ● ● ●

● ●

Mit den Eltern in Kontakt treten. CO-OP den Eltern vorstellen. Sicherstellen, dass die Eltern an einer Mitarbeit interessiert sind. Übergabe des Aktivitätstagesbogens. Prüfen, ob CO-OP als Therapieansatz für das Kind und die Eltern ein passender Therapieansatz ist.

Tab. 5.1 Standardisierte Tests und Ergebnisse Standardisierter Test

Ergebnisse des Mädchens

Movement Assessment Battery for Children (Petermann 2009)

Erstes Perzentil ihrer Altersgruppe

Beery Developmental Test of Visual Motor Integration (Beery & Beery, 2010)

20-stes Perzentil

5

zite ausgegrenzt oder gehänselt wird und war daher an einer frühen Therapie interessiert.

Voraussetzungen klären Im Fragebogen gaben die Eltern Probleme in den Bereichen Selbstversorgung, Schule und Freizeit an. In ▶ Tab. 5.1 sind die Ergebnisse der standardisierten Tests festgehalten.

Erste Sitzung Beim ersten Treffen wurde ● der ausgefüllte Aktivitätstagesbogen angesehen ● die Kids Activity Cards eingesetzt ● das Canadian Occupational Performance Measure (COPM) durchgeführt ● mit der Performance Quality Rating Scale (PQRS) die Ausgangsperformance (Baseline) festgehalten ● der Prozess der Dynamischen Ausführungsanalyse (DPA) eingeleitet.

Zielauswahl Feinmotorische Probleme Seit dem Schuleintritt war der Mutter aufgefallen, dass ihre Tocher Verrichtungen, die gleichaltrige Kinder mühelos meisterten, nur unzulänglich ausführen konnte. Dazu gehörte das Binden der Schnürsenkel und das Öffnen und Schließen von Knöpfen oder Reißverschlüssen. Das Mädchen konnte nur mit Mühe ihren Namen in Druckbuchstaben schreiben und der Umgang mit Besteck, besonders mit dem Messer, bereitete ihr große Probleme. Die Mutter hatte die Befürchtung, dass ihre Tochter von den Altersgenossen wegen ihrer Defi-

Das Mädchen und ihre Mutter formulierten gemeinsam folgende 3 Ziele: ● Schnürsenkel binden ● mit Besteck essen (schneiden) ● Druckbuchstaben schreiben Mit einer für Kinder modifizierten Einschätzungsskala des COPM, dem COPM a-kids erfragt die Therapeutin des Mädchens Einschätzung ihrer Performanz und Zufriedenheit. Sowohl ihre eigene Bewertung, wie auch die ihrer Mutter zeigten das Ausmaß der Probleme mit diesen drei Fertigkeiten.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Dynamische Ausführungsanalyse und Baseline Die Therapeutin beobachtete das Mädchen bei der Ausführung aller drei Tätigkeiten und bewertete sie mit der Performance Quality Rating Scale (PQRS). Mittels des DPA-Entscheidungsbaums analysierte die Therapeutin bei welchen Schritten das Mädchen Schwierigkeiten bei der Ausführung hatte und überlegte, welche Strategien hilfreich sein könnten. ● Schnürsenkel zubinden ○ sie kann die Schnürsenkel nicht zuknoten ○ sie kann die Schnürsennkel nicht zur Schleife binden ● Mit Besteck essen ○ es fällt ihr schwer, die Nudeln auf die Gabel zu spießen ○ sie drückt mit dem Messer auf das Fleisch, ohne Sägebewegungen auszuführen ● Druckbuchstaben schreiben ○ sie sitzt auf der Stuhlkante ○ sie hat keine funktionelle Stifthaltung ○ die Buchstaben sind unterschiedlich groß und stehen nicht auf der Grundlinie

Aufgabe selbst ausführen. Die Therapeutin achtete darauf, sie nicht anzusprechen, während sie sich auf ihre Tätigkeit konzentrierte. Die Therapeutin analysierte das Ergebnis des ersten Versuchs. Das Mädchen und die Handpuppe stellten fest, dass der Plan schon gut, aber noch nicht perfekt war. Der Knoten war viel zu locker und die darüber liegende Schleife war ungleichmäßig. Die Therapeutin fragte sie, mit wechem Plan es ihr gelingen könnte, dass der Knoten fester sitzt. Das Kind entwickelte mehrere Pläne und probierte sie nacheinander aus. Es waren mehrere Versuche notwendig bis die Schleife letztlich fest und gleichmäßig gebunden war.

Mit Besteck essen und mit dem Messer schneiden Zunächst entwicklete die Therapeutin zusammen mit dem Mädchen eine korrekte Sitzposition. Dann probierte das Kind aus, wie sie die Gabel halten kann, um das Essen ohne Mühe vom Teller in den Mund zu transportieren. Außerdem entdeckte sie, dass es wichtig ist, größere Stücke mit der Gabel festzuhalten, damit sie mit dem Messer gut „sägen“ konnte, um sie zu zerkleinern.

Lernphase Die Therapeutin modifizierte CO-OP entsprechend dem Alter, wobei sie darauf achtete, dass ● die Aufgabendauer ca. 15 Minutenn nicht überschreitet ● die Aktivitäten mit unterschiedlichen Materialien ausgeführt werden ● die Strategien häufiger wiederholt und verstärkt werden ● spielerische Elemente eingebaut werden ● Mithilfe einer Handpuppe lehrte die Therapeutin die globale Strategie, Ziel-Plan-Tu-Check. In allen darauffolgenden Therapiestunden wurde diese Strategie eingesetzt und das Mädchen begleitet aufgabenspezifische Strategien zu entwickeln.

Schnürsenkel zubinden. Da es das wichtigstes Anliegen des Mädchens war, die Schnürsenkel zu binden, entschied sich die Therapeutin mit dieser Aktivität zu beginnen. Während die Therapeutin das Zubinden vormachte, erläuterte sie die einzelnen Schritte, in die sie den Vorgang unterteilt hatte. Gleichzeitig motivierte sie das Kind, die Abläufe mit ihren eigenen Worten zu beschreiben. Anschließend sollte sie die

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Druckbuchstaben schreiben Dem Mädchen gelang es, die beim Essen eingenommene korrekte Sitzposition am Schreibtisch zu übernehmen. Sie probierte eine Reihe von Stiften aus und entschied dann, mit welchem sie am besten zurechtkam. Auch eine effizientere Stifthaltung musste gefunden werden. Als Forschungsauftrag beobachtete sie von einer Therapiestunde zur nächsten, wie andere Personen den Stift halten. Anschließend probierte sie, wie es ihr am besten gelingt, den Sift so zu halten, dass sich die Finger nicht verkrampfen. Erst als eine für sie angenehme Sitz- und Stifthaltung gefunden war, widmeten sie sich dem Schreiben. Das Mädchen war mit dem Ergebnis ihres Schreibens nicht zufrieden, weil die Buchstaben „nicht auf dem Weg“ blieben und unterschiedlich groß waren. Die Buchstaben mit Oberlängen wie b und d hatten die gleiche Größe wie z. B. a und e. Die Therapeutin fragte sie mit welchem Bild sie sich merken könnte, wo die Buchstaben stehen sollten. Das Kind hatte die Idee, dass die untere Linie die kleinen Buchstaben „festhält“, während die großen Buchstaben von der Zeile darüber gehalten

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE werden. Zusätzlich stellte sie sich vor, dass die kleinen Buchstaben im Erdgeschoss wohnen und die Oberlängen bis in den ersten Stock reichen. In mehreren Therapiesitzungen wurden die neu erarbeiteten Strategien, die sie entwickelt hatte, verstärkt und in einer Liste zusammengefasst, damit sie zu Hause und in der Schule eingesetzt werden konnten.

ßeres Spiel zusammenzufassen. So entstand der TREFFPUNKT (Kraus u. Sichert-Grinstead 2003). Da dieses größere Spiel in der Befunderhebung eher einzusetzen war als ein Screening und es noch viele andere Spielideen gab, die für die Behandlungsphase geeigneter waren, folgte die SCHREIB-MALSCHULE (Kraus u. Sichert-Grinstead 2006). Beide Spielkonstellationen erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Kindern.

Abschluss der Therapie Nach 10 Therapiestunden zeigte sie stolz ihr Können. Die Therapeutin bewertete mit der PQRS die Ausführung und das Mädchen und ihre Mutter schätzen mit dem COPM die Performanz und ihre Zufriedenheit ein.

Der Einsatz des TREFFPUNKTs und der SCHREIB-MAL-SCHULE vor dem Hintergrund des Bieler Modells

5.2

Elke Kraus

5.2.1

Einleitung

Ergotherapeutinnen sind Expertinnen im Erfassen und Befähigen der Handlungsperformanz eines Menschen. Im pädiatrischen Bereich analysieren sie die Möglichkeiten und Grenzen von Betätigungen bei Kindern, wenn möglich innerhalb unterschiedlicher Kontexte. Die Grafomotorik ist eine der Hauptbetätigungen im Vorschulalter und an der Grundschule. Probleme in diesem Gebiet führen sehr häufig zu Überweisungen für ergotherapeutische Behandlung. Im Rahmen der aktuell zunehmenden Forderung nach Evidenz für effektive Therapieansätze ist es daher von großer Wichtigkeit, dass gezielt und ergebnisorientiert behandelt wird. Der TREFFPUNKT entstand in einer ergotherapeutischen Praxis mit Kindern, in der ich als Praxisanleiterin tätig war. Über Jahre hatte ich, wie viele andere Kolleginnen, mir ein Repertoire an kleinen Spielchen aufgebaut, die ich in der Befunderhebung und in der Therapie einsetzte, um mir zusätzlich zu den gängigen standardisierten Testverfahren qualitative Informationen zu beschaffen, die mich in meinem Clinical Reasoning unterstützten. Meine damalige Praktikantin, Ute Sichert, machte den Vorschlag, diese Spielchen in ein grö-

Bottom-up- und Top-downAnsätze

5.2.2

5

Bottom-up-Ansatz Beobachtungen aus der Praxis zeigen, dass Kinder mit feinmotorischen Störungen und Auffälligkeiten oft auch Probleme mit dem Malen und Schreiben haben, aber nicht immer. Dieser Punkt bringt uns zu einer wichtigen Überlegung, einem ersten Schritt zum effektiven Therapieren, indem wir das eigene Vorgehen kritisch reflektieren. Traditionell gilt eine verbreitete Grundannahme, dass bestimmte physische, perzeptionelle und kognitive Komponenten immer und unabdingbar einer Betätigung wie Malen und Schreiben zugrunde liegen. Dies wird mit dem Bottom-up-Ansatz beschrieben: Hier sind die grundlegenden Faktoren oder Komponenten der Ausgangspunkt für ein Verständnis der Stärken und Einschränkungen eines Menschen (Trombley 1993). Dementsprechend sollen z. B. zuerst grobmotorische Grundfunktionen entwickelt werden, da diese den feinmotorischen Grundfunktionen entwicklungsbedingt zugrunde liegen. Dieser Bottom-up-Ansatz fundiert auch Therapieansätzen wie Sensorische Integration (SI) und Psychomotorik, und man geht davon aus, dass sich dadurch letztendlich auch die Grafomotorik verbessert. In den letzten Jahren gab es allerdings zunehmend Studien, die diesen Bottom-up-Ansatz infrage stellten. Einerseits hat sich herausgestellt, dass nicht unbedingt alle Komponenten im gleichen Maße vorhanden sein müssen, damit der Mensch funktionsfähig ist (Weinstock-Zlotnick u. Hinojosa 2004). Andererseits gab es wieder einen Paradigmenwechsel, in dessen Rahmen sich die Ergotherapie verstärkt auf der Betätigungs- und Partizipationebene definiert (Townsend u. Polatjako 2007). Dieser schwerpunktmäßige betätigungsorientierte Ansatz erfasst als Ausgangspunkt die Komplexitä-

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik ten und nicht die Komponenten der menschlichen Handlung.

Wichtig Beispielsweise sehen wir immer wieder Kinder, die z. B. nicht gekrabbelt sind und trotzdem keine Probleme mit Balance oder Koordination haben, oder Kinder mit grobmotorischen Problemen, die aber keine Auffälligkeiten beim Malen oder Schreiben zeigen.

Top-down-Ansatz Da Betätigungen sehr viel komplexer sind als die einzelnen Komponente oder selbst deren Summe, wird Komplexität am besten durch einen sogenannten Top-down-Ansatz erfasst. Top-down bedeutet: Die Handlung eines Menschen mit ihrer Rolle und Bedeutung und weitere Aktivitäten, die damit verbunden sind, sind der Ausgangspunkt (Trombley 1993). Das Occupational Therapy Practice Framework gibt eine starke Empfehlung, dass jede Befunderhebung mit einem Betätigungsprofil und einer Betätigungsanalyse beginnen sollte, also einem Top-down-Ansatz (AOTA 2002). Die Körperfunktionen und Komponenten der Handlungen rücken an die zweite Stelle und werden nach Bedarf eingesetzt.

Individuelle Entscheidung Ein dritter Standpunkt macht sich bemerkbar, in dem argumentiert wird, dass man sich bei jedem Klienten neu entscheiden sollte, ob man mit einem Top-down- oder mit einem Bottom-up-Ansatz therapieren möchte (Weinstock-Zlotnick u. Hinojosa 2004). Beide Ansätze könnten auch nacheinander folgen, um die beiden gegensätzlichen Ansätze nicht zu polarisieren, sondern sie im Rahmen der klinischen Entscheidungsfindung, in Bezug auf das individuelle Kind mit seinen einzigartigen Stärken und Herausforderungen und seinem zeitbedingten Kontext zur Wahl zu stellen. Den beiden Spielkonstellationen, TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE, liegt ein Bottom-upAnsatz zugrunde. Wenn die Therapeutin zu der Entscheidung kommt, dass die Therapie auf Körperfunktionsebene angesetzt werden soll, dann wäre ein Bottom-up-Ansatz geeignet. Zum Bei-

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spiel, wenn bestimmte Teilfunktionen oder Komponenten das Betätigungsproblem des Kindes zu verstärken oder gar zu verursachen scheinen, dann würden sich die Spiele des TREFFPUNKTS und der SCHREIB-MAL-SCHULE eignen.

5.2.3

Händigkeitsentwicklung

Auch die Händigkeit kann man als Grundfunktion für die Grafomotorik sehen. In manchen Fällen könnte es sein, dass eine noch nicht gefestigte oder umgeschulte Händigkeit die Entwicklung der Feinmotorik beeinträchtigt. Wenn ein Kind den Handgebrauch wechselt, kann es keinen optimalen Übungseffekt erzielen, der die Kontrolle und den Bewegungsfluss verbessert. In solchen Fällen ist die Händigkeit das primäre Problem. Ebenso ist es möglich, dass Kinder mit feinmotorischen Schwierigkeiten wegen Ermüdung oder zum Erproben den Handgebrauch wechseln, v. a. wenn sie noch im Kindergarten sind und die Händigkeit sich erst noch festigt. Hier wären motorische Auffälligkeiten das primäre und die Händigkeit das sekundäre Problem.

Wichtig Obgleich sich die Händigkeit und die Feinmotorik gegenseitig beeinflussen können, ist es doch wichtig, diese beiden Komplexe getrennt zu betrachten, da es durchaus händigkeitsauffällige Kinder ohne grafomotorische Störungen und viele Kinder mit feinmotorischen Schwierigkeiten gibt, bei denen die Händigkeit gefestigt ist.

Was aber sind die spezifischen Ursachen, die es einem Kind erschweren, effizient mit dem Stift zu arbeiten?

5.2.4

Konzeptionelle Verknüpfung

Vor dem Hintergrund der Akademisierung in der Ergotherapie ist es wichtig, solche praxisnahen Spielkonstellationen wie der TREFFPUNKT und die SCHREIB-MAL-SCHULE auch konzeptionell zu verknüpfen. Wie schon erwähnt, ist es nicht unabdingbar, dass alle Grundfunktionen ausgebildet sein müssen, bevor bestimmte Betätigungen effektiv und effizient ausgeführt werden können. Dennoch ist es oft der Fall, dass bei vielen grafomoto-

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE risch auffälligen Kindern auch bestimmte Grundfunktionen oder Komponenten unterentwickelt sind. Aber nicht nur Grundfunktionen können eine grafomotorische Entwicklung hemmen und beeinflussen, es gibt auch andere Ursachen. Was sind aber die spezifischen Ursachen, die es einem Kind erschweren, effizient mit dem Stift zu arbeiten? Zum Zweck eines ganzheitlichen und klientenzentrierten Vorgehens bietet es sich an, ein ergotherapeutisches Modell zur Hilfe zu nehmen, wie z. B. das Bieler Modell. So wird ein Überblick geschaffen und sichergestellt, dass aus ganzheitlicher ergotherapeutischer Perspektive nichts übersehen wird. Tatsächlich gibt es eine Vielfalt von Umständen, Begebenheiten und Eigenschaften, die die Grafomotorik negativ beeinflussen können. Bei genauerem Hinsehen könnte es sein, dass nicht die grafomotorischen Grundfunktionen das primäre Problem darstellen, sondern andere beeinflussende Faktoren. Solche Probleme müssten also zuerst identifiziert oder ausgeschlossen werden, bevor man sich mit den spezifischen Komponenten zum Malen und Schreiben befasst.

Definition und Differenzierung spezifischer Komponenten Sind andere primäre Probleme ausgeschlossen, wird nun das Verhältnis zwischen der Betätigung, in diesem Fall Malen und Schreiben, und den entsprechenden Komponenten erörtert. Die Komponenten werden erst einmal definiert und dann differenziert erfasst. Hierzu gibt es unterschiedliche Assessments, Tests, Checklisten und Beobachtungen, die Ergotherapeuten darin unterstützen, die möglichen zugrundeliegenden Probleme der Grundfunktionen festzustellen. Eine gezielte Auswahl der notwendigen Testverfahren sowie die eigenen Beobachtungen und andere qualitative Information formen die Grundlage für die Analyse.

Wichtig Liegt eine Übersicht der individuellen Konstellation der Schwierigkeiten und Stärken eines Kindes vor, kann effizient therapiert werden. Aber auch hier sollte die Therapeutin weiterhin kritisch reflektiert therapieren und nicht von der Annahme ausgegangen werden, dass sich die Komponenten der Grafomotorik durch die Behandlung automatisch verbessern werden.

Es sollten auch in der Therapie die unterschiedlichen Kontextfaktoren und Bedingungen berücksichtigt werden. Das Vorgehen einer reflektierenden Ergotherapeutin wird dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Aspekte, die die Grafomotorik auf Körperfunktionsebene, Aktivitäts- und Partizipationsebene beeinflussen können, systematisch erfasst, analysiert und priorisiert werden. Als Hilfestellung für dieses Vorgehen werden oft ergotherapeutische Modelle eingesetzt. Um die Komplexität einer effektiven Befunderhebung und Behandlung in der ergotherapeutischen Praxis zu gewähren, wird in diesem Kapitel zuerst ein mögliches Vorgehen anhand eines Praxismodells vorgeschlagen, das mögliche beeinflussende Faktoren strukturiert. Vor diesem Hintergrund werden dann der TREFFPUNKT und die SCHREIB-MAL-SCHULE als mögliche Unterstützung zu einer systematisierten Maßnahme vorgestellt, sollte ein Bottom-up-Ansatz gewählt werden. Um dem Prozess beispielhaft eine theoretisch strukturierte Basis zu geben, wird das Bieler Modell genutzt.

5

Ergotherapeutische Diagnostik – Bieler Modell

5.2.5

Das Bieler Modell wurde 1998 von Béguin und Mitarbeitern (Autorenteam der Schule für Ergotherapie Biel 2007) an der Schule für Ergotherapie in Biel (Schweiz) in einem Arbeitspapier konzipiert, um die ergotherapeutische Problemstellung, ergotherapeutische Maßnahmen, die Umsetzung in die Praxis und die Evaluation der Therapie zu erfassen. Es beruht auf der Annahme, dass Handlungen ein menschliches Grundbedürfnis und durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind: Handlungen sind ● zielgerichtet und bewusst, ● persönlich, sozial, sachlich motiviert, ● strukturiert, ● selbst-, mit- oder fremdbestimmt und sie gestalten Umwelt und Person.

Personale und lebensbereichsbezogene Handlungsbedingungen Die Handlungsfähigkeit entwickelt und verändert sich im Laufe eines Lebens und kann durch Krankheit, Behinderung, Über- und Unterforderung erschwert oder beeinträchtigt werden (Autorenteam

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik der Schule für Ergotherapie Biel 2007). Des Weiteren werden personale und lebensbereichbezogene Handlungsbedingungen definiert. Personale Handlungsbedingungen schließen die sensomotorischen, perzeptiven, kognitiven und emotionalen Grundfunktionen ein. Die lebensbezogenen Handlungsbedingungen sind in die 3 Domänen Freizeit/ Spiel, Activities of daily Living (ADL) und Arbeit/ Beruf/Schule/Ausbildung unterteilt. Im Zentrum stehen Verhaltensgrundformen, die von den personalen und lebensbezogenen Handlungsbedingungen bestimmt werden: ● Haltung und Fortbewegung, ● Umgang mit Gegenständen, ● soziale Interaktionen. Um das Bieler Modell in einen praxisnahen Bezug im Einsatz des TREFFPUNKTS und der SCHREIBMAL-SCHULE zu stellen, könnte man den „Umgang mit Gegenständen“ im Zentrum des Schaubilds (▶ Abb. 5.5) mit „Grafomotorik“ konkretisieren. Im nächsten Zuge kann überleget werden, welche Grundfunktionen wesentlich für die Grafomotorik sind (in ▶ Abb. 5.5 rosa markiert). Sensorische und motorische sowie auch perzeptive (z. B. visuelle und taktile Wahrnehmung) und kognitive (z. B. Konzentrationsvermögen, Aufgabenverständnis) Komponenten sind für das Malen und Schreiben wesentlich. Aber auch allgemeine physische und psychische Voraussetzungen (z. B. funktions-

www.bielermodell.ch/bieler-modell-de

Materielle, soziale und kulturelle Voraussetzungen in Kindergarten oder Schule sowie zu Hause für die Hausaufgaben Zu den materiellen Voraussetzungen gehören Aspekte wie geeignete Stifte, ein Stifthalter oder ein kindgerecht angepasster Tisch und Stuhl. Soziale Bedingungen können sich beispielsweise auf die Unterstützung oder Erwartungen im Umfeld von Eltern, Erziehern oder Lehrern beziehen und wie diese kommuniziert werden, ob sie das Kind motivieren oder entmutigen. Der kulturelle Aspekt kann sich zunächst auf den Kulturkreis beziehen, in dem Malen und Schreiben als wichtig eingeschätzt wird und in dem auch mehr oder weniger

personale Handlungsbedingungen

lebensbereichsbezogene Handlungsbedingungen

Haltung/ Fortbewegung, Stift- und Körperhaltung

Grafomotorik soziale Interaktion zwischen Kind und Therapeut, Eltern, Erziehern

sensomotorisch: visuelle und taktile Wahrnehmung funktionsfähige Hand- und Fingerfunktion perzeptiv – kognitiv: Konzentrationsvermögen Aufgabenverständnis

Grundfunktionen

Lebensbereiche: Ergotherapiepraxis Schule häusliches Umfeld Freizeit

fähige Hand- und Fingergelenke, Motivation) sind notwendig. Es gibt auch noch andere Faktoren, die einen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit des Kindes im Bereich Malen und Schreiben haben können (in ▶ Abb. 5.5 gelb markiert): ● materielle, soziale und kulturelle Aspekte, die sich auf den Lebensbereich Schule negativ oder positiv auswirken können, ● soziale Interaktion sowie auch ● Haltung.

emotional: Motivation

Abb. 5.5 Das modifizierte Bieler Modell als Grundlage zum Ausschließen von beeinflussenden Faktoren auf die Grafomotorik.

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE Wert darauf gelegt wird, dass das Kind mit der rechten Hand schreibt. Es können hier auch unterschiedliche Anforderungen auf gesellschaftlicher, institutioneller (Schule/Kindergarten) oder persönlicher Ebene gemeint sein, die auf das Kind und seine grafomotorische Möglichkeit einwirken. Diese Voraussetzungen sollten im Gespräch mit Eltern und Kind erfragt werden.

Soziale Interaktion und emotionale Grundfunktionen Der sozioemotionale Bereich ist sehr schwierig zu erfassen und doch von sehr großer Wichtigkeit. Wir wissen, wie viel die Motivation und das eigene Selbstbild unsere Handlungen positiv und negativ beeinflussen können. Die Art und Weise, wie z. B. die Werte, Erwartungen und Anforderungen in Bezug auf Malen und Schreiben an das Kind herangetragen werden und wie darüber kommuniziert wird, ist oft bei der Interaktion zwischen Eltern und Kind zu beobachten oder wird vom Kind selbst verbalisiert.

vieren, Spaß machen und auch Spielraum für eigenen Ideen oder Abwandlungen erlauben sollen (soziale Interaktion und emotionale Grundfunktion). Spielend soll das Kind erfahren, dass es selbst den Lernprozess mitgestaltet und kontrolliert. Ob die Mittel in der Therapie oder zu Hause eingesetzt werden – es sollte sichergestellt sein, dass die optimalen materiellen und sozialen Voraussetzungen, einschließlich einer bestmöglichen Körperhaltung am Tisch (Haltung), zutreffen. Ebenso ist es wünschenswert, dass auch die Therapeutin ihre Erfahrungen und Anpassungen entsprechend einbringen kann.

5

Das Spiel TREFFPUNKT TREFFPUNKT kann auch als eine Art Screening betrachtet und verwendet werden, bevor es als Spiel zur Förderung der Grafomotorik eingesetzt wird. So können auf spielerische Art und Weise mögliche Grundfunktionen oder Komponenten erfasst werden, die für die Grafomotorik nötig sind.

Anwendung als Screening

Haltung (und Fortbewegung) Fortbewegung spielt bei grafomotorischen Fertigkeiten eher keine Rolle, wohl aber die Haltung. Diese kann durch die materiellen Voraussetzungen – Stuhl und Tisch in der richtigen Höhe für das Kind – optimiert werden. Wenn die materiellen Voraussetzungen stimmen und das Kind sich immer noch aufstützt und eine schwache Rumpfkontrolle zeigt, kann diese Haltung die Grafomotorik negativ beeinflussen. Ist das der Fall, sollte man sich überlegen, was noch notwendig ist, damit das Kind sich nicht abstützen muss und effizient den Stift und das Papier halten kann. Für die ergotherapeutische Diagnostik können alle diese Faktoren die Grafomotorik wesentlich beeinflussen. Eine effektive Therapie muss auf die Ursachen der feinmotorischen Störung ausgerichtet sein. Ebenso können diese Aspekte Ressourcen und Stärken darstellen, die man in der Therapie nutzen kann.

Anwendung von TREFFPUNKT und von der SCHREIB-MAL-SCHULE

5.2.6

Die beiden spielerischen Mittel zur Förderung der Grafomotorik, TREFFPUNKT und SCHREIB-MALSCHULE, sind so konzipiert, dass sie das Kind moti-

Das erste Ziel dieser Spielkonstellation ist es, herauszufinden, ob das Kind die wesentlichen Grundfunktionen oder Komponenten beherrscht, die dem Malen und Schreiben unterliegen. Der TREFFPUNKT ist kein standardisiertes oder normiertes Assessment, sondern eine Beobachtungscheckliste, auf der unterschiedliche Komponenten auf einer 3-Punkt-Skala eingeschätzt werden können: „gut bis sehr gut“; „etwas schwierig“ und „sehr schwierig“. Für diesen Zweck gibt es die grünen Karten und eine Checkliste. Der TREFFPUNKT kann für die Befunderhebung und für die Therapie bei Kindern zwischen 5 und 10 Jahren mit feinmotorischen Störungen verwendet werden.

Anwendung als Intervention Das zweite Ziel des TREFFPUNKTS ist es, therapieorientiert eine verbesserte Mal- und Schreibmotorik zu schaffen. Der TREFFPUNKT kann mit 2 Personen (Therapeutin und Kind oder 2 Kinder) gespielt werden. Für jeden Spieler gibt es ein Auto, mit dem gleich viele Felder zurückgelegt werden sollen, um zur Mitte, zu dem „Treffpunkt“ zu gelangen. Auch der Stift wird als ein Fahrzeug mit 3 Fahrern gesehen: Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Diese 3 Fahrer müssen bestimmte Regeln einhalten.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Komponenten des Screenings

Abb. 5.6 Abbildung des Spielplans.

Die beiden kurvigen Straßen auf dem Spielplan (▶ Abb. 5.6) bestehen aus gelben, blauen und roten Feldern, zu denen es in den entsprechenden Farben Aufgabenkarten gibt. Hier ein paar Beispiele ● Parkt man auf einem roten Feld, zieht man eine rote Karte mit feinmotorischen Übungen (z. B. In-Hand-Manipulation: „Auf der Straße liegen Felsbrocken – bitte mit einer Hand auflesen und an den Straßenrand legen“). ● Gelbe Karten befassen sich mit dem Wissen und der „Theorie“, mithilfe derer sich das Kind kognitiv mit der Übung befassen kann (z. B. Stifthaltung: „Wie sollten die 3 Fahrer auf dem Fahrstift sitzen?“). ● Die blauen Karten fordern das Kind zum Malen und Schreiben auf, damit der Transfer der Komponenten und des theoretischen Wissens geleistet werden kann (z. B. „Du bist hungrig und willst zum Bäcker. Male 2 Brötchen und 3 Brezeln an den Straßenrand“). Es geht bei dem Spiel nicht ums Gewinnen, sondern um die abenteuerliche Fahrt. Beide Spieler helfen sich oft gegenseitig.

Bezugsquelle: Elke Kraus, Ute Sichert-Grinstead Treffpunkt Reihe: Materialien zur Therapie Schulz-Kirchner Verlag 2., kplt. überarb. Auflage 2013 ISBN 978–3-8248–0430–6

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TREFFPUNKT. Es wurden 10 Komponenten oder Grundfunktionen der Grafomotorik formuliert, die kurz definiert und mit einem Foto illustriert werden. 1. Arm-Hand-Differenzierung, 2. Laterales Abstützen der Hand/des Unterarms und Extension des Handgelenks, 3. Tonus- und Kraftregulation, 4. Propriozeption, 5. Spitzgriff, 6. In-Hand-Differenzierung und In-Hand-Manipulation, 7. Intrinsische Bewegungen der Hand, 8. Orientierung und räumliches Planen beim Malen/Schreiben, 9. Visuomotorische Integration, 10. Schreiben. Es fällt sicherlich auf, dass die ersten 7 Komponenten relativ einfach und die letzten 3 komplex sind, sodass man argumentieren könnte, dass Letztere keine Komponenten mehr sind. Obgleich die 10 Komponenten an sich keiner Reihenfolge unterliegen, sind die klinischen Beobachtungen bei komplexeren Handlungen der Betätigungsebene unerlässlich für die ergotherapeutische Diagnostik. Es stellen sich hier oft interessante Zusammenhäng zwischen den Komponenten dar. Der Einfachheit halber werden daher auch die letzten 3 Komponenten (d. h. Orientierung und räumliches Planen, visuomotorische Integration und Schreiben) als solche bezeichnet.

1. Arm-Hand-Differenzierung Beim Malen und Schreiben soll der Richtungswechsel durch die Hand und nicht durch Bewegungen des Armes bzw. der Schulter vollzogen werden. Solche Malmuster sind bei Kindern bis zu 3 Jahren normal. 4-Jährige hingegen stützen sich zunehmend ab und malen vorwiegend von Ellbogen und Handgelenk gesteuert (▶ Abb. 5.7a, b). Im Alter von 5 und 6 Jahren führen Kinder vermehrt Handgelenk- und Fingerbewegungen aus (▶ Abb. 5.8), wodurch kurze horizontale und diagonale Linien leichter und präziser zu zeichnen sind. Der Ellbogen wird dabei nicht nach außen geschoben, die Bewegung kommt nicht aus der Schulter und eine bessere motorische Kontrolle wird erreicht.

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE

Abb. 5.7 Arm-Hand-Differenzierung: von Ellbogen und/oder Handgelenk gesteuert. Vertikale Strichführung vor allem aus dem Handgelenk (typisch für 3 bis 4-jährige Kinder). (Foto: Julia Mischner) a Handgelenk extendiert. b Handgelenk flektiert

5

Abb. 5.8 Verfeinerte „intrinsische“ Malbewegung, vorwiegend aus den Daumen- und Fingergelenken. (Foto: Julia Mischner) a IP von Daumen und Zeigefinger werden flektiert. b IP von Daumen und Zeigefinger werden extendiert.

2. Laterales Abstützen der Hand/des Unterarms und Extension des Handgelenks Hand und Unterarm liegen entspannt, aber „schwer“ auf der ulnaren Seite, wodurch sich die motorische Kontrolle durch distale Verlagerung verbessert und Striche mit besserer Kontrolle und abgestufter Geschwindigkeit möglich werden (▶ Abb. 5.9). Dazu ermöglicht das laterale Abstützen kleinere Bewegungen, wie beispielsweise beim präzisen Ausmalen oder Schreiben (▶ Abb. 5.8). Das Handgelenk sollte extendiert (zum Handrücken gestreckt; (▶ Abb. 5.7a) und nicht flektiert (zur Handfläche gebeugt; (▶ Abb. 5.12) sein. Manche Kinder pronieren den Unterarm (Handfläche

zeigt nach unten) beim Malen (▶ Abb. 5.10). Zeigen Rechtshänder eine solche Pronation, ist dies ein Zeichen einer undifferenzierten Haltung und Bewegung. Bei Linkshändern wäre dies hingegen normal, da es die Schiebebewegung beim Schreiben erleichtert (▶ Abb. 5.11).

Wichtig Aktive Supination (Handfläche zeigt nach oben) sollte überprüft werden, damit die Ursache eines eingeschränkten Bewegungsausmaßes ausgeschlossen werden kann.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Abb. 5.9 Seitliches (laterales) Abstüten der Hand und des Unterarms bei Mal- und Schreibbewegungen. Die Hand kann statisch sein, während intrinsischer Fingerbewegungen, oder dynamisch, während die Finger statisch den Stift fixieren. (Foto: Julia Mischner)

Abb. 5.10 Pronierter Unterarm beim Malen und Schreiben – kann die Beweglichkeit der Finger und die Anpassungsfähigkeit beim Malen und Schreiben reduzieren. Tritt oft in Kombination mit einem hyperextendierten Handgelenk auf. (Foto: Julia Mischner)

Abb. 5.11 Typische Linkshänderstifthaltung ist oft etwas mehr proniert, weil sie mehr von unten schreiben. (Foto: Julia Mischner)

Abb. 5.12 Flexiertes Handgelenk mit „Tunneleffekt“ wirkt verkrampft und reduziert die Kraft und Beweglichkeit in den Fingern beim Schreiben. (Foto: Julia Mischner)

Des Weiteren sollte zwischen Hand und Unterarm kein „Tunnel“ entstehen, der durch eine Flexion des Handgelenks verursacht wird (▶ Abb. 5.12). Eine passive Extension von Finger und Daumen wäre bei gebeugtem Handgelenk anatomisch bedingt, weil die Extensoren der Finger überstreckt werden. Auf die Stifthaltung hätte dies eine negative Auswirkung.

132

Umgekehrt verursacht die Extension des Handgelenks eine passive Opposition zwischen Daumen und Finger, weil die Flexoren der Finger im Handgelenk überstreckt werden. Deshalb verhilft ein extendiertes Handgelenk zu einer besseren Stifthaltung. Eine zu starke Extension des Handgelenks ist aber auch nicht gut. Sie kann in Kombination mit auffälligen Greifformen auftreten.

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE

3. Tonus- und Kraftregulation Wichtig Ein erhöhter Muskeltonus oder übermäßiger Kraftaufwand in den Fingern kann zu einer verkrampften Stifthaltung führen (▶ Abb. 5.15).

Ein erhöhter Tonus könnte durch ein unteraktives vestibuläres System oder Irritationen im Großhirn entstehen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass eine verkrampfte Stifthaltung auf ein Defizit der propriozeptiven und taktilen Reizverarbeitung zurückzuführen ist. Kann ein Kind Bewegungen und Druck nicht präzise analysieren und verarbeiten, ist es ebenfalls nicht in der Lage, Muskeltonus und Muskelkraft optimal zu regulieren. Dieses Ungleichgewicht wird meist mit einer übermäßigen Kraft in den Fingern kompensiert. Hingegen kann der Muskeltonus auch niedrig sein, wodurch das Kind den Stift sehr locker und unpräzise halten würde (▶ Abb. 5.14). Ist dies in bestimmten Fingermuskeln der Fall, können oft weitere ungewöhnliche Stifthaltungen beobachtet werden, wie z. B. zu extendierte Finger, wenn die Extensoren der Finger mehr Kraft haben als die Flexoren (▶ Abb. 5.14). Ebenso kommt es

Abb. 5.13 Kompensation durch erhöhten Druck und Kraftaufwand auf den Stift und das Papier wird oft bei schwacher Muskeltonusregulation und/oder propriozeptiven Defiziten eingesetzt. Hier gibt die Platzierung des Stiftes zwischen Zeige- und Mittelfinger zusätzliche Stabilität iund entspannt die Hand. (Foto: Julia Mischner)

vor, dass Abduktion (Daumen streckt sich 90° nach vorne und nach unten) und Opposition (Gegenüberstellung) des Daumens durch starke Adduktionsbewegungen (Daumen klemmt sich an die Seite des unteren Teiles vom Zeigefinger) kompensiert werden (▶ Abb. 5.15). Niedriger Muskeltonus und niedrige Muskelkraft sind oft auch mit überbeweglichen Fingergelenken verbunden, z. B. Hyperextension des Zeigefingers (DIP = distale Interphalangealgelenke) oder des Daumens (IP = proximale Interphalangealgelenke; ▶ Abb. 5.16). Auch lediglich eine schlechte Gewohnheit ohne weitere verursachende Probleme kann einer ungünstigen Stifthaltung zugrunde liegen.

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4. Propriozeption Propriozeption wird hier als Verarbeitung und Abstufung von Druck, Bewegung und Geschwindigkeit gebraucht, unabhängig von visueller Kontrolle. Wie bereits bei der Komponente der Tonus- und Kraftregulation angedeutet, werden Defizite im propriozeptiven Wahrnehmungsbereich mit verkrampfter oder zu lockerer Stifthaltung, übergroßem oder zu leichtem Stiftdruck sowie dem Unvermögen, die Geschwindigkeit beim Malen und Schreiben abzustufen, verbunden.

Abb. 5.14 Der Stift wird zu locker gehalten und kann nicht präzise gesteuert werden. (Foto: Julia Mischner)

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Abb. 5.15 Adduktion des Daumens statt Opposition („Schlüsselgriff“) erschwert intrinsische Fingerbewegungen. (Foto: Julia Mischner)

Abb. 5.16 Hyperextension im DIP-Gelenk des Zeigefingers beim Stiftgriff. Hypermobilität ist aber eine Besonderheit und nicht unbedingt eine Einschränkung. (Foto: Julia Mischner)

5. Spitzgriff Der verfeinerte Spitzgriff wird durch die präzise Opposition des Daumens zum Zeigefinger erzeugt und ist bereits mit Vollendung des 1. Lebensjahrs entwickelt. Der Daumen ist dabei abduziert, sodass der Griff zwischen den Fingerspitzen entsteht (▶ Abb. 5.17). Ungenügende Abduktion und Opposition des Daumens führt oft zum sogenannten Schlüsselgriff, wobei der adduzierte Daumen gegen die obere Seite des Zeigefingers eingesetzt wird. Durch den Schlüsselgriff (▶ Abb. 5.15) sind feine, intrinsische Bewegungen nur schwer möglich. Ein hyperextendiertes Daumengelenk oder ein hyperextendiertes Zeigefingergelenk ▶ Abb. 5.16) ist daneben ein weiteres Hindernis des verfeinerten Spitzgriffs, da eine effektive Opposition zwischen den Fingerspitzen verhindert wird. In manchen Fällen wird der Stift im 4-Punkt-Griff mit Hyperextension in den DIP Gelenken des Zeigefingers gehalten (▶ Abb. 5.16).

6. In-Hand-Differenzierung und In-Hand-Manipulation Die In-Hand-Differenzierung beschreibt die Teilung der Funktionen innerhalb der Hand, die für eine gute Stifthaltung und Stiftführung wichtig sind. Die „dynamischen“ Finger sind dabei Daumen, Zeige- und Mittelfinger, die kleine Mal- und Schreibbewegungen ausführen. Der Ringfinger und der kleine Finger nehmen dagegen eine Stütz- und Stabilisierungsfunktion ein und sollten beim Schreibvorgang nicht bewegt werden (▶ Abb. 5.18). Bei intrinsischen Bewegungen

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Abb. 5.17 Spitzgriff zwischen Fingerspitzen des Daumens und Zeigefingers. (Foto: Julia Mischner)

kommt die Bewegung nicht aus dem Handgelenk, dem Ellbogen und der Schulter und es werden alle Finger bewegt (▶ Abb. 5.8a, b). Hat sich die InHand-Differenzierung noch nicht entwickelt, zeigt das Kind einen Pfötchengriff, indem es den Stift mit allen Fingern hält (▶ Abb. 5.19).

Definition Als In-Hand-Manipulation wird die Fähigkeit verstanden, ein kleines Objekt innerhalb einer Hand von den Fingerspitzen zur Handfläche zu bewegen. Dabei kann das Objekt von Ringfinger und kleinem Finger festgehalten werden und auch wieder zurück manipuliert werden, ohne dass es hinunterfällt.

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE

Abb. 5.18 Stütz- und Stabilisierungsfunktion des flektierten Ring- und des kleinen Fingers. (Foto: Julia Mischner)

Abb. 5.19 „Pfötchengriff“: alle Finger halten den Stift. Es ist kaum intrinsische Bewegung möglich und die Bewegung kommt aus dem Handgelenk. (Foto: Julia Mischner)

Australische Forschungsstudien belegten einen direkten Zusammenhang zwischen In-Hand-Manipulation und intrinsischen Fingerbewegungen beim Malen und Schreiben.

Zeigen Kinder Schwierigkeiten beim Malen und Schreiben im räumlichen Planungsbereich, sollten die Mal- und Schreibübungen räumliche und Planungsaspekte beinhalten.

7. Intrinsische Bewegungen der Hand

9. Visuomotorische Integration

Beim Ausmalen großer Flächen sowie Zeichnen langer Striche kommt die Bewegung normalerweise aus den Ellbogen- und Schultergelenken, während die kleinen Fingermuskeln den Stift still halten. Schreiben Kinder oder malen sie etwas gezielt aus, sind Ellbogen und Schultergelenke hingegen statisch und die kleinen Fingermuskeln steuern die Bewegungen. Diese intrinsischen Bewegungen bestehen aus kleinen Flexions- und Extensionsbewegungen der beiden Finger und Daumen (▶ Abb. 5.8b) und setzen einen guten Stiftgriff voraus, wodurch Malund Schreibbewegungen in alle Richtungen ermöglicht werden, ohne dass eine Kompensation mit größeren Armbewegungen nötig ist.

Verzögerte Mal- und Schreibfertigkeiten können ihre Ursache auch in einem Unvermögen der motorischen Planung bzw. Praxie haben. Kinder müssen in der Lage sein, ein Bild schrittweise zu analysieren und aufzubauen, wozu die Fähigkeit gehört, korrekte und effektive Sequenzen (Reihenfolgen) von Strichen und Kurven zusammenzusetzen. Haben Kinder in diesem Bereich Probleme, wissen sie nicht, wo und wie sie anfangen sollen, etwas abzumalen bzw. welches der nächste Schritt beim Abmalen ist.

8. Orientierung und räumliches Planen beim Malen/Schreiben Manche Kinder zeigen Probleme mit der Orientierung und dem räumlichen Planen beim Malen und Schreiben, sodass Schwierigkeiten nicht unbedingt auf einer sensomotorischen Ursache beruhen. In solchen Fällen ist es angebracht, die visuelle Wahrnehmung auszutesten und vorhandene Defizite spezifisch zu behandeln.

5

10. Schreiben Weisen Kinder Schwierigkeiten in einer oder mehrerer der beschriebenen Komponenten auf, können diese eine Entwicklungsverzögerung hervorrufen, woraus letztlich Schwierigkeiten beim Schreiben resultieren. Auch wenn es notwendig ist, diese Komponenten einzeln gezielt zu behandeln, ist es genauso wichtig, das neu Geübte aktiv in den Schreibprozess zu integrieren. Sind schlechte Schreibgewohnheiten allerdings stark automatisiert, sind neue Bewegungs- und Haltungsmuster nur durch viel Übing und Wiederholung und somit durch großen Fleiß, Ausdauer und Motivation einzunehmen. Da diese Eigen-

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik schaften auch in anderen schulischen Bereichen erforderlich sind, ist ein gut geplanter Therapieansatz notwendig. Ein Therapieansatz, der sich auf die betroffenen Komponenten bezieht, ist jedoch oft effektiv und zumindest einen Versuch wert. Der effektive Einsatz des TREFFPUNKTs basiert auf einem guten Verständnis dieser 10 Komponenten, damit diese eingeschätzt werden kann. Sind alle Karten durchgespielt, sollte genügend Information zu den 10 Komponenten vorliegen, um die Einschätzung vorzunehmen. Zu diesem Zweck liegt eine Checkliste mit der 3-Skala vor. Die Komponenten, die grenzwertig oder auffällig waren, können dann in weiteren Therapieeinheiten unter anderem mit der SCHREIB-MAL-SCHULE behandelt werden.

Unterstützung der Therapeutin Auf der Rückseite jeder Karteikarte gibt es Förderschwerpunkte und Tipps für die Therapeutin. Des Weiteren werden Variationsmöglichkeiten mit einer Verringerung oder Erhöhung des Schwierigkeitsgrads aufgeführt. Alle Spiele sind zur besseren Übersicht auf 2 Karteikarten aufgelistet und lassen sich auf ein DIN-A4-Blatt kopieren. Diese Übersicht kann zur Therapieplanung genutzt werden, indem z. B. Förderschwerpunkte mit einem Textmarker markiert werden. Für manche Übungen und Spiele existieren Arbeitsblätter bzw. Kopiervorlagen, was auf der jeweiligen Karteikarte vermerkt ist. Die Arbeitsblätter bzw. Kopiervorlagen dienen jedoch in erster Linie als Anregung, da es sehr wichtig ist, die Übungen den Fertigkeiten und Fähigkeiten eines jeden Kindes anzupassen (d. h. auch in Größe und Umfang).

Die SCHREIB-MAL-SCHULE Die SCHREIB-MAL-SCHULE baut auf den 10 Komponenten (oder Grundfunktionen) des TREFFPUNKTS auf, die basierend auf einer Auswahl von kurzen Spielen und Übungen vertieft werden.

Struktur und Aufbau der SCHREIB-MAL-SCHULE

Wichtig Um die einzelnen Übungen mit dem Kind durchzuführen, sind in der Regel einige Vorbereitungen nötig. So werden Blätter in verschiedenen Größen oder Farben, verschiedenfarbige Stifte oder andere Materialien benötigt, die zu Beginn der Übung bereitliegen sollten.

Die SCHREIB-MAL-SCHULE ist nach einem Bausteinprinzip aufgebaut, sodass sie bei jedem Kind individuell angewendet werden kann.

Spiele und Übungen Die Spiele und Übungen sind übersichtlich in ein Karteikartensystem eingeordnet. Man kann sie als Kopiervorlage nutzen oder für ein Heimprogramm verwenden. Die Übungen unterscheiden sich in ihrem Aufgabencharakter. Sie sind entweder dem Fantasiespiel, konkreten motorischen Übungen oder dem Bastelbereich zugeordnet. Es gibt 3 Schwierigkeitsgrade (einfach, mittelschwer und schwer), die entsprechend 3 verschiedenen Klassenzimmern zugeordnet werden. Aufgabencharakter und Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Übung sind markiert, sodass für jedes Kind, je nach Alter und Fähigkeiten, ein individuelles Förderprogramm zusammengestellt werden kann. Außerdem sind die Anleitungen so verfasst, dass das Kind sie entweder selbst lesen oder sie vorgelesen bekommen kann. So lernt es zusätzlich, verbale Anleitungen zu verstehen und motorisch umzusetzen.

136

Fortschritte und Erreichen des Ziels In dem Karteikasten befindet sich eine DIN-A5Kopiervorlage, auf der eine SCHREIB-MAL-SCHULE abgebildet ist, deren „Zimmer“ noch leer sind (▶ Abb. 5.20a). In die leeren Felder können die einzelnen Spiele/Übungen aus ▶ Abb. 5.20b individuell für das entsprechende Kind eingetragen werden. So behalten Therapeut, Kind und Eltern den Überblick. Dieses Blatt ist besonders geeignet, wenn die Übungen als „Heimprogramm“ eingesetzt werden sollen. Hat das Kind ein „Klassenziel“ erreicht, darf es das entsprechende Stück des großen Buntstifts ausmalen. Ist der ganze Buntstift ausgemalt, wurde die Schreib-Mal-Schule erfolgreich besucht und das Kind bekommt eine Urkunde (▶ Abb. 5.21). Die „Verweildauer“ in den einzelnen Klassen ist unterschiedlich und wird vom Therapeuten festgelegt. Es ist auch nicht notwendig, dass jedes Kind alle Spiele und Übungen macht – es kann auch Klassenzimmer „überspringen“.

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE

SCHREIB – MAL – SCHULE 10. Klasse

9. Klasse

5 8. Klasse

7. Klasse

6. Klasse

5. Klasse

4. Klasse

3. Klasse

2. Klasse

e: Nam

1. Klasse

Datum:

Abb. 5.20 Klassenzimmer der Schreib-Mal-Schule: a Kopiervorlage, in die individuell Spiele/Übungen eingetragen werden können.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Datum:

Name:

SCHREIB – MAL – SCHULE gelbes Klassenzimmer 10. Klasse (Schreiben)

blaues Klassenzimmer

rotes Klassenzimmer

Kunstbriefpapier

Fühl-Rat-Schreib

Geheimschrift

Mal-Baukasten

Buchstabenfamilie

blindes Schreiben

Buchstabenfresser 9. Klasse (visuomotorische Integration)

Schritt für Schritt

vom Nachspuren zum Selber machen

Gedächtnismalen

Geschichtenbilder Zwillinge

Spiegelkästchenmalen Stiftus will ein Haus

Gummibandbilder abmalen

Montagsmaler

8. Klasse (Orientierung und räumliches Planen beim Malen/Schreiben))

Weltraumtaxi

Schlange und Maulwurf

Nachtwanderung

Zahlenhaus

Bilderrätsel

Spürnasen

Streichholzbilder

Buchstabenrätsel

7. Klasse (intrinsische Bewegung der Hand)

Vogelstrauß mit Schnabelgymnastik

Kritzelblumengarten

Regenbogenschnecken

Kritzelmonster

Ausmaltrick

Raupe mit Kletterfahrzeug

Fußballkritzeln

Autos abschleppen

Knüllpapier

Krepppapierbild

Tücherzauber

Kugelwurm

Zaubertrick von Zauberer Stiftasius

Chefkoch

Münzen sortieren

Stiftgymnastik 6. Klasse (In-Hand-Differenzierung und In-Hand-Manipulation)

Doro hat Hunger 5. Klasse (Pinzettengriff)

WäscheklammerSonne

Kette für Frau Bleistift

Gummibandbilder

Mikado

Aufkleberbild

Bügelsteckbilder

Perlenkette für Pronzessin Stiftine

Igel aus Ton

Lochbilder sticken

4. Klasse (Propriozeption und taktile Verarbeitung)

Skifahren

Papier klatschen

Rubbelbilder

Sandmalen

Guten Tag Hr. Finger und Frau Hand!

Spürdedektiv

Lochbilder

Formenreissbild

3. Klasse (Tonus- und Kraftregulation)

Krokodiltauziehen

Würstchenfabrik

Gespensterschrift

Fitnesstraining für die Hände

Spaghettifabrik

Zauberschrift

Prinzessin in Gefahr

Fühl-Rat-Mal

Popcorn schnippen 2. Klasse (laterales Abstützen der Hand/des Unterarmes und des Handgelenkes)

blindes Schlittschuhlaufen

Zoobesuch mit Faulidem faulen Säckchen

Regenbogen-Achterbahn

Zahlen verbinden

Stiftus bekommt Taschengeld

Schatzinsel

1. Klasse (Arm-HandDifferenzierung)

Wetterhexe

Spielzeugklaumonster

Luftmalen

der Weihnachtsmann braucht Hilfe

Stadtplan

Haus vom Nikolaus

Dirigent mit Superband

Kunstgemälde

Abb. 5.20 Fortsetzung; Klassenzimmer der Schreib-Mal-Schule: b Schreib-Mal-Schule gestaffelt in 10 Klassen mit jeweils 3 Schwierigkeitsgraden.

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Mistfahren

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5.2 e. V. TREFFPUNKT und SCHREIB-MAL-SCHULE

URKUNDE

5

für

Mit dieser Urkunde wird bestätigt, dass

die Schreib-Mal-Schule mit Erfolg besucht hat.

(Datum)

(Stempel/Unterschrift)

Abb. 5.21 Abschlussurkunde der Schreib-Mal-Schule. Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik Dem Karteikartensystem liegen leere Karteikarten für eigene Ideen bei (3 pro Klasse). Entstehen in der Praxis neue Ideen für eine Übung oder ein Spiel bzw. in Bezug auf Tipps und Variationen, würden es die Autorinnen der SCHREIB-MALSCHULE begrüßen, wenn diese für eine eventuelle Neuauflage, mit Namen versehen, an sie weitergeleitet würden, sodass auch auf den Erfahrungen anderer Therapeutinnen und Therapeuten aufgebaut werden könnte. Bevor mit den Übungen und Spielen der SCHREIB-MAL-SCHULE begonnen wird, sollte mithilfe der Karteikarten auf die richtige Körper- und Sitzhaltung geachtet werden (vgl. Karteikarte „Die richtige Körperhaltung und Sitzposition beim Malen und Schreiben“). Auch sollten einleitend die Karteikarten „Die richtige Stifthaltung oder die 3 Freunde“ und „Das fröhliche Handgelenk“ gebraucht werden, um eine günstige Stifthaltung zu erarbeiten. Die Schwerpunkte der jeweiligen Klassen werden unter „Zielsetzung der einzelnen Klassen/Erläuterung einzelner Komponenten“ erläutert.

Bezugsquelle: Elke Kraus, Ute Sichert-Grinstead Schreib-MalSchule Reihe: Edition Steiner im Schulz-Kirchner Verlag Materialien zur Therapie 1. Auflage 2006, € 52,95 ISBN 978–3-8248–0358–3

Schlussfolgerung Im Rahmen der aktuellen akademisierten Ergotherapie sollten auch Spielkonstellationen wie der TREFFPUNKT und die SCHREIB-MAL-SCHULE in das gesamte ergotherapeutische Denken und Vorgehen (Clinical Reasoning) eingebettet sein. Vor diesem Hintergrund ist es für die Therapeutin notwendig, sich mit grundsätzlichen Entscheidungen wie Bottom-up- oder Top-down-Ansätzen, mit der Händigkeitsentwicklung und mit dem systematischen Erfassen von allen möglichen Faktoren, die die Handlung eines Kindes, insbesondere die Grafomotorik, beeinträchtigen kann, zu befassen. Wird es während der Befunderhebung offensichtlich, dass die Komponente für das Schreiben und Malen nicht altersgemäß entwickelt sind, ist es naheliegend, dass dies eventuell auch die Grafomotorik hindert oder gar verursacht. In diesem Fall ist ein Bottom-up-Ansatz mit entsprechenden Spielkonstellationen wie der TREFFPUNKT und die

140

SCHREIB-MAL-SCHULE erwägenswert. Regelmäßige Evaluation der Grafomotorik sollten auch hier standardmäßig eingesetzt werden, um festzustellen, ob dieser Ansatz tatsächlich effektiv ist. Auch schließt ein Bottom-up-Ansatz an bestimmten Stellen nicht einen Top-down-Ansatz an anderen aus – die Betätigungsebene sollte nach wie vor unser Ausgangspunkt bei der Diagnostik und der Endpunkt bei der Evaluation sein. Als Ergotherapeutin sollten wir uns zudem von der Versuchung verabschieden, unsere Bottomup- oder Top-down-Erfolge zu verallgemeinern. Eine effektive gezielte Ergotherapie basiert auf einer umfassenden Befunderhebung und sollte sich im Anschluss auf unterschiedliche Ansätze und Methoden berufen, die nach Bedarf und selektiv adaptiert und im Rahmen des einzigartigen Kindes und seiner Situation angepasst werden.

Ist die Therapie mit Biofeedback bei Kindern mit grafomotorischen Auffälligkeiten effektiv und effizient? 5.3

Christin Weigelt, Gudrun Zimmermann

5.3.1

Einleitung

Die Meinung, dass Kinder durch reines Erklären schreiben lernen, ist immer noch weit verbreitet. Allerdings können sie sich kaum vorstellen, wie man richtig schreibt, wie die Hand locker ist, was fest oder nicht so fest aufdrücken bedeutet. Viel wichtiger ist es daher, ausprobieren zu lassen, sehen und spüren zu lassen, was sie gut oder auch nicht so gut gemacht haben. Eine für das Kind verständliche Rückmeldung ist unterstützend und motivierend. Sie ermöglicht es dem Kind, seine Aufmerksamkeit selbst zu steuern und eigene Lösungsstrategien zu finden. Das Lernen als Problemlösungsprozess in einem realistisch gestalteten Kontext hilft den Kindern, Ideen und neue Strategien zu entwickeln. Alltagsausrichtung und Ressourcenorientierung sind nach Ebhardt (2008) ein initialer Ausgangspunkt für zeitgemäße Therapieansätze. Inwieweit Kinder in der Lage sind, eigene Lösungsstrategien zielorientiert umzusetzen, steht im Fokus dieses Kapitels. Der Beitrag skizziert zunächst grundlegende Modellgedanken. Anknüpfend daran werden die Potenziale, die das Biofeedback bei grafomotorischen Auffälligkeiten bietet,

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5.3 Biofeedback zu motorischem Lernen, Aufmerksamkeit, Motivation und den unterschiedlichen Umweltbedingungen in Beziehung gesetzt. Max, ein aufgeweckter, sehr fröhlicher 7,6-jähriger Junge, der seit ca. ¼ Jahr in ergotherapeutischer Behandlung ist, begleitet die Leserschaft mit seinen gesammelten, vielfältigen Erfahrungen und Erlebnissen durch den ergotherapeutischen Praxisalltag.

Modellgedanken Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Modellen, die grundlegende theoretische Begründungen für die Therapieintention Grafomotoriktherapie mit Biofeedback geben. Im folgenden Abschnitt werden beispielgebend Modelle zur Erklärung herangezogen, die einen theoretischen Bogen von der Geschichte über physiologische Zusammenhänge bis hin zur aktuellen Entwicklung spannen. Schon Descartes (1649) beschreibt in „La machine du corps“ die seelisch-körperlichen Zusammenhänge zwischen den von außen kommenden Sinneswahrnehmungen und den von innen kommenden Gedanken, die eben diese Emotionen und körperlichen Reaktionen auslösen (Rüegg 2011).

MOVE Der Mensch verfügt über ein riesiges Bewegungsrepertoire und jede Bewegung, auch die Schreibbewegung, ist bewusst und unbewusst mit einer großen Anzahl komplexer, systemischer Interaktionen und einem permanenten inneren Erleben verbunden. Dies verdeutlicht das MOVE-Modell (= Motivation/Memory, Olfaction, Visceral autonomic System, Emotions; Umphred 2000).

Definition MOVE ist ein konzeptionelles, systemisches, interaktives Modell von Bewegungskontrolle und Bewegungslernen, das für die Idee, Grafomotorik und Biofeedback zu kombinieren, grundlegende Impulse gegeben hat. Es ist ein therapeutisches Verhaltens- und Problemlösemodell, das es möglich macht, die motorische Leistung auf der Grundlage von Alltagsaktivitäten zu evaluieren. Die nachfolgend beschriebenen Komponenten definieren die innere und äußere Welt des Klienten. Sie berücksichtigen somit, wie z. B. Aktivitäten innere Vorgänge in diesem System beeinflussen. Jede Komponente hat ineinandergreifende Unterkomponenten.

Die motorischen Komponenten sind Muskeln und Skelett, viszerale Unterstützungssysteme, motorische Programme wie Formbarkeit, Beschränkungen und Freiheitsgrade, ZNS- und sensorische Komponenten, Verarbeitung und Programmierung sowie Rahmenbedingungen. Aspekte des affektiven Bereichs sind das vegetative System, Motivation, deklaratives (Erfahrungen und Erlebnisse) und nicht deklaratives (Gerüche und Gesichter) Gedächtnis, Gefühle (z. B. Angst, Wut, Ärger) und allgemeine Anpassungsmöglichkeiten. Kognition ist abhängig von sensorischen und perzeptiven Wahrnehmungen, dem Lerntyp und Lernstil, Erinnerungen und davon, ob Wissen im Kurz-, Mittel- oder Langzeitgedächtnis abgespeichert ist. Diese Triade ist die Basis für jedes Bewegungslernen und die Bewegungskontrolle. Ihre Bedeutung ist immer abhängig von der Persönlichkeit des Therapeuten und dessen therapeutischer Flexibilität und Sensibilität in Bezug auf die Bedürfnisse des Kindes (Taylor 2008). Biofeedback ist ein biopsychosoziales therapeutisches Medium, das alle Unterkomponenten der Motorik, alle Facetten der Kognition und Aspekte des emotionalen Empfindens systemisch visuell und/oder auditiv darstellen kann. Die Therapie bei grafomotorischen Problematiken basiert auf Bewegungskontrolle und Bewegungslernen. Alle beschriebenen Komponenten und Subkomponenten sind, dynamisch und interaktiv, top-down und bottom-up, qualitativ und quantitativ, am grafomotorischen Lernprozess beteiligt.

5

Die ICF gewinnt an Bedeutung Mit den neuen Heilmittelrichtlinien gewinnt die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in der Ergotherapie mehr an Bedeutung. In der Schweiz wird die ICF seit 2008 als Instrument bei der Suche nach effizienten pädagogisch-therapeutischen Therapieformen genutzt. Form und Inhalt von Interventionen und die Evaluation des Therapieerfolgs sind hier maßgeblich. „Ziel aller Maßnahmen muss es sein, die Teilhabe des Individuums im Bildungssystem bestmöglich zu gewährleisten oder zu verbessern“ (Vetter 2007, S. 25–28). Die Kategorisierungen und Beschreibungen der ICF sind bedeutsam für relevante Aussagen aus der Therapie, um sie in eine von allen verstandene und akzeptierte Sprache und in den Schulalltag zu übertragen. Der Einsatz des the-

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141

Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Tab. 5.2 Exemplarische Klassifikationen der ICF bei grafomotorischen Auffälligkeiten in den Domains Aktivitäten und Partizipation. Klassifikation d1 10 – 129

bewusste sinnliche Wahrnehmung

d1 130 – 159

elementares Lernen

d1 155

sich Fertigkeiten aneignen

d2 40

mit Stress und anderen psychischen Anforderungen umgehen

d2 50

das eigene Verhalten steuern

Biofeedback ist der zentrale Begriff für alle Feedbackformen, die den Klienten Körperfunktionen unmittelbar zurückmelden, mit und ohne Unterstützung von Technik.

Peripheres Biofeedback

rapeutischen Mediums Biofeedback bei grafomotorischen Störungen setzt an Funktionsaspekten wie Grob- und Feinmotorik, Grafomotorik, Selbstkonzept und Aufmerksamkeit an. Gefördert und beeinflusst werden jedoch die Domains der Aktivitäten und Partizipation (▶ Tab. 5.2). Die Auseinandersetzung mit dem durch Biofeedback unterstützten grafomotorischen Lernprozess führt immer zu den Komponenten der ICF. Largo (2000, S. 228) betont, dass jedes Kind individuelle Ressourcen, Schwierigkeiten, ein individuelles Umfeld und einen individuellen momentanen Entwicklungsstand hat. Er bezeichnet mit „Misfit“ die „mangelnde Übereinstimmung zwischen Kind und Umwelt“ und führt weiter aus: „Vielfalt ist ein durchgehendes Merkmal der kindlichen Entwicklung.“ Jedes Kind ist anders und jedes grafomotorische Problem ist ein anderes. Es braucht Instrumente, wie die ICF, die es möglich machen, Intraindividualität zu definieren.

Biofeedback, Lernprozesse und Aufmerksamkeitsfokus als untrennbares Ganzes

5.3.2

Therapiebaustein Biofeedback und seine Wirkmechanismen Die Idee, grafomotorische Förderung mit dem Therapiebaustein Biofeedback zu verbinden, ergibt sich aus dem Selbstverständnis der ergotherapeutischen Identität, nämlich für eine Therapie, „die in eine Alltagshandlung eingebettet ist“ (Rief u. Birbaumer 2011, S. 217–218).

142

Wichtig

In der Grafomotoriktherapie wird von uns ausschließlich mit dem peripheren Biofeedback gearbeitet. Dabei wird nicht nur der Spannungszustand der Muskulatur zurückgemeldet, die für das Schreiben benötigt wird, sondern zusätzlich auch die innere Anspannung oder der Stress, den das Kind beim Schreiben erfährt. Es gibt neben der visuellen und auditiven Wahrnehmung auch eine Rückmeldung zu kinästhetischen Wahrnehmungsprozessen. Die kinästhetische Wahrnehmung geht dabei weit über die visuelle und auditive Rückmeldung durch den Computer hinaus. Der wichtigste Part in der Therapie ist die Wahrnehmung der Veränderung am eigenen Körper, z. B. die Stellung der Gelenke, Spannungszustände, Raum-Lage-Wahrnehmung oder ein Range of Motion usw. Diese bewusste Wahrnehmung von Veränderungen wird innerhalb der Schreibhandlung konditioniert und ermöglicht dann den Alltagstransfer, wie das im Folgenden immer wieder an einem Jungen praktisch verdeutlicht wird.

Fallbeispiel Der Junge ist ein aufgeweckter 7-jähriger (▶ Abb. 5.22). Seine Diagnose „Störung der Fein- und Grobmotorik“ ist sehr unspezifisch. Er besucht die erste Klasse einer Grundschule. Im Anamnesegespräch beschreibt die Mutter v. a. die schlechte Schrift und die schwere Hand. Aufgrund dieser Probleme verordnete der Kinderarzt Ergotherapie. Der Junge beschreibt in seinem Anamnesegespräch seine eigenen Wünsche und Ziele: „Der Arm soll nicht mehr so weh tun und ich möchte auch so schön schreiben wie meine Freunde“. Seine Bedürfnisse und deren Wichtigkeit für seine Motivation bestimmen von Anfang an die Therapieausrichtung.

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5.3 Biofeedback

Top-down-Ansatz

Abb. 5.22 Das Kennenlernen von Biofeedback erfolgt durch Selbstversuche und spielerisch. Der Junge malt verschiedene Linien, Bögen und Lieblingsmotive. (Foto: Christin Weigelt)

Bottom-up- und Top-down-Ansätze sind therapieausrichtende Ansätze. Für die Grafomotoriktherapie mit Biofeedback sind beide Ansätze gültig.

Bottom-up-Ansatz Am Beginn des ergotherapeutischen Prozesses steht die Sammlung und Analyse von Informationen. Informationen aus dem „Developmental Test of Visual Perception-2“ (DTVP2) und den gezielten Beobachtungen ergeben den Therapieschwerpunkt. Darin zeigen sich Schwierigkeiten in AugeHand-Koordination, Kraftdosierung, Hand- und Fingerbeweglichkeit und zielgerichteter Bewegungskoordination. Die Evaluation der Tests mit dem Jungen und seiner Mutter, verknüpft mit den Wünschen und Zielen aller Beteiligten, ermöglichen nun das weitere zielorientierte Arbeiten. Dies wird im Folgenden explizit beschrieben. Grafomotorik umfasst nach Pauli u. Kisch (2008) die Körperwahrnehmung und die kognitive Verarbeitung von definierten grob- und feinmotorischen Problemen und führt damit zu seinen spezifischen Problemen. Die kognitive Verarbeitung und das Verstehen, was ist mit mir und was kann ich wie selbst verändern, sind wohl dabei einer der wichtigsten Teile des motorischen Lernprozesses. Dies sind funktionelle Ziele der Ergotherapie. Bis hierhin dominiert der Bottom-up-Ansatz. Nun werden diese Ziele aktiv und begleitend durch den Therapiebaustein Biofeedback umgesetzt.

Der Junge sucht und findet aktiv mithilfe des Biofeedbacks seine eigenen Lösungen und Handlungsstrategien. Damit wechselt die Therapie in den Top-down-Ansatz. Die Intervention unterstützt ihn in seinem Bedürfnis, nachweislich und spürbar Erfolg zu haben. Seine Performanz wird deutlich verbessert. Die Idee, in die Therapie bei grafomotorischen Störungen das therapeutische Medium Biofeedback zu integrieren, hat kaum eine theoretische Basis und die Effizienz ist auch noch nicht spezifisch durch Studien bewiesen. Allerdings wurde eine Bestätigung für den therapeutischen Ansatz, für das Grafomotoriktraining die elektromyografische Ableitung (EMG) der Unterarmmuskulatur zu nutzen, bei Rosemeyer (1975) gefunden. Er beschreibt es als sinnvoll, bei Störungen der Schreibfunktion „die Untersuchung auf die langen Muskeln des Unterarmes zu verlagern, die für viele Tätigkeiten ebenso wichtig sind wie ihre kurzen Binnenmuskeln“ und bezeichnet das „Schreiben als wichtige Funktion des menschlichen Armes und der Hand“ (Rosemeyer 1975, S. 73–78).

5

Biofeedback verknüpft physische und psychische Prozesse Biofeedback ist eine evidenzbasierte Behandlungsmethode, die sehr komplex und intensiv physische und psychische Prozesse miteinander verknüpft.

Wichtig Biofeedback ermöglicht es, die eigene individuelle Wahrnehmung des Körpers mit den objektiv gemessenen Daten zu vergleichen. Effekte körperlicher Aktivitäten werden also wahrgenommen und visualisiert. Der Klient hat die Möglichkeit, zu seinem Körper aktiv in Beziehung zu treten.

Nach Umphred (2000, S. 3) sollte man nämlich nicht annehmen, dass Impulse und Informationen automatisch in vorher erworbene Kenntnisse integriert werden und so Teil eines funktionierenden Ganzen werden können. Denn gibt es keinen Bezugspunkt zu vorher erworbenem Wissen, dann ergibt es für das Kind keinen Sinn. Das heißt, ver-

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik bale Hilfestellungen sind nicht immer wirklich effektiv und kommen nicht immer im Schulalltag an. Für Naville (1999, S. 238–241) bedeutet eine ungeschickte und verkrampfte Bewegung für ein Kind eine große Belastung. Das Kind entwickelt gegen das Schreiben einen Widerwillen, gibt sich dann besondere Mühe, versucht, die verbalen Hilfen umzusetzen – und es entstehen weitere Verkrampfungen. Mit der Zeit bleiben Verkrampfung und Unleserlichkeit miteinander verbunden. Biofeedback macht nicht die Schrift, sondern die muskulären und vegetativen Verkrampfungen sichtbar oder hörbar. Das Kind steuert selbst den Prozess der Rückkonditionierung und Entspannung. Das bedeutet nicht, dass die gesamte Grafomotoriktherapie für das Kind zwingend am Computer stattfindet. Aber die Reflexion der wahrgenommenen Reaktionen und Veränderungen während oder auch nach der Therapie kann der Schlüssel zur erfolgreichen Verwirklichung der Ziele und einer guten Beziehung zwischen dem Kind und dem Therapeuten sein. Das Kind hat die Chance, vegetative Reaktionen und Anspannungen als Gründe für z. B. schlechte Schrift oder Schmerzen im Arm zu verstehen und selbst zu verändern. Schreibenlernen wird zum Spaß, wenn die Motivation in der Aktivität selbst zu finden ist und das Ziel nicht den Fokus auf das „Funktionieren“ legt.

Wichtig Grafomotorik ist eine Alltagsmotorik. Sie bezeichnet die Gesamtheit der Bewegungen, die unter sich ändernden Umweltbedingungen benötigt, eingesetzt und dynamisch angepasst werden, um schnell und lesbar eine Handschrift ausführen zu können.

Konditionierte Reaktionen Konditionierung und Kognition sind die grundlegenden Wirkmechanismen für den effizienten Einsatz von Biofeedback. Konditionierte Reaktionen erfolgen automatisch. Gedächtnisinhalte werden gespeichert, indem synaptische Datenübertragungen zwischen bestimmten Neuronen effektiver werden. Es führt zu einer Langzeitpotenzierung, wenn die zelluläre Verknüpfung der Synapsen die Erregungsübertragung dauerhaft verstärkt. Dieses Prinzip kennzeichnet alle Lernprozesse und löst konditionierte Reflexe aus. Beim Lernen werden

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nicht nur vorhandene Synapsen gestärkt, sondern es entstehen auch neue. Das visuell oder auditiv wahrgenommene Biofeedbacksignal „ich drücke den Stift zu toll auf“ oder „meine Schulter ist angespannt“ ist hierbei der konditionierte Reiz. Am Anfang ist der Reflex noch schwach und ineffizient, wird aber immer effizienter und schließlich als neues Handlungsmuster abgespeichert. Die Veränderung der synaptischen Übertragungsstärke wird sowohl durch klassische und operante Konditionierung als auch durch instrumentelles Lernen verdeutlicht (Martin u. Rief 2010, Rüegg 2011).

Kognitive Strategien Durch kognitive Strategien werden bewusste Funktionen genutzt, um im unbewussten System Veränderungen hervorzurufen. „Kognitive Erklärungsansätze betonen die Bedeutung willentlicher Kontrolle sowie die Wirkung von Einstellungen und inneren Prozessen im Individuum. […] Für den Patienten bedeutet dies das Erleben einer gesteigerten Selbsteffizienz und Selbstwirksamkeitserwartung. […] Im Falle einer Biofeedback-Behandlung lernt die Person, Körperfunktionen und Krankheitssymptome zu beeinflussen, die bis dato als unbeeinflussbar und rigide wahrgenommen wurden.“ (Martin u. Rief 2010, S. 46–47) Das Summenpotenzial der Muskelaktivität wird über eine elektromyografische Ableitung (EMG) zurückgemeldet. Dazu werden Elektroden auf den definierten Muskelarealen befestigt und per Kabel mit dem Modul verbunden, das per Bluetooth die gemessenen Werte auf dem Computer visuell oder auditiv abbildet. Bei dem Jungen werden Elektroden am M. trapezius und am M. extensor digitorum befestigt (▶ Abb. 5.23). So wird festgestellt, wo genau eine mangelnde Tonusanpassung die Schreibprobleme indiziert. Ein zu hoher Tonus in der Schultermuskulatur setzt sich über den Arm in die Hand fort. Viele Kinder fühlen die Anspannung in der Schulter während des Schreibens nicht. Deshalb korrigieren sie nicht und erkennen diese Anspannung nicht als Ursache für z. B. Schmerzen oder schlechte Schrift. Mit den Elektroden am M. extensor digitorum wird die mangelnde Tonusanpassung in der Hand abgeleitet. Die Frage, warum nicht über die Beugemuskeln, kann logisch beantwortet werden. Während des Schreibens liegt der Arm auf dem Tisch. Damit würde die Messfähigkeit der Elektroden beeinflusst und die Elektroden wären auch ganz einfach eine Ablenkung und hinderlich. Die Extensoren sind die Gegenspielermus-

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5.3 Biofeedback

Tab. 5.3 5 Schritte des therapeutischen Arbeitens mit Biofeedback (Pirker-Binder 2006, S. 5) Bedeutung

Abb. 5.23 Das Bild zeigt die im Text beschriebenen Ableitungsorte für das Messen der Muskelaktivität an der Schulter und am Arm sowie das Messen des Aktivierungslevels (Hautleitwert). Der Junge schaut nicht ständig auf den Bildschirm. Er kennt die Bedeutung der Kurven und benutzt sie nur ab und zu als visuelle Kontrolle. (Foto: Christin Weigelt)

keln beim Festhalten eines Stiftes. Nur die Aktivität beider Muskelgruppen ermöglicht eine Schreibbewegung. Die Lockerung der Flexoren geht automatisch mit der Lockerung der Extensoren einher und beeinflusst die Hand- und Fingerbeweglichkeit positiv.

Motorisches Lernen und motorische Kontrolle Die Prozesse motorisches Lernen und motorische Kontrolle in der Grafomotoriktherapie werden nicht nur durch die Aufzeichnungen und Auswertungen der Aktivität eines Muskels (EMG), sondern auch durch die Hautleitfähigkeit als direkte Rückmeldung vegetativer Ereignisse (Skin Conductance Level [SCL] = elektrische Leitfähigkeit der Haut) und die Atemfrequenz transparent gemacht. Die Rückmeldungen dienen der Kontrolle von Bewegungen und unterstützen das Einschätzen und Dosieren von Kraftimpulsen. Sie befähigen zum Einnehmen und Nachahmen bestimmter Körperstellungen, helfen beim Erspüren und Verändern von Muskelspannungen und können dem Kind zu einem ökonomischen Schreiben verhelfen. Es gibt nie einen Standardablauf für die Therapie. Allerdings beschreibt Pirker-Binder (2006, S. 5) 4 wegweisende Schritte des therapeutischen Arbeitens mit Biofeedback (▶ Tab. 5.3) die aufeinander aufbauen. Das Kind muss erkennen können, das bin ich und ich kann etwas verändern.

Wahrnehmen

Wahrnehmen und Annehmen der momentanen Aktivierung oder Deaktivierung = „Aha-Erlebnis“

Erkennen

erkennen, was in einzelnen Situationen im Körper passiert

Verstehen

Verstehen von Ursache und Wirkung; die Therapie funktioniert nur, wenn die Kinder sich selbst einbringen und den Erfolg selbst steuern

Verändern

Verändern bedeutet die Integration der erlernten Strategien in den Schulalltag. Der Konditionierungsprozess ist abgeschlossen. Die individuellen Selbstregulierungsstrategien sind somatisch, kognitiv und behavioral abgespeichert.

Generalisierung

Alltagstransfer

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Der motorische Lernprozess Definition des Schreibprozesses Wendler (2001, S. 114) schließt in die Definition des Schreibprozesses auch das Wahrnehmen, Sprechen, Erleben, Denken, Handeln und Fühlen ein: „Die Schreibhandlung ist zugleich Schreibbewegung, Raumgestaltung, Formgebung, Sinngebung, Sprachbildung und Ausdruck von Sprachbewusstsein und stellt somit umfassende psychomotorische Anforderungen.“ Schreiben ist also nicht nur eine motorische Ausführung, sondern eine komplexe Tätigkeit und das Zusammenspiel von vielen Fähigkeiten, die sich zu Schreibfertigkeiten entwickeln sollten. Dies soll nun erläutert werden.

Lernumgebung als Basis für den motorischen Lernprozess Kinder, die mit grafomotorischen Problemen eine Ergotherapiepraxis aufsuchen, kommen als unsere Partner. Deshalb ist der Respekt vor ihren Problemen, Wünschen und Ideen grundlegend. Der Schulalltag sieht in der Regel anders aus als das

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik therapeutische Setting. Hier gibt es eher selten adaptierte Tische, Stühle oder ein individuelles Maß an Bewegung oder den richtigen Stift. Zurück zum Fallbeispiel:

Merke In der ersten Biofeedbacksitzung werden günstige Umgebungsfaktoren für die Therapie hergestellt. Dazu gehören die Anpassung von Stuhl und Tischhöhe und das Bereitlegen von einer geeigneten Unterlage und Stiften. Der Junge aus unserem Beispiel kann verschiedene Schreib- und Stifthaltungen ausprobieren. Gemeinsam finden er und die Therapeutin im Beisein der Mutter heraus, welche angenehm und korrekt sind, und üben diese. Die Mutter kann mit dem erfahrenen Wissen von Beginn an den Alltagstransfer unterstützen. Später darf er immer aus einem Becher mit den verschiedensten Stiften auswählen.

Verfügbare Informationen, wie die Wichtigkeit des Schreibens und neue Reize aus der Umwelt, wie wechselnde Stifte, Papier, Aufgaben, Tische und Stühle, Lehrer oder Therapeuten, müssen verarbeitet und integriert werden, damit es zu einem Lernprozess kommt. Eine besondere Bedeutung haben die Lernumgebung und die Anpassung an die individuellen Bedürfnisse. Die grafomotorischen Bewegungsfertigkeiten unterscheiden sich in ihrer Art und Komplexität, aber immer ähneln sie sich im Lernprozess (Umphred 2000, S. 35–39). In seinen Aussagen zum Lernprozess gibt Fischer (zitiert in Mühlpforte 2009) primär der Umwelt die initiale Bedeutung. Nachfolgend benennt er das Ziel der Bewegungsausführung „Knowledge of Result“. Das Ziel sollte bei grafomotorischen Störungen klar in der Partizipation liegen, also z. B. bei dem problemfreien Schreiben im Unterricht. Die Umwelt ist untrennbar mit der Betätigung, in der Grafomotorik mit dem Schreiben verbunden. Sie bestimmt (Kielhofner 2008, S. 97), was man tut und wie man es tut. Der Schulkontext wird im ergotherapeutischen Kontext nachgestellt. In der Therapie mit dem Biofeedback werden die Umweltbedingungen über einen begrenzten Zeitraum durch den Computer und andere technische Möglichkeiten für die Rückmeldung ergänzt.

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Motivation Das Biofeedback unterstützt die Schreibaktivität, die Schreiberfahrung und wirkt motivierend. Die Motivation für Max ist ganz einfach: Er will so schön schreiben wie seine Freunde und der Arm soll beim Schreiben nicht mehr wehtun. In der Realität gibt es nicht die Motivation schlechthin, sondern eine Konzeption verschiedener Motivationssysteme, die unabhängig voneinander existieren, aber gleichzeitig verkoppelt sind. In der Regel aktivieren und verstärken Affekte, wie Freude oder Interesse, die ausgelöste Motivation, verursachen sie jedoch nicht (Trautmann-Voigt u. Voigt 2009, S. 122). In der Grafomotoriktherapie mit Biofeedback hat das Explorationssystem eine hohe Bedeutung. Es reguliert Neugierbedürfnisse und die Bedürfnisse nach Selbsterfahrung. Die Rückmeldungen des Biofeedback unterstützen den eigenen Explorationsdrang der Kinder als wichtigen inneren Antrieb. Das Kind hat Wünsche und Ziele. Werden sie erfüllt, ergibt sich die sensorische Konsequenz: „Es fühlt sich gut an.“ Aber auch: „ich kann“ und „ich bin“. Kinder haben oft einen erstaunlichen Blick für ihre Probleme und deren Lösung.

Merke Als der Junge aus dem Beispiel das erste Mal „verkabelt“ war und probieren sollte, wie er die Spannung in der Schulter und im Unterarm verändern könnte, hat er dies instinktiv mit einer Bewegung gleichgesetzt. Er hob seinen Arm und beobachtete, dass die Kurve nach oben ging. Senkte er den Arm, fiel auch die Kurve und somit die Spannung. Er probierte weiter und fand heraus, dass die Kurve auch stieg, wenn er die Schulter hochzog bzw. wenn er mit der Hand eine Faust machte. „Locker zu lassen“, war ebenfalls kein Problem mehr. Er entwickelte sehr schnell eine Strategie, die Kurve nach unten zu regulieren und damit die Spannung abzubauen. In den weiteren Therapieeinheiten lernte er ganz gezielt eine Spannung oder Entspannung erzeugen zu können.

Die Darstellung und Rückmeldung durch das Biofeedback lässt sich gut in Geschichten verpacken, die mit dem Alltag der Kinder zu tun haben, z. B.

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5.3 Biofeedback auf Berge klettern oder mit dem Mountainbike den Berg hochfahren. Das verlangt kommunikatives Geschick und Kreativität, aber auch das Wissen um Werte und Gewohnheiten im Alltag des Kindes. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder auf die Liniendarstellung, die motivierend und lustig in ihre reale Lebenswelt verpackt ist, besser reagieren als auf eine abstrakte Darstellung, bei der sie schnell abgelenkt sein können. Der Stift kommt erst zum Einsatz, wenn sich die Kinder mit ihren neuen Strategien, wie z. B. die Muskelspannung zu beeinflussen, sicher fühlen.

Wesentliche Lernschritte Die wesentlichen Lernschritte in der Grafomotoriktherapie mit Biofeedback sind Erregungskontrolle, Aufmerksamkeitssteuerung, Rehabilitation und Entspannung. Das Kind muss seine für ein „aktives Energiemanagement nötige Energie so steuern, dass sie den Anforderungen angepasst ist, also eine Über-/Untererregung kontrollieren kann“ (Pirker-Binder 2006, S. 10). Wesentlich sind dabei das Steuern der Aufmerksamkeit und der Aufmerksamkeitsfokus. Rehabilitation wird gleichgesetzt mit dem Herstellen eines inneren Gleichgewichts, um sich ohne Angst und in Ruhe auf eine Schreibaufgabe konzentrieren zu können und dabei Muskelspannungen zu erkennen. Wahrnehmen ist schon der Übergang zum Verändern der Anspannung in der Schulter, dem Arm oder der Hand beim Schreiben und in Ruhe und führt zu Entspannung. Der Atem beruhigt sich und die Muskelspannung sinkt.

Aufmerksamkeitsfokus Die Idee von Grafomotorik und Biofeedback lehnt sich an die Theorien und Studien von Gabriele Wulf (2009) an. Grundlegend ändert sich während eines Lernprozesses der Aufmerksamkeitsfokus. Schreibbewegungen, die zu Beginn der Therapie bewusst kontrolliert werden, benötigen noch eine hohe kognitive Anstrengung. Mit zunehmender motorischer Autonomie werden die Schreibbewegungen immer effizienter und automatisierter. Sie benötigen kaum noch kognitive Aktivität (Adams 1971). Damit ändert sich auch die Form der Rückmeldung durch das Biofeedback. Die visuelle Rückmeldung anhand der EMG-Linien wechselt zu auditiver Rückmeldung.

Merke Der Junge hatte Zeit, sich mit der Technik vertraut zu machen. Er hat erste Erfahrungen gesammelt. In einfachen Übungen findet er nun eigene Lösungsstrategien, seine Kraft besser einzuteilen und aktive und passive Kräfte abzustimmen. Er merkt selbst, dass er weniger Energie benötigt und sich nicht mehr so stark konzentrieren muss.

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Technisch arbeitet die Therapeutin jetzt mit einer Messwertschwelle, die er unterschreiten sollte. Für die Verminderung seiner Anspannung in Arm, Schulter oder die Konzentration betreffend bekommt er als Motivation zuerst eine visuelle, später eine auditive Rückmeldung. Die visuelle Rückmeldung zeigt sich in Linien. Die auditive Rückmeldung erfolgt durch ein akustisches Signal seiner eigenen Wahl. Das Signal kann z. B. die Stimme eines Tieres, der Klang eines Musikinstruments oder ein Märchen sein. Es kann entweder beim Aufbau eines zu hohen Tonus erklingen oder als Lob für eine gute Anpassung des Tonus.

Aufmerksamkeitslenkung auf einen externen Fokus Die Aufmerksamkeit richtet sich aber nicht auf negative Erfahrungen und den Leistungsdruck, schön schreiben zu müssen. Erfolgsdruck hemmt den Bewegungsfluss und das Flowempfinden. Konzentrieren sich die Kinder, wie z. B. der Junge, darauf: „Ich möchte so schön schreiben wie meine Freunde“, d. h. „Ich möchte dazugehören“, klappt es besser. Wulf (2009) hat sich intensiv mit der Aufmerksamkeitslenkung auf einen externen Fokus im Sportbereich auseinandergesetzt. Als intern bezeichnet sie den Fokus auf Körperbewegungen. Der externe Fokus richtet sich auf den Effekt, den die Bewegungen auf die Umwelt haben (Wulf 2009, S. 32). Ihre Gedanken und Studien dazu (Wulf 2009, S. 69) lassen sich sehr gut in die Grafomotorik transferieren. Sie beschreibt die Überzeugung des japanischen Geigers Suzuki, dass ein Kind das Musikinstrument besser erlernen würde, wenn es „das Instrument in die Hand nehmen und ‚nach Gehör‘ spielen dürfte, ohne zuerst Noten ler-

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik nen zu müssen“. Wulf und Weigelt (2009) und Gray (2004) widersprechen weiterhin den Aussagen, dass eine konkrete Instruktion und Vorgabe einer korrekten Technik eine Leistungsverbesserung bringt.

Wichtig Der Junge und andere Kinder haben immer wieder bewiesen, dass der externe Fokus der Wahrnehmung und des sichtbaren oder hörbaren Feedbacks einer Veränderung den Lernprozess beschleunigt haben und damit motorischen Hemmmechanismen entgegenwirken.

Child Occupational Self Assessment (COSA), dem Cognitive Orientation to daily Occupational Performance (CO-OP), grafomotorischen Assessments, dem Erhebungsbogen zur Erfassung fein- und grafomotorischer Fähigkeiten (RAVEK) und vielen anderen ergotherapeutischen Techniken und Medien. Die Evidenzgrundlage zu Biofeedback ist sehr hoch. Im praktischen Einsatz als Baustein in der Grafomotorikintervention hat Biofeedback zu guten Erfolgen geführt, ist sehr effizient und macht es möglich, Theorien zum motorischen Lernprozess, zum Aufmerksamkeitsfokus und zu der Interaktion zwischen Kind, Umwelt und Aufgabe umzusetzen.

Merke Wulf (2009, S. 147–150) bestätigt unsere Erfahrungen in der Grafomotoriktherapie mit Biofeedback z. B. in ihren Erfahrungen mit Morbus-ParkinsonPatienten: „… dass der Vorteil eines externen Fokus tendenziell mit der relativen Schwierigkeit der Aufgabe zunahm.“ Das wichtige ergotherapeutische Konzept der „zweckbestimmten Aktivität“ erinnert schon sehr lange an die Verwendung des externen Fokus (Huss 1981, King 1978). Aufgrund ihrer Studien empfiehlt Wulf (2009, S. 156) speziell Ergotherapeuten und Physiotherapeuten, dem externen Fokus den Vorrang gegenüber dem Lenken der Aufmerksamkeit auf Details der Bewegungsausführung zu geben, um die Effektivität von Interventionen zu steigern. Eine ähnliche Annahme ergibt sich aus der Studie zu therapeutischem Klettern und Grafomotorik von Astrid S. Fridrich (2011). Astrid S. Fridrich geht nicht von dem Lerneffekt durch die Änderung des Aufmerksamkeitsfokus aus. Sie beschreibt den positiven Lerneffekt durch die Änderung der Aktivität. Biofeeback kann jede ergotherapeutische Aktivität begleiten und den Effekt messen. Somit ist es ein Therapiemedium wie die Kletterwand. Sowohl die Aktivität Klettern als auch Aktivitäten, die durch das Biofeedback begleitet werden, wirken sich positiv auf die Schreibprobleme der Kinder aus, weil sie den Aufmerksamkeitsfokus extern verändern.

Biofeedback als Baustein in der ergotherapeutischen Grafomotorikintervention

5.3.3

Biofeedback ist ein Interventionsbaustein, der ergänzt und kombiniert wird mit dem Canadian Occupational Performance Measure (COPM), dem

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Mit dem Jungen aus dem Beispiel wird eine sorgfältige Befundung mit dem RAVEK durchgeführt. Dieser ermöglicht einen Vergleich mit altersentsprechenden Leistungen und unterstützt die Dokumentation der Entwicklung des Lernprozesses. Während der Durchführung des RAVEK werden bei ihm die Muskelspannung und der Hautleitwert abgeleitet (▶ Abb. 5.24). Beides gibt einen Aufschluss über vegetative Funktionen und macht Erregung und Entspannung zeitnah sichtbar, dokumentiert also auch die konzentrative Anforderung an den Jungen.

Therapeutische Hausaufgaben Mit Konditionierung und kognitiven Strategien sind unabdingbar auch therapeutische Hausaufgaben verbunden. Sie gewährleisten den Transfer der Therapieinhalte in den Alltag des Kindes. Die Bedeutung von therapeutischen Hausaufgaben wird in der Literatur mehrfach von anderen Autoren bestätigt (Enßlen et al. 2010, Polatajko u. Mandich 2008). Zwischen den Therapieeinheiten liegen aber die unterschiedlichsten Anforderungen, die kognitiv oft nicht mehr mit den Therapieinhalten verknüpft werden. Alltagsbelastungen können dann zu mangelnden Bewältigungsstrategien führen. Die Einbeziehung der Eltern ist auch in der Therapie mit Biofeedback wichtig und unverzichtbar. Aber anders als in der Studie von Enßlen, Kurz und Bernd (2010) geht es uns um das ganz eigene, aktive und individuelle Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitstraining des Kindes. Es sind daher meist keine Aufgaben, die von Eltern kontrolliert werden können.

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5.3 Biofeedback

Abb. 5.24 Beispiel für die Dokumentation der Therapieeinheit: Sichtbar sind der Verlauf der Muskelaktivität über die Zeitdauer der Therapie sowie die konzentrative Anspannung. Der blaue Pfeil zeigt eine nicht regulierte Kraftdosierung des Muskels über 60 Mikrovolt. Das sichtbare Feedback schließt die Wahrnehmung von Anspannung und Entspannung ein. Die schwarzen Linien (roter Pfeil) dokumentieren den Stift- bzw. Zeilenwechsel. (Foto: Christin Weigelt)

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Die Kompetenzen des Therapeuten

Schreiben und Stress

Das Kind ist ein autonomes Wesen. Wird es nicht als solches wahrgenommen, übersieht der Therapeut schnell entscheidende Reaktionsmuster, wie z. B. Anspannungen oder Bewegungen anderer Körperteile oder vegetative Reaktionen. Das passiert, wenn der Therapeut unsicher mit der Technik, unsicher in der Kommunikation, nicht zielorientiert oder auf den internen Fokus orientiert arbeitet.

Schreibprobleme, zu hohe Anforderungen an das Kind bei der motorischen und kognitiven Umsetzung des Schreibens und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Umwelt und den Schulalltag sind immenser Stress. „Aktive Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress und Belastung stellen Schlüsselqualifikationen dar, die bewusst erlernt werden können“ (Pirker-Binder 2006, S. 131).

▶ Korrekte Dokumentation. Die Kompetenz des Therapeuten, der mit Biofeedback arbeitet, beinhaltet den sicheren Umgang mit Technik, das Auswerten der Kurvendiagramme oder das Wissen um Artefakte. Was kann ein Artefakt auslösen? Welche Reaktionen ergeben sich daraus? Die korrekte Dokumentation ist hier sehr wichtig. Die Technik ermöglicht es jedoch, im Verlauf der Therapie an der jeweiligen Stelle zu dokumentieren, sodass Zeit, Veränderung und/oder Ereignis jederzeit nachvollziehbar und belegbar sind. Wichtig zu notieren sind z. B. Stiftwechsel, die Veränderung der Sitzposition oder andere psychomotorische Veränderungen, die jeweilig durchgeführte Aufgabe oder Emotionen.

Merke „Wenn Du heute Nachmittag Deine Hausaufgaben machst, dann denke einmal daran, wie Du es geschafft hast, dass die grüne Linie öfter nach unten gemalt wurde und wie sich Deine Hand oder Dein Arm dabei angefühlt haben. Und versuche das auch ohne Computer. Und heute Abend im Bett denkst Du noch einmal daran, bevor Du einschläfst. Und v. a. daran, wie Du Dich darüber gefreut hast.“ In der darauffolgenden Therapieeinheit erzählt der Junge ganz aufgeregt, wie gut er sich in der Schule daran erinnern konnte, die Schulter und den Arm zu korrigieren.

Zusammenfassung und Ausblick Unsere Erfahrungen zeigen, dass Kinder die neuen Ideen und Handlungskonzepte gern und schnell in den Schulalltag integrieren.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Merke Der Junge aus dem Beispiel lernt schnell, die Hand oder die Schulter locker zu lassen und die vorgegebene Schwelle zu unterschreiten. Diese gezieltere Wahrnehmung ermöglicht ihm neue und schneller abrufbare Erfahrungen, wie z. B., dass der Arm nicht mehr weh tut, er schneller mitschreiben kann und die Schrift schöner aussieht – und zwar mit jedem Stift und auf jedem Stuhl. Seine bewusste Aufmerksamkeit liegt nun längst nicht mehr bei seinem Problem, sondern bei der Überraschung und Freude, seine Ziele selbstständig zu erreichen.

In den anschließenden Therapieeinheiten wird jeweils ein 20-minütiger Biofeedbackblock integriert. Der Schwierigkeitsgrad wird stufenweise und je nach Fortschritt individuell angepasst. Die Messwertschwelle wird weiter reduziert und die Aufgaben werden komplexer und anspruchsvoller. Nach ca. 10 Therapieeinheiten hat sich der Muskeltonus reguliert. Das Schriftbild wird ausgeglichener und die Bewegungsausführung konstanter. Zusätzlich werden Umgebungsfaktoren und Aufgabenreihenfolgen verändert. Für den Jungen ist es ja wichtig, seine neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu festigen und in neue Aufgaben und Alltagsbereiche zu integrieren. Nach 20 Therapieeinheiten hat sich die Muskelspannung deutlich verringert. Das ist nicht nur an der Schrift und anhand der Dokumentation erkennbar. Er nimmt die Veränderungen an sich selbst wahr und kann darauf reagieren. Seine grafomotorische Leistungen haben sich verbessert und stabilisiert. Biofeedback wird nun nur noch gelegentlich zur Wiederholung und Konditionierung eingesetzt. Aus der Idee entwickelten sich inzwischen viele praktische Erfahrungen und neue Kompetenzen, die noch einer wissenschaftlichen Bestätigung bedürfen. Rief und Birbaumer (2000, S. VII) beginnen ein Vorwort in unserem Sinne mit: „Wenn etwas Freude macht, möchte man dies gern mitteilen.“ Mit dem Probieren kamen Erfolge, kam der Flow für die Kinder und uns Therapeuten, gemäß Martin Walser: „Dem Gehenden legt sich der Weg unter die Füße“ (1992).

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Die Bleistift-Rallye – ein grafomotorisches Präventionsprogramm 5.4

Andrea Espei „Das ist sooooo langweilig!“ – Jede, die mit Kindern im Vorschulalter arbeitet, kennt diesen Satz, wenn sie ein Malangebot am Tisch anbietet. Immer gibt es Kinder, die dazu nicht motiviert sind – aus verschiedenen Gründen. Manchmal verbirgt sich dahinter eine Schwäche oder ein Therapiebedarf, aber manchmal ist es einfach wirklich nicht spannend für ein Kind, zu malen – und das ist völlig in Ordnung. Wenn sich allerdings herausstellt, dass der Umgang mit Stift und Papier so ungeübt ist, dass das genaue und flüssige Einhalten von Formen und Linien nur schwer möglich ist, ergibt sich Handlungsbedarf. Diese Kinder brauchen Übung – am besten in einem Gruppenangebot, das mit Spielfreude die Voraussetzungen und Fähigkeiten erarbeitet, die für eine gute Grafomotorik nötig sind. Dabei werden nicht nur Hand und Stift berücksichtigt, sondern auch die Umweltbedingungen. Die Bleistift-Rallye (BSR) wurde von den Ergotherapeutinnen Andrea Jagusch-Espei und Meike Hirsch als Präventionsprogramm entwickelt.

5.4.1

Zielgruppe

Die BSR ist für Kinder im letzten Kindergartenjahr konzipiert. Manchmal wünschen wir uns, dass wir schon vorher angefangen hätten, weil sich dann nicht ungünstige Stifthaltungen eingeschlichen hätten. Die Anforderungen müssten dazu an die jüngeren Kinder angepasst werden. Fällt erst nach der Einschulung auf, dass ein Kind zu wenig Übung hat, gibt es sicherlich Möglichkeiten, die Bleistift-Ralley durchzuführen, z. B. im Rahmen der Ganztagsangebote.

5.4.2

Gruppensituation

Wichtig Für Kinder mit Übungsbedarf sollte die Lernsituation nicht als Eins-zu-eins-Situation gestaltet werden. Das Lernen vollzieht sich immer in Gruppen und es ist wichtig, dass die Kinder damit klarkommen.

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5.4 Die Bleistift-Rallye – ein grafomotorisches Präventionsprogramm Im Präventionsprogramm lernen sie, in einer kleinen Gruppe von 6 Kindern nebeneinanderzusitzen und sich mit ihren Aufgaben zu beschäftigen, Rücksicht aufeinander zu nehmen und abzuwarten, bis alle fertig sind. Sie erwerben die Fähigkeit, sich auf die Anweisungen des „Bleistift-Coachs“ zu konzentrieren, den Rest außer Acht zu lassen und die Aufgabe fertigzustellen, auch wenn vieles andere rundum das Interesse lockt.

Übungsbedarf oder Therapiebedarf? Das erscheint uns ein wichtiger Punkt zur Abgrenzung zu Kindern mit Therapiebedarf zu sein:

Kinder in diesem Alter können das schon gut verstehen, beurteilen und diese Position einnehmen. Wenn sich daraus bestimmte „Lieblingshaltungen“ entwickeln, ist dagegen nichts einzuwenden, solange sie nicht zu dauerhaften Fehlhaltungen und Störungen bei der Blutzirkulation oder der Atmung führen.

Wichtig Um Eltern für dieses Thema zu sensibilisieren, reicht ein Elterabend, bei dem sie auf den verschiedenen Sitzmöbeln Platz nehmen dürfen.

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Wichtig Kinder mit Übungsbedarf können in Gruppen lernen und kommen mit allgemeinen Anweisungen klar. Kinder mit Therapiebedarf benötigen die volle Aufmerksamkeit der Therapeutin und ein individuell auf sie abgestimmtes Vorgehen – was in der Gruppe nicht möglich ist.

5.4.3

Sitzposition

Die Linie, die der Stift auf dem Papier hinterlässt, hat nicht nur mit der Hand zu tun. Eine gute Sitzhaltung und die Gestaltung des Arbeitsplatzes sind wichtige Einflussfaktoren, die es zu beachten gilt. Das Kind sollte aufrecht und gerade vor dem Tisch sitzen, die Füße sollen locker auf dem Boden aufstehen, die Sitzhöhe soll zur Tischhöhe passen. Wenn die Unterarme locker im rechten Winkel auf der Tischplatte aufliegen, ohne dass die Schultern hochgezogen sind oder der Rücken gebeugt werden muss, stimmen Sitzhöhe und Tischhöhe. Wir wollen natürlich nicht, dass die Kinder bewegungsstarr in einer korrekten Position am Tisch verharren, aber die Ausgangsposition sollte so sein, dass das Gewicht gleichmäßig auf der gesamten Sitzfläche verteilt ist. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass dies für viele Kinder – in der Kita oder zu Hause – nicht zutrifft. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass die Kinder einer Altersstufe sehr unterschiedlich groß sind und dass sie wachsen. Deshalb sollten in jeder Kindereinrichtung mehrere Stuhl- und Tischhöhen zur Verfügung stehen.

5.4.4

Stifthaltung

Wenn man sich die Stifthaltungen von Erwachsenen ansieht, ist eine große Varianz festzustellen. Auch so manche ungewöhnliche oder verkrampfte Stifthaltung führt zu einer „schönen“ und leserlichen Schrift. Warum sollen Kinder also gezwungen werden, einen bestimmten Griff für den Stift zu erlernen? Die Antwort ist einfach: Für unsere Schrift hat sich das Führen des Stiftes in einem dynamischen Dreipunktgriff bewährt – so lassen sich die Buchstaben mit den gängigen Werkzeugen energiesparend und flüssig zu Papier bringen. Und das ist auf dem gesamten Bildungsweg nach wie vor von großer Bedeutung. Wird aus dieser Haltung heraus eine individuelle Variante entwickelt, ist dagegen nichts einzuwenden. Nur wenn von Anfang an eine Stifthaltung eingenommen wird, die mehr Stabilität bringt als Dynamik, ist ein „Stolperstein“ vor der flüssigen Schriftsprache eingebaut, der nicht nötig wäre.

Wichtig Deshalb sollte Kindern zunächst der dynamische Dreipunktgriff ermöglicht werden (▶ Abb. 5.25). Dieser „Profigriff“ besteht aus der „Zange“, die von Zeigefinger und Daumen gebildet wird und mit der der Stift festgehalten wird. Dazu kommt der Mittelfinger, der eine Stützfunktion übernimmt.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Abb. 5.25 Dreipunktgriff. (Foto: Andrea Espei)

Abb. 5.26 Dreipunktgriff beim Linkshänder. (Foto: Andrea Espei)

Abb. 5.27 Besonders geformte Stifte für Schreibanfänger. (Foto: Andrea Espei)

Ein wenig kompliziert ist es manchmal, den Kindern die Stelle beizubringen, mit der der Mittelfinger stützt: Er greift eben nicht zusammen mit den anderen Fingern den Stift und bildet den „Pfötchengriff“, sondern der Stift lehnt am Endgelenk des Fingers an. Es lohnt sich, an dieser Stelle etwas Zeit zu investieren und immer wieder daran zu erinnern, dass der Profigriff eingenommen werden soll.

Linkshänder Natürlich führen auch Kinder, die die linke Hand zum Schreiben benutzen, den Stift im Dreipunktgriff (▶ Abb. 5.26).

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5.4.5

Werkzeuge

Der Markt für besonders geformte Stifte für Schreibanfänger ist riesig, für jedes Bedürfnis ist ein spezielles Angebot vorhanden (▶ Abb. 5.27). Dreieckige Stifte sind selbstverständlich geworden und unserer Erfahrung nach ist das Erlernen des dynamischen Dreipunktgriffs damit tatsächlich leichter. Ob es dabei Stifte für Rechts- und Linkshänder sein müssen, überlassen wir dem jeweiligen „Bleistift-Coach“. Aufwendigere Spezialhalterungen sind nur am Anfang sinnvoll – sie sind meist nicht alltagstauglich und hemmen die Kinder eher, weil sie mit den Stiften, die sonst angeboten werden, nicht klarkommen.

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5.4 Die Bleistift-Rallye – ein grafomotorisches Präventionsprogramm

Wichtig Weniger als die Form wird oft der Inhalt beachtet: Die Mine des Stiftes ist entscheidend für das Ergebnis auf dem Papier. Deshalb legen wir Wert darauf, dass sie nicht zu hart ist und zu viel Druck erfordert, aber auch nicht zu weich, weil der Strich schnell zu breit wird und häufiges Anspitzen lästig ist.

5.4.6

Das Programm

Das Gruppenprogramm zur Prävention von grafomotorischen Auffälligkeiten in der 1. Klasse umfasst 10 Stunden. Das Ziel ist, dass die Kinder mit Papier und Stiften Übung erlangt haben. Sie sollen in der Lage sein, gezielte, saubere Linien malen zu können, Begrenzungen einzuhalten und Formen wiederzugeben. Kinder mit Übungsbedarf haben in der Regel keine Lust darauf, d. h., sie wollen an die Aufgaben herangeführt und vorbereitet werden. Deshalb umfasst jede Stunde 3 Teile: ein Bewegungsspiel, eine Fingergymnastik und die Übungsblätter zur Schreibmotorik. Das Programm enthält für jeden dieser Bereiche Übungsvorschläge. Die Spiele sind auf Fotokarten dargestellt und für die grafomotorischen Aufgaben liegt ein Block bei.

Das Bewegungsspiel Dieser Grobmotorikanteil dient dazu, die aktiven Kinder „ankommen“ zu lassen und ihre Energie zu lenken und die „schlaffen“ Kinder zu tonisieren und energetisch aufzubauen. Es werden Spiele wie „Autohockey“, Rollbrettfahren oder Fangen mit dem Gymnastikball durchgeführt.

Die Fingergymnastik Um das Bewusstsein für die Hände und die Finger zu schulen und die isolierten Bewegungen der Hände zu fördern, sollen sie gezielt angesprochen werden. Mit Wühlmaterialien, Knete oder anderen Materialien, wie sie in jeder Kita vorhanden sind, werden Kraft, Dosierung und Geschick trainiert.

5 Abb. 5.28 Einsatz des Stiftes. (Foto: Andrea Espei)

Die Grafomotorik Erst im 3. Teil wird der Stift eingesetzt: Verschiedene Arbeitsblätter mit unterschiedlichen Schweregraden fordern die Kinder heraus. Es geht darum, sauber zu malen, Linien einzuhalten und Formen wiederzugeben (▶ Abb. 5.28). Das Ganze läuft in einem zügigen Tempo ab und hat durchweg spielerischen Charakter. Die 3 Teile der Stunden werden zusammengehalten durch einen gemeinsamen Start mit einem Lied mit Fingerspiel, das am Ende wiederholt wird.

„Hausarbeit“ Eine Stunde allein pro Woche reicht nicht aus, deshalb ist die Unterstützung von Erzieherinnen und Eltern gefragt. Zu Beginn der Übungsreihe findet deshalb ein Eltern-Info-Abend statt, bei dem die Grundlagen und der Aufbau des Programms vorgestellt werden und zum Mitmachen aufgefordert wird.

Wichtig Dazu ist es wichtig, dass die Kinder im Alltag Material zum Malen vorfinden, Anregungen und Unterstützung erhalten – also gelobt werden – und dass auf den Profigriff und natürlich auf die Sitzhaltung geachtet wird.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik Das Übungsprogramm wird im günstigsten Fall von Erzieherin und Therapeutin gemeinsam angeboten. Der spielerische Charakter und die hervorgehobene Situation als Gruppe von Vorschulkindern unterstützen die Motivation, sodass die Kinder in der Regel mit Freude mitmachen – der wichtigste Faktor beim Kompetenzerwerb.

Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

5.5

Bernhard Gröss Ein Großteil des pädiatrischen ergotherapeutischen Praxisalltags besteht heute nicht mehr allein in der Therapie von Kindern mit einer Erkrankung oder Behinderung, sondern der Fokus richtet sich mehr auf die Anpassung eines Kindes auf die Wechselwirkung von Person, Betätigung und Umwelt. Der therapeutische Ansatz wird zunehmend präventiv ausgerichtet. Mit dem Calwer Modell (nachfolgend CM abgekürzt) steht ein Vorsorgeprogramm der Sekundärprävention für Kinder im Alter von 5–6 Jahren zur Verfügung. Es wurde von der Ergotherapie in Kooperation mit Kinderärzten für den Einsatz in der Vorschulförderung entwickelt und während einer Studienphase wissenschaftlich begleitet. Die AOK Nordschwarzwald und die Kinderärzte des Landkreises Calw (Baden-Württemberg) stellen seit 2006 einen unverhältnismäßig hohen Anstieg von therapiebedürftigen Kindern fest. Sie beziehen sich auf die Verordnungszahlen für Heilmittel (Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie). Besonders hoch ist der Anteil von Vorund Grundschulkindern, wobei nicht allein die Heilmittelverordnungen ansteigen, auch die Fallzahlen von verhaltensauffälligen, psychisch und psychosomatisch erkrankten Kindern nehmen zu. Zu den Fragen: „Warum brauchen so viele Kinder therapeutische Unterstützung, wo sind die Ursachen zu finden und was kann man dagegen tun?“ initiierte federführend der Kinderarzt Dr. U. Funk eine Arbeitsgruppe von Ärzten, Therapeuten, Lehrern, Erziehern und Mitarbeitern in Beratungsstellen und Verwaltungen.

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Anforderungen und Belastungen zum Schuleintritt

5.5.1

Vorschulbereich Immer mehr Kinder werden bereits im Kindergarten als motorisch ungeschickt, unkonzentriert und wenig ausdauernd beschrieben. Bei der Vorschuluntersuchung oder der U8/U9 werden diese Entwicklungsdefizite vom Kinderarzt als therapiepflichtig erkannt. Einer Datenerhebung des Entwicklungsstands in den Kindergärten der Region Calw zufolge zeigen nahezu 42 % der Vorschulkinder Defizite in den Bereichen: ● Sensomotorik (Bewegungskoordination, Handgeschicklichkeit, Grafomotorik), ● Aufmerksamkeitssteuerung, Konzentration und Ausdauer, ● Kommunikationsfähigkeit, Sprache, ● soziale und emotionale Reife. In der Begleitstudie zum CM hat sich dies tendenziell bestätigt. Hier wurden mit ausgewählten Subtests des Wiener Entwicklungstest (WET) Kinder in Kontroll- und Experimentalgruppen in Kindergärten getestet.

Schule In der Schule, in Klasse 1 und 2, entwickeln diese Kinder dann Probleme beim Erlernen der Handschrift, haben Konzentrations-, Lern- oder Verhaltensprobleme. Lehrer beobachten bei bis dahin in der Entwicklung unauffälligen Kindern bzw. auch bei sogenannten „normal“ intelligenten Kindern Lernprobleme.

Gründe für Schulstress Hier einige Faktoren, die das Lernen zum Stress für die Kinder und deren Familien, aber auch für Lehrer machen können: ● In recht kurzer Zeit müssen die Kinder heute sehr viel verschiedenen Lernstoff verarbeiten, u. a. Englisch als erste Fremdsprache. ● Neue Lernkonzepte verlangen von den Kindern mehr autonomes Arbeiten, z. B. mit Wochenplänen. ● Aus vielen wissenschaftlichen Bereichen wird als „das Geheimnis guter Schule“ die „Individualisierung“ propagiert. Jedes Kind soll individuell lernen, das verlangt jedoch bereits zum Schulstart

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5.5 Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

5

Abb. 5.29 Beispiel 1958: Mädchenhandschrift, 2. Klasse, Diktat, Note 3, Füller und Schreibheft DIN A 5.







umfangreichere Kompetenzen und mehr Disziplin bei Schülern und Lehrern. Auch die jahrgangsübergreifenden Schulklassen (sogenannte „2-in-1“-Klassen) verlangen solche Qualitäten. Ein weiteres gravierendes Problem sehen die Lehrer in zu lauten Schulklassen. Mit einem hohen Lärmpegel ist „Lernen“ teilweise unmöglich. In puncto Schreiben werden hohe Erwartungen und Zielvorgaben an Schreibleistung – Grafomotorik – gestellt, ohne jedoch die nötige Zeit für den Übungsprozess zu haben (▶ Abb. 5.29 und ▶ Abb. 5.30).

Beispiel Man erwartet bereits zu Beginn des Schreiblehrgangs eine recht hohe Schreibgeschwindigkeit, ohne durch intensives Üben nötige Automatisierungsprozesse in Gang gesetzt zu haben. Die Konsequenz: Schnelligkeit geht zu Lasten der Lesbarkeit und der Orthografie.

Abb. 5.30 Beispiel 2011: Mädchenhandschrift, 2. Klasse, Diktat, Note 3, Tintenroller und Schreibheft DIN A 5.

Immer neue Schriftvarianten In einer Stellungnahme des Kultusministeriums Baden-Württemberg wird beklagt, dass ein Drittel der Jungen und etwa 10 % der Mädchen nach Verlassen der Grundschule nicht leserlich schreiben können. Es wird nun, nach 3 Varianten der Schreibschrift und 2 Varianten der Druckschrift, eine weitere, die Grundschrift, erprobt. Diese soll die bisherigen ablösen, weil sie einfacher zu erlernen sei (▶ Abb. 5.31). Ob mit Einführung dieser neuen Schrift auch die Anzahl der Kinder mit der Diagnose: „grafomotorische Störung“ zurückgeht, wäre aus wissenschaftlicher Sicht interessant. Die Erfahrung aus der ergotherapeutischen Praxis zeigt, dass Defizite in der Schreibleistung, hinsichtlich der Lesbarkeit und Schreibgeschwindigkeit, nicht an den Varianten einer Schreibschrift liegen, sondern an den Methoden – explizit der Einlern- und Übungsverfahren.

Spiel und Motorik vernachlässigt An den Lehrplänen werden die reduzierten Spielund Bewegungsangebote im Sport oder in den Pausen bemängelt. So fehlen Ventile gegen den Stress des anstrengenden Leistungslernens. Spiel

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Abb. 5.31 Schriften.

und Motorik als „Triebfeder“ für die kindliche Entwicklung werden vernachlässigt. Zusätzlicher Leistungsdruck entsteht aus dem Umfeld bzw. von den Eltern durch deren Wünsche und Erwartungen an das Kind.

Gesundheit und Bildung In der Diskussion wird auch deutlich, dass unterschiedlichste Sichtweisen und Definitionen zum Entwicklungsbegriff existieren. ▶ Was ist Schulfähigkeit?. Der Kinderarzt sieht das Kind, bezogen auf den Entwicklungsstatus, aus einem völlig anderen Blickwinkel als die Erzieherin oder die Lehrerin. Ebenso kann die Frage: „Was ist Schulfähigkeit?“ – früher Schulreife – nicht klärend beantwortet werden.

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Weitgehend einig ist man sich in der Einschätzung, dass bisherige Konzepte und Programme nicht die gewünschten Fördereffekte zeigen. Die Anzahl an therapiebedürftigen Kindern steigt weiter, trotz breit gefächerter Angebote. Der Markt an Materialien, Spielen, Literatur und Konzepten zur „Entwicklungsförderung“ ist unüberschaubar. Etliche Verlage aus den Bereichen Pädagogik, Medizin und Psychologie bieten Programme an. Sie reichen von einfachen Spielesammlungen über Kopiervorlagen bis hin zu wissenschaftlich orientierten, aufwendigen und kostspieligen Produkten. Der Anwender hat es schwer, sich zu orientieren, da Güte- und Qualitätsprädikate fehlen oder nicht standardisiert vergleichbar sind. In der Fachliteratur konnten keine gesichert fundierten Arbeiten und Hinweise zu Kausalitäten gefunden werden.

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5.5 Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

Wichtig Zu viele Kinder sind hinsichtlich ihrer sozioemotionalen Fähigkeiten Ihres Handlungsbereichs nicht gezielt auf den Schulstart vorbereitet.

Die Anforderungen sind dem individuellen Entwicklungsstand zu wenig angepasst. Ein Großteil der auffälligen Kinder hat keine Störungen im Sinne der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme” (ICD-10). ▶ Übungs- und Förderdefizit. Es fallen allerdings Entwicklungsdefizite auf, die auf einer mangelnden Übung und Vorerfahrung beruhen – man spricht erstmals von einem sog. ÜFD, einem Übungs- und Förderdefizit.

Präventionsauftrag Als Resultat entstand in der Arbeitsgruppe die Idee, dass der Autor (Ergotherapiepraxis in Calw) ein präventives ergotherapeutisches Programm entwickeln solle, mit dem bessere Ergebnisse als bisher zu erzielen wären. Dieses Programm soll den definierten Problembereichen entgegenwirken und dazu beitragen, die Vorschüler in die Lage zu versetzen, leichter den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Es soll auch therapiepflichtige Folgeschäden vermeiden helfen und zu einem weniger störanfälligen Schuleinstieg beitragen. Der Bereich der Kommunikations- und Sprachförderung ist ausgeklammert. Nach Ansicht der Kinderärzte und Sprachheillehrer erzielen die angebotenen Förderprogramme (z. B. Würzburger Sprachförderprogramm) diesbezüglich ausreichend wirkungsvolle Ergebnisse. Das CM soll kein Therapieprogramm imitieren, sondern ein eigenständiges Vorsorgeprogamm sein, das notwendige Therapien weder verlagern noch einsparen will. ▶ Präventionsauftrag im „Calwer Modell“. Der Präventionsauftrag im CM wird dabei so verstanden: Dem Vorschulkind wird ein möglichst unkomplizierter Entwicklungsübergang vom Kindergarten in die Schule ermöglicht. Nur mit einer soliden Basis kann ein guter Schulstart gelingen. So können Bildungschancen besser genutzt werden,

um mehr Lebensqualität zu erreichen. Vor allem aber sollen im Schul- und Lernumfeld Erkrankungsrisiken durch die Schul- und Lernsituation verhindert oder minimiert werden. Ein weiterer Aspekt interessiert v. a. Kostenträger: Eine effektive Vorsorge, eine nachhaltige Prävention ist zwar nicht kostenlos, aber kostengünstiger als teure ambulante und stationäre Behandlungen.

Zielgruppe Die Zielgruppe des CM sind sogenannte normale Kinder im Alter von 5–6 Jahren, bei denen Risikofaktoren bzw. Auffälligkeiten in der motorischen, kognitiven und sozioemotionalen Entwicklung erkannt wurden, die sich zu therapiepflichtigen Maßnahmen entwickeln könnten.

5

Was ist neu am CM? Wichtig Das Besondere an diesem Programm ist, dass es nicht auf die herkömmlichen Spielesammlungen, Materialen, Unterlagen und Literatur setzt, sondern die Ausbildung und Qualifikation, die persönliche und fachliche Kompetenz des Trainers, in den Fokus rückt.

In der Begleitstudie zum Calwer Modell (auf dem 51. Deutschen Ergotherapiekongress 2008 präsentiert) von Prof. Dr. Elke Kraus mit über 300 Kindern im Landkreis Calw werden Fördereffekte nur dann nachgewiesen, wenn die Trainer das Konzept verstehen, sich damit identifizieren und es mit der entsprechenden Haltung umsetzen können. Dies gelingt nur mit einem Höchstmaß an Identifikation. ▶ Trainer als zentrale Schnittstelle. Der Trainer ist die zentrale Schnittstelle zwischen Kind und Konzept. Er hat die Aufgabe, die Förderinhalte mit der verfahrensspezifischen Didaktik, die in Zertifizierungsseminaren erworben wird, mit den Kindern umzusetzen. Deshalb ist das entsprechende Handbuch zum CM (Aufgabenkatalog, Aufgabenbeschreibung, Vorlagen etc.) auch nicht im Handel erhältlich. Das Programm ist von allen professionell eingesetzten Berufsgruppen in der Vorschulförderung

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik anwendbar, vorzugsweise von Ergotherapeuten, deren entwicklungspsychologische Sicht der des CM am nächsten kommt. Das CM kann in Form von Kursprogrammen beispielsweise in Ergotherapiepraxen, Kindergärten und Schulen oder als Programm der Krankenkassen eingesetzt werden.

5.5.2

Beziehung, Identifikation Wenn das Kind dem Lehrer nicht mehr beim Schreiben, Zeichnen, Malen – ob an der Tafel oder auf einem Blatt Papier – zusehen kann, weil die Aufgaben auf Matrizen und Kopiervorlagen vorkonfektioniert sind, fehlt die Identifikation des Schülers mit dem Lehrer und der Handlung. Deshalb muss diese Beziehung bei Lernprozessen mehr in den Vordergrund rücken.

Förderziele des Programms

Das Programm umfasst 50 Übungsaufgaben, die 7 Förderbereichen zugeordnet sind: Sensomotorik, visuelle und auditive Wahrrnehmung, Körper- und Raumwahrnehmung, Serialität und Intermodale Leistungen. Der Bereich der Sensomotorik wird in die Hand- und Grafomotorik und die Körperkoordination unterteilt. ▶ Abb. 5.32 zeigt, wie viele der Übungen den jeweiligen Förderschwerpunkten zugeordnet werden. Manche der Aufgaben verfolgen mehrere Ziele und sind daher mehrfach zugeordnet.

Nacheifern Trainer benötigen neben der persönlichen Qualifikation fundiertes Hintergrundwissen, über die kindliche Entwicklung bis hin zu Kenntnissen über aktuelle Vorschulförderung. Sie müssen verfahrensspezifische Techniken erlernen und praktische Erfahrung haben, um als Vorbilder wirken zu können. Der Begriff Nacheifern steht als Synonym dafür.

3 Elemente im CM

Wichtig

Das CM besteht aus 3 Elementen: ● Entwicklung von Beziehung und Identifikation, ● Schaffung eines geeigneten „Setting“ (Lernumfeld), ● Anwendung laut Handbuch.

Die Aufgabe des Trainers: erklären – zeigen – üben – korrigieren – belohnen.

Aufgabenverteilung nach Förderschwerpunkten (auch Mehrfachnennungen bei Themenüberschneidungen)

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Abb. 5.32 Förderziele.

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5.5 Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

Lernumfeld – Setting Lautstärke Eine weitere Aufgabe des Trainers besteht darin, Rahmenbedingungen für ein förderliches Lernumfeld und für ein Lernklima zu schaffen. Das sind zunächst örtlich-räumliche und strukturelle Faktoren. Lautstärke und das akustische Nachhallverhalten eines Raumes müssen Mindestanforderungen entsprechen. Spielende Kinder erzeugen unweigerlich eine gewisse Lautstärke. Der Geräuschpegel wird subjektiv sehr unterschiedlich wahrgenommen. Hilfreich sind einfache Messungen zur Überwachung der Belastungsintensität.

Methodik: „Social Support“ Dazu kommt der methodische Aspekt: das Lernen in der Gruppe und von der Gruppe (Social Support). Von und miteinander lernen gelingt nur, wenn auch ein gewisses Lernklima vorhanden ist. Die meisten Kinder erwerben im Kindergarten eine Basis an Sozialkompetenz, ab der Einschulung werden aber zusätzliche soziodynamische Fähigkeiten abverlangt. Diese gilt es im Vorschul- oder Präventionsangebot zu verankern.

Wichtig Gruppen erzeugen nicht zu unterschätzenden Stress für das einzelne Kind. Und bekanntlich machen auch Kränkungen krank. Der Trainer muss diese Situationen einschätzen lernen und gezielt darauf reagieren. Wenn Mobbing an der Tagesordnung steht, profitiert nur der Egoist – die anderen Kinder sind Verlierer oder Geschädigte. Deshalb ist es im Gruppenprozess so wichtig, dass der Trainer die Soziodynamik so lenkt, dass alle Gruppenmitglieder gleichermaßen partizipieren.

noch nicht selbst steuern, hier stützt der Trainer mit seiner Intervention.

Anwendung – das Handbuch Die Aufgaben und Übungen im Handbuch sollten nach Einhaltung der verfahrensspezifischen Didaktik von allen Kindern einer Gruppe im Zeitraster durchgeführt werden können. Im CM sind Spiele und Übungen ausgewählt, die schon Generationen vor uns gespielt haben. Diese sind für heutige Anforderungen überarbeitet und modifiziert worden. Alte Straßenspiele erfahren eine Wiederentdeckung und Aufwertung. Dazu wurden einige Aufgaben speziell zum Thema „aus Fehlern lernen“ neu konstruiert. Die Anforderungen werden stufenweise dynamisch gesteigert. Kann ein Kind die Aufgaben auch nach ausführlicher Anleitung gemäß dem Handbuch nicht erfüllen, sollte eine diagnostische Abklärung eingeleitet werden.

5

Inhalt Das Handbuch umfasst 3 Teile: ● die Programmübersicht, ● die Aufgabenbeschreibung, ● Anlagen. Die Programmübersicht führt in tabellarischer Auflistung alle Aufgaben und Übungen auf und ist ein Leitsystem für das gesamte Programm mit Kurzangaben zu Inhalten, Zielen, Materialien etc. In der Aufgabenbeschreibung finden sich Detailangaben zu jeder einzelnen Übung, eine ausführliche Anleitung, Beschreibung zur Durchführung (z. B. im Raum oder im Freien), Vorlagenwahl, Kurzangaben zu den Leitsätzen und Zielvorgaben. Zu den Anlagen gehören Spiel- und Kopiervorlagen zu grafomotorischen Übungen, Baupläne für CM-Bausteine, Übungen zur „Fehlersuche“, Dokumentationsformulare.

Material Direktives Verfahren Da es sich bei dem CM um ein rein direktives Verfahren handelt, übernimmt der Trainer die gesamte Handlungsorganisation und steuert den Ablauf. Einerseits muss dem kindlichen Spieltrieb Rechnung getragen werden, andererseits kann das Kind nur vom Vorbild lernen. Viele Vorschulkinder können die fokussierte und selektive Aufmerksamkeit im Gruppenprozess

Das Übungsmaterial sollte – bis auf einen speziellen Bausatz mit Bauplänen – in jeder Einrichtung der Vorschulförderung vorhanden sein.

Theoretisches Gerüst Aktuelle Erkenntnisse der Lernpsychologie und Neurowissenschaften, aber auch die Erfahrungen langjähriger praktisch-therapeutischer Arbeit mit

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik

Motivation und Antrieb Feedback, Emotionen

Aufmerksamkeit Teilleistungen Wahrnehmung, Sensomotorik

Abb. 5.33 Zyklus.

Kindern prägen das Konzept in Zielsetzung und Ausrichtung. Aus den Theorien über das Lernen und die Entwicklungspsychologie wurden die Modelle von Luria, Piaget, Graichen, Sindelar, Gschwend, Spitzer als Gundlagen für das CM ausgewählt. Für Lern- und Entwicklungsschritte, unabhängig davon, ob es sich um motorischen, kognitiven oder psychosozialen Kompetenzerwerb handelt, ist der nachfolgende Zyklus grundlegend (▶ Abb. 5.33).

Motivation und Antrieb Normalerweise ist das Kind offen, neugierig auf neue Erfahrungen und Lerninhalte. Das Kind entwickelt über den Spaß am Spielen seine Lernmotivation und gewinnt an Handlungskompetenz, Wissen, Erfahrung und an emotionaler und sozialer Reife. Umfeldstörfaktoren der verschiedensten Art, Ausweichverhalten vor Belastungen etc. blockieren neue Erfahrungen und hemmen Lern- und Entwicklungsprozesse. Es sind erste Anzeichen von Überlastungen und Stress, die zu Motivationsstörungen, zu Schul- und Leistungsverweigerungen führen können. Nicht selten entstehen daraus ernsthafte Störungsbilder. Der Trainer sollte Ausweich- und Vermeidetaktiken erkennen und entsprechend intervenieren können. Gerade bei Kursprogrammen ist es notwendig, dass Kinder eine ausreichende Portion Motivation und Lernbereitschaft mitbringen.

Aufmerksamkeit In der Entwicklung des Nervensystems sind sowohl die genetische Grundausstattung als auch epigenetische Faktoren für die Reifungs- und Lernprozesse entscheidend.

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Für das kindliche Gehirn ist zuächst jeder Reiz aus dem Umfeld interessant. Die Aufmerksamkeit ist breit gestreut und sucht ständig nach Input. Jeder akustische oder optische Reiz muss erhascht werden. Es könnte hinter jedem Reizimpuls auch eine Gefahr lauern. Diese Reizoffenheit ist eigentlich eine gesunde, natürliche Reaktion, aber gerade für schulisches Lernen sehr ungünstig. Hier sind die Fokussierungsleistung und das Abwägen nach Prioritäten in der Wahrnehmung gefragt. Sie unterliegen einem immerwährenden Lernprozess. Deshalb sind Aufmerksamkeits- und Konzentrationssteuerung die Basis für Lernen (Spitzer 2006). Im CM befinden sich Übungskomponenten, wie beispielsweise „Flüsterspiele“ oder „Zeichensprache“, als kleine Hilfestellungen, um unwichtige von wichtigen Reizimpulsen zu unterscheiden, Reizimpulse zu dekodieren, zu filtern und zu selektieren.

Teilleistungsbereich Wahrnehmung Sind ausreichend Motivation und Aufmerksamkeit vorhanden, so ist auch eine positive Einflussnahme auf die rezeptive, kreative und expressive Wahrnehmungsleistung (Gschwend 1994) möglich. Im CM-Programm sind Übungen zur Verbesserung dieser Leistungen niederschwellig konstruiert. So ist es schon ein erstes Ziel der aktuellen Aufgabenstellung, zuzusehen und zuzuhören.

Teilleistungsbereich Sensomotorik Zur Sensomotorik gehören:

Körperkoordination Achsenstabilität, Haltung, Körperspannung und Bewegungsdynamik; Übungen hierzu sind z. B.: Seilspringen, Luftballonvolleyball, „alte Straßenspiele“.

Manualmotorik Präzise Steuerung der Hand; Übungen hierzu sind z. B.: Murmelspiele, Finger- und Fadenspiele, Bauen mit CM-Bausteinen, Dominosteinen, Perlenfädeln, Ausschneiden.

Spezielle Grafomotorik Übungen zur Grafomotorik sind: Schwungübungen, Stiftführungsübungen (verfahrenstypisches

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5.5 Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

Graphemelemente Viereck Dreieck Kreis

Abb. 5.35 Graphemelemente.

Abb. 5.34 Malen. (Foto: Bernhard Gröss)

5 Motorisches Vortraining beim CM

Malen (▶ Abb. 5.34) und Zeichnen nach den CMVorlagen), Gestalten mit Stiften und Papierunterlagen, z. B. Ornamentieren.

Grafomotorik Lesen, Rechnen und v. a. Schreiben sind hochkomplexe Herausforderungen für die „Kinderhand“ und das „Kindergehirn“. Vom ersten Versuch, mit einem Stift eine Linie auf ein Blatt Papier zu bringen, bis hin zum Automatisierungsprozess des Schreibens genügt es bekanntlich nicht, nur wenige Formelemente einmal gezeichnet zu haben. Wie bei allen kortikal gesteuerten (sensomotorischen) Bewegungsmustern – so auch beim Erlernen des Laufens, Sprechens oder eines Musikinstrumentes – bedarf es individueller Einlernund Übungsprozesse. Diese wiederum sind sehr unterschiedlich in Intensität und Zeitaufwand, bis die entsprechenden Bewegungsmuster sicher und fehlerfrei ausgeführt werden können. Die Übungseinheiten für die Handschrift sind ebenfalls individuell gestaltet. So haben sich im Lauf der Zeit die Schreibgeschwindigkeit und die Menge der Textproduktion zunehmend erhöht.

Wichtig In Bezug auf die Schreibgeschwindigkeit allerdings stößt die Motorik an ihre Grenzen. Das Schreiben muss immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst werden. Umso wichtiger ist es, vorsorglich die Kinderhand und das Gehirn auf diese Aufgaben gut vorzubereiten.

Im CM geht es um gerade dieses motorische Vortraining und nicht um einen eigenen Schreiblehrgang. Das Kind soll ein Gespür für präzise Linienführungen einer Schrift bekommen, es soll sich eine Grundlage für Graphemformgestaltung erwerben. Um Methodenkonflikte im Einlernprozess von Graphemen zu vermeiden, ist die neutrale Formgestaltung gewählt.

Wenige Graphemelemente Aus den Umfanglinien der Körper: Viereck, Dreieck und Kreis oder deren einzelnen Elementen: Senkrechten, Waagerechten, Schrägen und Bögen werden die Graphemstruktur der Schriftkörper und Buchstaben gebildet. Die Übungen sind auf diese Formen reduziert. Lediglich mit diesen Graphemelementen werden die Mal- und Zeichenübungen ausgeführt (▶ Abb. 5.35).

Ausmalen Ein besonderes gezieltes „Ausmalen“ der Vorlagen soll nicht nur die Handmotorik, sondern auch die neurophysiologischen Steuerkomponenten trainieren. Durch die entsprechenden Übungseinheiten werden diese gebahnt und verfestigt und somit im Idealfall automatisiert. Mit „Hand-/Fingergymnastik“ und „Fingerstreching“ (Fingerspiele, Fadenspiele) werden Pausen und Entlastung geschaffen, um vor Verkrampfung und unangenehmen bzw. schmerzhaften Zuständen zu bewahren.

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Programme und Therapieansätze zur Förderung der Grafomotorik Kriterien bei der Ausführung sind Präzision und Formtreue: ● des Linienflusses (abgesetzt, mehrfach angefangen, unterbrochen), ● von Anfangszu Endpunkten (zielgenau, überschießend oder vorzeitig abgebrochen), ● von Wendepunkten und Richtungswechsel, ● bei proportionalen Abbildungen, ● von Raumlagen, Positionen, Größe und Ebenen. Es geht im Programm darum, das Kind in seinen handmotorischen Fähigkeiten besser auf die anstehenden Belastungen des Handschrifterwerbs vorzubereiten, damit von Anfang an keine Antipathie gegen Stifte und Papier entsteht. Hierzu gehören auch die gesamte Arbeitsorganisation, das Arbeitsverhalten mit Papier, Schreib-/Malgeräten und allen anderen Materialien.

Feedback, Emotionen Jede Handlung, jeder Lern- und Erfahrungsprozess unterliegt einem Kontrollsystem, das eine gewisse Sinnhaftigkeit der geleisteten Aktionen überprüft. Das Individuum sondiert, ob diese vorteilhaft oder eher nachteilig waren. Hier greift das emotionale System in den Lernprozess ein und forciert entweder neue Motivation, setzt neue Ziele oder blockiert das Lernen.

Wichtig Das Gehirn braucht für sein Belohnungssystem ein positives Feedback und Erfolge, jedoch keine materiellen Belohnungen.

Wettbewerb mit sich selbst Im CM ist die Rolle des Trainers hierbei die wesentliche Komponente. Es liegt im Geschick und der Qualifikation des Trainers, aus der Korrektur und der Kritik eine Leistungssteigerung bzw. Leistungsmotivation zu erzeugen. Das Kind soll lernen, selbst seine Fehler in den Aufgaben zu suchen, anstatt sich diese von anderen zeigen zu lassen, sie zu ignorieren oder zu verleugnen. Der Wettbewerb mit sich selbst, das Sich-selbstneue-Ziele-setzen, eigene Grenzen zu überspringen und sein eigenes Leistungsspektrum zu erweitern, ist für die Persönlichkeitsentwicklung wichtiger als Wettbewerbe mit anderen (vgl. „Le

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Parcours“, eine in Frankreich entstandene Trendsportart bei der es zwar um Hochleistungen geht, aber nicht um Wettbewerbe).

5.5.3

Therapie oder Prävention

Warum Prävention? Prävention ist keine neue Erfindung, bereits Goethe wusste vor 180 Jahren um den Wert und den Mechanismus des Vorbeugens. „Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande.“ (Johann Wolfgang von Goethe). Längst haben sich Präventivmaßnahmen wie Impfungen, „Rückenschule“, Vorsorgeuntersuchungen und viele andere Prophylaxemaßnahmen im Gesundheitssystem etabliert. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es effektiver, weniger belastend für die Betroffenen und auch kostengünstiger ist, durch präventive Maßnahmen u. a. Entwicklungsstörungen vorzubeugen. Denn aus diesen resultieren, bleiben sie ohne Hilfen, Erkrankungen, Handicaps und schwierige Lebenssituationen, die nur mit intensivem therapeutischem Aufwand zu beheben sind. Daher gilt auch für die Ergotherapie, so früh wie möglich Risikofaktoren bei Kindern zu erkennen und vorbeugend mit neuen Programmen zu handeln – bevor eine Therapie unumgänglich wird. In ▶ Tab. 5.4 sind die Unterschiede zwischen der ergotherapeutischen Gruppentherapie und dem ergotherapeutischen Präventionskurs Calwer Modell zusammenfassend skizziert.

Zusammenfassung Beim Handschrifterwerb ist es ähnlich wie in der Musik: Erst über das Erlernen der Technik des Instruments, über das Erlernen der Tonleiter und über das Üben von Etüden wird es zum Konzert kommen, das man anhören mag. Dabei sind der Erlern- und der Übungsprozess maßgeblich. So führt auch der Weg beim Schreiben nur über den exakten, langsamen Erwerb der Grafomotorik zur leserlichen und schnellen Handschrift. Sensomotorisches Lernen verläuft nach dem Prinzip: „Von langsam nach schnell und von wenig nach viel“. Lernen und gesunde Entwicklung sind im Lärm und im reizüberfluteten Umfeld schwer möglich. Nur mit Vorbildern, die durch ihre Persönlichkeit und Fachkompetenz das Kind erreichen, die eine

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5.5 Ein ergotherapeutisches Präventionsprogramm für Vorschulkinder (Calwer Modell)

Tab. 5.4 Unterschiede zwischen einer ergotherapeutischen Gruppentherapie und einem ergotherapeutischen Präventionskurs. Gruppentherapie (max. 5 Kinder)

Präventionskurs (Richtgröße 6 Kinder)



ärztliche Verordnung gemäß Heilmittelrichtlinien



Präventionsempfehlung gemäß Kursprogramm



Anamnese, Befunderhebung



entfällt



Therapieplan



entfällt



Therapieeinheit gemäß den Heilmittelrichtlinien



50 Einheiten à 30 min (auch als Blöcke möglich)



Verlaufsdokumentation in Patientenakte



Führen einer Anwesenheitsliste



Verwaltung, Organisation, andere Dienste und Eltern



einmalig bei Anmeldung



Elternarbeit



einmalig



Mitteilungen an den Arzt



entfällt



Abrechnung pro Patient und erbrachter Therapieeinheit



Vergütung gemäß Vertrag, pauschal

liebe- und vertrauensvolle Bindung aufbauen können, ist nachhaltiges Lernen effizient.

Ausblick Das CM-Programm ist seit 2006 im Einsatz und wird stetig weiterentwickelt. Anfangs kam es nur im Vorschulbereich der Kindergärten und in Schulen zum Einsatz. Heute findet es auch in weiteren Projekten Anwendung. So hat die AOK-Nordschwarzwald das CM in das Kursprogramm zur Sekundärprävention aufgenommen. Um dem Vorbildeffekt noch besser gerecht zu werden, sollte in der Weiterentwicklung des Programms gänzlich auf Kopiervorlagen zur Grafomotorik verzichtet werden. Die Trainer sollten jedem Kind eine selbst und unmittelbar angefertigte Vorlage gestalten. Das „Calwer Modell“ kann sich nur weiterverbreiten, wenn sich engagierte Leute mit diesem Ansatz identifizieren können und die Idee weitertragen wollen.

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Kapitel 6

6.1

Hintergrundwissen

166

Die Händigkeit des Kindes

6.2

Entwicklung der Händigkeit

175

Kreuzen der Körpermittellinie

176

Befundung der Händigkeit

177

Standardisierte Händigkeitstests

188

6.6

Fallbeispiele

199

6.7

Händigkeitssensibles oder händigkeitsgerechtes Verhalten von Eltern und Pädagogen 219

6.3 6.4 6.5

Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Die Händigkeit des Kindes

6 Die Händigkeit des Kindes Erna Schönthaler Die Händigkeit des Menschen ist ein faszinierendes Phänomen. Schon seit etwa 100 Jahren befassen sich Mediziner, Neurophysiologen, (Neuro-) Psychologen, aber auch Anthropologen und Archäologen mit diesem Thema. Intensivere Forschung wird seit 1960 betrieben. In den letzten 10 Jahren sind auch in der ergotherapeutischen Fachliteratur vermehrt Beiträge zur Händigkeit des Kindes zu finden (Sattler 1999, 2002, 2010a, 2010b, Müller-Günther 2001, Ertl 2005, Kraus 2006a, 2006b, 2008, 2009, Kisch u. Pauli 2011). Die meisten Forschungsgruppen zur Händigkeit arbeiten in Großbritannien, USA, Kanada und Australien. Nur wenige Forschungsbeiträge kommen aus dem deutschen Sprachraum. In der ergotherapeutischen Literatur zeigt sich ein genau entgegengesetztes Bild. Die Händigkeit scheint v. a. ein Thema der deutschsprachigen Ergotherapie zu sein. Dies liegt vermutlich daran, dass in Deutschland und auch in Österreich bis in die 1960er-Jahre alle Kinder, spätestens in der Schule, mit der rechten Hand schreiben mussten. In Amerika gab es bereits 1915–1930 ein Umdenken (Harris 1990) und somit sind dort Bedenken gegenüber dem linkshändigen Schreiben inzwischen Vergangenheit.

6.1

Hintergrundwissen

6.1.1

Begriffsklärung

Die Händigkeit umfasst 2 Aspekte der Handfunktion: ● Man kann beobachten, welche Hand eine Person mehr und bevorzugt einsetzt. Dies wird als Handpräferenz bezeichnet. ● Der 2. Aspekt befasst sich mit dem Vergleich der Handleistungen. Eine Hand ist geschickter als die andere. Fast alle Menschen sind mit ihrer präferierten Hand auch geschickter (McManus 1996). Ob für eine Aktivität die präferierte Hand eingesetzt wird, hängt u. a. von der erforderlichen Geschicklichkeit ab. Das Aufnehmen eines Gegenstands führen wir öfter mit der präferierten, manchmal aber auch mit der anderen Hand aus. Im Unterschied dazu haben fast alle Menschen eine starke Präferenz z. B. für das Schneiden mit

166

dem Messer. Je mehr Geschicklichkeit für die Ausführung einer Aktivität erforderlich ist, umso stärker sind wir in dieser Aktivität lateralisiert. Der Leistungsunterschied zwischen den Händen hängt ebenfalls von den Anforderungen ab. Bei einfachen Aktivitäten merken wir vielleicht nur einen leichten Unterschied, doch je höher die motorischen Anforderungen werden, umso mehr übersteigen die Leistungen der einen Hand jene der anderen (Steenhuis u. Bryden 1999).

Wichtig Man unterscheidet 2 Aspekte der Händigkeit: ● Handpräferenz: Eine Hand wird mehr eingesetzt als die andere. ● Handleistung: Eine Hand ist geschickter als die andere.

Handdominanz, Präferenzdominanz, Leistungsdominanz In der deutschsprachigen Literatur wird oft der Begriff „Handdominanz“ verwendet. Manche Autoren bezeichnen mit der dominanten Hand die präferierte, andere die leistungsstärkere Hand. Einige Autoren verwenden die Begriffe „Präferenzdominanz“ und „Leistungsdominanz“. Beim Lesen eines Fachartikels oder Buches ist es daher wichtig zu prüfen, auf welchen Aspekt der Händigkeit sich der jeweilige Text bezieht. In der Neuropsychologie wird zunehmend der Begriff der Hemisphärendominanz von der Bezeichnung Hemisphärenspezialisierung abgelöst. Die Spezialisierung der rechten und der linken Hemisphäre auf jeweils unterschiedliche Funktionen und die Bedeutung der Zusammenarbeit beider Gehirnhälften wird damit hervorgehoben (Jäncke 2009). Für eine gute Handfunktion im Alltag benötigen wir beide Hände, die gut zusammenarbeiten. Bei bimanuellen Tätigkeiten werden die „Rollen“ untereinander verteilt – eine Hand übernimmt die Haltefunktion und die andere Hand ist die Aktionshand. Jede Hand ist spezialisiert auf ihren Beitrag zur Tätigkeit.

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6.1 Hintergrundwissen Nicht nur die unterschiedlichen Begrifflichkeiten erschweren den Vergleich von Studien. Bis heute gibt es kein Standardverfahren für die Testung der Händigkeit. Wenn unterschiedliche Aufgabenstellungen oder Tests verwendet werden, kommen selbst Studien mit gleicher Fragestellung zu etwas unterschiedlichen Ergebnissen und können nur bedingt miteinander verglichen werden (Bryden et al. 2007, Domellöf et al. 2011).

Es stellt sich die Frage, warum wir nicht mit beiden Händen gleich geschickt sind. Wahrscheinlich war es entwicklungsgeschichtlich von Vorteil, wenn eine Hand durchgehend für spezielle Tätigkeiten eingesetzt wurde und dadurch mehr Übung und Geschicklichkeit erlangte. Der zunehmende Werkzeuggebrauch und die dafür erforderliche Spezialisierung der Hände könnte zur Entwicklung der Händigkeit geführt haben (Uomini 2009).

6.1.2

Entwicklungsgeschichte der Händigkeit

6.1.3

Archäologen und Anthropologen versuchen aus kleinen Indizien zu schließen, ob und wann die Händigkeit in der Entwicklungsgeschichte des Menschen auftaucht. Alle bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits der frühgeschichtliche Mensch eine Handpräferenz hatte. Aus Höhlenmalereien, bearbeiteten Steinen, Kleidung und Werkzeugen wird geschlossen, dass bereits vor 500 000 Jahren die Mehrheit der Menschen Rechtshänder waren (Steele u. Uomini 2005, Lozano et al. 2009, Frayer et al. 2012). Einige Hinweise deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Händigkeit und der Entwicklung der Sprache hin (McManus 1999). Andere Forscher meinen, dass die Entwicklung der Händigkeit bereits vor der Entwicklung der Sprache begonnen hat und datieren erste Anzeichen von Händigkeit auf 1,5–2 Mio. Jahre v. Chr. (Hopkins u. Rönnqvist 1998, Toth 1985).

Über die Verteilung von Rechts- bzw. Linkshändigkeit beim Menschen gibt es viele Spekulationen. Studien zur Händigkeit geben jedoch ein recht einheitliches Bild und zeigen, dass etwa 10–12 % der Menschen Linkshänder sind (Gilbert u. Wysocki 1992, Bourassa et al. 1996). Anhand von 4 Studien wird exemplarisch die Verteilung von Rechts- und Linkshändigkeit beschrieben. Die Ergebnisse sind in ▶ Tab. 6.1 dargestellt.

Verteilung von Rechts- und Linkshändigkeit 6

Schreibhand Peters et al. (2006) stellen die Ergebnisse einer Studie vor, die 2005 auf der Internetseite von „BBC Science and Nature“ durchgeführt wurde. Im Rahmen der Studie, die sich mit unterschiedlichen Themen befasste, jedoch nicht unter dem Thema der Händigkeit lief, wurde nach der Schreibhand gefragt. Von den 214 652 Personen der weißen Bevölkerungsgruppe aus den USA, Kanada, Großbri-

Tab. 6.1 Prozentsatz der Linkshänder (LH) in 4 Studien zur Handpräferenz. LH unter den männl. Probanden

LH unter den weibl. Probanden

LH gesamt

Schreibhand von 214 652 Personen (Peters et al. 2006)

13 %

11 %

12 %

Fragebogen an 2892 Kinder (6–15 Jahre) (McManus 2002)

12 %

9%

10 %

Beobachtung von 2388 Kindern und Erwachsenen (5–63 Jahre) (Annett 2004)

10 %

10 %

10 %

Fragebogen an Eltern von 100 Kindern (4–11 Jahre) (Hill u. Khanem 2009)

13 %

10 %

11 %

LH = Linkshänder

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Die Händigkeit des Kindes tannien und Australien schreiben 12 % der Befragten mit der linken Hand. 13 % der Männer und 11 % der Frauen schreiben links. Auch wenn die Frage nach der Schreibhand die Händigkeit nur sehr oberflächlich erfasst, so liefert diese Studie doch aktuelle Daten einer sehr großen Personengruppe eines westlichen Kulturkreises.

Fragebogen an Kinder Eine Befragung von Kindern wurde 1996 von Sadler im Vestry House Museum in London durchgeführt (McManus 2002). Die Kinder beantworteten 10 Fragen zu ihrer Handpräferenz. Von den 2892 Kindern zwischen 9 und 15 Jahren sind 12 % der Jungen und 9 % der Mädchen linkshändig. Insgesamt setzen 10 % der Kinder ihre linke Hand mehr ein als ihre rechte.

Beobachtung von Kindern und Erwachsenen Annett (2004) stellt in ihrer Studie die Zahlen von 2388 Personen vor. Alle Probanden im Alter zwischen 5 und 63 Jahren wurden bei der Durchführung von 12 Aktivitäten beobachtet: 10 % der weiblichen und 10 % der männlichen Personen benützen die linke Hand öfter als die rechte.

Fragebogen an Eltern Hill und Khanem (2009) gaben im Rahmen ihrer Studie Eltern einen Fragebogen, mit dem die Händigkeit des Kindes bei 9 Aktivitäten des „Edinburgh Handedness Inventory“ (Oldfield 1971) erfasst wurde. Von den 100 Kindern im Alter von 4–11 Jahren präferieren 13 % der Jungen und 10 % der Mädchen die linke Hand. Insgesamt liegt der Linkshänderanteil bei 11 %.

Fazit Etwa 10–12 % der Menschen sind Linkshänder. 3 der beschriebenen Studien zeigen übereinstimmend, dass mehr männliche als weibliche Personen linkshändig sind. Einzig in der Studie von Annett gibt es nur einen sehr kleinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, der in den gerundeten Zahlen nicht mehr erkennbar ist. Meist wird das Verhältnis Männer zu Frauen unter Linkshändern mit 5:4 angegeben (Gilbert u. Wysocki 1992,

168

McManus 2002). Eine bewiesene Erklärung für dieses Phänomen gibt es bis heute nicht. Auch die beiden 2011 im deutschen Sprachraum normierten Händigkeitstests kommen zu ähnlichen Ergebnissen. In den Normtabellen des Hand-Dominanz-Tests (HDT) (Steingrüber 2011) werden 7 % der Mädchen und 15 % der Jungen mit einer leistungsstärkeren linken Hand bei grafomotorischen Aufgabenstellungen ausgewiesen. Die Ergebnisse der Normierungsstudie des Handpräferenztests für 4–6-jährige Kinder (HAPT) (Bruckner et al. 2011) zeigen, dass 9 % der Mädchen und 13 % der Jungen die linke Hand öfter einsetzen als die rechte Hand. In einigen Büchern (Kisch u. Pauli 2011, Sattler 2001, 2007, Weber 2008) wird ein deutlich höherer Anteil an Linkshändern angenommen bzw. nicht ausgeschlossen. Die Angaben schwanken von 20 % bis zu 50 %. Die Zahlen werden meist als Hypothesen oder Überlegungen formuliert. Die zitierten Quellen beziehen sich großteils auf Aussagen und nicht auf Studienergebnisse.

6.1.4

Händigkeitsgruppen

Händigkeitsgruppen werden in der Regel nach Präferenzfragebögen oder Beobachtungen der Handpräferenz eingeteilt. Die einfachste Unterteilung klassifiziert Personen in Rechts- und Linkshänder. Untersuchungen zur Händigkeit zeigen, dass nicht alle Menschen in ihrer Händigkeit gleich stark ausgeprägt sind. Man geht davon aus, dass Händigkeit in Gruppen von starker Rechtshändigkeit hin zu starker Linkshändigkeit – mit einer sehr kleinen Gruppe in der Mitte – eingeteilt werden kann. Es gibt jedoch noch keine Einigkeit darüber, wie viele unterschiedliche Gruppen gebildet werden können bzw. sollen (Bryden et al. 2007). In der Literatur findet man Einteilungen in 2 bis hin zu 8 Händigkeitsgruppen (Peters u. Murphy 1992, Annett 2004). Unabhängig von den unterschiedlichen Einteilungen herrscht Übereinstimmung darin, dass sich Rechts- und Linkshänder in ihrem Händigkeitsverhalten unterscheiden. Anhand von 2 Datensätzen aus den zuvor beschriebenen Studien wird dies veranschaulicht.

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6.1 Hintergrundwissen

Unterschiede im Händigkeitsverhalten

Wichtig

Annett (2004) unterteilt 2388 Probanden in 8 Händigkeitsgruppen. Die getesteten Personen wurden bei der Durchführung von 12 Aktivitäten beobachtet. Zur Vereinfachung werden die Daten hier in 6 Gruppen zusammengefasst. ▶ Abb. 6.1 zeigt, dass die beiden größten Händigkeitsgruppen die stark ausgeprägten Rechtshänder (60 %) und die Rechtshänder (25 %) darstellen. Nur ein sehr kleiner Anteil der Rechtshänder (5 %) hat eine schwach ausgeprägte Handpräferenz. Im Gegensatz dazu sind bei den Linkshändern die Gruppen der stark (4 %) und der schwach ausgeprägten (4 %) Personen gleich groß. Bezogen auf Rechts- und Linkshändigkeit haben nur 6 % der Rechtshänder, jedoch 40 % der Linkshänder eine schwach ausgeprägte Handpräferenz. Auch die Zahlen von Sadler (McManus 2002) zeigen ein ähnliches Bild (▶ Abb. 6.1). Teilt man die Probanden in 4 Händigkeitsgruppen ein, so kann man erkennen, dass nur 1 Drittel der Linkshänder, jedoch etwa 2 Drittel der Rechtshänder in ihrer Handpräferenz stark ausgeprägt sind.

schwach LH 4% schwach RH 5%

LH stark 2% LH 4%

Beide Studien zeigen Unterschiede im Händigkeitsverhalten von Rechts- und Linkshändern. In der Gruppe der Linkshänder gibt es im Vergleich zu den Rechtshändern weniger Personen, die in ihrer Händigkeit stark ausgeprägt sind, und mehr Personen, die eine schwache Handpräferenz haben (vgl. Steenhuis u. Bryden 1999, Brown et al. 2006).

In den nächsten Kapiteln werden zuerst Informationen zur Linkshändigkeit zusammengefasst. Anschließend werden kleine Händigkeitsgruppen beschrieben, deren Kenntnis für die Testung und die Interpretation der Ergebnisse wichtig ist. Die Begriffe „gemischte Händigkeit“ und „Beidhändigkeit“ werden in der Literatur nicht immer gleich definiert und teilweise werden beide Gruppen als „inkonstante Händigkeit“ bezeichnet und nicht getrennt erfasst (Bishop 2005). Der Begriff „pathologische Händigkeit“ für Kinder, deren präferierte Hand die motorisch schwächere ist, wird erläutert und kritisch reflektiert.

LH 7%

stark RH 60%

6

stark LH 3% stark RH 62%

RH 25%

RH 28%

a

b

Abb. 6.1 Verteilung der Händigkeitsgruppen. Schwach LH/RH = schwach ausgeprägte Links-/Rechtshänder LH/RH = Links-/Rechtshänder. Stark LH/RH = stark ausgeprägte Links-/Rechtshänder. a Nach Zahlen von Annett (2004). b Nach Zahlen von Sadler (McManus 2002).

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Die Händigkeit des Kindes

Linkshändigkeit Wie bereits festgestellt, sind etwa 10–12 % der Menschen Linkshänder und es gibt im Verhältnis von 5:4 mehr männliche als weibliche Linkshänder (McManus 2002). Es gibt stark ausgeprägte Linkshänder, jedoch sind Linkshänder insgesamt weniger stark lateralisiert als Rechtshänder, d. h., sie setzen ihre rechte Hand mehr ein als Rechtshänder ihre linke Hand (Bryden et al. 2007, Kastner-Koller et al. 2007). Zusätzlich sind Linkshänder mit ihrer rechten Hand geschickter als Rechtshänder mit ihrer linken Hand. Der durchschnittliche Leistungsunterschied zwischen den Händen ist bei Linkshändern daher geringer als bei Rechtshändern (Bryden et al. 2007). Ob diese Unterschiede ausschließlich durch ein rechtshändiges Umfeld hervorgerufen werden, ist derzeit nicht geklärt.

Wichtig Um den Unterschieden zwischen Rechts- und Linkshändern gerecht zu werden, sollten Händigkeitstests eigene Normtabellen für Rechtsund Linkshänder aufweisen.

Wenn beide Eltern Linkshänder sind, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind linkshändig ist, bei 26 %. Ist nur ein Elternteil Linkshänder, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 20 %. Man weiß, dass sich die Linkshändigkeit der Mutter etwas stärker durchsetzt als die des Vaters. Bei rechtshändigen Eltern liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind linkshändig ist, bei 10 % (McManus 2002). Diese Angaben von Wahrscheinlichkeiten lassen natürlich keine Vorhersagen oder Schlüsse für ein einzelnes Kind zu. Die Kenntnis der Zahlen kann jedoch in der Händigkeitsberatung hilfreich sein. Manchmal sind Eltern verwundert, dass ihr Kind linkshändig ist, obwohl keiner der Eltern Linkshänder ist. Andererseits sind linkshändige Paare erstaunt, dass nicht alle oder zumindest die Mehrheit ihrer Kinder die linke Hand bevorzugen.

Wichtig Die Handpräferenz eines linkshändigen Kindes ist häufig erst später erkennbar als die bei rechtshändigen Kindern. Viele linkshändige Kinder entwickeln erst im Laufe der Kleinkind- und Vorschulzeit eine stärkere und konstante Handpräferenz (Bryden et al. 2007).

170

Die Beratung linkshändiger Kinder und deren Eltern ist Inhalt des 7. Kapitels.

Gemischte Händigkeit Manche Menschen führen nicht alle Aktivitäten, für die eine ausgeprägte Präferenz typisch ist, mit derselben Hand aus. Diese Personen setzen für manche stark lateralisierte Tätigkeiten die rechte Hand und für andere Tätigkeiten die linke Hand konstant, d. h. durchgehend, ein. Diese Form der schwach ausgeprägten Händigkeit wird meist als gemischte Händigkeit (Annett 2004), in manchen Studien auch als inkonstante Links- bzw. Rechtshändigkeit bezeichnet (McManus et al. 1999).

Zusammenhang zwischen Werfen und Schreiben In der Literatur wurde der Zusammenhang zwischen Werfen und Schreiben am besten untersucht. McManus et al. (1999) analysierten die Daten von 10 635 Personen. 28,8 % der Personen, die mit der linken Hand schreiben, werfen mit der rechten Hand und werden in dieser Studie als inkonstante Linkshänder bezeichnet. 1,6 % der Personen, die mit der rechten Hand schreiben, werfen mit der linken und sind inkonstante Rechtshänder. Vor allem der große Anteil an inkonstanten Linkshändern ist erstaunlich. Da es unwahrscheinlich ist, dass diese Personen beeinflusst wurden, mit der rechten Hand zu werfen, obwohl sie mit der linken Hand schreiben, nimmt man an, dass dieses Präferenzmuster frei gewählt wurde. Nach Zahlen von Gilbert und Wysocki (1992) schreiben 4–5 % der Gesamtpopulation mit der linken Hand und werfen mit der rechten Hand und weniger als 2 % schreiben mit der rechten Hand und werfen mit der linken Hand.

Inkonstante Linkshänder Peters (1995, 1996) untersuchte v. a. die Gruppe der inkonstanten Linkshänder. Für feinmotorische Aktivitäten setzen diese Personen die linke Hand und für grobmotorische und ballistische Aktivitäten die rechte Hand ein. Er beschreibt, dass bei diesen Personen jede Hand für bestimmte Tätigkeiten eine „Expertise“ entwickelt. Der Begriff „inkonstante Rechts- bzw. Linkshändigkeit“ in diesen Studien ist etwas irreführend und darf nicht mit einem Wechseln (d. h. Inkonstanz) innerhalb einer Aktivität verwechselt werden. Steenhuis und Bry-

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6.1 Hintergrundwissen den (1999) meinen, dass die Bezeichnung „gemischte Händigkeit“ treffender wäre.

Primäre Aktivitäten und nicht präferierte Hand Annett (Annett_2004) untersuchte einen anderen Aspekt und beschreibt, dass in ihrer Studie 4,6 % der Rechtshänder und 3,6 % der Linkshänder eine gemischte Händigkeit haben. Diese Personen haben eine Handpräferenz, führen aber eine oder mehrere „primäre Aktivitäten“ mit der nicht präferierten Hand aus und werden als gemischte Rechts- bzw. Linkshänder bezeichnet. Als primäre Aktivitäten wurden folgende Aktivitäten, die üblicherweise stark lateralisiert sind, definiert: Schreiben, Werfen, Tennisspielen, Streichholzanzünden, Hammer-, Zahnbürstenbenutzung und – ausschließlich für Rechtshänder – der Einsatz des Items Schere.

Wichtig Personen mit gemischter Händigkeit bzw. inkonstanter Rechts- oder Linkshändigkeit haben einen konstanten Handeinsatz für einzelne Aktivitäten, führen aber nicht alle stark lateralisierten Aktivitäten mit derselben Hand aus. Für die Therapeutin ist es wichtig, diese Händigkeitsgruppen zu kennen. Ohne dieses Wissen meint man vielleicht, von der eher unbeeinflussten Wurfhand auf die Handpräferenz und die Schreibhand schließen zu können. Doch dies könnte eine falsche Schlussfolgerung sein.

Beidhändigkeit – inkonstante Händigkeit innerhalb von Aktivitäten Interne Inkonstanz Ob es beidhändige Personen gibt, die für lateralisierte Aktivitäten beide Hände abwechselnd und gleichwertig einsetzen und eine gute Geschicklichkeit mit beiden Händen haben, wird kontrovers diskutiert. Man nimmt an, dass es vielleicht vereinzelt solche Personen gibt. McManus (2002) geht davon aus, dass alle Menschen eine präferierte und leistungsstärkere Hand haben. In der Durchführung von motorisch sehr anspruchsvollen Auf-

gabenstellungen wäre auch bei Personen, die mit beiden Händen sehr geschickt sind, eine Hand schneller und genauer. Wenn für die gleiche Tätigkeit einmal die eine und einmal die andere Hand verwendet wird, wird dies auch als Inkonstanz innerhalb einer Aktivität oder interne Inkonstanz (Kraus 2008) bezeichnet.

Probleme bei Inkonstanz Kastner-Koller et al. (2007) stellten fest, dass Kinder mit (innerhalb von Aktivitäten) inkonstanter Händigkeit im Entwicklungstest schlechter abschneiden als Kinder mit konstanter Händigkeit. In einer Untersuchung von Bruckner et al. (2011) erreichen Kinder mit inkonstanter Händigkeit beim Nachzeichnen von Formen niedrigere Ergebnisse als Kinder mit konstanter Händigkeit. Vor allem Kinder mit unterdurchschnittlichen handmotorischen Leistungen und Inkonstanz innerhalb von Aktivitäten haben häufig Probleme bei Alltagsaktivitäten in Kindergarten oder Schule und sollten daher therapeutische Unterstützung bekommen.

6

Pathologische Händigkeit – die präferierte Hand ist die motorisch schwächere Mehrheitlich wird angenommen, dass der Mensch eine genetische Anlage für die Handpräferenz hat. Wenn nun durch eine frühkindliche Entwicklungsstörung die präferierte Hand in ihrer motorischen Funktion beeinträchtigt ist, wird die andere Hand für anspruchsvolle Aktivitäten eingesetzt. Dieser Wechsel zur ursprünglich nicht präferierten Seite wird „pathologische Händigkeit“ genannt und mit der Seite bezeichnet, auf die gewechselt wurde (Bishop 1990, Satz et al. 1985).

Anzahl pathologischer Links- und Rechtshänder Generell kann ein Wechsel von Linkszu Rechtshändigkeit und umgekehrt stattfinden. Da von der Anlage her mehr Menschen Rechtshänder sind, tritt pathologische Linkshändigkeit häufiger auf als pathologische Rechtshändigkeit. Es gibt bisher nur Vermutungen, wie viele Kinder betroffen sind. Eine Schätzung besagt, dass unter 1000 Personen etwa 5 pathologische Linkshänder und 1 pathologischer Rechtshänder zu finden sind. Nach dieser

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Die Händigkeit des Kindes Rechnung ist 1 von 20 Linkshändern ein pathologischer Linkshänder (Bishop 1990). Dieses Zahlenverhältnis erklärt vielleicht, warum in manchen Texten nur das Phänomen der pathologischen Linkshändigkeit beschrieben wird. Es müssten sehr große Untersuchungsgruppen gebildet werden, damit auch pathologische Rechtshänder unter den Studienteilnehmern zu finden wären.

Motorische Hintergründe Der erhöhte Anteil von linkshändigen Kindern unter Frühgeborenen (Domellöf et al. 2011) oder bei Kindern nach einer Meningitis (Ramadhani et al. 2006) kann vielleicht mit diesem Phänomen erklärt werden: Manche Kinder, die von der Anlage her rechtshändig sind, wechseln aufgrund von motorischen Problemen zur linken Seite. In der Praxis kann man beobachten, dass viele dieser Kinder ihre Händigkeit nicht generell, sondern nur für spezifische Tätigkeiten wechseln. Bei manchen Kindern ist in der Präferenztestung eine schwache, manchmal sogar eine deutliche Präferenz für eine Seite erkennbar, aber das Kind führt einige Aktivitäten mit der nicht präferierten Hand aus. Vielleicht sind bereits in diesem Teil der Testung Koordinationsprobleme der präferierten Hand erkennbar. Bei genauen Zielbewegungen und in der Grafomotorik können leichte ataktische oder dyskinetische Zeichen auffallen. Der Leistungsvergleich zeigt einen großen Leistungsunterschied, weil die Leistungen der betroffenen Hand schwach sind und deutlich gegenüber der anderen Hand abfallen.

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Nomenklatur Der Begriff „pathologische Händigkeit“ wird in der Händigkeitsliteratur verwendet und diskutiert.

Wichtig Für die Kommunikation mit Eltern oder Kindern ist der Begriff „pathologische Händigkeit“ nicht geeignet. Wie zuvor beschrieben, wechseln viele Kinder nur für wenige Aktivitäten, sodass diese Bezeichnung auch nicht treffend ist. Eltern sollten über die Ergebnisse der Präferenztestung sowie über die motorischen Fähigkeiten und Probleme ihres Kindes informiert werden.

Wenn sie ihrem Kind während der Befundung zugesehen haben und die Arbeitsblätter des Kindes betrachten, können sie leicht verstehen, warum ihr Kind für manche Aktivitäten seine leistungsstärkere und nicht die präferierte Hand einsetzt. Im Fallbeispiel Peter (S. 206) wird ein Kind beschrieben, dessen präferierte Hand deutliche Zeichen einer Koordinationsstörung zeigt. Kinder, deren motorische Probleme auf der nicht präferierten Seite ausgeprägter sind als auf der präferierten Seite, fallen eventuell wegen Koordinationsschwierigkeiten auf, wirken jedoch in ihrer Händigkeit nicht unsicher. Sie haben eher eine sehr stark ausgeprägte Handpräferenz und einen großen Leistungsunterschied zwischen den Händen, weil die nicht präferierte Hand im Vergleich zur anderen deutlich schwächer ist.

Fuß, Auge, Sprachzentrum und Händigkeit

Leistungsstärkere Hand für Feinmotorik

6.1.5

Viele Kinder wählen von sich aus ihre leistungsstärkere Hand für schwierige feinmotorische Aufgaben, z. B. für das Schreiben, und führen andere Aktivitäten mit ihrer präferierten Hand aus. Wenn ein Kind eine Rollenverteilung für seine Hände gefunden hat, sollte dies belassen werden. Für wie viele und welche Aktivitäten das Kind seine ursprünglich nicht präferierte Hand einsetzt, hängt vom Ausmaß der motorischen Schwierigkeiten ab.

Fuß und Hand Die Bevorzugung eines Fußes gegenüber dem anderen ist sicher die Lateralität, die der Händigkeit am nächsten liegt. Als bevorzugter Fuß wird jener gesehen, mit dem z. B. ein Fußball gekickt wird. Die gezielte und dosierte Bewegung des Spielbeins entspricht am ehesten dem Vergleich zur präferierten Hand. Wie bei den Händen hat aber auch der andere Fuß Aufgaben, auf die er spezialisiert ist. Für einen guten Schuss benötigen wir einen guten Stand. Auf diese Stand- bzw. Stabilitätsfunktion ist meist das nicht präferierte Bein spezialisiert. Das Standbein ist bei vielen Menschen auch das

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6.1 Hintergrundwissen Sprungbein und damit oft kräftiger als das präferierte Bein.

Häufige Korrelation Handpräferenz und Fußpräferenz Handpräferenz und Fußpräferenz korrelieren bei vielen Menschen, aber nicht bei allen. Barut et al. (2007) untersuchten 633 Personen im Alter von 18–42 Jahren. Die Handpräferenz wurde mit dem „Edinburgh Handedness Inventory“ (Oldfield 1971), einem Standardfragebogen zur Händigkeit, erhoben. Zusätzlich wurden die Probanden gefragt, welchen Fuß sie beim Fußballspielen bevorzugen. 76 % der rechtshändigen Männer und 90 % der rechtshändigen Frauen spielen mit dem rechten Fuß. Im Unterschied dazu geben 57 % der männlichen Linkshänder und 79 % der weiblichen Linkshänder an, dass sie den linken Fuß einsetzen. Die Zahlen zeigen, dass die Überstimmung von Hand und Fuß bei Rechtshändern höher ist als bei Linkshändern und bei Frauen höher als bei Männern. Auch wenn andere Studien zu etwas unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist doch der allgemeine Trend gleich (Dargent-Paré et al. 1992). Aufgrund dieser Zahlen wird deutlich, dass bei der Befundung eines Kindes nicht von der Füßigkeit auf die Händigkeit geschlossen werden darf. Es gibt viele Personen, bei denen die Handpräferenz und die „Füßigkeit“ nicht auf derselben Seite liegen.

Einbeinstand überprüfen Bei einigen Kindern, die zur Testung kommen, beeinflusst ein weiterer Faktor die Wahl des Spielbeins. Kinder mit motorischen Koordinationsstörungen und Problemen in der statischen Balance können oft nur wenige Sekunden oder fast gar nicht auf einem Bein stehen. Häufig ist eine Seite etwas besser als die andere. Werden diese Kinder in der Befundungssituation aufgefordert, aus dem Stand einen Ball wegzuschießen, wählen sie jenes Bein, auf dem sie (etwas) besser stehen können, als Standbein und das andere wird zum Spielbein.

Wichtig Wenn man die Füßigkeit ermitteln möchte, ist es sinnvoll, zuerst den Einbeinstand des Kindes zu überprüfen.

Somit kann der Einfluss der Balancefähigkeiten auf das Fußballspiel eingeschätzt werden. Als Alternative kann das Kind auch aufgefordert werden, auf einem Hocker sitzend einen Ball wegzuschießen. Durch die Abwandlung der Aktivität ist die Wahl des Beines nicht mehr von der Leistung im Einbeinstand abhängig.

Auge und Hand Auch bei den Augen hat der Mensch eine Seitigkeit, d. h. eine bevorzugte Seite. Es ist nicht zwingend das Auge mit der besseren Sehkraft das führende. Mit einem kurzen Selbstversuch können Sie erkennen, welches Ihrer Augen führt: ● Zeigen Sie bei gestrecktem Arm mit Ihrem Zeigefinger auf ein kleines Objekt und fokussieren Sie den Gegenstand. ● Bleiben Sie mit Ihrem Arm in der gleichen Position und schließen Sie ein Auge. Meist deutet der Finger weiterhin genau auf den Gegenstand. ● Ohne die Armposition zu verändern, schließen Sie jetzt das andere Auge. Wahrscheinlich zeigt Ihr Zeigefinger jetzt nicht mehr auf den Gegenstand, sondern etwas daneben. ● Das Auge, mit dem Sie den Gegenstand genau anvisiert haben, ist Ihr führendes Auge.

6

Bourassa et al. (1996) erstellten aus mehreren Studien eine Metaanalyse, die ergab, dass 37 % der Menschen das linke Auge präferieren. 34 % der Rechtshänder und 57 % der Linkshänder zentrieren mit dem linken Auge.

Gekreuzte Lateralität Die unterschiedliche Verteilung von rechts und links in den Präferenzen von Hand, Bein und Auge zeigt, dass es viele Menschen gibt, die eine gekreuzte Lateralität haben.

Definition Als gekreuzte Lateralität bezeichnet man die Situation, wenn bei einer Person die Präferenz von Hand, Bein und Auge nicht auf derselben Seite liegt, also wenn z. B. die rechte Hand die präferierte ist und beim Auge das linke führt.

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Die Händigkeit des Kindes Die Annahme, dass eine gekreuzte Lateralität ein Zeichen einer Entwicklungsstörung oder Ursache für Dyslexie ist, stammt von Orton aus den 1920er-Jahren. Obwohl viele spätere Studien diese Vermutung widerlegt haben (Sulzbacher et al. 1994, Beaton 2004, Mahone et al. 2006), wird diese These bis heute immer wieder referiert und publiziert. Annett (1981) zeigte bereits mit ihren frühen Studien in den 1960er-Jahren, dass 1 Drittel der untersuchten rechtshändigen Kinder ohne Entwicklungsprobleme das linke Auge präferiert und damit eine gekreuzte Lateralität hat.

Wichtig Viele Menschen haben eine gekreuzte Lateralität. Sie ist kein Hinweis auf eine Entwicklungsstörung.

Sprachzentrum und Händigkeit Die meisten Personen haben das Sprachzentrum in der linken Hemisphäre, etwa 90 % der Rechtshänder und 70 % der Linkshänder. Die genauen Angaben schwanken in unterschiedlichen Studien nur geringfügig. In einer Studie von Knecht et al. (2000a) hatten 92,5 % der untersuchten Rechtshänder das Sprachzentrum in der linken Hemisphäre. In einer weiteren Studie (Knecht et al. 2000b) wurden Rechts- und Linkshänder mit unterschiedlich stark ausgeprägter Händigkeit untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Prozentsatz der Personen mit dem Sprachzentrum auf der rechten Seite vom stark ausgeprägten Rechtshänder (4 %) über Personen mit schwach ausgeprägter Rechts-(10 %) und Linkshändigkeit (22 %) bis zum stark ausgeprägten Linkshänder (27 %) kontinuierlich ansteigt.

6.1.6

Modelle zur Händigkeit

Studien zeigen, dass es familiäre Häufungen von Rechts- bzw. Linkshändern gibt. Viele Forscher nehmen daher an, dass die Händigkeit genetisch vererbt wird. Erste Vermutungen, welches oder welche Gene bestimmend sein könnten, werden derzeit publiziert (Crow 2009, Francks et al. 2007). Bis heute wurde jedoch noch kein Rechts- oder Linkshänder-Gen gefunden.

174

Die Vererbung der Händigkeit folgt keinen einfachen Erbgesetzen und ist daher schwer zu erklären. Bereits in den 1970-Jahren versuchten Marian Annett (2002) und Chris McManus (2002), die Zahlen aus Generationsstudien mit Modellen darzustellen. Weitere Modelle wurden in späteren Jahren beschrieben, diskutiert und kritisiert (McManus 2010).

McManus: „Dextral Chance Modell“ McManus (2002) nimmt an, dass die Händigkeit genetisch bestimmt ist und subkortikale Prozesse die Entwicklung der Präferenz einleiten. Den Geschicklichkeitsunterschied sieht er als sekundäres Phänomen – durch den vermehrten Einsatz wird die präferierte Hand geschickter. McManus geht davon aus, dass die Informationen für die Händigkeit auf einem autosomalen Chromosom lokalisiert sind.

Kombination zweier Allele Auf diesem autosomalen Chromosom liegt ein Gen, das 2 unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Ausprägungen eines Gens werden als Allel bezeichnet. In seinem Modell kann das Händigkeitsgen die Ausprägungen „D“ für „dextral“ (rechts) und „C“ für „Chance“ (Zufall) haben. Jeder Mensch trägt eine Kombination dieser 2 Allele in sich. Jeweils ein Allel wird von der Mutter und eines vom Vater vererbt. Alle Menschen mit der Kombination „DD“ sind Rechtshänder. Von den Menschen mit der Kombination „CC“ sind 50 % rechtshändig und 50 % linkshändig. Unter den Menschen mit der Allelkombination „DC“ gibt es 75 % Rechtshänder und 25 % Linkshänder. Der Zufallsfaktor C ermöglicht und erklärt, dass ein Kind von rechtshändigen Eltern auch linkshändig sein kann. Sobald ein Elternteil ein C-Allel weitervererbt, kann das Kind Linkshänder werden. Mit dem C-Allel kann auch erklärt werden, warum eineiige Zwillinge nicht immer die gleiche Händigkeit haben. Auch wenn sie dieselben Allele haben, können sie bei den Kombinationen DC oder CC unterschiedliche Händigkeit haben. McManus geht davon aus, dass im Genpool D- und C-Allele in einem Verhältnis von 80:20 vorhanden sind.

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6.2 Entwicklung der Händigkeit

Annett: „Right Shift Theory“ Auch Annett (2002) geht davon aus, dass die Informationen für die Händigkeit auf einem autosomalen Chromosom lokalisiert sind. Im Unterschied zu McManus postuliert sie, dass der Geschicklichkeitsunterschied zwischen den Händen primär ist und die Präferenz sich dann auf der geschickteren Seite manifestiert. Sie geht davon aus, dass Personen, die das Right-Shift-Gen (RS +) doppelt in sich tragen (RS + +), mit der rechten Hand geschickter sind. Von den Personen, die dieses Gen nicht besitzen, sind 50 % mit der rechten Hand und 50 % mit der linken Hand geschickter. Die Gruppe mit einem einfachen Right-Shift-Gen (RS +) liegt dazwischen.

Weitere Modelle und Annahmen Um den unterschiedlichen Anteil von Linkshändern bei Frauen und Männern besser erklären zu können, postulieren manche Autoren, dass ein Gen für Händigkeit auf einem Geschlechtschromosom lokalisiert sein könnte (Jones u. Martin 2010). Auch epigenetische Faktoren werden aktuell diskutiert (Crow 2009). Eine andere Theorie geht davon aus, dass der Testosteronspiegel des Säuglings einen Einfluss auf die Händigkeit des Kindes hat (Grimshaw et al. 1995, Lust et al. 2011). Wieder andere sehen den Ursprung der Händigkeit in der Lage des Kindes im Uterus (Hopkins u. Rönnqvist 1998). Derzeit gibt es noch keine oder zu wenig empirische Bestätigung für die unterschiedlichen Modelle. Genforschung und andere moderne Forschungsmethoden werden in den nächsten Jahren neues Wissen zur Händigkeit eröffnen und Modelle bestätigen oder auch widerlegen.

6.2

Entwicklung der Händigkeit

Es gibt nur wenige verlässliche Daten oder Longitudinalstudien (Hopkins u. Rönnqvist 1998) zur Entwicklung der Händigkeit. Ein Vergleich der Ergebnisse ist aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen, unterschiedlicher Zusammenstellung der Altersgruppen und verschiedener Aufgabenstellungen nur sehr eingeschränkt möglich. Viele Studien haben nur Rechtshänder oder nur sehr wenige Linkshänder als Probanden. An dieser Stelle werden ausschließlich Informationen zur Händigkeit dargestellt. Die Entwicklung

der Handmotorik und Grafomotorik sind in Kap. 1 und Kap. 2 beschrieben.

Entwicklung der Händigkeit bis zum 4. Lebensjahr

6.2.1

In utero Auswertungen von Ultraschallbildern haben ergeben, dass bereits in utero mehr Kinder den rechten Daumen in den Mund stecken (Largo 2008). Eine Studie von Hepper et al. (2005) zeigt, dass ein großer Zusammenhang zwischen dem Daumenlutschen in utero und der Händigkeit im Alter von 10–12 Jahren besteht. Alle 60 Kinder, die am rechten Daumen gelutscht haben, waren später rechtshändig. Von den 15 Kindern, die in utero den linken Daumen in den Mund gesteckt hatten, wurden 10 Linkshänder.

6

5 Monate Marschik et al. (2008) untersuchten 20 Kinder im Alter von 5 Monaten. Für das Greifen nach Gegenständen vor der Körpermitte hat erst 1 Viertel der Kinder eine Präferenz, 4 Kinder für die rechte Hand und 1 für die linke Hand. Im Alter von 5–7 Jahren ist eines dieser Kinder linkshändig, jedoch nicht das Kind, das im Säuglingsalter die linke Hand präferiert hatte.

8 Monate Largo (2008) beschreibt, dass Kinder im Alter von 8 Monaten Spielsachen, die in der Mitte angeboten werden, meist konstant mit einer Hand ergreifen. 9 von 10 Kindern bevorzugen die rechte Hand.

1. Lebensjahr Manche Autoren beschreiben, dass Kinder im 1. Lebensjahr eine „fluktuierende Händigkeit“ haben, d. h. rechtshändige und linkshändige Phasen wechseln einander ab (Fagard 2006). Im Gegensatz dazu meinen andere, dass viele Kinder in diesem Alter noch keine konstante Präferenz haben und daher einmal die rechte und einmal die linke Hand einsetzen (Marschik et al. 2008) oder einen Tag eher links und den anderen Tag eher rechts agieren (McManus 2002). Michel et al. (2006) wiederum beobachteten, dass etwa die Hälfte der Kinder bereits in der 2. Hälfte des 1. Lebensjahrs eine stabile Handpräferenz hat.

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175

Die Händigkeit des Kindes 6.3

Fagard u. Marks (2000) beschreiben, dass im Alter von 18 Monaten bimanuelles Hantieren zu einer stärkeren Präferenz führt als unimanuelles Ergreifen. Dies deutet darauf hin, dass in diesem Alter das Ergreifen eines Gegenstands nicht mehr so stark lateralisiert ist wie im 1. Lebensjahr, weil das Kind mit seinen Händen bereits viel komplexere Tätigkeiten durchführen kann.

Als Überkreuzen der Körpermittellinie bezeichnet man das Bewegungsverhalten, wenn eine Hand über die zentrale Körperlängsachse in den Greifraum der anderen Hand hineinlangt. Dieses kontralaterale Greifen und Agieren ist in entsprechenden Situationen ein sinnvolles und ökonomisches Bewegungsverhalten. Für ein nahes Greifen kann die Bewegung ausschließlich aus Schulter- und Armbewegungen ausgeführt werden. Oft werden Arm- und Schulterbewegungen mit einer Rotation im Rumpf kombiniert (Nacke 2005). Manche Kinder kreuzen die Körpermittellinie selten. Obwohl diese Kinder das Kreuzen der Körpermittellinie von ihren motorischen Fähigkeiten her ausführen können, ist es kein fixer Bestandteil ihres Bewegungsrepertoires. Die Handpräferenz und das Kreuzen der Körpermittellinie beeinflussen einander auf unterschiedliche Weise. Ein Kind, das keine sichere Handpräferenz entwickelt hat, kreuzt im Alltag die Körpermittellinie meist wenig oder gar nicht (siehe Fallbeispiel, S. 198). Eine gut ausgeprägte Händigkeit ist jedoch nicht die einzige Voraussetzung für das Kreuzen der Körpermittellinie. Im Fallbeispiel auf S. 210 wird ein Mädchen vorgestellt, das eine ausgeprägte Handpräferenz hat und mit seiner präferierten Hand in allen Leistungstests geschickter ist. Trotzdem ergreift sie Gegenstände, die seitlich liegen, im Alltag und in der Testsituation meist mit der ipsilateralen Hand. Sie kreuzt die Körpermittellinie nicht.

18 Monate bis 2 Jahre McManus (2002) beschreibt, dass im Alter von 18 Monaten bis 2 Jahren bei den meisten Kindern die Richtung der Präferenz eindeutig ist. Die Stärke der Lateralität nimmt im Laufe der weiteren Kindheit zu.

2–4 Jahre Im Alter von 2–4 Jahren wird die Rollenverteilung der Hände verfeinert und bei anspruchsvollen Tätigkeiten vergrößert sich der Leistungsunterschied zwischen den Händen. Rechtshändige Kinder zeigen früher eine ausgeprägte Handpräferenz als linkshändige Kinder. Bryden et al. (2007) untersuchte Kinder im Alter von 3–11 Jahren und junge Erwachsene. Die Stärke der Handpräferenz ist bei Rechtshändern über die Altersgruppen hinweg relativ stabil. Im Unterschied dazu haben linkshändige Kinder erst mit zunehmendem Alter eine ausgeprägte Präferenz.

Gibt es einen Grenzstein für die Entwicklung der Handpräferenz? Im Gesundheitscheckheft wird das Alter von 5 Jahren (U9) als Grenzstein für eine sichere Händigkeit angegeben; bei 4 Jahren (U8) liegt der Grenzstein für das korrekte Halten eines Mal- oder Zeichenstifts.

Wichtig Mit dem Eintritt in die Schule sollte jedes Kind eine konstante und sichere Schreibhand haben. Damit Kinder, die keine eindeutige Präferenz für die Schreibhand haben, vor Schuleintritt gezielt unterstützt werden können, sollte spätestens 1 Jahr vor Schulbeginn eine genaue Befundung und Abklärung der Händigkeit durchgeführt werden.

176

Kreuzen der Körpermittellinie

18 Monate

Entwicklung zum Kreuzen der Körpermittellinie

6.3.1

Wichtig Ob ein Kind die Körpermittellinie kreuzt, hängt u. a. von seinem Alter, der Position und Größe des Objekts, aber auch von der geplanten Aktivität ab (Demmer 2010).

Van Hof et al. (2002) schließen aus den Ergebnissen ihrer Studie, dass das Kreuzen der Körpermittellinie aus dem bimanuellen Greifen hervorgeht. Kinder, die einen seitlich positionierten Ball mit 8 cm Durchmesser ergreifen wollen, fassen mit beiden Händen nach dem Ball und kreuzen bereits im Alter von 26 Wochen die Körpermittellinie. An-

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6.4 Befundung der Händigkeit dere Autoren beschreiben, dass bis in das Alter von 12 Monaten die Körpermittellinie v. a. dann gekreuzt wird, wenn eine Hand bereits mit einem Gegenstand beschäftigt ist (Kraus 2006a). Mehrere Studien belegen, dass das Kreuzen der Körpermittellinie im Laufe der Entwicklung zunimmt, jedoch von mehreren Faktoren abhängt. Carlier et al. (2006) zeigten, dass 8- bis 10-jährige Kinder die Körpermitte signifikant öfter kreuzen als 3- bis 4-jährige. In der Position, die am weitesten entfernt ist, wird die kontralaterale Hand am wenigsten eingesetzt. Hill und Khanem (2009) untersuchten 4- bis 11jährige Kinder. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Mädchen im Alter von 4–5 Jahren die Körpermittellinie signifikant öfter kreuzen als Jungen und ältere Kinder die Körpermitte häufiger kreuzen als jüngere. Das Überkreuzungsverhalten ist bei unterschiedlichen Aufgabenstellungen verschieden stark ausgeprägt. Leconte und Fagard (2004) beobachteten, dass Kinder die Körpermitte bei einer motorisch anspruchsvollen Aufgabe öfter überkreuzen als bei einer einfachen Aktivität. Auch bei Erwachsenen hängt das Überkreuzen von der Aufgabenstellung ab. In der Studie von Mamolo et al. (2006) kreuzen die Probanden die Körpermittellinie öfter, wenn sie aufgefordert werden ein Werkzeug zu verwenden, als wenn sie gebeten werden, es lediglich kurz aufzunehmen.

Kreuzen der Körpermittellinie und Händigkeit

6.3.2

Mit der präferierten Hand wird die Körpermittellinie öfter gekreuzt als mit der nicht präferierten Hand. Kraus (2006b) untersuchte Kinder im Alter von 5–7 Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass rechtshändige Kinder die Körpermittellinie signifikant öfter überkreuzen als linkshändige Kinder. Bei linkshändigen Kindern gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Kreuzens und der Stärke der Handpräferenz. Je stärker die Präferenz ausgeprägt ist, umso öfter überkreuzen linkshändige Kinder die Körpermittellinie. Bei rechtshändigen Kindern wurde diese Korrelation nicht gefunden. Leconte und Fagard (2004) beschreiben, dass Kinder mit inkonstanter Händigkeit die Körpermitte weniger kreuzen als Kinder mit einer konstanten Händigkeit.

6.4

Befundung der Händigkeit

Eine ausführliche Befundung der Händigkeit ist erforderlich, wenn Unklarheit über die Handpräferenz und die Leistungen der Hände eines Kindes besteht. Viele Kinder kommen zur Befundung, weil sie keine sichere Zeichenbzw. Schreibhand haben oder im Alltag einmal die eine und einmal die andere Hand einsetzen. Etwa ab dem 4. Lebensjahr ist eine Befundung sinnvoll und gut durchführbar. Wenn jüngere Kinder noch keine ausgeprägte Handpräferenz haben, wird dies noch nicht als auffällig gewertet.

Wichtig

6

Eine differenzierte Befundung soll die verschiedenen Aspekte der Händigkeit abklären und muss demnach vielfältige Aufgaben beinhalten: ● eine gezielte Anamnese zur Händigkeit, ● die Befundung der Handpräferenz und ● den Vergleich der Handleistung bei unterschiedlichen Aufgabenstellungen.

Zusätzlich sollte das Leistungsniveau des Kindes im Vergleich zu altersentsprechenden Leistungen oder Normen eingeschätzt werden. Aufgabenstellungen zum Kreuzen der Körpermittellinie ergänzen die Beobachtungen und ermöglichen es, Probleme in der Händigkeit von Problemen im spontanen Kreuzen zu differenzieren. Für die Befundung sollten 1,5–2 Therapiestunden eingeplant werden. Die Aufgabenstellungen werden auf 2 Termine verteilt, damit die Ausdauer des Kindes erhalten bleibt. Zumindest ein Elternteil sollte bei der Befundung zusehen. Viele Eltern schätzen die Möglichkeit, ihr Kind in Ruhe beobachten zu können. In der Befundbesprechung kann sich die Therapeutin auf konkrete Situationen beziehen und die Eltern können ihre Beobachtungen mit Alltagssituationen vergleichen. Zusätzlich ist es sinnvoll, mit Einverständnis der Eltern die Testung auf Video aufzunehmen. Wenn die Therapeutin wenig Erfahrung hat oder in schwierigen Fällen können die Aufnahmen die Auswertung erleichtern. Mit dem Kind müssen immer zuerst die Aufgabenstellungen zur Befundung der Handpräferenz durchgeführt werden. In dieser Situation möchte die Therapeutin, dass das Kind sich auf die Aktivitäten einlässt und nicht weiß, dass es um die

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Die Händigkeit des Kindes Beobachtung des Handeinsatzes geht. Erst anschließend sollten die Aufgabenstellungen zum Leistungsvergleich durchgeführt werden. In diesem Teil der Befundung wird das Kind aufgefordert, einmal mit der einen und dann mit der anderen Hand zu arbeiten. Bei einer umgekehrten Reihenfolge könnte es passieren, dass das Kind diesen bewussten Wechsel der Hände beim Leistungsvergleich auch auf anschließende Aufgabenstellungen übernimmt. Ein darauf folgender Präferenztest könnte dadurch beeinflusst und verfälscht werden. Zur Befundung der Händigkeit gehören: ● Anamnese zur Händigkeit und Alltagsbeobachtungen, ● Befundung der Handpräferenz, ● Vergleich der Handleistung, ● Kreuzen der Körpermitte. In diesem Kapitel werden Kriterien und Vorschläge für eine strukturierte Befundung der Händigkeit beschrieben und die für den jeweiligen Teil verfügbaren Aufgabenstellungen aus standardisierten Tests genannt. Die standardisierten Händigkeitstests werden im 6.5 vorgestellt.

6.4.1

Anamnesegespräch

In einem Anamnesegespräch oder mit einem Anamnesebogen wird die aktuelle und frühere Handpräferenz des Kindes erfragt. Neben der Frage nach Auffälligkeiten in der bisherigen Entwicklung ist es wichtig zu eruieren, ob das Kind Verletzungen an den Händen oder Armen hatte, die vielleicht die Handfunktion und den Einsatz der Hände beeinflusst haben. Die Eltern werden gebeten, die Händigkeit der Familienmitglieder anzugeben und zu überlegen, ob das Kind in seiner Händigkeit durch andere Personen beeinflusst wurde. Ein Beispiel finden Sie in ▶ Abb. 6.2.

Wichtig Für die Alltagsbeobachtungen muss den Eltern Zeit gegeben werden. Meist können sie nicht spontan sagen, mit welcher Hand das Kind die Zähne putzt oder andere Tätigkeiten ausführt. Daher ist es sinnvoll, den Fragebogen entweder vorab zu schicken oder zwischen 2 Terminen mitzugeben, damit die Eltern ihr Kind gezielt beobachten können. Der ausgefüllte Bogen kann in der nächsten Einheit besprochen und Fragen der Eltern können geklärt werden.

Anamnesebogen in standardisierten Händigkeitstests Elternfragebogen 6.5.5).

178

im

Händigkeitsprofil

(HPT;

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6.4 Befundung der Händigkeit

Liebe Eltern! Bitte füllen Sie den Bogen aus und bringen Sie ihn zur nächsten Therapiestunde mit. Mit welcher Hand führt Ihr Kind nachfolgende Aktivitäten aus? In die leeren Zeilen können Sie weitere Aktivitäten, bei denen Sie den Handeinsatz beobachten konten, eintragen. immer links

meist links

Aktivität:

gleich oft rechts und links

meist links

immer rechts

Anmerkungen:

Schreiben Zeichnen Schneiden mit der Schere mit dem Löffel essen mit der Gabel essen Schneiden mit dem Messer mit Messer und Gabel essen

6

Zähne putzen Kämmen aus einem Krug in ein Glas einschenken Karten spielen Bauen mit kleinen Bausteinen Steckspiele Ball spielen Spiele mit Schläger (z.B. Tischtennis) Blumen gießen

Abb. 6.2 Elternfragebogen zur Händigkeit.

Fortsetzung ▶

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Die Händigkeit des Kindes

ausgeprägte/r Rechtshänder/in

schwach ausgeprägte/r Rechtshänder/in

schwach ausgeprägte/r Linkshänder/in

ausgeprägte/r Linkshänder/in

Die Händigkeit in Ihrer Familie:

Anmerkungen:

Mutter Vater Geschwister

Großeltern (GM/GV) mütterlicherseits Großeltern (GM/GV) väterlicherseits Tanten/Onkel

Anamnese:

Mit welchem Alter und welchen Aktivitäten konnten Sie eine Präferenz/Bevorzugung einer Hand bei Ihrem Kind beobachten?

Mit welchem Alter und welchen Aktivitäten haben Sie einen wechselnden Einsatz der Hände beobachtet? (Das Kind nimmt einmal die rechte, einmal die linke Hand.)

Hatte Ihr Kind Verletzungen der Hände oder Arme, die vielleicht den Einsatz der Hände beeinflusst haben (Knochenbruch, Verbrennung, Plexusparese ...)?

Glauben Sie, dass Ihr Kind in seiner Händigkeitsentwicklung durch andere Personen beeinflusst wurde (Geschwister, Großeltern, Kindergarten)?

Gab es Auffälligkeiten in der Entwicklung Ihres Kindes?

Vielen Dank für das Ausfüllen! Abb. 6.2 Fortsetung; Elternfragebogen zur Händigkeit.

180

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6.4 Befundung der Händigkeit

Befundung der Handpräferenz

6.4.2

Bei Erwachsenen werden zur Präferenztestung meist Fragebögen eingesetzt. Solche Bögen haben zwischen 10 und 60 Items. Bei Kindern sind Informationen aus dem Alltag (siehe Anamnese) und Beobachtungen in Spielsituationen wichtige Informationsquellen. Eine systematische Beobachtung des Händigkeitsverhaltens in einer kontrollierten Situation ist jedoch unbedingt erforderlich, um mögliche Einflussfaktoren zu minimieren. Dem Kind werden unterschiedliche Gegenstände zum Hantieren angeboten und der Einsatz der Hände wird beobachtet.

Vorgehen Für die Befundung der Präferenz sitzen Therapeutin und Kind einander gegenüber (▶ Abb. 6.3). Wichtig ist, die Stuhlhöhe so zu wählen, dass die Füße des Kindes gut am Boden stehen. Für eine ergonomische Tischhöhe sollte die Arbeitsfläche etwa auf Ellbogenhöhe des Kindes sein. Eine zu hohe Arbeitsfläche behindert das freie Hantieren des Kindes (▶ Abb. 6.4).

Wichtig Zu Beginn und auch während der Testung ist darauf zu achten, dass das Kind in einer neutralen Ausgangsposition mittig vor dem Tisch sitzt und beide Hände einsatzbereit auf dem Tisch liegen.

Wenn das Kind einen Arm unter dem Tisch oder auf den Oberschenkeln liegen hat, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit den anderen Arm, der auf dem Tisch liegt, einsetzen. Auch wenn sich das Kind auf einen Arm aufstützt, muss es wieder in die Ausgangsposition gebracht werden. Damit das Kind dies nicht als „Ermahnung“ auffasst, kann es z. B. aufgefordert werden, kurz mit beiden Händen auf den Tisch zu trommeln. Die Gegenstände werden dem Kind mittig angeboten, damit beide Hände den gleichen Weg zum Gegenstand haben und ein eventuelles Vermeiden des Kreuzens der Körpermittellinie keinen Einfluss auf die Wahl der Hand hat. Wenn das Kind sich auf seinem Stuhl oder mit dem Stuhl seitlich dreht oder andere Ausweichbewegungen ausführt, wird es wieder aufgefordert, sich in mittige Position vor den Tisch zu setzen. Die Gegenstände werden dem Kind angeboten und es sollte, ohne lange zu überlegen, gleich aktiv werden. Ein Vorzeigen sollte so weit wie möglich vermieden werden, damit das Kind nicht das Verhalten der Testerin imitiert.

6

Abb. 6.3 Testsituation für die Befundung der Handpräferenz. (Foto: HansPeter Schönthaler)

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Die Händigkeit des Kindes

Abb. 6.4 Befundung der Handpräferenz. (Foto: Erna Schönthaler) a Turm aus kleinen Bausteinen bauen. b Schraube und Mutter zusammenfügen.

Ziel Mit einer Präferenztestung soll der Einsatz der Hände möglichst differenziert erfasst werden. Aufgrund der Beobachtungen muss es möglich sein zu unterscheiden, ob das Kind eine Hand durchgehend einsetzt, ob es manche Aktivitäten konstant mit der rechten und andere konstant mit der linken Hand ausführt oder ob es innerhalb einer Aktivität einmal die eine und einmal die andere Hand einsetzt. Daher müssen dem Kind unterschiedliche Gegenstände und diese wiederholt angeboten werden.

Wichtig Ausschlaggebend für die Beobachtung ist die Aktionshand und nicht das Aufnehmen oder Ergreifen des Gegenstands. Auch bei bimanuellen Aktivitäten wird die Aktions- oder Funktionshand und nicht die Haltehand gewertet.

182

Unimanuelle und bimanuelle Aktivitäten durchführen Für die Beobachtung werden kurze Aktivitäten ausgewählt, die ein gewisses Maß an Koordination und Genauigkeit erfordern. Einfache Aktivitäten, wie das reine Aufnehmen eines Gegenstands, werden auch von Personen mit eindeutiger Handpräferenz manchmal mit der nicht präferierten Hand ausgeführt. Handpräferenz zeigt sich nicht nur bei unimanuellen Aktivitäten. Gerade bei bimanuellen Aktivitäten kann die Rollen- oder Aufgabenverteilung der Hände beobachtet werden. Dem Kind sollten daher uni- und bimanuelle Aktivitäten angeboten werden.

Keine Testgegenstände mit bevorzugter Seite wählen Bei der Auswahl der Aktivitäten ist darauf zu achten, dass der Gegenstand nicht eine Seite „bevorzugt“. Daher sind z. B. Aufziehtiere ungeeignet, weil sich der Knopf zum Drehen meist auf der rechten Seite befindet. Ein Bleistiftspitzer bevorzugt die rechte Hand, weil nur mit dieser Hand nach außen, d. h. in die Supination gedreht werden kann. Die Supinatoren sind kräftiger und die Bewegung nach außen wird meist als angenehmer

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6.4 Befundung der Händigkeit empfunden als das Drehen des Unterarms nach innen in die Pronation.



Einfluss durch soziales Umfeld Der Einfluss des sozialen Umfelds sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Manche Tätigkeiten werden von Erwachsenen wenig beeinflusst, andere mehr. Welche Hand das Kind zum Schneiden mit dem Messer verwendet, kann durch die Lage des Messers am Familientisch oder durch ein gezieltes Anleiten oder Lehren durch Handführung beeinflusst sein. In der Händigkeitsliteratur wird meist zwischen „ungeschulten“, d. h. unbeeinflussten, und „geschulten“, d. h. beeinflussten Aktivitäten unterschieden. Manche Autoren argumentieren, dass potenziell beeinflusste Aktivitäten in einer Präferenztestung nicht enthalten sein sollten. 2 Gründe sprechen dagegen: Es wäre ein großer Informationsverlust, weil viele Alltagsaktivitäten wegfiehlen. Zusätzlich kommt bei vielen dieser geschulten Aktivitäten ein „Werkzeug“ zum Einsatz (z. B. Messer, Löffel, Hammer, Zahnbürste, Pinsel). Handpräferenz ist gerade für jene Aktivitäten typisch, bei denen ein Material nicht direkt mit der Hand, sondern mit einem Werkzeug als „Hilfsmittel“ bearbeitet wird (Steele u. Uomini 2005).

Experimentierphase Wenn dem Kind eine neue und unvertraute Aktivität angeboten wird, sollte mit einer Phase des Experimentierens gerechnet werden. Das Kind probiert aus, agiert mal mit der einen und dann mit der anderen Hand, bis es eine für sich passende Art der Durchführung gefunden hat. Dieses Verhalten darf nicht mit einer unklaren Händigkeit verwechselt werden.



Stellen Sie sich vor, dass ich Ihnen eine Tube Klebstoff zureiche und Sie bitte, diese für mich aufzuschrauben. Mit welcher Hand haben Sie den Verschluss abgeschraubt? Die meisten Personen tun dies mit ihrer präferierten Hand. Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Hände wieder frei haben. Wieder halte ich Ihnen die verschlossene Tube hin und bitte Sie, mir auf einem schmalen Streifen Papier ganz kleine Punkte mit dem Kleber zu tupfen – es soll nichts daneben gehen. Wie gehen Sie vor? Viele Personen schrauben diesmal den Verschluss mit der nichtpräferierten Hand ab, damit sie die Tube gleich in der präferierten Hand halten, um fein dosierte Tropfen aus der Tube zu drücken.

6

Dieses kleine Experiment soll zeigen, dass wir bei guter Handfunktion beide Hände einsetzen. Den jeweils schwierigeren Part übernimt die präferierte Hand und die unterstützende Rolle übernimmt die andere Hand. Es sollte daher ohne eine genaue Aktivitätenanalyse nicht von einer einzelnen Beobachtung in einem längeren Handlungszusammenhang direkt auf die Handpräferenz geschlossen werden. Für die Präferenztestung sind kurze Sequenzen besser geeignet.

Checkliste für die Auswahl von Aktivitäten ● ●

● ● ● ●

kurze Aktivitäten Aktivitäten, die Koordination und Genauigkeit erfordern unimanuelle und bimanuelle Aktivitäten mit und ohne Werkzeuggebrauch geschulte und ungeschulte Aktivitäten keine „seitigen“ Gegenstände

Checkliste für die Durchführung

Keine längeren Handlungsabläufe ausführen lassen



Für die Befundung der Handpräferenz sollten keine längeren Handlungsabläufe ausgeführt werden, weil auch hier mehrere Faktoren zusammenspielen, die die Wahl der Hände beeinflussen. Ein kleines Experiment soll dies demonstrieren:



● ●

● ● ● ● ●

Kind und Testerin sitzen einander gegenüber passende Stuhl- und Tischhöhe neutrale Ausgangsposition des Kindes (mittig) beide Hände einsatzbereit Gegenstände mittig anbieten Ausweichbewegungen beobachten nicht vorzeigen Aktivitäten wiederholt durchführen Aktionshand beobachten

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183

Die Händigkeit des Kindes

Aktivitäten für die Beobachtung der Handpräferenz Wichtig Die in ▶ Tab. 6.2 aufgelisteten Aktivitäten sind für Präferenzbeobachtungen typische Aktivitäten. Es ist jedoch keine statistisch validierte Zusammenstellung von Items. Die Aufgabenstellungen geben Ideen für eine genaue Beobachtung. Häufigkeiten, Prozentzahlen oder Werte dürfen aus solchen Zusammenstellungen nicht berechnet werden. Für eine quantitative Auswertung müssen standardisierte Tests durchgeführt werden. Tab. 6.2 Aktivitäten für die Befundung der Handpräferenz. Unimanuelle Aktivitäten ●





● ●









Kreisel andrehen und stoppen Turm aus kleinen Bausteinen bauen (▶ Abb. 6.4a) kleine Stecker einsetzen würfeln Springfrosch hüpfen lassen kleine Perlen einsammeln (Finger oder Pinzette) löffeln (z. B. von kleinen Körnern) Zähne putzen (mit Zahnbürste andeuten) werfen

Bimanuelle Aktivitäten ●









● ● ●



Papier entlang einer Linie reißen Büro-, Wäscheklammer aufstecken Tube auf-/zuschrauben Schraube und Mutter zusammenfügen (▶ Abb. 6.4b) Nagel mit Hammer einschlagen radieren zeichnen, schreiben mit der Schere schneiden mit dem Messer schneiden

Testung der Handpräferenz in standardisierten Händigkeitstests ●





184

Handpräferenztest für 4- bis 6-jährige Kinder (HAPT 4 – 6; 6.5.4), Subtest „Funktionelle Handpräferenz“ im Händigkeitsprofil (6.5.5), Subtest „Handlungspräferenz“ im Handpräferenztest (HPT; 6.5.6).

6.4.3

Vergleich der Handleistung

Um die Leistungsdifferenz der Hände zu erfassen, sollten verschiedene motorische Aufgaben mit der rechten und mit der linken Hand ausgeführt werden. Aufgabenstellungen, die in Studien oder in Tests verwendet werden, können in 3 Gruppen eingeteilt werden: ● grafomotorische Aufgaben: z. B. Nachspuren, Punktieren, Schrift, ● feinmotorische Aufgaben: z. B. Stifte stecken oder wenden, ● Tapping-Aufgaben: z. B. Klopfen mit dem Zeigefinger, Handtapping, Hämmern.

Leistungsunterschied zwischen den Händen, Vergleich mit altersentsprechender Leistung Für die Befundung der Händigkeit sind 2 unterschiedliche Aspekte der Handleistung relevant. Einerseits wird der Leistungsunterschied zwischen den Händen erfasst, d. h. welche Hand leistungsstärker und wie groß der Unterschied zwischen den Händen ist. Andererseits werden die Leistungen der Hände mit altersentsprechenden Leistungen verglichen. Für die richtige Interpretation des Leistungsunterschiedes ist die Information über das Leistungsniveau wichtig. Ein Kind kann aus unterschiedlichen Gründen einen großen Leistungsunterschied zwischen den Händen haben: ● weil eine Hand durchschnittlich gut und die andere Hand schwach ist, ● weil eine Hand überdurchschnittlich gut ist und die andere Hand durchschnittliche Leistungen erbringt, ● weil eine Hand schwache Leistungen erbringt und die andere Hand sehr schwach ist. Auch ein geringer Leistungsunterschied kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Ein Kind mit einem geringen Leistungsunterschied und einer guten Handleistung wird im Alltag wenig oder keine Schwierigkeiten haben. Im Unterschied dazu hat ein Kind mit einem geringen Leistungsunterschied und einer sehr schwachen Handleistung Probleme im Alltag. Für die Interpretation der Ergebnisse und für die Empfehlung weiterer Fördermaßnamen sind daher beide Informationen, der

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6.4 Befundung der Händigkeit Vergleich der Hände untereinander und der Vergleich mit altersentsprechenden Leistungen, relevant.

Aufgaben dürfen nicht zu leicht sein Aufgaben, mit denen der Leistungsunterschied zwischen den Händen gemessen werden soll, dürfen nicht zu leicht sein. Steingrüber (2011) beschreibt, dass bei leichten Aufgaben die Leistungen der Hände annähernd gleich sind. Für die Überprüfung der Leistungsfähigkeit und der Leistungsdifferenz stehen einige standardisierte Materialien oder Tests zur Verfügung. Mit einem Test können die Genauigkeit und das Tempo gemessen und objektiv beurteilt werden. Die Bewegungsqualität wird während der Durchführung beobachtet und beinhaltet ebenfalls wichtige Informationen.

Wichtig Viele Kinder kommen zur Befundung der Händigkeit, weil sie die Hände beim Malen oder Schreiben wechseln oder weil Bedenken vorhanden sind, ob sie mit der „richtigen“ Hand schreiben. Eine gesicherte und gute Entscheidung für die Schreibhand ist oft das wichtigste Anliegen in Händigkeitsfragen. Ohne eine direkte Beobachtung von grafomotorischen Fähigkeiten kann keine Entscheidung darüber getroffen werden. Auch das Schreiben und das Schriftbild des Kindes sollten befundet werden (siehe Kap. 2). Zusätzlich sollten die handmotorischen Fähigkeiten jedoch auch in anderen Aufgabenstellungen, die nicht mit dem Stift durchgeführt werden, erhoben werden.

Grafomotorische Aufgaben Punktieraufgaben Tests mit grafomotorischen Aufgabenstellungen beinhalten meist Punktier- und/oder Nachspuraufgaben. In Punktieraufgaben sind mit einem Bleistift oder Fineliner Punkte in eine Reihe von Kreisen zu setzen. Sie zeigen den Leistungsunterschied der Hände bei einer anspruchsvollen, zielgenauen Bewegung meist recht deutlich. Genauigkeit und Arbeitstempo können gemessen werden. Die leistungsstärkere Hand arbeitet schneller und genau-

er. Während der Durchführung kann beobachtet werden, wie rhythmisch und flüssig das Punktieren ausgeführt wird. Am Papier lässt sich gut erkennen, ob es dem Kind gelungen ist, kleine Punkte zu setzen oder ob anstatt der Punkte eher Striche entstanden sind. Je kleiner die Kreise und je länger punktiert wird, umso deutlicher und größer wird der Leistungsunterschied zwischen den Händen. Eine lange Bearbeitungszeit überfordert jedoch jüngere und schwächere Kinder.

Nachspuren Nachspuren erfordert eine durchgehende Strichführung entlang einer Linie oder in einer vorgegebenen Spur und damit eine kontinuierliche Anpassung der Bewegungen. Auch bei dieser Aufgabe können Genauigkeit und Arbeitstempo gemessen werden. Die leistungsstärkere Hand führt die Linie flüssiger und mit weniger Abweichungen von der vorgegebenen Spur aus.

6

Wichtig Bezüglich des Tempos gibt es bei Kindern ein erstaunliches Phänomen: In der Regel fahren sie mit ihrer schwächeren Hand schneller. Es scheint, als ob Kinder bemerken, dass ihnen mit ihrer unschulten Hand nicht die Genauigkeit wie mit der anderen Hand gelingt, und als ob sie versuchen, die Aufgabe schnell hinter sich zu bringen.

Es ist wichtig, dieses Phänomen zu kennen, damit aus der kürzeren Zeit keine falschen Schlüsse gezogen werden. Erwachsene verhalten sich bei dieser Aufgabenstellung anders. Sie bemühen sich, auch mit der schwächeren Hand genau zu arbeiten und benötigen daher mehr Zeit als mit der geübten Hand.

Grafomotorische Aufgaben in standardisierten Händigkeitstests ●



Spurennachzeichnen, Kreisepunktieren und Quadratepunktieren im Hand-Dominanz-Test (H-D-T; 6.5.2) Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (PTK-LDT; 6.5.3)

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185

Die Händigkeit des Kindes ●



Subtest „Nachspuren und Punktieren“ im Händigkeitsprofil (6.5.5) Subtest „Leistungspräferenz“ im Handpräferenztest (HPT; 6.5.6)

Der PTK-LDT und das Händigkeitsprofil beinhalten neben dem Leistungsvergleich der Hände auch den Vergleich mit Altersnormen. Die Normwerte für den PTK-LDT sind jedoch von 1974. Im Händigkeitsprofil stehen vorläufig die Normwerte einer Pilotstudie zur Verfügung. Die Normierungsstudie wird derzeit durchgeführt.

Feinmotorische Aufgaben Für die Einschätzung und den Vergleich feinmotorischer Leistung können neben Beobachtungen der Handmotorik auch Tests hinzugezogen werden (1). Die „Movement Assessment Battery for Children 2nd Edition“ (M-ABC-2; Petermann 2009) und die Zürcher Neuromotorik (Largo et al. 2007) beinhalten Aufgaben zur Handmotorik und ermöglichen den Vergleich mit altersentsprechenden Normwerten. Speziell jene Aufgaben, die sowohl mit der einen als auch mit der anderen Hand durchgeführt werden, geben Informationen zum Vergleich der Handleistungen. Die M-ABC-2 enthält für jüngere Kinder (3–6 Jahre) die Aufgabenstellung „Taler einwerfen“, für die mittlere Altersgruppe (7–10 Jahre) „Stifte einstecken“ und für die 3. Altersgruppe (11–16 Jahre) das „Stecker wenden“. Auch in der Zürcher Neuromotorik wird die Aufgabe mit dem Steckbrett sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand durchgeführt. Bei diesen Aufgaben wird die Zeit gestoppt und somit erfasst, welche Hand schneller arbeitet. Die Beobachtung der Bewegungsqualität bietet wichtige Zusatzinformationen. Da diese Tests jedoch nicht zur Händigkeitstestung entwickelt wurden, geben sie keine Information darüber, ob ein bestimmter Zeitunterschied ein kleiner oder großer Unterschied für die jeweilige Tätigkeit ist. Sehr geringe Unterschiede müssen mit großer Vorsicht interpretiert werden.

Steckaufgaben In einer Studie wurden unterschiedliche Steckaufgaben miteinander verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass der Unterschied zwischen den Händen größer wird, je schwieriger die Anforderungen sind

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(Alphonso et al. 2008). Wenn in der Befundung eines Kindes kein oder nur ein ganz geringer Leistungsunterschied feststellbar ist, kann es daher sinnvoll sein, eine etwas anspruchsvollere Aktivität durchzuführen. Sofern es für das Kind möglich ist, kann z. B. auch mit jüngeren Kindern als im Test vorgesehen die Aufgabe „Stecker wenden“ der M-ABC-2 durchgeführt werden. Für diese Aufgabe stecken die Stifte bereits im Steckbrett. Das Kind arbeitet zuerst mit der einen und anschließend mit der anderen Hand. Ein Stift nach dem anderen wird aus dem Brett gezogen, in der Hand um 180° gedreht und wieder in das Brett hineingesteckt. Bei dieser hohen Anforderung an die In-Hand-Manipulation (dem Bewegen eines Gegenstands in der Hand ohne Hilfe der anderen) wird auch ein geringer Leistungsunterschied zwischen den Händen deutlich. Wird die Aufgabe mit derselben Hand ein zweites Mal durchgeführt, zeigt sich, ob sich das Kind in seiner Leistung steigert und schneller wird. Obwohl Steckaufgaben in Studien zur Händigkeit häufig verwendet werden, enthält keiner der standardisierten Händigkeitstests eine Steckaufgabe. Die Aufgaben aus den motorischen Tests bieten aber eine gute Alternative für einen standardisierten Vergleich der Handleistungen.

Tapping-Aufgaben Tapping-Aufgaben messen neuromotorische Funktionen, die durch Übung oder Erfahrung wenig oder nicht beeinflussbar sind. Weder durch wiederholtes Durchführen noch durch Training anderer feinmotorischer Aktivitäten können diese Leistungen deutlich gesteigert werden (Largo et al. 2007). In Studien wird häufig das schnelle Klopfen mit dem Zeigefinger bei aufgelegtem Unterarm gemessen. Dafür werden die Schläge, die innerhalb einer bestimmten Zeit (15 oder 20 Sekunden) auf ein Spezialgerät gesetzt werden, gezählt. Die Zürcher Neuromotorik enthält die Aufgabenstellungen „repetitive Fingerbewegungen“ und „repetitive Handbewegungen“. Bei diesen Aufgaben wird gemessen, wie viel Zeit das Kind benötigt, um 20-mal mit Daumen und Zeigefinger zusammen zu klopfen bzw. um 20-mal mit aufgelegtem Unterarm aus dem Handgelenk zu klopfen.

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6.4 Befundung der Händigkeit

Tapping-Aufgaben in standardisierten Händigkeitstests Das Händigkeitsprofil (6.5.5) enthält mit dem Subtest „Hämmern und Klopfen“ 2 Tapping-Aufgaben.

6.4.4

Kreuzen der Körpermittellinie

Manche Kinder vermeiden das Kreuzen der Körpermittellinie. Diese Kinder können von ihren motorischen Fähigkeiten her die Körpermittellinie kreuzen, setzen jedoch dieses Bewegungsverhalten im Alltag wenig bis gar nicht ein. Derzeit werden kaum standardisierte Tests für das Kreuzen der Körpermittellinie verwendet. In manchen Tests, wie dem SIPT (Sensory Integration and Praxis Tests; Ayres 1989) oder dem TSI (Test of Sensory Integration; Berk u. DeGangi 1983) gibt es eine Auswertung bzw. einen Subtest zum Überkreuzen. Meist wird jedoch das Kreuzen der Körpermittellinie im spontanen Spiel des Kindes befundet. Es wird beobachtet, ob das Kind beim Ergreifen von Gegenständen nur im ipsilateralen oder auch im kontralateralen Greifraum agiert. Das Händigkeitsprofil enthält einen eigenen Subtest zum Kreuzen der Körpermittellinie, der einfach und schnell durchzuführen ist (6.5.5).

Karten, farbige Dosen, Murmeln In den Studien von Bishop (2005) bzw. Hill u. Khanem (2009) werden Aufgabenstellungen durchgeführt, die sich auch für therapeutische Situationen eignen. Das Kind steht an einem Tisch und in Reichweite des Kindes sind in einem Halbkreis unterschiedliche Bilder (z. B. Memory-Karten) verteilt: ● Wenn man sich den Halbkreis vor dem Kind als die obere Hälfte einer Uhr vorstellt, so liegt auf den Plätzen der Ziffern 9, 10, 11, 12, 1, 2 und 3 jeweils 1 Karte. Das Kind wird aufgefordert, möglichst schnell auf die jeweils genannte Karte zu zeigen ▶ Abb. 6.5). Die Karten werden in willkürlicher Reihenfolge genannt und jede Karte wird 3-mal aufgerufen. Notiert wird, ob das Kind konstant mit einer Hand zeigt oder ob es die Hände jeweils nur im ipsilateralen Greifraum einsetzt. ● Für die 2. Aufgabenstellung liegen auf jeder Position 3 Karten. Das Kind wird gebeten, jeweils die genannte Karte aufzunehmen und vor sich abzulegen.

6 Abb. 6.5 Kreuzen der Körpermittellinie, wie bei Bishop (2005) und Hill und Khanem (2009) beschrieben. (Foto: Erna Schönthaler)



Für die 3. Aufgabenstellung werden in der gleichen Anordnung Dosen in unterschiedlichen Farben auf die zuvor beschriebenen Plätze gestellt. Jede Dose hat einen Deckel mit einer runden Aussparung, die gerade groß genug ist, um eine Murmel durchfallen zu lassen. Vor dem Kind steht eine Box mit 21 Murmeln. Nach Nennung einer Farbe soll das Kind so rasch wie möglich eine Murmel aus der Box nehmen und in die Dose mit der entsprechenden Farbe einwerfen. Wieder ist es wichtig, dass die Farben nicht der Reihe nach, sondern in willkürlicher Reihenfolge aufgerufen werden. Jede Farbe wird 3-mal genannt. Auch hier wird beobachtet, ob das Kind nur im ipsilateralen oder auch kontralateralen Greifraum agiert.

Diese Aufgabenstellungen beinhalten unterschiedliche Aspekte des Überkreuzens: ● Bei der 3. Aufgabenstellung beginnt das Kind in der Mitte, nimmt eine Murmel aus der Box und geht zu einer seitlichen Position (Ausnahme: 12 Uhr-Position). ● Die 2. Aufgabenstellung beginnt in der seitlichen Position (Aufnehmen der Karten) und geht zur Mitte, um die Karten hier abzulegen.

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187

Die Händigkeit des Kindes ●

Die 1. Aufgabenstellung erfordert kein Aufnehmen und beinhaltet daher wieder eine etwas andere Anforderung.

Publizierte Tests

Noch nicht publizierte Tests

H-D-T: Hand-DominanzTest

HPT: Handpräferenztest

Händigkeitsprofil

Kreuzen der Körpermittellinie in standardisierten Händigkeitstests

PTK-LDT: Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (5–12 Jahre)

Von den standardisierten Händigkeitstests enhält nur das Händigkeitsprofil (6.5.5) einen Subtest „Kreuzen der Körpermittellinie“.

HAPT 4–6: Handpräferenztest für 4- bis 6-jährige Kinder

Derzeit gibt es keine Studien, die sich mit diesen unterschiedlichen Aspekten des Kreuzens näher beschäftigt haben.

Standardisierte Händigkeitstests

6.5

In diesem Kapitel werden die im deutschen Sprachraum verfügbaren standardisierten Händigkeitstests vorgestellt. Wenn ein Test standardisiert ist, bedeutet dies, dass die Aufgabenstellungen, das Material, die Anweisungen und Auswertung genau vorgegeben sind, damit unterschiedliche Tester die Aufgabenstellungen gleich durchführen und interpretieren. Den Bedarf an standardisierten Händigkeitstests (▶ Tab. 6.3) kann man daran erkennen, dass in den letzten Jahren ältere Tests überarbeitet und neue Tests entwickelt wurden. Die derzeit publizierten Händigkeitstests erfassen entweder nur grafomotorische Leistungen (H-D-T, PTK-LDT) oder ausschließlich die Handpräferenz (HAPT 4 – 6). Die beiden von Ergotherapeutinnen entwickelten Tests, der HPT und das Händigkeitsprofil, die mehrere Aspekte erfassen, sind standardisiert, jedoch noch nicht publiziert. Die Studien zu den Gütekriterien der Tests sind ebenfalls noch nicht veröffentlicht oder werden zurzeit durchgeführt. Das Verfahren von Barbara Sattler („Sattler-Methodik zu Händigkeitsfragen, S-MH“; Sattler 2008) wird derzeit standardisiert. Es beinhaltet eine Anamnese, die Beobachtung des Kindes bei unterschiedlichen Tätigkeiten und eine Leistungsüberprüfung. Die Aufgabenstellungen wurden aber noch nicht statistisch validiert oder auf ihre Reliabilität überprüft. In den folgenden Kapiteln werden die 5 standardisierten Händigkeitstests vorgestellt. Nach allgemeinen Angaben werden die Aufgabenstellun-

188

Tab. 6.3 Standardisierte Händigkeitstests.

gen und die Durchführung beschrieben. Anschließend wird dargestellt, welche Werte in der Auswertung erfasst werden, und Informationen zu den Gütekriterien und zur Normierung des Tests werden gegeben. Eine Zusammenfassung und kritische Bewertung bilden den Abschluss. Die Quellenangaben sind nach dem Literaturverzeichnis zu finden.

6.5.1

Testgütekriterien

Objektivität, Reliabilität und Validität Zu den Gütekriterien eines Tests zählen die Objektivität, die Reliabilität und die Validität (Bortz u. Döring 2006, Fawcett 2007): ● Mit der Objektivität wird angegeben, ob das Testergebnis unabhängig von der Person ist, die den Test anleitet und auswertet. ● Die Reliabilität (Verlässlichkeit) beschreibt, ob ein Test verlässlich ist, z. B. ob eine Person bei einer wiederholten Durchführung innerhalb eines kurzen Zeitraums ein annähernd gleiches Ergebnis erzielt. ● Die Validität (Gültigkeit) gibt an, wie gut ein Test das misst, was er erfassen möchte. Dies wird einerseits durch Expertenurteil bestätigt, anderseits durch den Vergleich mit bekannten Verfahren gemessen. Werte für Gütekriterien werden meist mit einem Korrelationskoeffizienten (r) angegeben und liegen zwischen 0 und 1. Je höher der Wert ist, umso größer ist der Zusammenhang und umso besser das Ergebnis. Es gibt keine einheitlichen Grenzwerte

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6.5 Standardisierte Händigkeitstests für die Gütekriterien, weil die Anforderungen, die an einen Test gestellt werden, auch von den gemessenen Eigenschaften abhängen. Fawcett (2007) schreibt, dass die Werte für Objektivität und Reliabilität über r = 0,7, besser noch über 0,8 liegen sollten. Für die Validität werden Werte zwischen r = 0,4–0,6 als mittelmäßig und Werte über r = 0,6 als hoch angegeben (Bortz u. Döring, 2006).

Allgemeines zu Berechnung von Händigkeitswerten Wenn in einem Test die Leistung der rechten und der linken Hand miteinander verglichen werden oder wenn im Präferenztest der Handeinsatz der rechten und linken Hand gegenübergestellt werden, so wird dies mit einer Formel berechnet. Die Berechnung ermöglicht es, den Unterschied in Relation zur Gesamtleistung zu interpretieren. Wenn ein Kind in 30 Sekunden mit der rechten Hand 11 und mit der linken Hand 9 Punkte in Kreise setzt, beträgt die Differenz 2 Punkte. Ein anderes Kind hat in derselben Zeit mit der rechten Hand 21 und mit der linken Hand 19 Punkte gesetzt. Auch bei diesem Kind beträgt die absolute Differenz 2 Punkte, jedoch im Verhältnis zu den vielen Punkten, die es gesetzt hat, ist der Leistungsunterschied zwischen den Händen bei diesem Kind kleiner als beim ersten Kind. Es gibt 2 verschiedene Möglichkeiten, den Leistungsunterschied oder die Handpräferenz in Relation zur Gesamtleistung zu berechnen. In einem Händigkeitstest wird entweder die eine oder die andere Methode zur Berechnung verwendet. Von den beiden Formeln ist die eine weder besser noch einfacher als die andere. Wenn man das Ergebnis eines Tests betrachtet, ist es jedoch wichtig zu wissen, mit welcher der beiden Formeln gerechnet wird, weil gleiche Werte ganz unterschiedliche Testergebnisse bedeuten.

Lateralitätsquotient (LQ) Für die Berechnung des LQ wird die Differenz der Leistungen (Leistung der rechten Hand minus Leistung der linken Hand) durch die Summe der Leistungen beider Hände dividiert. Das Ergebnis wird mit 100 multipliziert, um große Zahlen als Ergebnis zu erhalten. Der LQ gibt daher die Differenz der Leistungen der Hände in Bezug zur Gesamtleistung beider Hände an. Er kann Werte zwischen -100 und + 100 annehmen.

Eine positive Zahl bedeutet, dass die rechte Hand leistungsstärker ist oder mehr eingesetzt wurde, eine negative Zahl weist auf eine bessere Leistung oder mehr Einsatz der linken Hand hin. Der LQ wird auch als Differenzwert oder Interhanddifferenz bezeichnet. Im H-D-T, HAPT 4–6 und im Händigkeitsprofil wird mit dieser Formel gerechnet.

Lateralitätsquotient (LQ) LQ ¼

RL  100 RþL

LQ: Differenz der Leistungen der Hände in Relation zur Gesamtleistung (siehe Abb. 6.6) Werte zwischen –100 und 100, es bedeuten: ● –100 = extreme Linkshändigkeit ● 0 = gleiche Leistung rechts und links ● + 100 = extreme Rechtshändigkeit

6

Dominanz-Index (DI) Für die Berechnung des DI wird die Leistung der rechten Hand durch die Summe der Leistungen beider Hände dividiert. Auch hier wird das Ergebnis mit 100 multipliziert, um große Zahlen als Ergebnis zu erhalten. Der DI gibt daher den Anteil der Leistung der rechten Hand in Bezug zur Gesamtleistung beider Hände an. Er kann Werte zwischen 0 und + 100 einnehmen. Zahlen zwischen 0 und 50 bedeuten, dass die linke Hand leistungsstärker ist oder mehr eingesetzt wurde, Zahlen zwischen 50 und 100 weisen auf eine bessere Leistung oder mehr Einsatz der rechten Hand hin. Im PTK-LDT und HPT wird diese Formel verwendet.

Dominanz-Index (DI) DI ¼

R  100 RþL

DI: der prozentuale Anteil der rechten Hand an der Gesamtleistung: Werte zwischen 0 und 100, es bedeuten: ● 0 = extreme Linkshändigkeit ● 50 = gleiche Leistung rechts und links ● 100 = extreme Rechtshändigkeit

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189

Die Händigkeit des Kindes

LQ und DI: Ergebnisbewertung Ein Wert von + 23 bedeutet je nach Berechnungsart ein komplett anderes Ergebnis. Wurde der Wert + 23 als LQ berechnet, bedeutet dies eine Überlegenheit der rechten Hand. Ist + 23 das Ergebnis nach der Berechnung des DI, bedeutet er eine Überlegenheit der linken Hand. In jedem Manual wird die Berechnungsweise beschrieben, erläutert und die Werte werden interpretiert. Werden Werte aus verschiedenen Tests ermittelt, so muss darauf geachtet werden, nach welcher Formel die Ergebnisse berechnet wurden.

6.5.2

H-D-T: Hand-Dominanz-Test

Alle Angaben zum Test sind dem Manual (Steingrüber 2011) entnommen.

Abb. 6.6 H-D-T: Kreisepunktieren. (Foto: Erna Schönthaler)

Allgemeine Informationen Der Hand-Dominanz-Test (H-D-T) wurde 1971 publiziert und 2011 neu aufgelegt. In der neuen Version ist er für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Alter von 6–70 Jahren standardisiert und kann als Gruppen- oder Einzeltest angewendet werden. Die Durchführung dauert ca. 10–15 Minuten. Das Manual, die Testvorlagen und Testauswertungsbögen können über die deutsche Testzentale bestellt werden. Als Anwendungsgebiete werden im Manual pädagogische, psychologische, arbeitsmedizinische und ergotherapeutische Fragestellungen genannt. Durchführung und Auswertung sind genau beschrieben und können nach der Lektüre des Manuals gut umgesetzt werden. Der H-D-T erfasst den Leistungsunterschied der Hände mit 3 grafomotorischen Aufgabenstellungen.

Aufgabenstellung und Durchführung Das Testheft des H-D-T enthält 3 Untertests: ● Spurennachzeichnen, ● Kreisepunktieren und ● Quadratepunktieren. Für Kinder von 6–10 Jahren beträgt die Bearbeitungszeit je Aufgabe 30 Sekunden. Für Personen ab dem 11. Lebensjahr gibt es eine kürzere Bearbeitungszeit von 15 Sekunden. Die Arbeitsrichtung ist vorgegeben, sodass beide Hände gleiche Anforderungen zu bewältigen haben.

190

Beim Subtest „Spurennachzeichnen“ soll der Proband mit dem Stift in der vorgezeichneten Schlangenlinie (5 mm breite Bahn) entlangfahren, ohne den Rand zu berühren. Bei der Aufgabe „Kreisepunktieren“ sind innerhalb des Zeitlimits so viele Kreise wie möglich zu punktieren (▶ Abb. 6.6). Die Kreise mit 5 mm Durchmesser sind auf einer Linie mit etwas unterschiedlichen Abständen und kleinen Richtungswechseln angeordnet. Beim Subtest „Quadratepunktieren“ sind innerhalb der Bearbeitungszeit Punkte in möglichst viele der in Reihen angeordneten Quadrate mit 7 mm Seitenlänge zu setzen.

Auswertung Für die Berechnung werden die Länge der gefahrenen Spuren und korrekt gesetzte Punkte herangezogen. Für den Differenzwert wird die Formel des Lateralitätsquotienten der einzelnen Aufgaben berechnet und ein Gesamtdifferenzwert gebildet. Für diesen Wert können der Standardwert und der Prozentrang in den Normtabellen abgelesen werden. Es gibt 4 Normtabellen, jeweils eine für Jungen und eine für Mädchen von 6–10 Jahren und jeweils eine für männliche und weibliche Probanden der Altersgruppe 11–70 Jahre. Für die Klassifizierung werden die Werte in Gruppen der Händigkeit zusammengefasst. Diese

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6.5 Standardisierte Händigkeitstests leichtere Verständlichkeit wird jedoch laut Manual durch einen „erheblichen Informationsverlust erkauft“ (Steingrüber 2011, S. 14). Die Gruppen „ausgeprägte Linkshändigkeit“, „Linkshändigkeit“, „keine eindeutige Händigkeit“, „Rechtshändigkeit“ und „ausgeprägte Rechtshändigkeit“ sind nach theoretischen Vorannahmen definiert.

Gütekriterien und Normierung Test-Reliabilität Für die Test-Reliabilität wird der Korrelationskoeffizient für die Altersgruppe von 6–10 Jahren mit r = 0,80 und für die 2. Altersgruppe mit r = 0,78 angegeben.

Validität Für die Validität wird die Korrelation zur Selbsteinschätzung der Händigkeit mit r = 0,71 für die Altersgruppe 1 und mit r = 0,78 für die Altersgruppe 2 angegeben. Die Korrelation zu anderen motorischen Tests liegt bei r = 0,75 – 0,90.

Normierung Die Normierung des H-D-T basiert auf einer Stichprobe von 1307 Probanden, die von 2007–2009 getestet wurden.

Zeit gefahren wurde, erreichen einige Kinder in diesem Subtest einen Wert mit umgekehrten Vorzeichen verglichen mit den beiden anderen Aufgaben. Abweichende Ergebnisse zumindest bei jüngeren Mädchen werden auch im Manual beschrieben (Steingrüber 2011, S. 19). Das Ergebnis dieses Subtests relativiert bei Kindern manchmal das Gesamtergebnis.

Allgemeine Hinweise Normtabellen für die einzelnen Subtests und für Kinder unter 6 Jahren wären wünschenswert, weil viele Kinder vor Schuleintritt zur Testung kommen. Von den Anforderungen her können die Aufgabenstellungen durchaus schon mit 5-jährigen Kindern durchgeführt werden. Aufgrund von theoretischen Annahmen werden relativ viele Personen mit besseren Leistungen der linken Hand, jedoch nur ein kleiner Teil der Personen mit besseren Leistungen der rechten Hand als nicht eindeutig in der Händigkeit klassifiziert. Aus vielen Untersuchungen ist bekannt, dass Linkshänder typischerweise einen geringeren Unterschied zwischen den Händen haben als Rechtshänder. Es ist daher fraglich, ob diese Klassifikation das Händigkeitsverhalten von Rechts- und Linkshändern gut widerspiegelt.

6

PTK-LDT: Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (5–12 Jahre)

6.5.3

Zusammenfassung und kritische Bewertung Kreisepunktieren Der H-D-T kann rasch durchgeführt werden. Durch die kurze Bearbeitungszeit bleiben Kinder mit ihrer Aufmerksamkeit gut dabei. Vor allem im Subtest „Kreisepunktieren“ können das Bewegungsverhalten der Kinder bei einer zielgenauen Aktivität beobachtet und die Leistungen der Hände gut miteinander verglichen werden. Die unterschiedliche Qualität der Punkte fließt nicht in die Auswertung ein, beinhaltet aber eine gute Zusatzinformation.

Spurennachzeichnen Beim „Spurennachzeichnen“ ist, wie bei anderen Nachspuraufgaben, zu beobachten, dass Kinder häufig mit ihrer leistungsschwächeren Hand schneller arbeiten. Da in die Auswertung nur die Strecke einfließt, die innerhalb der vorgegebenen

Alle Angaben zum Test sind dem Manual (Schilling 2009) entnommen.

Allgemeine Informationen Der Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (PTK-LDT) wurde 1972 – 1974 entwickelt und 2009 publiziert. Er ist als Einzeltest für 5- bis 12-jährige Kinder konzipiert. Die Durchführung dauert etwa 10 – 15 Minuten. Das Manual, die Testvorlagen und Testauswertungsbögen können über den Buchhandel oder die deutsche Testzentrale bestellt werden. Im Manual werden keine speziellen Anwendergruppen genannt. Durchführung und Auswertung sind genau beschrieben und können nach der Lektüre des Manuals gut umgesetzt werden. Der PTK-LDT erfasst den Leistungsunterschied der Hände bei einer grafomotorischen Aufgabe.

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Die Händigkeit des Kindes Zusätzlich können die Punktierleistungen der einzelnen Hände und die Gesamtleistung mit Normdaten für die Leistung verglichen werden.

Aufgabenstellung und Durchführung Auf den Arbeitsblättern des PTK-LDT ist eine Clownfigur mit 150 kleinen Kreisen an der Umrisslinie abgebildet. Die Kreise haben einen Durchmesser von 2,5 mm. Das Kind wird aufgefordert, mit einem roten Fineliner in jeden Kreis einen Punkt zu setzen (▶ Abb. 6.7). Diese Aufgabe soll es so schnell und genau wie möglich durchführen. Für jede Hand steht ein eigenes Blatt zur Verfügung. Damit beide Hände vergleichbare Anforderungen haben, sind die Clownfiguren für die rechte und die linke Hand spiegelbildlich angeordnet und die Arbeitsrichtung ist vorgegeben.

Abb. 6.7 Punktiertest und Leistungsdominanztest für Kinder (PTK-LDT). (Foto: Erna Schönthaler)

Auswertung Für die Berechnung des Dominanzindexes werden korrekt gesetzte Punkte und die Zeit berücksichtigt. Im Manual wird angegeben, dass Werte zwischen 43 und 57 als Beidhändigkeit (Ambidexter) interpretiert werden sollten. Kinder mit diesen Werten haben keinen signifikanten Unterschied zwischen den Leistungen der rechten und der linken Hand.

Motorikquotient Die Quotienten für Zeit und Fehler werden nach Geschlecht, Alter, Vorzugshand bzw. Nichtvorzugshand ermittelt. Anschließend können die Motorikquotienten für die Vorzugshand, die Nichtvorzugshand und der Gesamt-Motorikquotient abgelesen werden. Der Motorikquotient wurde in Anlehnung an den Intelligenzquotienten mit einem Mittelwert von 100 und einer Streuung (Standardabweichung) von 15 definiert. Schilling beschreibt, dass sich in diesem Test Rechts- und Linkshänder in ihren motorischen Leistungen unterscheiden. Linkshänder erbringen im Vergleich zu Rechtshändern schwächere Leistungen mit der Vorzugshand, jedoch bessere Leistungen mit der Nichtvorzugshand. Da es im Gesamt-Motorikquotienten keinen signifikanten Unterschied zwischen Rechts- und Linkshändern gibt, sollte für die Bewertung der Handgeschicklichkeit der Gesamtwert herangezogen werden.

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Gütekriterien und Normierung Objektivität, Retest-Reliabilität, Validität Für die Objektivität wird die Auswertungsobjektivität mit r = 0,99 angegeben. Die Retest-Reliabilität liegt für den Dominanzindex bei r = 0, 93 und für die Leistung zwischen 0,7 und 0,92. Für die Validität werden die Korrelationen zum Elternurteil mit r = 0,75 und zum Labyrinth-Nachfahrtest mit r = 0,76 angegeben.

Normierung Der PTK-LDT wurde 1974 mit 1200 Kindern normiert.

Zusammenfassung und kritische Bewertung Die Clownfigur ist für Kinder ansprechend und motivierend. Leider verlieren v. a. jüngere Kinder häufig die Motivation im Verlauf der Testung. Bei einer Bearbeitungszeit bis zu 5 Minuten für die schwächere Hand wird die Ausdauer der Kinder auf die Probe gestellt. Ausdauer und Konzentration beeinflussen dann das Testergebnis.

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6.5 Standardisierte Händigkeitstests

Hohe Korrelation mit einem Konzentrationstest Auch im Manual wird eine hohe Korrelation mit einem Konzentrationstest angeführt. Der Autor erwähnt, dass eine frühere Version des Tests mit 80 Kreisen mit einem Durchmesser von 3 mm bei 5und 6-Jährigen gut differenziert. Weil die Werte älterer Kinder Deckeneffekte zeigten, wurde die leichtere Version verworfen. Dies ist insofern bedauerlich, als die meisten Kinder mit 5 oder 6 Jahren zur Händigkeitstestung kommen. Mit Jugendlichen oder Erwachsenen kann der Test zum Leistungsvergleich herangezogen werden, auch wenn hier keine Normwerte zur Verfügung stehen.

Rechts- und Linkshänder Die Grenzen für Beidhändigkeit sind statistisch korrekt, berücksichtigen jedoch nicht, dass Linkshänder typischerweise einen kleineren Unterschied zwischen den Leistungen ihrer Hände haben als Rechtshänder. Um diese Werte differenziert darstellen zu können, müssten eigene Klassifikationen für Rechts- und Linkshänder erstellt werden.

Normwerte Die Normwerte für die Leistung aus den 1970erJahren sollten mit Vorbehalt herangezogen werden. Einzelne aktuelle Studien werden im Manual beschrieben. Es wurden jedoch nur spezielle Altersgruppen untersucht und teilweise wurde die Durchführung etwas abgewandelt. Einige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Normwerte auch heute noch Gültigkeit haben, andere kommen zu leicht abweichenden Ergebnissen. Eine aktuelle Überprüfung der Werte wäre notwendig. Mit geschlechtsspezifischen Normwerten berücksichtigt der PTK-LDT die Unterschiede von Mädchen und Jungen bei grafomotorischen Leistungen.

Ergänzende Aufgaben Im Manual (Schilling 2009) werden 2 ergänzende Aufgabenstellungen, der „Labyrinth-Durchfahrtest“ und der „Eisenbahn-Nachfahrtest“, beschrieben. Da diese Aufgabenstellungen nicht die erforderlichen Testgütekriterien erreichen, gibt es keine Normwerte. Für die Einschätzung der Strichführung können sie jedoch hilfreich sein. Die Arbeits-

blätter zu den beiden ergänzenden Aufgaben können über den Buchhandel bestellt werden.

6.5.4 HAPT 4–6: Handpräferenztest für 4- bis 6- jährige Kinder Alle Angaben zum Test sind dem Manual (Bruckner et al. 2011) entnommen.

Allgemeine Informationen Der Handpräferenztest für 4- bis 6-jährige Kinder (HAPT 4–6) ist als Einzeltest konzipiert. Die Durchführung dauert etwa 25 Minuten. Die Kartonkiste mit dem Manual, den Testmaterialien und Protokollbögen kann bei der deutschen Testzentrale bestellt werden. Für die Anwendung des Testverfahrens werden Erfahrung im Umgang mit Kindern und die Lektüre des Manuals vorausgesetzt. Die Autoren geben an, dass für die Interpretation und Planung von Interventionen für Kinder mit unklarer Handpräferenz Experten herangezogen werden sollten. Der HAPT 4–6 erfasst die Handpräferenz und die Konstanz des Handeinsatzes, die hier als Händigkeitskonsistenz bezeichnet wird.

6

Aufgabenstellung und Durchführung Für die Durchführung des HAPT 4–6 wird der Testraum von der Testleiterin entsprechend den standardisierten Vorgaben vorbereitet. Ein Tisch in der Höhe von 50–55 cm, an dem das Kind im Stehen agieren kann, und etwas Platz um diesen Tisch herum werden benötigt. Nachdem die Testleiterin dem Kind die Materialien gezeigt hat, geht sie in die Beobachtungsposition. Die Anleitungen für die Aufgabenstellungen werden von der mitgelieferten CD-Rom abgespielt. Das Kind erhält Anweisungen, auf welche Position es sich für die jeweils nächste Aufgabe stellen soll und welche Aufgabe auszuführen ist. Nachdem jede der 14 Aufgabenstellungen (▶ Tab. 6.4) einmal ausgeführt wurde, wird jede Aktivität noch 2-mal wiederholt. Die Reihenfolge der Aufgabenstellungen wird jedoch variiert, damit das Kind nicht weiß, welche Aufgabenstellung als nächstes kommen wird.

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Die Händigkeit des Kindes

Tab. 6.4 Items des HAPT 4–6. Aufgabenstellungen ● ● ● ● ● ● ●

Lichtschalter betätigen würfeln Holzperle aufnehmen Kreuz zeichnen stempeln Boden kehren winken

● ● ● ● ● ● ●

Reißverschluss öffnen Ball werfen Sticker aufnehmen Kette aufnehmen Dose öffnen Fisch angeln Belohnung aufnehmen

Auswertung Für die Auswertung werden die Ausführungen mit der rechten Hand und die Ausführungen mit der linken Hand gezählt und daraus wird der Lateralitätsquotient berechnet. Für den Vergleich stehen 3 Normtabellen zur Verfügung: eine für die Gesamtstichprobe, eine für Mädchen und eine für Jungen. Aus diesen Tabellen kann der Prozentrang abgelesen werden. Zusätzlich kann aus weiteren Tabellen, getrennt nach Geschlecht und der Seite der Präferenz, der Ausprägungsgrad der Handpräferenz ermittelt werden. Die Werte werden in durchschnittliche, über- und unterdurchschnittliche Ausprägung der Händigkeit kategorisiert. Für die Händigkeitskonsistenz wird bewertet, wie viele der Aufgaben bei allen 3 Durchführungen immer mit derselben Hand ausgeführt wurden. Auch hier gibt es für Geschlecht und Seite der Präferenz eigene Normtabellen und die Ergebnisse werden in durchschnittliche, über- und unterdurchschnittliche Werte kategorisiert.

Gütekriterien und Normierung Durchführungsobjektivität, Auswertungsobjektivität, Reliabilität Da die Materialien und deren Anordnung standardisiert sind und die Anweisungen von einer CDROM abgespielt werden, wird von einer hohen Durchführungsobjektivität ausgegangen. Die Auswertungsobjektivität wird mit Cohens Kappa von 0,97 angegeben. Auch die Reliabilität der Items ist mit einem Crohnbach-Alpha von 0,95 hoch.

Validität Für die Validität wurde das Testergebnis mit dem Globalurteil der Eltern und der Zeichenhand korreliert. Die Korrelation des Testergebnisses zum El-

194

ternurteil ist hoch signifikant (r = 0,76), jedoch nicht perfekt. Aus der sehr hohen Korrelation der Elterneinschätzung mit der Zeichenhand (r = 0,97) schließen die Autorinnen, dass Eltern die Händigkeit des Kindes fast ausschließlich nach der Zeichenhand ihres Kindes beurteilen.

Normierung Der Test wurde anhand der Daten von 383 Kindern aus Österreich und 146 Kindern aus Deutschland normiert. Die Normierungsstichproben hatten ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis und eine ausreichend bis gute Übereinstimmung hinsichtlich Schichtzugehörigkeit und Ortsgröße.

Zusammenfassung und kritische Bewertung Der HAPT 4 – 6 ist der erste standardisierte, normierte und auch publizierte Handpräferenztest für Kinder im deutschen Sprachraum. Dass neben dem Ausprägungsgrad der Handpräferenz auch die Konstanz des Handeinsatzes innerhalb der getesteten Aktivitäten (hier Konsistenz genannt) erfasst wird, ist positiv hervorzuheben. Die Abenteuerreise motiviert die Kinder. Dass die Instruktionen von einer CD abgespielt werden, ist für Ergotherapeutinnen etwas ungewohnt. Die Items des HAPT 4–6 beinhalten unter 14 Aufgaben 4-mal das Aufnehmen eines Gegenstands. Die Studien haben gezeigt, dass diese Items genügend Trennschärfe haben. Es ist jedoch fraglich, ob hier nicht redundante Informationen in das Testergebnis einfließen. Insgesamt enthält der Test wenige anspruchsvolle oder bimanuelle Aufgaben. Die 3-malige Durchführung der Items lässt nicht zu, dass eine Hand bei einer Aktivität gleich oft eingesetzt wird wie die andere. Hat ein Kind 2mal mit der rechten Hand und einmal mit der linken Hand agiert, so könnte es bei einer 4. Durchführung noch einmal die linke Hand einsetzen und damit beide Hände gleich oft verwenden oder es nähme wieder die rechte Hand und hätte damit eine leichte Präferenz für die rechte Hand. Über alle Aktivitäten hinweg ist ein gleichwertiger Einsatz der Hände jedoch erkennbar und dieser Wert fließt in die Berechnung des Lateralitätsquotienten ein. Die Testgütekriterien des HAPT 4–6 wurden sorgfältig untersucht und erreichen sehr gute Werte. Auch die getrennten Normtabellen nach Geschlecht und nach bevorzugter Hand entspre-

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6.5 Standardisierte Händigkeitstests chen dem Wissen über die unterschiedliche Lateralisierung von Rechts- und Linkshändern.

6.5.5

Händigkeitsprofil

Alle Angaben zum Test sind dem Manual (Kraus 2011) entnommen.

Körpermitte“ und „Bimanuelle Kooperation“. Die Reihenfolge der Subtests ist vorgegeben. Pausen können je nach Bedarf des Kindes zwischen den einzelnen Subtests eingelegt werden. Auch ein Verteilen auf mehrere Therapiestunden ist möglich.

Anamnesebogen

Allgemeine Informationen Das Händigkeitsprofil besteht aus einem Anamnesebogen und 5 Subtests, in denen die Handpräferenz, die Leistung der Hände, das Kreuzen der Körpermitte und die bimanuelle Kooperation überprüft werden. Die Ergebnisse werden quantitativ und qualitativ ausgewertet und zusammengefasst. Mit dem Händigkeitsprofil werden einerseits die Leistungen der Hände miteinander verglichen und andererseits die Leistungen mit Normwerten verglichen. Die Ergotherapeutin Elke Kraus entwickelte das Händigkeitsprofil im Rahmen ihrer Dissertation (Kraus 2003). Seither unterrichtet sie Ergotherapeutinnen in der Anwendung des Tests. Materialien, Anleitung und Auswertung sind standardisiert. Das Händigkeitsprofil ist für Kinder von 4–7 Jahren konzipiert. Derzeit können die Ergebnisse mit den Werten einer Pilotstudie an 6-jährigen Kindern verglichen werden. Mit der Normierungsstudie mit 5- und 6-jährigen Kindern wurde begonnen. Der Test ist ein Einzeltest, die Durchführung des gesamten Tests dauert etwa 1,5–2 Stunden. Um das Händigkeitsprofil anwenden zu können, ist die Teilnahme an einem Schulungsseminar erforderlich. Es kann von unterschiedlichen Berufsgruppen, die sich mit der Diagnostik der Lateralität beschäftigen, durchgeführt werden (z. B. [Neuro-] Psychologen, Pädagogen, Ärzte, Therapeuten). Das Testmanual, die Protokoll- und Arbeitsblätter, die standardisierten Materialien und die Auswertungs-CD können von Seminarteilnehmern bei der Autorin bezogen werden. Für die Zertifizierung im Händigkeitsprofil muss eine vorgegebene Anzahl an Kindern getestet werden.

Im Anamnesebogen werden u. a. Risikofaktoren um die Geburt, Beobachtungen der Eltern, Unfälle und Erkrankungen, die den Handeinsatz beeinflussen könnten, erhoben.

Funktioneller Handpräferenztest

Nachspuren und Punktieren Für den 2. Subtest „Nachspuren und Punktieren“ gibt es 2 Arbeitsblätter mit einem Bären, der eine Halskette trägt. Zuerst wird das Kind aufgefordert,

Tab. 6.5 Items des „Funktionellen Handpräferenztest“. Aktivitäten ● ● ● ●

● ●

Aufgabenstellung und Durchführung Das Händigkeitsprofil besteht aus einem Anamnesebogen und den 5 Subtests: „Funktioneller Handpräferenztest“, „Nachspuren und Punktieren“, „Hämmern und Klopfen“, „Überkreuzen der

6

Der 1. Subtest ist der „Funktionelle Handpräferenztest“. Er besteht aus 24 kurzen Aktivitäten (Items), die jeweils 4-mal durchgeführt werden (▶ Tab. 6.5). Die Aufgaben setzen sich aus unimanuellen und bimanuellen sowie geschulten und ungeschulten Aktivitäten zusammen. Bei der Durchführung wird darauf geachtet, dass die Aktivitäten spielerisch angeboten werden, damit das Interesse des Kindes auch bei der wiederholten Durchführung erhalten bleibt. Testerin und Kind sitzen einander gegenüber. Die Materialien werden immer mittig angeboten.

● ● ● ● ● ●

Schachtel schütteln Stecker einstecken Kreisel Fußball mit kleinem Bären Turm bauen Würfel rollen in der Luft schreiben Zahnbürste Ball Löffel Malen Messer (Wurst schneiden)

● ●

● ● ● ● ●

● ● ● ● ●

Karten austeilen Handfeger und Kehrblech Tube öffnen Aufkleber abnehmen Festschrauben (Mutter) Schachtel öffnen Streichholz anzünden (ohne Spitze) Schere Schlüssel und Schloss Schnürsenkel nähen Messer und Gabel Schraubenzieher

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Die Händigkeit des Kindes in 1 Minute die Umrisslinie des Bären mit einem Fineliner so genau wie möglich nachzufahren. Das Kind wählt die Hand, mit der es beginnen möchte, und arbeitet anschließend auf dem 2. Blatt mit der anderen Hand. Danach wird in jeden der 30 Kreise der Kette (ca. 5 mm Durchmesser) ein kleiner Punkt gesetzt. Die Arbeitsrichtung für die rechte bzw. linke Hand ist vorgegeben.

Überkreuzen der Körpermitte Für den Subtest „Überkreuzen der Körpermitte“ gibt es eine Arbeitsunterlage, auf der Legosteine rechts, mittig und links vor dem Kind liegen. Aus einer neutralen Startposition heraus soll das Kind so schnell wie möglich einen Stein in der von der Testerin genannten Farbe aufnehmen und auf das Muster im oberen Bereich der Arbeitsunterlage legen (▶ Abb. 6.8). Die 30 Steine werden in einer vorgegebenen Reihenfolge vorgelesen, damit der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Positionen ausgewogen ist.

Hämmern und Klopfen Im 4. Subtest „Hämmern und Klopfen“ wird das Kind aufgefordert, innerhalb von 15 Sekunden mit einem speziellen Hammer so oft wie möglich auf einen Punkt auf dem Arbeitsblatt zu klopfen. Nachdem diese Aufgabe mit beiden Händen durchgeführt wurde, wird auch das Klopfen aus dem Handgelenk mit aufgelegtem Unterarm durchgeführt.

Bimanuelle Kooperation Im letzten Subtest „Bimanuelle Kooperation“ malt das Kind mit beiden Händen gleichzeitig Kreise auf einem Blatt. Diese Kreise werden (jeweils auf einem eigenen Blatt) zuerst spiegelbildlich nach außen und innen und dann in paralleler Richtung nach rechts und links gemalt. In jede Richtung wird mit dem Stift zuerst langsam und dann schnell gefahren.

Auswertung Für jede Aufgabenstellung des Tests und für jeden Subtest werden die Lateralitätsquotienten mit Excel berechnet. Im Präferenztest wird zusätzlich erfasst, wie viele der Aktivitäten das Kind konstant mit einer Hand durchführt. Beim Nachspuren und Punktieren fließen Zeit und Genauigkeit in die Be-

196

Abb. 6.8 Händigkeitsprofil: Subtest „Überkreuzen der Körpermitte“. (Foto: Erna Schönthaler)

rechnung ein. Im Überkreuzungstest werden die kontralateralen und ipsilateralen Reaktionen gezählt. Beim Hämmern und Klopfen fließen Anzahl und Genauigkeit der Schläge in die Auswertung ein. Im Subtest „Bimanuelle Kooperation“ wird die Qualität der Kreise und der Bewegung bewertet. Die Leistung des Kindes wird anhand der Vergleichsdaten in durchschnittlich, grenzwertig oder auffällig eingestuft.

Profil Im Profil, der grafischen Darstellung der quantitativen Daten, kann abgelesen werden, ob die Werte des Kindes einer stark, mäßig, wenig ausgeprägten oder variablen Rechts- bzw. Linkshändigkeit entsprechen (▶ Abb. 6.9). Sowohl für die Lateralitätsquotienten als auch für die Leistungswerte gibt es eigene Normtabellen für Links- und Rechtshänder.

Diagnostische Zusammenfassung In der diagnostischen Zusammenfassung werden sowohl die quantitativen Daten als auch die quali-

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re

re li

x

auffällig

x

li

grenzwertig

Leistungseben

Durchschnitt

Kontralaterale Reakt. 20

54

Links 46

21 10

Rechts

Links

4

Links

Rechts

50

Rechts

bimanuelle Kooperation

Überkreuzen der Körpermitte

Leistung: Fertigkeit

Leistung: Fähigkeit

Präferenz: geschult FHP

Präferenz: ungeschult FHP

54

Interne Konstanz

Gesamt

Händigkeitsdimension

Leistungswerte der L und R Hand

Spiegel 44

Rechts 30 Parallel 44

Links 10

Punktieren 15

Klopfen 7

Bimanuell 32

Bimanuell 32

Mitte 60

Nachspuren 0

Hämmern 15

Unimanuell 88

Unimanuell 56

IHD % Teil-Lateralitäts-quotienten

Inter-Hand-Differenz

Gesamt 44

Gesamt 20

Gesamt 8

Gesamt 11

Gesamt 60

Gesamt 44

IHD % Gesamtquotienten L+ 1

gr. IHD L 2

L– 3

VI 4

4,5

x

x

R– 6

x

x

R 7

R+ 8

gr. IHD

© Prof. Dr. Elke Kraus Version: 2011-03-06

x

x

Vr 5

kleine IHD

6.5 Standardisierte Händigkeitstests

Abb. 6.9 Händigkeitsprofil: grafische Darstellung der quantitativen Daten (Kraus 2011).

6

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Die Händigkeit des Kindes tativen Beobachtungen und Informationen aus der Anamnese zusammengeführt. Dies erleichtert die Interpretation der Daten und die Differenzierung der unterschiedlichen Gründe für eine unklare Händigkeit oder wechselnden Handgebrauch.

Gütekriterien und Normierung Das Händigkeitsprofil wurde von Elke Kraus im Rahmen ihrer Dissertation in mehreren Phasen entwickelt. Die abschließende Studie zeigt, dass das Händigkeitsprofil ein sensibles, schlüssiges und differenziertes Instrument für die Händigkeitstestung ist.

Objektivität Die Testmaterialien, die Anweisungen, die Bewertung und die elektronische Auswertung sind standardisiert und gewährleisten damit die Objektivität.

Konstrukt- und Inhaltsvalidität Konstrukt- und Inhaltsvalidität wurden in der Dissertation geprüft.

Praktikabilität und Reliabilität Rückmeldungen aus der Praxis wurden in die Überarbeitungen einbezogen und führten zu einer leichteren Anwendbarkeit. Die Ergebnisse einer Praktikabilitäts- und einer Reliabilitätsstudie werden demnächst publiziert.

Normierung Derzeit können die Ergebnisse mit den Werten von 6-jährigen Kindern aus der Pilotstudie verglichen werden. Die Erhebung von Normwerten für 5- und 6-jährige Kinder wird derzeit in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz durchgeführt.

Zusammenfassung und kritische Bewertung Die Aufgabenstellungen des Händigkeitsprofils sind für Kinder ansprechend und abwechslungsreich gestaltet. Dies ermöglicht es ihnen, auch bei der relativ langen Durchführungszeit konzentriert zu bleiben. Pausen oder das Aufteilen auf 2 Therapiestunden sind jedoch erforderlich.

198

Durchführung und Auswertung des Händigkeitsprofils benötigen etwas Einarbeitungszeit. Mit entsprechender Übund kann das Profil in 20–30 Minuten ausgewertet werden. Derzeit wird an einer digitalen Version gearbeitet, bei der die Auswertung sofort automatisiert berechnet wird. Das Händigkeitsprofil erfasst systematisch viele Facetten der Händigkeit. Die Aufgabenstellungen sind so gewählt, dass ein umfassender Befund der Händigkeit erstellt werden kann. Die eigenen Datensätze für Rechts- und Linkshänder entsprechen den unterschiedlichen Präferenz- und Leistungsmustern von Rechts- und Linkshändern. Derzeit stehen für den Vergleich die Daten der Pilotstudie zur Verfügung. Die Lateralitätsquotienten zeigen bereits jetzt deutlich, welche Hand öfter eingesetzt wird bzw. von der Leistung her besser ist und ermöglichen gemeinsam mit den qualitativen Beobachtungen einen differenzierten Einblick in die Händigkeit eines Kindes.

6.5.6

HPT: Handpräferenztest

Der Handpräferenztest (HPT) wurde von der Ergotherapeutin und Psychologin Ute Steding-Albrecht entwickelt. Da der Test demnächst publiziert wird und auch die Studien zum Test noch nicht veröffentlicht sind, stehen derzeit nur wenige Informationen zur Verfügung.

Handlungspräferenztest und Leistungspräferenztest Der HPT ist als Einzeltest für Kinder von 5–7 Jahren konzipiert. Es werden die Handpräferenz („Handlungspräferenztest“) und der Leistungsunterschied der Hände in der Grafomotorik („Leistungspräferenztest“) erfasst. In der Auswertung werden die beiden Testergebnisse miteinander in Beziehung gesetzt (Nacke 2005). Kurse zur Durchführung und Interpretation werden von der Autorin angeboten. Bereits 2002 wurden Studien zur Validität und Reliabilität des Tests durchgeführt und mit der Erhebung der Normdaten in Deutschland, Österreich und der Schweiz begonnen. Mit diesen Studien wurde untersucht, welche Testaufgaben und Items der Normierungsversion die erforderlichen Gütekriterien erfüllen. Der Präferenztest enthält alltägliche Aufgabenstellungen, wie Schneiden mit der Schere, Hämmern, Radieren (Nacke 2005). Zur Abklärung des Leistungsunterschieds gibt es in der

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6.6 Fallbeispiele Normierungsversion die Aufgabenstellungen „Nachspuren“ und „Punktieren“. In beiden Leistungstests werden die Genauigkeit und die Zeit gemessen. Die Punktieraufgabe hat sich in den Studien besser bewährt (Nacke 2005).

Kritische Bewertung Der HPT ist einfach durchzuführen und für Kinder motivierend. Da in der Präferenztestung jedes Item nur einmal durchgeführt wird, kann mit dem Test nicht erfasst werden, ob ein Kind eine Konstanz innerhalb der einzelnen Aktivitäten hat oder nicht. Die Punktieraufgabe ist sehr ansprechend gestaltet, verlangt jedoch viel Ausdauer, weil sie aus 100 sehr kleinen Kreisen besteht (vgl. Kraus 2008).

6.6

Fallbeispiele

Mit den Fallbeispielen werden unterschiedliche Ergebnisse von Händigkeitstestungen beschrieben und interpretiert. Konkrete Übungsvorschläge ergänzen die therapeutischen Empfehlungen. Je nach Fragestellung kommen Top-down- oder Bottom-up-Therapieansätze zum Einsatz. Wenn ein Kind in der Entwicklung seiner Handpräferenz Unterstützung benötigt oder wenn die Förderung spezifischer Funktionen im Vordergrund steht, werden Bottom-up-Ansätze empfohlen. Hat das Kind eine Rollenverteilung für seine Hände gefunden, so kann mit einem Top-down-Ansatz gezielt an jenen Aktivitäten gearbeitet werden, die für den Alltag des Kindes relevant sind. Zur Wirksamkeit und Effektivität der Therapie von Kindern mit Händigkeitsproblemen gibt es zurzeit keine Studien. Die Empfehlungen für die Therapie können von den Ergebnissen einer differenzierten Befundung abgeleitet werden und beruhen auf Erfahrungswerten (vgl. Kraus 2009).

Kinder, die keine eindeutige Handpräferenz und keinen Leistungsunterschied zwischen den Händen haben

Ergebnisse. Leider haben sie oft für ihr Alter schwache handmotorische Fähigkeiten. In der Therapie sollen diese Kinder die Möglichkeit bekommen, ihre motorischen Fähigkeiten zu stärken und durch intensive Angebote von bimanuellen Aktivitäten unterstützt werden, eine gute Rollenverteilung für ihre Hände zu finden. Im Anschluss an das Fallbeispiel werden Ideen für therapeutische Aktivitäten vorgestellt.

Leon 5;4 Jahre Anamnese Leon ist 5;4 Jahre alt, geht derzeit in den Kindergarten und wird in 10 Monaten eingeschult. Der Kindergartenpädagogin ist aufgefallen, dass er nur selten zeichnet und manchmal mit der rechten und dann wieder mit der linken Hand malt. Auch beim Spielen oder Basteln kann sie keine Präferenz erkennen. Beide Eltern sind Rechtshänder und Leon hat keine Geschwister. Die Mutter berichtet, dass Leon den Löffel und das Messer öfter mit der rechten Hand, aber manchmal mit der linken Hand nimmt. Einen Ball wirft er meist mit der linken Hand. Das Zähneputzen haben auf Empfehlung des Zahnarzts die Eltern übernommen. Beim Spielen oder anderen Aktivitäten im Alltag erkennen die Eltern keine Präferenz für eine Seite. Der Kinderarzt überweist Leon mit der Diagnose einer umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (F 82) zur Händigkeitstestung. Aus der psychologischen Testung geht hervor, dass seine kognitiven Fähigkeiten am unteren Rand des Durchschnitts liegen. Leon hatte keine Verletzungen der Arme oder Hände. Die Eltern geben an, dass Leon in seiner Händigkeit nicht beeinflusst wurde und sie auch in der früheren Kindheit keine Bevorzugung einer Seite erkennen konnten. Sie möchten gerne wissen, mit welcher Hand Leon zeichnen und später schreiben soll.

6.6.1

Handpräferenz

Eine große Herausforderung für Therapeuten sind Kinder, die in der Testung keine Handpräferenz oder nur eine ganz leichte Tendenz erkennen lassen. Viele dieser Kinder erreichen in den Leistungstests mit beiden Händen annähernd gleiche

Zur Testung der Handpräferenz wurde der „Funktionelle Handpräferenztest“ aus dem Händigkeitsprofil (Kraus 2011) durchgeführt. In der Testung ist keine Tendenz zu einer Seite erkennbar. Leon zeigt nur in 6 Aufgabenstellungen einen konstanten Handeinsatz innerhalb einer Aktivität. Das Einsetzen der Stecker, das Bauen mit kleinen Bausteinen und das Schreiben in der Luft führt er immer mit der linken Hand aus. Seine rechte Hand ver-

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Die Händigkeit des Kindes

Grafomotorische Fertigkeiten Für die Leistungsüberprüfung mit den Händen wurde das Kreisepunktieren aus dem H-D-T (Steingrüber 2011) durchgeführt. In 30 Sekunden gelingt es Leon, mit der linken Hand 15, mit der rechten Hand 13 Punkte in die Kreise zu setzen. Die Aufgabe des Punktierens fällt ihm schwer und viele Punkte werden eher zu kurzen Strichen. Bei der Nachspuraufgabe, einem Teil des LabyrinthTests von Schilling (2009), arbeitet er sehr langsam. Mit der linken Hand benötigt er 120 Sekunden, mit der rechten Hand 110 Sekunden für die ersten 25 Tore. Mit beiden Händen hält er den Stift im Schlüsselgriff (Lateralgriff), drückt fest auf und durchfährt 16 Tore fehlerfrei. In der Strichführung ist kein wesentlicher Unterschied erkennbar, beide Linien sind sehr eckig (▶ Abb. 6.11).

Ungeschulte motorische Fähigkeiten

Abb. 6.10 Strichmännchen von Leon. (Foto: Erna Schönthaler)

Im Subtest „Taler einwerfen“ aus der M-ABC-2 (Petermann 2009) benötigt er mit der linken Hand 27 und mit der rechten Hand 28 Sekunden im besseren von 2 Versuchen und erreicht damit Werte unter dem 5. Prozentrang. Beim Fingertapping benötigt er für 20 Wiederholungen links 10, rechts 12 Sekunden und erreicht damit nach den Normwerten der Zürcher Neuromotorik (Largo et al. 2007) Werte unter dem 3. Prozentrang.

Kreuzen der Körpermitte

wendet er konstant zum Schneiden mit Schere und Messer und für den Schraubenzieher. Bei vielen Aktivitäten setzt er beide Hände gleich oft ein. Für ein einfaches Strichmännchen zeichnet er den Kopf, den Körper und den linken Arm mit der linken Hand. Danach übergibt er den Stift in die rechte Hand, um den rechten Arm zu zeichnen. Bei den Beinen des Strichmännchens kommen ebenfalls beide Hände zum Einsatz (▶ Abb. 6.10). Die Berechnung für die unimanuellen Aufgabenstellungen ergibt eine leichte Präferenz der linken Hand und für die bimanuellen Aufgabenstellungen keinen Unterschied im Handeinsatz. In den geschulten Aktivitäten ist keine Präferenz erkennbar und in den ungeschulten eine ganz leichte Präferenz der linken Hand.

200

Im Subtest „Kreuzen der Körpermitte“ aus dem Händigkeitsprofil (Kraus 2011) nimmt Leon 13 Steine mit der rechten Hand und 17 mit der linken Hand auf. Mit der linken Hand kreuzt er 3-mal, mit der rechten Hand 2-mal die Körpermittellinie. Von den 10 Steinen in der Mitte nimmt er 6 Steine mit der linken und 4 mit der rechten Hand auf.

Interpretation der Ergebnisse und therapeutische Empfehlungen Leon hat noch keine eindeutige Handpräferenz entwickelt. Er setzt beide Hände fast gleich oft ein und verwendet für die gleiche Tätigkeit einmal die rechte und einmal die linke Hand. Auch in den Leistungstests ist weder in der Grafomotorik noch bei den anderen feinmotorischen Aufgabenstellungen ein deutlicher Unterschied zwischen den Leistungen der rechten und der linken Hand erkennbar. Während der Durchführung der feinmotori-

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6.6 Fallbeispiele

Abb. 6.11 Labyrinth-Test . (Foto: Erna Schönthaler) a Ausschnitt aus dem Labyrinth-Test rechts. b Ausschnitt aus dem Labyrinth-Test links.

6 a b

schen Aufgabenstellungen sind seine Koordinationsprobleme deutlich erkennbar. Aufgrund der vorhandenen Informationen kann derzeit keine Empfehlung für eine Schreibhand und ein gezieltes grafomotorisches Training gegeben werden. Solange Leon den Stift noch wechselt, sollte der Schwerpunkt der häuslichen und der therapeutischen Förderung auf der Handmotorik und der bimanuellen Koordination liegen. Schreibvorbereitende Aufgaben (mit dem Finger in den Sand schreiben, mit einem Holzstift in Plastilin oder Ton ritzen etc.) und kurze Aufgaben mit dem Stift – eher zum Experimentieren – werden ergänzend hinzugenommen. Mit dieser Förderung wird Leon die Möglichkeit gegeben, selbst die geeignete Schreibhand zu finden. Sobald er sich zu einer Hand als Schreib- und Zeichenhand entscheidet, sollte dies zugelassen und intensiv durch grafomotorische Angebote unterstützt werden. Wenn er die linke Hand für das Schreiben und Zeichnen bevorzugt einsetzt, wird eine Beratung für eine ergonomische Schreibhaltung durchgeführt (siehe Kap. 7).

Wichtig Im Alltag ist es wichtig, dass Gegenstände mittig, d. h. vor der Körpermitte angeboten werden, damit Leon selbst die Aktionshand wählen kann. Wenn nach einer Phase der Förderung die Präferenz und die Schreibhand noch nicht eindeutig sind, wird eine weitere Testung in 4 Monaten durchgeführt.

Übungen zur Förderung der bimanuellen Koordination Die Übungsvorschläge zur Förderung der bimanuellen Koordination sind in 3 Kategorien eingeteilt: ● Tätigkeiten, bei denen beide Hände gleichwertige Aufgaben übernehmen, ● Aufgaben, die den rhythmischen Wechsel der Hände fördern und ● bimanuelle Aufgaben, bei denen es eine Halteund eine Funktionshand gibt.

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Die Händigkeit des Kindes Manche Übungen könnten mehreren Kategorien zugeordnet werden, sind jedoch nur einmal angeführt. Die bimanuellen Aufgaben sind so gewählt, dass die Hände möglichst unmittelbar zusammen arbeiten und nicht unabhängig voneinander an der gleichen Aktivität beteiligt sind. Die Vorschläge sollen Anregungen für weitere Ideen geben.

das Kind mit dem Karton gleich wieder zurückschlägt. Statt des Luftballons kann auch ein leichter Ball, ein sandgefülltes Tier oder ein Luftballon in einer Stoffhülle als Wurfobjekt genommen werden. Statt des Kartons kann auch eine andere feste Unterlage oder ein kleines Serviertablett verwendet werden (▶ Abb. 6.13).

Gleichwertige Aufgaben für beide Hände Arbeiten mit dem Nudelholz (Teig, Plastilin) Mit einem Kindernudelholz werden Salzteig oder Plastilin ausgerollt. Mit den Händen kann eine Wurst gerollt werden.

Schüttspiele mit großen Dosen Mit Dosen, die so groß sind, dass beide Hände für das Halten erforderlich sind, werden Bohnen, Reis, Wasser, Bügelperlen … von einer Dose oder Wanne in eine andere umgeschüttet (▶ Abb. 6.12).

Luftballontennis mit Karton Das Kind steht und hält einen festen Karton etwa in der Größe A4 seitlich mit den Händen. Die Therapeutin wirft dem Kind einen Luftballon zu, den

Abb. 6.12 Schüttspiele. (Foto: Erna Schönthaler)

Abb. 6.13 Luftballontennis. (Foto: Erna Schönthaler) a Bereit für den Ball. b Annahme und Zurückspielen des Balles.

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6.6 Fallbeispiele

Frosch und Trampolin

Karambolage

Für dieses Spiel wird ein Stück Stoff, bei dem seitlich jeweils ein Rundholz eingenäht ist, benötigt. Als „Wurfobjekt“ eignen sich kleine sandgefüllte Tiere. Das Kind steht und hält den Stoff an den beiden seitlichen Stäben. Die Therapeutin setzt das Tier auf das „Trampolin“. Wenn der Stoff zuerst etwas locker zwischen den Stäben hängt und dann durch Auseinanderzeihen der Hände gespannt wird, springt das Tier weg (▶ Abb. 6.14). Anfangs kann das Kind experimentieren und ausprobieren, was es machen muss, damit der Frosch weit oder nur ganz kurz springt. Anschließend kann ein Zielwerfen auf große und später etwas kleinere Ziele versucht werden. Wenn das gezielte Werfen gut gelingt, kann auch zu zweit gespielt werden und der Frosch von einem Trampolin zum anderen springen. Das Fangen stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.

Karambolage ist ein Spiel von Haba, das auch mit eigenen Materialien und in vielen Varianten gespielt werden kann. Spielsteine von Mühle oder Dame werden in ein Tor oder zu einem anderen Ziel geschossen. Weil das direkte Berühren der Steine nicht erlaubt ist, gibt es die „Abspielschnur“, ein etwa 10 cm langes Stück Schnur, an deren Enden jeweils eine große Holzperle geknüpft ist. Die Schnur wird locker hinter einen Spielstein gelegt, die Schnur spannt sich durch Auseinanderziehen der Perlen und der Spielstein wird weggeschossen (▶ Abb. 6.15, a, b). Statt eines Spielsteins können auch andere Objekte, wie kleine Dosen etc., „transportiert“ werden.

6

Abb. 6.14 Frosch und Trampolin. (Foto: Erna Schönthaler) a Vorbereitung zum Sprung. b Sprung.

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Die Händigkeit des Kindes

Abb. 6.15 Karambolage. (Foto: Erna Schönthaler) a Vorbereitung zum Schuss. b Schuss.

Ziegelfabrik Mit 2 Bausteinen wird ein dritter in der Mitte transportiert. Die Spielidee hinter diesem Spiel könnte folgende sein: Die Bausteine kommen frisch aus der Ziegelfabrik, sind noch heiß und können daher nicht mit den Händen angefasst werden. Daher nimmt das Kind in jede Hand einen Baustein, klemmt den frischen „Ziegelstein“ dazwischen und transportiert so die Steine von der Fabrik zur Baustelle (▶ Abb. 6.16). Für dieses Spiel können sowohl große Kartonbausteine, Bausteine mittlerer Größe als auch kleine Holzbausteine verwendet werden.

Abb. 6.16 Ziegelfabrik. (Foto: Erna Schönthaler)

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6.6 Fallbeispiele

6

Abb. 6.17 Murmelachterbahn. (Foto: Erna Schönthaler)

Abb. 6.18 Murmelbild. (Foto: Erna Schönthaler)

Murmelbild In den Deckel einer Schuhschachtel oder in einen Pizzakarton wird ein Blatt Papier gelegt, auf welches man einen Tupfen Fingerfarbe oder Tinte gibt. In die Schachtel wird eine Murmel gelegt. Das Kind hält die Schachtel seitlich. Durch Drehen oder Kippen läuft die Kugel in der Schachtel herum, nimmt die Farbe mit und hinterlässt eine bunte Spur. Anschließend kann eine andere Farbe hinzugenommen werden (▶ Abb. 6.18).

Rhythmischer Wechsel Autorennen

Abb. 6.19 Autorennen. (Foto: Erna Schönthaler)

Murmelachterbahn Das Kind hält die Murmelachterbahn und lässt die Murmel in der Bahn laufen (▶ Abb. 6.17).

Ein kleines Spielzeugauto wird an einer 2–3 m langen Schnur befestigt. Das andere Ende der Schnur ist an einem ca. 25 cm langen Rundholz angebunden. Das Kind hält das Rundholz mit beiden Händen waagerecht vor sich. Durch abwechselndes Drehen und Nachgreifen wird die Schnur auf den Stab aufgerollt und das Auto herangezogen (▶ Abb. 6.19). Um den Wetteifer anzuregen, können auch 2 Kinder gegeneinander antreten oder die Zeit kann gestoppt werden.

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Die Händigkeit des Kindes

Rollbrett-Seilbahn Das Kind sitzt im Schneidersitz auf dem Rollbrett. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes ist ein Seil etwa in Brusthöhe des Kindes montiert. Das Kind fasst das freie Ende des Seiles und zieht sich durch alternierendes Weitergreifen am Seil zu der Wand, an der das Seil befestigt ist. Wenn das Seil an beiden Enden fixiert werden kann, funktioniert die Seilbahn noch besser.

Gegenstände mit Schnur heranziehen, Seilzug Ein Auto oder eine Kiste werden an einem langen Seil befestigt. Das Kind zieht mit alternierenden Bewegungen den Gegenstand zu sich her. Wichtig ist, dass der befestigte Gegenstand ein gewisses Eigengewicht hat. Mit etwas Widerstand ist es leichter, in ein rhythmisches Ziehen zu kommen. Wenn in einem Raum eine Umlenkrolle vorhanden ist, kann das Kind mit dem Seilzug einen Kübel etc. hochziehen.

Abb. 6.20 Steckrosetten. (Foto: Erna Schönthaler)

Perbo-Bohrmaschine Die Perbo-Bohrmaschine ist eine Standbohrmaschine, die durch alternierendes Ziehen an Seilen betrieben wird.

Jonglieren – alleine, zu zweit Jonglieren mit Tüchern können viele Kinder erlernen. Wenn Therapeutin und Kind einander gegenüberstehen, können auch Bälle oder Tücher im rhythmischen Wechsel hin- und hergeworfen werden. Die Therapeutin wirft dem Kind die Tücher bzw. Bälle so zu, dass das Kind einmal mit der rechten und einmal mit der linken Hand fängt und anschließend gleich wieder zurückwirft. Als Vorübung zum Jonglieren mit Tüchern können Bälle auf einer schräg gestellten Matte in einem Bogen von einer Hand in die andere gerollt werden.

Unterschiedliche Aufgaben für die Hände Bei den Übungen mit unterschiedlichen Aufgaben für die Hände wird zuerst mit Aktivitäten ohne Werkzeug begonnen, damit das Kind bei jeder Aktion entscheiden kann, welche Hand welche Aufgabe übernimmt. Danach werden Aktivitäten eingeführt, bei denen ein Werkzeug, z. B. Messer, Löffel oder Säge, hinzugenommen wird.

206

Steckrosetten, Konstruktionsspiele Bei vielen Konstruktionsspielen müssen Elemente zusammengefügt oder -gesteckt werden. Meist ist durch die Teile nicht vorgegeben, welche Hand stabilisiert und welche Hand den mobilen Teil übernimmt (▶ Abb. 6.20).

Spiele mit Schrauben und Muttern, baufix® Bei Spielen, bei denen Elemente zusammengeschraubt werden, kann entweder die Mutter auf die Schraube oder die Schraube in die Mutter gedreht werden. Zusätzlich setzt sich das Spiel aus vielen Aktionen zusammen, sodass das Kind jedes Mal entscheiden kann, welche Hand welche Funktion übernimmt (▶ Abb. 6.21).

Spiele mit Wäscheklammern und Büroklammern Spielkarten oder Bilder können auf einer Leine befestigt werden und so kann manches Spiel, statt auf dem Tisch, auf der Wäscheleine gespielt werden (z. B. Paare finden; ▶ Abb. 6.22). Büro- oder Wäscheklammern können auch als Strahlen einer Sonne (▶ Abb. 6.23) oder als Stacheln eines Igels (▶ Abb. 6.24) aufgesteckt werden. Foliertes Papier ist stabiler und erleichtert das Halten und Aufstecken.

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6.6 Fallbeispiele

6 Abb. 6.21 Spiele mit Schrauben und Muttern. (Foto: Erna Schönthaler)

Abb. 6.23 Wäscheklammern als Sonnenstrahlen. (Foto: Erna Schönthaler)

Kleidungsverschlüsse Meist gibt es in der Praxis Übungsmaterial für Knöpfe, Reißverschlüsse, Klettverschlüsse, Gürtelschnallen und Bänder zum Schleifebinden. Die

Abb. 6.22 Spiel auf der Wäscheleine. (Foto: Erna Schönthaler)

Abb. 6.24 Büroklammern als Stacheln. (Foto: Erna Schönthaler)

Verschlüsse sind auf einer Puppe, einer Übungsweste oder auf Säckchen befestigt und können in ein Spiel eingebaut werden.

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207

Die Händigkeit des Kindes

„Kochen“

Samuel 7;4 Jahre

Orangen pressen, Kiwi aushöhlen, Bananen schneiden, Äpfel reiben, Teig rühren …, viele Küchenaktivitäten benötigen eine Haltehand und gut abgestimmte Bewegungen der Funktionshand.

Anamnese

Handwerkliches Arbeiten Auf einem Holzbrett kann eine Murmelbahn gebaut werden. Nägel werden eingeschlagen und mit Schnüren so verbunden, dass eine durchgehende Bahn entsteht. Aus Holzleisten können Häuser gebaut werden. Die Leisten werden mit der Feinsäge auf die richtige Länge zugeschnitten.

Kinder, deren präferierte Hand die motorisch schwächere ist

6.6.2

Manche Kinder kommen zur Befundung der Händigkeit, weil die Eltern beobachtet haben, dass ihr Kind im Alltag viele Aktivitäten mit der rechten Hand ausführt, aber für bestimmte Tätigkeiten, wie Schreiben, Essen oder Zähneputzen, die linke Hand verwendet. Sie haben Sorge, dass sich ihr Kind den Handeinsatz von jemand anderem abgeschaut hat oder dass sie als Eltern das Schreiben mit der linken Hand zu früh bestärkt haben. Bei einigen Kindern (siehe Fallbeispiel) sind in der Präferenztestung und im Test zum Kreuzen der Körpermittellinie der spontane Einsatz und die Präferenz der rechten Hand eindeutig erkennbar. In den Leistungstests werden jedoch motorische Probleme der rechten Hand offensichtlich. Das Kind kann z. B. das Punktieren mit der rechten Hand nur sehr schwer ausführen. Manche dieser Kinder arbeiten sehr langsam und man kann beobachten, wie schwer ihnen das genaue Zielen mit der rechten Hand fällt, während sie mit der linken Hand wesentlich schneller arbeiten. Andere Kinder haben keinen so großen Zeitunterschied, jedoch ist die Qualität der von der rechten Hand gezeichneten Punkte sehr schwach und viele Punkte werden zu Strichen. Im 6.1.4 wurde bereits beschrieben, dass die gleiche Situation auch auf ein linkshändiges Kind zutreffen kann. Weil es allgemein mehr Rechtshänder gibt, sieht man in der Praxis öfter rechtshändige Kinder, die für manche Tätigkeiten auf die linke Hand wechseln, als umgekehrt.

208

Samuel ist 7;4 Jahre alt und geht in die 2. Klasse der Grundschule. In Mathematik ist er ein sehr guter Schüler und auch das Lesen gelingt ihm gut. Er hat sich bereits in der 1. Klasse beim Erlernen der Druckschrift geplagt und dieses Schuljahr bereitet ihm die Schreibschrift Probleme. Manchmal kränkt es ihn, dass fast alle Kinder seiner Klasse bereits mit dem Füllfederhalter schreiben dürfen, während er noch mit dem Bleistift schreibt. Samuel schreibt mit der linken Hand. Seine Eltern haben beobachtet, dass er im Alltag einige Tätigkeiten mit der rechten Hand ausführt. Er nimmt die Schere und den Tischtennisschläger mit der rechten Hand. Beim Essen wechselt er die Hände. Samuel zeichnet schön und detailliert und ist beim Schneiden sehr genau. Die Eltern sind sich nicht sicher, ob Samuel die „richtige“ Hand zum Schreiben gewählt hat. Sie machen sich Sorgen, dass Samuel das Zeichnen mit der linken Hand vielleicht von seiner um 2 Jahre älteren Schwester abgeschaut hat, die Linkshänderin ist. Samuels Eltern sind beide Rechtshänder. Zur Testung wurden das Händigkeitsprofil (Kraus 2011) und eine Aufgabenstellung aus der M-ABC-2 (Petermann 2009) verwendet.

Handpräferenz Bei der Befundung der Handpräferenz wird deutlich, dass Samuel für 13 Aktivitäten konstant die rechte Hand einsetzt. 6 Aktivitäten führt er ausschließlich mit der linken Hand aus, dies sind die Items Malen, Tubenöffnen, Benutzen von Löffel, Zahnbürste, Handfeger und Streichholz. Nur bei wenigen Aktivitäten kommen beide Hände zum Einsatz (Nähen mit dem Schnürsenkel, Benutzen von Messer, Gabel und Schraubenzieher, Schütteln der Schachtel und Fußballspielen mit dem kleinen Bären). Die Berechnung ergibt für die ungeschulten Aktivitäten die Werte eines ausgeprägten Rechtshänders und für die geschulten Aktivitäten eine leichte Tendenz zur rechten Seite. In den unimanuellen Aktivitäten ist die Präferenz der rechten Hand etwas stärker ausgeprägt als in den bimanuellen.

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6.6 Fallbeispiele

Grafomotorische Fertigkeiten Die Nachspuraufgabe führt Samuel spontan zuerst mit der linken Hand aus. Er arbeitet langsam, aber sehr genau (▶ Abb. 6.25). Auch mit der rechten Hand arbeitet er sehr langsam, jedoch gelingt ihm keine flüssige Strichführung. Die Linie ist fast über die ganze Strecke eine „Zackenlinie“ (▶ Abb. 6.25). Beim anschließenden Punktieren arbeitet er mit der linken Hand doppelt so schnell wie mit der rechten Hand. Von den 30 Punkten setzt er mit der linken Hand 17 exakte kleine Punkte (keine Striche). Mit der rechten Hand schafft er nur 4 exakte Punkte. Die Berechnung ergibt einen großen Leistungsunterschied zwischen den Händen. Der Wert entspricht einer stark ausgeprägten Linkshändigkeit.

Ungeschulte motorische Fähigkeiten Beim Hämmern schafft Samuel in 15 Sekunden links 67 und rechts 57 Schläge. Die Bewegungen führt er mit der linken Hand flüssiger und rhythmischer aus. Auch in der Zielgenauigkeit ist die lin-

a

ke Hand der rechten überlegen. Beim Klopfen ist kein Leistungsunterschied erkennbar. Hämmern und Klopfen gemeinsam ergeben den Wert eines ausgeprägten Linkshänders. Zusätzlich wurde die Aufgabe „Stecker wenden“ aus der M-ABC-2 durchgeführt. Obwohl Samuel noch nicht in die Altersgruppe für diese Tätigkeit fällt, wurde sie ausgewählt, um ihn bei der Durchführung einer komplexen motorischen Aufgabe der In-Hand-Manipulation zu beobachten. Samuel benötigt für das Herausnehmen, Drehen und wieder Einstecken der 12 Stifte mit der linken Hand 20 und mit der rechten Hand 29 Sekunden im besseren von 2 Versuchen.

Kreuzen der Körpermitte und bimanuelle Kooperation

6

Im Überkreuzungstest nimmt Samuel 29 Steine mit der rechten Hand auf. Nur einmal greift er zu einem Stein auf der linken Seite mit seiner linken Hand. Im Subtest „Bimanuelle Kooperation“ sind die Kreise der linken Hand etwas stärker gezeichnet als jene der rechten Hand.

b

Abb. 6.25 Nachspuren. (Foto: Erna Schönthaler) a Ausschnitt: Nachspuren mit der linken Hand. b Ausschnitt: Nachspuren mit der rechten Hand.

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Die Händigkeit des Kindes

Interpretation der Ergebnisse und Empfehlungen Samuel führt die meisten Aktivitäten des Handpräferenztests bei allen 4 Wiederholungen konstant mit der rechten Hand aus. Auch der konstante Einsatz der rechten Hand im Überkreuzungstest deutet darauf hin, dass die rechte Hand seine präferierte Hand ist. Eine Aktivitätenanalyse jener Tätigkeiten, die er mit der linken Hand ausführt, zeigt, dass alle diese Aktivitäten ein hohes Maß an Koordination oder Kraftdosierung erfordern. Wenn man bedenkt, wie ausfahrend und eckig seine Strichführung ist und wie schwer ihm das Punktieren mit der rechten Hand fällt, ist nachvollziehbar, dass er mit dieser Hand weder seine Zähne putzen noch erfolgreich einen Löffel Suppe zum Mund führen kann. Bei fast allen motorischen Aufgaben (Grafomotorik, Hämmern und Wenden der Stifte) ist die linke Hand der rechten deutlich überlegen. Der große Unterschied im Nachspuren und Punktieren resultiert aus einer durchschnittlichen Leistung der linken Hand und einer sehr schwachen Leistung der rechten Hand. ▶ Abb. 6.26 zeigt das Händigkeitsprofil, die quantitative Zusammenfassung der Daten. Bei der Besprechung der Ergebnisse erinnert sich die Mutter, dass Peter bereits im Kindergartenalter gesagt hatte, dass er rechts „keinen Strich ziehen kann“. Sie fragt nach, was er kürzlich über das Schreiben mit der linken Hand gesagt habe. Samuel klagt, dass das Schreiben mit der linken Hand schwierig ist, weil er seinen Text immer verwischt. Samuel hat bereits im Kindergartenalter seine leistungsstärkere Hand für das Schreiben gewählt. Mit seiner rechten Hand hätte er das Schreiben nicht geschafft. Auch für motorisch anspruchsvolle Alltagsaktivitäten hat er die linke Hand gewählt und setzt sie auch konstant ein. Diese Wahl scheint stimmig mit seinen Fähigkeiten und sollte daher von außen nicht beeinflusst werden. Für das Schreiben mit der linken Hand wird Samuel eine ergonomische Hand- und Blatthaltung gezeigt. Er schreibt leserlich, aber langsam. Daher wird zuerst analysiert, wie Samuel die Buchstaben schreibt. Manche Kinder prägen sich Buchstaben falsch ein und schreiben z. B. zusätzliche Schlaufen, die ihr Schreibtempo verlangsamen. In Absprache mit der Klassenlehrerin kann überlegt werden, ob Samuel manche Buchstaben in

210

einer vereinfachten Form und damit rascher schreiben kann. Auch andere Strategien können helfen, das Schreibtempo zu steigern. In der Therapie wird versucht, häufig vorkommende Wörter und Silben, wie „und“, „der“, „die“, „ist“, „hat“, „bin“, „er“, „-en“, „-ung“ etc., in einer ökonomischen Schreibweise zu automatisieren. Wenn diese Wörter und Silben rasch gelingen, hat Peter Zeit für seltene und schwierige Wörter gewonnen. Damit Samuel seine guten sprachlichen Leistungen zeigen kann, sollte ihm für manche Schreibaufgaben das Arbeiten am Computer ermöglicht werden. Es wäre schade, wenn er aufgrund seiner großen Anstrengung und seines langsamen Schreibtempos nur kurze und einfache Sätze oder Geschichten schreibt, obwohl er die Kreativität für längere besitzt. Ab einem Alter von 8 Jahren kann in spielerischer Form mit dem Erlernen des Zehnfingersystems auf der Computertastatur begonnen werden.

Kinder mit einer eindeutigen Händigkeit, ohne spontanes Kreuzen der Körpermitte

6.6.3

Bei manchen Kindern ist in der Befundung die Handpräferenz so eindeutig erkennbar, dass man sich wundert, warum dieses Kind zur Testung kommt. Erst im Subtest zum Kreuzen der Körpermittellinie setzt das Kind beide Hände ein und es wird ersichtlich, dass ein Überkreuzen der Körpermittellinie im spontanen Bewegungsrepertoire des Kindes wenig oder gar nicht vorkommt. Diese Information ermöglicht es dann, die Beobachtungen aus dem Alltag zu verstehen und zu erklären. Im Anschluss an das Fallbeispiel folgen Übungsvorschläge für das Kreuzen der Körpermittellinie.

Clara 6;5 Jahre Anamnese Clara ist 6;5 Jahre alt und geht seit einem halben Jahr in die 1. Klasse der Grundschule. Das Lesen und Schreiben bereitet ihr große Probleme. Sie schreibt mit der rechten Hand. Die Klassenlehrerin hat beobachtet, dass sie oft mit der linken Hand agiert und daher die Vermutung geäußert, dass Clara vielleicht Linkshänderin sein könnte. Die Mutter kommt mit Clara zur Händigkeitstestung und -beratung.

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re

auffällig

grenzwertig

Leistungseben

x

li

re li

x

Durchschnitt

40 63

Rechts

Links

Kontralaterale Reakt. 45

61 69

Links

Links

Rechts

54 25

Rechts

Bimanuelle Kooperation

Überkreuzen der Körpermitte

Leistung: Fertigkeit

Leistung: Fähigkeit

Präferenz: Geschult FHP

Präferenz: Ungeschult FHP

79

Interne Konstanz

Gesamt

Händigkeitsdimension

Leistungswerte der L und R Hand

Spiegel –24

Rechts 90 Parallel –22

Links 0

Punktieren –3,5

Klopfen 0

Bimanuell 20

Bimanuell 36

Mitte 100

Nachspuren –10

Hämmern –17

Unimanuell 0

Unimanuell 76

IHD % Teil-Lateralitäts-quotienten

Inter-Hand-Differenz

Gesamt –23

Gesamt 90

Gesamt –22

Gesamt –9

Gesamt 10

Gesamt 56

IHD % Gesamtquotienten

x

L+ 1

gr. IHD

x

L 2

L– 3

x

VI 4

4,5

R– 6

x

x

R 7

R+ 8

gr. IHD

© Prof. Dr. Elke Kraus Version: 2011-03-06

x

Vr 5

kleine IHD

6.6 Fallbeispiele

Abb. 6.26 Händigkeitsprofil von Samuel.

6

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Die Händigkeit des Kindes Clara wurde in der 32. Schwangerschaftswoche geboren. In der Entwicklungsanamnese berichtet die Mutter über keine weiteren Auffälligkeiten. Vor dem Schuleintritt hat Clara nur wenig gezeichnet. Das Erlernen der Buchstaben fällt ihr schwer, obwohl sie sonst ein vifes und interessiertes Kind ist. Claras Eltern und Großeltern sind Rechtshänder und ihre um 1 Jahr jüngere Schwester ist Linkshänderin. Zur Testung wurde das Händigkeitsprofil (Kraus 2011) verwendet.

Handpräferenz Bei der Durchführung des „Funktionellen Handpräferenztests“ führt Clara 17 der 24 Aktivitäten konstant mit der rechten Hand aus. Dazu zählen alle ungeschulten unimanuellen Aktivitäten (z. B. Spielen mit dem Kreisel, Bauen eines Turms, Würfeln) und fast alle geschulten unimanuellen und bimanuellen Aktivitäten (z. B. Spiel mit dem Ball, Malen, Benutzen von Messer oder Löffel, Anzünden von Streichhölzern, Nähen mit dem Schnürsenkel). Nur bei den ungeschulten bimanuellen Aktivitäten (Tubenöffnen, Benutzen eines Handfegers) kommt die linke Hand zum Einsatz, jedoch nicht so oft wie die rechte. Bei den unimanuellen Aktivitäten hat sie eine stark ausgeprägte Präferenz der rechten Hand. Die Berechnung ergibt eine ausgeprägte Rechtshändigkeit bei den ungeschulten und eine schwache Rechtshändigkeit bei den geschulten Aktivitäten.

Grafomotorische Fertigkeiten Sowohl das Nachspuren des Bären als auch das Punktieren führt Clara zuerst mit der rechten Hand aus und in beiden Aufgaben sind die Leistungen der rechten Hand besser als die der linken. Beim Nachspuren fährt sie mit der rechten Hand 5-mal, mit der linken Hand 19-mal aus der breiten Begrenzung hinaus. Die Strichführung mit der rechten Hand ist deutlich flüssiger. Beim Punktieren setzt Clara mit der rechten Hand 25 kleine Punkte, während ihr mit der linken Hand nur 4 der 30 Punkte exakt gelingen. Mit der rechten Hand benötigt sie für diese Aufgabe 28, mit der linken Hand 47 Sekunden. Das Punktieren fällt Clara mit der linken Hand deutlich schwerer als mit der rechten Hand. Der Vergleich mit den Daten aus der Pilotstudie ergibt für die grafomotorischen Fertigkeiten eine durchschnittliche Leistung der rechten Hand und eine auffällige Leistung der linken Hand. Die Berechnung der Leistungsdif-

212

ferenz ergibt den Wert einer stark ausgeprägten Rechtshändigkeit.

Ungeschulte motorische Fähigkeiten Beim Hämmern schafft Clara in 15 Sekunden rechts 53 und links 43 Schläge. Die Punkte der rechten Hand liegen enger beisammen und sind exakter gesetzt. Beim Klopfen aus dem Handgelenk ist kein Unterschied erkennbar, rechts 34 und links 33 Schläge. Der Vergleich mit den Daten aus der Pilotstudie ergibt für das Hämmern und Klopfen unterdurchschnittliche Leistungen der Hände. Der Lateralitätsquotient entspricht einer stark ausgeprägten Rechtshändigkeit.

Kreuzen der Körpermitte Clara nimmt alle Steine, die auf der rechten Seite liegen, mit der rechten Hand auf und alle Steine, die auf der linken Seite liegen, mit der linken Hand. Von den Steinen, die in der Mitte liegen, nimmt sie 9 von 10 mit der rechten Hand. Clara kreuzt in diesem Subtest die Körpermitte nicht ein einziges Mal. Insgesamt nimmt sie 19 der 30 Legosteine mit der rechten Hand auf.

Bimanuelle Kooperation Beim gleichzeitigen Zeichnen von Kreisen mit der rechten und der linken Hand ist ein deutlicher Unterschied erkennbar. Rechts hält Clara den Stift im statischen Dreipunktgriff, links im Schlüsselgriff (Lateralgriff). Die Kreise der rechten Hand sind runder und fester gezeichnet. Bei den parallelen Bewegungen behält die rechte Hand die Richtung bei, die linke nicht.

Interpretation der Ergebnisse und Empfehlungen Clara ist eine deutlich ausgeprägte Rechtshänderin – sowohl in der Handpräferenz als auch in der Handleistung. Das heißt, sie setzt ihre rechte Hand mehr ein als die linke und die Leistungen der rechten Hand übertreffen jene der linken. Trotz ihrer ausgeprägten Handpräferenz kreuzt sie die Körpermitte nicht und nimmt alle seitlich gelegenen Steine jeweils mit der ipsilateralen Hand auf. In der mittleren Position ist die ausgeprägte Präferenz der rechten Hand erkennbar. ▶ Abb. 6.27 zeigt das Händigkeitsprofil von Clara. Auch im Alltag nimmt Clara Gegenstände, die im linken Greifraum liegen, mit der linken Hand auf. Für eine wei-

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x

li

re li

auffällig

grenzwertig

Leistungseben

re

x

Durchschnitt

32 13

Rechts

Links 40

Kontralaterale Reakt. 45

Links

72

4

Links

Rechts

71

Rechts

Bimanuelle Kooperation

Überkreuzen der Körpermitte

Leistung: Fertigkeit

Leistung: Fähigkeit

Präferenz: Geschult FHP

Präferenz: Ungeschult FHP

75

Interne Konstanz

Gesamt

Händigkeitsdimension

Leistungswerte der L und R Hand

Spiegel 54

Rechts 0 Parallel 68

Links 0

Punktieren 54

Klopfen 15

Bimanuell 68

Bimanuell 24

Mitte 90

Nachspuren 9

Hämmern 23

Unimanuell 84

Unimanuell 100

IHD % Teil-Lateralitäts-quotienten

Inter-Hand-Differenz

Gesamt 61

Gesamt 0

Gesamt 32

Gesamt 19

Gesamt 76

Gesamt 62

IHD % Gesamtquotienten L+ 1

gr. IHD L 2

L– 3

VI 4

x

4,5

x

R– 6

x

x

R 7

x

x

R+ 8

gr. IHD

© Prof. Dr. Elke Kraus Version: 2011-03-06

Vr 5

kleine IHD

6.6 Fallbeispiele

Abb. 6.27 Händigkeitsprofil von Clara.

6

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Die Händigkeit des Kindes tere Aktion übergibt sie den Gegenstand oder das Werkzeug in die rechte Hand. Solche Beobachtungen haben dazu geführt, dass die Lehrerin vermutet hat, dass Clara eine Linkshänderin sein könnte, die zum Schreiben mit der rechten Hand angehalten wurde. Mit der genauen und differenzierten Händigkeitstestung wurde diese Vermutung widerlegt. Clara ist eine ausgeprägte Rechtshänderin. Eine genaue Analyse des Schreibens und der Schrift wird durchgeführt. Anschließend können mit Clara Strategien entwickelt werden, die ihr das Schreiben erleichtern. Zusätzlich werden Übungen zum Kreuzen der Körpermitte in die Therapie und in den Alltag eingebaut.

Übungen zum Kreuzen der Körpermittellinie Bei der Durchführung von Übungen zum Kreuzen der Körpermittellinie sollte die Aufmerksamkeit des Kindes immer bei der Aktivität und deren Ziel und nicht beim Kreuzen liegen. Die unten beschriebenen Aktivitäten haben sich in der Praxis bewährt. Die Therapeutin muss das Kind bei der Durchführung jedoch genau beobachten. Viele Kinder finden Umgehungswege, um das Kreuzen der Körpermitte zu vermeiden: Sie verändern z. B. ihre Position, drehen den Körper oder verändern die Aufgabenstellung geringfügig. Mit Geschick und Phantasie sollte die Therapeutin die Aktivität dann abwandeln und so adaptieren, dass das Kind mit Freude bei der Sache ist und trotzdem das therapeutische Ziel erreicht wird.

Klatschspiele (zu zweit) Therapeutin und Kind sitzen einander gegenüber, sprechen einen Reim und klatschen mit den Händen. Abwechselnd wird mit den eigenen Händen, mit den rechten Händen, mit den eigenen und mit den linken Händen geklatscht. Wichtig ist es darauf zu achten, dass beim gemeinsamen Klatschen der rechten bzw. linken Hände das Kind die eigene Körperachse überquert. D. h. die Therapeutin kann anfangs mit ihrer Hand dem Kind „entgegenkommen“, bis das Kind in den Rhythmus gefunden hat. Später sollte jedoch das Kind kreuzen.

214

Abb. 6.28 Sitzen mit der Stuhllehne zum Tisch. (Foto: Erna Schönthaler)

Klatschspiele (alleine) Das Kind sitzt und klatscht in einem Rhythmus, eventuell zu einem Reim, mit den Händen, mit der rechten Hand auf das linke Knie, mit den Händen, mit der linken Hand auf das rechte Knie.

Großflächige Spiele – Sitz auf der Reitsitzbank Großflächige Spiele an einem Tisch oder auf einer Magnetwand, bei denen beide Hände zum Einsatz kommen oder Gegenstände verschoben werden etc., eigenen sich gut zum Kreuzen. Damit sich das Kind nicht auf dem Stuhl dreht, ist es günstig, wenn der Stuhl mit der Lehne zum Tisch steht (▶ Abb. 6.28). Alternativ kann das Kind auch im Reitsitz auf einer Bank sitzen.

Seitwärts klettern auf der Sprossenwand (wenn 2 oder mehr Sprossenwände nebeneinander vorhanden sind) Um an der Sprossenwand seitlich entlangzuklettern, soll das Kind mit den Händen nicht nur seitlich weiterrutschen, sondern mit einer Hand über die andere greifen. Die Stellen zum Anhalten können auch als „Klettergriffe“ gekennzeichnet werden. 2 unterschiedliche Farbklebepunkte werden abwechselnd aufgeklebt. Für jede Hand sind nur

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6.6 Fallbeispiele die Griffe einer Farbe bestimmt. Beim seitlichen Weiterklettern werden die Hände überkreuzt. Anschließen kann das Kind die Richtung wechseln und zur anderen Seite klettern. Variante: Beim Dschungelklettern dürfen sich die Hände nicht an den Sprossen, sondern nur an den befestigten roten und blauen Bändern festhalten, die wie Halteschlaufen im Autobus hängen. Auch die Bänder sind so befestigt, dass das Kind beim Weiterklettern kreuzt.

Aktivitäten auf der Sprossenwand/ Strickleiter Wenn das Kind auf einer Sprossenwand oder einer Strickleiter steht, benötigt es zumindest eine Hand zum Festhalten. Dem Kind werden Gegenstände zugereicht, die es dann in einen Sack einwerfen oder auf einem Podest ablegen soll. Die Bohnensäckchen, Bälle, Wäscheklammern, Figuren etc. werden so angeboten, dass das Kind beim Ergreifen oder beim Ablegen überkreuzt. In diesem Spiel sollte nicht bei jeder Aktion ein Überkreuzen angestrebt werden. Der Wechsel von überkreuzendem und ipsilateralem Greifen entspricht einem natürlichen Bewegungsablauf.

Regenbogen oder Achter malen Auf dem Tisch, einer Malwand oder einem Spiegel malt das Kind mit Stiften, Kreiden, Fingerfarben oder einem Schwamm liegende Achter oder Regenbögen. Sehr förderlich ist ein bimanuelles Kreuzen, d. h. wenn beide Hände gemeinsam malen, wie es z. B. mit einem großen Schwamm möglich ist. Die Position des Kindes sollte durch das Sitzen auf einer Reitsitzbank oder dem Stehen auf vorgegebenen Plätzen (Fußspuren auf dem Boden) mittig vor der Malfläche sein.

Landhockey, Besenhockey Mit einem Landhockeyschläger, einem Eishockeyschläger oder mit einem Besen können Spiele mit einem Puck oder einem Sandsäckchen ausgetragen werden. Auch ein Zielschießen oder ein Parcours, wie im Golfspiel, können aufgebaut werden. Ziele können mit Isolierband oder Malerkrepp auf dem Boden markiert werden.

Kiwido™ oder Poi Kiwido und Poi sind 2 unterschiedliche Namen für das gleiche Prinzip und für Kinder ein sehr motivierendes Spiel. Profis spielen mit 2 Kiwidos, aber schon mit einem Kiwido schauen einfache Übungen effektvoll aus. Wichtig ist, dass die Schnüre von der Hand zum Kiwido und eventuell am Kiwido angebrachte Bänder der Größe des Kindes angepasst werden. Begonnen wird meist mit dem Drehen von einem Kiwido seitlich des Körpers. Anschließend kann das Kiwido vor dem Körper in einem Kreis (▶ Abb. 6.29) oder in einer Acht geführt werden. Später wird die Acht mit einer Schlaufe rechts und einer Schlaufe links des Körpers geübt. Übungen und Anleitungen zum Herstellen von Pois und Kiwidos findet man im Internet.

6

Kinder mit einer schwach ausgeprägten Handpräferenz und konstanter Händigkeit innerhalb von Aktivitäten

6.6.4

Bei Kindern, die im Alltag die rechte wie auch die linke Hand einsetzen, muss in der Händigkeitstestung die Präferenz und die Konstanz des Handeinsatzes abgeklärt werden. Kinder, die manche Aktivitäten konstant rechts und andere konstant links ausführen, können eine gute Geschicklichkeit entwickeln und Bewegungen automatisieren. Sie haben eine schwach ausgeprägte oder gemischte Händigkeit (Kap. 6.1.4).

Alexander 6;3 Jahre Anamnese Alexander (6;3 Jahre) kommt zur Händigkeitsberatung, weil seine Händigkeit nicht eindeutig scheint. Er geht in die 1. Klasse der Grundschule und plagt sich mit dem Schreiben. Alexander hat im Kindergartenalter wenig gezeichnet, dann nach einer Phase des wechselnden Handgebrauchs mit der linken Hand gezeichnet und später auch geschrieben. Einige andere Tätigkeiten, wie Essen oder Schneiden mit der Schere, führt er mit der rechten Hand aus. Alexander hatte bereits im Kindergartenalter Ergotherapie. Seine Mutter berichtet, dass v. a. an der grobmotorischen Koordination und der Haltungsstabilität gearbeitet wurde, weil er eher ein hypo-

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Die Händigkeit des Kindes

Abb. 6.29 Kiwido™: Drehen vor dem Körper. (Foto: Erna Schönthaler) a Nach rechts. b Nach links.

tones Kind war. Er hatte keine Verletzungen des Armes. Die Eltern geben an, dass es in der Familie keine Vorbehalte gegen das Schreiben oder andere Tätigkeiten mit der linken Hand gibt. Zur Testung wurde das Händigkeitsprofil (Kraus 2011) und eine Aufgabenstellung aus der M-ABC-2 (Petermann 2009) verwendet.

Handpräferenz Von den ungeschulten unimanuellen Aktivitäten führt Alexander 4 konstant mit der linken Hand aus (Schütteln der Schachtel, Spiel mit dem Kreisel, Fußballspielen mit dem kleinen Bären und Würfeln). Bei den ungeschulten bimanuellen Aktivitäten hat er in 2 Aktivitäten eine Konstanz der rechten Hand (Kartenausteilen, Aufschrauben der Mutter) und in 2 Aktivitäten eine Konstanz der linken Hand (Tubenöffnen, Öffnen der Schachtel). Von den 6 geschulten unimanuellen Aufgaben führt Alexander 3 Aktivitäten ausschließlich mit der linken Hand aus (Schreiben in der Luft, Werfen eines Balls und Malen). In den geschulten bimanuellen Aktivitäten setzt er in 4 Aktivitäten konstant die rechte Hand ein (Benutzen von Schraubenzieher, Messer und Gabel, Schere, Streichholz).

216

Die Berechnung ergibt für die unimanuellen Aufgaben eine Präferenz der linken Hand und für die bimanuellen Aktivitäten eine Präferenz der rechten Hand. Der Wert für ungeschulte Aktivitäten zeigt eine schwache Präferenz der linken und für geschulte Aktivitäten eine ganz leichte Präferenz der rechten Hand. Der Gesamtwert der Handpräferenz ergibt eine leichte Präferenz der linken Hand. Alexander hat in 67 % der Aktivitäten einen konstanten Handeinsatz (38 % links und 29 % rechts). Nur 3 der 24 Aktivitäten führt er rechts und links gleich oft aus. Das bedeutet, dass Alexander nur sehr wenig innerhalb einer Aktivität wechselt. Zusätzliche Beobachtungen zeigen ebenfalls eine Präferenz der linken Hand: Zählen mit den Fingern, Zeigen und Abzählen von Steckern, Deuten mit der Hand, Drücken der Tasten der Stoppuhr.

Grafomotorische Fertigkeiten Sowohl das Nachspuren als auch das Punktieren führt Alexander zuerst mit der linken Hand aus und er ist in beiden Tätigkeiten mit der linken Hand geschickter. Beim Nachspuren fährt er mit der rechten Hand 7-mal, mit der linken Hand kein einziges Mal aus der breiten Begrenzung hinaus.

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6.6 Fallbeispiele Die Strichführung mit der linken Hand ist deutlich besser als mit der rechten Hand. Beim Punktieren setzt Alexander mit der linken Hand alle Punkte in 19 Sekunden exakt; mit der rechten Hand setzt er in 26 Sekunden nur 11 der 30 Punkte genau. Das Punktieren fällt Alexander mit der linken Hand deutlich leichter als mit der rechten Hand. Die Berechnung der Leistungsdifferenz ergibt eine eindeutige Leistungsüberlegenheit der linken Hand. Typischerweise ist diese Überlegenheit beim Punktieren stärker ausgeprägt als beim Nachspuren. Alexander führt die grafomotorischen Leistungen mit der linken Hand gut und genau aus.

Ungeschulte motorische Fähigkeiten Beim Hämmern schafft Alexander in 15 Sekunden rechts 72 und links 78 Schläge, beim Klopfen aus dem Handgelenk rechts 70 und links 75 Schläge. Die Berechnung der Anzahl der Schläge und der Genauigkeit ergibt für das Hämmern eine deutliche Überlegenheit der linken Hand und für das Klopfen keinen Leistungsunterschied. Der Gesamtwert dieses Testbereichs ergibt einen Wert eines wenig ausgeprägten Linkshänders.

Kreuzen der Körpermitte Alexander nimmt alle Steine, die auf der linken Seite liegen, mit der linken Hand und alle Steine der rechten Seite mit der rechten Hand auf. Von den 10 Steinen in der Mitte nimmt er 6 mit der linken Hand. Insgesamt setzt er links zu rechts im Verhältnis 16 zu 14 ein und überkreuzt in diesem Subtest die Körpermitte nicht.

Bimanuelle Kooperation Beim gleichzeitigen Zeichnen von Kreisen mit der rechten und der linken Hand ist ein deutlicher Unterschied erkennbar. Die Stifthaltung ist links besser und die Kreise der linken Hand sind runder. Bei den parallelen Bewegungen behält Alexander mit der linken Hand die Richtung immer bei, mit der rechten nicht.

Handmotorik In der Aufgabenstellung „Stecker wenden“ aus dem Subtest der M-ABC-2 (Petermann 2009) benötigt Alexander im besseren von 2 Versuchen mit der rechten Hand 26 und mit der linken Hand 23 Sekunden, um 12 Stifte jeweils einzeln heraus-

zunehmen, in der Hand zu wenden und wieder einzustecken. Während Alexander sich mit der linken Hand vom 1. auf den 2. Versuch deutlich steigert, kann er sich mit der rechten Hand nicht verbessern. Es ist deutlich erkennbar, dass die linke Hand flüssiger agiert und während des Arbeitens mit der rechten Hand leichte Mitbewegungen auftreten.

Interpretation der Ergebnisse und Empfehlungen Alexander ist ein schwach ausgeprägter Linkshänder. Er führt die meisten Aktivitäten konstant oder öfter mit der linken Hand aus und erreicht bei fast allen Leistungstests mit dieser Hand bessere Ergebnisse. Einige Aktivitäten führt er öfter oder sogar konstant mit der rechten Hand aus. Eine Konstanz innerhalb einer Aufgabe (d. h. immer eine Hand für eine bestimmte Tätigkeit zu verwenden) ist wichtiger und weniger problematisch als ein Wechseln bei der gleichen Tätigkeit. Alexander sollte daher nicht gedrängt werden, alle Aktivitäten mit der linken Hand auszuführen. Alexander zeigt im Test kein Kreuzen der Körpermitte. Auch im Alltag wird er Gegenstände, die links der Körpermitte liegen, mit der linken Hand ergreifen und Gegenstände, die rechts der Körpermitte liegen, rechts ergreifen. Beobachtungen dieses Verhaltens können dazu führen, dass seine Händigkeit sehr unklar erscheint. Das Kreuzen der Körpermitte ist jedoch unabhängig von der Händigkeit zu betrachten. Hinsichtlich seiner Probleme beim Schreiben wird eine genaue Analyse der Schrift und des Schreibens durchgeführt und mit Alexander werden gemeinsam gezielte Strategien für ein effizienteres Schreiben entwickelt. Eine Therapie mit dem CO-OP-Ansatz (Polatajko u. Mandich 2008) erscheint sinnvoll (5.1).

6

Linkshändige Kinder, die für das Schreiben auf die rechte Hand umgeschult wurden

6.6.5

Bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts mussten alle Kinder in Deutschland und Österreich mit der rechten Hand schreiben. Der Lehrplan sieht dieses Umlernen (auch Umschulen genannt) schon lange nicht mehr vor. Dennoch gibt es Eltern oder Großeltern, die meinen, dass das Schreiben mit der linken Hand schwierig sei und es für das Kind doch

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Die Händigkeit des Kindes besser und einfacher wäre, wenn es mit der rechten Hand schriebe. Durch viel Aufklärungsarbeit ist dieses Denken und Manipulieren von Kindern selten geworden. Präventive Arbeit und Information für ein „händigkeitsgerechtes“ und sensibles Verhalten von Eltern und Pädagogen ist sicher die wichtigste Voraussetzung dafür, dass keine Umschulungen mehr durchgeführt werden.

Umschulungsfolgen Die Umschulung eines Linkshänders auf das Schreiben mit der rechten Hand erfordert einen zusätzlichen Energieaufwand und stellt eine große Anstrengung für das Kind dar. Sattler (2007) beschreibt primäre und sekundäre Probleme, die als Reaktion auf diese Überbelastung entstehen können und bezeichnet sie als Umschulungsfolgen. Als primäre Umschulungsfolgen nennt sie u. a. Gedächtnis-, Konzentrations- oder Sprachstörungen. Überkompensation, Unsicherheit oder emotionale Probleme sind einige der aufgelisteten sekundären Umschulungsfolgen. Kraus (2009) meint, dass jeder Linkshänder auf das Umlernen unterschiedlich reagiert und manche Personen kaum Probleme haben, während andere von vielen Schwierigkeiten berichten. Alle die genannten Probleme sind jedoch keine spezifischen Symptome, die eindeutig auf eine Umschulung der Händigkeit hinweisen. Es gibt viele andere Ursachen, die zu diesen Schwierigkeiten führen können. Kinder, die mit der „Verdachtsdiagnose“ der Umschulung zur Händigkeitstestung kommen, zeichnen oder schreiben rechts. Bei manchen Kindern haben Pädagogen diese Vermutung geäußert, weil sie bemerkt haben, dass das Kind im Alltag die linke Hand oft einsetzt. Manche Eltern haben über Umschulungsfolgen gelesen und entdecken diese Symptome bei ihrem Kind. Sie möchten abklären lassen, ob eine unbeabsichtigte Umschulung zu den schulischen Schwierigkeiten ihres Kindes geführt hat, und haben die Hoffnung, dass diese Probleme mit einer Rückschulung zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden können. Bei vielen Kindern stellt sich in der Testung heraus, dass sie entweder schwach ausgeprägte Rechtshänder sind oder dass sie das Kreuzen der Körpermittellinie vermeiden und daher die linke Hand etwas mehr als ein ausgeprägt rechtshändiges Kind einsetzen. Bei allen diesen Kindern muss nach anderen Ursachen für ihre Probleme gesucht werden.

218

In der Beratung für linkshändige Kinder wird teilweise ein Schwerpunkt auf das Aufspüren von „unerkannten Linkshändern“ gelegt. Damit werden manche Eltern oder Lehrer verunsichert oder auch Hoffnungen geweckt, dass schulische Probleme leicht gelöst werden könnten. Einige Pädagogen führen sogar ein Screening der Händigkeit ihrer Kinder durch, weil sie davon ausgehen, dass 20–50 % der Kinder in ihrer Gruppe oder Schulklasse linkshändig sein müssten. Aufgrund dieser (falschen) Annahme sind sie überzeugt, dass es sehr viele „unerkannte Linkshänder“ gibt.

Fokus auf die Beratung für linkshändige Kinder legen In 6.1 wurde jedoch bereits gezeigt, dass man international von einem Linkshänderanteil von 10 – 12 % der Gesamtbevölkerung ausgeht. Es ist unwahrscheinlich, dass der Linkshänderanteil in den deutschsprachigen Ländern deutlich höher liegt. Der Fokus sollte daher mehr auf der Beratung für linkshändige Kinder (siehe Kap. 7) und auf einem händigkeitssensiblen Verhalten liegen (siehe Kap. 6.7) als auf der Suche nach unerkannten Linkshändern.

Tests bei Verdacht auf durchgeführte Umschulung Durch Druck oder unbedachte Aussagen von Eltern und Großeltern oder durch ein Anpassen des Kindes an die Mehrheit der Rechtshänder kommen vereinzelt Umschulungen vor. Um den Verdacht der Umschulung zu bestätigen, muss in der Testung und in der Anamnese die Linkshändigkeit des Kindes ersichtlich werden. Ein linkshändiges Kind, das bewusst oder unbewusst umgeschult wurde, setzt seine linke Hand bei ungeschulten Aktivitäten wie Drehen eines Kreisels, Würfeln oder Einsetzen von Steckern ein. Es führt geschulte Aktivitäten wie Schreiben, Malen, Schneiden mit dem Messer und mit der Schere mit der rechten Hand aus. Es hat eine gute Leistung in der linken Hand. In grafomotorischen Aufgaben, v. a. bei Nachspuraufgaben, ist die rechte Hand aufgrund der Übung der linken überlegen. In Punktieraufgaben erreichen die Hände annähernd gleiche Leistungen, weil in Punktieraufgaben die Übung durch das Schreiben nicht so stark einfließt wie in Nachspuraufgaben. In ungeschulten motorischen Aufgaben

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6.7 Händigkeitssensibles oder händigkeitsgerechtes Verhalten von Eltern und Pädagogen wie dem Tapping und auch in anderen motorischen Tests übertrifft die linke Hand die rechte.

Rückschulung? Ob das Kind als Kleinkind v. a. mit der linken Hand agiert hat, kann einerseits von den Eltern erfragt werden oder ist vielleicht auf Fotos aus dieser Zeit ersichtlich. Gemeinsam mit den Eltern sollte überlegt werden, woher der Einfluss zum rechtshändigen Schreiben kommen könnte. Erst wenn alle Indizien und die Testergebnisse auf eine Umschulung hindeuten, sollte eine Rückschulung überlegt werden. Ein Rückschulen auf das Schreiben mit der linken Hand darf nur dann durchgeführt werden, wenn sowohl Kind als auch Eltern zustimmen und motiviert sind (Sattler 2007, Kraus 2009). Für diesen Prozess ist eine stressfreie Zeit von mindestens 8 Wochen, in der das Kind wenig schreiben muss, erforderlich. Sattler schreibt, dass für eine Rückschulung v. a. dann gute Chancen bestehen, wenn ein Kind erst mit Schulbeginn umgeschult wurde. Später als in der 3. Klasse solle keine Rückschulung mehr durchgeführt werden. Für Kinder, die bereits im Alter von 15 Monaten bis zu 3 Jahren zur rechten Hand hin gedrängt wurden, sind die Chancen für eine erfolgreiche Rückschulung gering (Sattler 2007). Genauso wie eine Umschulung ist eine Rückschulung ein ungewisses Vorhaben und sollte nur von erfahrenen und darin geschulten Personen durchgeführt werden (Sattler 2007, Kraus 2009). Daher wird die Rückschulung an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Manche Kinder erkennen rasch, dass sie eigentlich mit der linken Hand geschickter sind und beim Schreiben besser zurechtkommen. Bei anderen Kindern müssen Rückschulungsversuche wegen negativer emotionaler oder vegetativer Reaktionen oder aufgrund von fehlendem Erfolg wieder abgebrochen werden. Eine Therapeutin kann dem Kind nur Angebote geben, beobachten und nachfragen. Wie sich das Tun mit den Händen anfühlt und ob das Kind sich wohl fühlt, kann letztlich nur das Kind selbst entscheiden (vgl. Kraus 2009).

Händigkeitssensibles oder händigkeitsgerechtes Verhalten von Eltern und Pädagogen

6.7

Damit ein Kind seine Händigkeit frei entfalten kann, muss eine Beeinflussung der Präferenz vermieden werden. Solange die Händigkeit des Kindes nicht eindeutig ist, sollten Eltern und Pädagogen darauf achten, dass sie das Kind nicht in eine Richtung drängen. Gegenstände zum Ergreifen können dem Kind vor der Körpermitte angeboten werden.

Wichtig Eines der ersten „Werkzeuge“, für die sich ein Kind interessiert, ist der Löffel. Er kann dem Kind mittig hingehalten oder auch in der Mitte des Tellers platziert werden. Auch spätere Werkzeuge wie Buntstifte oder Zahnbürste dürfen dem Kind nicht „in die Hand gedrückt“ werden, sondern werden dem Kind so angeboten, dass es sich frei für eine Hand entscheiden kann. Sobald die Handpräferenz des Kindes eindeutig ist, kann das Besteck entsprechend der Händigkeit des Kindes aufgedeckt werden. Tagesmütter, Kleinkindpädagogen oder Lehrer sollten routinemäßig die Händigkeit jedes Kindes, das neu in die Gruppe oder Klasse kommt, erfragen und die Händigkeit des Kindes im Alltag berücksichtigen.

6

Für den Umgang mit linkshändigen Kindern siehe Kap. 7 „Linkshandberatung“.

6.7.1

Händigkeit thematisieren

Wenn ein Kind linkshändig ist, ist es sinnvoll, die Händigkeit mit dem Kind zu besprechen. Das Kind kann auf andere Linkshänder in der Gruppe oder der Familie aufmerksam gemacht werden. Es erkennt, dass manche Menschen mit der linken Hand essen, zeichnen oder schneiden und andere mit der rechten Hand. Indem die Händigkeit thematisiert wird, kann vermieden werden, dass das Kind meint, sich an das Mehrheitsverhalten der Rechtshänder anpassen zu müssen. Auch Bilderbücher mit linkshändigen Kindern dienen der Identifikation. Es wäre wünschenswert, wenn in Bilderbüchern und Schulbüchern immer wieder linkshändige Kinder abgebildet wären, damit auch ein

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Die Händigkeit des Kindes linkshändiges Kind sich darin wiederfinden kann. Leider ist das derzeit kaum der Fall. Das Kind soll ein natürliches und sicheres Verhältnis zu seiner Händigkeit entwickeln. Ein übertriebenes Betonen der Händigkeit ist allerdings auch nicht förderlich. Im Sprachgebrauch sollte darauf geachtet werden, dass wertendes Vokabular in Verbindung mit einer Seite vermieden wird. Redewendungen wie „linkisch“ für ungeschickt oder „die rechte Hand ist die richtige“ können das Kind verunsichern. Wenn ein Kind beim Erlernen einer neuen Aktivität mit den Händen geführt wird, darf es nicht unbedacht mit der präferierten Hand des Erwachsenen geführt werden. Das Kind muss entsprechend seiner Händigkeit geführt werden. Solange die Präferenz noch nicht eindeutig ist, lässt man das Kind zuerst mit der Tätigkeit beginnen und wartet, bis erkennbar ist, welche Hand welche Aufgabe übernimmt. Danach kann das Kind entsprechend der „Rollenverteilung“ seiner Hände geführt werden.

Entwicklung der Händigkeit durch vielfältige Aktivität

6.7.2

Eine gute Unterstützung für die Entwicklung der Handgeschicklichkeit und der Händigkeit gibt man einem Kind, wenn es viele Möglichkeiten bekommt, vielfältig mit den Händen aktiv zu werden. Spiele, Alltagsaktivitäten, handwerkliche Tätigkeiten, bei denen das Kind seine Hände unterschiedlich einsetzen kann, ermöglichen ihm, seine Fähigkeiten zu entdecken und zu steigern.

Ein kleines Kind hält mit einer Hand einen Becher und legt mit der anderen Hand Bausteine hinein, fädelt Perlen auf eine Schnur oder legt Bausteine aneinander. Später erfordern das Bauen mit Konstruktionsspielen beim Stecken und Schrauben genauso wie das Ankleiden der Puppe oder die Verschlüsse der eigenen Kleidung das Zusammenspiel der Hände. Einfache und komplexe Bastelarbeiten oder handwerkliche Tätigkeiten bieten vielfältige Möglichkeiten: Reißen von Papier, Arbeiten mit Knete, Falten, Kleben, Schneiden, Sägen, Hämmern, Anfertigen von Stickbilder auf Karton, Flechten oder Filzen. Auch die Mithilfe in der Küche beim Schneiden, Schälen, Reiben oder Rühren sowie viele im Handel angebotene Spiele oder sportliche Aktivitäten fördern die Koordination und die Rollenverteilung der Hände. Bei den meisten Kindern ist die Handpräferenz bereits im Alter von 18 Monaten bis 2 Jahren erkennbar. Vor allem die Zeit vom 18. Monat bis zum 3. oder 4. Lebensjahr ist eine sensible Zeit für die Entwicklung der Händigkeit. Weder darf das Kind in eine Richtung gedrängt werden, noch sollte aus einzelnen Beobachtungen vorschnell auf die Handpräferenz des Kindes geschlossen werden. Wenn bei einem 4-jährigen Kind die Handpräferenz noch nicht erkennbar ist, sollte eine erste Händigkeitstestung durchgeführt werden und danach entschieden werden, ob eine Therapie erforderlich ist. Ziel ist, dass jedes Kind entsprechend seiner Handpräferenz und Handleistung eine Aufgabenverteilung und Spezialisierung der Hände entwickelt, mit der es sich wohl fühlt.

Wichtig Besonders bimanuelle Aktivitäten, d. h. Aufgaben, bei denen beide Hände zum Einsatz kommen, unterstützen die Entwicklung der Händigkeit.

220

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Kapitel 7 Linkshandberatung

7.1 7.2

Warum Linkshandberatung?

222

Linkshandberatung in der Ergotherapie

222

7.3

Linkshändiges Schreiben 223

7.4

Gebrauchsgegenstände für Linkshänder

232

Linkshändige Kinder im Kindergarten und in der Schule

235

Spezielle Überlegungen zum Thema Freizeit und Hobby

237

Spezielle Überlegungen zum Thema Selbstversorgung

238

Zusammenfassung

238

7.5

7.6

7.7

7.8

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Linkshandberatung

7 Linkshandberatung Ingrid Sarközi

7.1

Warum Linkshandberatung?

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, Linkshänder zumindest beim Schreiben mit teils drastischen Maßnahmen zum Gebrauch der rechten Hand anzuhalten. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass eine Umschulung der Händigkeit für die Entwicklung des Kindes hinderlich ist. Bewusste Umschulungen werden kaum mehr vorgenommen, Linkshändigkeit wird akzeptiert. Dennoch machen sich viele Eltern linkshändiger Kinder Sorgen über deren Entwicklung. Sie befürchten Schwierigkeiten und Benachteiligungen in verschiedenen Lebensbereichen, z. B. beim Erlernen des Schreibens. Diese Sorgen sind nicht ganz unberechtigt.

Wichtig Linkshändige Kinder sind genauso geschickt wie rechtshändige, jedoch wachsen sie in einer rechtshändig orientierten Gesellschaft auf. Alltägliche Gegenstände sind auf den rechtshändigen Gebrauch ausgelegt und das linkshändige Kind findet häufig keine geeigneten linkshändigen Vorbilder in seinem Umfeld vor.

Erst seit wenigen Jahren befassen sich Fachleute wie Ergotherapeuten und Psychologen mit der Lebensrealität von Linkshändern. Für heute erwachsene Linkshänder war es erforderlich, sich an die Gegebenheiten anzupassen. Sie haben selbst Strategien gefunden, z. B. für das Schreiben, ohne die Tinte zu verwischen, oder für das Schneiden mit einer Rechtshänderschere. Dieser Prozess der Anpassung erfordert jedoch ein erhöhtes Maß an Anstrengung. Die Ausführung erfolgt häufig unergonomisch – ein Beispiel dafür ist die „Hakenhaltung von oben“ beim Schreiben. Selbst wenn ein linkshändiges Kind in seinem Umfeld erwachsene Linkshänder erlebt, sind diese daher häufig keine geeigneten Vorbilder in Bezug auf das Erlernen einer entspannten Schreibhaltung oder verschiedener feinmotorischer Tätigkeiten, wie Schneiden mit der Schere, Handarbeiten oder den Umgang mit Werkzeug.

222

„Linkshändige Kinder haben gleiche Rechte auf einen angemessenen Spiel- und Arbeitsplatz, auf händigkeitsneutrales Spielzeug, auf passende Gebrauchsgegenstände und auf adäquate Hilfestellungen beim Erlernen unserer Kulturtechniken wie rechtshändige Kinder“ (Sattler 2007a, S. 8). Durch eine fachlich fundierte und individuell abgestimmte Linkshandberatung erhält das Kind die gleichen Entwicklungsvoraussetzungen, welche ein rechtshändiges Kind ohnehin vorfindet.

Linkshandberatung in der Ergotherapie

7.2

Ergotherapeuten haben ein umfassendes Wissen über verschiedene Aspekte der Handgeschicklichkeit, so auch über Händigkeitsentwicklung und Linkshändigkeit. Sie nutzen dieses Wissen, um die Handlungsfähigkeit ihrer Klienten zu verbessern. Linkshänder stoßen in ihrem Alltag häufig auf Gegebenheiten, die sie in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken, wie ungeeignete Gebrauchsgegenstände oder fehlende Vorbilder. „Spezialisierte Ergotherapeuten sind wie keine andere Berufsgruppe in der Lage, linkshändige Kinder zu unterstützen und zu fördern. Die Beratung der Eltern und der fachliche Austausch mit pädagogischen Fachpersonen gehört zu ihrem Aufgabengebiet“ (Kisch u. Pauli 2011, S. 67).

Wichtig Grundsätzlich gilt: ● Eine Linkshandberatung ist für jedes linkshändige Kind sinnvoll. ● Je früher diese stattfindet, umso besser ist dies für die Entwicklung des Kindes. Denn ist ein Bewegungs- und Handlungsmuster bereits automatisiert, so erfordert es viel Übung und Anstrengung, dieses wieder zu verändern.

Im therapeutischen Alltag begegnen uns eher jene Kinder, die bereits Einschränkungen in ihrer Handlungsfähigkeit erleben.

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7.3 Linkshändiges Schreiben









Hier einige Beispiele: das linkshändige Kindergartenkind, das wenig Lust am Malen und Basteln hat und das im Umgang mit Verschlüssen ungeschickt wirkt; der linkshändige Schreibanfänger, der komplexe grafomotorische Anforderungen zu meistern hat und sich bereits eine ungünstige Schreib- und Blatthaltung angewöhnt hat; das linkshändige 8-jährige Kind, das große Probleme beim Schreiben mit der Füllfeder hat und in der Schule Handarbeiten ablehnt; der jugendliche Linkshänder, der aufgrund einer verkrampften und unergonomischen Schreibhaltung an Folgeerscheinungen wie Schulter- und Nackenverspannungen oder häufigen Sehnenscheidenentzündungen leidet.

Bei all diesen Kindern ist, neben einer differenzierten Befundung und – falls erforderlich – einer Therapie, eine Linkshandberatung wichtig.

Form und Umfang der Linkshandberatung

7.2.1

Linkshandberatung kann je nach Bedarf und Komplexität eine Beratungseinheit, mehrere Einheiten in größeren Abständen oder auch eine langfristige therapeutische Begleitung erfordern. Sie kann im Einzelsetting und in der Gruppe stattfinden und folgende Themen beinhalten: ● linkshändiges Schreiben, ● Gebrauchsgegenstände für Linkshänder, ● linkshändige Kinder im Kindergarten und in der Schule, ● spezielle Überlegungen zum Thema Freizeit und Hobby, ● spezielle Überlegungen zum Thema Selbstversorgung.

Liebevolles Akzeptieren des „Andersseins“

7.2.2

Für eine gelungene Linkshandberatung ist es unumgänglich, auch emotionale Aspekte zu beachten. Linkshändigkeit ist eine Form des „Andersseins“. Sowohl Eltern als auch Kinder können damit Schwierigkeiten haben, die sich in Vorurteilen, Sorgen oder Ablehnung der Händigkeit zeigen. „Auch darf man nicht vergessen, dass die Linkshändigkeit vom Kind oft als persönliche Eigenschaft empfunden und Vorbehalte dagegen als Zurückweisung seiner gesamten Person gedeutet

werden. Werden seine Linkshändigkeit und der damit oft verbundene Mehraufwand liebevoll akzeptiert, wirkt sich dies sehr positiv auf die emotionale Entwicklung aus“ (Weber 2008, S. 66).

Wichtig Eltern und Pädagogen auch in emotionalen Themen zu unterstützen, ist ein wichtiger und grundlegender Bestandteil jeder Linkshandberatung.

Linkshänder führen, je nach Ausprägung der Händigkeit, alle oder nur bestimmte Tätigkeiten mit der linken Hand aus. Dabei sollten Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Geschicklichkeit erfordern, wie z. B. Schreiben, konstant mit derselben Hand ausgeführt werden (siehe Kap. 6).

7.2.3

7

Fragen an die Eltern

Um auf die jeweils individuelle Situation des Kindes eingehen zu können, ist es sinnvoll, folgende Fragen vorab mit den Eltern zu klären: ● Seit wann ist die Linkshändigkeit des Kindes eindeutig? ● Welche Tätigkeiten führt das Kind mit der linken Hand aus? ● Zeigt das Kind eine Konstanz im Handgebrauch, d. h. verwendet es für die gleiche Tätigkeit immer die gleiche Hand? ● Wie verlief bisher die motorische, insbesondere die fein- und grafomotorische Entwicklung? ● Wie nimmt das Kind seine Linkshändigkeit an? ● Welche Sorgen bestehen bei den Eltern bzgl. der Händigkeit des Kindes? ● Wie reagiert das Umfeld (Großeltern, Geschwister, Pädagogen) auf die Linkshändigkeit? ● Gibt es im Umfeld linkshändige Vorbilder? ● Benutzt das Kind spezielle Gebrauchsgegenstände, wie Linkshänderschere oder Linkshänderspitzer? ● Welche alltäglichen Situationen im Kindergarten, in der Schule, in der Freizeit und zu Hause werden als belastend erlebt?

7.3

Linkshändiges Schreiben

Das linkshändige Schreiben weist im Vergleich zum rechtshändigen einige Besonderheiten auf.

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223

Linkshandberatung

Herausforderungen für das Schreiben mit der linken Hand

7.3.1

Verdecken des Geschriebenen Bei gerader oder leicht nach links geneigter Blattlage, wie sie beim Schreiben mit der rechten Hand üblich ist, verdeckt der Linkshänder mit der Schreibhand das Geschriebene. Um den Überblick zu behalten und das Geschriebene lesen zu können, muss die Schreibhand häufig abgehoben werden, was den Schreibfluss stört. Ferner ist es schwer, so die Form zu behalten, insbesondere auf einem unlinierten Blatt. Beim Schreiben mit der Füllfeder verwischt die Tinte. Linkshänder kompensieren dies häufig, indem sie in eine unphysiologische Schreibhaltung ausweichen und von oben in der sogenannten Hakenhaltung schreiben. Der Rumpf ist dabei meist leicht rotiert und zur Seite geneigt. Das Handgelenk ist stark abgewinkelt, der Stift ist in einer sehr steilen Position. Der Daumen wird oft über den Zeigefinger geschlagen, die Bewegungsfreiheit und die feine Koordination der Fingerbewegungen sind dadurch deutlich eingeschränkt (▶ Abb. 7.1).

Ziehen/Schieben des Stiftes Der Rechtshänder zieht den Stift, der Linkshänder hingegen schiebt den Stift. Der Linkshänder muss daher regelmäßig mit der Hand nachrutschen, der Stift muss dabei abgesetzt werden. Passiert dies nicht, so ist zu beobachten, dass die Finger der linken Hand während des Schreibens zunehmend in Streckung gehen. Die Stifthaltung wird zunehmend verkrampft. Flüssiges Schreiben ist dadurch deutlich erschwert.

Lage des Blattes Liegt das Blatt mittig vor dem Kind, so muss es, wenn es beim Schreiben das Ende der Zeile erreicht, den Oberkörper nach rechts verschieben, um dem linken Arm Platz zu machen. Dennoch kommen linkshändige Kinder auch ohne Unterstützung im ersten Schuljahr meist gut zurecht und können den Anforderungen in Bezug auf das Schreiben gut nachkommen. Wird jedoch vom Schreiben mit Bleistift auf Schreiben mit Füllfeder gewechselt, so gelingt die „schiebende“ Schreibbewegung weniger gut, das Geschriebene wird verwischt. Um dies zu verhindern, wird eine unphysiologische Schreibhaltung

224

Abb. 7.1 Hakenhaltung von oben. (Foto: Ingrid Sarközi)

eingenommen. Im Laufe der ersten 4 Schuljahre steigen die Anforderungen bzgl. Schreibtempo und Schreibmenge deutlich. Überbeanspruchung des Handgelenks, Muskelverkrampfungen bis hin zu Sehnenscheidenentzündungen, Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich und Kopfschmerzen sind die Folge. Die Kinder brauchen beim Schreiben viele Pausen, Schreiben macht ihnen keinen Spaß und wird teilweise abgelehnt. Die Schreibhaltung ist zu diesem Zeitpunkt bereits automatisiert, eine Veränderung ist meist nur mit viel Übung möglich.

Wichtig Es ist sinnvoll, dem Kind bereits im Kindergartenalter die richtige Blattlage nahezubringen und den optimalen Schreibvorgang bereits im Vorschulalter spielerisch zu üben. Ziel ist es, dem Kind ergonomisches und flüssiges Schreiben zu ermöglichen, ohne dass es dabei den Oberkörper verschiebt, das Geschriebene verdeckt oder die Tinte verwischt.

Im Folgenden wird der optimale Schreibvorgang unter verschiedenen Aspekten beschrieben, des Weiteren werden Möglichkeiten aufgezeigt, diesen zu üben und zu automatisieren.

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7.3 Linkshändiges Schreiben 7.3.2

Optimaler Schreibvorgang

Blattlage Um die Bewegungsfreiheit des linken Armes bis zum Ende der Zeile zu gewährleisten und ein Verschieben des Oberkörpers zu vermeiden, ist es sinnvoll, das Blatt so weit nach links zu verschieben, dass die rechte untere Ecke des Blattes auf die Körpermitte zeigt. Durch ein leichtes Kippen des Blattes nach rechts wird es möglich, den Stift bei neutraler Handgelenkposition unterhalb der Zeile zu führen (siehe Stift- und Handhaltung). Der Winkel soll

hier etwa 30° betragen, kann jedoch individuell variieren. Insbesondere bei Kindern, die erst im Laufe des ersten Schuljahrs oder später den optimalen Schreibvorgang lernen, ist es häufig notwendig, anfangs das Blatt in einem deutlich größeren Winkel zu kippen. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, dem Kind für die richtige Blattlage Erinnerungshilfen anzubieten. So können der richtige Winkel und der Punkt, an dem sich die Körpermitte befinden soll, am Schreibtisch oder auf einer Schreibtischauflage mit Klebebändern markiert werden.

Tipp Zu empfehlen ist die von Dr. Barbara Sattler entwickelte Schreibtischauflage (▶ Abb. 7.2; Sattler 2007c). Ein kleines Dreieck in der Mitte markiert die richtige Sitzposition. Die Nase des Kindes sollte in etwa über diesem Dreieck sein. Ein Winkel von 30° für die optimale Blattlage ist eingezeichnet. Darüber hinaus ist die Position der rechten Hand als Orientierungshilfe eingezeichnet (siehe Lage der rechten Hand). In gleicher Ausführung ist auch ein Schreibunterlagenblock (Sattler 2010) erhältlich. Dieser ist im therapeutischen Kontext praktisch, da die Therapeutin den individuell geeigneten Winkel einzeichnen kann und die Schreibunterlage aus Papier zum Ausprobieren zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule einfach mitgeben kann.

Stift- und Handhaltung Der Stift soll im Dreipunktgriff, also mit Daumen und Zeigefinger und am Endgelenk des Mittelfingers aufliegend gehalten werden. Um das Geschriebene gut lesen zu können, ist es wichtig, den Stift ca. 2 cm von der Spitze entfernt zu halten. Er soll locker in der Interdigitalfalte zwischen Daumen und Zeigefinger liegen. Der Zeigefinger ist dabei im Endgelenk leicht gebeugt oder gestreckt, der Daumen ist gebeugt. Ringfinger und kleiner Finger sind gebeugt. Das Ende des Stiftes weist somit über den Unterarm in Richtung der linken Schulter. Die linke Hand liegt unterhalb der Zeile an der Handkante und am kleinen Finger auf, der Stift wird nach rechts oben geschoben (▶ Abb. 7.3).

7

Abb. 7.2 Schreibtischauflage. (Foto: Ingrid Sarközi)

Diese Stift- und Handhaltung ermöglicht einen physiologischen Schreibvorgang, bei dem sich das Handgelenk in einer neutralen Position befindet, die Tinte nicht verwischt und das Geschriebene nicht verdeckt wird. Kann die Dreipunktstifthaltung oder eine andere physiologische Stifthaltung nicht eingenommen werden, so kann dies in verschiedenen Aspekten der Handgeschicklichkeit, wie z. B. mangelnde taktile und propriozeptive Reizverarbeitung, mangelnde isolierte Fingerbewegungen oder mangelnde Finger-Daumen-Opposition begründet sein. Eine differenzierte Abklärung und Therapie ist dann erforderlich.

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225

Linkshandberatung mend in Streckung gehen, die Stifthaltung würde zunehmend verkrampft und der Schreibfluss wäre unterbrochen. Die Schwierigkeiten beim Nachrutschen sind auch bei der Durchführung von Entwicklungstests wie z. B. dem FEW-2 zu bedenken. Linkshändigen Kindern fällt es schwerer, eine durchgehende Linie von links nach rechts zu ziehen. In der Auswertung ist dies jedoch nicht berücksichtigt.

Neigung der Schrift

Abb. 7.3 Günstige Stift- und Handhaltung. (Foto: Ingrid Sarközi)

Werden die bisher genannten Hinweise für einen physiologischen Schreibablauf beim Schreiben berücksichtigt, so ergibt dies eine gerade bzw. leicht nach links geneigte Schrift, im Gegensatz zur Schrift des Rechtshänders, die nach rechts geneigt ist. Pädagogen sollten die gerade oder nach links geneigte Schrift des linkshändigen Kindes tolerieren.

Schreibrichtung Lage der rechten Hand Um der linken Hand und dem linken Arm unterhalb der Zeile genügend Platz einzuräumen, wird das Blatt von der rechten Hand am rechten Blattrand und nicht in der Mitte fixiert. Es ist nicht erforderlich, die Hand flach aufzulegen. In vielen Fällen ist eine lockere, gewölbte Handhaltung geeigneter.

Sitzhaltung Es ist auf eine ruhige, gerade Sitzhaltung zu achten, bei der die linke Schulter nicht hochgezogen wird. Der Rumpf soll weder rotiert noch zur Seite geneigt oder zu weit nach vorne gebeugt sein. Ist es dem Kind nicht möglich, über eine altersadäquate Dauer diese Sitzhaltung einzunehmen, so ist es wiederum erforderlich, mögliche Ursachen abzuklären und eine adäquate Therapie anzubieten.

Nachrutschen Da der Linkshänder beim Schreiben den Stift nicht wie der Rechtshänder zieht, sondern ihn über das Blatt schiebt, ist es wichtig, dass das Kind nach einigen Buchstaben absetzt und mit der Hand nachrutscht. Andernfalls würden die Finger zuneh-

226

Bei den ersten Schreibversuchen beginnen linkshändige Kinder häufig am rechten Blattrand zu schreiben. Dieses Verhalten ist logisch, da dies die weitaus angenehmere Art ist, mit der linken Hand zu schreiben. Der Stift kann dabei über das Blatt gezogen werden, das Kind sieht das Geschriebene. Auch die Blickrichtung geht bei vielen Linkshändern von rechts nach links. Linkshändige Kinder müssen die Schreibrichtung von links nach rechts oft bewusst erlernen. Dies kann bereits im Vorschulalter spaßbetont erfolgen (siehe Kap. 7.3.4).

Bewegungsrichtung beim Schreiben von Buchstaben und Zahlen Linkshänder tendieren aufgrund anatomischer Gegebenheiten dazu, horizontale Linien von rechts nach links und vertikale Linien von unten nach oben zu ziehen. Kreise werden spontan eher im Uhrzeigersinn gezeichnet. Dies zeigt sich auch beim Schreiben von Buchstaben (▶ Abb. 7.4). Die Buchstaben werden entgegen der Schreibrichtung geschrieben. Dies kann den Schreibfluss stören, der Übergang zur Schreibschrift kann dadurch erschwert sein. Es ist daher sinnvoll, schon bei den ersten Schreibversuchen die richtige Schreib- und Bewegungsrichtung lustvoll üben zu lassen (siehe Kap. 7.3.4).

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7.3 Linkshändiges Schreiben

Stifte, Tintenroller und Füllfeder

7.3.3 richtig

O M A falsch

O M A Abb. 7.4 Beispiele für richtige und falsche Bewegungsrichtung beim Schreiben von Buchstaben.

Beim Schreiben von Zahlen kann diese Bewegungsrichtung ebenso beobachtet werden, es ist hier jedoch kaum störend, weil jede Zahl einzeln geschrieben wird. Sie kann daher beibehalten werden.

Spiegelschrift Sowohl rechtshändige als auch linkshändige Kinder schreiben anfangs hin und wieder in Spiegelschrift, bei linkshändigen Kindern kommt es jedoch häufiger vor und wird etwas länger beibehalten. Der Grund dafür ist die oben beschriebene Blick- und Bewegungsrichtung von rechts nach links. Dieses Verhalten verschwindet meist rasch nach der Einschulung. Ist dies jedoch nicht der Fall und werden Buchstaben wie b und d oder p und q weiterhin häufig verwechselt, so kann dem eine Raumorientierungsschwäche zugrunde liegen. Eine differenzierte Abklärung und Therapie ist dann erforderlich.

Arbeitsplatz Damit das linkshändige Kind beim Schreiben ausreichend Bewegungsfreiheit hat, sollte kein Rechtshänder links von ihm sitzen. Um das Geschriebene nicht zu beschatten, sollte der Lichteinfall von vorne, von oben oder von rechts kommen.

Für das linkshändige Kind ist es wichtig, weiche, gut zu schiebende Stifte, Tintenroller oder Füllfedern zur Verfügung zu haben. Griffmulden oder aufsteckbare Schreibhilfen unterstützen das Einhalten einer adäquaten Stifthaltung. Bei allen Stiften mit Griffmulden ist darauf zu achten, dass diese für Linkshänder geeignet sind. Beim Schreiben mit der Füllfeder ist unbedingt eine Linkshänderfüllfeder erforderlich. Denn abgesehen von den spiegelbildlich angeordneten Griffmulden sind bei manchen Modellen auch die Spitzen unterschiedlich geschliffen. Schreibt ein Linkshänder mit einer Rechtshänderfüllfeder, so fließt die Tinte unregelmäßig. Die Spitze kratzt über das Papier und kann nicht flüssig geschoben werden. Viele Hersteller von Schreibwaren bieten Tintenroller an. Der Vorteil eines Tintenrollers ist, dass der Stift, wie ein Kugelschreiber, in alle Bewegungsrichtungen gut gleitet. Die bei Linkshändern geschobenen Aufstriche in der Schrift können damit leichter geschrieben werden als mit einer Füllfeder. Viele Tintenroller werden mit handelsüblichen Tintenpatronen gefüllt, daher kann das Geschriebene genauso gelöscht werden wie die Schrift einer Füllfeder. Modelle mit Griffmulden gibt es in Links- und Rechtshänderausführungen.

7

Wichtig Vor dem Kauf sollten unterschiedliche Schreibgeräte ausprobiert werden, um das individuell am besten geeignete Modell zu finden. Denn jedes Kind hat unterschiedliche Vorstellungen und jede Hand hat unterschiedliche Bedürfnisse.

7.3.4

Üben und Automatisieren

Meist reicht es nicht aus, dem Kind den optimalen Schreibablauf einmal zu zeigen. Regelmäßiges Üben und eventuell therapeutische Unterstützung sind erforderlich, um den Ablauf automatisieren und im Alltag umsetzen zu können. Dabei ist es notwendig, die Übungen auf das Alter des Kindes abzustimmen.

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Linkshandberatung

Im Kindergartenalter Im Alter von 4 Jahren sollte die Händigkeitsentwicklung abgeschlossen sein, die Händigkeit sollte klar sein. Ist dies nicht der Fall, so ist die Durchführung einer fundierten Händigkeitstestung sinnvoll (siehe Kap. 6). Wenn die Händigkeit klar linksseitig ist, kann das Kind beim Malen und Zeichnen sanft an die nach links verschobene und nach rechts geneigte Blattlage gewöhnt werden. Am besten wird ihm früh eine Schreibtischauflage für Linkshänder bereitgestellt. Um die Akzeptanz dieser Schreibtischauflage zu unterstützen, kann eine Schreibunterlage aus Papier selbst gestaltet, laminiert und mit einer rutschfesten Unterlage versehen werden. Um die Dreipunktstifthaltung zu fördern, sollen dem Kind dicke, eventuell dreieckig geformte Stifte mit weicher Mine zur Verfügung stehen. Spielerisch können Bereiche der Handgeschicklichkeit, wie Finger-Daumen-Opposition, In-Hand-Manipulation oder selektive Fingerbewegungen, als Vorbereitung für eine adäquate Stifthaltung geübt werden (siehe Kap. 1 und 2).

Im Vorschulalter Es ist sinnvoll, dem Kind in diesem Alter neben der richtigen Blattlage auch die weiteren Aspekte eines optimalen Schreibvorgangs, wie Schreibrichtung, Bewegungsrichtung, Stift- und Handhaltung, Nachrutschen und die Position der rechten Hand, lustvoll näherzubringen. Dazu sind Nachspurübungen besonders geeignet. Dem Buch „Übungen für Linkshänder – Schreiben und Hantieren mit links“ (Sattler 2007b) sind eine Reihe von Übungsblättern sowie das Bild eines Zauberbaums und eine dazugehörige Geschichte beigefügt. Nachdem ein Arbeitsblatt fertig ausgefüllt ist, darf eine Frucht des Zauberbaums ausgemalt werden. Die Motivation des Kindes kann dadurch gesteigert werden. Weitere Nachspurübungen befinden sich z. B. in „Geschickte Hände zeichnen 1 und 2“ (Pauli u. Kisch 2010). Das Kind soll dazu aufgefordert werden, nach einigen Zeichen abzusetzen und die Hand nachzurücken. Das kann als „Luftsprünge machen“ bezeichnet werden.

228

Markierungen am Anfang jeder Zeile machen die Schreibrichtung deutlich, beim Nachspuren von Kreisen und Linien verdeutlichen Pfeile die optimale Bewegungsrichtung. Zur Unterstützung der Stifthaltung können aufsteckbare Schreibhilfen oder Bleistifte mit Griffmulden, z. B. aus der Serie Griffix® von Pelikan, verwendet werden. Sinn der Nachspurübungen ist es, Blattlage, Hand- und Stifthaltung zu automatisieren. Das Kind sollte gelobt werden, wenn ihm dies gelingt. Dem Ergebnis und der Form sollte zu diesem Zeitpunkt hingegen wenig Bedeutung beigemessen werden. Wichtig ist, dass das Üben Spaß macht!

Im ersten Schuljahr Hat das Kind bereits im Kindergarten- und Vorschulalter den optimalen Schreibablauf automatisiert, so benötigt es bei der Einschulung nur mehr wenig Unterstützung. Es ist sinnvoll, die optimale Blattlage weiterhin zu markieren oder eine Schreibtischauflage für Linkshänder zu verwenden. Um dem Kind das Erlernen der Buchstaben zu erleichtern, ist es sinnvoll, Schreiblehrgänge anzubieten bzw. Aufgabenblätter zu gestalten, bei denen der zu schreibende Buchstabe oder das zu schreibende Wort nicht nur links am Zeilenanfang, sondern auch am rechten Zeilenende vorgeschrieben ist. „Der Auer Schreiblehrgang für Linkshänder: Vereinfachte Ausgangsschrift“ (Berktold 2007) ist in dieser Art aufgebaut. Sowohl für die Druckschrift als auch für die Schreibschrift muss die Therapeutin die nationale oder regionale Schulschrift berücksichtigen und das Kind in der gelehrten Schrift unterstützen. Zur Unterstützung der Dreipunktstifthaltung können dem Kind je nach Vorliebe dreieckige Bleistifte, aufsteckbare Schreibhilfen oder Bleistifte mit Griffmulden angeboten werden. Hat das Kind jedoch mit dem Erlernen des Schreibens begonnen, ohne vorher Blattlage und Handhaltung zu üben, so ist es nun erforderlich, den optimalen Schreibablauf mit dem Kind zu erarbeiten. Dies erfordert meist therapeutische Begleitung.

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7.3 Linkshändiges Schreiben

Automatisierte Bewegungsabläufe Das Kind hat eventuell bereits erste Misserfolge beim Schreiben erlebt. Es muss sich mehr anstrengen als andere Kinder, die Form entspricht nicht seinen Erwartungen. Dennoch wurden Bewegungsabläufe bereits automatisiert. Beim Üben des optimalen Schreibablaufs wird das Schreiben daher zunächst noch anstrengender. Ähnlich ist die Situation, wenn das Kind bisher keine Schwierigkeiten beim Schreiben hatte. Es schreibt z. B. bei gerader Blattlage und führt die linke Hand über das Geschriebene. Es schreibt mit dem Bleistift und verwischt daher nicht. Die Stifthaltung ist zwar verkrampft, dies hat aufgrund der geringen Schreibmenge noch keine Schmerzen in Finger- und Handgelenk zur Folge. Bewegungsabläufe wurden auch hier automatisiert. Beim Üben des optimalen Schreibablaufs wird Schreiben für dieses Kind erstmals anstrengend, die Buchstaben werden anfangs weniger „schön“.

Erfolgserlebnisse vermitteln Eine wichtige therapeutische Aufgabe in dieser Zeit ist es, dem Kind Erfolgserlebnisse zu vermitteln und es zu motivieren. Oft ist es erforderlich, die Anforderungen zu reduzieren. Auch hier sind Nachspurübungen eine gute Möglichkeit, den Schreibablauf lustvoll und ohne Erwartungshaltung bzgl. der Form üben zu lassen. Die Übungen können eventuell mit grobmotorischen Aufgaben kombiniert – z. B. in einen Bewegungsparcours eingebaut – werden. Jedesmal, wenn das Kind die Nachspurübung neu beginnt, kann es selbstständig das Blatt in eine gute Lage bringen und dies dadurch automatisieren.

Kleine Belohnungen wie Aufkleber oder der „Zauberbaum“ (Sattler 2007b) können zusätzlich motivieren.

Tipp Um dem Kind zu verdeutlichen, warum es wichtig ist, die linke Hand unter der Zeile zu führen, kann ihm eine Füllfeder zum Schreiben angeboten werden. Kinder in diesem Alter freuen sich oft schon auf das Schreiben mit der Füllfeder. Zu erleben, dass nur mit der adäquaten Handhaltung die Schrift nicht verwischt wird, kann zu einem erhöhten Verständnis beitragen und so die Compliance verbessern.

7

Buchstaben Erst wenn die einzelnen Aspekte des Schreibablaufs, wie Blattlage, Stift- und Handhaltung und Nachrutschen, gut geübt sind und das Nachspuren für das Kind nicht mehr anstrengend ist, kann man dazu übergehen, Buchstaben zu schreiben. Es ist dabei zu bedenken, dass der Bewegungsablauf in der veränderten Haltung völlig neu gelernt und automatisiert werden muss. Das Ergebnis entspricht daher anfangs häufig nicht den Erwartungen des Kindes, der Eltern und der Lehrerin.

Wichtig In dieser Phase ist es wichtig, nur dem Schreibablauf Beachtung zu schenken und das Kind dafür zu loben.

Tipp Um immer wiederkehrende Instruktionen wie „Achte auf deine Stifthaltung!“ oder „Lege deine Hand unter die Zeile!“ zu vermeiden, kann man mit dem Kind Code-Wörter vereinbaren. Das Kind soll ein Wort, das es lustig findet, auswählen. Wird dieses Wort von der Therapeutin, der Lehrerin oder den Eltern ausgesprochen, so weiß das Kind, dass es z. B. Blattlage, Stifthaltung oder Handhaltung überprüfen soll.

Ist das Kind motiviert, das neu Gelernte in der Schule und zu Hause einzusetzen, so wird es die Abläufe rasch automatisieren und auch in schöner Form Schreiben lernen. Es ist wichtig, dass das Kind dabei jede mögliche Unterstützung erhält, wie geeignete Stifte und einen geeigneten Arbeitsplatz. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrerin und Therapeutin ist in dieser Phase sinnvoll.

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Linkshandberatung

Fallbeispiel Sophie Sophie kommt nach 4 Monaten in der 1. Klasse in die Ergotherapie. Sie ist eine gute Schülerin, hat aber wenig Lust am Schreiben. Ihre Mutter berichtet, dass sie jedoch, wenn sie motiviert ist, sehr schön schreiben kann. Sie malt gerne. Sophie legt beim Schreiben und Malen das Blatt gerade vor sich hin. Wenn sie den Stift hält, schlägt sie den Daumen über Zeige- und Mittelfinger. Der Stift liegt am Ringfinger auf, der Mittelfinger führt den Stift. Die Muskelspannung in Finger-, Handund Schultergelenken ist dabei sehr hoch, der linke Arm ist an den Oberkörper gepresst. Die Schreibhand verdeckt das Geschriebene. Um es dennoch sehen zu können, beugt sich Sophie weit nach vorn (▶ Abb. 7.5). Stifte mit Griffmulden empfindet Sophie als unangenehm, sie unterstützen eine Dreipunktstifthaltung zu diesem Zeitpunkt nicht. Eine genaue Anamnese und Diagnostik zeigen, dass eine Hyposensibilität im Bereich der propriozeptiven Reizverarbeitung vorliegt.

Ergotherapeutische Behandlung Es wird mit einer ergotherapeutischen Behandlung begonnen. Das Ziel der Behandlung ist es, bei Sophie wieder die Freude am Schreiben zu wecken. Verbesserte propriozeptive Reizverarbeitung und lockere Stift- und Schreibhaltung sind die Voraussetzungen dafür. In Beratungsgesprächen mit der Mutter werden folgende Themen besprochen:



● ●



Fördervorschläge zur Verbesserung der propriozeptiven Reizverarbeitung, Vorübungen für eine Dreipunktstifthaltung, geeignete Stifte mit Griffmulden, aufsteckbare Schreibhilfen, Handhabung der Schreibunterlage.

In den Behandlungseinheiten wechselt sich ein grobmotorisches Angebot mit einem feinmotorischen ab. Mit sensorischer Integrationstherapie wird an der verbesserten propriozeptiven Reizverarbeitung gearbeitet. Verschiedene feinmotorische Aktivitäten bereiten auf eine Dreipunktstifthaltung vor. Teil jeder Einheit ist eine grafomotorische Aktivität, bei der die Handhabung der einzelnen Aspekte des optimalen Schreibvorgangs, insbesondere Blattlage, Stift- und Handhaltung, Sitzhaltung und Lage der rechten Hand, lustvoll geübt werden. Mit dem von Sophie gewählten Code-Wort „Blauer Vogel“ macht die Therapeutin sie aufmerksam, wenn die Stift- und Handhaltung nicht optimal ist. Die Therapeutin bietet verschiedene aufsteckbare Schreibhilfen und Stifte mit Griffmulden an und Sophie gibt sehr differenziert Auskunft darüber, welche für sie aktuell am angenehmsten sind.

Verlauf Für Sophie ist der Winkel des Blattes von 30° für das Führen des Stiftes unter der Zeile nicht ausreichend. Sie probiert unter der Anleitung der Therapeutin über mehrere Wochen hinweg verschiedene Winkel aus, bis der optimale gefunden ist. Sophie markiert diesen Winkel auf ihrer Schreibtischauflage (Sattler 2007c) mit Klebeband. Sie ist in der Therapie mit viel Eifer und Freude dabei. Nach wenigen Einheiten kann sie eine lockere Stifthaltung einnehmen, bei optimaler Blatthaltung sitzt sie aufrecht und der Rumpf ist weder geneigt noch rotiert. Großen Spaß hat Sophie an „Gitter-Aufgaben“, z. B. aus „Gittertiere“ (Schär 2005) und an Nachspuraufgaben, z. B. aus „Übungen für Linkshänder“ (Sattler 2007b).

Übertragen in den Alltag

Abb. 7.5 Ungünstige Schreibhaltung. (Foto: Ingrid Sarközi)

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Sophie vermeidet es jedoch, Stifte mit Griffmulden und die Schreibunterlage zu Hause oder in der Schule zu verwenden. Das in der Therapie Erarbeitete kann nicht in den Alltag übertragen werden,

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7.3 Linkshändiges Schreiben besprochen, dass Sophie Lob und Punkte nun für das Einhalten der optimalen Blatt-, Stift- und Handhaltung erhalten soll. Der Form sollte vorerst kaum Beachtung geschenkt werden, wenn, dann nur positiv.

Abschluss der Therapie

Abb. 7.6 Günstige Schreibhaltung, Schreibunterlage (Sattler 2007c) mit individuell markiertem Blattneigungswinkel. (Foto: Ingrid Sarközi)

Sophie schreibt außerhalb der Therapie weiter in der gewohnten Haltung. Die Therapie wird nun alltagsnäher gestaltet. Nachspur- und Gitternetzaufgaben werden kaum mehr angeboten, stattdessen schreibt Sophie nun kurze Sätze und Geschichten in ein Heft, wie sie es in der Schule verwendet. Da zu diesem Zeitpunkt in der Schule die Füllfeder schrittweise eingeführt wird, schreibt Sophie auch in der Therapie mit Füllfeder. Sie kann nun den Grund für die Handhaltung unter der Zeile besser nachvollziehen. Sophies Sitz- und Stifthaltung sind locker, sie führt die Schreibhand unter der Zeile (▶ Abb. 7.6).

Kein Einsatz des in der Therapie Erarbeiteten in der Schule Dennoch ist das Ergebnis deutlich schwächer, als wenn sie in ihrer gewohnten, verkrampften Stifthaltung schreibt. Grund dafür ist, dass Sophie das Schreiben der Buchstaben in den ersten Schulmonaten in dieser Haltung automatisiert hat. Sophie ist mit ihrer Schrift sehr unzufrieden. Sie lehnt es deshalb weiter ab, zu Hause oder in der Schule das in der Therapie Erarbeitete einzusetzen. Den Grund dafür kann sie ganz einfach erklären: Nur wenn sie ihre Haus- und Schulaufgaben schön erledigt, bekommt sie Punkte. Hat man genügend Punkte, so kann man diese eintauschen und braucht eine Hausübung nicht zu machen. In der neuen Schreibweise würde sie ihrer Ansicht nach keine Punkte mehr bekommen. Sophie kann jedoch nur dann das Schreiben in der erlernten Blatt- und Stifthaltung automatisieren, wenn sie es auch im Alltag anwendet. Es wurde daher mit Sophies Mutter und ihrer Lehrerin

Sophie ist somit bereit, Sitz-, Stift- und Blatthaltung auch in der Schule und zu Hause anzuwenden. Die Therapie wird nun, nach 20 Therapieeinheiten, vorerst abgeschlossen. Das Ziel, bei Sophie die Freude am Schreiben wieder zu wecken, ist jedoch erst erreicht, wenn Sophie mit ihrer eigenen Schreibleistung zufrieden ist. Bis dahin begleitet die Therapeutin Sophie im Rahmen von Kontrollterminen in großen Abständen. Sie kann dabei den weiteren Verlauf beobachten und – falls notwendig – Unterstützung geben.

7

Im zweiten Schuljahr und später Oft treten Schwierigkeiten beim linkshändigen Schreiben erst bei Einführung der Füllfeder im zweiten Schuljahr oder noch später, mit zunehmender Schreibmenge und zunehmender Anforderung an das Schreibtempo auf. Ein ungünstiger Schreibablauf mit z. B. „Hakenhaltung von oben“ und verkrampfter Stifthaltung ist zu diesem Zeitpunkt bereits lange geübt und automatisiert. Umso mehr Übung erfordert es, den optimalen Schreibablauf zu lernen. Oft ist es erforderlich, individuelle Lösungen in Bezug auf Blattlage und Stifthaltung zu finden, welche dem Optimum möglichst nahekommen.

Wichtig Mit zunehmender Schreiberfahrung bekommt die anfangs standardisiert erlernte Schreibschrift immer mehr persönliche Merkmale. Es entwickelt sich eine individuelle Handschrift, welche als Teil der Persönlichkeit wahrgenommen wird. Wird der Schreibvorgang verändert, so verändert sich auch die Handschrift. Dies kann von anfänglicher Irritation bis hin zur Ablehnung der optimalen Schreibhaltung führen. Die Veränderung der Handschrift sollte daher unbedingt thematisiert werden.

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Linkshandberatung Ältere Kinder sind jedoch aufgrund der bisher erlebten Schwierigkeiten und Misserfolge beim Schreiben oft sehr motiviert für Veränderung und offen für Anregungen.

Fallbeispiel Mia Mia kommt im Alter von 10 Jahren zur Ergotherapie. Sie besucht die 4. Klasse der Volksschule, der Schulwechsel ins Gymnasium steht bevor. Sie kommt mit ihrer Linkshändigkeit gut zurecht. Auch Schreiben bereitete ihr lange Zeit keine Schwierigkeiten. Mit ihrer Handschrift ist sie sehr zufrieden. Mia hat jedoch Probleme, wenn sie größere Mengen schreiben soll. Am Endgelenk des Mittelfingers hat sich ein Ganglion gebildet, das beim Schreiben nach kurzer Zeit schmerzt. Mia braucht beim Schreiben viele Pausen und kann daher bezüglich des Schreibtempos mit ihren Mitschülern oft nicht mithalten. Vor allem bei Deutsch-Schularbeiten sei dies problematisch. Mia macht sich zu diesem Zeitpunkt auch Sorgen wegen des Schulwechsels, da im Gymnasium die Anforderungen bezüglich des Schreibens noch höher sein werden. Mia schreibt mit Füllfeder in „Hakenhaltung von oben“. Der Stift steht dabei sehr steil. Mit dem Daumen wird der Stift stark an das Endgelenk des Mittelfingers gedrückt. Der Mittelfinger führt den Stift, der Zeigefinger ist am Schreibvorgang weitgehend unbeteiligt.

Stifthaltung verändern Um die Schmerzen beim Schreiben zu verringern, ist es erforderlich, eine Stifthaltung zu finden, in der weniger Druck auf den Mittelfinger entsteht. Optimal wäre eine Dreipunktstifthaltung, in der Daumen und Zeigefinger den Stift halten und führen. Am Mittelfinger liegt der Stift dabei nur locker auf. Diese Stifthaltung kann in Hakenhaltung von oben kaum eingenommen werden. Es ist daher auch erforderlich, Blatt- und Handhaltung zu verändern. Mia und ihre Mutter werden beim ersten Termin über den optimalen Schreibablauf informiert. Unterschiedliche Hilfsmittel wie Stifte mit Griffmulden, aufsteckbare Schreibhilfen und Schreibunterlage werden ausprobiert und Vorübungen für eine Dreipunktstifthaltung gezeigt. Weiterhin wird besprochen, dass ein Umlernen der Schreibhaltung viel Übung erfordert und zu einer Veränderung der Handschrift führen wird.

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Bis zum 2. Termin, eine Woche später, hat Mia zu Hause unterschiedliche Stifthaltungen ausprobiert. Eine Dreipunktstifthaltung ist für Mia sehr unangenehm. Sie hat jedoch eine Stifthaltung mit 4 Fingern gefunden, in der der Mittelfinger entlastet ist und Daumen und Zeigefinger den Stift führen. Das Schreiben von unten bei nach rechts geneigter Blattlage gelingt, Mia ist jedoch mit der Schrift sehr unzufrieden. Die Therapeutin bespricht mit ihr, dass es einige Zeit der Übung erfordert, bis der Schreibablauf in der neuen Schreibhaltung automatisiert ist. Erst dann kann die Schrift wieder flüssig und rund sein. Die Handschrift werde sich ändern, werde aber nach einiger Übung wieder „schön“ sein. Die Therapeutin empfiehlt Mias Mutter, mit der Lehrerin über die Veränderungen im Schreibablauf zu reden. Bei einem weiteren Termin, 3 Wochen später, ist Mia mit ihrem Schriftbild bereits deutlich zufriedener. Sie hat viel geübt und versucht, auch beim Schreiben in der Schule alle Aspekte zu beachten. Die Sommerferien stehen bevor. Es wird ein weiterer Termin, 3 Monate später, vereinbart. Mia kommt mit ihrer Mutter zum vereinbarten Termin. Sie hat die Sommerferien genutzt, um den neuen Schreibablauf zu automatisieren. Nun geht sie seit einem Monat ins Gymnasium. Beim Schreiben hat sie keine Probleme. Mia ist mit ihrer neuen Handschrift sehr zufrieden, sie schreibt ausreichend schnell und benötigt weniger Schreibpausen. Das Ganglion am Mittelfinger hat sich fast ganz zurückgebildet.

Gebrauchsgegenstände für Linkshänder

7.4

Alltägliche Gebrauchsgegenstände, die mit einer Hand bedient werden, sind üblicherweise auf den Gebrauch mit der rechten Hand ausgelegt, z. B. Scheren, Gurkenschäler oder Messer. Gegenstände, die mit beiden Händen bedient werden, wie z. B. verschiedene Musikinstrumente, sind oft so gefertigt, dass die rechte Hand jenen Teil der Tätigkeit ausführt, der mehr Geschicklichkeit erfordert. Gegenstände, bei denen gedreht werden muss, wie z. B. Spitzer, Dosenöffner oder Korkenzieher, sind so gefertigt, dass man mit der rechten Hand nach außen dreht. So kann mehr Kraft eingesetzt werden. Verwendet ein Linkshänder diesen Gegenstand, so muss er jedoch nach innen drehen und kann weniger Kraft umsetzen.

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7.4 Gebrauchsgegenstände für Linkshänder Linkshänder passen sich den Gegebenheiten meist gut an und kommen mit vielen der genannten Gegenstände zurecht. Es ist jedoch zu bedenken, dass dies einen stetigen Adaptationsprozess erfordert. Je mehr Präzision oder Kraft für die Tätigkeit erforderlich ist, umso schwieriger ist die Anpassung. Inzwischen gibt es im gut sortierten Fachhandel und im Versandhandel (Bezugsquellen s. Anhang) viele derartige Gegenstände, die für den linkshändigen Gebrauch adaptiert wurden. Zwei davon sollte jedes linkshändige Kind zur Verfügung haben, nämlich eine Linkshänderschere und eine für Linkshänder adäquate Füllfeder bzw. einen solchen Tintenroller. Bei allen anderen Gegenständen kann individuell überlegt werden, welcher Gegenstand sinnvoll ist und zur Erleichterung im Alltag beiträgt.

Wichtig Treten beim Gebrauch von Alltagsgegenständen, Sportgeräten oder Musikinstrumenten Schwierigkeiten auf, wirkt das linkshändige Kind im Umgang damit ungeschickt und erscheint die Handhabung umständlich, so ist zu hinterfragen, ob der Gegenstand für Linkshänder adäquat ist.

Dies ist besonders in der Beratung von Eltern und Pädagogen zu erwähnen, da sonst die Gefahr besteht, dass das linkshändige Kind zu Unrecht als ungeschickt bezeichnet wird. Linkshändige Erwachsene haben sich oft so sehr an den Gebrauch üblicher Gegenstände gewöhnt, dass sie mit für Linkshänder adaptierten Gegenständen, wie z. B. einer Linkshänderschere, überhaupt nicht zurechtkommen. Dies führt gelegentlich dazu, dass linkshändige Eltern diese Gegenstände als sinnlos abtun und ihre linkshändigen Kinder nicht damit versorgen. Hier ist Aufklärung besonders wichtig. Im Rahmen einer Linkshandberatung in der Ergotherapie kann die Therapeutin dem linkshändigen Kind und seinen Eltern die Gelegenheit bieten, verschiedene für Linkshänder adaptierte Gegenstände auszuprobieren und mit handelsüblichen Rechtshändergegenständen zu vergleichen.

In den folgenden Kapiteln werden einige häufig verwendete Gebrauchsgegenstände für Linkshänder aufgelistet und beschrieben.

Im Kindergarten und in der Schule

7.4.1

Schere Der Unterschied zwischen Scheren für Rechtshänder und Scheren für Linkshänder liegt in der spiegelbildlichen Anordnung der Schneidblätter. Wird eine Rechtshänderschere mit der linken Hand benutzt, so verdeckt das obere Schneidblatt die Linie. Dies kann kompensiert werden, indem Blatt und Schere nach rechts verschoben werden und von links auf die Linie geschaut wird. Das Schneiden wird dabei jedoch zu einem unergonomischen Prozess. Eine Linkshänderschere ist somit unbedingt erforderlich, um in einer physiologischen Körperhaltung auf einer Linie schneiden zu können. Jedes Kind, das vorrangig die linke Hand benutzt, sollte frühzeitig, also schon im Alter von 3–4 Jahren, mit Linkshänderscheren versorgt werden. Wichtig ist, dass das Kind an allen Plätzen, an denen es üblicherweise bastelt und schneidet, also im Kindergarten, aber auch zu Hause, im Kinderzimmer, in der Küche oder im Wohnzimmer, Linkshänderscheren vorfindet. Kindern mit wechselndem Handgebrauch sollte, um die Händigkeitsentwicklung möglichst nicht zu beeinflussen, sowohl eine Rechtshänderschere als auch eine Linkshänderschere zur Verfügung gestellt werden.

7

Füllfeder und Tintenroller Füllfedern und Tintenroller für Linkshänder unterscheiden sich bzgl. der Anordnung von Griffmulden von jenen für Rechtshänder. Bei Füllfedern für Linkshänder ist manchmal auch der Schliff der Spitzen ein anderer (siehe auch Kap. 7.3.3).

Spitzer Linkshändige Kinder wirken im Gebrauch von Spitzern immer wieder ungeschickt. Ursache dafür ist die Drehrichtung im Uhrzeigersinn, in der der Rechtshänder mehr Kraft aufbringen kann. Der Linkshänder muss jedoch dabei wenig ergonomisch nach innen drehen.

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Linkshandberatung Bei für Linkshänder adaptierten Spitzern ist das Messer so angeordnet, dass gegen den Uhrzeigersinn gedreht wird. So kann der Linkshänder seine Kraft optimal umsetzen.

Lineal Bei einem Lineal, welches für den linkshändigen Gebrauch adaptiert ist, verläuft die Skala von rechts nach links. Bei einem Schulanfänger kann dies bei oft ohnehin bestehender Unsicherheit bzgl. der Schreibrichtung zusätzlich Verwirrung verursachen. Ein Linkshänderlineal ist in diesem Alter daher nicht zu empfehlen. Bei jugendlichen Schülern, die genaue Abmessungen durchführen und entsprechende Linien zeichnen, kann es jedoch durchaus sinnvoll sein.

Computermaus Das Betätigen einer Computermaus erfordert ein hohes Maß an Präzision. Es macht daher Sinn, als Linkshänder die Maus auch mit der linken Hand zu bedienen. Bei einer nicht speziell ergonomisch geformten Maus muss lediglich über die Systemsteuerung die Tastenkonfiguration umgeschaltet werden. Wird der Computer von Rechts- und Linkshändern verwendet, können unterschiedliche Benutzer definiert werden. Die Einstellungen müssen so nicht bei jedem Einstieg neu geändert werden. Es bietet sich in diesem Fall auch an, eine kabellose Maus zu verwenden, da diese einfach von rechts nach links gelegt werden kann. Ergonomisch geformte Mäuse sind sowohl für Rechtshänder als auch für Linkshänder erhältlich.

Computertastatur Bei Tastaturen für Linkshänder ist der Nummernblock links angeordnet. Die Verwendung einer derartigen Tastatur ist daher nur dann wichtig, wenn der Nummernblock häufig betätigt wird.

Collegeblock

7.4.2

Kochen und Essen

Dosenöffner Handelübliche Dosenöffner für Rechtshänder können nur mit der rechten Hand bedient werden. Bei Dosenöffnern für Linkshänder ist das Messer so angeordnet, dass das Gerät mit der rechten Hand fixiert werden kann, während mit der linken Hand die kraftvolle Schraubbewegung durchgeführt wird.

Gemüseschäler Gemüseschäler, die für den rechtshändigen Gebrauch ausgelegt sind, funktionieren beim Gebrauch mit der linken Hand nicht. Gemüseschäler für Linkshänder sind im Fachhandel erhältlich. Viele der handelsüblichen Geräte sind mit 2 Klingen ausgestattet, bei anderen Modellen ist die Klinge quer zum Griff angebracht. Diese Geräte können in beide Richtungen benutzt werden. Sie sind daher für den Gebrauch beider Hände geeignet.

Korkenzieher Korkenzieher für Linkshänder sind so gebaut, dass die Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn geht und so vom Linkshänder mehr Kraft eingesetzt werden kann.

Messer Wellen- und Sägemesser für Linkshänder haben den Schliff auf der linken Seite. Gerades Schneiden wird dadurch erleichtert, abgeschnittene Brotscheiben werden leichter gleichmäßig dick. Benutzt ein Linkshänder ein Taschenmesser für Rechtshänder, so besteht erhöhte Unfallgefahr. Die Kerbe zum Herausziehen des Messers ist nämlich so angeordnet, dass die Spitze des Messers beim Herausziehen mit der rechten Hand vom Körper weg weist. Ein Taschenmesser für Linkshänder lässt sich mit der linken Hand gefahrlos öffnen.

Aufgrund der Spiralbindung links ist das Schreiben auf handelsüblichen College-Blöcken für Linkshänder unpraktisch und unangenehm. Als Alternative sind College-Blöcke mit Spiralbindung oben oder rechts im Fachhandel erhältlich.

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7.5 Linkshändige Kinder im Kindergarten und in der Schule 7.4.3

Spiel

Wichtig Spielsachen sollten grundsätzlich so ausgeführt sein, dass sie für Rechts- und Linkshänder gleich gut verwendet werden können. Derartiges Spielzeug wird als händigkeitsneutral bezeichnet und ist nicht nur zur Vermeidung von Irritation und Misserfolgen bei linkshändigen Kindern wichtig, sondern auch für Kinder, deren Händigkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Eine unbewusste Beeinflussung der Händigkeit kann so vermieden werden.

Der Großteil der handelsüblichen Spielsachen ist händigkeitsneutral. In einigen Bereichen lohnt es sich jedoch, genauer hinzusehen.

Kartenspiele Bei vielen Spielkarten sind die Miniatursymbole für den Kartenwert oder das Sammelmotiv meist nur in der linken oberen und rechten unteren Ecke angebracht. Werden die Karten von links nach rechts aufgefächert, so sind die Symbole zu erkennen. Linkshändige Kinder fächern die Karten jedoch spontan oft von rechts nach links auf. Die Symbole sind dann nicht zu sehen, die Karten müssen oft umständlich neu aufgesteckt werden. Es ist daher sinnvoll, beim Kauf darauf zu achten, dass die Miniatursymbole in allen Ecken angebracht sind. Das Spiel ist somit für Rechts- und Linkshänder gleichermaßen gut verwendbar. Beispiele dafür sind das Spiel Solo® der Firma Amigo und das Spiel „Mau Mau“ der Firma Noris (▶ Abb. 7.8).

7

Linkshändige Kinder im Kindergarten und in der Schule

7.5

Kurbeln und Aufziehmechanismen Drehkurbeln und Aufziehschrauben, z. B. an Spielzeugautos, sind meist rechts angebracht. Sie sind daher für Linkshänder nur umständlich und unergonomisch zu benutzen. Ausnahmen bilden hier z. B. Holzfahrzeuge der Firma nic©, der „Eisenbahnkran“ der Firma HABA® oder die „Harbour Bridge“ der Firma BRIO® (▶ Abb. 7.7).

Abb. 7.7 Händigkeitsneutrales Fahrzeug. (Foto: Ingrid Sarközi)

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Therapeutin, Eltern und Pädagogen ist in der Linkshandberatung besonders wichtig. Ziel ist es, dass das linkshändige Kind von allen Beteiligten gleiche Anleitungen erhält, um Verwirrung zu vermeiden. Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Themen für Kindergarten und Schule zusammengefasst.

Abb. 7.8 Händigkeitsneutrales Kartenspiel, von rechts nach links aufgefächert. (Foto: Ingrid Sarközi)

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Linkshandberatung 7.5.1

Arbeitsplatz

Sowohl beim Basteln und Malen im Kindergarten als auch bei der Platzauswahl in der Schule sollte darauf geachtet werden, dass links vom Kind kein rechtshändiges Kind sitzt. Der Lichteinfall sollte von vorne, oben oder rechts kommen.

7.5.2

Schreiben

Das linkshändige Kind sollte für das Schreibenlernen schon früh die bestmögliche Unterstützung bekommen (siehe Kap. 7.3.4).

7.5.3

Basteln und Malen

Dem linkshändigen Kind sollten schon früh eine Schreibunterlage, eine Linkshänderschere, geeignete weiche Stifte und eventuell ein Spitzer für Linkshänder zur Verfügung stehen. Runde Formen schneiden linkshändige Kinder im Uhrzeigersinn aus, die Haltung der Hände ist dabei ergonomisch, der Blick auf die Linie ist frei (▶ Abb. 7.9). Schneidevorlagen, die Spiralen enthalten oder eine Schneiderichtung vorgeben, sollten daher für linkshändige Kinder spiegelbildlich angefertigt werden. Eine spiegelbildliche Vorlage kann man erstellen, indem man das Original einscannt, spiegelt und ausdruckt oder indem man die Vorlage zuerst auf Folie kopiert, umdreht und dann auf Papier kopiert.

Ablehnung der Händigkeit durch das Kind

7.5.4

Linkshändigen Kindern wird im Kindergartenalter bewusst, dass sie sich in ihrer Händigkeit von anderen Kindern unterscheiden. Sie benötigen andere Hilfsmittel als rechtshändige Kinder, z. B. eine Linkshänderschere oder eine Schreibunterlage. Oft begegnen sie dem mit einer großen Selbstverständlichkeit und großem Selbstbewusstsein. Unter Umständen kann es in diesem Alter aber auch zur Ablehnung der Händigkeit kommen. Das Kind beginnt eventuell, den Handgebrauch bei unterschiedlichen Tätigkeiten zu wechseln, z. B. mit rechts zu malen oder zu schneiden. Es bremst sich dadurch in seiner Händigkeits- und Feinmotorikentwicklung. Das Kind nun wiederholt zum Gebrauch der linken Hand aufzufordern, wäre jedoch

236

Abb. 7.9 Schneiden im Uhrzeigersinn. (Foto: Elisabeth Novy)

nicht zielführend. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich die Ablehnung der Händigkeit dadurch verstärkt. Sinnvoller ist es, verschiedene Aspekte von Händigkeit und Linkshändigkeit in der Gruppe zu thematisieren. Ausmalvorlagen und Suchbilder aus dem Buch „Linkshändige Kinder im Krippenund Kindergartenalter“ (Sattler 2007a) bieten dafür z. B. eine gute Grundlage.

7.5.5

Grüßen

Linkshändige Kinder reichen oft spontan die linke Hand zum Gruß. Vor allem im Kindergartenalter kommt dies häufig vor. Diesem Verhalten muss keine besondere Beachtung geschenkt werden. Hingegen sollte der Erwachsene kommentarlos mit der rechten Hand die ihm entgegengestreckte Linke ergreifen. Das Kind wird dies nach einiger Zeit nachahmen und ebenso die rechte Hand reichen. Sätze wie „Gib mir die schöne Hand“ oder „Gib mir die richtige Hand“ sollten unbedingt vermieden werden, da sie implizieren, dass die linke Hand hässlich oder falsch sei. Der Hinweis „Gib mir die rechte Hand“ macht erst dann Sinn, wenn das Kind rechts und links sicher unterscheiden kann.

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7.6 Spezielle Überlegungen zum Thema Freizeit und Hobby 7.5.6

Handarbeit und Handwerk

Handarbeitstechniken wie Häkeln, Sticken und Stricken werden so ausgeführt, dass die nicht dominante Hand eher Haltefunktionen übernimmt, während die dominante Hand jene Funktionen übernimmt, die mehr Geschicklichkeit und Präzision erfordern. Dem linkshändigen Kind sollten diese Tätigkeiten daher auch spiegelbildlich zur Ausführung bei Rechtshändern beigebracht werden. Bei älteren Kindern reicht es oft aus, dem Kind gegenüberzusitzen und ihm den Vorgang zu zeigen. So kann das Kind die Abläufe spiegelbildlich nachahmen. Ist diese Unterstützung nicht ausreichend, so ist es erforderlich, dass die Pädagogin den Ablauf linkshändergerecht, also spiegelbildlich, zeigt. Entsprechende Bildanleitungen sind z. B. bei Weber (2008) oder bei Sattler (2007 a u. 2010) zu finden. Im Buch „Stricken basics“ (Van der Linden 2011) sind verschiedene Stricktechniken sowohl für Rechts als auch für Linkshänder anschaulich beschrieben. Im Werkunterricht ist darauf zu achten, dass der Arbeitsplatz entsprechend spiegelbildlich aufgebaut ist und z. B. Schraubstöcke links angebracht sind. Bei Laubsägearbeiten wird das Werkstück mit der rechten Hand fixiert, während die linke Hand die Säge führt. Analog zum Schneiden mit der Schere werden runde Sägevorlagen vom Linkshänder im Uhrzeigersinn ausgesägt, während der Rechtshänder gegen den Uhrzeigersinn sägt. Handbohrer sind so gebaut, dass mit der linken Hand fixiert wird, während mit der rechten Hand die Kurbel betätigt wird. Wird der Bohrer so platziert, dass mit der rechten Hand gehalten und mit der linken Hand gekurbelt wird, muss die Drehbewegung zum Körper hin durchgeführt werden, wodurch sie weniger fließend und weniger kraftvoll abläuft. Linkshänder führen sie daher spontan vom Körper weg aus. Bei vielen Geräten läßt die Bauart der Kurbel diese Bewegung zu, der Bohrer ist jedoch auf die entgegengesetzte Drehrichtung ausgerichtet und funktioniert bei einer anderen Drehrichtung nicht. Maschinen und elektrische Sägen sind meist auf den rechtshändigen Gebrauch ausgelegt. So sind z. B. Notausschaltknöpfe häufig rechts angebracht. Die Unfallgefahr ist daher für Linkshänder erhöht. Das Kind sollte unbedingt darauf aufmerksam gemacht werden, wenn es mit derartigen Geräten hantiert.

Spezielle Überlegungen zum Thema Freizeit und Hobby

7.6

7.6.1

Sport

Vorweg ist anzumerken, dass die Handdominanz nicht als Körperdominanz gesehen werden kann. Das heißt, auch ein Linkshänder kann ein Rechtsfüßer sein und Bewegungen aus der Schulter, z. B. beim Werfen von Bällen, werden auch von einigen Linkshändern bevorzugt mit dem rechten Arm ausgeführt. Wird eine spezielle Sportart erlernt, so sollte zu Beginn ausprobiert werden, welcher Arm oder welches Bein vorrangig eingesetzt wird. Eventuell sind spezielle Ausrüstungsgegenstände für den linksseitigen Gebrauch erforderlich, z. B. für Fechten, Bogenschießen, Golf oder Bumerangwerfen. Diese sind im Fachhandel problemlos erhältlich. In einigen Sportarten haben Linkshänder durchaus Vorteile, so z. B. beim Tennis. Tennisspieler haben selten linkshändige Trainingspartner, sie können sich daher weniger gut darauf vorbereiten.

7

Wichtig Die dominante Hand ist meist die kräftigere und die reaktionsschnellere. Beim Roller und beim Fahrrad ist daher darauf zu achten, dass die Klingel links am Lenker moniert ist. Bei Fahrrädern mit Rücktrittbremse und einer Handbremse sollte die Handbremse ebenso links montiert sein, bei Fahrrädern, an denen Vorderund Hinterradbremse am Lenker angebracht sind, sollte die Hinterradbremse auf der linken Seite, die Vorderradbremse auf der rechten Seite montiert sein. Die Unfallgefahr kann dadurch minimiert werden.

7.6.2

Musik

Instrumente werden mit beiden Händen bedient, wobei die Anforderungen an jede Hand meist unterschiedlich sind. Üblicherweise übernimmt die rechte Hand jene Aufgaben, die erhöhte Präzision, mehr Rhythmusgefühl und schnelleres Tempo erfordern. Für Linkshänder gibt es die Möglichkeit, für den linkshändigen Gebrauch adaptierte Instrumente zu kaufen oder Instrumente selbst zu adaptieren. So sind z. B. Blockflöten für Linkshänder leicht er-

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Linkshandberatung hältlich. Gitarren für Anfänger können oft einfach für den linkshändigen Gebrauch adaptiert werden, indem die Saiten anders aufgezogen werden. Bei speziellen Gitarrenmodellen, wie Western-Gitarren oder E-Gitarren, ebenso bei Geigen und anderen Saiteninstrumenten, ist der Korpus jedoch nicht symmetrisch gebaut. Linkshänderausführungen sind im Handel erhältlich. Das Schlagzeug sollte für einen Linkshänder spiegelbildlich aufgebaut werden. Ein Klavier kann grundsätzlich umgebaut werden, jedoch nur mit erheblichem Aufwand, der mit hohen Kosten verbunden ist. Hier kann man dem Linkshänder durch die Auswahl der Stücke entgegenkommen. So sind z. B. bei Kompositionen von J. S. Bach beide Hände gleichermaßen gefordert, Boogie-Woogie-Läufe im Bass sind für Linkshänder sogar leichter zu meistern als für Rechtshänder. Die Entscheidung, welches Instrument erlernt wird, sollte trotz dieser Überlegungen in erster Linie nach persönlichem Interesse getroffen werden. Mit dem Musiklehrer sollte dann die weitere Vorgehensweise beraten werden. Entscheidet man sich dafür, ein für Linkshänder adaptiertes Instrument zu verwenden, so ist es erforderlich, dass Bewegungsabläufe auch entsprechend spiegelbildlich gezeigt werden. Entweder der Musiklehrer sitzt dem Kind gegenüber oder er verwendet selbst ein adaptiertes Instrument, was dem Kind den Lernvorgang deutlich erleichtert. Gitarren-Grifftabellen für Linkshänder sind im Handel erhältlich (Bessler u. Opgenoorth 2010). Entscheidet man sich für das rechtshändige Spielen, weil z. B. ein bestimmtes Instrument nicht adaptiert werden kann, so ist es dennoch wichtig, den Musiklehrer über die Linkshändigkeit zu informieren. Es ist zu bedenken, dass die nicht dominante Hand Bewegungsabläufe langsamer automatisiert und trotz mehr Übung nicht die Geschicklichkeit der dominanten erreichen wird.

238

Spezielle Überlegungen zum Thema Selbstversorgung

7.7

7.7.1

An- und Ausziehen

Verschlüsse und Knöpfe sind meist so angebracht, dass sie für Rechtshänder leicht zu handhaben sind. Verdeckte Knopf- oder Reißverschlussleisten führen dazu, dass linkshändige Kinder im Umgang mit Verschlüssen anfangs oft ungeschickter wirken. Sie passen sich jedoch meist rasch an die Gegebenheiten an. Im Vorschulalter erlernen die Kinder das Binden einer Schleife. Die nicht dominante Hand sollte dabei die Haltefunktion, also das Halten der Schlaufe, übernehmen, während die dominante Hand den komplexeren Teil, nämlich die Schlaufbewegung, ausführt. Setzt sich ein Rechtshänder dem linkshändigen Kind gegenüber, so kann das Kind den Prozess spiegelbildlich nachahmen. Genaue Anleitungen zum Binden einer Schleife für Linkshänder sind in Büchern für Linkshandberatung zu finden (Kisch u. Pauli 2011, Weber 2008, Sattler 2007a).

7.7.2

In der Küche und beim Essen

Linkshänder sollten geeignete Gebrauchsgegenstände zur Verfügung haben, der Essplatz sollte spiegelbildlich gedeckt sein. Beim Betätigen von Wasserhähnen ist zu beachten, dass der Knauf für heißes Wasser immer links angebracht ist. Linkshändige Kinder tendieren dazu, spontan diesen zu bedienen, was zu erhöhter Verbrühungsgefahr führt. Dem kann mit Einhandmischbatterien vorgebeugt werden.

7.8

Zusammenfassung

Linkshändige Kinder sind genauso geschickt wie rechtshändige. Dennoch kann Linkshändigkeit in einer vorwiegend rechtshändigen Gesellschaft in zentralen Bereichen der Handlungsperformanz, wie Produktivität, Freizeit und Selbsterhaltung, eine Herausforderung darstellen und die Handlungsfähigkeit beeinflussen. Ergotherapeuten können einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung leisten und so daran mitwirken, dass linkshändige Kinder die gleichen Entwicklungsvoraussetzungen erhalten, welche rechtshändige selbstverständlich vorfinden.

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Dar Zäodl Maria-Theresien-Straße 19 A-6890 Lustenau Tel.: + 43 (0) 5 57 78 49 02 [email protected] Mastnak Papierwaren Neubaugasse 31 A-1070 Wien Tel.: + 43 (0) 15 23 27 58 [email protected] www.mastnak.at

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Literatur ●









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Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Sachverzeichnis A A-la-ronde-Griff 65 Abschreiben 78 Activity Card 41 Aktivität – Handpräferenzbeobachtung 184 – unimanuell 184 Aktivitäten, bimanuell 184 Aktivitätstagesbogen 116 Anamnese 27 Antrieb 160 Arbeiten – beidhändiges 53 – handwerkliches 208 Arm-Hand-Differenzierung 130 Arm-Hand-Muskulatur 50 Armmotorik 58 Asperger-Syndrom 116 Asymmetrie 53, 65 Aufmerksamkeitsfokus 142 Aufsatz 78 Auge 16, 173 Auge-Hand-Koordination 17, 45, 49, 85 Augen-Hand-Koordination 16 Augenbewegung 16 – Koordination 16 Ausmalen 59, 92–94 Automatisieren 227

Bieler Modell 125 Bildung 156 Bildungssystem 141 Bimanuelle Kooperation 196, 212 Biofeedback 140, 142, 148 – Biofeedbacksitzung 146 – Kognitive Strategien 144 – Konditionierte Reaktionen 144 – Motivation 146 – Motorisches Lernen und motorische Kontrolle 145 – Peripheres 142 – Wesentliche Lernschritte 147 Bleistift, dreieckiger 228 Bleistift-Rallye 150 Bottom-up-Ansatz 125, 143 Buchstaben – Erlernen 59 – Kopieren 60, 62 – Produktion 67 – Schreibbewegung 94 – Sortieren 95 – Vermischung von Kleinund Großbuchstaben 83 – Verwechslung 83 – Wahrnehmung 62 Buchstaben-Lupe 97 Buchstabenformung 84 Buchständer 110

B

C

Balancieren 29 Baufix 206 Beery-Buktenica Developmental Test of Visual Motor Integration (Beery-VMI) 86 Befähigungsprinzip 121 Befunderhebung, ergotherapeutische 74 Befunderhebungsprozess, betätigungszentrierter 74 Behandlungsansatz, aufgabenorientierter 116 Beidhändigkeit 171 Belohnungssystem 162 Beobachtung 26 Beobachtung, klinische nach Ayres 30 Besteck 18, 219 Betätigung (Occupation) 40 Betätigungsanalyse 45 Betätigungsorientierung 25 Betätigungzentrierung 39 Bewegung 135 – Intrinsische 135 Bewegungsablauf 28, 215 – automatisierter 229 Bewegungskontrolle 24, 141

Calwer Modell 154 – Anwendung 159 – Förderziele 158 – Motorisches Vortraining 161 – Präventionsauftrag 157 Canadian Occupational Performance Measure 41, 148 Canadian Practice Process Framework 42 CanChild Homepage 77 Child Occupational Self Assessment 148 Clinical Reasoning 42 CO-OP – Anwendung kognitiver Strategien 120 – Befähigungsprinzip 121 – Entdeckung, geleitete 121 – Interventionsformat 122 – Mitwirkung der Eltern 122 – Performanzanalyse, dynamisch 117 – Ziele 116 CO-OP Ansatz 116 – Definition 116 – Fallbeispiel 123

– Motorische Fertigkeiten 116 Cognitive Orientation to daily Occuaptional Performance 43 Cognitive Orientation to daily Occupational Performance 92, 116 Computermaus 234 Computertastatur 234 Content Validity Index (CVI) 83 COPM 41 COPM a-kids 41–42

D Daumen-Finger-Opposition 30 Daumengelenk, hyperextendiertes 134 Denkentwicklung 68 Developmental Coordination Disorder – DCD 24 Developmental Test of Visual Motor Integration 62 Developmental Test of Visual Perception 2 45 – deutsche Bearbeitung 85 Diadochokinese 30 Diagnostik 127 – ergotherapeutische 26, 127 Diktat 66 DIP-Gelenk, Hyperextension 134 Dokumentation 28, 149 Dominanz-Index (DI) 189 Dominanzentwicklung 65 Dreipunktgriff 152 Dreipunktgriff, statische 63 Druck 70, 93 Druckbuchstaben 124 DSM-IV 24 Dynamic Performance Analysis Record (DPAR) 120 Dysgrafie 71 Dyslexie 68, 174

E Einbeinstand 173 Ellbogen 50 Eltern, Mitwirkung 27 Entscheidungsbaum, klinischer 119 Entscheidungsfindung 76 – klinische 77–78, 126 Entwicklung, feinmotorische 14 Entwicklungsstörung 24

Ergonomie im Klassenzimmer 112 Ethisches Reasoning 42 Evaluation 28

F Fähigkeit, handmotorische 199 Familienzentrierung 40 Feedback 32 – afferentes 70 – Biofeedback 142 – grundlegende Prinzipien des Lernens 121 – somatosensorisches 49 Feinmotorik 46, 85 – Basale Fertigkeiten 38 – Definition 46 – Händigkeit 126 – Leistungsstärkere Hand 172 – manuelle 14 – Voraussetzung 14 Feinmotorische Aufgaben 186 Fertigkeit – basalen und komplexen Fertigkeiten 46 – Basisfertigkeiten 53 – Bewegungsfertigkeit 146 – bilaterale 46, 53 – Clinical-Reasoning-Fertigkeiten 42 – distale 58 – Entwicklung 23 – Erwerb von 121 – feinmotorische 48, 53, 98 – Fertigkeitenerwerb 41, 46 – Fingerfertigkeit 94 – grafomotorische 69, 200 – Hand 24 – kognitiven Problem-LöseFertigkeiten 43 – Malen und Ausmalen 59 – manipulative 51, 56, 75, 102 – manuelle 23 – mit Stift und Papier 59 – motorische 70, 116 – perzeptiv-motorische 38 – proximale 58 – Schneidefertigkeit 59 – Schreiben 60, 66 – Schreibfertigkeit 39, 67 – Schreibfertigkeit analysieren 76 – Ungeschicklichkeit 25 – visuelle 50 – Vorläuferfertigkeiten 62 Fertigkeiten 46 – Basale 46 – Komplexe 46

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Sachverzeichnis Finger-Daumen-Opposition 50 – mangelnde 225 – spielerische Handgeschicklichkeit 228 Finger-Daumenopposition, Methode nach Largo 85 Fingergymnastik 153, 161 Fingerpronationsgriff 63 Fingerstreching 161 Fingertraining 102 Flexionsgriff, lateraler 63 Fokus, externer 147 Fragebogen 178 Fragestellung, feinmotorische 43 Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung (FEW-2) 85 Füllfeder 227 Füllfeder, Linkshänder 224 Funktion – sensorische 14 – somatosensorische 49 Funktion, motorische, Entwicklungsstörung 24 Funktionsdefizit, perzeptivmotorisches 71 Füßigkeit 173 Fußpräferenz 173

G Gehirn 14 – Belohnungssystem 162 – kindliches 160 – neurologische Grundlagen 23 geleitete Entdeckung 121 Gesundheit 156 – Gesundheitsproblem 25 – Gesundheitsstörung 25 – ICF 141 Graduierung 31, 34 Grafomotorik 69, 116, 144 – auf spielerische Art und Weise 129 – Auffälligkeiten 140 – Biofeedback 148 – Bleistift-Rallye 150 – Definition 69 – Förderung der 129 – Grundfunktionen 128 – Grundlagen 38 – Händigkeit als Grundfunktion 126 – Idee 147 – Präventionsprogramm 150 – Programme und Therapieansätze 116 – spezielle 160 – Textproduktion 67, 69 – Übungen 160 – wesentliche Lernschritte 147

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Grafomotorische Aufgaben 185 Graphemelemente 161 Graphomotorik 161 Greifen 17–19 – dissoziierte 16 – einhändig 17 – Normalentwicklung 16 – palmare 16 – Palmares Greifen 19 – wichtigste Bewegung der Hand 51 Greifformen 19 Grundfunktionen, emotionale 129 Grundschule 66 Gruppenprogramm 153 Gruppenprozess 159 Gruppensituation 150 Gruppentherapie 162 Grüßen 236 Gugu-Dada-Spiel 17

H Haltung 14, 113, 129 – Arbeitshaltung 77 – Haltungskontrolle 99 – Handhaltung 225 – Körperkoordination 160 – Scherenhaltung 59 – Sitzhaltung 52 – Sitzhaltung am Tisch 106 – Stifthaltung 63 Hämmern und Klopfen 196 Hand 51 – assisitierende 18 – führende, agierende 18 – Funktion 23 – haltende, assistierende 18 – intrinsische Bewegung 130 Hand-Dominanz-Test, H-D-T 190 Hand-Hand-Kontakt 16 Handdominanz 166 Handfunktion 46, 49–50, 52 – Der Einfluss von Umweltfaktoren 52 – Einfluss biomechanischer Aspekte 50 – Einfluss sensorischer Funktionen 49 – Einfluss visueller Funktionen 50 – Einfluss von Stabilität und Mobilität 52 Handgebrauch – bilateralem 53 – feinmotorischer 46 – wechselnder 198 Handgelenk 50 – dynamische Handgelenkkontrolle 60 – extendiert 131

– Handgelenkstabilisation 100 Handgelenk, hyperextendiertes 132 Handgeschicklichkeit 14 – Definition 14 – Entwicklungsstörung 24 – Grundlagen 23 – Neurologische Grundlagen 23 – Probleme der 24 Handhaltung, Linkshänder 229 Händigkeit 166 – Anamnese 178 – Befundung 177 – Beidhändigkeit 171 – Definition 166 – Elternfragebogen 179–180 – Entwicklung 175 – Entwicklungsgeschichte 167 – Gemischte 170 – Händigkeitsprofil 195 – Modelle 174 – Musik 237 – Pathologische 171 – Sport 237 – Sprachzentrum 174 – Standardisierte Händigkeitstests 188 – thematisieren 219 – Verteilung von Rechts- und Linkshändigkeit 167 Händigkeitsentwicklung 126 Händigkeitsgruppen 168 Händigkeitstest 178, 184, 188 Händigkeitsverhalten 169 Händigkeitswert 189 Handleistung 184 Handmotorik 58 Handpräferenz 18, 181 – Aktivitäten 184 – Befundung 181 – Handpräferenztest HPT 198 Handpräferenztest, HAPT 4–6 193 Handschrift 49, 70 – Entwicklung 70 Handschriftbewertung 76, 83 Handschriftinstruktion, korrekte 71 Handwriting without Tears 95 Hausarbeit 153 Hausaufgabe 34 – sinnvolle 97 – therapeutische 148 Hemisphärendominanz 166 Himmel-und-Hölle-Spie 32 Himmel-und-Hölle-Spiel 32

I ICD 24, 157 ICF 25, 141 – Aktivität 28 – bio-psycho-soziale Modell 26 – Körperfunktionen 28 – Körperstrukturen 28 – Partizipation 28 – personbezogene Faktoren 28 – Umweltfaktoren 28 Identifikation Schüler/Lehrer 158 In-Hand-Differenzierung 134 In-Hand-Manipulation 19, 21, 53, 134 – Normen 57 – Vorläuferfertigkeiten 57 Indexfinger 20 Inhalt-Behälter-Spiel 18 Integration 135 – Visuomotorische 135 Integrationstherapie, sensorische 43, 230 interaktives Modell 141 Interaktives Reasoning 42 Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit 25 Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) 141 Interphalangealgelenke – distale 20 – proximale 20 Interrater Agreement (IRA) 83 Intervention, ergotherapeutische 90 Interventionen, prozessorientierte 43

J Jean Ayres 30 Jonglieren 206

K Karteikartensystem 136, 140 Kartenspiel 235 Keilkissen 110–111 Kids Acitivity Cards 41 Kinästhesie 85 Kind – Interaktion 39 – Therapiefokus 98 Kinderergotherapie 41 Kindergartenalter 228 Kissen, luftgefülltes 110 Kiwido 215

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Sachverzeichnis Klassenzimmer 77 Klatschspiel 214 Klettern, therapeutisches 29 Klientenzentrierung 40 Klinischer Entscheidungsbaum 119 Kognition 38, 141 Kompetenzerwartung 67 Konditionales Reasoning 42 Konstruktionsspiel 206 Kontrolle – motorische 44 – posturale 23 Kontrollsystem 162 Konzentrationstest 193 Koordination 65 – Bilaterale 65 – bimanuell 201 Korkenzieher 234 Körperfunktionen 25 Körperhaltung 52 Körperkoordination 160 Körpermittellinie kreuzen 176, 187, 214 – Entwicklung 176 – Übungen 214 Kortex – parietaler 24 – primärer Motorkortex 24 – primärer somatosensibler Kortex 24 Kraftregulation 130, 133 Kreativität 104 Kreuzen der Körpermittellinie 65

L Labyrinth 201 Labyrinth-Test 200 Lateralität, gekreuzte 173 Lateralitätsproblem 43 Lateralitätsquotient (LQ) 189 Lebensjahr – drittes 18 – erstes 16 – fünftes 19 – sechstes 19 – viertes 19 – zweites 17 Leistungsdominanz 166 Leistungsdominanztest 191 Leistungsdominanztest für Kinder 188 Leistungspräferenztest 198 Leitlinie zu umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen 116 Lernprozess 145 – Lernumgebung 145 Lernprozesse 142 Lerntherapie, kognitive 116 Lernumfeld 159 Lese-Rechtschreibstörung 68

Lineal 234 Lineatur 94–95 – Anpassung 96 – einfache 96 Linie – diagonale 62 – horizontale 62 – vertikale 62 Linkshandberatung 222 Linkshänder 168 – Inkonstante 170 Linkshändigkeit 170 – An- und Ausziehen 238 – Arbeitsplatz 236 – Basteln und Malen 236 – Gebrauchsgegenstände 232 – Grüßen 236 – Handarbeit und Handwerk 237 – In der Küche und beim Essen 238 – Linkshandberatung 222 – Linkshändiges Schreiben 223 logographemisch 68 Loslassen, Willkürliches 47

M M-ABC-2 75, 85, 186 Malbewegung 60, 93, 131 Malen 70, 91 – Ausmalen 92, 161 – Druck auf den Stift 93 – Konkrete Aufträge 93 – Linkshänder 228 – Malmuster 130 – Orientierung und räumliches Planen 130, 135 – Pronierter Unterarm 132 – Sitzhaltung 106 – Vertikale Arbeitsfläche 99 – Verzieren 94 Malentwicklung 60 Malphasen 60 Malvorlage 92–93 Manipulationsspiel 104 Manualmotorik 160 manuelles Erkunden 16 McManus\| \ 174 McMaster-Protokoll 76 – Bewertung 84 – Deutsche Version 78 – Durchführung 77 – Ziel und Entwicklung 76 Messer 14, 234 Methode Largo 85 Mobiliar 109, 112 Mobilität 52 – des Armes und der Hand 52 Modellgedanken 141 Motivation 146, 160 Motorik – distale 58 – proximale 58

Motorikquotient 192 Motorisches Lernen 145 Motorkortex, primärer 24 MOVE-Modell 141 Movement Assessment Battery for Children 75 Movement-ABC-2 27, 30 Murmelspiel 160 Muskeltonusregulation 133

N Nachspuraufgabe 185, 191 Narratives Reasoning 42 Normalentwicklung 16 – Greifen 16 – Spiel 16

Problemstellung, ergotherapeutische 127 Profigriff 151, 153 Pronationsgriff, palmarer 63–64 Propriozeption 133 Proximal-distal-Prinzip 58 Prozess, ergotherapeutischer 26 Prozessmodell Klientenzentrierung 42 Psychomotorik 125 Punktieraufgabe 185 Punktiertest und Leistungsdominanztest, PTK-LDT 191

R O Occupation-centred Practice 43 Occupational Performance, siehe Betätigungsperformanz Occupational Therapy Practice Framework 42, 126 Orthese 15

P Papierlage 113 Partizipation 26 Pediatric Activity Card Sort 116 PEO-Modell, siehe PersonEnvironment-Ocupation Modell PEO-Performanzkomponenten 98 Performance Quality Rating Scale (PQRS) 116 Performanzanalyse 117 Performanzkomponenten 40, 44 – Umgang mit Stift und Papier 98 Person 40 Person-Environment-Occupation Modell 39 Pertra-Spielsatz 34 Pfötchengriff 134–135 Pinselgriff 63–64 Pinzettengriff 20 Poi 215 Präferenzdominanz 166 Pragmatisches Reasoning 42 präliteral-symbolische Denkentwicklung 68 Prävention 162 Präventionsauftrag 157 Präventionsprogramm 150–151, 154 Pressgriff 20

RAVEK 148 Reaktion, konditionierte 144 Rechtschreibbeherrschung 68 Rechtschreibstrategie 68 Reliabilität 83 Rhythmischer Wechsel 205 Right Shift Theory 175 Rotation 22, 56 – Einfache 56 – Komplexe 56 Rückschulung 219 Rumpfkontrolle 23 – schwache 129

S Schädel-Hirn Trauma 116 Schere, Linkshänder 233 Scherengriff 16, 20 Scherenhaltung 59 Schiebebewegung, siehe Shiftbewegung Schlaganfall 116 Schlüsselgriff 20 Schneiden 58 SCHREIB-MAL-SCHULE 125, 136 – Anwendung 129 – Struktur und Aufbau 136 Schreibakt, reiner 67 Schreibbewegung 94 Schreiben 60, 66, 70, 135 – Abschreiben 78 – aus dem Gedächtnis 78 – beginnendes 62 – Begleiten 95 – Bewegungsrichtung 226 – Bewertung 74 – Direktes Training 92 – Direktes Training von (Aus-) Malen 92 – endloses 96 – Grundschule 66 – in der Grundschule 66 – Kompetenzerwartung 67

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Sachverzeichnis – Kriterien 62 – linkshändiges 223 – Optimaler Schreibvorgang 225 – Orientierung und räumliches Planen 135 – Papierlage 113 – Positionierung Unterarme 113 – Reifekriterien 66 – Schreibgeschwindigkeit 161 – Sitzhaltung 226 – Stellenwert 66 – Stift- und Handhaltung 225 – Stress 149 – Therapiefokus 91 – Üben und Automatisieren 227 – Verzieren als Vorbereitung 94 – Vorbereitung 59, 70, 94 – Vorläuferfertigkeiten 62 – Wichtigkeit 146 Schreibfertigkeit 39 Schreibgeschwindigkeit 155 Schreibgewohnheit, schlechte 135 Schreibhaltung 71 Schreibhand 167, 176–177 Schreiblernprozess 62, 97 Schreibmaterial 113 – Einsatz von Stifthilfen 113 Schreibprobleme 70, 84 – Empfehlungen des Evidence-Statement 84 – motorische 84 – Therapie-Hausaufgaben 97 Schreibprozess 145 Schreibprozessansatz nach Ludwig 67 Schreibrichtung 68, 226 Schreibvorgang 225 Schreibvorläuferfertigkeit 63 Schreibzubehör 227, 233 Schriftneigung 226 Schriftspracherwerb 67 Schriftvariante 155 Schule, Identifikation Schüler/ Lehrer 158 Schuleintritt 154 Schulfähigkeit 156 Schuljahr, erstes 228 Schulstress 154 Schultergelenk 50 Schulterkontrolle 58 Schüttspiel 202 Schwierigkeiten, Feinmotorik 28 Scientific Reasoning 42 Screening Prewriting skills Occupational Therapy (SPOT) 75 Sehvermögen 49 Selbstständigkeit 18

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Selbstversorgung, Linkshänder 238 Sensomotorik 160 Sensorische Integration 125 Sensory Overresponsivity – SOR 49 Sensory Underresponsivity – SUR 49 Sensory-Integration-andPraxis-Test 31 Sensory-Integration-andPraxis-Tests 27 Setting, Therapie 34 Shift 22, 56 Sitzhaltung 52, 112 – am Tisch 106 Sitzhaltung, adäquat 52 Sitzhöhe 107 Sitzposition 151 Sitzproblem 109 Sitztiefe 106, 112 Social Support 159 Somatodyspraxie 50 Soziale Interaktion 129 Sozialkompetenz 159 Soziodynamik 159 Spiegelschrift 227 Spiel 235 Spiel- und Kopiervorlagen 159 Spielknete 32 Spielmaterial 52 Spiritualität 40 Spitzgriff 134 SPOT (Screening Prewriting skills Occupational Therapy) 74 Sprachauffälligkeit 68 Sprachbildung 145 Sprachzentrum 172, 174 Stabilität 52 Steckaufgabe 186 Stift 59 – Umgang 59 Stifthaltung 63, 151 – Reife 63 – Übergangsgriffe 63 – Unreife 63 Stifthilfe 113 Stokke-Tischauflage 110 Strategie 68–69, 120, 144 Stress 149, 154, 159 Strichführung, vertikale 131 Stuhl-Push-up 99 Supination, aktive 131 Supinationsgriff, palmarer 63 Symmetrie 53, 65 Symmetrieneigung 65 Systemtheorie, dynamische 116

T Tapping-Aufgaben 186 Tätigkeit, komplexe 15

Teilhabe, siehe Partizipation Test, motorischer 85 Testgütekriterien 188 Textproduktion 69 Therapeut, Kompetenz 149 Therapie, Dokumentation 28, 149 Therapie-Hausaufgabe 97 Therapieaktivität 99–100 Therapiebedarf 151 Therapieentscheidung 24 Therapiefokus 91, 98 – Beratung des Umfelds bezüglich der Sitzhaltung 112 – Beratung und Anpassung der Umwelt 105 – Feinmotorisches Training 99 – Haltung und Papierlage 113 – Manipulative Fertigkeiten 102 – Person (Kind) 98 – Sitzhaltung am Tisch 106 Therapieindikation 24 Therapiekitt 32 Therapieknete 100 Therapiemethode 27, 34 Therapiesetting 34 Therapieziele 25, 27 Tintenroller 227, 233 Tischauflage Stokke 110 Tischhöhe 108 Tonusproblem 43, 119 Tonusregulation 133 Top-down-Ansatz 43, 126, 143 Tragen 47 Trainer 157–158, 162 Training – Aufbau 102 – Basisprinzipien 102 – direktes 44, 92 – Feinmotorisches 99 – Malen und Schreiben 91 – motorisches Vortraining 161 – perzeptiv-motorisches 43 – Schreibtraining 91 Translation 18, 21, 54 Translationsfähigkeit 105 Treffpunkt 125 – Anwendung 129 – Das Spiel 129 Treppensteigen, alternierend 29 Tripp-Trapp 112

U Übergangsgriff 63 Überkreuzungstest 196 Übung – Bleistift-Rallye 150 – SCHREIB-MAL-SCHULE 125

– Übungs- und Förderdefizit 157 Übungsbedarf 151 Übungsreihen 96 Umfeld, soziales 183 Umfeldberatung 112 Umfeldgestaltung 34 Umfeldstörfaktor 160 Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (UEMF) 24 Umschulungsfolge 218 Umwelt (Environment) 40 Umweltfaktoren 26 Unterarm – laterales Abstützen 130 – richtige Positionierung 113 Unterarm, pronierter 132 Urkunde 136

V Verhalten, händigkeitssensibles 219 Vertikale Arbeitsfläche 99, 109 Verzieren 94 Vierfingergriff, statische 63 Vorgehen, traditionelles 43 Vorläuferfertigkeit 57, 62 Vorschulalter 34, 150, 228 Vorschulförderung 154, 157, 159 Vorschulkind 75

W Wahrnehmung, haptische 49 Wahrnehmung, visuelle 45, 86 Wahrnehmungsleistung 160 Wahrnehmungsproblem, visuelles 43 Wahrnehmungstest, visueller 44, 84 Wahrnehmungsverarbeitung, somatosensorische 24 Webspace 51 Werkzeug 53 – Einsatz von 53 Werkzeuge 152, 219 Werkzeuggebrauch 18 Winke-Winke-Spiel 17

Z Zangengriff 20 Zeichenentwicklung 19 Zeichnen 38, 76 Zeigefingergelenk, hyperextendiertes 134 Zerebralparese, infantile 116 Ziel-Plan-Tu-Check-Strategie 122, 124

Schönthaler, Grafomotorik und Händigkeit (ISBN 978-3-13-242844-7), © 2020 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.