»Graeca non leguntur«? Zu den Ursprüngen des europäischen Rechts im antiken Griechenland. Band 1 3447061219, 9783447061216

Die vier Bände von ‚Graeca non leguntur’? sind das Ergebnis langjähriger Forschung über die Griechen und deren rechtshis

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»Graeca non leguntur«? Zu den Ursprüngen des europäischen Rechts im antiken Griechenland. Band 1
 3447061219, 9783447061216

Table of contents :
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Title Page
Copyright
Table of Contents
Body
Vorwort
Zum Geleit
Inhaltsübersicht der Folgebände
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Kapitel I: Perspektiven
1. Zum Buchtitel
2. Zum Wert humanistischer Bildung
3. ‚Europa und griechisches Recht’
4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung
5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?
6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?
7. Olympische Religion und Heroenkulte
8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland
9. Anfänge des Völkerrechts
10. Rezeption durch Rom?
Glossar
Literaturverzeichnis
Stichworte

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Heinz Barta „Graeca non leguntur“? Band 1

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 9783447061216 — ISBN E-Book: 9783447190770

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Heinz Barta

„Graeca non leguntur“? Zu den Ursprüngen des europäischen Rechts im antiken Griechenland Band 1

2010

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

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Umschlagabbildung: »Kopf des Diskophoros«: Römische Marmorkopie nach Polyklet. Griechisches Original um 460 v. Chr. Antikensammlung Berlin Photo: Ingrid Geske, mit freundlicher Genehmigung. Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien; dem Amt der Voralberger Landesregierung, Abteilung IIb, Wissenschaft und Weiterbildung; dem Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Kultur und dem Vizerektorat für Forschung der Leopold-Franzens Universität Innsbruck.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet at http://dnb.d-nb.de.

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter http://www.harrassowitz-verlag.de © Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2010 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung in elektronische Systeme. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978-3-447-06121-6 e-ISBN PDF 978-3-447-19077-0

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„Wenn Macht und Recht in einem Joche gehn, welch Zweigespann kann stärker sein als dieses.“ Aischylos, Fragment 381 (aus einem verlorenen Stück)*

* Die Aussage, nämlich dass Macht der rechtlichen Kontrolle bedarf und Macht ohne ein für alle gleiches Recht, Unrecht ist, behandelt Aischylos auch in seiner Tragödie ‚Der gefesselte Prometheus’, die wahrscheinlich erst nach den ‚Eumeniden’ (s. Kapitel III) entstanden ist; vgl. Ch. Meier 1988, 157. – Aischylos spielt in diesem schönen Zitat, das aus einem verlorenen Stück (Fragment 381 Nauck) stammt, offenbar auf das bekannte Solonzitat an, wonach dieser seine Gesetzgebung dadurch zustande brachte, weil er – wenngleich vom Volk authorisiert – „Zwang und Recht verband“; so die Überlieferung durch Aristoteles, ‚Athenaíon Politeía’ 12 (4), deren griechischer Text lautet: „[…] UBºUB N}O LSƒUFJ, °NPÀ CeBO UF LBh EeLIO TVOBSN²TBK“. – Zur Entstehung des Prometheusmythos: Kapitel I 7: ‚K. Meuli und die Griechischen Opferbräuche – Jägersitte, Prometheusmythos und olympischer Opferbrauch’; zum Zusammenhang des Prometheusmythos mit dem antiken Fortschrittsdenken: Dodds (1973). Erzählt wird der Prometheus-Mythos mit seinen gemeinschaftstragenden Kräften aidos/BdEÈK und dike/EeLI (die auch für Demokrit wichtig waren; s. Kapitel VI 1: ‚Demokrit …’) im platonischen Dialog ‚Protagoras’ 320c ff; dazu in Kapitel III 4: ‚Mythos und Logos bei Aischylos – Der Mythos von Prometheus’. Weitere Auseinandersetzung mit dem Mythos in den Kapiteln II 17: ‚E. Topitsch zum orientalischen Mythos’, III 4: ‚Mythos und Logos bei Aischylos’, IX 1: ‚Mythos und Evolution’ und X 1: ‚Vom Mythos zum Logos’.

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In Erinnerung an die zu früh verstorbenen Freunde Rudolf Palme und Hans Estermann, all jenen gewidmet, die am Recht, seiner gesellschaftlichen Aufgabe, Entwicklung und Geschichte interessiert, und gestärkt durch solche Einsicht in der Lage sind, der ‚Rechtsidee’ zu folgen; allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bereit sind, herrschende Meinungen in Frage zu stellen.

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Vorwort Diese Studie ist das Ergebnis langjährigen Befassens mit den ‚Griechen’. Das Erscheinungsbild habe ich Frau Dr. Barbara Krauss und Herrn Jens Fetkenheuer vom Harrassowitz Verlag zu danken, die sich auch um ein gutes Subskriptionsangebot bemüht haben. Auch allen anderen Mitarbeiter/innen des Verlags danke ich für gute Zusammenarbeit und die Bereitschaft, auf meine Vorschläge einzugehen. Ausgegangen bin ich von der Überlegung, dass nicht alles aus Rom stammt, was von dort kommen soll. Dabei konnte ich nicht stehen bleiben, denn es zeigte sich, dass die Griechen vieles dem Alten Orient verdanken; und auch innerhalb des Alten Orients sind Transfers und Rezeptionen auszumachen. – Deshalb musste die simple These, das europäische Recht komme aus Rom, überprüft werden. Viele haben mich bei meiner Arbeit unterstützt und dies auf ganz unterschiedliche Weise. Ihnen allen danke ich herzlich; Hans Erich Troje ganz besonders dafür, dass sich dieser unabhängige Rechtshistoriker bereit erklärt hat, mein ‚Projekt’ vorzustellen. – Dank abzustatten gilt es folgenden Institutionen, die zur Publikation des ersten Bandes einen Zuschuss geleistet haben. Es sind dies: Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Wien, das Land Tirol (Kulturabteilung: Dr. R. Bacher), das Land Vorarlberg (Kulturabteilung: Mag. Ira Stüttler) und die Universität Innsbruck (Vizerektor für Forschung Tilman Märk). Dass die vier Bände nicht gleichzeitig erscheinen, hatte Konsequenzen. Die Anmerkungen wurden ursprünglich durchnummeriert, schließlich aber nur pro Band, sodass nunmehr jeder Band mit Anmerkung 1 beginnt. Auf Verweisungen zwischen den Bänden konnte und wollte ich nicht verzichten, weil dadurch Hinweise auf weiterführende Erörterungen möglich sind, Zusammenhänge deutlich gemacht und Wiederholungen vermieden werden können. Verweisungen von Band I auf Folgebände geben das jeweilige Kapitel, den Punkt und den Unterpunkt mit Kurztitel an. Ein Verweis auf Anmerkungszahlen der Folgebände war aus technischen Gründen nicht möglich. Von Folgebänden aus kann dagegen auf vorangegangene Bände punktgenau verwiesen werden. – Innerhalb eines Bandes bezeichnet der Verweis das jeweilige Kapitel, den arabischen Punkt, den Unterpunkt und – wenn nötig – eine konkrete Anmerkung oder Seite (zB III 3 Anm. …) Ein ausführliches Inhalts-, ein Abkürzungs- und Stichwortverzeichnis (allgemein und griechisch), ein Abbildungsverzeichnis und ein Glossar sollen die Ori-

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Vorwort

VIII

entierung erleichtern. Mein Dank für die Mitarbeit bei der Erstellung dieser Verzeichnisse gebührt Frau Dr. Constanze Ebner, Frau Gülden Celik und Frau Tatjana Ulasik. Bei der Zusammenstellung von Skizzen, Karten und Bildern, die den Text ergänzen, hat mich Frau Mag. Birgit Gufler unterstützt, der ich für Ihre Mühe danke. Peter Jordan danke ich für computertechnische und bibliothekarische Unterstützung, Frau Mag. Ines Raffler vom Institut für Römisches Recht für zuvorkommende bibliothekarische Hilfe. Zu danken habe ich auch A. Chaniotis/Oxford und P. Funke/Münster dafür, dass sie mir freundlicherweise den Abdruck von Karten aus ihren Werken gestattet haben. Auch im Namen des Verlages danke ich Frau Ingrid Geske dafür, dass sie die Photographie des Diskophoros kostenlos für die Verwendung als Titelbild zur Verfügung gestellt hat. – Frau Dr. Constanze Ebner hat zur Gestaltung des Textes beigetragen. Unsere ‚Sitzungen’ waren intensiv, mitunter auch kurzweilig und heiter. Folgende Erscheinungsweise ist geplant: Bd. II Ende 2010, Band III Herbst 2011 und Band IV Mitte 2012. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, einen Text zu schaffen, der Einblicke in die für das europäische Rechtsdenken grundlegende griechische Rechtsgeschichte gewährt. Die verschiedenen Themen bilden ‚one long argument’ (Ch. Darwin). Vielleicht bietet sich damit auch jenen, die zwar interessiert sind, aber nicht über hinreichend Zeit und Muße verfügen, um selbst danach zu forschen, die Möglichkeit, sich der Rechtsgeschichte der gesamten Antike zu nähern. Mein Unternehmen bewegte sich an der Grenze dessen, was für einen Einzelnen möglich ist, aber es gab keinen anderen Weg. In manchem Bereich konnte ich nur einen (ersten) Eindruck vermitteln, wenngleich ich in wichtigen Einzelfragen offenen Problemen gründlich nachgegangen bin und neue Wege beschritten habe. Das war nötig, um das griechische Recht(sdenken) zu veranschaulichen: Etwa das Entstehen der Verschuldenshaftung (in den Jahren zwischen Drakon und Aristoteles), das für die Entstehung der griechischen (und dann auch der römischen) Rechtswissenschaft unerlässliche Konzept der Epieikeia, das wir Platon verdanken; und insbesondere das Entstehen der griechischen Jurisprudenz. Dass sich das griechische Rechtsdenken nicht nur dem Privatrecht zugewandt hat, halte ich nicht – wie dies mitunter vorgekommen ist – für einen Mangel, sondern für einen Vorzug. Meine Darstellung musste unvollständig bleiben, denn die Versäumnisse im Bereich meines Themas sind zu zahlreich, als dass sie von einem Einzelnen hätten ausgeräumt werden können. Mein Bestreben war es jedoch, über fachliche Beengtheit hinauszugelangen und in wichtigen Fragen Zusammenhänge zu zeigen, wenn dies auch manchmal nur skizzenartig möglich war; das gilt für die Existenz eines gemeinen griechischen Rechts, das Entstehen des Rechtssubjekts und subjektiver Rechte, die Entwicklung eines Persönlichkeitsschutzes und schließlich für Auslegungs- oder Methodenfragen. – Wie mir scheint, führen selbst

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Vorwort

IX

meine unvollständigen Versuche zu einem neuen Bild des griechischen Rechts(denkens). So übergebe ich meine Studie der Öffentlichkeit und hoffe, dass Leserinnen und Leser das Material, oder wenigstens Teile davon, interessant finden und dass einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeregt werden, dort fortzufahren, wo ich aufgehört habe. – Möge so die Antike Rechtsgeschichte vorangebracht und das Bewusstsein dafür geschärft werden, wie unverzichtbar Interdisziplinarität in Rechtsgeschichte und Rechtswissenschaft ist. Die Rechtswissenschaft braucht Brücken zu den Sozialwissenschaften, den Geisteswissenschaften und heute auch zu den Naturwissenschaften, um ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen zu können. Ich wünsche, es möge mir gelingen, meinen Lesern und Leserinnen etwas von jener griechischen Welt zu vermitteln, der ich mich seit meiner Gymnasialzeit verbunden fühle. H. B. Innsbruck, im Juli 2009

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Zum Geleit Ganz unverdient ist mir die Ehre widerfahren, diesem überwältigend mutigen Vorhaben, dessen Umfang und Themenvielfalt die Inhaltsverzeichnisse erahnen lassen, bei Anlaß des Erscheinens des ersten Bandes ein weiteres gutes Gelingen und bei interessierten Lesern eine möglichst günstige Aufnahme zu wünschen. Ich wurde mit dem Projekt Anfang 2002 durch freundliche und willkommene Zusendung der damals vorliegenden Ausarbeitungen erstmals bekannt und hatte dann im Dezember gleichen Jahres die Freude, dem mutigen Verfasser in Innsbruck persönlich zu begegnen. Wie erwartet, zeigte sich bald, daß wir hinsichtlich unserer Interessen und Kompetenzen auf verschiedenen Kontinenten lebten und daß Heinz Barta sich in Dimensionen bewegte, in welchen meine zuerst in „Graeca leguntur“ vorgelegten Forschungen zu kritischen Editionen byzantinischer Rechtstexte durch humanistisch orientierte Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts nach qualité und quantité als negligeable erscheinen mußten. Doch in der Freude am Griechischen waren und blieben wir einander verbunden. Eher zu seinem Projekt passen wohl die vor gleichfalls vier Jahrzehnten vorgetragenen Überlegungen über „Europa und griechisches Recht“, doch mein kleiner Beitrag ist vom Umfang her nur ein Hundertstel dessen, was Heinz Barta vorzulegen begonnen hat und erscheint neben seinen quellenmäßig gut abgesicherten Aufstellungen als reines Phantasieprodukt. Von meinem Phasenmodell, in dem auf drei Aufschwungzeiten für griechische Ideen jeweils eine Abschwungphase folgt, in der sich das römische Gedankengut wieder durchsetzte, wird wenig übrig bleiben. Während meine damaligen und teilweise noch heutigen Orientierungen Bindungen an meine Freiburger Lehrer Fritz Pringsheim und Hans Julius Wolff bezeugen, hat Heinz Barta den kühnen Weitblick des unabhängigen Außenseiters. Was uns aber wiederum zu verbinden scheint, ist Bewunderung für Erik Wolf, durch dessen Empfehlung mein gewagtes opus parvum 1971 publiziert werden und somit schließlich auch nach Innsbruck gelangen konnte. Das dort jetzt ans Licht tretende opus magnum-maximum möge bei allen Gebildeten, auch aus den Reihen der rechtshistorisch forschenden und lehrenden Kollegen sowohl der jetzt abtretenden Generation wie der bereits nachgerückten und noch kommenden beste Aufnahme finden. Mut und Kraft, die mir abhanden kamen, wird sein Verfasser, den Freunde und Kollegen bereits zur Vollendung des 65. Lebensjahres mit einer Festschrift ehrten, auch künftig brauchen können. Hans Erich Troje

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................................. VII Zum Geleit .............................................................................................................................. X Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... XV Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... XIX Einleitung ................................................................................................................................. 1 Zum Thema 4 ‚Began jurisprudence with Rome?’ 9 Was ist ‚Rechtsdenken’? 11 Kapitelüberblick 13 Über Zitate, Zitierweise, Gliederung 21 Troje: ‚Europa und griechisches Recht’ 25 Neue Disziplinen für Rechtswissenschaft und Rechtsgeschichte 29 Neubewertung des griechischen und orientalischen Einflusses 31 Griechische Rechtsfälle 34 Fall 1: Hypereides gegen Athenogenes 38 Fall 2: Chilon, Theophrast und Aulus Gellius 41 Fall 3 Xenophons ‚Kyrupädie’ 45 Fall 4: Antiphon – erster europäischer Rechtswissenschaftler 49 Schillers Plädoyer für die Universalgeschichte 49 Erinnerung an verstorbene Freunde 52 Dank 54 Kapitel I: Perspektiven ......................................................................................................... 57 1. Zum Buchtitel .................................................................................................................... 57 Ausgrenzen des griechischen Rechtsdenkens? 59 Wissenschaft betreiben ist ‚Fragen stellen’ – schon bei den Griechen 65 Griechen und anglo-amerikanischer Rechtskreis 68 ‚Rechtswissenschaft’ und ‚Jurisprudenz’ 70 Periodisierung der griechischen Rechtsentwicklung 75 Einflussphasen des griechischen auf das römische Recht 77 Die einzelnen Phasen 79 ‚Leistungen’ des griechischen Rechts 84 Das Recht in seinem kulturhistorischen Umfeld 89 2. Zum Wert humanistischer Bildung ................................................................................. 93 Die Qualität antiken (Rechts)Denkens 96 Was vermittelt uns die Antike? – Olof Gigon 98 Die Modernität antiken (Rechts)Denkens 102 Heinrich Mitteis und der ‚Wert der Rechtsgeschichte’ 106 Recht und Medizin 109 ‚Bildung’ verlangt Öffnung 111 Die Entwicklung des Individuums – Individualität in der Antike 115 Vom Bellizismus zum Humanismus 120 3. ‚Europa und griechisches Recht’ ................................................................................... 122 Legal isolationism – Juristen als ‚Priester’? 123 Splendid isolation und Rechtsgeschichte 128 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung .................................................................... 129 Das Fremdenrecht als Angelpunkt der Entwicklung 131 Konservativismus der römischen Juristen 134 Die athenische Philosophengesandtschaft 138 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur? ............................................................... 139 Einschätzung der griechischen Einflusses 141 Griechischer Sonderweg? 143 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht? .................................................................... 159 Streit um den Begriff 161 Egon Weiss 163 Die archaische Epoche – Die großen Gesetzgeber 166 Normgenerator Familienrecht 167 Verkehrsrecht 170 Ludwig Mitteis 173 Vernetzung und Kommunikation 175 Volk – Recht – politische Einheit 176 Gemeinschaft des Blutes, der Sprache und der Religion 178 Ubi societas, ibi religio – ibi et ius? 180 Natur- und Kulturnormen 182 Von Skepsis zu Zustimmung 183 Paul Vinogradoff 183 Grundlagen des

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XII

Inhaltsverzeichnis

Rechts in der Archaik 188 Griechischer Rechtskreis? 190 Tendenz zur Einigung und Polisbildung 194 Unity of Greek Law? 196 7. Olympische Religion und Heroenkulte .......................................................................... 215 Umsetzung von Religion in Recht? 220 Lokale Ursprünge von Religion und Heroenkulten 226 Olympische Religion und Recht 228 Die ‚Griechischen Opferbräuche’ 230 Gemeinsame Ursprünge von Recht und Religion 244 Zur griechischen Religion 253 Gemeinsame Entstehensbedingungen für Recht und Religion? 254 Griechische Götter und das Recht 264 Zeus und Hera 271 Gemeinsame Rechtsgrundsätze? 278 Griechische Religion und Gesellschaft 284 Natur – Religion – Gesetz der Gemeinschaft 290 Zusammenfassung 293 Heroenkulte und Rechtsentwicklung? 303 Gedanken zur Polisbildung 313 Die öffentlichen Epitaphien 315 Der Aufstieg des Geldes 323 Einflüsse aus dem Alten Orient? 325 Rechtsordnung und Polis 327 Das ‚Recht der Gemeinschaft’ 330 Allgemeine Wertgrundlage 334 Ehrfurcht vor altem und überkommenem Recht 335 Gemeinsame Religion 338 Alexander der Große und der Eid von Opis 340 Nomos und Physis 343 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland .......................................................... 345 Was ist Kollisionsrecht? 345 ‚Erinnerungen’ an die griechische Kolonisation 350 Kolonisation fördert Rechtsvereinheitlichung und autochthone Kautelarpraxis 353 Die ‚Große Kolonisation’ 356 Das ‚Internationale Privatrecht’ der Antike 368 ‚Intermunizipiales’ Kollisionsrecht zwischen Mutter- und Tochterstadt 377 Entwicklung Italiens im Hochmittelalter 377 Griechische Wurzeln? 379 Thera und die Koloniegründung von Kyrene 385 ‚Standards’ für Koloniegründungen? 387 Jefferys Untersuchung 389 Welweis Bedenken 391 Gründungspakt Theras für Kyrene 392 Die Inschrift von Naupaktos 398 Der Inhalt der Inschrift 400 Der ungewöhnliche Aufbau der Urkunde 404 Die ältesten privatrechtlichen Kollisionsregeln – Die erste Kollisionsregel 415 Von Perkothariern und Mysacheern 420 Die zweite Kollisionsregel 422 Die dritte Kollisionsregel 424 Naupaktische Landaufteilung um 500 v. C. 425 Schlussbemerkung 426 Der Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon 427 Rechtskultur im archaischen Griechenland 430 Mangel an Voraussetzungen für ein IPR? 433 Fremden-, Kollisions- und Völkerrecht 434 9. Anfänge des Völkerrechts .............................................................................................. 442 Polisübergreifendes Staats- und Rechtsdenken 445 Kreta 449 Völkerrecht und Alter Orient 454 Nachwirkungen aus dem Alten Orient 465 Aus welchem Grund entsteht Völkerrecht? 468 Was ist Völkerrecht? 482 Wann spricht man von Völkerrecht? 479 Gemeingriechisches Völkerrecht 483 Epochen antiken Völkerrechts 486 Völkerrecht im klassischen Griechenland 487 Spondai 492 Symmachie und Spondai 499 Griechische Epieikeia und römisches Völkerrecht 506 Zusammenfassung 510 10. Rezeption durch Rom? ................................................................................................. 511 Zur Methode der römischen Rechtsfindung – Wesens- oder Unwesensschau? 515 Rechtliche Transfers und Rezeptionsvorgänge 516 Verwandtschaft zwischen römischem und griechischem Recht? 519 ‚Der griechische Gedanke in der Rechtswissenschaft’ – M. Kaser gegen J. Partsch 522 Egon Weiss 527 Das Ausmaß des griechischen Einflusses 529 Tempel, Agora und Alphabet 539 Die Polis und ihre Bürger 543 Griechische Sprache und Kultur 547 Rahmenbedingungen der Rezeption 550 Neue Aufgaben für die Rechtsgeschichte 552 Bäuerliches Familieneigentum als Vorläufer des Anerbenrechts? 555 Naturrecht und Völkerrecht 556 Graeca leguntur 557 Recht und Gesellschaft 559 Glossar .................................................................................................................................. 563 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 577 Stichworte.............................................................................................................................. 671

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Inhaltsübersicht der Folgebände Kapitel II: Drakon und Solon (= Band II) 1. Von Solon zu Kleisthenes 2. Die Polis - Hüterin des sozialen Ausgleichs 3. Drakons Gesetzgebung 4. Die Entstehung der Rechtskategorie 'Zufall' 5. Vom sakralen Sühnerecht zur Schuldlehre 6. Drakons Gesetz über die Blutrache 7. Wegweiser zur 'Eunomia' 8. Menschliche Gerechtigkeit und göttliches Gesetz 9. Geburtsstunde des Rechtssubjekts und der Demokratie 10. Solons Gesetzgebung 11. Solon und die Polis 12. Entstehung des (Privat)Rechtssystems 13. Vom Alten zum Neuen Nomos – Nomos und Physis – Die Epieikeia 14. Hybrisklage und Persönlichkeitsschutz 15. Solons Bild in der Geschichte 16. Solons Reformen 17. ‚Eunomia’ und ägyptische ‚Ma’at’ 18. Das Stadtrecht von Gortyn 19. Vom ‚Totenteil’ zum Individualeigentum 20. Die ‚Seelgerätstiftung’ 21. Hellenistische Totenkultstiftung – Römische Stifungen – Germanisch-christliches ‚Seelgerät’ 22. Erwerb und Schutz von Individualeigentum 23. Rezeption und Kulturtransfers Zweiter Teil: Recht, Dichtung und Geschichte (= Band III) Kapitel III: Die ‚Eumeniden’ des Aischylos 1. Athene – Wegbereiterin des Rechtsstaats 2. Hintergrund der ‚Eumeniden’ – Recht als Mahnung zur ‚Mitte’ 3. Eindämmen von Selbsthilfe, Eigenmacht und Blutrache 4. Die Tragödie – Schule der Demokratie und des Rechtsstaates 5. Tragödie und Komödie im Dienste der Polis 6. Vom starren Ritus zum heiligen Recht Kapitel IV: Der ‚Melierdialog’ des Thukydides 1. Phänomen ‚Macht’ – Zweifel an des Thukydides Objektivität? 2. Recht – ‚Sprache der Macht’? 3. Das ‚Recht des Stärkeren’ – Nachbeben nach ‚Melos’ 4. Der ewige Kampf um die Versittlichung des Menschen – Zur ‚Pathologie des Krieges’ Kapitel V: Euripides und das Naturrecht 1. Der Dichter als (Rechts)Philosoph? 2. Naturrecht oder Kulturrecht? 3. Person und ‚angeborne Rechte’ – Vorstufen zum Schutz der Persönlichkeit und Menschenrechte 4. Naturrecht oder Rechtspositivismus? 5. Was könnte ein modernes Naturrecht leisten? Dritter Teil: Praxis und Theorie griechischen Rechtsdenkens Kapitel VI: Gab es eine griechische Jurisprudenz? 1. Rechtswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte 2. Juristische Professionalisierung 3. Gab es eine griechische Rechtswissenschaft? 4. Historischer Rahmen 5. Rechts-Theorie und Rechts-Praxis 6. Bedeutung der griechischen Philosophie für das Rechtsdenken 7. Verdrängung der griechisch-orientalischen Wurzeln? 8. Demosthenes als Rechtstheoretiker Kapitel VII: Platon (= Band IV) 1. Rechtsidee und Rechtsbegriff 2. Platons ‚Politeía’ und die Gerechtigkeit 3. Platons Plädoyer für Gesetzespräambeln und die Arzt-Patient-Beziehung 4. Legistik bei Platon 5. Platons Methodenreflexion 6. Platon als Rechtstheoretiker und Rechtspolitiker 7. Schuld- und Willenslehre des Aristoteles 8. ‚The growth of criminal law in ancient Greece’ Kapitel VIII: Aristoteles und das Recht 1. Entstehung der Rechtsgeschichte 2. Ethische und dianoetische Tugenden 3. Nikomachische Ethik und griechische Rechtswissenschaft 4. ‚Rhetorik’ des Aristoteles

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Inhaltsübersicht der Folgebände

XIV

5. Die ‚Politik’ – Entstehungsort der Rechtswissenschaft? 6. Der ‚Staat der Athener’ 7. Die Theophrast – Beginn der Privatrechtswissenschaft 8. Naturrecht bei Aristoteles 9. Rechtsdenken bei Platon, Aristoteles und Theophrast Vierter Teil: Recht, Religion und Gerechtigkeit Kapitel IX: Recht und Religion 1. Konrad Lorenz 2. Emile Durkheims ‚Die elementaren Formen des religiösen Lebens’ 3. Recht und Religion in frühen Gesellschaften 4. Walter Burkert 5. Sakrale Rechtsformen 6. Herrschaft, Staat und Gerechtigkeit Fünfter Teil: Ausblick und Ergebnisse Kapitel X: Epilog 1. Vom Mythos zum Logos – Zur posthumanen Zivilisation? 2. Trennung von Recht und Moral? 3. Hans Kelsen und König Midas 4. Der Kosmopolitismus der Hellenen 5. ‚Tief ist der Brunnen der Vergangenheit’ – ‚Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte’ 6. Griechenlands Vermächtinis – Bedeutung des Alten Orients Kapitel XI: Zusammenfassung - Thesen

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Abkürzungsverzeichnis a. aA aaO ABGB

actio andere/r Ansicht am angegebenen/angeführten Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreichs) von 1811/1812, JGS 946 Abs. Absatz Abschn. Abschnitt AcP (deutsches) Archiv für die civilistische Praxis (1818-1944, 1948/49 ff): Band, Jahrgang (in Klammern), Seite aE am Ende aF alte Fassung ALR Allgemeines (Preußisches) Landrecht von 1794 aM anderer Meinung Anm. Anmerkung arg. argumento (folgt aus) ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Jahr, Seite) Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage B.C. (oder BC) before Christ Bd./e. Band/Bände Beil. Beilage/n BGB (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch, RGBl. 1896, 195 BGBl. Bundesgesetzblatt (österreichisch: Jahr, Nummer; ab 1997 Teil: I, II, III, Jahr, Nummer) BMfJ Bundesministerium für Justiz BM Bundesminister(ium) Brodersen et. al. Brodersen/Günther/Schmitt. Historische Griechische Inschriften in Übersetzung, Bde. I: Die archaische und klassische Zeit, II: Spätklassik und früher Hellenismus (400-250 v. Chr.), III: Der griechische Osten und Rom (250-1 v. Chr.) (Darmstadt, 1992, 1996, 1999) Bspr. Besprechung bspw. beispielsweise B-VG Bundes-Verfassungsgesetz idF von 1929, BGBl. 1/1930 (Wv) idgF bzw. beziehungsweise ca. cirka, ungefähr Cod. Iust. Codex Justinianus (Corpus Iuris Civilis, vol. II ed. Paul Krueger, 11. Aufl. Berlin 1954) Cap. Capitel CH Codex Hammurab(p)i csqun condicio sine qua non

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XVI

Abkürzungsverzeichnis

Dig. oder D.

Digesta (Corpus Iuris Civilis, vol. I, edd. Th. Mommsen/Paul Krueger, 16. Aufl. Berlin 1954) DKP Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike auf der Grundlage von Paulys Realencyclopaedie der classischen Alterumswissenschaft. Stuttgart 1964-1975, Taschenbuchausgabe München 1979: Autor/in, Band und Spalte/n DHG Dienstnehmerhaftpflichtgesetz 1965, BGBl. 80 DNP Der Neue Pauly. Lexikon der Antike, Stuttgart 1996 ff: Autor/in, Band, Erscheinungsjahr, Spalte/n Dt./dt. deutsch/es d. h. das heißt d.i. das ist Diss. Dissertation ebd. ebendort E(n) Entscheidung(en) Ed. Editor EMRK Europäische Menschenrechtskonvention et al. et alii (und andere) etc. et cetera f + ff der/die folgende/n F. (oder Frag. oder auch frg.) Fragment FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FG Festgabe FGL Franz Gschnitzer Lesebuch; hg, von H. Barta/K. Kohlegger/V. Stadlmayer (Wien, 1993) Fn Fußnote frCC französischer Code Civil von 1804 FS Festschrift GDI Sammlung der griechischen Dialekt-Inschriften ed. Collitz-Bechtel (Göttingen, 1884-1915) GS Gedächtnis-, Gedenkschrift H. Heft hA herrschende Ansicht HB Handbuch Hdt. Herodot Hg./hg. Herausgeber/in + herausgegeben HGB dtHandelsgesetzbuch von 1897, in Österreich 1938 in Geltung gesetzt HGIÜ Historische Griechische Inschriften in Übersetzung, von Kai Brodersen/Wolfgang Günther/Hatto H. Schmitt, Bde. I: Die archaische und klassische Zeit, II: Spätklassik und früher Hellenismus (400-250 v. Chr.), III: Der griechische Osten und Rom (250-1 v. Chr.) (Darmstadt, 1992, 1996, 1999) HZ Historische Zeitschrift IC Inscriptiones Graecae (Berlin) idF in der Folge id(g)F in der (geltenden) Fassung idR in der Regel ieS im engeren Sinn/e iSd im Sinne des

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Abkürzungsverzeichnis

XVII

iSv im Sinne von itCC italienischer Codice Civile von 1942 iVm in Verbindung mit iwS im weite(re)n Sinn/e JB Jahrbuch Jg. Jahrgang Jh./Jhs. (oder Jhd./Jhds.) Jahrhundert/s Jt./s. Jahrtausend/s JZ (deutsche) Juristenzeitung (1951 ff) KAG Krankenanstaltengesetz KAKuG Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz Kap. Kapitel krit. Kritisch KSchG Konsumentenschutzgesetz 1979, BGBl. 140 idgF LAW Lexikon der Alten Welt: Bde. I-III (1965/1995): Autor/in, Band, Spalte/n lit. litera/Buchstabe Lit. Literatur LJZ Liechtensteinische Juristen-Zeitung (seit 1994) LThK Lexikon für Theologie und Kirchengeschichte (1957²) mE meines Erachtens mwH/N mit weiteren Hinweisen/Nachweisen n. C. nach Christus NF oder N. F. Neue Folge NJW (deutsche) Neue Juristische Wochenschrift (1947/1948 ff) Nr. Nummer NZZ Neue Zürcher Zeitung O Ordnung ö. österreichisch/e/er/es (nur vor einer anderen Abkürzung; zB öABGB) odgl. oder dergleiches/n oJ ohne Jahr ÖJT Österreichischer Juristentag + Verhandlungen des österreichischen Juristentages: Jahr, Band/Teilband, Seite ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung (1946 ff): Jahr, Seite OR (Schweizerisches) Obligationenrecht von 1911 p. pagina/Seite P. Papyrus Pkt./e. Punkt/e PVS Politische Vierteljahresschrift. Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft RE Paulys Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung von Wissowa et al. 1894 ff. Rg Rechtsgeschichte. Zeitschrift des Max Planck Instituts für europäische Rechtsgeschichte seit 2002 s. siehe S. Seite sc. scilicet (nämlich, offenbar, gemeint)

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XVIII

Slg. sog. Sp. StGB StPO str. SZ/GA SZ/KA SZ/RA u. ua. uä. ua(v)m. UB udgl./m. uE uH usw. uU uva. uvam. zu v. v. C(hr). vgl. vs. vuZ WGGB WS wv/Wv Z. ZÄS zB ZGB ZHR ZVglRwiss

Abkürzungsverzeichnis

Sammlung sogenannte,-er,-es Spalte Strafgesetzbuch (öBGBl. 1974/60) Strafprozessordnung (öBGBl. 1975/631: Wv) idgF streitig Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (Weimar, 1880 ff): Band, Jahrgang, Seite/n Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung (Weimar, 1880 ff): Band, Jahrgang, Seite/n Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung (Weimar, 1880 ff): Band, Jahrgang, Seite/n und und andere, unter anderem/n und ähnliche/s und (viele) andere mehr Universalbibliothek (Reclam) und dergleichen/mehr unseres Erachtens unter Hinweis und so weiter unter Umständen und viele/s andere Und viele(s) andere mehr unserer Zeitrechnung von vor Christus vergleiche versus/gegen vor unserer Zeitrechnung Westgalizisches Gesetzbuch von 1797 Wintersemester wiederverlautbart/Wiederverlautbarung Zahl, Ziffer, Zeile zum Beispiel (Schweizerisches) Zivilgesetzbuch von 1907 (deutsche) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begründet von Goldschmidt (1858-1944, 1948 ff; bis 1961: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht): Band, Jg., Seite Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, begründet 1878 von F. Bernhöft, G. Cohn, J. Kohler (106. Bd. 2007)

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Siedlungen der Frühgeschichte – Aus: Die Zeit, Nr. 2/07 vom 4.1.07 (Grafik G. Breuer) .. 3 Abb. 2: Phasen griechischer Rechtsentwicklung: Nach G. M. Calhoun ........................................ 76 Abb. 3: Zeusepiklesen – Das Entstehen göttlicher und rechtlicher Werte ................................... 275 Abb. 4: Konsekutives Modell des ‚Gesetzes’ – Natur (iSv normativem Regelwerk) – Religion und Kultus (‚Heiliges Gesetz’) – Staat/Polis (Staatliches Gesetz) .......................................... 288 Abb. 5: Normatives Kreislaufmodell Gemeinschaft, Religion, Recht/Staat ................................ 291 Abb. 6: Konzentrische Ausrichtung gesellschaftlicher Kräfte auf die Polisbildung ..................... 314 Abb. 7: Die Polis-Zwiebel ........................................................................................................... 315 Abb. 8: Kleinasiatische Küste – Phokaia .................................................................................... 352 Abb. 9: Überblick – Stammland und Kleinasien ......................................................................... 355 Abb. 10: Sizilien und Megale Hellas/Magna Graecia und giechisches Mutterland ..................... 362 Abb. 11: Lage von Thera ............................................................................................................ 386 Abb. 12: Nordafrika und Kyrene samt Gründungen .................................................................... 391 Abb. 13: Opus und Naupaktos .................................................................................................... 397 Abb. 14: Orchomenos in Arkadien .............................................................................................. 429 Abb. 15: Die griechischen Bundesstaaten im 3. Jh. v. C. (aus: P. Funke 2007, 82 f) .................. 447 Abb. 16: Die griechischen Bundesstaaten im 2. Jh. v. C. (aus: P. Funke 2007, 82 f) .................. 448 Abb. 17: Korinth – Kerkyra – Epidamnos ................................................................................... 453 Abb. 18: Frühes Mesopotamien mit den Sumerischen Stadtstaaten und ihren Nachbarn............ 455 Abb. 19: Politische Geographie Kretas in hellenistischer Zeit (Chaniotis 1966, 528, Tafel 2) .... 471 Abb. 20: Politische Geographie Ostkretas zu Beginn der hellenistischen Zeit (Chaniotis 1996, 529, Tafel 3a) ................................................................................................................... 473 Abb. 21: Politische Geographie Ostkretas um 110 v. C. (Chaniotis 1996, 529, Tafel 3b) ............ 475 Abb. 22: Griechische Kolonien in Süditalien/Magna (Cerchiai/Jannelli/Longo 2004, 11) .......... 514 Abb. 23: Griechische Kolonien in Sizilien (Cerchiai/Jannelli/Longo 2004, 12) .......................... 514

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Einleitung „[…] unsere Verehrung für das frühe Griechentum leidet nicht, wenn wir es nüchtern betrachten.“ H. Strasburger, Der Einzelne und die Gemeinschaft im Denken der Griechen (1949/1969)

Einleitung Dieses Buch geht der nicht unbedeutenden Frage nach, ob die weit verbreitete Meinung zutrifft, dass die rechtlichen Grundlagen Europas (ausschließlich) als Leistungen Roms anzusehen sind. – Dieser Eindruck wird häufig erweckt, und auch die Wissenschaft ist hier nicht ohne Schuld; was sich etwa daran zeigt, dass Standarddarstellungen des römischen Rechts ua. das Entstehen der Verschuldenshaftung und der Verschuldensarten als Leistungen der römischen Juristen betrachten und nicht erwähnen, dass diese bahnbrechenden Schritte bereits Jahrhunderte zuvor im antiken Griechenland gesetzt worden waren.1 – Schon hier kann angedeutet werden, dass dem so war. Lässt sich doch nachweisen, dass manches, was bislang als römisch galt, aus dem antiken Griechenland stammt. Mit der griechischen Herkunft ist häufig, wie uns zuletzt für andere zentrale Bereiche der europäischen Kultur – die Rechtsentwicklung blieb dabei ausgespart – W. Burkert2 gezeigt hat, der Alte Orient mitgemeint. Dieser Alte Orient war für unsere europäische Kultur, wie immer deutlicher wird, ein äußerst fruchtbarerer Schoß. Denn die, mit dem Sesshaftwerden des Menschen verbundenen, kulturellen Anfänge der Menschheit, die noch einige Jahrtausende vor dem Beginn der ersten alt-orientalischen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens liegen, verschieben sich durch jüngste archäologische Funde vom 8. in das 9. und 10. Jahrtausend v. C. Die einen bislang rätselhaften (Toten)Kult beherbergende Tempelanlage von Göbekli Tepe ist 11.600 Jahre alt. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand lag die kulturelle Wiege der Menschheit in der heutigen SüdostTürkei, an den Ursprüngen von Euphrat und Tigris und an den Ausläufern des Zagros- und Taurusgebirges, und nicht etwa weiter südlich an der Mündung dieser Flüsse in den Persischen Golf.3 Im Süden Mesopotamiens sind vor etwa

1 Dazu mehr in Kapitel II 4, 5 und 6. 2 2003: ‚Die Griechen und der Orient’. 3 Dazu K. Schmidt (2006) und 2009, 187 ff. – Eine Ausstellung im Badischen Landesmuseum in

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Einleitung

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6000 Jahren die ersten Städte (der Sumerer) und wohl auch das erste Staatswesen der Menschheitsgeschichte (Uruk?) entstanden. Hier wurden am Beginn des 4. Jahrtausends das Rad und die Töpferscheibe und nach 3500 v. C. die Schrift erfunden. Ackerbau und Viehzucht wurden in dieser Region zum ersten Mal in großem Stil betrieben.4 – An der Bedeutung des Alten Orients – insbesondere Mesopotamiens und Ägyptens – für die Ursprünge der menschlichen Kultur, für die Griechen, für Europa und letztlich für die ganze Welt, ist seit den bedeutenden Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte in der Südost-Türkei, in Syrien, Jordanien und dem Irak nicht mehr zu rütteln; Çatal Hüyük, Tell Aswad, Nevali Çori, Uruk, Eridu, Hamoukar und seit 1996 Göbekli Tepe sprechen eine klare Sprache.5 Allmählich verdichtet sich die Vermutung, dass die menschliche Entwicklung zur Hochkultur überhaupt von hier aus ihren Ausgang genommen hat. – Ein tieferes Verständnis unseres Rechts zeigt, dass die Wurzeln dieses Rechts weit über Rom hinausreichen, zurück in das antike Griechenland und in den Alten Orient, zum Ursprung der Menschheit und insbesondere auch von ‚Religion’ und ‚Recht’. Mit Emile Durkheim6 kann daher gesagt werden: „Dieses Buch wird nur eine Illustration und eine Bestätigung dieser methodologischen Anmerkung sein.“

Es sollte nicht überraschen, dass auch das Problem des Ursprungs von ‚Recht’, und am Rande auch von dessen Zwillingsschwester, der Religion, aufgegriffen und auf das Verhältnis dieser beiden Bereiche eingegangen wird. – Im Zentrum steht jedoch die griechisch-europäische Rechtsentwicklung. Ich gehe mitunter auch auf die ‚Religion’ ein, weil die Religion in manchem Punkt das Recht beeinflusst hat, so wie umgekehrt die Religion sich früh für ihre Zwecke des ‚Rechts’ bediente und ihrerseits vom Recht beeinflusst worden ist. – Allerdings ist es auch mit dem Rückgriff auf die Religion allein nicht immer getan: Ich komme daher, wenngleich nur in einzelnen Fällen, auch auf die von Konrad Lorenz geförderte Vergleichende Verhaltensforschung (und damit unsere tierischen Vorfahren) zu sprechen, weil dadurch mitunter auch menschliche Entwicklung besser verständlich wird. Vor allem das bis heute viel diskutierte Problem der menschlichen Aggression lässt sich ohne einen solchen Rückgriff heute nicht mehr ernsthaft behandeln. Man sollte es sich nicht so einfach machen, wie dies manche Vertreter der modernen Theologie tun, die dem eigenen

Karlsruhe zeigte vom 20. 1. bis 17. 6. 2007 „Die ältesten Monumente der Menschheit“ (Göbekli Tepe, Tell Aswad, Jerf al-Ahmar, Tell Brak, Köúk Höyük, Çatal Höyük, Uruk, Eridu, Hamoukar uam.). 4 Bahnsen/Hürter (2007) und Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2007). 5 Auch dazu K. Schmidt (2006), Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2007) und Bahnsen/Hürter (2007). Dazu auch Kapitel VI 4: Prähistorische Chronologie und Kapitel IX 3. 6 1912/1981, 25.

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Einleitung

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Denken nicht konvenierende Ergebnisse, wie etwa von K. Lorenz, W. Burkert, S. Freud ua., mit einem religiösen Anathema belegen, wodurch einer Auseinandersetzung mit diesen schwierigen Fragen ausgewichen werden kann.7 Ein wissenschaftlicher Diskurs ist so nicht mehr möglich.

Abb. 1: Siedlungen der Frühgeschichte - Aus: Die Zeit, Nr. 02/07 vom 4. Januar 2007

Zum Einfluss des Alten Orients auf ‚die’ Griechen und damit die kulturellen Grundlagen Europas sei noch erwähnt, dass das Wissen über diesen historischen Einfluss so neu nicht ist: Schon Friedrich Nietzsche hat sich damit auseinandergesetzt. – Nietzsche schrieb in seinem Fragment aus dem Jahre 1873 ‚Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen’:8 „Zwar hat man im Eifer darauf hingezeigt, wie viel die Griechen im orientalischen Auslande finden und lernen konnten, und wie mancherlei sie wohl von dort geholt haben. […] Im Einzelnen ist wenig ausgemacht worden; aber den ganzen Gedanken ließen wir uns schon gefallen, wenn man uns nur nicht mit der Folgerung beschwert, dass die Philosophie somit in Griechenland nur importiert und nicht aus natürlichem heimischem Boden gewachsen sei, ja dass sie, als etwas Fremdes, die Griechen wohl eher ruiniert, als gefördert habe.“ „Nichts ist thörichter als den Griechen eine autochthone Bildung nachzusagen, sie haben vielmehr alle bei anderen Völkern lebende Bildung in sich eingesogen, sie kamen gerade deshalb so weit, weil sie es verstanden den Speer von dort weiter zu schleudern, wo ihn ein ande-

7 So geschehen im Buch von W. Palaver (20042). – Hierher gehören auch die in der letzten Zeit zunehmenden Angriffe auf die Lehre von der Evolution. Dazu in Kapitel IX. 8 Nietzsche 1994, 9 f.

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Einleitung

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res Volk liegen ließ. Sie sind bewunderungswürdig in der Kunst, fruchtbar zu lernen, zum Leben, nicht zum gelehrtenhaften Erkennen, alles Erlernte als Stütze benutzend, auf der man sich hoch und höher als der Nachbar schwingt.“

Das unlängst erschienene Buch von Raoul Schrott, Homers Heimat hat gezeigt, wie wichtig es ist, auch seit langer Zeit scheinbar absolut gefestigte und nahezu einhellig vertretene wissenschaftliche Positionen erneut zu hinterfragen; denn Wissenschaft kann es sich nicht leisten, sich auf vermeintlichen Lorbeeren auszuruhen, sondern sie muss Erreichtes auch schon bei bloßem Verdacht in Frage stellen und prüfen. Gerade im Bereich des Rechtsdenkens wurde dies aber weitgehend versäumt. Der Nachholbedarf ist daher sehr groß und kann nur durch organisierte Zusammenarbeit und gelebte Interdisziplinarität beseitigt werden.

Zum Thema Der Buchtitel wird am Beginn von Kapitel I 1 erläutert. Der Plural (des Untertitels) soll verdeutlichen, dass es nicht nur ‚einen’ Ursprung des Rechts und Rechtsdenkens in Europa und im antiken Griechenland gegeben hat, aus dem die Grundlagen des griechischen und des späteren europäischen Rechts und der europäischen Jurisprudenz und Rechtswissenschaft entstanden sind. Neben gewichtigen autochthonen Entwicklungen im archaisch-klassischen Griechenland stehen starke Einflüsse aus verschiedenen Bereichen des Alten Orients.9 Folgende Phänomene haben mich bewogen, dieses Thema zu wählen: - Die entgegen bisheriger Einschätzung für das antike Griechenland wesentlich größere Bedeutung von ‚Religion’ (Zeus: ‚The Justice of Zeus’, Apollon, Athene, Themis und Dike – man denke an Athenes Rolle in den ‚Eumeniden’ des Aischylos) und ‚Kultus’ (Delphischer Apollon – Sühnevorschriften; Entwicklung der Verschuldenshaftung) bei der Entstehung und Weiterentwicklung von Recht; - die (durch Polisbildung und Kolonisation) früh vorhandene Kunst der Gesetzgebung; - die nicht minder hoch entwickelte Praxis der Kautelarjurisprudenz, die den früh von Bauern zu Handwerkern, Gewerbetreibenden und Händlern sich wandelnden Griechen

9 Der Begriff ‚Alter Orient’ umfasst nach E. Hornung 19782, 1, „die gemeinsame Geschichte Ägyptens und Vorderasiens bis zur persischen Eroberung“. Ich gebrauche daneben auch die Begriffe ‚Vorderer Orient’ (für die Kulturen der Levanteküste) und ‚Mesopotamien’ für den engeren Bereich des Zweistromlandes; vgl. dazu auch in Anm. 45. Die Rechtsgeschichte hat die Auseinandersetzung der Alten Geschichte um ihre Bezeichnung und Inhalte zu wenig beachtet, sonst hätte der Alte Orient ebenfalls längst einbezogen werden müssen; vgl. Ehrenberg 1935, 2. – Auf die Faktoren, die die Entstehung eines ‚gemeinen’ griechischen Rechts mit beeinflusst haben, wird in Kapitel I 6 näher eingegangen. Zum beachtlichen ägyptischen Einfluss Kapitel II 17. – Zur Frage ‚Jurisprudenz oder Rechtswissenschaft’ insbesondere Kapitel VI 5.

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Zum Thema

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wirtschaftlich den Weg ebnete und bereits etwas von dem schuf, was wir heute ‚Rechtssicherheit’ nennen – Solon setzte dafür erste Maßstäbe; die nach der Mitte des 5. Jahrhunderts v. C. überaus dynamische Rhetorik, die aus den im griechischen Kulturraum (nicht nur dem ‚Mutterland’) wahrscheinlich um die Mitte des 5. Jahrhunderts bestehenden forensischen Rahmenbedingungen entstanden ist und eine bedeutende Vorstufe der heutigen Advokaten, die Logographen, hervorbrachte (neben Korax und Tisias insbesondere Gorgias und Antiphon), die man auch als frühe ‚Juristen’ einschätzen sollte, was bis heute meist verkannt worden ist; die (rechts)politischen wie justiziellen Institutionen, in denen ein qualifizierter und spezialisierter Beamtenstand wirkte; die ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. C. rascher voranschreitende Philosophie. Sie legte mit Demokrit, Sokrates, Platon, Aristoteles, Theophrast und anderen nicht nur die allgemeinen Grundlagen für die Wissenschaft, aus ihr entstanden auch jene neuen Begleitdisziplinen – unter anderem Rechts- und Gesellschafts-Ethik und eine frühe wissenschaftliche Betrachtung von Politik, die nötig waren, um die alte ‚Kunst der Gesetzge10 bung’ zur Wissenschaft erheben zu können, was sich vor allem in der in Platons ‚Akademie’ beginnenden Pflege von Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtspolitik, Legistik und Rechtsphilosophie sowie Rechtsberatung äußerte; die klassische Dichtung und die – auch für den Rechtsbereich nicht zu unterschätzende – Geschichtsschreibung, insbesondere Herodot, Thukydides, Xenophon; der gewichtige Einfluss eines allgemeinen Kulturtransfers, der offenbar auch ‚rechtliche’ Anregungen aus den Hochkulturen des Vorderen und Alten Orients, insbesondere aus 11 Ägypten, der Levante und Mesopotamien, einschloss. Der politisch wirksame ‚makedonische Mutationsschub’, ausgelöst durch Chaironeia (338 v. C.) und in der Folge durch Alexanders Eroberungen und schließlich die hellenistischen Diadochenstaaten, die das alte Wissen des Mutterlandes übernahmen und es mit je12 nem des Alten Orients verbanden. Das ptolemäische Ägypten kann auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte mit einem brodelnden Reagenzglas verglichen werden, in welchem sich 13 wichtige gesellschaftliche und kulturelle Experimente und ‚Reaktionen’ ereigneten. Von hier aus wurde auch die römische (Rechts)Entwicklung stark beeinflusst. Regelungen wie der Grundsatz ‚superficies solo cedit’, das ägyptische Grundbuchswesen, fromme Stiftun-

10 Vgl. etwa Lorenz von Stein (1879). 11 Rezeption iSv Kulturtransfer gab es in nahezu allen Kulturbereichen der Antike (wenn auch mitunter umstritten); neben Recht und Religion, Kunst, Architektur, Wirtschaft und Bildung auch im Sport; der Faustkampf etwa war im Alten Orient ebenso bekannt wie in Ägypten und bei den Minoern (berühmtes Fresko aus Thera) und dann in homerischer Zeit; vgl. I. Weiler (1981). 12 Damit ist nicht gesagt, wie wir noch sehen werden, dass nicht auch schon früher Einflüsse aus dem Alten Orient auf Griechenland eingewirkt haben; vgl. nur Kapitel I 9 (Völkerrecht) und Kapitel II 17, wo auf Solons ‚Eunomia’ und die ägyptische ‚Ma’at’ eingegangen wird. 13 Wie etwa das dort bereits gehandhabte Kollisionsrecht; dazu Kapitel I 8.

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Einleitung

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gen (und damit die Anfänge der juristischen Person), stammen aus dem ptolemäischen Ägypten oder haben von hier aus auf spätere Kulturen eingewirkt. Die innovierende Kraft 14 dieser orientalisch-okzidentalen Mischkulturen war groß.

Das Buch ist aus einem geplanten Festschrift-Beitrag für den früh verstorbenen Freund Rudolf Palme hervorgegangen. Es stellt scheinbar ganz unterschiedliche Themen nebeneinander. Doch wird sich bei der Lektüre zeigen, dass diese Themen in (rechts)historischem, wissenschaftsgeschichtlichem, genetischem und rechtstheoretischem Zusammenhang stehen, durch den sie enger, als es anfänglich erscheinen mochte, aneinander gebunden sind. Gemeinsamer Nenner ist die Entwicklung des Rechts und das charakteristische gesamtkulturelle Rechtsdenken und Rechtshandeln der Griechen15 als Grundlage und Entstehungsort der europäischen Jurisprudenz. Rom und seine (Privat)Rechtswissenschaft wären ohne die Leistungen der griechischen Rechtskultur – und nicht etwa nur der griechischen Philosophie, die (entgegen einer weitverbreiteten Ansicht) hochentwickelt, weitverzweigt und vielschichtig war (und auch Rezeptionen aus dem Alten Orient16 einschloss), wenn schon nicht unmöglich, so doch sehr beeinträchtigt gewesen. Die klischeehafte Etikettierung: Griechenland = Philosophie, Dichtung, Kunst und Rhetorik und Rom = Staat und Recht, sitzt allerdings tief. Dies erstaunt allerdings nicht, weil seit langem auch Freunde, Kenner und Bewunderer Griechenlands wie Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff zur Entstehung und Verfestigung dieser Vorstellung beigetragen haben. Wilamowitz meinte etwa:17

14 Zur häufigen Geringschätzung und Unterbewertung des altägyptischen Rechts im Rahmen einer vergleichenden Rechtsgeschichte vgl. meinen Hinweis auf L. Wenger (1936, 169) und insbesondere E. Seidl (1935, 271) in den ‚Einleitenden Bemerkungen’ (S. VIII bei Anm. 3 ff) zum Tagungsband ‚Rechtsgeschichte und Interkulturalität’ (2007b). – Zum Grundsatz ‚superficies solo cedit’: Kapitel I 5 (Anm. 638) und ausführlicher in Kapitel II 23: ‚Superficies …’. 15 Woran es bisher fehlte, kann auch – etwas modifiziert – mit Hinneberg als „Kraft zur verknüpfenden Zusammenfassung des […] Erreichten“ umschrieben werden; der Hinweis auf Hinneberg findet sich in der ‚Einleitung’ von Ungern-Sternberg zum Nachdruck von WilamowitzMoellendorffs, Staat und Gesellschaft der Griechen (19232/1994). – Ohne mir anzumaßen, dieses Ziel mit dem vorgelegten Werk erreicht zu haben – ein solches Ziel übersteigt bei weitem die Kraft eines Einzelnen – ging es mir doch von Anfang an darum, auf diesem Weg voranzukommen. 16 Zu achten ist dabei darauf, und diese Gefahr erscheint mittlerweile größer als mitunter angenommen, dass ein Extrem – nämlich die Annahme einer absoluten (oder doch sehr weitgehenden) Autarkie der griechischen und dann der römischen Kultur – gegen ein anderes (ins Gegenteil verfallendes) ausgetauscht wird, womit die Tendenz angesprochen wird, den zweifellos bestehenden orientalischen Einfluss zu überschätzen. Auch hier erscheint ein ‚Mittelweg’ angezeigt. 17 1893, I 380 f. – Man vergleiche damit Troje 2005, 270 ff, der auf die Frage, was hinter dem wissenschaftlich so verbreiteten griechisch-römischen Antagonismus „stecken könnte“ kritisch eingeht und fragt, ob das vielleicht auch „eigentümliche Vorstellungen vom Römertum und dessen historischer Bedeutung“ sein könnten.

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Zum Thema

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„Eine rechtswissenschaft fehlt den Athenern und den Hellenen überhaupt freilich, […] das recht der Hellenen steckt in der philosophie. […] aber der unterschied [sc. zwischen Griechenland und Rom] muss [!] allerdings bleiben: was für Rom die logik des rechtes, das ist für 18 Hellas die philosophie“.

Damit wurde bis heute nicht nur die Philosophie über-, sondern auch die griechische praktische Jurisprudenz unterschätzt. Grundlegende und paradigmatische rechtliche Leistungen – nicht nur im öffentlichrechtlichen, sondern auch im privatrechtlichen Bereich – wurden entweder übersehen, falsch eingeschätzt und gewichtet oder sogar verdrängt. Mitunter entsteht der Eindruck, dass nicht sein durfte, was nicht sein sollte. Die zahlreichen hervorragenden Untersuchen zu einzelen Fragen des griechischen Rechts und seiner Entwicklung wurden dem griechischen Geist und seinen jurisprudenziellen Leistungen nicht gerecht. Ich sah mich daher gezwungen, einen anderen Weg zu gehen, den mir das Thema als den einzig möglichen zu gebieten schien. Die Bedeutung des griechischen Rechts(denkens) konnte und sollte nicht nur an einzelnen Beispielen und Texten dargelegt werden. – Auf der anderen Seite musste eine Reihe von Passagen referierend auf schon Erarbeitetes Bezug nehmen. Auch hier galt: Guter Tropfen, böser Tropfen! Ich hoffe trotz dieser ‚Mischung’ eine interessante Darstellung zu bieten. Das Eingehen auf schon Erkanntes und Erreichtes erschien mir auch nötig, weil zahlreiche Ergebnisse überhaupt unbekannt, mittlerweile vergessen oder – aus vielerlei Gründen – von der Wissenschaft unbeachtet geblieben sind. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften wird der erreichte Wissensstand weder in den Geisteswissenschaften, noch in der Rechtswissenschaft ‚kartiert’. Das hat zur Folge, dass manches, ungeachtet seiner Bedeutung, vergessen, vernachlässigt oder von ‚herrschenden’ Meinungen unterdrückt werden konnte. Ein Ziel dieses Buches besteht auch darin, auf wissenschaftlich bereits Aufbereitetes und Erkanntes, mittlerweile aber Verdrängtes, Vergessenes oder bislang kaum oder doch zu wenig Beachtetes aufmerksam zu machen. Das verlangte immer wieder den Mut zur Paraphrase, sollte doch auf den ‚Originalton’ nicht ganz verzichtet werden! Wegen der Fülle des Materials konnte aber auch dies nur anhand ausgewählter Beispiele geschehen; etwa bei den neueren Untersu-

18 Wilamowitz geht in seiner Antwort auf Theodor Mommsens Frage ‚Zum ältesten Strafrecht der Kulturvölker’ (1905, 29) noch weiter und glaubt feststellen zu können: „Es ist bezeichnend, dass von den Disziplinen der modernen Rechtswissenschaft nur das Völkerrecht direkt aus griechischer Wurzel stammt.“ Hier bleibt – wie ich zeigen werde (ua. Kapitel VIII 1: ‚Rechtsgeschichte’ und VI 6: ‚Platons Einschätzung der Rechtsvergleichung und Rechtspolitik’) – Wesentliches unberücksichtigt und das Beispiel Völkerrecht übersieht dessen orientalische Wurzeln. Es überrascht, dass W. nicht einmal die Rechtsphilosophie als juristische Begleitdisziplin nennt; vgl. in Kapitel I 7, Anm. 978. Hier werden die Grenzen philologischer Kompetenz sichtbar.

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Einleitung

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chungen von Winfried Schmitz zu Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft oder zum Nomos moicheías und den Drakontischen Strafen.19 Dazu kommen ältere Werke, die nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit bedacht oder ganz vergessen wurden: Etwa Eberhard Brucks20 Hauptwerk Totenteil und Seelgerät, seine Studien zur Schenkung auf den Todesfall, zu den Verfügungen von Todes wegen und weitere Untersuchungen zum Erbrecht. Hierher gehört auch Artur Steinwenters Streitbeendigung und Richard Maschkes Willenslehre. – Dabei musste ich manche Wiederholung in Kauf nehmen. Das weitläufige Thema mit seinen vielfältigen Querverbindungen bringt es auch mit sich, dass Leserinnen und Leser ‚gefordert’ werden, weil sie einiges Nachschlagen in Kauf nehmen müssen.21 – Ich lasse immer wieder die Quellen sprechen, damit Leser/innen sich selbst ein Bild machen können. Dabei wurden grundsätzlich Veröffentlichungen gewählt, die leicht zugänglich sind. Ich denke, dass dies der Wissenschaftlichkeit keinen Abbruch tut. Schon bisher wurden zahlreiche wichtige (Einzel)Untersuchungen zur Entwicklung des griechischen Rechts(denkens) angestellt. Allein es fehlte in den letzten Jahrzehnten, die häufig Neues zu Tage gefördert haben, am – wenn auch, wie hier, nur unvollständigen – Versuch, die ‚verstreuten’ Einzelergebnisse zusammenzuführen, zu ergänzen oder neu zu bewerten und dabei die Beiträge verschiedener Bereiche der griechischen Kultur wenigstens anhand von Beispielen einzubeziehen22 und so auf dem Wege zu einem wissenschaftlichen Gesamturteil voranzukommen. Das wäre nötig gewesen, zumal ganz unterschiedliche Rechts- und Kulturbereiche zur griechischen Rechtsentwicklung beigetragen haben23 und bis in die letzten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts v. C. eine griechische Rechtswissenschaft noch gar nicht oder doch nur in Ansätzen (Antiphon!) existierte. Ich habe daher einen interdisziplinären Versuch auch in diese Richtung gewagt, der allerdings ebenfalls auf Vollständigkeit verzichten musste und

19 Dazu insbesondere Kapitel II 11: Solons Gesetzgebung als Beitrag zur Polisbildung etc. – Vgl. auch bei Anm. 114. 20 Zu Bruck bei: Warlo (2004), Cohn 1961, 160 f und Flume 1961, 550 ff. – Vgl. auch bei Anm. 112. 21 Auf Verweisungen konnte ich nicht ganz verzichten, weil das Buch sonst noch umfangreicher geworden wäre, wo sinnvoll, habe ich Redundanzen in Kauf genommen. 22 Einen umfangreichen Versuch, das philosophische Rechtsdenken der Griechen darzustellen, hat Erik Wolf vor mehr als 50 Jahren unternommen; vgl. Anm. 249. 23 Das betont auch G. M. Calhoun 1923, 299 f: „Although the systematic works on law produced by Greek writers are in great part lost, there is a wealth of material available in the orators, the historians, the political writers, and the poets, for the subject matter of jurisprudence was in Greece a matter of common knowledge and enlightened general interest to an extent we now can scarly realize.” – Calhoun verweist auf Dareste 1893, 315. Das betont auch Paoli; dazu bei Anm. 644.

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,Began jurisprudence with Rome?’

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auch nicht als ideal angesehen werden kann.24 Ich habe jedoch versucht, Ergebnisse aus unterschiedlichen Disziplinen, die mir für die Entwicklung des griechischen Rechts und Rechtsdenkens von Bedeutung erschienen, zusammenzutragen, zu prüfen und da und dort weiterzudenken. Es war mir wichtig, manche Wissenschaftsdogmen und erkennbare Vorurteile zu durchleuchten, bewusste wie unbewusste Lücken und Fehlannahmen ausfindig zu machen und wenn möglich zu füllen oder zu korrigieren. Ich habe daher auch ganz bewusst das Mosaikhafte des griechischen Rechtsdenkens in seiner Besonderheit sichtbar zu machen gesucht. Von einem abschließenden Urteil kann aber keine Rede sein, es gibt lediglich vorläufige Ergebnisse. Ich denke aber, dass es sich bei diesem Buch nicht um einen wissenschaftliche ‚Eintagsfliege’ handelt. Ich habe vielmehr mit diesem Thema jahrelang gelebt und gerungen und es kostete mich einige Überwindung, es in die Selbständigkeit zu entlassen, zumal ich mir der Unvollständigkeit und Unvollkommenheit des Erreichten bewusst bin. Es war ein wenig wie mit dem Erwachsenwerden und Loslassen eines Kindes. Ich kann nur hoffen, dass dieses wissenschaftliche Geschöpf auch anderen Freude bereiten, Nutzen bringen und die eine oder andere Einsicht vermitteln kann. Das Thema und die damit verbundenen weitläufigen Ziele ließen sich nicht immer so darlegen, wie es wünschenswert gewesen wäre; vieles musste auf der Strecke bleiben oder konnte nur kurz, mitunter zu kurz, behandelt werden. Ich muss dafür um Verständnis bitten; ich habe mich bemüht, das Buch trotz seines Umfangs lesbar zu halten. Deshalb bin ich in durchaus unterschiedlicher Weise auf einzelne Fragen eingegangen: Mitunter erschien mir schon ein Erwähnen oder ein kurzer Hinweis nützlich, daneben steht aber, auch ein gründlicheres Eingehen: etwa bei der Entwicklung der Verschuldenshaftung und der gesetzlichen und gewillkürten Erbfolge und bei der geradezu paradigmatisch und gut nachvollziehbar abgelaufenen und didaktisch höchst lehrreichen ‚Staatsentstehung’.

,Began jurisprudence with Rome?’ Bis zuletzt musste ich befürchten, an meinem Thema zu scheitern, insbesondere da andere Arbeiten viel Zeit in Anspruch nahmen. Das Buch ist daher auch ein

24 Vieles muss hier noch zusammengetragen, gesammelt, systematisiert, erforscht und neu und übergreifend bewertet werden. Ich hoffe, zu diesem ‚Mehr’ herausfordern und anregen zu können. Dazu auch Kapitel I. – Dass Interdisziplinarität nicht nur ein tönendes Schlagwort sein muss, beweist, wie ich hoffe, diese Arbeit. So werden auch Erträge erzielt, die sonst nicht ‚erwirtschaft’ werden könnten; vgl. etwa das Entstehen der juristischen Kategorie ‚Zufall’ in Kapitel II 4 und 5.

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Einleitung

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Kompromiss zwischen meinem eigenen Streben nach ‚Vollkommenheit’ und der realistischen Erkenntnis, dass das Verarbeiten der gesamten Literatur unmöglich gewesen wäre. Die einzige Chance auf erfolgreichen Abschluss eines umfangreichen Manuskripts lag in eben diesem Kompromiss. Beflügelt hat mich bei meiner Arbeit unter anderem die Einsicht Calhouns,25 dass es zu den großen (rechts)historischen ‚absurdities’26 gehöre, anzunehmen, „that jurisprudence began with Rome“:27 „For the often repeated dictum that jurisprudence is an invention of the Romans is a priori improbable as well as demonstrably false. There is little inherent likelihood that the Greeks, whose nervous curiosity impelled them to explore every bypath in the broad realm of philoso28 phie and science, lacked inclination to investigate the fundamental principles of law, least of all the Athenians, with whom the enactment of law and its application entered into the daily life of the individual citizen in greater measure than at any other time or in any other society of which we know. We cannot entertain seriously the opinion that a people who, in little more than a century, conducted the other arts and sciences from rude beginnings to degrees of perfectioning some instances still unsurpassed by modern culture, in others not since again attained, were incapable of producing or applying a genuine science of law; that the basic principles of directness, simplicity, proportion, truth, which they followed with conspicuous succes in every other department of human activity, were neglected or discarded when they faced these tasks.”

Der Umfang des Materials verlangte aber auch einen ganz bewussten Verzicht auf Vollständigkeit und den Mut zur Lücke. Auf der anderen Seite bestand aber die Notwendigkeit, sich auf die allerwichtigsten Vorarbeiten zu stützen. Denn nur ‚auf den Schultern mancher Riesen’29 stehend, sieht man weiter. Die Auswahl war nicht immer einfach, und ich habe an dieser Stelle für manchen wertvollen Rat zu danken. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Wesentliches, Interessantes und auch manches Neues ausfindig zu machen und ohne größere inhaltliche Verluste darzubieten. Das ist häufig nicht mein Verdienst, sondern das der Zeit, die uns lehrt Entwicklungen anders, ja neu zu sehen. Da und dort hat es sich als Vorteil erwiesen, Quellen und Literatur auch aus juristischem Blickwinkel zu betrachten. Beim Berücksichtigen althistorischer und altphilologischer Literatur ergab sich immer wieder auch das Problem, dass ältere und neuere (Fach)Vertreter einan-

25 1923, 297. 26 Auch wohlwollende Förderer der Antiken Rechtsgeschichte und der Griechen wie Roscoe Pound (1927, XIII) vertraten für das griechischen Recht ohne Einschränkungen die Ansicht: „[it] was secularized but not professionalized“ und „The Greeks had no lawyers“ und „Yet there are no Greek treatises on law“. 27 1923, 296. 28 Gerade das Fehlen einer solchen Neigung behauptet aber H. J. Wolff; dazu bei Anm. 82. 29 Robert K. Merton (1980).

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Was ist ‚Rechtsdenken’?

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der unvereinbar, geradezu unversöhnlich gegenüber standen und die Entscheidung nicht immer leicht war. Auch wenn sich da und dort ein beachtlicher Forschritt der Erkenntnis zeigt, bei näherem Hinsehen wurde immer wieder die hohe Qualität von Werken wie die von J. Burckhardt, U. v. WilamowitzMoellendorff, Alfred Heuß, Hermann Strasburger, Viktor Ehrenberg, Kurt Latte, M. P. Nilsson, G. M. Calhoun, R. J. Bonner und Gertrude Smith, E. R. Dodds, H. Lloyd-Jones, Artur Steinwenter, Richard Maschke, Eberhard F. Bruck, J. Stroux,30 Karl Meuli, Franz Hampl uam. deutlich, weshalb ich auch diese ‚ältere’ Literatur herangezogen habe. Auffallend war dabei, dass die Jüngeren ältere (Kollegen)Generationen oft kaum mehr kennen, was nicht immer als Vorteil betrachtet werden kann, weil die großen ‚Alten’ der Altertumswissenschaft manche Gedanken und Deutungen immer wieder wenigstens ansatzweise vorweggenommen haben. Das Wissen darum würde manche ‚Neu’-Entdeckung verhindern.31

Was ist ‚Rechtsdenken’? Der Begriff ‚Rechtsdenken’ umfasst alle Facetten der Beschäftigung mit dem Recht: Dazu gehört die Rechtspraxis (Gesetzgebung, materielle und formelle Rechtsanwendung aller Art, Vertragspraxis und Kautelarjurisprudenz, Rechtsberatung, rechtspolitische und rechtsethische Diskurse und Dialoge, Gerichtsreden, Urkunden, Schriftsätze) ebenso wie der Beginn einer Rechtstheorie und von Methodenfragen (Lehre von der Rechtsanwendung, Hermeneutik, Lückenfüllung uam.); die Rechtsphilosophie, die Lehre von der Gesetzgebung und den Rechtsquellen ebenso wie das Nachdenken über Billigkeit/Epieikeia und Naturrecht. Das Recht der griechischen Polis war nämlich – wenn auch noch in deutlich größerem Umfang – bis zuletzt nicht vollständig positiviert, und es wurde bereits von Berufsgruppen auf hohem Niveau betreut. ‚Rechtsdenken’ ist demnach alles, was sich auf Recht und Gesetz, deren gedankliche Vorbereitung und Gestaltung, Anwendung und Weiterentwicklung – bis

30 Welche Reaktionen die Schrift von J. Stroux ‚Summum ius summa inuria’ (1926/1949) ausgelöst hat, zeigt G. Kisch (1955); Beschränktheit der Argumentation, Unkenntnis der historischen, rechtshistorischen und philosophiegeschichtlichen Entwicklung wird ebenso offenbar wie Einsicht und Bereitschaft, den von Stroux gezeigten Weg weiterzugehen; so etwa die Besprechungen durch E. Rabel 1927, 485 und E. Levy 1928, 668 ff. Karl Büchners Erwiderung (1954, 11 ff) dagegen ist teilweise unanehmbar. – Mehr zur Epieikeia/aequitas/Billigkeit/equity in Kapitel II 13 und zu ihrer Bedeutung für das Entstehen der griechischen und dann vor allem auch der römischen Rechtswissenschaft, in: Kapitel VI 1 und in der FS I. Weiler (2008). 31 Man vergleiche etwa die bereits kritischen und differenzierenden Ausführungen von A. Heuß 1946/1969, 57 ff zum Königtum, das heute niemand mehr annimmt und einer dieses ablösenden aristokratischen Epoche. – Zum Begriff ‚Altertumswissenschaft’ Ehrenberg 1935, 1 ff.

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Einleitung

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zur ‚Idee’ der Gerechtigkeit und den ‚Rechtsbegriff’ – bezieht. – Ich habe immer wieder zwischen ‚Recht’ und ‚Rechtsdenken’ unterschieden, um Provokationen zu vermeiden. Die Unterscheidung betont die unterschiedliche Bedeutung der beiden Quellentypen (der positivierten und der nicht-positivierten). Es ist mir nämlich nicht möglich Autoren beizupflichten, die etwa der griechischen Philosophie oder auch der Dichtung pauschal jede rechtliche Relevanz absprechen.32 Denn die griechische Dichtung, beginnend mit Homer und Hesiod, hat am Entstehen des Begriffs ‚Person’ mitgewirkt und die Gegenüberstellung von ‚Person’ und ‚Sache’ gefördert.33 Die Einsichten und Erfahrungen des großen athenischen Gesetzgebers Solon flossen in sein dichterisches Werk ein. Die griechische Dichtung und auch die Geschichtsschreibung haben immer wieder grundlegende Fragen von Recht und Gerechtigkeit aufgegriffen. Ähnliches gilt von der Politik. Die griechische Philosophie schließlich hat nicht nur Rechtsphilosophie betrieben, sondern bereits auf eine modern zu nennende Weise rechtshistorisch, rechtsvergleichend, rechtspolitisch, rechtsdogmatisch und auch rechtstheoretisch und rechtsphilosophisch gearbeitet; und dies nicht nur im Privatrecht.34 Es sagt daher mehr über Wolff aus als über Aristoteles und das griechische Rechtsdenken, wenn jener meint, dass etwa das Befassen des Aristoteles mit Recht als ‚bloß beiläufiges Intresse an Rechtsfragen’ zu verstehen ist. – Ich gehe auf Wolffs verfehlte Einstellung mehrfach ein. – Selbstverständlich ist es auch in diesem Buch nicht möglich, alle in Betracht kommenden griechischen (Rechts)Quellen – ja nicht einmal die wichtigsten – zu Wort kommen zu lassen. Deshalb ist der Begriff ‚Rechtsdenken’ auf seine wesentlichen und charakteristischen Züge einzuschränken. Bedingt durch die Quellenlage steht dabei das Recht Athens häufig im Vordergrund.35 In das ‚Rechtsdenken’ der Griechen einbezogen habe ich auch – wenngleich mit unterschiedlichem Gewicht – die Dichter,36 die Philosophen, die Politiker, die Historiker und immer wieder die Rhetoren. Auch in dieser Hinsicht musste ich die notwendigen Einschränkungen vornehmen. Ich wollte möglichst jeden ‚Hellenozentrismus’ vermeiden, dies vor allem, weil ‚die’ Griechen – wie später die Römer – vieles, auch Grundsätzliches, nicht sel-

32 Das gilt etwa für H. J. Wolff, der in seinen ‚Beiträge(n) zur Rechtsgeschichte Altgriechenlands und des Hellenistisch-Römischen Ägypten’ (1961), aber auch in anderen Publikationen diese Meinung vertritt. 33 Dazu in Kapitel V 3: ‚Entstehung des Begriffs ‚Person’ bei den Griechen’. 34 Siehe dazu in den Kapiteln VI, VII, VIII. 35 Es wurden aber aus dieser Überlegung heraus auch zahlreiche nicht-attische Quellen einbezogen. 36 Selbstverständlich bilden die Dichter über die beiden genannten Tragiker hinaus, eine wichtige Rechtserkenntnisquelle, auch die Komödiendichter; so meinte auch Bruck 1926/1970 2, 274, dass Komödien „eine wahre Fundgrube für griechische Kultur- und Rechtszustände“ wären.

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Kapitelüberblick

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ber geschaffen, sondern von den älteren orientalischen Kulturen übernommen haben. – Ich stand allerdings vor der Schwierigkeit, diesen (universal)historischen Hintergrund nicht kontinuierlich ‚mitlaufen’ lassen zu können, obwohl nur so eine unverzerrte Perspektive möglich wäre. – Ich versuche aber, wenigstens bei einzelnen Fragen diese ‚Hintergrundstrahlung’ einzufangen; etwa bei der Erörterung von Solons ‚Eunomia’ und der ägyptischen ‚Ma’at’ oder dem Berücksichtigen des ‚Indoeuropäischen’ im Rahmen der religionshistorischen Entwicklung oder beim Völkerrecht.

Kapitelüberblick Kapitel I (‚Perspektiven’) versucht, auf die auch noch für uns bestehende genetische Bedeutung des griechischen Rechts und Rechtsdenkens hinzuweisen. In der antiken Rechtsgeschichte, und das gilt auch für die (allgemeine) Wissenschaftsgeschichte, gibt es schon lange keine Arbeiten zu Grundsatzfragen mehr. Die Zeiten eines Ludwig Mitteis,37 Leopold Wenger,38 E. F. Bruck39 oder Egon Weiss40 sind unwiederbringlich vorbei, auch wenn die jüngste Vergangenheit insbesondere in der Alten Geschichte wieder Hoffnung schöpfen lässt. Ohne Begeisterung für das Fach gibt es auch keine begeisternden Ergebnisse. Da sich die Rechtsgeschichte lange Zeit hindurch weithin auf das römische Recht beschränkt hatte, musste ich den rechtshistorischen ‚Wissenssockel’ der Arbeit in Einklang bringen mit dem Wissensstand von Alter Geschichte, Philologie, Kulturanthropologie und Archäologie, die alle vorausgeeilt waren und bedeutende Ergebnisse erzielt hatten. Erst von einer gemeinsamen Basis aus kann ein Über- und Weiterdenken oder eine allfällige Korrektur bisheriger Meinungen beginnen. Dies alles erfordert Offenheit und dazu die Bereitschaft, allenfalls sogar das Dogma vom alleinigen Ursprung allen Rechtsdenkens in Rom aufzugeben. – Autoren, die wie Fritz Schulz das römische Recht nicht nur priesen, sondern auch seine Schwächen und seine Abhängigkeit von ‚Rezeptionen’ aufzeigen, sind längst in Vergessenheit geraten. Empfohlen wird daher die Lektüre von F. Schulz’ ,Prinzipien des Römischen Rechts’ und seine ,Geschichte der Römischen Rechtswissenschaft’. – Ein weiteres Vorbild sehe ich in Heinrich Mitteis, der 1947 in seinem Buch ‚Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte’ in schwerer Zeit mit Einfühlungsvermögen eine Bilanz erstellt hatte, die über weite

37 Zu Leben und Werk von L. Mitteis: E. Weiss (1922). 38 Zu Leben und Werk von L. Wenger: Seidl 1953, 452 ff; vgl. auch Kapitel II 15: ‚Eine unabgeschlossene (alt)historische Debatte’. 39 Interessante biographische Notizen bei Warlo 2004, Flume 1961, 550 ff und Cohn 1961, 160 f. – Interessant für die Einschätzung der Persönlichkeit Brucks: Wenger 1931, 27 ff. 40 Vgl. den Nachruf von Sibylle von Bolla (1953).

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Einleitung

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Strecken noch heute Gültigkeit hat.41 H. Mitteis zeigt ohne Beschönigung auf, wie es dazu gekommen ist, dass Leopold Wengers Vorschlag für eine Antike Rechtsgeschichte zugunsten einer nahezu ausschließlichen Befassung mit dem römischen Recht so konsequent und effizient aus den Studienplänen ebenso wie aus dem Kreis der Forschungsthemen verschwinden konnte. Die wissenschaftsgeschichtliche und insbesondere auch die rechtshistorische Aufarbeitung dieses unrühmlichen Abschnitts der deutschsprachigen Rechtsgeschichte im 20. Jahrhundert wurde bislang nicht ausreichend geleistet. Das liegt vielleicht auch an der nicht geringen persönlichen Verstrickung auch prominenter Vertreter der deutschsprachigen Rechtgeschichte.42 Ein (Selbst)Verständnis der ‚Rechtsgeschichte’, aber auch der (allgemeinen) ‚Wissenschaftsgeschichte’,43 die das Rechtsdenken ganz allgemein und den griechischen Beitrag dazu im Besonderen, bisher kaum beachtetet hat,44 muss endlich einem neuen Verständnis weichen. Auch die Darstellung und das Selbstverständnis des römischen Rechts in Österreich, das lange Zeit im Zentrum des Ersten Abschnitts der Juristenausbildung gestanden war, litt an Geschichtslosigkeit. Nahezu alle rechtlichen Leistungen der Kulturen, die der römischen vorangegangen waren, wurden lange Zeit hindurch, konsequent aber erst nach 1945 (!), übergangen oder doch zu beiläufig abgetan. Das hat einen falschen Nimbus um das römische und – was im Hinblick auf die künftige Entwicklung heute noch wichtiger ist – das europäische Rechtsdenken als Ganzes entstehen lassen. Das gilt für Griechenland45 ebenso wie für die alten Hochkulturen Ägyptens, Mesopotamiens und des Vorderen Orients.46 – Dazu nur wenige

41 Nur mit Einschränkungen gilt dies jedoch für den Vortrag von H. Mitteis (1951, 673 ff). – Mit H. Mitteis muss vor allem auch das beeindruckende Lebenswerk von dessen Vater L. Mitteis in Erinnerung behalten werden; dazu E. Weiss (1922). 42 Vgl. nur die Hinweise von H. Mitteis 1947, 50 bei und in Fn 55. 43 Dazu mehr in Kapitel VI 1 und in meinem Beitrag 2008, 861 ff (FS Weiler). – Aber schon hier kann gesagt werden, dass sich auch das Bemühen der Jurisprudenz, den eigenen Beitrag zur allgemeinen Wissenschaftsgeschichte zu untersuchen, in Grenzen gehalten hat. – Zum Entstehen der Rechts-Geschichte aus philosophischen Vorbildern: Kapitel VIII 1. 44 Vgl. dazu nur Serres (20022), der das Recht und seine Entwicklung (zur Wissenschaft) nicht behandelt. 45 Auch innerhalb der griechischen Alten Geschichte lassen sich immer noch zwei (oder vielleicht sogar mehrere) Lager ausmachen: Diejenigen, die für eine autochthone Entwicklung der Griechen eintreten und jene, die einem Kulturdiffusionismus aus dem Alten Orient mit entsprechenden Akkulturationsvorgängen das Wort reden; dazu Ulf, in der ‚Einleitung’ der ‚Wege zur Genese griechischer Identität’ 16 uH auf den Beitrag von I. Weiler, der eine vorbildliche ‚griechische’ Mittelposition vertritt. Vgl. auch Anm. 105. – Zum Begriff ‚Orient’ neben I. Weiler (aaO 1996) insbesondere auch: Galter/Scholz 1995, 2 und oben in Anm. 9. 46 Dazu neben Allam und Neumann (unten Anm. 48) auch Haider 1996, 59 ff und 2004, 447 ff. – Die rechtsgeschichtliche Bedeutung Griechenlands und des Alten Orients zu betonen, kann verdeutlichen, dass die Untersuchung von Einzelkulturen (wie der römischen) nur zu leicht den

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Kapitelüberblick

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Beispiele: Das Recht der römischen Körperschaften und Stiftungen – heute sprechen wir von juristischen Personen – wird (obgleich es hier nicht um ein ‚Ruhmesblatt’ der römischen Jurisprudenz geht) ohne Bezugnahme auf griechische oder gar ägyptische und mesopotamische Vorbilder behandelt.47 – Der im römischen Sachen- und insbesondere Pfandrecht nur schwach entwickelte – aber auch noch das für uns so wichtige – Prinzip der Publizität wird häufig nicht nur unzureichend dargestellt, sondern auch nicht in den historischen Kontext gesetzt, der auch das griechische Recht und wohl auch die ägyptischen und mesopotamischen Vorbilder zu beachten hätte.48 Das gilt nicht nur für die Hypothek. Die die Ahndung der ‚iniuria’,49 also der unterschiedlichen (Ehr)Verletzungen der Person wird meist ohne Hinweis auf die Leistungen schon des Solonischen Rechts behandelt, und der römische Schutz vor Hybris wird zwar erwähnt, allerdings ohne jeden Hinweis auf eine wahrscheinliche Übernahme von den Griechen. Ähnliches gilt für wichtige Teile des Erbrechts, insbesondere für das Testament, das nicht erst auf römischem Boden gewachsen ist.50 Wenn Rechtsgeschichte derart betrieben wird, verfehlt sie ihr eigentliches Ziel. – Durch die Schilderung neuer Forschungsergebnisse hoffe ich, vielleicht auch bei Studierenden Interesse zu wecken, bei jüngeren Forschenden ein besseres Verständnis für manche Fragen des geltenden Rechts zu bewirken und auch darüber hinaus Ansporn dafür zu geben, solche oder ähnliche Wege in der Wissenschaft zu gehen oder doch zu unterstützen.51

„universalhistorische[n] Zusammenhang“ zerreißt. Statt dessen ist die „Einheit von Raum und Zeit“ zu wahren; dazu Ehrenberg 1935, 7 f und 13. Ich bin mir dieser Anforderung bewusst, vermag aber nur bescheidene Querverbindungen herzustellen, die jedoch auf tiefere Verbindungen aufmerksam machen sollen; s. Kapitel I 9 oder II 17. Für Ehrenberg (aaO 9, 14 ff) ist der Gegensatz von Ost und West ein wesentlicher Bestandteil des antiken Weltbildes. Hier ist noch vieles zu erforschen. 47 Dazu etwa Allam und Neumann auch, in: Rollinger/Barta/Lang 2007, 1 ff und 117 ff. – Etwa Kaser/Knütel 200317, 115; das Übergehen der griechischen Verschuldenshaftung durch beide Autoren behandle ich in Kapitel II 4 und 5. – Das wissenschaftliche Werk M. Kasers ist durch ein weitgehendes Fehlen genetischer Bezüge über das römische Recht hinaus gekennzeichnet – insbesondere im Hinblick auf das griechische Recht. Dadurch entstand ein historisch falsches Bild. 48 Damit soll nicht geleugnet werden, dass auch das alte deutsche Recht – allerdings sehr viel später – das Vertrauen auf äußere Tatbestände gekannt hat. – Das fällt umso schwerer ins Gewicht, weil wichtige Untersuchungen zu diesen alten Hochkulturen vorliegen, die erkennen lassen, dass die griechische und auch die römische Rechtsentwicklung davon profitiert hat. Vgl. nur die Vorträge von Allam 116 ff, Neumann 181 ff oder Rollinger 205 ff sowie Barta 16 ff, in: Barta/Mayer-Maly/Raber (2005). 49 Dazu Raber (1969). 50 Dazu Kapitel II 10 mwH. 51 Ich denke hier an die kleinen Tagungen in Innsbruck seit 2004.

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Ein markantes Beispiel für die beständige Vorherrschaft einer bloß ‚römisch’ verstandenen Rechtsgeschichte bildet der Festvortrag von R. Zimmermann,52 der – zum Thema ‚Europa und das römische Recht’ – so gut wie nahezu alle Wurzeln, die das europäische Recht mit dem griechischen Recht und mit den Hochkulturen des Alten Orients verbinden, vernachlässigt. Weitere Beispiele dieser Art ließen sich anführen.53 – Eine zum Teil vermutlich unbewusst gebliebene Beengtheit in Verbindung mit dem Kampf um die Stellung des Faches im Studienplan ließ häufig keinen Raum für kritische Reflexion. Die nunmehr bereits sichtbare Verdrängung, ja Verbannung, von ‚Rechtsgeschichte’ und von ‚Rechtsphilosophie’ aus den Studienplänen, aber auch das konsequente Ausgrenzen sozialwissenschaftlich-juristischer Fächer wie ‚Rechtstatsachenforschung’ und ‚Rechtssoziologie’ – Disziplinen mit vergleichbaren Versäumnissen – sind wohl kaum mehr rückgängig zu machen. Hier hilft kein Klagen, wenn nicht die Bereitschaft zu selbstkritischem und entschlossenem Überdenken der gemachten Fehler und der Mut zur Korrektur hinzutreten. Die ‚Einleitung’ und das Kapitel I skizzieren Grundgedanken und Ziele – kurz: sie zeigen ‚Perspektiven’, die dann anhand ausgewählter Fragen entwickelt werden. Dabei habe ich besonders auf Lesbarkeit geachtet, weshalb ich Überschneidungen in Kauf nehmen musste. – Gleich zu Beginn bin ich auf grundsätzliche Fragen eingegangen, etwa: Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht? Wie entwickelte sich das frühe Recht der Griechen im Kontext mit der Religion? Welche (‚privatrechtlichen’) Rechtsgebiete sind als erste entstanden? Lässt sich dafür eine plausible zeitliche Abfolge feststellen? Wie ging die moderne Wissenschaft mit den zahlreichen, nur scheinbar geklärten Fragen zur Bedeutung des griechischen und orientalischen Rechts in diesen Kulturen um? – Ist die ‚Erfindung’ der rechtlichen Zurechnung von Verschulden und die Unterscheidung von Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall wirklich erst römisch, wie uns die Fachvertreter mit tiefer Überzeugung versichern? Gab es schon in griechischer Zeit Vorstufen dessen, was zur ‚Statutenlehre’ im Sinne von ‚Kollisionsrecht’ und später zum ‚Internationalen Privatrecht’ wurde? – Woher rührt das Gerechtigkeits- und Rechtsstaatskonzept der Griechen, das erstmals in elegischer Form bei Solon unter der Bezeichnung ‚Eunomia’ auftaucht? Ist all das autonom griechisch oder ist es vielleicht durch Übernahmen aus anderen Kulturen entstanden? – Es gibt also eine ganze Reihe von Fragen, die ich wenigstens teilweise zu beantworten versucht habe. Die Kapitel I und II stehen aber für sich. Ebendies gilt für die Kapitel III, IV und V. – Das wichtigste Anliegen für meine gesamte Arbeit ist, die ‚Entwicklung’ des Rechts(denkens) aufzuzeigen und Stationen, die das Recht durchlaufen hat, nicht wegzulassen. Deshalb schien es mir undenkbar, das

52 2002, 243 ff. – Dazu auch am Beginn von Kapitel X. 53 Dazu auch Kapitel II 4: Zur Entstehung der Rechtskategorie ‚Zufall’.

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Kapitelüberblick

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europäische Rechtsdenken mit dem römischen beginnen zu lassen, denn das hätte bedeutet, ein Kind (mit gewaltigem menschheitsgeschichtlichem Stammbaum) zum Greis und Ur-Ahnen machen zu wollen. – Das Herausarbeiten der ‚iustitia perennis’ soll eine Alternative zu jenen Anschauungen entwerfen, die die Tradition in der rechtshistorischen Forschung schon zu lange beherrscht haben, weil dadurch ein zu großer Teil der Rechtsentwicklung unterdrückt oder doch verzeichnet wurde. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme scheinen frühe Rechtskulturen sehr wohl über einzelne Einsichten und Regelungen hinausgelangt zu sein. Gestützt wird dies schon durch die Tatsache das bereits abstrakt zu nennende Gedankengebäude wie die ägyptische ‚Ma’at’ oder – ob nun von letzterer beeinflusst oder nicht – Solons ‚Eunomia’ vorhanden waren. Beide Rechts- und Gerechtigkeitslehren, die rechtsstaatliches Denken zum Teil vorwegnehmen, befassten sich bereits mit dem zentralen Gedanken jeder Auseinandersetzung mit ‚Recht’ und ‚Gerechtigkeit’: mit dem Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft. Auf Grund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich die Antworten voneinander und sind einander dennoch in manchem sehr ähnlich.54 Ferner sei angemerkt: Aischylos geht in den – als ‚Prozess’ aufgebauten – ‚Eumeniden’55 nicht nur auf die neue und politisch gefährliche Situation Athens in den Jahren nach der Ermordung des Ephialtes (462 v. C.) ein, sondern reflektiert auch Rechtsfragen und stellt Weichen in Richtung demokratischer Rechtsstaat, wie sie so konsequent juristisch seit Solon nicht mehr gedacht worden waren. Davon handelt Kapitel III. – Solon hatte bereits wesentlich früher Fundamente für das griechische Staats- und Rechtsdenken gelegt. Er ist unter anderem als Schöpfer des ‚modernen’ Rechtssubjekts, wohl auch der subjektiven Rechte und eines funktionalen Persönlichkeitsschutzes zu betrachten. Solon stellte auch, erstmals und endgültig, die bürgerliche Freiheit außer Streit, etablierte die bürgerliche Gleichheit, stellte die Weichen für die Entwicklung der politischen Gleichheit/Isonomia und verband damit programmatisch den Gedanken der politischen Teilhabe aller Bürger am Staatsgeschehen, woraus sich die Demokratie zu entwickeln vermochte. Damit wird er zu einer bestimmenden Größe für die gesamte griechische und auch die europäische Kultur. Auf alle diese Fragen gehe ich in einem eigenen Kapitel II ein. Es ist einigermaßen umfangreich geworden, vor allem deshalb, weil vieles in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Thukydides erkundet geradlinig und ohne falsche Rücksichtnahmen die Versuchungen der Macht und fördert dabei geradezu freudianisch anmutende Einsichten in die Abgründe der menschlichen Seele an den Tag: Davon handelt Kapitel IV. – Euripides zeigt in den Troerinnen die Stationen des Weges auf, den das

54 Dazu Kapitel II 17: ‚Ma’at’ und ‚Eunomia’. 55 Dazu grundlegend Dodds (1960/1973).

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griechische (Natur)Rechtsdenken zurückgelegt hat, ehe es zu jenen Höhen gelangte, die mit den Namen Platon, Aristoteles, Theophrast, mit ihren Schulen und ihren philosophischen Nachfahren – insbesondere der Stoa – verbunden sind. Dabei ging das griechische Rechtsdenken vom ‚kindlichen Götterglauben’ über die ‚Anbetung’ des ‚Naturgesetzes’ hin zur aufklärerischen Instanz der ‚Vernunft’, die bei Aristoteles geradezu göttliche Attribute erhält: Das ist Gegenstand von Kapitel V. Euripides schildert treffsicher und intuitiv genau den Weg, wie ihn die Rechtsphilosophie der Neuzeit in derselben Abfolge mehr als 2000 Jahre später gegangen ist. – Platons Modernität und weitreichender Einfluss erweisen sich immer wieder als erstaunlich. In Kapitel VII erörtere ich dies unter anderem anhand seines ‚Plädoyers für Gesetzespräambeln’ (in Verbindung mit der Bedeutung der ‚Arzt-Patient-Beziehung’) sowie einiger weiterer Fragen aus Theorie und Praxis, aus Gesetzgebung und Methodenlehre. Dabei setze ich mich auch mit der dem Recht(sdenken) zugrunde liegenden und das Recht leitenden ‚Rechtsidee’ und dem davon abgeleiteten ‚Rechtsbegriff’auseinander, die keine Schöpfungen der Moderne sind.56 Zuvor behandelt Kapitel VI die hochentwickelte ‚Professionalisierung der griechischen Rechtspraxis’, auf der die sophistisch-logographische (Antiphon) und philosophische (Platon, Aristoteles, Theophrast) Rechtslehre ab dem Ende des 5. und vor allem in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts aufbauen und so ein wissenschaftliches Denken vom Recht begründen konnte. Auch der Umschlag von ‚bloß’ philosophischer Befassung mit Recht hin zum Entstehen einer griechischen Jurisprudenz und Rechts-Wissenschaft wird betrachtet.57 Dieser Umschlag erfolgte nach einem rhetorisch-logographischen Beginn (im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts insbesondere durch Antiphon) ganz wesentlich aus dem Schoße der griechischen Philosophie, auch wenn die makedonische Machtübernahme nach Chaironeia (338 v. C.) den dafür erforderlichen Rahmen und Anstoß geliefert haben mag. Die Griechen schufen im Rahmen ihrer zunächst vornehmlich didaktisch und rechtspolitisch orientierten Rechtswissenschaft die Anfänge einer Befassung mit Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung und Ansätze von Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung; sie begründen die Rechtspolitik und Legistik und anderes mehr, was vor allem das Verdienst von Platon,58 Aristoteles und Theophrast und ihren Schulen war. Geschaffen wurden diese neuen Disziplinen und Methoden mit dem Ziel eines dadurch – wie in der Philosophie – möglichen Erkenntnisgewinns. Spätestens mit Theophrast beginnt in Griechenland (neben der bereits bestehenden allgemeinen Rechtswissen-

56 Zu den personifizierenden Anfangsvorstellungen der Griechen (Themis, Dike etc.) Kapitel II 7. 57 Auf die Begriffe ‚Jurisprudenz’, ‚Rechtswissenschaft’, und den Begriff des ‚Juristen’ gehe ich in Kapitel VI insbesondere in Pkt. 5 (Jurisprudenz oder Rechtswissenschaft?) ein; vgl. auch Mayer-Maly, in: DKP III 9 ff (Iuris prudentia uH auf Viehweg 19653, 1 f). 58 Vgl. die Ausführungen in Kapitel VI 6.

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Kapitelüberblick

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schaft) auch eine Privatrechts-Wissenschaft.59 Rom wusste mit diesem Höhenflug der jungen griechischen Rechtswissenschaft lange kaum etwas anzufangen, worüber noch zu sprechen sein wird. – Manche Überlegungen verleiteten mich dazu, auch auf Rechtsfragen unserer Zeit einzugehen. Dazu ein Beispiel: Solon etwa verwaltete als Gesetzgeber mit Sondervollmachten, als sogenannter Aisymnet oder Dialaktes, was Ch. Meier bildhaft mit ‚Wieder-ins-Lot-Bringer’ übersetzt, den ‚Ausnahmezustand’ in Athen/Attika während turbulenter politischer Jahre nach der Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert. Dadurch sollte ein drohender Bürgerkrieg vermieden werden. Die griechische Aisymnetie diente als Vorbild für die spätere sogenannte ‚verfassungsmäßige Diktatur’ und die ‚Idee einer Suspendierung der Verfassung’ (C. Schmitt). – In diesen 60 Zusammenhang gehört neben dem Ausnahmezustand auch das Widerstandsrecht. – Beides ist immer wieder aktuell. Man lese nur das Buch des italienischen Rechtsphilosophen G. Agamben zum Ausnahmezustand. Agamben behandelt allerdings Griechenland gar nicht. Das ist bedauerlich, denn gerade die Berücksichtigung der Alten Geschichte, der Rechtsgeschichte, der Anthropologie und Ethnologie könnte seine Ergebnisse ergänzen. Agamben kennt die Variante der politischen Auseinandersetzung im archaischen Griechenland, die bis zum Aus61 nahmezustand gehen konnte, offenbar nicht. Auch die Erkenntnis der Ethnologie, dass schon in ferner Frühzeit gewisse Gruppenregeln – etwa die Nahrungsverteilung betreffend – 62 in Zeiten der Not suspendiert wurden, was später offenbar auf den Staatsnotstand übertragen wurde, zeigt, dass die Beschränkung auf das römische Recht wenig sinnvoll ist.

Die Daten und (Epochen)Überblicke (‚Historische Rahmenbedingungen – Zeittafel’) in Kapitel VI 4 dienen der Hintergrundinformation, aber sie referieren auch zu einigen Phänomenen; so zur ‚Rhetorik’ (und hier etwa zur Person Antiphons) oder zur Frühgeschichte, zur Geschichte Ägyptens und Mesopotamiens, zur Ägäischen Frühzeit uam. Das erst später entstandene Kapitel VIII über ‚Aristoteles und seinen Kreis’ war nötig, weil nur eine eingehendere Auseinandersetzung mit Aristoteles die Entstehung einer griechischen Jurisprudenz/Rechtswissenschaft nachzuvollziehen gestattete, die nicht unmittelbar aus der Philosophie heraus zu einer autonomen

59 Troje 1971a, 31. 60 § 19 ABGB enthält nicht nur einen Rechtsgewähranspruch gegenüber dem Staat – im Sinne einer Zusage und übernommenen Pflicht – und ein Selbsthilfeverbot – im Sinne eines Verzichts der Bürger auf Eigenmacht –, sondern auch bei Entfall dieser Voraussetzungen ein – freilich nur mittels historischer Interpretation zu erschließendes Widerstandsrecht. Dazu meine Ausführungen: 2002b, 94 ff und 103 ff, ferner in 2007a, 95 ff. 61 Eingehend Gehrke, Stasis (1985) zur ‚Stasis’: Stahl 1987, 60 ff und in Kapitel II 2: ‚From Status to Contract’ sowie II 16: ‚Solon als Orientierer’.; auch in Kapitel IX 7: ‚M. Stahls Konzept der Staatsentstehung’. – Agamben gehört zu jenen Autoren, die mit dem römischen Recht beginnen und nahezu alles davor unbeachtet lassen. Die antiken Rügebräuche hat er missverstanden; W. Schmitz (1999/2004a) ist ihm offenbar entgangen. Dazu Kapitel II 11. 62 Vgl. Lévy-Strauss 1966/19843, 83.

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Einleitung

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Rechtswissenschaft wurde, sondern über den Umweg der Aristotelischen ‚Wissenschaft von der Politik’. Gemeinsam mit der ebenfalls neu etablierten Schwesterdisziplin Ethik, bildete das griechische Rechtsdenken den zweiten großen Bereich der Aristotelischen ‚Wissenschaft von der Politik’, die sich vornehmlich in der Nikomachischen Ethik und der Politik findet. Mit der Aristotelischen ‚Wissenschaft von der Politik’ war für das Rechtsdenken ein weiterer – zweifacher – Entwicklungsschritt zur Rechtswissenschaft verbunden: Einerseits wurde die bereits bestehende und hoch entwickelte (Kautelar)Praxis mit der richterlichen Rechtsanwendung und der Verwaltungspraxis in den theoretisch-philosophisch inspirierten Bereich der neuen ‚Rechtswissenschaft’ hereingeholt, und andererseits wurde dieser integrierte Bereich mit der alten und ebenso hoch entwickelten ‚Kunst der Gesetzgebung’ zu einem neuen wissenschaftlichen Ganzen verwoben: der ‚Rechtswissenschaft’, die zunächst noch gar keine eigene Bezeichnung erhielt, sondern weiterhin unter dem alten Etikett der ‚Gesetzgebungskunst’ verblieb. Diese Aristotelische ‚Kunst der Gesetzgebung’ war aber inhaltlich – nachdem Platon schon einen neuen Begriff geprägt hatte63 – bereits zu einer griechischen und damit zur ersten europäischen Rechtswissenschaft herangewachsen; Näheres dazu enthält Kapitel VIII. Das Kapitel IX „Recht und Religion“, das sich erst später als unabdingbar erwies, widmet sich der Entstehung dieser gesellschaftlich bedeutenden Bereiche jeder menschlichen Vergemeinschaftung: Darin gehe ich sowohl auf das Werk von Konrad Lorenz und die durch ihn (mit)geschaffenen Disziplinen der Vergleichenden Verhaltensforschung und Humanethologie ein als auch auf Emile Durkheims ‚Die elementaren Formen des religiösen Lebens’ aus dem Jahre 1912. Ergebnisse der Rechtsanthropologie finden ebenso Berücksichtigung wie Walter Burkerts Thesen und René Girards und Günter Dux’ ‚Gegenpositionen’. Den Abschluss bildet Kurt Lattes Abhandlung über ‚Heiliges Recht’. – Kapitel X (Epilog) reflektiert die ‚Bedeutung öffentlicher Rechtsmoral’ für die Gegenwart und betont erneut die Relevanz des griechischen – und damit auch des (außer)europäischaltorientalischen – Rechtsdenkens, das mit zur kulturellen Basis nicht nur für Europa wurde. Es geht dabei um die von Kant durchgesetzte ‚Trennung von Recht und Moral’ und um Kelsens ‚Midas-Vergleich’. Ich widme mich dem Kosmopolitismus der Hellenen, dem Plädoyer Heinrich Mitteis’ für einen ‚Lebenswert der Rechtsgeschichte’ und dem kulturellen Vermächtnis der Hellenen auf dem Gebiete des Rechtsdenkens. – Ich wollte deutlich machen, dass Fächer wie die Alte Geschichte, Philologie, Rechtsgeschichte, (Rechts)Philosophie, (Rechts)Soziologie, (Rechts)Anthropologie und (Rechts)Ethnologie und andere Disziplinen wie Vergleichende Verhaltensforschung/Humanethologie und Soziobiologie in ihrem Verhältnis zur Rechtswissenschaft auch noch für Gegenwart

63 Dazu im Kapitel VI 1 und in der FS I. Weiler (2008).

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Über Zitate, Zitierweise, Gliederung

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und Zukunft reiche (Erfahrungs)Schätze bergen, die wir verwerten sollten. Das Durchforsten alt-historischer, alt-philologischer, philosophischer und soziologischer, aber auch naturwissenschaftlicher Literatur mit juristischem Blick hat sich gelohnt, lässt sich doch immer wieder zeigen, dass die Akzentuierungen mitunter besondere, wenn auch meist nicht völlig andere sind.64 Der Aufwand war allerdings groß. Der veränderte Blickwinkel ermöglichte aber immer wieder bislang nicht oder doch zu wenig beachtete Einsichten, von denen ich hoffe, dass sie auch für andere Disziplinen – etwa für die Alte Geschichte oder die (Rechts)Philosophie und (Rechts)Soziologie – von Interesse sind. – Kap XI fasst die Ergebnisse zusammen und versucht einen Ausblick aus der RechtsGeschichte heraus und über sie hinaus. Die beigegebenen Skizzen, Karten und Bilder ergänzen den Text und sollen mehr sein als bloßer ‚Buchschmuck’. Unterstützt hat mich dabei Frau Mag. Birgit Gufler, der ich für Ihre Mühe danke. Ich hoffe, dass dadurch die Anschaulichkeit gefördern worden ist.

Über Zitate, Zitierweise, Gliederung Ich habe immer wieder aus den Werken Homers, Hesiods, Solons, Platons, Aristoteles’, Plutarchs und vieler anderer Autoren zitiert, weil einige dieser Texte wohl schon schwer zugänglich sind. Während für den englischen Sprachraum die Ausgaben der vorbildlichen Loeb-Classical-Library zur Verfügung stehen, ist nicht einmal eine deutsche Gesamtausgabe Plutarchs erhältlich. Ähnliches gilt für wichtige Werke der Sekundärliteratur wie Werner Jaegers, ‚Paideia’, E. R. Dodds’, The Greeks and the Irrational und seinen klassischen Essayband ‚The Ancient Concept of Progress’, H. Lloyd-Jones’, The Justice of Zeus, wenig bekannte Aufsätze von Ernst Topitsch und Albin Lesky, den Essay ‚Greek legal science’ von G. M. Calhoun oder die Arbeiten von R. J. Bonner und G. Smith (insbesondere ‚The Administration of Justice from Homer to Aristotle’) oder bedeutende Werke von U. v. Wilamowitz-Moellendorff (etwa: ‚Aristoteles und Athen’, und ‚Der Glaube der Hellenen’), die meist nur mehr über (Universitäts)Bibliotheken zugänglich sind. Eben dies gilt für Karl Meulis überzeugende Studie über ‚Griechische Opferbräuche’. – Dazu hege ich die Hoffnung, mit diesem Buch dazu beitragen zu können, dass manche längst gewonnene wissenschaftliche Einsicht zum antiken und griechischen Rechtsdenken in Erinnerung gerufen wird und dass dadurch Erkenntnis gefördert und Rezeption erleichtert

64 Ich verweise etwa auf die Einschätzung der juristischen Qualitäten Antiphons, dessen ‚Tetralogien’ von Philologen – und nicht nur von diesen – auf eine juristisch problematische Weise verstanden worden waren; dazu Kapitel II 4. Es fehlte mitunter an juristischem Verständnis.

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Einleitung

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wird. Das rechtfertigt das eine oder andere längere (Original)Zitat, insbesondere da ich auch ‚vermitteln’ will. Dazu sei erwähnt, dass ich bei Originalzitaten auf Anpassung der Rechtschreibung verzichtet habe. Das Ziel dieses Buches ist nämlich – daran sei erinnert – auch ein solches der Wieder-Erinnerung, der Anamnesis, denn es gilt, nicht nur neue Ergebnisse darzulegen, sondern auch zurückzuholen, was wissenschaftlich längst erreicht, mittlerweile aber wieder in Vergessenheit geraten ist. Originalzitate dienen auch diesem Zweck. Vielleicht ist es dadurch möglich, über Fachgrenzen hinweg, Diskurs und Auseinandersetzung anzuregen und Interesse zu wecken. Literatur wurde im Text und in den Anmerkungen kurz zitiert, die genauen Angaben enthält das Schrifttumsverzeichnis. Dort sind auch die Textausgaben angeführt, nach denen antike Autoren grundsätzlich zitiert werden; zB Platon nach der Gesamtausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft oder Aristoteles nach den Reclamausgaben. Von dieser Regel abweichende Zitate sind besonders gekennzeichnet. Auch wenn ein solches Vorhaben selten gelingt – ich wollte ein Buch schreiben, das man mit Interesse zur Hand nimmt und nach der Lektür mit Bedauern aus der Hand legt. Es war alle Mühen wert, denn der Lohn eines Autors liegt letztlich nicht in der Anerkennung durch andere, sondern in der Arbeit selbst, im ‚Schreiben’ und in der damit verbundenen Freude über die gewonnenen Erkenntnisse. Hier gilt fast uneingeschränkt der Satz vom Weg, der das Ziel ist. Dem Rechtsdenken der Griechen ernsthaft und ohne Scheuklappen nachzuspüren, bedeutete ernsthaftes Streben nach dem Erreichen der von mir selbst gesetzten Standards. So übergebe ich das Buch jenen, die an diesen Fragen interessiert sind und wünsche allen, die es zur Hand nehmen, eine freudvolle Lektüre. Ich hoffe, das Buch so geschrieben zu haben, dass auch interessierte Leserinnen und Leser jenseits von Fachkreisen damit etwas anfangen können. Verständlichkeit auch für Nicht-Fachleute war eines meiner Ziele. Diesem Ziel dienen Erklärungen in den Fußnoten und im Text, Verweisungen, aber auch manche Wiederholungen und Hinweise auf Lexika und Grundlagenwerke ebenso wie ein ausführliches Schrifttums- und Stichwortverzeichnis sowie ein Glossar. – Dazu habe ich mich stets um sprachliche und gedankliche Klarheit bemüht. Der Text ist dennoch nicht zur Gänze einfach geraten, was – wie ich meine – nicht nur an meiner Unzulänglichkeit liegt. Die Komplexität des Themas forderte da und dort ihre Opfer. Es wäre auch nicht schwierig gewesen, das Werk noch wesentlich umfangreicher zu gestalten, doch hätte das wohl die Lesebereitschaft vieler überfordert. Die Gliederung ist bewusst schlicht: Elf Kapitel, als Untergliederung nur arabische Punkte: und als zusätzliche Gliederungsebene – je nach Schriftgröße – kleinere und größere Überschriften, die gedankliche Einheiten markieren. Diese ‚Überschriften’ finden sich auch im Inhaltsverzeichnis und ermöglichen einen besseren Überblick. Kursiv gesetzte Überschriften wurden nicht aufgenommen.

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Über Zitate, Zitierweise, Gliederung

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– Auch Skizzen, Übersichten, Graphiken, Landkarten, Pläne und Bilder dienen der Verständlichkeit und Anschaulichkeit. Dem Rat, den Titel des Buches zu ändern und einen deutschen Titel zu wählen, bin ich nicht gefolgt, weil dieses Buch wohl kaum mit einer Rezeption durch eine breite Öffentlichkeit rechnen kann. Zudem erschien mir das ‚Graeca non leguntur’? durch keinen anderen Titel, insbesondere auch durch keine Übersetzung, ersetzbar. Nicht wenige der behandelten Fragen bedürfen weiterer Durchdringung und mancher Erweiterung und Vertiefung. Jede andere Aussage wäre vermessen. Ich musste mich häufig beschränken, um ein völliges Ausufern zu verhindern. Daher versuche ich mitunter, nur vorsichtig einige Grundlinien zu ziehen und dem Einfluss des griechischen Rechtsdenkens auf das römische und unser Rechtsdenken nachzugehen, um so wenigstens einen ersten Eindruck von dieser komplexen und langwährenden Austausch- und Wechselbeziehung zwischen den Kulturen Europas und dem Alten Orient zu geben. Dabei gilt es Ernst Levys Einsicht zu beachten, dass „komplexe Probleme […] komplexe Lösungen“ fordern.65 – Ich musste daher aus methodischen Gründen auch auf die Frage eingehen, ob es angesichts der Zersplittertheit und der enormen Ausdehnung des griechischen Siedlungsraumes – es existierten um die 700 Poleis – überhaupt ein (gemeines) griechisches Recht gegeben hat.66 Bedauerlicherweise sind die Anstrengungen in der rechtshistorischen Forschung seit dem Tod der großen Rechtshistoriker und Graezisten des 19. und 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen, sodass wir in vielen Bereichen seit 30 bis 40 Jahren kaum vorangekommen sind. (Die Rechtswissenschaft verdankt anderen Disziplinen – insbesondere der Alten Geschichte und der Altphilologie wichtige neue Forschungsergebnisse. Ich erwähne hier die Arbeiten von W. Burkert, W. Schmitz, H. J. Hölkeskamp, Ch. Ulf und R. Rollinger. – Das Gesamtbild von den Leistungen des griechischen Rechtsdenkens ist kaum vollständiger geworden. Eine ‚Bestandsaufnahme des bisher Erreichten’ wäre daher nicht nur reizvoll, sondern vor allem dringend nötig.67 Das kulturelle Gedächtnis schwindet unglaublich rasch. – Ich hoffe zeigen zu können, dass in manchen Bereichen auch schon das wissenschaftlich Erreichte genügt, um zu einem ‚geraderen’ Urteil über den wahren Stellenwert des Rechts(denkens) im antiken Griechenland – und damit auch im Alten Orient – zu gelangen. Dafür müssen aber vor allem auch bestehende Vorurteile abgebaut werden.

65 1963, I 183. 66 Dazu in Kapitel I 6. 67 Dafür bräuchte es ein solides interdisziplinäres Forschungsprojekt; vgl. die Ausführungen am Beginn von Kapitel II 17 und nunmehr in der FS für P. W. Haider 2006, 412 f.

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Die Arbeit ist grundsätzlich eine rechtswissenschaftliche, wenngleich auch Ergebnisse aus der Alten Geschichte, der Philosophie(geschichte), aus Philologie, Rechtsphilosophie und anderen Disziplinen, vor allem auch aus den Sozialwissenschaften, der Anthropologie und Ethnologie, den Naturwissenschaften und der Religionsgeschichte berücksichtigt wurden.68 – Das Buch ist aber nicht nur für sogenannte Fachleute geschrieben, sondern für alle, deren Interesse dem Recht und seiner Entwicklung gilt. Dazu gehören vielleicht auch alle, die sich mit der Politikwissenschaft, der Soziologie, der (Alten) Geschichte und Altorientalistik, der (Alt)Philologie, der Theologie und Philosophie, aber auch mit naturwissenschaftlichen und Mischdisziplinen wie der Soziobiologie beschäftigen. – Das wollte ich auch mit dem Motto des Aischylos andeuten.69 Lebendige Anteilnahme am gesellschaftlichen Leben der Gegenwart wird durch die Kenntnis historischer Zusammenhänge gefördert. Deshalb halte ich das Thema auch für aktuell. Denn es geht – letztlich – nicht nur um historische, sondern um menschliche Fragen, um unsere gegenwärtige und künftige Orientierung. – Ein Problem derartiger Untersuchungen, das häufig in Kauf genommen wird, ergibt sich dadurch, dass dem Fach eigentümliche Termini und gewisse grundsätzliche Annahmen nicht erklärt werden. Nicht-Fachleuten wird die Lektüre dadurch erschwert, der Leserkreis wird eingeengt und so eine zuweilen sogar nicht unbeabsichtigte Isolation herbeigeführt. – Ich habe versucht, diesem Übel durch Erklärungen, Übersetzungen und Hinweise auf weiterführende Texte sowie ein Glossar abzuhelfen. Das Buch stellt daher zwei Wege der historischen Entwicklung dar, zwischen denen ‚man’ wählen kann: Den ‚griechischen’ Weg – des frühen egalitären Gesetzes, mit der frühen Tendenz zum ‚Rechtsstaat’ und zur Demokratie und der umfassenden Achtung der Persönlichkeit (herausgearbeitet durch die Philosophie, die Wissenschaften und das Recht) und den ‚römischen Weg’, der schließlich sogar alles Republikanische, Individuelle beiseite drängte und durch die unumschränkte Macht und Herrschaft einiger weniger ersetzte. Diese beiden Optionen stehen auch heute noch zur Wahl.70 Manche vereinfachende Verherrli-

68 Ein Buch wie dieses könnte gar nicht geschrieben werden, wollte man sich einem wie immer gearteten Methodendiktat unterwerfen. Ich verweise bereits hier auf meine Ablehnung von Ansichten, wonach ‚Recht’ oder ‚Prozess’ nicht (auch) durch anthropologische Modelle erklärt werden können. Ich meine allerdings, dass es dabei vor allem auf die richtige Akzentsetzung ankommt, die mitunter fehlt. 69 Ich zitiere daher Texte nicht immer nur, um meine Aussagen zu stützen, sondern auch dann, wenn ich meine, dass sie ganz allgemein Interesse an und Verständnis für die Wurzeln des europäischen Rechtsdenkens wecken und fördern können. 70 Ich möchte damit aber ein tertium datur nicht ausschließen.

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Troje: ‚Europa und griechisches Recht’

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chung der Größe Roms hat all das beiseite gelassen, ‚Erinnerungen’ wie die von Hans Erich Troje wurden totgeschwiegen.71 Ich hatte die unterschiedlichen Beiträge, die dieses Buch enthält, zunächst ‚Miszellen zum griechischen Rechtsdenken’ genannt, habe aber auf diese Bezeichnung schließlich verzichtet, weil die einzelnen Teile – insbesondere jene über Solon, Aischylos, aber auch die Kapitel zur griechischen Jurisprudenz, zu Platon oder Aristoteles – viel zu umfangreich geraten sind. Dennoch ist etwas vom kompositorischen Charakter dieser für sich stehenden Miszellen geblieben, auch wenn die Verbindungen zwischen den einzelnen Werkteilen im Laufe der Arbeit verstärkt und vertieft worden sind. – Die einzelnen Beiträge behandeln zwar unterschiedliche Epochen und unterschiedliche Kulturbereiche, aber alle diese Bereiche haben zum griechischen Recht und Rechtsdenken beigetragen: Staatskunst, Politik und Rechtspraxis, Dichtung, Philosophie, Rhetorik und Geschichtsschreibung. Sie alle sollen, einem Facettenauge vergleichbar, den Eindruck von einem zusammengefügten Gesamtbild des griechischen Rechts und Rechtsdenkens und seiner unterschiedlichen Einflüsse und Kulturanteile vermitteln. Die Beschränkung auf einzelne Bereiche von Kultur und Gesellschaft könnte ein solches Gesamtbild nicht hervorbringen.72

Troje: ‚Europa und griechisches Recht’ Mit dem inneren ‚Wachstum’ meiner Arbeit war nicht immer einfach umzugehen, zwangen mich doch neue wissenschaftliche Einblicke und Einsichten während des Arbeitsprozesses immer wieder zu Änderungen des Manuskripts. Dadurch lief ich stets Gefahr, etwas zu übersehen oder an ungeeigneter Stelle einzufügen. Dabei hat sich etwa gezeigt, dass das Wirken des Rechtshistorikers H. J. Wolff hinterfragt und in Kritik gezogen werden musste, was ich selbst zunächst nur ungern zur Kenntnis nahm. Wolffs Postition forderte mitunter aber Kritik geradezu heraus: Das betrifft seine Ansicht, die alten Griechen hätten kein Gewohnheitsrecht gekannt73 oder beim Vertragsschluss dem Konsens keinerlei

71 Ich gehe auf Troje sogleich und insbesondere in Kapitel I 1 und 3 ein. 72 Ein anschauliches Beispiel für das Zusammenwirken ganz unterschiedlicher Gesellschaftsbereiche zur Rechtsentwicklung liefert uns die Entstehung des Begriffs ‚Person’; dazu Kapitel V 3. 73 Man lese dazu nur die Arbeiten von E. F. Bruck, die ich als heute zum wissenschaftlichen Standard gehörend betrachte, die Wolff aber nicht einmal erwähnt, obwohl sie seit Jahren publiziert und gut zugänglich waren. Wolff hat Brucks Arbeiten gekannt, und er hat einzelne auch besprochen. Die ‚Vernachlässigung’ lag vielleicht an Brucks liberalem Weltbild, seinem Denken in internationalen Zusammenhängen und seiner eigenständigen Auffassung von den Aufgaben der Wissenschaft. Vgl. Warlo 2004, 83 oder Flume 1961, 550 ff. Wolffs Aussagen über das griechische Gewohnheitsrecht sind daher aus heutiger Sicht nur mit Vorsicht brauchbar. – Zu Brucks Biographie: Warlo (2004), Cohn 1961, 160 f und Flume 1961, 550 ff; L. Wenger 1931,

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Einleitung

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Bedeutung beigemessen.74 Insgesamt gilt es für die von ihm eher heftig als überzeugend vertretene Meinung, es habe keine griechische Jurisprudenz gegeben, weil das „juristische Denken der Griechen [...] immer verhältnismäßig primitiv“ geblieben sei.75 Die Studie zu den ‚Rechtsexperten der griechischen Antike’ etwa gereicht Wolff nicht zur Ehre, denn sie enthält eine ganze Anzahl von Vorurteilen. Was nicht ins eigene Konzept passte oder eigenen Überzeugungen zuwiderlief, hat Wolff entweder nicht behandelt oder beiläufig als bloß philologisch abgetan, auch wenn es ihm an überzeugenden Gegenargumenten fehlte.76 Wolff kritisierte auch Steinwenters Thesen der ‚Streitbeendigung durch Vergleich’ und strafte Schönbauers Deutung der EeLI yYPºMIK (und die damit zusammenhängenden weiteren Klagen betreffend das ‚gebundene attische Bodenrecht’) mit weitgehender Nichtachtung.77 Die Auseinandersetzung war möglicherweise durch den Nationalsozialismus beeinflusst. Ich werde darauf an anderer Stelle eingehen, möchte aber betonen, dass ich bestrebt war, mein Thema unbeeinflusst von politischen und ideologischen Beeinträchtigungen zu behandeln. Wolff hat leider weitere Bereiche vernachlässigt. Theophrast etwa wird nur teilweise und Demetrios von Phaleron gar nicht behandelt. Die Hybrisklage schätzt Wolff ebenso gering ein 78 wie die richterliche Lückenfüllung. Auch die griechische (Kautelar)Jurisprudenz in ihrer beeindruckenden Vielfalt nimmt er nicht immer ernst und würdigt sie ebenso wenig wie die 79 Magistrate und juristisch tätigen Beamten der griechischen Poleis. – Wie sich zeigen wird, hat Wolff auch die Ergebnisse anderer (als der hier erwähnten) Wissenschaftler nicht immer 80 angemessen berücksichtigt.

27 ff schätzte Bruck sehr hoch ein; vgl. seine Besprechung von Bruck (1930). 74 Dazu in Kapitel II 9. 75 H. J. Wolff 1964, 7. 76 Zur Kontroverse H. J. Wolff versus R. J. Bonner und G. M. Calhoun bei Anm. 84. 77 Dennoch zieht Wolff Schönbauer zur Unterstützung seiner eigenen Meinung heran; etwa in: ‚Rechtskonkurrenz’ (1979 und 1980); dazu in Kapitel I 8 und VI 2. 78 Hierin folgt Thür seinem Lehrer. Vgl. Kapitel II 4: Förderung der Lehre von der rechtlichen Kausalität durch Antiphon. 79 Vgl. Kapitel VI (am Beginn): ‚Entstehen und Ausbau von Institutionen …’, VI 2: ‚Juristische Professionalisierung – Darlehens- und Kreditgeschäfte’ und ebendort: ‚Vorläufer des griechischen Archivwesens …’ und in Kapitel VII 1: ‚Einbettung der griechischen ‚Rechtsidee’ in das Politische …’.– Zu diesem Punkt vgl. ferner auch die hier berücksichtigten Untersuchungen Koerners. 80 Auseinandersetzung mit Wolff in Kapitel VI 3: ‚Wolffs Einwände …’.

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Troje: ‚Europa und griechisches Recht’

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Die Einschätzungen Wolffs, der sich mitunter selbst widerspricht,81 haben die Antike Rechtsgeschichte spürbar beeinträchtigt, denn viele, auch bekannte Forscher haben sich mit diesen Feststellungen begnügt. Auch Wolffs negatives Gesamturteil über die griechischen Logographen und Rhetoren erscheint nicht mehr nur als bloß eigenwillig, sondern wirkt wie von einem Vorurteil getragen. Zudem überrascht es, wenn Wolff dem „griechischen Geist“ zuschreibt, „von vornherein [nicht ‚gerade’] durch spezifische juristische Probleme […] angezogen“ gewesen zu sein und zusätzlich einen „Mangel an natürlicher Neigung“ dazu feststellt.82 Dies passt in auffälliger Weise zum Urteil vieler Rechtswissenschaftler und Historiker, die die angeblich einzigartige juristische Begabung des römischen Volkes betonen. Diese starre Abwehrhaltung und die große Anzahl gefestigter Vorurteile ist wohl nur noch mit Hilfe der Psychoanalyse aufzuhellen.83 – Wolff hat in mancher Hinsicht Hervorragendes geleistet, bedeutende griechische Rechtsentwicklungen sind ihm jedoch entgangen. Die Einschätzung der wissenschaftlichen Tätigkeit des Rechtshistorikers und Graezisten H. J. Wolff ist daher außerordentlich ‚schillernd’ und reicht von Anerkennung, die ihm zweifellos gebührt, bis hin zum Vorwurf von Auslassungen und einem wenig sorgfältigen Umgang mit den Meinungen anderer Wissenschaftler. Ich möchte mich nicht vor der Feststellung drücken, dass Wolffs Positionen in der Gräzistik ambivalent sind. Die Art und Weise, in der Wolff mit den amerikanischen Wissenschaftlern R. J. Bonner und G. M. Calhoun, die seine Ergebnisse nicht (immer) stützen, umgeht, halte ich nicht nur für unfair sondern auch für unwissenschaftlich. Wolff hat diese Kenner des antiken griechischen Rechtsdenkens als ‚Philologen’ abgetan und sich so einer Auseinandersetzung entzogen.84 Seither sind durch neue Funde oder Interpretationen neue Einsichten gewonnen worden – auch hinsichtlich der Position Wolffs. Ähnliches gilt für eine Reihe weiterer großer Rechtshistoriker und Graezisten, für die zunächst nur R. Taubenschlag als Beispiel erwähnt werden soll, der mit seiner Meinung kei-

81 Auseinandersetzung mit Wolff in Kapitel II 9: ‚Das griechische Privatrecht kannte Rechtsfiguren, die das römische Recht nicht kannte’; zum Vertrag zugunsten Dritter (Beispiele von Verwahrungsverträgen zugunsten Dritter; Bruck 1914, 571), zur Zession (Kapitel VI 2) oder auch zur direkten Stellvertretung (Kapitel VI 2) bei den Griechen, die schwerlich von einem primitiven Recht oder einem rechtlich unbegabten Volk entwickelt worden sein konnten. Den Römern war es nicht gelungen, diese Rechtsinstitute zu schaffen. 82 1964, 15. – Ich erinnere an die konträre Einschätzung G. M. Calhouns und manche Feststellung von Wolff selbst. 83 Vgl. dazu meinen Beitrag: Rechtswissenschaft und Psychoanalyse (2004), in dem ich auch auf geschichtliche Fragen eingehe. – Zur Frage, was hinter dem wissenschaftlich so verbreiteten griechisch-römischen Antagonismus stecken könnte, ob vielleicht auch „eigentümliche Vorstellungen vom Römertum und dessen historischer Bedeutung“: Troje 2005, 277 ff. – Zur Zulässigkeit historischer Werturteile H. Mitteis 1947, 26 f. 84 Vgl. schon den Hinweis in Anm. 76.

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neswegs allein war, sondern sich auf wichtige Gewährsleute stützen konnte, der aber zum Teil mehr als unfreundlich abgetan wurde. Man lese nur Wolffs Beitrag: ‚Rechtsexperten in der Griechischen Antike’. – Hier gilt es manches zurechtzurücken, insbesondere, da Wolffs Meinung häufig unkritisch übernommen und zitiert wurde, wodurch das Bild des antiken griechischen Rechtsdenkens beträchtlich verzerrt worden ist. – Heute, da die Rechtsgeschichte als Ganze bedroht ist, sollten derartige Einseitigkeiten ebenso überdacht und korrigiert werden wie die Beschränkung des Faches auf die Beschäftigung mit dem römischen Recht. Aber wie es Hitzig85 und ihm folgend Pringsheim86 (und dann auch H. J. Wolff) vorerst gelungen zu sein scheint, die wissenschaftlich lange vertretene Meinung vom anfänglichen Prinzip des formlosen oder Konsensualvertrages der Griechen zu korrigieren87 oder wie G. Thür Kasers und Leists Meinung von der Existenz einer griechischen ‚Eigentumsdiadikasie’ als Irrtum erkannt hat,88 möchte auch ich versuchen, den einen oder anderen Irrtum oder das eine oder andere Versehen und Vorurteil, die über das Rechtsdenken der Griechen bestanden haben und heute noch bestehen, zu erkennen und zu beseitigen. Vor allem aber war es mir wichtig, bislang noch nicht Erkanntes ans Licht zu heben und in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen; dies betrifft vorallem das Entstehen der Verschuldenshaftung und der allgemeinen Haftungsgrundlagen des Straf- und Zivilrechts,89 den frühen Einsatz von Kollisionsrecht bei Koloniegründungen90 oder das Schaffen eines postmortalen Persönlichkeitsschutzes bereits durch Solon.91 Dabei erschien es mir wichtig, über detailverliebte Erörterungen hinaus zu gelangen, die den Horizont immer noch einengen und dem griechischen Recht und seinem Rechtsdenken wenig genützt haben.92 Das hatte methodische Konse-

85 1906, 129. 86 1950, 86 ff und 179 ff. Vgl. die Literaturübersicht bei Wolff 1968, 483 Fn. 1. 87 Dazu auch in Kapitel VI 2: ‚Beispiele für juristische Leistungen des griechischen Verkehrs(privat)rechts’. – Die Debatte um die Konsensualverträge ist aber noch im Gang; E. E. Cohen 2006, 73 ff mwH. Cohen vertrat beim ‚Symposion 2003’ die These, dass das entwickelte attische Recht Konsensualverträge gekannt hat. Die Texte der attischen Redner lassen daran auch kaum Zweifel aufkommen. Die Reaktion auf Cohens These, gereicht dem ‚Symposion’ nicht zur Ehre; E. Jakab 2006, 85 ff. Mittlerweile ist daraus ein veritabler Kontinentalkrieg entstanden, der über das ursprüngliche Kampffeld hinausreicht; M. Gagarin/D. Cohen (2005). – Hier wird nur mehr am Rande Wissenschaft betrieben, hauptsächlich aber werden Glaubenspositionen verteidigt, ja geradezu ein Heroenkult praktiziert. Die naheliegende Mittellösung wird nicht einmal in Erwägung gezogen. 88 Vgl. dazu Kapitel II 22: A. Kränzlein – ‚Eigentumsschutz’. 89 Dazu Kapitel II 4-6. 90 Dazu Kapitel I 8. 91 Dazu Kapitel II 10. 92 Schulin (1882, 5): „Die gegen das griechische Recht bestehenden Vorurtheile können nur überwunden werden durch eine eingehende, alle Einzelheiten berücksichtigende juristische Behand-

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Neue Disziplinen für Rechtswissenschaft und Rechtsgeschichte

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quenzen und erzwang die Anwendung unterschiedlicher Methoden.93 – Motiviert hat mich dabei H. E. Trojes geistvolle Frankfurter Antrittsvorlesung ‚Europa und griechisches Recht’,94 die bislang wenig beachtet wurde, also das Schicksal des griechischen Rechts und Rechtsdenkens teilte. – Mythen in der Geschichtsforschung und der Rechtsgeschichte blühen freilich seit dem Altertum: Man denke nur an die Mythisierungen rund um die häufig auch ideologisch gefärbten ‚Indogermanen’, ihre vermeintlichen Wanderungen, ihr Nomadendasein, ihr Eindringen in Mittel- und Südeuropa in Invasionswellen.95 – Aus solchem Holz ist auch der wissenschaftliche Mythos vom ausschließlichen Entstehen des europäischen Rechts und Rechtsdenkens im antiken Rom geschnitzt.

Neue Disziplinen für Rechtswissenschaft und Rechtsgeschichte Ein Versäumnis der Rechtsgeschichte liegt auch darin, dass sie es in den letzten 100 Jahren und insbesondere nach 1945 – von wenigen Ausnahmen abgesehen – unterlassen hat, die wissenschaftliche Handreichung durch die neuen kultur- und sozialwissenschaftlichen, aber auch naturwissenschaftliche Disziplinen als Chance für die eigene Entwicklung zu begreifen. Dies betrifft die Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung, aber auch die Kultur- und RechtsAnthropologie und die Rechts-Ethnologie; im naturwissenschaftlichen Bereich die Biologie, die Vergleichende Verhaltensforschung und die Mischdisziplin Soziobiologie.96 So blieben selbst die wichtigsten Erkenntnisse von Eugen Ehr-

lung desselben. Der aus einer solchen Behandlung resultierende Gewinn kommt nicht nur dem griechischen Rechte zu gut, sondern auch dem römischen und der ganzen Rechtswissenschaft. Vieles ist zur juristischen Erforschung des griechischen Rechts in neuerer Zeit geschehen; aber viel mehr bleibt noch zu thun.“ 93 Methodische und theoretische Überlegungen wurden nicht an einer Stelle des Buchs konzentriert, sondern auf verschiedene Stellen verteilt, wo es mir angebracht erschien, zumal vom Stoff abgesonderte Methodenteile, die oft auch noch nachträglich erstellt werden, den Leser oft ermüden. Auch der Aufbau eines in mehrere nahezu voneinander unabhängige Teile gegliederten Werks schien ein solches Vorgehen zu erfordern. 94 Vgl. dazu Kapitel II 10: ‚Erstarken des Rechtssubjekts …’. – Der Text ist mittlerweile wiederum zugänglich in: Barta/Mayer-Maly/Raber 2005, 249 ff. 95 Man lese dazu die fundierte Untersuchung von Häusler (2003) sowie Renfrew (2004). 96 In dieser Hinsicht bildet Fritz Schulz eine frühe Ausnahme. – Für die jüngste Vergangenheit ist Winfried Schmitz zu nennen, dessen Studien zu ‚Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft’ (1994, 1999, 2004) den Beweis für die Leistungsfähigkeit eines ‚Methodenmix’ erbracht haben; auch Ulfs ‚Homerische Gesellschaft’ (1990) gehört hierher. P. Reiwald (2005 2, 11) beklagt zu recht, dass sich die Beziehung der Rechtswissenschaft zur Ethnologie nicht so „anregend und fruchtbar“ entwickelt hat, wie die Beziehungen der Soziologie, Psychologie, Religions- und Sprachwissenschaft. Und doch liegt nach Reiwald die „Notwendigkeit hiezu auf der Hand“.

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Einleitung

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lich,97 Max Weber,98 Bronislaw Malinowski,99 Claude Lévy-Strauss100 und vielen anderen vom rechtshistorischen Mainstream unbeachtet.101 Eine wissenschafts-positivistische Einstellung und ein romanistisch eingefärbter legal isolationism prägten hier lange die Grundeinstellung. – Die mittlerweile irreversible Demontage der Rechtsgeschichte aus den Studienplänen des gesamten deutschen Sprachraums ist demnach zu einem Gutteil hausgemacht. Während der letzten Jahrzehnte ist es leider nicht gelungen das griechische oder gar das orientalische Rechtsdenken wenigstens überblicksartig aufzuarbeiten und in die Studienpläne einzubeziehen. Gerade dieses eindrucksvolle und überaus lehrreiche102 ‚Material’, das sich über das gesamte, weite Feld der Jurisprudenz und des Rechtsdenkens erstreckt und das überdies direkt ‚vor der Haustüre’ lag, hätte wie kein anderes als Paradigma der frühen Rechtsentwicklung Europas dienen und das Interesse an der Rechtsgeschichte fördern können. – Eine richtig verstandene Rechtsgeschichte wäre in der Lage (gewesen), rechtliche Probleme der Antike, insbesondere auch Griechenlands, in einen antik-gegenseitigen und einen Bezug zur Gegenwart zu bringen. Leopold Wengers etwa 100 Jahre alter Vorschlag für eine ‚Antike Rechtsgeschichte’,103 scheint vergessen und wird von juristischer Seite längst nicht mehr ernst genommen. Obwohl andere Disziplinen wichtige Vorarbeit nicht nur für Griechenland, sondern auch für Ägypten und Mesopotamien geleistet haben. Das gilt insbesondere für die Alte Geschichte, die Archäologie,104 die Altphilologie und verschiedene Bereiche der Orientalistik, deren neuere Forschungen substanzielle Beeinflussung bisher als rein griechisch eingeschätzter Kulturleistungen durch die Hochkulturen des Alten und Vorderen Orients nachgewiesen haben.105 – Die Frage nach der Bedeutung alles

97 Vgl. Rehbinder (1967a) und derselbe (1967b) und (1978). 98 Vgl. Rehbinder/Tieck (1987) und Käsler (1995). 99 Vgl. Reiwald (20052) und K.-H. Kohl 1990, 226 ff. 100 Vgl. M. Oppitz und K.-H. Kohl (2001). 101 Ich will versuchen, diese wichtigen Erkenntnisse an bestimmten Stellen meiner Arbeit zu beachten; etwa in Kaptiel IX; vgl. aber auch schon die Hinweise auf B. Malinowski und LévyStrauss in Kapitel I 6: ‚Normgenerator Familienrecht’. – Die Denkansätze von E. Ehrlich oder M. Weber – oder auch vieler anderer – bedürfen aber mittlerweile auch bereits mancher Revision. Auch durch W. Schmitz’ neue Einsichten sind Anpassungen und Korrekturen notwendig geworden. – Die Auseinandersetzung mit den erwähnten sozial-, geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen erforderte aber ein eigenes Werk, während ich mich hier mit Andeutungen begnügen muss. 102 Von besonderer Bedeutung wäre die antike griechische Entwicklung etwa auch für die Allgemeine Staastlehre. Erstaunlicherweise wurde dieses Material aber seit Max Weber kaum mehr genutzt. 103 Dieser Begriff wurde vom Nationalsozialismus missbraucht. 104 Etwa die Ausgrabungen im Südosten der Türkei (Göbekli Tepe); vgl. K. Schmidt (2006) und in Kapitel IX. 105 Hierher gehört das gesamte Werk W. Burkerts, insbesondere aber Die Griechen und der Orient

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Neubewertung des griechischen und orientalischen Einflusses

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Griechischen für das Entstehen des römischen Rechtsdenkens wird daher immer wieder ergänzt durch die Frage danach, was die Griechen vorangegangenen Hochkulturen verdanken. Letztere Frage kann ich hier nur marginal verfolgen, denn sie würde eine eigene Studie erfordern. In den letzten zwanzig Jahren wurde dem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt, eine Tendenz, die allerdings nicht von der Rechtsgeschichte ausgegangen ist. Auch Studien zum Rechtsdenken unter Einbeziehung des Alten Orients gewinnen an Bedeutung.106 Noch aber sind diese Bemühungen weit von einer wirklich interkulturellen Rechtsvergleichung, Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie oder Rechtssoziologie107 entfernt. Man kann nur hoffen, dass aus den bislang isolierten Untersuchungen, allmählich funktional vergleichende entstehen, die über geographische und fachliche Grenzen des Rechts hinausreichen. Künftig wird eine ausschließlich europäisch zentrierte Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie oder Rechtssoziologie vermutlich nicht mehr ernst genommen werden.

Neubewertung des griechischen und orientalischen Einflusses Die angedeuteten Entwicklungen rechtfertigen ein Neubewerten des griechischen und orientalischen Einflusses auf das römische und spätere europäische Rechtsdenken. Angezeigt erschien dies aber nicht nur wegen der Versäumnisse der rechtsgeschichtlichen Forschung, sondern vor allem auch wegen der insbesondere von der Alten Geschichte, Altphilologie und anderen Disziplinen mittlerweile erbrachten wichtigen neuen Forschungsergebnisse. Das betrifft etwa die Solonische Gesetzgebung, die allein durch die Arbeiten von Winfried Schmitz108 – nach der scheinbar endgültigen Bewertung durch Ruschenbusch – eine Neueinschätzung und eine bedeutende inhaltliche und funktionale Aufwertung zentraler Bereiche erfahren hat.109 Das griechische Recht und Rechtsdenken stellen sich uns daher anders dar als noch vor zehn bis fünfzehn Jahren. Was W. Schmitz als Althistoriker für das Verständnis des frühen griechischen, insbesondere des Solonischen Rechts und Rechtsdenken getan hat, leistete zuletzt der

(2003) oder die Arbeiten von Ingomar Weiler und einer Gruppe von Innsbrucker Althistorikern (R. Bichler, G. Lorenz, Ch. Ulf, P. W. Haider, R. Rollinger) im von Ch. Ulf herausgegebenen Sammelband (1996). Ebendies gilt für die Beiträge in Rollinger/Ulf (Hg., 2004). 106 Etwa Sch. Allam, H. Neumann und andere im Sammelband von U. Manthe (Hg., 2003). Dort fehlt freilich eine editorische Zusammenschau; der Band enthält lediglich von einander isolierte Einzeluntersuchungen. Auch wird der Begriff ‚Antike Rechtsgeschichte’ überhaupt nicht reflektiert; dazu nur Kunkel 1966, 126. 107 Vorbildlich seitens der Rechtssoziologie Niedenzu (1982); dazu Kapitel IX 3 und mein Beitrag, in: Barta/Rollinger/Lang 2008, 1 ff. 108 Schmitz’ neuerstes Werk zu Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft ist 2004 erschienen. 109 Dazu insbesondere Kapitel II 11.

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Einleitung

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Altphilologe Walter Burkert110 für das Erkennen der orientalischen Einflüsse auf die griechische Gesamtkultur. – Ein ‚Nachziehen’ der Rechtsgeschichte auf den Stand der wissenschaftlich vorausgeeilten Alten Geschichte, Altphilologie und wohl auch der Archäologie ist mir daher ein Anliegen; auch wenn es sich dabei um ein äußerst aufwendiges und schwieriges Unternehmen handelt, das trotz großen Bemühens nur in Grundzügen machbar ist. Der beachtliche Fortschritt in den genannten Disziplinen ist eine Herausforderung für die gesamte Rechtswissenschaft. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zentrale Bereiche des griechischen Rechts(denkens) und in der Folge auch dessen Verhältnis zum römischen Recht zu überdenken, was ebenfalls nur in bescheidenen Ansätzen geleistet werden kann. Damit hat sich erneut bewahrheitet, was Ingomar Weiler mit dem Motto von E. H. Carr111 für sein von ihm herausgegebenes Buch ‚Grundzüge der politischen Geschichte des Altertums’ in Erinnerung rufen wollte: Die „interpretatorische Analyse des Quellenmaterials“, mit der „historische Fakten“ ‚erzeugt’ werden, ist keine einfache Aufgabe. Neue Einsichten und Funde zwingen immer wieder zu Korrekturen und schließlich zur Neubewertung. Es erschien daher nötig, von der Neubewertung der Solonischen Gesetzgebung durch W. Schmitz auszugehen und diese der eigenen Arbeit zugrunde zu legen. Auf der anderen Seite hat Walter Burkert den Blick für die vielfältigen Einflüsse des Alten Orients auf die griechische Kultur grundlegend geöffnet, was es ebenso zu beachten galt. – Dass die Rechtsgeschichte diese bedeutenden Autoren nicht zur Kenntnis nimmt, halte ich weniger für einen Skandal als für einen Schnitt ins eigene Fleisch, für eine Art wissenschaftlicher Selbstverstümmelung. Ehe ich einige berühmte griechische Rechtsfälle kurz vorstelle, soll mein knapper Hinweis auf manche vergessene ältere (und zwar auch nicht-juristische) Autoren vertieft werden. Auch wenn die Wissenschaft große Mengen von Material aufbereitet und daraus vielfältige Erkenntnisse gewonnen hat, sind diese Autoren leider vernachlässigt worden. Schon heute gilt es, einen enormen Verfall und Verlust an Wissen um die Antike zu beklagen. Das anhaltende Versagen der Rechtsgeschichte und anderer Dsziplinen hat dazu geführt, dass historische Entwicklungen sowie das Erforschen der Hintergründe von Veränderungen – mithin ein tieferes Verständnis der eigenen Disziplin – vernachlässigt und übergangen werden, wodurch das Wissen nicht nur um die fachlichen, sondern auch um die gesellschaftlich fasslichen Zusammenhänge mit diesen Epochen verlorenzugehen droht. Das gilt heute häufig auch schon für den engsten Kreis der

110 Ich empfehle sein Buch ‚Die Griechen und der Orient’ (2003). – Burkert spart allerdings das Rechtsdenken aus, was verwundert, da sein Hauptaugenmerk der frühen Religion gilt und die Religion der Frühzeit als geschwisterlicher ‚Zwilling’ des Rechtsdenkens anzusehen ist. 111 Es lautet: „Der Glaube an einen festen Kern historischer Fakten, die objektiv und unabhängig von der Interpretation des Historikers bestehen, ist ein lächerlicher, aber nur schwer zu beseitigender Trugschluß.“

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Neubewertung des griechischen und orientalischen Einflusses

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Angehörigen der ‚Profession’ selbst. So mancher, der des Griechischen nicht (mehr) mächtig ist, sieht sich (vermeintlich) gezwungen, das Rechtsdenken mit den Römern beginnen zu lassen. – Es ist nicht überflüssig, an schon erlangtes Wissen da und dort zu erinnern: Ein Exempel für diese bedenkliche Entwicklung stellt das schon erwähnte wissenschaftliche Werk des Rechtshistorikers E. F. Bruck dar,112 das offenbar aus mehreren Gründen in Vergessenheit geraten ist:113 In Vergessenheit geraten ist nicht nur der große Rechtshistoriker Bruck sondern auch das Wissen darum, dass alle diese bedeutenden Entwicklungen im antiken Griechenland stattgefunden haben. Das Desinteresse der Rechtsgeschichte betrifft aber nicht nur längst Publiziertes, sondern auch jüngst Veröffentlichtes, wenn es dabei etwa um Themen geht, die von Althistorikern oder Philologen behandelt werden. Gilt hier etwa immer noch ein ‚Graeca non leguntur’? Schmitz’ Buch über ‚Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft’ mag dafür als Beispiel dienen.114 Vorwürfe sind aber auch an die Rechtssoziologie und die Rechtsphilosophie zu richten, die nicht für eine solide Aufarbeitung oder doch eine angemessene Weiterentwicklung ihrer historischen Grundlagen gesorgt haben. Dabei gäbe es in der Antike noch viel Interessantes und insbesondere auch didaktisch Wertvolles zu finden und nachzutragen. Feldstudien in fernen Erdteilen sind zweifellos interessant und auch wichtig, sollten aber nicht zu einem Ausgrenzen der uns unmittelbar berührenden frühen ‚europäischen’ Entwicklungen führen. Eine wichtige Aufgabe antiker Rechtsgeschichte bestünde demnach darin, auch bereits Erkanntes zu sammeln, aufzubereiten und systematisch mit dem geltenden Recht in Verbindung zu setzen, um so nicht nur den roten Faden der Entwicklung, sondern auch die Herkunft und Bedeutung der einzelnen Rechtsinstitute für ihre eigene Epoche sowie Entwicklungsabläufe lebendig vor Augen zu führen. Das gilt auch für Beiträge, die zwar umstritten sind, von denen unter Umständen viel zu lernen ist. Das wäre gerade heute von Wichtigkeit, da wir Gefahr laufen, geschichtslos zu werden und (Rechts)Wissenschaft in verfehlter Orientierung auf ökonomische (betriebswirtschaftliche) Effizienz zu versinken droht. Rechtsgeschichte vermag aber auch vor bloßer Dogmatik und Selbstüberhebung zu schützen – es müssten lediglich die Lehren aus der Geschichte des Rechts gezogen werden, was die Kenntnis dieser Geschichte voraussetzt. – Mit rechtsgeschichtlichen Studien lässt sich kaum so viel Geld verdienen wie mit zwangsläufig von den Interessen der Auftraggeber geprägten Gutachten und Schriftsätzen. Für die Ausbildung im und die Wissenschaft vom Rechte wäre der

112 Vgl. oben bei Anm. 20. 113 Vgl. Kapitel II 10: Entwicklungen der Verfügungen von Todes wegen und ebendort Pkt. 19: Vom ‚Totenteil’ zum Individualeigentum sowie in Pkt. 20: Die ‚Seelgerätstiftung’ und schließlich in Kapitel VI 2: Schenkung auf den Todesfall. 114 Dazu schon oben bei Anm. 19.

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Einleitung

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geschichtliche Hintergrund des Rechts von großer Bedeutung. Er könnte der Lehre jene Tiefe und Würze geben, die sie braucht, um junge Menschen zu begeistern und mit Ethos zu erfüllen und ihnen überdies ein Gespür für Mögliches und Erreichbares mit auf den Berufsweg geben. – Rechtsgeschichte vermag auch zu zeigen, wie um Fortschritte gerungen wurde, wie immer wieder Irrwege beschritten wurden und wie schließlich doch eine angemessene Lösung erreicht wurde. Rechtsgeschichte führt auch auf ganz natürliche Weise zur Interdisziplinarität; man denke nur an den in der Frühzeit engen Zusammenhang des Rechts mit Politik, Religion und Kult, in Griechenland auch mit Sophistik, Rhetorik, Philosophie, Dichtung und Kunst. Die klassischen philosophischen Rechtsdenker des antiken Griechenland waren auch Rechtshistoriker und Rechtsvergleicher, Rechtsphilosophen und Rechtspolitiker, mithin Rechtswissenschaftler. Die Rechtsgeschichte macht uns auch bewusst, welche großartigen Leistungen die frühe Rechtspraxis als Kautelarjurisprudenz und als Kunst der Gesetzgebung erbracht hat. – Rechtsgeschichte trägt auch dazu bei, die in den Wissenschaften immer deutlicher zu beobachtende Selbstbeschränkung zu vermeiden und lehrt uns, dass Wissenschaft immer auch zu ‚dienen’ bedeutet: Es geht um Erkenntnisgewinn, Wahrheitsfindung und letztlich um ein Verstehen von Wirklichkeit. Der Dienst an der Menschheit und der Gesellschaft darf nicht in Liebedienerei oder gar in rücksichtslosem Gewinnstreben bestehen.

Griechische Rechtsfälle Wie interessant es gewesen wäre, über das römische Recht hinauszugehen, zeigt schon das bloß stichwortartige Anführen von Fragen, die einen interkulturellen Vergleich nahegelegt hätten:115 – Etwa des griechischen mit dem römischen Familienrecht:116 – die Entwicklung von Monogamie und Polygamie,117 – die

115 Ich entnehme diese Stichworte der Besprechung von Beauchets, Histoire du droit privé de la république athenienne (1897) durch Hitzig (1897). Diese ausgezeichnete und sachlich-kritische Besprechung vermittelt einen guten Einblick in den Forschungsstand um 1900. Hitzig setzt sich auch mit der unbefriedigenden Situation in Bezug auf die Kenntnis des alten griechischen Rechts in der Rechtsgeschichte auseinander; insbesondere 1897, 146 ff. – Hitzig schätzte die Arbeit Beauchets nicht sehr hoch ein und bedauerte, dass Beauchet nicht einmal den Versuch unternommen habe, eine dem griechischen Rechtsdenken gerecht werdende Systematik zu entwickeln, sondern lediglich die griechischen Rechtsinstitute in das Schema des römischen Institutionensystems gepresst habe. 116 Auch ein Blick in den Alten Orient (Anm. 9) hätte nicht geschadet, zumal die rechtliche Stellung der Frau dort eher freier war, als in Griechenland und Rom. Dazu nunmehr Allam: Tagungsreferat ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2004 (2005, 116 ff). Unsere heutigen Vorstellungen sind von dem ‚Schleier des Islam’ getrübt. 117 Hitzig 1897, 152 f: Beauchet folgt Hruza, I (1892), II (1894). Danach hat das attische Recht die Polygamie weder ausdrücklich verboten, noch „geradezu erlaubt“.

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Griechische Rechtsfälle

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Rechtsstellung der ins Haus geholten Nebenfrau (der sogenannten ‚Pallake’)118 und der Konkubinat,119 – das Eingehen der Ehe (mit Ehehindernissen),120 – die Bedeutung des Ehebruchs,121 – das Dotalrecht,122 – das Ehescheidungs-123 und Erbtochterrecht,124 – die Stellung unehelicher Kinder/O²RPJ,125 – die Vater-

118 Sie wurde vom Mann ins Haus geholt, um mit ihr ‚freie’ Kinder zu zeugen, weil männliche Erben fehlten. Die Kinder waren offenbar legitim und erbberechtigt; dazu Schmitz 1997, 50 und 52 mwH. 119 Hitzig 1897, 153: Dazu Kübler 1894, 401 ff. 120 Hitzig 1897, 153 ff mwH: Danach war die yHHºIITJK der ehebegründende Rechtsakt, der HƒNPK dagegen bloß der Ehevollzug, entsprechend der Unterscheidung von in domum deductio und copula carnalis. – Bei der yHHºIITJK wurden dem Mann sowohl die Frau wie die Dos übergeben, den Vertrag der yHHºIITJK schlossen aber der Ehemann und der bisherige LºSJPK der Ehefrau (also im Regelfall der Vater), die selbst nur Objekt der yHHºIITJK war. 121 Hitzig 1897, 154 mwH auf Demosthenes und die römische lex Iulia de adulteriis. – Wie später das römische, verlangte auch das griechische Recht vom Ehemann, die untreue Frau zu verstoßen und gestattete dem Ehemann, den in flagranti ertappten Ehebrecher zu töten, nicht aber die Ehefrau. Griechischer Einfluss ist kaum auszuschließen. Dazu nunmehr W. Schmitz (1997) und Kapitel II 10: Nomos Moicheías. 122 Hitzig 1897, 155 mwH: Eine Ähnlichkeit zur römischen praesumtio Muciana wird konstatiert. 123 Hitzig 1897, 156 mwH: Beide Gatten konnten die Ehe auflösen. Eine Besonderheit des griechischen Rechts war die Möglichkeit der Auflösung einer Ehe durch einen Dritten, wenn eine verheiratete Frau nachträglich zur ‚Erbtochter’ wurde; dazu mehr in Kapitel II 10 (‚Epikleros’): „[…] dann kann der nächste Verwandte, der einen gesetzlichen Anspruch auf die Hand der Erbtochter hat, diesen auch der bereits Verheirateten gegenüber geltend machen und Aufhebung der bestehenden Ehe verlangen“. Nach Isaios kam dies häufig vor. Eine würdigere Bestimmung in dieser Frage kannte das Recht von Gortyn, das darauf Rücksicht nahm, ob aus der Ehe der Erbtochter Kinder stammten oder nicht, und das eine Abfindung des Ansprechers vorsah. Das beweist, dass Athen nicht immer die fortschrittlichere Lösung besaß. Die Stellung der Frau war bei den Dorern überhaupt besser. 124 Hitzig 1897, 157 f mwH zB auf Hafter (1887); Hruza 1892, I 90 ff; J. Kohler 1882, 395 ff sowie in Kapitel II 10: Das Rechtsinstitut der Erbtochter/yQeLMISPK verdiente auch heute noch Beachtung, weil sich an ihm – bei aller Vorsicht, die hier geboten ist – seltene indoeuropäische Gemeinsamkeiten darstellen lassen. Hier nur so viel: Auch das indische Recht kannte das Rechtsinstitut der sog Tochterbeauftragung, wonach der Vater, der keine Söhne hat, seine Tochter beauftragen konnte, sich für ihn von einem Dritten einen Sohn zeugen zu lassen und dieser als Sohn des mütterlichen Grossvaters galt. „Nach attischem Recht hat, wenn jemand nur eheliche Töchter ab intestato hinterlässt, der nächste Blutsverwandte (‚HDJTUFºK) das Recht, die Erbtochter zu heiraten und mit ihr einen Sohn zu zeugen; der also Gezeugte gilt als rechtmäßiger Nachkomme und Erbe des Vaters der Erbtochter. Beide Institute, das indische und das attische, dienen demselben Zweck: es soll für einen männlichen Nachkommen gesorgt werden, sog subsidiäre Sohneszeugung. Man darf weiter als sicher ansehen: dass der ‚HDJTUFºK – abgesehen von dem Falle der armen Erbtochter, […] – nur berechtigt, nicht verpflichtet ist, die Erbtochter zu heiraten; dass zur Ehe hier keine yHHºIITJK’ nötig, diese vielmehr durch den gerichtlichen Zuspruch […] ersetzt wird; dass der Erbtochtersohn, RVHBUSJEPºK, wenn er volljährig geworden ist, das Vermögen erhält, dagegen zur Alimentation seiner Mutter […] verpflichtet ist.“ – Manches im Erbtochterrecht ist bis heute umstritten; vgl. Hitzig 1897, 158. 125 Hitzig 1897, 159 f mwH: Vieles ist auch hier noch unklar. „Sicher ist eigentlich nur, dass das uneheliche Kind […] dem Erzeuger gegenüber gar kein Intestaterbrecht hat; dass dieser das

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Einleitung

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schaftsklage,126 – die Adoption und ihre Formen,127 – die (schwächere) Ausbildung der väterlichen Gewalt im alten Griechenland,128 – die Alters-129 und Geschlechtsvormundschaft.130 Aber auch familienrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sklaverei verdienen Interesse;131 wie die des Kindesstatus, wenn

Kind im Testament nicht zum Erben einsetzen, dagegen ihm Vermächtnisse (sog. OPRFeB) bis zu einem gesetzlich fixierten Maximalbetrag (1000, nach anderen 500 Drachmen) zuwenden kann. […] Bestritten ist weiter das Bürgerrecht des unehelichen Kindes auch in dem Fall, dass beide Elternteile Bürger sind.“ 126 Hitzig 1897, 160. 127 Hitzig 1897, 160 ff: geht ua. auch auf die Unterschiede zwischen griechischer – die nur ein Kindesverhältnis, und insbesondere ein Kindeserbrecht begründete – und römischer Adoption ein, die auch ein familienrechtliches Gewaltverhältnis erzeugte. Auch sonst wies das griechische Adoptionsrecht Besonderheiten auf; etwa, dass der Adoptivsohn (unter bestimmten Voraussetzungen) das Verhältnis einseitig wieder lösen konnte, nämlich dann, wenn er im Haus seines Adoptivvaters einen ehelichen Sohn hinterließ. – Auch das griechische Recht kannte nicht von Anfang an neben der adoptio inter vivos, eine adoptio per testamentum und nach Meinung mancher sogar eine ‚adoption posthume’ (Dareste und andere). Vgl. Kapitel II 10 und Kapitel VI 2 und bereite E. F. Brucks Einsichten. 128 Verglichen mit der römischen patria potestas, war sie deutlich beschränkter (zB kein ius vitae ac necis und kein Recht des Verkaufs von Kindern) und endete mit der Volljährigkeit des Kindes, die zwei Jahre nach Erreichung der Pubertät eintrat; Aristoteles, Athenaion Politeia 42/2, nennt dafür ein Alter von 18 Jahren. Die Unterschiede werden darauf zurückgeführt (Beauchet bei Hitzig 1897, 162), „dass die Römer der älteren Zeit Bauern [gewesen] seien und das ländliche Leben den Zusammenschluss der Familienglieder erfordere; die Griechen seien dagegen Handelsleute [gewesen], deren Beschäftigung eine leichtere und freiere Organisation der Familie, eine größere Beweglichkeit ihrer Glieder wünschbar erscheinen lasse.“ – Diese Begründung lässt sich heute freilich so nicht mehr aufrechterhalten, seit wir um die Bedeutung des bäuerlichen Elements bei der griechischen Polisbildung wissen; vgl. Kapitel II 11. 129 Hitzig 1897, 163 ff mwH. Die Sorge für Waisen spielte in der griechischen Gesetzgebung, die eine tutela dativa, testamentaria und legitima kannte, eine hervorragende Rolle; vgl. Kapitel II 10: ‚Mündelschutz …’. Dieser Schutz war bereits weit gediehen. 130 Hitzig 1897, 165 ff. 131 Hitzig 1897, 167 ff. – Zur antiken Sklaverei auch L. Mitteis 1891/1984, 356 ff und Kapitel II 9: ‚Tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel …’ sowie in Kapitel VII 1: ‚Patriarchat und Rechtsvorstellungen …’ mwH insbesondere auf die subtilen Ausführungen von Strasburger (1976). – Strasburger erwähnt etwa 1976, 34 f und 66 f, dass es nicht ungewöhnlich gewesen sei, dass Sklaven schon in homerischer Zeit (‚Odyssee’ XV 461 ff) „über eigene Mittel“, also Privatvermögen/peculium verfügten und sogar eigene ‚Untersklaven’ besaßen. Im klassischen Griechenland existierte das Rechtsinstitut der bedingten Freilassung unter praktischer Bindung an das bisherige Dienstverhältnis, die sogenannte paramoné/QBSBNPO›; Strasburger 1976, 35 Fn 182 mwH. Strasburger bemerkt dazu (1976, 103 ff), dass dadurch eine Art (römisches) Klientelverthältnis entstand. Bereits Homer kennt ‚Sklavenehen’, wobei unsicher ist, ob diese Verbindungen als rechtliche oder nur als tatsächliche angesehen wurden. Später galten sie als Konkubinate. Von den härteren Bedingungen von Sklaven im kleinbäuerlichen Milieu berichtet Hesiod, 597 ff; vgl. dazu auch Kapitel II 11: Solons Gesetzgebung als Beitrag zur Polisbildung.

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Griechische Rechtsfälle

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seine Eltern verschiedenen Ständen angehörten?132 Wie war die sakralrechtliche,133 wie die vermögensrechtliche Stellung von Sklaven in Griechenland?134 Die Ergebnisse aus der Forschungsarbeit vergangener Generationen überraschen immer wieder. In allen Wissenschaftsbereichen ist es geschehen, dass solche Ergebnisse in Vergessenheit gerieten. Insofern handelt es sich hier um keine Ausnahme. Es ist an der Zeit, dass sich die Wissenschaftsgeschichte dieser Ergebnisse besinnt. So ist es unverständlich, dass das bedeutende Buch Richard Maschkes zur Willenslehre stiefmütterlich behandelt wird.135 Ähnlich verhält es sich mit den Arbeiten von Eberhard F. Bruck. Die anschließend behandelten oder wenigstens erwähnten griechischen ‚Fälle’ sollen zeigen, dass auch das Aufbereiten von ‚Rechtsfällen’ nicht erst eine ‚Erfindung’ der Römer war. – Die Fallgeschichten sollen Leser und Leserinnen auch bei Laune halten, zumal die berühmten ‚Erzähler’ dieser Geschichten – Hypereides, Theophrast, Aulus Gellius, Herodot, Antiphon, Xenophon, Platon und Aristoteles – zweifellos ihr Metier verstanden haben. – Ich gebe hier eine Übersicht der unten und an anderen Stellen des Buches behandelten ‚Rechtsfälle’. • Ausschnitte aus der Rede des Hypereides ‚gegen Athenogenes’ – Gleich im Anschluss. • Aus dem Bericht des Aulus Gellius ‚Über Zweifel des Weisen Chilon’: Chilon, Theophrast und Aulus Gellius – Wie rezipierte ‚Rom’?

136

• Ein persischer Rechtsfall aus Xenophons ‚Kyrupädie’/Erziehung des Kyros.137 • Antiphons ‚Zweite Tetralogie’ (samt Bezügen zu anderen Werken dieses Autors): Antiphon – Der erste europäische Rechtswissenschaftler.

138

• ‚Aiginetische Rede’ des Isokrates (gehalten zwischen 393-390 v. C.)139 • Platons Plädoyer für eine angemessene Aufklärung durch den behandelnden Arzt und für 140

Gesetzespräambeln.

132 Nach dem Rhetor und Philosophen Dio(n) Chrysostomos (~ 40-110 n. C.) waren Kinder aus Geschlechtsverbindungen von Bürgerinnen und Sklaven zwar keine Bürger, aber frei. Damit stimmt Gaius (I 82) überein, der eine regula iuris gentium vertritt und das Kind dem Stand der Mutter zur Zeit der Geburt folgen lässt. 133 Sklaven waren in Griechenland sakralrechtsfähig und hatten Zugang zu religiösen Genossenschaften; Hitzig 1897, 168. 134 Hitzig 1897, 168 f und Strasburger (1976). 135 Besprechung des Werks durch Kunkel 1928, 709 ff. 136 Im Anschluss ab Anm. 164 (Fall 2). 137 Im Anschluss nach Anm. 180. 138 Dazu Kapitel II 4 und 5. – Die zunächst ebenfalls hier angesiedelte Fallgeschichte nahm im Laufe der Bearbeitung der ‚Rechtskategorie Zufall’ einen Umfang an, der ein Belassen im Bereich des ‚Einleitung’ unmöglich und ein Transferieren in Kapitel II 4 und 5 notwendig machte. 139 Dazu Kapitel I 8 ab Anm. 1596: Das ‘Internationale Privatrecht’ der Antike. – Vgl. auch mein Beitrag, in: 2007b, 49.

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Einleitung

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• Lysias-Fälle ‚Gegen Eratosthenes’141 und ‚Verteidigungsrede vor dem Areopag wegen Beseitigung eines Ölbaumstumpfes’;

142

• Beispiele für Prozessreden des Demosthenes;143 • Sachverhalte, die aus Inschriften und Urkunden an uns gelangt sind.144

Fall 1: Hypereides gegen Athenogenes Instruktiv zur vermögensrechtlichen Stellung von Sklaven im alten Griechenland ist eine Gerichtsrede des großen Rhetors Hypereides (389-322 v. C.),145 die dieser für einen Mandanten, dessen Name nicht erhalten ist, ‚gegen Athenogenes’ gehalten hat. Sie wurde erst 1891 aufgefunden.146 Hypereides zitiert in seiner Rede ein Gesetz Solons, wonach der Herr für die Schulden seines Sklaven zu haften hatte. Die ‚Gerechtigkeit’ – hier als Argument der ‚Begründung’ verwendet – dieser Lösung bestand nach Hypereides darin, dass dem Eigentümer ja auch der Gewinn zufällt, welchen Sklaven durch gute Geschäftsführung erzielen.147 – Diese Argumentation verwendet Ulpian etwa 800 Jahre nach Solon148

140 Kapitel VII 3. 141 Dazu Kapitel II 3: ‚Drakonische Strafen’ und II 4: ‚Drakontische Sondertatbestände’ und ebendort: ‚Unterbrechung des Kausalzusammenhangs …’. 142 Vgl. auch Kapitel II 3: ‚Früher Rechtsgang’ und II 9: ‚Solons Grundgedanken’ sowie Wöhrle (1995). 143 Kapitel VI 8. Dort Näheres zur von Maridakis (1987) aufbereiteten ‚Rede gegen Timokrates’ (XXIV). – Dazu kommen weitere Beispiele von E. Wolf. 144 Kapitel VI 2 sowie in Kapitel VIII zu Aristoteles und Theophrast. 145 Hypereides zählt zu den zehn kanonischen attischen Rednern, dem schon in der Antike manche nur Demosthenes vorzogen. Er war Schüler des Isokrates und professioneller Logograph, Zeitgenosse des Demosthenes und zeitweise sein Anhänger, im Korruptionsskandal der Harpalosprozesse aber sein Ankläger; Engels, in: Schütze 1997, 348 f und Plutarch, Moralia X 437 ff. – Diese Gerichtsrede des Hypereides (s. Blass 1898, III/2, 81 ff) betrifft einen differenzierten Sachverhalt, der mehrere rechtliche Problembereiche enthält: (Gültiger) Vertragsschluss, Willensmängel (insbesondere Betrug, Täuschung), Vertragsanfechtung (actio doli?) sowie methodisch die Anwendung verschiedener Formen der Analogie. Dies zeigt, dass Logographen auch als Juristen tätig waren. Es wäre unsinnig einem Hypereides juristische Qualitäten absprechen und ihn auf bloße Rhetorik festlegen zu wollen. 146 Zur Entdeckung dieser Rede durch den französischen Ägyptologen Eugène Revillout mwH auf frühe Literatur: Vogt 1894, 168. – Dazu auch Hitzig 1897, 168 f, nachdem die Rede in den Wiener Studien 16 (1894) 168 ff erstmals (von Vogt) veröffentlicht worden war. – Vgl. auch die Darstellung bei Maschke 1926/1968², 108 ff, 166 ff. Zu dieser Rede auch Lipsius 1893, 15 f: Lipsius erörtert die Analogieschlüsse in dieser Rede; dazu in Kapitel VII 5: ‚Analogie bei Logographen/Rhetoren’. 147 Das nimmt das spätere deutschrechtliche Rechtssprichwort „Guter Tropfen, böser Tropfen“ vorweg. – Zur Bedeutung von Rechtssprichwörtern im bäuerlichen griechischen Rechtsdenken: Schmitz (1999/2004a und 2004b); vgl. auch M. Koller (Diss., 2007).

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Fall 1: Hypereides gegen Athenogenes

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zur Rechtfertigung der actio institoria,149 weshalb Beauchet und Hitzig – aber auch andere – eine Beeinflussung des römischen Rechts für möglich, ja wahrscheinlich halten.150

Sachverhalt Der ‚Fall’ selbst handelt von einer Unternehmensübernahme, einem Unternehmens(ver)kauf bei dem der unerfahrene Käufer, dem es letztlich um ganz andere ‚Dinge’ ging, getäuscht wurde. – Es ging dabei um die Frage der Einhaltung des Vertrages trotz betrügerischer Irreführung: Athenogenes war Eigentümer eines Parfümerieladens in Athen, der von seinem Sklaven Midas geführt wurde. Er verkaufte dieses Geschäft an den ‚Sprecher’, für den Hypereides die Rede geschrieben hatte, mit allem Zubehör – also Sklaven, Warenvorräten, Kundenstock, einschließlich der Geschäftsschulden. Die wahre Höhe der übernommenen Schulden wurde dabei 151 in arglistiger Weise verschwiegen. In der Folge meldeten sich Gläubiger in großer Zahl und der Käufer bemerkte, dass er hintergangen worden war. Er wollte daher den Kaufvertrag 152 rückgängig machen.

Hier interessiert vorerst die (Rechts)Stellung von Sklaven, genauer deren Geschäftsfähigkeit: Diese scheint bei aller sonstigen Abhängigkeit eine sehr selbständige gewesen zu sein. Um die Haftung des Athenogenes zu begründen, verweist Hypereides schließlich auf das Gesetz des EINPUJLÈUB[UPK] 4²MXO (d. h. des äußerst volksverbundenen Solon) hin,153 das von allen als gerecht angesehen werde. – Ulpian hat diese griechische Begründung vermutlich noch gekannt. 154

Zur Rechtsstellung von Sklaven betont Fritz Gschnitzer, dass Sklaven auch nach dem Recht von Gortyn keinesfalls völlig rechtlos waren, sondern über eine beachtliche Teilrechtsund Geschäftsfähigkeit verfügten: „Bewegliches Gut kann […] der Unfreie […] durchaus zu eigen haben; das große inschriftlich erhaltene Gesetz der kretischen Stadt Gortyn – das dem 5.

148 Zu Ulpian: Kunkel 19672/2001, 245 ff (Dig. 14, 3, 1). 149 Dazu auch in Kapitel I 10 Anm. 2534. 150 Die Kenntnis des Solonischen Gesetzeswerks war in der Antike weit verbreitet. 151 Auf Fragen des listigen Hintergehens und dolosen Verhaltens wird im Rahmen von Kapitel II 4 (‚Unterbrechung des Kausalzusammenhangs’) eingegangen: EeLI CPVMFºTFXK. 152 Unternehmensübergang heute: § 1409 ABGB, § 25 dtHGB oder Art. 181 f SchwOR. – Zur Entwicklung und Anerkennung von ‚Willensmängeln’ im altgriechischen Recht vgl. Kapitel VI 2: Simonetos. – Eine Anfechtung im modernen Sinne kannte das griechische Recht nocht nicht; auszugehen ist vielmehr vom Geltendmachen der Nichtigkeit (wegen arglistiger Täuschung). – Zum Entstehen der Vertragsanfechtung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Rechtsprechung zum ABGB (und dann in der Pandektistik): M. Niedermayr 2007, 260 ff. 153 Text bei P. Vogt 1894, 187: X 10 f. – Dazu auch in Kapitel VI 2: ‚Direkte Stellvertretung’ (am Beginn, zum attischen Recht). 154 1981, 58 f.

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Einleitung

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Jahrhundert angehört, aber von sehr altertümlichen Verhältnissen zeugt – enthält z. B. Bestimmungen über das eheliche Güterrecht der Unfreien. Aber er selbst steht im Eigentum eines Herrn; er muß seinen Befehlen gehorchen, kann von ihm bestraft und zu den verschiedensten persönlichen Diensten herangezogen werden. Häufig werden die Unfreien auch im Krieg eingesetzt; in der Regel wohl nur als Burschen (Waffenträger und Pferdeknechte) […]“.

Bereits dieser berühmte (Rechts)Fall der noch weitere Probleme berührt, gewährt uns nicht nur Einblick in den beachtlichen Entwicklungsstand des griechischen Privatrechts, sondern lehrt uns auch, was von der Meinung zu halten ist, das griechische (Privat)Recht habe keine Fälle gekannt und gesammelt, wie dies Wolff behauptet.155 Auch die typisch griechische Verbindung von Rhetorik und Logographentum – hierin liegen ohne Zweifel die Wurzeln der späteren römischen und europäischen Rechtsberufe, insbesondere der Rechtsanwaltschaft – tritt uns hier anschaulich entgegen und widerlegt jene, die Redner und Logographen und überhaupt die griechische Jurisprudenz für juristisch irrelevant halten.156 Schon ein flüchtiger Blick in die ‚Rhetorik’ des Aristoteles hätte eines Besseren belehrt.157 Aristoteles weist nämlich immer wieder auf Zusammenhänge des rhetorischen Denkens mit dem Rechtsdenken und in besonderer Weise auf den gerichtlichen Prozess hin. – Auf das angebliche Fehlen von ‚RechtsFällen’ im griechischen Rechtsdenken einzugehen, ist daher angebracht.158 Es wäre lohnend gewesen, noch viel umfassender auf Fragen des griechischen Sachen-,159 Erb-160 oder Schuldrechts einzugehen, wie sie etwa Hitzig in seiner Rezension von Beauchets Werk behandelt. Ich konnte auf die Leistungen griechischen Rechts immer wieder nur an Hand von Beispielen hinweisen und stützte mich dabei auf wichtige Vorarbeiten. Zu nennen sind hier ua. R. Koerner, dessen Untersuchungen ebenso eine wichtige Hilfe boten161 wie die Arbeiten von G. Thür.162 Die Mutmaßung Calhouns163 zur Nichtbeachtung des ‚Griechischrechtlichen’ durch die Wissenschaft trifft vielleicht tatsächlich zu:

155 Zur Kritik an H. J. Wolff insbesondere Kapitel VI 3 mwH. 156 Zum Beitrag des Demosthenes zur römischen und europäischen Rechtsentwicklung Kap. VI 8: Maridakis (1987). 157 Dazu insbesondere Kapitel VIII 3. 158 Man müsste auch fragen, aus welchem Grund derartige Behauptungen überhaupt in die Welt gesetzt wurden! 159 Hitzig 1897, 171 ff. 160 Auf einige Fragen des griechischen Erbrechts gehe ich bei der Schilderung der Solonischen Gesetzgebung in Kapitel II 10 ein. 161 Zu Koerner auch in Kapitel VI vor 1: ‚Entstehen und Ausbau von Institutionen …’ oder in Kapitel VI 2: ‚Die Bedeutung von Gewalt/Zwang, arglistischer Täuschung und Irrtum’. 162 Dazu etwa in Kapitel VI 2: Werkverträge sowie in Kapitel I 8: Arkadien. 163 1923, 300 f.

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Fall 2: Chilon, Theophrast und Aulus Gellius

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„The causes underlying this inattention to an important field are too many and complex to be more than suggested. One of them certainly is the tendency of the historian to divide history into successiv stages, in each of which some race or nation plays its leading part and makes its particular contribution to the evolution of culture; Rome is too huge to be passed over in such schemes, and the special mission assigned her is generally the foundation of statecraft and jurisprudence. Another, perhaps, is the circumstance that ‘jurisprudence’ is a Latin word. Again there is the fact that in government and law traditions of European nations derive in great part from Rome, having their roots in a time when the empire was dominant and the decadent Greek world merely a group of subject provinces. Under these circumstances, when the historical study of jurisprudence was revived, scholars naturally turned first to investigation of the Roman law, where they found abundant materials for reconstructing the later Roman law, accessible, compact, and expressed in a language with they were thoroughly familiar. What little of Greek law was extent in those times – for few inscriptions had been recovered – was so fragmentary and so widely dispersed that only the classical scholar could deal with it; as a result, it has been studied almost exclusively from the antiquarian point of view and published in technical periodicals or handbooks into which the jurist seldom thinks of looking. Between the Hellenist and the jurist is the barrier of language […]. When all this is taken into account, the jurist cannot well be chid for the low estimate he puts upon Greek law.”

Fall 2: Chilon, Theophrast und Aulus Gellius Es folgt ein weiterer griechischer Rechts- oder Schulfall, der offenbar durch Jahrhunderte in Diskussion gestanden hat.164 Aulus Gellius berichtet über ihn in den ‚Noctes Atticae’, den ‚Attischen Nächten’.165 Er handelt von einem der ‚Sieben Weisen’,166 vom Lakedaimonier Chilon, einem Zeitgenossen Solons. Die ausführliche Darstellung des Gellius stützt sich auf Theophrast167 und dessen Schrift ‚Über die Freundschaft’, ein Werk, das „M. (Tullius) Cicero bei Abfassung seiner eigenen Schrift ‚Über die Freundschaft’ gekannt (und benutzt) zu haben“ scheint.168 – So schon die Einschätzung des Gellius.

164 Zur Frage Rezeption und Transfers vgl. auch die Ausführungen in Kapitel I 10 und am Beginn von Kapitel II 17. 165 I 3 Cap. 1 ff. – Lebensdaten nach Anm. 174. Diogenes Laertios I 71 berichtet davon. Ein Hinweis darauf findet sich bei Zeller 2006, 149 Fn 205. 166 Dazu in Kapitel II 1: am Beginn. – Vgl. auch Althoff/Zeller (2006). 167 Zu Person und Werk: zB Kapitel I 5 bei Anm. 573 und insbesondere in Kapitel VI 3: ‚Anfänge der griechischen Rechtswissenschaft …’ und in Kapitel VIII 7. 168 Anders als Theophrast, der den ‚Fall’ mit „höchster Sorgfalt“ behandelt habe, habe ihn Cicero – so Gellius – nur „vorübergehend kurz und flüchtig berührt und alles, was Theophrastus in seiner Schrift genau und gründlich ausführte, habe Cicero nicht weiter beachtet, sondern die sonst an ihm bei seinen Untersuchungen gewohnte ängstliche Genauigkeit, ja man könnte sagen, die ihm eigene peinliche Strenge in diesem Falle ganz unterlassen“. – Das lehrt uns, dass Deu-

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Einleitung

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Von Chilon sagt Gellius, dass er: „[…] bei seinem Lebensende, in eben dem Augenblicke, als bereits schon der Tod seine Hand nach ihm ausstreckte, zu seinen umstehenden Freunden folgendermaßen gesprochen habe. [2.] Dass ich, sprach er, meist alles, was ich auf meinem langen Lebensweg gesagt und getan habe, nicht zu bereuen brauche, könnt auch ihr mir möglicher Weise noch bezeugen. [3.] Ja, ich habe sogar in diesem Augenblicke die feste Überzeugung, durchaus keine Tat vollbracht zu haben, deren Bewusstsein (mein Gewissen beunruhigen und) mir Kummer und Vorwürfe zuziehen könnte, wenn nicht etwa gar jener einzige Fall in Betracht kommen soll, der einzige Fall, bei welchem ich selbst noch nicht ganz im Klaren bin, ob ich recht oder unrecht gehandelt habe. [4.] Ich hatte (einst) mit noch zwei Anderen durch richterliches Erkenntnis über das Leben eines Freundes zu entscheiden. Nach Fug und Recht stand die Sache so, dass dieser Ärmste schlechterdings und ohne Gnade eigentlich hätte verurteilt werden müssen. (Was war zu tun? Ich hatte nur unter zwei Fällen die Wahl.) Entweder musste ich den Freund dem Tode preisgeben, oder es musste zur Abwendung der Gesetzesstrenge ein Ausweg gefunden werden. [5.] Lange ging ich im Geiste mit mir zu Rate, wie ich in diesem bedenklichen Falle mir aus der Verlegenheit helfen könnte. Da schien mir, im Vergleich mit andern (Ausfluchtmitteln), der Ausweg, den ich wählte, (das geringste Leid im Gefolge zu haben, d. h. für mich, für meinen Freund und für das Gesetz, und also noch) der leichter erträgliche zu sein. [6.] Ich fällte also insgeheim (in meinem Geiste) für mich das Urteil, wonach ich ihn für schuldig des Todes erklärte (, dadurch, sagte ich mir, bist du nun deiner Rechtspflicht vor deinem Gewissen und dem Gesetze pünktlich nachgekommen); sie aber, die zugleich mit mir die Entscheidung hatten, bestimmte ich durch Überredung, dass sie ihn freisprachen. [7.] So hatte ich, in meinen Augen, bei einer so wichtigen Entscheidung, meiner Pflicht sowohl als Richter, wie als Freund vollständig Genüge geleistet. Jetzt aber mache ich mir nun noch wegen dieser Handlungsweise Gewissensbisse, weil ich fürchte, dass ich doch wohl nicht so ganz frei bin vom Vorwurfe der Ungerechtigkeit und Pflichtvergessenheit, deshalb, weil ich in einer und derselben Sache, in demselben Augenblicke, in einem allgemeinen (unzweifelhaften) Rechtsfalle die andern (Richter) gerade zur entgegengesetzten Entscheidung dieser Angelegenheit durch Überredung veranlasst habe, trotzdem dass ich sehr wohl wusste, wie mein unparteiisches Urteil eigentlich hätte lauten müssen.“

Soweit des Aulus Gellius Bericht über Chilon. Ich beabsichtige nicht, diesen Fall hier erneut zu deuten, das mag vielmehr jede Leserin oder jeder Leser selber tun. – Gellius führt neben Theophrast noch andere Meinungen an. Ich will den Sachverhalt nur von zwei Seiten her beleuchten, die für meine Fragestellung von Bedeutung sind. – Doch zuvor noch Gellius’ Resumé: „[8.] Also sogar auch dieser Chilo, ein Mann so hervorragend an Einsicht und Lebensweisheit, schwankte noch in Ungewissheit, wie weit man gehen könne bei Umgehung des Rechtes

tungsmacht und -geschick von Historikern mitunter auch psychoanalytische Fähigkeiten bräuchte.

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Fall 2: Chilon, Theophrast und Aulus Gellius

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und Gesetzes [!?] zum Schutz und Vorteil des Freundes, und dieser Umstand ängstigte sein 169 Gewissen daher auch selbst noch bei seinem Lebensende.“

Auch der Fall des Chilon lehrt uns zunächst, dass die Griechen durchaus ihre ‚Fälle’ hatten, sie aufzeichneten und tradierten und sich mit ihnen offensichtlich auch über lange Zeiträume hinweg, hier über Jahrhunderte, auseinandersetzten, mag dabei auch manches verloren gegangen sein. Es ist wohl kein Zufall, dass Gellius diesen Rechtsfall ausführlich darstellt, denn die Römer kannten und liebten Rechtsfälle mindestens ebenso wie die Griechen. – Schon die beiden erwähnten Beispiele zeigen, dass die Behauptung, die Griechen hätten keine Fälle gekannt und kein Interesse gehabt, diese zu diskutieren,170 nicht zutrifft. Der andere und wichtigere Grund meines Eingehens auf Gellius betrifft die römische Methode der Rezeption171 griechischer Vorlagen, mögen diese philosophischer, historischer, dichterischer oder rechtlicher Art gewesen sein. – Die Kritik des Gellius an seinem Landsmann Cicero, der, wie Gellius selbst, einen Bildungsaufenthalt in Griechenland verbracht hatte, habe ich schon erwähnt. Gellius moniert, dass Cicero zwar: „[…] wie es von seinem Geiste und seiner Ausdrucksgewandtheit wohl zu erwarten stand, alles, was er vom Theophrastus glaubte entlehnen zu dürfen, mit größtem Geschick auszuwählen und mit richtigem Geschmack anzubringen gewusst; [12.] allein den von mir erwähnten Fall , über den oft und viel hin und her gestritten worden ist, diesen unter allen Umständen allerschwierigsten Fall hat er vorübergehend kurz und flüchtig berührt […]“.

Was Gellius hier an Cicero tadelt, ist für einen Betrachter der Beziehung zwischen Rom und Griechenland geradezu die klassische Schilderung der römischen Methode der Rezeption griechischer Kultur- und Rechtswerte. Gellius beschreibt diesen Rezeptionsvorgang hier aber nicht in der Absicht ihn zu kritisieren und kann daher als glaubwürdiger Zeuge gelten. Cicero hat auf diese Weise auch dem griechischen (Rechts)Denken in Rom eine breite Schneise geschlagen. Wir sollten hier nicht in modernen Kategorien des Urheberrechts denken. Cicero übersetzte ebenso griechische Fachtermini ‚kreativ’ ins Lateinische, das diese Begriffe oft noch gar nicht kannte, und – wie Gellius treffend sagt – er verstand es vor allem auch „mit größtem Geschick auszuwählen und mit richtigem Geschmack [sc. für seine Leser] anzubringen“. Hinweise auf die verwendeten

169 Im Zentrum der folgenden Auseinandersetzung bei Gellius steht die Frage des Verhältnisses von strengem (Gesetzes)Recht/ius strictum und ius aequum, Billigkeit/Epieikeia; dazu Kapitel II 13. – Der Fall beweist, dass die Frage der Epieikeia schon früh eine Rolle gespielt zu haben scheint. 170 Vgl. auch die Hinweise auf (Rechts)Fälle und Beispiele in Kapitel I 6 bei Anm. 797: Isokrates und Demosthenes. 171 Zur Funktion von Rezeptionen als Teil eines Kulturtransfers: Kapitel I 10: ‚Rechtliche Transfers und Rezeptionsvorgänge’.

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Einleitung

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Quellen fehlten dabei überhaupt oder waren unzureichend. – Diese ‚RezeptionsMethode’ machte in Rom Schule und wurde offenbar auch noch von den Klassikern angewendet, obwohl diese mitunter auch griechisches Recht zur Begründung heranzogen.172 Wichtige moderne Forscher auf dem Gebiet des römischen Rechts haben sich dem Thema bislang fast gar nicht gewidmet. Das erklärt ua., weshalb Rezeptionen durch Rom kaum nachweisbar sind. Ich denke dabei etwa an die von Ulpian vielleicht der ‚Alkestis’ des Euripides entnommene Formulierung, (‚Ambulatoria est voluntas …’); an die Unmöglichkeitslehre des Demosthenes:- ; oder die berühmte angeblich römische Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, die ebenfalls Ulpian zugeschrieben wird.173 Damit soll nicht gesagt sein, dass die Römer nicht in vielen Bereichen bedeutende Modifikationen und auch Neues geschaffen haben. Aber um das römische Recht zu dem zu machen, zu dem es schließlich wurde, bedurfte es auch im Rechtsdenken jener Impulse, die ihnen – neben vielen anderen Kultureinflüssen – auch das griechische Rechtsdenken vermittelt hatte. – Zwischen Römern und Griechen findet ein Prozess des interkulturellen Austausches statt, wie er nach den Dunklen Jahrhunderten schon zwischen ‚den Griechen’ und dem Vorderen Orient und Ägypten abgelaufen war.174 Im Laufe solcher ‚Kulturdriften’ wurde immer wieder mehr als nur eine Kulturtechnik, darunter auch Rechtsfragen, vom höherentwickelten ‚Nachbarn’ übernommen, in eigene kulturelle und normative Formen gegossen, integriert und schließlich weiterentwickelt. Aulus Gellius, der etwa von ~ 117-165 n. C. lebte, ist auch deshalb von Interesse, weil der Höhepunkt seines literarischen Schaffens, seine Akmé wie die Griechen dies nannten, in die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts fällt, also in die Lebenszeit des Gaius und anderer bedeutender römischer Juristen. Deshalb sollten die Berichte von Rezeptionen bei Aulus Gellius nicht als bloß subjektive Eindrücke abgetan werden. – Gellius liefert nicht nur das Modell dafür, wie die Römer griechisches Kulturwissen und auch ‚Rechtsfälle’ rezipierten und diskutierten (wobei Cicero als ‚Schaltstelle’ anzusehen ist), sondern er schildert175 auch seine Erfahrungen mit der Transkription griechischer Komödien durch römische Autoren. Das zeigt uns, dass derartige Rezeptionen in den unterschiedlichsten Bereichen von Gesellschaft und Kultur stattfanden. „1. Ich lese oft und gern die Lustspiele unserer Dichter, welche sie von griechischen Dichtern 176 entlehnt und übertragen haben, wie z. B. von Menander oder Posidippos, oder Apollodoros,

172 So stützte Ulpian die Augusteische Ehe(bruchs)gesetzgebung mit einem Hinweis auf Solon; dazu im Rahmen der Behandlung des Nomos moicheías in Kapitel II 10: Nomos moicheías. 173 Dazu in Kapitel I 9 bei Anm. 2579 mwH. 174 Dazu etwa Rollinger 2004a, 371 f. – Vgl. auch die Literatur bei Anm. 105. 175 Noctes Atticae II 23. 176 Zu Menander, geboren ~ 342/41 v. C., als wichtiger Erkenntnisquelle auch des griechischen Rechts: H.-D. Blume (1998). Menanders Komödien geben die Alltagswelt seiner Zeit wieder,

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Fall 3: Xenophons ‚Kyrupädie’

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oder Alexis, oder auch von einigen andern Lustspieldichtern, 2. und muss offen gestehen, dass ich beim jedesmaligen Lesen dieser Nachbildungen durchaus kein Missfallen empfinde, dass sie mir im Gegenteil sogar fein und anmuthig geschrieben scheinen, so dass man sich einbildet, es könne überhaupt nichts Besseres geben. 3. Allein sobald man sie mit dem griechischen Urtext, welchem sie entlehnt sind, vergleicht und zusammenstellt, und nun besonders gar erst die einzelnen […] übersetzten Stellen hernimmt und sie ununterbrochen hinter einander durchliest und vergleichsweise mit Überlegung und zweckentsprechend zusammenhält, so beginnt die lateinische Nachbildung sofort matt und schwunglos zu erscheinen […] und muss, da sie gegen die griechischen Geistesblitze und Lichtfunken zu sehr absticht, an 177 eignem Glanz (und Ansehen) verlieren.“

Ich denke, man kann diesen Text ohne weitläufigen Kommentar einfach stehen lassen, damit – wie das Gellius gemacht und umschrieben hat – „Jeder sich sein eigenes Urteil bilden kann.“ – Mit diesen beiden Beispielen ist es natürlich längst nicht getan, denn Gellius bietet noch viel mehr! Ich verweise hier nur noch auf die leges sumptuariae, die sogenannten Aufwandgesetze,178 deren älteste Beispiele den Aufwand bei Leichenbegängnissen betreffen und die auch in der Solonischen Gesetzgebung enthalten sind.179 Daneben gehe ich auf die Überlegungen des Aulus Gellius zur Analogie und Anomalie bei den Grammatikern im Rahmen meiner Ausführungen zu Platons Analogiedenken kurz ein.180

Fall 3: Xenophons ‚Kyrupädie’ Einen weiteren lehrreichen Fall schildert Xenophon in seiner ‚Kyrupädie’/Erziehung des Kyros’:181

und dazu gehörte auch das Recht. – Zu den zitierten Dichtern: Gellius aaO. Alexis soll Menanders Großvater gewesen sein. – Menander war Schüler von Theophrast (s. Kapitel VI 4 zum Jahr 371/370) und hatte eine gute Beziehung zu Demetrios von Phaleron (s. Kapitel VI 4 zum Jahr 360). 177 Deutsche Übersetzung nach Weiss 1875/1992, 142 f. 178 Noctes Atticae II 24. 179 Siehe Kapitel II 10: ‚Weitere Tabestände der Solonischen Gesetzgebung’ – Einschränkungen des Begräbnisluxus. 180 Vgl. Kapitel VII 5: Woher stammt das rechtliche Analogiedenken? 181 I 3 (17). – Xenophon, aus Athen stammend, lebte von ~ 440/426 bis nach 355. – Zur ‚Kyrupädie’ R. Nickel 1999/2006, 517 f mwH: Danach wurde das Werk wohl nach 362/361 verfasst. Xenophon ging es um die Darstellung eines idealen Herrschers, nicht um Historiographie; er „erfand viele Personen und Situationen, für die es keine historischen Quellen gibt“. Das Werk ist in acht Bücher gegliedert. Thema der ‚Kyrupädie’ ist die Paideia des Kyros unter folgenden Gesichtspunkten: „(1) ihres Erwerbs, (2) ihres Besitzes und ihrer Anwendung und (3) ihrer Vermittlung, wobei diese drei Gesichtspunkte den drei durch die äußeren Ereignisse abgegrenzten Lebensabschnitten des Kyros entsprechen: (1) Jugend, (2) Eroberung des Reiches und (3) Verwaltung und innere Organisation.“ Für Xenophon stellte die „Monarchie des Kyros eine Al-

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Einleitung

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Die ‚Kyrupädie’ ist ein Alterswerk Xenophons und soll um 366 vollendet worden sein. Es handelt sich dabei um den „ersten Fürstenspiegel und zugleich einen frühen Bildungsroman der abendländischen Literatur“.182 Lesky,183 erörtert die literarische Stellung Xenophons und bezeichnet die ‚Kyrupädie’184 als „frühesten historischen Roman“. – Kyros II oder Große (König von ~ 558/9-529) war der Begründer des persischen Weltreichs.185 Kyros’ Mutter Mandane, eine Mederin, war mit ihrem Sohn zu Besuch bei ihrem Vater Astyages (Kyros’ Großvater), der seinen Enkel liebte und seiner Tochter vorschlug, als diese zu ihrem Mann, Kyros’ persischem Vater Kambyses, zurückkehren wollte, den Jungen bei ihm zu lassen. Mandane fragte daher ihren Sohn, ob er bleiben oder mit ihr nach Hause reisen wolle. Kyros entschied sich zu bleiben. Die Mutter fragte ihren Sohn dann noch einmal, um ihn vielleicht doch zu bewegen mit ihr zurückzukehren, ob er meine, hier „die Gerechtigkeit [zu] lernen, da doch keine Lehrer [hier] sind“, worauf Kyros antwortete: „Aber Mutter, das kenne ich doch alles schon ganz genau.“ – Darauf fragte seine Mutter nach: „Wieso kennst du das schon?“ Kyros antwortete: „Weil mich der Lehrer als einen, der schon etwas von der Gerechtigkeit versteht, dazu bestimmt hat, auch über andere zu richten. Nur einmal habe ich wegen eines Richterspruches Schläge bekommen, da ich angeblich nicht richtig entschieden hatte.“ Vor der Erzählung des Falles durch Kyros muss ich noch betonen, dass die persische (Schul)Erziehung stark gesetzes- und gerechtigkeitsorientiert war, wie die folgenden Hinweise bei Xenophon zeigen:186 (2) „Erzogen wurde er [sc. Kyros] nach den Gesetzen der Perser. Das Prinzip dieser Gesetze ist offensichtlich das Gemeinwohl, ein Prinzip also, von dem die Gesetze in den meisten Staaten nicht ausgehen.“ (6) „Die Kinder, die die Schule besuchen, verbringen ihre Zeit mit dem Lernen der Gerechtigkeit [NBORƒOPOUFK EJLBJPTºOIO]. Man sagt auch, dass sie zu diesem Zweck in die Schule gehen, wie die Kinder bei uns zum Lernen des Lesens und Schreibens.“

ternative zur Demokratie seiner Zeit“ dar. Mit der ‚Kyrupädie’ schuf Xenophon den „historischen Roman, in dem die auf Wahrheit und Fiktion beruhende geschichtliche Darstellung nur den Hintergrund für das eigentliche Anliegen des Autors bildet“; aber auch den „ersten Erziehungsroman unseres Kulturkreises“. 182 Nickel (1992) im Nachwort zu Leben und Werk Xenophons. Dazu auch Fornaro, in: Schütze 1997, 760 ff. 183 19713/1993, 689. 184 AaO 694. 185 Schon ein anderer Sokratesschüler, Antisthenes (zu ihm Luck 1997, 35 ff), hatte eine fiktivlegendäre Biographie des Kyros verfasst und darin sein Idealbild des Herrschers „im exotischen Milieu“ entworfen; A. Dihle 1994, 72: Dieser Entwurf steht als „Modell hinter der erhaltenen Kyrupädie Xenophons“. 186 I, II 2 und 6 sowie I, II 15.

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Fall 3: Xenophons ‚Kyrupädie’

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(15) „Aber keiner von ihnen [sc. den etwa einhundertzwanzigtausend Persern] ist durch das Gesetz von Ehrenämtern und Führungsaufgaben ausgeschlossen. Es ist vielmehr allen Persern möglich, ihre Kinder in die öffentlichen Schulen der Gerechtigkeit zu schicken. Doch nur diejenigen, die ihre Kinder ernähren können, ohne dass diese arbeiten müssen, schicken sie auch in die Schule.“

Die Gesetze der Perser dienten angeblich Platon in dessen Dialog ‚Alkibiades’187 als Erziehungs-Vorbild. Dieses Vorbild wirkt aber wohl auch noch in Platons ‚Politeia’. Nach Nickel188 waren die von Platon im ‚Alkibiades’ genannten „Bildungs- und Erziehungsziele“ auch für den „xenophontischen Kyros maßgebend“. – Beeindruckt von Xenophons Werk war auch Cicero, der seinen Bruder Quintus im Jahre 60/59 v. C. auf Xenophons ‚Kyros’ hinweist: „[…] eine solche [sc. vorbildliche] Persönlichkeit ist Xenophons berühmter ‚Kyros’, den er nicht der historischen Wirklichkeit entsprechend, sondern als das Idealbild eines gerechten Herrschers dargestellt hat; jener Philosoph verbindet in Kyros’ Person äußerste Konsequenz mit ungewöhnlicher Freundlichkeit. Nicht ohne Grund pflegte übrigens unser [Scipio] Africanus dies Buch nicht aus der Hand zu legen. In ihm findet sich nämlich alles, was zu den Ver189 pflichtungen eines umsichtigen und maßvollen Herrschers gehört“.

Nun zur ‚Fallerzählung’ des Kyros, die offenbar schon Xenophon beeindruckt hatte: „Es handelte sich um den folgenden [Rechts]Fall [™ EeLI UPJBºUI]: Ein großer Junge mit einem kurzen Hemd hatte einem kleinen Jungen dessen langes Hemd ausgezogen und ihm sein eigenes angezogen; er selbst war in dessen Hemd geschlüpft. Ich saß nun über diese beiden zu Gericht und entschied, dass es besser sei, wenn beide das ihnen jeweils passende Hemd trügen. Daraufhin schlug mich der Lehrer und sagte, dass ich so zu handeln hätte, wenn ich Richter wäre über das Passende; wenn ich aber entscheiden müsste, wem das Hemd gehöre, dann hätte ich zu prüfen, wer der rechtmäßige Besitzer sei: wer es mit Gewalt an sich genommen habe oder wer es sich habe machen lassen oder wer es gekauft habe und dann sein eigen nenne. Da aber das Gesetzmäßige gerecht und das Gesetzlose willkürlich sei, müsse der Richter stets im Sinne des Gesetzes entscheiden, führte der Lehrer aus. Wie du siehst, Mutter, habe ich auf diese Weise schon umfassend gelernt, was das Gerechte ist.“

Was kann und will der Fall uns vermitteln? – Nickel geht in seiner Kommentierung auf den rechtlichen Gehalt dieser Stelle nicht ein. Der durchaus anspruchsvolle Fall hat aber auch eine juristische Dimension, die Xenophon und den Griechen durch ihre Schlichtheit und die klare Aussage imponiert haben dürfte, weil diese Frage sie selbst immer wieder beschäftigt hat: das Verhältnis von ‚Geset-

187 I 121c-122a. 188 AaO 673. 189 Epistulae ad Quintum fratrem I 1, 23, zitiert nach der Ausgabe 1993.

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zestreue’ (hier: O²NJNPO EeLBJPO) und Billigkeit’ (hier: U† EeLBJB).190 Wie die Perser fanden sie an der Gesetzestreue Gefallen und ließen die Frage nach der Billigkeit – bei Xenophon ist vom ‚Passenden, Angemessenen’ (UPÀ SN²UUPOUPK: ‚das Gerechte’ ohne gesetzliche Grundlage) die Rede – (jedenfalls zu Xenophons Zeit) erst zu, wenn das positive Gesetz keine ausdrückliche Regel vorsah. – Die persischen Lehrer wiesen danach ihre Schüler an, ‚Rechtsfragen’ auch als solche zu behandeln und diese nicht von vorneherein mit dem eigenen ‚Rechtsgefühl’ (des Billigkeitsdenkens) zu vermengen. – Gerecht ist danach das, was das Gesetz sagt, und eine Korrektur des Gesetzes ist unzulässig, wenn eine gesetzliche Regel existiert. Das Gesetz beantwortet die Rechtsfrage endgültig. Das entspricht ganz der griechischen Haltung gegenüber dem Gesetz.191 – Diese Haltung erscheint ‚modern’, entspricht sie doch grundsätzlich noch der unseren.192 Die Position des persischen Lehrers lässt aber auch bereits einen Hauch von (Gesetzes)Positivismus durchschimmern, wenn er nur das Gesetz und nichts anderes gelten lässt. Diese Versuchung ist auch den Griechen nicht erspart geblieben, und wir kämpfen noch heute mit dieser Frage. Bei näherem Hinsehen schließt die persische Haltung jedoch wie die griechische ein Billigkeitsurteil nicht grundsätzlich aus. Es ist denkbar, dass auch Xenophon diese Meinung vertrat und den ‚Fall’ gerade deshalb erzählte. ‚Fälle’ wie dieser haben didaktisches Gewicht, sind leicht zu merken und bleiben in Erinnerung. Sie erfüllen ihren erzieherischen Zweck und sind obendrein auch ‚rechtstheoretisch’ von Bedeutung. – In wieweit Xenophons Fallgeschichte und Falllösung auf Tatsachen beruhen, wissen wir allerdings nicht; gut und lehrreich ist sie auf jeden Fall: selbst wenn sie erfunden wäre, beweist sie, was ich zu zeigen beabsichtige: Die Griechen kannten und liebten Rechtsfälle, offenbar ebenso wie die Perser. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Xenophon ihm persönlich wichtige Fragen eingeflochten hat. Der Höhepunkt der Diskussion zum ‚Nomos-Physis-Problem’ war zwar längst überschritten, allein die Frage von Gerechtigkeit, Billigkeit und Gesetzestreue war – wie wir auch aus den Schriften Platons und Aristoteles’ wissen – immer noch aktuell.

190 Zur Billigkeit/Epieikeia: Kapitel II 13. 191 Zu Platons grundsätzlicher Korrektur, die das Entstehen der griechischen Rechtswissenschaft signalisiert, in Kapitel VI 1: ‚Rechtswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte’ und in der FS I. Weiler (2008). 192 Zur Lückenfüllungsregel des § 7 ABGB, die immer noch die modernste ist mein Lehrbuch, 2004a, II 723 ff und Höltl (2005).

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Fall 4: Antiphon – erster europäischer Rechtswissenschaftler Auf Antiphons ‚Zweite Tetralogie’ gehe ich ausführlich später ein.193 – Dort befasse ich mich mit der Drakontischen Gesetzgebung, die bereits eine ausgereifte Verschuldenshaftung mit Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall als (Haftungs)Zurechnungselementen im Straf- und Privatrecht entstehen ließ. Antiphons ‚Schul-Fälle’ hatten bereits ein hohes Niveau und wurden von ihm in seinem Rechtsunterricht verwendet. – Antiphon hob die griechische Rechtsentwicklung und -ausbildung erstmals auf ein (vor)wissenschaftliches Niveau, und er gilt daher zu Recht als erster griechischer Rechtswissenschaftler.194

Schillers Plädoyer für die Universalgeschichte Schillers Frage: ‚Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?’ lässt sich für die Rechtswissenschaft als Ganze und für die Rechtsgeschichte im Besonderen mit Bezug auf die Antike stellen. Für das antike griechische Recht und Rechtsdenken soll hier ein neuer Anfang versucht werden. – Ich bin davon überzeugt, dass es auch heute noch lohnt, sich mit dem Recht der Antike zu befassen und dass die Einsichten, die dadurch zu gewinnen sind, bereichern. Seit geraumer Zeit besteht die Tendenz, die (Geistes)Wissenschaften ganz allgemein, so sie nicht unmittelbar in klingende Münze umgesetzt werden können – was auch teilweise die Rechtswissenschaft betrifft, als überflüssig oder doch als bloßen Appendix und Zulieferanten von Politik und Wirtschaft zu betrachten. Bei aller Wertschätzung für die ‚Schwesterdisziplinen’ Ökonomie und Politik halte ich diese Auffassung für verfehlt. Die Auseinandersetzung mit der Antike kann uns helfen, da sie uns lehrt, was geschieht, wenn vergessen wird, den Menschen in seiner Beziehung zum Mitmenschen und zur Gemeinschaft, zu Umwelt und Kosmos in das Zentrum der wissenschaftlichen Betrachtung zu stellen. Ich will daher nicht verschweigen, dass ich meine Arbeit auch als eine Antwort auf die in Österreich seit einigen Jahren betriebene universitäts- und bildungsfeindliche Hochschulpolitik verstehe. Ich bin dafür dankbar, dass ich einen großen Teil meiner wissenschaftlichen Tätigkeit unter anderen, besseren Rahmenbedingungen durchführen durfte. – Die Tendenzen, in juristischen Lehrplänen auf traditionelle, aber gerade jetzt nötige Grundlagendisziplinen wie Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte, Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung allzu leicht zu verzichten, weil sie vermeintlich das ‚rein’ Praktisch-Rechtliche

193 Kapitel II 4 und 5. 194 Dazu auch mein Beitrag (2005).

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überschreiten, sind kein Zufall. Die Einsparungspolitik förderte diese Entwicklung, sie ist aber nicht die alleinige Ursache oder auch nur causa proxima. Der Hauptgrund dieser Entwicklung liegt meines Erachtens in einer nicht ungefährlichen Ökonomisierung, einer fatalen ‚Verbetriebswirtschaftlichung’ unserer Universitäten und damit auch des Rechtsdenkens. Das führte zur Forderung nach raschen und ohne Umwege zu Buche schlagenden didaktischen (Schein)Erfolgen. Nur Nützlichkeit zählt, und Überlegungen, ob das Studium nicht auch einen Beitrag zur Charakterbildung, zum Berufsethos oder zur menschlichen Bildung leisten könnte, gelten als inopportun. Das ist konsequent, weil die Verkünder solcher fragwürdiger Dogmen meist nur am politischen Machterhalt und an der Ausweitung des eigenen Einflusses interessiert sind. Jede Umwegrentabilität spielt in dieser Sackgasse keine Rolle.195 Weder Rechtsphilosophie, noch Rechtssoziologie, Rechtstatsachenforschung, Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bringen die Rendite, die aus vermeintlich ökonomischen Gründen eingefordert wird. Noch schlechter ist die Lage für weiter abliegende Disziplinen, wie die antike Rechtsgeschichte, eine allgemeine Verfahrenslehre oder gar Rechtsethnologie, Humanethologie, Rechtsanthropologie. Aller dieser Fächer bedürften wir gerade heute; sie könnten Kreativität und Durchblick fördern und erhalten. – Es ist nur scheinbar konsequent, alle diese Fächer über Bord zu werfen, um dadurch die Ausbildung klarer, schlanker, einfacher und zielgerichteter zu machen. Eine solche Entwicklung endet mit dem Verlust des autonomen Rechtsdenkens, was letztlich wohl auch im Interesse jener liegt, denen es um Machterhalt geht. Noch bedenklicher ist es, dass die Absolventen einer solchen Ausbildung abhängig und unselbständig sein werden, dass sie nur mehr nach politisch vorgegebenen, heteronomen Zielen zu streben imstande sein werden, aber keinen Anspruch auf fachliche oder persönliche Autonomie mehr erheben können und vermutlich auch gar nicht mehr wollen. Streben nach Autonomie und Kritikfähigkeit als Ergebnis fundierten Wissens wird aufgegeben. Woher soll dann das Neue, das aus der eigenen Disziplin geschöpfte Kreative im Rechtsdenken kommen? Die Auslieferung des Rechts an das Streben nach Maximierung von Macht, Markt und Gewinn, das Politik und Ökonomie beherrscht, ist nicht ungefährlich. Recht und Rechtspolitik werden zu technokratischer Normativität ‚umfunktioniert’. – Das tief mit der Gesellschaft und der Politik und mit allen Wissenschaften verbundene Rechtsdenken der Griechen steht – anders als das der Römer – dazu in einem scharfen Kontrast, den ich vor Augen geführt sehen will. Das griechische Denken hat sich stets den Fragen des Rechts in Verbindung mit der Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft verpflichtet gefühlt. Davon profitierte das Recht und das Rechtsdenken ebenso wie alle anderen Bereiche dieser Kultur.

195 Vgl. auch Kapitel I 2: ‚Zum Wert humanistischer Bildung …’ nach Anm. 432.

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Schillers Plädoyer für die Universalgeschichte

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In einer Zeit, in der ‚die’ Wissenschaften ihre Werte zu verlieren drohen und ihr Forschungsethos zusehends verfällt, über die Wissenschaft vom Recht und ihre Wurzeln nachzudenken, ist wichtig. Die Rechtswissenschaft, die stärker wertbezogen ist als die Naturwissenschaften, wurde von der Erosion der Werte früher betroffen, ohne dass dieser Prozess in der Wissenschaft selbst ernstlich diskutiert worden wäre oder für Unruhe gesorgt hätte. – Meine Überlegungen zu den griechischen Anfängen europäischen Rechtsdenkens können vielleicht auch das Nachdenken über die eigene Disziplin fördern. Anfänge haben stets etwas Prägendes und sollten nicht in Vergessenheit geraten. Das Entstehen der Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung und auch der Rechtswissenschaft aus der griechischen Philosophie (und Politik), vermag dem Rechtsdenken auch heute noch etwas vom Ethos dieser Universaldisziplin zu vermitteln. Dass ein ‚Geltendrechtler’ und Nicht-Rechtshistoriker diesen Versuch wagt, mag vermessen erscheinen und Kritik herausfordern, vor allem, weil zusätzliche Fehler entstanden sein können. Vielleicht konnte ich aber gerade deswegen Betriebsblindheit vermeiden, weil ich vom aktuellen Recht komme.196 – So tröste ich mich mit der immer noch guten Einsicht von L. Mitteis: „Auch das übersehe ich nicht, dass diese Ausführungen sich vielfach auf dem Gebiet der Hypothese bewegen; aber wenn wir auf diesem Gebiet weiterkommen wollen, müssen wir es 197 vorerst auch mit Hypothesen versuchen und den Muth haben zu irren.“

L. Wenger198 nennt seinen Lehrer L. Mitteis einen Mann, „der der neuesten rechtshistorischen Schule [Beginn des 20. Jhs.] dies Zauberland [sc. die Papyrusforschung betreffend die heitere griechische Kultur auf dem altehrwürdigen Boden Ägyptens] erschlossen, der den römischen Juristen ins Sonnenland der griechischen Kultur geführt hat.“ „Und wenn uns literarische Quellen meist nur in großen Zügen von den herrschenden Rechtsideen berichten, so zeigen uns die Papyri auch deren Durchführung bis ins kleinste Detail. Wir kennen die Manipulationsvorschriften der verschiedensten Behörden und Ämter, wir kennen, um ein Beispiel zu nennen, Aktenzeichen, nach denen der [graeco-]ägyptische Bureauschreiber zitierte. Otto Gradenwitz und Ludwig Mitteis haben uns den Geschäftsgang der Banken bis ins einzelne klargelegt und uns dabei Verkehrsverhältnisse gezeigt, die den Ver199 gleich auch mit großstädtischen Verhältnissen der Jetztzeit nicht zu scheuen brauchen.“

Man kommt nicht umhin, H. J. Wolffs abwertende Beurteilung des griechischen Rechts auch vor diesem Hintergrund zu betrachten: Das Wissen um das Geld-, Kredit-, Geschäfts- und Bankwesen bezogen die Römer – nahezu ausschließlich

196 Vgl. etwa meinen Beitrag, in Barta/Palme/Ingenhaeff 1999b, 430 ff. 197 1898, 202 f. – Zu Leben und Werk von L. Mitteis: E. Weiss (1922). 198 1905, 15. 199 Wenger, aaO 23.

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über die Magna Graecia von den Griechen, wie uns insbesondere L. Mitteis gezeigt hat.200 Am Mut, Hypothesen zu formulieren und das eine oder andere Mal zu irren, soll es mir daher nicht fehlen. Mein Thema hat auch den Vorteil, über die mittlerweile eintönig gewordene Wiederholung der Bedeutung römischer Juristen und des römischen Rechts hinauszugelangen und zeigen zu können wie wichtig der griechische Einfluss war. Dieser Einfluss war deutlich stärker als üblicherweise angenommen.201 Aber erst ein Betrachten der Rechtsentwicklung über das Privatrecht – auf das sich die römischen Juristen im Wesentlichen beschränkten – hinaus, vermag die wahre Bedeutung des griechischen Rechtsdenkens zu zeigen. Diese Aufgabe konnte ich selbstverständlich nicht zur Gänze bewältigen; immerhin war ich imstande Hinweise zu geben und Beispiele aufzubereiten. – Zur Wahl des Themas hat meine seit früher Jugend gehegte Neigung zu Griechenland und seiner Kultur nicht unwesentlich beigetragen.

Erinnerung an verstorbene Freunde Da die 2001 geplante ‚Festschrift für Rudolf Palme’ der ursprüngliche Anlass war, mich auf griechisches Terrain vorzuwagen und eine Auseinandersetzung mit dem griechischen Recht und Rechtsdenken zu versuchen, widme ich dieses Buch auch dem so unerwartet und rasch verstorbenen Freund. Den ursprünglichen Plan, vorhandene Notizen über die griechischen Tragiker, insbesondere das Rechtsdenken des Aischylos, für den Festschriftbeitrag zu verwenden, habe ich allerdings weit überschritten. Ich sah nämlich sehr bald, dass das Unterfangen der Vertiefung und Erweiterung bedurfte, weil – wie schon das vorangestellte Motto aus Aischylos zeigt – Kräfte gewirkt haben, die lange vor dem ersten großen Tragiker entstanden und später tradiert und wirksam geworden waren. Das sollte nicht unberücksichtigt bleiben. So entstand dieses Projekt über das griechische Rechtsdenken, das nunmehr auch Solon und Drakon, Antiphon, Thukydides, Euripides, Platon und Aristoteles betrachtet und in einzelnen Fragen weitere Vertreter des griechischen Rechtsdenkens berücksichtigt; etwa Theophrast und dessen Schüler Demetrios von Phaleron, aber auch schon Hesiod und Homer. Weitere Kapitel – insbesondere eines über die griechische Rhetorik – wären wünschenswert gewesen. Ich habe die Rhetorik aber wenigstens marginal einbezogen und auf Rhetoren immer wieder hingewiesen und ihnen manchen

200 Mitteis (1898). 201 Troje (1971a), Pringsheim 1952/1968, 58 ff; Latte 1946/1968, 77 ff und weitere Beiträge in Berneker (1968).

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Erinnerung an verstorbene Freunde

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Gedanken gewidmet; das gilt insbesondere für die bahnbrechenden Leistungen des Antiphon. Lieber Rudi, Dir zu Deinem 60. Geburtstag im Jahre 2002 zu gratulieren und Dir aus diesem Anlass einen wissenschaftlichen Beitrag zu widmen, der Dein Interesse finden sollte, war für mich ein freudvolles, zugleich aber schwieriges Unterfangen: Ich habe mich gefragt, ob ich ein Thema aus unserer gemeinsamen Beschäftigung mit Karl Anton von Martini wählen sollte oder einen Beitrag zur Privatrechtspolitik, der Dir, als homo politicus, Freude bereiten könnte. Schließlich habe ich mich für etwas ganz anderes entschieden, nämlich für ein Thema, das mir einen Zusammenhang zu Deinem begonnenen Germanistikstudium aufzuweisen schien, wenn auch nur in einem weiteren Sinne. Zugleich sollte damit zur Rechtsgeschichte, zur Rechtsphilosophie, zum Privatrechtsdenken und damit zum Interessenspektrum des von uns gleichermaßen geschätzten Karl Anton von Martini eine Verbindung hergestellt werden. So bin ich bei Drakon, Solon, Hesiod und Aischylos, Antiphon und Thukydides, Euripides, Platon und Aristoteles gelandet, die eines gemeinsam haben: Sie waren Politiker, Schriftsteller, Dichter, Philosophen, Historiker und zugleich europäische (Rechts)Denker, zum Teil auch schon Rechtswissenschaftler. Das griechische Rechtsdenken kannte nämlich noch keine strikten Grenzen zwischen den Disziplinen, die heute so manches erschweren oder verhindern, es war – wie uns die (Rechts)Geschichte lehrt – LBU yYXD›O interdisziplinär. Die Vertreter der einzelnen Bereiche verstanden es vielmehr noch, immer wieder innezuhalten, um übergreifende (Grundsatz)Fragen zu stellen und darauf Antworten zu suchen. Das Rechtsdenken war dabei den Griechen von Anfang an so wichtig, dass sie es offenbar nicht nur einem einzigen Bereich und dann einer Disziplin überlassen wollten; ganz abgesehen davon, dass lange Zeit weder die äußeren Rahmenbedingungen für eine eigene Rechtswissenschaft vorlagen, noch eine Notwendigkeit dazu bestand.202 – Lieber Rudi, Deine Bereitschaft zur Interdisziplinarität war, anders als bei anderen, bei denen sie sich häufig auf Lippenbekenntnisse beschränkt, echt. Ich wollte Dir noch wissenschaftlich ertragreiche und freudvolle Jahre jenseits des Sechzigers wünschen und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir noch manches Gemeinsame zustande bringen mögen. Pläne für eine weitere gemeinsame Veranstaltung existierten schon. Dein so unerwarteter Tod im Frühjahr des Jahres 2002 hat das vereitelt. Gegen Ende meiner Arbeit an den ‚Griechen’, im Jahre 2008, verlor ich durch einen tragischen Unfall einen weiteren Freund, Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, Oberösterreich. Lieber Hans, Dein Tod hat mich betroffen gemacht, währte doch unsere Freundschaft mehr als 40 Jahre. Du fehlst mir, denn

202 Zur Entwicklung des griechischen Rechtswesens von einem vor-rechtswissenschaftlichen Zustand zur Rechtswissenschaft auch Kapitel I 6 und insbesondere Kapitel VI, VII und VIII.

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Du hast an meiner Auseinandersetzung mit den ‚Griechen’ lebhaften Anteil genommen und warst ein aufmerksamer, kritischer Leser und Zuhörer. Leider kann ich Dir das Ergebnis meiner Arbeit nur noch posthum übermitteln. Als Zeichen der Dankbarkeit widme ich auch Dir dieses Buch, sozusagen als Fortsetzung unseres durch den Tod unterbrochenen Dialogs.

Dank In der ersten Entstehungsphase dieses Buchs vom Wintersemester 2001/02 bis ins Wintersemester 2004/05 habe ich immer wieder mit Theo Mayer-Maly203 über meine Recherchen und Zweifel, Entdeckungen und Freuden, aber auch die Leiden und Enttäuschungen, welche die Arbeit mit sich brachte, gesprochen und er hat diesen ‚Prozess’ mit freundschaftlicher Anteilnahme verfolgt, wofür ich ihm herzlich danke, weil kollegial-fachliches Interesse heute keinesfalls selbstverständlich ist. Auch für manchen Hinweis habe ich ihm zu danken. Ich möchte diese Gelegenheit aber auch dazu benützen, um der seit Jahrzehnten geschätzten Constanze (Ebner) für viele wichtige Hilfen und menschlichfachliche Aufmerksamkeit zu danken. Unsere freundschaftliche Verbundenheit war mir immer wichtig. Sie hat den ersten Band lektoriert und vieles verständlicher gemacht. Auch die Qualität der Verzeichnisse (Schrifttum, Abkürzungen, Stichworte und Glossar) sind weithin ihr und Frau Gülden Celiks Verdienst. – Schließlich soll mit dieser Schrift auch Ingomar Weilers gedacht werden, mit dem ich vor mehr als 35 Jahren erstmals die alten Stätten Griechenlands besuchte und der durch seine Berufung an die ‚Alte Geschichte’ in Graz in allzu weite Entfernung gerückt ist. Die durch dieses Buch wiederaufgenommenen Kontakte haben erneut seine kollegiale Menschlichkeit und fachliche Kompetenz gezeigt. Er hat eine Frühfassung dieses Buches kritisch durchgesehen und mir Anmerkungen und weiterführende Hinweise zukommen lassen. Ernst genommen habe ich auch das Motto Epicharms (eines sizilianischen Komödiendichters um 500 v. C., F 13D)204 in Ingos ‚Griechischer Geschichte’: „Sei nüchtern und misstrauisch – das sind die Gelenke des Geistes“.

Franz Horak, dessen Emeritierung eine Lücke in die Innsbrucker rechtswissenschaftliche Fakultät gerissen hat, möchte ich auf diesem Weg für seine wissenschaftliche und moralische Vorbildfunktion danken. Du bist unvergessen, lieber Franz. – Neben den schon genannten mittelbaren oder unmittelbaren Förderern, habe ich noch anderen Gesprächspartnern zu danken, die meinen juristischen

203 Vgl. die Nachrufe auf Theo Mayer-Maly von M. J. Schermaier 2008, 408 f und H. Honsell 2008, 242 ff. 204 Zu Epicharm: Sherberg, in: Schütze 1997, 234 f und in: DNP III (1997) 1093 ff.

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Dank

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‚Alleingang’ partiell begleitet und gefördert haben. Hier seien vor allem die Innsbrucker Althistoriker und Altorientalisten Robert Rollinger und Martin Lang genannt und aus dem Bereich der Altphilologie die Graezistin Otta Wenskus, der ich für interessante Gespräche, Tipps und Kritik zu danken habe. Die Anfänge dieses Buches bildeten im Wintersemester 2002/03 die Grundlage für ein Gemeinschaftsseminar von Theo Mayr-Maly/Salzburg-Innsbruck, Fritz Raber/Innsbruck und mir, das den Titel trug: ‚Antikes und modernes Rechtsdenken’. Im Wintersemester 2003/04 konnten in einem weiteren Gemeinschaftsseminar der Genannten, dessen Titel nunmehr ‚Privatrechtsphilosophie’ lautete, weitere Thesen und Teile vorgetragen und diskutiert werden. Schließlich wurde die Auseinandersetzung mit den ‚Griechen’ und dem ‚Alten Orient’ im WS 2004/05 durch ein weiteres Seminar und kleine Tagungen in den Jahren 2004, 2005, 2006, 2008 und 2009 mit dem Titel ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ fortgesetzt.205 Seminare und Tagungen boten die Möglichkeit, die bis dorthin verfassten Abschnitte des Buchs vorzustellen und zu diskutieren und Positionen zu überdenken, wodurch manche Klärung, Verbesserung und Ergänzung möglich war. Ich danke allen Seminar- und Tagungsteilnehmern für ihr Interesse und die fachliche Anteilnahme. Worauf ich mich mit Wahl meines Themas eingelassen hatte, wurde mir sehr bald klar, aber da gab es kein Zurück mehr. Ich möchte es deshalb nicht versäumen, ausdrücklich das Vorläufige und Unvollständige meiner Ausführungen zu betonen und meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, später weitere Zusammenhänge herstellen und Vertiefungen vornehmen zu können.206 – Eine andere Hoffnung besteht darin, dass es mir gelingen könnte, Interesse zu wecken oder gar ein weiteres Befassen mit den behandelten Fragen – und vielleicht darüber hinaus – anzuregen. Die Auseinandersetzung mit meinem nicht einfachen Thema war mir eine Freude. Diese Freude an Leserinnen und Leser weiterzugeben und eigene Arbeit und Lektüre anzuregen, wäre ein Erfolg. Ich hoffe, mit mei-

205 Der 2005 erschienene Tagungsband trägt denselben Titel, jedoch mit dem Zusatz: „Beispiele antiker Rechtskulturen: Ägypten, Mesopotamien und Griechenland“; der zweite Tagungsband erschien 2007 mit dem Zusatz: Rechtsgeschichte und Interkulturalität. Zum Verhältnis des östlichen Mittelmeerraums und ‚Europas’ im Altertum; der dritte Band ist 2008 erschienen (Titel: Recht und Religion. Menschliche und göttliche Gerechtigkeitsvorstellungen in den antiken Welten) und der vierte Band (‚Strafrecht und Strafen in den Antiken Welten’) ist in Druckvorbereitung. 206 Wer nur einen Blick auf die Bibliographien zur griechischen Rechtsgeschichte von Calhoun/Delamere, (1927, Reprint 1967) und im Sammelband von Berneker 1968, 697-770 geworfen hat weiß, wie vielfältig und reich das Schrifttum zum griechischen Rechtsdenken ist und wie unmöglich es ist, hier Vollständigkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Deutlich wird dabei auch, dass man bestenfalls einen Tropfen in dieses riesige Literaturfass hineinträufeln und nur Bruchteile daraus entnehmen kann. Selbst für den engeren Bereich meines Themas konnte ich bei weitem nicht alle interessanten Beiträge berücksichtigen.

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nem Werk auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den historischen und zum Teil noch geltenden Grundlagen des europäischen Rechtsdenkens zu fördern. Ganz bewusst habe ich nicht nur einzelne Punkte, sondern grössere Felder des Rechtsdenkens ins Blickfeld genommen. Ich bin mir aber des Umstandes bewusst, dass die Kräfte eines Einzelnen nicht ausreichen, um den Blick auf’s Ganze zu richten. Das vermag nur die gelebte Interdisziplinarität Mehrerer. Man kann nur hoffen, dass glückliche Umstände dies ermöglichen. Ich darf dazu erwähnen, dass die Innsbrucker Tagungen ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ einen Versuch in diese Richtung darstellen. Es ging mir dabei von Anfang an darum, den Sinn für die Bedeutung des Rechtlichen im Geschichtsdenken zu fördern. Dies allerdings nicht – wie es leider immer noch häufig geschieht – unter Ausschaltung anderer Disziplinen. Das erschien mir stets nicht nur als Frage von Geschmack und Stil, sondern als Überlebensfrage für die Rechtsgeschichte und ein ernsthaftes Rechtsdenken. Der gegenwärtige Zustand der Rechtsgeschichte und die Tendenz zur blutleeren Eindimensionalität der rechtswissenschaftlichen Ausbildung bestätigt dies. Für Anregungen, Berichtigungen und Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar. Themen wie dieses liegen an der Grenze des Bewältigbaren, und Fehler sind trotz redlichen Bemühens unvermeidlich.

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Kapitel I: Perspektiven „Facta loquuntur.“ Leopold Wenger, Römische und antike Rechtsgeschichte (1905)

Kapitel I ist bestrebt – die Ausführungen in der Einleitung fortsetzend und vertiefend – auf weitere Grundlagen einzugehen: Das betrifft den Wert humanistischer Bildung oder erste Überlegungen zum Verhältnis der europäischen Wissenschaft zum griechischen Recht oder zur ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur. Hier wird aber auch so wichtigen Fragen wie jener nach der Existenz eines ‚gemeinen griechischen Rechts’ oder nach der Bedeutung der olympischen Religion für das Rechtswesen oder aber nach der Art der Rezeption griechischen (Rechts)Denkens durch Rom und seine Juristen nachgegangen.

1. Zum Buchtitel „Es ist die Seele des griechischen Volkes, die durch die ganze antike Welt in allen ihren Bereichen, insbesondere auch durch das römische Recht zieht.“ Egon Weiss, Der Einfluss der hellenistischen Rechte auf das römische (1934)

Das Corpus Iuris Civilis (533/34) des oströmischen Kaisers Justinian (527-565 n. C.) enthielt zahlreiche griechische Textpassagen. Eine bekannte, aber wenig hinterfragte Maxime der mittelalterlichen Glossatoren und ihrer Nachfolger für den Umgang mit diesen Stellen lautete: ‚Graeca non leguntur’ – ‚Griechisches wird nicht gelesen’, bleibt unbeachtet, zumal diese griechischen Textstellen nicht ins Lateinische übersetzt waren und die Juristen des ausgehenden 11. und 12. Jahrhunderts und zum Teil auch noch später nicht mehr Griechisch verstanden.207 Die Folge dieser Maxime war ein erneut in einem Rechtssprichwort aus-

207 Vgl. Koschaker 19664, 61: „Denn im 12./13. [Jh.] versteht man im Abendlande auch in gebildeten und gelehrten Kreisen noch kein Griechisch.“ Und aaO 106: „Sonstige antike Quellen des römischen Rechts wurden ignoriert, die griechisch geschriebenen selbst dann, wenn sie im Cor-

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

gedrückter Grundsatz der Glossatoren und ihrer Nachfolger: ‚Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia’ – d. h: Was die Glosse nicht anerkennt, hat auch keine Bedeutung vor Gericht. Die wahren Gründe dieses bis heute anzutreffenden Desinteresses liegen aber weit tiefer und sind auch in einem politisch motivierten Antigraezismus zu suchen, zu dessen Waffe im 19. und 20. Jahrhundert vornehmlich das römische Recht wurde,208 mag das zum Teil auch erst eine Erscheinung post festum gewesen sein. Das im Buchtitel im Anschluss an das ‚Graeca non leguntur’ gesetzte Fragezeichen will sagen, dass ich diese Haltung der mittelalterlichen Jurisprudenz – und nur dieser – gegenüber dem griechischen Recht in Frage stelle und in meinem Buch als problematische Haltung kritisch untersuchen will, zumal mir immer deutlicher erkennbar wurde, dass es bei dieser Maxime nicht nur um sprachliche und textliche Schwierigkeiten ging, sondern auch um politische und ideologische Positionen. Einwände gegen „barbarische mittelalterliche Kommentare wie die von Accursius, Bartolus und Baldus“ finden sich bei Budaeus, dessen Hauptkritik sich „vor allem gegen das Übersetzen der griechischen Passagen der Digesten und des Codex durch die ersten mittelalterlichen Glossatoren [richtete], die nach dem Grundsatz ‚Graeca non leguntur’ verfahren waren“.209 Nach Deflers210 habe Budaeus zwar weder die Interpretationsmethode noch „das wissenschaftliche Verdienst seiner [sc. des Accursius] Kommentare in Frage“ gestellt, ihm aber vorgeworfen, „keine ausreichenden Kenntnisse der lateinischen und noch weniger der griechischen Sprache besessen zu haben sowie zu wenig über die antike Geschichte, die Altertumskunde, die Philosophie, usw. unterrichtet gewesen zu sein, um die justinianischen Gesetze richtig ausgelegt zu haben“.

pus iuris standen (Graeca non leguntur), weil die Juristen zwar Latein, nicht aber Griechisch verstanden.“ Koschaker verweist auf Genzmers (1938/1941, 276 ff) ausführliche Besprechung von Engelmann und von Haskins (1927). – Koschaker verbindet 19664, 355 die Thesen Wieackers (Vom römischen Recht, insbesondere 148 f, wonach das Corpus iuris und insbesondere die Digesten, wenngleich Gesetz, doch in erster Linie für den Rechtsunterricht der Rechtsschulen der östlichen Reichshälfte, besonders diejenige von Beryt, bestimmt gewesen seien), mit der Hypothese Pringsheims (1921/1987, 204 ff), die Parallelen in den Methoden der Rechtslehrer von Bologna und Beryt erkannte. Koschaker: „Es waren die Methoden des hellenistischen Wissenschaftsbetriebs, die mit der rhetorischen Bildung ins Abendland gelangt waren.“ – Wir wissen heute, daß in die Digesten manch Neues, darunter Griechisches, eingeflossen ist, mag auch immer noch vieles streitig und unsicher sein; dazu auch Wieacker (1959/1975). 208 Vgl. dazu für Österreich: Oberkofler (1981/1984, 121 ff) und dazu meine Rezension (1984). 209 Dazu mehr bei Deflers 2007, 229 f. 210 AaO 230.

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Ausgrenzen des griechischen Rechtsdenkens? Es ist das Verdienst Hans Erich Trojes, auf diese historischen Begleitumstände schon vor Jahrzehnten aufmerksam gemacht zu haben. Troje wies in einer bedeutenden kleinen Studie – es war seine Frankfurter Antrittsvorlesung: ‚Europa und griechisches Recht’211 – auf die rechtsideologischen und rechts- sowie reichsimperialen Hintergründe (unum imperium – unum ius) des mittelalterlichen Antigraezismus hin.212 – In einem weiteren Werk befasst sich Troje vornehmlich mit der Aneignung des byzantinischen Rechts und der Entstehung eines humanistischen Corpus iuris civilis in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts. Er geht im Rahmen seiner Erörterung des ‚Schicksals’ des Corpus iuris civilis und der Digesten auch kurz auf die Entstehung des ‚Graeca non leguntur’ ein: „Der auffälligste Unterschied zwischen der littera Florentina und vulgata ist, daß in der letzteren alle griechischen Worte entweder ersatzlos gestrichen oder lateinisch übersetzt worden 213 sind.“

„Darauf bezieht sich ursprünglich das bekannte Graeca non leguntur […].“ – Leopold Wenger214 bemerkt nur kurz: „Das Graeca non leguntur brachte es mit sich, daß in den Hss. [Handschriften] des 11./12. Jhds. die griechischen Partien zumeist ausgelassen, seit dem 13. Jhd. durch eine auf Burgundius zurückgehende lateinische Übersetzung […] ersetzt sind.“

Während andere Bereiche der griechischen Kultur früher oder später die ihnen gebührende Anerkennung erfuhren, blieb es für den Rechtsbereich weithin bei Ausblendung, zumal offenbar der Ruhm des römischen Rechts keine Einschränkungen zuließ.215 – Es blieb aber nicht bei bloßer historischer Ausblendung des griechischen Rechts, es kam auch zu schweren Verzeichnungen. Der damals begangene – und als ‚Dauerdelikt’ noch heute weithin aufrechterhaltene – ‚Rufmord’ am griechischen Recht und Rechtsdenken, soll daher hinterfragt werden, wofür das diesem Kapitel vorangestellte Motto Leopold Wengers als Wegweiser dienen soll.216

211 1971a. – Vgl. dazu die Besprechung durch Hartmut von Hentig, in der FAZ vom 8. April 1972, S. 59. – Zur Frage, was hinter dem wissenschaftlich so verbreiteten griechisch-römischen Antagonismus stecken könnte, nunmehr auch Troje 2005, 287 ff. 212 AaO 20 und 22. – Vgl. auch Savigny III, 481 f und IV, 403 ff. 213 1971b, 12. 214 1953, 595. 215 Vgl. die Zweifel Calhouns oben bei Anm. 25. 216 Zu betonen ist auch hier, dass die Griechen bei den ihnen historisch vorangegangenen orientalischen Hochkulturen Ägyptens, des Vorderen Orients und des mesopotamischen Rechtskreises Anleihen genommen haben, die immer noch nicht gebührend erforscht und berücksichtigt wor-

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

Kaum zur Kenntnis genommen wurden bislang wichtige Einsichten der griechischen und römischen – bis herauf zur jüngsten – Rechtsgeschichte zum griechischen Recht und Rechtsdenken. Sie spiel(t)en, zum Nachteil der gesamten Rechtswissenschaft und vor allem auch der Rechts- und Wissenschaftsgeschichte, weder in der Theorie, noch in der Ausbildung217 eine ernst zu nehmende Rolle. – So wurde die Rechtswissenschaft zu jenem einseitigen Unternehmen, das sie heute meist ist: abgetrennt von anderen (Teil)Disziplinen und Kulturbereichen – das betrifft insbesondere die Rechtsgeschichte, die Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung und vor allem auch die Rechtsphilosophie, von anderen Bezügen einmal abgesehen – glaubt sie, häufig als Instrument von der Ökonomie missbraucht, dennoch ihren Aufgaben nachkommen zu können.218 Das gilt etwa bereits für die wichtigen Ergebnisse Fritz Pringsheims,219 wonach das griechische Rechtsdenken zu einer sich vom römischen sehr unterscheidenden eigenen Ausformung der Rechtspraxis samt einer anderen, autochthon gewachsenen, Institutionalisierung und Professionalisierung geführt hat, die der römischen aber in nichts nachstand, sondern nur anders war.220 – Noch deutlicher und früher hat dies der Amerikaner G. M. Calhoun gesehen, auf den ich daher immer wieder eingehe. – Ähnliches gilt für die mittlerweile fast in Vergessenheit geratenen Forschungsergebnisse der großen Graezisten, Rechtshistoriker und Rechtsvergleicher der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und der Zwischenkriegszeit: L. Mitteis, J. Partsch, L. Wenger,221 H. F. Hitzig,222 R. Hirzel, E. Weiss, E. Rabel, E. F. Bruck, A. Steinwenter, R. Maschke oder R. Tau-

den sind. Darauf kann ich im Rahmen dieser Arbeit nur in einigen ausgewählten Fragen eingehen; vgl. insbesondere Kapitel I 9 (Völkerrecht) und II 17: Solons Eunomia-Lehre und die ägyptische Gerechtigkeitsidee der Ma’at. 217 Zum sehr unterschiedlichen Stellenwert des griechischen und römischen Rechtsdenkens in den Studienplänen der juristischen Ausbildungslehrgänge in Europa vgl. bei Anm. 241. 218 Ich komme auf diese Entwicklung noch mehrfach zurück, vor allem auf die mittlerweile große Gefahr einer völligen Vereinnahmung des Rechts durch Politik und Wirtschaft. – Der Rechtspositivismus führte die einseitigen Ansätze des römischen Rechts fort. 219 The Greek Law of Sale (1950); aber auch dessen Forschungen zur ‚Epieikeia/aequitas/Billigkeit’ sowie zum bonum et aequum und damit zusammenhängenden Rechtskonzepten, die das römische Recht wahrscheinlich von den Griechen übernommen hat, wie die iniuria (überhaupt alle actiones in bonum et aequum conceptae: dazu auch Kapitel II 13) von der Hybris-/»CSJKKlage oder die Besitzinterdikte: dazu F. Pringsheim 1932, 78 ff uH auf viele andere Autoren, ua. Partsch, Hitzig, Wlassak oder Rabel. 220 Auf den Umstand, dass dieses ‚Anderssein’ des griechischen Rechts nicht verhinderte, dass das römische Recht manches aus Griechenland übernommen hat, wird mehrfach eingegangen und hingewiesen. – Vgl. dazu die ‚Einleitung’ sowie die Kapitel II 7 und VI 1. – Pringsheim unterscheidet sich darin wesentlich von H. J. Wolff; dazu nunmehr auch Troje: 2005, Innsbrucker-Vortrag. 221 Zu Partsch etwa Pkt. 10 bei Anm. 2483; Hinweise zu Wenger finden sich etwa in der ‚Einleitung’ (bei Anm. 38, 41, 103) und in Kapitel II 15 (am Beginn). 222 Vgl. bei den Anm. 255, 352, 563 oder 733 uam.

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benschlag kommen mit unterschiedlicher Begründung zum Ergebnis, dass die griechische Kultur insgesamt und – als Teil derselben – auch das antike griechische und das griechisch-hellenistische Recht und Rechtsdenken zur Entstehung der großartigen Leistung des griechisch-römisch-justinianischen sowie des modernen europäischen Rechtsdenkens einen wesentlichen und unschätzbaren Beitrag erbracht haben. Manche von ihnen haben bereits die frühen, beachtlichen und autonomen oder doch bedeutend weiterentwickelten Leistungen der griechischen Rechtskultur gewürdigt. – Von Egon Weiss, dem auf der Flucht aus der ehemaligen Tschechoslowakei ins Nachkriegsösterreich (Innsbruck) der zweite Band seines ‚Griechischen Privatrechts’ abhanden gekommen war, stammt der schöne Satz, der diesem Punkt als Motto vorangestellt wurde. „Es ist die Seele des griechischen Volkes, die durch die ganze antike Welt in allen ihren Bereichen, insbesondere auch durch das römische Recht zieht.“

Wer sich einen ersten Eindruck davon verschaffen will, welch’ jahrhundertelanger und reger legistischer Austausch zwischen den vornehmlich oder fast ausschließlich griechischen – seit der Constitutio Antoniniana Kaiser Caracallas (212 n. C.)223 formell aber römischen – Volksrechten der östlichen Reichshälfte,224 die auch Partikularrechte genannt werden, und dem römischen Reichsrecht stattfand, der lese etwa Raphael Taubenschlags geistvolle und kenntnisreiche Abhandlung ‚Der Einfluss der Provinzialrechte auf das römische Privatrecht’. Er wird eine Fülle von Beispielen – ganze Rechtsinstitute wie Einzelregelungen und Rechtsquellen betreffend – vorfinden, die gewiss oder doch mehr oder weniger wahrscheinlich griechischen Ursprungs sind, und schließlich Bestandteile des römischen Reichsrechts oder doch zu ‚römischem’ Provinzialrecht wurden, das auch für die in den Provinzen lebenden Römer galt. Mit der Konstitution des Marcus Aurelius Antonius (Caracalla war der Spitzname), Sohn des Septimius Severus, der von 211-217 n. C. regierte, wurde allen Freigeborenen des römischen Reichs das römische Bürgerrecht verliehen. Das römische Recht wurde damit formell zum einheitlichen Reichsrecht.225 – Dazu Schulz:226 „In dem kollosalen Stile der Caracalla-Thermen sollte auch die Rechtseinheit für die neue Nation mit einem Schlage geschaffen werden. Die Verwirrung, die damit angerichtet wurde, namentlich in den östlichen Reichsprovinzen, die ein ausgebildetes einheimisches Recht besaßen, mag nicht geringer gewesen sein als die, die die Aufnahme des römischen Rechts nach Deutschland im fünfzehnten Jahrhundert zur Folge hatte.“ Von römischer Seite scheint zunächst wenig geschehen zu sein, „um den kollosalen Gedanken der Constitutio Antoniniana in

223 Dazu gleich etwas mehr. 224 Vgl. auch Weiss 1934, 253. 225 Dazu insbesondere L. Mitteis 1891/1984. 226 1954, 91.

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die Tat umzusetzen. [...] Erst in der Zeit Diokletians geht man zu energischer Aktion über. Man versucht allen Ernstes, das Peregrinenrecht niederzukämpfen und das römische Recht zum alleinigen Recht der römischen Reichsnation zu machen. [Das scheitert!] […] Eine deutliche Cäsur bedeutet hier die Regierung Konstantins“, der – anders als Diokletian – den Osten zu seinem Recht kommen lassen wollte. Unter Konstantin kam es auch zur ‚Fusion’ von rö227 mischem Zivil- und Honorarrecht.

Keinem dieser Autoren – und das gilt auch für die bedeutenden deutschsprachigen Graezisten der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: H. J. Wolff und F. Pringsheim – ging es dabei darum, die Leistungen des römischen Rechts zu schmälern, vielmehr war es ihr Anliegen – und darin bin ich mit ihnen einer Meinung – zu zeigen, dass manches Römischrechtliche griechischen Wurzeln entsprossen ist und – noch ein Stück mehr, dass die großartige Leistung der römischen Juristen ohne die griechische Kultur, insbesondere die griechische Philosophie, Rhetorik, Logik und Grammatik, aber auch rechtspraktisch-jurisprudentielle und rechtsphilosophische Errungenschaften der Griechen, gar nicht hätte erbracht werden können.228 Das römische Recht erweist sich somit, gerade was seine Größe betrifft, bei näherer Betrachtung – trotz seines starken Konservativismus und der damit verbundenen Ablehnung alles Fremden229 – als römisch-griechisches Amalgam, das keineswegs nur einen griechisch-philosophischen, sondern auch einen namhaft griechisch-rechtlichen Einfluss beinhaltet. Man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass der ‚Sieg’ des römischen über das griechische Recht und Rechtsdenken, der Sieg eines konservativen über ein offeneres, gesellschaftsbezogeneres und beweglicheres Rechtsdenken war, was gerade auch für das Privatrecht gilt. Schulz230 begründet auch die „Ablehnung einer methodischen und systematischen Rechtskritik und Rechtpolitik“ (durch die Römer) mit dem „römischen Konservativismus“, ebenso das Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem römischen ‚Verfassungsrecht’231 und das „vollständige Fehlen rechtsgeschichtlicher Betrachtung“.232 Anders als in Griechenland existierte in Rom deshalb – auch weder eine (verfassungsrechtliche) Rechtsvergleichung’ (Aristoteles, Theophrast und andere Lyzeaten),233 noch eine solche des Privatrechts (ins-

227 Vgl. auch Kaser 1984, 1 ff. 228 Wolffs Ansicht fordert aber Widerspruch heraus, weshalb ich auf ihn immer wieder ad hoc und insbesondere in Kapitel VI 3 (‚Wolffs Einwände’) eingehe. 229 Dazu eingehend Schulz 1954, 65 ff. 230 1954, 66. 231 1954, 67. 232 1954, 69. 233 Dazu insbesondere Kapitel VI 2 und VIII.

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besondere Theophrast);234 und es entstand in Rom auch keine eigene ‚Rechtstheorie’.235 Ein eindrucksvolles Beispiel griechischer Rechtsgeschichte stellt die erst 1891 entdeckte Abhandlung des Aristoteles über die Verfassung von Athen dar: ‚Der Staat der Athener’/‚Athenaion Politeia’.236 Calhoun237 erblickte darin ein Exempel für den von Aristoteles und seinem Kreis groß angelegten Verfassungsvergleich von 158 Poleis, der auch eine wichtige Grundlage für die ‚Politk’ des Aristoteles bildete, mag diese umfangreiche rechtstatsächliche und ‚rechtssoziologische’, rechtsvergleichende und rechtshistorische Sammlung allenfalls auch erst nach der ‚Politik’ fertiggestellt worden sein und eine eigene Publikation gebildet haben.238 Es waren auch nicht – wie immer wieder behauptet239 – allein der Charakter des römischen Volkes oder die einsamen Geistesschöpfungen der römischen Juristen, die das klassische römische Recht hervorgebracht und geformt haben, sondern es waren die historischen Umstände, die eine solche Entwicklung ermöglichten, wobei hier wiederum vorrangig und nüchtern – neben dem griechischen (und wohl auch manch’ noch älterem) Einfluss – auch die räumliche Größe und zeitliche Dauer des römischen Imperiums als Entwickungsgeneratoren genannt werden müssen. Sie erscheinen ebenso als unabdingbare Entwicklungsvoraussetzungen – ja genetische conditiones sine qua non,240 wie der für die spätere

234 Vgl. insbesondere Kapitel VI 2 und VIII. Aber Theophrast hat wohl ‚sein’ Werk ebenso wenig allein verfasst, wie Aristoteles das seine. Das für die naturwissenschaftlichen Arbeiten dieser großen Wissenschaftler und Philosophen bereits erkannte ‚Teamwork’ (dazu in den Kapiteln VI 3: Wolffs Einwände gegen die Annahme einer griechischen Rechtswissenschaft – (6) und VIII 1: Vorbild Philosophiegeschichte), ist wohl auch für ihre ersten – keineswegs unbedeutenden rechtswissenschaftlichen Arbeiten anzunehmen. 235 Vgl. Calhoun 1944/1977, 5: „[…] the first extant treatises on legal theory, by Plato and Aristotle“. 236 Dazu Wilamowitz (1893). 237 1944/1977, 72. 238 Auch dazu Calhoun 1923, 300 Fn 17 und insbesondere Gercke, in: RE II (1896) 1020 f und 1026. 239 Dazu auch bei Anm. 338. 240 Vgl. Pringsheim 1950, 2; dazu ausführlich in Pkt. 5 dieses Kapitels. – Demgegenüber leugnet Kaser (19712, I 2) einen nennenswerten griechischen Einfluss auf das römische Rechtsdenken, wenn er längst geäußerte Meinungen wiederholend ausführt: „Während sich die Römer in der Philosophie, der Dichtung und den bildenden Künsten weithin an griechische Vorbilder anlehnen, gestalten sie ihr Recht aus ihrem eigenen Wesen. Vorbilder aus fremden, besonders hellenistischen Ordnungen nehmen sie nur selten auf und prägen sie dann in ihrem eigenen Geist um. Erst in der Spätzeit erliegt auch das römische Recht stärker, wenn auch weit weniger, als man noch vor einem Menschenalter annahm, den Einwirkungen des Ostens.“ – Bei diesen geradezu klischeeartigen Ausführungen Kasers dürfte es sich um einen historischen Irrtum handeln. Wohl auch deshalb spart Kasers Darstellung des römischen Rechts nicht-römische Einflüsse konsequent aus, was die Attraktivität seines Werks beeinträchtigt. Das geschieht nämlich auch

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Beurteilung und Erhaltung des römischen Rechts so wichtige Umstand, dass dieses insbesondere an deutschsprachigen rechtswissenschaftlichen Fakultäten eine nahezu uneingeschränkte „Art [rechtshistorischer] Lehrgewalt ausübte“, also ein Ausbildungsmonopol erlangte, während das griechische (oder gar das orientalische) Recht – trotz deren Bedeutung und Eignung für den rechtshistorischen Unterricht – der „Altertumswissenschaft eingegliedert“ und damit jedes didaktischen Einflusses beraubt wurde.241 Die Gründe dafür waren überwiegend nicht wissenschaftlich-curricularer, sondern politisch-ideologischer und unhistorischer Natur. Dazu kommt: Was in der Juristenausbildung mitunter als römisches Recht ‚ausgegeben’ wurde, hatte damit oft nur wenig und manches Mal gar nichts zu tun. Das betrifft etwa den modernen Persönlichkeitsschutz, den Begriff der Rechtsperson, die Vertragsschlusslehre mit den Begriffen Rechtsund Handlungsfähigkeit (Trennung der Geschäfts- von der Deliktsfähigkeit), das Rechtsgeschäft und den Vertrag, aber auch die Termini dingliche oder Sachenrechte, die Bedeutung des Begriffs der ‚obligatio’,242 die (direkte) Stellvertretung243 oder die grundlegende Entwicklung der Haftungszurechnungselemente (Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall) uam. Schulz244 verweist in diesem Zusammenhang auf die bedeutende Tatsache, dass die Römer wichtige ‚Begriffe’ nicht definierten, wie etwa so zentrale Begriffe wie ‚actio’, ‚Legat und Testament’, aber etwa auch das ‚Eigentum’. „Auch für dolus (als Verschuldungsbegriff), culpa, contractus, servitus, dos, heres, potestas, manus, imperium usw. finden wir in unseren Quellen keine Begriffsbestimmung, wohl weil die Klassiker eine solche niemals versucht haben.“ Daneben sind gegebene Begriffsbestimmungen „vielfach recht unvollkommen gearbeitet“, weil „erst von nachklassischer Hand geformt“.245 Aber auch klassische Definitionen zeigten, „dass in der Begriffsbestimmung die Stärke der römischen Juristen nicht liegt“.246

dort, wo der griechische Einfluss namhaft und zudem bekannt ist, oder doch (sehr) nahe liegt. Etwa im Fremdenrecht/ius peregrinum (dazu ab Anm. 505), dem sogenannten Völker(verkehrs)-Recht/ius gentium oder dem Naturrecht/ius naturale. Das mag bei Kleinigkeiten noch hingehen (vgl. etwa: 19712, I 36 – „folgt fremdländischer [nämlich griechischer!] Ordnung“), verzeichnet aber bei wichtigen Rechtsfragen wie dem ius gentium oder dem ius naturale die Historizität der Rechtsentwicklung. Das gilt – cum grano salis – auch für Kasers Monographie „Ius gentium“ (1993). Es fehlen bei Kaser in der Regel auch Hinweise auf die wichtige vermittelnde Literatur. – Zum Völkerrecht etwa: Bickerman (1950/1969) und die Pkt. 9 bei den Anm. 2094 ff. – Zur Ausbildung eines griechischen ius gentium (und dem Unterschied zu Rom): L. Mitteis 1891/1984, 74-76. 241 Gernet 1938/1968, 9. – Zum Begriff ‚Altertumswissenschaft’ Ehrenberg 1935, 1 ff. 242 Dazu Kapitel VI 6: Synallagma und Obligation. 243 Dazu in Kapitel VI 2. 244 1954, 30 f. 245 1954, 31. 246 Weitere Beispiele bei Schulz 1954, 32 f. – Vgl. Horak 1969, 144 f.

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Wissenschaft betreiben ist ‚Fragen stellen’ – schon bei den Griechen

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Derart günstige historisch-politische Entstehungs-, Wachstums- und Erhaltungsbedingungen wie dem römischen Recht waren dem griechischen Recht und seinem Rechtsdenken nicht oder doch zu kurz gegönnt, was seine wissenschaftliche (Weiter)Entwicklung und vor allem ein der römischen Vor- und HochKlassik247 vergleichbares längeres „Durchdenken des Rechtsganzen, seinen Ausbau im Einzelnen und seine Anpassung an die Lebenserscheinungen“ (E. Weiss) in gleichem Maße wie später in Rom verhindert hat.248

Wissenschaft betreiben ist ‚Fragen stellen’ – schon bei den Griechen Vittorio Hösle konstatiert in einem jüngst erschienenen Buch ‚Platon interpretieren’: „Wer mit den richtigen Fragestellungen auf die Texte zugeht, wird Dinge finden, die sich demjenigen verschließen, der jene Fragestellungen gar nicht bedenkt oder versteht.“

Vor solchen Situationen bin ich immer wieder gestanden, zumal es mein Ziel war, nicht nur da und dort kleine und marginale Korrekturen anzubringen, sondern die Wurzeln der europäischen Rechtsentwicklung einer grundsätzlichen Neubewertung zu unterziehen, was selbstverständlich auch für den Anfang der europäischen Rechtskultur nur anhand einiger Beispiele und unvollständig geleistet werden konnte. Allein die Richtung eines solchen rechtshistorischen Denkens sollte vorgegeben werden. – Daher finden sich, über das Buch verstreut, immer wieder Fragen, die bisher nicht oder nur ansatzweise oder zu zögerlich gestellt wurden. Fragen leiten aber den wissenschaftlichen Erkenntnisvorgang nicht nur in der Philosophie, sondern auch in der Jurisprudenz und schließlich in der Rechtswissenschaft und Rechtsgeschichte. Auf gute Fragen können nämlich weitertreibende, im Sinne von Erkenntnis fördernden Antworten gegeben werden. 249

E. Wolf spricht im Vorwort seines groß angelegten Werks ‚Griechisches Rechtsdenken’ davon, dass er das ‚Bedürfnis’ empfunden habe, „dem Ursprung dessen näher zu kommen,

247 Die ‚hellenistische’ Periode des römischen Rechts wird (Schulz) – mit gebührenden Übergängen – von etwa 200/150 v. C. bis zum Beginn des Prinzipats, also während der letzten zwei Jahrhunderte der Republik angesetzt, die ‚klassische Periode’ für die ersten zweieinhalb bis drei Jahrhunderte der Kaiserzeit. Für die Zeit danach bis etwa 320 n. C. spricht Kaser (Das römische Privatrecht 3) von ‚früh-nachklassischer Zeit’. F. Schulz 1954, 3 bezeichnet die Zeit vom Ausgang des 3. Jhs. bis zum Zeitalter Justinians als ‚nachklassische Periode’. Vgl. auch Pkt. 4. 248 Dazu insbesondere Kapitel VI: Zur juristischen Professionalisierung in Griechenland. – Zur Entwicklung des griechischen Rechtswesens von einem vor-rechtswissenschaftlichen Zustand in Richtung Rechtswissenschaft vgl. auch Kapitel II 10 (am Anfang) und Kapitel VIII. 249 1950, I 7.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

was der abendländische Mensch im Sinne hat, wenn er den Rechtsgedanken als einen tragenden Grund seines geschichtlichen Daseins erkennt und behauptet“. Das ist ein beachtenswerter wissenschaftlicher Ansatz. Ich konnte mich bei der Lektüre von Wolfs Werk immer wieder überzeugen, welch’ wichtige und akribische Arbeit er geleistet hat. –Wolf führt im Rahmen seiner „Problemstellung und Leitgedanken“ aber aus, dass es ihm in seinem Werk vornehmlich um eine „Geschichte der Rechtsphilosophie“ gegangen sei, was zeigt: Der Titel des Wolfschen Werks ist wohl zu weit gefasst, denn er will sich insbesondere mit dem rechtsphilosophischen Denken der Griechen auseinandersetzen, nicht aber mit ihrem Recht und ihrem sonstigen Rechtsdenken. – Ich habe dennoch immer wieder von Wolfs Ausführungen profitie250 ren können.

Im Kontext mit der zum Thema und Buchtitel gewählten Maxime der mittelalterlichen Glossatoren erheben sich zahlreiche Fragen, die bis heute auf eine befriedigende Antwort warten: So lässt sich danach fragen, ob es überhaupt ein (gemeines) griechisches Recht oder nur das Recht von an die 700 griechischen Poleis gegeben hat?251 Die eher hochmütige Haltung von WissenschaftsPositivisten trennt scharf zwischen griechischem Recht und Rechtsdenken, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden wäre, führte es nicht zu einem systematischen Aussparen aller nichtpositivierten Rechtsaktivitäten, was für das Mutterland des europäischen Rechtsdenkens und der europäischen Rechtswissenschaft fatale Folgen gehabt hat. Denn im antiken Griechenland haben nicht nur Juristen über Rechtsfragen nachgedacht und auch Lösungen oder doch Lösungsvorschläge angeboten oder wenigstens referiert. Dieser Vielfalt versucht das vorliegende Buch Rechnung zu tragen, indem bewusst auch außerrechtliche Bereiche mit Rechtsrelevanz behandelt werden. – Der Aufbau des Buches verfolgt keine segregationistischen Ziele, sondern betont das Ganzheitliche der Auseinandersetzung der griechischen Kultur mit dem Recht und seinen Phänomenen. Schon den alten Griechen war diese Auseinandersetzung vertraut. Ich gehe darauf später (Melierdialog – Thukydides) ein. – In diesem Kontext stellte sich auch schon für die Griechen die Frage nach der Existenz von ungeschriebenem Recht und von Naturrecht. So wie sich die ‚Dinge’ heute darstellen, scheint diese Ursprungs- und Orientierungsfrage nach der ‚Rechtsidee’ – nicht ausschließlich griechischen Quellen entsprungen zu sein; dazu insbesondere Kapitel II 17 und Kapitel VII 1. Ein gewisser präpositiver – nicht aber religiöser – Anspruch rechtlich-kultureller Grundwerte erscheint mir aber heute ebenso unverzichtbar wie damals. Fragen lässt sich auch danach, von welcher Beschaffenheit und Qualität das griechische Recht und sein Rechtsdenken war und wo sich diese überhaupt finden lassen?252 Damit ergibt sich die Frage nach der Existenz einer

250 AaO I 9. – Vgl. dazu schon meine ‚Kausalität im Sozialrecht’ (1983). 251 Dazu eingehend in Pkt. 6. 252 Dazu etwa mein Beitrag 2007b, 31 ff oder 2008, 861 ff (FS I. Weiler).

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griechischen Rechtspraxis, Rechtstheorie und Rechtswissenschaft und gegebenenfalls nach ihrer Beschaffenheit. Denn bis heute wird bezweifelt, dass es überhaupt eine griechische Jurisprudenz oder Rechtswissenschaft gegeben hat. Während Jörs eine solche Unterscheidung trifft,253 lehnt sie F. Schulz ab und behandelt beide Begriffe als Synonyma.254 – Gerade für die griechische Entwicklung erscheint es mir sinnvoll, einen wenn auch nicht gravierenden Unterschied zu machen; hier mit einem Akzent auf der gelebten, weiterentwickelten und tradierten Rechtspraxis, dort mit einem solchen auf Systematik, Didaktik und Förderung der Einsicht in die Grundlagen und die Genesis des Rechts und seiner Funktionen. Danach ist weiter zu fragen: Kannten die Griechen namhafte Rechtsberufe, also professionelle Juristen? Wenn ja, welche waren das? Lassen sich bereits Felder oder Disziplinen des griechischen Rechts und Rechtsdenkens erkennen? Wer waren die herausragenden Vertreter des griechischen Rechtsdenkens? Wenn es eine griechische Rechtswissenschaft gegeben hat, wann ist sie entstanden? Gibt es Gründe für ihre Entstehung? Wer hat zu ihrer Entstehung beigetragen? Was waren die diesen Prozess auslösenden und ihn begleitenden Rahmenbedingungen? Trugen bestimmte Bereiche des griechischen Denkens zu dieser Entwicklung in besonderer Weise bei? Welche Anteile gebühren dabei der ‚Kunst der Gesetzgebung’, der Politik, der Kautelarpraxis, der Rhetorik, dem Logographentum, der Philosophie und der Sophistik? Wie stehen wir überhaupt heute zum Rechtsdenken der Griechen? Schulden wir ihm Dank und wofür? Lohnt sich ein Eingehen auf diese Fragen überhaupt noch? – Handelte es sich beim griechischen Recht und Rechtsdenken um Leistungen, die jenen der griechischen Kultur in anderen Gebieten entsprechen? – Nicht auf alle Fragen lassen sich wegen der bestehenden Quellen- und Wissenslage sowie des zur Verfügung stehenden Platzes eindeutige, abschließende, befriedigende und umfassende Antworten geben. Aber manches hoffe ich klären oder doch einer Antwort näher bringen zu können. 255

Schon Hitzig beklagt, „wie wenig erforscht dieses Gebiet ist, wie klein die Zahl der wissenschaftlichen Abhandlungen, wie selten in rechtsvergleichenden Schriften die Verweisung auf das griechische Recht; während das Recht der Römer in aller Mund ist, scheint das Recht der Griechen durchaus als quantité négligeable behandelt zu werden“. Hitzig führt dafür auch Gründe an und meint, nicht zu Unrecht, dass die Rechtshistoriker sich zu wenig für das griechische Rechtsdenken interessiert hätten und anderen Disziplinen manchmal nötiger spezifischer Sachverstand fehle. Hitzig selbst gibt allerdings das beste Beispiel dafür, wie diesem beklagenswerten Zustand abzuhelfen ist. Man lese seinen Beitrag, um sich einen Einblick in

253 Dazu Kapitel VI 5: Jurisprudenz oder Rechtswissenschaft? 254 Vgl. auch bei Anm. 267. 255 1906/1968, 121 f.

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den hohen Entwicklungsstand der griechischen privatrechtlichen Verkehrs- und Sicherungsgeschäfte zu verschaffen und vergleiche damit die unbedachte Äußerung von H. J. Wolff wonach das griechische Recht „[...] immer verhältnismäßig primitiv geblieben“ sei. – Auch G. M. Calhoun beklagt den schlechten Forschungsstand betreffend das griechische Rechtsdenken: „But we are unfortunately still far from anything that may be called a complete or sytematic treatment of the field from the juristic point of view.” Calhoun führt dazu ähnliche Gründe wie Hitzig an und leistet wie dieser wichtige Beiträge zur ‚Lückenschließung’ und tie256 feren Einsicht.

Das betrifft auch die immer häufiger werdenden Fragestellungen hinsichtlich eines Einflusses des Alten Orients auf das griechische Denken – allgemein (religiös, literarisch/Epen, philosophisch/Weisheitslehren, ‚naturwissenschaftlichmathematisch’ etc.) wie rechtlich.257 Während andere kulturelle Einflüsse aus dem Alten Orient auf die Griechen längst Beachtung gefunden haben, steckt das Erforschen möglicher rechtlicher Übernahmen bestenfalls in den Kinderschuhen. – In anderen Disziplinen ist hier bereits manches in Bewegung geraten, was die Rechtswissenschaft erst zu verdauen hat. Ein solches Aufarbeiten erscheint aber sowohl wissenschaftlich unumgänglich als auch für den darüber hinaus verfolgten Anspruch meines Buches nötig, interessierten Leserinnen und Lesern möglichst aktuelle Informationen zu bieten.258

Griechen und anglo-amerikanischer Rechtskreis Juristen des anglo-amerikanischen Rechtskreises heben sich in der Beurteilung des griechischen Rechts und Rechtsdenkens von vielen ihrer kontinentaleuropäischen Kollegen häufig dadurch ab, dass sie – wie Robert J. Bonner/Gertrude Smith; G. M. Calhoun, J. W. Jones oder D. M. MacDowell, E. R. und H. LloydJones, M. Gagarin uam. – die Leistungen des griechischen Rechts und seines Rechtsdenkens einschließlich der griechischen Gerichtsbarkeit (und hier insbesondere der demokratischen Volksgerichtsbarkeit und der Volksrichter, Thesmotheten, Dikasten, Diaitheten und auch des Prozessrechts etc.) anders, in der Regel höher einschätzen und ihnen eher gerecht werden, als mancher – insbesondere zeitlich spätere – kontinentale Betrachter. Das legt die Vermutung nahe, dass solche Urteile auch mit der Ausformung und Bewertung des eigenen (Rechts)Systems korrelieren. Eine solche Vermutung wird auch dadurch bekräftigt, dass etwa G. M. Calhoun seinen für ein Gemeinschaftswerk259 mit F. Schulz

256 Wolff 1964, 21. Calhoun 1923, 299. – Vgl. auch schon die ‚Einleitung’. 257 Vgl. Burkert (2003), Rollinger (2004a und 2005b) und Kapitel II 17. 258 Zur Frage des Bildungswertes antiker Kultur vgl. den folgenden Pkt. 2. 259 ‚The Oxford History of Legal Science’. – Auf Calhoun stieß ich erst sehr spät in meiner Arbeit,

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Griechen und anglo-amerikanischer Rechtskreis

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und anderen Rechtshistorikern unter der Leitung von H. Kantorowicz geplanten Beitrag, der kriegsbedingt posthum als eigenes Werk erschien, ganz selbstverständlich, für uns aber doch überraschend mit ‚Introduction to Greek Legal Science’ betitelte.260 Aber lassen wir Calhoun – der sich in vielen Fragen auf seinen Lehrer R. J. Bonner und Gertrude Smith stützen kann – selbst zu Wort kommen, zumal er die uns interessierende Frage, ob nämlich die Griechen eine eigene Rechtswissenschaft oder doch eine Jurisprudenz hervorgebracht haben, gleich am Beginn seines Essays anschneidet: „The question whether the ancient Greeks may properly be said to have developed a legal science is largely a problem of definition. When ‘legal science’ means the specialized discipline of jurists and of legal profession, it connotes a body of systematized legal knowledge and doctrine, generally accepted as authoritative over the area of the culture from which it springs, having a unity of its own distinct and separate from political science. In this sense, modern legal science derives from Rome. Though its data may come ultimately from Germanic, Greek, or even oriental law and legal practice, as well as Roman, its method and fundamental doctrine are predominantly the creation of Roman jurists. In this sense, moreover, the Greek cannot be said to have had a legal science. But in the broader sense in which ‘legal science’ comprehends historical and comparative jurisprudence, the analysis of legal concepts, and the philosophy of law, the answer will be an affirmative. The facts upon which this affirmation is based and the answers to more particular questions will appear from a consideration of Greek knowledge and study of law and legal problems in various periods of their history.” (Hervorhebungen im Original)

Ich teile diese Einschätzung grundsätzlich, meine aber, dass wir heute aufgrund neuer Einsichten und deren Bewertung noch weiter gehen, und wenigstens mit Antiphon, Platon, Aristoteles, Theophrast und Demetrios von Phaleron261 den Anfang einer griechischen Rechtswissenschaft annehmen dürfen, wofür insbesondere auch die von Calhoun in ihrer Bedeutung noch unterschätzte, in der Tat aber hochentwickelte griechische Rechtspraxis des öffentlichen und privaten

als ich einem wertvollen Hinweis bei F. Schulz 1961, VII folgte. Calhoun besaß ob seiner bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit über das griechische Rechtsdenken einen Überblick wie nur wenige andere. Hatte er doch 1927, zusammen mit Delamere, A Working Bibliography of Greek Law erstellt. Vgl. auch seine Publikationen: Greek Law and modern Jurisprudence (1923) und The materials for a study of Greek Law (1924). Vom selben Autor stammt auch: The Growth of Criminal Law in Ancient Greece (1927). Der mehrfach herangezogene Essay, Greek legal science (1944/1977) beweist seine hohe Qualität auch darin, dass er die griechische Rechtsentwicklung durchgehend von der Frühzeit bis zum Ende fasslich nachzeichnet. Zu berücksichtigen ist dabei – wie bei anderen Werken dieser Zeit, dass sich manche Fragestellung verschoben und manches Wissen vertieft und erweitert hat. 260 Oxford, 1944; Reprint: 1977. 261 Zu diesen frühen philosophischen Vertretern der griechischen Rechtswissenschaft insbesondere Kapitel VI, VII und VIII. – Zur Bedeutung Antiphons, der als erster Rechtswissenschaftler Europas anzusehen ist, vgl. Kapitel II 4 und 5.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

Rechts spricht, die offensichtlich lange inhaltlich – nicht nur im Bereich des Privatrechts – die Funktion einer (vor)-wissenschaftlich, im Sinne angemessener Problembewältigung, zu nennenden Kautelarjurisprudenz ausübte.262 Dazu gesellte sich das spätestens seit Kleisthenes entstehende Beamtentum, das mit seinen spezifischen juristischen Berufsfeldern bereits Juristen mit hohem Niveau hervorbrachte,263 die nach der makedonischen Machtergreifung (338 v. C.) und der damit einhergehenden Beendigung der Volksgerichtsbarkeit in Athen zu alleinigen Trägern der juristischen Profession wurden.264 – Anders als die Wissenschaftler in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verfügen wir heute auch über wesentlich bessere und umfangreichere Kenntnisse der orientalischen Vorläufer der Rechtskultur der Griechen, insbesondere der Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens. Auch das gilt es zu beachten.

‚Rechtswissenschaft’ und ‚Jurisprudenz’ Ich folge hier grundsätzlich dem Verständnis der Begriffe ‚Rechtswissenschaft’ und ‚Jurisprudenz’ als Synonyma wie sie Fritz Schulz in seinem Werk ‚Geschichte der römischen Rechtswissenschaft’ (1961) vertritt, unterscheide aber mitunter doch im oben erwähnten Sinne.265 – Unerwähnt blieb bei Calhoun übrigens auch, dass sich das Urteil über die Wissenschaftlichkeit des römischen Rechtsdenkens im wesentlichen auf den schmalen Bereich des Privatrechts beschränkt, während nahezu alle anderen Rechtsbereiche, sehr im Gegensatz zum griechischen Recht und Rechtsdenken und seiner Jurisprudenz, ganz oder doch weitgehend ausgespart blieben. Nicht genug betont werden kann aber auch, dass Begriffsbildung, Methode und Systematik des Rechtsdenkens weithin griechischen und nicht erst römischen Ursprungs sind, wobei in Bezug auf diese Fragen an die grundsätzliche Darstellung von F. Schulz erinnert werden soll.266 Nicht zu übersehen ist auch, dass die in (den letzten Jahrzehnten) der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. C. aus der griechischen Philosophie und den im Rahmen der makedonischen Machtergreifung (338 v. C.) veränderten politisch-justiziellen Verhältnissen hervorgegangene griechische Rechtswissenschaft, begleitet von einer viel älteren und bereits hoch entwickelten Kautelarpraxis, als Jurisprudenz in vielem anders war und auch anders begonnen hat als die römische, die übri-

262 Dazu insbesondere Kapitel VI 2: Zur juristischen Professionalisierung in Griechenland und bereits in meinem Beitrag (2004b). 263 Vgl. Calhoun 1944/1977, 30 ff insbesondere 38. 264 Dazu Calhoun 1944/1977, 50 ff. – Ich gehe darauf später noch in Kapitel VI 3 ein. 265 Vgl. dazu bei und in Anm. 253 und in Kapitel VI 5: ‚Nachwirkungen des griechischen (Rechts)Denkens’. 266 Dazu oben bei Anm. 244 sowie in Pkt. 4 bei Anm. 539 und 552.

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‚Rechtswissenschaft’ und ‚Jurisprudenz’

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gens als Wissenschaft in manchem auch deutlich weniger entwickelt war als häufig angenommen. Ich denke hier an die wichtigen Einschränkungen, die F. Schulz in seinen ‚Prinzipien des römischen Rechts’ gemacht hat; damit sind fehlende Abstraktion, fehlende Begrifflichkeit und Definitionen, verbunden mit weithin fehlenden oder doch unzureichenden rechtlichen Begründungen auch fundamentaler Rechts(grund)sätze udglm. gemeint.267 Diese Andersheit268 des griechischen Rechtsdenkens darf aber nicht dazu verleiten, von vornherein ein abwertendes oder negatives Urteil auszusprechen. – Wichtig erscheint es mir daher vor allem auch, der Eigenentwicklung des griechischen Rechtsdenkens nachzugehen. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen und die Möglichkeit und Notwendigkeit für die Entwicklung einer griechischen Jursiprudenz und Rechtswissenschaft lagen – politisch wie im Hinblick auf die nötigen wissenschaftlich-philosophischen Voraussetzungen – endgültig erst in der zweiten Hälfte, insbesondere den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts v. C. vor, mag es auch schon früher beachtliche Ansätze in diese Richtung gegeben haben: Das gilt für Antiphon und die letzten Lebensjahre Platons und seiner ‚Akademie’ und insbesondere für Aristoteles, Theophrast und wohl auch Demetrios von Phaleron. Der „Ausbau [sc. des römischen Rechts dagegen] vollzieht sich im Großen und Ganzen mit dem ererbten Gedankengut“,269 dessen wissenschaftlich-methodische Grundlagen sogar ausschließlich griechischen Ursprungs sind, wobei dieser Einfluss – anders als immer wieder angenommen – durchaus auch im (Privat)Recht ein beachtlicher und inhaltlich-strukturierender war.270 Das betrifft die Entstehung des römischen Institutionensystems,271 die Entstehung der klassischen Zurechnungskriterien und Verschuldensformen (den ‚Zufall’ eingeschlossen),272 die amtliche Einweisung ins Erbe273 und vielleicht sogar die Universalsukzession274 oder Kriterien der Sacheinteilung (res corporales – res incorporales) uam.275 Wenn der Schein nicht trügt, ist die zu Recht gepriesene Leistung der Entwicklung des Begriffs ‚obligatio’ zumindest auch griechisch-

267 Vgl. dazu schon die Anm. 229, 240 und 241. 268 Dazu Pkt. 5. 269 Weiss 1937, 253. 270 Vgl. dazu nur die folgenden Beispiele, aber auch in Kapitel II 4, 5, 10, 11, 19-21. 271 Dazu Kapitel VI 6: ‚Einteilung des ius civile …’. 272 Dazu gehört die Entwicklung des Haftungszurechnungs- bzw. -ausschlusselemente Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall (bis hin zur höheren Gewalt/vis maior) die eine ausschließlich griechische – von Drakon bis Aristoteles reichende – Genese von 300 Jahren aufweist; vgl. schon in der ‚Einleitung’ und auch in Kapitel II 5: ‚Rhetorik und Nikomachische Ethik …’. 273 Dazu Kapitel II 10: Amtliche Einweisung ins Erbe. 274 Dazu Kapitel II 10: ‚Fehlende Schuldenhaftung des Erben’ (J. Partsch). 275 Dazu Kapitel VI 6: Körperliche und unkörperliche Sachen.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

orientalischen Ursprungs.276 Ganz abgesehen vom überragenden Persönlichkeitsschutz des griechischen Rechtsdenkens, dessen Niveau wir zum Teil bis heute kaum erreicht haben.277 Griechischer Provenienz ist auch die Lösung der späteren römischen Diskussion um den Stellenwert der ‚verba’ oder der ‚voluntas’ im Rahmen der Auslegung.278 Sie ist in der ‚Rhetorik’ des Aristoteles279 vorweggenommen, wo im Rahmen der Aristotelischen Vorstellungen über die Aufgaben der Epieikeia/Billigkeit ausgeführt wird: „Auch gegenüber allem Menschlichen Nachsicht zu üben, ist gehörig [billig], ferner nicht […] auf den Wortlaut, sondern die Intention des Gesetzgebers […] zu achten.“

Im Anschluss hieran tritt Aristoteles für ‚Lückenfüllung’ ein – der in Griechenland schon früh Aufmerksamkeit geschenkt wurde – und erhebt die legistische Forderung nach ‚Generalklauseln’, was wir freilich schon von Platon her kennen.280 Das sind nicht nur rechtstheoretisch-philosophische Überlegungen, das ist vielmehr bereits rechtswissenschaftlich gelebte Methodenlehre, geschöpft aus reflektierter Rechts-Praxis.281 Erstaunlich modern – für uns! – ist auch das Eintreten des Aristoteles für eine für das antike Griechenland charakteristische Form der ‚außergerichtlichen Streitbeilegung’, an die wir uns in Europa erst seit wenigen Jahren wieder erinnern und an die wir uns anzunähern beginnen: die ‚Mediation’. Aristoteles spricht von ‚Schlichtungsgerichten’: „Gehörig [Billig] ist auch noch […] [mit einem] Streitfall […] lieber vor das Schlichtungsgericht als vor das Streitgericht zu gehen, denn der Schlichtungsrichter hat das, was ange282 bracht ist, im Auge, der Verhandlungsrichter [dagegen] das Gesetz, denn gerade deshalb wurde das Schlichtungsgericht eingerichtet, damit auch zum Zug komme, was angebracht 283 [billig] ist.“ (Hervorhebungen von mir)

276 Dazu in Kapitel VI 1 und 5. 277 Dazu Kapitel II 14. 278 Dazu in Pkt. 4 Anm. 529. 279 I 13, 1374b. 280 Vgl. dazu Kapitel VII 4 und 5. 281 Darauf einzugehen ist schon deshalb nötig, weil bis heute – oft auch noch zeitlich undifferenziert – die Meinung vertreten wird, die griechische Gerichtsbarkeit habe eine „streng positivistische Haltung“ eingenommen. So insbesondere H. J. Wolff (1970, 68 f) und ihm folgend Thür (2000). 282 Die Übersetzung von yQJFJLzK mit ‚angebracht’ ist schlecht; vgl. dazu Kapitel II 13: ‚Adjektivische Form ist älter’. – Zitiert nach: Aristoteles, Rhetorik (1999, 66). – Generell sei hier angemerkt, dass es in der Tat ein bis heute kaum gelöstes Problem darstellt, dass auch hochkarätige philologische Übersetzungen den juristischen Gehalt dieser Texte bei weitem nicht auszuschöpfen vermögen. Der einzige Weg führt hier über eine angemessene Zusammenarbeit, die aber bis heute nicht oder doch nur sehr selten stattfindet; dazu in Kapitel VI 2: ‚Sicherungsmittel: Bürgschaft …’ (J. Partsch, A. Steinwenter, G. M. Calhoun). 283 Aristoteles, Rhetorik I 13, 1374b. – Auf die für das griechische Rechtsdenken charakteristische Epieikeia/Billigkeit gehe ich in Kapitel II 13 näher ein.

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‚Rechtswissenschaft’ und ‚Jurisprudenz’

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Diese griechischen Entwicklungen waren nicht so ‚primitiv’ wie sie mitunter pauschal im Gefolge einer geradezu verächtlichen Betrachtungsweise der griechischen Rechtsentwicklung und Gerichtsbarkeit dargestellt wurden; im Gegenteil, sie waren vielleicht zu modern und widersprachen deshalb dem europäischen streitigen Prozess- und Systemverständnis. Dadurch war es nicht möglich, mit ihnen angemessen umzugehen und sie zutreffend zu bewerten.284 – Es macht für das zeitliche Entstehen der Rechtswissenschaft auch einen wesentlichen Unterschied, ob eine Kultur – wie die griechische – vollständig oder doch weitgehend die allgemeinen Wissenschaftsgrundlagen (mit Logik, Grammatik und Beweislehre) sowie die Voraussetzungen für das Entstehen wissenschaftlicher Teildisziplinen selbst schaffen muss, oder ob sie – wie die römische – diese unabdingbare und grundlegende Entwicklungsarbeit übernehmen und dann relativ rasch und einfach mit der (ebenfalls schon von den Griechen begonnenen) Spezialisierung – auch im Bereich der Rechtswissenschaft – fortfahren kann.285 Zu wenig beachtet wurde bisher wohl auch der Umstand, dass die Jurisprudenz keine originäre, sondern bloß eine abgeleitete Wissenschaft in dem Sinne ist, dass sie nahezu ihr gesamtes Handwerkszeug anderen wissenschaftlichen Disziplinen, vor allem der das wissenschaftlich-methodische Denken und Handeln aufbereitenden Philosophie entnimmt.286 Kaum anderswo als in den Platonischen Dialogen – und hier etwa im ‚Sophistes’ –, im Werk des Aristoteles und auch im theophrastischen ‚Peripatos’ wird deutlich, wie groß und bedeutsam die geistigmethodische Vorbereitung des späteren (römischen) Rechtsdenkens durch die griechische Philosophie war.287 Das gilt – wie schon angedeutet – insbesondere für den gesamten Bereich rechtlich-wissenschaftlicher Methoden, die Beweislehre, Logik, Hermeneutik, Rhetorik und Grammatik, die nahezu lückenlos vorgebildet waren und vor allem auch für die – wohl aus prozessualkontradiktorischer Praxis, also forensisch entstandene – Dialektik.288 – Man hät-

284 Zum Verständnis des streitigen Prozesses als ‚soziales Übel’ durch den Schöpfer des österreichischen Zivilprozessrechts Franz Klein sowie zur Fundierung des streitigen Verfahrens im Krieg und der Vernichtung des Gegners meine Überlegungen: 1999, 45 ff (Vortrag). 285 Hier soll nur erwähnt werden, dass trotz der beeindruckenden und umfassenden wissenschaftlichen Tätigkeit von Aristoteles, Theophrast und anderen auch schon eine Art spezialisierende Arbeitsteilung praktiziert wurde; dies allerdings auf der Grundlage einer vorhandenen wissenschaftlichen Basis, die Spezialisierungschritte zu tragen vermochte. Das gilt noch heute: Eine Spezialisierung ohne solide wissenschaftliche Grundlage wird nicht wirklich etwas leisten können. 286 F. Schulz (1961, 7) verweist diesbezüglich auf Mommsen, der die Meinung vertrat, „alle Wissenschaft [sei] Luxus“. Für F. Schulz gilt dies für „die Rechtswissenschaft [in] besonderem Masse“! 287 Dazu insbesondere Kapitel VI 6, VII und VIII. 288 Ich gehe auf die Dialektik mehrfach ein; zunächst in Kapitel II 4 (Antiphon). Zu den verwandten – etwa Thukydideischen – ‚Antilogien’ in Kapitel II 4: ‚Weiteres zur normativen Abgrenzung von Zufall’ und in Kapitel IV (am Anfang): ‚Strasburger zum Historiker Thukydides …’.

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te schon sehr beschränkt sein müssen, um etwa die Vorgaben bei Plato oder das Wissenschaftsdenken bei Aristoteles und Theophrast das hinreicht bis zu konkreten Anleitungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, nicht rasch und leicht nutzen zu können.289 Das di(h)airetische Verfahren, also das schrittweise Herauslösen des zu bestimmenden philosophisch-wissenschaftlichen Gegenstands aus allen übergeordneten Gattungen und die Abgrenzung von allem Benachbarten und die schließliche zusammenfassende Schlussbestim290 An dieser von ihm als ‚Trennungskunst’/EJBLSJUJL› bezeichneten mung schildert Platon. Methode lässt sich nicht nur das Entstehen philosophischer Fragestellung, sondern überhaupt das Entstehen wissenschaftlichen Fragens, Einteilens und Vorgehens, bis hin zum Entstehen der Definition nachvollziehen. Ein derartiges Denken musste für die sich erst bildende Rechtswissenschaft – ihr Fragen und Aufbereiten von Problemen bis hin zur Aufbereitung des Sachverhalts und Lösung des Falles – wie geschaffen erschienen sein.

Ciceros und anderer Römer Bewunderung für die griechische Kultur wird daher wohl nicht ganz zufällig immer wieder von Hochmut begleitet, was eher defensive und narzistische Züge offenbart. Davon scheint bis heute etwas erhalten geblieben zu sein. Man vergleiche nur die Hinweise bei Gernet,291 der von Ciceros „überlegene[r] Verachtung“ gegenüber dem griechischen Recht spricht und über Cicero hinaus bei Troje:292 „Muster eines römischen Parasiten, der Ausnutzung griechischer Leistungen mit Griechenverachtung verbindet, ist der ältere Cato; auch er steigert wie jeder Großgrundbesitzer den Ertrag seiner Latifundien, indem er griechische, wissenschaftlich begründete, d. h. die Erkenntnisse von Botanik, Zoologie, Geologie und Ökonomie nutzende Bewirtschaftungsmethoden übernimmt. Er schreibt gar sein Buch ‚Vom Ackerbau’ in Form und Inhalt nach griechischen Vorbildern; man kann sich griechischer Kulturleistungen bedienen und doch die Hervorbringer jener Kultur als Griechlein, Graeculi, verspotten oder gar, unter Umdrehung des Spießes, ihrerseits als Parasiten diffamieren.“

Ich verweise hier auf den von vorbildlicher und kritischer Wissenschaftseinstellung getragenen Beitrag von F. Hampl, Stoische Staatsethik und frühes Rom, der klarstellt, was in diesen Fragen von der beschönigenden Sichtweise Ciceros zu halten ist.293

289 Dazu Kapitel VI 6: ‚Zur Wissenschaftsphilosophie des Aristoteles …’. Zu den in manchem noch praktikableren aristotelischen Anleitungen Düring, in: RE Suppl. Bd. XI (1968) 159 ff. 290 Der Sophist 203 und 205; aaO 13c ‚Trennungskunst’. 291 1938/1968, 5. 292 1971a, 12 f. 293 Hampls Ausführungen sind ua. in Kapitel VII 1: ‚Rechtsbewusstsein, Rechtsgefühl – Goldene Regel wiedergegeben.

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Periodisierung der griechischen Rechtsentwicklung

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Neben den allgemeinen historisch-politischen Rahmenbedingungen mag zur Entwicklung des römischen (Privat)Rechts auch beigetragen haben, dass das Rechtsdenken für die Römer – ganz im Gegensatz zu Dichtung und Theater, zur Philosophie, überhaupt zu den Künsten, der Architektur und Skulptur und anderen Kulturdisziplinen – die Chance bot, die Ergebnisse der Griechen wenigstens im Teilbereich des Privatrechts zu übertreffen. Obwohl solche Zusammenhänge bislang kaum erwähnt wurden, sind sie für das Verständnis der Wissenschaftsgeschichte von Bedeutung. – Es wird daher hier von verschiedenen Seiten aus versucht, auch dem Einfluss des griechischen auf das römische (Rechts)Denken nachzugehen und daneben die Eigenentwicklung des griechischen Rechts hin zu einer griechischen Jurisprudenz und Rechtswissenschaft zu zeigen, wenn dies auch nur mittels weniger Besipiele geschehen kann.294

Periodisierung der griechischen Rechtsentwicklung Doch zuvor soll noch das griechische Rechtsdenken in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung durch mehrere Jahrhunderte skizziert werden. Auch dafür bietet uns zunächst G. M. Calhouns Essay, Greek legal science295 eine erste Hilfestellung in Form einer Periodisierung an, auch wenn manche Einschätzung mittlerweile überholt sein mag. Die Korrekturen finden sich im Anschluss. Dieser Zeitrahmen hatte bis vor wenigen Jahrzehnten seine Gültigkeit. Heute stellt sich manches anders dar. Ich belasse aber diesen Zeitrahmen, weil er meines Erachtens eine Hilfe für das Verständnis der älteren Literatur gewährt: „The legal thought of the Greeks, […] must be viewed in a process of continual change and evolution. Yet it is advisable to distinguish certain definite periods, in each of which some dominant factor in the social, political, economic, or cultural environment strongly influences the course of development. Five periods may be considered under the following headings:

• Primitiv Monarchy, extending to about 800 B.C. • Aristocracy, from about 800 to 650 B. C. • The Age of the Lawgivers, from about 650 to about 500 B. C. • Athenian Democracy, 503-338 B. C. • The Hellenistic Period, 338-30 B. C.”

Die Gliederung in durch Herrschaftsformen gekennzeichnete Phasen, wie Calhoun sie vornimmt,296 ist heute nicht mehr auf der Höhe der Zeit und der histori-

294 Eine ‚Katalogisierung’ aller bisher erreichten einschlägigen wissenschaftlichen Ergebnisse erscheint mir überfällig; vgl. mein Beitrag in: 2006c, 412 f (FS Haider). 295 1944/1977, VIII und 1 f. 296 1944/ 1977, VII.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

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schen Wissenschaft. Die Phasen werden aber angeführt, weil sie zeigen, von welchen Voraussetzungen die Altertumswissenschaft lange ausging und wie wenig die Rechtswissenschaft die inzwischen erreichten Einsichten rezipiert hat. – Heute wird von immer mehr Althistorikern und Archäologen weder eine eigene Zeit der Königsherrschaft,297 noch eine diese ablösende Zeit der Aristokratie/Monarchie298 angenommen. So vermutet etwa M. Stahl299 für die archaische Zeit Athens zutreffend die Existenz adeliger Familien, nicht aber eine ‚Aristokratie als handlungsfähige soziale Gruppe’, weil es diese „gar nicht gab“. Ungefähres Datum: alle Daten v. u. Z. Vor ~ 800

Vorherrschende politische Institutionen Frühe Monarchie

Law/Recht

Historische (Haupt)Quellen

Gewohnheitsrecht

Historische Dichtung: Homer Dichtung Hesiods + Homerische Hymnen

~ 800 – 650

Aristokratie

Gewohnheitsrecht

~ 650 – 500

Aristokratie oder Tyrannis

Frühe schriftliche Gesetzgebungen

508 – 338

Demokratie oder Oligarchie

Gesetzesrecht oder geänderte aristokratische Gesetzgebung

338 – 30

Makedonische + hellenistische Monarchien

Gesetzesrecht + königliche Edikte

Frühe Lyrik + Vorsokratiker Überlieferung Inschriften + Attische Redner Historiker + Drama + Philosophie: Sokrates, Aristoteles, Theophrast Inschriften + Papyri + Historiker + Theophrast, Stoa etc. + Neue Komödie

Abb. 2: Phasen griechischer Rechtsentwicklung: Nach G. M. Calhoun

Die moderne und neutralere Einschätzung der Entwicklung von Herrschaft und ihrem zeitlichen Ab- oder Verlauf, die wiederum manche Nuancierung kennt, lautet heute für die nach-mykenischer Zeit, nach deren Zusammenbruch um ~ 1200 v. C. eine ‚submykenische Übergangszeit’ bis 1125/1100-1050 v. C. angenommen wird, in etwa folgendermaßen: • Spätestens um ~ 1100 (meist schon um 1200) v. C. lässt man die sogenannten Dunklen 300

Jahrhunderte beginnen und bis etwa ~ 800 v. C. (oder auch länger bis 700) dauern.

• Dann beginnt das sogenannte archaische Zeitalter, das vom klassischen Zeitalter (~ 500 bzw. den Perserkriegen bis 338 v. C.) abgelöst wird.

• Daran schließt das Zeitalter des Hellenismus (bis ~ 30 v. C.).

297 Vgl. Drews 1983, 129 ff, Welwei 2002, 53 ff, 60 ff, 72 ff sowie Ulf (2001), jeweils mwH. 298 Vgl. Anm. 297. 299 1987, etwa 256 ff, insbesondere 260 f. 300 Dazu S. Deger-Jalkotzy, in: DNP III (1997) 838 ff.

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Einflussphasen des griechischen auf das römische Recht

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Ich stelle wegen der vielen kleinen, mitunter auch größeren Unterschiede grundsätzlich auf K.-W. Welwei, D. Lotze und Barbara Patzek ab.301 Welwei und Patzek und mit ihnen andere – unterscheiden innerhalb der Dunklen Jahrhunderte nach den Stilphasen der Vasenmalerei eine submykenische (1125/1100-1050 oder 1075-1025 v. C.), protogeometrische (1050-900 oder 1025-900 v. C.) und eine geometrische (900-700 v. C.) Periode. Patzek teilt die geometrische Zeit noch in eine früh-, mittel- und hochgeometrische (900-750 v. C.) sowie eine spätgeometrische von 750-700 v. C., auf welche sie von ~ 700-650 v. C. eine orientalisierende Epoche – so benannt wegen des starken Kulturaustausches der Griechen mit dem Vorderen Orient (Literatur/Epen, Kunsthandwerk, Mathematik, Astronomie, Weisheitslehren etc. – folgen lässt.302

Einflussphasen des griechischen auf das römische Recht Für die Annahme einer griechischen Jurisprudenz und Rechtswissenschaft spricht auch ein einfacher Gedanke, der bislang kaum beachtet wurde: nämlich der Umstand, dass es für die hohe Qualität eines Rechts und seines Rechtsdenkens spricht, wenn das vielgerühmte römische Recht davon immer wieder Versatzstücke übernommen oder doch dafür benützt hat, griechische Lösungen in der Art einer Spolienarchitektur in das eigene Rechtsgebäude einzupassen. Dies geschah durch etwa ein Jahrtausend und in ganz verschiedenen Rechtsschichten und Rechtsebenen: nämlich im Bereich der internationalen (griechischen) Verkehrssitte, der Urkunden-, Register-, Archiv-, Notariats- und Anwaltspraxis und zahlreichen Einzelregelungen, aber auch ganzen Rechtsbereichen wie dem Staats- und Verwaltungsrecht, dem ius naturale und dem ius gentium (von den Einflüssen der griechischen Philosophie einmal abgesehen). – Es war also nicht nur die griechische (Rechts)Philosophie, die die Römer und ihr Rechtsdenken beeinflusst hat, mag sie auch wichtig gewesen sein. Die griechische Kultur und ihr bereits entwickeltes Rechtssystem und Rechtsdenken wirkten – soweit dies noch feststellbar ist – zu ganz verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlicher Intensität auf die römische ein, wobei sich diese Einflüsse auf einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren (!) erstrecken.303 – Dabei erscheinen die wesentlichen römischen Entwicklungsschübe, insbesondere die drei großen römischen Rechtsmonumente griechisch beeinflusst: Das Zwölftafelgesetz, die lex Aquilia (mit ihrer kausaltheoretischen und haftungsrechtlichen Weiterentwicklung) und die Entwicklung des ius praetorium oder honorarium (auf der Grundlage des Formu-

301 Welwei (2002), Lotze (20035), Patzek (2003). 302 Ein Zeittafel findet sich in Kapitel VI 4. – Die Bezeichnung ‚orientalisierende Epoche’ soll aber weder einen Kulturaustausch vor noch nach der genannten Zeit ausschließen. 303 Vgl. dazu die Beispiele in Kapitel VI 5.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

larprozesses mit aequitas, Fremdenrecht und ius naturale). Auf dieser Grundlage errichteten die ‚veteres’,304 die klassischen Juristen, die Kaisergesetzgebung und schließlich Justinian das, was wir als römisches Recht bezeichnen. Es kann demnach weder davon die Rede sein, dass das römische Recht autonom seine Größe errreicht hat, noch davon gesprochen werden, dass diese Entwicklung eine mehr oder weniger notwendige Folge der einmaligen juristischen Begabung des römischen Volkes gewesen sei. Das römische Recht durchlief dem griechischen Recht vergleichbare Entwicklungsstufen, wenngleich mit einer Zeitverschiebung von etwa 200-300 und mehr Jahren. Diese jeweils ‚nationalen Entwicklungsstufen’ decken sich nicht (völlig) mit den in der Folge dargestellten ‚Einflussphasen’. – In der Frühzeit existiert in beiden Völkern offenbar ein ‚nomologisches Wissen’, aus dem heraus in Griechenland im Laufe der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. C. – ausgelöst wahrscheinlich durch Einflüsse aus dem Alten Orient – das Instrument des Thesmos305 und erste Gesetzgebungen entstehen: Zaleukos ~ 660 v. C./LokriUnteritalien, erste kretische Poleis ~ 650 v. C. (Dreros),306 Drakon 624/3 oder 621/20 v. C. und Solon 594/3 v. C. für Athen,307 Charondas ~ 550 v. C./KataneSizilien, Gortyn-Kreta308 ~ 450 v. C. uam.). In Rom beginnt dieser Prozess – wahrscheinlich griechisch beeinflusst – ziemlich genau 200 Jahre später mit dem Zwölftafelgesetz (451/50 v. C.). Das ist für Rom der fassbare Beginn des ius civile. In Athen beginnt am Ende des 6. Jahrhunderts v. C. – 508 v. C.: Reformen des Kleisthenes – bereits die dritte Entwicklungsstufe, die das ‚nomologische Wissen’ und den Thesmos zum neuen Nomos(denken) verschmilzt. Ein Prozess, der bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts v. C. anhält. In Rom beginnt (nach ersten früheren Ansätzen, insbesondere der Schaffung der lex Aquilia 287/6 v. C. und eines praetor peregrinus 242 v. C.) erst nach 200 v. C., insbesondere ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. C. die zweite Entwicklungsstufe. Nach 150 v. C. wächst der – griechisch vermittelte – Einfluss des ius honorarium auf das ius civile, was auch zur Entstehung des ius gentium führt. Vermittler auf dem Weg vom römischen ius civile zum ius honorarium und ius gentium war das Recht des Fremdenprätors (ius peregrinum),309 das sich stärker an griechischen Einflüssen, ua. auch an der grie-

304 Horak (1992). 305 Auf den Begriff ‚Thesmos’ gehe ich noch ein; vgl. aber allgemein zu Verständnis und Entwicklung Maschke 1926/19682, 29 ff. 306 Zu Dreros: RE V (1905) 1699 (Bürchner) und Suppl. VII (1940) 128-149 (E. Kirsten). 307 Zur unsicheren Datierung Solons und wohl auch vieler anderer älterer Daten ‚vor’ dem sogenannten Ionischen Aufstand (~ 510 v. C.): Kapitel II 1 (am Beginn). 308 Zu Gortyn in Kapitel II 18. 309 Zum Fremdenrecht in diesem Kapitel Pkt. 4 ab Anm. 512.

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Die einzelnen Phasen

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chischen ‚Epieikeia’, die zur römischen aequitas wird, orientiert. – Das führte zu der von G. M. Calhoun beschriebenen Entwicklung.310

Die einzelnen Phasen Erste Phase Die erste Einflussphase des griechischen auf das römische Recht beginnt bereits vor dem Erlassen des Zwölftafelgesetzes (451/450 v. C.),311 wobei hier außer Acht bleiben muss, ‚ob’ und allenfalls ‚wie’ vorher und nachher ein Einfluss von Magna Graecia und Sizilien aus, auf die Römer ausging. Immerhin kennen wir – von der Solonischen Gesetzgebung abgesehen312 – zwei große und frühe griechische Gesetzgebungen in diesem Gebiet, die ihren römischen Nachbarn nicht unbekannt geblieben sein konnten: Es sind dies die des Zaleukos von Lokri/Epizephyros in Unteritalien (vor der Mitte des 7. Jahrhunderts v. C.?) und die des Charondas im sizilischen Katane im ~ 6. Jahrhundert v. C.313 – Calhoun314 stellte zu dieser Entwicklungsstufe andernorts fest: „Yet we may feel reasonably certain that Roman law, in the early stages of its development, was materially influenced by its contact with the superior Hellenic culture of Southern Italy and Sicily. These western centers of Greek life and thought were wealthy, powerful, highly disciplined cities when Rome was still scarcely distinguishable from the barbarous tribes around her, and to them Rome certainly owed a great deal besides the protection from Carthaginian aggression that kept her from being strangled in infancy. The legal institutions of these [Greek] states were reputed to be the work of the most illustrious among the early ‘lawgivers’, and their development had been both rapid and sustained. It is undeniably significant that it was precisely these communities which afforded the Romans their first experience of Hellenic culture and were being brought constantly into closer relations with Rome in the course of the centuries that saw the development of the jus civile. In the next period, which is associated with the jus gentium, it is admitted that Rome began to learn much about law and its administration from other peoples, and much that she learned bears incontestably the stamp of Grecian origin.”

310 Dazu nach Anm. 321. 311 Vgl. dazu auch in Kapitel II 6. 312 Dazu Kapitel II. 313 Vgl. dazu Kapitel II vor Pkt. 1. 314 1923, 302 mwH: insbesondere auf Goudy und Gibbon.

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Zweite Phase Die zweite Phase beginnt – cum grano salis – mit dem 3. Jahrhundert v. C. (lex Aquilia: 287/86 v. C.)315 und verstärkt sich um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. C. – Sie steht dann vor allem mit dem endgültigen Verlust der politischen Selbständigkeit Griechenlands und der politisch-militärischen Ausdehnung Roms in Zusammenhang. – Dazu F. Schulz:316 „Mit dem Erstarken des römisch-italischen Nationalgefühls und des in ihm enthaltenen kräftigen Bewusstseins juristischer Überlegenheit wächst auch gerade auf dem Gebiete des Rechts Widerstandsfähigkeit und Widerstandswille gegenüber ausländischen Einflüssen. Aber vollkommen einheitlich ist die römische Haltung in dieser Frage keineswegs. In der Republik, in der noch so vieles in Fluß ist, sind auch die römischen Juristen und Staatsmänner sichtlich 317 aufgeschlossener und aufnahmebereiter als die orthodoxen Klassiker des Prinzipats. Die überlegenen, weltbürgerlich-freien Worte, die Sallust dem Cäsar in den Mund legt: ‚Die Vorfahren seien nicht zu stolz gewesen, ausländische Einrichtungen nachzuahmen [das ist natürlich auch für die erste Rezeptionsphase von Bedeutung]; was ihnen bei Freund und Feind brauchbar schien, das haben sie mit großem Eifer auch zu Hause durchgeführt; sie haben es vorgezogen, die Tüchtigen nachzuahmen statt sie zu beneiden’, – geben die römische Stimmung der letzten hundertfünfzig Jahre der Republik richtig wieder, wie die Betrachtung der Einzelheiten zeigt. Die Zeit des Prinzipats, wohl auch unter dem Eindruck der nationalen 318 Tendenzen des Augustus, ist hier viel zurückhaltender.“ (Hervorhebungen von mir)

Rom, mittlerweile zur führenden politischen Macht des Mittelmeerraums geworden, wird nach dem Niederringen der letzten griechischen Widerstände von Sklavenmassen319 überschwemmt, darunter eine beträchtliche Zahl von Geiseln aus den besten und gebildetsten griechischen Familien. In der Folge verlassen viele Griechen auch freiwillig ihre Heimat, um ihre Chance in Rom zu suchen.320 – Diese zweite Einflussphase ist für die spätere Entwicklung des römischen Rechts von entscheidender Bedeutung. Es werden die ersten Schritte zu einer römischen Rechtswissenschaft gesetzt. In ihr fließt der große Reichtum der griechischen Kultur, insbesondere von Philosophie, Dichtung/Literatur, Gram-

315 Dazu mein Lehrbuch: 2004a, II 582 f. 316 1934/1954, 85 f. 317 Wir werden sehen, dass gerade auch die römischen Klassiker manches aus Griechenland übernommen haben, auch wenn diese Übernahme idR nicht als solche gekennzeichnet ist. Das hat wohl der römische Stolz nicht zugelassen. Zur Methode der Übernahme schon oben ‚Einleitung’ (Fall 2): Gellius und Cicero. 318 Zur Augustäischen lex Iulia de adulteriis, die offenbar Solonischen Vorbildern folgt: ‚Einleitung’ bei Anm. 121 und Kapitel II 10: ‚Zum solonischen Nomos Moicheías’ und hier bei Anm. 506. 319 Die genauen Zahlen sind strittig. 320 Dazu in Pkt. 4 bei Anm. 555: Philosophengesandtschaft.

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Die einzelnen Phasen

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matik und Rhetorik – mit jeweils wichtigen Rechtsinhalten – nach Rom und legt die Grundlagen für eine Erneuerung und insbesondere Verwissenschaftlichung des römischen Rechtsdenkens. Diese Periode dauert von etwa 200/150 v. C. bis zum Ende der Republik oder bis zum Beginn unserer Zeitrechnung (Anfang des Prinzipats). Das sind 150 bis 200 Jahre. – Auch dazu vermittelt Calhoun einen gerafften Überblick:321 „During the latter half of the republican era the jus gentium, originating apparently as a body of Mediterranean commercial law first administered in Rome by the praetor peregrinus, was gradually supplanting the jus civile. It is impossible to do more than mention a far-reaching changes in which the influence of Greece may be discerned or credibly inferred. The greatest of these was unquestionably the enactment of the lex Aebutia, which permitted the praetores urbani to substitute for the rigid and unwieldly procedure per legis actiones, even in suits between citizens, the simpler and more flexible formulary procedure that had been developing in the court of the praetor peregrinus. This seems rapidly to have replaced the legis actiones in actual practice and to have been made compulsory in all courts under Augustus; its appearance was of tremendous import to the future evolution of both adjective and substantive law. In general the prominent part taken by the peregrine praetor throughout this period in the reshaping of the law is regarded as the result mainly of the wide experience of other systems and usages that came to him by the very nature of his jurisdiction, and we know of no other source upon which he could have drawn comparable in extent or scientific character to the Hellenic law which had long regulated the transactions of the Mediterranean world. One is tempted to believe that the formulary procedure, in particular, may very well owe something of its character to the Roman magistrate’s observation of the simple and effective system of pleading which the Athenians had perfected as early as the fourth century before Christ.”

Calhoun betont, dass viel wichtiger als einzelne nachweisbare griechische Einflüsse die übernommene und in der (Rechts)Entwicklung Roms die Oberhand gewinnende Tendenz gewesen sei, „to emphasize considerations of general equity as opposed to strict law and to regard substance rather than form in the application of legal remedies.” Mehr als auf Einzeleinflüsse sei dieser Ausrichtung des römischen Rechtsdenkens der Veränderungsprozess zuzuschreiben, „by which Roman law was at last freed from its long bondage to primitive formalism and enabled to assume the philosophic and scientific character that distinguishes its maturity. And this trend, in the praetor’s edict as in the responses of jurists, in consuetudinary law as in legislation, must be ascribed in no slight measure to the influence of Greek thought, the study of Greek literature and philosophy, and increasing acquaintance with a system of law that had, centuries earlier, successfully reconciled the conflicting claims of equity and strict law, substance and form, simplicity and security, flexibility and stability.”

321 1923, 303 f.

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Zwischen zweiter und dritter Phase liegt meines Erachtens eine Zeit, die die römische Klassik mitkonstituiert hat. Griechischer Einfluss ist hier ebenso wahrscheinlich und darüber hinaus auch nachweisbar. Insgesamt erscheint aber noch vieles ungeklärt: Man vergleiche nur die Hinweise bei Maridakis bezüglich einer möglichen Übernahme der von Demosthenes oder Platon stammenden Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht durch Ulpian322 oder die wohl auf Solonische Wurzeln zurückführbare römische actio institoria323 sowie Teile der eben erwähnten Augustäischen Ehegesetzgebung.324

Dritte Phase Die dritte Einflussphase betrifft in erster Linie den Zeitraum von der Eingliederung der afrikanisch-ägyptischen und der Gebiete der späteren Provinz Asia in das römische Imperium, die nach dem Zerfall des Alexanderreichs vornehmlich oder ausschließlich unter griechischem Recht gelebt hatten; Diadochenstaaten der Ptolemäer, Seleukiden und Antigoniden.325 Dieser Einfluss des hellenistischen Griechenland währte erneut über Jahrhunderte und intensivierte sich nach der Constitutio Antoniniana (212 n. C.),326 erreichte unter Konstantin (~ 280-337 n. C.), der die Konsolidierungspolitik Diokletians (~ 230-313 n. C.; Kaisererhebung: 284 n. C.)327 fortsetzt und 330 n. C. das alte griechische Byzanz als Konstantinopolis zur neuen Hauptstadt des Reichs macht, einen ersten Höhepunkt, um schließlich in der Kodifikation Kaiser Justinians – dem Corpus Iuris Civilis – einen vorläufigen Abschluss zu finden.

322 Dazu Pkt. 10 bei Anm. 2572 mwH und in Kapitel II 10: ‚Frühe (andere) Gesetzgeber’ und insbesondere in Kapitel VI 8: ‚Rechtsschöpfungen des Demosthenes – (1) Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht’. 323 Dazu in Pkt. 10 bei Anm. 2534 mwH. 324 Dazu eben Anm. 318. – Weitere Beispiele für wahrscheinliche Rezeptionen/Transfers durch Ulpian (s. in diesem Kapitel Pkt. 9 bei Anm. 2380 und insbesondere in Pkt. 10 ab Anm. 2581) und Gaius (s. etwa die Punkte 4 Anm. 515 und 5 Anm. 2380 dieses Kapitels sowie in Kapitel II die Punkte: 5 (Zufall) sowie 9 (obligatio und Synallagma), 10 (a. finium regundorum) und (Vereine) und Pkt. 12 (Privatrechtssystem) ergänzen dieses Bild. 325 Dazu I. Weiler 1988², 256 ff. 326 Dazu auch oben bei Anm. 223 und in Kapitel VIII. – Der Beginn dieser Einflussphase fällt noch in die (Spät)Klassik; Papinian (Hinrichtung 212 n. C.), Ulpian (ermordet 223 n. C.), Paulus. 327 Zu Diokletian Taubenschlag 1934, 305 f und derselbe 1923, 141 ff: Diokletian versuchte eine Neubelebung klassischer Rechtstraditionen und kämpfte gegen die „weitgreifende Hellenisierung“ des römischen Rechts an. Das Ergebnis sind ein ‚seltsamer Rechtsdualismus’ und ‚Mischformen’. – Anders als Diokletian öffnet sich Kaiser Konstantin viel stärker dem Einfluss des griechischen Rechts.

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Die einzelnen Phasen

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Als charakteristisch für die Beziehung zwischen dem römischen und dem kosmopolitischen Recht des Hellenismus erachtet Calhoun „the growth and formulation of the so-called jus naturale“, das dem griechischen Rechtsdenken und der gesamten griechischen Kultur so vieles verdanke.328 Die zahlreichen Papyrusfunde am Beginn des 20. Jahrhunderts hätten uns gezeigt, dass in den östlichen Provinzen des römischen Reiches drei Rechtssysteme nebeneinander bestanden und sich gegenseitig beeinflusst hätten: römisches, griechisches und das jeweilige einheimische Recht. Zum ‚Corpus Iuris Justinians’ merkt E. Levy an:329 „Wir werden uns immer entschiedener darauf einzustellen haben, dass das Recht des Corpus iuris nicht das lebendige Recht des justinianischen Zeitalters ist. Es ist eine weltgeschichtliche Paradoxie von seltener Schärfe, dass die einflußreichste Kodifikation aller Zeiten zu keiner Zeit wirklich gegolten hat.“ – Für diese Phase gilt: „Es ist wohl heute Gemeingut der romanistischen Forschung, dass die mannigfachen Änderungen, die das römische Recht seit dem Abschluß der klassischen Epoche erfahren hat, zu ihrem größten Teil nicht auf eine von dem Kaiser Justinian plötzlich ergriffene Initiative zurückgehen, sondern bereits vor ihm in der so330 genannten Zwischenzeit allmählich entstanden sind.“

Zum ‚Fortwirken der griechischen Philosophie’ bemerkt Oehler:331 „Das Ende der antiken Welt war nicht auch das Ende der griechischen Philosophie. Dieses schlichte Faktum ist im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten.“

Wir sollten uns fragen, ob nicht ähnliches für das griechische Recht und Rechtsdenken gilt, auch sein Fortleben inhaltlich und zeitlich anders als das der Philosophie verlaufen sein mag. Seine Nachwirkungen reichten wohl ebenfalls weit über Justinian hinaus. Die Jahrhunderte nach Caracallas Constitutio Antoniniana sind ferner durch eine kontinuierliche „Verlagerung des Schwergewichts der römischen Macht nach dem Osten“, den „Siegeszug der hellenistischen Kultur und Wissenschaft“ sowie das allmähliche Vordringen christlicher Ideen gekennzeichnet.332 – In dieser letzten Phase wird der Einfluss des griechischen Ostens immer stärker, und Ernst Levy meint: „Der gebende Teil war dabei gewiß vor allem der Osten“:333

328 1923, 304. 329 1929/1963, 170. 330 1929/1963, 163. 331 1969, 9. – Oehler hält die Zeit reif, „für eine Änderung der Gesichtspunkte“. „Die von der heute immer noch allgemein üblichen Betrachtungsweise abweichende neue Konzeption berücksichtigt die Beziehung zwischen antiker und byzantinischer Philosophie und bekommt so überhaupt zum erstenmal die Einheit der griechischen Philosophie ganz in den Blick. Dadurch werden Zusammenhänge sichtbar, die bisher unsichtbar waren“. 332 1929/1963, 164. 333 1929/1963, 179 ff. – Hervorhebungen von mir.

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„Das zeichnet sich schon äußerlich durch die Tatsache ab, dass seit der Trennung der Gesetzgebung das Ostreich keine einzige Novelle des Westreiches mehr rezipiert hat, wohl aber östliche Novellen im Westen aufgenommen und gesammelt worden sind und dort zum Teil ihre Interpretation und Übernahme ins Breviar gefunden haben. – Vom Osten aus ist namentlich die Schrift als allgemeinste rechtsgeschäftliche Form in den Verkehr eingedrungen: sie vermag die Manzipation und Tradition wie die Stipulation zu ersetzen und macht den Kaufvertrag ohne Rücksicht auf die sonst nötige Zahlung bindend. Von hier haben gewiß auch der Haftungsmaßstab der diligentia und die Verdrängung der custodia durch die culpa ihren Weg genommen. Desgleichen die Vorstellung von der hereditas als einer universitas, einer organischen Einheit. Hellenistisch ist wohl ferner die jederzeitige Widerruflichkeit der nun dem Le334 gat ganz angeglichenen donatio mortis causa. Ob aber auch die Ausnahmevorschrift hierher gehört, nach der sich Schenkungen zwischen Eltern und Kindern ohne allen Realakt durch bloßen Konsens vollziehen können, ist zweifelhaft.“ (Hervorhebungen auch von mir)

Calhoun335 bringt die lang andauernde und mitunter intensive Beziehung zwischen der römischen und der griechischen Kultur, zu der auch das Rechtsdenken gehört auf den Nenner: „[…] that a critical study of Roman law worthy of the name cannot disregard the Greek law either Hellenistic or earlier times.“

‚Leistungen’ des griechischen Rechts In meiner Studie geht es mir aber nicht allein darum, auf diesen Anteil der griechischen Kultur am römischen Recht hinzuweisen. Es liegt mir auch daran zu zeigen, welche grundlegenden und bleibenden rechtstheoretischen wie rechtspraktischen Leistungen das griechische Recht und Rechtsdenken schon aus sich heraus zu einer Zeit erbracht haben, als ‚das’ römische Recht noch gar nicht oder doch nicht als das existierte, wofür es heute steht. Die mittelalterliche Auslegungsmaxime, die den Titel des Buches bildet, bedeutete für die Bearbeitung des justinianischen Gesetzeswerkes, dass andere antike Rechtsquellen als die des römischen Rechts, keine Beachtung finden ‚sollten’!336 – An die Stelle kollektiver Verdrängung und Vernachlässigung, ja beinahe Ausgrenzung und Vergessen(machen)s sollte das ‚kulturelle Gedächtnis´treten.337 – Wie anfechtbar oft schon der Ausgangspunkt von Fragen auch großer Wissenschaftler ist, zeigt uns der Beginn von Franz Wieackers wichtigem Buch ‚Vom

334 Zur bedeutsamen Rolle der Schenkung auf den Todesfall: Kapitel II 10 und VI 2. 335 1923, 304. 336 Siehe Pkt. 1 dieses Kapitels. 337 Vgl. J. Assmann (1992/2003³).

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‚Leistungen’ des griechischen Rechts

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römischen Recht. Zehn Versuche’, in dem er im Beitrag ‚Römertum und römisches Recht’ feststellt: 338

„Da sich römisches Wesen besonders ursprünglich im römischen Recht ausspricht, […]“

Dies ließe sich ebensogut für das griechische Rechtsdenken behaupten. Es wäre aber wohl ebenso unzutreffend – weil über Gebühr vereinfachend, zu behaupten, dass sich die hohe Kultur der Griechen aus ihrem besonderen Volkscharakter oder gar ihrer genialischen Natur ableiten lasse. Gegen derartige Argumente ist I. Weiler zu Recht aufgetreten.339 – Sehr realistisch ist auch F. Hampls, „Stoische Staatsethik“ und frühes Rom, der mit Nachdruck betont, dass die Römer – entgegen deren eigener Einschätzung – in Bezug auf die Einstellung zum Krieg, zur Behandlung Besiegter, überhaupt zu Recht und Unrecht oder hinsichtlich ihrer Sittlichkeit oder ihres Rechtsempfindens nicht besser aber auch nicht schlechter waren als die anderen Völker ihrer Kulturstufe.340 Positionen wie diejenige Wieackers fordern die Frage heraus: War das wirklich so? Von meinem Thema her muss ich vor allem fragen: Was wäre aus dem römischen Recht und seinem lange sehr schlichten und unauffälligen Rechtsdenken ohne den Einfluss der griechischen Kultur, insbesondere ohne die griechische Philosophie, ohne die forensische Rhetorik, ohne die Grammatiker, ohne die großartige Dichtung der Hellenen, aber auch ohne das kautelarjuristisch schon so hoch entwickelte griechische Recht und das früh- und vorwissenschaftliche Rechtsdenken mit seinen Rechtsphilosophen, Legisten, Rechtspraktikern, den Notaren, Bankiers und Logographen/Rechtsanwälten sowie den spezifisch juristisch geschulten Beamten geworden? Hätte es ohne all das überhaupt jenes hochentwickelte römische Recht gegeben, das angeblich nur aus ‚römischem Wesen’ geflossen war? Was wäre aus dem ‚römischen Wesen’ geworden, hätte es die vorangegangene (Rechts)Kultur der Griechen, die ihrerseits dem Alten Orient einiges verdankte, nicht gegeben? Lässt sich dieser offenbar starke und prägende griechische Einfluss wirklich völlig vernachlässigen? – Warum wurden und werden immer noch – und zudem nicht nur von Rechtshistorikern und Rechtsdogmatikern, sondern auch von Historikern, Philosophen ua. – überhaupt solche Erklärungen versucht? Die Vorstellung von der so sehr betonten juristischen Begabung des römischen ‚Volkes’ erscheint nämlich nur bei einer völlig isolierten rechtsgeschichtlichen Betrachtung überhaupt haltbar. Solche Pauschalerklärun-

338 AaO 1. Ähnlich die Meinung Kasers (oben Anm. 240). Dazu mehr im Rahmen der Ausführungen zur Entstehung von Rechts- und Unrechtsbewusstsein/Rechtsgefühl in Kapitel VII 1 und in Kapitel I 9 (Völkerrecht). – Kritisch zum üblichen Antagonismus ‚Rom – Griechenland’ auch Troje (1971a, in Anm. 17). 339 1996, 216 f. – Vgl. auch den bei Anm. 316 erwähnten Hinweis von F. Schulz auf Sallust. 340 Ich gehe darauf in den Kapiteln VII 1 (Rechtsgefühl) und Pkt. 9 dieses Kapitels (Völkerrecht) noch ein.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

gen müssen demnach als zeitabhängige Irrtümer der Geschichts- und Rechtswissenschaft insbesondere der Rechtsgeschichte und anderer Disziplinen betrachtet werden. Denn die beschworenen Eigenschaften des römischen Volkes halten einer analytischen Betrachtung insbesondere der Frühzeit Roms, in der die rechtlichen Grundlagen gelegt wurden, nicht stand. Das gilt nicht nur für vernachlässigbare Einzelfragen, sondern auch für so grundlegende wie die Entstehung nahezu aller Rechtsgebiete, die wir heute als Teile der Rechtswissenschaft betrachten; für das gesamte Zurechnungs- und Haftungsinstrumentarium341 oder für den für die ‚Größe’ des römischen Rechts noch bedeutenderen griechischen Einfluss durch die Hereinnahme der Epieikeia als ‚aequitas’, wodurch überhaupt erst die Entwicklung vom antiquierten und unbeholfenen ius civile zum ius praetorium oder honorarium möglich gemacht wurde. Dieser Einfluss begann – über Magna Graecia und Sizilien – lange vor dem Zwölftafelgesetz, ist spürbar im 3. Jahrhundert in der lex Aquilia, leitete dann ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. C. die Fortbildung und Ergänzung des ius civile durch das ius praetorium ein und brachte schließlich die republikanische Jurisprudenz hervor. – In diesem Kontext ist der Hinweis darauf, dass auffallend viele große römische Juristen abstammungsmäßig wahrscheinlich gar keine echten Römer waren, dann schon fast nebensächlich. Realistischer als die Pauschalurteile erscheint es mir daher, mit Bernhard Kübler342 davon auszugehen, dass sich das römische Rechtsdenken – dessen Leistungen nicht angetastet werden sollen – nicht allein dem gewachsenen Römertum verdankt. Im Detail mag der griechische Einfluss auf die römische Jurisprudenz ein Feld unendlichen Streits sein, im Grundsätzlichen sollte er aber außer Streit gestellt werden. Auch Kübler343 meint, dass „die römische Rechtswissenschaft ihr Dasein der Befruchtung durch die griechische Philosophie verdankte“. Aber es war – und das erscheint mir als wichtige Korrektur – nicht nur die griechische Philosophie, die den Römern Anregungen und Lösungsmuster bieten

341 Ich verweise hier nur auf die Zusammenhänge bei der Entstehung der Rechtskategorie ‚Zufall’; dazu Kapitel II 4 und 5 sowie 2005, 16 ff. 342 1934, I 79 ff: Dieser Text wirkt, weil Küblers Geist wissenschaftlich offen und dem griechischen Denken nicht von vorneherein abgeneigt ist. Wissenschaftliche Beiträge wie dieser leiden daher darunter, wenn sie nur pauschal zitiert, nicht aber inhaltlich gewürdigt werden. B. Kübler spricht wichtige griechische Wurzeln oder doch namhafte Einflüsse auf das römische Recht an. Vgl. daneben die Beispiele von E. Weiss (in der ‚Einleitung’, oder auch die Hinweise von Coing (1952) in Kapitel VII 3. – Zu Küblers Persönlichkeit vgl. den Nachruf von L. Wenger (1941). 343 1934, 98. – Küblers Meinung hat Gewicht, denn seine Sprachkompetenz für das Lateinische und Griechische dürfte nur von wenigen erreicht worden sein. Aber auch die Rechtskenntnisse des Mommsenvertrauten dürften, obgleich gelernter Philologe, sehr beachtlich gewesen sein. Es scheint, als hätten ihm nur die weit verbreiteten juristischen Vorurteile gefehlt.

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‚Leistungen’ des griechischen Rechts

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konnte, so bedeutend diese auch waren.344 – Der üblicherweise auch von Rechtshistorikern nicht erwähnte rechts- und kulturhistorische Bogen reicht aber von den großen griechischen Gesetzgebern, der bedeutenden griechischen Kautelarjurisprudenz über die forensischen Rhetoren und Logographen bis ins Strafund Verfahrensrecht und weit hinein bis hin zu den rechtlichen Institutionen. Der Einfluss betrifft nicht nur das Privatrecht. Auch die griechische Philosophie hatte wichtige und für die spätere Entwicklung des römischen Rechts bedeutsame Ergebnisse des Rechtsdenkens vorzuweisen – die weit über die häufig genannte Spezifikation beim Eigentumserwerb durch Sachänderung hinausgehen.345 Aus ihrem Schoß sind – spätestens gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. C. – die Anfänge einer griechischen Rechtswissenschaft hervorgegangen, die sich aber – unter weniger günstigen Bedingungen – nicht so wie später die römische entfalten konnte deshalb nur von verhältnismäßig kurzem Bestand war und daher in ihrer Bedeutung oft gar nicht erkannt wurde.346 Ähnliches gilt für die Politik, die Dichtung, die für das Justizwesen ab etwa der Mitte des 5. Jahrhunderts v. C. wichtige Rhetorik/Logographik und die weithin bereits hoch entwickelte Rechtspraxis selbst; es sollte daher meines Erachtens besser von einem bedeutenden Einfluss der griechischen (Gesamt)Kultur und einem spezifischen Einfluss der griechischen Rechtskultur auf das entstehende römische Rechtsdenken als nur von einem Einfluss der griechischen (Rechts)Philosophie gesprochen werden. Egon Weiss347 betont, dass der „Einfluß der griechischen Rechte auf das römische zu aller Zeit348 ein sehr bedeutender war“. Das griechische Recht habe aber darüber hinaus auch Rechtsinstitute entwickelt, an denen die „römische Rechtswissenschaft, hätte hier eine Einheit des Weltbildes bestanden, nicht [hätte] vorübergehen können.“ Als Beispiel nennt er die ‚Publizität des Grundstücksverkehrs’,349 die bei den Römern „nur in Ansätzen vorhanden“ gewesen sei, wäh-

344 Mehr und Genaueres zur Entstehung der griechischen Jurisprudenz und Rechtswissenschaft in den Kapiteln VI, VII und VIII. 345 Dazu kurz in Kapitel II 10: ‚Rechtsentwicklung, Institutionalisierung und Professionalisierung …’ – und Schermaier (1992). 346 Dazu auch Kapitel VI 2. 347 1934, 248 f. – Vgl. Pkt. 10 bei Anm. 2514 und in Kapitel VI 2: ‚Zur Bedeutung der griechischen Kautelar(rechts)praxis’. 348 Zu einer ersten tieferen Berührung beider Kulturen kam es um die Mitte des 2. Jhs. v. C., wobei der griechische Einfluss bis Justinian – wenngleich in sehr unterschiedlicher Ausprägung – andauerte. Dazu mehr in diesem Kapitel Pkt. 6, wo sich auch die Erklärung dafür findet, warum E. Weiss hier den Plural verwendet. – Zur römischen Rechtswissenschaft der ausgehenden Republik und ihrer Begriffs- und Systembildung: Wieacker 1988, 618 ff. Wieacker geht hier auch kurz auf die unterschiedliche Einschätzung des griechischen Einflusses ein. 349 Dazu auch hier in Anm. 2514 und in Kapitel VI 2 (‚Zur Bedeutung griechischer (Kautelar)Rechtspraxis’) und ebendort (‚Migliederverzeichnisse der Phylen und Phratrien etc.’) und überhaupt in Kapitel VI 2.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

rend „altgriechischer und hellenistischer Geist [den] Publizitätsgedanken, wie uns als zeitlich letztes Zeugnis die [graeco-]ägyptischen ‚Grundbücher’ aus den ersten drei Jahrhunderten nach Christus zeigen, bis in die feinsten Einzelheiten ausgebildet [hat].“350 – Wer sich einen Eindruck verschaffen will, welch’ hohe Rechtskultur das griechische Sachen- und Liegenschaftsrecht bereits erreicht hatte, lese E. Schönbauer Beitrag zu den attischen Klagen. Wir haben dieses Niveau bis heute nicht mehr erreicht.351 Ähnliches gilt für die Arbeiten von Hitzig352 und Finley. Man muss sich daher immer wieder fragen, warum H. J. Wolff und andere Zweifler an der Bedeutung des griechischen Rechts und Rechtsdenkens zu diesen herausragenden Leistungen nicht (ausreichend) Stellung genommen und sich so geringschätzig geäußert haben.353 Weiss führt354 als weitere Beispiele die ‚Zwölf Tafeln’,355 den griechischen Einfluss am Ende der Republik und „auch noch im Ausgang der römischen Rechtsgeschichte, der zur justinianischen Kodifikation führt“, an. – Am Anfang und am Ende der römischen Rechtsentwicklung stehen somit legistisch-kodifikatorische Schritte, die zutiefst dem griechisch-orientalischen Rechtsverständnis verpflichtet sind. Auch dies soll in meiner Studie gezeigt werden. Wirklich gründlich wurde diesen Fragen nämlich bisher nicht nachgegangen, vielmehr wurde von Generation zu Generation ein Konsens fortgeschrieben, der sich bei näherer Betrachtung häufig als brüchig erweist. Zu wenig bedacht wurden etwa auch die ‚rechtlichen’ Leistungen nicht-juristischer Bereiche der griechischen Kultur wie der Politik (Magistrate, Beamte, Assessoren – die juristisch wertvolle Leistungen wie das frühe Schaffen eines Kollisionsrechts vollbrachten!,356 der Dichtung und Geschichtsschreibung, der Rhetorik (mit den Logographen),357 deren von Anfang an bestehende juristische Orientierung wohl noch stärker herausgestellt werden muss,358 während die Bedeutung der griechischen Philosophie für das griechische Recht und Rechtsdenken – sieht man einmal vom Entstehen der Rechtswissenschaft aus der Philosophie Platons, Aristoteles’ und Theophrasts

350 Zur älteren ägyptischen Entwicklung (die das griechische Recht wahrscheinlich beeinflusst hat): Allam 1994a (Hg.) und (1994b). 351 Mehr in Kapitel II 10: ‚Gebundenes Bodenrecht’. 352 Zu diesen Autoren: Kapitel VI 2. 353 Dazu auch Kapitel VI 2: ‚Darlehens- und Kreditgeschäfte’ und ‚Kannte das griechische Recht Willensmängel?’. 354 1934, 249 f. 355 Dazu mehr in Kapitel II 10. 356 Dazu eingehend Pkt. 8. 357 Dazu etwa Kapitel II 4 und 5, aber auch in Kapitel VI 4: Historischer Rahmen. 358 Sie leisteten nämlich, wie wir etwa an Antiphons ‚Zweiter Tetralogie’ (dazu in Kapitel II 4 und 5) oder verschiedenen Schöpfungen des Demosthenes (dazu Kapitel VI 8) feststellen können, neben praktischer und didaktischer, auch rechtspolitische und -theoretische und wenn man will auch rechtsdogmatische Arbeit.

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Das Recht in seinem kulturhistorischen Umfeld

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am Ausgang des 4. und am Beginn des 3. Jahrhunderts v. C. ab – zu einem beachtlichen Teil bereits erkannt wurde. Allein auch dabei wurde, wie ich feststellen konnte, manches übersehen, und ich bin überzeugt, dass es hier noch mehr zu entdecken gibt.359 Auch den beachtlichen Leistungen der griechischen Rechtspraxis, die einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht hatte, wurde bisher eine zu geringe und wohl auch noch nicht die richtige Beachtung geschenkt. Denn etwa das griechische Register-, Archiv-, Urkunden- und Notariatswesen sowie die griechischen und hellenistischen (forensischen) Rhetoren, Logographen und Trapezites/Bankiers, die auch als eine Art (Rechts)Anwälte fungierten, leisteten offenbar nicht nur hervorragende praktische, sondern immer wieder auch theoretisch wichtige, nämlich kautelarjuristische und damit rechtsfortbildende und schöpferische Arbeit, die verständlicher Weise den Wunsch nach einer eigenen – vornehmlich theoretisch orientierten – Rechtswissenschaft zunächst wohl gar nicht entstehen ließ. Die wichtige Arbeit dieser frühen Juristen muss daher bereits als vor-wissenschaftlich eingeschätzt werden.360 Wenigstens erwähnt werden müssen auch die neun attischen Archonten361 – und darunter vornehmlich die sechs Thesmotheten (mit denen die späteren römischen Prätoren verglichen wurden) und das von ihnen bei Amtsantritt erlassene Edikt, wobei letztere – worauf Ernst Rabel362 aufmerksam gemacht hat – von ihren griechischen Vorgängern über das Organisatorische hinaus auch viel Inhaltliches übernommen haben dürften; etwa die Besitzinterdikte.363

Das Recht in seinem kulturhistorischen Umfeld Um das griechische Rechtsdenken insgesamt besser verstehen und seine Entwicklungen klarer erkennen zu können, bedarf es einerseits eines gewissen Miterfassens des kulturhistorischen Umfeldes, nämlich insbesondere von Politik, Philosophie, Dichtung und Rhetorik etc.,364 weil deren Beiträge zur Rechtsent-

359 Vgl. etwa die Beispiele in Kapitel VI 5 oder die Zusammenarbeit der Disziplinen Rhetorik, Philosophie und Politik (Perikles!) beim Entstehen des ‚Zufalls’; dazu Kapitel II 4 und 5. 360 Ich erinnere erneut an L. Mitteis, Partsch, Hitzig, Finley sowie Ferguson, Pringsheim, Koerner uam., die Aspekte dieser bedeutenden griechischen Kautelarjurisprudenz untersucht und gewürdigt haben; dazu insbesondere Kapitel VI 2. 361 In kretischen Poleis hießen sie Kosmen. – Zur Situation in Kreta Gehrke (1977) sowie weiter ausgreifend Koerner (1987a): dazu in Kapitel VI vor 1: ‚Entstehen und Ausbau von Institutionen – Eine aufschlussreiche Untersuchung von Koerner’. 362 1915, 388; vgl. auch E. Wolf 1950 I 211: Solon uH auf Hirzel und Busolt 1920³/1979 I 456. 363 Dazu Pringsheim 1932, 92. 364 Auch Jaeger 1934/19594, Paideía I 317 betont die bis zu Perikles reichende „unteilbare Einheit“ von „Kunst, Religion und Philosophie“. Aber auch das Rechtsdenken und die Politik sind

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wicklung in Griechenland von spezifischer Bedeutung waren; andererseits aber auch eines Einbeziehens der griechischen (Kautelar)Praxis, zumal diese offenbar bis zuletzt wichtige vor-wissenschaftliche Aufgaben erfüllte, was bisher zu wenig gewürdigt wurde. – Natürlich konnte ich dies alles hier nicht vollständig behandeln, aber ich zeige Beispiele auf und versuche einen Anfang. Bei der Spurensuche nach griechischen Einflüssen auf das römische und noch auf unser Rechtsdenken – man denke etwa an das auch für moderne Rechtsordnungen wie die des öABGB, des dtBGB oder des SchweizerZGB wichtige ‚griechische’ Parentelsystem bei der gesetzlichen Erbfolge365, die hoheitliche Einweisung in die Erbschaft (Athen)366 oder die griechischen Vorläufer unseres § 7 ABGB (Lückenfüllung durch Richterrecht/Richtereid)367 – sollte es nicht nur bei pauschalierenden Bemerkungen und Vermutungen bleiben.368 Wie wenig weit – auf der anderen Seite – der Arm der Alten Geschichte in Richtung Rechtsdenken reicht, verrät uns eine Bemerkung von Victor Ehrenberg in der ‚Vorrede’ seines Werks ‚Polis und Imperium’, – die er mit ‚Graeca non leguntur’ übertitelte: „Als Cicero im Jahre 62, ein Jahr nur nach seinem ruhmreichen Konsulat, für das römische Bürgerrecht des Dichters Archias plädierte und dabei die Vorzüge der griechischen Literatur pries, sagte er unter anderem: Graeca leguntur in omnibus fere gentibus, Latina suis finibus exiguis sane continentur – ‚Griechisch wird bei fast allen Völkern gelesen, Latein ist im Grunde auf sein enges Gebiet beschränkt.’ Seitdem hat sich manches geändert. Es gab eine Zeit, da war Latein die Weltsprache, und Griechisch mußte erst wieder entdeckt werden. Von wem die Negation des Cicerowortes stammt, die ich als Überschrift verwende, habe ich nicht feststellen können.“ (Hervorhebung von mir)

Das ist kein Grund, um Vorwürfe zu erheben, aber es beweist, dass es – und zwar nicht erst seit heute – an wissenschaftlicher Kommunikation mangelt.369 Das sollte der ‚Rechtsgeschichte’ und der gesamten ‚Rechtswissenschaft’, vielleicht auch der ‚Alten Geschichte’ zu denken geben, ihnen aber auch ein Ansporn sein, aktiv zu werden und Brücken zu anderen Disziplinen zu schlagen. Es fehlt nicht an Themen, die für beide Seiten lohnend sind.370 – Das setzt voraus,

hier zu nennen; vgl. E. Wolf 1950, I 341. – Zur Geistesgeschichte der Perikleischen Zeit: Schachermeyr (1971). Auch Malinowski (1941/2005, 74 ff) hat sich gegen die Isolierung einzelner Kultursegmente ausgesprochen. 365 Dazu in Pkt. 8 und in Kapitel II 10 und 18. 366 Dazu in Kapitel II 10. 367 Vgl. etwa Pkt. 6 Anm. 967 mwH. 368 Dazu die Kapitel VI 1: Juristische Professionalisierung und VII: Beginn. 369 Die Antwort findet sich in Pkt. 1 dieses Kapitels. 370 Ein Beispiel dafür ist Burckhardt/Ungern-Sternberg (Hg.), Große Prozesse im antiken Athen, das Beiträge und Querverbindungen zwischen Alter Geschichte und Rechtsgeschichte enthält; etwa: von Welwei, Thür, Schubert und Dreher. Dazu kommen Darstellungen politischer Pro-

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dass die Rechtswissenschaft auch die Rechtsgeschichte ebenso ernst nimmt, wie die griechischen Gründer und Meister der Philosophie – Platon und dann Aristoteles und Theophrast – die ‚Geschichte der Philosophie’ und auch die daraus abgeleitete ‚Geschichte des Rechtsdenkens’ ernst genommen haben.371 ‚Geschichte’, gleich welcher Disziplin, ist die Summe der erlangten Erfahrung, die nicht ernst zu nehmen, nicht nur unklug, sondern auch gefährlich ist. Denn es ist die Geschichte unserer Evolution, die uns lehrt, Erfahrung – individuelle wie kollektive – ernst zu nehmen.372 Erfahrung und Lernen gehören zusammen. Das Wissen darum würde auf der einen Seite zu größerer Bescheidenheit führen – denn sehr vieles wurde schon einmal und oft schon viel früher gedacht – und auf der anderen Seite manche Erkenntnis vertiefen und dadurch neue Einsicht gewinnen lassen. So wie die ‚Philosophiehistorie’ als Teil der Philosophie zu verstehen ist373 – und von Aristoteles und Theophrast auch verstanden wurde, muss auch die ‚Rechtsgeschichte’ als Teil der ‚Rechtswissenschaft’ verstanden werden und nicht nur als untergeordnete (Hilfs)Disziplin geisteswissenschaftlicher Provenienz. ‚Rechtsgeschichte’, ‚Rechtsvergleichung’ und ‚Rechtsphilosophie’ sind – von den griechischen Anfängen des rechtswissenschaftlichen Denkens her betrachtet – als erste Teildisziplinen der entstehenden Disziplin Rechtswissenschaft zu verstehen. Diese Fächer konnten aber schon damals und können auch heute nicht ohne Kenntnis des geltenden Rechts sinnvoll betrieben werden – und nicht ohne das Ziel, das aktuelle Rechtsdenken besser verstehen (Auslegung/Hermeneutik), weiterentwickeln (Rechtspolitik) und didaktisch und systematisch aufbereiten zu können (Rechtwissenschaft im engeren Sinn). Darin liegt auch mehr als bloße wissenschaftliche Rechts- und Gesetzeskritik, die in der griechischen Philosophie und auch schon in der Sophistik nie auf das geltende gesatzte Recht beschränkt war. – Diese Einsichten wären auch von Bedeutung für die Gestaltung der Studienpläne. Zurück zur Ausgangsfrage: Das Thema ‚Graeca non leguntur’? steht uns zugleich nahe und sehr fern; nahe, weil es als Wertorientierung und Handlungsanleitung keineswegs nur für die Juristen des hochmittelalterlichen Bologna Bedeutung hatte, sondern auch für die des 19. Jahrhunderts und nicht zuletzt noch für die Gegenwart hat – wenngleich, das sei eingeräumt, für viele eine unbewusste; fern, weil für allzu viele unter uns weder das mittelalterliche Bologna,

zesse (ua. gegen Themistokles, das Umfeld des Perikles, der Arginusenprozess und der gegen Sokrates) und von zwei Privatprozessen. Zum Sokratesprozess vgl. auch Gigon 1979², 69 ff. – Zu Themistokles und Perikles auch: Plutarch – Lebensbeschreibungen. Zum letzten Forschungsstand betreffend Perikles: Schubert (1994). 371 Vgl. Zemb 1961, 32. – Dazu mehr in Kapitel VIII 1. 372 K. Lorenz 1974/200424, zB 51. 373 So auch Oehler 1969, 10 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 1. Zum Buchtitel

noch das antike Griechenland ein lebendiges Erbe bedeutet. Mag auch in Festreden oder Präambeldiskussionen die Antike – meist ist aber nur Rom gemeint – als Grundlage künftiger Rechts- und Verfassungsordnungen, ja der Kultur Europas, beschworen werden, ernst genommen wird dies alles längst nicht mehr. Wir verzichten damit auf wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse und auf die Möglichkeit eines persönlichen und sozialen Lernens, das Einsichten vermittelt. Behandelt man ein Thema wie das vorliegende, lässt sich die Frage nach der eigenen Beziehung‚ zum ‚Heute’ – um eine Formulierung Ingeborg Bachmanns zu Beginn ihres Romans ‚Malina’ zu verwenden – kaum vermeiden: Wurde das Thema gewählt, weil diese Beziehung ‚so hoffnungslos ist’? Ist das Thema das Ergebnis einer Flucht aus der Gegenwart in die Vergangenheit? – Ganz abtun möchte ich ein derartiges – zunächst vielleicht sogar unbewusst wirkendes – Motiv nicht, aber es war gewiss nicht das einzig bestimmende. Es gab daneben wichtige andere Beweggründe: Neugier, das Wissenwollen, wie es wirklich war; das Streben, überhaupt erst den Beginn und sodann das Fortschreiten einer Entwicklung verstehen zu können; eine nicht zu leugnende Liebe zu ‚den Griechen’, die schon in meiner Gymnasialzeit gewachsen war. Aber auch eine stetig steigende Unzufriedenheit mit der allgemeinen politischen und der wissenschaftlichen Entwicklung an Österreichs Universitäten, also eine wachsende Distanz zum ,Heute’ spielten eine Rolle. Entscheidend war aber der tiefe Wunsch, die Entstehung und Entwicklung bedeutender Rechtsprobleme zu ergründen, dadurch zu er-fahren und die wissenschaftliche Einsicht zu vertiefen, die mittlerweile erkennbar gelitten hat. Was sich Jurisprudenz oder Rechtswissenschaft nennt, verdient immer häufiger dieses Epitheton nicht mehr. Ich bin überzeugt, dass die Kenntnis von Gegenwart und Vergangenheit nicht nur die Einsicht sondern auch die Prognosefähigkeit erhöhen kann, also realistischer und sicherer in die Zukunft blicken lässt. Ich verdanke diese Erkenntnis der Lektüre der Werke Sigmund Freuds, die ich seit Jugendtagen studiere. Seit jeher sind daher für mich die beiden methodischen Enden des wissenschaftlichen Blicks – Rechtsgeschichte und Rechtspolitik, verbunden mit Rechtstatsachenforschung, Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie – auf eine innere natürliche Weise miteinander verknüpft.

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2. Zum Wert humanistischer Bildung „Wird in einen jungen Menschen edle Bildung gesät, dann lebt sie und blüht durchs ganze Leben, und weder Regen noch Dürre tilgt sie aus.“ Antiphon aus Rhamnus, Über die Eintracht/QFSh °NPOPeBK (Frg. 60 D)

Die humanistische Bildung374 lehrte ihre Adepten, dass die Probleme von heute den längst vergangenen gleichen und zeigte ihnen, dass die damals gefundenen Lösungen oft nicht schlechter, wenn auch auch teilweise andersartig waren, als es unsere heutigen sind.375 Dazu tritt manch’ interessante Akzentverlagerung und manch’ lehrreicher Perspektivenwechsel, aber auch eine Konstanz des Menschlichen, die immer noch Mut machen kann. Bildung war stets ein fernes anzustrebendes Ziel, das kaum jemals erreicht werden konnte. Modern ausgedrückt: Im Hinblick auf Bildungsziele war schon immer der Weg das Ziel. Dazu kommt nun, dass das, was Bildung und Humanismus einmal bedeuteten, nach den Gräueln des 20. Jahrhunderts nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Doch dazu später. – Eine treffende Umschreibung des Begriffs ‚Humanismus’ findet sich in der ‚Einleitung’ von H. Merklin zu Ciceros ‚De finibus bonorum et malorum’:376 „[…] verstanden als Bestreben, durch die Begegnung mit dem geistigen, insbesondere dem literarischen Erbe einer als exemplarisch empfundenen Kultur [gemeint ist die griechische] die menschliche Persönlichkeit zu formen“.

Bildung war und ist immer noch etwas, das der Formung des Menschen und seiner Persönlichkeit dient, und daher nicht ohne eigenes Bemühen zu haben. Darin liegt noch heute ihre Chance, aber gerade darin liegt auch ihre Schwäche: Denn

374 Fuhrmann 2002, 5 ist beizupflichten, wenn er feststellt, ‚Bildung’ und ‚Kultur’ seien „zerredete, missbrauchte, geschundene Wörter. Vielleicht täte es ihnen gut, wenn sie eine Zeit lang geschont würden. Andererseits ist das, was sie bezeichnen oder einmal bezeichnet haben, wichtig. Sie sind es wert, dass man sich über sie verständigt.“ – Vgl. dazu auch Kapitel VII (vor 1): ‚Bildung als Orientierung für ein gelingendes Leben’. 375 Vgl. Gigon (1959). – Zur Bedeutung der humanistischen Tradition auch H.-G. Gadamer 1999, 9 ff. Dabei ist zu beachten, worauf Gadamer (1999, 3) hinweist: „Die Erfahrung der geschichtlichen Überlieferung reicht grundsätzlich über das hinaus, was an ihr erforschbar ist. Sie ist nicht nur in dem Sinne wahr oder unwahr, über den die historische Kritik entscheidet – sie vermittelt stets Wahrheit, an der es teil zu gewinnen gilt.“ 376 2000, 41 f. – Zur ‚Bildung’ als Orientierung für ein gelingendes Leben (bei Platon): Kapitel VII vor Pkt. 1.

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Kapitel I: Perspektiven, 2. Zum Wert humanistischer Bildung

was sich nicht kaufen lässt, wird heute von vielen als wertlos betrachtet und vor allem, was gar nicht mit der Absicht ‚erworben’ wird, es später vermarkten zu können, wird nicht geachtet. Dazu kommt, dass Bildung nur gedeihen kann, wenn auch ein Parallelwert erfüllt wird: Muße.377 Denn Bildung braucht Ruhe, Rückzug und Selbstreflexion und nicht nur Geschäftigkeit, Hektik und Getriebe. Diese Kombination zu erreichen wird immer schwieriger. Wir sollten uns aber im Klaren darüber sein, dass die großen Kulturen der Vergangenheit, die keineswegs untätig waren, der Muße einen hohen Stellenwert beimaßen und diese Form der Nichterwerbstätigkeit nicht als Faulheit oder verlorene Zeit betrachteten, sondern eben als Zeit der Reflexion, des Kräftesammelns, des menschlichen Wachsens, der Selbstformung und der Kommunikation ohne monetäre Hintergedanken, etwas, das immer mehr Menschen schwer fällt. Das war in Ägypten nicht anders als im antiken Griechenland und dann in Rom. Erfolg, Bildung und Muße stehen demnach in einem inneren Zusammenhang, der sich aber nicht ein für alle Mal festlegen oder quantifizieren lässt, sondern stets individuell bleibt oder abhanden kommt. Das wird häufig nicht verstanden.378 – Die Beziehung dieser Bildungs-Parameter ist seit geraumer Zeit gestört, und so ist es kein Zufall, dass aus Bildung, die bereits von Theodor W. Adorno konstatierte ‚Halbbildung’ wurde und dass wir uns heute auf eine ‚Theorie der Unbildung’ zu bewegen. K. P. Liessmann diagnostiziert:379 „Unter den gegenwärtigen Bedingungen radikalisiert sich dieses Konzept und nimmt […] eine andere Wendung. Während Halbbildung noch kritisch auf die Idee von Bildung bezogen werden konnte, verliert diese nun jede Legitimität.”

Zeit zu haben für sich und seine (Bildungs)Interessen galt in der Antike als hoher Wert. Friedrich Georg Jünger hat in einer dichterisch-mythologischen Studie aus dem Jahre 1943 über Apollon, Pan und Dionysos auch der Muße gedacht:380 „Keine Zeit haben – das ist die ärmlichste Form der Armut, das ist das Kennzeichen der mechanisch gewordenen Arbeitsorganisation, in der wir leben. Böse setzt die Zeit dem Menschen jetzt zu, denn ein Phantasma, dem er sich nicht zu entziehen vermag, spiegelt ihm vor, dass sie knapper und knapper wird, dass sie an ihm zehrt und ihn vorwärts treibt und hetzt. Es ist der mechanisch gewordene Zeitbegriff, der über dem Arbeiter die Peitsche schwingt, bis seine Kräfte verbraucht sind, bis er zusammenbricht. Dieser Arbeiter befindet sich in einer Sackgasse, aus der er nicht mehr herauskommt. Er wird im Geschirr geboren und stirbt in

377 Zur ‚Muße’ ferner: Kapitel II 1 (‚Anerkennung von körperlicher Arbeit …’,), VII vor Pkt. 1 (‚Griechische Vorbilder’) uam. 378 Wenige Wissenschaftler haben die Werte (darunter die ‚Muße’) früher/‚primitiver’ Gesellschaften so klar erkannt wie Claude Lévy-Strauss; dazu Assheuer, in: Die Zeit 20. November 2008, Nr. 48, S. 65 f. 379 2006, 9. 380 1943, 54.

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ihm, ohne je zu wissen, was Muße ist. Während seines ganzen Lebens ist er dem großen Pan nicht begegnet; er weiß nichts von der Muße des Gottes und nichts von seinem goldenen Leben, von dem er für immer getrennt ist, weil er aus der Armut seiner eingeteilten, zerstückelten Zeit nicht herauskommt.“

Sätze wie die von F. G. Jünger – wenn auch in der Sprache seiner Zeit geäußert – sollten uns zu denken geben und sie können unsere bereits ‚mutierten’ Vorstellungen von Reichtum und Armut zurechtrücken. Wir sollten auch nicht übersehen, dass alle bisherigen Hochkulturen die Muße nötig hatten und wir die ersten sind, die meinen, darauf verzichten zu können. Bildung gewährt auch Einblick in die Notwendigkeit menschlichen Maßhaltens, was uns lehrt, die Hybris – ein zentrales Thema schon des griechischen RechtsDenkens – zu meiden, jene Geißel der Menschheit, die auch den Griechen zu schaffen machte und die seit Homers und Hesiods Tagen reflektiert wird. Die Griechen haben aber – wie kein anderes Volk – früh erkannt, dass ein Sich-Erund Überheben des Einzelnen über andere nicht nur die konkret betroffene menschliche Beziehung, sondern auch die Gemeinschaft zu zerstören droht, weil damit der gesellschaftliche Grundwert der Gleichheit der Rechtsgenossen und die Achtung voreinander missachtet, und die Freiheit aller gefährdet wird. Das gilt (heute) auch für das Verhältnis von Staaten und Völkern zueinander – und wie ich meine auch für das der Wissenschaften und ihrer Disziplinen; eine Einsicht, zu der auch die Griechen lange gebraucht haben. Erst die stoische Staatsethik des Panaitios von Rhodos (~ 185/180-109 v. C.)381 vertrat – die Früchte der bisherigen Entwicklung erntend – mit letzter Konsequenz die Verwerflichkeit des Krieges und die möglichste Schonung des Feindes, was uns Franz Hampl in einem lesenswerten Aufsatz nahegebracht hat.382 – Dem römischen Geist wurde ein auf das menschliche Maß sich bescheidendes Denken (das dennoch immer wieder über den status quo hinausgehen muss) – wie zuletzt auch dem griechischen (Alexander und die Diadochen) bald fremd.383

381 Vgl. auch Pkt. 9: Völkerrecht. – Dazu M. Kraus 1997, 497 ff. 382 1957, 249 ff. – Vgl. dazu Kapitel VII 1: ‚Rechtsgefühl’ mwH und Kapitel X 5: ‚Der unteilbare Einzelne …’, wo ich auf Hampls Aufsatz eingehe. 383 Dazu P. Bender (2002).

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Die Qualität antiken (Rechts)Denkens Die ethische Qualität antiken (Rechts)Denkens war – das zeigt sich immer wieder – nicht geringer, als unsere oder etwa die des Christentums und anderer Religionen. Sie war nur anders geartet. Wenn der Schein nicht trügt, bedürfen wir wieder eines stärker vom Realitätsprinzip und weniger von religiösen Dogmen bestimmten Denkens, also einer mediatisierten Rechts- und Gesellschaftsethik, überhaupt einer allgemeinen Wissenschaftsethik, in der Weise wie bereits die aufgeklärte Antike die Welt und ihre Probleme wahrnahm. Das hat auch noch viel mit uns Heutigen zu tun.384 – Mittler zum praktischen Bildungsgut der griechischen Antike kann uns Michel de Montaigne sein, der das unorthodoxe griechische Weisheitsdenken und überhaupt die griechische Kultur wie kaum ein anderer aufgenommen, verarbeitet und wohl dosiert tradiert und erzieherisch angewandt hat.385 Er unterscheidet sich dabei wohltuend von seinem Landsmann Montesquieu, der zwar offenbar manches von ‚den’ Griechen übernimmt, aber an ihnen kein gutes Haar gelassen hat.386 Auf der anderen Seite sollte ein historisches Rechtsdenken gar nicht erst versuchen etwas zu versprechen, was auch ‚die Geschichte’ nicht halten kann. Das hat Joachim Fest in seiner Dankesrede für die Verleihung des ‚Einhard-Preises’ mit wünschenswerter Klarheit ausgesprochen, und man kann nur zustimmen, wenn er sagt: 387

„Was allenfalls zu erreichen ist, sind größere oder geringere Annäherungen.“

Fests Absage an die Wahrheitssucher verdient Respekt. Auch das, was er für die Leugner solcher Einsicht bereithält: „Es ist alles Theologie.“ – Schließlich wird man ihm auch (für die Rechtsgeschichte) weitgehend folgen können, wenn er die immer wieder beschworene „Pädagogisierungsmacht der Geschichte“ verwirft und dennoch festhält: „Das klingt nach wenig, und das ist es auch. […] Die Einsichten der Geschichte zählen aber zu den elementaren Bestätigungen, die jeder nötig hat. Ihnen lassen sich die paar Gewissheiten entnehmen, die ihm das Zurechtfinden in der Welt möglich oder doch leichter machen.“

Aber ist das nicht bereits sehr viel, und verfolgt nicht jeder, der mehr verspricht – oder auch nur anstrebt, lediglich Illusionen?388

384 Vgl. Gigon 1977, 5 ff und Schwarz (1982). 385 Vgl. dazu den jüngst erschienenen Band: Stilettt (2004). 386 Dazu in Kapitel VI 8: ‚Beunruhigendes uns verunsicherndes Denken der Griechen?’ 387 Abgedruckt, in: Die Zeit 2003 Nr. 13, S. 38. 388 Diese realistischen Einschätzungen von Fest können durchaus akzeptiert werden, für problematisch halte ich jedoch seine pauschale (gegen Habermas gerichtete) Ablehnung alles Utopischen; dazu in Kapitel II 16: ‚Von Solon zu Fukuyamas ‚The end of history’’ (am Ende). – Zum politisch-ideologischen Missbrauch antiken Bildungsgutes im 19. und 20. Jh.: Ch. Freeman

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Die Qualität antiken (Rechts)Denkens

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Das griechische Denken zeichnete sich auch dadurch aus, dass es einerseits bestrebt war, die Erkenntnisse aller damals schon vorhandenen Wissenschaftsbereiche nicht nur getrennt zu sammeln, sondern schließlich auch zusammenzuführen, woraus als Integrationsdisziplin das Unternehmen Philosophie hervorging; andererseits war man auch bestrebt, ‚Theorie und Praxis’ nicht gegeneinander auszuspielen,389 sondern von der einen zur anderen Seite Brücken zu schlagen und Synthesen zu wagen. Das gilt für Solon und Aischylos ebenso wie später für Platon, Aristoteles und Theophrast und ihre Schulen, aber auch für bislang geringer eingeschätzte Geister wie Antiphon und andere Rhetoren. Aus dieser Haltung heraus entwickelten Aristoteles und Theophrast bereits Methoden für das Entstehen rechtswissenschaftlicher Teildisziplinen wie: die Rechtsgeschichte und die Rechtsvergleichung, Anfänge der Rechtstatsachenforschung (als frühe Form der Rechtssoziologie) sowie Rechtsberatung, Legistik, eine wissenschaftliche Gesetzeskritik, Rechtstheorie und Rechtspolitik. – Aristoteles und Theophrast verstanden es, Empirie/Induktion und Theorie/Deduktion zusammenzuführen und dadurch, dialektisch vermittelt, zu einer höheren wissenschaftlichen Einsicht zu gelangen. Angelegt ist das aber schon bei Platon.

Griechisches Denken war in seiner grundsätzlichen Orientierung nie weltabgewandt sondern darauf bedacht, ohne Verzicht auf Wissenschaftlichkeit, brauchbares und praktisches Wissen zu schaffen, das der Gemeinschaft der Polis und ihren Menschen nützen konnte. Das gilt für Platons Idee des Guten, die der Gemeinschaft dienen sollte ebenso wie für die darauf aufbauende – wenngleich, der Zeit entsprechend, bereits praktischer orientierte – Lehre des Aristoteles390 von der Phronesis (Klugheit/GS²OITJK); zu verstehen als praktisches und kluges Wissen, das für die Einzelnen wie den Staat zur Eudaimonia – dem Glück möglichst vieler – führt. Wie schon für Platon gehen auch für Aristoteles das Glück des Einzelnen und das des Staates Hand in Hand.391 – Grundlegendes und brauchbares Denken war demnach nicht erst – wie mitunter behauptet – für das römische, sondern schon für das griechische (Rechts)Denken von Bedeutung, weist doch schon Aristoteles in diesem philosophischen Kontext auf Verbindungen zur Ökonomie sowie zur Gesetzgebungs- und Staatskunst hin.

1999/2000, 8 ff, der jedoch auch manches verzeichnet und missverstanden hat. 389 Vorbildlich für den Bereich der Jurisprudenz Franz Gschnitzer 1954/1993, 525 ff: „Eine Rangordnung zwischen Theorie und Praxis in dem Sinne, dass die eine vor der anderen den Vorrang hätte, gibt es nicht. In der Geschichte des Rechtes geht die Praxis der Theorie voran. Bis zu den ersten, recht unbeholfenen Ansätzen der Theorie braucht es verhältnismäßig lang, und aus den Bausteinen, die die Praxis zusammengetragen hat, wird erst allmählich das Lehrgebäude errichtet: Die Praxis – Mutter der Theorie.“ Vgl. M. Wundt 1930, 194 f. 390 Nikomachische Ethik VI 8, 1141b 33 ff; vgl. auch Politik 1280b 25-35, 39 oder ebendort 1281a 2, 1324a 5-7 sowie 1328b 33-41. 391 Zur ‚Eudaimonia’ etwa Kapitel VIII vor 1: ‚Individual- und Gemeinschafts-Ethik’.

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Was vermittelt uns die Antike? – Olof Gigon Gigon meint,392 dass die Antike uns Heutigen nur noch im Bereich der Philosophie einen „offenen Zugang“ und einen „unentbehrlichen Beitrag zur Bewältigung unserer Gegenwart zu leisten imstande“ sei. Das erscheint zu defensiv gedacht und ich halte dafür, dass uns über die Philosophie hinaus auch noch die antike Dichtung und Geschichtsschreibung393 – die uns auch rechtlich manchen interessanten Einblick eröffnen – und insbesondere auch das politische, das Rechts-394 und das medizinische Denken395 der Antike manches an Einsicht vermitteln könnten, von Rhetorik und Ästhetik (in verschiedensten Bereichen

392 1977, 5 ff. – Zutreffend erscheint es mir jedoch, die griechische (wie die römische) Kultur und ihre Ergebnisse immer wieder zu hinterfragen und wo nötig zu relativieren und auch zu entidealisieren, wenn die Tatsachen dies verlangen. Das leisten immer wieder vorbildliche Arbeiten der Alten Geschichte (etwa Hampls Aufsatz über die stoische Staatsethik, dazu eben bei Anm. 382); Patzek (2003); Ulf (1990) oder (1996) und (2001), insbesondere aber auch Schmitz (2004), der Philologie (vgl. Meuli 1946b oder Burkert 2003 und 1994³ und 1972/1997² und 1998) oder der Archäologie. Alte Geschichte und Archäologie haben so manche Datierung zurechtgerückt. Das gilt insbesondere für Homer und sein episches Werk, dessen Schriftfassungen Schritt für Schritt nach unten, d. h. von zuletzt 750-700 bis in die Mitte des 7. Jhs. v. C. vorverlegt wurden. Und auch hier gibt es noch Unterschiede; dazu genauer in Kapitel II 1. – Zum Einfluss orientalischer Literatur auf Homer und Hesiod: Burkert (2003) und Rollinger (1996). – Zum allgemeinen Einfluss des Alten Orients auf die Soziogenese der Griechen insbesondere I. Weiler (1996) und die Hinweise in Anm. 105. – Zur unterschiedlichen Einschätzung der Existenz und der Beschaffenheit eines griechischen Adels vgl. Kapitel IX 7: ‚Stahls Konzept der griechischen Staatsentstehung’ und Schmitz (1999/2004a). 393 Das Denken der Antike erscheint mir auch ein herausragendes Gebiet für geschichtsphilosophische Betrachtungen zu sein, was jüngst das spät ins Deutsche übertragene Werk E. Voegelins, Ordnung und Geschichte deutlich gemacht hat, dessen Bände IV-VII von den Griechen handeln. 394 Ich bringe dafür Beispiele, wobei es im Rahmen dieser Studie nicht möglich ist, alle mit gleicher Intensität zu behandeln. – Ein Gedanke sei schon hier erwähnt: Manches antike Rechtsinstitut könnte auch heute noch dazu dienen, aktuelle Probleme zu lösen oder doch dazu, einer Lösung die Richtung zu weisen. So könnte das Modell der griechischen yNGºUFVTJK/Emphyteuse/Erbpacht dazu herangezogen werden, um den Gefahren des Verödens unserer alpinen Landschaften zu begegnen. Zur Emphyteuse: Nilsson (1954/1955, 271 f) und insbesondere L. Mitteis (1903). Nach Mitteis geht die ‚Vererbpachtung’ von den juristischen Personen aus, insbesondere Gemeinden, Tempeln, Phratrien udgl., und ist „mindestens bis ins fünfte“ Jh. v. C. historisch gesichert. Dieses Rechtsinstitut war im ptolemäischen Ägypten ebenso von Bedeutung wie im römischen Recht. Sein Inhalt war folgender: „Wer ein unbebautes Stück Land kultivierte, erhielt ein gesichertes Besitzrecht, das vererbt wurde, nicht aber Eigentumsrecht; wenn er die Kultur nicht aufrechterhielt, verlor er das Land“; Nilsson (1954/1955, 272). Ebenso oder doch vergleichbar (zB Vorzugspachtrecht) könnte mit der Berglandschaft verfahren werden, wenn ihre bäuerliche Bewirtschaftung aufgegeben wird, eine andere Nutzung aber – zB eine private – bestehen bleibt und auf die bäuerliche folgt. 395 Vgl. etwa Anm. 397.

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Was vermittelt uns die Antike? – Olof Gigon

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der Kunst) gar nicht zu reden.396 – Man denke nur an die Werke der attischen Tragiker, aber auch an die griechische Komödie, an Platons, Aristoteles’, Theophrasts und Ciceros Werk; oder im modernen Schrifttum an die einfühlsamen Analysen antiker (Gesellschafts)Entwicklungen durch Michel Foucault397 und manche (Alt)Historiker, (Alt)Philologen oder Juristen des 19. und 20. Jahrhunderts; etwa Jacob Burckhardt, Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff, Johann J. Bachofen, Justus H. Lipsius,398 Ludwig Mitteis, Eberhard F. Bruck, Richard Maschke, Raphael Taubenschlag, Ernst Levy, Egon Weiss, Paul Vinogradoff, Robert J. Bonner/Gertrude Smith, George M. Calhoun, Eric R. Dodds, Victor Ehrenberg, Werner Jaeger, Kurt Latte, Albin Lesky, Hermann Strasburger, Christian Meier, Olof Gigon, Karl Reinhardt,399 Erik Wolf oder Walter Burkert. Ein beredtes Beispiel, wie „aus der [Alten] Geschichte eine Frage für die Gegenwart“ beantwortet werden kann, hat auf höchstem Niveau Hermann Strasburger mit seiner Heidelberger Akademieabhandlung ‚Zum antiken Gesellschaftsideal’ gegeben.400 Abhandlungen wie diese sind durchaus in der Lage, bestehendem Desinteresse und behaupteter Geschichtsmüdigkeit zu begegnen; trotz manchen Einwandes, der auch gegen Strasburger erhoben werden kann. (Aber gilt nicht für jede wissenschaftliche Arbeit Heraklits Einsicht, dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigt?) Das Zusammenspiel von antiker Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte vermag uns auch heute noch bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse und vor allem didaktisch vermittelbare Einsichten zu gewähren.401 Lebensmodelle der Antike haben nämlich für uns keineswegs ihre Bedeutung verloren, mag dabei auch ein Modifizieren, Reduzieren und Weiterdenken nötig sein. Laufen nicht Alte Geschichte und Rechtsphilosophie ebenso wie die Medizin, das Rechtsdenken und die Ökonomie Gefahr, aus Gründen ihrer Spezialisierung402 und Technisierung, die menschlichen Grundtat-

396 Ein ermutigendes Beispiel hat jüngst M. Stahl (2008) mit seinen ‚Botschaften des Schönen’ gegeben. 397 Insbesondere in seinem Werk: ‚Sexualität und Wahrheit’, Bde. 1-3. In Bd. 2 behandelt Foucault das Entstehen der griechischen Medizin aus der Diätetik, was heute in Vergessenheit geraten zu sein scheint. In Band 3 geht er auf die geradezu moderne Entwicklung der Gattenbeziehung im Hellenismus und in römischer Zeit ein. – Einen auch breiten Ansatz hat E. Voegelin für seine eben erwähnte großangelegte Studie gewählt, deren Akzeptanz aber durch die überzeichnete Rolle der Religion erschwert wird. 398 Gernet, 1938/1968, 9 ff geht auf Entstehung, Aufbau, Inhalt und Schwächen des verdienstvollen Werks von Lipsius ein. 399 Vgl. dessen gesammelte Essays zur Philosophie und Geschichtsschreibung ‚Vermächtnis der Antike’ (1960). 400 Dazu auch die Besprechung von I. Weiler 1980, 204 ff. 401 Hier ist auch Rostovtzeffs Werk (1955/1998) zu nennen. 402 Schon H. Kelsen beklagt in ‚Vergeltung und Kausalität’ (1941, XII) die „unaufhaltsam fortschreitende Spezialisierung der Wissenschaft“, die „schon längst zu einer wahren Krisis geführt“ habe, „da die gegenseitige Isolierung der einzelnen Fachdisziplinen deren Wert für das

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Kapitel I: Perspektiven, 2. Zum Wert humanistischer Bildung

sachen und -fragen immer mehr aus den Augen zu verlieren, so ‚einfach’ diese letztlich auch sein mögen?403 Ist man sich heute etwa noch der Tatsache (mit Konsequenz) bewusst, dass Recht und Wirtschaft dem Menschen dienen soll(t)en? Nehmen Geschichte und Philosophie noch die fundamentalen Einsichten des Thukydides ernst, wonach der „Gang der Geschichte für immer durch gewisse psychische Grundeigenschaften des Menschen festgelegt“ ist?404 Strasburger meint daher, dass „gerade das griechisch-römische Altertum uns auf wertvolle Auskünfte hoffen“ lässt: „denn es ist die älteste, somit verhältnismäßig naturnächste, für solches Fragen ausreichend erhellte Phase der Menschheitsentwicklung, als eine in sich abgeschlossene Kultureinheit überschaubar, zugleich auch die für die Bildung Europas determinante Epoche“. – Fragen lässt sich mit Recht auch danach, ob diese fundamentalen Einsichten des Thukydides in den 2500 Jahren, die seither vergangen sind, nicht eher bestätigt, als widerlegt wurden?405 Wir sollten uns daher vielleicht auch überlegen, ob nicht mit dem allgemein Menschlichen (im Sinne von Thukydides und Sigmund Freud) auch ‚das Politische’ und ‚Rechtliche’ bestimmten ‚Gesetzmäßigkeiten’ unterliegt, die zu berücksichtigen sich lohnte? Das antike Griechenland und die (Rechts)Geschichte Europas und seiner Nachbarn sind daher nach wie vor anregendes, ja spannendes Studien- und Lehrobjekt auch für das Rechtsdenken, die Politik, die Politikwissenschaft und viele andere Disziplinen.406 Das lehrt uns, über unsere europäischen Wurzeln – und manches, was darüber hinausweist – zu reflektieren, die Stärken und Schwächen eines zersplitterten Volkes und von politischem Ehrgeiz und Selbstsucht zu erkennen, zu sehen, dass es an Wunder grenzende Erfolge gibt und dass persönlicher und gemeinschaftlicher Einsatz immer wieder lohnt. Die Verführung durch Macht, die Gefahren von Eitelkeit und Narzissmus jeglicher Art machen die Vergänglichkeit von Erfolg und politischer Beliebtheit sichtbar und führen zur Erkenntnis, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist und dass Voraussicht und Talent ebensowenig geschätzt werden. Die Lebensgeschichten407 antiker griechischer Denker und Politiker führen uns all das vor Augen: etwa von Miltiades (dem Sieger von Marathon), insbesondere aber die Sieger von Salamis

Ganze der Erkenntnis in Frage zu stellen droht“. 403 Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass solche Einsichten auch einfach zu verwirklichen sind. 404 Strasburger 1976, 13. 405 Vgl. dazu auch die im Anschluss (und in Kapitel IV) gegebenen Hinweise auf S. Freud und meinem Beitrag: Rechtswissenschafft und Psychoanalyse (2004). 406 Der Bogen in der Moderne spannt sich von Literatur, Theater und Film bis zur Mode; vgl. M. Roberts, Grecian Formula. Fashion’s classical moment, in: The New Yorker, March 14 (2005) 126 ff. 407 Bei Herodot und Thukydides, aber auch bei Plutarch.

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(Themistokles) und Plataeä (der Spartaner Pausanias),408 aber auch die von Aristeides, Kimon bis hin zu Ephialtes, Perikles, Nikias, Antiphon, Alkibiades und Demosthenes.409 Die griechische Geschichte offenbart uns auch die Relativität einer Disziplin, die geschichtliche Abläufe und Ereignisse sehr unterschiedlich beurteilt; stimmen doch die Meinungen auch der großen Historiker nur selten überein; und dies nicht nur in Nebensächlichkeiten. Die Alte Geschichte beweist aber bis heute auch große Lebenskraft, die ihren nicht einfachen Gegenstand immer wieder Revisionen unterzieht und dadurch bedeutende neue Ergebnisse erzielt.410 (Meines Erachtens hat gerade die neue Generation von Althistorikern bereits gelernt, in vorbildlicher Weise einen weltweiten Fachdiskurs zu führen, in dem Neues geprüft, verworfen oder in den allgemeinen Wissensfundus aufgenommen wird.411 Das entspricht dem naturwissenschaftlichen Diskursmodell und vermeidet altes nationales ‚Sandkastendenken’. Andere Disziplinen – insbesondere auch die Rechtswissenschaft – können davon lernen.) – All das lehrt flexibel zu denken, Bezüge herzustellen und zwingt obendrein zu eigener Stellungnahme. – Das Besondere der griechischen Geschichte liegt wohl auch darin, dass sie in vielerlei Hinsicht geradezu prototypisch für Europa verlief. Das gilt nicht nur für die politische Geschichte und ihre Darstellung durch große Historiker, sondern auch für die Literatur (Epos, Lyrik, Drama, Komödie, Roman), die Entstehung des Staates und seiner Institutionen (und damit im Zusammenhang auch von Recht)412 oder die Anfänge naturwissenschaftlichen und medizinischen Denkens. Nicht zuletzt betrifft dies auch das Entstehen der ‚modernen’ Wissenschaft und ihrer frühen ‚Abnabelungen’ aus der Mutterdisziplin Philosophie, deren Bedeutung gerade auch in diesem Vorgang liegt. Dazu kommt die Entwicklung der abendländischen Künste in einem weiten Sinne, aber auch von Technik und Design,413 denn Schönheit besitzt nicht nur für die Ästhetik einen Wert.

408 Man lese die Passagen bei Bengtson 1965/2003, I 73 ff. 409 Es ist daher sehr zu bedauern, dass gegenwärtig keine vollständige deutsche Ausgabe von Plutarchs Parallelviten im Buchhandel erhältlich ist und dass historische Gestalten wie Solon, der für die Rechtsentwicklung von zentraler Bedeutung ist, folglich nur schwer zugänglich sind. 410 Eindrucksvoll das neue Buch M. Stahls (2008) ‚Botschaften des Schönen. 411 Freilich gibt es auch hier Rückschläge. 412 Dazu in Kapitel IX. 413 Das steht nicht in Widerspruch zur Tatsache, dass die Griechen Vieles und Wichtiges aus dem Alten Orient übernommen und weiterentwickelt haben. Von Griechenland ausgehend verlief die europäische Entwicklung (mit Einbrüchen, Rückschlägen und Stillständen) bis heute, während die Hochkulturen des Alten Orients großteils noch im Altertum verschwanden. – Vgl. Anm. 105.

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Die Modernität antiken (Rechts)Denkens All’ das zeigt uns, dass antike Fragestellungen und damals gefundene Antworten nicht nur ‚modern’ anmuten, sondern es in vielem auch (noch) sind. – Wir brauchen heute aber noch etwas: Es gilt zwischen altem Verständnis griechischer Phänomene und neuen Einsichten zu vermitteln, gleichsam die griechische ‚Mitte’ zu finden, zumal jede Seite Teilphänomene treffend erkannte und immer noch erkennt und anderes vernachlässigt (wurde). Bei der Lektüre neuerer Arbeiten entsteht häufig der Eindruck, als wäre alles oder doch vieles ausschließlich dem Denken des Autors entsprungen. Man kann nämlich etwa im Bereich der Aristokratie- oder Aristiedebatte414 sehr leicht das Kind mit dem Bade ausgießen:415 Sollte auch die ältere Forschergeneration mit der Annahme einer durchgehenden Aristokratie als Herrschaftsform in den Jahrhunderten nach den Dunklen Jahrhunderten zu weit gegangen sein, so ginge die Kritik doch fehl, wenn sie auch aristokratische Züge als Teilphänomene und Lebenshaltungen als Elemente der archaischen Kultur völlig leugnete.416 Um sich ein Bild davon zu machen, wie anregend und lehrreich auch Lektüre älterer Werke sein kann, lese man etwa den Aufsatz Hermann Strassburgers, ‚Der Einzelne und die Gemeinschaft im Denken der Griechen’.417 Derartige Beiträge vermitteln im Gegensatz zu jüngeren Arbeiten nicht nur neues Wissen um historische Details – deren Bedeutung nicht geringgeschätzt werden sollte, sondern auch Anstöße zu menschlicher Einsicht und persönlicher Entwicklung. Daran mangelt es heute immer wieder, wodurch, was in Fachkreisen kaum bemerkt wird, der Anreiz zur Lektüre über wissenschaftliche Fachzirkel hinaus verloren geht. Selbstgenügsame Wissenschaft hat sich aber überlebt. In der Jurisprudenz ist das nicht anders, und zu häufig fehlt es am Blick über die Grenzen des eigenen Faches. Dazu fehlt es oft an Schreibtalent. Dem Publish-or-perish-Prinzip zum Trotz ist daran festzuhalten, dass es der Gehalt einer wissenschaftlichen Arbeit ist, der zählt und nicht die bloße ‚Masse’. Dieser Gehalt wird künftig auch danach beurteilt werden

414 Zum Begriff Strasburger 1949/69, 109 ff. 415 Das haben in eindrucksvoller Weise M. Stahl (1987) und W. Schmitz (2004a) vermieden, zu Schmitz insbesondere Kapitel II 11. 416 Dazu überzeugend M. Stahl (1987). 417 Abgedruckt bei Fritz Gschnitzer (Hg.) 1969, 97 ff. – Autoren wie Strasburger sind vor allem auch dadurch lehrreich, dass sie die Fehlentwicklungen aufzeigen und vor falschem Verständnis warnen; vgl. etwa Strassburgers Hinweis 1969, 99 f: „Zur üblichen Heroisierung des Polisgeistes gedenke ich hier nichts beizutragen. In die sagenhafte Frühzeit eines Volkstums geheimnißt man gern einen idealen Kollektivgeist hinein (identisch sozusagen mit Jugendkraft des Volkes), der durch die Entwicklung des Individualbewußtseins korrumpiert werde. Letztere Stufe sei bei den Griechen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts [Demokratie!] erreicht worden, und hieran sei die griechische Polis folgerichtig zugrunde gegangen.“

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Die Modernität antiken (Rechts)Denkens

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müssen, ob Brücken zu anderen Disziplinen gebaut werden, ob die Teilnahme am interdisziplinären Diskurs gesucht wird oder schließlich ‚legal isolation’ gepflegt wird. Andererseits ist auch die von den Verlagen beinahe ausschließlich praktizierte Förderung der ‚leichten Kost’ sicherlich ein Irrweg. Das Unternehmen der individuellen Menschwerdung, zu dem geschichtliche Vorbilder und Abläufe beizutragen vermögen, ist anspruchsvoll und kein käufliches Billigoder Fertigprodukt. – Auch das vermag uns die Auseinandersetzung mit den Kulturen der Antike, die nicht nur aus Griechen und Römern bestanden hat, zu lehren. Dabei sollten wir eine weitere Maxime Strasburgers beherzigen:418 „Ideale der Vergangenheit wissenschaftlich zu untersuchen und Idealisieren ist zweierlei, Wunschbildern von ‚heiler Welt’ nachzuträumen nicht das Geschäft von Historikern.“

Diese Einsicht gilt nicht nur für Historiker. – Der Nachlass Griechenlands erschöpft sich aber auch nicht in künstlerischer oder geistiger Ästhetik.419 – Seine zentrale Botschaft ist vielmehr eine individuelle und gesellschaftliche Lebensweisheit, mit der sich auseinanderzusetzen immer noch lohnt. Es geht dabei, wie Herder es ausgedrückt hat, um die „Bildung zum Menschen“.420 Bequem ist das heute ebenso wenig wie damals, aber voller Überraschungen und Ertrag.421 Diese Bildung zum Menschen sieht heute in manchem Bereich anders aus als damals, wissenschaftlich wie persönlich. – Gelingt humanistische Bildung, vermag sie uns auch heute noch eine Hilfe zu sein für unsere persönlich-menschliche und für unsere fachliche Entwicklung. Wir sollten dabei aber den Mut aufbringen, nicht alles christlich und europäisch (um)deuten zu wollen. Der Lohn, den wir dadurch zu erringen vermögen, ist zwar kein postmortales und postindus-

418 1976, 14. 419 Humanismus etwa hat auch eine politisch-demokratische Konnotation. Sie besteht darin, den Einzelmenschen politisch und rechtlich ernst zu nehmen und in die vielfältigen Entscheidungsprozesse angemessener als bisher einzubinden. Mitbestimmung/Partizipation (auf möglichst vielen Feldern unserer Gesellschaften) lautet das Stichwort für die Zukunft unserer Demokratien, wenn uns daran liegt, nicht in neue Formen der Experten-Tyrannis abzugleiten. Dahin weisen aber ökonomisch-politische und technische Parameter. – Umzusetzen wäre das national, supranational und international. 420 Zitiert nach Gadamer 1999, 15. – Der Bildungswert der Antike steht dabei in einem auch noch für uns wichtigen Spannungsverhältnis zwischen Einzelnem und Gemeinschaft. Lehrt uns doch die Antike beides zu fördern und zu achten: Individuum und (!) Gemeinschaft/Gesellschaft; vgl. auch Jaeger 1934/19594 I 8: „Die weltgeschichtliche Bedeutung der Griechen (als Erzieher) entspringt aus der neuen bewussten Erfassung der Stellung des Individualismus in der Gemeinschaft“. – Diese Einsicht auch ist für das griechische Rechtsdenken von großer Bedeutung. 421 Vgl. in diesem Zusammenhang auch E. Wolf 1950, I 10: „Jede Hinwendung zur ‚Geschichte’ ist nur für den Menschen eine Flucht aus der ‚Gegenwart’, der nicht begreift, dass alles Gegenwärtige nur als ‚Geschichtliches’ zu verstehen ist und alles Geschichtliche nur ‚gegenwärtig’ erfasst werden kann.“ – Beizupflichten ist E. Wolf auch, wenn er aaO 13 ausführt: „Die Geistesgeschichte lässt sich aber nicht als geradlinigen Fortschritt des Menschen auf dem Wege zu seiner Vervollkommnung deuten.“

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trielles Ruhekissen, aber eine saekulare Lebensphilosophie, vielleicht sogar ein Stück Weisheit jenseits der großen religiösen und politischen Lager, die ohnedies längst viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben. Auch dafür hat uns das Denken der Griechen manches zu bieten, zumal sie immer wieder um die Beziehung des Einzelnen zu sich selbst und zur Gemeinschaft gerungen haben, beginnend mit Homer, Hesiod und Solon über Sokrates, Platon und dessen Nachfolger bis hin zu Epikur und der Stoa. Das versetzt/e uns in die Lage, Gegenwart und Zukunft mit einem um historische Einsicht angereicherten Blick besser erkennen und individuelle wie gesellschaftliche Chancen dadurch realistischer beurteilen zu können. Der griechische Kairós hat überdies nicht nur eine individualistische Dimension, sondern – seit Theophrast – auch eine kollektiv-rechtliche.422 – Die oft missverstandene humanistisch-bürgerliche Bildung bräuchten wir demnach heute wie das sprichwörtliche ‚Salz in der Suppe’, um der allenthalben feststellbaren Verflachung und insbesondere der fatalen Rundum-Ökonomisierung und Monetarisierung unserer Gesellschaften wenigstens partiell da und dort den Wert des Nichtökonomischen, Immateriellen und Nichtmonetären entgegenhalten zu können.423 – Es ist nämlich so, wie Jan Ross das formuliert: „Die Alternative zur bürgerlichen Bildungswelt ist aber, wie sich zeigt, nicht die nachbürger424 liche Kulturdemokratie, sondern die Ödnis.“

Dieser Wert des Nichtökonomischen wurde auch schon in der griechischen Antike nur von einigen Bannerträgern des Geistes kreiert und verteidigt,425 sonst aber sogar heftig bekämpft – nicht anders als heute. Allein die Erinnerung daran

422 Vgl. Fortenbaugh/Ophuijsen, in: DNP 12/1(2002) 390: Theophrast. 423 Die neue Form der totalen Ökonomisierung, besser: unsäglicher Monetarisierung und Verbetriebs-wirtschaftlichung auch geistig-seelischer und insgesamt menschlicher Lern- und Bildungsprozesse, lässt all das durch den Grobraster eines solchen Verständnisses fallen, was – da immaterieller Natur – die feinstofflichen sowie individuell-intersubjektiven Abläufe und Ergebnisse des Lern- und Bildungsprozesses betriftt; dazu abschreckend für Österreich: Höllinger/Titscher (2004). Wir haben es dabei mit einem der großen Missverständnisse der Politik zu tun, die offenbar nur mehr mit ihrem (längst nicht mehr attraktiven) eigenen Maß zu messen versteht. Diese falsche Einschätzung zu zeigen ist – bei aller grundsätzlichen Akzeptanz von kontinuierlichen Reformen – aber eine Überlebensfrage für die europäischen Universitäten und Bildungseinrichtungen. Die Lösung hat zwar eine nationale Dimension, braucht aber auch eine europäische Antwort, die weder bildungs-, noch wirtschaftsfeindlich sein sollte. 424 J. Ross, Was ist Bildung? ist empfehlenswerte Lektüre: „Das Wissenschaftliche, das Philosophische und das Ästhetische gehören zusammen.“ Oder: „Man braucht das ansteckende Vorbild, um sich darauf einzulassen, den Lehrer, in dem die Faszination für sein Fach noch nicht erloschen ist, den Freund, dem seine Doktorarbeit auch wichtiger ist als die schnelle Karriere, und um einen herum Land und Leute, wo Erkenntnis etwas gilt und Ignoranz keine Zier ist.“ – Schon der Untertitel muss in Erinnerung gerufen werden: „Das Lernen, Lehren und Forschen verträgt kein Schielen nach Produktideen oder Sozialnutzen“. 425 Insbesondere Aristoteles, ‚Protreptikos’ zB 52a ff; zitiert nach Schneeweiß (2005).

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lohnt sich. – Zu nennen ist hier André Gorz, der in seinem Essay „Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie“ die nötige Kritik formuliert: „Wissen ist keine ordinäre Ware, sein Wert ist unbestimmbar, es läßt sich kostenlos vermehren. Seine Verbreitung steigert seine Fruchtbarkeit, seine Privatisierung reduziert sie und widerspricht seinem Wesen. Eine authentische Wissensökonomie wäre eine Gemeinwesenökonomie, in der die wichtigste Produktivkraft – also das Wissen – zum Nulltarif verfügbar wäre.”

Das Ergebnis der historischen Betrachtung und der Philosophie kann aber auch nicht bloß darin liegen, eine wissenschaftliche Geschichtsschreibung oder – im Bereich der Rechtswissenschaft – Rechtsgeschichte zu rechtfertigen. Das wäre auch für die Rechtsgeschichte und die Rechtsphilosophie zu wenig. Mögen aus der Geschichte und der Rechtsgeschichte auch keine naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und daher keine echten Prognosen zu gewinnen sein, so taugen diese Disziplinen doch zu mehr, als zur bloßen Rechtfertigung ihres wissenschaftlichen Daseins. Dies durchaus im Sinne Sigmund Freuds, der in ‚Die Zukunft einer Illusion’ die berühmte und zugleich berührende Feststellung traf, 426 von der wir vorerst nur hoffen können, dass sie zutrifft: „Wir mögen noch so oft betonen, der menschliche Intellekt sei kraftlos im Vergleich zum menschlichen Triebleben, und recht damit haben. Aber es ist doch etwas Besonderes um diese Schwäche; die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat. Am Ende, nach unzählig oft wiederholten Abweisungen, findet sie es doch. Dies ist einer der wenigen Punkte, in denen man für die Zukunft der Menschheit optimistisch sein darf, aber er bedeutet an sich nicht wenig. An ihn kann man noch andere Hoffnungen anknüpfen. Der Primat des Intellekts liegt gewiß in weiter, weiter, aber wahrscheinlich doch nicht in unendlicher Ferne.“ (Hervorhebung von mir)

Das gibt uns Hoffnung für das allgemeine Geschichts- und auch das (historische) Rechtsdenken. Ich bin auch überzeugt, dass uns nicht nur die Geschichte, sondern auch die Rechtsgeschichte und die Rechtsphilosophie und überhaupt das Rechtsdenken immer wieder die „[leise] Stimme des Intellekts“ vernehmen lassen, wenn wir bereit sind, auf sie zu hören. Und das sollten wir tun, denn „auf die Dauer kann der Vernunft und der Erfahrung nichts widerstehen“.427 – Auch deswegen sollten wir wie die Griechen bestrebt sein – anders als die Römer und der moderne Rechtspositivismus, das Rechtsdenken nicht von seinen gesellschaftlichen Grundlagen künstlich zu trennen.428 Die moderne Entwicklung der Wissenschaften bestätigt einen solchen Befund.

426 1927/1947, IX 186. 427 So S. Freud, aaO 187. 428 Vgl. unten bei und in Anm. 478.

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Heinrich Mitteis und der ‚Wert der Rechtsgeschichte’ Einen eigenen „Wert der Rechtsgeschichte [auch] außerhalb des eng umzirkten Kreises der eigentlichen Wissenschaft [sc. der Geschichte des Rechts] für die allgemeine Gestaltung der Persönlichkeit“ nimmt Heinrich Mitteis in seinem Werk ‚Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte’ an.429 Er erinnert dabei an den berühmten Satz Hegels, „wonach alle Geschichte der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit ist“ und fügt hinzu – „das heißt Fortschritt in der Selbsterkenntnis, im Beisichselbstsein des Geistes, im Gefühl der Menschenwürde, im bewußten Tun des Notwendigen“. Das ist ein ungeheures Programm. – Ich meine, dass die griechische Rechtsgeschichte in dieser Hinsicht sogar in besonderer Weise hilfreich und lehrreich sein kann, zumal sie uns nicht nur dazu einlädt, nahezu alle relevanten Entwicklungsschritte des Rechts in ihren Frühformen zu betrachten, sondern darüber hinaus auch noch vorbildlich die Gesellschaftsbezogenheit und damit auch die starke Ausrichtung des Rechts an der Gesamtkultur – und das bedeutet auch in der Beziehung zu allen anderen Wissenschaftsdisziplinen – vor Augen führt. Sie lädt uns hierin gleichsam zur Nachahmung ein. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass eine solche (Rechts)Orientierung immer wieder verkannt und daher abgelehnt wurde und dass so auch das griechische Recht und Rechtsdenken unter die Räder kam. Aber es wird uns auch künftig nicht erspart bleiben, uns – um es schlagwortartig zu formulieren – zwischen ‚Rom’ und ‚Athen’ (und den mit diesen Städten verbundenen Gesellschaftswerten) zu entscheiden. Für das künftige Europa mag das sogar als Schicksalsfrage betrachtet werden.430 Für die Bedeutung der griechischen Geschichte, der griechischen Demokratie und überhaupt des griechischen Denkens für uns hat Michael Stahl unlängst beherzigenswerte Gedanken veröffentlicht, die sich wohltuend von denen anderer Historiker abheben. Überzeugend auch seine Distanz zur These von der ‚Fremdartigkeit’ der griechischen Demokratie.431 Ohne dabei Patentrezepte oder „einfach übertragbare Lehren“ anbieten zu wollen, meint Stahl: „Das Geschichtliche an jeder menschlichen Vergangenheit ist das, was für die Gegenwart von Belang ist und für die Zukunft Orientierung zu geben vermag. Jede Vergegenwärtigung der Antike bewegt sich daher notwendig in dem Spannungsfeld zwischen zwei Erfahrungen im Verhältnis von Gegenwart und Antike: dass wir – ob wir wollen oder nicht – immer noch auf

429 AaO 83 ff. – Zu H. Mitteis: K. S. Bader 1957, XIII ff. 430 Ich verweise einmal mehr auf Trojes Antrittsvorlesung: ‚Europa und griechisches Recht’. 431 Nachweise bei Stahl 1997, 229 ff. Stahl kritisiert hier die These Fritz Gschnitzers, die in der Aussage gipfelt: „Die alte griechische Demokratie war doch etwas ganz anderes als die Staatsund Gesellschaftsform, in der wir heute leben.“ – 1997, 232 weist Stahl auf die Bedeutung des Gemeinwohls hin.

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Heinrich Mitteis und der ‚Wert der Rechtsgeschichte’

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ihren Schultern stehen, auch dass bei der Gestaltung der Gegenwart immer wieder bewusst auf sie zurückgegriffen wurde und dass wir sie andererseits im Lichte unserer Gegenwart 432 gleichzeitig auch als das Andere und Fremde erkennen.“

Stahl erinnert an eine schöne Formulierung Ch. Meiers, der gesagt hatte, dass ein Teil der Faszination, die stets von den Griechen ausging, darauf beruhe, dass sie bei der Errichtung ihres Bürgerstaates keine Vorbilder, kurz: „keine Griechen vor sich“ hatten, deren Konzepte sie hätten übernehmen können. „Sie haben dafür staatliche Institutionen, gemeinschaftliche Praktiken und kollektive Mentalitäten entwickeln müssen. Starke, in der gesellschaftlichen Moral tief verankerte Kräfte standen dem entgegen. Und es ist auch nicht immer und nicht überall gelungen, sie einzuhegen und zurückzudrängen. Die Griechen haben dabei jedoch die Politik erfunden – eine welthistorische anthropologische Innovation für die Bewältigung der in jeder Gesellschaft sich stellenden Gemeinschaftsaufgaben“.

Die geistige Auseinandersetzung mit der Antike hat uns ein ungeheures Maß an tiefem Wissen und Einsicht in menschliche und gesellschaftliche Grundfragen überliefert, vor dem wir demütig anhalten und – hoffentlich – auch etwas verweilen können. Diese Kostbarkeit aus unserer Vergangenheit nicht mehr achten zu wollen, liefe auf eine geistige Selbstverstümmelung (gleichbedeutend mit einem Verzicht auf unsere künftige kulturelle Sozialisation) hinaus. – Wir können daraus aber auch erkennen, dass Bildung sich nicht nur auf Vergangenes bezieht, sondern dass sie auch in die Zukunft zeigt. Wir müssen heute auch erneut beachten, dass Bildung zwar nachhaltig, aber in der Regel nicht unmittelbar wirkt, sondern bloß mittelbar, und dies auf eine Weise, die heute mit Umwegrentabilität umschrieben werden kann. Allein dieser Weg regt den Geist zusätzlich an und vermeidet platte Direktheit. Der so geschulte Geist lernt Bekanntes, Vorgegebenes mit Unbekanntem in Beziehung zu setzen, um es sodann verstehend, nicht bloß memorierend zu erfassen. Das führt nicht nur zu einer größeren Tiefe im Erfassen und Beurteilen neuer Situationen, sondern auch zu größerer Beweglichkeit und Lebendigkeit. – Es scheint allerdings, dass eine solche Beweglichkeit und Lebendigkeit des Geistes vom allzu mächtigen politischen Mittelmaß eher gefürchtet und daher auch deshalb nicht mehr gefördert wird; muss es doch sonst in Kauf nehmen, nicht nur Bewunderung zu ernten, sondern auch Kritik und Widerspruch zu erfahren. Das zeigt sich in Österreich derzeit (seit dem Jahr 2000) deutlich. Es soll eine Eliteuniversität geschaffen werden; diese Eliteuniversität wird auf die Naturwissenschaften beschränkt – möglicherweise deswegen, weil von Seiten ausschließlich naturwissenschaftlich ausgebildeter Geister mit weniger Kritik und Widerspruch gerechnet wird.

432 Mehr bei Stahl 1997, 234 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 2. Zum Wert humanistischer Bildung

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Eine ganz konkrete Frage juristischer (Aus)Bildung ist die nach der Persönlichkeitsstruktur derer, die Recht sprechen, es als Experten433 beratend anwenden und vermitteln und schließlich wissenschaftlich weiterbilden und systematisieren sollen. Diese Frage wurde seit griechischer Zeit unter dem Aspekt der erstrebenswerten Richterpersönlichkeit erörtert. Dazu betonte schon Platon:434 „Das Beste ist nicht, dass die Gesetze gelten, sondern der Mann, der weise und königlich ist.“

E. F. Bruck fügt dem hinzu:435 „Der Kern aller Justizreform betrifft die Persönlichkeit der Träger der Rechtsprechung, der Männer, die über Leben, Freiheit und Ehre ihrer Mitmenschen zu richten haben. Mögen die Gesetze, insbesondere die Verfahrensvorschriften, noch so gut sein, die Hauptsache bleiben immer doch die Menschen, die sie anwenden. Men not measures! Das gilt ganz besonders vom Richter, es gilt schließlich aber auch von jedem Juristen in verantwortlicher Stellung, vom Anwalt, vom Verwaltungsbeamten, vom Syndikus eines großen Betriebes. Es handelt sich also vor allem um ein Ausbildungsproblem.“

In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund für Optimismus. Die Reformen der letzten Jahre haben die Weichen der juristischen Studienpläne falsch gestellt. Es wird nicht mehr gebildet, nur noch ausgebildet (wozu?). Der bildungspollitische Stellenwert der begleitenden Fächer Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung ist nicht mehr ausreichend und hat keine nennenswerte Bedeutung in den Studienplänen; die Fächer drohen vielmehr ganz zu verschwinden. Der rechtsgeschichtliche Blick zurück sollte daher nicht nur Selbstzweck sein, sondern auch der Bewältigung von Gegenwart und Zukunft dienen. Das hat schon Cicero so verstanden, wenn er am Beginn des 5. Buchs seiner Schrift ‚De finibus bonorum et malorum’ seine Protagonisten Piso, Quintus, Pomponius ua. beim Besuch antiker griechischer Stätten an Platon – und seine Nachfolger in der Akademie, Sophokles und dessen ‚Ödipus’ sowie an Epikur, Pythagoras, Demosthenes uam. denken lässt, gleichzeitig aber mahnend an das (alte) Sprichwort erinnert: ‚Vivorum meminerimus!’/‚Denken wir an die Lebenden!’. – Für uns – anders als für Cicero – bieten aber nicht nur das römische, sondern auch das griechische und orientalische Recht(sdenken) tiefe Einblicke in die Rechtsentwicklung. Man muss nicht so pessimistisch sein – oder ist es Realismus? – wie Hegel, der es ausschloss, dass Völker und Regierungen (Einzelne?) aus der Geschichte etwas lernen können und der über historische Vergleiche harsch urteilte:436

433 Zu den drohenden Gefahren juristischen Expertentums eindringlich Somek (2006). 434 Politikos 294a. 435 1930, 6. 436 18483/1997, 45: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte.

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Recht und Medizin

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„Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wäre, gehandelt haben. [Als Begründung wird angeführt:] Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, dass in ihm aus ihm selbst entschieden werden muß und allein entschieden werden kann. Im Gedränge der Weltbegebenheiten hilft nicht ein allgemeiner Grundsatz, nicht das Erinnern an ähnliche Verhältnisse, denn so etwas, wie eine fahle Erinnerung, hat keine Kraft gegen die Lebendigkeit und Freiheit der Gegenwart. Nichts ist in dieser Rücksicht schaler als die oft wiederkehrende Berufung auf griechische und römische Beispiele, wie diese in der Revolutionszeit bei den Franzosen so häufig vorgekommen ist. Nichts ist verschiedener als die Natur dieser Völker und die Natur unsrer Zeiten.“

Recht und Medizin Über interessante Zusammenhänge zwischen dem Rechtsdenken und der Entwicklung medizinischer Konzepte bei den Griechen berichtet etwa W. Jaeger.437 – Danach wurden Solons politische Vorstellungen von einem sozialen Machtoder Kräfteausgleich im Staate, seine ‚Eunomia’ (zu verstehen als ‚Wohlgesetzlichkeit’),438 in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf die griechische Medizin (Hippokrates: ~ 460-370)439 übertragen, was aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen nahe lag. Denn auch das frühe Denken Solons leitete – wie die Medizin – seine Einsichten ua. aus der Natur und ihren Gesetzen ab. Solons damals immer noch geschätztes Denken und seine Einblicke in die sozialen Gesetzmäßigkeiten der Polis, die von einem Zusammenspiel zwischen ihren einzelnen Mitgliedern (Teilen) und der Gemeinschaft (dem Ganzen) ausgehen und

437 1947/1960, II 326 und 329 f und schon in: Paideia 1944, II 11 ff (‚Die griechische Medizin als Paideia’) sowie Vlastos 1946, 68 f (solonisches Denken und hippokratische Medizin). Vgl. auch Kapitel VI 1: Wissenschaftsgeschichte und nunmehr in der FS I. Weiler (2008); Ferner auch Kapitel VII vor 1 ‚Platons weitläufige Interessen’: Hippokrates – Platon. 438 Solons ‚Eunomia’-Elegie ist abgedruckt bei Latacz 1991/19982, 196 ff. – Dazu Jaeger 1947/1960, II 325 ff und unten Kapitel II 17 (sowie in der FS Haider, 2006). – Eine Neuinterpretation der Eunomia-Elegie Solons bietet Stahl (1992). – Nach H. Schaefer 1956/1969, 140 liegt in der ‚Eunomia’ „in Wahrheit der tiefsinnige Ausdruck für die dem älteren Griechentum seit früher Zeit innewohnende Überzeugung, dass alles menschliche und politische Leben einer Norm unterworfen sei. Von Homer über den Spartaner Tyrtaios bis Solon von Athen reichen die Zeugnisse für jenes politische Ideal; der Dichter Pindar hat zu Beginn des klassischen Jahrhunderts, […], ihm [sc. diesem politischen Ideal] gehuldigt, nirgends schöner und eindrucksvoller als in der dem Lobpreis Korinths gewidmeten XIII. Olympischen Ode.“ Schaefer äußert sich aaO auch noch zu den Voraussetzungen des Gedankens der ‚Eunomia’. – Zur möglichen Beeinflussung des Eunomia-Konzepts aus Ägypten: Kapitel II 17. 439 Vgl. dazu nun: Schubert/Leschhorn (2006), dort sind die wichtigsten Schriften des Corpus Hippocraticum abgedruckt; aaO 328 ff gehen diese Autoren auf ‚Medizin und Naturphilosophie’ ein.

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dieses reflektieren, bedienten sich einer körperlich-medizinischen Begrifflichkeit. So bedeutet das von Solon in der ‚Eunomia’-Elegie440 verwendete Wort {MLPK medizinisch Wunde, Wundbrand,441 Geschwür oder Krankheit, allgemein auch Unheil. Diese von Solon gebrauchte Metapher eines körperlich-geistigen Spannungs- und Ausgleichsverhältnisses war offenbar auch noch für die griechische Medizin des 5. Jahrhunderts von Interesse.442 – Jaeger443 spricht sogar von „[…] increasing influence of the idea of justice on every aspect of Greek thought. If we take the rapidly advancing science of medicine, as it appears in the books of the Hippocratic collection, we see juridical terms and analogies play an important part in explanation of natural phenomena. Just as Anaximander [~ 610-546 v. C.] had interpreted the natural process of coming to be and passing away as a penalty which individual things had to pay to each other, so the Ionian physicians who wrote the Hippocratic books spoke of the causes of disease and their treatment in terms of retribution. Concepts such as UJNXSFkOCPIRFkOand so forth, which are frequent in medical terminology, were taken over from the legal sphere. – Accordingly [to isonomia], health is described as a kind of isomoiria, the equal balance between the various elements or humors of the body. This is an obvious application of the concept of justice which was generally defined by the Greeks as the equal (ison). The cause of disease is a disturbance of that relationsship and the domination of one element over the rest. The essence of all evil in the social world is the tendency toward excess (QMFPOFYeB, literally ‘taking more and 444 more’).”

Für die ionischen Naturphilosophen – Thales, Anaximander, Anaximenes – und auch noch Heraklit bestand zwischen natürlicher Ordnung (in der Natur) und menschlicher Sozialordnung (in der Polis) noch eine Einheit, für die auch nur ein Kausalgesetz galt. Deshalb formuliert Anaximander, dass die Dinge und überhaupt das Seiende (tà ónta), „einander Strafe und Buße zahlen für die Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit“. Menschliche und kosmische Ordnung erscheinen als eines. Ebenso auch noch Heraklit, wenn er sagt: „Helios wird seine Maße nicht überschreiten, sonst werden die Erinyen ihn zu finden wis445 sen“.

Nach Parmenides hält die Gerechtigkeit, die Wechsel-Schüssel der (sich auf diese Weise genau ausgleichenden) Bahnen von Tag und Nacht. Dieses Denken der

440 Vers 17; Diehl 19493, Fragment 3, 17 = Latacz 1991/19982, 198 f = H. Miltner 1955, 34 f. 441 So die Übersetzung von Latacz 1991/19982, 198 f. 442 Vom gesellschaftlichen zum körperlich-medizinischen Kräftegleichgewicht. – Dieser frühe Wissenstransfer ist auch heute noch vorbildlich. 443 1947/1960, II 329; vgl. auch das diesem Kapitel vorangestellte Motto von W. Jaeger sowie in Kapitel III 4 (‚Neuerungen des Aischylos’ – am Ende). 444 Politisch und rechtlich führt eine solche Haltung zu Hybris und Tyrannis. 445 Diels/Kranz B 94 (Heraklit) und B 1 (Anaximander).

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‚Bildung’ verlangt Öffnung

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Griechen steht, worauf Burkert446 hingewiesen hat, in Einklang mit jüdischen, ägyptischen (Maat, die Ordnung, steht an der Seite des Sonnengottes) und babylonischen (ebenso Misharu) Vorstellungen. Burkert spricht hier vom „Paradigma kosmischer Ordnung“.447 Darin liegt eine Vorwegnahme der Gedanken der modernen Sozialmedizin, die den Menschen ebenfalls in einen stärkeren gesellschaftlich-naturwissenschaftlichen Kontext stellt. – Erwähnt werden soll auch noch der Hinweis Jaegers auf einen feststellbaren ‚Rückeinfluss’ der Medizin auf die Bereiche von Recht und Politik, was sich etwa im (aristotelischen) Rechtskonzept der ‚gemischten Verfassung’ niedergeschlagen haben dürfte.448 Arbeiten von Ota Wenskus und Renate Wittern haben uns gezeigt, dass die Anfänge der Medizin als Wissenschaft einen namhaften Beitrag zur Entstehung eines allgemeinen wissenschaftlichen Denkens geleistet haben. Ablesbar ist das insbesondere am Corpus Hippocraticum.449

‚Bildung’ verlangt Öffnung Bildung bedeutet Öffnung – und dies nicht nur fachlich und wissensmäßig. Selbst das Gefühl ist daran beteiligt, denn auch dieser Bereich braucht Entwicklung. Rechtlich relevante Bildung kann sich nicht mit ‚sich selbst’, also dem Recht und seinen unmittelbaren Bezügen zufriedengeben, sondern reicht notwendig über ‚sich und den eigenen Bereich’ hinaus und bezieht – wie ein in ruhiges Wasser geworfener Stein – ringförmig sich ausdehnend, mehr und mehr ein. In meiner Arbeit waren es zunächst rechtswissenschaftliche Begleitfächer wie die Rechtsgeschichte, die Rechtssoziologie, die Rechtsphilosophie und dann – darüber hinausgehend, partiell auch Aspekte der Alten Geschichte und der Altorientalistik mit ägyptologischen und altphilologischen Überlegungen. Sie wurden einbezogen, um der rechtlichen Genese, die niemals abgeschottet von anderen Gesellschaftsbereichen erfolgte, gerecht zu werden. Jede Art von wissenschaftspositivistischer Beschränkung verbot sich von selbst. Das Thema hatte sich – ausgehend von der Beziehung zwischen Griechen und Römern – in einem ersten Schritt auf den Alten Orient, insbesondere Ägypten und von hier aus auf manche Frage der menschlichen Frühzeit erweitert. Bei Berücksichtigung der Anfänge und der Beziehung von ‚Religion und Recht’ war das nicht zu vermei-

446 2003, 66 f (im Rahmen seiner Ausführungen über die Zusammenhänge einer „ostwestlichen Weisheitsliteratur und Kosmogonie“). 447 Grundlegend schon Topitsch (1972). – Vgl. meine Hinweise 2008, 1 und 28 f. 448 Vgl. zur ‚Politik’ des Aristoteles, in: Kapitel VIII 5 und Kapitel IX. – Aristoteles ist in einer Medizinerfamilie aufgewachsen! 449 ‚Einfluss des Corpus Hippocraticum?’, in: Kapitel II 4 und 5 Entstehen der ,Rechtskategorie Zufall’.

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den, vorausgesetzt, man wollte der Sache auf den Grund gehen. Jüngste Ausgrabungen in der Süd-Ost-Türkei (Göbekli Tepe) hatten Wichtiges zutage gefördert,450 und ein Berücksichtigen mancher Ergebnisse nahegelegt. Von hier aus geriet immer wieder auch der von der Vergleichenden Verhaltensforschung/Ethologie reflektierte Grenzbereich zwischen tierischem und menschlichem Verhalten in den Blick der Betrachtung, wenn auch auf wenige Fragen beschränkt.451 Bildung vermag Kreativität zu fördern, und die benötigen wir dringend, gesellschaftlich und menschlich noch viel mehr als technisch, naturwissenschaftlich oder ökonomisch. – Kreativität beweist sich heute nicht nur im ‚Erfinden’ von Neuem, sondern auch im Inbeziehungsetzten, Erklären und Weiterdenken von bereits (partiell) Erkanntem oder auch nur fragmentarisch Verstandenem. Das gilt nicht nur innerhalb des Faches, sondern auch über dessen Grenzen hinaus. Einzelne Disziplinen und deren Ergebnisse miteinander in Beziehung zu setzen, ist demnach als methodisches Gebot der Stunde: Recht, Alte Geschichte, Rechtsphilosophie, Religionsgeschichte, Archäologie, Naturgeschichte, Vergleichende Verhaltensforschung/Humanethologie uam. zu befragen, erfordert auch gegenseitige Einsicht (mit Nachsicht) und die Bereitschaft zur Kommunikation. Gerade die stellt sich nicht automatisch ein. Ihre Voraussetzungen müssen vielmehr künftig erneut universitätspolitisch geschaffen werden. Nur dann lässt sich für alle Beteiligten ein Mehrwert an Bildung erzielen. Wissenschaft braucht heute dringend ein solches Inbeziehung-Setzen ihrer verschiedenen Teile, um dadurch auch diese ihre ‚Teile’ verständlicher zu machen. Das nützt dann der Gesellschaft und nicht nur der Wirtschaft und der einseitigen politischen Förderung ihrer technisch-naturwissenschaftlichen Ideenlieferanten, deren Vorherrschaft uns zu zerstören droht. ‚Bildung’, verstanden auch als Speicher erlangter Erfahrung, ist vielleicht das einzige wirksame (Gegen)Mittel, um das „Arbeitstempo des westlichen Zivilisationsmenschen“, das Oskar Heinroth, der von Konrad Lorenz452 zitiert wird, als das „dümmste Produkt intraspezifischer [im Sinne von: innerartlicher] Selektion“ bezeichnete, zu mindern. Hinter diesem Akzelerationsdruck steht natürlich die unersättliche kapitalistische Ideologie, die keine anderen Prioritäten neben sich duldet. Gelingt es hier gegenzusteuern, könnten neben geschäftlich-monetären Werten auch noch andere – menschliche – Werte wirken und sogar in ökonomische Entscheidungen einfließen. Allein die Chancen, dass solche Einsicht sich durchsetzt, stehen bislang schlecht. Das Gros der in der Wissenschaft Tätigen steht dieser Entwickluing weithin gleichgültig gegenüber, ohne dass auch nur der Versuch eines Widerstands gewagt würde. Wir

450 Diese Ausgrabungen sind mit dem Namen von K. Schmidt (2006) verbunden. 451 Vgl. insbesondere auch die Kapitel VIII und IX und hier Pkt. 7. 452 1974/200424, 47 f. – Ich gehe auf K. Lorenz insbesondere in Kapitel IX 1 ein.

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‚Bildung’ verlangt Öffnung

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sollten aber dennoch die – mit Blickrichtung auf die sich mittlerweile noch viel deutlicher als am Beginn der 1960er Jahre abzeichnende menschliche Fehlentwicklung ausgesprochene – gutgemeinte Mahnung von K. Lorenz ernst nehmen und damit die Überlebenschance der Menschheit wahren. An diesem persönlichen und fachlichen Aspekt der Bedeutung von Bildung zeigt sich die Aktualität eines Einbeziehens historischer Fragen. Die Beschäftigung mit meinem Thema hat mir immer wieder gezeigt, dass zentrale Bereiche der Rechtswissenschaft und der Rechtsgeschichte ohne Alte Geschichte (und deren Begleitdisziplinen) weder ganz verstanden, noch befriedigend behandelt werden können. Wir sind auch wissenschaftlich an einem Punkt (der Menschheitsentwicklung) angelangt, von dem an sich eine verantwortete Rechtswissenschaft nicht mehr in dogmatischer oder positivistischer Manier in splendid isolation betreiben lässt, will man die Menschheit nicht durch die fatalen Wirkungen einer verfehlten Selektion – denen „der Mensch […] besonders ausgesetzt“ ist453 – noch näher an den Abgrund drängen. Der Motor für solche – keineswegs immer einfache und friktionsfreie – über enge Fachgrenzen hinausweisende Orientierungen ist das Interesse an einer umfassend zu verstehenden fachlichen und menschlichen Bildung, deren Samenkörner wohl schon in der Kindheit und Jugend ausgesät werden und die nur dann keimen und wachsen können, wenn gute Wachstumsbedingungen vorliegen. Bildung ist ein Prozess, ein anhaltender Vorgang, etwas das nie abgeschlossen ist, gar nicht abgeschlossen werden kann. Ist das Interesse einmal lebendig geworden, wächst es weiter. Deshalb ist es so wichtig, Interesse zu wecken. Bildung, so sie gelingt, ist wohl das einzig existierende (weil geistige) perpetuum mobile. Bildung achtet das Bildungsinteresse aller, nicht nur das eigene oder einiger weniger anderer. Lehrer zu sein bedeutet danach, Bildung zu vermitteln, Bildungsinteresse zu wecken. Es ist an der Zeit uns wieder mehr mit solchen Fragen zu befassen, zumal eine so verstandene Bildung sozial nicht trennt, sondern eint. Dümmliche und monetär motivierte Ansätze von Geniekult sollten daher rasch aufgegeben werden, ehe sie großen gesellschaftlichen Schaden anrichten, denn solche Wege sind gewiss Irrwege. Das schließt nicht aus, Begabte wirkungsvoll zu fördern, und dies kann im Schoße der Universitäten, nicht abgeschichtet von den allgemeinen Bildungseinrichtungen, geschehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Universitäten nicht nur fachlich aus-bilden, sondern auch fächerübergreifend bilden wollen und dazu auch organisatorisch und finanziell in der Lage sind. Dazu braucht es Universitätslehrer, die nicht bloß am eigenen Fortkommen, am Geldverdienen und an Machtmehrung interessiert sind. Die Probleme der Universitäten waren nämlich immer auch Probleme der Universitätslehrer, wovon abzulenken bislang stets einigermaßen gelungen ist. Hier wurden bereits

453 K. Lorenz 1974/200424, 48.

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wichtige Entwicklungen verschlafen und unverzeihliche Fehlorientierungen geduldet. Neue Maßstäbe zu finden und zu setzen wäre wichtiger, als einem in die gesellschaftliche Irre führenden Geniekult den Weg zu ebnen. Der Vergleich mit dem Spitzensport, der sich in ähnlich bedenklicher Weise entwickelt hat, drängt sich förmlich auf. Zudem wären Politiker vonnöten, die ihrer Berufung gerecht werden. Soll Bildung erfolgreich sein, muss sie vielgestaltig und bunt, den vielfältigen Interessen und Neigungen der Menschen entsprechend angeboten werden. Den Menschen von den verschiedensten Blickwinkeln aus zu betrachten, ist immer wieder reizvoll. Statt sich derart zu orientieren, verbannt man immer mehr bildungsmäßig interessante, aber monetär und ökonomisch nicht so ergiebig erscheinende Fächer, die der sogenannte ‚Markt’ und seine Interessen (gegenwärtig) nicht unmittelbar präferiert, aus den Studienplänen. Wir sind daher – parallel zur Abnahme der Artenvielfalt im Pflanzen- und Tierreich – auf dem Weg zu unkreativen Monokulturen des Wissens, ohne ernsthafte menschliche, soziale und fächerübergreifende Bildung und ohne innere menschliche Anteilnahme an dieser Aus-Bildung, die – wohl nicht zufällig – auch autonomes Denken, Kritikpotenzial und Phantasie unterdrückt und politische wie fachliche Eindimensionalität und Willfährigkeit fördert. Vermeintliche (Bildungs)Interessen werden in politisch-ökonomischer Verblendung immer mehr vorgeschrieben, statt frei gewählt und können daher nicht mehr als Katalysatoren für eine positive individuelle und kollektive Entwicklung dienen. – Deshalb lohnt es sich immer noch, für eine freie und über monetäre und technokratische Interessen hinausreichende Bildung einzutreten, auch wenn dies weder politische Anerkennung, noch wirtschaftlichen Erfolg einbringt. Aber besteht nicht Bildung gerade auch darin, sich vom sogenannten Erfolg – worin liegt eigentlich sein Wert? – nicht blenden zu lassen? Eine interessante Überlegung zum Mythos, der für die griechische Kultur von so großer Bedeutung war, stammt von F. G. Jünger:454 „Die Mythe belehrt uns über manches, das die Wissenschaft vergessen hat. Dürfen wir aber unser eigenes Anliegen in ihr suchen? Dürfen wir sie nicht nur auslegen, sondern auch etwas in sie hineinlegen? Aber wer auslegt, der legt hinein – das ist eine Formel alles Verstehens. Das Vergangene muß Gegenwart werden, um als ein Vergangenes betrachtet werden zu können. Es gilt aber, die Entsprechungen zu beachten, und das ist nicht immer leicht. Unser Denken ist nicht mythisches Denken sondern Denken über die Mythe. Wir denken nicht, wie die Griechen dachten, sondern wir überdenken, was sie dachten. Die Frage ist, welche Koinzidenz das griechische Denken für unser eigenes besitzt. Eine Antwort darauf mag der Leser dieser Darstellung selbst entnehmen.“

454 1943, 6.

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Die Entwicklung des Individuums – Individualität in der Antike

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Abschließend ein weiterer Gesichtspunkt, der für Bildung (und die durch sie erreichbare gesellschaftliche und menschliche Unabhängigkeit) spricht, vielgenannt und wohlbekannt, aber kaum beachtet und ernst genommen: Bildung beinhaltet auch Pflichten, die aus der ihr entwachsenden Einsicht resultieren. Diese Pflichten hätten sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zu äußern, aber sie werden immer weniger verantwortlich und am Gemeinwohl orientiert, also jenseits des Marktes, wahrgenommen. Aus diesen Bereichen ragt einer heraus, dessen Gestaltung unsere Zukunft entscheidend mitbestimmen wird. R. Bilz455 hat diese Herausforderung für unsere Gegenwart bündig gefasst: „Das Missverhältnis zwischen technischem Fortschritt und menschlicher Unreife ist erschreckend. Vielleicht sollte man sich wirklich zunächst einmal um eine Anthropologie bemühen.“

Auguste Comte hatte wohl bereits Ähnliches gemeint:456 „In der Vergangenheit haben die Wissenschaften den menschlichen Geist von der Bevormundung durch die Theologie und die Metaphysik befreit, die, was in ihren Anfängen unvermeidlich war, diese unbegrenzt fortzusetzen trachteten. In der Gegenwart müssen sie durch ihre Methoden oder ihre allgemeinen Ergebnisse dazu dienen, die sozialen Theorien neu zu ordnen. In der Zukunft werden sie, in eine systematische Form gebracht, die dauernde geistige Grundlage der sozialen Ordnung bilden, solange unser Geschlecht auf dieser Erde wirken wird.“

Die Entwicklung des Individuums – Individualität in der Antike Schon hier sei hervorgehoben, dass die Bedeutung des Einzelnen als Individuum sich bereits in der griechischen Antike entwickelt hat und nicht – wie immer wieder behauptet – erst in der Renaissance oder gar erst in der Zeit der Aufklärung. Es war auch nicht das Christentum, das die entscheidenden Schritte in Richtung von (rechtlich relevantem) ‚Individuum’ und ‚Rechtssubjekt’ gesetzt hat. Die ‚humanistische’ Bedeutung dieses Entwicklungsprozesses kann heute gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal der ‚Humanismus’ im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht nur einmal schwer missbraucht wurde. – Wie heute stand auch schon damals das Individuum in einem gesellschaftlichen Spannungsverhältnis zum ‚Ganzen’, der Gemeinschaft, und es galt auch damals schon, eine zeitgerechte Lösung für dieses Verhältnis zu finden. Die antike Genese nachzuvollziehen ist noch heute lehreich. Gerade auch rechtlich war sie nämlich von großer Bedeutung; handelte es sich doch dabei um die Entwicklung zum Rechts-

455 1971, 7. 456 ‚Considérations philosophiques sur les sciences et les savants’ (1825). Abgedruckt bei Aron 1971, I 9.

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subjekt als Träger subjektiver Rechte – geradezu eine Wegmarke der Rechtsgeschichte.457 – Ich bin daher mehrmals auf diese Fragen eingegangen.458 Aber auch schon vor Solon sind in der griechischen Frühzeit wichtige Schritte gesetzt worden; man denke nur an Drakons bedeutende Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Tötung, die bereits eine gefestige rechtliche Vorstellung von einem handelnden (Rechts)Subjekt, dem ein eingetretener Erfolg zugerechnet werden konnte,459 voraussetzte. Aus heutiger Sicht sei noch angeführt, dass sich Max Horkheimer eingehend mit unserer Frage auseinandergesetzt und keinen Zweifel daran gelassen hat, wer den Begriff und das Verständnis der Individualität hervorgebracht hat und von wem „die Muster für die abendländische Kultur“ stammen:460 „Die Geschichte des Individuums, selbst im alten Griechenland, das nicht nur den Begriff der Individualität hervorbrachte, sondern auch die Muster für die abendländische Kultur abgab, ist noch weitgehend ungeschrieben. Das Modell des aufsteigenden Individuums ist der griechische Held. Wagemutig und selbstvertrauend, triumphiert er im Kampf ums Überleben und

457 Diese Entwicklung wurde von rechtlicher Seite lange unzutreffend (und ohne Auseinandersetzung mit der Alten Geschichte) eingeschätzt; vgl. Dulckeit 1950, 126 uH auf Steinwenter 1939, I 86 (FS Koschaker): „Denn der griechische Staat ist, wie nochmals mit allem Nachdruck betont werden muß, in seiner wirklichen Ausgestaltung ganz auf die objektive Seite des Gemeinwesens beschränkt geblieben. Der einzelne Bürger als solcher geht so sehr und so vollständig im Leben der Polis auf, dass ‚ein formulierter Gegensatz zwischen Gemeinschaft (LPJO²O) und Individuum (gEJPK)’ hier ‚nicht gut denkbar’ ist.“ – Es verwundert dann nicht, dass für Rom das Gegenteil angenommen wird; vgl. Dulckeit, aaO 128. (Wie üblich, fügt sich ein Vorurteil, an das andere.) Die Tatsache, dass schon gegen das Ende der römischen Republik und dann seit Augustus (Ovid!) kaum mehr eine individuelle Freiheit gegenüber dem Herrscher/Staat existierte und dass dies zur Zeit der Klassik, nicht besser wurde, bleibt ausgeblendet. Man vergleiche damit die System- und Organwalterkritik bei Aristophanes oder Euripides. Tatsächlich kann mit Strasburger (1949/1969) im Verhältnis von Polis und Einzelnen von „gleichwertigen Größen“ ausgegangen werden; vgl. auch Spahn 1993, 343 ff. Zu beachten gilt es freilich auch, entgegen Dulckeit und Steinwenter, dass dieses ‚Verhältnis’ nicht immer dasselbe war. – Ähnlich unhistorisch ist Dulckeits Unterscheidung von ius privatum und ius publicum (1950, 129); dazu in Pkt. 10 ab Anm. 2572 mwH. 458 In diesem Kapitel Pkt. 10 ‚Das Ausmaß des griechischen Einflusses’ ab Anm. 2635 und in Kapitel II 1: ‚R. van Dülmens Irrtum’ (2000) und (2001): Auch die großen Leistungen der Solonischen und Kleisthenischen Gesetzgebung erwähnt Richard von Dülmen; zur Entwicklung von Individualisierung und politischem Bewusstsein: Spahn 1993, 343 ff. – Vernachlässigt wird die rechtliche Entwicklung in der griechischen Antike (trotz des Anspruchs der Herausgeber im Vorwort) auch von Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität; vgl. Th. Wirth 1998, 119 ff. Lehrreich sind die Beiträge von A. Schmitt 1998, 91 ff (zur ‚Griechischen Tragödie’) und von K. Oehler 1998, 153 ff (zu ‚Subjektivität und Selbstbewußtsein’ als Problemen der griechischen Philosophie). 459 Dazu in Kapitel II 4 und 5 und mein Beitrag in: Barta/Mayer-Maly/Raber 16 ff (2005). 460 1947/1985, 125 f. – Aus unerklärlichen Gründen wurden diese wichtigen Ausführungen Horkheimers von R. van Dülmen (insbesondere 2000 und 2001) übergangen, was kein gutes Licht auf dessen Großprojekt wirft; dazu später.

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Die Entwicklung des Individuums – Individualität in der Antike

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emanzipiert sich ebenso von der Tradition wie von seinem Stamm. […] Der Begriff des Heldentums ist untrennbar von dem des Opfers. Der tragische Held hat seinen Ursprung im Konflikt zwischen dem Stamm und seinen Mitgliedern, ein Konflikt, in dem das Individuum stets besiegt wird. Man kann sagen, dass das Leben des Helden nicht so sehr eine Manifestation der Individualität als ein Vorspiel zu ihrer Geburt ist durch die Vermählung von Selbsterhaltung und Selbstopfer. Der einzige der homerischen Helden, bei dem uns auffällt, dass er eine Individualität hat und die Kraft eigener Entschlüsse, ist Odysseus, und er ist zu verschlagen, um wahrhaft heroisch zu erscheinen.“

Horkheimer ergänzt:461 „Das typisch griechische Individuum kam im Zeitalter der Polis oder des Stadtstaats zur Blüte: mit der Herausbildung einer Bürgerklasse. In der athenischen Ideologie war der Staat seinen Bürgern gegenüber das Erste und das Höhere. Aber dieses Vorherrschen der Polis erleichterte eher den Aufstieg des Individuums, als dass es ihn behinderte: es bewirkte einen Ausgleich zwischen dem Staat und seinen Angehörigen, zwischen individueller Freiheit und gemeinsamer Wohlfahrt, wie er nirgendwo eloquenter geschildert wird als in der Grabrede des 462 Perikles. In einem berühmten Abschnitt der ‚Politik’ beschreibt Aristoteles den griechischen Bürger als einen Typ von Individuum , der, zugleich mit dem Mut des Europäers und der Intelligenz des Asiaten begabt, das heißt das Vermögen der Selbsterhaltung mit Reflexion verbindend, die Fähigkeit erwarb, andere zu beherrschen, ohne seine Freiheit zu verlieren. Das hellenische Volk, sagt er, ‚würde alle Nationen beherrschen können, wenn es zu einem Staate verbunden wäre’. Immer wieder wurde ein ähnlicher Ausgleich der psychologischen Kräfte erzielt, wenn die städtische Kultur einen Höhepunkt erlebte, zum Beispiel im Florenz des fünfzehnten Jahrhunderts. Die Geschicke des Individuums sind immer mit der Entwicklung der städtischen Gesellschaft verbunden gewesen. Der Stadtbewohner ist das Individuum par excellence. Die großen Individualisten, die Kritiker des Stadtlebens waren, wie Rousseau und Tolstoi, hatten ihre geistigen Wurzeln in städtischen Traditionen; Thoreaus Flucht in die Wälder war mehr der Gedanke eines Liebhabers der griechischen Polis als der eines Bauern. In diesen Männern wurde das individualistische Grauen vor der Zivilisation durch deren Früchte genährt. Der Antagonismus zwischen der Individualität und ihren ökonomischen und sozialen Existenzbedingungen, wie er von diesen Autoren ausgedrückt wird, ist ein wesentliches Element der Individualität selbst. Heute wird dieser Antagonismus im Bewußtsein der Individuen durch den Wunsch verdrängt, sich der Realität anzupassen. Dieser Prozeß ist symptomatisch für die gegenwärtige Krise des Individuums, die wiederum den Verfall der traditionellen Idee der Stadt reflektiert, die in der abendländischen Geschichte fünfundzwanzig Jahrhunderte geherrscht hat.“

461 1947/1985, 126 f. 462 VII 7, 1327b; Übersetzung E. Rolfes, Leipzig 1948.

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Horkheimer463 betont noch, dass von Platon der erste systematische Versuch stamme, „eine Philosophie der Individualität im Einklang mit den Idealen der Polis zu konzipieren“. Platon habe Mensch und Staat „als harmonische und wechselseitig voneinander abhängige Strukturen von Intelligenz, Begierde und Mut“ begriffen, die dann „am besten organisiert waren, wenn die Arbeitsteilung den jeweiligen Aspekten der dreigeteilten Psyche des Menschen entsprach“. Platons ‚Staat’ habe im Interesse des Gemeinwesens ein Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Gruppenkontrolle vorgesehen. Was uns Horkheimer neben seinem Hinweis auf die griechischen Wurzeln der europäischen Indidividualität noch heute vermitteln kann, ist der klare Blick auf das gesellschaftliche Ganze und die zentrale Beziehung zwischen den Individuen und diesem Ganzen; ein Blick, der uns heute geflissentlich vorenthalten oder doch sehr erschwert wird und daher verlorenzugehen droht. Statt der erforderlichen ‚Totalität’ des Blicks – im Sinne eines gesellschaftlichen Universalismus – und der sich daraus ergebenden umfassenderen Einsicht, findet sich überall Unzusammenhängendes, Stückwerk und Begrenztheit. Niemand kann leugnen, dass sich diese kapitalistisch-ökonomischen Elemente in Wirklichkeit nur zu einem Schein-Ganzen zusammenfügen, das sich immer totalitärer und zerstörerischer und folgerichtig auch politisch undemokratisch gebärdet. – Auf der Strecke bleibt der Einzelne, das Individuum und letztlich das gesellschaftliche Ganze. Einen von Horkheimer nicht beachteten Aspekt trug G. Dux nach: Die Bedeutung des jeweiligen historischen ‚Weltbildes’ für die Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen.464 Umbrüche im ‚Weltbild’ hat es schon in der Antike gegeben; und dies nicht nur im alten Griechenland, sondern etwa auch im pharaonischen Ägypten (was bis zu einem gewissen Grade auch für das antike Griechenland bestimmend wurde; etwa im Hinblick auf die Seelenvorstellungen): Ich erwähne hier nur die einschneidenden Änderungen betreffend die Seelenvorstellungen im Rahmen der sogenannten ‚Ersten Zwischenzeit’ am Ausgang des 3. Jahrtausends;465 oder den tiefgreifenden Wandel religiöser Vorstellungen (Aton, Monotheismus) nach der Mitte des 2. Jahrtausends (ab Amenophis III und insbesondere dessen Sohn, Amenophis IV/Echnaton). – Im antiken Griechenland bahnte sich im 5. Jahrhundert, nach den Perserkriegen und dem ersten Auftreten von Sophisten und Philosophen, ein Umbruch des Weltbildes an (und zwar von jenem von der Archaik und deren Wertvorstellungen und Einsichten geprägten hin zur ‚Modernität’ der Klassik), dessen Wurzeln allerdings weit zurückreichen. – Weltbilder haben nichts Monolithisches an sich, sondern bestanden zumeist aus

463 1947/1985, 127 f. 464 Vgl. etwa Dux 2000, zB 28 ff, der jedoch der Antike und dem für die europäischen Grundlagen bedeutenden Alten Orient wenig Beachtung schenkt; vgl. schon Niedenzu (1987). 465 Dazu insbesondere in Kapitel II 17: Ma’at und Eunomia und in Kapitel VI 4 (Ägypten).

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Die Entwicklung des Individuums – Individualität in der Antike

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patchworkartig zusammengesetzten Teilen einer Gesellschaft. So auch bei den Griechen, in deren Weltbild Naturverständnis, Religion, Recht und Gerechtigkeitsvorstellungen, Politik (die Griechen waren die Erfinder der ‚Politik’: Ch. Meier), Kunst (in einem weiten Sinne), Wirtschaft, technische Fertigkeiten und Philosophie eingeflossen waren. Insgesamt erscheint der Wandel von ‚Weltbildern’ bei den Griechen als Ergebnis einer rationalen Entzauberung der Welt, die bereits in der frühen Archaik einsetzte und bis in den Hellenismus hinein anhielt. – Auch der Umbruch zum neuen ‚Weltbild’ der griechischen Klassik erfolgte durch ‚Revolutionen’,466 also gesellschaftliche Umwälzungen größeren Ausmaßes: naturwissenschaftlich-philosophische (ab dem Beginn des 6. Jahrhunderts; zum Höhepunkt dieses naturwissenschaftlichen Entwicklungsschritts bei den Griechen kommt es aber erst im 3. Jahrhundert v. C. mit Euklids ‚Geometrie’467 und der insbesondere von Archimedes468 stürmisch vorangetriebenen ‚angewandten’ Naturwissenschaft, in deren Rahmen erstmals die Maschine auftaucht),469 politische (ab dem Beginn des 6. Jahrhunderts/Solon, über die Peisistratiden, hin zu Kleisthenes und bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts: Ephialtes und Perikles) und künstlerisch-architektonische, die ebenfalls schon ab dem 6. Jahrhundert nachhaltig zu wirken begannen und sich geradezu explosiv nach den Perserkriegen entfalteten. Dazu trat, ebenfalls seit etwa der Mitte des 6. Jahrhunderts, zunächst eine wirtschaftliche Konsolidierung und schließlich ein veritabler Wirtschaftsaufschwung (der freilich Ungleichzeitigkeiten hatte). Aus diesen sich wandelnden gesellschaftlichen Bestandteilen entsteht ein neues (schier überbordendes) Welt-Verständnis, das auch ein neues ‚Weltbild’ wachsen lässt, in welchem auch ‚Recht’ und ‚Gerechtigkeit’ eine nicht unbedeutende Rolle spielen: Drakon/Solon, Peisistratos/Kleisthenes/Ephialtes/ Perikles/Anaxagoras/ Demokrit/Antiphon/Sokrates/Platon usw. – Ein wichtiges Ergebnis dieser Veränderungen bestand in einem beträchtlichen Wandel des Menschenbildes, was wiederum einen enormen gesellschaftlichen Individualisierungsschub des griechischen Menschenbildes zur Folge hatte. Den wohl entschiedensten Ausdruck erfuhr dieses überbordende Menschenbild in der hellenistischen Kunst. – So entstanden das Solonische Rechtssubjekt (mit seinen subjektiv-privaten und öffentlichen Rechten), die Demokratie (der individuelle Teilhabegedanke stammt wiederum von Solon, dessen Vollendung erfolgte aber erst mit den Kleisthenischen Reformen und den Ergänzungen durch Ephialtes und Perikles) sowie die individuelle Künstler- und Wissenschaftlerpersönlichkeit, die im Philosophen ihre höchste Ausformung fand. Beibehalten wird aus archaischer Zeit

466 Vgl. Dux 2000, 28 ff. 467 Dazu in Kapitel VI 4 (Historischer Rahmen) unter: 322-285 v. C. 468 Dazu in Kapitel VI 4 (Historischer Rahmen) unter: 287-212 v. C. 469 Wichtige Beiträge leisteten die ionische Naturphilosophie (Thales, Anaximander, Anaximenes), aber auch Pythagoras (~ 584-504) sowie Platon und seine Akademie.

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Kapitel I: Perspektiven, 2. Zum Wert humanistischer Bildung

der Wert körperlicher Schönheit und Ertüchtigung (Sport), was nicht nur kriegerischen Zwecken diente, sondern auch der Kunst (Skulptur, Dichtung) und der Wissenschaft (Medizin, Erziehung). – Diese sich kumulierenden Aspekte des Individuellen trugen ganz wesentlich zum neuen griechischen ‚Weltbild’ bei, in dessen ‚Mitte’ mehr und mehr der einzelne Mensch stand, der sich in Politik, Kunst und Wissenschaft zu bewähren hatte. Wie uns die grossen griechischen Denker (von Sokrates bis Theophrast usw.) lehren, stand bei den Griechen das Meister-Schüler Verhältnis in hohem Ansehen. George Steiner beklagt zu Recht, dass dieses Muster der Weitergabe von Bildung und Förderung von Individualität (auch außerhalb von Institutionen) in Vergessenheit geraten ist. – Rückbesinnung vermag Vergessenes aufzufrischen.

Vom Bellizismus zum Humanismus Beinhaltet Bildung heute nicht auch – neben den vielen bislang gültigen Vorbildern aus griechischer Zeit – die Fähigkeit, den meist im Unbewussten verbliebenen Nexus von Humanismus und Bellizismus zu erkennen, der wohl ein entscheidender Grund für das Versagen des Humanismus im 20. Jahrhundert war?470 Wenn wir verstehen wollen, dass „das Universum der Ilias ganz aus den Taten und Leiden des Zorns (menis) gewoben ist – so wie die etwas jüngere Odyssee die Taten und Leiden der List (metis) dekliniert“,471 müssen wir heute nicht, diese großartigen Werke auch als Warnungen, ja Mahnmale gegen Krieg, Heldentum und ‚List’ (iSv eigennützigem Streben nach Vorteilen) erkennen und darin auch die bis heute bestehende Gefahr sehen, durch Machtgier, Ruhmsucht, Reichtum und religiösen Fanatismus zu kriegerischem und unmenschlichem Handeln verführt zu werden? – Und ist nicht der Typus des homerischen Helden – wie uns Max Horkheimer gezeigt hat – zum Vorbild des abendländischen Individuums geworden, das zu Recht gepriesen wurde, dessen historischgenetische und menschliche Verstrickungen wir jedoch nicht verkennen dürfen? Lebt wahre Kunst nicht von ihrer Interpretierbarkeit – und kann dies nicht bedeuten, bisherige Sichtweisen aus neuer Einsicht aufzugeben? Reicht nicht alleine dieser häufig unbewusst gebliebene ‚Nexus’ von Humanismus und Bellizismus aus, um nach einem neuen Humanismus zu streben, der seinen Namen diesmal wirklich verdient? Das ist eine nicht geringe und unbequeme Aufgabe, der wir uns auch nicht mehr selbstlos unterziehen können; denn ein neuer Humanismus soll nicht mehr nur individuelle Bildungsideale verteten, sondern soll-

470 Dazu Sloterdijk 2006, 16 uH auf Mühlmann/Brock (2003). 471 Sloterdijk 2006, 17.

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Vom Bellizismus zum Humanismus

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te vornehmlich dem gemeinsamen Streben um menschliche Entwicklung und Zukunftssicherung – jenseits von Geld und Markt – dienen. War uns das Zwiespältige in diesem Heldentum nicht bereits als jungen Adepten des Griechentums aufgefallen, ohne dass wir uns von diesem Faszinosum (völlig) freimachen konnten, zumal uns die frühe Qualität und Breitenwirkung Homers und seiner Helden überwältigte?472 – Es erscheint danach unnütz, das Versagen des (alten) Humanismus zu beklagen, ohne von analytischer Einsicht getragen einen neuen Humanismus für das 21. Jahrhundert zu wagen. Darin und dadurch kann Identität und Glück erlangt werden, vom Einzelnen wie von der Gemeinschaft. Für diese unendliche Austausch- und Wechselbeziehung zwischen Einzelnem und Gemeinschaft – die der Muße/scholé nicht entraten kann – hält die Antike reiches Anschauungsmaterial bereit, weit über ‚Ilias’ und ‚Odyssee’ und die Griechen hinaus. Auch dem antiken Heldentum können, ja müssen wir – jenseits von Ruhmsucht und Machtansprüchen und wohl auch ohne Unterstützung der ‚Götter’ – positive Seiten abgewinnen; macht es uns doch deutlich, dass auch wir uns dem Kampf stellen müssen, ob wir das wollen oder nicht. Denn nichts wäre verfehlter, als die Hände in den Schoß zu legen und auf ein Wunder zu hoffen. Selten war das Sprichtwort angemessener als heute: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ – Damit Bildung und ihre gesellschaftliche Umsetzung gelingen kann, müssen wir den Slogan vom lebenslangen Lernen, durch den der lebenslangen Bildung ergänzen. Michael Stahl betont in seinem jüngsten Buch ‚Botschaften des Schönen’,473 dass die Spuren von Johann Joachim Winckelmanns Werk474 „weit ins PolitischStaatliche“ hineinreichten und es dadurch möglich wurde, dass die griechischen Vorbilder über die Kunst hinaus zu Vorbildern „für das Leben in der Gegenwart“ werden konnten. Stahl meint auch feststellen zu können, dass ein solches Denken es ermögliche (und erleichtere) „aus den Erstarrungen und stagnierenden Konfrontationen unseres geistigen Lebens herauszufinden, so wie es in der Geschichte immer wieder geschehen ist“. – Lässt sich daraus etwas für das politische und rechtliche Denken gewinnen? Vielleicht die Perspektive, dass es uns gelingen kann, positivistische Einstellungen abzustreifen und Recht stets auch nach seinen Inhalten zu beurteilen und es so zu einem konsequenten Wertträger zu machen. Debatten um die Erlaubtheit der Folter oder ein zeitweises Suspendieren oder gar das Leugnen von Menschenrechten blieben uns dann erspart. Könnte ein so verstandener Humanismus nicht auch jenes Bedürfnis nach Orientierung stillen, die in Krisenzeiten und wachsender Unsicherheit nötig ist, um

472 Dazu Sloterdijk 2006, 14 ff. – Vgl. Kapitel II 11: ‚Weitere Gründe der Polisentstehung’. 473 2008, 30 ff. 474 Stahl 2008, 15 ff. – Zur Bedeutung Winckelmanns für die Goethezeit: Rehm 1952, 15 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 3. ‚Europa und griechisches Recht’

Verirrungen zu vermeiden? Gelingt das, bedeutete das eine neue Chance für den Humanismus, weltweit; und die Religionen erhielten langfristig die Richtung gewiesen in die sie sich säkular einklinken und entwickeln könnten. Daraus ließe sich ein neues Verständnis des Homo-Mensura-Satzes gewinnen, das Menschen weder auf vermintes politisch-ideologisches Terrain drängt, noch auf vage Jenseitshoffnungen vertröstet. Lévy-Strauss beschreibt in ‚Traurige Tropen’ das Aussterben ‚primitiver’ Kulturen durch deren Konfrontation mit den fragwürdigen Segnungen des zivilisatorischen Fortschritts. Eine analoge Darstellung des Untergangs des antiken Bildungsgutes fehlt bislang, obwohl Unverständnis und Zerstörungswut auch hier bereits ein bedrohliches Ausmaß angenommen haben. Wir sollten uns vorsehen, dass die Wurzeln unserer Bildung nicht ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Indianer Süd- und (schon viel früher) Nordamerikas; denn wir sind weiterhin darauf angewiesen, unsere Gegenwart sowohl mit der jüngsten, als auch mit entfernteren Vergangenheiten in eine „sinnvolle Beziehung“475 zu setzen.

3. ‚Europa und griechisches Recht’ „Die Epoche der Glossatoren und Kommentatoren [...] ist eine Zeit besonders weitgehender Ausweisung griechischer Elemente nicht nur aus dem Recht, sondern aus der Bildung und Literatur überhaupt. Die schon benannten, gewissermaßen innenpolitischen Gründe der Unterdrückung des Griechischen (Abwehr hier demokratischer, dort monarchischer Gegenmodelle) verbinden sich bei den Bologneser Juristen mit einem gewissermaßen außenpolitischen Motiv. Man muß den Antigraezismus von Bologna im Gesamtzusammenhang eines saekularen ost-westlichen Prestigekampfes zwischen Alt- und Neurom sehen [...].“ Hans Erich Troje, Europa und griechisches Recht (1971)

Aufmerksamkeit verdient die Studie von Hans Erich Troje, ‚Europa und griechisches Recht’, in welcher – in vorbildlicher Weise – nach den tieferen Gründen des Satzes ‚Graeca non leguntur’, der den Glossatoren und Kommentatoren als Richtschnur diente, gesucht wird, zumal diese Gründe – wie das vorangestellte

475 Vgl. Stahl 2008, 46. – Vgl. den Hinweis auf Ch. Freeman in Anm. 388.

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Legal isolationism – Juristen als ‚Priester’?

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Motto erkennen lässt – auch noch für die Moderne Bedeutung haben. Denn dieser ‚Kampf’ reicht in der Literatur bis in die Gegenwart:476 „Jetzt also, erst nach dem Jahre 1000, ist die Zeit reif für die so genannte Wiederentdeckung der Digesten und für den Aufstieg eines Standes römisch-romanistischer Juristen. Der lateinischen Staatsidee, die sie seither loyal propagieren, verdanken die Bologneser Juristen, daß ihre großen, bisweilen gigantischen intellektuellen Leistungen nicht, wie andere vergleichbare Leistungen, unbekannt blieben oder verketzert wurden, sondern den Lohn europäischen Ansehens erhielten. In dieser Interessengemeinschaft mit dem lateinischen imperium wurzelt, 477 (Hervorhebungen [...], das außenpolitische Motiv des Antigraezismus der Glossatoren.“ von mir)

Legal isolationism – Juristen als ‚Priester’? Wichtig ist auch Trojes auf Franz Wieacker478 gestützter Hinweis, wonach das „Eigentümlich-Einzigartige des römischen Rechts“ in der „Isolierung der so genannten Rechtsfragen von allen anderen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen Aspekten“ bestanden habe, mithin in der „Konstituierung einer eigenständigen Rechtswelt“ (F. Wieacker) .479 – Das Entwickeln einer von allen anderen Bereichen der Wissenschaft und der Gesellschaft geschiedenen Rechtssphäre ist ein Vorgang, bei dessen Ablauf es zu Scheidungen der römischen Rechtswissenschaft nach außen wie nach innen kam und dessen Ergebnis ein Zustand war, der später als ‚legal isolationism’ bezeichnet wurde. Zu dieser ‚Isolierung’ des römischen Rechtsdenkens sei an die Formulierungen von F. Schulz480 erinnert: „Das Recht vom Nichtrechte zu sondern, das Gebiet des Rechts abzustecken und die Rechtsordnung zum selbständigen System zu entwickeln“ hätte aber noch nicht bedeuten müssen, das Recht von seinen gesellschaftlichen Wurzeln völlig abzuschneiden. Anders aber – im Gegensatz zum griechischen Rechtsdenken – das römische Recht: „Es entspricht dieser Haltung der klassischen römischen Juristen, dass auch der genetische Zusammenhang des Rechts mit der nichtrechtlichen Welt grundsätzlich aus der juristischen Betrachtung ausgeschieden wird. Die wirtschaftlich-politischen Verhältnisse, die die Gestaltung eines Rechtssatzes bestimmt haben, werden nirgends geschildert oder auch nur erwähnt. Jede wirtschaftliche Betrachtung des Rechtes fehlt. Der wirtschaftliche Sinn eines Rechtsin-

476 1971, 22. 477 Vgl. damit Coing 1962, 14, dem die entscheidende Frage des ‚Warum’ fehlt. 478 Der diesen Gedanken ebenfalls übernommen hat; vgl. auch Schulz 1954, 13 ff. – Dazu Kapitel VI 3: ‚Wolffs Einwände …’. 479 Troje 1971a/2005, 8 f; Hervorhebung von mir. – Dazu auch in: Rechtswissenschaft und Psychoanalyse 2004, 16 ff. 480 1954, 13 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 3. ‚Europa und griechisches Recht’

stituts, seine normalen wirtschaftlichen Funktionen, die es erfüllen soll, die wirtschaftlichen Gründe, die seine Einführung veranlasst haben: das alles wird grundsätzlich als ‚unjuristisch’ vor die Tür gewiesen.“

Erst in nachklassischer Zeit hat die Frage nach den „außerrechtlichen Gründen und Zwecken des Rechts“ etwas größeres Interesse gefunden.481 – Erstaunlich ist es aber, dass auch F. Schulz nicht danach gefragt hat, was zu dieser keinesfalls selbstverständlichen Entwicklung des römischen Rechts geführt hat, ihr zugrunde lag, oder diese Entwicklung doch namhaft beeinflusst hat. Führte dieses Ausblenden der gesellschaftlichen Realität doch im Ergebnis zu einer Bejahung und Festigung des gesellschaftlichen status quo und einem Nicht-Hinterfragen der ‚Gewordenheit’ einer konkreten Rechtsordnung. Die römische Klassik interessierte sich zwar dafür, wie ein vorgefundenes Rechtsinstitut, eine Rechtsbeziehung einfach und klar (aus)gestaltet werden konnte, was gewiss wertvoll ist, aber sie fragte nicht danach, ob ein Rechtsinstitut nicht auch anders sinnvoll und gesellschaftlich gerecht gestaltet werden konnte, oder ob es als solches Wandlung verdiente und der Korrektur bedurft hätte. – Ganz anders der Zugang bei Platon, Aristoteles und Theophrast und überhaupt im griechischen Rechtsdenken, zu dem wesentlich sowohl die Rhetoren und Logographen als auch die Kautelarjurisprudenz beigetragen hat. Ihr Rechtsdenken beachtete den gesellschaftlich-politischen und den wirtschaftlichen Zusammenhang des Rechts.482 Im Rechtsverständnis Roms – das Recht in den Dienst von ‚Herrschaft’ stellte und die ursprüngliche Verbindung zum Volk verkümmern ließ – wie es in der zivilistischen Rechtsdogmatik und im Rechtspositivismus noch heute anzutreffen ist, konnte sich bis in die Gegenwart keine oder doch nur eine unzulängliche Beziehung zu Nachbardisziplinen entwickeln; und zwar weder zur Rechtsgeschichte, der (Rechts)Philosophie, noch den Sozial- und sonstigen Geistes- oder gar Naturwissenschaften. Der Zugang zu einem interdisziplinären Verständnis von Wissenschaft war dadurch versperrt. Darin also liegt der tiefere Grund, dass viele der vermeintlich ‚wahren’ Vertreter der Rechtswissenschaft – dazu zählten (sich) vornehmlich Vertreter der (sich selbst genügenden) Zivilrechtsdogmatik und des Rechtspositivismus – die Sozialwissenschaften ausgrenzten und andere Nachbardisziplinen weitgehend vernachlässsigten. Der ‚legal isolationism’ des privatrechtlich-römischen Rechtsdenkens wurde in der Moderne vom Rechtspositivismus – in seinen verschiedenen Ausprägungen – erfolgreich nachgeahmt und sogar vorangetrieben, vermutlich weil den Vertretern eines solchen Denkens die Trennschärfe des römischen Rechtsdenkens noch

481 Schulz 1954, 16 f. 482 Man kann der Meinung sein, dass dieses ‚Eigentümlich-Einzigartige des römischen Rechts’ im Zusammenhang mit der römischen Staatsform (zuletzt bereits autoritäre Republik, dann Prinzipat und schliesslich Dominat) steht. Beweisen lässt sich das aber kaum.

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Legal isolationism – Juristen als ‚Priester’?

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zu gering war. – Das Ergebnis dieser Entwicklung war die weltfremde, freilich nicht mehr nur auf das Privatrecht,483 sondern zunehmend auch auf das öffentliche Recht bezogenen Sicht des ‚modernen’ Rechtspositivismus (vornehmlich Kelsenscher Provenienz).484 Anders steht es um das griechische Rechtsdenken, das am konkreten Rechtsleben und seinen Bezügen zu Wirtschaft und Gesellschaft – bedingt schon durch seine Entstehung – interessiert war, und deshalb auch die Rechtsgeschichte und die Rechtsempirie von Anfang an nicht außer Acht ließ, vielmehr diese fachlichen Bezüge und Verbindungen zur Verbesserung des geltenden Rechts pflegte, was uns die frühen rechtsempirischen, -vergleichenden und -historischen Untersuchungen von Aristoteles und Theophrast vor Augen führen.485 Dieses Denken blieb nicht – wie mitunter behauptet – beim Induktiv-Empirischen stehen, sondern suchte in philosophischer Absicht nach höherer theoretischer Einheit (des aufbereiteten ‚Besonderen’); kurz: es wollte nicht nur Einzelnes ergründen, sondern auch – als Ziel jeder Wissenschaft – Allgemeines. F. Schulz zeigt uns anschaulich die Eigenart dieses römischen ‚IsolierungsRechtsdenkens’, ohne das Ergebnis dieser Entwicklung – wie viele seiner Kollegen – zu verteidigen oder zu verherrlichen. Schulz weist auch auf die einzelnen Schritte hin, die zu dieser Abspaltung des Rechtsdenkens oder wie er es nennt, zu dieser ‚Isolierung’ von allen anderen gesellschaftlichen Bemühungen geführt hatten. Er nennt dabei folgende Teilschritte:486 • Die Trennung des geistlich-sakralen vom weltlichen Recht;487 • die Scheidung von öffentlichem und Privatrecht (ius publicum und privatum);488

483 Nicht zu übersehen ist dabei, dass die Weltscheu eines solchen Privatrechtsdenkens meist sehr klare politische Zuordnungen zuließ. 484 In dieser scheinbaren Objektivität und Scheinwissenschaftlichkeit sind viele Juristengenerationen sozialisiert worden, mit dem Ergebnis, dass sehr viele von ihnen das Recht und seine Umwelt tatsächlich für wert- und ideologiefreie gehalten haben und noch halten. 485 Dazu insbesondere Kapitel VI. 486 Vgl. auch Kapitel II 12: ‚Ausdifferenzieren von Rechtsbereichen’. – Dort wird gezeigt, dass viele dieser Entwicklungsschritte bereits in Griechenland erfolgt sind. 487 Schulz 1954, 18. – Dazu öfter; vgl. Pkt. 7 oder Kapitel II 4-6, 17 und Kapitel IX. 488 Schulz 1954, 18 ff: „Die Unterscheidung, die andern vom römischen Recht unabhängigen Rechten nicht bekannt ist [das gilt neben dem griechischen Recht, das diese Unterscheidung kannte, aber noch nicht streng durchführte ebenso, wie für das alte deutsche Recht: dazu Gierke, Deutsches Privatrecht I 28], hat schwere Nachteile zur Folge gehabt. Denn auch hier führt die Sonderung zur Isolierung, werden die beiden Normengruppen, die im Leben so eng miteinander verflochten sind, mit wunderlicher Strenge auseinandergehalten.“ (Mehr zur Genesis dieser Unterscheidung in Pkt. 10 dieses Kapitels ab Anm. 2572.) – Zum römischen Staats- und Verwaltungsrecht Schulz 1954, 19 f: „ […] so darf man bezweifeln, ob es überhaupt jemals eine größere selbständige Literatur hervorgebracht hat. Einige staatsrechtliche Schriften aus der republikanischen Zeit sind uns bekannt, aber ihre Verfasser scheinen keine eigentlichen Juristen

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Kapitel I: Perspektiven, 3. ‚Europa und griechisches Recht’

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• schließlich die nicht ganz so starke Isolierung des Straf- und Strafprozessrechts vom Pri489

vatrecht;

• und – wenngleich nur bis zu einem gewissen Grade – auch die von Zivilprozess- und Zivilrecht.

490

• Zusätzlich wird auch „innerhalb des Privatrechts […] noch einmal eine Aussonderung vorgenommen“: das Peregrinenrecht wird ebenso ausgelagert wie das Partikular- oder 491 Provinzialrecht. (Hervorhebungen auch von mir)

Wichtiges Gesamtergebnis aller Isolierungsschritte ist für Schulz: „[…] die klassische Jurisprudenz ist vorwiegend Privatrechtswissenschaft, Jurisprudenz des stadtrömischen und italischen Privatrechts.“

Ein solches isolationistisches Verständnis der Rechtswissenschaft hängt wohl auch mit einer Selbstüberschätzung des juristischen Denkens zusammen, das in seiner (Rechts)Geschichte mehrfach der Versuchung einer splendid isolation erlegen ist. Dies zeigt sich eindrucksvoll in den Digesten Justinians 533/34 n. C. (Dig. 1, 1, 1), in denen dies unverhohlen gleich zu Beginn in einem Ulpian-Text zum Ausdruck kommt, der in nie wieder so offengelegter Hybris die Juristen als ‚Priester der Gerechtigkeit’ und als Vertreter der ‚wahren Philosophie’ bezeichnet. Troje hat dies komprimiert so wiedergegeben:492 493

„Juristen sind Priester, sie pflegen statt der simulierten die wahre Philosophie.“

Die gesamte Stelle lautet, in:

zu sein, […] Auch scheint die Literatur nicht groß gewesen zu sein […]“. – Mehr bei Schulz 1954, 19 ff, der hier neben dem öffentlichen auch auf das Straf- und Strafprozessrecht eingeht, für die Ähnliches gilt. 489 1954, 21. – Zur Strafrechtsentwicklung: Kapitel VII 8. 490 1954, 21 f. 491 1954, 22 f. 492 1971, 27. – Vgl. Klami (1978). – Unkritisch zu dieser Digestenstelle: Mayer-Maly 1978, 337 ff. 493 Vgl. dazu auch meinen Beitrag (2004c, 14 ff). – Alles was Justinian an Rechtlichem hinterlassen hat, und das ist sehr viel, ist ein Werk Tribonians (zu dessen Person und Werk: Kübler 1935, 17 ff), nämlich: Die den Codex Theodosianus ersetzende Sammlung kaiserlicher Konstitutionen (Codex Justinianus), die Sammlung der klassischen Rechtswissenschaft (Digesten) und das Lehrbuch für den Anfangsunterricht (Institutionen). Tribonian war abwechselnd oder zugleich Justinians magister officiorum (Chef der inneren Verwaltung, dem auch alle Leiter der Provinzverwaltungen unterstanden) und quaestor sacri palatii (Leiter der kaiserlichen Kanzlei) und damit engster Vertrauter und Berater des Kaisers (QBTÎO UÎO CBTJMzXK CPVMÎO LPJOPO²K). Tribonians Leistung ist der Erinnerung wert, mag auch Küblers Einschätzung zutreffen (aaO 31): „Der Ruhm des Gesetzgebers strahlt nicht so hell wie der des Feldherrn. Die Namen von Belisar und Narses leben in der Geschichte fort. Den Namen des Tribonian kennen nur die Juristen, und auch sie nur zum Teil.“

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Legal isolationism – Juristen als ‚Priester’?

LIBER PRIMUS I De iustitia et iure 1. ULPIANUS libro primo institutionum Iuri operam daturum prius nosse oportet, unde nomen iuris descendat. Est autem a iustitia appellatum: nam, ut eleganter Celsus definit, ius est ars boni et aequi. 1. Cuius merito quis nos sacerdotes appellet: iustitiam nacque colimus et boni et aequi notitiam profitemur aequum ab iniquo separantes, licitum ab illicito discernentes, bonos non solum metu poenarum, verum etiam praemiorum quoque exhortatione efficere cupientes, veram nisi fallor philosophiam, non simulatam affectantes.

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ERSTES BUCH Erster Titel Über Gerechtigkeit und Recht 1. ULPIAN im 1. Buch seiner Institutionen Wer das Recht studieren will, muß zunächst wissen, woher das Wort Recht, ius, stammt. Das Recht ist aber nach der Gerechtigkeit, iustitia, benannt. Wie nämlich Celsus treffend definiert, ist das Recht die Kunst des Guten und Gerechten. 1. Mit Grund kann man uns Priester der Gerechtigkeit nennen. Denn wir dienen der Gerechtigkeit und lehren das Wissen vom Guten und Gerechten, indem wir Recht von Unrecht trennen, Erlaubtes von Unerlaubtem scheiden und danach streben, die Menschen nicht nur durch Furcht vor Strafe, sondern auch durch Verheißen von Belohnung zum Guten zu führen. Damit streben wir, wenn ich mich nicht täusche, wahrhaft nach Philosophie, nicht nur dem Anschein nach.494

Aus diesem Geist der Selbstüberschätzung und Allkompetenz und vielleicht bereits aus dem Geist wissenschaftlich-christlicher Intoleranz heraus, der auch Züge von Hybris trägt, verfügt Kaiser Justinian schon im Jahre 529 n. C. nach fast 900jährigem Bestehen die Schließung der platonischen Akademie in Athen. Im Gegensatz zu anderen Philosophenschulen hatte sich die ‚Akademie Platons’ einem „Ausgleich mit dem Christentum hartnäckig [widersetzt]“.495 Auch der Rechtspositivismus ist der (Isolations)Versuchung erlegen.496 – Österreich brachte aber nicht nur den Schöpfer der ‚Reinen Rechtslehre’ und des kri-

494 Dieser Ulpiantext enthält aber auch eine Progamm, an das wir uns wiederum erinnern sollten; nämlich der Gerechtigkeit (s. Kapitel VII 1) zu dienen und das Wissen vom Guten und Gerechten zu lehren. Dies erscheint als Gebot der Stunde, denn viele Werte, derer wir bedürfen, lassen sich heute nicht mehr metaphysisch-religiös begründen. 495 Dörrie, in: DKP I 213. – Zum größeren Zusammenhang dieser Entwicklung, nämlich dem Entstehen eines kaiserlich-christlichen Wissensmonopols in der Spätantike: Fögen 1997 (die allerdings auf diesen barbarischen Akt Justinians nicht eingeht). 496 Vgl. dazu die Kapitel V und VIII.

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Kapitel I: Perspektiven, 3. ‚Europa und griechisches Recht’

tischen Rechtspositivismus, Hans Kelsen hervor, sondern auch Kelsens Antipoden Eugen Ehrlich, den Begründer der modernen Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung.497 Als Begründer der ‚Rechtssoziologie’ und ‚Rechtstatsachenforschung’ in der Antike müssen nämlich schon Platon, Aristoteles und Theophrast betrachtet werden. – Wissenschaftliche Disziplinen, die bei Respektierung und Kenntnis der Sollensordnung auch dem Seinsbereich verpflichtet sind (Rechtstatsachenforschung, Rechtssoziologie, Rechtsgeschichte, Rechtspolitik etc.), erscheinen heute ebenso wichtig wie zu Zeiten Platons, Aristoteles’ und Theoph498 rasts. – So wie sich nämlich der ‚homo oeconomicus’ als wissenschaftliches Trugbild erwiesen hat, das nur durch Empirie zu widerlegen war, steht es wohl auch um den ‚homo iuridicus’, der ebenfalls nicht nur rationale Akte setzt und Konzepte verfolgt – zu Zeiten der Griechen nicht anders als heute.

Splendid isolation und Rechtsgeschichte Das römische Recht trennte – wie wir gesehen haben – das Recht (insbesondere das Privatrecht) von seinen gesellschaftlichen Wurzeln und bereitete durch diese Isolation den modernen (Rechts)Positivismus vor, der aber auch schon griechische Wurzeln hat. Diese Denkweise – oder besser vielleicht: diese ideologischwissenschaftliche (Grund)Haltung, färbte offenbar im 19. und 20. Jahrhundert in beachtlichem Maße auf die ‚Rechtsgeschichte’ ab, die schließlich immer mehr vermeinte, das römische Recht als absolute Größe betreiben und verstehen zu dürfen; und dies unter Vernachlässigung, ja Ausschluss seiner Entwicklung aus früheren Kulturen heraus: insbesondere der griechischen und der Kulturen des Alten Orients. Es kam zu beträchtlichen Verzeichnungen, die bis heute kaum in Zweifel gezogen wurden. Diese Verabsolutierung des römischen Rechts drückte sich in der Schlagzeile: ‚Europa und das römische Recht’ aus.499 Der historische Abstand und die Unsicherheit des Wissens über den Verlauf früher Entwicklungen erleichterten solche Verzeichnungen. – Man sollte darüber nicht allzu sehr überrascht sein, denn auch noch viel später ereignete sich Ähnliches, etwa im 18., 19. und 20. Jahrhundert, zu Zeiten von denen uns nicht Jahrtausende trennen. Auf Verzeichnungen und Verdrängungen im Rahmen der Kodifikationsgeschichte unseres österreichischen Privatrechts habe ich in einer eigenen Untersuchung hingewiesen.500 – Auf die Verdrängung des Wissens um die

497 Zu Ehrlich mein Zivilrecht 20042, II 1061 ff; ferner Sinzheimer (1953), A. Heldrich (1993, 469 ff) und Th. Raiser (1972/19952/19993/20074); zudem vgl. Kapitel VI 3: ‚Förderung durch die Philosophie’. 498 Vgl. Kapitel VI 6. 499 Vgl. aber Zimmermann (2002) mit Brauneder (1999). 500 2004, 7 ff: ‚Rechtswissenschaft und Psychoanalyse’.

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Splendid isolation und Rechtsgeschichte

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Bedeutung des antiken griechischen Rechts (und damit mittelbar auch der orientalischen Wurzeln dieses Rechts) hat schon vor 35 Jahren Hans Erich Troje – vermutlich zum Ärger etablierter Rechtshistoriker – aufmerksam gemacht. – Zuletzt warf Michael Stolleis501 – im Zusammenhang mit der Kodifikationsgeschichte des deutschen BGB und den privatrechtlichen Wertideen der deutschen Privatrechtslehre im 19. Jahrhundert – die Frage auf, wie es denn „kommen konnte, dass eine für unser modernes Privatrecht so grundlegende Epoche der Rechtsentwicklung so stark verzeichnet worden ist“; und das vor nicht einmal 150 Jahren!502 – Unter diesem Blickwinkel nimmt sich das rechtshistorische Fehlurteil über das griechische und das altorientalische Recht, das an die 25004000 Jahre zurückliegt, fast wie eine ‚lässliche Sünde’ aus. Liegt hier nicht ein Größenschluss nahe? Und doch wäre das falsch. Es wäre längst an der Zeit, den gemeinsamen Nenner dieser (und zahlreicher weiterer) Beispiele rechtshistorischer Wissenschafts-Irrwege zu suchen. Die juristischen Methoden dürften dabei wenig hilfreich sein. Da gilt es, viel intensiver in die Tiefe zu gehen. Die ‚unmodern’ gewordene wissenschaftliche Ideologiekritik – die von rechtspositivistischem Ballast befreit werden muss – könnte hier in Verbindung mit politikwissenschaftlichen und psychoanalytischen Methoden viel bewirken. – Wahrscheinlich wird es dazu nicht kommen. Es ist zu befürchten, dass es bei der wissenschaftlichen Ausgrenzung bleiben wird, dass die bewährten Abwehrmechanismen des Totschweigens/der Isolierung, der geschickten Projektionen und der Verkehrung ins Gegenteil weiterhin Erfolg haben werden. Nachzulesen ist das bei Anna Freud.503 – Die Rechtsgeschichte hätte sich längst der Geschichte ihrer Verdrängungen zu stellen.

4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung „Gewiss ist das ius civile etwas Grandioses gewesen, dessen Betrachtung uns mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt wie ein alter Dom. Aber es war zum Untergang verdammt, als die Römer die Herrschaft über das Mittelmeer erlangten und der Welthandel in ihre Hände überging. Die reaktionären Scaevola konnten trotz ihres Stoizismus seinen Sturz nicht aufhalten.

501 Im Rahmen seiner Besprechung von Sibylle Hofers Buch ‚Freiheit ohne Grenzen? Privatrechtstheoretische Diskussionen im 19. Jahrhundert’ (2001), in: NJW 2002, 3594. 502 Einen wissenschaftsgeschichtlich und rechtsgeschichtlich noch längst nicht gehobenen Schatz stellt wohl das rechtsideologische Wirken Savignys dar. 503 A. Freud (1936). – Vgl. nun auch meinen Beitrag in der FS M. Binder (2010).

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Kapitel I: Perspektiven, 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung

Ein neuer Geist zog herauf, der Geist der aequitas. Das ius gentium oder naturale errang den Sieg über das ius civile.“ Bernhard Kübler, Griechische Einflüsse auf die Entwicklung der 504 römischen Rechtswissenschaft (1934)

Die ‚Isolierungstendenzen’ im römischen Recht lassen unterschiedliche Phasen erkennen: Zunächst das starre, alt-bäuerliche Zivilrecht/ius civile, dem ab dem 2. Jahrhundert v. C. – bedingt durch die gesellschaftlich-ökonomische Entwicklung – immer mehr das sozial-kommunikativere und funktionalere praetorische Recht/ius honorarium und das Fremdenrecht505 gegenübertraten, wobei diese unterschiedlichen Rechtsschichten geraume Zeit parallel nebeneinander – ohne namhafte Beeinflussung – herliefen, bis durch die lex Aebutia (~ 150 v. C.)506 das ‚modernere’ Formularverfahren des praetorischen Rechts auch für das alte Zivilrecht Geltung erlangte. Ein griechischer Einfluss bei dieser bedeutenden Entwicklung des römischen Rechts – vermittelt durch das römische Fremdenrecht507 – ist wahrscheinlich.508 – Dadurch wurden die starren Schranken des ius civile gelockert, was zu einem enormen Entwicklungsschub führte, der schließ-

504 Zu einer gewissen Rehabilitierung der Scaevolae Bruck 1954, 24 ff. 505 242 v. C. wurde der praetor peregrinus eingeführt, wahrscheinlich nach griechischem Vorbild. – Für Gortyn/ Kreta (~ 450 v. C.) ist ein Fremdenkosmos/LTzOJPK L²TNPK nachgewiesen. Die Kosmen waren in Kreta die wichtigsten und höchsten Amtsträger und sie „fungierten vor allem als Richter bzw als Repräsentanten der Polis innerhalb des Systems der Rechtswege“; Gehrke 1997, 55 ff. Nach Aristoteles (Politik II 10, 1272a) waren sie auch Führer im Krieg. „Sie waren nach Kompetenzen [wie in Athen die Archonten, die seit 682 v. C. belegt sind?] voneinander unterschieden, so ist z. B. ein xenios kosmos belegt, also wohl ein [wesentlich älteres!] Pendant des römischen praetor peregrinus.“ (Gehrke, aaO 57) 506 Darauf hat auch E. Pólay (1968) mit Nachdruck hingewiesen, und er hat für diese Entwicklung einen griechischen Einfluss angenommen. Kaser 19712, 208 erwähnte eine solche Möglichkeit (trotz der folgenden Aussage) mit keinem Wort und meinte: „Rezeptionen honorarrechtlicher Einrichtungen ins ius civile sind selten. Nachdem sich die Funktion des Honorarrechts früh gefestigt hatte, erschienen sie auch nicht mehr erforderlich. Ein prozessrechtliches Beispiel einer Rezeption ist die Anerkennung des anfangs rein honorarechtlichen Formularprozesses durch die Prozessgesetze (lex Aebutia, leges Iuliae), eine privatrechtliche Parallele die Einordnung der bonae fidei iudicia [!] in das ius civile.“ Ein Hinweis auf einen möglichen, ja wahrscheinlichen griechischen Einfluss fehlt bei Kaser auch diesmal. – Auch bei Stein (1996, 28) fehlt jeder Hinweis auf einen nicht unwahrscheinlichen griechischen Einfluss bei dieser Entwicklung. Das ist bei ihm kein Einzelfall; vgl. etwa auch aaO 41 f: Danach traf Ulpian „zum erstenmal eine klare Unterscheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht“; vgl. dazu aber in diesem Kapitel Pkt. 10 (ab Anm. 2572) und in Kapitel VI 8: Demosthenes als Rechtstheoretiker (1). 507 Zum römischen Fremdenrecht und seiner Entwicklung: Lenel 1915, 330 ff. 508 Vgl. neben F. Schulz auch Lenel 195, 330, der uH auf Hitzig (1907) auf die vorbildlichen (?) Rechtshilfeverträge zwischen griechischen Gemeinden verweist. – Zur Rezeption aus dem griechischen Rechtskreis gleich mehr.

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Das Fremdenrecht als Angelpunkt der Entwicklung

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lich in der römischen Klassik gipfelt, worauf erneut eine Phase der Stagnation folgte.509

Das Fremdenrecht als Angelpunkt der Entwicklung Das ius civile war das Recht der römischen Bürger. Auf Fremde war das ius civile nicht anwendbar und zwar auch dann nicht, wenn auf einer Seite des rechtlichen Geschehens ein römischer Bürger stand.510 Das Fremdenrecht schuf Abhilfe.511 Die Einführung des Fremdenprätors nach der Mitte des 3. Jahrhunderts (242 v. C.) war eine Folge der kriegerischen Erfolge Roms gegen Karthago und der damit verbundenen territorialen Ausbreitung. Kontakte mit Fremden wurden nun häufiger und verlangten nach einer rechtlichen Lösung. Die Lösung fiel offenbar leicht, weil passende (griechische) Vorbilder vorhanden waren. Lenel betont, dass das Fremdenrecht nicht, wie es häufig geschehe, mit dem ius gentium verwechselt werden dürfe:512 „Das ius gentium ist vielmehr ein Teil des römischen Rechtes selber, die Gesamtheit derjenigen römischen Rechtsinstitute, die sie in dem Recht der anderen antiken Völker […] übereinstimmend wiederfanden. In diesem Sinne unterscheidet Gai.[us] I 1 zwischen dem ius civile, das ist dem national eigentümlichen ius proprium populi Romani, und dem bei allen Völkern und darum auch bei den Römern geltenden ius gentium, das ist dem commune omnium hominum ius.“ (Hervorhebungen von mir)

Wurzel dieses Rechts der Völker/ius gentium sei aber nicht das Fremdenrecht, sondern die naturalis ratio, das EeLBJPO GVTJL²O der griechischen Philosophie. (Lenel bedankte sich in seinem Beitrag bei J. Partsch für die Hinweise auf das griechische Rechts-Denken.) In der Folge betonte Lenel die Übereinstimmung von Gaius mit den griechischen Quellen, insbesondere Aristoteles:513 Gaius unterscheide nämlich wie Aristoteles zwischen dem ius quod quisque populus ipse sibi constituit und dem quod naturalis ratio apud omnes homines constituit. Lenel ergänzt: „Der naheliegende Gedanke, einem Rechtssatz dadurch besonderes Gewicht zu geben, dass man sich auf seine übereinstimmende Geltung bei allen Hellenen oder auch bei allen Völkern überhaupt beruft, kommt schon vor Aristoteles vor.“

509 Pólay (1968). 510 Darin liegt eine Ablehnung des Fremden. 511 Das Fremdenrecht ist eine mögliche rechtliche Antwort auf Rechtskollisionen; zu diesen in Pkt. 8. 512 1915, 331. 513 ‚Nikomachische Ethik’ V 10 und ‚Rhetorik’ I 13.

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Kapitel I: Perspektiven, 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung

Im Anschluss verweist Lenel aufgrund einer Anregung von J. Partsch auf Isokrates und Isaios. Er bringt Beispiele dafür,514 was die Römer zum Recht der Völker/ius gentium zählten: etwa die Rechtsverbindlichkeit der formfreien obligatorischen Verträge/Klagbarkeit der Konsensualverträge,515 das Verbot der Ehe zwischen Aszendenten und Deszendenten516 oder die condictio sine causa: „Dass hierbei die Praxis des Fremdenprozesses in manchem vorangegangen ist, ist wahrscheinlich, aber nicht überliefert, und nur so viel kann man sagen, dass, was man einmal als ius gentium erkannt zu haben glaubte, notwendig auch Anwendung im Fremdenrecht finden musste.“

Die Rezeption durch Rom scheint folgendermaßen verlaufen zu sein: Schon das alte ius civile ist nicht völlig frei von griechischen Einflüssen, und das römische Fremdenrecht hatte offenbar manche griechische Anregung aufgenommen. Das griechische Recht kannte seit altersher Einrichtungen zum Schutz Fremder, was schon wegen der zersplitterten Siedlungsweise der Hellenen naheliegend und aus religiösen Annahmen (Zeus Xeinios!) verständlich war. Der griechische Rechtskreis hatte aber über das Fremdenrecht und den Fremdenkosmos/YzOJPK L²TNPK hinaus, weitere fremdenrechtliche Instrumente geschaffen. Eines davon war die sogenannte Proxenie.517 Der Proxenos war der Bürger einer Polis, der für den Bürger einer anderen Polis, die Rolle des Gastfreunds übernahm und diesem dabei insbesondere auch Schutz und Hilfe in Fragen des Rechts angedeihen ließ. (Eine gewisse Rechtskundigkeit wird man annehmen dürfen; diese Einrichtung hat das zweifellos auch gefördert.) Die Proxenie gilt auch als ein Vorläufer der konsularischen Vertretung/Konsularsystem. So wurde das griechische Fremdenrecht und darüber hinaus die rechtliche Harmonisierung und vielleicht auch eine gewisse Rechtsvereinheitlichung zwischen den Poleis gefördert.518 Die Proxenie ist nämlich seit dem 7. Jahrhundert v. C. nachgewiesen.519 – Busolt520 weist noch auf eine andere mit der Proxenie verwandte Einrichtung hin: die etwas jüngeren Thea- oder Theorodokoi waren Festgesandte insbesondere für

514 1915, 3315 und 332. 515 Gaius III 132. 516 Paulus Dig. 23, 2, 68. – Zum Inzestverbot: Kapitel IX 1. 517 Zur Proxenie: Busolt II 1246 ff und I 302 und Pkt. 9 (bei Anm. 2141 und 2308) sowie Pkt. 4 (Anm. 748) und Kapitel X 4: ‚Kosmopolitismus – Ergebnis einer langen Entwicklung’. 518 Man lernte auf diese Weise Recht, Bräuche, Sitten und religiöse Vorstellungen von unmittelbaren Nachbarn, entfernt lebenden Griechen oder auch von Menschen fremder Zunge/Barbaren kennen und konnte eigenes Recht, eigenen Brauch, eigene Sitte oder Religion mit denen der Fremden vergleichen und ‚Passendes´ übernehmen. Auch Fremde konnten Entwicklungen in ihrer Heimat bewirken. Daneben förderte die Proxenie auch die Toleranz, denn es war ja ein Mitbürger, der als Mittler zum Fremden fungierte. 519 Vgl. Brodersen et al. I/4, 4: Denkmal für den Proxenos Menekrates (625-600 v. C.) und I/45, 26 oder I/54, 33. 520 II 1249 f.

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panhellenische Feste. Beide Einrichtungen haben „zur Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten und des Gefühls der Volksgemeinschaft in der politischen Zersplitterung der Hellenen erheblich beigetragen.“ Diese gesellschaftlich-kulturellen und rechtlichen Verbindungsgelenke zwischen den griechischen Poleis sollten zwar nicht überbewertet werden, sie geben jedoch Anlass, die Existenz eines ‚griechischen Rechtskreises’ anzunehmen. – So schon Wenger zu den „Beziehungen des griechischen Rechtes zum Rechte der Römer“:521 „Moriz Wlassak […] hat als eines der schönen Ergebnisse seiner Arbeiten zum klassichrömischen Prozessrecht die Erkenntnis zutage gefördert, dass die Fortschritte des zivilen Prozessrechtes im Gerichte des Fremdenprätors ihren Ursprung genommen und die griechische Forschung hat ein analoges [?] Resultat für Lokri fixiert. Hier und dort weicht der schwerfälligere nationale Prozess den einfacheren Formen des Fremdenrechts. [Gemeint ist damit, dass der Formularprozess in den Bürgerprozess übernommen wurde; was schon O. Lenel feststellte.] Hat da nicht das griechische Ergebnis das gleichartige römische [?] glänzend bestätigt? 522 Hat die griechische Forschung nicht der römischen einen wertvollen Dienst getan?“

Das klingt auch bei diesem großen Rechtshistoriker verdächtig nach: ‚Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.’ – Ist es wirklich nur wissenschaftliche Vorsicht, die solche Formulierungen wählen lässt? Warum diese fast krampfhafte Tendenz zur Annahme von Parallelentwicklungen, auch wenn andere Deutungen wahrscheinlicher sind? War nicht das griechische Lokri eindeutig die ältere Rechtsordnung523 und ist nicht – bedingt durch seine Lage – ein Kontakt mit ‚Rom’ sehr wahrscheinlich?524 Auch F. Schulz525 räumte ein, dass „der Formularprozeß auf griechische Anregungen zurückgehen“ mag, „die Ausgestaltung im Einzelnen [aber] überall die römische Fabrikmarke“ zeige:526 „Im Zivilprozeß stellt die Lex Aebutia das neue Schriftformelverfahren, den sogenannten Formularprozeß, zunächst als fakultatives Verfahren neben den Legisaktionenprozeß. Zähe hält man trotzdem an dem alten Verfahren noch weiter fest, ungeachtet seiner Schwerfälligkeit und Gefährlichkeit, unangefochten auch von den Witzen, die aufgeklärte Herren [Cicero!]

521 1905, 29. 522 Bei Wenger wird, auch wenn die Möglichkeit eines griechischen Einflusses auf die römische Entwicklung durchschimmert, ein eigenartiges Sich-Sperren gegen ein solches Ergebnis deutlich. Eine Parallelentwicklung ist gerade nicht die Annahme mit dem höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit. – Die Magna Graecia war das Einfallstor für griechische Einflüsse und Lokri eine der ältesten Rechtsschmieden. 523 Vgl. Kapitel II 1: ‚Frühe griechische Gesetzgeber’. 524 Ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen Wengers zum „Rätsel der römischen deductio quae moribus fit“; dazu in diesem Kapitel Pkt. 10. (Anm. 2478). 525 1954, 86. 526 1954. 63.

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Kapitel I: Perspektiven, 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung

über den altmodischen Hausrat machen. Aber allmählich dringt der Formularprozeß natürlich doch durch […]“. (Hervorhebungen von mir)

Konservativismus der römischen Juristen Für Schulz ist dies ein Beispiel für den traditionellen Charakter und Konservativismus der römischen Jurisprudenz. Der römischen ‚gravitas’ und ‚constantia’ stellten die Römer selbst die ‚levitas’ der Griechen gegenüber.527 – In diesen Zusammenhang passen auch die oben als Motto vorangestellten Bemerkungen Bernhard Küblers.528 Dem ist hinzuzufügen: Weder die aequitas, noch das ius gentium können als genuin römische betrachtet werden. – Kübler erörtert wichtige griechische Einflüsse auf römische Juristen gegen Ende der Republik und nennt ua.: den Auslegungsstreit um ‚verba und voluntas’529 und die Entstehung der ‚exceptio doli’.530 Interessant sein Hinweis, dass es im attischen Recht längst eine ähnliche Einrede gab.531 Die Haftungsstufen von dolus, culpa und casus stammten nach Kübler

527 1954, 57. 528 1934, 98. 529 Mit dieser Frage befasst sich auch die Schrift von U. Wesel (1967). Wesel betont, dass die (römische) Statuslehre, die sich mit der Auslegung beschäftigt, „in erster Linie eine Anleitung für die Auslegung von Gesetzen“ gewesen sei, auch wenn Rhetoren wie Quintilian sie auch auf Rechtsgeschäfte anwandten; vgl. Quintilian 7. 5. 6: quod de legibus dico, idem accipi volo de testamentis, pactis, stipulationibus, omni denique scripto, idem de voce. – Dazu schon Schulz 1954, 88 f. – Zur Vorwegnahme der verba-voluntas-Problematik durch Aristoteles auch in Pkt. 1 Anm. 278 mwH. 530 1934, I 87 f; vgl. auch E. Weiss 1936, 62: „Auf die Billigkeit wird z. B. die exceptio doli gestützt, die Einrede der Arglist, durch die ein an und für sich begründeter Anspruch abgewehrt wird, weil er nicht der Billigkeit entspricht. Insbesondere führt die spätere Zeit viele Sätze des prätorischen Ediktes, durch die der Prätor den Auswirkungen des ius civile entgegentrat, auf die Billigkeit zurück.“ – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Rezeptionsgeschichte von dolus schon im Sprachlichen beginnt: Das lateinische dolus, -i, m. (Betrug, Hinterlist, Täuschung) ist ein Lehnwort aus dem Griechischen (° E²MPK) und als solches im Großen Stowasser (1894, 342) ausgewiesen; hier (aaO X) wird auch erwähnt, dass die „Lateiner aus hellenischem Brunnen zweimal schöpften“: „Etwa bis zur Zeit der gracchischen Unruhen (130 v. Chr.) dauerte [eine] volksmäßige Aufnahme griechischer Lehnwörter auf römischem Boden“; zahlreiche Beispiele werden angeführt. Erwähnt wird ferner, dass es vornehmlich „Seeleute dorischer Zunge“ waren, die zunächst den lateinischen Wortschatz bereicherten. An die Stelle der volkstümlichen Aufnahme sei dann nach 130 v. C. in einer zweiten Rezeptionswelle die literarische getreten. Auch dazu finden sich zahlreiche weitere Beispiele und interessante Hinweise. Aus dem Griechischen stammt auch schon der sinngemäße Gegensatz von dolus (malus) und (bona) fides iSv Treuwidrigkeit und gutem Glauben, (Bündnis)Treue, Vertrauen. 531 Hinweise auch nur auf einen möglichen griechischen Einfluss fehlen in Lehrbüchern des römischen Rechts und auch in Kaser 1955/19712, zB 246 oder 488 f.

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Konservativismus der römischen Juristen

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von Aristoteles,532 und waren von diesem für das Strafrecht konzipiert. Q. M. Scaevola habe sie in der Folge auf das römische Zivilrecht übertragen. Zu griechisch-stoischen533 Einflüssen auf die römische Auffassung von Besitz:534 das animus-Element/°SN› stamme von Chrysippos.535 Kübler erinnert auch an den stoischen Ursprung des berühmten Celsus-Satzes (Dig. 1, 1, 1): ‚Ius est ars boni et aequi’.536 Auf die von Aquilius Gallus (für das prätorische Edikt)537 geschaffene ‚actio de dolo’ und etwa zeitgleich eingeführte ‚actio quod metus causa’ haben, so Kübler, wiederum aristotelische Gedankengänge eingewirkt.538 Aquilius Gallus war es auch, der die aequitas stark betonte. Kübler verweist hier auf Pringsheim: „Die römischen Juristen sind hier [sc. der aequitas/yQJFeLFJB], wie überall, wo Philosophie mit539 spricht, Schüler der Griechen.“

Grundsätzlich soll wohl gesagt werden, dass sich die Römer zwar der Denkweisen der Philosophie bemächtigten, inhaltlich aber stets eigene Wege gingen. Das trifft aber weder auf der einen, noch auf der anderen Seite zu: Auf der einen Seite waren nämlich auch die römischen Klassiker – wie wir von F. Schulz wissen – weder Meister des Begriffs, noch der Definition und zum Teil auch nicht der Begründung.540 Auf der anderen Seite übernahm die römische Jurisprudenz – in der Vorklassik und der Frühzeit mehr noch als später – wichtige Grundgedanken des griechischen Rechtsdenkens und der griechischen Philosophie, vor allem von Platon, Aristoteles und Theophrast, aber auch von Drakon, Solon, Antiphon oder Demosthenes und darüber hinaus ganze Rechtsinstitute/-bereiche.541 –

532 Vgl. ‚Zur Entstehung der Rechtskategorie ‚Zufall’ in Kapitel II 4 und 5 mwH und einem differenzierteren Ergebnis. – Zum Strafrecht Kapitel VII 8. 533 Der stoische Einfluss auf das römische Rechtsdenken wird allgemein eher überschätzt. Häufig lassen sich nämlich schon ältere Bezüge auf griechische Quellen feststellen. Hier scheint dieser Einfluss aber bestimmend gewesen zu sein. 534 Kübler 1934, 89 ff. 535 Chrysippos (~ 281/277-208/204 v. C.) aus Soloi in Kilikien, kam 260 v. C. nach Athen und war Schüler von Kleanthes und Arkesilaos. Chrysippos wurde nach dem Tode des Kleanthes (232/1 v. C.) Schulhaupt der Stoa und konsolidierte diese. Seine Affektlehre/Zurechnung und seine Lehre von der Willensfreiheit wirkten nachhaltig über die Philosophie hinaus. – Zur animus-Lehre im römischen Recht: Pringsheim 1933/1961, I 300 ff und ebendort I 253 ff (animus donandi). 536 Zu Celsus auch Pringsheim 1932, 83 ff, auch zu Celsus´ besondere rhetorische Bildung. 537 Nach ius civile waren arglistige (dolo malo) oder erzwungene Geschäfte gültig; dies mit der Begründung, dass es „am Willen zum Geschäft nicht fehlt“ (Kaser 1971 2, 246). 5381934, 93 f uH auf Maschke (1926/19682). 539 Mehr zur Epieikeia in Kapitel II 13. – Zu weiteren Einflüssen der griechischen Philosophie: Kapitel VI 5 und VII und VIII. 540 Dazu schon oben und in Kapitel VI 2. 541 Platon und andere Philosophen arbeiteten nicht nur als Philosophen, sondern auch jurististisch. Platons ‚Nomoi’ sind nicht nur ein philosophisches Werk. Auch in anderen Werken Platons

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Kapitel I: Perspektiven, 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung

Pringsheims Feststellung verzeichnet das historische Geschehen demnach in beiden Richtungen. Pólay542 erinnert auch an Jörs, nach dem trotz der „Spärlichkeit der Überlieferung [...] kein Zweifel daran bestehen [kann], daß die veteres die eigentlichen Schöpfer der römischen Jurisprudenz gewesen sind, auch wenn diese erst in den folgenden Jahrhunderten zu ihrer eigentlichen und höchsten Blüte gelangt ist.“ Zurück zur ‚legal isolation’ des römischen Rechts: Wenn sich das Rechtsdenken von seinem gesellschaftlichen Nährboden abkapselt, hat dies schwerwiegende Folgen. Ein solches Rechtsverständnis kann nicht ‚lebendes Recht’ (E. Ehrlich) sein, das die aktuellen Probleme einer Gesellschaft zu lösen fähig ist, noch ist es in der Lage, Verständnis für die sich mit der Gesellschaft wandelnden Aufgaben des Rechts aufzubringen.543 Das erkennen wir am erfolgreichen Einwirken des griechisch-philosophischen Denkens und der griechischen Kultur auf das alte und starre römische Gesellschaftsgefüge und das römische ius civile, vor allem nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. C. Erst dieser griechische Einfluss befähigte das bis dahin unbewegliche alte römische Zivilrecht zu neuem Denken und zeitgemäßen Antworten.544 Der Kampf zwischen rechtlich Altem und Neuem erreichte in Rom gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. C. seinen Höhepunkt.545 Vermittelnd wirkte dabei, wie auch J. Stroux annimmt, die Rezeption des griechischen Konzepts der Epieikeia,546 die zur römischen aequitas und schließlich zu unserer Billigkeit/equity wurde. Sie führte unter anderem zum Abbau überholter und hemmender Vorschriften und förderte zudem die bürgerliche Gleich-

finden sich (wie bei Aristoteles, Theophrast etc.) juristische Einschübe, die nicht mit ‚bloß philosophisch’ abgetan werden können. 542 1968, 151 mH auf Kunkel, Kreller, Kaser, Pringsheim und Wieacker, die diese Meinung teilen. 543 Ein derartiges Selbstverständnis des Rechts könnte aus der sakral-pontifikalen Epoche der römischen Rechtsentwicklung herrühren und als Relikt weiterbestanden haben. 544 Zu Entwicklung und Verhältnis von römischem Sakralrecht und ius civile Schulz 1954, 18 mwH: Danach wurden die beiden Bereiche zwar schon in früher republikanischer Zeit geschieden, allein „diese Überzeugung verschwand allmählich“ wiederum. Zur Zeit Ciceros habe es schon wieder Spezialisten des Sakralrechts gegeben, die nicht sattelfest im ius civile gewesen seien; Cicero, De legibus 2, 19, 47. Mit dem Schwinden des Götterglaubens verschwand auch das Interesse am Sakralrecht. 545 Auch Wesel 1967, 9, betont uH auf Stroux, Summum ius summa iniuria, dass der Durchbruch der griechischen Rhetorik in Rom in der berühmten ‚causa Curiana’, einem Rechtsstreit des Jahres 93 v. C. gelungen sei, in dem Crassus vor dem Gericht der centumviri siegreich die voluntas des Erblassers gegen die verba des Testaments, die von Q. Mucius Scaevola verteidigt wurden, durchgesetzt habe: „Dieser Einfluß der griechischen Rhetorik zu einer Zeit, als die römische Jurisprudenz ihre entscheidende Wendung zur Wissenschaft durchmachte, sei von bleibender Wirkung auf das römische Recht gewesen und habe ihm vor allem auch die aristotelische Lehre der aequitas vermittelt.“ – Wesel zitiert Stroux, kommt aber selbst zu einem anderen Ergebnis. 546 Dazu Kapitel II 13.

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Konservativismus der römischen Juristen

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heit im Rechts(geschäfts)wesen. Der Gedanke der aequitas gewann offenbar (im Rahmen der existentiellen Auseinandersetzung mit Karthago und der Niederwerfung Griechenlands) im 2. Jahrhundert v. C. immer mehr an Bedeutung, zu einer Zeit also, in der altes ius civile und neues ius honorarium, altes formstrenges und neues problemorientiertes und flexibles Verkehrsrecht, altes Priesterrecht und neues mediatisiertes bürgerliches Recht immer härter aufeinander prallten, weil das alte Recht den Anforderungen der Zeit immer weniger gewachsen schien.547 In Griechenland hatte eine vergleichbare, wenngleich nicht idente Entwicklung Jahrhunderte früher stattgefunden, wobei insbesondere die drakontische, solonische und kleisthenische Ära zu nennen sind. Das Ausgleichs-Konzept der Epieikeia wurde den Römern vor allem durch Aristoteles vermittelt; es ist jedoch, wie wir sehen werden, sehr viel älter.548 Elemér Pólay549 hat die historischen Rahmenbedingungen, die zur Entstehung des römischen Rechts geführt haben, beschrieben, ohne dabei den Einfluss Griechenlands außer Acht zu lassen: „Dem ius civile zur Seite bildet sich das verfeinerte Warenaustauschrecht, das prätorische Recht. Die beiden Warenaustauschrechte, das eine auf primitivem, das andere auf hohem Niveau, konnten nebeneinander [sc. auf Dauer] nicht ohne Wechselwirkung bestehen. Ihre Nivellierung stieß aber auf ein großes Hindernis: den strengen Formenkonservativismus 550 heranziehen, die geeignet war, die starren der Römer. Man mußte also eine Ideologie Schranken des ius civile zu lockern.“

Im 2. Jahrhundert v. C. begann sich in Rom die griechische Philosophie zu verbreiten.551 In diesem Jahrhundert annektierte Rom die griechischen Gebiete und schuf damit die objektive Grundlage dafür. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts erscheinen die griechischen Pädagogen in Rom, die meisten als Sklaven. Seit den sechziger Jahren des 2. Jahrhunderts öffnen sich griechische Schulen in Rom, wo man neben der griechischen Literatur auch die Systeme der griechischen Philosophie unterrichtet. Unter den artes liberales, die in den Schulen gelehrt wurden, gelangten für die Rechtswissenschaft die Grammatik, Dialektik und Rhetorik zu besonderer Bedeutung. Auch unter diesen war es aber die aris-

547 Dazu neben Kübler insbesondere Pólay 1968, 155 f. 548 Dazu Kapitel II 13. – Platon hat die rechtstheoretische Funktion der Epieikeia bereits wissenschaftlich-modern bestimmt und Aristoteles hat das grundsätzlich übernommen; dazu in Kapitel VI 1 und in der FS I. Weiler 2008, 880 ff. 549 1968, 154 f. 550 Dieser Begriff erklärt sich aus der Tätigkeit Pólays im kommunistischen Ungarn und der Publikation dieses Werks in der DDR. 551 Dazu grundlegend Kübler 1934, 98: „Seine faszinierende Macht verdankt das römische Recht der wissenschaftlichen Durcharbeitung und Gestaltung, und das war ermöglicht durch die philosophische Bildung der klassischen Juristen.“

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Kapitel I: Perspektiven, 4. Phasen der römischen Rechtsentwicklung

totelische Dialektik, die das Wirken der römischen Juristen zu einer ausgesprochen wissenschaftlichen Tätigkeit formte. Die aristotelischen Gesetzmäßigkeiten der Dialektik boten die Handhabe zur Ausbildung der Definitionen, Distinktionen, der verschiedenen Klassifizierungen und somit eines rechtswissenschaftlichen Systems.552 „Doch wirkte sich die griechische Philosophie auch in anderer Richtung aus. Die Philosophie 553 produzierte gewisse ideologische Begriffe, die den Römern sehr gelegen kamen, um mittels ihrer Verpflanzung auf römischen Boden die starren Kategorien des ius civile zu lockern, womit die Möglichkeit gegeben war, das Zivilrecht dem Einfluß des prätorischen Rechts zugänglich zu machen, das heißt, das primitive Warenaustauschrecht mit dem verfeinerten, durch die Einwirkung dieses Rechtes auf jenes zu nivellieren und aus dieser Synthese das großartigste Warenaustauschrecht der Antike auszubilden.“

Die athenische Philosophengesandtschaft Bernhard Kübler schreibt554 eindrücklich über die Wirkung einer athenischen Philosophengesandtschaft, deren Aufgabe (155/154 v. C.) darin bestanden hatte, eine vom römischen Senat gegen Athen verhängte Strafe von 500 Talenten möglichst zu erlassen. Der römische Senat ermäßigte die Strafe auf 100 Talente. – Pausanias berichtet über dieses Ereignis.555 Athen hatte 155 v. C. aus Not die Küstenstadt Oropos im Nordwesten Attikas (Eretria gegenüber) überfallen und deren Bewohner hatten sich beim römischen Senat beschwert, der darauf die Sikyonier als Richter bestellte, welche die Athener zur erwähnten Strafe verurteilten. – Kübler:556 „Die Gesandten, welche die Athener nach Rom entsandt hatten, waren die Häupter der drei Schulen der Peripatetiker, Akademiker und Stoiker, Critolaus, Carneades und Diogenes. Weshalb sie nicht auch das Haupt der Epikuräischen Schule mitschickten, ist nicht überliefert. Vielleicht fürchteten sie, daß ein Epikuräer den Römern nicht genehm sein würde. Waren doch im Jahre 173 [v. C.] die Epikuräischen Philosophen durch einen Senatsbeschluß aus Rom ausgewiesen worden. Wie dem auch sei, die Gesandtschaft der drei athenischen Schulhäupter war ein Ereignis von weittragender Bedeutung, das in der Entwicklung der römischen Kultur Epoche machte. Es

552 Zu erinnern ist aber mit Schulz daran, dass die Römer von diesen Möglichkeiten (auch später) nur zurückhaltend Gebrauch machten; vgl. auch bei Anm. 539 sowie oben bei Anm. 266 und 244. 553 Pólay denkt hier wohl an das aristotelische Konzept der Epieikeia. – Der Begriff ‚ideologisch’ wirkt auch hier problematisch. 554 1934, 81 ff. 555 Reisen in Griechenland II – Olympia VII 11, 4, 5. 556 1934, 82.

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Die athenische Philosophengesandtschaft

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wird unendlich oft in der antiken Literatur und namentlich von Cicero erwähnt. Die Gewalt der Rede der Gesandten im Senate war, obgleich sie verdolmetscht werden mußte, so groß, daß man sagte, sie seien nicht gesandt worden, um die Senatoren zu überreden, sondern um sie zu zwingen zu tun, was sie wollten. Aber sie hielten auch außerhalb des Senates Vorträge. Das gebildete Publikum Roms strömte zusammen, um sie zu hören. Die Wirkung war ungeheuer. Carneades sprach am ersten Tage für die Gerechtigkeit, am nächsten dagegen. Solche Kunst der Dialektik war in Rom neu. Die Jugend war davon hingerissen. Die älteren Männer, namentlich Cato, waren bedenklich. Als Carneades gar sich zu der Äußerung verstieg, daß die Eroberungslust der Römer in schroffem Gegensatz zur Gerechtigkeit stünde und sie besser täten, ihre Eroberungen wieder herauszugeben, da war das dem Cato doch zu stark. Er drang im Senat darauf, die attischen Angelegenheiten so schnell wie möglich zu erledigen, damit man die unheimlichen Gäste los würde. Das geschah denn auch. Die Buße wurde herabgesetzt, und die Philosophen reisten ab. Aber sie hatten doch erkannt, daß in Rom für ihre Lehren ein günstiger Boden sei, und nun 557 begann eine förmliche Einwanderung griechischer Philosophen in Rom.“

Bringmann schildert anschaulich die Abwehr und die beträchtlichen Irritationen, die die Konfrontation mit der griechischen Philosophie bei den Römern bewirkte und geht dabei auch auf Catos fremdenfeindliche Haltung ein. Er gibt ferner weitere Beispiele von Philosophen- und Rhetorenvertreibungen aus Rom. Wichtig auch der Hinweis, dass in Athen Ähnliches schon zwei- bis dreihundert Jahre früher stattgefunden hatte. Bemerkenswert auch ein Zitat zur Einschätzung von Platons Akademie durch Isokrates (~ 380 v. C.). Nicht in der Philosophie, sondern in der Kunst der Rede erblickte Isokrates das höchste Bildungsziel. – Der bios theoretikos war demnach nicht nur in Rom auf Ablehnung und Unverständnis gestoßen.

5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur? „Neben der Geschichte des römischen und des germanischen Rechtes hat die des griechischen Anspruch auf Erforschung. Erst wenn das griechische Recht in seiner Eigenständigkeit besser als heute erkannt ist, werden die bedeutsamen Beziehungen zwischen römischem und griechischem Recht aufgeklärt werden können. In der antiken, mehr als tausendjährigen Geschichte des römischen Rechtes spielt heute gerade die

557 Hervorhebungen von mir. – Dazu auch Bringmann 2003, 149 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

Frage eine Rolle, wann und wie die griechischen Rechtsgedanken auf das römische Recht hinübergewirkt haben.“ Fritz Pringsheim, Ausbreitung und Einfluß des griechischen Rechts (1968)

Es folgen Überlegungen zur Bedeutung des griechischen (Rechts)Denkens für die ‚Epigonen’ bis hin zur Gegenwart, ohne dass diese Hinweise hier im Einzelnen weiterverfolgt und vertieft werden können. – Zunächst aber eine Vermutung, warum es zur Abwertung gewisser Bereiche der griechischen Kultur – und gerade auch des Rechtsdenkens – gekommen ist. H. E. Troje trifft den Kern:558 „Von zwei Seiten vor allem stellt griechisches Recht eine Bedrohung herrschender Strömungen und Mächte dar. Es bedroht aristokratisch-feudalistisch verfaßte Staaten mit dem Gegenmodell einer zu politischer Mündigkeit aller Glieder strebenden Gesellschaft, der Demokratie, einerseits, mit dem Gegenmodell einer Monarchie als einer von starker, den Kampf gegen Feudalmächte nicht scheuender Zentralmacht durchwalteten Gesellschaft andererseits. Jenes ist vor allem in der Blüte Athens, dieses vor allem in der Blüte Konstantinopels praktisch vorgelebt und theoretisch begründet worden. Das aristokratische Rom und aristokratisch verfaßte Europa wehren sich sowohl gegen den ‚Unsinn’ athenischer Demokratie wie gegen den Schrecken byzantinischer Sozialreformen und Wirtschaftslenkung.“ „Doch Lügen haben lange Beine, wenn sie abendländisches Selbstbewußtsein stützen und zu diesem Zweck gewissermaßen von den Kanzeln verkündet werden. Denn die Antigriechenpropaganda, wie überhaupt die Erneuerung der Führungsansprüche des alten Rom, nimmt von kirchlicher Seite ihren Ausgang. Träger der lateinischen Romidee des Mittelalters ist zunächst allein die Kirche. Anlaß und Motiv der ostwestlichen Zuspitzungen sind Weigerungen östli559 cher Patriarchen, den römischen als Oberhirten anzuerkennen.“

Das Schwächen, Ausgrenzen und schließlich das Hinnehmen des Untergangs von Konstantinopel durch das christliche westlich-lateinische Europa war demnach kein historischer ‚Zufall’ und schon gar nicht unabwendbar: Das kirchliche und weltliche (West)Rom entledigte sich damit eines, wenngleich schon sehr geschwächten Rivalen, dessen modellhafte Unbeugsamkeit aber immer noch Schule machen und daher gefährlich werden konnte. Dem Untergang Konstantinopels war ein jahrhundertelanger Kampf um die christliche Vorherrschaft vorangegangen. Hier liegt mir daran, auf Stefan Zweigs, Sternstunden der Menschheit: Die Eroberung von Byzanz – Zum 29. Mai 1453560 hinzuweisen und auch auf U. Eco, der in seinem Roman ‚Baudolino’ den barbarischen Um-

558 1971, 10: Hervorhebungen von mir. 559 1971, 21. 560 2002, 36 ff.

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Einschätzung des griechischen Einflusses

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gang der Kreuzfahrer mit Byzanz während des vierten Kreuzzuges (1202-1204) dargestellt.

Einschätzung des griechischen Einflusses Ein realistisches Einschätzen des griechischen Einflusses auf nachfolgende Kulturen wird auch dadurch erschwert, dass vieles noch unerforscht und daher unbekannt oder doch unsicher oder einfach nur vergessen ist. Für das griechische Rechtsdenken gilt freilich, noch viel mehr als für das römische Recht, dass die Überlieferung und die Quellen entweder unvollkommen sind oder fehlen, was die Einschätzung zusätzlich erschwert und mitunter nur Hypothesen ermöglicht. Daraus erklären sich auch die oft unterschiedlichen Ergebnisse.561 – Zu den Hauptquellen des griechischen (Privat)Rechts sei vorerst angemerkt: Zu allererst sind die Gerichtsreden der attischen Rhetoren zu nennen. Daneben blieben viele Geschäftsurkunden als Inschriften und in hellenistischer Zeit als Papyri erhalten.562 Hitzig betont,563 dass das Privatrecht „in den Inschriftenfunden die erste Stelle einnimmt.“ Gerade in der Entwicklung des Verkehrsrechts zeige sich die Bedeutung des griechischen Rechts. Hier sei manche Arbeit noch nicht getan. Hitzig selbst ist bemüht zu zeigen, „wie dieses griechische Verkehrsrecht einzelne moderne Rechtsideen bereits kennt, von denen wir selbst im römischen Recht keine oder nur spärliche Spuren finden“.564 – Gesetzestexte sind nur in verhältnismäßig bescheidenem Maße überliefert, sieht man von wenigen Großfunden, wie dem Stadtrecht von Gortyn565 oder dem Fund der Abschrift eines Teils des Drakontischen Gesetzes566 und der Solonischen Gesetzgebung567 ab. Bedauerlicherweise sind die ersten privatrechtlichen Juristenschriften, insbesondere auch Theophrasts kostbares Werk568 nahezu vollständig verloren gegangen. Aus hellenistischer Zeit sind insbesondere zahlreiche ägypti-

561 Für das römische Recht: Kaser 1971², I 5 f. 562 Dazu Dareste/Reinach/Haussoullier 1891 ff sowie Hitzig 1906/1968, 122 ff. – Zu den Rechtsquellen: Kapitel VII 1. 563 1906/1968, 129. 564 Dazu insbesondere Kapitel VI 2. 565 Dazu Kapitel II 18. 566 Dazu Kapitel II 3. 567 Dazu im ganzen Kapitel II. 568 Dazu Kapitel VI 2 und VIII

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

sche Papyri erhalten.569 – Daneben enthalten auch, wie wir sehen werden, die Werke der Dichter, Historiker und Philosophen wichtige Hinweise.570 Pringsheim hat dazu beigetragen, die Lücken in unserem Wissen vom griechischen Rechts(denken) zu füllen. Seine Kritikfähigkeit gebot ihm allerdings, so manche seiner Ergebnisse als bloß vorläufig anzusehen.571 Pringsheim hatte in der Zeit seiner erzwungenen Emigration das bedeutende Werk ‚The Greek Law of Sale verfasst, das uns wichtige Einblicke in die Welt des griechischen (Privat)Rechtsdenkens gewährt. Ich entnehme daraus nur die ‚allgemeinen Charakterisierungen’, mit denen er die Stärken und Schwächen des griechischen Rechts(denkens) schlechthin aufzeigen und auch die ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur erkennen lassen wollte, auch wenn die eine oder andere seiner Einschätzungen – weil zu pauschal oder zu überspitzt formuliert – als problematisch oder sogar überholt angesehen werden kann. Gleich zu Beginn572 stellt Pringsheim fest, dass es im alten Griechenland aus bestimmten Gründen noch keine privatrechtliche Literatur gegeben habe: „We have to ask why that was so, and what legal abilities, interests and conceptions the Greeks possessed.”

Troje hat dieser Ansicht seines Lehrers widersprochen:573 „In seiner Abhandlung Ausbreitung und Einfluß des griechischen Rechts, […] 1952 […] konstatierte Pringsheim, außer dem Theophrastfragment sei ‚keine reine juristische Schrift auf uns gekommen’, um daraus zu schließen, wir könnten ‚getrost sagen, dass es eine Rechtsliteratur vor und nach Theophrast in Griechenland nicht gegeben hat’. In einem [späteren] Vortrag Griechischer Einfluß auf das römische Recht […] heißt es dann, diese Aussage modifizierend: ‚Mit Theophrast fängt echte wissenschaftliche Betrachtung an. […] Die Griechen 574 waren auf dem Wege, eine selbständige Rechtskunde zu schaffen.“

Die Aussagen Pringsheims können in der Tat nur mit großer Vorsicht aufgenommen werden: Sie verbinden Zutreffendes mit Vereinfachendem und auch mit einem gewissen Vorurteil. Anders als Wolff hat aber Pringsheim in seinem Werk – das in dieser Frage sehr unterschiedliche Beurteilungen enthält, das griechische Rechtsdenken niemals als ‚primitiv’ bezeichnet – eine Bewertung,

569 Dazu ua. H. J. Wolff I (2002), II (1978); zum Strafrecht: Taubenschlag (1916/1972) und Rupprecht 1990/1991, 139 ff (samt ‚Response’ von R. S. Bagnall, aaO 149 ff). Mehr zum Strafrecht Kapitel VII 8. 570 Vgl. etwa die Kapitel III bis V und VII, VIII. 571 Das gilt auch für meine Überlegungen, die sich ebenfalls immer wieder mit bloß Hypothetischem begnügen müssen. Auch Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten müssen aber erörtert werden; vgl. dazu mein Beitrag, in: 2006, 410 ff: Normative und legislative Spolienarchitektur. 572 1950, 2 ff. 573 1971, 31. 574 Vgl. Kapitel II 10 und insbesondere die Kapitel VI und VII.

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Griechischer Sonderweg?

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die man durchaus als fragwürdig bezeichnen kann.575 Pringsheim und Wolff fällten ihr Urteil aber grundsätzlich (bloß!) über das ‚Privatrecht’ – was ebenfalls zu Widerspruch herausfordert. Dies gilt in noch stärkerem Maße für das (unzulässige) Gleichsetzen von Privatrecht und ‚Rechtswissenschaft’. Alle anderen Bereiche, also das gesamte öffentliche Recht, das Verfahrensrecht oder das Strafrecht wurden beiseite geschoben. Eine solche Vorgangsweise darf in der Rechtsgeschichte nicht akzeptiert werden. Damit ist nicht gesagt, dass ihr Urteil über das griechische Privatrecht berechtigt war. Eine Tatsache ist nämlich, dass diese abwertenden Beurteilungen lange und intensiv nachgewirkt haben. Viele Rechtshistoriker, Rechtsphilosophen, Althistoriker und Altphilologen – haben sie ungeprüft übernommen und sich mitunter wohl gar nicht so ungern darauf verlassen. – Häufig passten diese Aussagen vielleicht auch zu bereits ansatzweise vorhandenen eigenen Vorurteilen.

Griechischer Sonderweg? Ich versuche anschließend Pringsheims Argumente für die Annahme eines griechischen Sonderwegs zu gliedern und übersichtlich aufzubereiten:576

Erstes Argument „It seems that a great system of private law can only be developed in a great and lasting empire like that of the Romans, and not in small Greek city states with their never ending inter577 nal wars and the great insecurity of life in them.”

Darauf hatte schon Calhoun hingewiesen:578 579

„No great collection of Greek laws comparable to the Corpus Juris Civilis ever existed, for the reason that the Greek world was split up into many small, independent political units. Each of these had its own particular body of law, based ultimately upon what may be termed 580 the common law of the Hellenes, but differing from others at many points and effectiv only within its own territory. The collection of laws compiled by such thinkers as Aristotle and Theophrastus for the purpose of comparativ study or analysis have been lost, except for a few

575 Dazu in den Kapiteln II 9: ‚Der griechische Vertrag’ (Deutung durch Wolff) und VI 3: ‚Wolffs Kritik …’. 576 Vgl. auch Kapitel VI 2: ‚Vergleichbare Entwicklung in Griechenland und und Rom’. 577 Pringsheim 1950, 2. 578 1944/1977, 2 f. – Dazu auch Kapitel VI 4: ‚Historische Rahmenbedingungen’. 579 Zu dessen Niemals-Geltung: E. Levy, s. Anm. 329. 580 Dazu Pkt. 6.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

precious fragments. Hence the materials for a study of Greek law or legal thought must be gleaned from sources of wide variety, and at best will be sporadic and incomplete.”

Wichtiger noch als Calhouns Ausführungen ist Victor Ehrenbergs grundsätzliche Entgegnung in seinem Standardwerk ‚Der Staat der Griechen’, dessen Wurzeln bis 1932 zurückreichen.581 Schon der Klappentext stellt klar: „Man pflegt oft darauf hinzuweisen, dass die Mehrzahl der griechischen Staaten bevölkerungsmäßig kaum den Umfang einer mittleren europäischen Stadt unserer Gegenwart besessen haben, woraus man folgert, dass die Probleme jener Staaten mit den unsrigen nichts mehr gemein haben können. Gerade das vorliegende Buch lehrt überzeugend, wie falsch diese von rein quantitativen Gesichtspunkten ausgehende Auffassung ist. Die spezifisch politischen Probleme des modernen Großstaates sind von denen des griechischen Kleinstaates nicht grundsätzlich verschieden.“

In ihrem Kern war Pringsheims Feststellung schon damals unzutreffend, und sie ist es noch heute. Wir kennen aus der griechischen Rechtsgeschichte beredte Beispiele dafür, dass auch (kleine) griechische Stadtstaaten ‚moderne’ und ‚nachhaltige’ Lösungen durch rechtliche Regelungen für konkrete Probleme geschaffen haben. Die Privatrechtsordnungen/-systeme der zahlreichen griechischen Poleis beweisen eher das Gegenteil. Qualität und Kreativität sind nicht zwangsläufig von (räumlicher) Ausdehnung abhängig. – Als Beispiele, die ich später behandeln oder wenigstens kurz streifen werde, möchte ich anführen: • Das frühe öffentliche und ‚private’ Kollisionsrechts mit echten Kollisionsnormen sowie Kollisions- und (Proto)IPR-Verträgen (Thera/Kyrene und Naupaktos);

582

• das überaus funktionale und klug gestaffelte System zum Schutz von Grund und Boden attisch-athenischer Bürger;

583

581 Ehrenberg (19652, 3 ff) betont, dass in Entsprechung des landschaftlichen Partikularismus (Kleinteiligkeit der Landschaften) ein politischer Partikularismus entstand, mit vielen kleinen Gebieten, die durch das Meer oder Gebirgszüge getrennt waren und eine größere Machtentfaltung nicht begünstigten. Das Meer wird von ihm als ‚Ventil’ des engen Raums bezeichnet. Die gute Kommunikation zwischen den Poleis und ein agonales Verhalten zwischen ihnen wogen aber die Kleinteiligkeit nahezu auf. – Ehrenberg stellt weitere rechtlich-politische Einsichten der Griechen heraus: - Etwa dass sie die ersten waren, die eine Theorie der Staats/Verfassungsformen entwickelt (dazu aaO 53 ff) und darüber nachgedacht haben, wie das Verhältnis von Gesetzgebung, Vollziehung und Gerichtsbarkeit zu bestimmen ist; - es sind auch die Griechen gewesen, die als erste erkannten, wie nahe beim Gesetz Vorzüge und Nachteile beisammen liegen; denn ein Gesetz, das ohne Ansehen der Person gerecht sein will, muss auch starr sein und könne daher die Verhältnisse des Einzelfalles nicht berücksichtigen (ich gehe darauf in Kapitel II 13: ‚Epieikeia’ und in Kapitel VI 1: ‚Rechtswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte’) ein; - der griechische Staat (in seinem Aufbau in klassischer Zeit) sei auch der erste in der Geschichte gewesen, der von seinen ‚Untertanen’/Mitgliedern keine Treueverpflichtung zu einem götternahen und alles Recht und alle Macht in seiner Hand vereinigenden Fürsten verlangte, sondern anstatt dessen die Bürger an das Gesetz band. 582 Dazu Pkt. 8 und nunmehr mein Beitrag 2007b, 31 ff.

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Griechischer Sonderweg?

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• das Fremdenrecht und im Kontext damit ein Fremdenmagistrat (in verschiedenen griechischen Poleis – etwa der kretische Xenios Kosmos), der offenbar zum Vorbild für den rö584 mischen Fremdenprätor, den praetor peregrinus wurde;

• das Konzept der epieikeia/Billigkeit deren Rezeption als aequitas zur Voraussetzung einer ‚moderneren’ Entwicklung des römischen Rechts wurde und den Quantensprung vom al585 ten und starren ius civile zum ius honorarium überhaupt erst ermöglichte;

• die jedenfalls schon Solonische, vielleicht sogar noch ältere (Drakon?), allenfalls ägyptisch beeinflusste Popularklage, gane’ einschätzt;

586

die alle Bürger als Rechtssubjekte und ‚Rechtshilfeor-

• das rechtshistorisch vorbildliche Konzept der attischen Hybrisklage587 das wahrscheinlich von Rom übernommen wurde;

• die Grundlagen der bis heute gültigen Schuldlehre für das Straf- und Zivilrecht (drakon588

tisch-solonisch-antiphonisch-aristotelisches Konzept der Verschuldenshaftung) und der Haftungs(zurechnungs)regeln mit den Zurechnungselementen Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall (bis hin zur höheren Gewalt) ebenso wie die der modernen’ Beweis- und Verfah589 rensgrundsätze;

583 Dazu Kapitel II 10: Gebundenes Bodenrecht. – Der Schutz von Grund und Boden der Bürger war im gesamten griechischen Siedlungsraum verbreitet. 584 Dazu oben am Beginn von Pkt. 4. – Normative Innovationsfähigkeit hängt weniger von der Größe eines Territoriums, als von der Intensität kultureller und wirtschaftlicher Aktivitäten ab; und eine solche ist für zahlreiche griechische Poleis anzunehmen; für das alte Ionien (Milet, Ephesos, Phokaia etc.) wie das Mutterland (Korinth, Euböa, Megara, Argolis usw.), die Inseln (Samos, Lesbos, Chios, Kos, Rhodos) und die Kolonien (Sizilien, Magna Graecia usw.). 585 Dazu Kapitel II 13 und – was das Entstehen der griechischen Rechtswissenschaft anlangt Kapitel VI 1 (und in der FS Weiler: 2008). – Daneben spielt das Prinzip der Billigkeit bis heute eine nicht unbedeutende Rolle; man denke im österreichischen Privatrecht an § 1310 ABGB, § 2 DHG oder in manchen europäischen Rechtsordnungen bereits verwirklichte, in anderen diskutierte (Schadens)Reduktionsklauseln. 586 Dazu Kapitel II 10: Die Popularklage hat – mit Abwandlungen – bis heute ihre Bedeutung behalten; vgl. etwa die Verbandsklage im Verbraucherrecht. – Rom entwickelte dazu nur bescheidene Äquivalente; actio de effusis et deiectis oder actio de sepulchro violato. 587 Dazu Kapitel II 14. 588 Dazu Kapitel II 4 bis 6. – Damit wurde das alte Erfolgshaftungskonzept abgeschüttelt. Dem muss die Anerkennung individueller Verantwortlichkeit, die eine Handlungszurechnung ermöglichte, vorausgegangen sein. Auch dazu Kapitel II. Zum Entstehen von Schuld und Sünde in der griechischen Religion (von Homer bis zum Hellenismus): Latte (1920/1921). – Zum Entstehen des ‚Gewissens’ in Ägypten während der Ersten Zwischenzeit: Kapitel II 17; zur griechischen Entwicklung der Syneidesis (und der späteren Übernahme des Begriffs ins Lateinische, conscientia, und schließlich ins Deutsche) ebendort: ‚Parallelen zwischen Ma’at und Eunomia’. Zu Vorsicht bei der Verwendung von Begriffen für das Entstehen eines sittlichen Bewusstseins mahnt: Zucker (1928). 589 Dazu in Kapitel VII 1.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

• viele darüberhinausgehende weitere Entwicklungen und Lösungen des privaten und öffentlichen Rechts (etwa die zentralen Ideen von ‚Gesetz’ und ‚Verfassung’ – mögen diese auch stärker orientalisch beeinflusst gewesen sein; von Verwaltungs-, Straf- und Verfah590 591 der Legistik, Rechtspolitik und Rechtsphilosophie, rensrecht) und Völkerrecht, schließlich die grundlegenden Methoden und andere Fragen des Rechtsdenkens und der 592 Rechtstheorie. Eindeutig griechischen Ursprungs sind die Disziplinen Rechtsgeschich593 te, Rechtsvergleichung und Rechtspolitik;

• die insbesondere in Kapitel II 10 behandelten privatrechtlichen Bereiche: – Die bahnbrechenden Neuerungen im Bereich des Erbrechts (ausgehend von der elterlichen Teilung bis zur Ausbildung eines gesetzlichen Erbrechts/Parentelsystem, zur amtlichen Einweisung in das Erbe und schließlich über die Adoption und die Schenkung auf den Todesfall 594 zum Testament); – das Individualeigentum an Fahrnis (Kapitel II 19); – die griechische Seelgerätstiftung, die zum Vorbild für das römische und das germanische Recht und das christliche Kirchenrecht wurde und vielleicht (wie Bruck vermutet) auch noch islamische Einrichtungen beeinflusst hat; – das Solonische Eunomiakonzept, das zur Grundlage der abendländischen ‚Rechtsidee’ (der Gerechtigkeit) und rechtsstaatlicher Überlegungen wurde.

Eine ganze Reihe von Ergebnissen der griechischen Rechtsentwicklung können – in Anlehnung an einen von K. Lorenz geprägten Begriff für einen Sonderfall der Evolution – geradezu als privat- und öffentlichrechtliche Fulgurationen bezeichnet werden.595 – Zu den angeführten Beispielen kommt noch die Anerkennung unverlierbarer, rechtlich abgesicherter Freiheit durch Solon, wodurch der Weg zur endgültigen Entstehung eines Rechtssubjekts mit subjektiven Rechten im privat- und im öffentlichrechtlichen Bereich geebnet wurde. Dies war gleichzeitig auch Voraussetzung für weitere Entwicklung im Staatsrecht und ermöglichte zudem den rechtlichen Schutz der Persönlichkeit, dessen Beginn daher mit Solon anzusetzen ist. In Verbindung mit dem Teilhabegedanken wurde der freie, weithin gleiche und privatrechtlich voll ‚entwickelte’ Polis-Bürger zum Baustein der griechischen Demokratie.596 Mit der Solonischen Gesetzgebung entstehen aber auch – erstmals auf europäischem Territorium – die Umrisse einer gesatzten Rechtsordnung, die aus verschiedenen rechtlichen Teil- oder Subsystemen bestand: Die verschiedenen Teil- oder Subsysteme (Familienrecht, Erbrecht,

590 Zum Völkerrecht Pkt. 9. 591 Vgl. Kapitel VI 6: ‚Theoros’. 592 Vgl. dazu in den Kapiteln VI, VII zB 7 und VIII. 593 Vgl. Kapitel VIII 1. 594 Aus den zweiseitigen, vertraglichen Rechtsgeschäften (Adoption und Schenkung auf den Todesfall) entstehen dadurch einseitige letztwillige Verfügungen: Adoptions- und Legatentestament, aus den Verfügungen unter Lebenden werden solche von Todeswegen. 595 1977/19803, 47 ff: Die Rückseite des Spiegels. 596 Auch dazu Kapitel II.

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Griechischer Sonderweg?

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Kaufrecht, Darlehen, Vereinswesen, Verfahrens-597 und Strafrecht, öffentliches Recht, die häufig nicht streng voneinander geschieden werden können) wurden bereits zu einem funktionierenden Ganzen integriert, das man als ‚(Gesamt)Rechtsordnung’ bezeichnen muss.. Für diese (Solonische) Rechtsordnung gilt: Das Ganze ist seine Teile (im Sinne eines Entstehens durch ein Zusammenfügen rechtlicher Teilbereiche); aber es ist (auch) mehr als seine Teile; und in den Teilen der Gesamtrechtsordnung steckt immer spürbarer das Ganze der griechischen Polis. Ich kann daher Pringsheims Einschätzung des griechischen Rechts nicht akzeptieren; denn die Griechen zeigten trotz mancher, ja beträchtlicher Schwächen und Unzulänglichkeiten der Poliskultur stets ein über die Grenzen ihrer Poleis hinausweisendes und auch tatsächlich hinausreichendes Interesse,598 das immer ein normatives, zuweilen sogar auch ein agonales Element enthielt und daher im Rechtsbereich zum Vergleich und zu einer Art Wettbewerb im Rechtsdenken führte (Welwei).599 Für Athen galt dies jedoch in besonderer Weise, da es sein Recht nicht nur den eigenen Kolonien mitgab (Kleruchiesystem),600 sondern über Rechtsgewährverträge auch auf andere griechische Poleis – sei es Milet oder Halikarnass – Einfluss ausübte.601 Auch das eindrucksvolle Bemühen kretischer Poleis um gute und gerechte Rechts- und Verfassungsordnungen ist hier zu erwähnen.602 – All das schlug bis ins Methodische der (jungen) griechischen Jurisprudenz durch. Es ist wohl kein Zufall, dass Aristoteles und Theophrast auf ihrer Suche nach der besten (Verfassungs)Lösung, rechtgeschichtliche und rechtsvergleichende Untersuchungen an den Anfang stellten und dabei eine Art panhellenischen Vergleich anstellten, ja darüber hinausgehend etwa auch Karthago miteinbezogen. Ob die dabei festgestellten beachtlichen Gemeinsamkeiten – Gleiches gilt für die generelle Frage, ob es so etwas wie ein gemeines ‚griechisches Recht’ überhaupt gegeben hat – auf eine durch drei Kulturen führende gemeinsam erlebte Geschichte (nämlich die minoisch-kretische, mykenische und schließlich die erneut dreigeteilt griechische: archaisch, klassisch, hellenistisch) und ein daraus erwachsenes Gemeinschaftsgefühl zurückgeht, wie Voegelin vermute603 te, oder, was wahrscheinlicher ist, auf einen im wesentlichen gemeinsam erlebten kulturel-

597 Das Verfahrensrecht wirkt innnerhalb einer Rechtsordnung einerseits vereinheitlichend und integrierend, andererseits aber auch differenzierend und strukturierend. Dazu Kapitel VII 1. 598 Vgl. nur die über Jahrhunderte reichende Kolonisation (Pkt. 8) und das entwickelte völkerrechtliche Instrumentarium (Pkt. 9). 599 Dieses Argument sollte nicht überbewertet werden. 600 Dazu in Pkt. 8. 601 Beispiele in Pkt. 8. 602 Dazu nunmehr: Gehrke (1997) und (2000) sowie Chaniotis (1996) und (2004) und dazu in Pkt. 9. 603 Voegelin 2002, IV 67 ff, insbesondere 70.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

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len Neubeginn nach den Dunklen Jahrhunderten bis zum 6. Jh. v. C. (gemeinsame Religion, Poliskultur, Sprache und Schrift/Literatur, Kunst, Recht, Kolonisation, panhellenische Spiele, 604 Feste und Agone etc.), sei vorerst dahingestellt.

Pringsheim hat auch, wie später H. J. Wolff, die unabhängig von Polisgrenzen schon in der griechischen Archaik einsetzende Bereitschaft zur Übernahme oder doch Berücksichtigung innergriechischer wie fremder Ideen übersehen.605

Zweites Argument „Furthermore the whole spirit of a Greek city was unfavourable to the formation of scientific private law. Public law, constitutional institutions attracted the whole interest of the Greeks who indeed found there the most burning problems to which their reasoning about fundamen606 tals sought an answer.”

Auch diese Aussage beruht auf einem unzulässigen Fokussieren auf das Privatrecht. – Konnte denn nicht auch das vielgestaltige öffentliche Recht (das sich zudem keineswegs stets strikt vom Privatrecht trennen ließ) als Initialzündung für eine hohe Rechtskultur wirken? Auch das griechische Strafrecht hätte Beachtung verdient. Zudem trug die frühe Hinwendung der Griechen zu Handel, Gewerbe, Im- und Export ganz unabhängig von der Größe einer Polis ganz entscheidend zur Entwicklung des Privatrechts bei, da gerade der Seehandel ein mediterranes Verkehrsrecht begünstigte.607 Die dadurch initiierte Kautelarpraxis schuf Beachtliches.608 – Pringsheims Aussage ist aber, auch nur auf das Privatrecht bezogen, unhaltbar. Das belegen die zahlreichen Beispiele etwa zur solonischen Gesetzgebung oder jener von Gortyn.

604 Zum vorsichtig zu behandelnden agonalen Denken der Griechen vgl. auch Anm. 756; es ginge aber zu weit, die Bedeutung des agonalen Elements bei den Griechen zu leugnen. 605 Vgl. dazu Kapitel II 17: Solons ‚Eunomia’ und das Konzept der ägyptischen ‚Ma’at’; ein innergriechisches Beispiel findet sich in Pkt. 8 dieses Kapitels (Kolonisaation – Kollisionsrecht): Chaleion übernimmt ein Gesetz einer Nachbarpolis. 606 Auf die beachtlichen Leistungen der griechischen Rechtspraxis (als Kautelarjurisprudenz) haben aber schon vor Pringsheim zB L. Mitteis, E. Weiss, J. Partsch, L. Wenger uam. hingewiesen. Vgl. dazu die Kapitel II 10 und VI 2. 607 Zur sogenannten lex Rhodia de iactu in Pkt. 10 Anm. 2511. 608 Dazu vor allem Kapitel VI 2; zB auch zu Geld- und Bankgeschäften. Das Know how darüber haben die Römer – wie uns L. Mitteis gezeigt hat – über den griechischen Süden Italiens erworben.

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Griechischer Sonderweg?

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Drittes Argument „The Athenian system of direct democracy resulted in large courts representing the common 609 citizen, the layman. Popular courts did not consist of expert judges like the Roman ‘iudex unus’, aided by a ‘consilium’ of experts if he was not himself one, but of assemblies easily impressed by prejudice and sophistry. […] In such an atmosphere legal technique and scien610 tific terminology were not encouraged.” Pringsheim schließt unmittelbar an: „Pleading before the serious, silent Roman judge involved the necessity for legal argument. But the instrument for winning the sympathy of the numerous Greek juries was not legal science, but rhetoric. These juries had to hear evidence and to judge without any expert help. The Roman iudex knew the law. [sic!] But the Greek courts the law had to be presented; the rule was: iura non novit curia. The art of persuasion was therefore highly developed. Oratory was enjoyed by the large popular courts in much the 611 same way as the performance of a play by a Greek audience.”

• Was Pringsheim – und nicht er allein – in der pauschalen Kritik an den großen atheni612

schen Gerichtshöfen außer Acht lässt ist der nicht unwichtige Umstand, dass die großen Gerichtshöfe Athens nicht für ‚alles’ zuständig waren, sie waren vielmehr bereits hoch spezialisiert. Das begünstigte den Einsatz von ‚Laien’, zumal von ihnen vielfach nur Wissen in einem Teilbereich gefordert wurde. Man darf nicht vergessen, dass – trotz Wandels 613 in den Kompetenzen und mancher historischen Unsicherheit – lange eine Kompetenzaufteilung zwischen Areopag, Epheten, Delphinion, Prytaneion, Phreatos und Heliaia be614 standen hat, die auch von Laien nachvollzogen und bewältigt werden konnte. – Allein bei Berücksichtigung dieses Faktums muss ein Urteil über die Volksgerichtsbarkeit und 615 das Laienrichtertum anders ausfallen, als das häufig geschehen ist.

• Kritik ist aber vor allem auch angebracht, weil Pringsheim hier das Athenische Verfahren samt dessen Gerichtsbarkeit mit Griechenland gleichsetzt und namhafte Abweichungen übergeht. So kannte die wichtige Gesetzgebung von Gortyn den Einzelrichter, was – wie

609 Calhoun 1944/1977, 32 ff. 610 Zur Abneigung der Römer gegen Abstraktion, Begriffsbildung, Definitionen und Begründungen F. Schulz 1934/1954, 30 ff; dazu oben ab Anm. 244 und in Kapitel VI 6: ‚Syallagma und Obligation’. 611 Vgl. auch den Hinweis auf eine ähnliche Einschätzung durch Ruschenbusch in Kapitel VI 1. – Eine differenziertere Darstellung der griechischen Gerichtsbarkeit findet sich bei MacDowell (1978) und bei Calhoun 1944/1977, 32 ff; dazu Kapitel VI 2. 612 Vgl. etwa Welwei 2000, 15 ff sowie Thür 2000, 30 ff und Ch. Schubert 2000, 66 ff. 613 Das betrifft etwa die Frage nach der zeitlichen Abfolge der Entstehung von Epheten und Areopag; dazu in Kapitel II. 614 Zu diesen Gerichtshöfen in Kapitel II 6: ‚Zuständigkeit der alten Blutgerichtshöfe’. 615 Vgl. auch Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht – Stationen des Verfahrensablaufs’.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur? 616

Gagarin wohl zutreffend vermutet 617 hat.

– Auswirkungen auf das gesamte Verfahren gehabt

• Viele Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten wurden mittels Vergleich oder durch Schiedsrichter beigelegt.

618

• Zu den ‚popular courts’ verweise ich auf Calhoun, wonach es um das Rechtswissen der Angehörigen des Volksgerichts keineswegs so schlecht stand, wie das von vielen For619 vor allem auch: schern, ua. von Pringsheim angenommen wurde. – Calhoun betont „[…] the extreme brevity and simplicity of the Attic law as compared with later systems. Under the influence of modern preconceptions it is assumed that the law is intrinsically a discipline so difficult and complex that it can be mastered only by a small number of highly trained specialists, and the large popular courts are accordingly regarded as aggregations of laymen, incompetent to understand or to apply juridical rules.”

Calhoun warnt daher zu Recht eindringlich – wie vor ihm schon Bonner/Smith620 – vor übereilten und falschen Schlüssen über die Bezeichnung der Volksgerichtshöfe als ‚juries’ und ihrer Mitglieder als ‚jurors’621 sowie die Grösse der Gerichtshöfe oder die schlechten Rechtskenntnisse der Dikasten (Volksrichter):622 „A natural corollary of the a priori assumption that the Athenian courts were large bodies of untrained men, overgrown juries or something in the nature of a town meeting, is a tendency to overemphasize the non-legal elements in the extant forensic speeches of the orators and to overlook the legal element. It must be admitted frankly that these speeches do contain much personal abuse, frequent appeals to passion rather than reason, some very clever sophistry and elaborate rhetoric, in all of which the ancient Athenian took an inordinate delight, and that issues of fact are generally dealt with at greater length than questions of law. But this is a problem in which even a very little affirmative evidence outweighs the purely negative. There are a number of valid reasons for the omission of legal argument, among them the very good one that in many cases the law was so clear and simple that no question of law arose and so familiar to the court that it not require to be read anew – in fact, a speaker somethimes apologizes

616 2004, 179; auch Gagarin 2005, 82 ff. 617 Dazu in Kapitel II 18: Gortyn. 618 Darauf weist insbesondere Steinwenter (1925/1971²) hin; mehr in Kapitel VII 1: ‚Verfah-

ren’. – Zu dem verbreiteten Rechtsinstitut der Richterentlehnung, in dessen Rahmen ebenfalls nur einige wenige Richter zum Einsatz kamen, s. Anm. 735. 619 1944/1977, 34 ff. 620 1930, I. 621 Mehr bei Calhoun 1944/1977, aaO. 622 Übersehen wird dabei geflissentlich, dass das ‚Richten’ nicht bloß eine Sache des Verstandes und von detaillierter Rechtskenntnis ist: Vgl. Bruck 1930, zB 4 ff. ‚Richtiges Recht’ ist vielmehr – und zwar damals noch mehr, als heute – häufig mit dem Hausverstand erkennbar und für Beweisfragen galt das noch mehr.

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to the court for having the text of a law read, saying that he does it merely as a matter of form. But there is only one explanation for the instances in which questions of law are clearly propounded and fully argued, and that is the reasonable competence of the average dicast to hear and decide them. Such arguments are found in the speech of Demosthenes on the constitutionality of the law of Leptines and other speeches in comparable cases, which were adressed to large panels of dicasts, imply definitly that the average dicast knew the law and was capable of deciding questions involving fundamental legal principles. A careful study of extant Athenian laws and of the pertinent speeches of the Attic orators will suggest that those citizens who served year after year in the courts […] acquired a sufficient knowledge of the law 623 and considerable ability to apply legal rules.”

Die autonome Tätigkeit von Laienrichtern/lay judges sollte daher heute nicht mehr jene Überraschung hervorrufen, die sie oft erzeugt hat, wenn darauf hingewiesen wurde, dass diese Richter – sie waren nicht bloß Geschworene/jurors! – ohne Absprache und Beratung mit Juristen/Rechtsexperten urteilten. Zu erklären ist das neben den bereits genannten Gründen auch damit, dass das nomologische gesellschaftliche Steuerungswissen noch sehr präsent war und sich viele gesellschaftliche und Rechtsfragen deutlich einfacher darstellten als heute. Die Gesetze waren, wie erwähnt, kurz und einfach und bei unbestimmten Rechtsbegriffen oder Gesetzeslücken konnte – im Sinne des Richtereides – auf das nomologische Wissen zurückgegriffen werden, das als Ergebnis gelungener Sozialisation zu betrachten war. Maschke hat diesen normativen Hintergrund formelhaft umschrieben, wenn er sagt, dass zwischen den verschiedenen normativen Wertschichten frühgriechischer Gesellschaften – insbesondere aber zwischen Religion und Recht – keine getrennte Buchführung existierte. – Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch der von D. Cohen in der ‚Einleitung’ zum ‚Cambridge Companion’ mehrfach und mit Nachdruck ausgesprochene Hinweis, dass insbesondere die jüngere anglo-amerikanische Wissenschaftlergeneration nicht nur methodisch deutlich offener arbeitet – als etwa noch die deutschen Rechtshistoriker H. J. Wolff624 und F. Pringsheim nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern dass diese Generation vor allem auch das athenische Recht (seine Gerichts-

623 Calhoun 1944/1977, 36 f. 624 Wolff etwa berücksichtigt, wohl nicht ganz unbeeinflusst durch sein eigenes politisches Verständnis, viel zu wenig den Umstand, dass Athen seit dem Ende des 6. Jahrhunderts eine Demokratie war, und dass sich das Rechtssystem – seine Gerichtshöfe und Richter, seine Magistrate und Logographen und Rhetoren – an dieser demokratisch-partizipativen Natur des politischen Systems orientierte. Hier haben sich die wissenschaftlichen Gewichte in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschoben und Wolffs abwertende Urteile, sind heute überholt. Einen Einblick in diese neuen Rahmenbedingungen, etwa den ‚rhetorical turn’, gibt der von M. Gagarin und D. Cohen hg. Reader „The Cambridge Companion to Ancient Greek Law“. Ich verweise etwa auf die Beiträge von Stephen Todd (‚Law and Oratory at Athens’), Adriaan Lanni (‚Relevance in Athenian Courts’), Lene Rubinstein (‚Differentiated Rhetorical Strategies in the Athenian Courts’) und Harvey Yunis (‚The Rhetoric of Law in Fourth-Century Athens’).

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

höfe, die Volksrichter, Logographen und Rhetoren) in einen neuen Kontext mit der athenischen Demokratie stellte. Dadurch habe sich mancher Blickwinkel grundlegend geändert:625 „Such treatments of Athenian democracy proceed from an orientation informed by political and social theory, sociology, and anthropology and have revitalized the study of this topic about which many scholars once believed that little new was left to say.”

Diese Feststellung D. Cohens konnte freilich nur in Unkenntnis der Äußerung von A. Steinwenter getroffen werden, der schon 1925 auf den häufig übersehenen Zusammenhang zwischen griechischer Gerichtsbarkeit und Staatsform aufmerksam gemacht hat.626 Cohen reklamiert demnach zu Unrecht den (international) völlig neuen ‚Blickwinkel’ für die jüngere anglo-amerikanische Wissenschaftlergeneration. Dazu kommt – und auch daran ist zu erinnern, dass auch methodisch nicht alle europäischen Wissenschaftler wie Wolff und Pringsheim gearbeitet haben. Eberhard F. Bruck627 steht hier für die ältere Generation, W. Schmitz für die jüngere, für eine methodisch ‚offene’ Arbeitsweise. Festzuhalten bleibt, dass es nicht angeht, den in mancher Hinsicht gewiss noch unvollkommenen Versuch Athens, Staatsform und Recht (mit dem Justizapparat) in Einklang zu bringen, hart zu kritisieren, den politisch-autoritären Hintergrund des römischen Rechts – spätestens seit Augustus, ja der späten Republik (insbesondere aber auch jenen der Klassiker), jedoch nicht in Frage zu stellen. – Ich vermute, dass dies auch mit unserer Einstellung zu Recht und Demokratie zu tun hat.628

625 D. Cohen 2005, 14. – Im Hochgefühl der übernommenen wissenschaftlichen ‚Führung’ in der Graezistik, wurden aber von den Anglo-Amerikanern wichtige ältere (E. F. Bruck und A. Steinwenter) und neuere Arbeiten, insbesondere die von W. Schmitz, übersehen. Auch Cantarella (2005, 236 ff), Maffi (2005, 254 ff) und D. Cohen (2005, 211 ff) kennen weder Schmitz, noch Gehrke oder Hölkeskamp uam. Aber auch Thür hat Schmitz bislang nicht berücksichtigt. 626 Vgl. dazu auch in Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht – Der attisch-athenische Prozess’. – Dieser Zusammenhang gilt über die Justiz hinaus für das gesamte Rechtswesen der Griechen. Noch heute betrachten wir in demokratischen Staaten Recht als Produkt der Gemeinschaft, des Volkes; mögen sich auch viele dieses Zusammenhangs nicht mehr bewusst sein. Die Griechen haben diesen Konnex sehr ernst genommen. Es mutet daher eigenartig an, wenn dieses frühe Bemühen um ein ‚Recht’ und eine ‚Justiz’ des Volkes aus heutiger Sicht kritisiert wird. Daraus lässt sich die eigene Distanz der Kritiker zu einem demokratischen Rechtswesen erkennen. An die Stelle der ursprünglich starken Bindung von Staatsform und Recht, trat aber auch in Griechenland Schritt für Schritt eine stärkere Formalisierung der Rechtserzeugung, während der demokratische Bezug zurücktrat. 627 Zu ihm insbesondere in Kapitel II 20. 628 Der Wandel vom antiken Volksrecht zu einem formalisierten und wissenschaftlich betreuten Recht, lässt sich an Änderungen von Institutionen und Zuständigkeiten ablesen: Das Recht wurde bald nicht mehr vom Volk selbst beschlossen, sondern in der repräsentativen Demokratie dem Volke mehr und mehr entfremdet; vom Absolutismus einmal abgesehen. Noch stärker waren die Auswirkungen in der Gerichtsbarkeit und im gesamten Justizwesen, das kaum mehr

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Viertes Argument 629

„The naive belief in the omnipotence of written law, later attacked by Aristotle, contrasts with the Roman scepticism and the conviction that not legislation but jurisprudence is the best guide to practice. If, again, no legal rule existed for the case, the Greek and Ptolemaic judges had to follow the most equitable view, the HOÈNI ™ EJLBJPUƒUI.”

Pringsheim merkte dazu an: „This judicial freedom opened the door to extra-legal considerations and was often misused. [? War das wirklich ganz anders als heute?] No wonder that arbitration was used in order to bring the case before a single judge of age and experience.” Sein Zwischenergebnis besteht in der Feststellung: „Sound legal reasoning could not grow on such a soil; nor could the authority of precedents be developed.” (Hervorhebungen von mir)

Manches ist auch hier zu pauschal formuliert, weshalb wiederum deutliche Einschränkungen gemacht werden müssen. Pringsheim lässt manches außer Acht, und seine Äußerungen sollten daher nicht immer für bare Münze genommen werden. Gegen ihn sprechen etwa: • Platons Betonung der Bedeutung des alten Väterbrauchs außerhalb der Gesetze630 ebenso wie

• die Entwicklungsgeschichte der schriftlichen Rechtssetzung. Ich verweise dabei nur auf neuere Forschungsabrbeiten von H.-J. Hölkeskamp, Gehrke

631

und zuletzt Gagarin.

• Für Solon und auch noch deutlich später (nämlich bis ins 4. Jh. v. C.) gilt diese Feststellung eines ‚naive belief in written law’ gewiss nicht absolut, sondern nur partiell, wodurch die Aussagekraft dahin ist. Erst ab der zweiten Hälfte des 5. Jhs. gewinnt diese Anschauung überhaupt stärker an Boden. Dazu kommt, worauf schon Ehrenberg aufmerksam gemacht hat, die Tatsache, dass wichtige Bereiche des griechischen Rechts überhaupt nie ‚verschriftlicht’ wurden: nämlich das Fremdenrecht, das Völkerrecht – als Handels(verkehrs)recht, auch das Naturrecht, nicht zuletzt wichtige Teile des Privatrechts und anderer Rechtsgebiete; sie alle waren von einer vollständigen Positivierung, also

demokratische Elemente enthält. Die Verwissenschaftlichung des Rechts und seiner Anwendung ist dafür kein Ersatz, vielmehr wurde dadurch die Entfremdung noch verstärkt. Das Recht der griechischen Demokratie war ein anderes als unser heute bloß demokratisch legitimiertes Rechts- und Justizsystem. Kritik sollte das bedenken! 629 Wir wissen heute, dass dieser Widerstand bereits viel älter und jedenfalls schon bei anzutreffen ist. – Vgl. auch Kapitel II 13: Epieikeia. Zum Rechtsdenken der Sophisten: Kapitel VIII 4. – Zur Bedeutung der Schriftlichkeit im griechischen Rechtsdenken nunmehr Gagarin (2008). 630 Vgl. das Kapitel VII 2 vorangestellte Motto Platons. – Zum sogenannten ‚nomologischen Wissen’ (M. Weber) schon oben; zum analogen anglo-amerikanischen Begriff des ‚inherited conglomerate’: Dodds 1951/1997, 179 ff sowie hier in Pkt. 7 Anm. 1200 und in der FS I. Weiler 863 Anm. 6 und 869 (2008). 631 Insbesondere (1997) sowie (2000); Gagarin (2008).

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Verschriftlichung weit entfernt. Die engere Bindung an das geschriebene, also gesatzte Recht scheint zudem eher eine Sache des öffentlichen Rechts (Verfassungs-, Verwaltungs-, Straf- und Verfahrensrecht) gewesen zu sein.

• Nicht nur das athenisch-attische Recht wies zahlreiche Lücken auf, wodurch im Rahmen der Rechtsfindung beachtlicher Entscheidungsspielraum gegeben war. – Darauf weist et632 wa Welwei uH auf eine Stelle in den ‚Nefelai’/Wolken des Aristophanes hin. – Thür 633 erwähnt, dass das griechische Recht neben zahlreichen – ja überwiegenden (!) Lücken, auch durch viele unbestimmte Rechtsbegriffe charakterisiert gewesen sei. Dies trifft zu und muss betont werden, weil auch dadurch der Entscheidungsraum erweitert wurde, weshalb von „naive belief in the omnipotence of written law“ kaum gesprochen werden kann. Die griechische Lückenfüllungsregel der HOÈNI ™ EJLBJPUƒUI widerspricht der Einschätzung Pringsheims noch mehr.

Fünftes Argument „Shortly afterwards [sc. after the beginn of scientific legal reasoning with Aristotle and his 634 pupil Theophrast] came the end of constructive legal activity in Greece; the decline of political life hindered further progress. In the Hellenistic monarchies there was no room for free 635 independent thinking.”

Auch dies lässt sich heute – und zwar generell – nicht mehr aufrechterhalten.636 Pringsheim unterschätzt hier die hohe Resistenz des Privatrechts gegenüber politischer Intoleranz auch und gerade in der griechischen Geschichte, wo etwa das (liberale) Solonische Privatrecht während der Peisistratidenherrschaft unangetastet blieb. Pringsheims Meinung wird aber vor allem durch die römische Geschichte und Rechtswissenschaft widerlegt. Bekanntlich waren viele römische Kaiser (inklusive Justinian) gerade nicht liberal, was etwa den Spätklassiker Ulpian nicht daran hinderte, bis zu seinem gewaltsamen Tod frei zu denken. Bei der Beurteilung Griechenlands lässt Pringsheim Demetrios von Phaleron, der als Statthalter für Makedonien in Athen Ideen des Peripatos und überhaupt der griechischen Rechtskultur umsetzte und nach seiner Vertreibung im Ägypten des

632 2000, 15. 633 2000b, 95 f; dazu in Kapitel II 4: Förderung der Lehre von der rechtlichen Kausalität durch Antiphon. 634 Dazu insbesondere Kapitel VI und VIII. – Pringsheim übergeht Antiphon und Platon. 635 Anders wohl schon L. Mitteis (1891/1984), Taubenschlag (1923) und derselbe (1934). 636 „Free independent thinking“ ist nachgewiesenermaßen keine Voraussetzung für das Entstehen von Privatrecht, auch nicht in der Moderne. Große Reformwerke und Kodifikationen sind eher in nichtdemokratischen nämlich autoritären Systemen entstanden. Keine der großen und klassischen Kodifikationen noch an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Europa (das Preußische ALR, der Französische Code Civil und das Österreichische ABGB) erfüllt Pringsheims Voraussetzungen.

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Ptolemaios I. offenbar noch bedeutenden Einfluss hatte, ganz außer Betracht. Ebendies gilt auch für andere, zum Teil ägyptisch beeinflusste Rechtseinrichtungen des hellenistischen Griechenland. Ein Beispiel dafür ist das interessante ptolemäisch-ägyptische Kollisionsrecht (mit der Möglichkeit der Rechtswahl durch die von den Vertragsparteien gewählte Vertragssprache) wovon uns Lewald berichtet hat.637 Auf ptolemäisch-ägyptischen Einfluss zurückzuführen ist vermutlich auch die über das ptolemäische Ägypten vermittelte hellenistische Formulierung der Regel ‚superficies solo cedit’, die als Leistung des römischen Rechts angesehen wird.638

Sechstes Argument „Legal science in this wider sense exists already if the shaping of contracts, the forming of documents, the redaction of laws betray legal thinking, especially if there are indications that 639 progress has been made as a result of experience and reflection. A high intelligence and versatility can be used not less for practical development than, as in Rome, for the formation of clear and sharp concepts, for the isolation of the facts of a case, for abstraction and legal technique. Greek legal thinking saw legal institutions in their moral, religious and social connections with actual life. It differs from Roman legal science, but is neither worse nor better. From this point of view we are not even justified in regarding Greek legal thought as a first step to something like Roman jurisprudence. Such a comparison may be stimulating and suggestive. But Greek law has its independent and peculiar features, which it is not yet possible fully to describe. The aim of this monograph is to make a contribution to such a description.”

Trotz allen Wohlwollens gegenüber dem griechischen Recht, das aus diesen letzten Sätzen Pringsheims spricht, ist seine Meinung immer noch zu sehr den herkömmlichen Denkmustern verpflichtet, die manche neue Einsichten nicht mehr zulassen. – Dazu werde ich später Stellung nehmen.640 In diesem Zusam-

637 Mehr in Pkt. 8 zur frühen Entwicklung von intermunizipialem Kollisionsrecht; Thera/Kyrene und Opus/Naupaktos. 638 Gaius, Inst. 2, 73; zu dieser Regel etwa Kaser/Knütel 200317, 162, 185 und 200819, 161, 141 oder Mayer-Maly 19992, 70 und 103. – Zum ptolemäischen Ursprung Taubenschlag 1938, 482; 1936, 270 und 1935, 281 und dazu Kapitel II 23: ‚Superficies …’; vgl. auch schon ‚Einleitung’ (Anm. 14). Das königliche Diagramma aus dem Jahre 171 v. C. begründete allgemeingültiges Recht und spricht für einen administrativ-deliktischen Ursprung dieser Regel (im ptolemäischen Ägypten, da weder das griechische, noch das ägyptische Recht bis zum Ende des Neuen Reichs diese Regel kannten. Der Grundsatz stammt auch nicht aus dem Privat-, sondern aus dem öffentlichen Recht. 639 Pringsheim 1950, 4. – Vgl. dazu für Kreta die Arbeiten von Gehrke: Anm. 631. 640 In den Kapiteln VI, VII und VIII.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

menhang gehören auch die Betrachtungen zur Rechtskategorie ‚Zufall’ und zum frühen intermunizipialen Kollisionsrecht.641

Siebtes (und letztes) Argument „If it has to be admitted that the Greeks did not achieve doctrines comparable with those of the Romans such a statement should not lead to the exaggerated affirmation that their law was inferior to Roman law, or that they lacked altogether the notion of ‘law’. Their very early submission to law as a guiding principle in the city-state and the profoundity of Greek philosophy of law should alone be a warning against that view. We are justified neither in disavowing the influence of Greek law outside Greece nor in speaking of its inferiority. It is not yet fully ascertained how much early and late Roman law owed to Greek law. But certainly the Greek modes of thought and dialectic oratory gave the Roman lawyers the instrument with which they worked out their own law. The fragments of Greek law which have come down to us show a deep understanding of fundamental principles, the first comparative law known to us and the conception of institutions which were imitated elsewhere, even in Rome.”

Diesen Ausführungen Pringsheims ist grundsätzlich beizupflichten. Sie unterscheiden sich in ihrer Grundtendenz deutlich von manchen aggressiven Feststellungen H. J. Wolffs, dessen Werk allerdings auch positivere Nuancierungen kennt. – Pringsheim schließt: „If the Greeks lacked either the gift or the interest or the time to produce an elaborate system of private law their unique method of thinking and research, their flexibility of mind and their critical reasoning had results even in the province of private law. The ability of Greek nota642 ries and scribes, the salutary lack of formalism to be found in Greek and Hellenistic documents and the indications they give of a capacity for progress will be illustrated by the following discussion.” (Hervorhebungen von mir)

Pringsheims Kurzcharakteristik erklärt gewiss manches, mag es im Einzelnen auch – wie wir gesehen haben und noch sehen werden – ganz konträre Beurteilungen geben. So wird meines Erachtens weder von Pringsheim, noch von Wolff das Zusammenspiel von gesatztem und ungeschriebenem Recht in Griechenland hinreichend erklärt; Ähnliches gilt für den Zusammenhang von Staatsform und Recht/Justiz. Die Überbetonung des „naiven Glaubens“ an das gesatzte Recht bei Pringsheim übersieht die große Bedeutung von Gewohnheitsrecht und von nomologischem Wissen, aber auch von Verkehrssitte, und überhaupt des …HSBGPK O²NPK; und zwar sowohl in der griechischen Politik (‚Epitaphios’ des Pe-

641 Zur Rechtskategorie Zufall Kapitel II 4 und 5 sowie in: Barta/Mayer-Maly/Raber 2005, 16 ff; zum Kollisionsrecht in Pkt. 8. 642 Vgl. dazu die Kapitel VI und VII und den Beginn von Kapitel II 10.

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rikles und seine Rede „gegen Religionsfrevler“)643 als auch bei den Tragikern, den Rhetoren und Philosophen. E. Weiss644 betont dagegen zu Recht, dass die antike Gesetzgebung bis zu Justinian niemals den Ehrgeiz hatte, „lückenlos sein zu wollen“. Schon Ehrenberg645 unterstreicht die Bedeutung des …HSBGPK O²NPK, der auch in klassischer und nachklassischer Zeit die Wertegrundlage für so wichtige Rechts- und Gesellschaftsgebiete wie Gewohnheitsrecht, Naturrecht, Fremden- und Völkerrecht und überdies Verkehrssitten und Handelsbräuche646 bildete.647 – Neben dem gesatzten Recht kannte das griechische Rechtsdenken, das sei nochmals hervorgehoben, stets auch nicht gesatztes Recht und auch andere gemeinschaftsstabilisierende Sozialnormen; nomologisches Wissen. Gehrke648 hält daher zutreffend fest, dass auch nicht schriftlich fixierte (Rechts)Normen strikt einzuhalten waren. Das bedeutet, dass auch nicht schriftlich niedergelegtes Recht – also auch Gewohnheitsrecht – einen strengen Regelcharakter hatte. Es wäre demnach ein Fehler, dem Gewohnheitsrecht oder anderen Sozialnormen den verbindlichen Charakter abzusprechen und von vorneherein auch nur auf geringe Wirksamkeit und laxe Einhaltung/Anwendung oder gar Beliebigkeit schließen zu wollen. – Das Wissen um die Wirksamkeit dieser Sozialnormen wurde durch die Forschungsergebnisse von Schmitz insbesondere für den auch für das antike Griechenland gesellschaftlich bedeutenden bäuerlichen Sektor bestätigt.649 Schmitz zeigt uns auch – wie schon von manchen Wissenschaftlern für das römische und das griechische Recht formuliert worden war – dass diese Rechte zwar keine Rechtsquellentheorie (im modernen Sinne) – und daher auch keine Theorie des Gewohnheitsrechts – entwickelten, sich aber dennoch mit Einzelfragen dieses Bereichs beschäftigt haben und dass das Gewohnheitsrecht von großer praktischer Bedeutung war. Das berechtigt meines Erachtens nicht dazu – wie es H. J. Wolff getan hat, die Existenz von Gewohnheitsrecht im archaischen

643 Dazu etwa Lipsius 1905, I 359. 644 1934, 250. – Vgl. auch 1923, I 17 ff. , insbesondere 25 ff und zur Bedeutung des Gewohnheitsrechts im antiken Griechenland auch den Hinweis auf den sogenannten „pluralistischen Charakter“ des attischen Rechts von U. E. Paoli. – Zu den Rechtsquellen: Kapitel VII 1. 645 Zum Beispiel in: 1965, etwa 365. 646 Vgl. Gernet 1938/1968, 28. – Hier zu nennen ist der sogenannte „pluralistische Charakter“ des attischen Rechts (Paoli 1933/1968), womit gemeint ist, dass griechische Urteile in bestimmten Bereichen nicht allein auf positivem, sondern auch auf praepositivem – Gernet (1938/1968, 29) spricht von „stillschweigendem“ – Recht beruhten. Ich halte die von Gernet gegen Paoli gemachten Einschränkungen für zutreffend und verweise auf die dort angeführten Beispiele: Handelsbräuche, erbrechtliche Streitigkeiten, posthume Adoptionen, Beerdigungspflicht, Aussetzen von Neugeborenen uam. – Bedenkt man, wie stark und lange die uralten Jägersitten (dazu in Pkt. 7: K. Meuli) nachwirkten, erscheint auch diese Annahme realistisch. 647 Vgl. dazu insbesondere Kapitel II 8 sowie Weiss 1934, 252. 648 1997, 43 f. 649 1999/2004a, 2001 und 1997. – Dazu Kapitel II 11.

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Kapitel I: Perspektiven, 5. ‚Andersheit’ der griechischen Rechtskultur?

und klasssischen Griechenland überhaupt zu leugnen. Auch die Römer besaßen noch keine Theorie des Gewohnheitsrechts und dennoch war diese Rechts(quellen)form bei ihnen von größter praktischer Bedeutung. Beizupflichten ist daher Bruck,650 der dazu im Rahmen seiner Darstellung des römischen ius imaginis651 ausführt: „Natürlich war das ius imaginis nicht auf eine lex gestützt [….] Moderne Juristen würden es vielmehr ein Gewohnheitsrecht nennen. Aber die römischen Juristen der republikanischen und selbst der klassischen Zeit, die sich […] für einzelne Fälle, nicht für Theorien interessierten, haben eine Theorie des Gewohnheitsrechts nicht entwickelt. Sie nahmen alte Regeln und Einrichtungen als selbstverständlich an, aber sie zogen keine scharfe Grenzlinie zwischen einem 652 Brauch ohne Rechtszwang und Gewohnheitsrecht. Es gab eine Fülle alter und anerkannter Regeln und Institutionen […] die nicht auf ein Gesetz gestützt waren, z. B. die patria potestas, manus, tutela, mancipatio, das imperium der Beamten, und viele andere. Sie wurden als recht653 liche Einrichtungen angesehen. Ernst Levy hat richtig bemerkt: ‚Die Römer hatten sogar fast nur Gewohnheitsrecht. Auch die auffallend wenigen leges hatten ihre Verbindlichkeit selten durch aufhebende Gesetze, um so häufiger aber faktisch durch desuetudo aufgehoben.’ “

Das Gewohnheitsrecht war jedenfalls bei den Griechen von Bedeutung, wenn auch nicht in dem Maße, wie dies in Rom der Fall war. Der weit verbreitete, in vielerlei Varianten angewendete Richtereid macht in seiner Formulierung, die das Wissen um die Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung verrät, die wichtige Rolle des Gewohnheitsrechts eindrucksvoll klar. Insgesamt hat sich gezeigt, dass Pringsheims Charakteristik einige Ergänzungen erfordert, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wichtig ist mir das Bewusstsein von der Notwendigkeit, das auch noch bei Pringsheim immer wieder durchschimmernde Vorurteil über den geringen Entwicklungsstand des griechischen (Privat)Rechts weiterhin kritisch zu prüfen und vor allem auch zu präzisieren. Dies ist schon deshalb wünschenswert, weil die in einzelnen Fragen vorgenommenen ‚Ausgrabungen’ ganz andere, unerwartete Ergebnisse zu Tage gefördert haben: Verschuldenshaftung, Erbrecht (Parentelordnung, amtliche Einweisung ins Erbe, Schenkung auf den Todesfall, Testament, Testamentsvollstreckung etc.), Persönlichkeitsschutz uam.

650 1954, 3 Fn 5: Der volle Titel seiner Abhandlung lautet: ‚Römisches Staatsrecht und Propaganda: Ius Imaginum und Consecratio Imperatorum’. – Dieser Beitrag kann nur zur Lektüre empfohlen werden. 651 Dazu Meuli 1968, 39. 652 Bruck verweist auf Kaser 1939, 57 und Schulz 1946, 24 f und passim. Vgl. auch die Hinweise in Kapitel II 3. – Auffällig die Unterschiede in den Rechtsquellenkatalogen bei den römischen Juristen und Rhetoren; Erklärungsversuch bei Nörr (1972). 653 Zitiert nach E. Seidl 1933, 643.

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6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht? „Zuvörderst aber gilt es dieVorfrage zu erledigen, ob es überhaupt eine Berechtigung hat, von dem griechischen Rechte als einer einheitlichen Rechtsgestaltung zu reden. Noch vor zwei Jahrzehnten durfte ein Forscher über hellenisches Recht dessen ‚particularistische Zersplitterung’ beklagen, heute hat die Erschliessung reichhaltiger neuer Rechtsquellen durch epigraphische Funde dieser Klage mehr und mehr den Boden entzogen. Vor allem weisen die vor neun Jahren aufgedeckten ‚Zwölftafelgesetze’ des kretischen Gortyn eine Fülle überaschender Berührungen mit wesentlichen Bestimmungen des attischen Rechtes auf, die sich vorzugsweise auf das Familienund Erbrecht erstrecken. Inwieweit wir diese gemeinsamen Rechtssätze auf altes Erbgut des indogermanischen Gesammtstammes zurückzuführen haben, wie namentlich für das zu Athen in noch grösserer Reinheit als auf Kreta bewahrte Recht der Erbtöchter anzunehmen nahe liegt, oder aber Eigengut des griechischen Volkes in ihnen zu erkennen ist, das sind Fragen, deren Inangriffnahme mir gegenwärtig noch verfrüht erscheinen will.“ Justus H. Lipsius, Von der Bedeutung des Griechischen Rechts (1893)

„Doch ist das griechische Privatrecht nicht bloß für die rechtsgeschichtliche Betrachtung eine Einheit, sondern es ist auch den Zeitgenossen als eine Einheit erschienen, und zwar wiederum nicht bloß den Griechen selbst, sondern auch anderen Völkern.“ Egon Weiss, Griechisches Privatrecht (1923)

„It may surprise those who are new to the field to learn that the very expression Greek law is a point of contention for scholars in the field. For the most part, those in the United States and the United Kingdom avoid the expression, and only two books with ‚Greek law’ in their title have been published in English since Pringsheim’s Greek Law of Sale in 1950. […] Continental scholars tend to be more sympathetic to the notion

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

of Greek law, though they too tend to avoid the expression in titles “. Michael Gagarin, The Unity of Greek Law (2005)

Zunächst: ‚Gemein’ wird hier – nach altem juristischem Sprachgebrauch654 – als ‚gemeinsam’ oder ‚allgemein’ verstanden, was ausdrücken soll, dass die Rechte und Rechtsordnungen der zahlreichen griechischen Poleis nicht völlig zufällig entstanden sind und unverbunden nebeneinander standen, sondern aus gemeinsamen kulturellen Wurzeln herkommen. Dabei boten die Rechtsordnungen vor allem der Leitpoleis wie Athen/Attika, Sparta/Lakedaimonien, Gortyn, Korinth, Theben oder das ostlokrische Opus (und dann das epizephyrische Lokroi) – besondere Anregungen und führten daher zu Nachahmungen oder Übernahmen in anderen Stadtstaaten. Dies geschah entweder im Rahmen eines Synoikismos, von Symmachievereinbarungen, bei einer Koloniegründung durch Rezeption oder Rechtsbewidmung/Filiation oder auch ganz unabhängig von diesen Phänomenen.655 Dieser Vorgang war kein punktueller Akt sondern ein ‚Prozess’ von langer Dauer, der – von den Dunklen Jahrhunderten (nach dem Zusammenbruch des mykenischen Imperiums) – über Jahrhunderte bis etwa zu den Perserkriegen währte, und mitunter noch darüber hinaus von Bedeutung blieb. Allein die frühe Kolonisation trug mächtig dazu bei, eine Rechtskoiné vorzubereiten, indem nicht nur etwa 200 Kolonien von Mutterstädten gegründet wurden, sondern auch die Kolonien wieder zu Mutterstädten wurden; Kyrene mag dafür als Beispiel dienen. Dazu trat die Gründung von Gemeinschaftskolonien wie in Naukratis oder Thurioi, bei denen die künftigen Koloniebürger aus mehreren Poleis stammten und für die, wie etwa für Thurioi, eigene Verfassungen/Rechtsordnungen geschaffen wurden, die ihre Regeln auch aus den verschiedenen Polissegmenten bezogen. Thurioi war von Perikles als gemeingriechisches Unternehmen geplant. – Eine beschleunigende Tendenz zur Rechtsangleichung (und zwar nicht nur des Verfahrensrechts) bewirkt neben der Polis-

654 Vgl. Weiss 1923, I 3 Fn 1 uH auf Gierke 1895, I 46 Fn 1: Der Begriff des ‚gemeinen’ Rechts entstammt danach der mittelalterlichen Rechtswissenschaft; unterschieden wird zwischen formellem und materiellem gemeinen Recht. Näheres bei Weiss, aaO, der ausdrücklich darauf hinweist, dass keine dieser beiden Kategorien des gemeinen Rechts „mit der Unterscheidung zwischen Gesetz und Gewohnheitsrecht etwas zu tun“ hat. 655 S. auch – neben den grundlegenden Ausführungen von Weiss 1923, I 3 ff – meinen Beitrag im Tagungsband ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2007b, 31 ff über das Entstehen von Kollisionsrecht in der Antike, wo ich am Ende von Pkt. 4 (Naupaktosinschrift) auf eine Bemerkung Koerners 1993, 201 f eingehe und zeige, wie im Rahmen dieses kolonisatorischen Nachzüglerunternehmens die Polis Chaleion ein opuntisches Gesetz ohne jede Anpassung für die eigenen Siedler übernommen hat. Dazu auch Weiss 1923, I 7 ff.

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Streit um den Begriff

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entwicklung und der Kolonisation auch die Übung, zwischen benachbarten oder miteinander in besonderer politischer und/oder wirtschaftlicher Beziehung stehenden Poleis Verträge für die Besser- oder Gleichstellungen der gemeinsamen Bürger zu erreichen: Auf die verbreitete Praxis von Sympolitie-, Isopolitie-, Rechtshilfe- oder Synoikismosvereinbarungen gehe ich in Pkt. 8, auf die wichtigen völkerrechtlichen Bezüge (Bündnis- und Symmachie-, Waffenstillstands-, Friedensverträge, Richterentlehnungen, Amphiktyonien uam.) in Pkt. 9 ein.656 Für Kreta wurde diese Praxis von Chaniotis (1996) in einer eigenen Monographie untersucht. Zum griechischen Völkerrecht merke ich hier nur an: Alles, was mit griechischem Völkerrecht zu tun hat, ist notwendigerweise gemeingriechischer Natur, denn – und das müsste auch M. Gagarin, D. Cohen und M. I. Finley einleuchten – allein die Vorstellung oder auch nur der Begriff eines gortynischkretischen, athenischen oder spartanischen Völkerrechts wäre ein Unding! Nicht dagegen die Annahme eines ‚griechischen’ Völkerrechts. Hier kommt es allein auf ein bündnis- und stammübergreifendes, gesamtgriechisches, eben gemeingriechisches Rechtsverständnis an! Gagarin hat das ebenso außer Acht gelassen, wie vor ihm schon M. I. Finley, dem jener zu unkritisch gefolgt ist.657

Streit um den Begriff Der Begriff ‚gemeines’ griechisches Recht war von Anfang an – und ist es immer noch – umstritten. Dabei besteht bis heute die Gefahr, dass um des Kaisers Bart gestritten wird, weil die einzelnen Autoren/innen Unterschiedliches darunter verstehen. Ich betone daher, dass ich den Begriff nicht eng sondern weit verstehe und damit die Zugehörigkeit zu einem angenommenen griechischen Rechtskreis im Sinne der modernen Rechtskreislehre meine;658 nicht dagegen Übereinstimmung im Detail und in allen Bereichen und etwa zeitlich synchron. Das gilt noch heute für die Annahme etwa eines romanischen oder nordischen Rechtskreises. Ein solches Verständnis verlangt nicht – etwa in den Bereichen Familie, Eigentum oder Erbrecht, idente rechtliche Ausformungen zwischen dem attisch-athenischen und dem dorischen Rechtskreis, etwa dem Recht von Gortyn oder Sparta, für deren Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte unter-

656 Ich gehe dort auch auf das wichtige Buch von E. Baltrusch (1994) ein, in Pkt. 9 finden sich auch Beispiele für gemeingriechisches Völkerrecht (Ziegler). – Darstellungen des römischen Völkerrechts übergehen häufig dessen griechische Wurzeln, ja auch dessen Neuorientierung durch die stoische Philosophie in Richtung Humanisierung des Kriegsvölkerrechts (s. Hampl 1957, 249 ff); so Nörr (1989 und 1991), Ziegler (1997: Aequitas) und Zack (2001). 657 Ich gehe darauf anschließend ein. – Die Bedeutung des griechischen Völkerrechts hat als erster dagegen L. Mitteis (1891/1984) erkannt; dazu in Pkt. 9 bei Anm. 2268. 658 Dazu bei Anm. 826 ua. uH auf Thür (2003). – Vgl. schon Pappulias (1912).

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

schiedliche Einflüsse maßgebend waren. Die Zuordnung zu einem Rechtskreis kennt vielmehr innerhalb eines weiter gezogenen Rahmens von grundsätzlicher Gemeinsamkeit auch ein Potenzial unterschiedlicher Lösungen in den Details, was – wie uns Platon in seinen Schriften, etwa den ‚Nomoi’, gezeigt hat, auch anregend wirken konnte und offenbar nicht als unüberwindbarer normativer Fremdkörper verstanden wurde.659 Es ist daher problematisch, wenn Gagarin660 pauschalierend feststellt: „[…] the more detailed our knowledge becomes, the more clearly the differences stand out“.

Auch Gemeinsamkeiten wurden entdeckt und sind auch künftig noch zu entdecken. Zu einer griechischen Rechtskoiné kam es allerdings – wie in der Sprache! – erst im Hellenismus und auch hier verlief die Entwicklung noch unterschiedlich. – Trotz eines weiten Verständnisses handelt es sich aber nicht um ein bloßes Definitionsproblem, weshalb neben Trennendem auch Verbindendes angeführt wird, was Gagarin vernachlässigt. Man darf das Verständnis rechtlicher ‚Einheit’ aber auch nicht überdehnen, wenngleich auf einer gewissen Flexibilität zu bestehen ist. Die Begriffsränder sind nämlich nicht scharf konturiert, sondern ‚ausgefranst’. Zu beachten ist ferner, dass die Rechtsentwicklung in den verschiedenen Poleis schon in der Archaik sehr unterschiedlich verlief und vielfach von einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gesprochen werden muss.661 Manche Stadtstaaten waren Früh-, andere Spätentwickler, manche Rechtsordnungen regten zur Nachahmung an, andere nicht; manche trugen dem gesellschaftlichen Wandel früh Rechnung, andere sträubten sich dagegen. Die von sehr vielen Poleis praktizierte Kolonisation verlangte lange Zeit nicht nur auf der Seite der ‚Töchter’ Anpassung, denn nicht immer war es mit einer normativen ‚Blaupause’ von der Mutter- auf die Tochterstadt getan. Dies und anderes mehr sollte beachtet werden, wenn der Frage eines gemeinen griechischen Rechts nachgegangen wird. – Wie noch ausgeführt werden wird, verlief die Einschätzung der behandelten Frage unterschiedlich: Während konti-

659 Ich verweise auf Kapitel VI 6: ‚theorós’, der die Aufgabe hatte, gute Lösungen in anderen Poleis herauszufinden, um sie (wie auch immer) übernehmen zu können. 660 2005, 32. – Ein Gegenbeispiel stellt der Fund von Dura-Europos dar; dazu in Pkt. 8 (Anm. 2006). 661 Finley und Gagarin haben das nicht beachtet. Ich kann daher nur wiederholen: Gemeinsamer Rechtskreis verlangt keine Übereinstimmungen im Detail, sondern verträgt wie bei Sprache, Religion und Opferbräuchen, Kultus, Sitten und Gewohnheiten auch teils stark unterschiedliche (Rechts)Ausformung. Die Antwort in einzelnen Rechtsbereichen und Rechtsinstituten kann danach sehr verschieden sein. Es ist wie beim Kulturkreisdenken: Trotz beachtlicher Unterschiede kommt es letztlich darauf an, dass daneben auch bedeutende Gemeinsamkeiten bestehen, was für die Griechen außer Frage steht. Diese kulturellen Gemeinsamkeiten müssen sich primär nicht einmal rechtlich äußern. Das betrifft das Verständnis des Oikos und der Familie, die Entwicklung des Eigentums, von Religion- und Heroenkult sowie die Grundeinstellung zu Recht und Gerechtigkeit (etwa im Völkerrecht) oder das Verfahrensrecht.

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Egon Weiss

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nentaleuropäische Wissenschaftler sie eher bejahten, lehnten sie Vertreter des angloamerikanischen zuletzt eher ab.662 – Es geht mir bei meinen Überlegungen nicht um eine mehr europäische oder angloamerikanische Sichtweise der anstehenden Fragen, sondern um ein wissenschaftlich möglichst stimmiges Verständnis, das den Quellen entspricht, Zusammengehöriges nicht willkürlich trennt und der sehr unterschiedlichen Geschwindigkeit in der Entwicklung Rechnung trägt.

Egon Weiss Weiss geht in seinen Überlegungen zum „gemeinen griechischen Privatrecht“ von folgendem Grundgedanken aus:663 • „Das griechische Volk und damit zusammenhängend als Folge des in der Antike über664

haupt Platz greifenden Personalitätsprinzips das griechische Privatrecht hat nun im ganzen Verlauf der antiken Geschichte niemals in dem Sinne ein einheitliches Rechtsgebiet gebildet, dass von einer hellenischen Stelle Rechtssätze oder hier genauer Gesetze mit dem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit ergehen konnten. Namentlich haben auch die 665 griechischen Bünde, die allerdings das Recht zur Gesetzgebung besaßen, also befähigt gewesen wären, formell und materiell gemeines Recht für alle Bundesmitglieder zu schaffen, niemals das ganze griechische Volk umfasst. Trotzdem gab es ein griechisches Privatrecht als eigentümliches Erzeugnis des hellenischen Geistes, getragen von den unsichtbar wirkenden Kräften des Volkstums und zwar durch alle Abschnitte der griechischen 666 Geschichte hindurch.“ – Weiss stellte aber klar: „Natürlich kann und soll nach dem Gesagten nicht behauptet werden, der Rechtszustand sei jemals ein einheitlicher in dem Sinne gewesen, dass wir die Geltung einer einzelnen Rechtsquelle, wie etwa des Rechtes von Gortyn, überall vorauszusetzen hätten, wo Griechen wohnten. Stets haben Rechtsverschiedenheiten bestanden und materiell beruht der Rechtszustand einer jeden einzelnen Gemeinde in erster Reihe auf ihrer eigenen positiven Gesetzgebung. Doch vermag dies nichts an der Existenz eines griechischen Privatrechtes als einer wissenschaftlich erfassbaren Einheit zu ändern, für die der Mangel einer gemeinrechtlichen Quelle und das Fehlen

662 Dazu ab Anm. 858. 663 1923, I 3 ff. Weiss untersucht zwar nur das gemeine griechische Privatrecht (der Begriff stammt von L. Mitteis 1891/1984, 61 ff), er will damit aber nicht die Existenz eines gemeinen griechischen ‚öffentlichen Rechts’ ausschließen. Er bringt vielmehr auch dazu Beispiele und betont das Zusammenwirken beider Bereiche; so standen den ‚griechischen Bünden’, etwa dem achäischen und dem böotischen Bund Gesetzgebungsrechte zu, die zumindestens aus dem politisch-öffentlichrechtlichen Bereich in das Privatrecht ihrer Mitglieder hineinwirken konnten; dazu Weiss 1923, I 4 insbesondere Fn 4. 664 Weiss verweist dazu auf das 5. Hauptstück seines Werks, S. 164 ff. 665 AaO 4 Fn 4; Weiss nennt auch die Vertreter der umstrittenen Meinung, den Bünden sei überhaupt ein Gesetzgebungsrecht zugestanden; vgl. Anm. 663. – Dazu auch Pkt. 9. 666 1923, I 6.

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eines Abschlisses der Rechtsbildung nicht entscheidend ist. Ebenso gab es ja auch eine griechische Sprache und eine griechische Literatur trotz der größten staatlichen Zersplitterung und des Nebeneinanderbestens der griechischen Dialekte bis zur Entstehung der 667 Gemeinsprache (LPJO›).“

• Typischer Beleg für die Existenz eines gemeinen griechischen Rechts ist für Weiss „die Übernahme von Rechtssätzen aus einem griechischen Staat in einen andern, die sich nach der ganzen Sachlage nur aus dem Bewusstsein erklären lässt, kein fremdes Recht, sondern 668 Als Beispiel nennt nur eine bessere Form des eigenen Rechtes vor sich zu haben.“ 669 Weiss die Vorschriften der attischen Mord- und Totschlagsgesetzgebung und fügt hinzu: „[…] und vielleicht nicht von ihr allein, denn Demosthenes bezeichnet die Annahme 670 attischer Gesetzgebung in anderen Städten als etwas ganz Gewöhnliches. Gleiches gilt von einer ganzen Gesetzgebung, von der des Charondas von Katana, die nicht bloß bei seinen Mitbürgern, sondern auch bei den andern chalkidischen Kolonien in Italien und Sizilien, weiterhin auf Kos und von dort aus als Übergangsnorm, in Teos und Lebedos, weiterhin in Mazaka am Schwarzen Meer galt. Ebensowenig blieb die Gesetzgebung des Za671 leukos, […], auf das Gebiet von Lokroi Epizephyroi in Unteritalien beschränkt.“

• Ohne gemeinsame Rechtsvorstellungen wäre die Annahme fremder Gesetze nicht denkbar gewesen, „da der Stadtstaat die neuen Gesetze, […], daraufhin prüft, ob sie mit der seeli672 Wie naheliegend die schen Veranlagung und dem Volkscharakter übereinstimmen“: Rezeption fremder Stadtrechte „dem Bewußtsein der Zeitgenossen des griechischen Stadtstaates war“, zeige die Verwendung des Gedankens „in anscheinend aktenmäßiger sprach673 – Demgemäß habe das „hellenische Volk selbst sein licher Form in der Komödie“. Recht in gewissem Umfange als eine Einheit“ empfunden. Hier beginnt Weiss eine Aufzählung von Beispielen: 674

- Grundsätze über den Fund, die in ganz Griechenland galten;

667 Weiss 1923, I 6 f schließt auch „fremde Einflüsse“ und „Stammesunterschiede“ (uH auf Mitteis 1891/1984, 63 Fn 2) als rechtsbildende Faktoren aus. Diodors Hinweise (I 77, 6; 79, 4; 96, 2) auf ägyptische Einflüsse auf Solon und Lykurg würden von diesem selbst als „sagenhaft“ abgetan. – Dazu Kapitel II 17 und mein Beitrag in 2006c. 668 1923, I 7. – Vgl. auch Anm. 655. 669 Nachweise bei Weiss 1923, I 8 Fn 8. 670 Demosthenes XXIV 210 p. 765; Weiss 1923, I 8 und weitere Beispiele in Fn 8. 671 Zur Gesetzgebung des Charondas Aristoteles Politik II 12, 1274a, 23. – Die lokrischen Gesetze wurden nach Strabon (VI 1, 260) von Zaleukos unter Heranziehung der attischen O²NPJ "SFPQBHJUJLPe. zusammengestellt. 672 Weiss 1923, I 9. 673 Weiss 1923, I 10 Fn 13 spielt hier auf die ‚Vögel’ (1040) des Aristophanes an. – Hervorhebung von mir. 674 Hierzu Verweise auf: Aelian (III 46), Diogenes Laertios (Solon 9, 57: Hinweis auf eine Regelung in der Gesetzgebung Solons), Platon (Nomoi XI 913c) und dazu Sondhaus 1909, 82. – Vgl. Kapitel II 22 (Kränzlein). – Die Fundregeln sind interessanter, als dies zunächst erscheinen mag, weil sie Rückschlüsse über die Beziehung von Menschen zu dem, was sie ihr Eigen nen-

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- Eine in allen griechischen Städten geltende Vorschrift, wonach die Bürger Eintracht, d. 675 h. Unterwerfung unter das Mehrheitsprinzip beschwören; die attischen Epheben ge676 loben aber nach Pollux nur Gehorsam gegen die Gesetze; - In den meisten griechischen Poleis galt das Recht, den auf der Tat ergriffenen Ehebre677 cher zu töten; 678 - weit verbreitet war offenbar auch die attische Mord- und Totschlagsgesetzgebung; - die Monogamie galt jedenfalls im 5. Jahrhundert als allgemeingriechische Einrich679 tung; - „Auch Römer [etwa Cicero] sprechen von griechischen Gesetzen, griechischen Sitten als einer Einheit, einem Sammelbegriff, wo formell nur Ordnungen einzelner Gemein680 den vorliegen können.“ - Ein Euripidesfragment enthält einen Sinnspruch, der drei Tugenden ‚vorschreibt’: „Ehrung der Götter, der Eltern und schließlich Beobachtung der gemeinsamen Gesetze von Hellas“; dieses Fragment ist nach Weiss allerdings nur mit Einschränkungen heranzu681 ziehen, und: es handle sich „natürlich“ nur um Sitte und Brauch, - Auch die Rechtsbewidmung, also das Verleihen eines Stadtrechts an eine neugegründe682 te Polis, ist für Weiss ein „bedeutsames Mittel zur Vereinheitlichung des Rechtes“. - Zwei Erscheinungen des griechischen Rechtslebens setzen nach Weiss eine griechische Rechtseinheit geradezu voraus: die Rechtshilfeverträge und die Praxis der Richterent683 lehnung.

• Hierher gehören noch zwei weitere Beispiele, die sich bei Weiss nicht finden: 684

- Eine weitgehend übereinstimmende Gestaltung erbrechtlicher Regeln;

nen, zulassen. 675 Xenophon, Memorabilia IV 4, 16. 676 Pollux VIII, 106; Weiss 1923, I 10 Fn 15. 677 Xenophon, Hieron III 3. – Zum Nomos Moicheias: Kapitel II 10. 678 Weiss 1923, I 7 f mwN und Beispielen in Fn 8. 679 Herodot II 92; vgl. auch Euripides, Andromache (Verse 173 ff) und dazu bei Anm. 811. 680 Nachweise bei Weiss 1923, I 11 Fn 19. 681 1923, I 11 Fn 20 mwH. – Vgl. aber Kapitel II 10 (Ehrung der Eltern) und die Übernahme des Solonischen Gesetzes über die Eltern durch Delphi. 682 Vgl.auch Mitteis 1891/1984, 78 f. – Weiss 1923, I 12, bringt das späte Beispiel von Antinooupolis, nicht aber den Hauptanwendungsfall der Koloniegründung und erwähnt (aaO 13) auch die Sympolitie von Teos und Lebedos (dazu Kapitel VI vor 1) und erörtert die Kolonie Massalia/Marseille (~ 600 v. C.), eine Gründung Phokaias und die Gründung Alexandrias .Beide Stadtrechte haben ihre Rechtssätze nicht von einer einzigen Mutterstadt übernommen, sondern mehreren Gesetzgebungen entlehnt; eklektischer Charakter der Rezeption. Woher die einzelnen Teile der alexandrinischen Dikaiomata stammen, ist umstritten; dazu Partsch 1920, 36 und zuletzt A. Hirata (Innsbrucker Tagung ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2008, in Druck). – Einen ähnlichen eklektischen Charakter haben die Syrisch-römischen Rechtsbücher; dazu Weiss 1923, I 14 f und Kap VI 2 (am Ende). 683 Weiss 1923, I 15 f. – Zu Rechtshilfeverträgen und Richterentlehnung Pkt. 8. 684 Dies ist der Aiginetischen Rede des Isokrates zu entnehmen. – Dazu in Pkt. 8 bei Anm. 796.

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- Ein einheitliches griechisches Kaufmanns- und Handelsrecht.

Die archaische Epoche – Die großen Gesetzgeber Ihre grundsätzliche ‚Prägung’ erhielten das hellenische Recht und sein Rechtsdenken bereits in der Archaik.686 Dabei spielte die griechische Siedlungs- und Lebensform der Hausgemeinschaft ebenso eine bedeutende Rolle wie die olympische Religion mit den Heroenkulten. Das Familienrecht war die Drehscheibe aller frühen Rechtsentwicklung: Man denke nur an die rechtliche Stellung der Familienmitglieder zueinander und die daraus folgende Struktur des Familieneigentums als Miteigentum, wobei die Möglichkeit der ‚Elterlichen Teilung’ bereits den Keim für das Entstehen von Individualeigentum687 in sich trug oder die Rechtsinstitute Schenkung, Mitgift oder Adoption688 und die sich aus dem Familienverband heraus bildenden (gesetzlichen) Erbrechtsregeln.689 Die in Hausgemeinschaft lebende griechische Familie war danach nicht nur – was noch für die moderne Familie gilt – die Keimzelle des Staates, sondern in frühen Zeit auch die Keimzelle des Rechts.690 – Auf den gesellschaftlichen Werten, die in den Beiträgen der großen griechischen Gesetzgeber Drakon, Solon, Zaleukos, Charondas und Kleisthenes verankert sind, baute noch die Rechtsentwicklung im 5. und 4. Jahrhundert, in den klassischen Jahrhunderten auf. Wie Römer und Germanen lebten die Griechen in einer Kult- und Wirtschaftsgemeinschaft; dies in zwei unterschiedlich weiten, rechtlich bedeutsamen Gemeinschaften: in der Familie, im Oikos, als engstem Verwandtschaftskreis (dem die Eltern, Kinder/Geschwister und Geschwisterkinder angehörten) und im Geschlecht/Genos, als erweitertem Verwandtschaftskreis, der mehrere Familien umfasste.691 Beispiel für die Begünstigung einer über Polisgrenzen hinausreichenden Rechtsangleichung – durch Übernahme/Rezeption oder doch Nachahmung – ist die bedeutende legislative Rolle des Delphischen Apollon692 und die damit zusam-

685 Davon spricht Demosthenes XXXV 45; auch dazu bei Anm. 796. 796 686 Zur frühen griechischen Gesetzgebung: Kapitel II 10: ‚Frühe (andere) Gesetzgeber’ (allgemein), und ebendort: G. Smith (‚Early Greek Codes ) und ebendort M. Gagarin (‚Was ist Recht?’) uam. 687 Dazu insbesondere Kapitel II 19 und 22. 688 Alle drei Rechtsinstitute sind in Kapitel VI 2 behandelt. 689 Dazu Kapitel II 10. – Zur Intestat-Erbfolge im attischen Recht auch John C. Miles (1950/1968). 690 Vgl. etwa Kapitel II 19 (‚Vom Familien- zum Individualeigentum’) zu Bruck, 1909a, 1. 691 Bruck 1909a, 1. 692 Der Einfluss Delphis war etwa im Blutrecht prägend, wobei (zusätzlicher) älterer autochthoner Einfluss anzunehmen ist und auswärtiger Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann. Mit Dra-

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Normgenerator Familienrecht

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menhängenden Wirkungen der Drakontischen und der Solonischen Gesetzgebung außerhalb Athens. Derartige Einflüsse dürfen nicht unterschätzt werden; sie wirkten über den griechischen Kulturkreis hinaus auch auf Rom (und mittelbar noch auf ‚uns’) ein.693 Regelungen wie die Solons konnten auch in anderen griechischen Poleis nachgewiesen werden; etwa die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern694 oder die Anordnung zum Fund: „Nimm nicht auf, was du nicht hingelegt hast!“

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Von Bedeutung war vor allem auch das Solonische Modell, alle Bevölkerungsgruppen in die Gesetzgebung einzubeziehen, das zur Nachahmung einlud und keinesfalls auf den Bereich des Privatrechts eingeschränkt werden darf.

Normgenerator Familienrecht Die Verwandtschaft zwischen den zahlreichen Poleis innerhalb des griechischen Rechts- und Kulturkreises zeigt sich nicht auf allen Rechtsgebieten in gleicher Weise. Die einzelnen Rechtsgebiete waren sehr unterschiedlichen Außeneinflüssen ausgesetzt, und ihre Kraft zur Bewahrung eigener Inhalte und Formen war mehr oder weniger stark ausgeprägt. Seit langem nimmt man aber an, dass das Familien-, Sachen- und Erbrecht die größten Affinitäten aufweisen.696 Die Gründe hiefür sollen ebenso behandelt werden wie die weitere Entwicklung.697 – Meines Erachtens entwickelten sich vom Kernbereich des Familienrechts aus, das als zentraler Normgenerator anzusehen ist, die weiteren Bereiche des (Privat)Rechts, Schritt für Schritt, beginnend mit dem ‚Sachenrecht’ und dem ‚Erbrecht’.698 – Auch das Handels- oder Völkerverkehrsrecht des Mittelmeer-

kon beginnt lediglich die (allerdings bedeutende) legistische Umsetzung, was bereits in griechischer Zeit zu der das gesamte verschuldensrechtliche (Haftungs)Zurechnungsinstrumentarium umfassenden, noch für uns geltenden modernen Lösung führte. 693 Dazu auch Kapitel II 10; etwa die Begräbnisvorschriften Solons, die auch auf Rom wirkten und im antiken Griechenland nachgeahmt wurden. 694 Dazu Kapitel II 10. 695 Vgl. nur Weiss 1923, I 10 oder Biscardi 1955/1968, 570. – Mehr dazu in den Kapiteln II 22 (Kränzlein) und in Kapitel VI 2: ‚Zum Miteigentum und seinen Formen – Weitere Miteigentumsformen’. 696 Vgl. dazu etwa das Zitat von Lipsius (Anm. 701) und insbesondere Kapitel II 10, 11, 12, 19 und 20. – Einen ersten Vergleich der Familie im Alten Orient (405 f), Ägypten (406 f), Griechenland (408 ff) und Rom (412 ff) ermöglicht: DNP IV (1998) 405 ff. 697 Das geschieht insbesondere in Pkt. 7 bei Anm. 714. 698 Diese Rechtsgebiete waren nur in nuce vorhanden. – Die Entwicklung des öffentlichen Rechts nahm ihren Ausgang von der Gemeinschaft (der Häuser), also von Nachbarschaft, Dorf und Polis. – Dazu auch mehrfach in Kapitel II und in Pkt. 7 dieses Kapitels (insbesondere Anm. 1402), wo ich auf das ethnologisch-kulturelle Verfassungs- und Gemeinschaftsverständnis von B. Malinowski (20052, 142 ff) hinweise.

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raumes699 wurde von den Griechen vorgeprägt, die sich früh dem Handel, Gewerbe und der Industrie widmen mussten, – offenbar unter orientalischem (und wohl auch mykenisch-minoischem) Einfluss. Die Griechen und nicht die Römer setzten auch auf diesem Gebiete die rechtlichen Standards und haben dabei – wo möglich – vorhandene eigene und orientalische Vorbilder rezipiert. Die lex Rhodia de iactu scheint eine solchermaßen entstandene Regelung bewahrt zu haben.700 – Lipsius ging 1893 in einem Vortrag701 bereits auf einzelne dieser Fragen ein:702 „Die Einheitlichkeit der griechischen Rechtsanschauungen liegt, […], am offensichtlichsten auf dem Gebiete des Familien- und Erbrechtes vor Augen. Die Organisation der griechischen 703 Familie wurzelt in der Idee des Hauses. Aber das griechische Haus ist nicht so fest in sich geschlossen, wie die römische Familie, dass der Hausvater lebenslang seine Gewalt über alle Glieder des Hauses bewahrte. Mit dem Eintritt der Mündigkeit, die in der Regel bereits mit dem achtzehnten Lebensjahre erreicht ward, gewinnt der Sohn auch privatrechtlich die volle Selbständigkeit, ohne dem Vater andere als gewisse Pietätspflichten zu schulden. Dagegen verbleiben die weiblichen Familiengenossen zeitlebens in einer Geschlechtstutel, sei es des Vaters oder Bruders, sei es des Gatten oder Sohnes.“

Zur schwachen Rechtsstellung der Frau sagt Lipsius, dass Töchtern nur ein Anspruch auf eine Mitgift zustand, nicht aber zusätzlich ein eigener Erbrechtsanspruch704 und dieser Mitgiftanspruch bestenfalls (wie in Gortyn) die Hälfte eines Sohnesanteils betrug. Selbst wenn die Tochter mangels männlicher Nachkommen zur sogenannten Erbtochter wird, werde sie nicht Erbin des väterlichen Vermögens, sondern nur Vermittlerin und Platzhalterin für die von ihr mit dem

699 Zu den &NQPSJLPh O²NPJ/Emporikoi nomoi und &NQPSJLBh EeLBJ/Emporikai dikai: Berneker, in: DKP II 263 f. 700 Dazu in diesem Kapitel Pkt. 10 Anm. 2511. 701 1893, 8 ff. – Erstaunlicher Weise nennt Lipsius bei den Gründen für die Entstehung eines gemeinen griechischen Rechts die olympische Religion nicht; dazu mehr bei Anm. 984 ff. 702 Äußerst fruchtbar ist in dieser Beziehung auch das Werk von Eberhard F. Bruck (1909a und b), (1911), (1914), (1926/19702). Dazu insbesondere in den Kapiteln II 10, 19, 20 und 21 zu Bruck bei: Warlo (2004), Flume (1961) und Cohn (1961). 703 J. Assmann 1990/1995², 239 Fn 5 erwähnt in diesem Zusammenhang eine briefliche Äußerung von A. Dihle (1958), die sich auf Ägypten bezieht und zeigt, wie wichtig auch dort die ‚Familie’ war: „In vielen frühen Gesellschaften ist nicht das Individuum, sondern die Familie, und zwar über Generationen hinweg, moralisches Subjekt, das handelt, leidet und Verantwortung trägt. In einer Gesellschaft, dir durch ihre besondere Lage so sehr auf sich gestellt und so früh durchorganisiert war wie die ägyptische, wundert es eigentlich nicht, wenn das Modell der Unzerreißbarkeit der Familie auf die Gesellschaft insgesamt übertragen wurde.“ 704 Lipsius korrigiert diese Aussage in Fn 6: Das Recht von Gortyn gewährte der Tochter einen Erbanspruch auf das väterliche Vermögen in der Höhe eines halben Sohnesteils, doch wird dieser nur ausbezahlt, wenn keine Mitgift gegeben wurde. So sei es auch in Tenos und Delphi gewesen. – Zu Tenos vgl. auch Kapitel VI 2: ‚Beispiele für juristische Leistungen …’.

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Normgenerator Familienrecht

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nächsten männlichen Verwandten gezeugten Söhne.705 – Der gemeinsame Grundgedanke dieser und anderer Regelungen (etwa der testamentarischen Adoption) in den verschiedenen Poleis sei es gewesen, „das Haus und seine Sacra vor dem Aussterben zu bewahren“, also auch den Ahnenkult zu gewährleisten.

Claude Lévy-Strauss Dass die Familie nicht nur Normgenerator, sondern Keimzelle rechtlicher Grundmuster und von Normativität war, legen die Erkenntnisse der Ethnologie nahe. – Claude Lévy-Strauss706 und andere haben gezeigt, allerdings ohne meist näher auf die rechtliche Relevanz einzugehen, dass Inzest-, Heirats- und Nahrungsverteilungsregeln – aber eben auch kulturelle Normativität und Sanktion – im Schoße von Familie und Verwandtschaft entstanden sind. – Aus den Bereichen von Familie, Verwandtschaft und Clan stammen auch die rechtlichen Grundmuster, nämlich das Zusammenspiel und der Ausgleich zwischen Gruppen- und Individualinteressen und das Prinzip der Gegenseitigkeit.707 Eingespannt in diesen Regelungsrahmen und den allgemeinen Gabentausch sind die Schenkung (als Prototyp der unentgeltlichen Rechtsgeschäfte)708 und der Tausch (als Prototyp der entgeltlichen Geschäfte) entstanden.709 Seit der klassischen Untersuchung von Marcel Mauss wissen wir, dass sich der Austausch in einfachen, sogenannten primitiven Gesellschaften zunächst in der Form von gegenseitigen 710 Gaben vollzieht und nicht durch (rechtliche) ‚Transaktionen’. Der Gabentausch ist diesen Gesellschaften sehr wichtig. Die schlichte Form dieses (Aus)Tauschs ist primär nicht wirtschaftlicher Natur, sondern konfrontiert uns mit etwas, das M. Mauss als ‚fait social total’ bezeichnete, also eine ‚totale gesellschaftliche Tatsache’; „[…] d. h. eine Tatsache, die eine sowohl gesellschaftliche wie religiöse, magische wie ökonomische, utilitäre wie sentimentale,

705 Zum Erbtochterrecht Kapitel II 10: ‚Epikleros’. 706 Insbesondere 1966/19843: ‚Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft’; vgl. auch malinowski 1941/2005, 45 ff. 707 Dazu P. Reiwald 2005, 11 f (uH auf Malinowski und Thurnwald) sowie Lévy-Strauss 1966/19843, 107 ff mein Zivilrecht 20042, I 77 f uH auf R. Thurnwald (1934), B. Malinowski (1926/1983) und Kramer/Sigrist (1983). – Ich gehe auf diese Fragen auch in Kapitel IX ein, etwa Pkt. 1. – Zur religiösen Seite gesellschaftlicher Austauschbeziehungen (Prinzip des ‚do ut des’ zwischen Menschen und Göttern): Pkt. 7 (ab Anm. 1217). 708 Zur griechischen Entwicklung Kapitel VI 2: ‚Schenkungen’ und ‚Schenkung auf den Todesfall’. 709 Zum Gabentausch (M. Mauss, ‚Essay sur le don’) und dem Prinzip der Gegenseitigkeit: LévyStrauss 1966/19843, 107 ff. – Zur Rolle der Religion als vermittelnder Normgenerator in Pkt. 7 dieses Kapitels (etwa bei Anm. 1296). 710 Zusammenfassung bei Lévy-Strauss 1966/19843, 107, der den Gedanken von M. Mauss folgt. – Zu M. Mauss: Centlivres 1990, 171 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

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juristische wie moralische Bedeutung hat“. – Zu einem Gabentausch kam es bei nahezu allen bedeutenden sozialen Anlässen: Verlobung, Heirat, Schwangerschaft, Initiation, Geburt und Tod, religiöse Rituale. Der matrimoniale Tausch und andere Formen des Gruppen(aus)tauschs scheinen die Urform dieses Typus gewesen zu sein. Der Tausch trägt, zunächst gruppenintern, die Heiratsregeln und jene der Nahrungsverteilung. – Die ursprüngliche Form des Tauschs reicht aus für die kleine, überschaubare Gruppe. Erweitert sich der Handlungsrahmen, kommt es zum Übergang 712 von elementaren, zu komplexe(re)n Strukturen. – Hier schlägt die Stunde des Rechts, wobei der erste Schritt darin gelegen haben könnte, erste Vorstellungen von der Entgeltlichkeit zu entwickeln. Die Entstehung des Kaufs setzt darüber hinaus voraus, dass sich die Gemeinschaft und ihre Wirtschaft weiterentwickeln: Enstehen eines allgemeinen Tausch- und Zah713 lungsmittels (Geld).

In Familie und Verwandtschaft liegt auch der Grund für die von Franz Gschnitzer entdeckte (von der Rechtsdogmatik zu Unrecht nicht beachtete oder kritisierte) dritte Kategorie zwischen unentgeltlichen und entgeltlichen Leistungen/Geschäften: den entgeltfremden Leistungen. Sie betreffen Leistungen, die schon früh (von Sitte und Moral) als geschuldet betrachtet wurden, nicht aber als rechtlich geschuldet galten.714

Verkehrsrecht ‚Leitender Grundgedanke’ – neben dem Familien- und dem Erbrecht, ja als die „am eigenthümlichsten entwickelte Seite der griechischen Rechtsbildung“ ist nach Lipsius:715 „An Stelle der Phöniker haben die Griechen sich zum ersten Handels- und Industrievolke des Alterthums entwickelt und an tausend Zügen lässt selbst unsre trümmerhafte Ueberlieferung das überaus rege Verkehrsleben erkennen, das in den Städten namentlich der griechischen Küsten und Inseln pulsierte. Für die Bedürfnisse dieses reich entfalteten Verkehres galt es die rechtlichen Formen zu schaffen, und wir dürfen mit voller Entschiedenheit das Urtheil fällen, dass das griechische Recht dieser Aufgabe durchaus gerecht geworden ist.“

Die Griechen und nicht erst die Römer haben das Handels- oder Verkehrs(völker)recht716 des ägäischen Raumes geschaffen:717

711 Lévy-Strauss, aaO. – Dies ist mE auch ein Indiz für die Annahme eines nomologischen Wissens. 712 Vgl. Lévy-Strauss 1966/19843, 32 ff. 713 Vgl. mein Zivilrecht: 20042, I 63. 714 Dazu in Kapitel VI 2: ‚Schenkungen – Tertium datur …’. – In Kapitel VII 8 behandle ich ua. die Frage, ob das Privatrecht oder das Straf-/Deliktsrecht das ältere Rechtsgebiet ist. 715 1893, 11.

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Verkehrsrecht

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„Aber wie das griechische Vermögensrecht durchweg durch praktische Gesichtspuncte bedingt erscheint, so hat es auch den Erfordernissen der Praxis sich überall anzupassen verstanden, und wenn selbst die Römer für wichtige Rechtsverhältnisse der griechischen Bezeichnung dauerndes Bürgerrecht zugestanden haben, so liegt darin doch ein deutlicher Fingerzeig dafür, dass mit dem Namen auch die Sache von ihnen entlehnt worden ist.“

Lipsius sagt uns leider nicht, woran er hier gedacht hat; aber es sind wohl die von ihm erwähnten Beispiele.718 – Charakteristika eines (gemein)griechischen (Schuld)Rechts sind für ihn:719 „Charakteristisch für das griechische Obligationenrecht ist vor allem die Freiheit der Form der Vertragschliessung, daneben aber die Fürsorge für thunlichste Sicherstellung der Ver720 tragserfüllung, und beide Factoren treten in manichfache Wechselwirkung zu einander. Al721 les, worüber Einer mit dem Andern übereinkommt, ist giltig, so lautet das attische Gesetz […] Weder die Zuziehung von Zeugen noch schriftliche Abfassung ist zur Rechtsgiltigkeit des Vertrags erforderlich, sondern nur zur Beweisführung im Falle seiner Anfechtung. Bestimmte durch Gesetz geordnete Formeln lassen sich für keine Art von Contracten nachweisen. Auch bei dem Kaufvertrag ist die allgemein übliche Zahlung eines Auf[An]gelds nicht 722 rechtliches Erfordernis, sondern nur Zeichen und Bestärkung seiner Vollendung, und nur vereinzelt begegnen Formen der Veräußerung, die sich der mancipatio oder in iure cessio der Römer zur Seite stellen.“ Lipsius verweist auf das bei Theophrast erwähnte Beispiel von Thurii und einer anderen Stadt, „deren Namen verderbt ist“ und fügt hinzu, was den gemeingriechischen Charakter unterstreichen soll: „Hierhin mag auch Knidos gehören mit seinem HSBGFkPO UÎO ³SLXO nach der

716 Vgl. Anm. 699 und Pkt. 9. 717 1893, 11. 718 Vgl. dazu auch Kapitel VI 2: ‚Beispiele für juristische Leistungen …’. 719 1893, 11 f. – Noch vor der Entstehung des Schuldrechts erfolgte die Ausformung des Sachenrechts, das deutlich älter ist; dazu in Kapitel II 12: Ausdifferenzierung von Rechtsbereichen. 720 Lipsius 1893, 16 f bezeichnet es als eine Folge der Formfreiheit im griechischen Recht, dass die Parteien dort, wo das Gesetz keine Sicherheit gewährte, darauf achteten, sich diese Sicherheit privatautonom zu verschaffen und er meint, dass sich der griechische Geist als „besonders erfinderisch erwiesen“ habe. So sei es wohl bekannt, dass Staaten und Korporationen keine Verpachtung von öffentlichen Gütern udgl., insbesondere keine öffentlichen Arbeiten vergeben hätten, „ohne [sich] von Pächtern und Unternehmern durch Stellung von Bürgen die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen sicherstellen zu lassen“; und auch von Privaten seien kaum erhebliche Verträge „ohne die gleiche Vorsichtsmaßregel“ geschlossen worden. Beim Abschluss von Kaufverträgen sei „über ganz Griechenland [ausgenommen Athen]“ die Bestellung von Kaufhelfern oder Garanten gegen Ansprüche Dritter auf das Kaufobjekt verbreitet gewesen. – Mehr zur vermeintlichen Formfreiheit: Kapitel II 9: ‚Der griechische Vertrag’. 721 Lipsius verweist hier vornehmlich auf Hypereides gegen Athenogenes C. 6 ° O²NPK MzHFJ ³TB ˆO {UFSPK xUzSX °NPMPH›TI LºSJB ykOBJ; das heißt: Das Gesetz sagt, dass, was immer einer (mit) einem anderen verspricht/vereinbart, gültig ist. 722 Für die Üblichkeit des ‚Aufgeldes’/‚SSBCÈO, der Arrha, zitiert Lipsius 1893, 12 Theophrast. Hier ist manches bis heute umstritten. – Zur Arrha Kapitel VI 2: ‚Sicherungsmittel …’.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

Erklärung von Dareste [Nachweis bei Lipsius].“ – Die Sicherheit der Rechtsgeschäfte habe das griechische Recht vornehmlich durch deren ‚Publicität’ erreicht, wie sie „das römische Recht auch für die feierlichsten Formen der Eigenthumsübertragung nicht kennt“. Gemeingriechischer Brauch sei es gewesen, privates und öffentliches (Liegenschafts)Eigentum durch Steintafeln abzugrenzen, die den Namen des Besitzers trugen; „nur für Attika und die zur attischen Machtsphäre gehörenden Inseln nachzuweisen ist die Anwendung dieser Grenzsteine, um die auf dem Grundstück haftende Last zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.“ Nach Lipsius lag einer der „charakteristischsten Züge des griechischen Rechts in dieser Fürsorge für die Notorietät der Vertragschliessung“. (Hervorhebungen von mir)

Lipsius dachte hier wohl an Aristoteles,723 der die Archive/Amtsstellen, welche die von Privaten geschlossenen Verträge registrieren, zu den für eine geordnete Staatsführung nötigen Behörden zählt.724 Lipsius erwähnt ferner die in alten Urkunden von Halikarnaß, Gortyn und Jasos bezeugten Mnemones/Merker725 und bringt weitere Beispiele, die das Prinzip der Publizität als ein gemeingriechisches vermuten lassen; etwa das öffentliche Grundbuch von Tenos.726 Lipsius erwähnt zudem, dass an einzelnen Orten zusätzlich das „Gebot rechtzeitiger Bekanntmachung vor dem Abschluß von Kauf- und Hypothekengeschäften hinzutrat“, und er betont, dass der „Nutzen solcher Einrichtungen nicht überschätzt“ werden dürfe, zumal solche Vorsicht nicht „gegen Uebervortheilung durch den unredlichen Contrahenten“ schütze, mögen damit auch „die Rechtmässigkeit und die Dauer des erworbenen Rechts“ gesichert sowie „Eingriffe in das Recht Dritter“ verhütet werden können. Ein gewisser Schutz gegen Zwang, Täuschung und Irrtum war aber wohl auch durch die Publizität gegeben. – Ferner begegnen vereinzelt auch Gesetze, die „bei Grundstückskäufen beide Theile verpflichtete(n), mit feierlichem durch vorangehendes Opfer geweihtem Eide zu betheuern, dass keinerlei Trug oder Hinterlist bei dem Geschäft im Spiele sei“.727 Diese Beispiele sind erste Anzeichen dafür, in welcher Richtung die Gemeinsamkeiten in den griechischen Rechten zu suchen sind. Sie sollen durch Darstellung jener gesellschaftlichen Institutionen, die als rechtliche Transformatoren gewirkt haben, ergänzt werden.

723 Politik VI 1321b, abgedruckt in Kapitel VI 2: ‚Mitgliederverzeichnisse der Phratrien …“ etc. 724 Dazu Kapitel VI 2. 725 Kapitel VI 2. 726 Vgl. Anm. 704. 727 Zur Behandlung der Willensmängel Kapitel VI 2.

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Ludwig Mitteis Seit Ludwig Mitteis728 scheint der Einwand ausgeräumt, es habe gar kein einheitliches, gemeines griechisches Recht gegeben, sondern bloß eine Vielzahl voneinander unabhängiger Rechte in mehreren Hundert unabhängigen Stadtstaaten.729 – Dennoch hält sich dieser Einwand auch unter Althistorikern erstaunlich hartnäckig, weshalb es nötig ist, darauf erneut einzugehen.730 Kritisch äußert sich Gernet.731 Er betont, dass es auch eigenständige Entwicklungen gab, dass etwa die Stellung der Frau bei den Dorern eine andere war als in den übrigen Staaten oder dass die Praxis der Hypotheken-Horoi offenbar auf Athen beschränkt war uam. – Insgesamt beruht nach Gernet die „Einheit des griechischen Rechts […] auf ziemlich trifftigen Gründen“.732 Eindrucksvollste Beispiele für gemeingriechisches Recht sind für Hitzig das ‚Griechische Bürgschaftsrecht’ von Partsch und Steinwenters Arbeit über die ‚Streitbeilegung durch Urteil, Schiedsspruch und Vergleich’. L. Mitteis hatte – worauf etwa Hitzig733 besonders hinwies – plausibel erklärt, welche Einrichtungen des griechischen Staats- und Rechtslebens die Ausbildung eines gemeingriechischen Rechts ermöglicht und gefördert haben. Seines Erachtens waren dies: -

734

Koloniegründungen mit Rechtsbewidmung, 735 das Entlehnen von Richtern aus fremden Städten, ein ius gentium als ägäisches Völker(verkehrs)- und Handelsrecht, die Fremdengerichte, 736 der (frühe) Sieg des Territorialitätsprinzips über das Personalitätsprinzip uam.

Beim Entlehnen von Richtern kamen stets nur wenige Richter – meist drei – zum Einsatz, was uns erneut zeigt, dass im antiken Griechenland nicht nur Großgerichte entschieden, was häufig unerwähnt bleibt. Auf diese Weise wurden meist nicht nur Einzelfälle entschieden, sondern eine größere Zahl von Fäl-

728

1891/1984, 61 ff. – Vgl. schon Pappulias 1912, 4 f. 729 Vgl. aber nur Hitzig 1906/1968, 124 ff oder Pringsheim 1950, 5 f uH auf Th. Mommsen, Wenger, Steinwenter, Weiss, Gernet und Lewald. – Insgesamt meint Gernet, dass die „Einheit des griechischen Rechts […] auf ziemlich trifftigen Gründen [beruht]“. Vgl. auch Weiss 1923, I 3 ff. Auf die Einwändungen von Gagarin (2005, 29) gehe ich ab Anm. 858 ein. 730 Vgl. insbesondere die Auseinandersetzung mit Finley und Gagarin in diesem Pkt. (ab Anm. 873). 731 1938/1968, insbesondere 25 f. 732 Vgl. auch Weiss 1923, I 3 ff. 733 1906/1968, 124 f. 734 Dazu in Pkt. 8. 735 Zu dieser weitverbreiteten griechischen Sitte eingehend Hitzig 1906/1968, 125 ff mwH und Beispielen. 736 Zum griechischen Völkerrecht Pkt. 9.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

len pro Session, weshalb die auswärtigen Richter meist länger im einladenden Gemeinwesen blieben. Hitzig geht auch auf die interessante Frage ein, nach welchem Recht die auswärtigen Richter urteilten. Der Freundschaftsvertrag zwischen Ephesos und Sardes „aus der Zeit des Prokonsulats des jüngeren Scaevola, Q. Mucius Scaevola P. Fil., aus dem Jahre 98 v. Chr.“ enthielt internationales Strafrecht: forum rei, forum comprehensionis: „Solche Vergünstigungen begegnen auch in anderen griechischen Staatsverträgen und erinnern an die Fälle, in denen in Rom der Praetor die im Zivilrecht auf den Bürger zugeschnitte737 ne Klage ficta civitate den Peregrinen zugesteht“.

Mit dem Bewusstsein der nationalen Einheit bei den Griechen und der daraus abgeleiteten Berechtigung zur Annahme eines ‚griechischen’ Rechts, das sich bis zum 5. – jedenfalls aber ab dem 4. und dann im 3. Jahrhundert v. C. zu einer Art gemeinem griechischen Recht (Rechtskoiné) entwickelt hatte, das auf gemeinsamen Wertvorstellungen und Prinzipien beruhte, beschäftigte sich auch Vinogradoff.738 – Die Griechen bildeten demnach, modern ausgedrückt, keine Nation im Sinne des französischen staatsrechtlichen Verständnisses, wohl aber im Sinne der deutsch-romantischen Tradition, wonach es auf die Sprach- und Kulturgemeinschaft in einem weiteren Sinne ankommt. Koloniegründung und Rechtsbewidmung/Filiation gingen häufig Hand in Hand, wobei Rechtsbewidmung nicht sklavische Übernahme im Detail bedeutete, sondern Übernahme und Achtung gemeinsamer Grundsätze und Werte. Es sind dabei immer auch die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten. Koloniegründungen waren für griechische Poleis stets auch gesellschaftlich-politische Ventile, was rechtlich-politische Modifikationen mit sich brachte. Neues konnte eben in neuer Umgebung oft leichter geschaffen werden. Kolonien und Rechtsbewidmung waren auch wirtschaftlich von Bedeutung, sollten doch im Regelfall zwischen Kolonie und Mutterstadt künftig enge wirtschaftliche Beziehungen zum Wohle beider Seiten bestehen bleiben. Dafür waren gemeinsame Rechtsüberzeugungen und Rechtswerte von Bedeutung. Sowohl die griechische Koloniegründung als auch die damit häufig einhergehende Rechtsbewidmung dürfen daher keineswegs unterschätzt werden. Wir wissen, dass wichtige Poleis eine große Anzahl von Tochterstädten hatten; so soll Milet, selbst eine Gründung des Mutterlandes, zahlreiche (etwa 80?) Tochterstädte im Schwarzmeergebiet und in Ägypten gegründet haben. – Rechtliche Filiation, also die Ausstattung neugegründeter Tochterstädte mit dem Recht (Verfassung, Einzelgesetze, Institutionen und Rechts- und politische Organisationen) der Mutterstadt spielte jedenfalls eine bedeutende Rolle und diente auch der Erhaltung, Schöpfung und Weiterent-

737 Gaius IV 37. 738 1922, II 3 ff: dazu gleich mehr.

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Vernetzung und Kommunikation

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wicklung gemeinsamer Rechtsgrundlagen.739 – Eine Facette des kulturellen Hegemoniestrebens einzelner griechischer Poleis – etwa auch Athens – bildete ihr Rechtssystem.740

Vernetzung und Kommunikation Einen wichtigen Aspekt des Entstehens von gemeinem Recht schildert Welwei:741 „Von großer Bedeutung waren aber zweifellos [auch] die ‚Vernetzung’ der griechischen Welt durch Kommunikation und der hierdurch bedingte Austausch von Ideen und Anregungen für neue Organisationsmodelle im politischen Raum, so dass gewissermaßen eine Interaktion jenen Prozeß [sc. gemeint ist der Prozeß der Institutionalisierung öffentlicher Aufgaben] erheblich forciert haben wird. Neuerungen in benachbarten und entfernteren Siedlungen oder Wehrgemeinschaften wurden bekannt und gegebenenfalls als Prävention gegen mögliche Unruhen und Krisen empfunden, so dass eine Orientierung an den entsprechenden Beispielen prinzipiell empfehlenswert erschien, wenn man auch selbst wiederum spezifische Lösungen anstrebte und die ‚Modelle’ modifizierte sowie den eigenen Institutionen besondere Namen gab.“ (Hervorhebungen von mir)

Beispiele für derartige Übernahmen sind die Drakontische und die Solonische Gesetzgebung Athens, aber auch die Rechtsordnungen kretischer Poleis – etwa die Gortyns.742 Sie wurden vielfach übernommen oder nachgeahmt. Doch waren es wohl nicht nur Rezeptionen und Akkulturationen, die rechtsvereinheitlichend gewirkt haben. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Umstand, dass die griechische Rechtsentwicklung allgemeinen Entwicklungsgesetzen folgte, die vielleicht sogar über die indoeuropäischen Völker hinausreichten und in manchem als anthropologische Entwicklungsgesetze angesehen werden können. – Eberhard F. Bruck hat in seinen Arbeiten743 eine Reihe wichtiger Einsichten eröffnet, die in Vergessenheit geraten zu sein scheinen. Gerade auf dem Gebiete des Erbrechts – das seines Erachtens den archaischen Familienstrukturen

739 Auch die Mutterstädte profitierten von der Kolonisation, etwa in den Bereichen Stadtplanung und Architektur; vgl. M. Stahl 2008, 86, der betont, dass die Kolonisation die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt beschleunigte. 740 Vgl. die Beispiele freiwilliger wie aufgezwungener Rechtsgewährverträge oder sonstiger Rechtsvereinheitlichungsakte bei: Brodersen et al. 1966, etwa II Nr. 268, 269, 332. – Zu den Koloniegründungsvereinbarungen/-dekreten Pkt. 8. 741 2002, 67 f. 742 Überblick zu Gortyn in Kapitel II 18. – In Pkt. 9 gehe ich auf die für Kreta bezeugte Existenz von abhängigen Poleis ein, die zum Entstehen von gemeingriechischem Recht ebenfalls beigetragen haben. 743 (1909a und b), (1911), (1914) und (1926/ 19702) (1954 ) und (1956).

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

folgte, respektive bei der Entwicklung des einseitigen Rechtsgeschäfts ‚Testament’ – scheint es eine ‚innere’, und daher auch zeitlich weitgehend übereinstimmende Entwicklung der wichtigsten griechischen (Leit)Polisrechte gegeben zu haben. Das lässt sich offenbar nicht nur bei den Griechen beobachten, sondern auch bei den Römern und später bei den Germanen. Bei all diesen Völkern war das ‚Testament’ eine späte Entwicklung, der typische ältere Rechtsinstitute vorangingen; dazu gehören insbesondere die Adoption – aus ihr entstand in Griechenland wohl erst nach Solon das Adoptionstestament – und die Schenkung auf den Todesfall – aus der sich das sogenannte Legatentestament entwickelte. Beide Rechtsinstitute standen höchstwahrscheinlich in ihrer älteren vertraglichen Form schon in homerischer Zeit zur Verfügung, und erhielten erst spät gewohnheitsrechtlich eine rechtsgeschäftlich einseitige und letztwillige Form.744 Diese Genesis in der testamentslosen Zeit scheint in Gortyn, Athen, Sparta, Theben und weiteren Poleis grundsätzlich ident gewesen zu sein.745 – Nicht auszumachen war bisher, wann genau und wo der Sprung von den vertraglich-lebzeitigen, zu den rechtsgschäftlich einseitig-letztwilligen Verfügungen das erste Mal gelungen ist.

Volk – Recht – politische Einheit A. Heuß bezeichnet746 das Entstehen der ‚griechischen Nation’ als einen der seltenen Fälle, „bei denen sich die Bildung des Volkes nicht im Zusammenhang einer politischen Entwicklung vollzog.“ Sie sei im Vergleich sowohl zu den Völkern der modernen wie denen der antiken Welt auch in dieser Hinsicht einzigartig: „Wohl hat sie sich wie anderswo auch auf der Grundlage ‚natürlicher’ Bedingungen, wie etwa der gemeinsamen Sprache, eines gemeinsamen Grundbestandes von Sitten, Gebräuchen und religiösen Anschauungen gebildet, aber ein unter dem Einsatz äußerer Macht erfolgter Zusammenschluß, der den inneren Durchformungsvorgang hätte auslösen und befördern können, fehlte. Anders gewendet: Das griechische Volk ist kein Epiphänomen einer vorangegangenen Herrschaft.“

Heuß geht insbesondere der Frage nach, wie es zur ‚Entstehung des griechischen Einheitsbewusstseins’ gekommen ist und nennt dabei: Sprache, Schrift und olympische Religion, welche Mythos, Götter- und Heldengeschichten (Epos, Heroenkult) eingebunden habe. Die Religion bezeichnet er als „Sammelpunkt

744 Dazu Kapitel II 10, 19, 20 und 21. 745 Vgl. Bruck 1909a, 14 ff, 33 ff und 50 ff. – AaO 66 ff auch kurz zum lokrischen Koloniegesetz für Naupaktos; dazu Pkt. 8. 746 1969, 40 ff.

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Volk – Recht – politische Einheit

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für das geistige Dasein“ der Griechen. Nach Heuß war die Entwicklung eines Einheitsbewusstseins bereits am Anfang des 7. Jahrhunderts v. C. „insoweit zu Ende geführt, als damals nachweisbar der Hellenenname als gesamtgriechische Bezeichnung vorhanden war. Hesiod kennt ihn nicht nur, sondern sucht ihn bereits zu erklären (frg. 2, 7. Apollodor bei Strabo 8, 370). Er wird sich also um die Wende vom achten zum siebenten Jahrhundert herausgebildet haben.“747 – Dies zu betonen ist schon deshalb nicht überflüssig, als sich parallel zur Entwicklung der Sprache und Begriffe auch ein vereinheitlichendes Kultur- und damit Rechtsempfinden entwickeln konnte; dies alles trotz Aufrechterhaltung einer autonomen Staatlichkeit und unterschiedlicher Regeln des Rechts. – Das Recht bildete zudem ein wichtiges Verbindungsgelenk des zwischenstaatlichen und -bürgerlichen Verkehrs der einzelnen Stadtstaaten: Wo nötig, wurde durch die Ausbildung von Fremdenrecht, Fremdenmagistraten,748 Fremdengerichten und Fremdenprozessen, Rechtshilfeverträgen749 und frühem Kollisionsrecht750 nachgeholfen, wobei auch diese Rechtseinrichtungen tendenziell die Rechtsangleichung förderten. Das reiche und differenzierte Rechtsinstrumentarium der griechischen Welt war demnach alles andere als ‚primitiv’, was sich daran zeigt, dass die Römer es kopierten und übernahmen; wobei erneut deutlich wird, dass das römische Recht überhaupt erst durch die Übernahme bedeutender Bestandteile des flexiblen und leistungsfähigen griechischen Rechtssystems – wozu insbesondere der Formularprozess gehörte – zu dem werden konnte, was es schließlich war.751 Obwohl Heuß auf Fragen des Rechts nicht eingeht und wie viele seiner Zeitgenossen glaubte, dass die Grundlagen des europäischen Rechtsdenkens mehr oder weniger ausschließlich aus Rom stammten, enthalten seine Ausführungen dennoch wertvolle Hinweise darauf, wie ein gemeines griechisches Recht entstehen konnte. Dazu kommt, dass das Recht der Griechen – mehr als bisher angenommen – dazu beigetragen hat, ein griechisches Volk, und eine hellenische Nation auch ohne gemeinsame politische Herrschaft zu schaffen. – Man kann daher vorerst hypothetisch sagen: Das Recht der Griechen war Teil ihrer Ethnogenese. Heuß752 betont ferner, dass mit der fortschreitenden Anreicherung des Hellenenbegriffs (Panionion Kleinasiens, Hellenion in Naukratis, Erklärung der makedonischen Könige zu Hellenen am Anfang des 5. Jahrhunderts v. C.) auch Ausschlusswirkungen einhergingen: Beschränkung der olympischen Spiele auf Hellenen, Ausschließung Fremdsprachiger von den Eleusinischen Mysterien etc.

747 1969, 45. 748 Proxenos oder Xenios kosmos in Kreta; vgl. Anm. 505, 507, 1630. 749 Dazu Pkt. 9. 750 Dazu Pkt. 8. 751 Vgl. schon Anm. 240 und 507 f. 752 1969, 49.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

„Die Anreicherung des Begriffs war aber in erster Linie eine Folge der allgemeinen Bewusstseinsentfaltung. In ihn nahm man dann mit der Zeit auch den Tatbestand einer allen Griechen gemeinsamen Sittlichkeit auf, aber um von den Gesetzen der Hellenen zu sprechen, musste man den Begriff des Nomos erst einmal gefunden – Homer kennt ihn bekanntlich noch nicht – und eine bestimmte Höhe der Abstraktion, in der sich Völker nach ihnen zukommenden Eigentümlichkeiten abzeichnen, erreicht haben. Die Entwicklung des ‚agonalen’ Denkens’, d. h., das gegenseitige Abmessen individueller Leistungen auf den verschiedensten Gebieten, hat möglicherweise desgleichen auf diesen Gang fördernd gewirkt. Man verglich Hellenen mit 753 Hellenen und hatte dabei Griechenland als Einheit immer gegenwärtiger.“ „[…] damals standen die Ärzte aus Kroton an erster Stelle, die von Kyrene an der zweiten, in der Musik waren die Argiver die Ersten’, alles in Bezug auf die Gesamtheit der Griechen gesagt. Es ist das eine der Funktionen, in denen gemeingriechisches Bewusstsein sich aktualisiert hat. Es wird aber auch sonst überall gemessen, nach jeder Schlacht überlegt, wer sich je754 weils von den Parteien und den einzelnen Kontingenten am besten geschlagen hat.“

Insgesamt stand Heuß755 aber der Überbewertung des agonalen Prinzips bei den Griechen wohl zu Recht skeptisch gegenüber: „Es empfiehlt sich demnach, das agonale Prinzip als realen Grundsatz der griechischen Politik zu verabschieden.“

Anders dachte noch Jacob Burckhardt.756 Ein weiterer wichtiger Gedanke von Heuß757 zum gemeinen griechischen Recht, der häufig übersehen wird, ist seine Deutung der Aisymnetie: Er stellt sie als individuelle Erscheinung der kollektiven des delphischen Apoll gegenüber. So erklärt sich, warum etwa die Gesetzgebung Solons weit über Athen hinaus (zB auch in Delphi!) Anerkennung und Nachahmung fand und geradezu als normativer Gleichrichter und Multiplikator verstanden werden muss.758

Gemeinschaft des Blutes, der Sprache und der Religion Strasburger759 weist darauf hin, dass neben der nahezu allen Griechen gemeinsamen Staats- und Siedlungsform der Polis760 auch das „verbindende Bewusstsein der Wesensverwandtschaft aller Hellenen seit den ältesten uns erkennbaren

753 1969, 89. 754 Herodot III 131 bei Heuß. 755 Vgl. insbesondere aaO 90 Fn 20. 756 Vgl. auch Anm. 592 und I. Weiler etwa (1974). 757 1969, 94 f. 758 Dazu bei Anm. 692 und in Kapitel II 10. 759 1954, 98. 760 Zur Polis als Norm-Generator Kapitel VII 1: ‚Rechtsidee und Rechtsbegriff’.

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Gemeinschaft des Blutes, der Sprache und der Religion

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Zeiten bestanden“ habe. Auch das hat das Entstehen von gemeinsamem Recht gefördert: „Es beruhte, wie Herodot sagt (8, 144), auf der Gemeinschaft des Blutes, der Sprache und der Religion.“

Neben der jüngeren Polis gab es seit der archaischen Zeit auch ‚Stämme’ und ‚Stammesverbände’ – sogenannter ‚Ethnos’ (Volk; Plural ‚Ethne’) – und Landschaftsverbände (etwa Elis oder Achaia), welche die Siedlungs- und Vergesellschaftungsform bestimmten.761 Beispiele dafür sind die Monarchien der Makedonen und der Molosser.762 Danach sind Phylen und Phratrien (Bruderschaften) nur „fiktive Verwandschaftsverbände“ und die Gené (Geschlechter) „waren entgegen älteren Forschungsthesen keine verwandtschaftlich verbundenen ‚Adelsgeschlechter’, die jeweils aus mehreren Familien bestanden, sondern primär Vereinigungen zur Pflege bestimmter Kulte. Phratrien und Gene waren daher ebenso wie die Phylen komplementäre Elemente zu den öffentlichen Organen und Institutionen, d. h. den Beamten, Räten und Volksversammlungen, die zentrale politische Aufgaben zur Erhaltung und Stabilisierung der sozialen Ordnung und zur Wahrung der Unabhängigkeit der Gemeinwesen erfüllten. Diese Institutionen griechischer Poleis gehen auf Vorformen in ‚vorstaatlichen’ Gesellschaften zurück“.763 Im antiken Griechenland bestand aber nicht nur ein Bedürfnis nach einer die vielen Risse und Klüfte zwischen den einzelnen Poleis durch gemeinsame Rechtsgrundsätze überbrückenden normativen Basis, sondern auch nach einem Instrument, das die zahlreichen Lücken, die die Entscheidungsfindung erschwerten, zu füllen imstande war. Dieses Bedürfnis mochte die Bildung einer Regel zur Lückenfüllung, die sich auf die allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit und auf das Rechtsempfinden stützte, nicht nur im Privatrecht erleichtert und gefördert haben.764

761 Dazu Fritz Gschnitzer (1958) und (1971). 762 Zu den Zusammenhängen zwischen Polis, Ethne, gemeinsamen Heiligtümern, Amphiktyonien, Spielen und Kolonien – Welwei (2002) 119 ff (Beispiele: Elis, Boiotien/Theben und Thessalien/Pherai) und 39 ff. 763 Dafür sprechen zusätzlich neue Erkenntnisse zu dem mitunter auch von Ideologien bestimmten Mythos von den großen indo-europäischen Wanderungen. – Die lange gepflogene Annahme von griechischen Stämmen und deren Wanderungen ist mittlerweile (zum Teil) ins Wanken geraten: Dazu Ulf (1996). 764 Ich gehe darauf mehrfach ein; s. etwa Kapitel IX.

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Ubi societas, ibi religio – ibi et ius? In einer respektheischenden Studie, die sich auf dem umstrittenen Feld der Religion bewegt, hat Burkert gezeigt, dass ein gemeines griechisches Recht vielleicht auch noch eine andere, wenngleich mit dem Recht und seiner Entstehung (nur) in einem weiten Sinne verwandte Wurzel haben könnte: die Biologie.765 In seinem Werk ‚Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion’766 geht er mit großem Wissen, höchstem wissenschaftlichen Sachverstand und Mut der Frage nach, wie sich die „Grundformen religiösen Verhaltens beim Menschen aus biologisch vorgegebenen Programmen entfaltet haben könnten“. (!) – Vergleichbares lässt sich auch vom Recht sagen. Damit ist es jedoch nicht getan, denn auch für das Recht und seine Substrate gilt der Satz Rappaports:767 „Neither history nor anthropology knows of societies from which religion [law?!] has been totally absent.”

In der Menschheitsgeschichte gab es zwar Gesellschaften ohne Staat,768 nicht aber ohne Religion; und meines Wissens auch nicht ohne Recht; ubi societas, ibi religio – ibi et ius? Das menschliche Recht erscheint danach – ob von den Göttern abgeleitet oder nicht – fast ebenso universell wie die Religion. Es ist offenbar eine grundsätzliche Notwendigkeit für die menschliche Gemeinschaft, normative Ordnungstrukturen aufzubauen. Naturrechtliche Denkansätze freilich ganz unterschiedlicher Provenienz liegen dabei nahe, weshalb auch hier an die Entwicklung vom alten Naturrecht zum Vernunftrecht der Aufklärung erinnert sei.769 – Da ich diesen Fragen nicht näher oder doch nur partiell (etwa mit Blickrichtung auf das Naturrecht) nachgehen kann, möchte ich zur Vorsicht beim Umgang mit solchen Überlegungen mahnen, zumal die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die Vergleichende Verhaltensforschung/Humanethologie (K. Lorenz) und die Soziobiologie bis heute anhalten. Diese Fragen sind jedenfalls von hohem wissenschaftlichem Interesse. Dabei scheint mir die Idee einer primären oder ursprünglichen genetisch-religiösen (oder rechtlichen) Prägung des Menschen unvertretbar, nicht dagegen die einer kulturbedingten sekundären

765 Das gilt nicht nur für das Entstehen des archaischen griechischen Rechts! – Dazu Kapitel IX 4: ‚Walter Burkerts Thesen …’. 766 Vgl. ferner Burkert (1977). 767 1971, 23 ff. 768 Clastres (1976). 769 Auch Kapitel V (Euripides). – Zu den positiven wie negativen Auswirkungen des antiken griechischen Aufklärungsprozesses nach den Perserkriegen: E. R. Dodds 1951/1968, 179 ff (Rationalism and Reaction in the Classical Age), der auch den wachsenden Aberglauben und die zunehmende religiös-politische Intoleranz erörtert. Zu Sophistik und Aufklärung und: Kapitel VIII 4. – Zur Möglichkeit der Entwicklung eines modernen Naturrechts vgl. meinen Beitrag, in: Barta/Pallaver 2007a, insbesondere 127 ff.

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Ubi societas, ibi religio – ibi et ius?

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Prägung, die sich nach heutigem Wissensstand ebenfalls noch genetisch manifestieren kann.770 – Ein Ansatz wie der Burkerts lehrt uns ua.: Wissenschaft verlangt danach, selbst unangenehmen Fragen nicht aus dem Weg zu gehen. Burkert ist uns mit bestem Beispiel vorangegangen. Für ein weithin paralleles Verständnis von ‚Religion’ und ‚Recht’ im Sinne einer möglichen anthropologisch-biologischen Fundierung beider Bereiche spricht auch ihr gemeinsamer Ursprung aus gesellschaftlichen Vorstellungen der archaischen Frühzeit der Menschheit – was auch noch für ‚Griechenland’ gilt und von dem auf Max Weber zurückgehenden Sammelbegriff des nomologischen Wissens nahegelegt wird. Beide Bereiche gehören danach (mit Gewohnheiten, Bräuchen, Sitte, Moral und dem sogenannten Alten Herkommen oder Väterbrauch) zur Gruppe der Sozialnormen, die freilich unterschiedliche gesellschaftliche Ziele verfolgen. Danach ist auch das ‚Recht, wie die Religion, ein interkulturelles Phänomen, das erstaunlich ähnliche Erscheinungen hervorgebracht hat.771 Ich erinnere nur an die unterschiedlichen Rechtskreise, Rechtsfamilien oder große Rechtssysteme; etwa das kontinentaleuropäische, das angloamerikanische oder auch das islamisch-arabische und zuvor das griechischrömische etc. In der Frühzeit ist die Affinität rechtlicher Fragen und ganzer Rechtsinstitute zu anthropologischen, biologischen und religiösen Phänomenen zudem mitunter wesentlich größer, als dies zunächst erscheinen mag: So sind etwa Gerechtigkeit und Gleichheit in bestimmter Weise miteinander verwandt: alle Menschen werden geboren, haben eine Zeit des Lebens und müssen, ungeachtet ihrer Stellung auf Erden, sterben. Der Tod ist deshalb ein wichtiger gesellschaftlicher und menschlicher, aber wohl auch rechtlicher Gleichrichter, auch wenn die Gleichheit der Menschen während des Lebens noch so verdeckt gewesen sein mag. Das hat schon Solon bedacht und rechtlich ernst genommen. Der Tod ist obendrein ein – wie es Jan Assmann genannt hat772 – bedeutender gesellschaflicher Kulturgenerator, der auch rechtlich wichtige Schöpfungen hervorgebracht hat; man denke nur an die Adoption (als altes Mittel, Haus und Familie und vor allem den Ahnenkult fortzuführen), an das Erbrecht und darin insbesondere das Testament, aber etwa auch an die Anfänge der juristischen Person

770 Dazu schon generell K. Lorenz 1973, 1977/1980³, zB 227: Die Rückseite des Spiegels. – Vgl. dazu nunmehr den Bericht von U. Bahnsen, Erbgut in Auflösung, in: Die Zeit vom 12. Juni 2008, Nr. 25, S. 33 f: Danach müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass das menschliche Genom einen unveränderlichen Bauplan enthält, der am Beginn des Lebens festgelegt wird. Unsere Erbanlagen sind vielmehr nach neuesten Forschungen in ständigem Wandel begriffen. 771 Ausgangspunkt ist aber nicht eine Einheit der menschlichen Zivilisation, sondern die Vielfalt und ‚Ungeplantheit’ der kulturellen Entwicklung; dazu K. Lorenz 1973, 1977/1980³, 223 ff. und 289 ff. 772 2000, zB 14 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

im Rahmen des ägyptischen Totenkultes (Totenstiftungen).773 Hier zu nennen ist E. F. Brucks zu Unrecht nahezu vergessene Untersuchung über ‚Totenteil und Seelgerät’. – Die kulturelle Einbindung des Phänomens Tod bei den Hellenen förderte auch das Entstehen vergleichbarer und miteinander verwandter Rechtsregeln in bestimmten Gebieten. Das trifft wiederum in besonderer Weise auf das Familien- und das Erbrecht zu.774

Natur- und Kulturnormen Obwohl sich das Verständnis strikter Naturgesetze erst spät entwickelte, haben die Griechen in ihrem Rechtsdenken früh die Verwandtschaft der Regeln in der Natur mit jenen in menschlichen Gemeinschaften/Poleis betont. Dabei hat, wenn der Schein nicht trügt, nicht ihr frühes naturwissenschaftlich-philosophisches Denken (in Ionien), sondern das Rechtsdenken den Anfang gemacht, indem es Bezüge zwischen Natur und Kultur aufzeigte. Es war Solon, der solche Zusammenhänge in seiner Dichtung betonte, die sozialen Gesetze der Polis mit denen der Natur verglich und eine Verbindung zu erkennen glaubte.775 Die ionische Naturphilosophie – insbesondere Thales und Anaximander – reflektierte die Bedeutung von ‚Naturgesetzen’ (für den Menschen) offenbar erst später.776 – Wie immer diese Beziehung auch gesehen werden mag, zu beachten ist jedenfalls die Möglichkeit, dass Solons wichtige Einsichten in das Wesen von Normen aus dem pharaonischen Ägypten stammten.777 Ägypten hatte, wie andere orientalische Reiche778 ein kosmologisches Weltbild geschaffen,779 in welchem dem Pharao/Herrscher die Aufgabe zukam zwischen Kosmos/Göttern und den Menschen/Staat zu vermitteln.

773 Dazu insbesondere Allam 2007a und c. 774 Zum Verhältnis der beiden Rechtsgebiete: Kapitel I 6 und 7 und II 11 und 12. – Schon hier sei angedeutet, dass das Familien- und das Erbrecht nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen und wohl auch nicht gleichzeitig entstanden sind, sondern dass das Familienrecht bei der Umsetzung von Religion in Recht (und umgekehrt) und deren vielfältigem Zusammenwirken eine dominierende und konstituierende Rolle spielte. Dazu insbesondere in diesem Kapitel Pkt. 7: Von olympischer Religion und Heroenkulten. 775 Vgl. dazu Kapitel II insbesondere die Punkte 4, 10 und 11. 776 In der griechischen Archaik sind diese Daten immer noch umstritten. Thales scheint um einige Jahre jünger gewesen zu sein als Solon. Ohne Lebensdaten für Thales: Classen, in: RE Suppl. X (1965) 930 ff. 777 Dazu Kapitel II 17: Eunomia und Ma’at. 778 Ich verweise auf die Innsbrucker Tagungsbeiträge 2006 (= Tagungsband 2008) von: H. Neumann, M. Lang, K. Kessler, G. B. Lanfranchi, Sch. Allam, J. F. Quack, W. Schmitz, Ph. Scheibelreiter und J. Wiesehöfer. 779 Vgl. dazu das Motto und den Schlussteil meines Tagungsbeitrags 2006 (= 2008, 1 und 28 f), wo ich aus Ernst Topitschs Werk ‚Vom Ursprung und Ende der Metaphysik’ zitiere.

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Von Skepsis zu Zustimmung Zurück zur Frage des gemeinen griechischen Rechts: Nachdem er sich zunächst in seinem Griechischen Privatrecht, einer Darstellung des griechischen bürgerlichen Rechts780 nachhaltig für die Existenz eines gemeinen griechischen Rechts ausgesprochen hatte, stand Egon Weiss781 der Annahme von L. Mitteis, der bereits von einem solchen Recht ausgegangen war, trotz Anerkennung der großen Leistungen dieses Wissenschaftlers, wiederum kritisch gegenüber: „Die gedankliche Zusammenfassung der einzelnen griechischen Rechte war eine ganz grosse Tat im Gebiete des Geistes. Doch wurde niemals übersehen, dass es sich bei der Vorstellung 782 von der Einheit des griechischen Rechtes nur um eine gedankliche Operation handelt, die sich naturgemäss umsomehr von dem wirklichen Verlauf der Dinge entfernen muss, je mehr sie vereinfachend u. arbeitserleichternd wirkt. In Wirklichkeit hat das griechische Recht natürlich nur in einer Summe von Einzelrechten existiert, die tätig u. wirksam nebeneinander standen.“ (Hervorhebungen von mir)

Allein auch Weiss räumte schließlich doch ein, dass es ein materiell gemeines griechisches Privatrecht „als eigentümliches Erzeugnis des hellenischen Geistes, getragen von unsichtbar wirkenden Kräften des Volkstums783 und zwar durch alle Abschnitte der griechischen Geschichte hindurch“ gegeben hat.784 – So zutreffend diese Annahme von E. Weiss sein mag, die Erklärung befriedigt nicht; „unsichtbar wirkende Kräfte des Volkstums“? Erst seine konkreten und lesenswerten Bemerkungen,785 die mit denen von L. Mitteis786 und P. Vinogradoff787 grundsätzlich übereinstimmen, stellen die Annahme eines gemeinen griechischen Rechts auf eine handfeste (rechts)historische Grundlage.

Paul Vinogradoff Wichtige und konkretere Hinweise auf das Bewusstsein einer nationalen Einheit bei den Griechen und auf ein griechischen Recht, das auch zur Ausbildung gemeinsamer Grundsätze und Prinzipien führte, finden sich bei Vinogradoff,788 der

780 1923, I 3 ff. 781 1934, 246. 782 Dazu auch Gernet 1938/1968, 21 ff. 783 Dieser immer wieder missbrauchte Begriff umfasst bei Weiss auch Sitte, Brauch und vor allem den religiös-kultischen Bereich; dazu Pkt. 7. 784 1923, I 4 f. 785 1923, I 5 ff. 786 1891/1984. 787 1920, I und 1922, II. 788 1922, II 1 ff: The Jurisprudence of the Greek City – Unity of Greek Law.

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

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betont, dass die gemeinsame Religion ein wichtiger Faktor für gemeinsame rechtliche und wirtschaftliche Vorstellungen bei den Griechen war. 789

Patzek weist darauf hin, dass die auf Homer und Hesiod zurückzuführenden griechischen Göttervorstellungen orientalisch beeinflusst sind: „Die Übernahmen aus dem Osten gehen nicht aus der Nachahmung eines bestimmten Textes hervor, sondern stellen, als Ordnungskri790 terien das Ergebnis einer intellektuellen Auseinandersetzung dar.“ – Zu Homer und Hesiod zitiert Patzek Herodot: „Aber woher jeder einzelne Gott stammte oder ob sie schon immer alle da waren, wie sie aussahen, das wussten die Griechen sozusagen bis gestern und vorgestern nicht. Hesiod und Homer haben meiner Meinung nach etwa 400 Jahre vor mir gelebt, aber nicht mehr. Sie haben den Stammbaum der Götter in Griechenland aufgestellt und ihnen einen 791 Beinamen gegeben, die Ämter und Ehren unter sie verteilt und ihre Gestalt klargemacht.“

Vinogradoff nennt als schlagendes Beispiel die – 650 v. C. gegründete und 570 in erweiterter Form erneuerte – miletische Kolonie Naukratis in Ägypten,792 die etwa neben einem der Aphrodite, der Artemis und anderen Göttern geweihten Tempeln auch ein „to the Gods of the Hellenes“ gewidmetes Heiligtum besaß. Herodot793 berichtet, dass die Griechen von Naukratis, die in neun Städten siedelten und Ionier und Dorer umfassten, nicht nur gemeinsame kultisch-religiöse Einrichtungen schufen, sondern auch rechtliche wie Marktaufseher. An dieser Koloniegründung in Ägypten waren nach Herodot elf griechische Poleis beteiligt, darunter Samos und Chios.794 – Auch die Rolle Athens in perikleischer Zeit (Attischer Seebund.) war für die Entwicklung und Erhaltung eines gemeinsamen Rechts(denkens) bei den Griechen von Bedeutung:795 „In the fifth century B. C. the numerous treaty-arrangements as to reciprocity in the administration of justice […], and the levelling practice of Athenian courts during the sway of the first Athenian League, did much to produce uniformity of legal procedure and of substantive law in the Hellenic world. The Athenians were by no means solely responsible fort he growth of a common system.“

789 2004, 438. 790 Diese Einschätzung gilt wohl auch für Drakon und Solon. – Zu Solon Kapitel II 13. 791 Herodot II 53; zitiert nach der Ausgabe von J. Feix – Zu Rezeptionen orientalischer Götter in Griechenland: Burkert (1984) und insbesondere 2003, 79 ff (Orpheus und Ägypten) und 107 ff (Persien und die Magier). Dazu insbesondere auch M. Eliade 1978, I 230 ff, 248 ff (Apollon), 257 ff (Artemis), 259 ff (Athene), 261 f (Aphrodite) und B. Patzek (1988 und 1996). 792 Nach Herodots Bericht war „Amasis […] ein Freund der Griechen. […] den griechischen Einwanderern überließ er die Stadt Naukratis zur Besiedlung.“ 793 So Vinogradoff 1922, II 178 f. 794 Burkert 2003, 18 bezeichnet Papyrus als den wichtigsten Importartikel Griechenlands seit Pharao Psammetich. – Allgemein zur Begegnung der Griechen mit den Völkern des Alten Orients: I. Weiler (1996) und Anm. 105 und nunmehr R. Schrott (2008). 795 1922, II 4 und die Hinweise in der ‚Einleitung’.

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Paul Vinogradoff

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„In the fourth century we find that as regards contracts and commercial relations the Greeks came to look upon the laws of the various cities as fundamentally similar, so that Demosthenes could say: „Have we not all the same laws and the same justice as regards commercial 796 cases?” (Hervorhebung von mir)

Vinogradoff weist auch auf die ‚Aiginetische Rede’ des Isokrates zu einem Erbrechtsfall hin, der zeigt, dass: 797

„[…] the law of three separate States was substantially identical in this connexion”.

„In the Hellenistic period initiated by the conquests of Alexander the common institutions and doctrines of Greek law form a kind of ‘LPJO›’ in keeping with the common Greek language of the period. The documents which give us an insight into the process are the inscriptions of Asia Minor and the Egyptian papyri.”

Im Zusammenhang mit dem Erbrecht ist hier ein weiteres Beispiel gemeinsamer Rechtsausformung – und zwar in so unterschiedlichen Rechtsordnungen wie in Athen und Gortyn – zu nennen. Es geht um das das noch heute heikle Recht des Erblassers der Enterbung von Erbprätendenten wegen Erbunwürdigkeit.798 Die Griechen sprachen von Apokeryxis.799 In Athen war etwa das gesetzliche Erbrecht der männlichen Nachkommen, insbesondere der Söhne (auf Grund der tragenden Rolle der Söhne im Rahmen der Oikoserhaltung)800 zwingendes Recht, was eine Enterbung zunächst ausschloss. Wie wir aber von Platon,801 Demosthenes802 und Aristoteles803 wissen, konnte sich der Vater/Kyrios zu seinen Lebzeiten von seinem Sohn durch Apokeryxis mittels öffentlicher Verkündigung lossagen. Dies bewirkte die Streichung des davon Betroffenen aus der Liste der Phratrie. Die Apokeryxis scheint in Athen selten vorgekommen zu sein.804 Thalheim verweist auch auf Diocletian:805 abdicatio, quae Graeco more ad alienandos liberos usurpabatur et ‚QPL›SVYJK dicebatur, Romanis legibus non comprobatur. – Dieses Recht existierte aber nicht nur in Athen, sondern in ähnlicher Form auch in Gortyn.806 Rhodes807 weist darauf hin, dass sich „Paralleler-

796 Demosthenes XXXV 45. – Man beachte, dass Demosthenes selbst von „yNQPSJLÎO EJLÎO“, also von kaufmännischen/handelsrechtlichen Fällen oder Klagen spricht. 797 Der Fall betraf eine Adoption zu Erbzwecken, wobei der Erblasser ohne Testament verstorben war. – Mehr in Pkt. 8. 798 Vgl. etwa §§ 767 ff ABGB. 799 Rhodes, in: DNP I (1996) 852 f (Apokeryxis) und Thalheim, in: RE I 2836 f mwH. 800 Von Bedeutung hier der (vor allem in Pkt. 7: Religion und Recht erörterte) Zusammenhang zwischen familienrechtlichen und erbrechtlichen Zielsetzungen. 801 Nomoi XI 928d ff. 802 XXXIX 39. 803 Nikomachische Ethik 1163b. 804 Thalheim, in: RE I 2836 f mwH. 805 Cod. Iust. VIII 46 (47), 6. 806 IC IV 72 col. XI 10-17. – Bücheler/Zitelmann 1885, 164 f. Überblick zu Gortyn in Kapitel II

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scheinungen in altorientalischen Rechtsquellen“ – etwa dem Codex Hammurabi808 finden, die aber seines Erachtens „nicht als Vorbild“ gelten können. Einen wichtigen, der Entstehung gemeinsamen Rechts zugrunde liegenden Faktor sieht Vinogradoff809 auch in der Bildung von Poleis:810 „[…] and this fundamental condition produced similar results in Ionic as well as in Doric and Aiolic surroundings, in the Peloponnesos and in Attika as well as in Sicily or Asia Minor. In spite of the differences of political organisation, the fact made itself felt that these City-States were welded out of federations of agnatic clans and that agnatic relationship continued to exert its influence even when the autonomy of the clans had given way before the requirements of the city-union. […] the Greek world was a world of adventure, migration, commercial intercourse; the psychologie of the race was marked by definite and ever-recurring traits – by a highly sensitive, artistic spirit, by eager exploration both on the theoretical and on the practical side, by a sense of harmony and measure.”

Einen weiteren Grund findet Vinogradoff in der weithin gemeinsamen griechischen Familienorganisation:811 „Starting from common family arrangements, the various cities carried out the process of lawmaking on analogous lines. When Hermione in Euripides’ play (‘Andromache’, Verse 173 ff] wishes to sting her rival Andromache to the quick, she opposes the purity of Greek monogamy to the disgusting habits of barbarians accustomed to unions between the nearest relations.”

„[…] Solches ist Barbarenbrauch: Der Vater freit die Tochter, und die Mutter freit Den Sohn und Brüder Schwestern, und der Liebsten Hand

18. 807 DNP I (1996) 852 f – Apokeryxis. 808 168 f und 191. Text bei H.-D. Viel 2002, 577 f und 631. Die ersten beiden Bestimmungen lauten: § 168 – „Wenn ein Bürger beabsichtigt, seinen Sohn zu enterben, und zu den Richtern sagt: ‚Ich will meinen Sohn enterben’, sollen die Richter seine Angelegenheit überprüfen; wenn der Sohn keine schwere Schuld auf sich geladen hat, die Aufhebung des Erbrechtes verdient, darf der Vater seinen Sohn nicht aus der Erbschaft verstoßen.“ – § 169: „Wenn er gegenüber seinem Vater eine schwere Schuld, die die Aufhebung des Erbrechts verdient, auf sich geladen hat, so soll man ihm beim ersten Male verzeihen; wenn er ein zweites Mal eine schwere Schuld auf sich lädt, darf der Vater seinen Sohn aus der Erbschaft verstoßen.“ 809 1922, II 5 f. 810 Zur ‚Polisbindung’ der griechischen ‚Rechtsidee’ und des griechischen ‚Rechtsbegriffs’: Kapitel VII 1. – Zur ‚Polisbildung’ (durch Werteverschmelzung der verschiedenen Gesellschaftsgruppen): Kapitel II 11. In diesem Prozess spielte, wie wir durch W. Schmitz wissen, der bäuerliche Bereich eine bedeutende Rolle, was sich in der Solonischen Gesetzgebung niederschlug. Die Entstehung der Polis dürfte in vielen Poleis analog verlaufen sein, was die Solonische Gesetzgebung auch für andere Poleis attraktiv machte. 811 Zur Bedeutung der Familie und des Familienrechts im Kontext von Religion und Kultus insbesondere Pkt. 7.

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Paul Vinogradoff

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Erschlägt die Liebsten: alle dem wehrt kein Gesetz! Uns das zu bringen, hüte dich. Es ziemt sich nicht, Dass einem Mann zwei Frauen untertänig sind: Nein, gerne lässt an eines Weibes Liebe sich Genügen, wer nicht wohnen will in Ungemach.“812

Zu Recht betont Vinogradoff auch die Verbindung zwischen Familienrecht und Familienreligion, ferner das Bemühen aller Griechen, das rund um die Ahnenkulte angeordnete Haus(halts)vermögen, den Oikos, zusammenzuhalten, den besonderen Wert der Adoption und die Funktion des Erben als Verbindungsglied für die Übertragung des Familieneigentums an die nächste Generation,813 die besondere Ausgestaltung des Kléros als der üblichen Grundzuteilung an eine Bürgerfamilie, die Beschränkungen der Testierfreiheit zum Wohle legitimer Nachkommen. – Alle diese Erscheinungen kehrten immer wieder; sie wurzelten offenbar in einer archaischen, allen Griechen gemeinsamen Gesellschaft.814 – Auf der anderen Seite haben humanisierende Tendenzen und die frühe Berührung mit dem Handel – anders als in Rom815 – durchgehend zu einer schwächeren

812 Euripides, Andrormache 173 ff; Übersetzung nach Donner 55. 813 Vinogradoff 1922, II 6 zitiert Herodot VI 57, der hier ua. auf die Kompetenzen der spartanischen Könige eingeht und dabei auch erbrechtlich Relevantes anführt: die Wahl eines Gatten für Erbtöchter (dazu Kapitel II 10), die der Vater nicht mehr hat verloben können, aber auch Adoptionen (dazu Kapitel VI 2) fanden vor dem König statt. 814 Vinogradoff will dabei, nach Feststellung der Gemeinsamkeiten, gewisse Unterschiede nicht leugnen, weil die Stammesunterschiede nicht nur zu unterschiedlichen Dialekten, sondern wohl auch zu unterschiedlichen Gesetzgebungen geführt hätten. Er hält es aber für noch nicht möglich, diese feinen Unterscheidungen zu treffen und lehnt die bisherigen Versuche ab: „What modern writers have tried to do in tracing such general characteristics in detail has not been very convincing. One must not forget that Argos and Syrakuse were quite as Doric as Sparta, and yet in government and legal arrangements these cities hat certainly more in common with Miletos or Athens than with Lakedaimon.” – Zur Grundaufteilung in Sparta (Isomoiria): Vernant 1982, 62. 815 Wie in Rom vertrat aber auch der griechische Hausvater/Kyrios seine Familie nach außen. Frühe Familienrechte regelten offenbar grundsätzlich nur die Außenbeziehungen der Familie. In den Händen des römischen pater familias lag das gesamte Eigentum der Familie, was in Griechenland nicht der Fall war; zum stärker familiär gebundenen griechischen Familieneigentum Kapitel II 19. G. Thür (in: DNP VI (1999) 1012 f) erwähnt weder das Familieneigentum noch andere wichtige Bezüge der Familiengemeinschaft. Wenn Thür feststellt, dass die Kyrieía (als Sachherrschaft) „am ehesten“ mit dem Eigentum verglichen werden kann, gibt er einen sehr späten Entwicklungsstand unter Außerachtlassung alles dessen wieder, was vorher war. Anders als in Griechenland standen in Rom Kinder grundsätzlich zeitlebens unter der väterlichen Gewalt und erlangten auch nicht mit dem Erwachsenwerden die Vermögensfähigkeit. Klagen aus Verpflichtungen der Gewaltunterworfene – ob nun Sklaven oder Hauskinder – konnten gegen den pater familias gerichtet werden, denn nur er konnte den Urteilsspruch erfüllen. Der römische Hausvater hatte bei Delikten die Wahl, entweder den Prozess auf sich zu nehmen oder den Täter an den Geschädigten zu übergeben (Noxalhaftung); bei Geschäften haftete er unter bestimmten Voraussetzungen selbst (adjektizische Haftung). Zu möglichen Einflüssen aus Grie-

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Kapitel I: Perspektiven, 6. Gab es ein ‚gemeines’ griechisches Recht?

Stellung des Hausvaters/Kýrios/pater familias und dessen Hausgewalt Kyrieía/patria potestas, zu einer früheren Eigentums(erwerbs)fähigkeit von Kindern/Söhnen und verheirateten Frauen, zur Möglichkeit der Scheidung, zur vollen Vermögensfähigkeit von Söhnen/Emanzipation und zum frühen Verschwinden eines Formalismus bei Vertragsschlüssen geführt. All das gelte etwa ebenso für Gortyn816 wie für Athen. Diese Ausführungen Vinogradoffs verdienen es, auch für rechtliche Schlussfolgerungen beachtet zu werden. Vor allem gilt dies für seine Einsicht in die funktionalen Zusammenhänge zwischen Familienrecht und Familienreligion in Verbindung mit der hellenischen Religion und dem Ahnenkult und die zentrale Stellung des griechischen Hauses und den dazugehörenden Kléros. – Es fehlt hier nur eine Erklärung dafür, wie sich diese rechtlichen Einrichtungen gebildet haben und wie sie miteinander in Zusammenhang stehen.817

Grundlagen des Rechts in der Archaik Alle diese und weitere Faktoren, die ebenfalls zur Ausbildung eines gemeinen griechischen Rechts beitrugen, lassen sich bis in die archaische Zeit zurückverfolgen: In dieser Epoche Griechenlands – vom Ausgang der sogenannten Dunklen Jahrhunderte bis hin zu den Perserkriegen (A. Heuß),818 also in einem Zeitraum von 400 bis 500 Jahren, bildet sich eine Art Sockel von kulturellen und gesellschaftlichen Werten, auf dem sich gemeinsame Rechtsgrundsätze und Rechtsprinzipien, aber auch politische, rechtliche Institutionen und ihre Organe (Beamte, Magistrate etc.), überhaupt die Idee von gesellschaftlichen und politischen Funktionen und ihren Trägern entwickeln konnten. Sie wirken weiter und werden in der Folge auch durch politische Ereignisse verstärkt; wie etwa die Gründung des attisch-delischen Seebundes im 5. Jahrhundert oder die makedonische Machtübernahme nach 338 v. C.819 Die archaische Zeit ist jenes Sammelbecken, aus dem heraus nahezu alles Spätere geschöpft wird, zumal die folgenden zwei Jahrhunderte bis zur Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. C. durch das Bestreben charakterisiert sind, das Erreichte fortzuführen und auf das Gebiet der Politik zu übertragen, was letztlich fehlge-

chenland Kapitel II 10; zur Tierhalterhaftung: Kapitel II 10. – Vgl. auch die Ausführungen in Kapitel II 10 zum Nomos moicheias und Anm. 1403 ff. 816 Überblick zu Gortyn in Kapitel II 18. 817 Dazu Pkt. 7 dieses Kapitels. 818 (1946/1969). 819 Schuller (1981) vertritt die These, „dass der Einführung der Demokratie als Herrschaftsmittel im Ersten Attischen Seebund eine ausschlaggebende Rolle bei dem endgültigen Durchbruch der Demokratie in Griechenland überhaupt zukommt.“

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schlagen ist. Die griechische Archaik ist demnach die politisch und rechtlich interessanteste und produktivste Zeit Griechenlands. – In dieser Epoche werden auch wichtige Anregungen aus dem Erfahrungsschatz des Alten Orients (homerische Epen, Hesiod, die Architektur des Tempels und die Plastik, philosophische Weisheitslehren, religiöse und wissenschaftliche Einflüsse uvam.) aufgenommen,820 was für das Rechtsdenken ebenfalls von Bedeutung war. Am Ende dieser sogenannten orientalischen Epoche – deren Zeitrahmen ganz unterschiedlich angenommen wird – stehen jedenfalls die ersten historisch fassbaren legistischen Leistungen der Griechen in Kreta, Großgriechenland, Athen und an andern Orten. Die Vorstellung von einer staatlichen Grundordnung durch Recht (Ma’at, Eunomia etc.) aus Ägypten und dem mesopotamischen Kulturkreis wirkte hier wohl ebenso stimulierend – und wird in der Folge weiterentwickelt, wie das Steuerungsmittel des Gesetzes und die Kodifikation und ihre Publikation. Wie vorsichtig man jedoch mit solchen Annahmen im Einzelnen sein muss, macht Raaflaub deutlich: „Dass die Griechen den Brauch, Gesetze durch Inschrift auf Stein öffentlich festzuhalten, aus dem Nahen Osten übernommen haben, liegt nahe, auch wenn dort die Dokumentation gerade im 1. Jt. sehr dünn ist; für die Abschüttelung oder Erleichterung von Schulden ([…] seisachtheia) ist dies einigermaßen wahrscheinlich.“ – In beiden Fällen hätten jedoch die Griechen „das orientalische Muster durch die Eingliederung in ihre völlig andersartigen sozialen und politischen Strukturen in seiner Funktion und Bedeutung so stark verändert, dass Termini wie ‚Übernahme’ oder ‚Einfluß’ nur einen Teil eines viel komplizierteren Vorganges abzudecken vermögen“. – Raaflaub bringt weitere Beispiele für fragwürdige Annahmen von Rezeption, die hier nur erwähnt werden sollen: Gerechtigkeit-eunomia/ma’at (Ägypten) sowie 821 die angebliche Übernahme der Tyrannis aus Lydien.

Man kann vielleicht sagen: Nahezu alle genuin griechisch zu nennenden Besonderheiten werden in dieser Zeit822 – mehr oder weniger angeregt durch auswärtige Einflüsse – bereits auf hohem Niveau geschaffen und schließlich ‚gräzisiert’; so wie es später die Römer mit griechischem Kulturgut – auch mit griechischem Recht – getan haben: Polis, olympische Religion und Heroenkult, die homerischen Epen,823 Hesiods Dichtungen,824 die Große Kolonisation und die Verbreitung der Griechen über den ganzen Mittelmeerraum (Handwerk, Handel etc.) uam. stammen aus dieser Zeit.

820 Dazu statt aller Burkert (2003) und die Literatur in Anm. 105. 821 2004, 273 f. – Vgl. dazu für die Solonische Eunomia Kapitel II 17. 822 Ich erinnere daran, dies bedeutet nicht, dass es weder vor-, noch nacher namhafte Rezeptionen gegeben hat. 823 Zur Art der Rezeption aus dem Orient: Patzek (2003) und schon (1996). 824 Zur gebotenen Vorsicht bei Übernahmsbehauptungen: Schmitz (2004).

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Danach ist es auch methodisch zulässig, vor diesem Hintergrund von einem gemeinen ‚griechischen’ Recht zu sprechen, es dem römischen Recht gegenüber zu stellen und Verbindendes wie Trennendes zu zeigen, zumal im alten Griechenland nicht nur räumlich über große Distanzen hinweg beachtliche Gemeinsamkeiten feststellbar sind, sondern auch zeitlich über Epochen hinweg gemeinsame Rechtgrundlagen bewahrt wurden. Dieser Prozess setzt nach den Dunklen Jahrhunderten ein, verstärkt sich ab dem 8. Jahrhundert und ist im 5. und 4. Jahrhundert bereits weit fortgeschrittenn. Im Hellenismus kann – wie in der Sprache – bereits von einer (weitgehenden) Rechtskoiné gesprochen werden, die vielleicht nur durch das Auseinanderbrechen des Alexanderreiches legistisch nicht weiter ausgeformt worden ist. – Autonomie, Autarkie und Freiheit/Eleutheria, nach Aristoteles die wesentlichen Charakteristika des Stadtstaates, sind somit – wie wir auch noch aus einem anderen Grund sehen werden – kein (Gegen)Argument gegen das Ent- und Bestehen gemeinsamer Rechtsüberzeugungen im antiken Griechenland.825 Wenn ich daher im Rahmen meiner Arbeit von ‚griechischem Recht’ spreche, meine ich grundsätzlich diese gemeinsame Wert- und Kulturgrundlage des griechischen (Rechts)Denkens, die zu gemeinsamen (Rechts)Überzeugungen und (Rechts)Grundsätzen geführt hat. Räumliche oder zeitliche Sonderentwicklungen werden damit aber weder geleugnet noch ausgeschlossen.

Griechischer Rechtskreis? Diese Einschätzung lässt sich durch einen Vergleich mit der Gegenwart veranschaulichen: So wie wir noch heute Rechtskreise unterscheiden und innerhalb dieser Rechtsfamilien unterschieden werden können und wir etwa einen angloamerikanischen und einen kontinental-europäischen Rechtskreis kennen – in dem wiederum ein romanischer, deutsch-österreichisch-schweizerischer, nordischer und slawischer unterschieden werden, existierte in der Antike, lange vor dem römischen, ein griechischer Rechtskreis,826 der auf gemeinsam erlebter, wenn auch immer wieder unharmonischer politischer Geschichte und daraus entwickelten kulturellen Fundamenten beruhte, die rechtlich – trotz nicht zu übersehender Unterschiede – auch zu bedeutenden und grundsätzlichen Übereinstimmungen führten: Sie betreffen zuallererst Haus und Familie und das da-

825 Die Gefahr unzulässiger Typologisierung historischer Kulturphänomene ist aber zweifellos auch hier ernst zu nehmen. Ingomar Weiler ist in seinen Arbeiten immer wieder darauf eingegangen und hat mich auf das Werk von Billeter (1911) hingewiesen, worin auch rechtliche Fragen kurz erörtert werden. 826 So auch Thür 2003, 195. In diesem Sinne schon Pappulias in seinem Vortrag ‚Griechisches Recht und griechische Rechtsgeschichte’ (1912).

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mit in enger Verbindung stehende Erbrecht, dann auch das Vermögensrecht – zuerst das Sachenrecht und schließlich das Schuldrecht; aber auch den Einsatz des aus dem Alten Orient vermittelten Konzepts des ‚Gesetzes’ als Instrument der Gesellschaftssteuerung und das (verfassungs)rechtliche Verankern staatlichpolitischer Ziele wie der ‚Eunomia’ und ‚Isonomia’ oder des Solonischen Gedankens der politischen Teilhabe des Volks auf der einen und der Volksversammlung, dem Ältestenrat, der Boulé und dem Volksgericht auf der andern Seite zusammen mit den verschiedenen Magistraten (zB Archonten oder Kosmen). – Entscheidend für diese Entwicklungen, die zu wichtigen gesellschaftlichen und eben auch rechtlichen Übereinstimmungen führten, war die archaische Epoche vom Ausgang der Dunklen Jahrhunderte bis zu den Perserkriegen. Die bis heute herrschende Rechtskreis- oder Rechtsfamilienlehre827 der Rechtsvergleichung hat beträchtliche Schwächen, berücksichtigt doch auch sie das für Rom und für andere europäische Rechte und Rechtskreise (!)828 so bedeutende antike Griechenland nicht. Die schon in der griechischen Antike geschaffene Disziplin Rechtsvergleichung folgte in der Gegenwart unkritisch der von der Rechtsgeschichte verkündeten angeblichen alleinigen Dominanz des römischen Rechts. So wurde der Rechtskreis zum romanischen und nicht – wie es sein sollte und der kulturellen Entwicklung entspricht – zum graeco-romanischen. Das erstaunt insofern, als namhafte Vertreter der modernen Rechtsvergleichung, etwa Max Rheinstein,829 durchaus Aristoteles und Theophrast als Gründerväter ihrer Disziplin kennen830 und römische Juristen weder an der Rechtsgeschichte noch an der Rechtsvergleichung sonderlich interessiert waren. Platons bedeutende Vorarbeiten831 sind gänzlich in Vergessenheit geraten. Eine künftige Korrektur hätte in die Richtung von Constantinescos ‘Kulturkreislehre’ zu gehen.832 Ich denke an eine These Voegelins,833 der die (archaische) griechische Geschichte und Kultur – ab etwa dem Ende des 9. Jahrhunderts – als dritten Entwick-

827 Die beiden Begriffe werden idR als Synonyma und nicht in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung gebraucht; etwa Rheinstein 1974, 15 und 77. David/Grasmann 1966, 18 ff sprechen von Rechtsfamilien, Constantinesco 1981, 161 ff unterscheidet Kulturkreise als Grundlage der Rechtskreise, was vorzuziehen ist. 828 Der griechische Einfluss erstreckte sich nicht nur auf den kontinental-europäischen, sondern auch auf den anglo-amerikanischen Rechtskreis und bildet eine Art rechts-kultureller Klammer um diese beiden Rechtskreise. 829 1974, 40 f. 830 David/Grasmann (1966) und andere Rechtsvergleicher kennen die griechischen Wurzeln ihrer Disziplin nicht mehr. 831 Dazu Kapitel VI 6: Theoros. 832 Auch Constantinesco berücksichtigt das alte Griechenland nicht. – Eine Kulturkreislehre vermag zwanglos Untereinheiten – Rechtsfamilien: etwa eine attisch-ionische, dorische, lokrische – zu unterscheiden. 833 2002 IV/1, 77 ff.

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lungsschritt auf zwei Vorstufen ruhen lässt; nämlich auf der vorangehenden archaisch-mykenischen und zuvor schon der kretisch-minoischen Kultur, für welche er Verbindungen mit der mesopotamischen Kultur für wahrscheinlich hält.834 Die Existenz kultureller Vorstufen der archaisch-griechischen Kultur (nach den Dunklen Jahrhunderten) wäre für die Annahme eines gemeinsamen Fundaments und damit auch für die Ausbildung eines (gesamt)griechischen gemeinen Rechts durchaus von Bedeutung, zumal sich diese Vorstufen – wie Voegelin Homer und Hesiod zitierend anzunehmen scheint – zu einem relativ kompakten Ganzen entwickelt haben. Dazu passte es gut, dass über die zahlreichen griechischen Poleis verstreut Rechtgrundsätze und Rechtseinrichtungen existierten, die bei allen Unterschieden im Detail dennoch einer gemeinsamen Wertund Gesellschaftsgrundlage entsprungen waren.835 Allein wir werden sehen, dass diese so verlockende Annahme wohl nicht zutrifft. Die neuere Forschung auf dem Gebiet der Alten Geschichte hat uns nämlich gezeigt, dass nach dem letzten Wissensstand aus mykenischer oder gar minoischer Zeit – über die Dunklen Jahrhunderte hinweg – kaum nennenswertes Kulturwissen an das spätere Griechentum gelangt ist. Allein das letzte Wort in diesen schwierigen Fragen ist wohl noch nicht gesprochen.836 – Ich versuche zu zeigen, wie sich dennoch gemeines griechisches Recht entwickeln konnte. – Damit will ich nicht sagen, dass nicht auch schon in den mykenischen und minoischen Epochen Fremdeinflüsse bestanden hätten. Diesen (Fremd)Einflüssen kann ich hier nur vereinzelt und häufig nicht näher nachgehen, so wichtig das wäre. Wichtige Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben manche historische Verbindungen aber deutlicher als bisher in Erscheinung treten lassen. Ich verweise etwa auf 837 838 839 und I. Weiler. Darüber hinaus sind Patzeks Erkenntnisse zu den Burkert, Rollinger 840 religiösen ‚Anleihen’ der Griechen vom Vorderen Orient zu beachten. – Zu den Rechtsentwicklungen der Hochkulturen der Antike – insbesondere Ägypten und Mesopotamien finden sich gute Übersichten von Allam (Ägypten) und Neumann (Mesopotamien) in dem Sam841 melband ‚Die Rechtskulturen der Antike’. Diese Beiträge zeigen für sich vorbildlich Zusammenhänge auf, ein Vorzug, den man sowohl in der Einleitung als auch in den übrigen Beiträgen des Werkes leider vermisst. – Die zuletzt von der Forschung gezeigten Zusammenhän-

834 2002 IV/1 80. – Voegelin aaO, 82 hält Linear A für akkadisch. – Ein ähnlicher Einfluss müsste aber wohl auch für den ägyptisch-afrikanischen Bereich angenommen werden. 835 Voegelin geht auf diese Fragen nicht ein. 836 So machen neuere Grabungen in Tiryns unter Umständen Zusammenhänge der mykenischen mit der hethitischen Kultur möglich. Aber auch hier heißt es vorerst abwarten. 837 (2003). 838 (1996 und 2005) ebenfalls mwH. 839 (1996). – Vgl. auch in Anm. 105. 840 Vgl. Anm. 789. 841 Manthe (Hg., 2003).

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ge ‚der’ griechischen Kultur mit den Kulturen des Alten Orients, zu denen neben der ägyptischen und der mesopotamischen noch weitere (wie die hethitische, phönizische, israelitische) gehören, könnten Forscher dazu verleiten, ins (übertreibende) Gegenteil zu verfallen und alles vom Prinzip ex oriente lux ableiten zu wollen. Daher sind die warnenden Hinweise von Schmitz zum Einfluss orientalischer Weisheitslehren auf Hesiod durchaus angebracht.

Am Ausgang der römischen Republik waren sich manche Römer ihrer Abhängigkeit von der griechischen Kultur durchaus bewusst und haben dies auch ganz offen ausgesprochen. Derartige Hinweise fehlen auch bei den Griechen nicht, auch wenn solche Äußerungen nicht unmittelbar auf das Recht gemünzt waren. So stellt Aristoteles fest,842 dass es die Griechen seit jeher verstanden hätten, Anregungen von anderen Völkern und Kulturen nicht nur zu übernehmen, sondern kulturell weiterzuentwickeln und auf eine höhere Stufe zu heben. Man denke nur an die griechische Kunst/Skulptur und Architektur/Tempel (die jedenfalls ägyptische Einflüsse zeigen), an die Epen Homers und Hesiods Werke (die aus dem Vorderen Orient beeinflusst worden sein dürften),843 was die später erbrachten eigenständigen Leistungen meines Erachtens in keiner Weise mindert. Solche Einflüsse haben Walter Burkert und andere Autoren auch für die griechische Götterreligion, die Philosophie (Weisheitslehren) und wissenschaftliche Bereiche (Mathematik, Astronomie etc.) festgestellt. Ähnliches gilt wohl auch für das griechische Rechtsdenken, das offenbar in allen seinen Epochen (vor allem aber in der archaischen und der hellenistischen) auch ‚fremde’ Einflüsse – insbesondere solche Ägyptens und des mesopotamischen Rechtskreises – aufgenommen hat. Dies geschah nicht erst im Hellenismus, sondern seit dem Heraustreten der Griechen aus den Dunklen Jahrhunderten.844 Rollinger hat in einem jüngst veröffentlichten Aufsatz neu-assyrische Einflüsse auf das Verständnis völkerrechtlicher Verträge bei Homer nachweisen können.845 – Doch ist in diesen Fragen ebenso Vorsicht geboten wie bei der Annahme eines gemeinen griechischen Rechts. Jedoch ist zu bedenken, dass nicht nur für die Kunst (etwa Skulptur und Architektur), Wissenschaft und Dichtung bedeutende Einflüsse älterer Kulturen

842 Nachweis bei Voegelin 2001, VII 58. 843 Dazu insbesondere Burkert (2003) sowie einige Aufsätze von Rollinger und nunmehr Schrott (2008, 58 uH auf West 1995), der die bisherige Datierung von Homer und Hesiod nicht nur sehr weit vorverlegt (aaO 14 f), sondern ihre Reihung auch umdreht. – Für Hesiods ‚Erga’ hat aber jüngst Schmitz gewarnt und Einflüsse in Frage gestellt. Allerdings geht er auf Hesiods ‚Theogonie’ nicht ein und gerade darin ist am ehesten orientalischer Einfluss auszumachen. Es wäre dann zusätzlich schwierig zu begründen, weshalb für eines der Werke Autonomie und für das andere Heteronomie angenommen werden muss (Gespräch mit R. Rollinger). 844 Für die Bereiche Religion/Mysterien, Dichtung/Epen und Philosophie ist insbesondere Burkert (2003) zu nennen, der eine Fülle von Einflüssen aufzeigt oder wahrscheinlich macht. Vgl. aber auch Rollinger (1996) und Patzek (2004, 5 Anm. 789) sowie die Hinweise in Anm. 105. – Allgemein zur Begegnung der Griechen mit den Völkern des Alten Orients: I. Weiler (1996). 845 (2004).

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auf die Griechen anzunehmen sind, sondern dass auch für die griechische Philosophie (gerade auch auf ihre herausragenden Vertreter wie Pythagoras, Platon, Aristoteles uam.) wichtige Einflüsse aus dem Nahen Osten und Ägypten nachweisbar sind.846 Niemals aber sollte die eigene Leistung und vor allem die Veredelung fremder Ansätze durch die Griechen vernachlässigt werden.847 – Kulturelle Rezeptionen legt schon die geopolitische Lage des großen griechischen Siedlungsraums und die Geschichte der Hellenen nahe. Nicht vergessen darf man, dass Rechtsschöpfer und -denker wie Solon und später auch Platon, Aristoteles und Theophrast über beachtliche Auslandskontakte verfügten. Solon war, wie andere große Griechen – etwa Xenophanes, Pythagoras, Platon, aber auch Vertreter der Sophistik oder später Poseidonios848 – ein weitgereister Mann.849 Panhellenische Wertideen wurden aber auch durch (Aus)Wanderung griechischer Denker innerhalb des weiten griechischen Sprach- und Kulturraums gefördert: Man denke an Hesiod, Xenophanes, Herodot und zuvor wohl schon Homer.850 Auch Anaxagoras,851 Protagoras, Gorgias oder Aristoteles und Theophrast waren keine Athener.

Tendenz zur Einigung und Polisbildung Auf die Einigungstendenzen im Zusammenhang mit der Polisbildung852 – nämlich die Verschmelzung von ländlich-bäuerlichen, aristokratischen, städtischhändlerischen und handwerksmäßig-gewerblichen Werthaltungen, die vor allem schon durch die Solonische Gesetzgebung gefördert wurden, gehe ich später ein.853 – Allein die Einigung im Thesmos der Polis diente als Modell, das zeigte,

846 Hier ist erneut Burkert (2003) zu nennen. – Vgl. auch die Hinweise in Anm. 105 und bei Voegelin 2004, VII 28 ff: Voegelin erörtert hier das Epochenbewusstsein bei Platon und Aristoteles und den Einfluss iranischer Ideen (Zoroaster) auf Platon. Zu fremden Einflüssen (Ägypten, Syrien) auf die Aristotelische Lehre von der Stellarreligion ebenfalls Voegelin 2004, VII 57 ff. Zur philosophischen Religion und Kosmosreligion: Burkert 1977, 452 ff und 468 ff. – Diese Vorstellungen haben später wohl auch Einfluss auf den Kosmopolitismus der Stoa gehabt; dazu etwa Weinkauf 2001, 11. – Zu den vielfältigen Rezeptionen aus der griechischen Kultur vgl. auch den Beginn von Kapitel VI 4: Historische Rahmenbedingungen. 847 Ähnliches gilt später für die Römer. 848 Dazu Engels, in: Schütze 1997, 572 ff und Inwood, in: DNP X (2001) 211 ff sowie K. Reinhard, in: RE XXII (1954) 558-826. 849 Vgl. dazu Kapitel II 17, wo die Möglichkeit einer Übernahme zentraler ägyptischer Gerechtigkeitsvorstellungen in Solons ‚Eunomia’-Lehre erörtert wird. 850 Dazu informativ Burkert (2003) sowie I. Weiler (1996). 851 Zu Anaxagoras in Kapitel VI 1. 852 Untersucht von Schmitz (1994, 1999, 2004a) für Attika, aber wohl darüber hinaus von größter Bedeutung. 853 Vgl. dazu vor allem Kapitel II 11: ‚Solons Beitrag zur Polisbildung’ etc.

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dass auch in einem größeren, polisübergreifendem Sinne ein Vereinheitlichen von Normen möglich war. Trotz der zahlreichen Faktoren, die für die Annahme eines gemeinen griechischen Rechts sprechen, darf nicht übersehen werden, dass es auch gegenläufige (Entwicklungs)Tendenzen und Aussagen gegeben hat und dies auch von prominenten Vertretern des griechischen Denkens. – Protagoras von Abdera854 etwa will mit einem Gegenargument seine zur Wert-Relativität tendierende Lehre stärken und übertreibt vermutlich deshalb auch die unterschiedliche Rechtslage in den einzelnen Poleis. Damit will ich selbstverständlich nicht leugnen, dass mitunter große Unterschiede in den griechischen Poleis bestanden. Diese sind vielmehr ebenso vorhanden wie die zahlreichen grundsätzlichen Übereinstimmungen. Die Meinung des Protagoras ist daher als Schutz- oder Stützbehauptung für seine sonstigen Lehren zu verstehen. Protagoras’ Aussagen, die wir aus dem gleichnamigen Dialog Platons kennen, widersprechen aber klar den bekannten Fakten,855 den im Grundsätzlichen weithin übereinstimmenden Rechtsnormen. Protagoras gilt als erster Sophist und ihr Archeget, der jedoch – wie Albin Lesky es ausdrückt856 – „seinen Frieden mit dem Nomos gemacht“ hat. Er hat die Gefahr gemieden, durch eine übertriebene „Relativierung, die Grundlagen des staatlichen Lebens zu zerstören“. Bei ihm tritt noch nicht „das ungesatzte Recht der Natur als übergewaltige Gegenmacht mit dem Anspruche auf alleinige Geltung“ dem staatlichen Recht feindlich gegenüber. Aber es ist nicht zu übersehen, dass „die vom Homo-mensura-Satz zum Relativismus führende Linie an einer entscheidenden Stelle einen Bruch aufweist und die Einführung von allgemein gültigen Werten wie Sittlichkeit und Recht in eine Welt, in der der Mensch allein das Maß bedeutet, die größte Schwierigkeit“ bereite. Protagoras habe sich mit einer „Art von Hilfskonstruktion“ beholfen, indem er „dem Nomos des Staates als dem eines Kollektivums besondere Autorität“ zugeschrieben habe. Dabei ist er nicht den Weg über die „allgemeine Natur des Menschen“ gegangen und hat daraus auch nicht „unbedingt gültige Satzungen abgeleitet“. Die Nomoi der einzelnen Poleis wichen vielmehr „voneinander völlig ab“, was schon die ionische cTUPSeI [sc. Hekataios] erkannt habe. Von Platon werde es in seinem Dialog ‚Theaitetos’ ausdrücklich als Lehre des Protagoras bezeichnet, dass „für eine jede Stadt das gerecht und schön sei, was sie dafür halte, und nur so lange, als sie dies tue“. – Lesky folgert daraus:

854 Zu Protagoras etwa Zeller (20068, I/2, 1296 ff) und Schachermeyr 1971, 101 ff. – Mehr zum ‚Rechtsdenken der Sophisten’: Kapitel VIII 4. 855 Vgl. etwa die Hinweise bei Demosthenes auf das weitgehend übereinstimmende (gesetzliche) Erbrecht in griechischen Poleis, wobei das Erbrecht wiederum aus dem weithin identen Familienrecht folgt, dazu Kapitel VI 2: – Zur Intestat-Erbfolge im attischen Recht: Miles (1950/1968); Miles behandelt eingehend Demosthenes XLIII 51 c. Macartatos. 856 1971³/1993, 393 f. – Platon Theaitetos 167c.

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„So erhält in einer merkwürdigen Verbindung heterogener Elemente der Relativismus sein Recht, ohne dass die Autorität des Staates und damit die sophistische Zielstellung, für diesen zu erziehen, aufgeopfert werden müssten.“

Juristisch ausgedrückt ließe sich dazu feststellen: Die Sophistik – die allerdings auch nicht einheitlich gedacht werden kann – forciert argumentativ zwar immer wieder das Recht der Natur, fördert aber letztlich – was dazu im Widerspruch steht – das positive Recht des einzelnen (Stadt)Staates. – Das Naturrecht dagegen förderte grundsätzlich die Rechtsvereinheitlichung. Das deutet schon seine sprachliche Umschreibung an, denn es gibt nur eine Natur: Die Begriffe GºTFJ EeLBJPO/physei dikaion wurde zum ius naturale/Naturrecht und das LPJOµO EeLBJPO/koinon dikaion zum ius gentium/Völkerrecht. Die Römer haben sie übernommen;857 die lateinischen und die späteren deutschen Termini sind Übersetzungen der genannten griechischen Begriffe. – Auch Naturrecht und Völkerrecht – die gerade für die Rechtspraxis zwischen den vielen griechischen Stadtstaaten, also nicht nur im Verkehr mit nichtgriechischen Mächten, eine Rolle spielten, wirkten tendenziell rechts-vereinheitlichend.

Unity of Greek Law? Michael Gagarin858 eröffnet mit ‚The Unity of Greek Law’ den von ihm gemeinsam mit David Cohen herausgegeben Sammelband ‚The Cambridge Companion to Ancient Greek Law’. Darin geht es ihm – und er folgt dabei Moses I. Finley859 – darum, die vornehmlich von kontinentaleuropäischen Wissenschaftlern vertretene These von der Existenz eines gemeinen griechischen materiellen Rechts endgültig ad acta zu legen; anders als Finley will Gagarin aber für das Verfahrensrecht doch gemeingriechische Wurzeln annehmen.860 – D. Cohen preist in seiner ‚Einleitung’ Gagarins Beitrag in hohem Maße:861 „[…] Gagarin has opened the door to the ‚Greek law’ debate of this century“.

Damit wird – bei aller Bedeutung, die der Frage zukommt – die Relevanz dieses alten Themas doch überschätzt. Weder Finleys, noch Gagarins Beitrag überzeugen, obwohl sie Bewegung in die Diskussion gebracht haben, was durchaus anzuerkennen ist. – Entgegen den Annahmen beider Wissenschaftler kann nämlich

857 Vgl. dazu auch die Hinweise bei Anm. 2698. 858 2005, 29 ff. 859 (1951) und (1966). – Mancher Althistoriker hat Finleys Meinung unkritisch übernommen. 860 Vgl. dazu den Schluss dieser Ausführungen. – Das hat freilich schon L. Mitteis gesehen, ohne deshalb ein gemeingriechisches (materielles) Recht auszuschließen. Seine Äußerung dazu wird aber übergangen. – Unzutreffend wäre es, frühes Recht und Verfahrensrecht gleichzusetzen. 861 2005, 5.

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nicht ernsthaft am Bestehen eines aus archaischen Wurzeln entstandenen (gemein)griechischen Rechtskreises gezweifelt werden. Das sollen meine Darlegungen zeigen. Ich erinnere deshalb noch einmal an das, was ich zum Begriff ‚gemeines griechisches Recht’ gesagt habe.862 Größere oder kleinere Gemeinsamkeiten im griechischen materiellen und formellen Recht finden sich mehrfach.863

Finleys Problem Finley befasste sich früh (1966) mit dem Unity-Problem und fragte: „What is really the point at issue?“ Er gelangte zum Ergebnis, dass die lange (wenigstens im Grundsätzlichen) behauptete Einheit des Griechischen Rechts in Wahrheit gar nie existiert hat.864 – Er beginnt mit der Kritik von L. Mitteis’ Reichsrecht und Volksrecht, das seine These, dass beachtliche Teile des in den östlichen Provinzen geltenden griechischen (Volks)Rechts in das römische Reichsrecht einfließen konnten, darauf gestützt hatte, dass das griechische Recht „ein großes Ganzes“ gebildet habe. Dies sei „für die Receptionslehre eine Tatsache von weitreichender Bedeutung“ gewesen.865 Diese Aussage von Mitteis gilt für die „östliche Reichshälfte“, was Finley nicht hinreichend berücksichtigt. – An anderer Stelle sagt Mitteis allerdings noch eindrücklicher:866 „Das griechische Recht ist demnach in seinen Grundanlagen wie in seiner weiteren Ausbildung durch grosse und einheitliche Züge charakterisiert; es ist nicht eine Summe einzelner Stadtrechte, welche uns entgegentritt, sondern das Recht einer grossen, weltbeherrschenden Nation.”

Finley zitiert aus dem Werk von L. Mitteis, reißt dabei das Zitierte aber aus einem einschränkenden Zusammenhang. Mitteis hatte zuvor nämlich betont, dass er nicht behaupten wolle, „dass das griechische Recht jemals die formale Con-

862 Zum Verfahrensrecht Kapitel VII 1, das auf beträchtliche Unterschiede im griechischen Verfahrensrecht hinweist, ohne dass deshalb die Zugehörigkeit zum gemeinsamen Rechtskreis in Zweifel gezogen werden muss; vgl. dort den Unterpunkt: ‚Das Urteil der (H)Eliaia’. – Gagarin versucht in seinem jüngsten Beitrag einen ‚graezistischen Spagat’, indem er für das materielle Recht eine ‚Einheit’ ausschließt, für das formelle oder Verfahrensrecht aber annehmen will. – Zur Entwicklung des archaischen griechischen Rechts Kapitel II 10: ‚Frühe andere Gesetzgeber…’. 863 ‚Hints’ auf gemeingriechisches Recht auch im Kodex von Gortyn; vgl. Kapitel II 18. So war die griechische Eigentumsvorstellung – dazu Kapitel II 22 b – sowohl prozessualer als auch materiellrechtlicher Natur, was zeigt, dass die beiden Bereiche häufig verwoben sind und sich nur gewaltsam trennen lassen. 864 Dieser Streit schwelt bis heute; s. auch die folgende Auseinandersetzung mit Gagarin. 865 1891/1984, 61. 866 1891/1984, 72.

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centration des römischen erlangt hätte, welche jede locale Rechtsgewohnheit im Princip ausschliesst“; es sei vielmehr bekannt, „dass der Hellenismus seine Bestandteile nie zu einer staatsrechtlichen Einheit verbunden hat“. Gagarin legt diese Worte von Mitteis Finley als Kritikpunkt gegen Mitteis in den Mund. Erst dann folgt das von Finley herangezogene Zitat, das Finley zudem nicht vollständig wiedergibt. Das Original lautet:867 „Wohl aber soll damit gesagt sein, dass die zahlreichen einzelnen Statutarrechte der griechischen Städte im Wesentlichen auf den gleichen juristischen Anschauungen ruhten und die 868 gleichen Institutionen mit nur geringen Nuancen entwickelten.”

Mitteis belässt es nicht bei diesen Feststellungen, sondern bringt reichlich Belege für die Bereiche, für die er ein gemeines griechisches Recht annimmt.869 Er beschränkt dabei seine Aussage keineswegs auf den privatrechtlichen Bereich (die „Institutionen des Privatrechts“). Aufgrund einer Stammverwandtschaft870 bezieht er auch den politischen Hintergrund und den öffentlichrechtlichen Bereich („Grundlagen des Staatswesens“, „Einteilung der Bürgerschaft in Phylen und Phratrien“ von der homerischen Zeit an) mit ein.871 – Ich gebe anschließend einen Überblick über diesen Teil des Werks von L. Mitteis mit zahlreichen und instruktiven Beispielen für den privatrechtlichen Bereich:872 • „Ordnungen der Familie“873 – Die Agnation war „noch schärfer ausgeprägt als bei den Römern, indem der Mannesstamm dem Weiberstamm im gleichen Grade bei der Erbschaft vorgeht“. Mitteis zeigt Parallelen und Unterschiede (!) zwischen dem ionischen Stamm, den Dorern/Gortyn, Sparta und Lokrern (den hypoknemidischen wie den epizephyrischen) und geht so von einer weitgefassten Einheit in der Vielheit im Rahmen ei-

867 1891/1984, 62. – Finley kritisiert den Ausdruck ‚Anschauungen’ mehrfach heftig (1966). 868 Mitteis sieht hier eine „Parallele zu der deutschen Rechtsentwicklung im Mittelalter“, wo ebenfalls „aus dem bunten Gemenge der Stadtrechte“ im Zeitalter der Rezeption ein deutsches Privatrecht entstanden sei. – Auch römische Autoren – etwa Gaius, argumentieren auf Mitteis’ Linie, wenn sie gar nicht selten ohne weitere Präzisierung auf ‚griechische’ Regeln oder Wurzeln verweisen, also offenbar ebenfalls eine griechische Einheit in der Vielheit annehmen. 869 Vgl. schon E. Weiss (ab Anm. 674); zu L. Mitteis (ab Anm. 728). 870 Gerade auch in diesem umstrittenen Punkt zeigt sich deutlich, dass Finley ‚weit über das Ziel schießt’, denn er hält alles, was mit „Stamm and Stammverwandtschaft“ zusamenhängt für „mystical nonsense anyway“ und schüttet damit das Kind mit dem Bade aus. Dazu auch Ulf (1996b). 871 Dazu oben schon Beispiele aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich; neben der Kolonisation die Praxis der Richterentlehnung (bei Anm. 683 und 735) und die der Sympolitie-, Isopolitie-, Rechtshilfe- und Synoikismosvereinbarungen. Die Bedeutung dieser Instrumente für die Rechtsharmonisierung und -vereinheitlichung darf nicht unterschätzt werden. 872 1891/1984, 63 ff. 873 Das betrifft Regeln des Familien- und Erbrechts, aber auch des Sachen- und Schuldrechts. Zu den familien- und erbrechtlichen Anfängen aller Rechtsentwicklung in diesem Pkt. ab Anm. 696.

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nes differenzierten Entwicklungsprozesses aus! Dabei weist er mit Beispielen zutreffend auf die Multiplikation dieser Regelungsgrundmuster durch Rechtsbewidmung (insbesondere im Rahmen der Kolonisation) hin. – Neben der konsequenten Durchführung des 875 agnatischen Charakters der Familie im Erbrecht, hebt Mitteis das „bei allen Griechen in gleicher, vom römischen Recht verschiedener Weise“ durchgeführte „System der Geschlechtsvormundschaft“ hervor: „Die Griechen kennen bekanntlich keine patria potestas im römischen Sinn“, weshalb eine verheiratete Frau niemals unter der Gewalt ihres Vaters steht, sondern ihr Geschlechtsvormund/kyrios stets der Ehemann ist und nach dessen Tod der (älteste) Sohn; nur die unverheiratete Frau steht „unter der Munt von Vater oder Bruder“. Mitteis bringt Belege aus verschiedenen griechischen Stammesbereichen zum ehelichen Verhältnis zwischen Mann und Frau, behauptet griechische Rechtsverwandtschaften, aber nicht Identitäten und erwähnt Unterschiede zu Rom: keine patria potestas, nur Geschlechtsvormundschaft des Mannes über die griechische Frau bei weiterbestehender Vermögensfähigkeit der Frau, dies bei einer insgesamt „etwas niedrigere/n sociale/n Stellung [der Frau] gegenüber dem Mann“. Diese Vermögensfähigkeit belegt er für Athen, Boiotien, Gortyn und Sparta. Damit im Zusammenhang steht, dass „die Mitgift der grie876 chischen Frau niemals Eigenthum des Ehemannes, sondern das ihrige ist“. – Mitteis erörtert dann die Testamente, die „bei allen griechischen Stämmen vorkamen und Isaeus berichtet, dass das Recht der letztwilligen Verfügung bei allen Griechen das gleiche war“. „[…] besonders bedeutsam“ ist dabei „der allerorts wiederkehrende Grundsatz, dass leib877 liche Kinder die nothwendigen Erben sind und – im schärfsten Gegensatz zu Rom – ei878 ne Exheredation derselben, wenigstens im Testament, unmöglich ist”. – Aus dem Familien- und Erbrecht heraus ist danach auch die „ursprüngliche Unveräußerlichkeit der 879 Landlose, wie sie wenigstens für die ältere Zeit für Sparta und eine ganze Reihe ande-

874 Das geschieht auch andernorts; es ist demnach überflüssig, wenn Finley 1966, 132 betont: „The Greeks had a history. So did their law.“ – Überflüssig ist auch Finleys Kritik an Mitteis’ Unterscheidung nach Stämmen, obwohl dies durchaus manchen Unterschied und größere Gemeinsamkeiten zu erklären vermag. Mitteis (aaO 63 Fn 2): „Es wäre das Correcteste, jede Darstellung des griechischen Rechts nach den einzelnen Stämmen zu gliedern. Leider lässt sich dies Princip nur in sehr geringem Masse durchführen, da einerseits die Stammesabgrenzung vielfach noch unsicher, anderseits unser Material zu dieser Differenzierung zu geringfügig ist. Soweit es jedoch möglich ist, habe ich es hier zu thun versucht.“ 875 AaO 65 f. 876 1891/1984, 68. 877 Dabei weist Mitteis auf solche, wenngleich voneinander in manchem abweichende Regelungen in Gortyn, dem dorischen Thera und bei den äolischen Boiotern hin. – Ein mehr oder weniger weit gehendes Noterbrecht (oder wie wir heute besser sagen, ein Pflichtteilsrecht) zählt zu den gemeingriechischen Grundsätzen 878 Zur sogenannten Apokeryxis oben bei Anm. 799 und in Kapitel II 18 (Gortyn). – Seither ergaben sich einige neue Erkenntnisse, dazu insbesondere in Kapitel II 10 mwH (E. F. Bruck). – Auf alle diese Beispiele geht Finley nicht ein. 879 Aristoteles, Politik II 6, 9.

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rer Städte bezeugt ist“, zu verstehen; sie war auch „eine Seite dieses Notherbrechts“. 882 Dies brachte legistisch ua. gesetzliche Veräußerungs- und Belastungsverbote hervor. – Daneben lassen sich für die Bereiche Familie, Erbrecht und dam

• it zusammenhängenden Fragen des Liegenschaftsrechts mühelos weitere Beispiele anführen, die weder Finley noch Gagarin beachten. – Die Pflicht der Kinder, ihren Eltern anständig zu begegnen und ihnen, wenn nötig, im Alter bei Bedürftigkeit den anständigen 883 – den weitverbreiteten Gutsübergabszyklus bei BauerngüUnterhalt zu gewähren; 884 tern; – die sogenannten Rügebräuche im ländlichen Raum als frühe von der Gemeinschaft verhängte rechtliche Sanktionen gegen deviantes Verhalten von Gemeinschaft885 mitgliedern.

• Neben dem Familienrecht zeigte das griechische Recht886 auch in der „Ordnung des Vermögensverkehrs”, „trotz den Brechungen, welche das Prinzip von Gau zu Gau durch die Willkür tastender Gesetzgebungen erlitten hat, unverrückt dieselben Grundgedanken”. Mitteis erörtert hier das (Privat)Eigentum und beginnt beim Grundeigentum mit einem Seitenblick auf Rom: „Die Zeit, wo alles Grundeigentum einen genossenschaftlichen Charakter trug, liegt für die griechischen Politien vielleicht nicht so weit zurück als für Rom; aber in der classischen Zeit ist das Privateigentum allerorts anerkannt und der Verkauf des Bodens sowie die Freilassung der Sklaven zwar überall durch die Zustimmung der 887 Blutserben, nirgends aber durch ein Einspruchsrecht der Nahberechtigten beschränkt.” In der Erörterung des Unterschiedes zwischen griechischen und römischen Eigentumsvorstellungen deutet Mitteis erstere als „Prüfung des relativ bessern Rechts, welche in der Form der ‚Diadikasie’, der ‚Schlichtung zwischen zwei Prätendenten’, durchgeführt 888 889 wird.” – An dieser Stelle bemerkt Mitteis (und das ist von größter Bedeutung, da 890 doch Gagarin die vermeintliche neue These aufgestellt hat, dass es zwar kein gemeines materielles, aber doch ein gemeingriechisches Verfahrensrecht gegeben habe), verfolgt

880 Aristoteles, Politik II 4, 7 uam. 881 1891/1984, 69. Mehr bei Mitteis uH auf die römischen ‚Satirae Menippeae’. 882 Dazu auch in Kapitel VII 1: ‚Der Rechtsbegriff der Polis’. 883 Dazu in Kapitel II 10: ‚Anständige Behandlung der Eltern …’. 884 Dazu in Kapitel II 11: Hofübergabe. 885 Dazu in Kapitel II 11. 886 1891/1984, 69 ff; vgl. auch Lipsius bei Anm. 719: Schuldrecht. 887 Mitteis betont, dass das seit etwa Kaiser Konstantin im oströmischen Bereich auftauchende Näherrecht/protímesis nicht auf alten griechischen volksrechtlichen Einrichtungen beruht. Nunmehr Troje (1972) und Kapitel II 19: ‚Vom Familien- zum Individualeigentum’. 888 Das entspricht auch der altrömischen vindicatio; Kaser 1971, 124. Mehr ab Anm. 916. Diese Anschauung lasse sich in classischer Zeit für Athen und das kleinasiatische Städtchen Zeleia ebenso nachweisen, wie für die makedonischen Griechen in Ägypten. Zur prozessualen Seite des Vergleichs zwischen Diadikasie und Vindicatio Mitteis 1891/1984, 499 ff. 889 AaO 70 mwH. 890 Dazu in diesem Kapitel Pkt. 6 und in Kapitel VII 1: Verfahrensrecht.

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diesen Gedanken dann aber nicht weiter: „Ueberhaupt scheint selbst das formelle Prozessrecht bei den verschiedenen Stämmen das gleiche gewesen zu sein: die schriftliche Klagform (EeLI [díke]) findet sich, wie in Athen, so bekanntlich in Sicilien und Kleinasien; die attische ‚QBHXH› [apagogé] in Eretria; die Besitzstörungsklage (EeLI yYPºMIK [díke exoúles]) außer Athen in Amorgos; die eigenthümliche Sitte, dass der Ankläger im Strafprozess nach eigener Schätzung einen Strafantrag (UeNINB [tímema]) proponiert, wie in Athen, so in Sparta, Kreta und Ephesus.“ Mit dieser Annahme eines gemeingriechischen Verfahrensrechts hat Mitteis Gagarins vermeintliche Entdeckung um mehr als 100 892 Jahre vorweggenommen. – Kauf, Verkauf und Verpfändung waren „im Wesentlichen bei allen Griechen gleichgestaltet”. Die äußere Form des Immobiliarverkaufs war zwar „particularrechtlich verschieden geordnet”, doch erkennt Mitteis zu Recht auch darin 893 894 „gewisse gemeinsame Züge”. Er bringt auch Beispiele aus dem Obligationenrecht 895 und dem Sklavenrecht und bezieht auch das internationale Recht in seine Betrachtun896 gen ein. – Es kann also keine Rede davon sein, dass Mitteis leichtfertig Gleichklänge oder Identitäten behauptet, die nicht existierten, er lässt vielmehr angemessene Vorsicht walten und betont immer wieder partikularrechtliche Unterschiede.

Ich kann das bei Mitteis angeführte Material ob seiner Fülle hier nicht vollständig wiedergeben. Selbst wenn man aus heutiger Sicht manchen Abstrich vornehmen muss, bleibt immer noch eine imposante (Grundlagen)Verwandtschaft für die Annahme eines griechischen gemeinen Rechts bestehen. Dies gilt schon in vor-hellenistischer (also archaischer und klassischer) Zeit. – Abstriche sind aber nicht nur bei L. Mitteis, sondern vor allem auch bei Finley (und dem ihm grundsätzlich folgenden Gagarin) nötig. Ich kann daher nur bekräftigen, was H. J. Wolff gesagt hat.897 Wolff wurde zwar von Finleys Einwänden898 schwer getroffen, anerkennt aber grundsätzlich die Kritik Finleys und anderer:899 „Ihr Protest gegen eine allzu einseitige Betonung der seit Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 61 ff., von der Mehrheit der Rechtshistoriker angenommenen Einheit des griechischen Rechts

891 Er bezieht sich dabei auf die klassische, nicht wie Gagarin nur auf die Homerische Zeit. 892 Zu Gagarin und dem griechischen Verfahrensrecht: unten bei Anm. 927 und in Kapitel VII 1. 893 Dazu 1891/1984, 70 f. 894 1891/1984, 71. 895 AaO 71 f. 896 AaO 72 ff: Rechtsbewidmung und Koloniegründung, Sympolitieverträge und Richterentlehnung, Fremdenrecht und Rechtskollisionen (Personalitätsprinzip und Territorialitätsprinzip), Ausbildung eines ius gentium in den Fremdengerichten (aaO 74). 897 1979, 31 Fn 72. 898 Vgl. etwa 1966, 135 f. – Finley kritisiert Wolff zur Bedeutung der Stammesverwandschaft hart, aber grundsätzlich zutreffend: „he […] exaggerates the tribal structure of pre-polis and even polis society“; und „[…] the account is disfigured by illogical obiter dicta seeking to preserve the unity of Greek law at any price“; sowie die Aussage, dass das Eherecht von Gortyn in all seinen wesentlichen Prinzipien mit den im restlichen Griechenland übereinstimmt. 899 Er erwähnt noch Triantaphyllopoulos (1968).

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ist berechtigt. Doch gehen sie, namentlich Finley, ihrerseits viel zu weit in der völligen Leugnung jeden geistigen Zusammenhangs der verschiedenen durch gemeinsame Sprache und 900 Grundbegriffe miteinander verbundenen Systeme.”

Bei Gagarin vermisst man solche Differenzierung, und Finleys Meinung – auf die ich deshalb ausführlicher eingehe, weil etwa Gagarin und D. Cohen Finleys Ausführungen übernehmen – überzeugt längst nicht in allem. So erörtert Finley einen von Mitteis behandelten Xenophontext901 und will daraus etwas für die eigene Position ableiten, allein der Text stützt keine der beiden Meinungen. Noch weniger überzeugend ist Finleys Äußerung zu Theophrast: Er hält es diesmal sogar mit Wolff für möglich, dass es sich dabei um „a mere comparative description of statutes and institutions, but not an analytical commentary“ handelt. 902 Für ihn ist es unwahrscheinlich, dass „Aristotle’s most important pupil expended all that effort merely to record ‚slight nuances’ of ‚identical juristic conceptions’ (to use Mitteis’s language)?“ Das scheint ihm „most unlikely a priori, and it becomes even more unlikely when one notices the very basic distinctions in some of the examples in Aristotle’s Politics. Zum Inhalt dieser Regeln sagt Finley nichts, er lässt außer Acht, dass innerhalb einer Rechtsfamilie Publizität und Sicherungsfunktion auf durchaus unterschiedliche Weise verwirklicht werden können. Gerade solche Unterschiede sind dann von Bedeutung. Eine wissenschaftliche Betrachtung des Rechts, wie sie bei Theophrast der Fall ist, ist wohl auch an Systematisierung und Weiterentwicklung interessiert.903 Will Finley ernstlich behaupten, unterschiedliche Regelungen innerhalb einer Epoche seien stets auch auf unterschiedliche Prinzipen zurückzuführen? Seine Beispiele sind kein Beweis. Sollen etwa beim Kreditkauf oder dem Eigentumserwerb904 – an die Antike höhere Ansprüche gestellt werden, als wir sie heute stellen? Warum übergeht Finley die hier bestehenden Parallelen? Heute zweifelt nimand daran, dass etwa Deutschland und Österreich, zusammen mit der Schweiz und Liechtenstein, eine Rechtsfamilie oder einen Rechtskreis bilden,905 obwohl es beim

900 Wolff stützt sich auf eigene Ausführungen im LAW I (1965/1995) 2516 und in: Symposion 1971, 20 ff sowie Literatur bei Triantaphyllopoulos und Ausführungen Biscardis (1979, I 33 und in: Symposion 1974, 2 f). 901 ‚Memorabilia’ IV 4, 15. 902 Das sind bloße Mutmaßungen zur Unterstützung der eigenen Meinung. Kein Wort darüber, dass Aristoteles (und sein Team) bereits einen umfangreichen Kommentar zu den Solonischen Gesetzen angefertigt hatte, Kommentierungen also schon bekannt waren. 903 Finley verbaut sich hier selbst den Weg, indem er (wie auch Wolff) jede Beschäftigung mit ‚Theorie’ für die griechische Rechtsentwicklung leugnet; dazu ab Anm. 919 und in den Kapiteln VI, VII und VIII. 904 Finley widmet sich dem Eigentum immer wieder, allerdings beachtet er die Entwicklungsgeschichte nicht einmal in Ansätzen. Vor mehr als 80 Jahren hatte dies E. F. Bruck (dazu eingehend Kapitel II 19 ff) getan. Finley kannte Bruck offenbar nicht. 905 Vgl. dazu oben bei Anm. 826.

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Eigentumserwerb wichtige Unterschiede gibt; wie etwa abstrakte und kausale Natur der Tradition.906 Zudem kennt etwa das ABGB noch Realkontrakte, das dtBGB nicht. Alles das ändert doch nichts an der Zuordnung zu einer Rechtsfamilie. Dass Athen in seiner politischen und rechtlichen Entwicklung nicht immer zu den Vorreitern des griechischen Kulturkreises zählte, ist ebenso bekannt wie der Umstand, dass Sparta nicht zu den änderungsfreudigen Poleis gehörte. Es geht nicht um einen synchronen, sondern nur um einen funktional-diachronen Vergleich. Alles andere berührt nur die Oberfläche und bleibt zufällig. Der jahrhundertelange Weg von der Archaik in den Hellenismus verlief eben alles andere als einheitlich. Ich meine, dass Finleys Schlüsse nicht ausreichend fundiert sind und zu weit gehen und dass man ihnen deshalb künftig nicht folgen sollte. Dass Gagarin sich keine eigene Meinung gebildet hat, stärkt seine Position nicht. Mit Finley steht auch Gagarins Position auf dem Prüfstand. – Wertvoll bleibt Finleys Einsicht, dass man bei der Annahme von gemeinem griechischen Recht Vorsicht walten lassen muss, um nicht den Wunsch zum Vater des Gedankens zu machen; schon problematischer, aber immer noch wertvoll auch sein Hinweis, dass die rechtsgeschichtliche Forschung „must […] come down from the stratosphere of Rechtsdenken907 and Rechtsgefühl908 to mundane operational – and that means historical – questions“. Finley erläutert allerdings nicht, was ihn an diesen Begriffen, die durchaus ihre Berechtigung haben, so stört.909 Seine Kritik überzeugt nicht einmal bei dem wenig tragfähigen Begriff der Stamm(es)verwandtschaft.910 Finley lehnt diesen Begriff ab,911 ohne aber Fakto-

906 Ebenso hindern die Unterschiede zwischen den USA und England nicht daran, die beiden Staaten einer Rechtsfamilie zuzuordnen, trotz unterschiedlicher politischer Institutionen. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Zugehörigkeit zu einer Privatrechtsfamilie wenig oder nichts über die politische Orientierung und institutionelle Organisation verrät. Man denke an die Geltung von ABGB, Code Civil oder dtBGB im 19. und 20. Jahrhundert unter wechselnden politischen Regimen. 907 Das Zaubertwort ‚Operationalisierung’ nimmt Finley selbst nicht ernst, wie die Verwendung der Begriffe ‚Rechtsdenken’ und ‚Rechtsgefühl’ zeigt. 908 Gerade das Entstehen von Rechtsbewusstsein und Rechtsgefühl lässt sich bei den Griechen anschaulich verfolgen; dazu in Kapitel VII 1. 909 Offenbar will er damit die mangelnde empirische oder wie er sich ausdrückt, eine fehlende operationale Orientierung monieren. 910 Dazu F. Gschnitzer (1971) und Ch. Ulf (1996b). Mitteis hat den Begriff nicht näher ausgeführt, allein es ist zum ‚Greifen’, dass darin neben Verwandtschaft im Recht auch andere Bereiche wie Sprache, Religion, Siedlungsweise etc. miterfasst sind. 911 1966, 133: „mystical nonsense anyway“. Sein als Widerlegung gedachtes Beispiel, wonach sich die Ehe(schließung) bei Homer, im klassischen Athen und in Gortyn voneinander unterscheiden, ist wenig aussagekräftig. Auch heute käme man, würde man die Ehegesetzgebung unterschiedlicher Länder während der letzten 200 Jahre – das entspricht der zeitlichen Distanz Homer und Gortyn – isoliert betrachten, kaum auf den Gedanken, dass es sich um benachbarte

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ren zu würdigen, die ganz offensichtlich zum Entstehen von gemeingriechischem Recht beigetragen haben. Seine Frage „But by what process did the Greeks achieve the same results, as is claimed, […]“912 ist daher ohne Substrat. Finley kennt, wie dann Gagarin, die frühe Basis des nomologischen Wissens nicht. Er fragt zwar andere nach den Wurzeln der von ihnen angenommenen Gemeinsamkeit, betrachtet aber selbst Sprache, Religion, Heroenkulte, Landschaft und Klima, dörfliche Siedlungsweise und Poliskultur nicht. Man muss daher seine Frage an ihn selbst stellen. Nähme man seine Meinung ernst, wäre rätselhaft, woher diese ‚Stämme’ ihre in Nuancen zwar unterschiedliche, aber grundsätzlich gemeinsame Sprache haben, woher die gemeinsame Religion und andere ‚Anschauungen’ (!) stammen und wie gemeinsame Kunst, Architektur und Dichtung, Wissenschaft und Philosophie, Handel und Wirtschaft oder auch nur Kriegstechniken möglich waren. Eben dies gilt auch für die großen agonalen Spiele und Feste. Verwandtschaft in der Rechtskultur besteht eben nicht (nur) darin, dass (weithin) idente Regeln (zu einem bestimmten Zeitpunkt) vorliegen, sondern viel eher darin, dass gewisse Wertvorstellungen, Grundwerte gefördert und geschützt werden, wobei es auch hier Spielräume gibt.913 Solche Übereinstimmung/en gab es sehr wohl. Unterschiedliche Heiratssitten, eine in manchem abweichende Stellung der Frau in Ehe und Familie oder eine bessere oder schlechtere Behandlung unehelicher Kinder, der nothoi, ändern daran nichts. Finleys Hinweis auf die andere Rechtsstellung von Frauen im ptolemäischen Ägypten,914 die über selbständiges Eigentum verfügten und deren testamentarische Rechte geachtet wurden, übersieht, dass es sich hier nicht um rein griechisches Recht handelte.915 Ähnlich verhält es sich mit dem griechischen Eigentum,

oder gar idente Staaten handelt. Das gilt sogar für Staaten, die demselben Rechtskreis angehören wie Italien, Spanien und Frankreich, aber auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Selbstverständlich sind die Unterschiede nicht ausschließlich (!) auf die unterschiedliche Geschichte und die Entwicklung der Polis zurückzuführen; so zutreffend Finley, aaO 134. 912 Hervorhebung von mir. „[…] when they entered the Mediterranean not as a single migrating group but in a number of waves scattered over perhaps eight centuries again in many separate; when they subsequently dispersed to vast distances east and west, again in many separate, unrelated moves over several centuries; when they were politically fragmented; and when their institutional history shows such very different rates and even directions of development?“ 913 Neben dem Schutz von Familie und Haus/Oikos, Verwandtschaft und Nachbarschaft, ist hier etwa auch der hohe Wert von Ehre zu erwähnen, der gegen Hybris und jede Art der Herabsetzung ankämpfen ließ. Auch die allgemeine Achtung des Gesetzes, der hohe Wert der (bürgerlichen) Freiheit und Gleichheit sowie die Bedeutung des Toten- und Ahnenkults gehören hierher. – Dass es trotz kultureller Gemeinsamkeiten, beachtliche rechtliche Unterschiede gab, war auch eine Folge des lebendigen griechischen Geistes. 914 1966, 134 f. 915 Zur starken Stellung der Frau im pharaonischen Ägypten: Allam 2005, 116 ff. – Die indoeuropäischen Völker gewährten ihren Frauen nicht jene Freiheiten, wie sie etwa ägyptische Frauen hatten. Vgl. auch meine ‚Einleitung’ in Barta/Mayer-Maly/Raber (2005b) 9.

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für das – wie L. Mitteis betonte – die Distanz zum römischen absoluten Eigentum (bei gleichzeitiger Verwandtschaft mit dem germanischen) charakteristisch war:916 „In seinem Charakter scheint das griechische Eigenthum von dem absoluten und unendlichen dominium der Römer ebenso weit entfernt zu sein als das deutsche; der griechische Eigenthumsstreit enthält nicht die Behauptung des meum esse ex iure Quiritium, sondern die Prüfung des relativ bessern Rechts, welche in der Form der ‘Diadikasie’, der ‘Schlichtung 917 zwischen zwei Prätendenten’, durchgeführt wird. Wie sich diese Anschauung auf dem classischen Boden für Athen sowie für das kleinasiatische Städtchen Zeleia nachweisen lässt, so war sie auch, […], die der makedonischen Griechen in Ägypten, und noch spät in der römi918 schen Zeit scheint dieser Rechtsstandpunkt nicht verlassen zu sein.”

Finley beendet seine Untersuchung mit einer Bemerkung, die ihn in die Nähe von H. J. Wolff rückt und die mir nicht frei zu sein scheint von einer Spur wissenschaftlichen Hochmuts:919 920

„With the Greeks, it need hardly be said, we are in a world of amateurs, as remote from ju921 rists and legal theorists, from codification in its contempoerary sense, as it is possible to get in a relatively advanced state of political organization. […] In doing that, however, we ought not impose our ideas on the Greeks retrospectivly by assuming that in actual practice the rules 922 were deliberately framed from systematic general conceptions, or that the regularities we think we observe were present or were recognized everywhere or all the time.”

916 1891/1984, 69 ff. – Dazu auch Lipsius 1912, II 674 ff und Kränzlein (1963): s. Kapitel II 18 und 22 (Kränzlein). 917 Auch zwischen Griechenland und Rom ist der Unterschied nicht so tiefgreifend wie man auf den ersten Blick meinen könnte: Im römischen (wie noch im geltenden) Recht gibt es die actio (in rem) Publiciana; sie ist die Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum des Klägers; vgl. dazu mein Zivilrecht: 2004², I 492 und Apathy (1981). – Zur Eigentumsdiadikasie Thür 1982, 55 ff. 918 1891/1984, 69 ff. – Vgl. dazu auch Lipsius (aaO) und so auch noch die Marginalrubrik des ABGB vor § 372; lesenswert die §§ 372-375. Diese Klagsform knüpft (prozessual) an das Recht zum (besseren) Besitz an und nicht (wie noch heute die Besitzstörungsklage und in griechischer Zeit die díke exoúles) bloß an das Faktum des letzten (ruhigen) Besitzes. Geschützt wird also das bessere Recht zum Besitz, was aber doch auch Schutz gegen den veräußernden (formellen) Eigentümer verleiht. – Mitteis verweist hier auf seine Ausführungen aaO 499 ff. 919 1966, 139. 920 Finley folgt hier unkritisch Vorurteilen. 921 Ist es nicht erstaunlich, dass solche Kritik aus dem Munde eines Wissenschaftlers kommt, der dem case law-System angehört. Man kann nur hoffen, dass Finley es nicht unterlassen hat, diesen Vorwurf auch gegen die Römer zu richten, die ja bekanntlich weder allzuviel von Gesetzen und gar nichts von Kodifikationen gehalten haben. 922 Dies hat vor Finley auch noch niemand behauptet, insbesondere nicht die von ihm kritisierten kontinentaleuropäischen Wissenschaftler.

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Allein dies schadet der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit Finleys, denn es zeigt sich, dass Finley seine Forderung nach Operationalisierung selbst wenig ernst nimmt. – Finleys Kritik kann trotz ihrer Vehemenz nicht davon überzeugen, dass es nichts von dem gegeben haben soll, was die Griechen selbst und später Forscher von Rang wie Ludwig Mitteis, Ugo E. Paoli, Arnaldo Biscardi, Hans Julius Wolff und viele andere als (gemeines) griechisches Recht bezeichnet haben.923 Dabei soll es auch bleiben, auch wenn man von einer ‚Unity of Greek Law’ besser nicht sprechen sollte.924 Ich halte Finleys Versuch, das ‚Mitteis-Dogma’ durch ein ‚Finley-Dogma’, das später durch ein ‚GagarinDogma’ ergänzt wurde zu ersetzen, für gescheitert. Ich habe aber Finleys letzten Satz: ‚it is both wrong’ ernst genommen und biete als neue Arbeitsformel an:925 Gelebte Vielfalt bei kultureller Gemeinsamkeit. Müssen sich nicht alle lebenden Systeme an ihre Umwelt anpassen? Gehören zu einer normativen Umwelt nicht übergreifende Konstanten (wie vor allem Religion, Kulte, Kunst, Sprache und Dichtung), die auch als Gleichrichter wirken? – Ist die Feststellung Richard Maschkes, die Griechen hätten für ihre verschiedenen gesellschaftlichen Normbereiche ‚keine getrennte Buchhaltung’ geführt, falsch?

Gagarins neue These Gagarin beginnt seinen Beitrag im ‚Cambridge Companion’ mit einer Gegenüberstellung des (fortschrittlichen) angloamerikanischen und des (überholten) europäischen Denkens.926 Die Art und Weise, in der er mit Wissenschaftlern von

923 Ich halte es aber für sinnvoll, diesen Begriff zu präzisieren. 924 In seiner Attacke gegen F. Pringsheim legt Finley auch sein Motiv offen: Er hatte Pringsheims ‚Greek Law of Sale’ (1950) eine lange Besprechung gewidmet „in which I tried to raise some serious questions of method. [Seminar 9 (1951) 72-91] My criticisms have not been taken very seriously, I must confess, but I must also add that I have never seen them answered either.“ Darin liegt wohl der tiefere Grund von Finleys Kritik, vielleicht aber auch der Hintergrund von Gagarins unsanftem Umgang mit kontinentaleuropäischen Wissenschaftlern. Zudem hoffe ich, dass es nicht zu spät ist für eine Antwort, die allerdings mehr aus (Gegen)Fragen besteht als aus definitiven Antworten. – Für die Angriffe M. Gagarins und D. Cohens gibt es einen handfesten Grund (oben Anm. 87). 925 Die Formulierung beinhaltet also nicht nur eine weithin unumstrittene Rechtskoiné im Hellenismus, sondern schon Gemeinsamkeiten in archaischer und klassischer Zeit. Hier liegen aber auch Unterschiede, wenn etwa ein Stamm schon damals an seinen späteren Siedlungsorten lebte wie die Ionier in Attika, während bei den Dorern dies nicht der Fall war; s. Welwei: 1992. Besonders zu achten ist dabei auf diachrone Entwicklungen/Entwicklungsabläufe, also die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem. 926 Vgl. das dritte Motto am Beginn dieses Punktes. – Die Fronten verlaufen aber nicht geradlinig. So nahm der in dieser Frage ‚europäisch’ agierende H. J. Wolff zwar ein ‚griechisches’ Recht an, leugnete aber hartnäckig dessen Qualität (‚primitiv’). Andererseits schätzten anglomerikanische Graezisten schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das griechische Recht und

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Rang wie L. Mitteis und anderen umgeht, dient anscheinend lediglich der Präsentation der eigenen Meinung und beeindruckt nicht.927 Gagarin überschätzt Finley, wie allein das von ihm offenbar für schlagend erachtete Argument zeigt, wonach Griechenland „before the conquests of Alexander was never politically united“.928 Dies ist jedoch nicht mehr als eine Binsenweisheit, auf die ich hier nicht mehr eingehe.929 Auch das Argument Finleys, auf das sich Gagarin später930 stützt, überzeugt nicht. Die Vorgangsweise Gagarins liefert ihm aber scheinbar eine sichere Ausgangsbasis für seine weiteren Ausführungen. Er strebt nämlich eine Synthese zwischen der ‚überholten’ europäischen Position (These) und der ihm doch etwas zu weit gehenden Position Finleys (Antithese) an. Cohen kommentiert das so: „What is important here, however, is that Gagarin has refocused the debate in an extraordinary useful way. [Für wen?] Here we see, in strong contrast to the state of the discipline a few decades ago, the way in which contemporary scholarship has moved us beyond the aridity of earlier debates about the ‘unity of Greek law’. What Gagarin suggests here is that we focus instead on the features of the ‘Greek’ way of thinking about how law functions and is prac931 tised in a polis. “

Allein Finleys Hinweis auf Homer, die Inschrift von Gortyn, das Recht Athens und die Papyri des ptolemäischen Ägypten kann nicht davon überzeugen, dass es keinerlei gemeines griechisches Recht iSv Rechtskreis oder Rechtsfamilie, gegeben hat: „If we take as nodal points the Homeric poems, Gortyn, Athens and the earliest Greek papyri from Ptolemaic Egypt, I am unable to discover a single common ‘basic conception’ [sic!] or ‘principle’ except for the notion, familiar from societies of the most diversive kinds all over the world, that marriage is an arrangement involving families past, present and future, and the 932 transmission of property.”

Auch Gagarin selbst argumentiert nicht nachhaltig:933 „In other words, common features exist only at a level of such generality that Greek law becomes a useless concept; whenever we have evidence for specific rules, significant substantive differences appear.”

Rechtsdenken höher ein, als mancher Europäer. 927 Ich habe bereits darauf hingewiesen (Anm. 860), dass L. Mitteis die vermeintlich neue These Gagarins vom Bestehen eines gemeingriechischen Prozessrechts vorweg genommen hat. 928 2005, 29. 929 Vgl. dazu oben bei den Anm. 746 (A. Heuß) und 759 (H. Strasburger uH auf Herodot). 930 Gagarin 2005, 30. 931 Cohen 2005, 5. 932 Finley zitiert von Gagarin 2005, 30. – Zu den alexandrinischen Dikaiomata: Kapitel VI 9; zuletzt Hirata in seinem Innsbrucker Vortrag 2008 (in Druck) und schon Partsch (1920). 933 2005, 30.

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Er betont noch einmal, dass Finleys „challenge has been largely accepted by Anglo-American scholars […] continental scholars generally rejected it“; er führt Wolff934 und Biscardi935 an und listet die seit Mitteis vorgebrachten Argumente auf. Für die europäischen Vertreter war danach:936 „Greek law […] the realization of an abstract spiritual unity (geistige Gemeinsamkeit) that bound together the legal systems of the different Greek poleis and that differed from the spirit underlying the laws of other peoples. Certain basic concepts (Grundvorstellungen) are thus evident, however much the positive laws may differ. Among these are basic forms of political organization (Organisationsprinzipien) and common ideas like díke (‘law, justice’), blábe (‘harm, injury’), hybris (‘insolence'), homologeín (‘to agree’), and kyrios (‘master, in control of’). Wolff also stressed the mere existence [!] in different poleis of laws governing ‘heiresses,’ regardless of the substantive differences among these laws. Biscardi defended the concept in similar fashion, noting that the Greeks themselves recognized a common cultural basis 937 […] for their laws in their language, religion, and customs”.

Dem muss ich sogleich widersprechen: Es geht nicht an, die Beispiele bei Mitteis, Wolff und Biscardi als taxative Aufzählung zu behandeln.938 Noch viel weniger dürfen die kontinentaleuropäischen Vorstellungen von der Existenz und der Entstehung griechischen Rechts bloß als Verwirklichung abstrakter (letztlich also gar nicht vorhandener) geistiger Gemeinsamkeiten verstanden werden. Es handelt sich nachweislich um sehr konkrete Einrichtungen (oikos, Familienstruktur und Verwandtschaft mit Auswirkungen auf das Eigentumsverständnis,939 Polisbildung mit Konsequenzen für Recht, Politik und Religion940 und die olympische Religion,941 die rechtserzeugend wirkt), die nicht nur in einigen wenigen Poleis, sondern im weiträumigen griechischen Siedlungsgebiet gelebt

934 (1975 und 1965). 935 (1982). 936 2005, 30 ff. 937 Damit wird das Rechtsinstitut der Epikleros nicht angemessen gewürdigt, obwohl es eines von ganz wenigen ist, für das nicht nur ein gesamtgriechischer, sondern wahrscheinlich sogar ein indo-europäischer Ursprung angenommen werden kann. 938 Das wird noch deutlicher, wenn Gagarin (2005, 31) meint, sich – wie Finley – auf die von Wolff und Biscardi genannten Prinzipien („of property law – private ownership, inheritance by blood heirs“ etc.) beschränken zu können. – Finley und Gagarin sollten eine solche Beschränkung begründen, denn gerade der Umstand, dass sie diese Kriterien als Grundlage für ein gemeingriechisches Recht für unzureichend erachten, hätte sie zur Untersuchung weiterer Bereiche veranlassen sollen. 939 Etwa die bei Finley erwähnte Diadikasie und díke exoúles und der Schutz des Grundeigentums. 940 Dazu in Kapitel II 11; zum Erbrecht in Kapitel II 10. 941 Dazu in Pkt. 7 dieses Kapitels: Toten- und Ahnenkult, Schenkung auf den Todesfall, Adoption, Testament, Stiftungswesen, Testamentsvollstreckung usw. Der Tod war in Griechenland nicht nur allgemeiner Kultur-, sondern auch Normgenerator.

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wurden. Diese Anschauungen und Grundsätze wirkten – wenn sie auch nicht einheitlich und synchron praktiziert wurden – strukturierend und normbildend. Ohne Klarstellung der Wirkungs- und Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft, Recht und Religion ist hier nicht auszukommen. Beide, sowohl Finley als auch Gagarin, dessen empirische Basis sehr dünn ist, haben dies versäumt. 942 Die Epitheta des Zeus Xeínios, Hórkios, Hikésios oder Kathársios943 entstanden aus vergleichbaren gesellschaftlichen Auffassungen und waren nicht nur in Athen und Sparta bekannt und für die Rechtsentwicklung folgenreich. Das gilt auch für Themis,944 Dike945 und Verwandtes.946 Es waren die miteinander ‚verwandten’, polis- und landschaftsübergreifenden gesellschaftlich und religiösen Grundlagen, die einen Zeus Patér, Chthónios, Ktésios, Polieús oder Eleuthérios mit rechtlichen Konsequenzen konstituierten. Auch die weithin parallele Einstellung zur gleichgeschlechtlichen Liebe – auch damit ging Zeus voran (Ganymed!) – oder die weitverbreiteten Regeln des Nomos moicheías wurden, wenn auch mit Modifikationen und Auslassungen, von polisübergreifenden Grundwerten bewirkt.947 Die griechische Scheu, Gesetze aufzuheben oder auch nur formell abzuändern, gehört ebenso hierher948 wie die Schicksalsvorstellungen, die sich mehrfach und grundlegend änderten und zentrale Rechtskonzepte (wie die Individualhaftung für zurechenbares Verschulden und alles, was damit zusammenhängt) beeinflussten.949 Der Zusammenhang von Recht, Gesellschaft und Religion in diesen Fällen ist evident, wobei – wie wir seit E. R. Dodds950 wissen – „the moral education of Zeus“ über die Gesellschaft erfolgte. Liefern nicht auch die großen religiösen Stätten und Feste des alten Griechenland – etwa die Orakel (Delphi, Dodona, Didyma) – und die gesamtgriechischen Agone (Olympia, Delphi oder Isthmia) wichtige Indizien für Gemeinsamkeiten der Griechen (auch in

942 Man vermisst das alles bei Gagarin. – Zum panhellenischen Charakter der Zeusverehrung in Pkt. 7 dieses Kapitels bei Anm. 1319. 943 Vgl. dazu die Aufzählung weiterer Zeusepiklesen in Pkt. 7 (ab Anm. 1293) und die Skizze: ‚Zeusepiklesen und das Entstehen göttlicher (und rechtlicher) Werte’. 944 Man denke nur an die Bezeichnung von Gesetzen als Themistés. 945 Der Name der Göttin wird zur Klagsbezeichnung. 946 Etwa die Zuschreibung rechtlich relevanter Eigenschaften an zentrale Götter wie Apollon. Dazu in Pkt. 7 dieses Kapitels. 947 Auch W. Burkert (1977, 206 f) betont die rechtschöpfende Kompetenz von Zeus, von dem alles Recht stammt. 948 Dazu etwa Bonner/Smith 1930, I 71 ff, insbesondere 75 und etwa in Kapitel VII vor Punkt 1: ‚Scheu der Griechen altes Recht aufzuheben oder abzuändern’. 949 Dazu Näheres in Kapitel II 4-6: Drakons und Solons Lösungen für vorsätzliche und unvorsätzliche Tötungen fanden eine weite Verbreitung. Der Delphische Apollon hat dieses Konzept jedenfalls mitgestaltet, und er hat die Überführung der Blutrache in den staatlichen Gerichtszwang unterstützt; vgl. dazu auch Kapitel III 3. – Zu den Grundlagen der Blutrache Kapitel II 10: ‚K. Meuli und die Blutrache’. 950 Vgl. den Hinweis in Pkt. 7 dieses Kapitels bei Anm. 1435.

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anderen Bereichen)? Es bräuchte demnach eine Umkehr der Beweislast und eine Erklärung dafür, warum, trotz großer Gemeinsamkeiten, im Rechtsbereich alles ganz anders gewesen sein soll.951 – Dazu hat Gagarin keinerlei Untersuchungen angestellt. Wie sehr die Ablehnung eines gemeingriechischen Rechts durch Finley und Gagarin an der Oberfläche bleibt, zeigt eine Bemerkung Gagarins in einer Fußnote, nachdem er neuerlich – diesmal stellvertretend für die gesamte angloamerikanische Wissenschaft (!) – das Konzept eines ‚griechischen Rechts’ abgelehnt hat:952 „Many would agree with Todd’s preference (1993: 16) for speaking of ‚the Greek family of legal systems’.“

Was bedeutet diese Familienmetapher, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen werden?953 – Bestehen nicht ‚Familien’ aus mehreren Generationen und ‚Elternpaare’ aus erwachsenen, nicht verwandten Personen verschiedenen Geschlechts. Dazu gehören Kinder verschiedenen Alters, die einander mitunter zum Verwechseln gleichen, manchmal aber keine Ähnlichkeit haben. – Genau besehen ist der von Gagarin neu angefachte Streit, doch nur ein Streit um Worte.954 Gagarin benötigte diesen Gegensatz offenbar, um seine – wohl von L. Mitteis übernommene – These wirkungsvoller anbieten zu können. Allein diese These ist problematisch: Denn es ist unannehmbar und es widerspricht rechtshistorischer Erfahrung, materielles und formelles Recht als offenbar genetisch beziehungslose Teil(bereich)e griechischer Rechtsordnungen – aller Poleis? – zu zerreißen, wie Gagarin dies tut. So bleibt die Frage unbeantwortet, ja sie wird nicht einmal aufgeworfen, woher die ‚griechische’ Einheit im Verfahrensrecht kommen soll, worin ihre Grundlagen liegen. Finleys Frage an L. Mitteis ua. ist nun an M. Gagarin zu richten. Es hätte nahe gelegen, den Bereich etwas eingehender und nicht synchron, sondern diachron zu behandeln, ist aber unterblieben. – Als Hypothese will ich ge-

951 Man muss auch nicht Biscardi (in allen Details) folgen, der glaubte, mittels des athenischen Rechts, Rückschlüsse auf andere griechische Rechte ziehen und für didaktische Zwecke von einem gemeinen griechischen Recht sprechen zu können. – Gagarins Einwände und Hinweise auf Finley (2005, 33 f) taugen wenig, so wenn er athenisches und ptolemäisches Recht gegeneinander auszuspielen versucht. Wenig sinnvoll seine Definition: „significant features that are common to all times [!] and places [!] for which we have evidence (as well as being different from most other legal systems)“. Schon um Differenzen besser verstehen und realistisch beurteilen zu können, wäre innerhalb des griechischen Rechtkreises zu unterscheiden: zwischen mehreren Rechtsfamilien, etwa einer, attisch-ionischen, dorischen, lokrischen. Eigenentwicklungen in Kolonien dürfen ebenso wenig übersehen werden, wie politische Konkurrenz und agonales Verhalten. – Finleys und Gagarins Fragen sind zu eng. 952 2005, 34 Fn 12. 953 Zur Rechtskreis- oder Rechtsfamilienlehre: bei Anm. 826; vgl. auch bei Anm. 905. 954 Vgl. den Hinweis am Beginn dieses Punktes.

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gen Gagarin, daher formulieren: Materielles und formelles Recht bilden grundsätzlich eine Einheit, sie entstammen demselben gesellschaftlichen Boden und sie wurzeln in denselben Wertvorstellungen. Es geht nicht an, für einen Bereich etwas anzunehmen und den anderen davon vollkommen auszuschließen. Gagarin hat dieses Problem nicht gesehen. Diese beiden Rechtsbereiche dürfen nicht künstlich getrennt werden. Für frühe Entwicklungen gilt dies ganz besonders. Doch nun zu Gagarins eigentlichem Anliegen, mit dem er etwas ganz Neues vorzubringen meint:955 „But there is another aspect of law that has been generally overlooked in this debate, namely 956 procedure, broadly understood as the process of litigation and the organization of justice (legislation, courts, judges/jurors, magistrates, etc.). In this general aerea, I think, we can find features that are similar, if not for all poleis, at least for most of those for which we have evidence, and (just as important) that are not found in most comparable legal systems outside of Greece.”

Gagarin verweist auf seine Ausführungen zum Recht von Gortyn,957 wozu er wichtige Ergebnisse präsentiert hat, die er in Auseinandersetzung mit G. Thür gewonnen hat. Sie verdienen Anerkennung.958 Die Schlüsse und Konsequenzen, die daraus gezogen werden müssen, sind aber – so meine ich – andere. Die in der Tat beachtliche – und schon bisher bekannte959 – Übereinstimmung im Verfahrensrecht und in den justiziellen Institutionen und Organen griechischer Poleis (bei terminologischer Differenz) rührt wohl daher, dass das Verfahrensrecht für seine Funktionsfähigkeit weniger Anpassung an politische und gesellschaftliche Verhältnisse braucht als das materielle Recht, sei es öffentliches oder privates. Man kann auch sagen, das Verfahrensrecht ist, jedenfalls in seinen Grundstrukturen, resistenter gegen politischen und gesellschaftlichen Wandel; sein Grundaufbau bleibt in einer Demokratie derselbe wie in einer Oligarchie und oft auch in einer Tyrannis: Kläger/Klage, Beklagter/Klagebeantwortung, Richter/Urteil; Einleitung des Verfahrens durch die Parteien etc., die auch den Prozessstoff liefern usw. Dazu kommt, dass das Verfahrensrecht, stärker als das materielle Recht, eine (aus der Zeit des nomologischen Wissens stammende) Verbindung zum religiös-rituellen Bereich bewahrt hat; Eid, Selbstverfluchung, Schwurformeln, Opfer, Rituale etc. Das materielle Recht unterliegt dagegen schon in der griechischen Archaik und Klassik einem akzentuierten und kontinuierlichen Wandel, der sich vom Verfahrensrecht abhebt.

955 2005, 34. 956 Vor Gagarin hatte bereits Sealy (1994) darauf hingewiesen. 957 2001, 42; s. auch 2004. 958 Avramoviü 2007, 430 kritisiert zu Recht die Behandlung von G. Thür (2005a) durch D. Cohen und Gagarin. 959 Siehe den Hinweis auf L. Mitteis ab Anm. 889.

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Als Beispiele für diese Annahme verweise ich auf die Entwicklung des Individualeigentums, und der Stiftung.960 Auch die Genese961 des einseitigen letztwilligen Rechtsgeschäfts/Testaments – mit den Zwischenstufen der Schenkung unter Lebenden, derjenigen auf den Todesfall und des Adoptionstestaments – ist hier zu nennen. Die tiefgreifenden Änderungen des sogenannten Blutrechts unter Drakon und Solon lehren uns noch mehr: Materiellrechtliche und prozessuale Regeln entwickeln sich keineswegs grundsätzlich getrennt voneinander, sondern meist in enger Verflechtung. So wenn Drakon, der dabei vielleicht nur bestehendes sakrales Gewohnheitsrecht verschriftet und weiterbildet, vorsätzliche und unvorsätzliche Tötung unterscheidet und diese Fälle einem besonderen, die Blutrache zurückdrängenden Ritual (auf sakralrechtlicher Basis) unterwirft.962 – Das Verfahrensrecht dagegen konnte sich im Wesentlichen, so wie es uns aus Homerischer Zeit bekannt ist, ohne große Änderungen halten. Die Weiterentwicklung bestand vornehmlich in Ergänzungen, die entweder auf der Hand lagen oder institutionellen Neuerungen entsprechen sollten.963 Zu beachten ist dabei, dass die Grenzziehung zwischen materiellem und formellem Recht nicht immer leicht ist, man denke nur an den Richtereid. – Damit wird nicht geleugnet, dass es auch bedeutende Weiterentwicklung im Verfahrensrecht gegeben hat; etwa im Beweisrecht oder beim Einsatz des Eides. Ein Vergleich im (öffentlichen und privaten) materiellen griechischen Recht muss daher anders unternommen werden, als Finley und Gagarin dies versucht haben. Ich führe hier lediglich an: diachrone, nicht synchrone Betrachtung (Entwicklungsstufen, Verlaufsanalysen, Beachtung der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen etc.); funktionale und nicht nominale Analyse und Betrachtung; Unterscheidung von Rechtsfamilien innerhalb des Rechtskreises: (etwa ionische, dorische, lokrische Poleis); Berücksichtigung der Kolonien und Bündnisse usw. Auch die parallel verlaufende politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung wäre zu beachten, weil legal isolation in eine Sackgasse führt. Gagarins und Cohens pauschale Verdammung der Vergleichenden Methode wirkt überdies befremdlich.964 Insgesamt muss das alles gründlicher getan werden als bisher.965

960 Kapitel II 19, 20 und 21. 961 Kapitel II 10. 962 Dazu insbesondere in Kapitel II 6 und 10. 963 Letzteres gilt für die Anpassung des Beweisrechts (von gebundener zu einer freien richterlichen Beweiswürdigung) im Rahmen der Drakontischen Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Tötung. – Zum Verfahrensrecht Kapitel VII 1: Rechtsidee. 964 Das moniert auch Avramoviü 2007, 430. 965 Brucks Auffassung von Aufgabe und Methode der Wissenschaft kann dabei hilfreich sein (Anm. 73).

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Gagarin und seine Mitstreiter rügen Biscardi für seinen Versuch, aus dem athenischen Recht andere Polisrechte zu verstehen und mitunter auch zu ergänzen – worüber man in der Tat streiten kann. Doch Gagarin verfährt ebenso. Manches, was er dem Verfahrensrecht zuschreibt, gilt auch für das materielle Recht; etwa die geringere Bedeutung der Form. Beachtliche Übereinstimmung gab es aber auch, wie wir der Aiginetischen Rede des Isokrates ent966 nehmen können, im gesetzlichen Erbrecht. Insgesamt ist es zielführender, nicht nur einzelne Regeln zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern Rechtsinstitute, ihre Entwicklung und ihre Beziehung zueinander zu berücksichtigen. Detail- und Momentaufnahmen können in die Irre führen.

Die Formel des in ganz Griechenland nachweisbaren Richtereides betrifft die Lückenfüllung im materiellen Recht; sie ist zugleich Rechtsschöpfung und Rechtsanwendung und nicht, wie Gagarin meint, bloß eine Regel des Verfahrensrechts.967 Dieses Rechtsinstrument zieht Gagarin daher in unzutreffender Weise für seine Argumentation heran. Seine Feststellung, dass es sich dabei um eine griechische Besonderheit handelt, die weder die Gesetze des Nahen Ostens, noch die Gesetzgebung Hammurabis kennen, ist wertvoll, unterstützt aber seine Argumentation nicht. Anders als Cohen, der Gagarins Einführungsbeitrag im „Cambridge Companion“ hoch schätzt, komme ich zum Ergebnis, dass die von Gagarin angebotene Synthese so nicht vertretbar ist. Die Ausführungen zur Lückenfüllung968 sind wenig ergiebig; so glaubt Gagarin (mit Finley und Wolff) darauf hinweisen zu müssen, dass das griechische Recht generell durch einen „lack of professionalization“ charakterisiert sei.969 – Gagarins „conclusion“ ist nicht das Ergebnis logischer Schlussfolgerungen. Gagarins Angriff auf Ludwig Mitteis „and his followers“ halte ich daher für vorerst gescheitert:970 „This conclusion is something of a paradox. The concept of the unity of greek law originated in the nineteenth century in the work of scholars like Mitteis who were trained as papyrologists, grounded in Roman law, and specialized primarily in Greek law of Ptolemaic and Ro971 man Egypt. Even after Finley’s challenge, the majority of defenders of the unity thesis have

966 Dazu in diesem Kapitel Pkt. 8 und mein Beitrag 2007b, 49. 967 Dazu öfter: In diesem Kapitel Pkt. 8: ‚Der ungewöhnliche Aufbau der Urkunde’ und Kapitel II 4: ‚Förderung der Lehre von der rechtlichen Kausalität durch Antiphon’ – zu Wolffs und Thürs Ablehnung des ágraphos nómos; in Kapitel VII 5: ‚Rechtsfortbildung und Lückenfüllung’. – D. Cohen 2005, 4 hebt Gagarins Ausführungen zur Lückenfüllung besonders hervor. Aber Cohens Hinweise zeugen nicht von tieferem Verständnis; aaO 4 Fn 5 missversteht (?) er die Schweizerische Lückenfüllungsregel und vermengt sie mit der des Code Civil. Die reifste Ausformung dieser Regel im ABGB (die auch der Schweizer Regel als Vorbild diente) kennt Cohen nicht. Dazu auch in Kapitel VII 1: ‚Recht als Ausdruck entwickelter Staatlichkeit’ – Richtereid. 968 2005, 35 ff: Diese Ausführungen sind unergiebig oder sogar falsch. 969 2005, 38 f. – Vgl. dazu Kapitel II, VI und VII. 970 2005, 40. 971 Das trifft nur zum Teil zu: Ludwig Mitteis hat neben Papyrusurkunden (aus dem ptolemäischen Ägypten) auch wichtige Steininschriften Griechenlands und Kleinasiens erschlossen; vgl. Thür

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continued to be scholars trained in Roman law and (often) papyrology who do significant work on Hellenistic law. […]” – „The unity I find in Greek law, therefore, is a general procedural unity, grounded in the archaic and classical periods, not the substantive unity, grounded in Hellenistic law, in which Mitteis and his followers believed.”

Dass Gargarin kein Wort darüber verliert, woher die Werte und Maximen der von ihm entwickelten – die allgemeine ‚unity thesis’ modifizierenden – ‚procedure-unity thesis’ stammen sollen, ist wissenschaftlich unbefriedigend. Er hätte sich wohl eingestehen müssen, dass die Basis des nomologischen Wissens, die allein dafür in Betracht kommt, nicht nur das Verfahrensrecht, sondern auch das materielle Recht getragen haben muss. Dann hätte kein neuer Gegensatz zwischen den USA/England und Europa aufgebaut werden können, und eine neue These hätte nur die alte von Ludwig Mitteis, Arnoldo Biscardi, F. Pringsheim, H. J. Wolff ua. verbessern und vertiefen können. Ich meine, dass eine solche Arbeit sehr verdienstvoll gewesen wäre; sie hätte Gräzistik und Romanistik vorangebracht, selbst wenn man ein geringeres Ausmaß der Einheit des griechischen Rechts annehmen hätte müssen. Eine echte Synthese hätte die Rechtskreis- oder Rechtsfamilienlehre geboten,972 die Gagarin nicht weiter beachtet hat. Das hätte allerdings bedeutet, dass er sich auf Ludwig Mitteis und dessen begabte und einflussreiche Schüler (E. Rabel, J. Partsch, L. Wenger,973 W. Kunkel, H. J. Wolff, W. Selb, G. Thür ua.) stützen hätte müssen.974

2006b, 3. 972 Dazu schon oben ab Anm. 826. 973 L. Wenger bleibt von Gagarins Kritik verschont. – Thür umreißt Wengers Konzept einer Antiken Rechtsgeschichte: „Er sieht, vergröbernd zusammengefasst, den gesamten Mittelmeerraum und den Vorderen Orient als kulturelle Einheit in einer universalgeschichtlichen Entwicklung. Das kalte dogmatische Gebäude des klassischen römischen Rechts habe erst durch Justinian jene menschlichen Dimensionen erhalten, die es zur Grundlage der europäischen Rechtsentwicklung tauglich gemacht hätten. Justinian habe die griechischen und indirekt auch die orientalischen Rechtsvorstellungen in das römische Recht einfließen lassen.“ – Diese wenigen Sätze zeigen, was von Gagarins reduktionistischer Einschätzung von L. Mitteis und seinem Kreis zu halten ist. Wengers Konzept wurde freilich von L. Mitteis, Koschaker, aber auch Schülern von L. Mitteis nicht weiterverfolgt und von manchen, etwa H. J. Wolff, kritisiert; vgl. Thür 2006b, 3 Fn 4 und Steinwenter 1955, 161. (Zu Leben und Werk von L. Mitteis: E. Weiss 1922.) Man zog es vor, die von Wenger „entwicklungsgeschichtlich verbundenen Rechtskreise weiterhin eher isoliert“ zu erforschen. Bei Thür findet sich aber folgende optimistische Einschätzung der Entwicklung: „Gerade hier zeigt sich aber, […], heute ein Wandel. Der wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhang des gesamten Mittelmeerraumes wird wieder mehr betont.“ – Zu Wenger Steinwenter 1955, 157 ff, Höbenreich 2006, 17 ff und Ries 2006, 33 ff. All das hat Gagarin nicht berücksichtigt, vielleicht weil es seine Haltung nicht stützt. 974 Vgl. Thür 2006b, 3. – Auch Pappulias (1912) erinnert an gemein-griechisches Recht und an die von den Griechen verwendeten Begriffe LPJOPh O²NPJ und LPJO† U¡K A&MMƒEPK EeLBJB und er unterscheidet vier Perioden gemein-griechischen Rechts: die altgriechische, die hellenistische, die byzantinische und die nachbyzantinische. Besonderheiten der Intestaterbfolge hätten sich bspw. ebenso vom altgriechischen bis ins byzantinische Recht erhalten wie die „Gewohnheit nach der

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Weder der Wechsel von einem Extrem ins andere, kann – wie von Finley erhofft – als des Rätsels Lösung angesehen werden, noch entspricht Gagarins halber Schritt zurück schon der Wirklichkeit, vielmehr wird die eigene Position immer noch in mancher Hinsicht überschätzt, was der Wissenschaftsgemeinschaft nicht gut getan hat. Es ist daher immer noch H. J. Wolffs selbstkritische Würdigung der bisherigen Entwicklung vorzuziehen, die von extremen Positionen abgerückt ist. – Gagarins Behauptung, seine Position werde umso stärker gestützt, je mehr Kenntnisse erlangt würden, trifft nicht zu. Dazu habe ich bereits manches gesagt und werde auch in den Abschnitten zur Religion, zur Kolonisation und zum Völkerrecht Stellung dazu nehmen. Auch Einwände zur Methode halte ich für angebracht, denn Gagarin arbeitet rein juristisch und setzt keine anderen Methoden ein. Das ist bemerkenswert, weil die von Cohen behauptete methodische Öffnung des ‚Companion’ gerade auf Gagarin nicht zutrifft. Gagarin hat sich lediglich auf Finleys Überlegungen gestützt. In den folgenden Abschnitten setze ich mich mit der griechischen Religion und den Heroenkulten, mit dem Kollisionsrecht und dem Völkerrecht auseinander. Alle diese Phänomene haben zur Rechtsvereinheitlichung im antiken Griechenland wesentlich beigetragen und verdienen daher gebührende Aufmerksamkeit.

7. Olympische Religion und Heroenkulte „Das Menschenleben selbst führt immer und überall zur Feier bestimmter Phasen, Geburt, Mannbarkeit, Hochzeit, Tod, ebenso der Wechsel der Jahreszeiten und der durch sie bedingten Hauptarbeiten, Saat und Ernte vor allem. Das fordert Heiligung, so dass die religiösen Gefühle im wesentlichen dieselben bleiben, wie immer sie sich ausdrücken, und die Götter, an welche sich Bitte und Dank richten, wechseln können, ohne dass es für die Religion und selbst den Festbrauch viel ausmacht.“ U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen (1973)

Wir machen uns heute kaum mehr eine Vorstellung von der Bedeutung der griechischen Religion und des mit ihr verbundenen Kultus für die Entwicklung des griechischen Geisteslebens (und damit auch des Rechts). – Zur Rolle des Kultus

die dotierte Tochter neben den Brüdern nicht erben kann“; dazu auch Kapitel II 10.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

bei den Griechen hat sich Ehrenberg geäußert:975 Für ihn ist der Kult „die wesentliche Form des Verkehrs zwischen Mensch und Gottheit“, er ist „an Gemeinschaft gebunden“, wobei die Polis, neben anderen gentilizischen und unterstaatlichen Gruppen, sein wichtigster Träger ist. Es gab im Rahmen des Kultus zahlreiche staatliche Opfer, jährliche und solche, die in größeren Abständen gefeiert wurden, wofür überall in Griechenland Festkalender existierten; Deubner976 hat für Attika einen solchen Festkalender abgedruckt.977 Für Ehrenberg hatten die Opfer auch „ihre wirtschaftliche Bedeutung“, denn sie boten die „für den Durchschnittsgriechen nicht gerade häufige Gelegenheit eines guten Essens mit reichlichem Fleischgericht, und das noch auf öffentliche Kosten“. Vollzogen wurden diese Kulthandlungen durch Beamte der Polis, „nicht etwa Priester, die außerhalb ihres Heiligtums und ihrer im allgemeinen sehr eng begrenzten Tätigkeit nicht in Erscheinung traten“. Deshalb kam es in Griechenland, von Einzelfällen wie Delphi abgesehen, „nie zu einem Übergewicht der kultischen Sphäre über die staatliche, so unbedingt auch beide verbunden waren“. Es existierte „keine Autonomie des Religiösen vom Staatlichen, aber ebenso wenig eine des Staatlichen vom Religiösen“.978 – Der enge Konnex beider Bereiche führte zu einer besonderen „Bedeutung des Eides für die Polis“.979 Infolge der staatlichen Ausrichtung sah sich der Kult immer wieder zur Abwehr von (vermeintlichen) Angriffen verpflichtet; allein es gab „kein rechtgläubiges

975 19652, 90 ff. – Zur Entwicklung der Opferbräuche später in diesem Punkt: ‚K. Meuli und die Griechischen Opferbräuche’. – Die griechische Religion bestand nicht nur aus Zeus, Hera, Athene, Apollon und einigen weiteren Göttinnen und Göttern, sondern auch aus einer Schar von Halbgöttern, vergöttlichten Menschen (Heroen/-inen, Heilige?) sowie Haus- und Stammesgottheiten. Das hat Jane E. Harrison (etwa 1911/1963) gezeigt. 976 1959, 269 f. 977 Der altrömische Festkalender baut nach Latte (1967/1976, 39) auf einem zyklischen lunisolaren Jahr auf, das die Römer (durch etruskische Vermittlung) um 500 von den Griechen übernommen hatten. Latte geht aaO 264 ff auch auf die Hellenisierung der Götter Roms im Laufe des 2. Jhs. v. C. ein. 978 Wilamowitz (1905, 29): „Der griechische Staat ist immer zugleich Kirche geblieben: das Recht hat es erreicht, sich von der Religion zu emanzipieren“. Allein Wilamowitz zieht daraus den verfehlten Schluss: „[…] aber indem es [sc. das Recht] theoretisch von dem absoluten Gerechten ausging, ist die Philosophie an Stelle der Jurisprudenz getreten, und indem es sich praktisch von dem Willen der Gesellschaft leiten ließ, ist es mit dieser gesunken“. (Wie wenn es je ein Recht gegeben hätte, das nicht der Gesellschaft entstammte! Zu weiteren verfehlten Schlüssen von Wilamowitz schon in der ‚Einleitung’ Anm. 17 f.) – Dieses integrierte Ineinanderübergehen von Staat, Politik, Religion und Recht hat der Polis einen „Kampf zwischen den Zwangsmitteln verschiedener Verbände“, der nach M. Weber (1967 2, 78) so alt ist wie das Recht, erspart. Weber fügt hinzu, dass dieser Kampf „in der Vergangenheit sehr oft nicht mit dem Siege der Zwangsmittel des politischen Verbandes geendet“ hat, und auch heute sei dies nicht immer der Fall. 979 Hervorhebung von mir. – Dazu auch in den Kapiteln III 3: ‚Zur Bedeutung des Eides’ und IX 6: ‚Sakrale Rechtsformen’.

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Dogma zu verteidigen“;980 und was von Toleranz oder Intoleranz der griechischen Religion geredet wird, „geht an ihrem Wesen vorbei“. Die Abwehr von ‚Angriffen’ erwuchs „aus der Verbundenheit der Polis mit ihren Kulten“:981 „Die öffentlichen Anklagen wegen ‚Unfrommheit’ (‚TzCFJB) aber richteten sich doch nicht nur gegen ausgesprochene Kultfrevler, sondern konnten sich gegen den ‚Glauben’ richten, insoweit er die einheitliche politisch-religiöse Tradition bedrohte. Als ihre Hüter und als Vertreter einer Bürgerschaft, deren Bürgersein ohne ‚Frommheit’ unmöglich war, begreifen sich die Ankläger des Anaxagoras und Sokrates.“

F. G. Jüngers Essay über „Griechische Götter. Apollon, Pan, Dionysos“ vermittelt etwas von der Bedeutung der olympischen Religion für die Griechen:982 „Was also ist es, das die Griechen auszeichnet? Fassen wir alles zusammen, dann dürfen wir sagen: Nicht die griechische Philosophie ist das höchste der Griechen, nicht dieses Denken, das von der Sprache der Bilder [Mythos] zur Abstraktion [Logos] fortgeht, nicht die griechische Wissenschaft, die das Fundament aller Wissenschaft ist, sondern der allgegenwärtige Geist des Apollon, der das Wagnis des freien Denkens überhaupt erst ermöglicht und ohne den es weder Naturphilosophen noch Pythagoräer, Akademien und Wissenschaft geben würde. […] Der Gott, der die Grenzen setzt und hütet, hat ihnen den Weg geebnet, er hat die Bahn für den großen Agon der Geister freigemacht. Jenes ‚Erkenne dich selbst’, wer anders spricht es als Apollon, und was anders sagt er damit als: Täusche dir nichts vor, nimm deine Besonnenheit zusammen, und du wirst sehen, wer du bist und wofür du bestimmt bist, du wirst dir selbst klar werden, und das gelingt dir, denn du stehst in meinem Schutze. Den, der mich ehrt, überschütte ich mit Licht, und heilsam wird ihm die Helle, auch wenn sie ihn schmerzt, wenn sie ihn wie Feuer zu verbrennen scheint. Denn Selbsterkenntnis ist ohne Schmerz nicht zu denken, so wenig wie das Bewußtsein. Nichts führt daher weiter von dem Apollon fort als jenes Streben, das um jeden Preis, und sei es den der geistigen Vernichtung, das Bewußtsein und damit den Schmerz loswerden möchte.”

Die olympische Religion ist für rechtliche Fragen wichtig, ist doch der griechische Götterhimmel – über Zeus, Hera und Apollon hinaus – eng mit dem Recht verknüpft. Olympische Religion983 und Heroenkulte984 waren Generatoren,

980 Ehrenberg 19652, 93 f. 981 Ehrenberg, aaO 94. 982 1943, 25 f. Jünger sagt dies bei der Darstellung des Gottes Apollon. 983 Grundlegend: Wilamowitz-Moellendorff (1931/1932); Walter F. Otto (19706); Burkert (1977 und 19972); Dodds (1951/1997); Lloyd-Jones (1971/19842); Nilsson (1927). Ich folge dem Religionsbegriff von Burkert 1997², 4: Danach wird Religion „als geschichtliches und soziales Phänomen betrachtet, als Medium der Tradition und Kommunikation“. Weitere Begründung bei Burkert. – Die olympische Religion wurde nicht erst in oder nach den Dunklen Jahrhunderten geschaffen, sondern stammt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil schon aus mykenischer Zeit; vgl. dazu nach Anm. 1560 und in Kapitel VI 4: ‚Ägäische Frühzeit und Archaik’. – Zur Entstehung von ‚Recht’ und ‚Religion’ in frühen Gesellschaften Kapitel IX. 984 Zu Heroenkulten ab Anm. 1442; vgl. auch in Kapitel VI 4: Insbesondere ‚Ägäische Frühzeit

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Transformatoren und Verstärker für das Entstehen eines gemeinen griechischen Rechts.985 Ein Erklären und Verstehen von gemeinem griechischen Recht setzt nämlich mehr voraus als den bloßen Hinweis auf bedeutende idente oder doch inhaltlich weitgehend übereinstimmende normative Phänomene, deren Existenz durch zahlreiche Inschriften, Urkunden, Papyri usw. bewiesen werden konnte.986 Es braucht daneben, ja zu allererst, einen (Erklärungs)Ansatz, der das Entstehen dieser gemeinsamen Rechts- und Wertgrundlagen plausibel zu machen vermag – es sei denn, man begnügt sich mit der Feststellung, dass es Derartiges gegeben hat, was aber wissenschaftlich unbefriedigend wäre.987 Gemeinsame Rechtsgrundsätze, Rechtsprinzipien und rechtliche Institutionen, die als Ordnungsprinzipien (im Rahmen der Rechtsidee)988 fungieren, fallen nicht vom Himmel. Um die Rechts-Welt der Griechen zu verstehen, müssen wir daher auch versuchen, ihre religiöse Welt, ihre Wert- und Moralmaßstäbe, ihr Welt- und Menschenbild kennenzulernen, denn dies alles ist Rahmenbedingung frühen Rechts. – Das Recht ist kein von der Gesellschaft abgespaltenes Produkt, sondern entwickelte sich aus und parallel zu diesen Vorstellungen. Zu Beginn des Kapitels ‚From Shame-Culture to Guilt-Culture’ stellt E. R. Dodds ebenso schlicht wie überzeugend fest:989 „When we turn from Homer to the fragmentary literature of the Archaic Age, and to those writers of the Classical Age who still preserve the archaic outlook – as do Pindar and Sophokles, and to a great extent Herodotus – one of the first things that strikes us is the deepend awareness of human insecurity and human helplessness (‚NFDBOeB), which has its religious correlate in the feeling of divine hostility – not in the sense that Deity is thought of as evil, but in the sense that an overmastering Power and Wisdom forever holds Man down, keeps him from rising above his station. It is the feeling which Herodotus expresses by saying that Deity

und Archaik’. 985 Zu den Zusammenhängen von Recht und Religion (die gemeinsam entstehen und sich zunächst auch gemeinsam entwickeln) auch Kapitel II 3 (‚Hatte Drakon Vorbilder?’; und oben bei Anm. 728 ff: Burkert). Kapitel II 3-6 behandelt die Entstehung des Drakontischen (und des späteren Solonischen, durch Jahrhunderte geltenden griechischen) Blutrechts aus dem Sakralrecht des Delphischen Apollon. 986 Vgl. die Beispiele von H. Lewald im folgenden Pkt. 8. 987 Voegelins Dreistufentheorie der griechischen Kulturentwicklung: Minoisch, mykenisch, archaisch (bei Anm. 833) geht zwar in diese Richtung, muss heute aber, als wissenschaftlich in dieser Form kaum mehr haltbar, anders begründet werden. Seine Argumentation, die eine (mehr oder weniger) ungebrochene Tradition über die Dunklen Jahrhunderte hinweg annimmt, lässt sich nicht mehr (uneingeschränkt) aufrechterhalten; dazu auch in Kapitel VI 4: ‚Ägäische Frühzeit und Archaik’. 988 Dazu Kapitel VII 1. 989 1951, 29. – Zu dieser wichtigen Arbeit Dodds’ später, etwa zur Bedeutung der griechischen Familie und des Hauses/oikos bei Anm. 1405, zum Verhältnis von Recht und Religion bei Platon in Kapitel VII 1: ‚Rechtsidee’ und ‚Rechtsbegriff’; zur Frühzeit und zum nomologischen Wissen: Kapitel IX.

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is always GRPOFS²O UF LBh UBSBDÎEFK. ‘Jealous and interfering’, we translate it; but the translation is not very good – […] The thought is rather that the gods resent any success, any happiness, which might for a moment lift our mortality above its mortal status, and so encroach on their prerogative.“

Dodds zitiert Homer,990 der Achill im Anblick des gebrochenen Feindes Priamos Ähnliches verkünden lässt, worin Dodds „the tragic moral of the whole poem“ erblickt: „For so the gods have spun the thread for pitiful humanity, that the life of Man should be sorrow, while themselves are exempt from care.”

Homer kleidete diese für Menschen so missliche Situation in das ‚Bildnis von den zwei Krügen’, aus denen Zeus gute und üble Gaben zumisst: „To some man he gives a mixed assortment, to others, unmixed evil, so that they wander tormented over the face of the earth, ‘unregarded by gods or men.’ As for unmixed good, that, we are to assume, is a portion reserved for gods. The jars have nothing to do with justice: else the moral would be false. For in the Iliad heroism does not bring happiness; its sole, and sufficient, reward is fame.”

Das zeigt, dass die (wohl nicht ganz zu Unrecht) kritisierte Ruhmsucht der Griechen, tiefere Wurzeln hat. Sie erwächst der bitteren – den Griechen schon durch Homer vermittelten – Einsicht, dass auch für heroische Menschen nicht alles zu erlangen ist. Die archaischen Menschen legten ihre Wünsche, Hoffnungen, aber auch ihre Ängste, Zweifel, Unsicherheiten und zunächst vielleicht auch manche Vorstellung von Ordnung in ihre Religion.991 Sie versuchten, damit das menschliche Dasein zu erklären und ihm Sinn zu geben. Daneben hatte ‚Religion’ – wie das ‚Recht’ und die ‚Gerechtigkeit’ – stets auch einen legitimatorischen Aspekt.992 Auch das Recht, das zunächst als menschliches Hoffen und/oder Wünschen in den ‚Himmel’ gehoben worden war, wurde als Geschenk oder Forderung der Götter ‚empfangen’ gedacht. Diese Vorstellung passte wie für die Religion auch für das Recht, weil es – wenngleich irdischer und mehr der Wirklichkeit verpflichtet, bestrebt sein musste, das Glück der Menschen und die dafür nötige gesellschaftliche Ordnung und Sicherheit zu fördern. Dies geschah zunächst durchaus in Verbindung mit der Religion und deren Werten. Die beiden Bereiche waren aufeinander angewiesen und stützten sich gegenseitig; man denke et-

990 1951, 29 – Ilias XXIV 525-533. 991 Dazu René Girard ‚Das Heilige und die Gewalt’ (1972/1994), der sich mit den Fragen anfänglicher menschlich-religiöser Gewalt (sogenannter ‚Gründungsgewalt’) gegenüber abweichendem menschlichen Verhalten (‚Sündenböcken’) auseinandersetzt; derselbe (1982/1992). Dazu kurz in Kapitel IX 5. – Zu ‚Schuld und Sünde in der griechischen Religion’: Latte 1920/1921, 254 ff. 992 Dazu insbesondere Kapitel IX 7.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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wa an die Verwendung des religiösen Eides im Rahmen rechtlicher Verfahren. – Es ist kein Zufall, dass große Denker der Griechen versuchten, Religion und Recht, diese beiden tragenden Bereiche der gesellschaftlichen Ordnung, miteinander in Einklang zu bringen, um auf diese Weise dem (Gesellschafts)Zweck zu dienen. Seit jeher war Religion und Recht das Bemühen gemeinsam, das menschliche Zusammenleben verständlich und möglich zu machen. Richard Maschkes ebenso schöne wie treffende Formulierung von der ‚nicht getrennten Buchhaltung’ der beiden Bereiche soll schon hier erwähnt werden.993 Der Glaube der Frühzeit hielt nach Dodds,994 der Beispiele von Simonides und Theognis anführt, sowohl in der Archaik, als auch noch im klassischen 5. Jahrhundert an, nur die gefühlsmäßige Reaktion sei eine andere geworden; er konstatiert (bei Solon, Aischylos, aber auch noch Herodot) „a new accent of despair, a new bitter emphasis on the futility of human purposes”. In dieser Zeit wird Hybris, die Maßlosigkeit/Arroganz und Überheblichkeit in Wort, Tat und Denken zum „primal evil“.995 – Das moralisierende Hinterfragen des ‚Neids der Götter’ (GR²OPK/phthonos) hat nach Dodds „to a second characteristic feature of archaic religious thought“ geführt, „the tendency to transform the supernatural in general, and Zeus in particular, into an agent of justice”.996

Umsetzung von Religion in Recht? Als fördernde Bedingungen für das Entstehen gemeinsamer Rechtsanschauungen kommen, so meine These, nur im gesellschaftlichen Kontext mit der hellenischen Religion stehende und sie unterstützende Phänomene wie die Heroenkulte997 in Betracht. 998

G. Lorenz deutet den Heroenkult als „Berufungsmöglichkeit auf eine den Griechen bis dahin nicht geläufige Dimension zeitlicher Tiefe mit dem Zweck der Identifikationsfindung für 999 kleinere Sozietäten“. – Das schließt nicht aus, während der sogenannten orientalisierenden archaischen Epoche und vielleicht auch schon in geometrischer Zeit aber auch später, Rezep-

993 Maschke 1926/19682, 112 und dazu bei Anm. 1423 zu Religion und Recht. 994 1951, 30 f. – Zu Theognis auch in Kapitel II 16: Von Solon zu Fukuyamas ‚The end of history’. 995 Zur Hybris: Kapitel II 14. 996 Zu Dodds (aaO 31 f) Ausführungen über die getrennten Wurzeln von Religion und Moral später bei Anm. 1432. 997 Dazu allgemein G. Lorenz 1996, 20 ff und Boehringer (2001). Vgl. auch Burkert 1979, 312 ff und R. Parker 1986/2001, 308 ff. 998 1996, 41 ff. 999 Vgl. auch Ulf 1997, 44; zum zeitlichen Erscheinen der Heroenkulte „spätestens ab dem 8. Jahrhundert“: Ulf, ebendort. Vgl. ferner Rader (2003). – Zur Epocheneinteilung der griechischen Geschichte: Kapitel VI 4.

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tionen von Recht insbesondere aus dem mesopotamischen und ägyptischen Bereich anzunehmen, die ich für wahrscheinlich halte. Mit Rollinger halte ich den Begriff ‚orientalisierende’ Epoche für problematisch, weil sowohl vor 700 v. C., als auch nach 650/620 derartige Einflüsse feststellbar sind und weil gar nicht gesichert ist, dass die Einflüsse gerade innerhalb des 1000 – Für Martin P. Nilsson erwähnten abgegrenzten zeitlichen Rahmens am stärksten waren. 1001 ist der Heroenkult bereits mykenischen Ursprungs.

Dazu traten als weitere ‚Generatoren’ die Epen Homers,1002 Hesiods Werk1003 und andere ergänzende und parallel dazu verlaufende Prozesse/Faktoren nach den Dunklen Jahrhunderten. – Es fehlt also nicht an Hinweisen darauf, dass die griechische Religion zum Entstehen eines gemeinen griechischen Rechts nicht unwesentlich beigetragen hat. Doch wurde bislang nicht wirklich erklärt, wie und auf welchem Wege diese Umsetzung erfolgt sein könnte und wo sie ihren Ausgang genommen hat. – Das möchte ich hier in Grundzügen versuchen. Ich beschränke mich dabei auf die griechische Religion und untersuche die noch viel grundsätzlichere Frage des Verhältnisses von ‚Religion’ und ‚Recht’ am Beginn der Menschheitsentwicklung vornehmlich in Kapitel IX. Dort setze ich mich auch mit den bisher von der Wissenschaft vernachlässigten, für das Verhältnis von ‚Religion’ und ‚Recht’ aber bedeutenden Erkenntnissen der Vergleichenden Verhaltensforschung/Humanethologie – vor allem mit dem nach wie vor beeindruckenden Werk von Konrad Lorenz – auseinander und beziehe sowohl Max Webers Position zu ‚Recht’ und ‚Religion’ als auch die provokanten, bislang aber von keiner der historischen Wissenschaften beachteten Thesen Walter Burkerts ein.

Zur griechischen Entwicklung Wichtige Beobachtungen über die Griechische Religion der Frühzeit, ihren späteren Wandel und das gesellschaftliche Zusammenwirken von Kult und Politik finden sich bei Martin P. Nilsson.1004 Danach war die Griechische Religion in alten Zeiten:

1000 Allgemein zur Begegnung der Griechen mit den Völkern des Alten Orients: I. Weiler (1996) und die Beiträge von Wibelauer, Raaflaub, Bernabé, Schmitz, Lorenz, Rollinger, Patzek und Haider, in: Rollinger/Ulf (2004). 1001 19502, 584 ff. 1002 Dazu später. 1003 Zur Bedeutung Hesiods für die griechische Religion: J. Griffin 1986/2001, 82 ff. 1004 1951. – Zum Entstehen der griechischen Opferbräuche: Meuli (1946b). Meulis außergewöhnliche Studie ist überaus lehrreich und kann zur Lektüre empfohlen werden. Von Meuli lässt sich lernen, als Wissenschaftler jede künstelnde Erklärung zu meiden und nüchtern an Fragen heranzugehen. Lernen kann man von Meuli auch, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch ist, alte Sitten und Bräuche, auch solche des Rechts, aus dem Blickwinkel des

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

„[…] before the disintegration in the age of the sophistic enlightenment, […] a collective religion, a religion of a like structure to that of the peasantry in olden times. Birth destined man for a certain religious circle with its gods and cults, duties and views of life. […] This was a religion of simple folk, selfevident and at least unconscious, traditional, and conventional. […] but its importance was great.” – „This religion was bound to society and kept society together, it united the human and the divine inhabitants of a place, a polis, and it united the members of the family, men, deceased ancestors, and gods. In the festivals of the gods and of the dead this union was strongly realized and felt. The participants, gods and men, living and 1005 deceased men and heroes, were united at a solemn and often, why not? – merry occasion.”

Auch die Große Kolonisation1006 war ein verstärkender Faktor; zu ihr gehörte das Zusammenwirken mehrerer, ja mitunter vieler Poleis, was auch gemeinsame rechtliche und sakrale Überlegungen erforderte, die nicht immer nur aus einer Polis stammen konnten. Eine Tendenz zur Rechtsangleichung war angelegt. Die Kolonisationsbewegung hat auch früh zur Ausbildung von privatem und öffentlichem ‚Kollisionsrecht’ zwischen Mutter- und Tochterstadt geführt.1007 Sie wirkte als Generator und Akzelerator. – Einen weiteren nicht unbedeutenden Aspekt für das Zusammenwirken von Religion und Recht erörtert Graham,1008 der feststellt, dass „the earliest way in which Greek communities were joined with each other was by having the same sanctuary and the same cult. Thus the early Greek leagues were religious leagues in the sense that they were based on a common religious centre and worship.”1009

modernen, rational denkenden Menschen verstehen zu wollen. Der frühe Mensch dachte anders, verfolgte andere Ziele und hatte in vielem andere Wertvorstellungen. – Arbeiten wie diese sind nicht nur religionsgeschichtlich und ethnologisch von Bedeutung, sondern auch rechtshistorisch. Auch methodisch geht Meuli keine ausgetretenen Pfade, sondern war Wegbereiter eines modernen Methodenverständnisses: Um Wissenslücken der Frühzeit aufzufüllen, zieht er Bekanntes aus der jüngeren Vergangenheit heran. An diesem Vorbild konnte etwa W. Schmitz seine Untersuchung über ‚Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft’ ausrichten. Es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden, dass es daran – geschieht es mit wissenschaftlicher Vorsicht – nichts auszusetzen gibt. Ich gehe auf Meulis Studie anschließend noch ein. 1005 Nilsson 1951/1986, 17 – Hervorhebungen von mir. 1006 Dazu Pkt. 8. 1007 Zur griechischen Kolonisation und der Beziehung zwischen Mutter- und Tochterstadt etwa Graham (1964). 1008 1964, 216. 1009 Dabei ist nicht nur an den Synoikismos zu denken, sondern auch an Amphiktyonien und Symmachien sowie politische Zusammenschlüsse wie die der Ionischen Städte mit dem Panionion uam. Ehrenberg 1965² I, 83) betont, dass für diese Fragen „eine absolute Scheidung von religiöser und politischer Sphäre den Dingen Gewalt antut“.

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Maschke1010 betont in einer einprägsamen Formulierung „die einheitliche Geschlossenheit griechischer Kultur, die für Religion, Sittlichkeit und Recht keine getrennte Buchhaltung hatte“ und bringt dafür Beispiele: So war es offenbar der Delphische Apollon, der die Grundlagen für ein gemeines griechisches Blutund Haftungsrecht mit Bedeutung weit über Griechenland hinaus geschaffen oder doch mitgestaltet hatte. Ob dabei auswärtiger griechischer (Kreta) oder vielleicht sogar orientalischer Einfluss auf das kretische und delphische Sakralrecht (als Gewohnheitsrecht?) einwirkte, entzieht sich bislang noch unserem Wissen.1011 – Maschke schildert auch die Vorgeschichte des Drakontischen Blutrechts:1012 „Man wird aber [sc. in Bezug auf die erwähnte Vorgeschichte] schwerlich fehlgehen in der Annahme, dass ursprünglich auch in Attika Mord und Totschlag nicht getrennt wurden und dass die Rechtsfolge beider die Blutrache war, der der Täter durch die Flucht sich entziehen konnte, wenn er sie nicht durch Wergeld an die Verwandten abkaufte: …UJNPK bezeichnet ursprünglich den Mann, für den kein Wergeld gezahlt wird, und setzt als Korrelat die ausnahmsweise Zahlung des Wergeldes, also den homerischen Zustand voraus. Die fortschreitende Entwicklung hat sich nun nach zwei verschiedenen Richtungen hin vollzogen. Das erwachende sittlich-religiöse Empfinden differenziert die Tötungsfälle und lässt das Wergeld beim Morde als ein Verbrechen gegen die Seele des Toten erscheinen. Es war eine von den Großtaten des delphischen Apollon, dass er das Verbot des Wergeldes beim Morde als religiöse Forderung aufstellte und durchsetzte und zwar in der der damaligen Zeit entsprechenden Form als Zwang zur Blutrache. Auch in dem schwersten Konflikt, selbst der eigenen Mutter gegenüber, bleibt die Blutrache unerbittliche Pflicht, selbst wenn sie den Rächer in die höchste Gewissensnot und ins Verderben stürzt. Die unlösbare Tragik dieses Konflikts hat Aischylos, durch die Überlieferung gezwungen, gegen den tieferen Sinn der Sage in den Eumeni1013 abstumpfen müssen. Der Zwang zur Blutrache – ein scheinbarer Rückschritt! Aber die den weltgeschichtliche Entwicklung vollzieht sich nicht immer in graden Linien, und gegenüber der irreligiösen und pietätlosen [?] Institution des Wergelds musste die Nation erst zu der sittlichen Strenge erzogen werden, von der der Aufstieg zu einer höheren Gesittung möglich war. Dieser Zwang zur Blutrache aber bezog sich auf die schwerste Form der Tötung, den Mord, dessen Rechtsfolgen somit von denen des Totschlags geschieden wurden. Damit ergab sich

1010 1926/19682, 112. – Dazu auch bei Anm. 1423 zu Religion und Recht. – Zu den Konsequenzen des Auseinanderdriftens von Religion, Recht und Politik: Dodds 1951,179 ff (Rationalism and Reaction in the Classical Age) sowie 207 ff (Plato, the Irrational Soul, and the Inherited Conglomerate); dort auch zu Platons Bemühungen, den durch die Aufklärung verursachten Riss zwischen ‚Geist’ und ‚Volk’ zu kitten. Dazu mehr in Kapitel VII vor 1: ‚Bildung als Orientierung für ein gelingendes Leben’ und in Kapitel VII 1: ‚Rechtsvorstellungen als Ersatz- oder Zivilreligion?’. – Zur Sophistik als ‚Aufklärung’: Kapitel VIII 4. 1011 Dazu Kapitel II 4-6 und 17. 1012 1926/19682, 40 f; zum Thesmos ebendort 29 ff. 1013 Dazu Kapitel III.

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eine folgenschwere Differenzierung, die noch dem heutigen Recht angehört. Wie die sittliche Anschauung zwischen der freiwilligen, überlegt gewollten Tat und der im Drang der Umstände oder im Affekt begangenen zu unterscheiden lernte, war oben zur Sprache gekommen, und bei der organischen Einheit von Sitte, Sittlichkeit, Recht und Religion in der älteren 1015 ist es verständlich, dass die Lehre des delphischen Apollon von der griechischen Kultur regelmäßigen Unsühnbarkeit des Mordes und der Sühnbarkeit des Totschlages in den Einrichtungen des weltlichen Rechts ihren Ausdruck findet, in der Blutrache wie ihrem Korrelat, in 1016 Dass das letztere, also der Zwang zur Verder Zulassung wie in dem Verbot der Aidesis. folgung, eine sittlich-religiöse Gewissenspflicht und nicht durch rechtliche Erzwingbarkeit gesichert war, ergab sich aus dieser Situation ohne weiteres, und dieser Mangel erklärt zugleich die Missbräuche, die in den Zeiten des Niederganges griechischer Sittlichkeit in Übertretung dieser [sakralrechtlichen] lex imperfecta mit der formalen Möglichkeit der Aidesis getrieben wurden.“ (Hervorhebungen von mir)

Nach Maschke1017 lag die „letzte entscheidende Etappe der Entwicklung des Mordrechts“ im antiken Griechenland darin, dass die Selbsthilfe Schritt für Schritt, aber entschlossen zurückgedrängt wurde und statt dessen staatliche Gerichtsverfahren eingeführt und erzwungen wurden – sogenannter Gerichtszwang, was schließlich zum Verbot der Blutrache auch beim Morde führte.1018 Für das Entstehen von gemeinem griechischen Recht war somit einerseits die (grundsätzliche) Geschlossenheit der Sozialnormen der griechischen Kultur und andererseits die normative Rolle des Delphischen Apollon von Bedeutung;1019 diese Institution von früher überregionaler und schließlich sogar gesamtgriechischer Bedeutung hat wie wenige andere vereinheitlichend und strukturierend gewirkt.1020 Diese Rolle Delphis relativiert wohl auch die immer wieder vertretene Meinung, dass in Griechenland – sehr im Gegensatz zu Rom – das ‚Sakral-

1014 Das Schaffen einer (verschiedene Verschuldensformen und den Zufall unterscheidenden) Verschuldenshaftung für das Straf- und Zivilrecht erfolgte demnach bereits in griechischer Zeit. Dies geschah sehr früh, nämlich gesetzlich bereits unter Drakon. Dazu Kapitel II 4-6. 1015 Man beachte, dass Maschke hier inhaltlich bereits von einem ursprünglichen nomologischen Wissen ausgeht! 1016 Dazu auch in den Kapiteln II 3 ff und III 3. 1017 1926/19682, 41. 1018 Mehr bei Maschke und im gesamten Kapitel II. 1019 Auch andere Kulte wirkten ‚übergreifend’: etwa Mysterien, Orphik und Dionysoskult. Schamanistische Einflüsse wirken seit Beginn der Großen Kolonisation (insbesondere aus dem Schwarzmeergebiet) auf das Mutterland ein; dazu allgemein Dodds 1951/1997, 135 ff und W. Burkert 1962, 36 ff mwH (ua. auf K. Meuli und M. Eliade); zu Epimenides Kapitel II 10: ‚Die Talion – Entwicklungsdreischritt’. Im Bereich des Rechts wirkte sich dieser Einfluss insbesondere bei den Reinigungsvorschriften aus; dazu R. Parker (1996). 1020 Dazu allgemein Parke/Wormell 1956, I 295 ff: Zur Bedeutung des Orakels für Religion, Kultus und Mythos.

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oder Priesterrecht’1021 bedeutungslos gewesen sei. Nicht zu übersehen ist dabei allerdings, dass die Haftungsregeln des Delphischen Apollon zunächst offenbar nur im Athen Drakons in die neue Form des Thesmos gegossen wurden, während in den anderen griechischen Gemeinwesen offenbar das delphische Sakralrecht als Gewohnheitsrecht weitergalt. Es muss einstweilen offen bleiben, ob diese Regeln des Delphischen Apollon tatsächlich und ausschließlich aus Delphi selbst stammen (oder ob darin auch andere Einflüsse stecken); Maschke1022 etwa vermutet kretischen Einfluss, der freilich nicht auch dort begonnen haben muss.1023 Der nicht nur äußerliche Zusammenhang zwischen gesatztem staatlichem Recht und nicht gesatztem ‚Sakralrecht’ wird auch darin deutlich, dass Drakon nicht nur die Regeln des Delphischen Blut- und Sühnerechts schriftlich fasste und damit staatlich umsetzte, sondern auch ausdrücklich die Verehrung der Götter und Heroen gebot.1024 Das bedeutet, dass gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. C. das staatliche Recht der jungen Polis und das Delphische Sakralrecht noch nicht voneinander geschieden, sondern geradezu gleichgesetzt wurden. Das Recht der Polis setzte diese sakralrechtlichen ‚Vorgaben’ um und beginnt zudem allmählich, diese Regeln zu ergänzen und vor allem auch verfahrensrechtlich an die po-

1021 Diese Begriffe werden mit sehr unterschiedlicher Bedeutung gebraucht, und es ist jeweils im Einzelfall darauf zu achten. R. Parker hat den Versuch einer Klärung unternommen (2004; vgl. auch 2005, 61 ff). Parker unterscheidet grundsätzlich zwei Typen des Sakralrechts: „First, some rules and regulations concerning sacred matters – ‚don’t cut sacred wood’ – were decreed by a body of the state, such as the assembly, and enforced as any other law would be. Other ‘laws’ regulating proper ritual practice ‘derive from exegetical traditions’, but were more like advice or codification of tradition than like a law with sanctions attached”. P. Hunt (2004) merkt zu Recht an, dass manche Dokumente „don’t fit easily into either of these categories“. Unser Beispiel zeigt aber darüber hinaus, dass die strikte Unterscheidung von sakralem und staatlichem Recht in der Frühzeit problematisch ist; vgl. auch den Beitrag von F. S. Naiden ( ebendort, 2004). 1022 1926/19682, etwa 20 f. – Vgl. dazu auch in meiner Stellungnahme zu Meuli und die ‚Griechischen Opferbräuche’; Hinweis des Pausanias auf Kreta. Apollon scheint aber nicht zu den ältesten durch Kreta vermittelten Göttern gezählt zu haben; Burkert 2008, 70 und 99. 1023 Etwa zuletzt W. Burkert 2008, 67: „Die griechische Kultur ist nicht als ‚Wunder’ aus sich selbst hervorgebrochen, sie hat ihren Kontext und ihre Vorgeschichte besonders in den nahöstlichen Kulturen von Mesopotamien, Syrien, Anatolien. Was die Religion betrifft, die vielen Götter mit ihren Gestalten und Geschichten, waren dort eigentlich alle Elemente schon vorgegeben, Tempel, Statuen und Mythen. Die Griechen sind, kulturell gesehen, ein Seitentrieb der nahöstlichen Entwicklungen. Und doch ist, im Wesentlichen vom 8. bis zum 5. Jh. v. Chr., etwas Einzigartiges daraus entstanden, das weit ausgestrahlt und eine eigene griechische Tradition begründet hat.“ Für die Vorgeschichte der griechischen Götter ist nach Burkert dreierlei zu beachten: „Das indogermanische Spracherbe, die ‚mykenische’ Epoche der Mittleren und Späten Bronzezeit und eben die […] nahöstlichen Nachbarkulturen.“ 1024 Burkert 1977, 315. Nach Burkert bildeten Götter und Heroen gemeinsam die „Sphäre des Sakralen“.

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litische Struktur der jeweiligen Gemeinschaft anzupassen. – Der enge Zusammenhang zeigte sich darin, dass in gerichtlichen Verfahren, auch im politischen Bereich, bei den ‚Göttern und Heroen’ geschworen wurde.1025 Parallel zum Entstehen eines gemeinen griechischen Rechts erfolgte die Errichtung großer und überregionaler gemeinsamer Heiligtümer und Orakelstätten, die Ausbildung der Poliskultur, die Einrichtung panhellenischer und amphiktyonischer Feste und sportlicher wie anderer Agone und wie erwähnt die Ausbreitung der Großen Kolonisation .1026 All dies wirkte weit über die einzelne Polis hinaus, mitunter sogar auf das gesamte Griechenland, förderte die Angleichung der Werte und diente wie das Recht der Identitätsstiftung, kurz der gesellschaftlichen Orientierung;1027 und dies bei allen Griechen, nicht nur im Mutterland, sondern von Sizilien und Süditalien über das Schwarzmeergebiet und Nordafrika bis in den kleinasiatischen und levantinisch-anatolischen Raum hinein.

Lokale Ursprünge von Religion und Heroenkulten Man nimmt heute mit guten Gründen an, dass die Religion der griechischen Götter zunächst lokale und regionale Kulte aufgriff und erst von Homer und Hesiod als ‚hellenisch’ geschaffen wurde. In das olympische Götterpantheon wurde ein weithin lediglich lokal und regional organisierter differenzierter Heroenkult – gleichsam als ‚Zwischendecke’ zu den Menschen hin – eingezogen:1028 „Im späten 8. Jahrhundert entwickeln die Griechen unterschiedlicher Regionen eine neue Sitte: Sie beginnen alte Relikte zu verehren, das heißt sie richten Kulte an älteren Relikten sowie einzelnen mykenischen Gräbern und Häusern als Hinterlassenschaften einer ihnen unbekannten Vorzeit ein. Dieser Heroenkult ist wahrscheinlich nicht als Reaktion auf die homerischen Epen, sondern schon vor ihrer Abfassung entstanden. Die Epen reflektieren keineswegs die geographische Verteilung der ursprünglichen Kulte, die auf einzelne griechische Landschaften beschränkt waren, während die homerische Heldengesellschaft ganz Griechenland und sogar die kleinasiatischen Landschaften repräsentiert.“ – „Heroenkulte dienten, soweit man das heute wissen kann, nicht zuletzt der Identitätsstiftung einzelner gesellschaftlicher und politi-

1025 Diese Praxis besteht zum Teil bis in die Gegenwart und ist Ausdruck einer gewissen Wertübereinstimmung. 1026 Zum Zusammenhang von frühem Kollisionsrecht und griechischer Kolonisation Pkt. 8: Schon hier möchte ich erwähnen, dass die Übernahme des Kolonisationsgedankens von den Phöniziern keineswegs gesichert ist; kritisch dazu Raaflaub 2004, zB 278 Fn 32. Raaflaub rechnet eher „auch hier mit einem interaktiven Verhältnis“, zumal die „eigentliche phönizische Kolonisationsbewegung zeitgleich mit oder nur wenig vor der griechischen beginnt“. – Zum Wesen des griechischen Festes: F. G. Jünger 1943, 59 f, Deubner (1932/1959: Attische Feste) und André (2002). 1027 Zu dieser wichtigen Funktion des Rechts vgl. mein Zivilrecht 2004 2, I 14. 1028 Dazu Patzek 2003, 101; ferner G. Lorenz (1996).

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Lokale Ursprünge von Religion und Heroenkulten

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scher Gruppen; im Vollzug ihres Kultes versicherte sich die Kultgemeinschaft ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht oder Stadt. Den Heroen wurde ebenso wie den Göttern 1029 geopfert, und man trat mit Bitten an sie heran; sie besaßen also auch eine Schutzfunktion.“

Eine solche Identitätsstiftung war im Rahmen des kulturellen Neubeginns der Hellenen auch noch im 8. und 7. Jahrhundert v. C. von Bedeutung. Es lag daher nahe, die verschiedenen, aber wesentlichen Elemente dieses Neubeginns nach den Dunklen Jahrhunderten, insbesondere olympische Religion und Heroenkulte mit den panhellenischen Festen und der jungen Poliskultur und diese Elemente wiederum mit rechtlichen (Ordnungs)Vorstellungen funktional miteinander zu verbinden. – Dies bedeutet aber ua. wohl auch, dass Troja (endgültig) in den Bereich der Sage verwiesen werden muss; dies alles ist allerdings historisch höchst plausibel.1030 Die in den Jahrhunderten nach der Wende zum 1. Jahrtausend auf religiöser (olympische Götterordnung), kultischer (Heroenkulte) und politischer Grundlage (Polisbildung) weithin neu konstituierte griechische Wertordnung ist eine Parallelordnung zu den Wertordnungen der immer zahlreicher werdenden Dörfer und Poleis. Sie wird zunächst durch die später von Max Weber als nomologisches Wissen bezeichneten Elemente (Religion, Kultus, Sitte, Brauch, Altes Herkommen/Väterbrauch und erste gewohnheitsrechtliche Phänomene) und ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v. C. bereits durch Thesmoi autoritativ geschaffen. Die aus dörflichem Zusammenschluss entstandenen Polis(Rechts)Ordnungen1031 erweisen sich als Reflex oder Spiegelung und gesellschaftlich notwendig gewordene ‚weltliche’ Ergänzung – grundsätzlich aber nicht als Gegensatz1032 – von Religion und Kultus. In diese gemein-griechische oder doch weit verbreitete religiös-kultische Wertordnung der Griechen sind auch Elemente aus früheren griechischen und den Hochkulturen des Alten Orients übernommen worden. Das gilt nicht nur für die olympische Religion und ihre Götter und Göttinnen, sondern vielleicht auch für die Heroenverehrung,1033 wobei offenbar beide Elemente

1029 Patzek 2003, 102. 1030 Zum Heroenkult – auf den ich später (ab Anm. 1448) noch eingehe – G. Lorenz 1996, 20 ff und Ulf 1990b, 245 ff sowie Burkert 1977, 312 ff. 1031 Dazu insbesondere Kapitel II 11. 1032 Zum Nomos-Physis-Problem: Kapitel II 13. 1033 Kein geringerer als W. Burkert hält dies für möglich; vgl. 1987, 14 ff . – Vgl. auch G. Lorenz 1996, 37 f. Das scheint insbesondere für den Herakles-Mythos zu gelten, der bedeutende Parallelen zu einem sumerisch-akkadischen Text zeigt. Zu weiteren möglichen mesopotamischen (Andromeda/Perseus, Gorgo/Perseus), ägyptischen (Amphitryon-Motiv) und hethitischen (Danaos-Geschichte) Vorbildern, G. Lorenz 1996, 37 f uH auf Burkert. – Das ist für meine Untersuchung insoferne von Bedeutung, als dadurch auch Rezeptionen von Recht wahrscheinlicher werden. In der Tat konnte Rollinger in einer seiner Arbeiten neu-assyrischen Einfluss auf die Vertragsvorstellungen in den homerischen Epen wahrscheinlich machen; vgl. denselben in (2004a) und (2005b). – Zu Einflüssen aus dem (Vorderen) Orient und der Art der griechischen

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als Transformatoren für das Verfestigen der zentralen gesellschaftlichen Werte in rechtlichen Regeln gedient haben. – Die Griechen scheinen spätestens mit der Gesetzgebung Solons – vielleicht auch schon früher, manches aus den Alten Hochkulturen übernommen zu haben.1034 Wir müssen uns allerdings auch fragen, ob ein Einfluss durch die olympische Religion und den Heroenkult auch tatsächlich bestanden hat und worin seine Bedeutung für die Ausbildung von gemeinen oder doch überregionalen rechtlichen Grundlagen lag.1035 – Ich werde daher zunächst die Bedeutung der Religion für das Entstehen von Rechtsregeln im archaischen Griechenland untersuchen und schließe Überlegungen zum Heroenkult an.

Olympische Religion und Recht „To some classical scholars the Homeric poems will seem a bad place to look for any sort of religious experience. ‘The truth is’, says Professor Mazon in a recent book, ‘that there was never a poem less religious than the Iliad’. […] Professor Murray thinks that the so called Homeric religion ‘was not really religion at all’; […] Similarly Dr. Bowra observes that ‘this complete anthropomorphic system has of course no relation to real religion or to morality. These gods are a delightful, gay invention of poets.” E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational

In der Literatur finden sich zwar Hinweise darauf, ‚dass’ die olympische Religion die Entstehung und Ausformung des griechischen Rechts beeinflusst oder sogar entscheidend (mit)bestimmt hat, allein es wird meist nicht danach gefragt‚ ‚warum’ das so war und ‚wie’ dieser Vorgang abgelaufen ist oder doch abgelaufen sein könnte. – Ich will versuchen, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen, und bin bestrebt, erste Hinweise zu geben, einzelne Möglichkeiten aufzuzeigen

Aufnahme auch Patzek (2003) und (1996) sowie Eliade 1978, I 230 ff. 1034 Vgl. ua. Kapitel II 17. 1035 Die Frage nach der konkreten Bedeutung des Heroenkults für die griechische Rechtsentwicklung wird meines Wissens bisher noch gar nicht gestellt und daher auch nicht beantwortet. Bisherige Arbeiten konzentrierten sich verständlicherweise darauf, das Phänomen als solches zu erfassen. Nachdem dies zu einem beträchtlichen Teil gelungen zu sein scheint, kann aber weiter gefragt werden. – Noch abzuklären wäre, in welchem Ausmaß die einzelnen Kulte an der Entwicklung und Umsetzung in Recht beteiligt waren.

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Olympische Religion und Recht

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und schließlich Hypothesen zu wagen. Vielleicht kann dadurch ein wissenschaftlicher Diskurs begonnen werden. Zweifellos sind aber noch weitere Untersuchungen nötig, die jedenfalls interdisziplinär unternommen werden sollten, zumal die anstehenden Fragen innerhalb eines Faches nicht befriedigend beantwortet werden können. Es braucht das Zusammenwirken von Rechtsgeschichte, Früh- und Alter Geschichte (und Alt-Orientalistik) ebenso wie jenes von Archäologie, Philologie, Sprach- und Religionswissenschaft, schließlich auch von (Rechts)Soziologie, -Anthropologie, -Ethnologie und (Rechts)Philosophie.1036 Die Geschichte der griechischen Religion ist aber so komplex, verzweigt und vielschichtig, dass ich hier nur einzelnen Fragen nachgehen kann, soweit diese zwischen Religion und Recht einen Zusammenhang erkennen lassen. – Es scheint aber vertretbar, von der These auszugehen, dass sich manche Vorstellung von der griechischen Götterwelt in den Rechtsvorstellungen der Hellenen widerspiegelt, womit keinem vereinfachenden Materialismus das Wort geredet werden soll. Auch von Max Webers Rechtssoziologie wird ‚Recht’ nicht als „etwas Losgelöstes, freischwebend für sich Seiendes“ verstanden:1037 „Vielmehr werden hier die vielfältigen Verknüpfungen von Recht und Gesellschaft, werden die rechtlichen Erscheinungen der sozialen Daseinswirklichkeit überall in bezug auf die gesellschaftlichen Gruppierungen, die Religion, Wirtschaft, politischen Verbände, Herrschaft als wirkend und bewirkt untersucht, und es wird an keiner Stelle einem Monokausalismus gehuldigt. Es wird demzufolge das Recht weder als bloße ‚Funktion’ der wirtschaftlichen Verhältnisse, noch das Rechtsdenken lediglich als Ideologie, […] betrachtet.“

Für die griechische Götterwelt gilt aber – wie für das Entstehen des griechischen Rechts, dass diese historisch ‚langwelligen’ Abläufe als Ergebnisse der Auseinandersetzung mit bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen anzusehen sind und dass die Entwicklung der beiden Bereiche schon deshalb nicht (völlig) getrennt betrachtet werden sollte. So spiegelt vielleicht die Stellung des Zeus und seine Beziehung zu Hera – aber auch zu anderen Göttern – die dominante, offenbar als indoeuropäisches ‚Erbgut’ anzusehende Stellung des griechischen

1036 Das zeigt etwa die vorbildliche Studie von K. Meuli (1946); dazu schon in Anm. 1004. – Meuli weist nach, dass das Olympische Speiseopfer viel älter ist als die olympische Religion und dass es auf uralte steinzeitliche Jägerrituale zurückgeführt werden kann. Überzeugend Meulis Kritik (1946, 283 ff) an W. Schmidts (1931) Deutung des Schädel- und Langknochenopfers als Darbringung an das Höchste Wesen: „Behält man die Gesamtheit der Jägerriten im Auge, so wird man unweigerlich zu diesem Schlusse geführt. Ein Glaube an Götter ist neben diesen [Jäger]Riten selbstverständlich möglich; aus ihnen zu erweisen ist er keineswegs. Zum Opfer im Sinn einer Geschenkdarbringung sind diese eigentümlichen [Tier]Bestattungsriten erst bei den Hirten geworden.“ Damit spielt Meuli darauf an, dass die Bestattung des Jagdtieres nach der Vorstellung der frühen Jäger bloß „eine Rückerstattung der Teile [war], die das Tier zum neuen Leben braucht“. 1037 Winckelmann in seinem ‚Vorbericht’ zu Webers Rechtssoziologie 1960/1967 2, 19.

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Hausvaters/Kyrios und die damit einhergehende gesellschaftliche und rechtliche Beschränkung der Stellung der griechischen Frau (mit den Kindern und sonstigen Familienangehörigen) auf Haus und Familie wider.1038 Im Kontext der Religion zu den Wurzeln des Rechts vorzustoßen, lohnt heute noch, auch wenn diesen Fragen in vielen Disziplinen – etwa in der Rechtswissenschaft – kaum mehr Beachtung geschenkt wird. Man erkennt offenbar nicht mehr, wie wichtig die Frühzeit für das Verständnis und die Erklärung von Recht ist und welche Erkenntnisse daraus zu gewinnen sind.1039

Die ‚Griechischen Opferbräuche’ Karl Meuli unterscheidet zwischen dem olympischen Speiseopfer – das er auf uralte, keineswegs auf die Indoeuropäer beschränkte Jägersitten zurückführt – und chthonischen Vernichtungs- oder Brandopfern, auf die ich hier nicht eingehe.1040 Die beiden Opfer haben ursprünglich nichts gemein: „Jedes ist eigener Art, eigenen Ursprungs“. Das olympische Speiseopfer – im Prometheusmythos dargestellt – gehört ausschließlich zum ersten Typus.1041 Die Sitten und Bräuche aller (!) Jäger – nicht nur der Indoeuropäer – stehen im Einklang mit der Natur, was sich ua. darin zeigt, wie bestimmte Teile erlegter Tiere behandelt werden.1042 Durch die ‚Rückgabe’ bestimmter Teile sollte die Regeneration des Tieres, mithin auch der Art und damit das künftige Jagdglück gesichert werden. Mit Religion und Opfer – im Sinne einer Gabe an ein höheres Wesen – hat das zunächst nichts zu tun, denn „die Behandlung des Tiers war [bei allen Jägern!] zunächst nur ein Geschäft zwischen Tier und Mensch“. – Beim olympischen Speiseopfer, das altem Jägerbrauch entspricht, wird „ein Tier nach herkömmlichem Ritual geschlachtet, damit es die Menschen essen“.1043 Für Meuli ist das olympische Opfer „nichts anderes […] als ein rituelles Schlachten“.1044 – Die Jägerbräuche werden nach dem Sesshaftwerden nicht aufgegeben, sie wirken vielmehr lange nach:

1038 Dazu auch bei Anm. 1400 und 1404 f. 1039 Eine erfreuliche Ausnahme stellen die Beiträge von E. Harris, R. Parker und F. S. Naiden in: Harris/Rubinstein (2004) dar; dazu auch in Kapitel IX. 1040 1946b, 201 ff und 282 ff: Hier findet sich die Lösung! 1041 Allgemein zum ‚Ritus im Heiligtum’ und den Opferbräuchen der Griechen: A. Dihle 2008b, 309 ff. 1042 Vgl. etwa 1946b, 232 und 236. 1043 1946b, 282. – Im Prometheusmythos spiegelt sich dieses Ziel wider. 1044 1946b, 223 f: Dieses Zeremoniell hat „seine nächsten Analogien im Schlacht- und Opferritus asiatischer Hirtenvölker“, der auf jägerischen Brauch zurückgeht. Diese Hirtenvölker sind unmittelbar („auf geraden, kaum gestörten Entwicklungswegen“) vom Jägertum zur Zähmung, Pflege und Züchtung der Tiere fortgeschritten. Dabei wurden die Grundformen der jägerischen

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„Die von der Jagd zur Viehzucht übergehenden Hirten behandelten [dann!] ihre Opferrinder nach dem gleichen Ritual wie einst ihre Jagdtiere und blieben dabei, als sie sich mit Acker1045 bauern zu einem neuen Volk verbanden.“

Die alten Formen und Bräuche wurden weithin beibehalten, obwohl diese „nun [wenigstens zum Teil im usprünglichen Sinne] sinnlos geworden waren“ und bald nicht mehr verstanden wurden wie etwa:1046 „[…] das Räuchern […], das ursprünglich vor der scharfen Witterung des Wildes schützen sollte, ist vielfach bloßes Zeremoniell. Rentierzüchter, Pferdezüchter, Rinderzüchter, […], bauten das Ritual in verschiedener Weise aus; mitbestimmt worden ist es auch durch neue religiöse Vorstellungen, durch Glaube und Brauch der Feste, zu deren Krönung man nun Tiere schlachtete und verschmauste. Der wichtigste Unterschied ist der, daß das Töten und was ihm folgt nun sehr oft nicht mehr eine nur zwischen Mensch und Tier spielende Angelegenheit ist, sondern eine heilige Handlung zu Ehren einer Gottheit, ein Opfer. Das Tier, das man schlachtet, um es wie bisher zu essen, die ‘heiligen’, früher dem Tier zurückgegebenen d. h. bestatteten Teile gelten nun oft als Gabe an die Götter und werden entsprechend behandelt.”

Der Fund am Göbekli Tepe1047 beweist, dass der Übergang von den uralten Jägerkulturen zu den Kulturen der Hirten und Bauern früher eingesetzt hat als bisher angenommen; er beweist auch, dass rituell-kultische Praktiken (Anfänge der Religion?) schon am Ausgang dieser alten Jägerkultur bedeutsam waren. Göbekli Tepe repräsentiert bereits eine monumentale Kultstätte (Tempelanlage?) dieser Übergangskultur. Treffen Meulis Überlegungen zu, müssten die am Göbekli Tepe – vollzogenen Kulthandlungen weitgehend noch solche einer Jägerkultur gewesen sein. Die Bedeutung der Religion scheint am Ende dieser Jägerkultur aber bereits größer gewesen zu sein, als Meuli angenommen hat. Bei der Untersuchung der griechischen Opferbräuche zeigt sich noch ein bedeutendes Merkmal: „Wie der Jäger, so muß auch der Opferer rein sein.“1048 – Die Geschichte des olympischen Opfers1049 beurteilt Meuli als ein „gewaltiges, ergreifendes, und für uns Heutige auch ein tröstliches Schauspiel.“ Ja, tröstlich, weil es zeige, „wie tief im Menschen die Scheu wurzelt, zu töten, wie mächtig

Behandlung des Tiers für die Schlachtung gezähmter Tiere im Wesentlichen unverändert beibehalten. „Im olympischen Opferritual haben die Griechen ein angestammtes Erbstück aus eben dieser vorgeschichtlichen Hirten-, weiterhin aus der urzeitlichen Jägerkultur bewahrt“. 1045 1946b, 241 f. – Das erlaubt die Frage, ob nicht auch andere Rituale und Regeln von Jägergesellschaften nicht umgehend abgelegt, sondern vielleicht ebenso von Hirten- und bäuerlichen Gesellschaften übernommen wurden. 1046 1946b, 252 f. 1047 Dazu in Kapitel IX 3. 1048 1946b, 253 f und 264 ff. – Reinheits- und Reinigungsvorschriften begleiten dann auch das religiöse Opfer bis zu den Griechen. 1049 Die olympische Opferordnung wird im Mythos auf den Opferbetrug des Prometheus zurückgeführt; dazu unten in den Anm. 1361 und 1362.

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im Grunde doch der Glaube an die Heiligkeit und an die Ganzheit des Lebens steht?“1050

Altes Jägerritual als Wurzel von Religion und Opfer? Auch wenn die geschilderten Jagdriten nach Meuli1051 weder deistisch, noch prädeistisch zu verstehen sind und „über Götterglauben überhaupt nichts“ aussagen, vielmehr „ihren Sinn in sich selbst“ tragen, also in der „Beziehung von Mensch und Tier […] vollständig“ aufgehen, so gelten diese Bräuche doch gelegentlich „als göttliches Gebot“. Es ist ein Gebot, das von einem „Herrn des Wildes und des Waldes“ ausgeht, zu dem die Tiere zurückkehren, dem sie alles erzählen; „er gibt ihnen neues Fleisch, und neue Kleider und leitet sie wieder den Jägern zu“, aber nur dann, wenn sie diese Bräuche gewissenhaft beobachten und die Tiere gut behandeln. Denen, die diese Bräuche missachten, „entzieht er das Jagdglück und schickt ihnen zur Strafe keine Tiere mehr“. – Gelegentlich empfangen diese unterschiedlich gedachten Wesen – einmal sind es Tierseelen, ein andermal Vertreter eines Höchsten Wesens – auch Opfer: „Beim Opferritual der Hirten, das aus dem Jägerbrauch hervorgegangen ist, haben dann die Götter überragende Bedeutung erlangt.“1052 Hirten übernehmen Jägerrituale und ergänzen sie um (mehr oder weniger davon unabhängige oder daraus abgeleitete) frühe Religions- oder Göttervorstellungen. – Wie das Opfer der Hirten und die Jagd war das olympische Opfer stets „Männersache“; „wie diese dient es der Speisung der Menschen“ und als die „Götter dazutraten, war die Verteilung des Tieres längst festgelegt.“ – Bei Hirten, öfter als bei Jägern werden die Knochen dann verbrannt und die Griechen „üben nur noch die Sitte der Verbrennung“.1053 Den Jägern war bewusst, dass sie den Tieren Leid zufügten, wenn sie diese töteten. An diesem Punkt der Entwicklung erlangt das Mitleid Bedeutung. Das SichEinfühlen in Qual und Tod, „dieses Miterleben eines fremden Schicksals ist ganz einfach Mitleid“. Meuli zitiert dazu das berühmte Wort Schopenhauers,1054 wonach beim Mitleid „die Scheidewand, welche […] Wesen von Wesen durchaus trennt, aufgehoben und das Nicht-Ich gewissermaßen zum Ich“ wird. Meuli

1050 1946b, 283. – Trotz mancher Hinweise in Literatur und Mythos zweifelt Meuli daher mit guten Gründen an der Historizität von Menschenopfern in der griechischen Frühzeit und an der Annahme, die blutigen Tieropfer seien als Ersatz für Menschenopfer zu verstehen. 1051 1946b, 249 ff. 1052 Meuli 1946b, 249 f. 1053 Homer nennt die großen Schenkelknochen, Hesiod noch andere Knochen wie Hüftknochen und Schulterblätter. Weiteres bei Meuli 1946b, 261 ff. 1054 ‚Über die Grundlage der Moral’ § 16.

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Die ‚Griechischen Opferbräuche’

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hält es für möglich, dass darin ein „Grundstein aller Sittlichkeit und Moral“ zu erkennen ist und ein „Urquell echter religiöser Werte“ dazu:1055 „In solchem ‘Mitleid’, in solcher Ergriffenheit wurzelt die ganze lebendige Tiernähe des Jägers. Aber in diesem Augenblick, vor dem stumm drohendem Auge des Getöteten [Tieres], da scheint ihn das Gefühl der Schuld, das Bewußtsein der Lebenseinheit, das ‘Mitleid’ […] zu überwältigen.”

Ob es „wirklich ahnungsvolle Ehrfurcht vor jenen großen Mächten, die Natur und Leben selbst gegen Egoismus und Grausamkeit eingesetzt haben, [war] wenn Jäger und Hirten gerade dieses überlieferte Sittengebot so stark mit dem Göttlichen verbinden“, will Meuli nicht entscheiden: „[…]; jedenfalls hat es die bewunderungswürdige Macht gehabt, Mordlust, Grausamkeit und rücksichtslose Genußsucht zu bändigen und die Jagd in hohem Maße zu humanisieren, eine Tatsache, die angesichts der wüsten und gefühllosen Grausamkeiten bei Tötungsbräuchen an1056 derer Völker keineswegs selbstverständlich ist.”

Manchem mögen diese Darlegungen als „idealisierende Schönfärberei“ erscheinen, für Meuli sind sie jedoch realistisch:1057 „Wer nach dem Sinn von Riten sucht, nach dem Gehalt von Formen und Sitte, der wird überall zu derartigen Ergebnissen kommen. Denn Sitte ist die verpflichtende Formel des Vorbildlichen. Wie weit diese Formen mit lebendigem, echtem Gefühl erfüllt seien, wie weit sie nur als leere Formel laufen, das ist eine Frage für sich; entscheidend ist, dass die Jägervölker eben dieses Verhalten als vorbildlich und verpflichtend anerkennen.”

Das Verstehen oder doch eine annähernde Vorstellung davon, wie Opfer und Ritual und später Vorstellungen von Religion und Göttlichkeit entstanden sind, halte ich deshalb für wichtig, weil dadurch auch das Entstehen von Sitte und Recht besser gedeutet werden kann, denn Recht entwickelt sich parallel zur Sitte und aus ihr. Das gilt insbesondere für Meulis Formulierung von der Sitte als „verpflichtende[r] Formel des Vorbildlichen“. Diese Einsicht verhilft uns auch dazu, das Entstehen von Normativität besser zu verstehen, denn einen Gesetzgeber darf man sich am Beginn dieser Entwicklung nicht vorstellen. – Ohne hier

1055 1946b, 251. – Das setzt voraus, dass sich der Jäger als Teil der (übermächtigen) Natur verstand. Das Mitgefühl entsteht dann an einer Nahtstelle zwischen Natur und Kultur, um das Überleben des Menschen zu sichern. – Ohne Bezug zu K. Meuli behandelt W. Burkert in seiner Dissertation aus dem Jahre 1955 den ‚Altgriechischen Mitleidsbegriff’. Er untersucht darin insbesondere Beispiele in Literatur (Aischylos: ‚Prometheus’, Sophokles: ‚Philoktet’, Euripides: ‚Ion’, ‚Troerinnen’, ‚Iphigenie in Aulis’) und Philosophie (Aristoteles sah „im |MFPK LBh G²CPK das Wesen des tragischen Erlebens“, aaO 149; vgl. auch die |MFPK-Definition des Aristoteles, Rhetorik II 1385b 13 ff). 1056 1946b, 251. – Der Humanisierung der Kriegsführung könnte somit die der Jagd vorausgegangen sein! Dass auch diese Entwicklung bei der Jagd nicht geradlinig erfolgte, verwundert nicht. 1057 1946b, 252; Hervorhebung von mir.

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näher auf ‚Sitte’ und ‚Recht’ einzugehen, möchte ich wenigstens so viel sagen: Steht bei der Sitte das für die jeweilige Gemeinschaft ‚Vorbildliche’ im Vordergrund, tendiert das Recht dazu, die Grenzen des (für die Gemeinschaft) noch Tragbaren festzusetzen, bei deren Unterschreitung die Schädlichkeit für die Gemeinschaft beginnt. Die Verbindlichkeit des Rechts wird auch durch die Sanktion verstärkt. Dennoch schwingt auch noch im Recht etwas aus der (Gemeinschafts)Sitte mit: das auch durch die Norm häufig zum Ausdruck gebrachte ‚Vorbildliche’ gemeinschaftlichen Verhaltens. Nicht die Verbindlichkeit (von Normen) allein ist es nämlich, die das Verpflichtende und Überzeugende von Normativität ausmacht, sondern auch deren (innere) Verbindung mit dem Erwünschten und Vorbildlichen (Verhalten).

Jägersitte, Prometheusmythos und olympischer Opferbrauch Hesiod1058 führt die griechische Opferordnung auf den Opferbetrug des Prometheus zurück: Um Zeus auf die Probe zu stellen, hatte Prometheus die Knochen und andere wertlose Teile des Opfertieres, eingehüllt in einen Fettmantel, den Göttern dargebracht, das Fleisch dagegen den Menschen vorbehalten. Zeus durchschaute dies, wählte aber dennoch den zwar größeren, aber schlechteren Teil, aber verweigerte zur Strafe den Menschen das Feuer, das Prometheus daher den Göttern entwenden musste. K. Meuli hat in seiner grundlegenden Studie das olympische Speiseopfer entmystifiziert und auch die angebliche List des Prometheus erklärt.1059 Im Neuen Pauly wird dieser Zusammenhang nicht erwähnt.1060 – Die Gestaltung des olympischen (Lang)Knochenopfers1061 war zur Zeit Hesiods nicht mehr verstanden worden und musste deshalb erklärt werden. Das besorgte der Mythos (Hesiod!) phantasievoll, aber weitab von historischer Wirklichkeit. Das uralte Jägerritual und sein ursprünglicher Sinn waren längst vergessen worden. – Meuli1062 zitiert die informative und formelhafte Umschreibung solcher Vorgänge durch Wilamowitz: „Uµ GVTJLµO O²NPK yHzOFUP, und dann erfindet man einen Zweck“. Frei übersetzt bedeutet dies: Ein natürlicher Anlass schafft den Brauch/die Sitte. Später, wenn man diesen (noch geübten) Brauch nicht mehr versteht, erfindet man

1058 Theogonie 507-616 und Werke und Tage 42-105. 1059 Vgl. etwa 1946b, 214 ff. 1060 Bd. X (2001) 402-406. – Es findet sich lediglich ein Verweis auf DNP VIII (2000) 1240 ff, der Beitrag ‚Opfer-Griechenland’ dort enthält allerdings auch keinen Hinweis. Bendlin in DNP VIII (2000) 1230 f zu den ‚Opfertheorien’ zitiert K. Meuli bloß nebenbei und beinahe abwertend im Zusammenhang mit W. Burkert, der aber Meulis Auffassung übernommen (und ausgebaut?) hat. 1061 Der Terminus stammt, worauf Meuli (1946b, 283) hinweist, von W. Schmidt (1931). 1062 1946b, 202 mwH.

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eine Erklärung dafür. So ist der Prometheusmythos (von Hesiod) erdacht worden, um eine plausible Erklärung für das olympische Speiseopfer anzubieten. – Das ist auch deshalb interessant, weil vielleicht auch (Gewohnheits)Recht auf diese Weise entstanden ist. Meulis Erkenntnis, wonach die alten Jägerrituale nichts oder doch nur am Rande etwas mit Religion zu tun hatten, lässt die Vermutung zu, dass die Religion eine jüngere Erscheinung ist, die ältere Phänomene (hier Jägerriten) aufnahm. Dies wiederum stützt die Annahme, dass profane Riten wenigstens ebenso alt sind wie religiöse Praktiken.1063 – Die Einsicht in diesem konkreten Fall erlaubt einen Rückschluss auf die gesellschaftliche Aufgabe und das Entstehen des Mythos:1064 Es handelt sich um den Versuch, große Fragen und Zusammenhänge der menschlichen Existenz mit dem Kosmos, der Natur, den Göttern und den vielfältigen menschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zu erklären; und dies auf eine Art, die der Zeit und Kultur entspricht. Es geht um das Verständnis archetypischer Erfahrungen, die für das Recht von Bedeutung sind, weil auch dieses bestrebt ist, menschliche Erfahrungen zu verarbeiten; wenn auch auf andere Weise.

Die Buphonien Meuli widmet sich auch einem Detail, das seiner Ansicht nach „vielfach falsch verstanden worden ist“, der Tötung des Opferstieres beim attischen Buphonienfest und dem dabei stattfindenden symbolischen Prozess:1065 „Der Tötung des Opferstiers an den attischen Buphonien folgte eine Gerichtsverhandlung, bei der jeder Teilnehmer die Schuld dem Nächsten zuschob – die Wasserträgerinnen den Schärfern, diese den Überreichern des Beils, diese dem Schlächter –, bis schließlich das Messer als des Mordes am Stiere schuldig verurteilt wurde.”

Am 14. Skirophorion (Mai-Juni: Getreideernte?) wurde das Fest des Zeus Polieus begangen, die Dipoleia, das häufig ein ‚merkwürdiges archaisches Fest’ genannt oder mit den Worten ‚höchst eigenartige Riten’1066 beschrieben wird. Die Erklärungsversuche in den Lexika bleiben an der Oberfläche und sind apore-

1063 Daran ändert wohl auch Göbekli Tepe nichts (vgl. Kapitel IX 3); ja Meulis Verständnis hilft vielleicht das dort zu Tage Geförderte besser verstehen. Allerdings verschiebt der Fund in der Südost-Türkei die Zeit dieser Entwicklungen um zwei bis drei Jahrtausende zurück. 1064 Vgl. dazu in Kapitel III 4: Mythos und Rechtsdenken. 1065 1946b, 275 ff. – Bouphonia aus CPVG²OPK = rindertötend. – Vgl. auch die Beschreibung des Zeremoniells und überhaupt dieses Festes durch A. Mommsen 1898, 513 ff. 1066 So F. R. Walton, in: LAW I 762: „Ursprung und Bedeutung des Ritus sind umstritten“ bzw. E. Meyer 1986/2001, I 451.

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tisch.1067 Das Fest selbst bestand hauptsächlich aus den Buphonia/CPVG²OJB, der Stiertötung, und wurde Buphonien- oder auch Dipolienfest genannt.1068 – In seiner Beschreibung der Akropolis berichtet Pausanias1069 über diesen archaischen und unverstandenen Opferbrauch:1070 „Dann sind da die Zeusstatue des Leochares und der sogenannte Polieus (Stadtherr). Ich kann 1071 Sie lewohl den bestehenden Opferbrauch beschreiben, aber keinen Grund dafür nennen: gen mit Weizen vermischte Gerste auf den Altar des Zeus Polieus und lassen ihn unbeachtet liegen. Der Stier, den sie zum Opfern bereithalten, geht zum Altar und frißt von den Körnern. Einer der Priester, den sie den Stiertöter [CPVG²OPK] nennen, schlägt den Stier tot, wirft das Beil fort – denn so ist es Brauch – und flieht. Die anderen bringen das Beil vor Gericht, so als ob 1072 Auf die eben beschriesie den Mann, der das Werk vollbracht hat, nicht kennen würden. bene Weise führen sie diesen Brauch aus.” 1073

„Der Gerichtshof im Prytaneion, wo man über Erz und alles andere Leblose Gericht hält [sc. wenn solche Gegenstände etwa den Tod eines Menschen bewirkt haben], geht, wie ich glaube, auf folgenden Ursprung zurück: Als Erechtheus König der Athener war, tötete der 1074 Dann ließ er das Beil dort Ochsentöter [CPVG²OPK] einen Ochsen am Altar des Zeus Polieus. zurück und ging außer Landes; über das Beil fällte man aber sogleich ein Urteil, es wurde frei gesprochen [?], und so wird Jahr für Jahr gerichtet.”

Zeus Polieus war Stadtgott und ältester Hauptgott der Akropolis.1075 – Das verurteilte Beil wurde im Meer versenkt. Die Fest- und Monatsnamen sind auch

1067 K. Meuli ist nicht weiter auf den rechtlichen Kontext eingegangen. Das gilt auch für O. Gigon, in: LAW I 522 f (Buphonia): „Die antiken wie die zahlreichen modernen Deutungen des Brauches sind hypothetisch“; aber auch für C. Auffahrth, in: DNP II (1996) 853 f: „Doch ist das Gerichtsverfahren eher komödiantisch [sic!] denn als Schuldbewusstsein über den ‚Ochsenmord’ zu verstehen, das bei jedem Opfer mitzudenken sei“. Vgl. schon Meuli 1946b, 275 mwH. 1068 Dazu auch A. Mommsen 1898, 512 ff. 1069 I 24, 4 und I 28, 10. Viele Lexika (LAW und DNP), und nicht nur sie, sind offenbar unvollständig: nicht einmal die Pausaniasstellen werden vollständig angeführt. Auch in dieser Hinsicht ist Meuli vorbildlich. – Auch Aristophanes (Die Wolken/Nefelai 984 f) und Porphyrios (De abstinentia II 10 und 29 f; vgl. dazu Bernays 1866/1979, 60, 122 ff und 190 Bemerkungen über den theophrastischen Ursprung des Berichts des Porphyrios über das Dipolienopfer) gehen kurz auf die Buphonien ein. Dazu insbesondere L. Deubner 1932/1959, 158 ff, auf den sich Meuli zT stützt; vgl. auch A. Mommsen 1898, 514 ff. 1070 Ich folge der meines Erachtens besten Übersetzung von J. Laager (Pausanias, 1998). 1071 So ist es meist bis heute geblieben. 1072 Vgl. dazu in Kapitel II 6: Zuständigkeit der alten attischen Blutgerichtshöfe (Prytaneion). 1073 Das Prytaneion war für Klagen gegen unbekannte Täter (Totschläger – vgl. das symbolische Weglaufen des ‚Täters’beim Buphonienfest!) sowie gegen Tiere und leblose Gegenstände (Zurücklassen des Schlachtbeils durch den Opferpriester!), die den Tod eines Menschen verursacht hatten. – Zum Organon im Prytaneion Maschke 1926/19682, 63 ff und dazu in Kapitel VI 4: Historischer Rahmen (zum Jahr 480 v. C.: Antiphon). 1074 Hierin deutet sich das hohe Alter dieses Brauchs an. 1075 Pausanias 1972/19793, II 562.

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Die ‚Griechischen Opferbräuche’

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außerhalb Athens belegt.1076 – Mit Auffahrth versteht W. Burkert die „B.[uphonia] als Verbindungsglied von der ‚Unschuldskommödie’ (Meuli) der prähistor. Jägerzeit zur sakral gerechtfertigten Tiertötung [im] ‚Opfer’“.1077 Meuli1078 hält es mit L. Deubner1079 für undenkbar, dass „ein so naives Ritual“ erst in archaischer Zeit entstanden ist. Er betont, dass den (Steinzeit)Jägern wie dann auch den Hirten jedes Tier heilig war, weil ihnen das Leben als solches heilig war; deshalb erschien ihnen jede Tötung „bedenklich“ und deshalb folgte jeder Tötung notwendig „die Sühne“. – Dies ist allerdings nicht allgemein anerkannt: „Fragt man, warum der Stier nun gerade am Fest des Zeus Polieus in dieser seltsamen Weise geschlachtet werde, so wird dies positiv allerdings schwer auszumachen sein; negativ aber kann man mit aller Bestimmtheit sagen: dieses Ritual hat zu Zeus Polieus so wenig eine alte und innere Beziehung wie das korinthische Ziegenopfer zu Hera. Sind doch beides Speiseopfer, der Buphonienstier und die Ziege werden verschmaust; das olympische Ritual aber ist weder durch Zeus noch durch Hera noch durch irgendeine Gottheit bestimmt. […] Die Un1080 das Abwälzen der Schuld, ist beliebter Jägerbrauch, und schon dort wird schuldskomödie, schließlich gern die Mordwaffe zum Sündenbock gestempelt. Meuli macht dies an zahlreichen Beispielen deutlich. Daß sie gerade bei den Athenern die Form einer regulären Gerichtsverhandlung annimmt, ist hübsch und überaus bezeichnend. In Lindos war es anders: man fluchte dem ‚Stiermörder’, und die Opfernden genossen nach dem Vorbild des Herakles […] die Flüche als Würze des Mahls.“

Die beim Dipolienfest (wie auch bei anderen Anlässen) praktizierte „zeremonielle Flucht“ ist nichts anderes als „Sühne für die gewöhnliche Opfertötung“; das gelte auch für die „Verurteilung der Mordwaffe bei den Buphonien“. Freilich war das Fluchtritual schon den Griechen seltsam erschienen und unverständlich geworden, und „wie beim Buphonienstier haben sie dann oft eine besondere Begründung dafür gesucht“.1081 – Aus heutiger Sicht ist die Erklärung relativ einfach: Derjenige, der die letzte Ursache (für den Tod) setzt, ist verantwortlich, besser: er wird für den Tod verantwortlich gemacht! In einer Zeit, die das Töten schlechthin verpönte, eröffnete das Fluchtritual einen Ausweg aus dem sonst drohenden Unglück/der nötigen Bestrafung des Täters.1082 Das galt

1076 Auffahrth, in: DNP II (1996) 853 f. 1077 Vgl. Burkert (1972/19972). – Der von Auffahrth dargestellte Gedankengang stammt zur Gänze von Meuli, ist aber in der Form, in der er mitgeteilt wird, kaum verständlich. 1078 1946b, 275 ff. 1079 1932, 173. 1080 Diesen Begriff halte ich für nicht aussagekräftig, er ist geradezu irreführend. Komödie ist hier nicht das passende Wort, geht es doch um das Bemühen, bestimmte Handlungen vom Tötungsvorwurf zu entlasten. 1081 Zum Prometheusmythos und der Wilamowitzformel oben bei Anm. 1058 ff. 1082 Die Tötung eines Menschen löste die Verpflichtung der Angehörigen des Getöteten zur Blut-

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nach altem Jägerbrauch für die Tötung von Tieren – und wurde vornehmlich symbolisch-rituell vollzogen; dann in archaischer Zeit galt dies auch für die Tötung von Menschen!1083 Meulis Überlegungen lassen erahnen, dass die dem Tötenden/G²OFVK nach alter Sitte noch in der Zeit Drakons eingeräumte Möglichkeit zur Flucht in die Fremde offenbar auch auf den Jägerbrauch zurückgeht. Denn der Jägerbrauch sah Ähnliches für jene vor, die als Jäger oder später als Hirten und bäuerliche Opferschlächter Tiere töteten. Diese ältesten Wurzeln haben nach Meuli nichts mit Religion zu tun. Spätere Opferbräuche von Hirten und Bauern übernehmen die alten (Jäger)Rituale und verbinden sie auf unterschiedliche – nicht immer verständliche – Weise mit ihren eigenen religiösen Vorstellungen. Das gilt auch für das olympische Speiseopfer, das in archaischer Zeit zum Vorbild rechtlicher Regelungen geworden sein könnte. – Die Auslöschung von Leben, zumal die Tötung von Menschen – aus welchem Grund auch immer – ist fluchbeladen. Das bedeutet, dass solches Handeln Unglück bringen kann, dem Handelnden selbst und der Gemeinschaft, in der er lebt. Daher wird solches Handeln sanktioniert und unterliegt zudem strengen (Reinigungs)Regeln. Im Bereich der Jäger wurde die Tötung nur symbolisch ‚verurteilt’, weil das Handeln der Jäger von der Gemeinschaft grundsätzlich gebilligt wurde, ja erwünscht war. Es wird jedoch die rituelle Reinigung erdacht und vollzogen, die dann auch im menschlichen Bereich angewendet wurde.1084 – Flucht und rituelle Reinigung, also zeitlicher Abstand (cooling off time!) und nach außen sichtbare, reinigende Sühne, ermöglichten eine Rückkehr des ‚Jägers/Täters’ in die Gemeinschaft.1085 Vieles von dem scheint im Jägerritual vorgebildet gewesen zu sein. – Der frühe Mensch war dem Leben stark verbunden.

rache aus; dazu insbesondere in den Kapiteln II 10 und III 3. 1083 Hier verschärfte sich das Problem, weil man allmählich erkannte, dass zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Tötung zu unterscheiden war. Drakon regelte dies gesetzlich, zuvor war dies schon im Sakralrecht des Delphischen Apollon angelegt, was nach Pausanias aus Kreta stammen soll. (Zeus, Apollons Vater, stammt von dort. Zu Apollon unten ab Anm. 1235.) Fluchtrituale der Jäger und wohl auch noch rechtliche spiegeln die Angst vor der Rache des getöteten Tieres (Meuli bringt dafür Beispiele) oder der nächsten Angehörigen des Getöteten wider. Dazu in Kapitel II 10: ‚K. Meuli und die Blutrache’. 1084 Dass Reinigungsvorschriften im rechtlichen Bereich früh autonom entstanden sind, ist eher auszuschließen. Die Fälle, in denen Derartiges entwickelt und praktiziert werden konnte, waren viel zu selten, als dass feste Rituale in einer konsistenten Praxis hätten entstehen können. 1085 Im rechtlichen Bereich konnten die Verwandten des geflüchteten Täters während der Zeit seiner Abwesenheit Kontakt mit den Angehörigen des Getöteten aufnehmen, um ein Bußgeld auszuhandeln. Das Sühneritual konnte nach der Rückkehr des Täters vollzogen werden.

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Vom Jägerritual zur Erfolgshaftung Ich will nun versuchen, Meulis Deutung des Jägerrituals und des attischen Buphonienfestes auf ihren rechtlichen Gehalt zu untersuchen. – Lässt sich daraus etwas Juristisches gewinnen? Ich vermute, dass der Buphonienprozess den Rechtszustand widerspiegelt, der zur Zeit der Einführung dieses Festes1086 bestanden hat. Der Prozess verbindet das damals geltende Prinzip der Erfolgshaftung mit dem alten Jägerritual, welches ua. dazu diente, das durch die Tötung geschaffene ‚schlechte Gewissen’ zu beschwichtigen und die Gefahr des Ausbleibens des künftigen Jagdglücks zu bannen. Dies geschah dadurch, dass in dem gerichtlichen Verfahren, das im Rahmen des Festes in symbolischer Form stattfand, nicht der das Opfertier Tötende (Priester) verurteilt wird, sondern bloß das Schlachtbeil. Der Gedanke lag auch dem Jägerritual zugrunde: die Tötung war erwünscht, ja gefördert. Der Tötende kann daher lediglich symbolisch ‚bestraft’ werden, denn er hatte seine Handlung im Interesse der Gemeinschaft gesetzt. Das war beim Zeusopfer nicht anders. – Kein Mitglied der Gemeinschaft, die das Opfer feiert, wird rechtlich belangt und verurteilt, sondern nur das Tötungswerkzeug.1087 – Heute erscheint uns eine solche Sicht der Dinge fremd, das frühe Recht und der symbolische Prozess sorgen für Entlastung in der Gesellschaft. Es wäre untragbar gewesen, den Ausführenden für ein Opfer, das der Gemeinschaft zugutekommt, zu stigmatisieren; diese Situation ist durchaus mit jener der frühen Jäger vergleichbar. – Zum Buphonienprozess noch einige Bemerkungen: • In diesem Opferbrauchs zeigt sich die enge Verbindung von Religion und Recht; der rituellen Tötung folgt eine rituelle Gerichtsverhandlung.

• Bei der symbolisch ablaufenden Gerichtsverhandlung schieben alle an der Opferhandlung Beteiligten „die Schuld [!] dem Nächsten” zu; „die Wasserträgerinnen den Schärfern [sc. des Beils], diese den Überreichern des Beils, diese dem Schlächter –, bis schließlich das 1088 Messer als des Mordes schuldig [!] verurteilt wurde.”

• Meuli gebraucht hier die Worte ‘Schuld’ und ‘schuldig’ im Sinne der alten umgangssprachlichen Doppelbedeutung von ‘ursächlich für etwas’ sein und ‘schuldhaft’ handeln

1086 Den genauen Zeitpunkt kennen wir nicht, eine Entstehung vor 650 v.C. ist wohl nicht anzunehmen. 1087 Damit wurde offenbar mit dem Opferpriester auch die Gemeinschaft von der Tötung freigesprochen. Das wird dadurch möglich, dass durch das Weglaufen des Priesters nach der Tötung fingiert wird, der Täter sei unbekannt oder doch entkommen. In solchen Fällen wurde auch im regulären rechtlichen Verfahren die Mordwaffe verurteilt, und dafür war wie hier das Prytaneion zuständig. – Dieses alte Ritual entlastet die Gemeinschaft und entspricht jedenfalls bis Drakon der geltenden Rechtslage. Zur Zuständigkeit des Prytaneions noch in klassischer Zeit Kapitel II 6: ‚Zuständigkeit der alten attischen Blutgerichtshöfe’. 1088 Meuli 1946b, 275.

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(iSv vorwerfbarem Verhalten). Auch das griechische ‚JUeB/aitía bedeutet zunächst ursächlich sein für einen eingetretenen Erfolg und erhält erst nach dem Entstehen des subjektiven Schuldvorwurfs auch die weitere Bedeutung von: schuldig sein eines vorwerfbaren Verhaltens. – Laien unterscheiden noch heute nicht zwischen den beiden Bedeutungen, 1089 und auch Meuli tut dies nicht.

• Es ist zu vermuten, dass auch bei der Tötung von Tieren ursprünglich bloß der Erfolg (iSv Ursächlich-Sein) bewertet wurde nicht die Einstellung des Tötenden; die ‘positive’ Einstellung des Jägers zum erlegten Tier wurde gleichsam erst rituell-symbolisch ‘nachgetragen’, als das Tier erlegt war. – Ich denke hier an das Gespräch zwischen Perikles und Pro1090 über die Tötung eines (je nach Übersetzung) Wettkampfteilnehmers oder Pfertagoras 1091 des bei einem Wettkampf durch den Speerwurf eines Wettkämpfers. Danach sollen der Politiker und der Sophist einen ganzen Tag lang über die Frage der Haftung diskutiert haben, was andeutet dass sich die Diskutanten des Problems bewusst waren. Nach Plutarch ging es darum „[…] wem man wohl mit dem größten Rechte die Schuld [!] daran zuschreiben könnte, dem Wurfspieß [!], dem, der ihn geworfen, oder denen, die das Wett1092 – Fälle wie dieser trugen dazu bei, die Unzulänglichkeit der spiel angeordnet hätten?“ bestehenden Rechtslage (vor Antiphons bahnbrechenden Neuerungen, die erstmals in der Rechtsgeschichte zu einer Abgrenzung von ‚Zufall’ und ‚schuldhaft-fahrlässigem Verhalten’ führten) wenigstens erahnen zu lassen. Eine Lösung wurde offenbar noch nicht erreicht, Plutarch berichtet nichts darüber. Seinem Hinweis auf die (mögliche) ‚Schuld’ des Speers liegt derselbe Gedanke zugrunde wie der Verurteilung des Tötungsbeils beim Buphonienfest. Das Wort ‚Schuld’ wird auch hier im umgangssprachlichen Sinn verwendet.

• Das Ritual der attischen Buphonien stammt demnach noch aus einer Zeit, in der die Erfolgshaftung uneingeschränkt in Geltung stand. Es wurde noch nicht zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem Handeln unterschieden, sondern nur der kausale Beitrag zum 1093 eingetretenen Erfolg beurteilt.

• Das frühe Jägerritual war Sitte im Sinne Meulis,1094 aber noch nicht Recht, wenngleich eine Vorstufe dazu und auch noch nicht Religion, wenngleich es später in religiöse Praktiken integriert wurde; Sitte als (normative) Quelle für das Entstehen von Recht und Religion (?).

1089 Dazu auch in Kapitel II 6: ‚E. Voegelin’. 1090 Plutarch, Solon 36, 3. 1091 Dazu mein Beitrag 2005, etwa 31 ff und 59 f und Kapitel II 4: ‚Kategorie der unvorsätzlichen Tötung’. 1092 Zitiert nach Kaltwasser/Floerke I 354. 1093 Dazu in Kapitel II 6: Drakons Blutrachegesetz ist demnach terminus ante quem für die Einführung des Buphonienfestes und dies gilt auch für die Praxis des Delphischen Apollon (von der wir allerdings nicht wissen wann sie begonnen und wie lange sie gedauert hat). 1094 1946b, 252: Nach Meuli ist schon die frühe Sitte als ‚normativ’ anzusehen, und sie war Teil des nomologischen Wissens.

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• Die Frage, warum die Tötung des Opfertiers einen Prozess nach sich zog, beantwortet Meuli: Schon der uralte Jägerbrauch verlangte eine Rechtfertigung der Tötungshandlung auch bei Tieren. Die Tötung eines Tieres löst jedenfalls den Prozess aus, auch wenn bei einer (Opfer)Tötung keine zurechenbare ‘Schuld’ im Spiele gewesen sein mag.

• Schon im frühen Recht und Prozess wie beim alten Jägerbrauch geht es um den Schutz von Leben, unabhängig von der Einstellung des Tötenden. Der frühe Rechtsgang stimmt auch darin mit dem alten Jägerbrauch überein; eine Übertragung liegt also nahe. Das zeigt, dass schon das frühe materielle Recht und der frühe Rechtsgang weniger ‘primitiv’ waren, als dies meist angenommen wird. – Die aus der Jägerzeit (sie endet im Gebiet des Göbekli Tepe zwischen dem 10. und 8. Jt.) stammende Achtung vor dem Leben wird früh ‚aufgeweicht’ und das homerische Heldenideal stellt bereits eine Pervertierung (durch 1095 fehlgeleitete Selektion) dar.

• Meuli macht auch deutlich, dass der Konnex der alten Jägerrituale mit den jüngeren Götterkulten bloß ein äußerer war und dass bei der Integration in religiöse Praktiken der ursprüngliche Sinn der Jägerrituale bis zur Unkenntlichkeit zurückgedrängt wurde oder ganz verloren ging. Das zeigen die späteren Erklärungsversuche, insbesondere der Prometheusmythos und die Deutungen des Buphonienfestes. – Hier knüpfte das spätere Verfahren an, das demnach als Rechtfertigung der kultischen Tötungshandlung verstanden wurde.

• Die Griechen – und auch noch die Römer – kannten wie die alten Jäger und der Opfer1096

als auch Reinheitsbrauch der Hirten und sesshaften Bauern, sowohl Fluchtrituale, und Reinigungsvorschriften, die man als Sühne verstand und einsetzte. Die schon von Jä1097 gern vollzogenen Reinheits- und Reinigungsriten wurden von der Religion aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Recht verband seine säkularen Sanktionen – insbesondere bei Tötungsdelikten – mit diesen sakralen Regeln. Die uralten Vorstellungen von Miasma 1098 sondern sind deutlich und Katharsis haben (noch) nichts mit dem Schuldbegriff zu tun, 1099 älter.

• Zuletzt möchte ich noch auf J. Bernays1100 hinweisen, der sich mit Theophrasts Schrift über die Frömmigkeit und mit der Schrift des Porphyrios über Enthaltsamkeit befasst: Bernays unterstreicht die Bedeutung Kretas „als Ursitz der Mordsühnungen“, die „besonders klar in der Sage hervor[tritt], welche den Apollon selbst, nachdem er den Python getödtet hat, nach Kreta wandern lässt, um sich von der Blutschuld zu reinigen (Pausanias 2,

1095 Das gilt für den Menschen wie für das Tierreich (Argusfasan); K. Lorenz (1974/2004). – Dazu auch in Pkt. 2: ‚Vom Bellizismus zum Humanismus’. 1096 Meuli 1946b, 276 f. 1097 Meuli 1946b, 253 f und 264. 1098 Maschke 1926/19682, 18. 1099 Etwas ausschließlich Griechisches dürften diese von den alten Jägern entwickelten Reinheitsund Reinigungsriten aber nicht gewesen sein. Das wird auch bei Meuli deutlich. 1100 1866/1979, 122 ff, 60 und 190.

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7, 7).“ Von Kreta aus sollen sich die Zeremonien der Mordsühne über Griechenland 1102 verbreitet haben. – Theophrast soll (bei seiner von Porphyrios teilweise übermittelten Schilderung der juristischen Szene des Dipolienfestes) von einer (rituellen?) „Gleichstel1103 lung der Stiertödtung mit dem Menschenmorde“ ausgegangen sein.

Diese Versuche zur Erklärung der Opferbräuche können vielleicht helfen, Hinweise auf Drakons Gesetzgebung zu ergänzen und zu verdeutlichen. Drakon soll danach vorhandenes (sakrales?) Gewohnheitsrecht übernommen und gesetzlich gefasst haben. Auch Hinweise darauf, dass der Delphische Apollon ältere (gewohnheitsrechtliche?) Rituale aufgegriffen, weiterentwickelt und zu Sakralrecht geformt haben soll, könnten so glaubwürdiger werden.1104 – Mir liegt daran zu zeigen, dass wir alte Bräuche und Sitten besser oder überhaupt erst verstehen lernen, wenn die Entwicklung des Rechts mitberücksichtigt wird. Das wollte ich mit der Untersuchung der rechtlichen Aspekte erreichen. Die Ergebnisse Meulis habe ich in meiner Untersuchung bestätigt gefunden.

W. Burkerts ‚Anthropologie des religiösen Opfers’ Burkert versucht, Meulis ‚hunting hypothesis’ durch R. Girards Opfertheorie (mimetisches Begehren/désir mimétique + Sündenbockkonzept/victime émissaire) zu ergänzen.1105 Meuli behandelt nur die uralten Jägerrituale, in denen Religion noch keine Rolle spielt.1106 Er zeigt, wie diese Rituale der Jäger in die religiösen Konzepte der Hirten(nomaden) und der sesshaften Bauern eingeflossen sind. Burkert und Girard versuchen hingegen, das religiöse Opfer als Ganzes zu verstehen. – Meulis Deutung des olympischen Opfers über das Jägerritual lässt R. Girards zentrale Frage, wie es denn zu verstehen sei, dass Töten und Blutver-

1101 Bernays 1866/1979, 190. 1102 Bernays aaO 122 ff, weist auf Widersprüche in der Sagentradition hin. – Er äußert sich aber nicht dazu, ob die Mordsühne in Kreta entstanden oder dort nur (aufgrund eines Transfers) zuerst angewandt worden war. – Zypern und Kreta gelten als die Einfallstore für Einflüsse aus dem Orient und Ägypten. 1103 Bernays aaO 124. – Das entspricht im Ergebnis der Übernahme der Jägertradition (der es um die Achtung des Lebens ging) durch Religion und Recht. 1104 Vgl. etwa Maschke 1926/19682, Kapitel I (Vorgeschichte des Rechts) und II (Drakon). 1105 Vgl. insbesondere 1984/19872, 34. Burkert will R. Girards Modell weiter differenzieren. – Weder das Buphonienfest, noch der Prometheusmythos kennen derlei. – Burkerts konnte auf Girards Buch ‚La violence et le sacré’ nicht eingehen, weil es im selben Jahr erschienen war wie sein ‚Homo necans’. Er holt dies in seinem Münchner Vortrag nach und nimmt mehrfach zu Girard Stellung; etwa 18 ff., insbes. aaO 21 zu den Unterschieden zwischen seiner und Girards Theorie. 1106 Das hat auch Burkert gesehen; vgl. 1984/19872, 35 f. Er stellt Meulis Meinung aber dadurch in Frage (1984/19872, 24), dass er es bereits als Religion ansieht, dass sich die Jäger bei ihrem notwendigen Töten „vor der Macht des Lebens“ beugen. (?)

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gießen in Religion und Gesellschaft so große Bedeutung erlangen konnten, obsolet (und wohl auch künstlich) erscheinen. Für die Jäger war das Töten von Wild lebenswichtig, und sie waren mittels ihrer Riten bestrebt, dennoch eine gute Beziehung zu den Tieren zu erhalten, denn das Leben war ihnen offenbar in jeder Form heilig. Im Jägerritual versuchte man, das Paradoxon zwischen notwendiger Tötung und wünschenwertem Aufrechterhalten einer guten Beziehung (zu den Tieren) zu lösen. Ich beschränke mich auf die wichtigsten Punkte bei Burkert:1107 • Burkert lobt Meulis interdisziplinäre Methode:1108 „Zugleich ist Meulis Studie ein Exempel, wie konsequentes Fragen über die Grenzen der Einzeldisziplin hinausführen muß: Meuli war klassischer Philologe, doch von der griechischen Literatur, dem Hesiod-Text, führt das Opferproblem zur allgemeinen Religionswissenschaft und damit von Hellas nach Sibirien und in andere Reiche ‚wilden Denkens“, vom Altertum bis weit in die Prähistorie zurück. Gewonnen wird eine anthropologische Perspektive, die notwendig interdisziplinär ist.“

• Burkert stützt sich stark auf Meuli, er biegt jedoch dessen Meinung mitunter bereits in 1109

Richtung Opfertheorie zurecht.

• Für Burkert ist das Ritual Brücke zwischen Verhaltensforschung und Religion. – Das 1110

schon aus dem Tierreich stammende Ritual schlägt aber nicht nur die Brücke zur Reli1111 gion, sondern auch zum Recht; und zwar einerseits zum Gewohnheitsrecht und andererseits zu dem am stärksten ritualisierten Bereich, dem Verfahrensrecht, das auch als formelles Recht bezeichnet wird. – Burkerts Deutung des Rituals ist danach zu ergän1112 Neben den autonomen Jägerritualen und den religiösen Ritualen existierten auch zen: rechtliche Rituale; Formregeln, Eidesleistung etc. Rechtliche und religiöse Rituale gingen häufig eine Synthese ein; ihre gesellschaftliche Wirkung war dadurch grösser!

• Der stärkste Einwand gegen die Jagd-Opfer-Theorie ist für Burkert der entscheidende Kulturwandel, den der „Übergang zu Ackerbau und Viehzucht bedeutet hat, die ‚neolithische Revolution’. – Göbekli Tepe hat hier manches zusätzlich ‚verrückt’,1113 etwa die bisherige Annahme von der neolithischen Revolution, die sich nicht als revolutionäre Erscheinung sondern als eine langanhaltende Entwicklung erweist. Die langen Übergänge haben das Jägerritual eher gefestigt als geschwächt. Göbekli Tepe zeigt zudem, wie stark

1107 1984/19872. – Obwohl auch das Recht im griechischen Opfer eine Rolle spielt, gehen Meuli, Burkert und auch Girard nicht darauf ein. 1108 Burkert 1984/19872, 24 f. 1109 Etwa aaO 23. 1110 Das hat K. Lorenz gezeigt; vgl. Kapitel IX. 1111 Dazu in Kapitel VII 1. 1112 Vgl. 1984/19872, 38 ff. 1113 Burkert führt 1984/19872, 30 für die Weiterwirkung der Jägerkultur Çatal Hüyük (~ 6000 v. C.) an.

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die Jägerkultur auch noch im Übergang war; sie scheint auch noch nach Aufgabe dieser 1114 großen und zentralen Kultstätte weitergewirkt zu haben. – Insgesamt liegt darin allem 1115 Anschein nach vor allem in weiten Bereichen eine Bestätigung der Meinung Meulis.

Gemeinsame Ursprünge von Recht und Religion Die gemeinsamen Ursprünge von Religion und Recht und die deshalb lange bestehende typische Verflechtung in frühen Gesellschaften werde ich auch andernorts darstellen,1116 nämlich im Zusammenhang mit einer denkbaren anthropologisch-biologischen Fundierung des Rechts. Hier will ich mich auf den konkreten Vorgang der Umsetzung religiöser und kultischer Werte in rechtliche Wert- und Ordnungsvorstellungen und das Entstehen dieser Phänomene aus den Gesellschaftsbedingungen der Archaik beschränken. Ich stütze mich bei religionshistorischen Überlegungen sowohl auf M. Eliade, Geschichte der religiösen Ideen I, als auch auf W. Burkerts ‚Griechische Religion’ und seinen ‚Homo Necans’, auf U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen, E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational, H. Lloyd-Jones, The Justice of Zeus und R. Parker, Greek Religion1117 und im Hinblick auf die häufig problematischen Aussagen zum Indogermanisch-Europäischen auf die kritische und überschaubare Studie von A. Häusler, Nomaden, Indogermanen, Invasionen. Zur Entstehung eines Mythos. – Ich bin mir bewusst, dass ältere Arbeiten zur indoeuropäischen – und damit zum Teil auch zur griechischen – Geschichte nur mit größter Vorsicht herangezogen werden sollten, dies umso mehr, als sich manche bislang als gesichert geltende Annahme als unzutreffend erwiesen hat.1118 Das gilt für manche Passagen in den Arbeiten von Maria Gimbutas, deren Schwächen ua. von Häusler deutlich aufgezeigt wurden, auf die sich aber noch Eliade und andere Autoren stützen.1119 Es betrifft etwa die indoeuropäischen Wanderungen und Einfälle/Invasionen oder die Annahme eines ursprünglichen Stamm-Lebensraumes dieser Völker nördlich des Schwarzen Meeres in

1114 Vgl. Kapitel IX und 2008, 6 ff. 1115 Eine Aufgabe für die Zukunft ist es, die bisherigen Opfertheorien mit den neuen Funden am Göbekli Tepe zu konfrontieren; vgl. dazu auch Kapitel IX und 2008, 6 ff, dort auch zu Funktion und Bedeutung des nomologischen Wissens, das bei Burkert außer Acht bleibt. 1116 Vgl. Pkt. 6: ‚Ubi societas, ibi religio – et ius?’ (bei Anm. 766 ff) und in Kapitel IX. 1117 1986/2001; vgl. auch 2005, 61 ff. 1118 Problematisch R. v. Iherings Vorstellungen von früher Rechtsgeschichte, in: ‚Vorgeschichte der Indoeuropäer’ (1894); vgl. dazu das manches zurechtrückende Vorwort von Victor Ehrenberg (!), der in jungen Jahren Iherings Assistent gewesen zu sein scheint. 1119 Als Beispiel Eliade 1978/1992, 178: „Nach M. Gimbutas können die Völker, die die Tumulikultur entwickelt und weitergetragen haben, nur die Protoindoeuropäer und in den letzten Phasen ihrer Zersplitterung die Indoeuropäer sein.“

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den nordpontischen Steppen zwischen den Karpaten und dem Kaukasus; oder die gemeinsamen Jenseitsvorstellungen, die Bestattungssitten, die Grundzüge einer Religion der Indoeuropäer – Schlussfolgerungen, die aus problematischen oder unrichtigen Annahmen gezogen wurden.1120 Einiges ist aber vielleicht noch brauchbar, wenigstens in seiner vorläufigen Fragwürdigkeit. Tendenziell wird man sich aber mit dem für die (früh)griechische Geschichte historisch Belegten begnügen müssen, gerade weil viel Indogermanisch-Europäisches mehr der Mythenbildung und Ideologisierung als der historischen Aufarbeitung diente.1121 Für ein einigermaßen realistisches Bild vom gegenwärtigen Forschungsstand auch in Bezug auf einen „Vergleich der Religionen der indogermanischen Völker“, verweise ich auf eine knappe Zusammenfassung bei Häusler:1122 „Ich möchte daraus schließen, dass eine solche Rekonstruktion [sc. ein einigermaßen vollständiges Bild der Religion der Indogermanen darstellen zu können] schon deshalb nicht durchführbar ist, weil es weder gemeinsame Bestattungssitten, gemeinsame Jenseitsvorstellungen noch eine konkrete ‚Religion der Idg.’ in einer ‚Primärheimat’ oder einem ‚letzten 1123 Verbreitungsgebiet gegeben hat.“

Sehen wir uns aber zunächst mit kritischem Bewusstsein Eliades Ausführungen zur Religion der Indoeuropäer1124 und anschließend jene zur Religion der Griechen an. Vor allem Eliades Darstellung der Indoeuropäer wirft Probleme auf, da sie sich teilweise auf überholte Prämissen stützt; etwa auf jene von Maria Gimbutas. Zum Verhältnis von Recht und Religion in der Frühzeit finden sich bei

1120 Dazu insbesondere: Häusler (2003) und E. L. Bennet jr. (1998), der Haarmanns Bücher (1996) und (1990) ‚zerpflückt’. 1121 Eine Ausnahme macht hier Meuli (1946b, 281 f): „Für eine Analyse des griechischen Kulturbesitzes wird dieser Aspekt auch weiterhin zu berücksichtigen sein; der Nachweis, dass wichtige Elemente alter Jäger- und Hirtenkulturen im hochentwickelten Altgriechenlannd kräftig fortleben, schafft ein erwünschtes Gegengewicht gegen die Überschätzung der agrarischen Bräuche. Denn die Zeit ist noch nicht überwunden, da man […] überall agrarische Kulte, überall Fruchtbarkeitszauber zu sehen glaubte. Bedenkenswert ist auch die geringe Bedeutung der Magie und des Geisterglaubens in unserm ganzen Bereich.“ 1122 2003, 84. 1123 Das scheint auch, wie Häusler uH auf Schlerath (1987) ausführt, für ein Bemühen zu gelten, die ‚Sozialstruktur’ der Indogermanen zu erhellen. 1124 Den religiösen Synkretismus der Hethiter charakterisiert Eliade (1978/1992, I 135 f) dadurch, dass das „indoeuropäische Erbe […] sich [darin] als am wenigsten bedeutsam“ erweist. Aber auch das Pantheon der Hethiter war danach – wie das der Griechen – „als Großfamilie konzipiert, der das erste Paar, die Schutzgötter des Hethiterlandes, vorstand: der Wettergott und eine Große Göttin“. Die Hethiter kannten Reinigungsriten, und die Bedeutung des Königs in religiösen Belangen war groß; ihre Könige wurden nach dem Tod divinisiert. Die Hethiter kannten auch Mythen (1978/1992, I 137) und ein Königtum im Himmel sowie Konflikte zwischen den Göttergenerationen (1978/1992, I 140 ff). Eliade zeigt Parallelen zu Hesiods ‚Theogonie’ auf: „Wahrscheinlich kannte Hesiod diese orientalischen Traditionen“ (1978/1992, I 231).

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Eliade jedoch einzelne beachtenswerte Bemerkungen.1125 – Ich werde versuchen einen Überblick zu geben, der auch die Arbeiten von Burkert, Parker und Wilamowitz1126 berücksichtigt:1127 • Nach Burkert1128 ist im „Wortschatz des Indogermanischen […] eine geistige Welt enthalten, die Wertstrukturen, soziale Gliederungen und auch religiöse Vorstellungen erkennen lässt“. Deutlich ist die „patriarchalische Organisation, die zentrale Stellung des ‚Vaters’ in der Großfamilie“ erkennbar. Ackerbau war bekannt, doch „weit wichtiger sind Weide, Rind und Pferd“. Man stelle sich demnach „kriegerische Nomaden oder Halbnomaden am Rand der sich entwickelnden Hochkulturen vor, die eben dort sich zu Herren machen konnten.“ (Hervorhebungen von mir) – Trotz beachtlicher Schwierigkeiten und Unsicherheiten bleiben aber „einige ganz sichere Anhaltspunkte für eine entwickelte Religion der ‚Indogermanen’ mit Göttern, Götterkult und Götterdichtung“; zu nennen ist vor allem der „’Himmel-Vater’, bei Griechen und Römern der höchste der Götter, Zeùs patér, Diespiter-Juppiter“. – Auch „Umrisse des Kultes“ lassen sich fassen, „’Verehrung’ des 1129 Auch das Tieropfer ist eine „indogermanische Insti‚Heiligen’ mit Opfer und Gebet“. 1130 tution“.

1125 Parker 1986/2001, 309 geht auf Zusammenhänge zwischen der griechischen Religion und der minoisch-mykenischen Zivilisation und orientalische Einflüsse ein (vgl. auch L. R. Palmer: 1981), erwähnt dagegen nicht den indoeuropäischen Kontext. – Burkert erörtert sowohl die griechische Vorgeschichte als auch die minoisch-mykenische Epoche (1977, 34 ff) und die Frage der Indogermanen (1977, 42 ff) und weist bereits darauf hin, dass die indogermanische Schnurkeramikerthese „durch politischen Missbrauch um ihren Kredit gekommen“ ist; dabei wird Gimbutas erwähnt, was bei Eliade fehlt. Burkert unterstreicht die Unsicherheit verschiedener historischer Postulate in diesem Kontext, nämlich hinsichtlich der Urheimat der Indogermanen ebenso wie hinsichtlich der „Möglichkeit eines allmählichen, […] Einsickerns der ‚Griechen’ ohne dramatische Eroberung und Zerstörungshorizonte“. 1126 Etwa zur kretischen Religion: 1973, I 114 ff. 1127 Auch diese Autoren haben aber die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse noch nicht berücksichtigt. – Manches ist weiterhin ungeklärt, wobei sich einzelne Fragen wohl niemals werden klären lassen; wie etwa die minoisch-mykenischen, indoeuropäischen oder orientalischen Einflüsse (mit den Überlagerungen) auf die olympische Religion und die griechische Kultur. – Zur minoisch-mykenischen Religion: Burkert 1977, 48 ff und M. P. Nilsson (1950 und 1951/1986). 1128 1977, 43 ff. 1129 Die im Griechischen als reine Kultworte beim Trankopfer Verwendung findenden Worte spéndein und spondé (dazu in Kapitel I 9: Völkerrecht) stammen aus anatolisch-hethitischer Tradition; dazu Burkert 1977, 45, 71 f iVm 121 ff (zur Libation). Zu den altgriechischen Opferriten und Mythen: Burkert 1972/19972, 8 ff. 1130 Burkert 1977, 101 ff. – Dieser Satz ist so nicht haltbar; vgl. nur Meuli 1946b, etwa 281 ff. Zu unterscheiden ist auf jeden Fall im Sinne Meulis zwischen dem echten Gaben-, Brand- oder chthonischen Vernichtungsopfer und dem olympischen Speiseopfer, das keinesfalls indoeuropäischen Ursprungs ist.

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• Eliade betont1131 uH auf G. Dumézil, dass bei den Indoeuropäern Religion und Recht of1132

1133

fenbar schon in der Frühzeit eng verbunden waren. – Burkert spricht ebenfalls von weiter gehenden „faszinierende(n) Rekonstruktionen, die auf mythisch-religiöse Strukturen als Entsprechungen sozialer Organisation zielen“. Burkert betont aber, dass für Du1134 „das eigentlich griechische Material besonders unergiebig ist: die mézil und Alföldi griechische Kultur zeigt sich hier anscheinend der neolithisch-anatolischen Stadtkultur 1135 – Zu Recht skeptisch gemehr verpflichtet als dem indogermanischen Nomadentum“. gen häufig anzutreffende Schematisierungen (etwa indogermanisch und nicht indoeuropä1136 So sei der isch), zumal diese den „Phänomenen Gewalt antu(n)“, äußert sich Burkert: Mythos von den Göttergenerationen ebenso wie die Vorstellung von den himmlischen im Gegensatz zu unteren Göttern altorientalisch; gerade die chthonischen choaí hätten Beziehungen zum Indogermanischen, während das olympische Opfer mit Semitischem ‚zu1137 Der Himmelsvater, der als ‚Vater’ doch nie unbeweibt gewesen sein sammengeht’. könne, steht als Wettergott, unbesieglich kraft seines Blitzes, „dem Anatolischen verdächtig nahe“. Ferner betont Burkert, „dass ein Großteil des griechischen Wortschatzes und insbesondere die meisten griechischen Ortsnamen nicht indogermanisch sind“, vielmehr – wie auch das Hethitische bestätigt, „in Anatolien Entsprechungen“ haben; neben Ortsnamen wie Korinth, Tiryns, Knossos oder Parnass stehen fremde „Pflanzennamen wie erébinthos ‚Erbse’ und kissós ‚Efeu’, Hyazinthe und Narzisse“.

• Nach Eliade haben indoeuropäische Gesellschaften drei Stände unterschieden – Priester, 1138

Am deutlichsten sei diese Gliederung bei den IndoiKrieger und Bauern/‚Nährstand’. raniern „greifbar“. Als Beispiele werden das alte Indien, die Hethiter, der Awesta, iranische Skythen und die Osseten des Kaukasus angeführt. Dem entsprach eine ebenso dreigeteilte Ideologie und Einteilung der Götter:– 1. Die „Funktion der magischen und juridischen Herrschaft“, 2. „die Funktion der Götter der kriegerischen Kraft“ und 3. „die Funk1139 tion der Gottheiten der Fruchtbarkeit und des wirtschaftlichen Gedeihens“.

1131 1978/1992, I 181 f. 1132 Ohne dieser Frage nachgehen zu können, bin ich überzeugt, dass sich dies auch für andere archaische Gesellschaften nachweisen lässt; man denke nur an Ägypten oder den mesopotamischen und nahöstlichen Raum. Es handelt sich dabei anscheinend eher um ein Grundmuster in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft als um eine indoeuropäische Eigenart. – M. Webers Begriff des nomologischen Wissens würde einem Entwicklungsgesetz des Normativen gerecht und sollte allgemein anerkannt werden; vgl. dazu meinen Beitrag: 2008, 7 Fn 25. 1133 1977, 45 f. 1134 1974. 1135 Das gilt auch für Eliade, der sich auf Dumézil stützt. – Neuere Forschung spricht aber für Dumézil und Alföldi; vgl. Kapitel IX: Burkert ist hier nicht zu folgen. 1136 1977, 46 f mwH. 1137 Dazu insbesondere Meuli (1946b); vgl. schon die Anm. 1004, 1121 und 1130. 1138 Auch Platons ‚Politeia’ liegt noch eine solche gesellschaftliche Gliederung zugrunde. 1139 Begründet wird diese funktionale Verbindung nicht. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es sich bloß um retrospektiv projizierte spätere Einsichten handelt, wie wir sie insbesondere von

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• Eliade nimmt ferner an,1140 dass auch die Religionen des ägäischen Raumes von den 1141

Hochkulturen des (Vorderen) Orients beeinflusst wurden. der neueren Forschung ist diese Annahme realistisch.

– Angesichts der Ergebnisse

• Schließlich haben die Indoeuropäer, Ackerbau betrieben, blieben aber lange Hirtennoma1142

den und ihre Familienstruktur war patriarchal. Diese Völker besaßen danach eine 1143 – und militäriVorliebe für Raubzüge – man denke an die Erzählungen der Odyssee sche Organisation; sie waren Eroberer, und ihre Gesellschaftsstruktur zeigte eine starke Schichtung: Reich ausgestatteten Grabstätten (tumuli/kurgan) für die Anführer standen deutlich ärmere Grabsteine für die übrige Bevölkerung gegenüber. – Eliade überlegt auch, ob diese Lebensweise „spezifische religiöse Werte angeregt und begünstigt hat“. (Träfe dies zu, hätte es auch rechtliche Bedeutung, da die enge Verbindung von Religion und Recht ähnliche Ergebnisse nahelegt.) Eliade meint ferner, „dass die Schöpfungen der Agrargesellschaften den religiösen Bedürfnissen eines lange nomadischen Hirtenvolkes (?)“ nicht voll entsprachen. Auf ihren Wanderungen haben diese Völker daher auch religiöse Vorstellungen sesshafter Bodenbauern übernommen; auch das ist, trifft es zu – wofür mittlerweile manches spricht, rechtlich interessant und relevant. – Es macht einen Unterschied, ob das Recht einer Ackerbaugesellschaft dient (eher: statisch, egalitäre Männerherrschaft, eigentumsbetont, schwache Stellung der Frau) oder einer Hirtennomadengesellschaft (eher: dynamisch-flexibel, Tendenz zur Einzel- oder Gruppenführerschaft, schwächere Eigentumsausprägung mit Neigung zu Tausch und Handel, stärkere Stellung der Frau). – Wären Eliades Annahmen korrekt, könnte eine weitgehend parallele Entwicklung für Religion und Recht vermutet werden. Das Verhältnis zwischen Religion und Recht in der griechischen Kultur hätte seinen Ursprung danach in einer Mischkultur aus (spätem) Ackerbau und (langem) Hirten- und Nomadentum. (K. Meulis Ergebnisse ließen sich damit zwangslos verbinden.)

• Nach Eliade sind folgende „Strukturen der gemeinindoeuropäischen Religion […] rekon1144

struierbar“:

- Die Gottesvorstellung war ident mit der „Himmelsheiligkeit“ und mit Kosmogo1145 nie/Schöpfergottvorstellungen, Vaterschaft und Himmelsherrschaft/-königtum: „Der

den Römern kennen, die Eliade höher schätzt als die Griechen. – Das System der drei Funktionen von Priester-, Krieger- und Nährstand und die damit verbundene „idéologie tripartite des Indo-Européens“ stammt von Dumézil; dazu Burkert 1977, 333. 1140 1978/1992, I 178. 1141 Dazu Kapitel IX 3 ff. 1142 Eliade 1978/1992, I 178. 1143 Vgl. dazu in Kapitel VII 1: ‚Das Enstehen von Rechtsbewusstsein und Rechtsgefühl’. 1144 1978/1992, I 179. – Wäre eine solche Rekonstruktion möglich, müsste sie auch für frühe Rechtsvorstellungen und die Rechtsentwicklung versucht werden. Betrachtet man die folgenden Aussagen allerdings nicht gläubig, sondern kritisch, wirken sie in manchem Punkt widersprüchlich und wenig überzeugend. 1145 Ähnlich oben nach Anm. 1128: Burkert 1977, 43 ff. – Die Unterschiede in der Interpretation

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(Gott des) Himmel(s) ist der Vater schlechthin: vgl. den indischen Dyauspitar, den griechischen Zeus-Pater, den illyrischen Daipatures, den lateinischen Jupiter, den skytischen Zeus-Papaios, den thrakisch-phrygischen Zeus-Pappos.“ – Hier zeigt sich eine Entsprechung der Werte: Der irdische Vater/Kyrios waltet (uneingeschränkt) im Haus/Oikos, der himmlische Vater beherrscht als König seine Sphäre in analoger Weise. – „Das griechische Wort theos gehört nicht zu dieser Reihe. Es leitet sich von einer Wurzel mit der Bedeutung ‚Seele’, ‚Totengeist’ her; […] Wir dürfen also annnehmen, 1146 – Das dass theos, ‚Gott’, sich aus dem Gedanken der vergöttlichten Toten ableitet.“ wäre für die Deutung des Ahnen-, aber auch des Heroenkults von Bedeutung. - Der Himmelsgott, als Welt-Schöpfergott der höchste der Götter, musste schon in indoeuropäischer Zeit seinen Vorrang an die Wettergötter abtreten. Eine Begründung da1147 nicht. Er begnügt sich mit dem Hinweis, dass „dieses Phänomen […] für gibt Eliade in der Religionsgeschichte sehr häufig“ gewesen ist. – Die wohl auf orientalische Vorbilder zurückgehende ,translatio imperii’ von Uranos/Gaia auf Kronos und Zeus wäre damit vereinbar. 1148 gilt als himmlischen Ursprungs.“ – Der - „[…] auch das vom Blitz entzündete Feuer Feuerkult ist überhaupt ein „charakteristisches Element“ indoeuropäischer Religionen. 1149 (Nur dieser?) - „[...] dürfen wir auch annehmen [?], dass der Sonnengott schon in der Protohistorie einen hervorragenden Platz einnahm (vgl. ved. Surya, griech. Helios […]).“ – Doch ist die Geschichte der Sonnengötter bei den verschiedenen indoeuropäischen Völkern „sehr bewegt“ verlaufen, vor allem nach der Berührung mit den Religionen des Vorderen Orients. - Die Erde galt als eine „dem Himmel entgegengesetzte Lebenskraft“, doch ist die religiöse Vorstellung von der Erdmutter „bei den Indoeuropäern erst jüngeren Datums und 1150 – Im „Westen“ wurde der Mensch als irtrat nur in einem begrenzten Gebiet auf“. disches Wesen den himmlischen Wesen (Göttern) gegenübergestellt, „während sich im Osten die Vorstellung vom Menschen als eines vernunftbegabten Geschöpfs“ in Ge-

zeigt ein Vergleich mit R. Parker 1986/2001, 310: „It was perhaps not until early in the Dark Ages that the cult of Aphrodite was introduced from the East […] and not till the end of them that the Kingship in Heaven myth was translated into Greek.“ (Hervorhebung von mir) 1146 Eliade 1978/1992, 179 Fn 3. 1147 1978/1992, I 179. – Ähnlich Burkert 1977, zB 200 ff. 1148 Darin ein Charakteristikum zu sehen, ist problematisch; das Feuer wurde in nahezu allen Religionen, wenn auch in unterschiedlicher Form, kultisch verwendet. – Nicht nur höchste Götterfiguren, etwa Zeus, werden von Naturerscheinungen abgeleitet; das gilt auch für Eos, die seit Homer (rhododáktylos Eos) verehrt wird. Vgl. aber noch Euripides, ‚Troerinnen’ Verse 847 f. 1149 Eliade berücksichtigt hier nicht, dass das älteste griechische Opfer, das olympische, nicht als Feueropfer entstanden ist. – Ich bin darauf im Zusammenhang mit der Darstellung der Forschungsergebnisse von Meuli eingegangen. 1150 Begründet wird das nicht.

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genüberstellung zum Tier findet. – Daraus könnte sich der Vergleich zwischen Menschen und Göttern erklären und wohl auch das Bemühen, die Götter menschlich zu sehen und auf der anderen Seite göttliche Werte auf den Menschen zu übertragen. Das wäre für manche rechtliche und religiöse Phänomene ein interessanter Erklärungsansatz: etwa für die unterschiedliche gesellschaftliche Stellung von Mann und Frau, von Zeus (Kyrios/Hausherr) und Hera (Despoina/Hausfrau) etc. oder für das Vergöttlichen von Menschen im Heroentum. 1152 - Die Indoeuropäer entwickelten eine eigene Mythologie und Theologie; 1153 - sie brachten Opfer dar und kannten auch den magisch-religiösen Wert von Wort und 1154 Lied und pflegten zudem Vorstellungen und Rituale, um Gebiete und Räume zu 1155 weihen und zu kosmisieren. – Bei den Griechen herrscht Hochachtung des lebendigen Wortes, das von sakral-kultischer, dichterischer und rechtsförmlicher Bedeutung 1156 Das lebendige Wort spielte rechtlich etwa eine Rolle beim Eid (individuell und war. kollektiv), Fluch, der Selbstverfluchung, dem förmlichen Vertragsschluss, Verspre1157 aber auch bei der Vorschrift, dass athenische Bürger ihre Gerichtsreden chen, 1158 grundsätzlich selber halten mussten. 1159 - Die Götter glaubte man bei den Festen anwesend. 1160 - Opfergaben wurden verbrannt. - Die Indoeuropäer errichteten (zunächst) keine Heiligtümer; ihr Kultus fand (ausschließ1161 lich) unter freiem Himmel in heiliger Umfriedung statt. – Vergleichbares praktizier1162 ten aber auch andere Kulturen.

1151 Eliade 1978/1992, I 179 Fn 6 uH auf G. Devoto. 1152 Eliade 1978/1992, I 180. – Ist das allein ein Kriterium indoeuropäischer Völker? Gilt das nicht auch für Ägypten und die Völker Mesopotamiens und des Vorderen Orients? Dieses Argument ist zu relativieren, wozu kommt, dass Eliade die Mythenrezeption – etwa der Griechen – aus dem Alten Orient und Ägypten übergeht. 1153 Taten das nicht alle Völker? – Grundlegend hinsichtlich der Unterscheidung verschiedener Opfertypten Meuli (1946b). 1154 Auch diese Aussage darf keinesfalls auf Indoeuropäer beschränkt werden! – Als sehr unterschiedliche Formen und Bezeichnungen der Opferhandlung nennt Eliade (1978/1992, I 181) die Libation (zB griech. TQzOEX/spéndo), das feierliche mündliche Gelöbnis (gr. eúchomai, lat. voveo) sowie Opfermahl, Räucherung und Lichtritus. (Zur Deutung der ‚Räucherung’ Meuli!) – Bedeutende Rechtsakte wurden in der Frühzeit mitunter sehr lange in religiöse Formen eingekleidet, was auch eine Wurzel der Publizität ist. 1155 Zu den griechischen Opferbräuchen Meuli (1946b) und Burkert 1972/1997 2, 20 ff und 1984/19872. – E. R. Dodds 1951/1968, 44 meinte: „It is true that the notions of pollution, of purification, of divine phtonos, may well be part of the original Indo-European inheritance.” 1156 Wilamowitz 1973, I 30 ff. 1157 Förmlicher sowie eidlich bekräftigter Vertragsschluss iVm Selbstverfluchung stammen aber wohl aus dem Alten Orient; dazu Pkt. 9: Völkerrecht. 1158 Dazu auch bei Anm. 1420. – Eine vergleichbare Wertschätzung der Sprache findet sich aber auch bei den Ägyptern (Dichtung, Rhetorik); dazu Kapitel II 17. 1159 Dazu kritisch Meuli 1946b, 213. 1160 Vgl. die Bemerkung in Anm. 1153.

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1163

- Die Tradition war mündlich.

• Das gemeinsame Erbe

1164

sei aber wegen der großen Zeitabstände zwischen den ersten indoeuropäischen Wanderungen (Hethiter, Indoiranier, Griechen, Italiker) und den späteren (Germanen, Balto-Slaven) oft kaum mehr zu erkennen, „weder im Vokabular noch in den Theologien und Mythologien der historischen Zeit“. Das sei, so Eliade, zum einen auf die unterschiedlichen kulturellen Kontakte der einzelnen Völker zurückzuführen, zum anderen sei zu beachten, „dass sich keine religiöse Tradition unverändert fortsetzt“. (Die für das Entstehen von Recht und Staat zentralen Werte und Einrichtungen wie Haus, Familie, Beziehung von Mann und Frau, Beziehung des Einzelnen zur Gemeinschaft scheinen jedoch durchaus vergleichbar.) – Der freilich früh einsetzende „Prozess der Differenzierung und Erneuerung“ spiegle sich auch „im [religiösen] Vokabular“; so fehle im gemeinindoeuropäischen Wortschatz ein Ausdruck für „heilig“, die einzelnen Sprachen kennen dafür aber jeweils zwei Bezeichnungen: zB cFS²K/hierós und „HJPK/hágios im Griechischen, 1165 lateinisch sacer und sanctus. Ähnliches gelte für die Bezeichnung des Opfers.

Lässt sich aus all dem für uns etwas gewinnen? – Ehe ich mich der griechischen Religion zuwende, versuche ich, mit der nötigen Vorsicht ein Resümee:1166 • Festzustehen scheint, dass (auch!) die Familienstruktur der indoeuropäischen Völker patriarchal war. Dieses Erbe (aus der Jäger- und Hirtenzeit?) haben Griechen und Römer ebenso übernommen wie die Indo-Iranier und später die Germanen und Slaven. Die Struktur der Götterwelt, mit einem Himmels- und dann einem (diesen ablösenden?) Wettergott an der Spitze, der Vaterschaft und kosmogonische Schöpferkraft und Herrschaft symbolisierte, hat damit anscheinend übereingestimmt. – Das bedeutete eine grundsätzliche und nahezu unangefochtene Vorrangstellung des Männlichen vor dem Weiblichen in

1161 Das ist von Bedeutung, da die Griechen die ‚Idee’ des Tempels aus dem Nahen Osten übernommen haben. Zu den bereits in den Dark Ages beginnenden orientalischen Einflüssen auf die Griechen R. Parker 1986/2001, 310: „There is a growing body of evidence for oriental influence during the period, perhaps transmitted first through Cyprus and later through the trading post of Al Mina in Syria. From the eighth century, for instance, a typical religious site consisted of a free-standing temple, a cult image inside it, and a fire-altar in front of it; there are Near Eastern, but not, it seems, Mycenaean, antecedents for such a complex.“ – Vgl. auch Burkert 2003, 148 ff (Ägypten?) und R. Schrott (2008). Bei Gruben 1966/20015 fehlen Hinweise auf äußere Einflüsse, was zeigt, dass auch die Geschichte von Architektur und Kunst vor ähnlichen Problemen wie die Rechtsgeschichte steht; nämlich dass Rezeptionen übergangen oder verdrängt werden. – Ist das ein Fingerzeig für Göbekli Tepe? 1162 Vgl. Rollinger (2005b) zur (neu)assyrischen Staatsvertrags-Praxis. 1163 Das íst keine Besonderheit, weil die Schrift überhaupt fehlte und die Überlieferung daher mündlich sein musste. In manchen Kulturen war dies intensiver und länger der Fall; man denke an die indisch-vedische Tradition, die bis in die Gegenwart reicht. 1164 1978/1992, I 180. 1165 Das könnte die unterschiedliche Herkunft der verschiedenen Opfertypen erklären: vgl. die Ausführungen zu Meuli in diesem Punkt. 1166 Vgl. dazu auch Kapitel II 19 ff: E. F. Bruck.

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Haus und Familie, vor allem aber im öffentlichen und politischen Leben und in der Reli1167 gion. – Der ausgeprägte Feuerkult begleitete die indoeuropäischen Religionsvorstellungen. Alle diese Erscheinungen sind auch für die spätere Entwicklung der (griechi1168 schen) Religion von Bedeutung.

• Die weiblich gedachte Erde galt als eine dem (männlich konnotierten) Himmel entgegengesetzte – oder ihn doch ergänzende – Kraft, wobei der Kult der Erdmutter nicht überall und vor allem nicht von Anfang an nachzuweisen ist. – Eliades Argumentation ist hier nicht überzeugend. Neuere Forschungen zeigen eher gegenteilige Ergebnisse: man vergleiche etwa die alten weiblichen Kultsymbole entlang der Donauachse von der Venus von Willendorf bis zu den jüngsten Funden im Grenzgebiet von Bayern und Baden1169 Württemberg.

• Interessant ist die (eigene) Mythologie und Theologie und die magisch-religiöse Bedeu1170

tung von Wort, Sprache und Gesang im Kontext von Ritual und Opfer; auch wenn 1171 dieses Phänomen kein ausschließlich indoeuropäisches gewesen sein mag. – Wort und Sprache, Form und Publizität werden auch zu wichtigen Hilfsmitteln des Rechts. Das Vorkommen der Rituale in beiden Bereichen ergab sich schon fast natürlich dadurch, dass die gesellschaftlichen Anlässe für solche Feiern häufig dieselben waren und die großen Stationen des Lebens betrafen, nämlich Geburt, Initiation, Heirat, Tod sowie die jahreszeitlich ausgerichteten Feste: Frühling/Aussaat, Herbst/Ernte. Diese Parallelen verdeutlichen ferner die weithin identen normativen Aufgaben von Religion und Recht in einer Gesellschaft.

Ein weiteres wichtiges Berührungsfeld zwischen Recht und Religion bildete in der Frühzeit der rituelle (Toten)Kult, der schon im 10. Jahrtausend entwickelt war.1172 – Auf die Verflechtung von Totenkult und Recht (‚Totenteil’: Eigentumsentwicklung und ‚Seelgerät’: Stiftung) hat vor allem Bruck1173 hingewiesen.

1167 Nimmt man diesen Befund ernst, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung gesellschaftlicher Zustände auf religiöse Vorstellungen auf der Hand. Die Übereinstimmung im Grundsätzlichen ist offenkundig. – Vgl. dazu den Kontext von Abbildung 3: Zeusepiklesen. 1168 Dazu insbesondere M. P. Nilsson (1950) und Burkert (1977). 1169 Dazu die Berichte in: Die Zeit 2007 Nr. 26 und in: Der Spiegel Nr. 27, 2. 7. 2007, S. 134 ff. 1170 Das ermöglicht die große episakrale Wirkung der griechischen Tragödie; dazu in Kapitel III etwa Pkt. 4: Aischylos – Schöpfer der Tragödie. 1171 Zur großen Bedeutung von Wort, Sprache und Dichtung bis hin zur Rhetorik im alten Ägypten: Kapitel II 17. 1172 Zu den Ausgrabungen am Göbekli Tepe Kapitel VI 4: Prähistorische Chronologie und in Kapitel IX sowie mein Tagungsreferat 2006 (= 2008, 1 ff). 1173 1926/1970²; dazu Kapitel II 19 und 20. – Zum Verhältnis von frühem Recht und Totenkult/Religion auch Kapitel IX.

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Zur griechischen Religion Die griechische Religion versuche ich insofern zu skizzieren, als das für unser Thema von Bedeutung ist; deshalb auch der indoeuropäische ‚Vorspann’.1174 – Für die olympische Religion sind neben Hesiods ‚Theogonie’ auch zahlreiche Passagen in den Epen Homers grundlegend, die in Entstehung Befindliches aufgegriffen, zur Entfaltung gebracht und wohl auch den einen oder anderen autonomen Beitrag hinzugefügt haben. Hesiod festigte – wie schon zuvor Homer – die Rolle von Zeus als Herrscher über Götter und Menschen: „In the fifth century Herodotus could say of Hesiod and Homer (in that order), ‚They it was who composed the theogony for the Greeks, giving the gods their titles and assigning them 1175 their honours and their occupations.’ “

Wir haben dabei zu bedenken – und das gilt bereits für die indoeuropäische Phase, wie Religionen und die von ihnen repräsentierten Werte entstanden sind; denn sie sind nicht ‚vom Himmel gefallen’, sie sind vielmehr irdischen Ursprungs, auch wenn das – gerade auch in den Wissenschaften – ‚übersehen’ wird. Damit soll nicht einer simplifizierenden Abbildthese das Wort geredet werden.1176 Hinweise unterbleiben häufig, wohl aus Furcht des Forschers vor einer Etikettierung als platter ‚Materialist’. Um diesem Vorwurf zu entgehen, verhalten sich Wissenschaftler daher lieber unwissenschaftlich. – Versteht man aber Religion mit Burkert1177 als „geschichtliches und soziales Phänomen“ sowie als „Medium der Tradition und Kommunikation“ deren „einzige Legitimität“ in der Antike „mit größter Selbstverständlichkeit“ in der „Tradition der Väter“ (!) gesehen wurde,1178 kann man diesen Zusammenhängen nicht ausweichen. Dabei geht es darum, „die konsequent historische mit einer funktionalen Perspektive zu verbinden“:1179 „Wie Religion in der historischen Realität ein gesellschaftlicher Stabilisierungsfaktor ersten Ranges ist, erscheint sie dabei in ihrem beharrenden Aspekt, stets schon Tradition, die modifiziert, aber nie durch schlechthin Neues ersetzt wird. Sie entfaltet sich indes in einem vielfältigen sozialen Kräftespiel, wobei verschiedene Traditionen sich treffen können, die sich durchsetzen und fortpflanzen oder verkümmern und untergehen. In diesem Bezug zur sozialen Realität ist Religion doch nicht einfach Abbild derselben; von ihrem raschen Wechsel, insbe-

1174 Ich beginne erneut mit Eliade 1978/1992, I 230 ff und ergänze mit Burkert (1977); dazu kommen Nilsson (1950) und R. Parker (1986/2001). Zu Meuli (1946b) bereits oben. 1175 Griffin 1986/2001, 100. – Spricht diese Reihung von Hesiod vor Homer für Schrotts Datierung? 1176 Vgl. Burkert nach Anm. 1179. 1177 1972/19972, 4. 1178 So Burkert 1972/19972, 4. 1179 Burkert 1972/19972, 5 f.

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sondere von den ökonomischen Verhältnissen nimmt sie nur unzulänglich Notiz. Sie scheint fundamentaleren Schichten des menschlichen Zusammenlebens und seiner psychischen Voraussetzungen zugeordnet, die von ältesten Zeiten bis zur Gegenwart sich wenig geändert haben. Ihrerseits freilich sind Formen der Religion oft zu Kristallisationspunkten neuer sozialer und ökonomischer Entwicklungen geworden, wobei sie jedoch mehr Voraussetzung als Fol1180 geerscheinung sind.“

All das kann auch auf das ‚Recht’ bezogen werden. Auch das Recht wurde als Geschenk der Götter betrachtet, und die Scheu Recht aufzuheben oder auch nur abzuändern hielt lange an.1181

Gemeinsame Entstehensbedingungen für Recht und Religion? Das Ersinnen von Religion und Recht folgt offenbar Gesetzmäßigkeiten, die einander ähneln,1182 und es ist komplizierter, als es zunächst scheinen mag.1183 Auch hier gilt es, einen kruden Materialismus zu vermeiden und zudem eine Warnung Walter F. Ottos aus seinem Werk ‚Die Götter Griechenlands’ zu bedenken. Otto1184 drückte für die Religion aus, was auch für das Recht Gültigkeit hat, man denke nur an die lange Reihe großer Gesetzgeber und Philosophen: „Es ist ein schlimmer Aberglaube unserer Zeit, dass die Weltgedanken aus den Notdürften der Vielen aufsteigen, um erst in den Köpfen der Wenigen eine einsame Höhe zu gewinnen. Die Seltenen und Geistgewaltigen – ob Gruppen oder Individuen – sind es, bei denen sie geboren werden, um langsam in die Niederungen herabzusinken, wo sie nur ärmer, matter und roher werden können und der Erstarrung verfallen. Nur ein geistesarmes Zeitalter konnte glauben, dass die religiösen Volksbräuche und Volksanschauungen niemals mehr bedeutet haben, als der einfache Mann zu denken und zu erleben vermochte. Um ihren lebendigen Ursprung zu finden, muß man schon in die höheren Regionen hinaufsteigen. Jede Religion und Weltanschauung hat ein Recht darauf, nicht nach Breiten, wo sie verflacht, vergröbert und aus Mangel an Charakter allen anderen ähnlich ist, sondern nach den klaren

1180 Burkert in Fn 7: „Max Weber hat in seiner berühmten Studie den Einfluß des Calvinismus auf den Kapitalismus aufgezeigt (Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Ges. Aufsätze zur Religionssoziologie I [1920] 17-206); doch ist darum nicht auch der Calvinismus aus dem Kapitalismus zu erklären.“ – Dadurch wird aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Religion ein gesellschaftliches Produkt ist – wenn auch vielleicht aus früherer Zeit. Vgl. dazu die Skizze: ‚Normatives Kreislaufmodell’ unten vor Anm. 1393 und die Skizze ‚Zeusepiklesen und das Entstehen göttlicher und rechtlicher Werte’. 1181 Dazu Kapitel VII vor Pkt. 1: ‚Scheu der Griechen altes Recht aufzuheben oder abzuändern’. 1182 Zu Ägypten: Assmann 1990/19952, 237 ff. 1183 Dazu auch in Kapitel IX. 1184 1929/20029, 15 f. – Bedingungslos wird man dieser Einstellung (jedenfalls nicht in allen Punkten) zustimmen können.

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und großen Konturen ihrer Höhen beurteilt zu werden. Nur dort ist sie, was sie ist und was die andern nicht sind.“

Religion und Recht zeigen einige fundamentale Parallelen, die ihre Verwandtschaft deutlich machen. Ich denke dabei etwa an das beiden Bereichen innewohnende Bemühen, die Aggression und Gewalttätigkeit des Menschen gegen andere Menschen, gegen Sachen und schließlich gegen die Natur einzudämmen.1185 – Es geht danach ausschließlich um das parallele und aufeinander bezogene, ja reziproke und lange Zeit hindurch reflexive Wirken von Religion und Recht, die in denselben Werten wurzeln, vergleichbare Aufgaben erfüllen und ur-verwandt sind, was aber nicht völlige Identität bedeutet.1186 Dennoch: Es ist die jeweilige Gesellschaft, die beide Phänomene hervorbringt und existenziell trägt. – Kurz: Religiöse Vorstellungen und Werte mussten – zum Teil gilt dies auch für das Recht, um in den Götter-‚Himmel’ gehoben werden zu können, zuerst auf der Erde (in einer menschlichen Gesellschaft) vorhanden gewesen oder erdacht worden sein; als menschliche Hoffnungs-, Erwartungs-, Gefühls-, Angst- oder Wunschvorstellungen. Erst nach Transferierung dieser Werte von der ‚Erde’ in den ‚Himmel’ war es möglich, die Vorstellungen und Deutungen, Wünsche und Hoffnungen – diesmal aber (vermeintlich!?) als entlehnte oder vorgegebene höhere oder höchste, erd-entrückte, religiös-göttlich-magische Werte – erneut auf die ‚Erde’ herabzuholen, um damit gesellschaftliche Ziele zu verfolgen. Dieser Kausalkonnex kennt – bei aller Vielfalt religiöser und rechtlicher Ausformungen – keine prinzipiellen Ausnahmen. Es sind lediglich unterschiedliche Gruppen, die sich dieses Zusammenhangs bedienen, um damit Vorteile für sich und bestimmte Gesellschaftsgruppen zu buchen und vorgeblich dadurch auch der Allgemeinheit zu dienen. Dabei dienten diese Vorstellungen anscheinend zunächst durchaus als (weithin) ideal gedachte irdische Überhöhungen, Entsprechungen und Wünsche der Daseinsbewältigung im weiten Sinne (insbesondere auch als Schutz gegen die mächtigen und unverstandenen Naturgewalten), und sie sind erst später vornehmlich zur Rechtfertigung unterschiedlicher Zwecke, die in erster Linie der Erhaltung von Macht und Herrschaft dienten, also politische Zwecke waren, herangezogen worden. Der legitimatorische Aspekt von Religion und Recht war jedoch früh vorhanden.1187 Die jeweils bestehenden gesellschaftlichen Vorstellungen und Schichtungen, überhaupt die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Bedingungen und deren vielfältige Verflechtungen, sind daher seit jeher von größter Bedeutung für das konkrete Ausformen von Mythen

1185 Zur Religion: Burkert 1972/19972, 8 ff. 1186 Es handelt sich um Normsysteme, die der gesellschaftlichen Ordnung, Orientierung und Konfliktvermeidung und -regelung (und dadurch der Erhaltung der Gemeinschaft) dienen. – Vgl. Burkert (1998), der allerdings rechtliche Fragen nicht erörtert. 1187 Zur Rolle der Gerechtigkeit in diesem Kontext Kapitel IX 7.

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und Religionen, aber auch von Recht. – Dies ist auch für das Entstehen der olympischen Religion und die allgemeinen Grundlagen des Rechts im griechischen Kulturraum zu beachten. 1188 Eine religionskritische soziologische Studie über die insbesondere monotheistischen Religio1189 nen innewohnenden Gefahren, deren „totalitären Kern“, stammt von U. Beck. Hier finden sich Sätze, wie: „Aller Humanität der Religion wohnt eine totalitäre Versuchung inne.“ Und: „Das ist die Sorge, die um sich greift: dass als Kehrseite des Versagens der Säkularisierung ein neues Zeitalter der Verfinsterung droht.“ Oder: „Vorausgesetzt, die Hoffnung des Säkularismus, mehr Moderne bedeute weniger Religion, ist falsch, dann stellt sich die Frage nach einer zivilisierten Koexistenz der feindseligen Weltreligionen mit erneuter Dringlichkeit.“ Schließlich: „Heute entscheidet die Frage, inwieweit Wahrheit durch Frieden ersetzt werden kann, über die Fortexistenz der Menschheit.“

Ich habe diesen Text über die Entstehung von Religion und deren Verhältnis zu Gesellschaft und Recht geschrieben, ehe ich das beeindruckende Buch von E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational gelesen hatte und freue mich, in meiner zentralen Aussage mit diesem großen Philologen und Graezisten in Einklang zu stehen. Auf die Schilderung der religiösen Entwicklung im homerischen und archaischen Griechenland durch Dodds bin ich bereits oben1190 eingegangen. – Man könnte nach dem Sinn dieser Auseinandersetzung mit Dodds und anderen fragen, da es sich nicht um juristische Analysen handelt. Ich meine darauf nicht verzichten zu können, weil insbesondere Dodds’ Ergebnisse mit meinen für das Recht gefundenen übereinstimmen. Das gilt insbesondere für den Ort, an dem die gesellschaftlichen Wertvorstellungen zuallererst in religiöse, kultische, schicksalsgläubige und eben auch rechtliche ‚umgeschlagen’ sind: nämlich im Bereich von Haus und Familie unter Führung des Kyrios als Herrn und ‚König’ des Oikos. Diese Parallelität in Religions- und Rechtsgeschichte stützt die Ergebnisse beider Disziplinen. – Es ist Dodds’ Verdienst, gezeigt zu haben, dass auch die griechische Kultur nicht nur den Triumph des Rationalismus hervorbrachte, sondern wie alle frühen Kulturen anfänglich auch ‚primitive Arten des Denkens’ kannte, eben von Irrationalem ausging, wie der Titel von Dodds Werk so eindringlich formuliert. Im Gegensatz zu H. J. Wolff glaubte dieser große Ire aber nicht, dass die Hellenen auf dieser Stufe stehengeblieben sind, und er belegt dies auch eindringlich. – Das gilt insbesondere für das wichtige Zusammenspiel von Gesellschaft, Religion und Recht, das über den gemeinsamen Fokus von Haus und Familie erfolgte; darauf werde ich noch eingehen. – Als wichtige neue Einsicht entnehme ich den Ausführungen Dodds1191 die meines Erachtens nicht

1188 Winckelmannn in seinem ‚Vorbericht’ zu Webers Rechtssoziologie 1967 2, 19. 1189 2008. – Vgl. den Vorstellungsartikel Becks, in: Die Zeit Nr. 52, 19. Dezember 2007, S. 12. 1190 Ab Anm. 989. 1191 1951/1997, 37.

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nur interessante, sondern wohl auch zutreffende Meinung, dass die Rechtsentwicklung der religiösen in einem wichtigen Punkt – es ging dabei nach Dodds um das ‚Verinnerlichen des Gewissens’ – weit vorausgeeilt war und dass die zurückgebliebenen Religionsvorstellungen verhältnismäßig lange den rechtlichen Entwicklungsstand behindert und jedenfalls nicht gefördert haben.1192 Danach gibt es in den Bereichen Religion und Recht beträchtliche Ungleichzeitigkeiten paralleler Entwicklungsabläufe. Hier müsste aber noch manches näher untersucht und (scheinbare) Widersprüche aufgehellt werden: Auf der einen Seite wirkte nämlich in der Tat die Vorstellung einer für Menschen unkorrigierbaren Schicksalszuteilung bis in die letzten Jahrzehnte des klassischen 5. Jahrhunderts nachteilig auf das Recht und die Vorstellung von einem zurechenbaren Verschulden ein, während auf der anderen Seite die für die griechische Rechtsentwicklung bestimmende Unterscheidung Drakons in eine vorsätzliche und unvorsätzliche Tötung auf die Sühnevorschriften des Delphischen Apollon – und damit die rechtliche auf eine religiös-sakrale Regel – zurückgehen soll. Denkbar ist freilich auch, dass beide Annahmen zutreffen, dass also gleichzeitig gegenläufige Tendenzen wirkten. Allein dies zeigt, dass es wechselseitige Beeinflussung gab. Das Verhältnis zwischen Religion und Recht ist jedenfalls eine grundlegende Beziehung im archaischen Griechenland, der die Wissenschaft höchste Aufmerksamkeit widmen sollte. Der Vorgang der Entstehung der Religion und der anthropomorphen Göttervorstellungen war der Antike bewusst und wurde schon mit aller Schärfe kritisiert und kommentiert, aber auch parodiert. Die spätere Kritik – und das gilt für Xenophanes und Heraklit ebenso wie für Sokrates, Platon, Aristoteles oder Theophrast – ist in der Regel bestrebt, die ursprünglich allzu menschlichen Göttervorstellungen zu verfeinern und auf eine geistig und moralisch höhere Stufe zu stellen: So hatte schon Xenophanes (~ 570/60-470),1193 der bedeutende Wegbereiter der Sophisten, im 6. Jahrhundert Homer und Hesiod1194 gerügt, weil diese

1192 Diese Einsicht könnte nicht nur auf Griechenland zutreffen. – Dazu meine Ausführungen zur Entdeckung des Gewissens in Ägypten während der Ersten Zwischenzeit und die Anwendung dieser Entdeckung im Totengericht, das auch eine Nachahmung weltlicher Gerichtspraxis gewesen sein könnte. Dazu mehr in Kapitel II 17. 1193 Dodds 1951/1997, 180 f betont, „that the ‚Aufklärung’ or ‚Enlightenment’ was not initiated by the Sophists. […] The Enlightenment is of course much older; its roots are in sixth-century Ionia; it is a work in Hecataeus, Xenophanes, and Heraclitus, and in a later generation is carried further by speculative scientists like Anaxagoras and Democritus.” Mehr bei Dodds, auch zu den negativen Auswirkungen – Aberglauben und Intoleranz – des griechischen Aufklärungsprozesses 1951/1997, 179 ff und 189 ff. Zu Anaxagoras und Demokrit in Kapitel VI 1 und in der FS I. Weiler (2008, 864 ff). Zu Sophistik und Aufklärung und deren Rechtsdenken in Kapitel VIII 4. 1194 Auch Solon hatte kurz angemerkt: „Vieles lügen die Dichter“. Platon knüpfte an diese Kritik an.

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in ihren Anthropomorphismen1195 den Göttern alles angehängt hätten, was bei den Menschen als Schande galt und Tadel hervorrief.1196 – Noch ätzender wird Xenophanes’ Kritik: „Könnten sie zeichnen, ‚würden Pferde ihre Göttergestalten Pferden ähnlich, Rinder Rindern ähnlich malen’; denn auch ‚die Äthiopen sagen, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz, 1197 die Thraker, sie seien blauäugig und rotblond’.“

Menschen hätten ihre eigenen Vorstellungen zu Göttern gemacht; damit wurden die Mythen Homers und Hesiods vom moralischen Standpunkt aus auf’s Korn genommen.1198 – Am weitesten ging wohl die Religionskritik Heraklits:1199 „In vain did Heraclitus protest that ‚character is destiny’ (RPK ‚ORSÎQX EBeNXO); he failed to kill superstition.“ 1200

„[…] a whole series of direct assaults on the Conglomerate, some of which concern the types of belief we have considered in previous chapters. […] He made fun of ritual catharsis, comparing those who purge blood with blood to a man who should try to wash off dirt by 1201 That was a direct blow at the consolations of religion.” bathing in mud.

Daneben habe Heraklit auch die Verwegenheit besessen, den zu seiner Zeit äußerst populären Bilderkult der griechischen Volksreligion zu attackieren; „which he declared was like talking to a man’s house instead of talking to its owner.“ – Unter Hinweis auf Wilamowitz, Gigon und Nestle konstatiert Dodds:

1195 Zur Eigenart des griechischen Anthropomorphismus: Burkert 1977, 282 ff. 1196 Dazu auch Burkert 1977, 371 mit weiteren Beipielen und R. Parker 1986/2001, 325 f. 1197 Zitiert nach Burkert 1977, 457. – Nach Dodds 1951/1997, 180 f kritisierte und bezweifelte Xenophanes auch „the validity of divination (NBOUJL›)“, also Weissagung/Orakel. 1198 Vgl. Dodds 1951/1997, 180 f. – Ich erinnere an Hesiods Deutung des zu seiner Zeit bereits unverständlichen olympischen Opferbrauchs durch seine Erfindung des Prometheusmythos; dazu oben bei Anm. 1026. 1199 Dodds 1951/1997, 42, 181 f und öfter. 1200 Zu diesem von G. Murray übernommen Begriff: Dodds 1951/1997, 179 ff, der betont, dass dieser geologische Vergleich – er spricht mit Murray von „Inherited Conglomerate“, geeignet sei, die religiöse Entwicklung zu beschreiben, zumal auch diese ‚geologisch’ verlaufen sei: „its principle is, on the whole and with exceptions, agglomeration, not substitution.“ – Das trifft anscheinend auch auf die frühe griechische Rechtsentwicklung zu. Freilich muss auch hier auf die schon von Dodds/Murray betonten ‚Ausnahmen von der Regel’ aufmerksam gemacht werden. Der drakontische (offenbar aber sakralrechtlich vorbereitete, unter Umständen in noch älterem Gewohnheitsrecht wurzelnde) Paradigmenwechsel von der Erfolgs-, zur Verschuldenshaftung ist eine derartige Ausnahme; denn dabei wurde das alte gegen das neue (Rechts)Konzept ausgetauscht und demnach nicht ‚angelagert’/‚agglomeriert’, sondern ‚substituiert’. – Murrays Begriff erinnert an Max Webers ‚nomologisches Wissen’, das ebenfalls als Konglomerat, das alle Formen von normativer Ordnung und Orientierung/Steuerung in frühen Gesellschaften umfasst, zu verstehen ist. Dazu auch in Kapitel VII vor 1: ‚Scheu der Griechen altes Recht aufzuheben oder abzuändern’ und auch mein Beitrag in der FS I. Weiler 2008, 863 und 869. 1201 Fragment 5 iVm Fragment 69. Mehr bei Dodds, aaO.

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„Had Heraclitus been an Athenian, he would pretty certainly have been had up for blasphemy“.

Dodds schätzt diese frühaufklärerische Kritik realistisch ein: „However, we must not exaggerate the influence of these early pioneers. Xenophanes, and still more Heraclitus, give the impression of being isolated figures even in Ionia, and it was a long time before their ideas found any echo on the Mainland. Euripides is the first Athenian of whom we can say with confidence that he had read Xenophanes, and he is also represented 1202 as introducing the teaching of Heraclitus for the first time to the Athenian public.“

The Justice of Zeus Auch in der Alten Geschichte, der Altphilologie, der Enthnologie und Kulturanthropologie bleiben prominente Meinungen nicht unwidersprochen. So kritisiert Lloyd-Jones einerseits die von E. B. Tylor,1203 U. v. Wilamowitz-M.,1204 E. Schwarz1205 ua. vertretene Meinung, dass Religion und Moral ursprünglich getrennt waren;1206 andererseits auch seinen Lehrer E. R. Dodds1207 dafür, dass er „has written that he finds ‚no indication in the narrative of the Iliad that Zeus is concerned with justice as such’“. H. Lloyd-Jones weist nach, dass Zeus (und dessen ‚Werkzeuge’) entgegen der Annahme seines Lehrers sehr wohl an Gerechtigkeit und Ausgleich interessiert ist. – Er behandelt sein Thema anhand folgender Texte: Homers ‚Ilias’ und ‚Odyssee’, Hesiods ‚Early Lyric’; Herodot (‚Pollution and Purification’); von den vorsokratischen Denkern die Dichter Aischylos und Sophokles; Thukydides und Euripides (?) sind für ihn Vertreter der Sophisten. Solon1208 und Drakon bleiben ebenso ausgespart wie Peisistratos und Kleisthenes. Dieses Schicksal teilen neben den Rhetoren Antiphon oder Lysias auch die die Großen der Philosophie Sokrates, Platon, Aristoteles, Theophrast uam. Sein ‚Bild’ ist also einigermaßen unvollständig. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Mythos und Religion gesellschaftliche Gegebenheiten widerspiegeln, gibt Jasper Griffin mit dem Exempel der von Zeus

1202 1951/1997, 182 mwH. 1203 (1871/18893, II 360 f) 1204 1931/32, I 44. 1205 1951, 1 f. 1206 Das Verhältnis von Religion und Moral(ität) ist in seinen Ursprüngen bis heute umstritten. – Vgl. auch das von Lloyd-Jones seinem Buch vorangestellte Motto von Walter F. Otto bei Anm. 1437. 1207 1951/1997, 32 und 52 Fn 18. 1208 Ausgenommen die 1971, 229 ausgewiesenen Fundstellen zu Solon.

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vermittelten Adoption des Herakles durch Hera,1209 das zugleich rechtliche Bedeutung hat:1210 „After his apotheosis Zeus persuaded Hera to adopt him [sc. Heracles] as her son and henceforth for all time to cherish him with a mother’s love. The adoption is said to have taken place in the following way: Hera reclined on a bed, drew Heracles towards her, and let him fall through her clothes to the ground, acting out what happens in real childbirth. This is what non-Greeks do to this day, when they carry out an adoption.” „It is clear that what is described is an archaic and rather naïve procedure: a child cannot be adopted without being, symbolically, born of his adoptive mother. The Greeks observed that many things which among them happened only in myths were regular in the society of contemporary ‘barbarians’. Myth could preserve features of archaic live and society.”

Hier lässt sich anschaulich nachvollziehen, wie menschliche Vorstellungen in den (Götter)Himmel gehoben und von dort erneut herabgeholt worden waren. Zur Zeit der Entstehung dieses Mythos musste das Rechtsinstitut der Adoption bereits bestanden haben. – Wir haben es hier geradezu mit einem Modell(fall) der Aufnahme Sterblicher in den Kreis der unsterblichen Götter zu tun und können festhalten, dass das Recht dabei eine Rolle spielte. Erwähnen möchte ich hier auch die Entzauberung, ja Parodierung von Mythen durch den Aristotelesschüler Palaiphatos, dessen ‚Unglaubliche Geschichten’1211 nicht einmal mehr versuchen, einen real-rationalen Restbestand dieser Werke zu erhalten oder ihre geistig-moralische Verfeinerung vorzunehmen; auch wenn sich sein Werk vornehmlich auf mythische Randfiguren beschränkt. – Herbe Kritik an frühen mythischen und dichterischen Götter-Vorstellungen findet sich freilich nicht erst in der Zeit von Aristoteles und Theophrast, sondern – neben den schon erwähnten Vertretern der Vorsokratik – auch bei Platon, Sokrates, Euripides, Herodot, den Sophisten, Anaxagoras, ja sogar schon bei Solon. Die häufige Übernahme fremder Göttinnen und Götter diente der gesellschaftlichen Verankerung neuer oder der Festigung bestehender Werte, mitunter auch der politischen Beschwichtigung etwa im Rahmen von Eroberungen, um der unterjochten Bevölkerung entgegenzukommen.1212 – Das gilt schon für die mykenische Zeit ganz wie für die archaische Epoche, aber auch noch für die Zeit der Klassik und des Hellenismus. Mythos und Religion erfüllten somit auch gesellschaftlich-politische Funktionen, gerade auch zu jener Zeit, als Religion, Recht und Politik noch nicht strikt voneinander getrennt waren. Diese ursprüngliche Verschränkung bleibt für das antike Griechenland lange charakteristisch.1213 –

1209 Zur Adoption: Kapitel VI 2. 1210 1986/2001, 89 f uH auf Diodorus Siculus 4. 39. 2. 1211 Übersetzt und hg. von Kai Brodersen (2002). 1212 Dazu in Kapitel IX. 1213 Vgl. das Entstehen des Prometheusmythos.

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Für unser Thema ist allein dieses Zwischenergebnis von Bedeutung, zumal die Annahme naheliegt, dass die Vorstellungen und Werte der beiden Bereiche einander glichen, ja dass man wahrscheinlich eine geraume Zeit hindurch geradezu eine Identität der Werte annehmen kann. Dazu ist R. Parker erwähnenswert, der – auch ohne jede Bezugnahme auf unsere Fragestellung – mit meinen Ergebnissen übereinstimmt:1214 „To understand the place of religion in Greek society we must think away the central religious institution of our own experience, the Church. In Greece power in religious matters lay with those who had secular power: in the household with the father, the magistrates or even with the citizen assembly. At Athens it was a magistrate who impersonated the god Dionysus in an important ritual of ‘sacred marriage’, and decisions about the use of sacred moneys or land were taken by the democratic assembly. (As a result the gods found themselves willy-nilly financing Athenian efforts in the Peloponnesian War.) Individual gods had their priests, but to hold a priesthood was a part-time activity which normally required no special qualification or training. There was no institutional framework to unite the priests into a class with interests of its own. The only true religious professionals in Greece were the seers.”

Es konnte auch keinen Interessenkonflikt zwischen dem Wohl für den Staat/die Polis und den dort verehrten Göttern geben; lediglich Meinungsverschiedenheiten über den Einsatz der zur Wohlfahrt nötigen Mittel und die einzuschlagenden Wege konnten bestehen. Es gab „[…] no religious organization that could spread moral teaching, develop doctrine, or impose an orthodoxy. In such a context a creed would have been unthinkable. In a famous passage 1215 Herodotus [II 53] casts two poets [Homer und Hesiod] as the theologians of Greece”.

Wie eng dennoch Religion und Recht im antiken Griechenland noch an der Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert v. C. miteinander verwoben waren, lehrt uns ua. der Prozess gegen Sokrates, der des Verbrechens angeklagt worden war, die in der Polis verehrten Götter nicht anzuerkennen. Das bedeutete die Verwirklichung des Tatbestands der ‚TzCFJB/asébeia, der Gottlosigkeit, die als individuelles Ausscheren aus dem Kultus der Gemeinschaft mit der Todesstrafe sanktioniert war. Dieser weit und offen gehaltene (Verbrechens)Tatbestand schloss den Täter aus der Gemeinschaft aus; die Rechtsordnung verweigerte dem Verurteilten künftig ihren Schutz. – Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass das Gewähren von Rechtsschutz auch damals noch eng mit der Anerkennung der Religion und ihres Kultes zusammenhing; oder anders gesagt: die Religion wirkte noch ebenso stark auf Recht und Gerichtsbarkeit ein wie diese auf die Religion.1216 Die Götter anzuerkennen, bedeutete an ihrem Kult teilzunehmen, und

1214 Parker 1986/2001, 311 ff und 2005, 61 ff. 1215 R. Parker aaO. 1216 Zum Nachhinken des religiösen Verständnisses von Gewissen hinter der Rechtsentwicklung

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Frömmigkeit/yVTzCFJB/eusébeia äußerte sich in individuellem Respekt gegenüber den Göttern, nicht unbedingt in religiöser Zuneigung oder Liebe. Religion verlangte damals keine Innerlichkeit. Religion war vielmehr ein wichtiger Teil des sozialen Lebens in einer Gemeinschaft, die vor allem auch eine Kultgemeinschaft war. Wer dies missachtete, wurde aus der Gemeinschaft ausgestoßen – für vogelfrei erklärt oder getötet. Parker1217 unterstreicht den wichtigen Zusammenhang von Ritual und Gebet, auf den ich deshalb kurz eingehe, weil er auch rechtlich bedeutsam ist: „Ritual was accompanied by prayer. It was unusual to pray seriously without making an offering of some kind (a sacrifice, a dedication, or at least a libation) or promising to make one should the prayer be fulfilled. By his gift the worshipper established a claim to the countergift that he requested, according to the notorious principle of ‘do ut des’, ‘I give that you will give.’ In their prayers Greeks often alluded explicitly to this nexus of mutual benefit and obli1218 – „The gods were thus brought within a comprehensible gation between man and god”. pattern of social relations. […] The real psychological significance of ‘do ut des’ was not the hope of bribery, but the fact that it allowed the worshipper to feel that he had established an ordered, continuing, two-sided relation with the god.”

Das ‘do ut des’ der von Parker anschaulich dargestellten religiösen Austauschbeziehung ist danach keine spätere juristische ‚Erfindung’. Es ist nicht auszuschließen, dass die ‚religiöse Austauschbeziehung’ der älteren rechtlichen folgte, ihr also nachgebildet war. Diese Beobachtung Parkers erscheint mir deshalb interessant, weil diese Möglichkeit von der Rechtsgeschichte bislang kaum, jedenfalls nicht in diesem Kontext, gesehen wurde. Der Güter- oder Leistungsaustausch in der Frühzeit, der grundsätzlich real und (wenn möglich auch) Zug um Zug erfolgte, wurde ursprünglich gar nicht als ‚Rechts’-Geschäft gesehen und verstanden, sondern als bloßes Faktum, wobei dieses Faktum – vor allem dann, wenn es von persönlicher oder gesellschaftlicher Bedeutung war – rituell eingekleidet wurde.1219 Hier könnte das Do-ut-des-Verständnis dazu beigetragen haben, die ‚Obligation’ auch im profanen und anschließend im rechtlichen Bereich entstehen zu lassen, bis sie allmählich zu einer zweiseitigen rechtlichen und endlich zu einer notwendig zweiseitig verbindlichen wird. So erklärte sich, weshalb

Dodds 1951/1997, 37. – Dodds kannte den Aufsatz von Zucker (1928). – Zur ägyptischen Entwicklung in Kapitel II 17, zur griechischen (Syneidesis) ebendort: ‚Weitere Parallelen zwischen Ma’at und Eunomia’. 1217 1986/2001, 317 f. 1218 R. Parker zitiert hier den Text einiger griechischer Votivtafeln, die eben diesen Konnex zeigen. 1219 Noch heute kennen wir eine analoge Situation im Bereich des Besitzes, der als rechtlich bedeutsames, daher geschütztes Faktum gilt. Der Versuch des ABGB, ihn zum dinglichen Recht zu ‚erheben’, ist fehlgeschlagen. – Allgemein zum Gabentausch in frühen Gesellschaften Pkt. 6: ‚Claude Lévy-Strauss’ (ab Anm. 706).

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Gemeinsame Entstehensbedingungen für Recht und Religion?

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die vertragliche Offerte noch in § 861 ABGB als ‚Versprechen’ bezeichnet wird und der Vertrag erst bei Annahme des gemachten Versprechens als geschlossen gilt. Darin läge eine nicht unbedeutende religiöse Wurzel – votum wird zur rechtlich verbindlichen promissio – sowohl des einseitigen verbindlichen Versprechens (iSd modernen Auslobung),1220 als auch des rechtlichen Vertragsschlusses. – Von einer förderlichen Beziehung zwischen Recht und Religion kann man daher jedenfalls ausgehen. Aus der engen Verbindung von Recht und Religion ist auch die weite Verbreitung und Verwendung des Eides bei vielerlei gesellschaftlichen und insbesondere bei rechtlich bedeutenden Anlässen zu verstehen; bei Vertragsschlüssen ebenso wie bei Heiraten, bei Friedens-, Freundschafts-, Symmachie- und Unterwerfungsverträgen. Ein Beiname des Zeus war der des Zeus der Eide/Zeus Hórkios, was die große praktische Bedeutung zeigt.1221 Der Eid bedeutete eine Vereinbarung, eine Erklärung, rechtliche und gesellschaftlich relevante Akte überhaupt durch eine Anrufung der Götter, ja des höchsten Gottes zu bekräftigen und damit zum Ausdruck zu bringen, dass diese Akte und die daran beteiligten Personen in Übereinstimmung mit den Göttern und ihren Werten, die auch gesellschaftliche Werte waren, stünden.1222 Die Verbindung eines irdischen Aktes rechtlich-politischer Natur mit religiös-überirdischer Billigung und Bekräftigung wurde häufig mit einer Selbstverfluchung des den Eid Leistenden für den Fall eines Verstoßes gegen den auf solche Weise geschlossenen Akt verbunden.1223 – Im alten Griechenland war aber der Eid nicht die einzige rechtliche Verbindung der Menschen mit der göttlichen Sphäre; man denke nur an die verschiedenen durch Gaben- oder Votivopfer oder Libationen bekräftigten Versprechen und die damals auch rechtlich bedeutsame Reinigung/Katharsis von allen möglichen rechtlichen und gesellschaftlichen Verunreinigungen/Miasmen und Verfehlungen.1224 In der olympischen Religion in ihrer endgültigen Ausformung war Zeus1225 selbst, als höchste Gottheit, für Recht und Gerechtigkeit zuständig, auch

1220 Vgl. §§ 860 ABGB und §§ 657 ff dtBGB. 1221 Burkert 1977, 207. – Vgl. auch Kapitel II 9: ‚Der griechische Vertrag’. 1222 Zum Eid mwH Burkert 1977, 377 ff, ferner Latte (1920/1964) und dazu in Kapitel IX 6. 1223 Vgl. in Pkt. 8 die Koloniegründungen; besonders drastisch der Eidestext bei der Zwangsaussiedlung junger Leute aus Thera für die geplante Kolonie im nordafrikanischen Kyrene. 1224 Dazu insbesondere R. Parker (1996) oder Burkert 1977, 129 ff und 231. Zu den auch psychoanalytisch deutbaren Wurzeln von Miasma und Katharsis: Dodds 1951/1997, 48 f. – Auch die Grundlinien rechtlicher Haftung hatten sich aus religiösen Sühne- und Reinigungsvorschriften (des Delphischen Apollon) entwickelt, auch wenn diese sakralrechtliche, wohl noch dem ágraphos nómos angehörende Vorschrift ihrerseits bestehendem Gewohnheitsrecht gefolgt sein mag; dazu mehr in Kapitel II 4 und mein Beitrag 2005. – Seit Meuli 1946b, 264 wissen wir, dass Reinheitsforderungen und Reinigungsvorschriften schon für die „alten Jäger und ebenso für die Opfer der Hirtenvölker“ galten. 1225 Dazu Burkert 1977, 200 ff.

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wenn manches aus seiner Zentralkompetenz an andere Götterfiguren delegiert worden ist; insbesondere an Themis (die nicht Olympierin wurde!) und die mit ihr, seiner ersten Gefährtin/Gemahlin gezeugten Töchter Dike, Eunomia und Eirene,1226 an Apollon1227 und an Athene.1228

Griechische Götter und das Recht Der gesellschaftliche Zusammenhang von Recht und Religion äußert sich in den Göttergestalten und ihrem Verhältnis zu Recht und Gerechtigkeit.1229 In Griechenland ist die ‚Idee’ der Gerechtigkeit mit Zeus und seiner Familie verknüpft, doch sind auch andere Verbindungen zu den Fundamenten des Rechtsdenkens vorhanden.1230 – Für Nilsson,1231 dem Schachermeyr folgt,1232 ist die hegemoniale Stellung, die Zeus unter den olympischen Göttern einnimmt, das „Abbild der politischen Zustände [aus] mykenischer Zeit“. Gegen diese Deutung von Zeus als König der olympischen Götter hat sich G. M. Calhoun1233 gewandt, der statt dessen die Vaterrolle von Zeus betont, zumal sie für Homer im Vordergrund steht. Das führt zu einer anderen Ableitung der starken patriarchalen Stellung von Zeus in der Religion; kurz: sie wird dann nicht vom mykenischen Königtum, sondern von der starken Stellung des griechischen Hausvaters hergeleitet. Von Bedeutung ist das insofern, als eine starke patriarchale Stellung nicht nur den mykenischen König auszeichnete, sondern auch den griechischen Hausvater/Kyrios (nach den Dunklen Jahrhunderten). Das lässt erneut eine wichtige Parallele von Recht und Religion erkennen. – Hier stellt sich allerdings die Frage, ob die richtige Antwort in einem Entweder-Oder gefunden werden muss oder nicht vielmehr in einem Sowohl-als-Auch. Die unterschiedliche Antwort auf diese Frage ist aber auch, ja vornehmlich deshalb umstritten, weil sie eine Art Vorfrage für das Verständnis der Dunklen Jahrhunderte darstellt.1234 – Wie im-

1226 Zu Themis und ihren Töchtern Kapitel II 7 und 8. 1227 Mehr zu Apollon bei Burkert 1977, 225 ff (und zuletzt 2008, 97 ff) sowie Eliade 1978/2002, I 251 ff. – Eine philologisch-dichterische Darstellung Apollons in der griechischen Mythologie findet sich bei: F. G. Jünger 1943, 9 ff. 1228 Zu den rechtlich relevanten Zügen gleich anschließend; zu Athene und Apollon auch Kapitel III: Die ‚Orestie’ des Aischylos. 1229 Vgl. dazu auch Kapitel II 17: Solonische Eunomia und ägyptische Ma’at. 1230 Vgl. Anm. 1022 und 1023 zur griechischen Religion und zu Apollon. 1231 1941, I 327 ff und 344 ff. 1232 1950, 10 f mwN. 1233 1935, 1 ff. 1234 Hat die Erinnerung an das mykenische Königtum, wie Zeus selbst, die Dunklen Jahrhunderte überdauert? Die Frage, ob die Dunklen Jahrhunderte einen vollständigen kulturellen Bruch darstellten, ist bis heute umstritten. Während in den letzten Jahrzehnten ein vollständiger Bruch (Ulf, Patzek) angenommen wurde, wendet sich seit einiger Zeit das Blatt.

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mer man zu diesen unterschiedlichen Interpretationen der patriarchalen Stellung von Zeus stehen mag, eines scheint gesichert: die patriarchale Orientierung von Recht und Religion bei den Griechen. Dies ist bedeutsamer als jene, ob Zeus ‚König der Olympier’ oder bloß ‚Göttervater’ war. • Apollon1235 verkörperte das griechische Schönheitsideal. Er wurde als Jüngling, Kouros am Höhepunkt der körperlichen Entwicklung – der sogenannten akmé – dargestellt und 1236 Er war auch der Gott der Initiagab der griechischen Kultur „insgesamt ihr Gepräge“. tion (apéllai), der Jünglinge ins Erwachsensein hinübergeleitete. Sein Kultlied war der 1237 1238 1239 Er war Heilund zugleich Pestgott und Meister des heilenden Liedes. Paian. Musik gehörte zu seinen Festen. Das pythische Delphi kannte daher nicht nur den sportlichen, sondern auch den musischen Wettkampf. Die Musen sind zwar Töchter des Zeus und der Mnemosyne, aber Apollon ist ihr Anführer/Musagetes. – Apollon besaß zwei 1240 1241 und Delphi. Für die „Kommunikation unter den überregionale Zentren: Delos Griechen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl hat dies eine wesentliche Rolle gespielt. Apollon scheint „nicht nur ein jugendlicher, sondern [auch] ein ‚junger’ Gott bei den 1242 Die Zweifel, ob Apollon wirklich ein griechischer (und Griechen“ gewesen zu sein. kein lykischer) Gott gewesen sei, scheinen mittlerweile behoben, auch wenn sich dies im

1235 Vgl. F. Dirlmeier (1939/1970), W. Schadewaldt (1970), zuletzt Schollmeyer 2008a, 163 ff. 1236 Burkert 1977, 225 ff. 1237 Dazu und zu dessen kretisch- minoischer Herkunft Burkert 1977, 228. – Zu Paieon, dem Arzt der Götter bei Homer, und seiner Verbindung mit Asklepios und Dionysos: Kerényi 19562, X f, insbesondere 71 ff und 81 ff. Er hält Dionysos und Asklepios nicht nur für vorhomerisch, sondern schon für mykenisch, „ja wahrscheinlich [für] vorgriechische Mythologem[e]“. 1238 Asklepios ist Apollons Sohn, aber auch Apollon selbst galt als Arzt. – Kerényi (19562) schildert die Entstehung und die Stätten des Asklepioskultes und die Entwicklung des Asklepios vom trefflichen Arzt und Vater zweier ebenfalls die Heilkunst ausübender homerischer Helden (Machaon und Podaleirios; Ilias II 731, IV 194, XI 518) zum Heilheros und schließlich zum Gott der Medizin. 1239 Sein Tempel in Bassai in den Bergen Arkadiens auf der Peloponnes wurde um 430 v. C. als Votivtempel für Apollon den Helfer/Epikourios erbaut. 1240 Die kleine Insel war der zentrale Markt und das gemeinsame Heiligtum der Kykladen. 1241 Dieses Heiligtum verdankte seine Blüte dem Orakel, dessen großer Aufstieg mit der Kolonisation begann; Burkert 1977, 226. – Zur ‚Ausstattung griechischer Heiligtümer’: P. Schollmeyer 2008b, 257 ff, zum ‚Ritus im Heiligtum’: A. Dihle 2008, 309 ff. 1242 Burkert 1977, 226. – Apollons heiliger Bezirk in Delphi scheint nicht vor der Mitte des 8. Jhs. v. C. angelegt worden zu sein. Das ist von Interesse wegen der offenbar früh auch rechtlich bedeutenden Rolle des Delphischen Apollon. Seine zwischen Mord und Totschlag unterscheidenden sakralrechtlichen Vorschriften konnten sich nicht vor der Mitte des 8. Jhs. v. C. entwickelt haben. Bis zur Gesetzgebung Drakons vergingen also weniger als 150 Jahre. In dieser Zeit ist wohl auf sakraler Grundlage Gewohnheitsrecht entstanden, das schließlich erstmals von Drakon in gesatztes staatliches Recht/Thesmos gegossen (und weiterentwickelt) wurde. Dass bereits vorher im Rahmen des nomologischen Wissens eine idente oder ähnliche Regelung bestanden hat, die schließlich als verbindlich angesehen worden war, ist nicht unwahrscheinlich, aber derzeit noch nicht zu beweisen.

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Schrifttum noch nicht durchgesetzt hat: Burkert betont, dass eine 1974 veröffentlichte In1243 schrift endgültig bewiesen habe, dass „Apollon kein lykischer Gottesname ist“. – Als Sohn des Zeus und der Leto – seine Schwester war Artemis – verkörperte Apollon ua. auch die (bedingungslose) Vaterverehrung. Schon in der Homerischen Hymne 132 spricht er davon, dass er „den Menschen den unbeugsamen Willen des Zeus“ verkünde. Auch in 1244 tut er dies; ja bereits im einleitenden Gebet der Delden ‚Eumeniden’ des Aischylos 1245 phischen Priesterin wird Apollon als „Stimme seines Vaters Zeus“ bezeichnet. Elia1246 de merkt dazu an: „Diese Verehrung für den ‚Vater der Olympier’ erklärt die Beziehungen Apollons zu den Ideen der Ordnung und des Gesetzes. In klassischer Zeit reprä1247 nennt ihn den sentiert er in besonderer Weise den legalen Aspekt der Religion. Platon ‚patrios exegetes’, also den Ausleger des von den Vätern Ererbten. Er teilt seine Ratschläge in Delphi durch die Orakel, in Athen und Sparta durch seine exegetai mit; diese übermitteln und erklären die vom Gott geforderten Maßnahmen für die Tempelliturgien, und vor allem für die durch Mord [richtig: Totschlag/Tötung] notwendig gewordenen Reini1248 Orakel und gungen.“ Apollon sei zum „Reiniger schlechthin (katharsios) geworden“. Reinigung stehen in innerer Verbindung, denn es erforderte übermenschliches Wissen um 1249 herauszufinden, was die Befleckung bewirkt habe. – Dieser Gott betont als weissagend-prophetischer Lóxias, kultischer Kathársios, priesterlicher Exegétes, seine Vaterverehrung und die von seinem Vater erhaltenen moralischen (auch rechtlich relevanten) Wei1250 1251 – wodurch er wenigstens mittelbar in Beziehung zu Recht und Gesetz tritt. sungen 1252 – Nach F. G. Jünger sind weitere Eigenschaften Apollons von rechtlichem Interesse: „Wo immer er ist, dort ist Ordnung; er bringt sogleich Licht in die Dinge.“ – „Insofern der Staat und die Staatsverfassung ein Kunstwerk des wachen Geistes sind und nicht nur die

1243 Burkert 1977, 227. – Vgl. nunmehr P. Schollmeyer 2008, 163 ff und etwa 164: „Trotz zahlreicher, in der Forschungsliteratur immer wieder heftig diskutierter Thesen ist man auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum in der Lage, eine abschließende Antwort zu geben. Sicher ist, dass Apollon als einer der wenigen olympischen Götter in den bislang bekannten Linear BTexten der mykenischen Welt (2. Jahrtausend v. Chr.) nicht vorkommt. Dies kann freilich überlieferungsbedingt sein und jeder Neufund die Sachlage entscheidend verändern.“ Heute wird angenommen, dass Apollon ältere Gottheiten des mykenischen Pantheons überlagert und deren Funktionen übernommen hat, vgl. schon L. R. Palmer 1981, 6. 1244 Verse 616 ff. 1245 ‚Eumeniden’, Vers 19. 1246 1978/2002, I 251. 1247 ‚Politeia’/Staat IV 427b. 1248 Nach Eliade 1978/2002, I 251 hat Apollon „stark dazu beigetragen, die archaischen Gebräuche gegenüber Mördern zu vermenschlichen“. Die Ausführungen Eliades in Fn 14 sind aber rechtlich ungenau. 1249 Vgl. Burkert 1977, 231. 1250 Dazu schon Burkert 1977, 232. 1251 Seine Rolle in den ‚Eumeniden’ des Aischylos (dazu in Kapitel III) verblasst aber im Vergleich zum Part der Athene. 1252 1943, 14 ff.

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Notdurft des menschlichen Lebens abspiegeln, ist Apollon Städtegründer und Verfassungsgeber. Die dorische Verfassung geht aus seinem Kult hervor, die Rhetren des Lykurg stammen vom delphischen Orakel. Er ruft die antike Polis nicht nur hervor, er überwacht auch den politischen Bau des Staates, als Künstler-Architekt. […] Er weist den rechten Weg, deshalb ist er auch der Schützer der Straßen und Wege und derjenige, der die Kolonisten sicher geleitet. Sein Orakel gebietet nicht nur die Koloniegründung und bezeichnet die passende Zeit für sie, es nennt auch den Ort, an dem die neue Gründung gedeihen wird. Der wohlbeschaffene Stadtstaat darf weder zu groß noch zu klein sein; seine Mittel sind ausgewogen, und es besteht ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Gebiet und der Bevölkerung. Fehlt es in den Mauern an Bürgern, so muß man suchen, sie herbeizuschaffen. Ist ein Überschuss an ihnen vorhanden, so müssen Kolonien gegründet werden. Dass dem Apollon diese von der Muttererde sich ablösenden Gemeinschaften unterstellt sind, hängt damit zusammen, dass er überhaupt der Schützer des freien geistigen Wagens und Bauens ist, und dass er überall die geistige Gemeinschaft vor den Ansprüchen der Blutsgemeinschaft begünstigt. […] Als Staatsgott und Staatsverfassungsgott unterstehen ihm auch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung. Er ist der Liebling des Zeus, er verkündet dessen Willen als der Kenner des Rechten und Wahren, der dem Irrtum nicht unterworfen ist und jeden Betrug durchschaut. […]Auch an der List, wenn sie eine Waffe des männlichen Geistes ist, hat er kein Wohlgefallen; das ist ein Zug, der ihn von der Athene unterscheidet, die ihren Schutz auch über die Erfindungen des Geistes, über die Ausreden, Vorgaben und Verstellungen erstreckt und die Listen des Wagemutigen belächelt. […] Er ist kein Gott der Schlauen wie Hermes, sondern durchdringend wie der gerade fallende Lichtstrahl. Vor allem ist es die Kenntnis des Maßes, die ihn auszeichnet. […]“ – Er bestraft Überschreitungen des Maßes streng, ja unerbittlich. Er ist es, 1253 Der Verletzer seiner „der die Hybris unverzüglich und immer mit dem Tode ahndet.“ 1254 väterlich akzentuierten Ordnung wird vernichtet.

1253 Jünger 1943, 20 f. 1254 Apollon war der Beschützer des Orest; dazu in Kapitel III.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

• Athena oder Athene war neben Hera,1255 Artemis1256 und Aphrodite1257 eine zentrale Göt1258

tin der griechischen Religion. Nach Hera galt sie als die bedeutendste weibliche Göttin. Der 28. Homerische Hymnus gibt „ein wahrhaft grandioses Bild von ihrem We1259 Wie Hera eng mit Argos (und dann auch Samos) verbunden war, gehörten Name sen“. und Wirkungskreis der Athene „aufs engste zu jener Stadt Athen, die noch heute von ihrem ‚Jungfrauengemach’, dem Parthenon, überragt wird, der zum Inbegriff griechischer Kunst überhaupt geworden ist. Ob in der Benennung die Stadt oder die Göttin vorangeht, 1260 Da -ene ein typisches Ortsnamensuffix ist – Mykene Pallene Troiist ein alter Streit. zen(e) Messene Kyrene –, hat wohl doch die Göttin den Namen von der Stadt, sie ist die Pallas von Athen, Pállas Athenaíe, wie Hera von Argos Hére Argeíe heißt. Auch das einzige Linear-B-Zeugnis, atana potinija in Knossos, ist syntaktisch als ‚Herrin von 1261 1262 Stahl At(h)ana’ zu verstehen“, wobei „offen“ ist, ob mit atana Athen gemeint sei. betont, dass Athena erst in der Peisistratidenzeit als „Parthenos zur Herrin des Staates oder auch zu dessen Personifizierung“ geworden ist: „In ihrer Gestalt, die jedem einzel-

1255 Zu Hera bei Anm. 1312. – Vgl. auch Kapitel VII 1: ‚Patriarchat und Rechtsvorstellungen der Griechen’. 1256 Zu Artemis Burkert 1977, 233 ff und 2008, 100 sowie nunmehr Sinn 2008, 197 ff. – Artemis war Göttin der Jagd, aber auch die Göttin der Mädcheninitiation in Entsprechung zu ihrem Bruder Apollon. Für Burkert ist sie eine der „ältesten und wichtigsten Gottheiten“; 2008, 100. 1257 Nach Burkert 1977, 238 ff (und 2008, 108) steht hinter der Uranos-Tochter Aphrodite „deutlich die altsemitische Liebesgöttin, Iãtar-Astarte, göttliche Gemahlin des Königs, Himmelskönigin und Hetäre in einem“; vgl. schon Herodot I 105. Die Rezeption aus dem Phönizischen ging über Zypern (Paphos), wo eine monumentale Tempelanlage aus dem 12. Jh. v. C., also noch aus mykenischer Zeit, ausgegraben wurde. Eine andere Wurzel liegt bei der phrygischen Göttin Kybele, die „Mutter vom Berg, eine Form der anatolischen Großen Göttin“; Burkert 1977, 241. – Aphrodite ist Beispiel für die Kulturdrift von Ost nach West, die sich auch in der Religion auswirkte. Es überrascht nicht, dass dabei auch rechtliche Einrichtungen ‚mitgewandert’ sind. – Vgl. auch Maischberger 2008, 179 ff: Auch fehlt Aphrodites Name in den mykenischen Linear B-Texten, obwohl bereits in der Kykladenkultur des 3. und 2. Jts. und in der mykenischen Kultur Fruchtbarkeits- und Muttergottheiten verehrt wurden, die den einen oder anderen Zug der Aphrodite in sich trugen (aaO 183). 1258 Zu Athene auch Walter F. Otto 19706, 44 ff sowie Eliade 1978/2002, I 259 f; vgl. auch Burkert 2008, 96 f und Schollmeyer/Grassinger 2008, 213 ff. 1259 In der Übersetzung bei Walter F. Otto 19706, 45: „Von Pallas Athene, der hehren Göttin, will ich singen, der Euleneugigen, der Immerklugen, der Schonungslosen, der reinen Jungfrau, der Stadtschützerin, der Wehrhaften […], die Zeus selbst, der Meister der Klugheit, geboren hat aus seinem heiligen Haupte in Kriegswaffen von schimmerndem Golde […].“ – Otto gibt 19706, 252 eine beeindruckende Beschreibung ihrer Weiblichkeit. 1260 Das ist ein weiteres, wenn auch kleines Indiz dafür, dass Religion ein Gesellschaftsprodukt ist. 1261 Schollmeyer/Grassinger 2008, 213 f, weisen auf Ähnlichkeiten mit der etruskisch-römischen Minerva und zahlreichen orientalischen Götinnen hin: der lykischen Maliya, der ägyptischen Neith, der ugaritischen Anat oder der palmyrenischen Allat. Diese Göttinnen beweisen „die Verbreitung des Typus der bewaffneten Göttin“ im Mittelmeerraum. 1262 1987, 255 und öfter.

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nen im täglichen Leben wie an entscheidenden Stationen seines Lebens (Initiation, Hochzeit, Mutterschaft) in vielfältiger Weise begegnete, konnte sich nach dem Wegfall der Tyrannis die Bürgerschaft als ganze wiedererkennen. Obgleich der Athenamythos im 5. Jh. noch in spezifischer Weise akzentuiert wurde, besitzt doch die mythisch-kultische Repräsentation der staatlichen Identität durch die Figur der Athena eine unübersehbare Kontinuität, die die Tyrannis auch in dieser Hinsicht mit der klassischen Demokratie verbindet.“ 1263

aber Für Athen war Athene ‚die’ Göttin schlechthin. Athene ist Burg- und Stadtgöttin, auch Herrin und Führerin im Krieg. Sie trägt ihre Waffen nicht zufällig. Daneben schützt sie das Handwerk, ist Göttin der Zimmerleute und Patronin häuslicher Frauenarbeit (Spindel, Webstuhl, Wollarbeit). Ihr Erfindungsgeist ließ sie den Wagen und das Zaumzeug erfinden und schließlich das erste Schiff und das Trojanische Pferd bauen. Der Ölbaum ist ihr heilig. Ihr Fest sind die Panathenäen. Für Burkert liegt das „Verbindende dieser divergierenden Bereiche […] nicht im Elementaren, sondern im Zivilisatorischen, in der rechten Fixierung der Rollenverteilung von Frauen, Handwerkern und Kriegern und in der organisatorischen Klug1264 – Ihre weibliche Seite erscheint dagegen eher unentwickelt, heit, die dies bewerkstelligt.“ was Burkert in die Formel gießt: „Die zivilisatorische Klugheit ist abgetrennt vom Lebens1265 grund.“

Eine interessante Interpretation von Athenes zivilisatorischer und organisatorischer Klugheit bringt Eliade:1266 „Nur selten begegnen wir einem Beispiel für das, was man als Sakralität der technischen Erfindung und Mythologie der Intelligenz bezeichnen könnte. Andere Gottheiten versinnbildlichen zahllose Formen der Sakralität des Lebens, der Fruchtbarkeit, des Todes, der gesellschaftlichen Institutionen usw. Athene aber enthüllt den ‚sakralen’ Charakter oder den ‚göttlichen’ Ursprung gewisser Handwerke und Berufe, die Intelligenz, technische Geschicklichkeit, praktische Erfindungsgabe, aber auch Selbstbeherrschung, Gelassenheit in Prüfungen, Vertrauen in die Kohärenz und also in die Intelligibilität der Welt einschließen. Es ist verständlich, dass die Schutzherrin der metis [d. i. die Klugheit] zur Zeit der Philosophen zum Symbol der göttlichen Wissenschaft und der Weisheit der Menschen wurde.“

Aus heutiger Sicht erkennen wir in Athenes Eigenschaften aber auch eine sehr frühe und wesentliche Ausrichtung und Förderung des abendländischen Denkens und seiner differenzierten Wissenschaft (die auch die Achtung von Technik und Erfindungen einschließt), was nicht erst durch das Christentum vermittelt ist:

1263 Sie übernahm (für Athen) die väterliche Rolle des Zeus polieús. 1264 Mehr bei Burkert 1977, 220 ff. – In Kapitel III (Aischylos’ ‚Eumeniden’) spielt Athene eine bedeutende Rolle. 1265 Fraglich ist, ob darin ein Hinweis auf eine Parallele zur Stellung der attischen Frau erblickt werden kann. 1266 1978/2002, I 260 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Athenes Weisheit und Klugheit erweisen sich aber auch für Recht und Rechtsentwicklung von Bedeutung: Ihr organisatorisches und zivilisatorisches Geschick bringt Neues und Zukunftsträchtiges in altes Rechtsdenken, bricht verkrustete – auch patriarchale – Struktur auf und setzt etwa bei Aischylos an die Stelle der alten Blutrache eine unabhängige Gerichtsbarkeit; die alten Rachegeister, die Erinyen, werden zu Eumeniden.1267 – Im Gegensatz zu den altväterlich-patriarchal agierenden Göttern Zeus (und mit ihm Apollon) repräsentiert Athene in den ‚Eumeniden’ des Aischylos reine rechtliche Rationalität und ist nicht nur um Ausgleich, sondern auch um Neues, rundum Versöhnendes bemüht. Sie kann daher geradezu als Ahnherrin eines ‚antik-modernen’ Verständnisses der Rechtspolitik, des Rechtsstaates und einer unabhängigen Gerichtsbarkeit1268 betrachtet werden. Für Athene ist das Wohlergehen einer Gemeinschaft, die immer wieder neuer Institutionen bedarf, um die Zukunft zu bewältigen, der höchste Wert. Dies beinhaltet nach ihren Vorstelllungen aber auch ein gerechtes und maßvolles Umgehen mit dem Einzelnen (durch die Gemeinschaft), was in den ‚Eumeniden’ an Orest verdeutlicht wird. Die (Wert)Einheit von Religion, Mythos und Recht bestand lange, und die alten religiösen Vorstellungen wirkten auf das Recht auch noch ein, als sich dieses längst aus den alten Verstrickungen gelöst hatte.1269 Erst in den letzten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts v. C. begann die attisch-sophistische Aufklärung zu wirken, trug in der Religionskritik Früchte, und die Kraft des Mythos wurde allmählich gebrochen. An seine Stelle traten die Anfänge der rationalen Philosophie (Sokrates in Platons Dialog ‚Phaidros’, Platon, der an die Stelle alter Mythen, seine eigenen Dialog-Vorstellungen setzt) und eines Geschichtsverständnisses (Thukydides), das übernatürliche Erklärungen und damit ein von den Göttern gelenktes Schicksal (samt ‚Zufällen’) ausschloss. Diese Tendenz verstärkte sich noch in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. – Die Medizin war im Rahmen dieser sophistisch initiierten Entwicklung, welche schließlich auch die ‚Wissenschaften’ entstehen ließ1270 vorangegangen (Corpus Hippocraticum),1271 und die Rhetorik,1272 das Logographentum und das Rechtsdenken (Antiphon)1273 waren gefolgt. Auch die klassische Dichtung (Euripides) hatte sich angeschlossen. In der Verehrung Athenas spielten Prozessionen und Opfer eine bedeutende Rolle und die Panathenäen gelten als das herausragende „Ereignis im Kultkalender

1267 Dazu in Kapitel III. 1268 Dazu auch in Kapitel III 1. 1269 Vgl. Dodds 1951/1997, 37. 1270 Zur ‚Wissenschaftsgeschichte’ Kapitel VI 1 und mein Beitrag in der FS Weiler (2008). 1271 Dazu Schubert/Leschhorn (2006); Einführung: 311 ff. 1272 Zur frühen Rhetorik: Kapitel VI 4. 1273 Dazu Kapitel II 4 ff.

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Zeus und Hera

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der Athener“,1274 das jährlich im Juli/August an Athenes Geburtstag begangen wurde; sogenannte Kleine Panathenäen. Die Großen Panathenäen wurden alle vier Jahre besonders glanzvoll gefeiert, und Athen verband dabei verschiedene traditionelle Elemente (Einführung der jungen Krieger und Frauen, gymnischer Agon, Opferfest und Neujahrsritual) zu einer „grandiosen Selbstdarstellung“.1275 Nach Deubner geht das Fest auf das Archontat des Hippokleides (566/5 v. C.) zurück, wurde aber später (schon von Aristoteles) mit Peisistratos verbunden.1276

Zeus und Hera Zeus ist indoeuropäischer Himmels- und Wettergott,1277 aber auch der Erdentiefe.1278 – Als (Welt)Herrschergott1279 schließt er zahlreiche Hierogamien/heilige Hochzeiten mit chthonischen/erdhaften Göttinnen. Er gehört aber (nach mancher Ansicht) nicht zu den griechischen Ur-Gottheiten.1280 – Bedeutsam für die Entstehung der griechischen Göttervorstellungen ist die heute noch nicht allseits akzeptierte Annahme, dass insbesondere Hesiod und Homer hier orientalische

1274 Schollmeyer/Grassinger 2008, 215 f und Deubner 1932/1959, 22 ff. 1275 Schollmeyer/Grassinger 2008, 216. 1276 1932/1959, 23. 1277 Vgl. Burkert 1977, 200 f. – Zu Zeus, Poseidon und Hades als Vatergottheiten: Landwehr 2008, 112 ff. Danach waren Poseidon und Hades alte (vorgriechische) ägäische Gottheiten, die von den Griechen zu Brüdern des Zeus gemacht wurden, so wie Demeter zu seiner Schwester. Von den Pelasgern verehrt wurden auch schon Hera und Athena, die von Zeus als Tochter „annektiert“ wird. Die Erinyen gelten als Töchter des Hades, sind „Gestalten des Schreckens und der Rache und wurden nicht göttlich verehrt“; sie spielen in der ‚Orestie’ (insbesondere in den ‚Eumeniden’) des Aischylos eine wichtige Rolle. Dazu in Kapitel III. – Während für Wilamowitz (1973, I 211 ff) Poseidon der Hauptgott der Griechen vor Zeus war, anerkennt Schachermeyr Zeus als ursprünglichen göttlichen Repräsentanten der patriarchalen Gesellschaft der Indo-Europäer. Für Schachermeyr (1950, 63 iVm 65 ff, 121 ff und 130) leitet sich der frühe Poseidonglaube der Griechen (ab ~ 1900 v. C.) aus der indogermanischen Einheitsstufe ab; als Göttergestalt sei Poseidon aber erst zwischen 1900 und 1570 v. C. (in mittelhelladischer Zeit) – als Gatte der großen minoischen Erdmuttergöttin – entstanden. Von dieser Verbindung sei der Name Poseidons abgeleitet; Nilsson ergänzt Schachermeyrs etymologische Ableitung durch weitere. Er hat Schachermeyrs Buch über Poseidon kritisch und zugleich anerkennend besprochen (1953, 161 ff). 1278 Nach A. Henrichs, in: DNP XII/2 (2003), 785 manifestiert sich in der „Doppelnatur des Z. als Gott des Himmels und der Erdentiefe […] die für den griech. Polytheismus typische Neigung zur Polarisierung, möglichwerweise auch die Einbindung einer erdbezogenen Religion in den Z.-Kult“. In den chthonischen Aspekten wird Zeus als Schlange dargestellt und verehrt. 1279 Dazu Eliade 1978/2002, I 234 und A. Henrichs, in: DNP XII/2 (2003), 782; Burkert 2008, 94. 1280 Eliade 1978/2002, I 230 ff mwH; anders aber Burkert 1977, 82 ff (Die mykenischen Götternamen) und schon Nilsson und Schachermeyr (1950, 10 mwN), denen zu folgen ist. – Der Sieg des Zeus bedeutet für Eliade, aaO 232, eine Neuorganisation der griechischen Göttervorstellungen (?).

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Traditionen1281 aufnahmen. Zutreffender wohl Burkert,1282 der einzelne Ergänzungen, nicht dagegen eine umfassende Rezeption oder Neukonzeption aus dem Orient annimmt: „Unter den griechischen Göttern, die in Linear B bisher fehlen, sind Apollon und Aphrodite weitaus am wichtigsten. Nun führt für Apollon über Amyklai und die ‚Krieger’-Statuetten ein Weg nach Cypern und in den Osten, während zugleich für Aphrodite das Heiligtum von 1283 gePaphos auf Cypern seit je als Zentrum und Ausgangspunkt gegolten hat. Zu Aphrodite hört in besonderem Maße der Gebrauch des Weihrauchs, der im Griechischen immer mit seinem semitischen Namen bezeichnet wurde; Apollon ist der Herr der Mantik, deren wichtigste Form, die Leberschau beim Opfer, gewiß aus Altmesopotamien über Anatolien/Syrien und Cypern zu den Griechen kam. Freilich sind dies nur einzelne Komponenten der sehr viel komplexeren Göttergestalten.“ – „Neben der gebrochenen, aber unleugbar wirksamen mykenisch-minoischen Tradition sind also wiederholte, bemerkenswerte Impulse aus dem Orient, genauer aus dem hethitisch-nordsyrischen Bereich, zu verzeichnen, wobei Cypern als Ort der Begegnung und Weitervermittlung wichtig ist. Intensive Kontakte bestehen im 12. und dann wieder im 9./8. Jahrhundert, als griechische Händler Niederlassungen in Syrien anlegen, bis dann um 700 ein eigentlicher Durchbruch östlicher Mode, der ‚Orientalisierende Stil’, einsetzt; von 660 an wird dann, dank der Rolle griechischer Söldner in der 26. Dynastie, Ägypten tonangebend. Noch im 7. Jahrhundert kehrt sich jedoch die ‚Kulturdrift’ um, die griechische Form hat ihr Niveau gefunden, das nun seinerseits für Jahrhunderte in Ost und West zum 1284 Vorbild genommen wird.“

• Zeus ist nach Burkert „weit mehr ein Wettergott, als die Etymologie ahnen lässt“, und dies verbindet ihn mit den kleinasiatischen ‚Wettergöttern’. Für Homer ist Zeus der ‚Wolkensammler’, der ‚Dunkelwolkige’, der ‚Blitzeschleuderer’, der ‚in der Höhe Donnernde’, und die Umgangssprache kannte neben ‚es regnet’, auch ‚Zeus regnet’. Der verbreitete Name Olympos, ist, auch als größter Berg im nördlichen Thessalien, zur Götterwohnung geworden und man hat schließlich ‚Olympos’ „auch als eine Bezeichnung für den Himmel [verstanden], doch blieb die Vorstellung schwankend; Wettergott und Himmelsgott 1285 – Schon im Mykenischen sei Zeus „einer der wichtigsten, ließen sich nicht vereinen“. 1286 vielleicht der höchste Gott: ein Monat ist nach ihm benannt“ gewesen.

• Als Himmelsvater und vornehmlich als Wettergott ist Zeus insbesondere bei Griechen und Römern höchster und stärkster Gott, den die anderen Götter als Überlegenen nicht „ernstlich bedrohen“ können; allein die Macht des Zeus war im Kampf errungen und musste immer wieder verteidigt werden. – Zeus ist daher auch der, der den Sieg bringt und damit

1281 Eliade 1978/1992, I 231 Fn3 uH auf West 1966, 18 ff und Walcot 1966,27 ff. 1282 1977, 88 ff: Die Dunklen Jahrhunderte und das Problem der Kontinuität. 1283 Dazu vor allem aa0 238 ff. 1284 Burkert 1977, 96 ff. 1285 1977, 200 f. – Gründe gibt Burkert dafür nicht an.. 1286 R. Parker 1986/2001, 309 ff und Burkert 1977, 48 ff.

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Zeus und Hera

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die Freiheit des Volkes rettet; das wurde insbesondere im Rahmen der Perserkriege be1287 tont; Feier des Zeus Eleuthérios. Burkert betont in diesem Zusammenhang die Vergeistigung des Verständnisses: „Mit dem Sieg des Zeus sich zu identifizieren, heißt den 1288 – Die Potenz des stärksten der Götter hat sich aber Sinn der Weltordnung finden.“ nicht nur in Kampf und Sieg geäußert, sondern auch in der Fülle sexueller Zeugungskraft.

• Bedeutsam ist, dass Zeus vor seiner Vermählung mit Hera1289 eine Reihe von Beziehun1290

gen/Ehen einging, ua. mit der Titanin Themis (Gerechtigkeit). Diese zahlreichen Verbindungen – ua. auch mit Demeter (Persephone) und Leto (Zwillinge: Apollo und Artemis) oder Europa und Semele lassen die Hierogamien des Himmels- und Wettergottes mit chthonischen Göttinnen erkennen: „Die Bedeutung dieser zahlreichen Ehen und erotischen Abenteuer ist zugleich religiöser und politischer Art. Indem er sich die seit undenklichen Zeiten verehrten vorhellenischen Lokalgöttinnen zu eigen nimmt, tritt Zeus an ihre Stelle und leitet damit den Vorgang der Symbiose und Vereinigung ein, welcher der grie1291 chischen Religion schließlich ihren spezifischen Charakter verlieh.“

• Zur Potenz des Göttervaters:1292 „Das sind die Spielregeln einer extrem patriarchalischen Familienordnung, die dem dominierenden Mann alle Freiheit gestattet, nur nicht ‚Verweichlichung’; da ist phantastische Wunscherfüllung unerschöpflicher Manneskraft – auch in der gleichgeschlechtlichen Liebe hatte Zeus voranzugehen, indem er als Adler den Troerknaben Ganymedes entführte. Da sind aber auch die Ansprüche vieler Geschlechter und Stämme, die alle in gleicher Weise vom Himmelsvater abstammen möchten.“

• Von rechtlicher Bedeutung sind die zahlreichen Epiklesen1293 und Wirkungsbereiche als Zeus Ephéstios (Beschützer des häuslichen Herdes), Z. Herkeíos (des umzäunten Hofes), Z. Ktésios (des Familienbesitzes), Z. Patró(i)os (der Väter) oder Z. Phrátrios (Schirmherr der Familien und Verwandtschaftsgruppen), aber auch als Z. Xénios (Schützer des Gastrechts), Z. Hikésios (Z. der Schutzflehenden), Z. Phílios (Z. der Freundschaft), Z. Polieús (Schutz der Poleis), Z. Agoraíos (Schutz des Versammlungsplatzes), Zeus Boulaíos (Z. der Ratsversammlung, Förderung der öffentlichen Meinungsbildung), Z. Hórkios (Bestrafer der Eidesbrecher) oder als omnipräsenter Übelabwehrer (Z. Alexíkakos), Abwender von Naturkatastrophen, Krieg oder politischer Wirren (Z. Apotrópaios) und allgemeiner

1287 Dazu auch A. Henrichs, in: DNP XII/2 (2003), 784. Vgl. auch Plutarch, Aristeides 21 (nach der Schlacht bei Plataeä 479 v. C.). 1288 1977, 203 f. 1289 Zu Hera: Burkert 1977, 208 ff. 1290 Burkerts ‚Kompetenzumschreibung’ für Themis mit ‚Gerechtigkeit’ ist zu eng. – Zu Themis und der griechischen Götterwelt: Jane E. Harrison (1911/1963²). 1291 Eliade (1978/2002) und Burkert 1977, 204: „Erstaunlich nach Quantität und Qualität ist die Schar der Zeuskinder im Mythos – nicht minder die Reihe der Göttinnen und sterblichen Frauen, die sein Lager teilten.“ 1292 Burkert 1977, 204 f. 1293 Zum Begriff Chaniotis, in: DNP III (1999) 1118 ff. – Auf einige Epiklesen gehe ich auch ab Anm. 1320 ein.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte 1294

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Retter aus Gefahren (Z. Sotér). – Nach A. Henrichs hatten alle die erwähnten Epiklesen/Epitheta des Zeus „panhellenische Geltung“, wie ihr Vorkommen in Epos und Drama zeige; sie sind aber auch inschriftlich auf regionaler und lokaler Ebene bezeugt. Das beweisen ua. die zahlreichen Ortsepiklesen. Nach Henrichs klingt in den Beinamen auch die rituelle Bedeutung von Zeus an: Als Z. Mórios wachte er in Attika über die der Athena heiligen Ölbäume, als Z. Meilíchios war er ‚rituell Besänftigter’, als Z. Euménes galt er als ‚Wohlgesinnter’ und Chthónios war ein verbreiteter Kulttitel. Als höchster Gott trägt er den Beinamen Z. Hýpatos oder Hýpistos und als Z. Olýmpios wird er zum Namensgeber der griechischen Religion. – Diese Zeus-Epiklesen repräsentieren vornehmlich menschliche Werte und lassen erkennen, wie religiöse Werte (als in den ‚Himmel’ gehobene irdische Werte) entstanden sind; s. die folgende Skizze.

Damit lässt sich erahnen, welch große Bedeutung diese von Zeus geschützen Werte für die gemeinhellenische Rechtsentwicklung besessen haben, was von manchen Rechtshistorikern zu Unrecht bestritten wird.1296 – Wertumsetzungen sind nachvollziehbar, wenn auch nicht (immer) explizit beweisbar;1297 etwa: Der zunächst von Z. Xénios repräsentierte Wert des individuellen Gastrechts und der individuellen Gastfreundschaft lassen im international-völkerrechtlichen Bereich ein zwischenstaatliches Gastrecht und eine ebensolche Freundschaft (Freundschaft zwischen fremden Staaten/Poleis) entstehen, woraus sich ua. das Gesandtschaftsrecht entwickelt.1298 Auch das Fremdenrecht der Poleis und das völkerrechtliche Fremdenrecht (und daraus abgeleitete Rechtsinstitute wie die Proxenie) entstammen diesen Quellen.1299 Bemerkenswert ist die Prägung der ‚Griechen’ durch diese religiösen Werte, die auch in ihr Recht(sdenken) einflossen und die Entwicklung gemeingriechischen Rechts förderten. Als Vater der Menschen und der Götter steht Zeus für die ‚Souveränität’ der von ihm getroffenen Entscheidungen, denn niemand könnte ihn zu etwas zwingen oder auch nur „Rechenschaft von ihm fordern“, und doch sind „seine Entscheidungen weder blind noch einseitig“. – Zeus hat sich über die alten erdnahen Weltenherrscher Uranos und Kronos als neuer geistiger Gott erhoben. Er ahndet – früher oder später – Frevel, Hochmut (Hybris!) am Täter

1294 Vgl. A. Henrichs, in: DNP XII/2 (2003), 783 ff. 1295 In: DNP XII/2 (2003), 784. 1296 Dazu in Pkt. 6 dieses Kapitels. 1297 Die Reihenfolge des Entstehens von Werten darf nicht vertauscht werden: Gruppen- und gesellschaftliche Werte werden zu religiösen und diese zusammen mit den gesellschaftlichen zu rechtlichen. – Die Ethnologie lehrt uns, dass familiäre und verwandtschaftliche Gruppen-, Clanund Stammesregeln (Inzestverbot, Exogamie- und Endogamieregeln, Nahrungsverteilung uam.) älter als religiöse Normen sind; vgl. Lévy-Strauss (1966/19843) und dazu in Pkt. 6 dieses Kapitels: ‚Das Familienrecht als Normgenerator – C. Lévy-Strauss’. 1298 Zu den Ursprüngen des Gesandtschaftsrechts und seinen religiösen Wurzeln Bedermann 2001, 88 ff (‚Making friends: diplomats and foreign visitors in ancient times’). 1299 Vgl. Bedermann 2001, 120 ff: Xenioi, Asylia, Isopolitie, Symbola und Proxenie.

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Zeus und Hera

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selbst oder an seiner Sippe. Die „höhere Macht, die unbesiegbare und tröstliche Macht des dritten Weltbeherrschers“ beruht nach Ernst Buschor darauf, „daß er dem Menschen das Leid und mit dem Leid die Einsicht spendet“.1300 – Der Mensch ist, wie uns die griechische Dichtung zeigt, in der Hand des Zeus, der über sein Leben wacht; der Mensch ist aber auch, mit Willen des Zeus, segensund verhängnisvollen Mächten ausgeliefert, „die schon vor seiner Geburt, im Hause der Ahnen, im Blutstrom der Sippe tätig waren“.1301 Nach griechischer Vorstellung wirken auf den Menschen nicht nur die Götter, sondern auch das Schicksal als überirdische Mächte ein.

Abb. 3: Zeusepiklesen – Das Entstehen göttlicher und rechtlicher Werte

Hera/A)SB/A)SI (mykenisch e-ra)1302 ist als Tochter des Kronos und der Rhea Gattin des Zeus und schon der Welt der frühen Polis verbunden; insbesondere

1300 1953/1979, Aischylos I 290 f. 1301 E. Buschor 1953/1979, Aischylos I 292 f. 1302 Ihre Verbindung mit Zeus ist bereits in Linear B-Dokumenten nachweisbar; vgl. F. Graf, in: DNP V (1998) 357. Grundlegend zu Hera: W. Pötscher (1987). – Zu Hera und Demeter als ‚Müttern’ der griechischen Mythologie Klöckner 2008, 129 ff: Danach gehören Hochzeit und Geburt nicht „zum Macht- und Funktionsbereich einer einzigen ‚Großen Göttin’, sondern sind, mit unterschiedlicher Gewichtung, zahlreichen Gottheiten zugeordnet“, von denen Hera und Demeter nur die wichtigsten sind. In ihnen spiegelt sich der Zusammenhang „von agrarischer und menschlicher Fertilität […] auch in der sexuellen Metaphorik: Geschlechtsverkehr wird mit dem Pflügen und Säen eines Ackers verglichen“. – Das spricht dafür, dass diese Gottheiten mit der Sesshaftwerdung (ab dem 9. und 8. Jt.) in Zusammenhang stehen, also sehr alt sind.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

der Welt der jungen kriegerischen Männer. Daneben ist sie Schutzgöttin der Ehe.1303 Nach F. Graf1304 spiegelt die „Doppeltheit von politischer Gottheit und Frauengöttin […] die Rolle der Bürgersfrau in der Polis“ und die spannungsreiche eheliche Verbindung von Hera und Zeus die „Wahrnehmung der Ehe in der homerischen Gesellschaft“ wider.1305 Richtiger scheint mir Walter Pötschers Deutung,1306 wonach Heras „zänkische Art gegenüber Zeus […] in der Stellung der Frau in einem so betont patriarchalen System seine Wurzel [hat], aber wohl auch dadurch mit bedingt [ist], daß die Kernbereiche der Zeus-Gestalt andere sind als die Heras“. Pötscher folgt der treffenden Formulierung Burkerts, 1307 „daß eine Hera auch dem Stärksten sich nicht willig unterordnet, sondern Partnerin eigenen Rechts bleibt“. Im alten Griechenland kennt vornehmlich der dorische Bereich Ansätze in diesem Sinn. Der Hera-Kult ist weit verbreitet. Ihre meist monumentalen Heiligtümer/Heraía gehören zu den ältesten des griechischen Kulturkreises; sie finden sich im gesamten griechischen Siedlungsraum, etwa in Argos, Tiryns, Korinth, Sikyon, Hermione, Epidauros, Megara, Mantinea, Megalopolis, Stymphalos, Olympia, Sparta, den Inseln Paros, Delos, Amorgos, Thera, Astypalaia, Kos, Rhodos und Kreta, aber auch in Magna Graecia (Metapont, Kroton und Paestum). Samos war ein altes und wichtiges Zentrum ihres Kults und bildete eine Verbindung zum ionischen und äolischen Bereich. Das Zentrum ihrer Verehrung dürfte jedoch die Argolis gewesen sein, „was zu ihr als der "SHFeI gut paßt“. Hera spielt im Mythos eine zentrale Rolle.1308 Ihr (lange umstrittener) Name bedeutet „die (zur Ehe) Reife, wie […] A)SXK „der (zum Kriegshandwerk und zur Ehe) Reife“. Pötscher verweist für die Erklärung der Verbindung von Hera und Zeus ua. auf Erika Simon:1309 „Als Zeus, der oberste Gott der Einwanderer, nach Griechenland kam, stieß er auf die große Göttin der pelasgischen Urbevölkerung. Er konnte ihre Macht nur so in seine Kontrolle bringen, indem er sich mit ihr verband. Als Rhea wurde sie seine Mutter, als Hera aber seine Gemahlin.“

1303 Dazu F. Graf und A. Ley, in: DNP V (1998) 357 ff. 1304 DNP V (1998) 357 f mwH. 1305 Dies zeigt erneut, wie sehr gesellschaftliche Werte religiöse Vorstellungen und Werte bestimmen. 1306 1987, 1. 1307 1977, 209. 1308 Pötscher 1987, 1 ff. 1309 1980, 50. – Pötscher setzt sich damit kritisch auseinander.

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Zeus und Hera

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• Hera1310 ist eine alte indo-europäische Erdgöttin und frühe (aber nicht die erste) Gattin 1311

des Himmelsvaters (Zeu páter, Diespiter) gewesen: „In Tiryns hat Hera einen Kult gehabt, und da sich kein Tempel gefunden hat, muss er in dem alten Hauptsaale vollzogen worden sein […]. Um so wichtiger, dass Hera verehrt ward, die Göttin von Prosymna, dem Heraion, die von diesem Orte aus die homerische, dann panhellenische Göttin geworden ist. Die Dorer von Argos haben sie vorgefunden und übernommen, also war sie längst verehrt und hellenisch war sie; ihr Wesen hat bei den Kretern nichts Verwandtes. In Tylossos-Knossos ist sie von Argos direkt eingeführt”. – Der orientalische Einfluss ist auf Kreta stärker, ohne dass er bislang näher bestimmt werden kann, fand sich doch Babylonisches wie Ägyptisches. – Bei aller Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit des Herabildes – wie dies bei fast allen Göttergestalten der Fall ist – lassen sich in ihm dennoch, wie bei Zeus für den Hausvater/Kyrios, jene Werte erkennen, die das gesellschaftliche 1312 Bild der griechischen Hausfrau/Despoina (insbesondere der Frühzeit) ausmachten: „Ihr Frau-Sein ist eingeschränkt auf die Beziehung zum Gatten, den Liebesvollzug und das Davor und Danach, Hochzeit einerseits, [aber auch] Trennung andererseits.“ – „Als notwendige Voraussetzung der geschlossenen Ehe gehört zu Hera wiederum die Jungfräulichkeit.“

• Diese göttlichen Attribute – vor allem Heras Ausrichtung auf ihren Gatten und ihre Keuschheit – fügen sich gut in das rechtliche Bild des griechischen Hauses, in dem der Hausvater/Kyrios ein strenges Regiment führte und harte Strafen verhängen konnte, wenn etwa eine Tochter (oder eine Schwester) beim vorehelichen Geschlechtsverkehr ertappt 1313 Hierher gehört auch der archaische Nomos moicheías, der die Tötung des Ehewurde. 1314 brechers tolerierte. – In patriarchalen Gesellschaften ist Keuschheit ein besonders hoher Wert, der durch Religion und Recht abgesichert ist.

• Burkert bezeichnet es als „seltsam, dass ein Zug im Bilde Heras fehlt: die Mutterschaft“. 1315

Die Epiklese der Hera Eileithyia spiegelt jedoch Hera als Geburtsgöttin wider. Ambi1316 als zänkische und eifersüchtige Gattin dargevalent wirkt auch, dass Hera in der Ilias stellt wird, die zum Ärger des Zeus dessen kleine Geheimnisse und Unehrlichkeiten durchschaut, „so dass dieser nur mit Androhung von Prügeln seine Überlegenheit salvie1317 – Die Schilderung Heras als zänkisch und eifersüchtig bezweckt wohl vorren kann“.

1310 Burkert 1977, 214 (zuletzt 2008, 94) und eingehend (im Vergleich mit Athena) Pötscher (1987). – Pötscher zeigt an Beispielen, wie wenig sich diese frühen Götterbeziehungen an Moralität orientierten. 1311 Wilamowitz 1959³/1973, I 116. – Dort auch zu anderen vorhellenischen Göttern und deren Kultorten. 1312 Burkert 1977, 211. 1313 Dazu auch in Kapitel II 10: ‚(Schutz von) Frauen unter Muntgewalt’. 1314 Dazu insbesondere in Kapitel II 11. 1315 F. Graf, in: DNP V (1998) 359. 1316 I 536 ff. 1317 Burkert 1977, 211 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

nehmlich, die Position des Zeus – und damit die des griechischen Mannes – zu stärken, 1318 und dabei gleichzeitig die der Frau durch Religion und Mythos zu schwächen.

Gemeinsame Rechtsgrundsätze? Wir müssen fragen, ob und welche Wirkung dieser religiöse Vereinigungsvorgang auf das (spätere) – Entstehen gemeinsamer Rechtsgrundsätze hatte. Dafür ist auch bedeutsam, dass die „Vielzahl der Zeusheiligtümer […] seinen panhellenischen Charakter“ beweise,1319 jedenfalls aber die weite Verbreitung dieses Kultes; so etwa in Kreta, Kleinasien, Athen, Olympia, Olymp, Sizilien und Magna Graecia. – Wir betrachten daher erneut die religiösen Werte, die in Zeus verkörpert sind, soweit sie für das Recht von Bedeutung sind und sich in Rechtswerten widerspiegeln. • Zeus ist nicht nur der Gott des unermesslichen Himmels und Wettergott, sondern auch der 1320

„Vater der Götter und der Menschen“. Er ist der Herr des Himmels und der Erde 1321 (Zeus Chthónios). Seine Allmacht beschreibt schon Homer. Er ist König, ánax 1322 – Als Zeus Ktesios ist er Beschützer des Hauses (andrón) und nachhomerisch basileús. und Symbol des Überflusses; er wacht dabei über Rechte und Pflichten der Familie, ge1323 währleistet die Einhaltung der Gesetze und verteidigt als Zeus Polieus die Stadt. In älterer Zeit war er als Zeus Kathársios der Gott der (seelisch-kultischen) Reinigung und der 1324 – Auch Burkert betont die Rechtskompetenz von Gott der Mantik; zB Dodona. 1325 Zeus: „[…] wo bewahrende Ordnung ist, ist […] Zeus. Insbesondere stammt alles Recht von Zeus: die Männer, die des Rechts pflegen, haben ihre Satzungen ‚von Zeus 1326 Von Hesiod wissen wir, dass Zeus den Menschen das Recht brachte und sie daher“. durch von den sonstigen Kreaturen unterschied; berühmt das Zitat: „Denn diesen Nomos 1327 Hesiod lässt aber auch Dike – das Recht, als erteilte Kronion den Menschen […]“ „Tochter des Zeus und der Themis, dem Vater zur Seite thronen. Recht ist ‚des Zeus’,

1318 Vgl. auch bei Anm. 1335. 1319 Eliade 1978/2002, I 234. 1320 Homer, zB Ilias I 544. – Eliade 1978/2002, I 234. – Eine ausführlichere Darstellung von Zeusepiklesen findet sich oben ab Anm. 1293. 1321 Ilias VIII 17 ff. Er herrscht im Olymp über alle anderen Götter so, wie ein Kyrios/Hausvater über die Mitglieder des Oikos/Hauses, insbesondere auch Frau und Kinder und selbstverständlich das Gesinde. 1322 Burkert 1977, 202. 1323 Zum Buphonienfest (des Stadtbeschützers Zeus) oben: ‚Meuli und die griechischen Opferbräuche’. 1324 Eliade 1978/2002, I 234. – Apollon hat diese Attribute seines Vaters übernommen. 1325 Burkert 1977, 206 f. 1326 Ilias I 237 und Odyssee XIX 172-179: Minos und Zeus. 1327 Abgedruckt in Kapitel II 8: ‚Hesiods gegabelte Weltordnung’.

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Gemeinsame Rechtsgrundsätze?

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Diòs díka; dabei kann man aber nicht sagen, dass Zeus ‚gerecht’, díkaios, wäre; ‚gerecht’ ist, wer in der Auseinandersetzung mit einem gleichgestellten Partner die Satzungen res1328 Sehr menschlich und hausväterpektiert; Zeus steht über den Auseinandersetzungen.“ lich mutet es an, wenn von ihm gesagt wird: „Er gibt bald Gutes, bald Böses, oft weiß niemand warum; aber dass überhaupt ein planender ‚Vater’ die Macht in Händen hält, 1329 Seine erste Gattin ist darum Themis, die macht Recht unter den Menschen möglich. 1330 Satzung“. – Themis ist eine Abspaltung der Erdmutter Gaia/Ge.

• Zeus war der einzige griechische Gott, „der zu einem umfassenden Allgott werden konn1331

– Im Derveni-Papyrus heißt es: „Zeus ist Anfang, Zeus ist Mitte, von Zeus her te.“ wird alles vollendet“. Burkert fügt dem hinzu: „Hier konnte die philosophische Spekulation ansetzen, die im Pantheismus der Stoa gipfelte: Zeus ist die Welt als ganzes und insbesondere das denkende Feuer, das alles durchdringt, gestaltet und in Schranken hält.“ (Hervorhebungen von mir)

• Die Abwertung der Frau und ihrer gesellschaftlichen Rolle findet sich schon bei Hesi1332

und wird als gottgesandt und gottgewollt dargestellt: „Den Menschen sandte Zeus od [!] die Frau, jenes ‚glänzende Übel’ […] in Gestalt der Pandora (das ‚Geschenk aller Göt1333 ter’). Als ‚tiefe und ausweglose Falle den Menschen bestimmt’, so beschreibt sie Hesiod; denn ihr entstammte das schlimme Geschlecht und die Stämme der Frauen. Unheil1334 – Es ist unschwer zu erkennen, bringend wohnen sie unter den sterblichen Männern.“ woher solche Wertungen stammen, nämlich bestimmt nicht von den Göttern selbst. Religiöse Werte spiegeln vielmehr die gesellschaftliche Wirklichkeit. Auch die Stellung Heras 1335 – In diesem Fall zeigt sich wiederum, wie die wurde diesen Vorstellungen angepasst. vorgeblich göttlichen Werte entstanden sind.

• Frauenfeindliche Werte sind aber nicht in allen Kulturen in gleicher Weise verbreitet; andere Kulturen waren in diesem Punkt offener als die Griechen und überhaupt ‚indoeuropäische Völker’. Man vergleiche damit etwa die von Schaffik Allam dargestellte Stel1336 1337 – Schmitz hat gezeigt, dass lung der altägyptischen Frau schon im 2. Jahrtausend. die frauenfeindlichen Werte vornehmlich aus der bäuerlichen Kultur der griechischen

1328 Burkert 1977, 206. 1329 Zu dieser „gleichsam amoralische(n) Gerechtigkeit“ verweist Burkert 1977, 206 Fn 41 auf Lloyd-Jones (1971). 1330 Hesiod, Theogonie 901 und Pindar, Fragment 30. – Wilamowitz 1973, I 202 f. 1331 Burkert 1977, 207 mwH. 1332 Theogonie 585. 1333 Werke und Tage 81 ff. 1334 Theogonie 529 ff. – Eliade 1978/2002, I 238. – Die grundsätzliche Zurücksetzung der griechischen Frau gegenüber dem Mann überrascht danach nicht. 1335 Dazu schon die Hinweise in Anm. 1289. 1336 Barta/Mayer-Maly/Raber 2005, 116 ff. 1337 1994, 1999, 2004.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Frühzeit stammen und Ausdruck männlicher Ängste waren, an die falsche Frau zu gera1338 ten.

• Zu Religion, göttlich-kosmischer Gerechtigkeit und der Macht des Schicksals:1339 Wie noch heute für viele Menschen bildeten auch bei den Griechen Religion und persönliches und gemeinschaftliches Schicksal lange eine Einheit. Die beiden Bereiche hingen mehr oder weniger eng zusammen und beeinflussten einander. In Solons ‚Elegien’ wird dieser Zusammenhang dargestellt, und es werden vor allem die Auswirkungen individuellen Fehlverhaltens auf die Gemeinschaft und vice versa betont. – Auch bei der Entwicklung der grundlegenden Haftungsstrukturen und der Rechtskategorie ‚Zufall’ sind diese Fragen von Bedeutung, und ich werde darauf, wenn auch in anderem Kontext und mit geänderter 1340 Entsprechungen von Religion/Schicksal und Recht im Sinne Fragestellung, eingehen. eines Einflusses göttlichen Wirkens auf menschliches Handeln spielten im Bereich der Haftung lange eine wichtige Rolle. Die Rechtsentwicklung, die zum Teil vorausgegangen war, hatte lange mit zurückgebliebenen religiösen Vorstellungen zu kämpfen. Die Frage, die sich hier stellte war die nach der Zurechenbarkeit eines derart (vermeintlich) göttlich beeinflussten menschlichen Handelns. Die religiösen Vorstellungen bejahten dies und standen damit in Gegensatz zu den rechtlichen Vorstellungen; man denke an Antiphons Tetralogien. – Die Zusammenhänge waren hier diffiziler als zumeist angenommen wird. Das Recht hatte vor allem schon früh eine nicht unbedeutende Ausgleichsfunktion, und es markierte schließlich mit seiner Kategorie ‚Zufall’ die Grenze der konkreten Haftungszurechnung, wodurch es den – lange angenommenen – göttlichen Einfluss ausschloss. Diese bedeutende Grenzziehung gelang keineswegs auf Anhieb und im Alleingang, sondern – angeregt durch die Sophistik – gemeinsam mit der Hippokratischen Medizin, der Rhetorik, der Dichtung (Euripides), der frühen Gesellschaftsphilosophie (Demokrit, Sokrates) 1341 und der Geschichtsschreibung (Thukydides).

• Hier aber interessiert zuallererst, welche unmittelbare Bedeutung die Achtung der Götter und des Götterkults für das gemeinschaftliche Zusammenleben hat und wie dabei gesellschaftliche Regeln, insbesondere Rechtsregeln entstehen. Ich gehe dabei von der Hypothese aus, dass Religion und Rechtsregeln (insbesondere in der entscheidenden Frühzeit) zunächst eine weitgehende Werteinheit bildeten, zumal die Regeln und Vorstellungen der olympischen Religion weithin den gesellschaftlichen Verhältnissen nach den Dunklen 1342 Jahrhunderten entstammen.

1338 Dazu in Kapitel II 11: ‚Frauenfeindliche Sprüche und ihre Deutung’. 1339 Vgl. auch Dodds 1951/1968/1997, 33 ff. 1340 Dazu Kapitel II ab Pkt. 4. 1341 Dazu nunmehr meine Beiträge 2005, 16 ff und 2008: FS Weiler. 1342 Maschke 1926/1968². – Für Kontinuitäten durch die Dunklen Jahrhunderte hindurch W. Burkert 2008, 70: Wichtige bereits mykenisch bezeugte Gottheiten blieben erhalten; Burkert nennt Zeus und Hera, Poseidon und Artemis sowie Dionysos. Zu Poseidon: Burkert 2008, 94 ff.

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• Dazu kommen vom 8. bis zum Ende des 6. Jhs. – also während der sogenannten archaischen Zeit – zuweilen wichtige Einflüsse aus verschiedenen Bereichen des Orients auf Religion und Recht der Griechen. In der Religion führte dies zur Aufnahme bislang unbekannter Götter oder doch zu einem anderen Verständnis vorhandener Götter und Göttinnen. Wieweit es im Bereich von Recht und Gesellschaft zu Rezeptionen kam, ist bislang kaum erforscht. Wenn der Schein nicht trügt, haben auch hier im Rahmen des allgemeinen Kulturtransfers Übernahmen stattgefunden; das zeigt etwa das Völkerrecht. Das bedeutet aber nicht, dass fremde Religions- und Rechtsvorstellungen unbesehen den autochthon-griechischen ‚übergestülpt’ wurden, vielmehr nur, dass ‚Passendes’ übernommen wurde – sei es zur zusätzlichen Betonung, zur Ergänzung oder auch zur Modifikation von Bestehendem. Vieles ist hier freilich (noch) umstritten wie etwa ob und inwieweit religiöse Vorstellungen der Griechen aus der mykenisch-minoischen Epoche über die Dunklen 1343 Aber auch der hethitische AnJahrhunderte hinweg in archaischer Zeit weiterwirkten. teil am Entstehen der olympischen Religion ist noch nicht geklärt. Parker und zuvor schon Nilsson und wohl auch Burkert gehen von einer relativ starken religiösen Kontinuität zwi1344 1345 Nach R. Parker schen mykenischen und archaischen Religionsvorstellungen aus. wurden in dieser Zeit auch Adonis, Kybele und Hekate aus Kleinasien übernommen. 1346 Auch der Heroenkult, der „Greek religion never lost this openness to foreign gods“. 1347 größere Verbreitung erst im 8. Jh. erfuhr, begann in dieser Zeit. Parker äußert sich auch zur umstrittenen Frage, ob und wenn wie die Minoisch-Mykenische Kultur über die 1348 Dunklen Jahrhunderte hinweg auf das archaische Griechenland eingewirkt hat: „Thanks to the decipherment of the Linear B script in 1952, we can give some account of the state of Greek religion in the period 1400-1200 BC. The Linear B tablets reveal that the pantheon of this Minoan-Mycenaean civilization was already to a large extent that of 1349 are certainly attested, and classical Greece. Of great gods, Zeus; Hera, and Poseidon also, with varying degrees of probability, Artemis, Hermes, Ares, and Dionysus. A ‘Lady of Athana’ is doubtless a precursor of Athena, […]; but in general the Minoan-Mycenaean divine world now seems much more Greek than it did when only the artistic evidence was available.”

• Der Übergang von der Mykenischen zur Griechischen Religion sei zwar „crucial transition“ gewesen, aber er habe offenbar stattgefunden. Für die Zeit nach den Dunklen Jahrhunderten existiere jedenfalls „a growing body of evidence for oriental influence during the period, perhaps transmitted first through Cyprus and later through the trading post of

1343 Bejahend Burkert 1977, 88 ff und R. Parker 1986/2001, 309 ff. 1344 Diese Annahmen von Nilsson und Burkert stehen im Gegensatz zu Eliade 1978/2002, I 179 f, der dieses Kriterium als gemein-indoeuropäisch ansieht. 1345 1986/2001, 310 f. 1346 Das blieb offenbar auch für Rom lange eine Maxime. 1347 R. Parker 1986/2001, 311. – Mehr ab Anm. 1470 ff. 1348 1986/2001, 309 f. 1349 Zur Vorgeschichte Poseidons: Vernant 1982, 13 ff und Schachermeyer (1948).

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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Al Mina in Syria. From the eighth century, for instance, a typical religious site consisted of a free-standing temple, a cult image inside it, and a fire-altar in front of it; there are Near Eastern, but not, it seems, Mycenaean, antecedents for such a complex. Apollo and Zeus could be portrayed in the eighth century in the guise of the Hittite-Syrian war god. It was perhaps not until early in the Dark ages that the cult of Aphrodite was introduced from the East (or took on eastern characteristics) and not till the end of them that the Kingship in Heaven myth was translated into Greek.”

• Die religiös eingekleideten Schicksalsvorstellungen der Griechen änderten sich mehrfach 1350

Waren nach den schönen, aber schicksalsschweren Versen Homers und grundlegend: 1351 die Menschen nur ‚Blätter im Wind’ (des Schicksals), wandelte sich diese Auffassung schließlich in die Richtung eines auch von den Göttern zu respektierenden (unabänderli1352 nicht mehr ändern will, weil sonst das chen) Weltgesetzes, dessen Lauf selbst Zeus 1353 (Welt)Gesetz der Gerechtigkeit aufgehoben würde. Damit wird Zeus zum Ursprung des griechischen Gerechtigkeitsdenkens, und Zeus, Themis und Dike repräsentieren nicht mehr bloß eine religiös zu verstehende Weltordnung, sondern – bereits oder doch auch – 1354 – Eliade folgt und verweist hier auf Lloyd-Jones, die profanen Gesetze des Kosmos. nach dem die eben dargestellte ‚Entwicklung’ des Zeus schon in der Ilias vorgezeichnet ist. Dort ist Zeus bereits als Schützer der Dike erkennbar, der sowohl für Schwüre ein1355 habe schon steht, als auch Fremde, Gäste und Hilfesuchende schützt. Für Aischylos 1356 1357 festgestanden, dass Zeus keine Unschuldigen bestrafe und Euripides habe nicht mehr gezögert auszusprechen: „Wenn Götter etwas Hässliches tun, sind sie keine Götter!“ Vermittelt wird diese Einsicht des Dichters durch die Sophistik und das ebenfalls von der Sophistik beeinflusste Corpus Hippocraticum. Rhetorik, Logographik und Antiphons frühe hochkarätige Jurisprudenz folgten diesen Anregungen ebenso wie die Geschichtsschreibung des Thukydides und die Sokratiker. Gegen Ende des 5. Jhs. v. C. ist der (willkürliche) Einfluss der Götter auf das menschliche Schicksal endgültig zugunsten rationa-

1350 Vgl. Eliade 1978/2002, I 241. 1351 „Gleichwie Blätter im Walde, so sind die Geschlechter der Menschen; /Siehe, die einen verweht der Wind, und andere wieder /Treibt das knospende Holz hervor zur Stunde des Frühlings: /So der Menschen Geschlecht, dies wächst, und jenes verschwindet.“ (Ilias VI 146 ff; Übersetzung von H. Rupé.). – Diese Auffassung wurde in der Dichtung (Mimnermos, Simonides, Theognis, Pindar) bis Sophokles nachvollzogen, nach der das beste Schicksal der Menschen darin liegt, gar nicht geboren zu werden oder doch rasch zu sterben. Zu Simonides: Kapitel VI 4: ‚Griechische Zeittafel’ (beim Jahr 556 v. C.) und in Kapitel VII 1: ‚Not kennt kein Gebot’. 1352 Über Heras Hinweis, Eliade 1978/2002, I 242. 1353 Eliade 1978/2002, I 242. 1354 Dazu Kapitel V: Euripides – Gebet der Hekuba in den ‚Troerinnen’. – Die dargestellte Weltordnung kann aber noch nicht als Naturgesetz angesehen werden, obwohl das häufig in diesem Sinne übersetzt und verstanden wurde. 1355 ‘Agamemnon’ 750 ff. 1356 Lloyd-Jones 1971, 90. 1357 Fragment 292 aus ‘Bellerophon’.

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ler Überlegungen gebrochen; auf dem Gebiet des Rechts gab diese Entwicklung – über das bereits (von Drakon und Solon) Erreichte hinaus – den Weg zum Erkennen von ‚Fahrlässigkeit’ und ‚Zufall’ und zu einem Gesamtentwurf des abendländischen Haftungsmodells (einer rational konzipierten Verschuldenshaftung) durch Antiphon frei. Nach der philosophischen Vertiefung der Ergebnisse Antiphons durch Platon und Aristoteles war im Zusammenwirken von Praxis und Theorie um die Mitte des 4. Jhs. v. C. von griechischem Geist das endgültige Haftungsmodell der ‚Moderne’ geschaffen, das Rom nur zu 1358 übernehmen brauchte.

• „Kurz, die Götter schlagen die Menschen nicht ohne Grund, solange die Sterblichen die durch ihre eigene Seinsweise gesetzten Grenzen nicht überschreiten. Aber es ist schwierig, die auferlegten Grenzen nicht zu durchbrechen, denn das Ideal des Menschen ist die ‚Vorzüglichkeit’ (arete). Eine übermäßige Vorzüglichkeit aber kann sehr leicht zu maßlo1359 […] Frei bewegen kann sich der sem Hochmut und zur Insolenz (hybris) führen. Mensch letztlich nur innerhalb seiner eigenen Grenzen; diese sind ihm durch seine menschliche Bedingtheit und, jedem einzelnen, durch seine moira vorgegeben. Weisheit beginnt mit dem Bewusstsein der Endlichkeit und Unsicherheit allen menschlichen Lebens. Es gilt also, alles zu nützen, was die Gegenwart bieten kann: Jugend, Gesundheit, physische Freuden oder Gelegenheiten, um seine Tugenden zu zeigen. Das ist es, was 1360 Homer uns sagen will: in Fülle, aber edel in der Gegenwart leben.“

• Im Zusammenhang mit der Bestrafung des Prometheus1361 durch Zeus bemerkt Elia1362

dass das Problem der Gerechtigkeit des Zeus und überhaupt das der „göttlichen de, ‚Gerechtigkeit’ mit seinen Folgen für das ‚Geschick’ der Menschen“ das griechische 1363 Denken seit Homer beschäftigt habe. – Dass religiöse Fragen, wie die der Schicksalszuteilung durch die Götter, überhaupt in den Zusammenhang mit der (menschlichen) Gerechtigkeit gestellt wurden, hat seinen Grund wohl darin, dass das Recht rationalere (und damit brauchbarere, weil gesellschaftlich ausgleichende) Lösungen anzubieten vermochte 1364 Ich als die Religion, deren Maximen weithin rational kaum zu bewältigen waren. möchte hier daher die These wagen, dass es nicht nur das Bemühen der Religion war, sondern vornehmlich das Bemühen des Rechts und anderer Kulturbereiche der Griechen,

1358 Mehr in Kapitel II ab Pkt. 4. – Leider hat die Wissenschaft vom römischen Recht das bislang nicht gesehen! 1359 Zur Hybris Kapitel II 14. 1360 Eliade 1978/2002, I 242 f. 1361 Zu Prometheus: DNP-Gruppe Kiel, in: DNP X (2001) 402-406; zum Zusammenhang zwischen uralter Jägersitte, Prometheusmythos und olympischem Opferbrauch oben ab Anm. 1058: K. Meuli. 1362 AaO 240. 1363 Dazu auch Dodds, 1951/1997, zB 33 ff und Lloyd-Jones (1971). 1364 Etwa das von Homer geschilderte Verhalten der Götter im Trojanischen Krieg. – Allerdings ging auch das Bemühen der Religion dahin, diese Widersprüche auszuräumen; das beginnt schon mit Homer: Dazu H. Lloyd-Jones (1971).

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welches die irrationalen Auswirkungen der Götterreligion auf das Verhältnis von Mensch, 1365 Schicksal und Gesellschaft auf eine rationalere Ebene hob. Das geschah freilich erst relativ spät, nämlich erst ab dem 6. und vor allem dem 5. Jh. – Im Zusammenwirken mit 1366 der Dichtung, der Medizin, der Rhetorik und zuletzt auch der Geschichtsschreibung gelang es dem Recht, die mitunter problematischen Ergebnisse der Religion rational zu korrigieren und machte es dadurch leichter, der Willkür und Beliebigkeit in der göttlichen Schicksalszuteilung entgegenzutreten; auch wenn dann immer noch ein unbefriedigender Rest verblieben sein mag. Dieses Bemühen um Rationalisierung schuf die wissenschaftli1367 1368 die klassische Dichtung, die rationalen Kriterien folgende Rhetorik, che Medizin, die wissenschaftlich-objektive Geschichtsschreibung und schließlich auch die sich an der Gerechtigkeit orientierende griechische Rechtsidee. Die ‚Rechtsidee’ erweist sich somit – entgegen dem ersten Anschein – als ein rationales und funktionales Korrektiv (gegenüber 1369 der Religion) und keineswegs bloß als ein unverbindliches Gedankengebilde.

Griechische Religion und Gesellschaft Wie lässt sich das Verhältnis der griechischen Religion zu den einzelnen Gemeinschaften, nämlich Haus, Nachbarschaft, Dorf und Polis bestimmen? Wie eng war diese Beziehung? Ist sie mit unseren heutigen Gegebenheiten vergleichbar? Wie hat sich dieses Verhältnis überhaupt entwickelt? Was war zuerst: Die Gesellschaft, die Religion oder das Recht? Wer hat wen beeinflusst und welchen Weg ging die Entwicklung? – Robert Parker1370 gelang ein anschaulicher Vergleich mit Hilfe der Ökonomie: nach den Erkenntnissen der Wirtschaftshistoriker seien unsere modernen Vorstellungen von einer autonomen Ökonomie auf antike Gesellschaften unanwendbar, da wirtschaftliche Tätigkeit damals von unzähligen gesellschaftlichen Zusammenhängen beeinflusst gewesen sei, und dies gelte es auch für die Religion zu beachten: • „To describe ancient conditions they have developed the concept of the ‚embedded’ economy. We need for the Greeks a similar concept of embedded religion. It was a social, practical, everyday thing. Every formal social grouping was also a religious grouping, from the smallest to the largest: a household was a set of people who worshipped (in the Athenian case) at the same shrine of Zeus of the Courtyard, while the Greeks as a nation

1365 Vgl. Dodds 1951/1997, 33 ff. 1366 Vgl. dazu die Kapitel II 5: Thukydides und Corpus Hippokraticum. 1367 Dazu Kapitel II ab Pkt. 4: ‚Zufall’. 1368 Diese Hinweise bei Eliade 1978/2002, I 242 und Fn 3 uH auf Lloyd-Jones 1971, 6. Vgl. insbesondere auch die Verweise aaO 402 auf Lloyd-Jones (1971) und Vernant (1962/1982). 1369 Zur griechischen ‚Rechtsidee’ und ihren Facetten: Kapitel VII 1. – Vgl. dazu auch die im Anschluss abgedruckten Graphiken: ‚Konsekutives Gesetzes-’ und ‚Normatives Kreislaufmodell’. 1370 Parker 1986/2001, 319.

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were those who honoured the same gods at the Panhellenic sanctuaries and festivals. […] [Delphi, Olympia, Delos etc.] Since religion was thus embedded, social and religious history are virtually inseparable. At Athens, for instance, the growth of the democracy involved a transformation of the forms of religious life. Cults that had been controlled by aristocratic families were absorbed into the public calendar of the city; new public cults were established, free from aristocratic influence; alongside the traditional groupings, based on kinship, the local group of the deme or village gained importance in religion just as it was doing in politics. […] The goals of religion were practical and this-worldly. One important function was of course to steer the individual with appropriate rites of passage through the great transitions of birth, puberty, marriage, and death. Many public festivals troughout Greece had to do with preparing boys to be warriors, girls to be mothers. […] Others [sc. festivals] celebrated the political order; so for instance, the Panathenaea (the ‘all-Athenians’ festival) and the Synoecia (the festival of synoecism, political unification as a single city) at Athens. […]” (Hervorhebungen von mir)

• R. Parkers Erklärung bedarf jedoch einer weiteren Fundierung, die uns E. R. Dodds lie1371

fern kann: Unter der Überschrift ‚From Shame-Culture to Guilt-Culture’ erörtert 1372 Dodds, „the moralisation of phtonos“ und im Kontext damit die Verwandlung des 1373 Zeus „into an agent of justice“. – Dodds Aussagen sind von grundlegender Bedeutung: „I need hardly say that religion and morals were not initially interdependent, in Greece or elsewhere; they had their separate roots. I suppose that, broadly speaking, religion grows out of man’s relationship to his total environment, morals out of his relation to his fellowmen. But sooner or later in most cultures there comes a time of suffering when most people refuse to be content with Achilles’ view, the view that ‘God’s in his Heaven, all’s wrong with the world.’ Man projects into the cosmos his own nascent demand for social justice; and when from the outer spaces the magnified echo of his own voice returns to him, promising punishment for the guilty, he draws from it courage and reassurance.“ (Hervorhebungen von mir)

• Dodds1374 beschreibt die einzelnen Entwicklungsschritte von der Homerischen ‚Ilias’ (in der er noch keinen Hinweis darauf zu entdecken vermag, „that Zeus is concerned with justice as such“) zur ‚Odyssee’ (in welcher Zeus’ moralische Interessen bereits wahrnehmbar weiterentwickelt worden seien), bis hin zu „later stages of the moral education of Zeus“ bei Hesiod, Solon und Aischylos. Dabei geht er auch der schon die Griechen beunruhigenden Tatsache nach „that the wicked flourished like a green bay-tree“ und deutet die Lösung dieses Problems an. Da in der Archaik „the mills of God ground so slowly“ erschien es nötig, die erforderliche Bestrafung von Sündern über deren Lebensgrenze hin-

1371 1958/1997. – Zu Dodds schon oben, etwa bei Anm. 989 ff. 1372 AaO 31 ff. 1373 Ich möchte betonen, dass ich die Passagen zur Entstehung der Religion (ab Anm. 1186) noch vor der Lektüre von Dodds Werk geschrieben habe. 1374 1951/1997, 32 ff.

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aus auf ihre Nachkommen zu erstrecken. – Der Kausalnexus von Verbrechen und Strafe wurde zur moira, der Macht des Schicksals, die auch die Götter nicht abzuändern vermochten. Hier behandelt Dodds auch den schwerwiegenden Zusammenprall der kosmischen Gerechtigkeit mit der primitiven religiösen Familiensolidarität, welche die Befreiung des Individuums aus den starken Bindungen an Clan und Familie so erschwerte. Immerhin: der mühsame Entwicklungsprozess gelang. „As Glotz showed in his great book, 1375 the liberation of the inLa Solidarité de la famille [dans le Droit Criminel] en Grèce, dividual […] is one of the major achievements of Greek rationalism, and one for which 1376 – „But long after that liberation was comthe credit must go to Athenian democracy.” 1377 plete in law, religious minds were still haunted by the ghost of the old solidarity.” – Eine weitere Folge des starken Einflusses alten religiösen Denkens sei „the universal fear of pollution (miasma), and its correlate, the universal craving for ritual purification (ca1378 tharsis)“ gewesen.

Was bedeutet eine solche Einschätzung der griechischen Religion für das Verhältnis von Recht und Religion und die Entwicklung ihrer Beziehung? Meines Erachtens beweist die starke Hereinnahme der griechischen Religion in den gesellschaftlichen Alltag der Hellenen zu allererst die große Bedeutung beider Bereiche füreinander, aber auch die Bedeutung der verschiedenen Formen von Gemeinschaft, nämlich des Hauses, der Nachbarschaft und des Dorfes und dann der Polis/des Staates für Religion und Recht. Das ist im antiken Griechenland nicht anders als in anderen frühen Gemeinschaften. – Dieser Vorgang erklärt auch die weitgehende Wertkonkordanz beider Bereiche, was nicht nur für die Frühzeit – für diese aber in besonderer Weise – gilt. Die Bereiche Religion und Recht verhielten und verschoben sich im Wandel der Zeiten – bestimmt von den Werten der Gemeinschaft – wie die Seiten eines Parallelogramms parallel mitund zueinander. Es gab zwar eine Unterscheidung zwischen ‚Oben’ (Götter) und ‚Unten’ (Mensch und Gesellschaft), aber das Verständnis und vor allem die Werte der beiden Welten stimmten grundsätzlich überein. – Die Verbindung zwischen den beiden – von der Gemeinschaft abgeleiteten – Steuerungsbereichen war eng, und trotz der Vielfalt der Götter und Mythen und trotz manchen inneren Widerspruchs für viele akzeptabel und weithin verständlich. Die gemeinsame Herkunft der moralisch-sittlichen Werte – also von Religion und Recht aus der jeweiligen Gesellschaft – sicherte eine grundsätzliche Wertkon-

1375 Insbesondere 403 ff und 604 ff. 1376 Dodds 1951/1997, 34. – Wir werden sehen, dass die tragenden Grundlagen für diese Entwicklung bereits deutlich früher, nämlich von Solon gelegt wurden; dazu Kapitel II. – Zur Bedeutung der griechischen Familie und des Hauses/Oikos für die Rechtsentwicklung mehr in Pkt. 7 (bei Anm. 1405). 1377 Nach Dodds hat dieses alte religiöse Verständnis das Strafrecht auf Kosten des bürgerlichen Rechts vorangetrieben. – Zum Strafrecht Kapitel VII 8. 1378 Auch dazu Dodds 1951/1997, 35 ff.

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kordanz und ließ kaum größere Widersprüche entstehen.1379 Man kann vielleicht sogar davon ausgehen, dass in der Antike eine Art ‚Arbeitsteilung’ zwischen den beiden Bereichen existierte, die das ‚Glück’ ihrer Gesellschaften und von deren Mitgliedern zu bewirken strebte. Die Religion vermochte dabei als ‚Religion des Herzens’ (Wilamowitz-M.) auch den persönlichen Gefühlsbereich zu bedienen und als ‚Religion der Gemeinschaft’ (Wilamowitz-M.) durch den gemeinsamen Kult auch das Gemeinschaftgefühl zu festigen. So deutet es R. Parker an, und U. v. Wilamowitz-Moellendorff führt aus:1380 „Das Menschenleben selbst führt immer und überall zur Feier bestimmter Phasen, Geburt, Mannbarkeit, Hochzeit, Tod, ebenso der Wechsel der Jahreszeiten und der durch sie bedingten Hauptarbeiten, Saat und Ernte vor allem. Das fordert Heiligung, so dass die religiösen Gefühle im wesentlichen dieselben bleiben, wie immer sie sich ausdrücken, und die Götter, an welche sich Bitte und Dank richten, wechseln können, ohne dass es für die Religion und selbst den Festbrauch viel ausmacht.“

In seinem berühmten Buch ‚Der Glaube der Hellenen’1381 behandelt er auch weitere Fragen, die für uns von Bedeutung sind; ja er füllt Leerstellen des ‚magischen’, auf seiner Spitze stehenden ‚Beziehungs-Dreiecks’ mit den Eckpunkten: Gemeinschaft, Religion und Recht aus.1382 Wilamowitz sagt im Kontext seiner Unterscheidung zwischen „individueller Religion des Herzens“ und der „Religion der Gemeinschaft“:1383 „Die Gemeinschaft wird zuerst mit dem Staate, wie immer er auch beschaffen sei, zusammenfallen, was dann auch nicht nur staatliche Pflichten, sondern ein Staatsgefühl erzeugt, das durchaus religiös genannt werden darf, und erst in der Gemeinschaft der Menschen können die moralischen Pflichten entstehen, die dann erst in die Religion, die der Gemeinschaft (wo 1384 Es ist eine sie zum Rechte führen) und ebenso die des Herzens, aufgenommen werden. fundamentale Tatsache, die nie vergessen werden darf, sooft es auch geschieht, dass die Mo-

1379 Das schließt nicht aus, dass manche Polis bestimmte Werte ernster nahm als andere. 1380 1973, I 8. 1381 Das zuletzt 1973 nachgedruckte Werk ist längst vergriffen und sollte neu aufgelegt werden. – Zur religiösen Bedeutung der Frage auch in Kapitel II 7: ‚Die Götter Griechenlands’. 1382 Vgl. meinen Tagungsbeitrag 2008, 1 ff. 1383 1973, I 13 f. 1384 Anders als Wilamowitz meine ich, dass das Entstehen von moralisch-sittlichen Pflichten nicht erst im Staate, sondern bereits in Haus und Familie, und vor allem in Dorf und Nachbarschaft anzunehmen ist. Bis zu einem gewissen Grad gilt das auch bereits für das Recht und die Entwicklung des Rechtssatzes mit seinen Elementen: Tatbestand (Gebot oder Verbot) und – bei Devianz – Rechtsfolge/Sanktion. Zur frühen Entstehung von Recht und Rechtssatz Kapitel II 10 etwa: ‚Gagarin – Was ist Recht?’ und 11: ‚Frühe gesellschaftliche Ordnungsformen und ihre Bedeutung’.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

ral im Zusammenleben der Menschen entsteht, anders als der Glaube an die Götter, die selbst 1385 erst spät von den Menschen zu moralischen Wesen umgebildet werden. […] Es darf aber auch nie aus den Augen verloren werden, dass in dem Gemeinschaftsleben der Menschen Bindungen des einzelnen erwachsen, welche eine religiöse Heiligung gewinnen, weil sie allein diese Gemeinschaft erhalten. Ehe, Geschlecht, Stamm sind das schon für die Indogermanen gewesen, und sie verlieren die natürliche Heiligung nicht, wenn die göttlichen Exponenten verschwunden sind, die einst einen Kultus erfuhren. […] Religiös ist die Hingabe 1386 dem er bereit ist, sich zu opfern […].“ des Menschen an alles, was ihm heilig ist,

Abb. 4: Konsekutives Modell des ‚Gesetzes’ – Natur (iSv normativem Regelwerk), – Religion/Kultus (‚Heiliges Gesetz’); – Staat/Polis (Staatliches Gesetz)

Was bedeutet dies für das Verhältnis von Recht und Religion? – Beide Gesellschaftsbereiche entwickeln sich aus der frühen Gemeinschaft heraus, die moralisch-sittliche (Verhaltens)Pflichten entstehen lässt und damit Recht und Religion normativ auflädt, damit diese ihre gemeinschaftsfördernden Zwecke im weiteren Sinne verfolgen können.1387 Recht und Religion beziehen danach ihre nor-

1385 Hier stimmt Wilamowitz mit Dodds völlig überein. 1386 Zur Unterscheidung von ‚profan’ und ‚heillig’ eingehend Durkheim 1912/1981, 62 ff, 166 ff., 190 ff und passim. 1387 Die Gemeinde/Polis ist sowohl für die Verehrung der Götter als auch für die Erzeugung von Gesetzen zuständig.

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mativen Inhalte und Funktionen (ausschließlich) aus der Gemeinschaft/Gesellschaft selbst, auch wenn das Recht der Religion zeitlich mitunter etwas nachfolgt.1388 Der Zusammenhang lehrt mehr über die Verbindung von menschlichem und göttlichem ‚Gesetz’: Unter anderem wissen wir aus Solons ‚Elegien’, dass die Gesetze der Natur – sie sind damals nicht als ‚Naturgesetze’ im modernen Sinn, sondern als erste und frühe Einsichten in das Regelwerk der Natur zu verstehen – als Vorbilder der normativen Gestaltung der Gemein1389 Diese Gesetzesvorstellung wurde (von der Gemeinschaft) an die schaft betrachtet wurden. Religion weitergereicht, denn der vermutliche Wille der Götter wird in der Gemeinschaft zum heiligen Gesetz, dem sich die Gläubigen im rituellen Kultus unterwerfen und damit dem Willen der Götter entsprechen. – Diese Gesetzesvorstellung wird dann allmählich auf den ‚profaneren’ Bereich des Staates/der Polis übertragen. Schließlich formuliert eine für die Gemeinschaft zuständige Instanz – die lange in Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz han1390 – das dem Willen der Gemeinschaft entsprechende Gesetz, und alle Mitglieder haben delt! sich dessen Anordnungen zu unterwerfen. Auch im Bereich der Sanktion war kein großes Umdenken nötig, denn die Gemeinschaft hatte bereits Verstöße gegen göttliches Recht sanktioniert, und dies geschah nunmehr auch im Bereich des staatlichen Rechts. – Das zeigt, dass dem staatlichen Rechts- und Gesetzesverständnis – neben dem Vorbild der ‚Natur’ – ua. das Modell des ‚heiligen’ – also religiös-kultischen – Gesetzes zugrunde liegt (das seinerseits wiederum die ‚Gesetze’ der Natur zum Vorbild hatte). Dabei gab es offenbar lange Übergangsphasen und beträchtliche Überschneidungen, was von Bedeutung ist, weil ‚Heiliges Recht’ lange nicht vom Recht der Gemeinschaft/staatlichem Recht zu unterscheiden war und wohl weithin auch nicht wirklich unterschieden wurde. Ich erinnere an die Blutrache- und Sühneregeln des Delphischen Apollon, die erst von Drakon staatlich gefasst wurden, aber 1391 aber auch an die lange wohl schon geraume Zeit früher sakralrechtlich entstanden waren;

1388 Auf eine Priorität der rechtlichen oder Gesellschaftsregeln (Inzestverbot, Heiratsregeln, Nahrungsverteilung etc.) deuten die Ergebnisse der Ethnologie hin; vgl. insbesondere Lévy-Strauss (1966/19843). – Zum ‚Familienrecht als Normgenerator’: Pkt. 6 dieses Kapitels. 1389 Das gilt noch für (den reifen?) Aristoteles, der von einem Staatsmann verlangt, dass er „gewisse Normen aus der Natur“ (‚Protreptikos’ 65c) kennen müsse und (ebendort 65d) feststellt, dass jenes „Gesetz am trefflichsten [sei], das am meisten in Entsprechung zur Natur verfasst ist“. – „Die Natur insgesamt macht aber, als hätte sie Vernunft, nichts planlos, sondern alles in Ausrichtung auf einen bestimmten Zweck. In ihrer Zweckausrichtung ist die Natur in noch höherem Maße als die Künste darauf bedacht, das Planlose auszugrenzen, weil die Künste [zu den Künsten, den UzDOBJ, zählte auch die ‚Kunst der Gesetzgebung’ wie die Griechen die Jurisprudenz meist nannten] auch nur Nachahmungen der Natur sind, wie wir schon sagten.“ (ebendort 72a) – Alle Zitate nach Schneeweiß (2005); Hervorhebung von mir. 1390 Man denke nur an die große Bedeutung des Delphischen Orakels. 1391 Zur Ablehnung einer Unterscheidung zwischen Gesetzen der Polis und solchen der Götter, also heiligem Recht E. Harris („Antigone the Lawyer, or the Ambiguities of Nomos“), R. Parker („What are Sacred Laws“) sowie F. S. Naiden („Supplication and the Law“) im Sammelband Harris/Rubinstein (Hg.) 2004. Von Bedeutung ist insbesondere der Beitrag F. S. Naidens, dem es um die enge Beziehung zwischen Religion und Recht geht und der deshalb die älteren Mei-

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anhaltende Scheu der Griechen, selbst veraltete Gesetze aufzuheben oder auch nur abzuän1392 dern.

Natur – Religion – Gesetz der Gemeinschaft Das Regelwerk der ‚Natur’ diente sowohl dem ‚Gesetz der Gemeinschaft’, als auch dem ‚Heiligen Gesetz’ der Religion als Vorbild; Religion und Gemeinschaft standen im antiken Griechenland (wie in vielen frühen Gesellschaften) in enger Wechselbeziehung: Die Religion der Gemeinschaft, entstanden aus der Gemeinschaft, wirkt auf die Gemeinschaft zurück, was umgekehrt auch für die Gemeinschaft gilt. Als erstes Ergebnis einer normativen Ableitung aus der Natur entsteht das nomologische Wissen der Gemeinschaft, das alle Normen enthält und das schließlich die unterschiedlichen Normbereiche von ‚Religion’ und ‚Staatlichem Recht’ hervorbringt. – Nachdem Herrschaft und Staat entstanden sind, löst die ‚Rechtsidee’ (der Gerechtigkeit) das alte nomologische Wissen ab. Dadurch bleibt auch nach Trennung der zentralen gesellschaftlichen Normbereiche Religion und Recht ein gemeinsamer Kernbereich von Normativität bestehen. Jede Gemeinschaft, von der kleinsten Einheit, dem Haus und der Familie, über Nachbarschaft und Dorf hin zur Polis und darüber hinaus, braucht Regeln/Normen. Die Normen der Gemeinschaft wurden – insbesondere formal, also im Hinblick auf das Regelhafte, Normative – der Natur abgeschaut und dann auf die Gesellschaft und ihre Teilbereiche – vor allem Religion – übertragen; inhaltlich entfernten sich diese (Kultur)Regeln immer mehr vom Vorbild der Natur, mag es auch zahlreiche ‚Rückfälle’ gegeben haben.1393 Die Weitergabe erfolgte lange gemeinsam über den ‚Zwischenwirt’ des nomologischen Wissens.1394 Nach der Trennung von Religion und Recht stehen diese wie andere Bereiche weiterhin in kommunkativer Beziehung zur Gemeinschaft, aus der sie alle stammen. Die ‚Rechtsidee’ der Gerechtigkeit wird schießlich zur Nachfolgerin des nomologischen Wissens. (Diese Entwicklung ist noch heute daran erkennbar, dass ‚Gerechtigkeit’ nicht nur für das Recht von Bedeutung ist.) – Inhaltlich stellten jedoch insbesondere schon die Regeln für Haus und Familie

nungen von M. Ostwald (1969) und J. Gould (1973) ablehnt, die „that in the fifth century manmade law replaced the religious rules of supplication“ oder Goulds Argument, „that the two remained in opposition“. – In diesen Grundgedanken ähnlich schon Wilamowitz 1959³/1973, I 144. 1392 Dazu Kapitel VII vor Pkt. 1. 1393 Die im alten Griechenland immer wieder vertretene Lehre vom (Natur)Recht des Stärkeren hat mitunter tragische Auswirkungen, wie etwa im Melierdialog des Thukydides; s. Kapitel IV. 1394 Zu diesem Begriff etwa in Kapitel II 9: Geburtsstunde des Rechtssubjekts.

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Natur – Religion – Gesetz der Gemeinschaft

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nachhaltig wirksame (vermeintliche) Normumsetzungen aus der Natur dar. Noch im Hellenismus dominierte Paternalismus ebenso wie dann auch in Rom. Im privaten und öffentlichen Recht dagegen setzen sich Zweckmäßigkeitsüberlegungen durch. Das galt einerseits für das Verwaltungsrecht und andererseits für das Sachen- und Schuldrecht. – Im Vergleich zur Religion gewann das Recht als normatives Steuerungelement an Bedeutung und drängte die Konkurrentin immer mehr zurück. Ich möchte noch erwähnen, worauf Wilamowitz hinweist,1395 dass die Griechen „kein Wort für Religion [kannten], und auch Frömmigkeit lässt sich eigentlich nicht wiedergeben“: „Bei den Tragikern haben zwar yVTFC›K und die dazugehörigen Wörter diesen Sinn, aber das kommt daher, dass sie voraussetzen oder fordern, dass die Erfüllung der kultischen Pflichten und was sonst als Gebot der Götter gilt, wirklich aus frommem Sinne geschieht. Kein Zweifel, dass diese Auffassung der yVTzCFJB damals viele Herzen beherrscht hat; sie galt als eine 1396 der Tugenden, die der ‚OžS ‚HBR²K besitzen sollte.“

Abb. 5: Normatives Kreislaufmodell Gemeinschaft, Religion, Recht/Staat

1395 1973, I 15 f. 1396 Hinweis auf Aischylos, Sieben gegen Theben 610: Der Seher Amphiaraos wird als vollkommener Mann charakterisiert: TÈGSXO EeLBJPK ‚HBRµK (d. i. ‚OESFePK) yVTFCžK ‚O›S; zu ihm Farnell 1921, 58 ff. – Wilamowitz: „Er besitzt also die vier platonischen Kardinaltugenden.“ Dazu: Kapitel VII 2.

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Aber das neue Wort ³TJPK, das dem alten Epos noch fehlte, sei ein Begriff, „der von dem kultisch Unanstößigen und Reinen zu dem moralisch Reinen gesteigert ist“. – Damit stehe fest, dass yVTFC›K und yVTzCFJB nicht die subjektive Frömmigkeit meinen, und das drücke auch das erste Gebot der 1397 hellenischen Pflichtenlehre aus: TzCFTRBJ RFPÀK. Eine solche Klarstellung ist auch im Hinblick auf den Verbrechenstatbestand der ‚TzCFJB wichtig.

Am wichtigsten sei es, dass sowohl Platon als auch Aristoteles in der Gesellschaftsordnung ihrer Idealstaaten den Kultus der väterlichen Götter bestehen ließen, „so unvereinbar diese Götter mit ihrem Gottesbegriffe sind“:1398 „Das geschieht wohl im Grunde, weil sie wissen, dass die Masse des Volkes ihrer Religion unzugänglich ist, aber das wird nicht ausgesprochen, und entscheidend war, dass die Götter nun einmal seit Urzeiten für das Volk da waren und ein hellenischer Staat ohne ihren Kultus undenkbar war.“

Wilamowitz1399 betont in schönen Worten die große historische und volkserzieherische Rolle der Dichter für Religion und Moral und – so können wir hinzufügen – auch für Recht und Gesetz, zumal alle diese Bereiche aus derselben Quelle gespeist wurden. Denn nicht der Glaube an die Götter habe die Menschen zur Sittlichkeit erzogen, vielmehr sei diese „in dem Verkehre der Menschen untereinander entstanden, also in der Gesellschaft, welcher der Mensch angehörte“: „Die spezifisch hellenische Phantasie und Religiosität in Ernst und Spiel führt in einem und demselben Strome von den Dichtern von Homer hinab bis zu Pindaros und zu Aristophanes. Ihre Dichter sind die Lehrer und dann auch immer mehr die Erzieher der Hellenen gewesen und haben von ihrer Dichterfreiheit den weitesten Gebrauch gemacht. Man mag sagen, dass das Schlingwerk der mythischen Lianen dem Stamme des Götterglaubens schließlich allen Saft ausgesogen habe, aber daneben sollen wir nicht vergessen, dass es die Dichter gewesen sind, welche das Sittliche erst in die Religion hineingezogen haben, die Erzieher des Volkes. Sie werden von den Philosophen abgelöst, und auch deren Metaphysik kann des NVRPMPHFkO nicht entraten, wenn sich die meisten darüber auch nicht so klar sind, wie es Platon gewesen ist. Aber wenn er selbst den Mythos nicht entbehren konnte, so war vollends die Volks- und Staatsreligion samt ihren Mythen unüberwindlich, wovon freilich der Erfolg sein musste, dass eine neue hellenische Gemeinschafts- und Volksreligion nicht entstand. Nur um diesen sehr teuren Preis konnten uns die Hellenen die Wissenschaft, die Philosophie und damit eine Religion des Herzens schenken, die unsterblicher ist als alle persönlichen Götter.“

1397 Wilamowitz geht (1973, I 15 f) noch auf die Stoa und die Schrift des Theophrast QFSe F¹TFCFeBK ein, die anscheinend die Form des Opferdienstes zu reformieren beabsichtigte. Diese Schrift sei anders als die botanischen Schriften „sorgfältig stilisiert, also für ein weiteres gebildetes Publikum bestimmt und gibt uns allein eine Vorstellung von einem gefälligen Stile“. 1398 Wilamowitz 1973, I 16 f. 1399 1973, I 42 ff.

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Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse zur Beziehung zwischen griechischem ‚Recht’ und der ‚Religion’ der Hellenen zusammen, lässt sich in groben Zügen sagen: Im gesamten griechischen Kulturraum übernimmt die olympische Religion zentrale indoeuropäische und zum Teil wohl auch bereits mykenisch vorgeprägte Werte; das betrifft einen starken Paternalismus und die damit einhergehende gesellschaftliche Zurücksetzung der Frau, dazu kommen der hohe Wert und Schutz von Familie, Ehe und Oikos1400 – alles unter männlicher Führung – mit der Beschränkung der Frau auf Haus und Familie und dem parallel dazu verlaufenden starken Schutz von Grund und Boden, von Vermögen und Ehre. Aufgelockert wird die Absonderung der weitaus überwiegend bäuerlichen Familie und ihres Oikos durch die dörfliche Nachbarschaft, die offenbar auch den Frauen größere Bedeutung beimaß und größere Freiräume zuerkannte, als man lange Zeit hindurch vermutete.1401 Nachbarschaft und Dorf hatten auch in der Frühzeit die Aufgabe übernommen, die (Verhaltens)Normen für die kleine und überschaubare Gemeinschaft zu erzeugen, und sie entsprachen dieser Anforderung durch die Bildung von Brauch, Sitte und Altem Herkommen; hilfreich waren dabei (Rechts)Sprichwörter. Der Dorfgemeinschaft oblag es zudem, die Einhaltung des auf diese Weise geschaffenen nomologischen Wissens – das bereits starke rechtliche Züge trägt – zu überwachen und Devianz zu sanktionieren. Solon hat dieses bäuerlich-nachbarschaftliche Normmodell in seine Verfassung/Gesetzgebung übernommen und damit die Polisbildung durch eine geniale Werteverschmelzung ermöglicht.1402 Aus diesem gesellschaftlich-religiös vorgeprägten ‚Konglomerat’ der Werte konnte früh der normative Kern eines – zunächst lediglich gewohnheitsrechtlich gelebten – gemeingriechischen Familien- und Hausrechts entstehen,1403 dem

1400 Dazu auch bei Anm. 1404 f. 1401 Schmitz (2004a) und schon (1999). 1402 Dazu Kapitel II 11. – Die Familie ist Verbindungsglied zwischen individuellen und Gemeinschaftsbedürfnissen, wobei die Gemeinschaft auf die Reproduktionsleistung der Familie angewiesen ist; das Prinzip Nachbarschaft, das sich zum Dorf erweitert, vermag weitere Bedürfnisse einer Gemeinschaft zu erfüllen: nämlich Ernährung, Gesundheit, Sauberkeit, Sicherheit, Religion usw. Zu diesen Fragen und einem ethnologisch-kulturellen Verfassungsverständnis Malinowski 20052, 142 ff, der meint: „Gleich einleuchtend ist es, daß eine zu einer Dorfgemeinschaft organisierte Gruppe gemeinsam an den legalen Seiten der Reproduktion interessiert ist, vor allem an der Brautwahl und daran, daß gewisse moralische Regeln, wie magisch gebotene Enthaltsamkeit oder Gesetze gegen Inzest und Ehebruch, eingehalten werden.“ (Hervorhebung von mir) 1403 Dazu schon bei Anm. 815. – Zum ‚Familienrecht als Normgenerator’: Pkt. 6 dieses Kapitels. – Die Bedeutung der Familie reicht weit über das Familienrecht hinaus, denn „die Schätzung von Brauch, Autorität und Moral, wird in der Familie erworben“. (Malinowski 20052, 139)

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sich schließlich das Sachen- und das Erbrecht anpassten. Die Ausprägung dieser Werte zeigte sich, wie W. Schmitz deutlich macht, besonders stark im bäuerlichen Bereich, der daher – das sei noch einmal betont – wohl nicht zufällig die Solonische Gesetzgebung maßgeblich bestimmte. Hierher gehören eine Reihe von Einzelgesetzen Solons wie der Nomos moicheías, der Nomos agamíou oder der Nomos árgias, die alle aus dem dörflich-bäuerlichen Bereich stammten. Den familien-, haus- und erbrechtlichen Regeln folgten wenig später Regeln zum Schutz von Grund und Boden, die vor allem der Erhaltung des Oikos und Kleros dienten:1404 • Diese rechtliche Entwicklung folgt gleichsam der ‚Natur der Sache’: Die gesellschaftliche Unsicherheit der Frühzeit und der kulturelle backlash der Dunklen Jahrhunderte (die aber offenbar doch einzelne Reste der Vergangenheit bewahren konnten) legten es fast zwangsläufig nahe, bei jener Einrichtung anzusetzen, die allein und unbeschadet in dieser Frühzeit für eine gewisse Sicherheit sorgen konnte und wohl auch als natürliche Einrichtung für den Menschen bezeichnet werden kann: der Familie mit ihren möglichen Erweiterungen über die Kernfamilie hinaus. Das gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche, welche die Dunklen Jahrhunderte überdauerten: für den bäuerlichen wie den adligen Bereich, dessen Existenz aber nur in einem sehr eingeschränkten Maße angenommen werden kann. Familie und ‚Familienrecht’ – letzteres zunächst nur als Regelwerk verstanden, das Brauch, (Väter)Sitte und frühe Religion für diese staatliche Keimzelle entwickelt hatten – bilden auch den Kern des nomologischen Wissens, das sich von diesem Zentralbereich aus weiter entwickelte.

• Auch E. R. Dodds1405 misst der griechischen Familie und dem Haus eine besondere Bedeutung für die Rechtsentwicklung bei. Im Kapitel ‚From Shame-Culture to Guilt1406 „The family was the keystone of the archaic social structure, Culture’ heißt es dazu: 1407 the first organised unit, the first domain of law. Its organisation, as in all Indo1408 The head of a European societies, was patriarchal; its law was patria potestas.

1404 Dazu Kapitel II 10 und 11. – Zur Entstehung der Rechtsgebiete gleich mehr (ab Anm. 1417). 1405 1951/1997, 45 ff. – Zu Dodds vgl. schon oben bei Anm. 989. 1406 AaO 28 ff. 1407 Anders als M. Weber betrachtet Dodds die frühe Familie wohl zu Recht bereits als einen Ort der ersten Rechtsentstehung. Der Vergleich des Hausvaters mit einem Basileus legt das zusätzlich nahe; denn auch der Basileus war kein Willkürherrscher. Der Kyrios muss daher als häuslicher Leiter/±eLPJP …OBY/oikoio anax betrachtet werden, der für das Wohl der Seinen zu sorgen hatte. Der später von den Römern stark betonte Wertmaßstab des bonus pater familias war schon in Griechenland gebräuchlich; vgl. dazu den Aristotelischen Wertmaßstab des ‚OžS TQPVEBePK/anér spoudaios. Dieser Wertparameter stammt wohl ursprünglich vom (guten) Hausvater! Damit zeigt sich, dass auch der griechische Kyrios (eine sehr frühe Zeit vielleicht ausgenommen) Regeln unterworfen war. Zur im Vergleich zum römischen Hausvater signifikant schwächeren Stellung des griechischen schon in Anm. 815. 1408 Dodds verweist auf Glotz 1904, 31 ff.

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household is its king, /±eLPJP …OBY, and his position is still described by Aristotle as analogous to that of a king. Over his children his authority is in early times unlimited: he is free to expose them in infancy, and in manhood to expel an erring or rebellious son from the community, as Theseus expelled Hippolytus, as […] Zeus himself cast out Hephaestos from Olympus for siding with his mother. In relation to his father, the son had duties but no rights; while his father lived, he was a perpetual minor – a state of affairs which lasted at Athens down to the sixth century, when Solon introduced certain safe1411 And indeed more than two centuries after Solon the tradition of family jurisguards. diction was still so strong that even Plato – who was certainly no admirer of the family – 1412 had to give it a place in his legislation.” Dieses System wirkte so lange, wie die alte Familiensolidarität bestanden hatte: „But with the relaxation of the family bond, with the growing claim of the individual to personal rights and personal responsibility, we should expect those internal tensions to develop which have so long characterised family life in Western societies. That they had in fact begun to show themselves overtly in the sixth century, we may infer from Solon’s legislative intervention. But there is also a good deal of indirect testimony to their covert influence. The peculiar horror with which the Greeks viewed offences against a father, and the peculiar religious sanctions to which the offender was thought to be exposed, are in them1413 selves suggestive of strong repressions.” Mit dem Fortschreiten der sophistischen Bewegung kam auch der Konflikt in viele Häuser: „[…] young men began to claim that they had a ‚natural right’ to disobey theit fathers. But it is a fair guess that such conflicts already existed at the unconscious level from a very much earlier date – that in fact they go back to the earliest unconfessed stirrings of individualism in a society where family solidarity was still universally taken for granted.”

1409 Zum Begriff Anax/…OBY: G. Weiler 2001, 2, 34 f, 46 ff und in Kapitel VI 4: ‚Ägäische Frühzeit und Archaik’. Der Begriff wird noch in klassischer Zeit verwendet; vgl. Euripides, Troerinnen Vers 248: "HBNzNOXO …OBY. 1410 Politik I 2, 1252b; Platon, Nomoi 701b. 1411 Dodds zitiert Glotz 1904, 350 ff. – W. Schmitz (2004) zeigt, dass dies für den bäuerlichen Bereich nicht gegolten hat; dazu Kapitel II 11. 1412 Platon, Nomoi IX 878de, XI 929a-c. 1413 Dodds erläutert uH auf Pindar, Euripides, Xenophon, Homer, Aischylos, Platon, Pausanias und ein Orphikfragment, dass: „Honouring one’s parents comes next in the scale of duties after fearing the gods […]”. –„the barbarous tale of Kronos and Ouranos, which Archaic Greece may have borrowed from a Hittite source“. Damit ist das hurritisch-hethtitische Epos ‚Kumarbi’ gemeint, das (neben anderen Parallelen) auch das Vater-Kastrationsmotiv kennt; dazu Güterbock (1946) und Barnett (1947). Dodds erklärt den Umstand, dass die Griechen dieser monströsen orientalischen Phantasie einen zentralen Platz in ihrer Göttermythologie einräumten als „reflex of unconscious human desires“. Platons Bedenken gegen diesen Mythos finden sich in ‚Politeia’ 377e-378b. – Barnett überlegt, wie diese orientalischen Epen (die vor allem in Hesiods ‚Theogonie’ durchscheinen) nach Griechenland gelangt sein könnten und hält den Weg über die Phönizier (Ugarit, Al Mina) für wahrscheinlicher als eine Vermittlung über die Phrygier.

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Dodds folgert daraus, dass uns diese psychoanalytischen Einsichten gelehrt hätten, wie wirkmächtig solche Quellen unterdrückter Schuldgefühle gewesen seien. Das entstandene Unbehagen habe schon damals, wie es das auch heute noch tue, religiöse Formen angenommen: „For, to begin with, the human father had from the earliest times his heavenly counterpart: Zeus pater belongs to the Indo-European inheritance, as his Latin and Sanskrit equivalents indicate; and Calhoun has shown how closely the status and conduct of 1414 1415 the ±eLPJP …OBY. the Homeric Zeus is modelled on that of the Homeric paterfamilias, In cult also Zeus appears as a supernatural Head of the Household: as Patroos he protects the family, as Herkeios its dwelling, as Ktesios its property. It was natural to project on to the heavenly Father those curious mixed feelings about the human one which the child dared not acknowledge even to himself. That would explain very nicely why in the Archaic Age Zeus appears by turns as the inscrutable source of good and evil gifts alike; as the jealous god who grudges his children their heart’s desire; and finally as the awful judge, just but stern, who punishes inexorably the capital sin of self-assertion, the sin of hu[y]bris. […] And secondly, the cultural inheritance which Archaic Greece shared with Italy and India included a set of ideas about ritual impurity which provided a natural explanation for guilt-feelings generated by repressed desires.“ (Hervorhebungen zT von mir)

• Die Bedeutung von Haus und Familie und der griechischen Familienorganisation insgesamt zeigte sich (später) auch in der Beziehung zwischen Kolonie und Mutterstadt, wozu 1416 Graham anmerkt: „In the primitive city the family organisation was extremly important, and the subdivisions of the city were based on it, genos, phratry, tribe. But these family groupings were also indissolubly bound up with religion, and it is therefore possible that identity of cult between colony and metropolis implies that connections were maintained between the kinship groups of colony and mother city.” – Die den religiösen Kult tragende Familienorganisation stellte auch eine lebendige Verbindung zwischen Tochterund Mutterstadt dar.

Autonome Rechtsnormen entstanden aus dem gemeinsamen Kontext des nomologischen Wissens, zu dem religiöse und kultisch-rituelle Vorstellungen ebenso zählten wie Sitte, Brauch, altes Herkommen und erste Ansätze des Gewohnheitsrechts. Die Annahme liegt nahe, dass hier von gemeinsamen Wertvorstellungen ausgegangen wurde. Eine gegenläufige oder auch nur in wichtigen Teilgebieten – wie Religion und Recht – widersprechende Wertorientierung hätte weder dem einen noch dem anderen Bereich genützt (und erst recht nicht der gesamten Gesellschaft), sondern beide Bereiche gefährdet. Daher war grundsätzliche Übereinstimmung in den Werten der zentralen Bereiche von Haus und Fa-

1414 Calhoun (1935). – Nach Dodds hielten spätere Griechen es für richtig, die eigenen Eltern „like a god“ zu behandeln: RFµK NzHJTUPK UPkK GSPOPÀTJO °J HPOFkK (Dicaeogenes, fr. 5 Nauck); O²NPK HPOFÀTJO dTPRzPVK UJN†K OzNFJO (Menander, fr. 805 K.). 1415 Dazu G. Weiler (2001). 1416 1964, 15.

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milie mit den Werten der übrigen Bereiche nötig. – Das griechische Leben war lange von Religiosität durchdrungen, der am Hausaltar ebenso entsprochen wurde wie im gemeinsamen Heiligtum von Dorf und Polis. Die Verflechtung von Religion und Recht erhöhte die Wirksamkeit beider Steuerungsmittel und war daher höchst rational.

Zusammenwirken von Recht und Religion • Ein früher Schritt war der, religiöse Vorstellungen der Einzelnen (die Wilamowitz „Religion des Herzens“ nannte), mit den Göttergestalten und dem Kult (also der „Religion der Gemeinschaft“) aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit heraus – wertkonform – zu gestalten. (Dabei wurden immer wieder und nicht nur in der Frühzeit lokale und fremde Göttergestalten aufgenommen und in die heimische Götterwelt integriert.) So wurde etwa das Leit- und Idealbild des oikos/PmLPK auf die religiöse Vorstellungswelt (den olympischen ‚Haushalt’ des Göttervaters Zeus) übertragen. – Das Recht erwies sich mit seinem Instrumentarium als leistungsfähig (nicht nur in seinem Steuerungsvermögen), denn es ermöglichte auch die Orientierung, es sicherte den Frieden, es förderte die Gleichheit und verfügte dazu über Sanktions- und Zwangsgewalt; und es schuf die Möglichkeit, die sich entwickelnde Polis zu gestalten. Dieser Vorgang erfolgte aber nicht nur in Übereinstimmung mit der (profanen) gesellschaftlichen Wirklichkeit, der das Recht dienen soll, sondern vor allem auch mit den praktizierten und daher vertrauten Regeln der Religion. – Auf 1417 folgten durch die ältesten Normen des Familienrechts (Inzestverbot und Heiratsregeln) weiteres Ausdifferenzieren (aus dem nomologischen Wissen) zunächst das für den frühen Güteraustausch wichtige Sachenrecht und deutlich später das Erbrecht. Diesen Gebieten kam (zunächst) die ergänzende Aufgabe zu, das nach innen gerichtete, vom Familienrecht nur in groben Zügen umrissene Modell von Haus und Familie mit spezifischen Mitteln zu unterstützen. Daneben sicherte und förderte das frühe Erbrecht auch den Ahnenkult (und damit den Erhalt des Hauses, dessen Identität und das Ansehen von Familie und Verwandschaft, mittelbar auch die Religion, auch wenn diese nicht aus dem Ahnenkult entstanden sein mag). Ähnlich – wenngleich mediatisierter – verhielt es sich mit dem Sa1418 (und chenrecht, das zunächst vor allem der grund- und bodenrechtlichen Absicherung daneben auch der nach außen gerichteten Erwerbsordnung) des Oikos diente. Als vorläufig letzter Privatrechtsbereich entwickelte sich in der Antike aus dem schwerfälligen sa-

1417 Auf die Schlüsselrolle des Familienrechts für die gesamte Rechtsentwicklung habe ich in Pkt. 6: ‚Familienrecht als Normgenerator’ hingewiesen. Die gesamte übrige Rechtsentwicklung – weitere Privatrechtsgebiete ebenso wie das Strafrecht und das öffentliche Recht – bilden sich im Kielwasser des Familienrechts aus; wobei Straf- und öffentliches Recht von der Staatsentwicklung abhängen. Zur Entwicklung des Strafrechts: Kapitel VII 8. 1418 Dazu in Kapitel II 10: Gebundenes Bodenrecht und in Kapitel VII 1: ‚Rechtsidee – Der Rechtsbegriff der Polis’. Zur Entstehung von Individualeigentum: Kapitel II 19.

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chenrechtlichen Güteraustauschrecht, das lange ausgereicht hatte, das geschmeidigere Schuldrecht, das die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten flexibler und effizienter umsetzt und das in Griechenland spätestens mit Solon Bedeutung erlangte, während es im Außenbereich des (See)Handels wohl schon deutlich früher praktiziert wurde. Über diese Außenbeziehungen des Handels wurde offensichtlich früh auch fremdes Rechtswissen – insbesondere aus Ägypten und dem Vorderen Orient – nach Griechenland gebracht und in den heimischen Rechtsbestand einzelner Poleis übernommen. – Schon diese kurze Betrachtung der Zusammenhänge von Recht und Religion zeigt, dass die erwähnten Rechtsgebiete in Ausführung und als Konsequenz zentraler gesellschaftlicher – nämlich religiöser und politisch-familiärer – Vorstellungen entstanden sind und erst viel später und auch nur schrittweise eine autonome Stellung erlangt haben. – Sehr spät (in der Pandektistik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) entsteht der ‚Allgemeine Teil’ des bürgerlichen 1419 Rechts.

• Die Verbindung von Recht und Religion ist damit noch keineswegs erschöpfend behandelt, was auch nicht beabsichtigt war. Ich möchte aber noch erwähnen, dass sich die Verwandtschaft und die parallele Entwicklung von Religion und Recht lange noch in – bis heute bestehenden – religiös-normativen Erscheinungen zeigt; man denke nur an den 1420 der Rechts- und sogar wichtige politische Akte verschiedenster Art mit dem SieEid, gel der religiösen Weihe (und damit erhöhter Verbindlichkeit) versehen will. Hierher gehören aber Formvorschriften überhaupt, die bedeutende Rechtsakte – man denke im privatrechtlichen Bereich an die zentralen Stationen von Geburt, Initiation, Heirat und Tod oder auch nur an den Liegenschaftserwerb – nicht nur nach außen hin erkennbar machen (Publizität), sondern auch mit dem Segen der auch auf einen gemeinsamen Kultus angelegten Religion ausstatten wollen, worin erneut eine Übereinstimmung ausgedrückt wird. In diesen Kontext gehört auch die lange bestehende Scheu der Griechen, alte Gesetze – die man als von den Göttern stammend oder doch als von diesen gebilligt ansah – aufzu1421 Als abschließendes Beispiel mag die für Griechenheben oder auch nur abzuändern. land charakteristische räumlich-funktionale Verbindung von Tempel und Agora dienen,

1419 Einen Zwischenschritt in der Entwicklung vom Sachenrecht zum Schuldrecht lässt noch das ABGB von 1811/12 mit seiner das ganze Vermögensrecht umfassend Gliederung des Sachenrechts (Unterscheidung zwischen dinglichen Sachenrechten = Sachenrecht ieS und persönlichen Sachenrechten = Schuldrecht im modernen Sinn) erkennen. – Dazu mein Lehrbuch 2004a, I 22 ff. 1420 Dazu eingehend Burkert 1977, 377 ff sowie Wilamowitz 1973, I 30 ff, der die Bedeutung des lebendigen Wortes und damit Fluch, Eid und Selbstverfluchung erörtert. – Der ‚Eid’ hat bei den Griechen sowohl eine individuelle wie eine kollektive Form; man denke etwa an den gemeinsamen Eid der Kolonisatoren zB beim Aufbruch von Thera nach Kyrene oder dem vor allem politischen Zwecken dienenden Kollektiveid der Athener am Ende des Peloponnesischen Krieges und bei der Beseitigung der Oligarchie im Jahre 403 v. C., den E. Flaig politisch verordnete(s) Vergessen nennt: 2005, 231. 1421 Mehr bei Anm. 1612 ff und auch 1574 ff und in Kapitel VII vor Pkt. 1.

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die K.-J. Hölkeskamp so anschaulich beschreibt. – Diese zentralen religiös-rechtlichen oder rechtlich-religiösen (Norm)Werte sorgten ebenso für die erwünschte Götter- wie die Ahnen- und Heroenverehrung und wirkten darüber hinaus kontinuierlich auf ein Angleichen grundlegender gesellschaftlicher und menschlich-persönlicher Werte hin. Vereinheitlichend für große Gebiete des griechischen Siedlungsraumes wirkten aber zunächst und vor allem die religiös eingekleideten gesellschaftlichen Wertvorstellungen, die über Gewohnheit, Sitte, Brauch und Kultus allmählich in Rechtsvorstellungen umgewandelt und dadurch mit erhöhter gesellschaftlicher Effizienz ausgestattet werden konnten. Religiös untermauert wurden neben den Bereichen Ehe, Familie und Oikos auch das Erb(Adoptionstestament) und Sachenrecht (Liegenschaftserwerb) sowie Vorstellungen von Ehre, vom Schutz Fremder und von Gastfreundschaft uam. – Damit vermied man, wie Richard Maschke treffend formuliert, für Religion und Recht eine ‚getrennte [Wer1423 te]Buchhaltung’ führen zu müssen.

• Die griechische Religion wurde trotz ihrer großen Bedeutung im gesellschaftlichen Leben des antiken Griechenland – man denke an die sakrale Kunst oder die Dichtung, die ge1424 einhergingen – immer mehr zur wöhnlich mit religiös-kultisch eingerahmten Festen Randerscheinung. Das zeigt sich auch daran, dass es der Religion nicht gelungen ist, eine (Staats)Kirche als Religionshüterin zu errichten oder auch nur eine verbindliche Glaubenslehre (Dogma) mit religiösen Ge- und Verboten zu etablieren, oder (abgesehen von einzelnen bedeutenden Tempeln) Institutionen zu sakralisieren und ebenso wenig eine organisierte (auch gesellschaftspolitisch beachtliche) Priesterschaft zu schaffen. Diese ‚Schwäche’ der Religion förderte (wenn auch nicht gleichzeitig) einerseits die gesellschaftliche ‚Stellung’ und die Aufgaben von Politik, Dichtung, Philosophie und anderen Technai unter denen sich auch das Rechtsdenken, die Rhetorik und Bildungseinrichtungen befanden. Man könnte auch sagen: Die griechische Religion hat offenbar nie vergessen, dass ihre Werte und vor allem ihre Sittlichkeit nicht selbst geschaffene, sondern aus der Gesellschaft übernommene Werte waren. Sie stammten zunächst aus Haus, Nachbarschaft, Dorf und Polis, wurden dann von der Dichtung, Politik und Philosophie ergänzt oder abgelöst und verloren mit deren Niedergang allmählich ihre Wirkkraft. – „Die Göt1425 termythen lagen in den Händen der Dichter – zur immer neuen Ausgestaltung.“

• Durch diese weiterhin bestehende Abhängigkeit der Religion von der Gesellschaft und ihren Einrichtungen wurde auch die Entwicklung des Rechts und seiner Institutionen und Berufe gefördert. Die vielen griechischen Poleis bedurften eines Instruments, das auf ein-

1422 (1994). – Zur Übernahme des monumentalen Steinbaus (Tempel) und großer Steinfiguren seit der zweiten Hälfte des 7. Jhs. v. C. aus dem ägyptischen und syrischen Raum: Burkert 2003, 20 ff uH auf Bietak (2001); Burkert weist darauf hin, dass Minoer und Mykener keine Tempel kannten. 1423 (1926/19682). – Vgl. den Hinweis bei Anm. 1010. 1424 Zu den verschiedenen Festen der Griechen: Burkert 1977, 163 ff und H. W. Parke (1987). – Vgl. auch M. P. Nilsson bei Anm. 1005 und Deubner (1959). 1425 Flaig 2005, 223 uH auf Burckhardt 1929, II 20 ff, 44 ff, 81 ff, 115 ff.

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fache Weise jenen ethischen und sozialen ‚Halt’ und die Orientierung zu geben vermochte, die die Religion letztlich – ab der Mitte des 5. Jhs. – schuldig geblieben war und die zudem – seit Solon immer wichtiger – politisch egalitäre Züge trug. Man denke auf der anderen Seite nur an die vielen nicht eben ethisch-moralischen Geschichten um Aphrodite, Ares und Hephaistos und vor allem Zeus selbst, aber etwa auch an die diebische Ader 1426 oder an die mitunter als Schlauheit verbrämte Unehrlichkeit, ja Lügenhafdes Hermes tigkeit oder doch den Mangel an Objektivität bei manchen Göttern, Helden und Heroen. Das beginnt beim meineidigen und räuberischen Großvater des Odysseus, Autolykos – 1427 und führt zu dem trotz seiner Verschlagenheit von Athene dem Werwolf vom Parnaß unterstützten Odysseus. Auch das griechische Heroentum ist weithin als amoralische Instanz – nämlich als von Moral, Ethik und gesellschaftlicher Ordnung nahezu gänzlich losgelöste Kategorie zu werten.

• Flaig1428 spricht davon, dass die „Depotenzierung der religiösen Instanz neue kulturelle Möglichkeiten“ eröffnet habe; er leitet aus seiner Annahme der „Depotenzierung der Religion“ eine Tendenz zur Entwicklung der Wissenschaften und Künste als „ethischen 1429 – Dazu gehört wohl auch das vergleichsweise frühe Auftreten Neutralisierungen“ ab. von gesatztem Recht und – zeitlich vorgelagert und noch gemeinsam mit der Religion, das vom Delphischen Apollon ausgehende sakral unterlegte Gewohnheitsrecht der Racheund Sühneregeln bei Mord und Totschlag. Woher es letztlich stammt, wissen wir freilich 1430 – Das Recht vermochte durch seine normative Präzisierung und – im Falle von nicht. Devianz – durch seine vielfältigen Sanktionsmöglichkeiten (ausgesprochen durch unabhängige Gerichte) jene Klarstellung und Verbindlichkeit zu schaffen, die weder die Religion, noch der Heroenkult zu geben in der Lage waren. Es war somit eine wichtige Ergänzung dieser anderen Sozialnormen, nicht zuletzt deshalb, weil das Recht auch als Friedensbringer, als Gleichrichter und zur Machtkontrolle eingesetzt werden konnte.

• Wie wir dem Beispiel Griechenlands – deutlich gemacht schon von Wilamowitz1431 – entnehmen können, kam der Religion ursprünglich nicht die Aufgabe zu, für die Sittlichkeit in der Gesellschaft zu sorgen; „der Glaube an Götter, hat die Menschen [zunächst] nicht zur Sittlichkeit erzogen. Sie ist in dem Verkehre der Menschen untereinander ent1432 Keine Gemeinschaft standen, also in der Gesellschaft, welcher der Mensch angehörte. kann bestehen ohne eine gewisse Lebenshaltung bei ihren Gliedern vorauszusetzen und

1426 Vgl. Burkert 1977, 246 f. 1427 Vgl. Wilamowitz 1959/1973, I 31 f sowie Burkert 1972/1997, 137 und 149. 1428 2005, 223. 1429 Vgl. schon Wilamowitz 1959/1973, I 42 f. – Bei Verwendung des Begriffs ‚Depotenzierung’ ist zu beachten, dass die Sittlichkeit gar nicht von der Religion entwickelt wurde. 1430 Haase 2003, 146 erwähnt, dass die Hethiter schon zur „Verschuldenshaftung vorgedrungen“ waren und zwischen „absichtlichem und unabsichtlichem Verhalten“ unterschieden haben. Ob diese Entwicklung noch weiter ‚zurückreicht’, bedarf noch der Untersuchung. 1431 1959/1973, I zB 43. 1432 In diesem Sinne auch E. R. Dodds 1951/1968, 31 f: s. oben.

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den Eigenwillen des Einzelnen zur Einhaltung gewisser Grenzen zu zwingen. Wie lose auch immer, gebunden wird der Mensch durch die Gemeinschaft, in welcher er steht. Das muss er auf sich nehmen, denn er ist zum Leben in der Gemeinschaft geboren, GºTFJ QPMJUJLµO [ÙPO. Damit liegt auf ihm die Pflicht und das Recht, die das Griechische so gut mit dem EeLBJPO bezeichnet, denn darin liegt sowohl das er als gerecht zu üben wie was er von den anderen als gerecht zu erwarten und zu fordern hat. Dafür ist minder wichtig, was der jeweilige Staat erzwingt oder doch verlangt, als was seine Bürger für gerecht und schicklich halten, also ihr Rechtsgefühl und ihre Moral, also keine äußeren sondern innere 1433 Gebote.“

Für die Sittlichkeit sorgten andere gesellschaftliche Kräfte. Wie auch Wilamowitz hervorhebt, waren es vor allem die Dichter der Hellenen – und dies offenbar schon vor Homer – die nicht nur den Götterglauben (mit)geschaffen, verbreitet und ausgeschmückt haben, sondern auch die Sittlichkeit in die Religion und in die vielen griechischen Gesellschaften gebracht haben. Das gilt von der Frühzeit bis zur Neige des klassischen 4. Jahrhunderts. Ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts trägt nicht mehr die Dichtung allein die Bürde um die Sorge der Sittlichkeit in der Gesellschaft; sie wird zunehmend von der erstarkenden Philosophie unterstützt und dann mit dem Verebben der klassischen Dichtung (Tragödie und Komödie) von der Philosophie ganz abgelöst. – Bisher kaum erwähnt wurde hingegen, dass auch das Recht der Hellenen, sobald es sich aus dem Verband mit der Religion – dem nomologischen Wissen – gelöst hatte, in hohem Maße zur Sittlichkeit auf allen Ebenen der Gemeinschaft beitrug; in Haus und Familie ebenso wie im Dorf, in der Polis und im politischen Leben. Politik und Recht wurden mit den Problemen der Gesellschaft hautnah konfrontiert. Deshalb begann in diesen Bereichen in einem ständigen Hin- und Herschwanken zwischen trial and error der Kampf um die Sittlichkeit in Recht, Religion und Gesellschaft, den jede Gemeinschaft – bis heute – immer wieder auszutragen hat. Seit jeher verstanden Religion und Recht, Philosophie und Dichtung den Begriff ‚Sittlichkeit’ weit – was meist ungesagt bleibt, und auch meiner Arbeit muss ein solches Verständnis zugrundegelegt werden. Alle gesellschaftlichen Kräfte wurden eingebunden, denn die Sittlichkeit betraf nicht nur religiöse Fragen, sondern alle gesellschaftlichen Bereiche, vor allem auch Politik, ‚Soziales’, Kultur und Wirtschaft.1434 Ich denke dabei etwa an die schon von Solon geübte und von Platon fortgeführte Kritik an der Dichtung seiner Zeit.

1433 Wilamowitz’ anschließende Polemik gegen rechtliche Gleichheit zeigt, dass er diese Gleichheit vor dem Recht und/oder Gesetz noch nicht verstanden hat oder vielleicht auch nicht akzeptieren wollte. 1434 Vielleicht könnte man hier ansetzen, um die Politik und andere Gesellschaftsbereiche zu erneuern. – Zum Begriff ‚nomologisches Wissen’ ua. in Kapitel II 9: ‚Solons Grundgedanken.

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Mit dem aus der Gesellschaft stammenden ‚Moralitätsschub’ für die Religion – Dodds spricht anschaulich von der „moral education of Zeus“1435 – verbindet sich ein gesellschaftlicher, der nunmehr mit göttlicher Autorität versehen ist und beide Bereiche in ihren Zielen stärkt; den primären irdischen und den davon abgeleiteten göttlichen. Religion und Recht stützten sich danach gegenseitig ab.1436 Nicht außer Acht bleiben soll, was Walter F. Otto1437 – betreffend den Unterschied zwischen Göttern und Menschen im antiken Griechenland – betont: „Wer die Größe dieses Unterschieds zwischen Menschen und Göttern bedenkt, kann sich nicht wundern, wenn das Dasein der Götter in vielen Stücken einem andern Gesetze folgt als das der Menschen. Das ist es, was das engherzige Urteil hervorgerufen hat, dass es um die Sittlichkeit der griechischen Götter bedenklich stehe.“

Dieses Ergebnis ist gerade heute wieder aktuell, zumal das Verhältnis von Moral und Recht seit Kant als problematisch – im Sinne einer notwendigen vollständigen Trennung – eingeschätzt wird.1438 Was immer wieder, bis heute, in kurzsichtiger Weise als Fortschritt gilt, nämlich die völlige Trennung der beiden Bereiche, stellt in Wahrheit einen Rückschritt dar, der fatale Folgen nach sich zog; nämlich den Verlust der Werte im Recht.1439 – Dabei scheint es für das antike Griechenland charakteristisch gewesen zu sein, dass Religion und Recht – trotz der frühen Ausdifferenzierung – lange gesellschaftlich-normativ verbunden blieben.1440 Das äußerte sich in der Pflicht zur Teilnahme des Einzelnen an religiösen Feiern und kultischen Festen und an der zunächst formal ausgerichteten Pflicht zur Befolgung von Gesetzen, vor allem aber am politisch-religiösen Straftatbestand der asébeia/‚TzCFJB. (Zu) Lange blieb das gesellschaftlich-

1435 1951/1961, 33. – Zur Kritik von Lloyd-Jones (1971) an seinem Lehrer E. R. Dodds bei Anm. 1203. 1436 Dazu auch Kapitel IX 4. Dort zu W. Burkert (1998) und seiner Einschätzung des Naturrechtsdenkens bei Aristoteles und der frühen Entstehung von Religion und Recht. 1437 1929/20029, 310 f. – Dieses Credo Walter F. Ottos, das Lloyd-Jones (1971) seinem Buch als Motto vorangestellt hat, führt aber in der alten Streitfrage nicht weiter, ob „religion and morality were wholly separate [in their origins]“ (1971, 1); dazu bei Anm. 1203. Denn Ottos schöne Formulierung entscheidet nicht, ob die Religion/die Götter eine gesellschaftliche Schöpfung (menschliche Wunschprojektionen) sind oder nicht. Diese Formulierung enthält mithin eine petitio principii. 1438 Dazu mein Beitrag in: Barta/Palme/Ingenhaeff (1999). Dort untersuche ich die unterschiedlichen Auffassungen von Martini und Zeiller (im Rahmen der Geschichte der österreichischen Privatrechtskodifikation). – Zur Gesellschaftsmoral sollte es wie erwähnt für Religion und Recht keine ‚getrennte Buchhaltung’ geben. Kants Weg, dem Zeiller in Österreich unkritisch gefolgt war, erweist sich nachträglich als Irrweg; eröffnet ein vollständiges Trennen von Recht und Moral doch zwangsläufig das Entstehen gesellschaftlicher (Wert)Diskrepanzen, ja einer Doppelmoral. 1439 Vgl. auch Dodds 1951/1968, 31 ff. 1440 Allgemein Dodds 1951/1968, 28 ff (From Shame-Culture to Guilt-Culture) und 179 ff (Rationalism and Reaction in the Classical Age).

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rechtliche von einem unbestimmt göttlich-kultischen Verständnis überlagert. Das lehrt uns noch der Prozess gegen Sokrates, der letzte in einer Reihe von Asebie-Prozessen gegen ‚Querdenker’. – Der gesellschaftliche Einfluss der von der gesamten Gesellschaft mitgetragenen Religion im antiken Griechenland war stärker, als er oft eingeschätzt wird, und er hielt zudem lange an, was E. R. Dodds im Kapitel ‚Rationalism and Reaction in the Classical Age’ seines berühmten Buches anschaulich herausgearbeitet hat.1441

Heroenkulte und Rechtsentwicklung? Als Heros/A)SPK1442 bezeichnete man ursprünglich nur herausrausragende Persönlichkeiten: Mythische Helden, Städte- oder Koloniegründer oder Gesetzgeber (wie Lykurg).1443 Aber auch der Kult vornehmer Toter, die man in großen (Kuppel)Gräbern bestattete, konnte sich „über den Ahnen- und Sippenkult hinweg zum Heroenkult auswachsen“.1444 Erst im Hellenismus wird es üblich, „auch unbedeutende Persönlichkeiten zu Heroen zu erheben“.1445 Wilamowitz-Moellendorff zählt den Heroenglauben zu den „wichtigsten religiösen Strömungen“, die zur Entstehung der „panhellenischen Religion in Glauben, Kultus und Mythos geführt haben“, obwohl diese Strömungen „eine Weile nebeneinander hergegangen sind, sich auch freundlich und feindlich berührt und gekreuzt haben“:1446 Den ‚Vortritt’ habe aber „unbedingt der Heroenglaube, denn er ist im Mutterlande erwachsen, schon vor dem Eindringen des [homerischen] Epos, das ihn dann befördert; aber eben dadurch ist er etwas ganz anderes geworden als der Glaube an die körperlose Seele [vertreten von Mysterienkulten, der Orphik und dem Pythagoreismus]. Schachtgräber und Kuppelgräber in der Argolis beweisen dauernden Totenkult der Fürsten; dann wird man ihnen auch ein dauerndes Herüberwirken in diese Welt zugetraut haben.“1447

1441 1951/1968, 179 ff. 1442 Dazu auch bei Anm. 1028. – Grundlegend Farnell (1921), ferner: Wilamowitz 1959 3/1973, II 8 ff und Burkert 1977, 312 ff. 1443 Bruck 1926/19702, 216 ff mwH. 1444 Nach Meuli 1946b, 209 f wurden sowohl Speisungsopfer, als auch sogenannte Vernichtungsoder Brandopfer „von den Toten auf die Heroen und chthonischen Mächte übertragen“. 1445 Zum Kult der epischen Heroen (Achilleus, Diomedes, Aias, Peleus, Neoptolemos, Agamemnon, Menelaos und Helena, Alkinoos, Idomeneus, Odysseus, Hektor, Kassandra, Ödipus, Theseus uam.): Farnell 1921, 280 ff. – Zu Zusammenhängen zwischen dem Heroenkult und der Entwicklung des Dramas: E. Buschor 1953/1979, Aischylos I 284. 1446 19593/1973, II 8. 1447 Farnell 1921, 19 ff unterscheidet sieben Typen von Heroen. – Zum Wandel der griechischen Jenseits- und Seelenvorstellungen (bis zum Hellenismus): Bruck 1926/19702, 207 ff, zu der sich mit der Heroenvorstellung überlagernden griechischen EBeNXO-Idee 212 ff (insbesondere 218 ff). Hier beont Bruck auch „starke Ähnlichkeiten“ zwischen der griechischen EBeNXO-, der ägyp-

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Für Hesiod1448 sind Götter und Menschen noch von gleicher Abstammung, wenn sie auch unterschiedliche Wege gegangen sind; beide sind erdgeboren. Hesiod beschreibt die aufeinanderfolgenden Göttergenerationen und die mehreren Menschengeschlechter, die durch Verfehlungen oder Missgeschick immer tiefer sanken (Verfallsthese). Das den Menschen vorangehende vierte Geschlecht der Heroen zeichnete sich durch Mut und Tapferkeit aus – rieb sich aber im Kampf um Troja oder vor Theben auf und verschwand, wurde unsterblich und erfreute sich eines glückseligen Lebens im Elysium. Der gestürzte Kronos war dort König. – Homer hatte noch strikt zwischen Göttern und Heroen unterschieden, und Burkert1449 bezeichnet diese „Trennungswand [… als] undurchlässig: kein Gott ist Heros, kein Heros Gott“. – Pindar1450 wiederum unterscheidet – eher in der Nachfolge Homers stehend – drei Arten von Lebewesen: Götter, Heroen und Menschen. – Lediglich Dionysos und Herakles durchbrechen diese Trennung – und bei ihnen war die Unterscheidung zwischen Heroen und Göttern unsicher,1451 auch wenn grundsätzlich galt: „Wer gestorben ist, ist kein Gott; wer in der Erde, im Grabe wohnend verehrt wird, muß ein Mensch gewesen sein, freilich am ehesten ein Mensch jener ‚größeren’ Vorzeit. Die Götter sind als exklusive Gruppe in einen idealen Olymp emporgehoben; was übrig blieb, fiel unter 1452 die Kategorie der ‚Halbgötter’.“

• Zur unklaren Etymologie des Wortes héros ist nach Burkert1453 neben der homerischepischen Verwendung des Wortes ieS als Held, noch ein späterer Sprachgebrauch zu unterscheiden, nach welchem Heros ein Toter sei, „der von seinem Grab aus im Guten oder Bösen mächtig wirkt und entsprechende Verehrung fordert“. – Von den archäologischen Spuren her sei der äußerliche, kultische Aspekt klar zu fassen: Heroenkult bedeutet danach „Heraushebung eines einzelnen Grabes, das dann ‚Heroon’ heißt, aus den üblichen Bestattungen durch Abgrenzung, Opfer und Weihgaben, gegebenenfalls auch durch einen besonderen Grabbau“, wobei Prachtbauten erst [wieder?] in hellenistischer Zeit üblich geworden seien. „Durch Kult ausgezeichnete Heroengräber sind seit dem letzten Viertel des 8. Jhs. nachweisbar: da gibt es einen Kult des Agamemnon in Mykene und auch in Sparta, einen Kult des Menelaos und der Helena in Sparta, der ‚Sieben gegen Theben’ bei Eleusis. Offenbar hat man damals alte Gräber gleichsam wiederentdeckt und bekannten

tischen Ka- und Ba-Vorstellung und der iranischen frawashi. Die Frage von ‚Entlehnungen’ oder allfälligen ‚Befruchtungen’ lässt Bruck aber weitgehend offen; dazu (insbesondere zu Ägypten) in Kapitel II 17: Ma’at und Eunomia. Er unterstreicht aber ‚Wechselwirkungen’ zwischen der persischen und der ägyptischen Religion. 1448 Werke und Tage 108 ff. 1449 1977, 315. 1450 Olympier II 1. 1451 Vgl. R. Parker 1986/2001, 308 und Burkert 1977, 315. 1452 Burkert 1977, 314. – Eingehend zu Herakles: Farnell 1921, 95 ff, 146 ff, 155 ff. 1453 1977, 312 ff.

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‚Heroen’ des Epos zugeschrieben. Die Gräber der ‚Sieben’ sind in Wirklichkeit helladische Gräber […]“.

• Burkert lehnt Nilssons These ab, wonach der Heroenkult eine unmittelbare Fortsetzung des mykenischen Totenkultes gewesen ist, weil das „nach dem archäologischen Befund nicht zu halten“ ist. Er zieht daraus den Schluss, dass die „Heroenverehrung seit dem 8. Jh. unmittelbar auf den Einfluss der epischen Dichtung zurückzuführen“ ist, was aber 1454 Der Heroenkult wurde aber durch mittlerweile ebenfalls wieder in Frage gestellt wird. das Homerische Epos zweifellos gefördert. Dadurch ist es nach Burkert zu einem Zurückdrängen des „normalen Totenkultes“ gekommen. Der Bestattungsaufwand nimmt ab und 1455 sogar gesetzlich eingeschränkt. An die Stelle der „Leichenwird später durch Solon spiele für adelige Herren treten die institutionalisierten Agone der Heiligtümer, ‚zu Ehren’ eines dazu ernannten Heros“. Die Bedeutung der einzelnen Familie sinkt zugunsten von Veranstaltungen, die alle an Ort und Stelle Anwesenden angehen: „In der Tat ist der Heroenkult kein eigentlicher Ahnenkult: es geht um die wirksame Präsenz, nicht um die Kette des ‚Blutes’ in den Generationen, auch wenn natürlich Stammväter heroische Ehren erhalten können. Wie seit etwa 700 das Polis-Heer, die Hopliten-Phalanx an Stelle der adligen Reiterei bestimmend wird, so wird der Kult der gemeinsamen ‚Heroen des Landes’ 1456 zum Ausdruck der Gruppen-Solidarität.“

• Üblicherweise erhält ein Heros jährlich, an einem bestimmten Tag, seine Tote1457

nopfer/enagísmata/yOBHeTNBUB. Die dabei gefeierten Feste werden auch sehr prunkvoll begangen; Burkert nennt das Aias-Fest auf Salamis und fügt hinzu: „So kann man die nachwachsende Generation an die Welt der Toten und die von ihnen ausgehende ver1458 sind Heroen „ortsgepflichtende Tradition binden.“ – Im Unterschied zum Götterkult bunden“ und wirken „im Umkreis [ihres] Grabes für [‚ihre’] Familie, Gruppe oder Stadt“: der „Heroenkult ist ein Zentrum ortsgebundener Gruppen-Identität“. „Die Götter sind fern, die Heroen sind nah.“ Anders als bei den Göttern war die Zahl der Heroen „nie endgültig fixiert“. In neu angelegten Städten und Kolonien wird der Gründer häufig zum Heros Ktístes, der meist auf der Agora bestattet wird; Burkert erwähnt Battos von Kyrene und Brasidas von Amphipolis. Damit entstand ein Zentrum des „glückhaften und verpflichtenden Anfangs“. Solche Überlegungen bestimmten auch die Phylenreform des Kleisthenes, die zehn neue Phylen/Stämme künstlich schuf, jede Phyle nach einem Heros 1459 – Auch die Athenischen benannte und auf der Agora zehn Heroa angelegen ließ.

1454 Vgl. bei Anm. 1476: G. Lorenz. – Auch für Wilamowitz 1959³/1973, 8 ist der Heroenkult älter als die Homerischen Epen, doch nimmt auch er beträchtlichen Einfluss durch Homer an. 1455 Dazu in Kapitel II 10: Verbot von Begräbnisluxus. 1456 Burkert 1977, 314. 1457 Zum Vergleich des Heroenkultes mit dem christlichen Heiligenkult: Burkert 1977, 318. – Zum Totenopfer auch: Farnell 1921, 353 ff. 1458 1977, 316 ff. 1459 Burkert 1977, 316 verweist ua. auf Kron (1976). Er betont ferner, dass dies kein „bloßer Verwaltungsakt“ gewesen sei.

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Gymnasien hatten ihre Heroen: die Akademie Hekademos, das Lykeion Lykos und das 1460 Gymnasion Kynosarges Herakles.

Auch in der Neuzeit gab es zahlreiche Versuche, die Heroen zu erklären und zu verstehen.1461 Von Interesse ist insbesondere, ob dieses halbgöttliche Geschlecht, dessen Angehörige für Familien, Städte und andere gesellschaftliche Einrichtungen als Vorbilder, Leitfiguren und ruhmvolle – wenn oft auch nur fiktive – Ahnen dienten, und die von ihm verkörperten Werte auch für Recht und Politik bedeutsam war.1462 Schon die Zahl der Heroen war beeindruckend;1463 alleine in Attika „several hundred heroes are known“:1464 „[…] some have names and even legends, while others are identified merely as ‚the hero beside the salt-pit’ or the like. (In such a case it was presumably the existence of a conspicuous tomb that evoked the cult.) These heroes of cult were not identical with the heroes (this is Homer’s word) of epic poetry, Achilles, Odysseus, and the rest, but the classes were not altogether distinct. Many of the poetic heroes did receive cult, and one reason for worshipping heroes must surely have been the feeling that they had been beings such as Homer desribed, stronger and altogether more splendid than the men of today. Large Mycenaean tombs, visible tokens of an ampler past, were often centers of hero-cult.”

Am Ende des 6. Jahrhunderts wurde der Heroenkult durch die Reformen des Kleisthenes (508 v. C.) politisch enorm aufgewertet. Athen kreierte damals für jede der neugeschaffenen Phylen einen Gründungsheros, und für diese politisch geschaffenen Phylenheroen wurden Kulte und Opfer eingerichtet: „Die Polis intensivierte also die Kultpraxis und damit auch die Relevanz der identitätsstiftenden Mythen. Einzelne selektierte Ereignisse, deren Relevanz für das Weiterbestehen oder Gedeihen der Gemeinschaft besonders intensiv erfahren wurden, rückten zu Leitmotiven auf, die 1465 zitierfähig wurden, so etwa die Schlacht bei Marathon für die Polis Athen.“

1460 Zu Herakles: Burkert 1977, 319 ff. 1461 Vgl. etwa: Eliade 1978, I 262 ff uH auf Rohde (1893/18972), Usener (1896), Foucart (Le culte des héros chez les Grecs, 1918), Eitrem (in: RE VIII 1 ‚Heroes’, 1912), F. Pfister (Der Reliquienkult im Altertum, Giessen, 1910/12), Farnell (1921) oder Nilsson (1950 2) und derselbe (1941/19552), Rose (Gods and Heroes of the Greeks, London, 1957), Kerényi (Greek Heroes, London, 1959) uam. – R. Parker 1986/2001, 308 f sowie Burkert 1977, 312 ff und Wilamowitz 1973, II 8 ff. 1462 Für welche Werte Götter oder Heroen standen, ist für uns nicht immer einfach auszumachen; dazu später nach Anm. 1468. 1463 Das hing nach R. Parker (1986/2001, 308 f) auch damit zusammen, dass einzelne Dörfer oder Verwandschaftsgruppen ein ausschließliches Recht auf einen Heros beanspruchen konnten und eine panhellenische Bedeutung von Heroen, wie etwa bei Herakles, eher die Ausnahme war: „Thus hero cults were the best focus for particular loyalties; and heroes were in general the great local helpers, particularly in battle, their natural sphere.“ 1464 R. Parker 1986/2001, 308. 1465 Flaig 2005, 230 f verweist auf Hölkeskamp 2001, 329 ff und Flashar 1996, 63 ff. – Grundle-

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Erst in dieser Zeit – also relativ spät – entstand nach Flaig auch der Mythos von der Erdgeborenheit (= Autochthonie) aller Athener und machte alle Bürger zu Verwandten: „Die Athener waren Brüder, weil sie alle von einem erdgeborenen Heros abstammten. Die demokratische Polis repräsentierte sich nicht ohne Grund als Abstammungsgruppe: Die Erdgeborenheit ist das egalitäre Gegenstück der adligen Genealogien, welche immer zu Göttern und Halbgöttern hochführten. Solche adligen Genealogien suggerieren extreme, weil in der Natur verankerte, Ungleichheit zwischen Menschen. Im Mythos der Erdgeborenheit dagegen gehören sämtliche Bürger einer Stadt derselben Abstammungsgruppe an; diese gemeinsame Genealogie bezeugt, dass sie von Natur aus gleich sind, und garantiert, dass sie darum innerhalb des Bürgerverbandes als politisch Gleiche gelten.“

Dadurch wird deutlich, dass Heroenkulte nicht nur die religiösen Werte und die familiär-verwandtschaftlichen Bindungen zu stärken vermochten, sondern dass sie auch wichtige politische, das gesamte Gemeinwesen umfassende Aufgaben der Orientierung1466 übernehmen konnten, wobei sie die Politik zu unterstützen in der Lage waren. Dies war möglich, weil im alten Griechenland Religion und Gesellschaft/Politik seit jeher ein soziales Amalgam bildeten. Heroen verkörperten kulturell-zivilisatorische oder auch politische Anfänge und fungierten als Ahnen, Städtegründer, Kolonisatoren, Ahnherrn von Völkern, Familien und bestimmten Gegenden (‚Autochthone’), aber auch als Gründer politischer Institutionen und von Erfindungen: sie gaben Gesetze, ermöglichten einen ‚verfassungsmäßigen’ Neubeginn oder regelten das Leben in den Poleis, brachten die Schrift, die Kriegskunst oder den Gesang – auch herausragende Athleten wurden heroisiert. – Obwohl Heroen nicht wie die Götter unsterblich1467 gedacht wurden, wirkten sie (auf besondere Weise) über ihren Tod hinaus durch ihre Gräber, Kenotaphe und Reliquien. Ihre Gebeine wurden sogar in den großen Heiligtümern aufbewahrt; etwa im Zeustempel von Olympia (Pelops) oder im Apollontempel von Delphi (Neoptolemos). An ihren Gräbern wurde geopfert, es enstanden Kulte. • Die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften stehen oft in auffallendem Widerspruch zu der ihnen erwiesenen Verehrung, denn Heroen sind immer wieder gewalttätig und ihr sexuelles Verhalten ist oft inzestuös, „exzessiv oder abwegig: Herakles schwängert in einer einzigen Nacht die fünfzig Töchter des Thespios, Theseus ist seiner zahlreichen Vergewaltigungen wegen berüchtigt (Helena, Ariadne usw.), Achilles raubt Stratonike“ usw. Nach Eliade erinnern diese „monströsen Züge“ und Abwegigkeiten an das „Fließende der ‚Ur’Zeit, als die ‚Welt der Menschen’ noch nicht erschaffen war“. Denn diese Missbräuche al-

gend schon Nilsson 1951/1986, zur Ionischen Phyle Appendix I, zu den Phratrien Appendix II. 1466 Vgl. Flaig 2005, 233. 1467 Im Heroenkult steckt auch etwas vom menschlichen Wunsch nach Unsterblichkeit, der auch eine juristische und politische Seite hat; dazu mein Vortrag 2004c, 7 ff insbesondere 33 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

ler Art – Heroen begingen auch Sakrilege, beleidigten die Götter und legten immer wieder maßlose Hybris an den Tag – hätten das Schöpfungswerk hervorgebracht, das die Welt der Menschen ermöglicht habe; in ihr seien aber alle diese Ausschreitungen und Exzesse 1468 untersagt.

• Die Heroenverehrung und die damit verbundene ethisch-moralische Wertumsetzung wirkt auf uns teilweise befremdlich: Während wir heute verehren, was uns als Vorbild verehrungswürdig erscheint, traf das auf Heroen nur eingeschränkt zu. Für Burkert macht das 1469 Die Heroen standen nämlich – das zeigen gerade her„Außerordentliche“ den Heros. ausragende Erscheinungen wie Herakles – oft außerhalb der Normen der menschlichen Moral. Sie erschienen offenbar (auch) insofern als Wertstabilisatoren, als ihr Verhalten die Menschen zu einer Art ‚Umkehrung der Werte’ animieren und an ihre bloße Menschlichkeit (und damit Andersheit) erinnern sollte. Waren die Heroen selbst immer wieder maßlos, gewalttätig, inzestuös oder gotteslästerlich, erinnerte ihr Kult die Menschen daran, Fehlverhalten wie Hybris und Ate zu meiden, keine unerlaubte Gewalt anzuwenden, sich bei gleichzeitigem Respekt vor Verwandschafts- und Schwägerschaftsbeziehungen sexuell maßvoll zu verhalten und stets gottesfürchtig zu sein. Es fand also – unter Anwendung eines Begriffs aus der Psychoanalyse – eine Art Verkehrung ins Gegenteil – ein Abwehrmechanismus, durch den aber die Bedeutung menschlicher Werte, vor allem auch die Bedeutung der Regeln des Rechts für das Zusammenleben der Menschen und die Bedeutung der Institutionen, die diese Werte behüten und schützen, geradezu verstärkt in Erinnerung gerufen und nachhaltig betont wurde. Auffallend ist dabei, dass die Heroen mit roher Kraft und Gewalt vorgehen und dass sie in ihrem Tun patriarchal-männlich-sexuell geprägt sind, wobei dies der Bewunderung offenbar keinen Abbruch tat.

Das Entstehen von Heroenkulten und der olympischen Religion ist ab dem 10. Jahrhundert anzunehmen; größere Bedeutung kam ihnen aber erst ab dem 8. und 7. Jahrhundert zu,1470 auch wenn manche religiöse Vorstellungen aus mykenisch-minoischer Zeit stammen.1471 – Eine nüchterne Bilanz zieht Wilamowitz:1472 „Von den Fürsten der Argolis sehen wir, dass sie die Kulturformen der Kreter übernommen, keine Gotteshäuser gebaut, sondern Kulträume in ihren Palästen angelegt haben. Das geschah also nicht für das Volk; von seinem Kultus wissen wir nichts. Die ganze äußere Kultur ist in Hellas so sehr zugrunde gegangen, dass hier nicht einmal ihr Gedächtnis dauerte. Die Aus-

1468 Eliade 1978/1992, I 265 ff. 1469 1977, 318. 1470 R. Parker1986/2001, 311. – Auch dazu G. Lorenz 1996, insbesondere 45 ff, wo er auch (uH auf P. W. Haider) für eine „eher späte Datierung“ der homerischen Epen plädiert; dazu Kapitel VI 4: Die homerische Gesellschaft. 1471 Dazu Burkert 1977, 34 ff, insbesondere 88 ff (Die ‚Dunklen Jahrhunderte’ und das Problem der Kontinuität) sowie R. Parker 1986/2001, 309 ff. Vgl. auch Wilamowitz, 1959³/1973, I 115 ff. – Eliade behandelt dieses Problem nicht. – Literarische Belege bei G. Lorenz 1996, 23 ff. 1472 1959³/1973, I 115.

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Heroenkulte und Rechtsentwicklung?

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wanderer haben mit der Heroengeschichte dieses bewahrt, aber die äußere Kultur gänzlich eingebüßt. Das spricht wenig dafür, dass hier oder dort der kretische Glaube und Kultus sich dauernd erhalten hätte.“

G. Lorenz lehnt die Vermutung, es habe einen durchgehenden Heroenkult gegeben, zunächst ab, lässt die Frage später aber offen.1473 Er meint,1474 dass neben einer Gruppe von Heroen und Heroinen, der „vermutlich ein höheres Alter zukommt“, eine andere stehe, die „das Signum einer späten Entstehung an sich tragen“. Dem Anschein zum Trotz gebe es „eine Anzahl von Heroinen mit großer religiös-kultischer oder mythisch-literarischer Bedeutung“ und es werde schon lange vermutet, „dass sich darin die große Bedeutung weiblicher Gottheiten in der minoisch-mykenischen Kultur“ reflektiere. Eine erste Beurteilung habe ergeben: „An jenen Stätten der Heroenverehrung, die dem archäologischen Befund zufolge an alte Siedlungen und Kultplätze anknüpfen, sind die Heroinen als Inhaber wohl in der Überzahl.“

Erst die Dichter der archaischen Zeit hätten „mehr oder minder spontan männliche Repräsentanten für Völker und Orte“ imaginiert, „weil auch die Legitimierung von Ansprüchen eben primär in der männlichen Linie erfolgte. Der Einbau weiblicher Linien diente offenbar nur da und dort einer genealogischen Verknüpfung, die erfolgte, als schon ein gewisser Kanon von Abstammungs- und Erblinien in männlicher Deszendenz vorlag“. Lorenz geht nicht auf das „Ende oder das Auslaufen“ der Kulte ein. Meines Erachtens gibt es dafür mehrere Gründe: - schwindender Götterglaube (ein Prozess, der die Heroen einbezog); - zunehmende politische Bedeutungslosigkeit des griechischen Stammlandes; - Kultur und Wissenschaft treten allmählich an die Stelle von Religion, Kultus und Politik; - in hellenistischer Zeit schließlich wird der Kult auf die Herrscher der Diadochenreiche übertragen, nachdem Alexander diese Entwicklung vorweggenommen hatte.

Heute nimmt man eher an, dass Hesiod1475 Heroenvorstellungen in Griechenland bereits voraussetzt: „Aber als nun auch dieses [sc. das dritte, erzene] Geschlecht die Erde bedeckte, wieder ein anderes noch, ein viertes, auf nährender Erde, Zeus der Kronide erschuf, und dies war gerechter und besser, von heroischen Männern ein göttlicher Stamm [‚OESÎO ™SÈXO RFkPO HzOPK], und sie heißen Halbgötter [™NeRFPJ], Vorfahren uns auf unermesslicher Erde.“

1473 1996, 26 ff, 50. 1474 AaO 53 f. 1475 Werke und Tage, Verse 156-173. – Zitiert nach der Übersetzung von Schirnding: Hesiod (20023).

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G. Lorenz1476 bringt auch Nachweise, „um die Existenz nicht nur einzelner Heroengestalten, sondern auch des Heroenkultes vor der Abfassung der [homerischen] Epen anzusetzen“. Manche Figuren scheinen auch erst (wie einige Göttergestalten oder Wesenszüge von Göttern) – worauf schon Burkert1477 hingewiesen hat – von Homer und auch Hesiod ‚erfunden’ worden zu sein.1478 Das könnte sowohl für Eteokles und Polyneikes, Patroklos, Telemachos und Nausikaa, als auch für Agamemnon, Menelaos, Hektor und Thersites gelten.1479 – Nach der geographischen Situierung der (älteren) Heroenkulte im griechischen Siedlungsgebiet waren sie in ganz Griechenland verteilt. Nachweise für intensiven Kult finden sich ebenso in der Argolis, Messenien, Boiotien wie in Attika oder auf den Inseln.1480 Günther Lorenz1481 und David Boehringer1482 haben sich zuletzt eingehend zum (älteren) Heroenkult geäußert. Ich versuche, die vorgebrachten Argumente kurz wiederzugeben:1483 • Heroenkulte wirken identitäts-, ordnungs- und gemeinschafsstiftend für ganz unterschied1484

liche soziale Gruppen: – „Heroenkulte dienten der Identitätsstiftung: der gesamten Polisgemeinschaft, ihrer Unterteilungen (wie der Phylen und Demen), aber auch der noch kleineren Opfergruppen. In spätgeometrischer und archaischer Zeit dienten sie jedoch auch ‚vorstaatlichen’ und ‚außerstaatlichen’ sozialen Gruppen“.

1476 1996, 23 ff. 1477 1977, 312 ff. 1478 G. Lorenz, aaO 38. 1479 Zu Prometheus als Kulturheros bei Aischylos: Eliade 1978/1992, I 238 ff; zu Prometheus als Projektionsfigur des antiken Fortschrittsdenkens E. R. Dodds (1973b). 1480 Man vergleiche die Karten 1-3 bei Boehringer 2001, 49, 133, 245. Boehringer beschränkt sich auf Attika, die Argolis und Messenien. 1481 (1996). – G. Lorenz gibt aaO 48 f ‚Merkmale’ für die Annahme einer ‚Heroengestalt’ an und nennt Beispiele: Ariadne, Helena, Pasiphae, Phaidra, Menelaos, die Dioskuren Kastor und Polydeukes, lat. Pollux (dazu Burkert 1977, 324 ff), aber auch Iphigenie, Erechtheus/Erichthonios, Herakles, Asklepios (Burkert aaO 327 ff) und Perseus ua. – Eingehend zu den Dioskouren: Farnell 1921, 175 ff und zu Asklepios 234 ff. Zu Asklepios auch oben bei Anm. 1237 f: K. Kerényi (19562). 1482 (2001). AaO 1: „Jede Zeit schuf und schafft sich ihre eigenen Heroen“ und Heroenkulte müssen als „zeitlich bedingtes Phänomen aufgefasst werden“. Zu ‚Olympiern und Heroen’ vgl. auch Eliade 1978/1992, I 245 ff. 1483 Die folgenden Kriterien sind G. Lorenz’ (aaO 20 ff) und Boehringers Arbeiten entnommen, ergänzt durch Eliade 1978/1992, I 262 ff und Burkert 1977, 312 ff sowie Flaig 2005, 215 ff. Boehringer betont, dass die von ihm untersuchten Regionen „charakteristische Unterschiede zwischen den Heroenkulten“ von Region zu Region und sogar innerhalb einer Region hervorgebracht hätten. Das betrifft insbesondere den Anschluss dieser Kulte an „eine Bestattung“, also den Toten- oder Ahnenkult. 1484 Zusammenfassend Boehringer 2001, 372.

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Heroenkulte und Rechtsentwicklung?

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• Boehringer1485 erklärt die Entstehung von Heroenkulten nicht aus dem Glauben an die olympischen Götter, sondern aus der Existenz „sozialer Eigengruppen“: „Das Auftauchen der Kulte, ihre Veränderung, wie sie die Archäologie zeigt, und ihr Ende werden historisch als das Verhalten der Kultgruppen im Rahmen der Polisentstehung interpretiert.“ – Das rückt nicht nur Heroenkult und Polisentstehung eng aneinander, sondern auch beide in die Nähe von Recht, das ebenfalls eine bedeutende Rolle im Rahmen der Polisentstehung spielte, indem es wichtige Ordnungsstrukturen schuf und trug, während Religion und Kult primär sinngebend waren. Beide Bereiche dienten daneben der Pflege von Gemeinschaft und zwar ihrer Bildung und Erhaltung. Recht, Polis und Kult dienten darüber hinaus auch einem fundamentalen menschlichen Schutz- und Sicherheitsbedürfnis in frü1486 – Ich meine, dass man generell für Heroenkulte und hen gesellschaftlichen Einheiten. die Entstehung von Recht von Parallelfunktionen sprechen kann, auch wenn die Akzente unterschiedlich zu setzen sind. Das Recht beschränkt sich nämlich nicht nur darauf, Ordnungsstrukturen zu schaffen, sondern wirkt auch orientierend (in Richtung eines erwünschten und vorbildlichen Normverhaltens), identitätsstiftend (man denke an Haus und 1487 reflektiert in einem fortgeFamilie!) und gemeinschaftsfördernd; Rechtsbewusstsein schrittenen Stadium auch das Recht der anderen.

• Heroen wurden häufig außergewöhnliche Fähigkeiten und der Besitz von Zaubermitteln und wunderbaren Tieren (Gorgonenhaupt des Perseus oder die sprechenden Pferde 1488 Achills) zugeschrieben;

• Heroen standen in einem (besonderen) Nahverhältnis zu den Göttern (was tendenziell ei-

1489

ne Wertangleichung in Religion und Heroenkult förderte und beide Bereiche stärkte); dieses Nahverhältnis äußerte sich auch darin, dass den Heroen schon von Hesiod und 1490 beigelegt wurde. – An Kultorten bestand Homer das Epitheton ‚Halbgötter’ (™NeRFPJ) 1491 nicht selten auch ein Kult für eine der olympischen Gottheiten; auch die Kulte selbst schwankten mitunter „zwischen ‚Götterkult’ und ‚Heroenkult’“.

1485 2001, 372 f. 1486 Zum Entstehen von Recht und Religion und der möglichen Fundierung beider in anthropologisch-biologischen Strukturen: insbesondere Kapitel IX 3. 1487 Dazu in Kapitel VII 1: Rechtsbewusstsein/Rechtsgefühl. 1488 Vgl. G. Lorenz 1996, 20 f. 1489 G. Lorenz 1996, 22 und Boehringer 2001, 25-46. – Auf die Kohärenz der Werte, die in bestimmten Bereichen sogar (zB Haus und Familie, Stellung von Mann und Frau, Schutz Fremder etc.) ident waren, wurde schon eingegangen; vgl. Anm. 1438. Der Heroenkult fügte sich in dieses Schema einer nicht ‚getrennten Werte-Buchhaltung’ ein, ohne auf eigene Funktionen zu verzichten. 1490 So wurden die Dioskuren, die Brüder der Helena, mit und ohne ihre Schwester verehrt; Nachweise bei G. Lorenz 1996, 24. 1491 G. Lorenz 1996, 31 und 48.

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• Boehringer betont1492 die „große Bedeutung der gemeinschaftsstiftenden Funktion“ der Heroen, die auch den Philosophen (etwa Platon) bewusst gewesen sei. – Auch hier besteht eine Nähe zum Recht, denn das Recht stiftet, gleichsam als weltlicher und sichtbarer Arm von Religion und Kult, für alle Mitglieder einen unumgänglichen und zu verteidigenden Bereich von Gemeinschaft. Es vermag – gerade im antiken Griechenland, die religiöskultischen Werte als gesellschaftliche Wegweiser sichtbar zu machen (primäre Normfunktion des Orientierens), aber auch Verstöße dagegen als gemeinschaftsschädigend an1493 – Das zuprangern und zu ahnden (sekundäre Normfunktion des Sanktionierens). Recht, das selbst zu einem wichtigen Teil aus sakralen gesellschaftlichen Wurzeln entstanden ist, wird so zur normativen Schutzhülle der religiös-kultischen und der weltlichgesellschaftlichen Gemeinschaftswerte der Polis. Das erfordert meines Erachtens eine ‚Homogenisierung’ der Werte beider Bereiche. – Man denke etwa an die in Gerichtsreden immer wieder bewusst und psychologisierend eingesetzten Argumente, die Richter mögen bei ihrer Urteilsbildung bedenken, die sakrale Reinheit der Institution und der ganzen Po1494 lis zu bewahren!

• Heroen und Heroinen konnten als (Ur)Ahnen und Vorbilder an die Spitze von Familien und Institutionen gestellt und als Leitbilder für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und für die Polis als Ganzes verwendet werden.

Boehringer stützt seine Meinung auf W. Schmitz.1495 Schmitz beschreibt nach Boehringer die Entstehung der Polis „als Verdichtung und Durchdringung zweier vorher mehr neben[als mit-]einander existierender sozialer Gefüge mit sehr unterschiedlicher Zielrichtung durch Ausbildung und Verstärkung verbindender und auf gemeinsame Ziele ausgerichteter Organisationsformen“. Diese unterschiedlichen sozialen Gefüge waren einerseits die „bäuerliche Nachbarschaft“ und andererseits „adlige Hetairos-Gruppen“, wobei letztere keinen eigenen Stand ausgebildet hätten.1496 – Ein solches Verständnis erklärt nach Boehringer1497 „dass der Prozeß der Polisbildung in den drei hier untersuchten Regionen sehr verschieden war.“ Dementsprechend haben sich auch die Heroenkulte voneinander unterschieden.

1492 2001, 11 Fn 2. 1493 Dazu mein Lehrbuch 2004a, I 14 ff. 1494 Beispiele dazu in Kapitel II 4 und 5. 1495 1994/2004a. – Zu Schmitz insbesondere Kapitel II 11. 1496 Zum Mangel an einer politisch handlungsfähigen Aristokratie schon Stahl (1987); dazu Kapitel IX 7. 1497 2001, 373.

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Gedanken zur Polisbildung Ein solches Verständnis der Geschichte ruft weitere Assoziationen hervor und regt Hypothesen zur Polisbildung an: Im Rahmen der Polisbildung kam es offenbar auch – legt man einerseits für ihre Entstehung das Verständnis von W. Schmitz und andererseits für die Rolle der Aristokratie jenes von M. Stahl zugrunde – zu einer allmählichen Verschmelzung oder doch einer Annäherung oder Integration von bäuerlich-ländlichen, städtisch-bürgerlichen und aristokratischen Werten.1498 Agrarwirtschaft, allmählich sich entwickelnder Handel und auch Gewerbe standen einander anfangs fast feindlich gegenüber. Dass dieser Wandel in mehrfacher Hinsicht nicht friktionsfrei verlief, wissen wir etwa aus den Klagen Hesiods1499 und jenen des Theognis (von adliger Seite).1500 Dieser (notwendige) Integrationsprozess verläuft parallel zur Polisbildung und zur Hereinnahme von Heroenkulten1501 auf Basis der noch jungen olympischen Götterreligion, wobei nach Boehringer1502 nicht integrierbare Kulte aufgegeben oder aufgesogen wurden. – Insgesamt kam es zu einer Zentrierung dieser und weiterer – auch untereinander verbundener – gesellschaftlicher Prozesse auf die Polisbildung; im Konnex damit entstand sukzessive eine – wenn auch keineswegs homogene – Bürgerschaft. Die folgende ‚Skizze’ soll dies graphisch verdeutlichen. Sie unterscheidet folgende gesellschaftliche Partialprozesse der Polisbildung: – Bäuerlich-ländliche Bewohner und – adlige Hetairos-Gruppen (Agrarwirtschaft + See-/Handel) iSv W. Schmitz bilden allmählich die Bürgerschaft der Polis; – olympische Religion (Tempel, Feste, Kulte); – Heroenkulte; – Recht; – Institutionenbildung und – Ämter (Magistrate, Gerichte, Administration etc.) differenzieren sich allmählich auf gesetzlicher Grundlage aus. – Gemeinsame Unternehmungen förderten diesen Prozess zusätzlich: Kriegerische Auseinandersetzungen klinkten insbesondere seit Verwendung der Hoplitentechnik die Wehrverfassung in die Polis ein und belebten sie (Solon: Volksversammlung, Rat/Boulé, Volksgericht und schon früher Archontat – wann?); größere Vorhaben im Rahmen der Großen Kolonisation1503 oder die Gründung gemeinsamer Feste, Spiele und Heiligtümer tun ein Weiteres; dazu gesellen sich die wirtschaftlichen Interessen der Bauern, Aristokraten, Händler und Gewerbetreibenden.

1498 Dazu vor allem in Kapitel II 11 und Ehrenberg 19652, 32 ff (35). 1499 Das gilt der schlechten Behandlung von Bauern. 1500 Theognis 2005, 41 ff. 1501 Homers Heldendichtung und Hesiods Werke spielten dabei eine wichtige Rolle. 1502 2001, 375. 1503 Dazu Pkt. 8.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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Ein politisches Zusammenwachsen von Stadt und Land, wie es für die griechische Polisbildung charakteristisch ist, war nur auf einer – wenn schon nicht (völlig) harmonischen, so doch weithin harmonisierten Wertgrundlage möglich. Diese Wertgrundlage ließ jedoch ein fruchtbares Spannungsverhältnis zwischen Politik, Kunst, Wirtschaft und den verschiedenen Teilen der Bevölkerung bestehen. Tragödie und Komödie geben davon ein beredtes Beispiel. Die Basis entstand ganz wesentlich aus der olympischen Religion, aus dem Heroenkult und aus der durch unterschiedliche Gesellschaftsphänomene geförderten Rechtsentwicklung, die ebenfalls integrierend wirkte, obgleich sie selbst durch diese Bereiche gefördert worden war. – Die genetisch weithin parallelen Prozesse für die einzelnen Poleis verliefen zwar grundsätzlich autonom, aber nicht völlig unabhängig voneinander. Zudem bestand neben den Parallelen im religiös-kultischen Bereich ein Ausstausch von Informationen, der auch die Rechtsentwicklung umfasste.

Abb. 6: Bündelung und konzentrische Ausrichtung gesellschaftlicher Kräfte auf die Polisbildung

Nicht übersehen darf man, dass der identitätsstiftende Prozess der Heroisierung keineswegs mit dem 7. Jahrhundert abgeschlossen war, sondern weit darüber hinaus wirkte. So bemerkt Strasburger:1504 „[…] nicht nur gegen Barbaren, son-

1504 1958, zB 24.

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Die öffentlichen Epitaphien

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dern auch gegen [Hellenen hätten] […] stets und überall [zB] Athener ihr Leben für die Freiheit von Hellas hingegeben“, weshalb diese „Helden den Göttern gleichzustellen“ gewesen seien. – Das zeigt über die gesamt-hellenische Tendenz des Heroenkults hinaus auch die Anfälligkeit dieser Kulte für politische Zwecke und Historisierungen,1505 die – wenn auch auf einer anderen gesellschaftlichen Ebene – ebenso gefördert und ermöglicht wurden wie rechtliche ‚Zielsetzungen’.1506

Abb. 7: Die Polis-Zwiebel

Die öffentlichen Epitaphien Einem weiteren Phänomen, das für uns nicht unbedeutend ist, hat man – so scheint mir – bislang zu geringe Aufmerksamkeit geschenkt: den (öffentlichen) Epitaphien.1507 Sie boten eine geradezu ideale Möglichkeit, die grundlegenden

1505 Wie uns Strasburger gezeigt hat, fördern diese Kulte vor allem auch Hegemonieansprüche, zB von Athen und Sparta. 1506 Zur Wandlung des Heroenkults von einer anfänglich eher aristokratischen zu einer demokratisch-egalitären Einrichtung oben bei Anm. 1465: Kleisthenes. 1507 Vgl. dazu Kapitel II 10: ‚Solons postmortaler Persönlichkeitsschutz’ und nunmehr, in: FS M.

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Werte einer Gemeinschaft, für die auch die (neueren) Heroen und Heroinen ‚standen’ und ‚bemüht’ wurden, in Erinnerung zu rufen, sie zu akzentuieren, allenfalls auch zu modifizieren. Selbst wenn diese Werte nicht normiert waren, was häufig der Fall war, vermochten sie Akzeptanz und Geltung dieser Werte als Grundlage einer allgemeinen (auch über die einzelne Polis hinausreichenden) hellenischen Wertordnung zu betonen, obgleich der Epitaphios eine vornehmlich attische Einrichtung war. – Wir wissen, dass die geehrten Gefallenen von den Festrednern immer wieder in die Nähe von Heroen gestellt und damit zu Garanten der gemeinsamen und erhaltungswürdigen Gemeinschaftsordnung gemacht wurden. Die Geehrten hatten für die Werte der Polis ihr Leben geopfert, und ihren trauernden Hinterbliebenen durfte der Tod nicht sinnlos erscheinen. Die psychische Lage der vom Tod betroffenen Angehörigen (der Geehrten) schuf auch Bereitschaft zur Akzeptanz der Grundlagenwerte (Religion, Heroenkulte, Recht) der Polis, und die Erwachsenen reichten sie wie in Platons Fackelbeispiel an die nachfolgenden Generationen weiter. Das war offensichtlich nicht nur in Athen so, umsomehr als die Epitaphien nicht unbedingt öffentliche Begräbnisfeierlichkeiten erforderten. Der berühmte attische Rhetor Lysias ging in seinem Epitaphios zu Ehren der im Korinthischen Krieg gefallenen Athener1508 auch auf die gesellschaftliche Funktion der Epitaphien ein und erwähnt dabei, dass diese Leistungen der Vorfahren auch wichtig für die Erziehung und Bildung/QBJEFeB der Lebenden seien. – Die politische Bedeutung dieser Anlässe kam auch dadurch zum Ausdruck, dass regelmäßig die ranghöchsten Vertreter der Polis oder geladene hohe Gäste die Reden hielten.1509 – Perikles hat diese gemeinsamen Werte in seinem berühmten Epitaphios am Beginn des Peloponnesischen Krieges (430 v. C.) als ‚ungeschriebene Gesetze’ bezeichnet.1510 Wilke1511 hat die uns erhaltenen Epitaphien zusammengefasst: Neben der erwähnten Rede des Perikles kennen wir auch die des Sokrates in Platons Dialog ‚Menexenos’ (verfasst nach 393 v. C.); die des Lysias von 392/91 v. C.; den Epitaphios des Demosthenes auf die Gefallenen von Chaironeia (338 v. C.) und den Epitaphios des Hypereides auf die im Lamischen Krieg Gefallenen (322 v. C.).1512 Der Konnex von öffentlicher Sitte, öffentlichem Brauch, dem – wenn auch ungeschriebenen – Recht und der Politik, deren Aufgabe es war, für den Bestand

Binder (2010). – Allgemein zu den Epitaphien Wilke (1996); zum Zusammenhang von Heroenkult und Epitaphios: Welwei (1991). 1508 II zB 3; abgedruckt in Lysias, Reden I 20 ff. 1509 Vgl. Wilke 1996, 236. 1510 Thukydides hat diese Rede sinngemäß aufgezeichnet: II 35-46; zum umstrittenen Gehalt der Periklesreden bei Thukydides und zu dessen Periklesbild: Schubert 1994, 11 ff. 1511 AaO 236 f. 1512 Dazu Kapitel VI 4: ‚Griechische Zeittafel’.

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Die öffentlichen Epitaphien

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der Polis und ihrer Bürger vorzusorgen, ist hier besonders stark. Der Tod wirkte auch hier als Kultur- und Normgenerator,1513 wobei öffentliche Feierlichkeiten stärker wirkten als private. – Eine Grundregel dieser – erst später politisch installierten – Epitaphien, nämlich über Tote/Gefallene nur Gutes zu sagen und dadurch zum Bestand einer Gemeinschaft beizutragen, war schon durch Solon gesetzlich festgeschrieben worden, was – wie bei manchen anderen Normierungen Solons – vermuten lässt, dass bestehende Missstände behoben werden sollten.1514 Solche Missstände gefährdeten den Bestand einer Gemeinschaft. Das Umschlagen von öffentlicher Sitte und öffentlichem Brauch – die zunächst vornehmlich durch Religion und Kult geschützt waren, in Recht, wenngleich hier auch zunächst nur in ‚ungeschriebenes’, also Natur- und Gewohnheitsrecht, wird sichtbar. Damit zeigt sich aber auch – trotz der Bedeutung der öffentlichen Epitaphien vorwiegend für Athen – ein grundsätzlicher Zusammenhang der Entstehung staatlicher Normen aus den gesellschaftlichen Feldern von Religion, Kult und Politik: Die Heroen repräsentierten erwünschte und notwendige gesellschaftliche Werte und sie erlangten auf der anderen Seite häufig überregionale Verehrung und Bedeutung. Über die hellenischen Heiligtümer – zusammen mit den sie begleitenden Amphiktyonien1515 – und die gesamtgriechischen Feste und andere Gemeinsamkeiten wurden diese Werte daher zu einer allgemeinen Grundlage, aus der auch überregionale Rechtsregeln entstehen konnten. Gemeinsam mit den übrigen Faktoren trugen wohl auch die attischen Epitaphien zur Entstehung eines über Athen hinausreichenden gemeinen griechischen Rechts bei. Athen ‚exportierte’ ja nach den Perserkriegen auch seine (Rechts)Werte in weite Teile der griechischen Welt. – Daneben festigten die Epitaphien das auch von gemeinsamen Werten getragene Gemeinschaftsgefühl der Polis, und sie boten die öffentliche Gelegenheit „selbstbewusst aufzutreten“.1516 • Für G. Lorenz verbinden vielfältige rituelle Einzelzüge den klassischen Heroenkult mit 1517

dem Totenkult (Ahnenkult); so sei auch eine „Affinität zur Orakel- und Heilfunktion“ 1518 – Boehringer betont dagegen, dass es unter allen von ihm „behandelten Fälgegeben. len nur einen einzigen Kult (Eleusis) [gegeben habe], der sich an eine Bestattung

1513 Assmann (2000b). 1514 Dazu Kapitel II 10. 1515 Zum erstaunlich hohen Alter als zentrale Heiligtümer, die wahrscheinlich bis ins 10. Jahrtausend zurückreichen, vgl. Kapitel IX 3: Göbekli Tepe; ferner K. Schmidt (2006). – Wie und ob dieses Konzept zu den Hellenen gelangt ist, wissen wir (noch) nicht; wahrscheinlichlich über Mesopotamien und Ägypten. – Vgl. auch meinen Vortrag 2006 (= 2008, 1 ff). 1516 Vgl. die Zusammenfassung der Epitaphien bei Wilke 1996, 252. 1517 Wilamowitz 1959³/1973, I 37 schließt es aus, dass der Ahnenkult zum Götterglauben geführt habe. 1518 1996, 21 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

anschloß. Dabei hat es solche Fälle in anderen Regionen wie zum Beispiel auf Naxos an1519 scheinend häufiger gegeben.“ Er leitet daraus ab, dass das „Verhältnis von Totenkult und Heroenkult“ von Fall zu Fall und von Region zu Region unterschiedlich zu sehen sei und warnt daher davor, Ergebnisse einer Region auf andere Regionen zu übertragen.

• G. Lorenz betont, dass „durch die Idee der Deszendenz, der gemeinsamen Tradition oder des Vorbilds und Auftrags“ das „Gemeinschaftsgefühl“ genährt wurde; „erstrebt wurde 1520 die Zufriedenheit, Zuneigung und wohl auch der Schutz des toten Heros“.

Hatte der Heroenkult auch rechtliche Auswirkungen?1521 – Ja, und keineswegs bloß nebensächliche. Kurz: Die überaus wichtigen – und gegeneinander keinesfalls scharf abgrenzbaren Kulte – nämlich der Heroen-, der Toten- und der Ahnenkult förderten etwa die Ausbildung familien- und erbrechtlicher Regeln1522 und dienten mittelbar auch dem Schutz von gemeinsamem Besitz. Die alte Sitte des ‚Totenteils’ unterstützte das Entstehen von Individualeigentum an Fahrnis und damit die Entwicklung zum Rechtssubjekt. Der Schutz von Grund und Boden und des Oikos (als ursprünglich gemeinsames Familienvermögen) ist nicht zufällig im griechischen Rechtsdenken besonders ausgeprägt und fein gesponnen,1523 bildete der Oikos doch lange nicht nur die Keimzelle aller größeren Zusammenschlüsse, sondern auch des Toten-, Ahnen- und Heroenkults. Die Verbindung der Kulte und ihrer Funktionen – insbesondere jener, die die Gruppenidentität stärken sollten – legt die Annahme nahe, dass die diese Kulte pflegenden Gruppen sowohl ihre Familien- und Verwandtschaftszugehörigkeit als auch den Erbgang in den Familien und Verbänden klar regeln wollten. Dies förderte über das Ehe-, Familien- und Erbrecht ieS (Parentelsystem!)1524 hinaus auch die Testamentserrichtung und die Adoption.1525 Die ersten Schritte zur Entwicklung von Adoption und Testament dienten der Erhaltung des Oikos und des Totenund Ahnenkultes. Auch das sogenannte Erbtochterrecht der Epikleros1526 ebenso wie erste Ansätze von ‚Testierfreiheit’ bei Solon,1527 wenn Söhne als Erben fehlten, diente diesen Zielen. Denn nur so konnte der Toten- und Ahnenkult gesi-

1519 Dazu auch G. Lorenz 1996, 33: „Für Naxos und Eretria erscheint es vorstellbar, dass viele Generationen ein und derselben Familie Grabstätten geehrt haben, sodass aus dem einfachen Totenkult ein Ahnenkult wurde.“ Zur Entwicklung des Totenkultes zum Ahnenkult dient nach Lorenz die „Überbrückung langer Zeitspannen“. 1520 1996, 22 und in Kapitel IX. 1521 Dazu generell Kapitel II 19 und 20: E.F. Bruck. 1522 Allgemein zum Zusammenhang zwischen ‚Recht-Religion-Gesellschaft’ oben ab Anm. 983 und in Kapitel IX. 1523 Dazu schon oben in Pkt. 6 und in Kapitel II 10: ‚Gebundenes Bodenrecht’. – Zur Unterscheidung von Familienvermögen und Selbsterwerb/Individualeigentum: Kapitel II 19. 1524 Dazu in Pkt. 8 dieses Kapitels und in Kapitel II 10 und 18. 1525 Dazu Kapitel II 10 und 20: Seelgerät und VI 2: ‚Adoption und Adoptionstestament’. 1526 Dazu in diesem Kapitel Pkt. 10. 1527 Dazu in Kapitel II 10.

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Die öffentlichen Epitaphien

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chert und das gemeinsame Vermögen zusammengehalten und auf Dauer erhalten werden. Es nimmt daher nicht wunder, dass Heroenkulte nach Meinung von Historikern auch der Legitimation territorialer und anderer (Rechts)Ansprüche – etwa auf politische oder Priesterwürden – dienten.1528 Das förderte, wegen des genealogischen Aspekts der Heroenkulte, insbesondere auch Tendenzen eines Anerbenrechts.1529 Das ist schließlich für die bäuerliche Familie und ihren Erbgang und Besitzerhalt von Bedeutung, später aber auch für Handwerk, Handel und Gewerbe. – Die Endlichkeit des menschlichen Lebens und der Tod wirkten somit rechtlich nicht nur für die Oberschicht innovativ.1530 Der Tod war auch hier ein beachtlicher ‚Entwicklungsgenerator’.1531 – Der Einsatz des Heroenkultes durch Kleisthenes für die egalitär ausgerichtete Polis (Phylen- und Demenheroen) förderte insbesondere die für das politische Gedeihen des Gemeinwesens wichtigen Grundlagenwerte der Freiheit und Gleichheit, aber auch der gegenseitigen Rücksichtnahme auf- und der Verantwortung füreinander. • Zum Zusammenwirken von olympischer Religion und Heroenkulten ist noch zu sagen: Selbst wenn man mit Boehringer ein unabhängiges Entstehen beider Bereiche an1532 nimmt, durften sie einander in ihren Werten nicht völlig widersprechen. – Dies wurde durch eine wohl nicht immer bewusst vorgenommene Arbeitsteilung bewirkt: Die olympische Religion lieferte die (äußeren) Rahmenbedingungen mit Zeus als Wahrer von Recht und Gerechtigkeit und Themis, Dike, Eunomia und Eirene als Helferinnen bei diesem an1533 Die konkreten Rechtsinhalte scheinen aber – wenn auch spruchsvollem Unterfangen. nicht ausschließlich – durch die Heroen-, die Toten- und Ahnenkulte, endlich durch Bauerntum und immer mehr durch Handwerk, Handel und Gewerbe gefördert worden zu sein: Achtung und Erhaltung von Familie und Familienvermögen durch das Familien-, Erb-

1528 G. Lorenz 1996, 23 f, 40 f und 52 f uH auf Polignac (1984) spricht von Legitimationshypothese. 1529 Die monokratische olympische Religion mit Zeus an der Spitze der Götter spiegelt und begünstigte diese Orientierung. – Zum bäuerlichen ‚An’-Erbenrecht im alten Griechenland: Kapitel II 11; zur Situation heute vgl. mein Lehrbuch 2004a, II 1027. 1530 Dazu auch mein Lehrbuch 2004a, II 1002 ff. – Zu überlegen wäre, ob große und wohlhabende Familien, die Heroenkulte ausrichteten, für ihre Familien – und deren Klientel (die freilich in Griechenland nur in der Frühzeit, später aber wenig entwickelt war; s. Kapitel IX 7: ‚Zur Entstehung von Recht, Staat und Gewaltmonopol’ und schon ‚Einleitung’) – eine Art Privatgesetzgebung schufen, an denen sich Polis und Bürgerschaft orientieren konnten. Die Solonische Gesetzgebung lässt dies eher unwahrscheinlich erscheinen; dazu Kapitel II 11. 1531 Vgl. J. Assmann (2000b). 1532 So ist keine Geringere als Themis, die Titanin und Gattin des Zeus, des Prometheus Mutter; dazu Eliade 1978/2002, I 233 und 239. – Zum Konnex des antiken Fortschrittsdenkens mit Prometheus: Vgl. oben das Eingangsmotto aus Aischylos. 1533 Man sollte die starke Prägung des griechischen Rechts- und Gerechtigkeitsdenkens durch weibliche Gottheiten (die noch in der Justitia, freilich ohne nennenswerte Auswirkungen fortbesteht) nicht ganz übersehen! Ihre Weiblichkeit und Göttergestalt entstammte alten Vorstellungen von der Mutter Erde/Ge; dazu Wilamowitz 1973, I 202 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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und Sachenrecht, insbesondere den Schutz von Besitz und Eigentum. Parallel dazu begünstigte der Totenkult um Heroen (‚Totenteil’) – schon in Homerischer Zeit – auch das 1534 Mit Entstehen von Individualeigentum am sogenannten Selbsterwerb (von Fahrnis). dem Beginn der hellenistischen Epoche bildete sich – in endgültiger Ablösung des bisherigen Totenkults und der von ihm verwendeten Rechtsinstitute – die ‚Seelgerätstiftung’. Sie förderte dabei neben der Entwicklung der Rechtspersönlichkeit von Vermögensmassen auch eine ganze Reihe begleitender Rechtsinstitute wie: das (Familien)Vereins- und Verbandswesen, die Treuhand und die Testamentsvollstreckung, die Verteilungslegate, das sogenannte hellenistische Testament, aber auch zivilistische Instrumente wie die Auf1535 lage und die Bedingung.

• Die olympische Religion drang unmittelbar darauf, eine gerechte Rechts-Ordnung für das Gedeihen aller Griechen zu erstellen, steckte den Rahmen aber nur sehr locker und weit – aber doch immer wieder grundsätzlich – ab, während der konkrete Inhalt der Rechtsord1536 wenigstens nung und der einzelnen sich allmählich herausbildenden Rechtsbereiche, teilweise durch die Kulte mitbestimmt wurde, ging es doch dabei um sehr konkrete und handfeste menschliche Ziele und Absicherungen: Neben der Identitätsstiftung für die Familie und ihre Repräsentanten sind hier auch noch andere ‚Werte’ zu nennen wie Stärkung des Selbstwerts, legitimatorische Ansprüche verschiedenster Art (territoriale und sachliche Erbansprüche, Ämter, Priesterwürden etc.), Familientradition, Ahnen- und Totenkult und Besitzerhaltung in einem weiten Sinne. Die wirksame Sicherung oder Durchsetzung dieser ‚Werte’ konnte aber weder konkret im Kult, noch abstrakt in den religiösen Vorstellungen erreicht werden, sondern bedurfte einer rechtlichen Umsetzung. – Die Mittel dazu änderten sich, umfassten aber auch schon in archaischer Zeit über das nomologische Wissen und das alte Nomos-Verständnis hinaus den Thesmos und gegen Ende dieser Epoche in Kleisthenischer Zeit sogar den neuen Nomos (als staatlich und demokratischautoritativ gesetztes Recht). – Das Ergebnis dieses Prozesses waren familien-, erb-, sachen- und zuletzt auch schon schuldrechtliche, straf- und verfahrensrechtliche Regeln. Seit Solon zeigen sich Ansätze eines verfassungsrechtlichen Denkens, das die Existenz des gesamten Gemeinwesens umfasst und reflektiert und das für Griechenland und noch – Gegensatz zu Rom – für unsere Moderne bestimmend und charakteristisch werden sollte. Das wohl erst im 7. Jh. v. C. aus dem Alten Orient ‚importierte’ Steuerungsinstrument des Gesetzes spielte dabei eine wichtige Rolle.

• Noch ein weiterer – widersprüchlicher – Zug innerhalb der Kulte soll erwähnt werden. 1537

Farnell betont das erstmals mit Hesiod ein Zug in der griechischen Gesellschaft deutlich wahrnehmbar sei: „[…] this feeling of the miasma of the dead“, und Dodds konsta-

1534 Dazu Kapitel II 19: Bruck (1926/1970²). 1535 Dazu Kapitel II 20: ‚Seelgerät’. 1536 Dazu Kapitel II 6 und insbesondere 12. 1537 1921, 347 ff; Hesiod, Werke und Tage 735.

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tiert „an undeniable growth of anxiety and dread in the evolution of Greek religion“. Er hält „the notions of pollution, of purification, of divine phtonos“ für „part of the origi1539 nal Indo-European inheritance“. Das archaische Griechenland ging in der Bestattung der Toten einen anderen Weg als die Mykener, die ihre Toten innerhalb der Stadtmauern oder sogar im Wohnbereich begruben. Hellenische Gemeinschaften dagegen erließen Gesetze, „that the dead shall not be buried within the dwelling or within the city-wall“. Dieser Brauch ist nach Farnell für die Frage des Heroenkults von Bedeutung, weil er mehr vom Aberglauben und der Angst vor Geistern als von hygienischen Überlegungen bestimmt gewesen sei. Nur Sparta ging unter 1540 „intending thus to relieve them from all superstiLykurg einen gegenteiligen Weg: tious fears about the dead; therefore when we find at Sparta clear proof of the actual worship of ancestors, at least from the sixth century onwards, we must impute affection rather than fear as the ruling motive.” – Im späteren Athen sei dies anders gewesen, obwohl Platon in seinem Dialog ‚Minos’ von erlaubten Hausbestattungen im frühen Athen berichte. Ausnahmen seien durch Orakelsprüche aus Delphi aber für Städte- und Koloniegründer gestattet worden: „and the motive doubtless was that his [sc. des Gründers] friendly spirit should always abide among his people“. Ausnahmen wurden auch für die Gefallenen der 1541 – Heroenkulte hatten – neben anderen Aufgaben – die gute und Perserkriege gemacht. wohlwollende Beziehung zu Toten zu pflegen und gleichzeitig Aberglauben und Ängste vor den Geistern der Toten abzubauen. Der nach der mykenischen Epoche zunehmenden Angst sei man etwa mit dem ‚Attic All soul’s Festival’ begegnet, und Reinigungsrituale sollten das mit der Begegnung mit Toten verbundene Miasma beseitigen, das auch auf die unsterblichen Götter abstoßend wirkte: Reinigungsrituale seien entweder private Sitte, 1542 häufig aber auch vom staatlichen Gesetz vorgeschrieben gewesen. Mit der Angst vor den Geistern der Toten hängen offenbar auch jene gesetzlichen Anordnungen Solons zusammen, dass über Verstorbene nicht schlecht gesprochen werden solle: 1543 Nach der Abhandlung des Eudemos ‚Über die Seele’ sei De mortuis ni(hi)l nisi bene. 1544 es auch als Sünde angesehen worden, Tote zu belügen. Denn die Toten sind besser und stärker als die Lebenden – CFMUePOFK LBh LSFeUUPOFK. – Der jedenfalls auf Solon zurückgehende postmortale Persönlichkeitsschutz in Attika wurzelt demnach – auch – in der Angst der Lebenden vor den Geistern der Toten; daneben spielten aber wohl auch schon der Schutz und die Achtung der Gefühle der überlebenden Angehörigen gegenüber Ver-

1538 1951/1968, 44 uH auf Pfister in: RE Suppl. Bd. VI 162. 1539 Dazu Dodds 1973, 28 ff. – Nach Meuli hingegen ist die Praxis von Reinheits- und Reinigungsvorschriften keineswegs ein Kriterium bloß indo-europäischer Entwicklung. 1540 Plutarch, Vita Solonis 12. 1541 Farnell 1921, 349. 1542 Zur Entwicklung der Begräbnissitten im gesamten griechischen Kulturraum: Kurtz/Boardman (1971). 1543 Dazu Kapitel II 10: ‚Solons postmortaler Persönlichkeitsschutz’ und in: FS M. Binder (2010). 1544 Farnell 1921, 351.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

storbenen eine Rolle. Auch ein Beitrag zum Frieden in der Gemeinschaft konnte dadurch geleistet werden. Der moderne Persönlichkeitsschutz wurzelt in dieser Entwicklung. Mangels einer anderen zufriedenstellenden Erklärung für die Heroisierung von Ahnen sei anzunehmen, „that ancient genealogies of tribes and families could preserve the real names of ancestors or ‚oekists’ with whom they connected their earliest establishments: and 1545 their cult would serve to cement and preserve the social group.“

• G. Lorenz betont,1546 dass der „Vorgang der [griechischen] Ethnogenese, […], soweit es die Ausbildung gemeinsamer Vorstellungen betrifft, durch den Heroenglauben ab etwa 750 v. Chr. wesentlich unterstützt“ wurde. Der Prozess der Heroisierung schuf danach unter einem „archaisierenden Oberbegriff“ eine „Vorstellung […], die mehrere Landschaften gedanklich miteinander verband“, was schließlich „ein Netz von Beziehungen über die geistige Landschaft Griechenlands“ legte. Diese Beobachtung erscheint mir nicht nur für die Ethnogenese, sondern auch für die Rechtsentwicklung im antiken Griechenland von Bedeutung. Denn so wurde – was aber noch näher untersucht werden müsste – wohl auch das allmähliche Entstehen gemeinsamer gesellschaftlicher (Grund)Werte und eines gemeinen Rechtssystems oder doch mehrerer verwandter Rechtssysteme gefördert. Gemeinsame Götter, Heroen und ein in gesellschaftlichen Kernbereichen (Haus, Familie, Erbe, Kleros, Ehre) im Grundsätzlichen gemeinsames Recht erleichterten sowohl eine partielle als auch eine übergreifende Ethnoge1547 – In den homerischen nese, auch wenn dieser Prozess wohl besonders schwierig war. Epen liegt eine „erste großartige Bündelung dieser vielen Fäden“ des Heroisierungspro1548 „Durch ihre erklärende und verbindende Funktion und durch ihre weithin zesses vor: anerkannte literarische Ausformung in den Epen wurde sie ein wichtiges Element für die Ethnogenese und das Identitätsbewusstsein jenes Volkes, das uns in der archaischen Zeit unter dem Hellenennamen entgegentritt.“ All das begünstigte meines Erachtens auch die Entwicklung von gemeingriechischem Recht. – Delphis ‚rechtliche’ Rolle bedarf dringend der Untersuchung.

• An Festorten existierten „Heroenkult und Kult eines olympischen Gottes nicht nur neben1549

einander, sondern [sie werden…] auch direkt miteinander verbunden“. – Festort und Heiligtum werden darüber hinaus immer wieder mit Orakeln und Amphiktyonien verknüpft, was eine Steigerung auch des Ansehens und der normativen Wirkkraft dieser Stät1550 Auch R. Parker stellt den Zusammenhang der panhellenischen Spieten nach sich zog.

1545 Farnell 1921, 360. 1546 1996, 57 f. 1547 Zur Kritik an der herkömmlichen und weitverbreiteten Sichtweise griechischer Sozio- und Ethnogenese: I. Weiler 1996, 211 ff und Ulf 1996, 240 ff. – Zur (angeblich) indoeuropäischen Entwicklung schon oben ‚Gemeinsame Ursprünge von Recht und Religion – Indoeuropäische Wurzeln? 1548 G. Lorenz 1996, 58. 1549 So Ulf 1997, 49. 1550 Ulf 1997, 50 f. Das gilt insbesondere für Delphi, Olympia und Delos. Ulf bezeichnet es als

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Der Aufstieg des Geldes

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le, aber insbesondere auch den der dramatischen Kunst der Griechen mit ihrer Religion 1551 heraus.

Der Aufstieg des Geldes Alfred Heuß bringt den tiefgreifenden Wandel in der griechischen Geschichte, den der Aufstieg des Geldes noch in archaischer Zeit auslöste, mit dem Delphischen Orakel in Zusammenhang. Diese Einsicht ist auch für das Entstehen eines gemeinen griechischen Rechts von Bedeutung:1552 „Erfuhr der Mensch im Zusammenbruch der alten Formen das Vermögen eigener Initiative, so musste ihm andererseits im gleichen Augenblick klar werden, dass er eigentlich ins Ungewisse hinausgestoßen war, der Führung entbehrte und trotz seiner Kraft im Grunde ein schwaches Wesen war. Mit dem Ausgriff zur Tat war auch schon das Bedürfnis gegeben, sich irgendwo anzulehnen. In diese Spannung griff der delphische Apoll ein.“

• „Er [sc. der delphische Apoll] warf sich zu der Instanz auf, welche der griechische Mensch in seiner Not brauchte, er war der Rückhalt, den nicht zuletzt in allen politischen Entscheidungen der Grieche damals suchte. Ich kann hier nicht verfolgen, von welch eigentümlicher Art die politische Führung Delphis war, wie der pythische Apoll es verstand, die drängenden Kräfte der Zeit zu erfassen, wie er das, was nach oben drängte, im voraus formulierte, wie er einerseits dem der Stützen bedürftigen Lebensgefüge der Griechen im Ausbau des Kultus, und zwar gerade des der elementaren und alltäglichen Not besonders nahestehenden Heroenkultus, neue Streben einbaute, wie er andererseits die ‚moderne’ Staatsentwicklung durch Transposition ihrer Forderungen in das Sakrale förderte (etwa beim Ausbau des Strafrechts durch die Sühnungs- und Reinigungstheologie). […] Hier kommt es lediglich darauf an, dass er in die archaische Epoche als wichtiger geschichtlicher Willensfaktor eingegriffen hat, dass er überhaupt da war.“

• „Was kommt in dieser Tatsache zum Ausdruck? Ich glaube, die Antwort ist nicht schwierig. Delphi war einmal die überstaatliche Autorität, deren eine Zeit unfertiger Staatsbildung bedurfte. Es war nichts anderes als die notwendige Entsprechung einer historischen Situation. Die Rolle, die es in ihr gespielt hat, ist deshalb genau so bedeutsam wie die Voraussetzung, die es in den Umständen fand. Delphi ist ein wesentlicher Bestandteil innerhalb des Schemas der archaischen Zeit. Jede auch nur oberflächliche Aufzeichnung ihrer historischen Figur, besonders, was die Phase der letzten beiden Jahrhunderte betrifft, wäre ohne Delphi unvollständig und fehlerhaft.“ (Hervorhebung von mir)

das „Bemerkenswerte“ an diesem Vorgang, „dass es gelingt, die Attraktivität der Heiligtümer zu steigern, ohne selbst über besondere politische Macht zu verfügen“. 1551 1986/2001, 317. 1552 1946/1969, 92 f. – Dieser ‚Aufstieg des Geldes’ und parallel dazu der des Delphischen Orakels begann in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts und setzte sich unaufhaltsam fort.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Delphi wurde damals zu einer griechischen ‚Werteschmiede’, welche die olympische Religion mit dem Heroenkult, aber auch mit der Politik – die Kolonisierung eingeschlossen1553 – und dem frühen Recht1554 verband, und die dabei selbst in der Rolle eines interhellenischen ‚Heros’ auftrat. Auf dieser Grundlage entstanden – gefördert auch durch parallel dazu verlaufende Entwicklungen wie Polisbildung, Große Kolonisation mit dem aufblühenden Handel oder dem olympischen und überhaupt dem Wettkampf- und Festspielgedanken – erstmals die vagen Umrisse eines übergreifenden Hellenentums und damit auch erste Konturen gemeinsamer Rechtsgrundsätze. Diese Grundsätze entspringen der zentralen Rechtsidee (der Gerechtigkeit), die fest in der olympischen Götterreligion (Zeus, Themis, Dike)1555 verankert und mit dem Gesetz als Steuerungsinstrument verbunden wird. Sie umfassen den Schutz von Freiheit, bürgerlicher Gleichheit und Ehre,1556 das Fremdenrecht, das Völker(verkehrs)recht oder auch naturrechtliche Ideen, während die Politik diesen Entwicklungsschritt bis zuletzt nicht schaffte. – Es spricht alles dafür, dass der rechtliche Einfluss Delphis nicht nur in Athen Bedeutung erlangte. Bislang fehlen allerdings umfassende Nachweise – etwa im Bereich der Tötungsdelikte – für eine Zunahme der Bedeutung noch im 7. Jahrhundert oder später im Laufe des 6. Jahrhunderts im Wege eines unmittelbaren ‚Transfers’ aus Delphi oder vermittelt über das Athen Drakons. Allem Anschein nach gibt es keine Forschungsvorhaben in dieser Richtung. Das zunächst auf religiös-kultischer1557 Grundlage geschaffene – und sich erst nach und nach davon emanzipierende – Recht wurde zu einer weiteren Stütze des hellenischen ‚Lebensgefüges’ in, aber auch außerhalb der sich ausbreitenden Polisidee. – Die ‚Zeit’ der Gerechtigkeit beginnt, als das nomologische Wissen durch das Selbständigwerden von Religion und Recht seine Wirksamkeit einbüßt. Die Gerechtigkeit/Rechtsidee tritt (im Normmodell) an die Stelle des nomologischen Wissens und bewirkt wie dieses in der gesamten Gesellschaft Integration und Bildung von Werten.1558

1553 Vgl. Graham 1964, 25 ff. 1554 Zur Vorbereitung der Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Tötung durch den Delphischen Apollon: Kapitel II 4-6. 1555 Zu Themis auch in den Anm. 1330 und 1533. 1556 Dazu Kapitel II 14. 1557 Manche führen die Delphische Tötungsregelung auf schon vorhandenes Gewohnheitsrecht zurück. Man darf allerdings nicht außer Acht lassen, dass sie auf Kreta verweist; nur hinsichtlich der Reinigung? 1558 Vgl. Abb. 4 und Abb. 5.

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Einflüsse aus dem Alten Orient? Nach verbreiteter Meinung bringt die sogenannte orientalisierende Epoche1559 der griechisch-archaischen Geschichte vor allem in der ersten und zum Teil auch noch in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. C. Übernahmen aus dem Orient, darunter auch Rezeptionen von Recht. Die orientalischen ‚Elemente’ werden mit den griechischen Einrichtungen verschmolzen, integriert und gräzisiert.1560 – Der Wandel von der mykenischen zur griechisch-archaischen Kultur (nach den Dunklen Jahrhunderten) war gravierend; es änderten sich nicht nur Herrschaftsform, Metallurgie und Keramik, sondern auch Bestattungsart (nunmehr Totenverbrennung) und damit manche Vorstellung in der Religion. Allerdings finden einige der großen Göttergestalten aus mykenischer Zeit Eingang in das Pantheon der griechischen Archaik; das gilt etwa für Zeus und Hera, Poseidon, Artemis und vielleicht auch Athena und wenigstens zum Teil auch Apollon.1561 Wie Rollinger zeigt, spielte ua. Homer hier offenbar eine wichtige Rolle. Schon bisher konnten Walter Burkert1562 und andere nachweisen, dass – neben Religion und Philosophie – auch die Homerischen Epen bedeutende orientalische Einflüsse aufgenommen haben.1563 Rollinger ist der Nachweis gelungen, dass Homer auch rechtliches Gedankengut aus dem Alten Orient – konkret aus dem neuassyrischen Bereich (der wiederum selbst Übernahmen enthält) – rezipiert, mit der olympischen Götterreligion und dem Heroenkult verbunden und der griechischen Kultur auf Dauer einverleibt hat. Betrachten wir Rollingers Ausführungen kurz näher:

1559 Dieser Begriff darf zeitlich nicht zu eng verstanden werden. Auch Einflüsse über den genannten Zeitraum hinaus müssen angenommen werden. 1560 Ein unmittelbarer Nachweis solcher Einflüsse auf das griechische Rechtsdenken im 7. und 6. Jh. v. C. war bislang meist nicht möglich; vgl. nunmehr aber etwa Rollinger (2004a) und (2005b) mwH. – Eine Fülle möglicher und da und dort wohl auch wahrscheinlicher Rezeptionen wird etwa in den Beiträgen von S. Allam (2005 etc.) und H. Neumann (2005 etc.) erörtert; sie reichen vom Instrument des Gesetzes und dem Kodifikationsgedanken über Systematisierung und Einteilung von Rechtsgebieten bis hin zu Prinzipien wie dem der Publizität im Liegenschaftsverkehr oder Rechtsinstituten wie der wohl aus Ägypten stammenden juristischen Person (Gräberstiftungen etc; dazu nunmehr Allam (2007). Von Ausnahmen abgesehen, bleibt es hier aber noch bei Vermutungen und Annahmen. 1561 Zu Transfers aus mykenischer Zeit (über die Dunklen Jahrhunderte hinweg) vgl. auch Kapitel VI 4: ‚Ägäische Frühzeit und Archaik’. 1562 So insbesondere in: (2003); vgl. Anm. 105. 1563 Zur Art der Aufnahme fremder Einflüsse: Patzek (2004); zur gebotenen Vorsicht bei solchen Annahmen aber W. Schmitz (2004): Hesiod oder Raaflaub (2004): Polisbildung und Kolonisierung. – Vgl. nunmehr auch die durch R. Schrott (2008a und 2008b) ausgelöste Diskussion.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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• (Noch) In Homerischer Zeit werden Verträge unter Anrufung der Götter als Zeugen/NƒSUVSPJ

1564

und

• durch das Schwören heiliger Eide/³SLJB QJTUƒ geschlossen, worauf (im Vertragstext) • die gegenseitigen Versprech(ung)en/Stipulationen der Vertragsparteien folgten.1565 • „Eid und Vertrag gehen somit [auch bei Homer nach dem Vorbild neu-assyrischer 1566

– Idente Vertragselemente sind: „Schwur, (Staats)Vertragstexte] eine Symbiose ein“. Gottesschutz, Stipulation, Vorgeschichte [sc. des Vertragsschlusses], Ermahnung gegen Vertragsbruch, Fluch“ das bedeutet Verbindung von Ermahnung gegen Vertragsbruch und 1567 Formeln einer Selbstverfluchung.

Hier ersetzt wohl der göttliche Schutz – für beide Seiten – die zunächst noch fehlende (staatliche) Exequierbarkeit, was aber bei völkerrechtlichen oder Staatsverträgen nicht nur in der historischen Frühzeit Probleme bereitete. – Die Ablösung von sakralen rechtlichen Formen wird erst möglich und dann auch nötig, als die Kraft und der Glaube an die Götter und bindende Eide schwand und – parallel dazu – andere Mächte diese Garantiefunktion für Verträge zu übernehmen vermochten; das konnten private wie staatliche sein. Letztere setzten ein Erstarken des Staates voraus. – Aber auch später gilt: Die sakral-kultische (= äußere) Form zeigt die (innere) Versprechens-Übereinstimmung und ihre Ernsthaftigkeit an (EFeLOVNJ °NPMPHÎO) und will durch die religiöse Einbindung der beiderseitigen Versprechen zusätzlich die Vertragserfüllung fördern, was lange durch den Schwur (in Form der Selbstverfluchung) abgesichert wird.1568 • Dieses neu-assyrische Vertragsverständnis wird durch Homers Epen, offenbar in ganz

1569

Griechenland verbreitet. – Es wird in seiner sprachlichen Abhängigkeit nach Rollinger auch dadurch betont, dass das griechische Wort ³SLJB und das assyrisch-aramäische (Sprach)Vorbild adê jeweils sowohl Eid als auch Vertrag bedeuten. – Im Rahmen dieser Rezeption bei Homer wird das orientalische Vertragsmuster mit der olympischen Götter-

1564 Rollinger 2004, 387. 1565 Rollinger ebenda. – Das zeigt, dass die Leistungsversprechen der Vertragsparteien – entgegen der Ansicht von H. J.Wolff – (für sich!) verbindlich waren. Die kultische und religiöse Einbettung soll deren Ernsthaftigkeit und Einhaltung zusätzlich absichern; vgl. auch Pkt. 9 dieses Kapitels (Völkerrecht) zur Möglichkeit, dass in frühester Zeit das Schwören heiliger Eide etc. vielleicht sogar konstitutiv war. 1566 So Rollinger. – Diese Elemente könnten aber auch unabhängig voneinander entstanden sein. Weitere Indizien wären hier wichtig. 1567 Rollinger 2004, 390 f. 1568 Aus dieser religiös-kultischen Absicherung der Vertragszuhaltung hat sich allmählich – durch den Einsatz des Gesetzes und ein Erstarken des Staates und damit einhergehender Rechtsdurchsetzung – die säkulare gesetzliche entwickelt, wie wir sie heute noch – etwa in § 1336 ABGB – kennen. – Eine frühe Entwicklungsstufe ist die in unterschiedlichen Formen auftretende Arrha; dazu in Kapitel VI 2: ‚Sicherungsmittel …’. 1569 2004, 386.

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Rechtsordnung und Polis

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religion verschmolzen; (zunächst noch) sind religiös-sakrales und rechtliches (Vertrags)Verständnis ident. Als sakrale wie rechtliche Garanten und Zeugen – der noch jungen olympischen Religion – dienen insbesondere ‚Vater Zeus’, ‚Helios’, die ‚Flüsse’ (QPUBNPe) und die ‚Erde’ (Ge/(¡), also zentrale Götterfiguren der olympischen Religion 1570 und Naturgewalten, denen anlässlich des Vertragsschlusses Opfer dargebracht werden. – In den assyrischen Vorlagen traten vor allem Gott ‚Assur’ und Astralgötter als Schutzmächte für Verträge und als Aktszeugen auf. – Diese Vertragspraxis macht den sakralen Ursprung wichtiger Rechtseinrichtungen deutlich. – Rollinger zitiert die wichtigsten Stel1571 len aus Homers ‚Ilias’: „Vater Zeus, erhabenster Gott, du Herrscher vom Ida! Helios auch, der du alles vernimmst und alles gewahrest! Auch ihr Ströme, du Erde, und die ihr drunten die Schatten Büßen lasst von den Menschen, die falsche Eide geschworen! Ihr sollt Zeugen [!] uns sein und wachen über dem Bunde“.

Der zweite Text enthält eine Selbstverfluchung, wie sie auch die assyrischen Vorbilder kennen:1572 „Zeus, erhabenster Herr, und ihr andern unsterblichen Götter! Welche zuerst von uns Gegnern das heilige Bündnis verletzen, Denen fließe das Hirn zu Boden, so wie der Wein hier,

1573

Ihnen selbst und den Kindern, und Fremden gehören die Weiber!“

Rechtsordnung und Polis Die von den Griechen sehr lange1574 von den Göttern abgeleitete RechtsOrdnung wird in den säkularen Rahmen der Polis1575 und den sakralen der Hei-

1570 Beispiele bei Rollinger 2004, 388 f. – Äußert sich in dieser Parallelität von Religion und Natur(gewalt) eine Übereinstimmung normativer Vorstellungen? 1571 III 276-280 und ebendort 298-301, zitiert nach der Übersetzung von H. Rupé. – Das Anrufen von Göttern und Naturerscheinungen als Aktszeugen spricht für die von mir vertretene Meinung, dass der Eid eine Bekräftigung des Vereinbarten bewirken sollte. 1572 Näheres in Pkt. 9: Völkerrecht. 1573 M. Weinfeld (1990, 186) spricht hinsichtlich der Libation von „another striking parallel between Greek and Oriental covenantal procedure“. 1574 Eine Modifikation – letztlich aber eine Verlängerung – dieser Vorstellungen, beginnt mit der Vergöttlichung des Herrschers im Hellenismus, zumal der Herrscher auch hier oberster (freilich bereits religiös verbrämter) Gesetzgeber des Reiches ist. Dennoch besteht zwischen klassischem „Griechentum und hellenistischer Welt“ eine „tiefe Gegensätzlichkeit“, die nirgendwo „so klar zu erkennen ist wie im verfassungsgeschichtlichen Bezirk“; H. Schaefer 1960, 437 (Bspr. von V. Ehrenbergs ‚Der Staat der Griechen’, 1957/58; Ehrenberg behandelt 1965 2, 303 ff den helle-

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

ligtümer ‚eingeklinkt’, und sie verschmilzt, nicht nur wie ursprünglich örtlich und später regional, sondern (interhellenisch) allmählich mit den übrigen Sozialnormen (Sitte, Brauch, Religion/Kultus, altes Herkommen etc.) zum nomologischen Wissen.1576 1577

Unter Hinweis auf Siewert und Hölkeskamp sagt Ulf, dass in den Festorten (etwa Olympia) „Verträge deponiert werden, um so höhere Sicherheit für deren Einhaltung zu gewinnen“; dies beweist seines Erachtens, dass die „Festorte im überregionalen Rahmen die Rolle spielen sollen, welche der Tempel innerhalb der Polis besitzt. So wie der Tempel für die PolisGemeinschaft stellt der Festort für die natürlich wesentlich lockerere überregionale Gemeinschaft die ‚Mitte der Gemeinschaft’ dar.“ (Es ist demnach kein Zufall, dass sich an diesen Orten Omphaloi finden; etwa in Delphi.) – In den Festorten werden aber private wie öffentliche 1578 Das Deponieren von Verträgen Verträge nicht nur deponiert, sondern auch geschlossen. 1579 und Urkunden unterstützt zudem das Archivwesen. – Die Feste ausrichtenden Orte nützen demnach – im Wettkampf der Festorte (insbesondere Olympia, Delphi, Isthmia, Nemea) untereinander – neben anderen (noch attraktiveren) Mitteln wie sportlichen und musischen Agonen, Orakeln, Amphiktyonien auch das ‚Recht’ und umgeben Vertragsschlüsse am Festort mit einem besonderen Nimbus. Auch dies trägt zur Entwicklung und Vereinheitlichung griechischen Rechts bei. Die Verbindung von Religion, Kult, Fest und Recht wird typisch für Griechenland, wobei diese Verschränkung gerade von berühmten Fest- und Orakelstätten, die 1580 auch Zentren von Amphiktyonien waren, begünstigt wird.

Das erklärt in großen Zügen das Entstehen gemeinsamer Grundsatzregelungen, Prinzipien und gemeinsamer Rechtsinstitute in vielen Fragen des öffentlichen und vor allem des Privatrechts – und hier vornehmlich im Familien- und Erbrecht, aber auch im Sachen- und im Schuldrecht, das sich – bei Unterschieden sowohl in sachlichen Details als auch in zeitlicher Hinsicht – stark am gesamthellenischen Grundmodell des alltäglichen Lebens, Wohnens und Wirtschaftens, mithin am Oikos orientiert. Das Oikos-Modell1581 beeinflusste die

nischen und 325 ff den hellenistischen Staat). – Die Polis, als komplexes gesellschaftliches Gebilde, verliert im Hellenismus nicht ihre kulturelle und religiöse Bedeutung; sie ist keinesfalls ein einfaches oder schon in allen Fragen geklärtes Gebilde. Auch dazu anschaulich H. Schaefer aaO. 1575 Zu den Verfassungsformen der Poleis (Monarchie, Oligarchie, Demokratie): Ehrenberg 19652, 53 ff; vgl. auch in Pkt. 5 Anm. 581. 1576 Siehe dazu Anm. 1434. 1577 1997, 51. 1578 Beispiele bei Koerner (1981; dazu in Kapitel VI vor Pkt. 1: Entstehen und Ausbau von Institutionen), Koerner/Hallof (1993) und Ulf in Anm. 1589. 1579 Dazu Kapitel VI 2. 1580 Zum agonalen Denken der Griechen vgl. auch in diesem Kapitel I die Anm. 592 und 756. 1581 Dazu Hoepfner/Schwandner (1986), Pesando (1987) und Welwei (2002). Kritisch zur These von der Autarkie des Oikos: Ulf 1990, 187 ff. – Vgl. die systematische Beschreibung des antiken griechischen Hauses bei Vitruv(ius), de architectura VI 7 (Anfang 4. Jh. n. C.).

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Rechtsordnung und Polis

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Wechselbeziehungen zwischen Architektur, Ökonomie, sozialen und insbesondere auch den Rechts-Verhältnissen. – Die genannten Konzepte schaffen die – ebenfalls auf der gemeinsamen Wertgrundlage beruhenden – Institutionen und Ämter/Magistrate der jungen Polis, die auch der Rechtserzeugung und Rechtsanwendung dienen und einen zentralen normativen Kristallisationskern der Gesellschaft bilden. Hierher gehören insbesondere die offenbar sehr alte Volksversammlung und später dann – wohl seit Solon – der Rat, die bereits in homerischer Zeit wichtige Funktionen in der Gesellschaft erfüllten: „Zeus und Themis, die Vertreterin des göttlichen Rechts, sind die Schutzgötter [der schon in Homerischer Zeit bestehenden Volksversammlungen. Diese] finden nicht regelmäßig statt, sondern werden aus drei wichtigen Gründen, die drei grundlegende Funktionen der städtischen (politischen) Gemeinschaft betreffen, durch Herolde einberufen: Das geschieht zum einen [1.] im Fall der Bedrohung der Stadt durch ein herannahendes Heer, ferner [2.] wenn eine Sache, die das ganze Volk betrifft, zur Debatte steht, und schließlich [3.], wenn eine persönliche Sache, ein persönliches Unrecht, das einer von ihnen erlitten hat, vorliegt. Zu den Aufgaben der Gemeinschaft gehören der Schutz der Stadt vor dem Feind, die Erledigung gemein1582 samer Aufgaben und der Schutz des Besitzes und des Lebens des einzelnen Mitglieds.“

Die Polis wird aber nicht nur als gesellschaftliche Institution zum Substrat der Rechtssetzung, auch ihre baulichen Einrichtungen sind mit dem Recht in verschiedener Weise verknüpft: insbesondere Agora und Tempel werden – als frühe Zentren von Kommunikation und Identifikation in der griechischen Stadt – zu Orten der Entstehung und Publikation von Normen, und sie fungieren als bleibende Erinnerung von geschaffenem Recht.1583 Die Verbindung von Recht und Religion (zusammen mit dem Kultus) ist hier überdeutlich. – Damit wird offenbar ostentativ der göttliche Ursprung der Normen und ihre Bedeutung für das Gemeinwesen herausgestellt, denn diese Orte sind allen Bürgern zugänglich, und die Publikation der Normen ist daher effektiv und materiell. So wurde auch die Gleichheit der Bürger vorangetrieben. – Früher noch als in den großen Festorten und Heiligtümern Griechenlands entstehen in den wohlhabenden Poleis des Mutterlandes und Ioniens Tempelanlagen, die auch rechtlich bedeutsam sind.1584

1582 Patzek 2003, 92 f und 1992, 123 ff. – Vgl. auch in Kapitel VII 1: ‚Polis und Rechtsidee’. 1583 Dazu insbesondere Hölkeskamp (1994). – Zum Streit zwischen Kolb (1984/2005) und Mumford (1979/19802) vgl. meinen Vortrag im Rahmen der Tagung ‚Lebendige Rechtsgeschichte’ 2006 (= 2008, 1 ff). 1584 Dazu Ulf 1997, 48 ff mwH; dort auch die Daten und Beispiele für die Errichtung früher Tempelanlagen.

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Das ‚Recht der Gemeinschaft’ Wie die olympischen Götter und Heroen diente auch das ‚griechische’ Recht dem Schutz und dem Gedeihen der Gemeinschaft, ihrer einzelnen Gruppen und Mitglieder. Als von den Göttern hergeleitet besaß das Recht alle Voraussetzungen dafür, um im gesamten griechischen Kulturraum als Orientierungs-, Ordnungs- und sogar ergänzende Sinnstruktur im Einklang mit der olympischen Religion angewandt zu werden.1585 Alte Einrichtungen wie die im engen Zusammenhang mit den Heiligtümern unterschiedlicher Gottheiten errichteten Amphiktyonien (etwa Delphi oder der Ionische Bund mit dem Panionion als Heiligtum)1586 oder die großen sportlichen1587 wie musischen Feste1588 förderten und erleichterten den Übergang allgemein-religiöser und kultisch-gesellschaftlicher Werte in solche von Recht und Gerechtigkeit bis hin zu militärischen, also staatlich-profanen Zwecken. Dies geschah in Rechtssetzung, Rechtsprechung und ganz allgemein in Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung. Der Umstand, dass Feste und Agone nach vorgegebenen Regeln abliefen und ihr Gemeinschaftscharakter taten ein Weiteres und wirkten wohl auch als Transformatoren und Gleichrichter. Seit dem 8. Jahrhundert steigt die Zahl der Örtlichkeiten, an denen Heroen verehrt und Ahnenkulte gepflogen werden;1589 auch dies fördert die Umsetzung gesellschaftlicher Werte in Recht. „Die Möglichkeit der bei diesen Festen gegebenen Kommunikation wird auch dafür genützt, um Heiratsverbindungen einzugehen bzw zu vereinbaren – ein weiteres wesentliches Element, um die eigene Einheit zu stärken. Bei diesen Gelegenheiten werden aber auch Diskussionen um existierende Streitfälle geführt und diese, wenn möglich, ohne großen Ressourcenverlust, d. h. vor allem ohne gewaltsame Auseinandersetzungen beigelegt. Mit allen diesen sozialen Kontakten ist zudem der Austausch materieller Güter verbunden, so dass diese Feste auch, ökonomisch gesehen, eine wichtige Rolle spielen. All das begleiten noch kultische Handlungen, insbesondere die Verehrung der die einzelnen Einheiten zusammenbindenden Ahnengottheiten. Und schließlich gehören auch sportliche Bewerbe in den Rahmen dieser kompetitiven Selbst-Präsentation der verschiedenen politisch-sozialen Einheiten […] deren Teilneh-

1585 Zum Entstehen und Zusammenwirken von Religion und Recht (auch aus anthropologischbiologischen Grundlagen): Burkert (1998). Vgl. Kapitel IX und bei Anm. 756 ff. 1586 Zu den Amphiktyonien: Pkt. 9. – Urform eines zentralen Heiligtums ist Göbleki Tepe, dazu in Kapitel IX und im Vortrag 2006 (= 2008, 1 ff). – Auch Symmachien (dazu Pkt. 9) haben rechtsvereinheitlichend gewirkt. 1587 Olympia, Isthmia, Delphi, Nemea auf der einen, die Panathenäen oder Dionysien auf der anderen Seite. – Zu Olympia: Ulf/Weiler 1980, 1 ff. 1588 Zu den frühen Festen im alten Griechenland: zuletzt Ulf 1997, zB 43. 1589 So Ulf 1997, 46 uH auf G. Lorenz (1996).

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Das ‚Recht der Gemeinschaft’

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mer aber nicht als unabhängige Individuen, sondern stets als Vertreter der einzelnen Segmente 1590 agieren.“

Der Heroenkult verknüpfte mitunter den Ahnen- und Totenkult nicht nur mit der olympischen Religion, sondern er stellte und leitete – diese Verbindung legitimierend – über in den Dienst (und damit die Begründung und Absicherung) von politischer Herrschaft und so – wenigstens mittelbar – auch von Rechtserzeugung jeglicher Art. Der in seinem Ausmaß umstrittene Neuanfang nach den Dunklen Jahrhunderten1591 bedurfte und suchte offenbar auch nach menschlich noch fassbaren Idolen, die einer Gemeinschaft Identität und historische Tiefe zu vermitteln vermochten (G. Lorenz) und schuf unter Zuhilfenahme des Ahnenund Totenkultes, der aber hier keine allzu große Rolle gespielt zu haben scheint,1592 Schritt für Schritt mythische Heroen vom Schlage eines Theseus oder Herakles und der Gestalten Homers. Mit der wahrscheinlichen Verbindung von Heroenkulten und politisch-gesellschaftlichen Zielsetzungen hat sich Neils auseinandergesetzt. Sie vermutet eine enge Verbindung zwischen der Verbreitung der Theseus-Thematik in Kunst und Politik und der Entwicklung der athenischen Demokratie. Theseus fungierte offenbar als attischer Widerpart zum peloponnesischen Nationalheros Herakles. Dazu wurde Theseus mit einer „Jugendvita“ ausgestattet. Die Überführung der sterblichen Überreste des Theseus von Skyros nach Athen im Jahre 476/75 v. C. durch Kimon zeigt, dass die Alkmaioniden die politische Bedeutung dieser Entwicklung erkannt hatten. – Die ersten gesicherten Theseusdarstellungen sind für das 7. Jh. v. C. nachweisbar; sie sind allerdings zunächst nicht attischer, sondern peloponnesischer Herkunft und kennen die Jugendtaten des Theseus noch nicht. Vorherrschend sind damals die Minotaurussage und die gemeinsamen Abenteuer des Theseus mit Peirithoos. Die bildlichen Darstellungen beginnen mit der attisch-schwarzfigurigen Vasenmalerei und setzen sich fort in der attisch-rotfigurigen Vasenmalerei um 520 v. C. Berühmt sind die Großplastiken der Taten des Theseus auf den Metopen des Athener Schatzhauses in Delphi und des Hephaistostempels auf der Agora in Athen.

Diese Mythen und Legenden stabilisieren oder erzeugen wohl weithin erst ein historisch-kulturelles Gedächtnis (J. Assmann) und erleichterten dadurch kollektive ebenso wie individuelle Herrschaft. – Das spricht für die Auffassung Assmanns vom Tod als ‚Kultur-Generator’:1593 „Der Tod oder, besser, das Wissen um unsere Sterblichkeit ist ein Kultur-Generator ersten Ranges. Ein wichtiger Teil unseres Handelns, und gerade der kulturell relevante Teil, Kunst,

1590 Ulf, aaO 43. 1591 Vgl. den Katalog zur Ausstellung „Zeit der Helden. Die ‚dunklen Jahrhunderte’ Griechenlands 1200-700 v. Chr.“ hg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe (2008). 1592 Boehringer 2001, 42 ff. 1593 2000, 14 f und 2001/2003, 2 ff; vgl. auch Z. Baumann (1994).

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Wissenschaft, Philosophie, Wohltätigkeit, [Recht!] entspringt [auch?] dem Unsterblichkeits1594 trieb, dem Trieb, die Grenzen des Ich und der Lebenszeit zu transzendieren.“

Diesen Zusammenhang von gemeinsamer Religion und daraus ableitbarer (umfassender) göttlicher Rechtsordnung stellt Ulf kurz dar, jedoch ohne näher darauf einzugehen: „Mit dem Fehlen einer einheitlichen Religion geht auch der Mangel an einer umfassenden göttlichen Rechtsordnung, einer gottgesetzten Ordnung, aber auch an regelmäßigen Satzungen 1595 einher. All das wird ‚ersetzt’ durch mündlich tradiertes nomologisches Wissen.“

Ulf sieht hier den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Religions- und Rechtsentwicklung durchaus zutreffend. Die Schlussfolgerung ist aber nicht klar und wohl auch nicht richtig.1596 Denn ein nomologisches Wissen, mitunter lokal und regional beschränkt, hatte es wohl auch schon vor der gemeinsamen olympischen Religion gegeben, ebenso wie nachher; ja die Religion hat sich daraus entwickelt. Der Unterschied liegt nicht zwischen bloß mündlich tradierten Werten und schriftlicher Satzung, sondern zwischen regional beschränkten und übergreifenden, schließlich gesamt- oder doch inter-hellenischen Grundsätzen, ob von (vornehmlich) religiöser oder mehr normativer Natur. Die olympische Religion förderte zwar das Entstehen von gemeinem griechischem Recht, zog ein solches aber nicht automatisch nach sich. Der erste Schritt zu einem gemeinen griechischen Recht war die Umbildung, Ergänzung und nähere Ausführung des bereits bestehenden nomologischen Wissens (als …HSBGPK O²NPK), wodurch im weiten griechischen Siedlungsraum auch neue (Rechts)Grundsätze in Verbindung mit der neuen Religion entstehen konnten. Dazu tritt eine weitere Unterscheidung: Der ab etwa der Mitte des 7. Jahrhunderts vorhandene autoritative Thesmos (als bereits schriftliche Rechtssatzung) ist zunächst immer noch Teil des nomologischen Wissens,1597 auch wenn er bereits den Weg zu einem neuen, Normverständnis weist: Er ist gleichsam der erste Schritt aus einem noch ungeschiedenen Konglomerat sozialer Normen zu einer schon stärker gesellschaftlich-normativ verstandenen Autonomie. Das gilt

1594 Dass auch das Recht diese Tendenzen fördert, steht außer Zweifel; zum Erbrecht vgl. mein Lehrbuch 2004a, II 1002 ff und unten Kapitel II 10, 19, 20 und 21. Vgl. auch meine Überlegungen, in: 2004c, 33 ff. 1595 1997, 39. 1596 Für unzutreffend halte ich Ulfs Annahme, eine einheitliche Religion sei „durch mündlich tradiertes nomologisches Wissen“ ‚ersetzt’ worden. Dies ist deshalb verfehlt, weil so die Abfolge der Entstehung von Religion und nomologischem Wissen verkehrt wird: Zunächst gab es überhaupt noch keine Religion, sondern nur nomologisches Wissen. Religion entstand wie Recht durch eine Autonomisierung aus dem Amalgam des nomologischen Wissens. – Offenbar wirkt sich der Umstand, dass die Alte Geschichte zwar Max Webers ‚offenen’ Begriff verwendet, ihn aber (noch!) nicht wirklich geklärt hat, nachteilig aus. 1597 Zum Nomos-Physis-Problem Kapitel II 13.

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Das ‚Recht der Gemeinschaft’

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aber auch schon für das noch nicht schriftlich niedergelegte, also Gewohnheitsrecht. Dieses ist lediglich eine behäbigere Art der Enstehung von Recht, nämlich die kontinuierliche, langdauernde Übung mit Rechtsüberzeugung, während die Satzung eine rational, zeitlich punktuelle (und daher Neues leichter aufnehmende), bereits von einer selbstbewussten Autorität ausgehende Norm-Setzung ist. Der Thesmos – der in sich den Keim zu einer (über)regionalen Rechtssetzung trägt – kann in einer Gesellschaft nur durch verschiedene Gleichrichter auf gemeinsame normative Grundsätze ausgerichtet werden, die der (gemeinsamen) Religion nicht widersprechen durften.1598 Solche Gleichrichter waren die Religion, der Heroenkult, die Polis, aber auch die schon für diese Zeit nachgewiesene Kommunikation nicht nur zwischen Poleis. Die von den Griechen wahrscheinlich aus dem Alten Orient übernommenen Kulturtechnik der schriftlichen Niederlegung von Normen hatte noch weitere Vorteile wie vor allem ihre leichtere Publizierbarkeit und die dadurch besser gewährleistete allgemeine Kenntnis und Zugänglichkeit, was Rechtssicherheit und auch Gleichheit fördert.1599 Das ‚Recht der Gemeinschaft’ wird schließlich – wie die Religion und wenigstens teilweise auch der Heroenkult – zum „gemeinsamen Gut“1600 der ebenfalls um diese Zeit entstehenden Poleis,1601 deren Tempel und Agora die Orte der öffentlichen Kommunikation und rechtlichen Publikation bildeten.1602 Dabei bilden die oben erwähnten1603 Kompetenzen [1.] und [2.] der Volksversammlung offenbar den Nukleus für das Entstehen des späteren öffentlichen Rechts (Verfassung, Verwaltung, Völker-, Kriegs- und Fremdenrecht). Der dritte Bereich [3.] ermöglicht eine stärkere Ausrichtung hin zum Privat- und Strafrecht,1604 die zunächst zum Teil noch nicht streng voneinander geschieden sind; vor allem gilt dies für das frühe Deliktsrecht, das auch als Blutrecht bezeichnet wird und beide Bereiche verbindet. Es leuchtet ein, dass sich eine Gemeinschaft zunächst für die großen Gefährdungen ihrer Existenz (Angriff von außen, Mord, Totschlag, Raub, Amtsmissbrauch, Schädigung von Tempel- und Gemeinschaftsgut,

1598 Maschke (1926/19682): Keine doppelte Buchführung; vgl. Anm. 1438 und 1489 sowie in Kapitel IX 3. 1599 Ein Normsetzungsorgan wurde erst benötigt, als nicht mehr nur nach Gewohnheitsrecht – oder noch früher nach dem nomologischen Wissen – gelebt wurde, sondern als zunächst parallel dazu auch gesatztes Recht geschaffen wurde. Damit erhielt die Volksversammlung eine wichtige Kompetenz: die autoritative Normsetzung. 1600 Vgl. Patzek 2003, 93. 1601 Zur Bedeutung der Stadt in den Homerischen Epen: Patzek 2003, 90 ff. 1602 Nunmehr Raaflaub (2004) und schon Hölkeskamp (1994). 1603 Bei Anm. 1582. 1604 Das Strafrecht ist zunächst nach hA privatrechtlich konzipiert (?) und dient erst später als Schutzwehr eines Gemeinwesens gegen (gemeinschaftsschädliche) Übergriffe Einzelner und starker gesellschaftlicher Gruppen; es ist Notwehrrecht der Gemeinschaft. – Mehr zum Strafrecht Kapitel VII 8.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Kriegsdelikte etc.) interessiert und erst danach Schritt für Schritt weitere Agenden des Rechtsschutzes an sich zieht.1605 – Das öffentliche Strafrecht im archaischen Griechenland ist, wie Koerner1606 nachweisen konnte, auch – wenn auch nicht ausschließlich! – aus sakralrechtlichen Ansätzen entstanden. Die Betrachtung von Religion und Kultus als bedeutende Basis der Entstehung von Normen und als Normgeneratoren im archaischen Griechenland ist demnach nicht nur spekulativer Natur, sondern sie ist historisch fundiert.

Allgemeine Wertgrundlage Nur im Einklang mit der olympischen Religion, ihren größeren und kleineren Heiligtümern – und den damit oft verbundenen Amphiktyonien,1607 dem Heroenkult, dessen Entstehung auch Barbara Patzek1608 beschrieben hat und weiteren gemeinsamen Einrichtungen konnte sich eine allgemeine (Wert)Grundlage für ein gemeines griechisches Rechtsdenken bilden, weil diese Bereiche ursprünglich nur wenig voneinander geschieden waren, vielmehr ein Ganzes bildeten und einander schon deshalb nicht widersprechen konnten. Einklang war für beide unerlässlich. Vor allem der schon in Religion und Kultus bedeutende Schutzgedanke spielte im Rechtsdenken der Griechen eine wesentliche Rolle, und er wurde auf gemeinsamer Basis weiterhin beachtet; die zahlreichen Hinweise bei Homer und Hesiod scheinen dies zu belegen. Die Wurzeln des Rechts liegen offenbar in den zunächst (auch) von Religion und Kultus wahrgenommenen Schutzfunktionen, es bildete gleichsam den weltlichen Arm dieser Einrichtungen, die die Verbindung zu den Göttern herstellten.1609 Diese Gemeinsamkeit aller Griechen drücken bei Herodot die Athener in ihrer Antwort an die Spartaner (wegen deren Unterstützung im Kampf gegen Xerxes) aus: „Dazu haben wir gleiches Blut und gleiche Sprache mit den Griechen, die gleichen Heiligtümer und Opfer, die gleichgearteten Sitten. Es wäre nicht anständig, wenn wir dies alles verra1610 ten wollten.“ „Einheit hieß damals sprachliche, rechtliche und religiöse Einheit, nicht politische oder mili1611 (Hervorhebungen von mir) tärische Vereinigung“.

1605 Vgl. auch Kapitel II zu Drakon und Kapitel III zu den ‚Eumeniden’ des Aischylos. 1606 (1987a) und (1993). – Dazu in Kapitel VI vor Pkt. 1: ‚Entstehen und Ausbau von Institutionen’. 1607 Dazu in Pkt. 9 (Anm. 2109). 1608 2003, insbesondere 96 ff. 1609 Dazu auch die Auseinandersetzung mit Burkert (1998) in Pkt. 6 dieses Kapitels (bei Anm. 766 ff) und in Kapitel IX 4. 1610 VIII 4 (Feix).

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Ehrfurcht vor altem und überkommenem Recht

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Zur Rolle von Olympia: „Olympia, das Zentrum des Friedens und schlechthin der neutrale Platz des Hellenikons, ermöglichte den interhellenischen Verkehr aller Poleis als Träger der verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen, vorausgesetzt natürlich, dasss sie die Spondophoroi [Friedensboten, Herolde] aufgenommen und die Ekecheiria [Waffenstillstand, Gottesfrieden, auch Gerichtsruhe] geschworen hatten. Durchzug und Asylie wurde allen Besuchern garantiert für die Zeit der Panegyris [festliche Spiele]. In dieser Hinsicht kann man von einer positiven Wirkung der olympischen Neutralität reden: sie schuf den völkerrechtlichen Rahmen für den friedlichen Verkehr aller Griechen, sogar für diejenigen, die Fehden oder Feindseligkeiten zueinander übten.“

Ehrfurcht vor altem und überkommenem Recht Das gemeinsame Entstehen der olympischen Götter-Religion, des Heroenkults und des frühen Rechtsdenkens zeigt sich noch in der typischen und lange anhaltenden Scheu der Griechen, altes und überkommenes Recht selbst dann nicht aufzuheben oder abzuändern, wenn sich die Umstände, für die es einst geschaffen worden war, längst verändert hatten.1612 – Man wählte in solchen Fällen häufig einen anderen, gleichsam pietätvolleren, nämlich den hermeneutischen Weg und ließ die ehrwürdige alte normative Hülle bestehen, erfüllte aber ihr Wesen mit neuem Geist und wurde dadurch beiden Zielen gerecht: der Ehrung des für göttlich gehaltenen Althergebrachten und der Rücksicht auf neue soziale und wirtschaftliche Bedürfnisse und Funktionen. Typisches Beispiel dafür ist der Kreditkauf, der noch von Platon verpönt wurde,1613 von der Rechtspraxis aber längst für neue wirtschaftliche Bedürfnisse ‚umgedeutet’ worden war.1614 Das bedeutet, dass sowohl die olympische Religion mit dem Heroenkult als auch das frühe Rechtsdenken gemeinsame gesellschaftliche Ziele verfolgten: nämlich Ordnung, Frieden und Identität1615 für alle Hellenen zu stiften und zu bewahren.

1611 Troncoso 2001, 370. – Auch wenn Herodot dies nicht so formuliert, das Recht der Griechen bildete sich auf dem von ihm skizzierten gesellschaftlichen (Wert)Hintergrund aus. – Zur Bedeutung von Festen und Wettkämpfen: Ulf (1997) sowie Troncoso aaO, 377 ff: Zur Stellung Olympias während der Perserkriege. – Vgl. zum Asylrecht, in Pkt. 9: ‚Gemeingriechisches Völkerrecht’ (Anm. 2312). 1612 Vgl. Bonner/Smith 1930, I 74 ff. – Ein Beleg dafür findet sich auch in den ‚Eumeniden’ des Aischylos (Verse 693-695): „Sofern sie selber die Gesetze nicht erneu’n/ Mit schlechtem Zuguß. Denn besudelst du mit Schlamm/ Das Wasser, ist kein reiner Trunk dir mehr vergönnt.“ – Dazu auch in Kapitel VII (vor Pkt. 1): ‚Scheu der Griechen altes Recht aufzuheben oder abzuändern’; dort auch zu Homer und Hesiod. 1613 Dazu in Kapitel II 13: ‚Zum Kreditkauf’. 1614 Dazu Pringsheim 1950, 244 ff. 1615 Zur Identitätsstiftung G. Lorenz (1996) auch Patzek 2003, zB 102.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Nicht nur das Recht, auch die Politik bediente sich dieser Einrichtungen immer wieder für ihre Ziele und trug so zum Entstehen einer breiten Basis gesellschaftlicher Werte im Sinne eines nomologischen Wissens bei. Anschaulich ist das etwa bei den wohl am Ausgang der Perserkriege entstandenen yQJUƒGJPJ M²HPJ/Epitaphioi logoi,1616 die in Athen zur „Darstellung der politischen Ideologie“ genützt wurden und die die gesellschaftlichen „Ideale der Athener [… nämlich] Gottesfurcht, Gerechtigkeit und Freiheit“ betonten. Bei diesen Reden zur Ehrung von Gefallenen entwickelte sich nach Strasburger1617 „eine feste Tradition des Redeinhaltes“. – Der auch politisch hochgehaltene Wert der ‚Gottesfurcht’ signalisiert die bedeutende Rolle der Religion, den Heroenkult eingeschlossen; dazu kamen die ‚irdischen’ Grundwerte Freiheit und Gerechtigkeit, die seit Homer und Hesiod und besonders seit Solon in der Religion fest verankert sind. Dies sind auch drei Grundwerte der griechischen Rechtsidee,1618 die ihrerseits weitere gesellschaftliche Werte zu konstituieren vermochten. In zahlreichen griechischen Poleis waren dies die bürgerliche Gleichheit und die Ehre, die vor allem für wohlhabende und mächtige Familien von großer Bedeutung war. Doch war sie kein bloß aristokratischer Wert. Politisch tendierte diese Trias zur Teilhabe des Volkes am Staatsgeschehen (Demokratie); rechtlich entstanden daraus der Schutz des Individuums mit der Hybrisklage als Keimzelle des Persönlichkeitsschutzes und der späteren Menschenrechte,1619 aber auch die effektiv aufeinander abgestimmten Schutzmechanismen für die Erhaltung bürgerlichen Grund und Bodens1620 und die Vorstellungen von einem geordneten, unparteiischen und gerechten Verfahren in privat-, straf- und öffentlichen Angelegenheiten.1621 Nicht zuletzt bildete sich – wenn auch durch Rezeption aus dem Alten Orient vermittelt – das Steuerungsinstrument des Gesetzes (Thesmos und dann des neuen Nomos) und der Kodifikation, deren Publikation für Rechtskenntnis und Rechtsdurchsetzung unerlässlich ist. Schließlich gehört auch die hohe, stets misstrauisch beäugte Stellung des unparteiischen Richters in diesen Zusammen-

1616 Strasburger 1958, 20 ff und oben bei Anm. 1507. 1617 AaO 21. – „In den uns erhaltenen Festreden, angefangen mit dem Epitaphios des Lysias (J. 394?), über den fiktiven Epitaphios im platonischen Menexenos (nach 386), den Panegyrikos des Isokrates (380) und seinem Panathenaikos (342-339), den Epitaphios des Demosthenes auf die Gefallenen von Chaironeia (338), den Epitaphios des Hypereides (323), bis zum Panathenaikos des Aelius Aristides tief in der römischen Kaiserzeit (um 150 n. Chr.) sagen alle Redner über die politische Rolle Athens immer wieder dasselbe; die Variation betrifft nur die äußere Form und die Auswahl der historischen Beispiele, wagt aber die politische Grundkonzeption nirgends anzutasten.“ – Zur öffentlichen Sitte der Epitaphioi Logoi Kapitel II 10: ‚Solons postmortaler Persönlichkeitsschutz’. 1618 Dazu insbesondere Kapitel VII 1: Rechtsidee. 1619 Dazu Kapitel II 14: Hybrisklage als Rechtsmittel. 1620 Dazu Kapitel II 10: Gebundenes Bodenrecht. 1621 Dazu Kapitel VII 1: Rechtsidee –Verfahrensrecht. – Zum Strafrecht Kapitel VII 8.

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Ehrfurcht vor altem und überkommenem Recht

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hang. All diese Einrichtungen waren nicht einzelnen Poleis eigentümlich, sondern sie ließen sich aus den gemeingriechischen Grundwerten ableiten; die Art ihrer Umsetzung gab wohl früh Anlass zu Vergleich und Beurteilung. – Dazu kamen familiäre oder geradezu biologisch-anthropologisch vermittelte Gesellschaftwerte aus Familie,1622 Oikos und Verwandschaft, die mit dem olympischen Wertekanon verbunden wurden. Diese Werte, wie etwa Schutz und Erhaltung des Oikos bestimmten erb- und sachenrechtliche Regeln und Zuordnungen,1623 die Verteilung der Geschlechterrollen, das Erbtochterrecht,1624 die Entwicklung des Testaments,1625 das Familien- und Erbrecht überhaupt (Parentelsystem).1626 Auf dieser breiten und weithin homogenen Grundlage wuchsen gemeinsame Werte und Überzeugungen, die auch die (frühe) griechische Rechtsidee1627 speisten und prägten, obgleich dies zunächst meist nur gewohnheitrechtlich erfolgte. Auch bei den ersten schriftlichen Gesetzen blieb inhaltlich vieles ausgespart.1628 Die von Religion und (Heroen)Kult geschaffene Rechtsgrundlage blieb schließlich ebenso wie Religion und Kultus nicht lokal beschränkt, sie entwickelte sich vielmehr zu einer gemeinsamen Basis und galt für alle Griechen. Das schließt nicht aus, dass sich dennoch in Einzelfragen mehr oder weniger große Abweichungen ergaben. Im Bereich des Familien- und Erbrechts – also in Rechtsbereichen, die lange unter starkem religiösen und kultischen Einfluss standen – hat eine solche Gemeinsamkeit bestanden.1629 Hierher gehören auch die gesetzlichen Erbfolgeordnungen (Parentelsystem),1630 die Adoption, die Regeln über die sogenannte Erbtochter/Epikleros oder die Unterhaltsregelung für die Eltern bei Solon und – vergleichsweise spät das Testament.1631 Weitere Beispiele sind: Gesetzliche Einschränkungen des (Grab)Luxus und die Staatsbegräbnisse für Gefallene.1632 Diese griechischen Vorbilder wirken bis über die römische Zeit hinaus nach.1633 Ebendies gilt für die Schaffung

1622 Dazu auch bei Anm. 756 ff. 1623 Dazu insbesondere Kapitel II 10. 1624 Dazu Kapitel II 10: Epikleros. 1625 Dazu Kapitel II 10. 1626 Dazu Kapitel II 10. 1627 Zur griechischen ‚Rechtsidee’ und dem ‚Rechtsbegriff’: insbesondere Kapitel VII 1; vgl. auch Kapitel II 7, 10, 17. 1628 Für Kreta eingehend Gehrke (1997) und (2000). 1629 Zur diesen Rechtsbereichen Kapitel II 12. 1630 Zu Dura-Europos Pkt. 8 (Anm. 2006): ‚Parentelordnung für die Naupaktos-Nachzügler’. – Der Grundsatz zeigt sich in der Bildung einer gesetzlichen Erbfolgeordnung, deren konkrete Ausgestaltung in einzelnen Poleis unterschiedlich war, wie etwa beim Erbrecht von Frauen. 1631 Zu allen diesen Bereichen Kapitel II 10: Beispiele aus der Solonischen Gesetzgebung. 1632 Dazu ua. Funke 2001, 11. 1633 Vgl. schon das Zwölf-Tafelgesetz X 3 ff (Verbot übermäßiger Grabbeigaben und großer Leichenfeiern) und die republikanische Luxusgesetzgebung der leges sumptuariae (Aufwandgesetze in der Form von Schenkungsverboten und Legatsbeschränkungen): Leges Cincia de donis et

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

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eines Fremdenrechts mit Fremdenmagistraten, zB den Xenios kosmos in Kreta und die dortige Verwendung von Merkern/Mnamones als ‚lebendige’ Archive mit hohem Beweiswert.1634

Gemeinsame Religion Zur Ausbildung einer gemeinsamen religiösen Basis der Hellenen sagt Patzek:1635 „Bodenfunde aus homerischer Zeit lassen den materiellen kulturellen Hintergrund erkennen, von dem sich das Streben der frühen Griechen nach einer gemeinsamen religiösen Sprache entwickelte. Seit dem frühen 8. Jahrhundert nahmen größere Heiligtümer, die an entfernten Orten oft zwischen einzelnen Landschaftsgrenzen lagen – etwa Delphi und Olympia – stetig an Bedeutung zu. Im späten 8. und 7. Jahrhundert wurden sie zu regelmäßig frequentierten Kultplätzen, an denen auch Wettkämpfe zu Ehren der Götter stattfanden. Aus dieser Zeit lassen sich auch Weihgaben, nicht wenige orientalischer Herkunft, an solchen Orten finden. Zunächst mag sich die Oberschicht der umliegenden Landschaften dort getroffen haben; für die Zeit seit dem späten 8. Jahrhundert findet man aber die Spuren einer geographisch immer weiter ausgreifenden homogenen griechischen Gesellschaft. Die Kanonisierung der Namen, Eigenschaften und Legenden einzelner Götter wird sich in diesem Austausch zwischen den Kulturräumen entwickelt und ihre Inhalte mit Hilfe von Sängern unter den Griechen verbreitet haben.“

Diese Überlegungen gelten wohl auch für eine gemeinsame gesellschaftliche und rechtliche Wertgrundlage unter den Griechen, aus der gemeinsame Rechtsgrundsätze und Rechtsinstitute, Verfahrensregeln und allgemeine Vorstellungen von ersten privatrechtlichen Kollisionsregeln – bei mancher regionaler Differenzierung im Detail – entwickelt werden konnten. – Um die Existenz eines gemeingriechischen Rechtsverständnisses nachzuweisen, muss der gesamtgriechische Kontext einbezogen werden. Nur so kann das frühe Entstehen und lange Fortwirken eines nomologischen Wissens erklärt werden. Dass Recht zunächst nur als Gewohnheitsrecht entstand und bestand, ändert daran nichts. Allerdings ist zu beachten, dass sich vorgeblich bereits sehr früh, nämlich mit der Schaffung des Archontats in Athen in den frühen 80er-Jahren des 7. Jahrhunderts v. C., ein erstes Bemühen um Aufzeichnung und Verschriftlichung von Recht (von Rechtsregeln und Urteilen) nachweisen lässt, wovon allerdings nichts zu uns ge-

muneribus (204 v. C.), Furia testamentaria (zwischen 204 und 169 v. C.) und Voconia (169 v. C.); dazu Kaser 1971², 602 f und 756 f. 1634 Dazu Gehrke in Anm. 1628. – Vgl. ferner zum griechischen Völkerrecht bei/in Anm. 590, 736 und insbesondere bei Anm. 2324. 1635 2003, 97.

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Gemeinsame Religion

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langt ist.1636 Damit ist nach heutiger (Datierungs)Gewohnheit1637 nicht auszuschließen, dass dieses Bemühen älter (oder doch gleich alt) ist wie die schriftliche Niederlegung der Homerischen Epen, die heute – anders als früher – auch schon „in die Zeit kurz vor 650 v. Chr.“ oder sogar gegen die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts gelegt wird.1638 Mündlich tradierte Vorläufer sind in beiden Fällen wohl deutlich älter und reichen jedenfalls noch in das 8. Jahrhundert – nach mancher Meinung sogar in die mykenische Zeit – zurück. Es ist sogar denkbar, dass das Bemühen um Darstellung und Verschriftlichung innerhalb der verschiedenen Bereiche des nomologischen Wissens (Religion, Heroenkulte und frühes Polis-Recht) dem Streben nach Ordnung, Frieden, Gerechtigkeit und Identität im Rahmen des Aufbruchs der Griechen auf der Grundlage der neuen gemeinsamen Religion entstanden ist. Die Synchronizität ist signifikant und auffallend. – So liefert uns die (moderne) Homerforschung heute auch ein wichtiges Argument für das Entstehen und die Existenz einer Koiné in Rechtsgrundlagen und in Werten in den Prinzipien des Rechtsdenkens und des Verständnisses von Recht und Unrecht. – B. Patzeks Ausführungen haben meines Erachtens auch Bedeutung für die Entwicklung gemeinsamer rechtlicher Grundwerte:1639 „Die Schriftfassung der Epen setzte einen griechischen Gemeinsinn voraus, eine Distanz zu den einzelnen lokalen Traditionen und angrenzenden Kulturen, die wohl erst mit dem geschichtlichen Bewusstsein der griechischen Heiligtümer und Städte des 7. Jahrhunderts zu verbinden ist. Wenn man nach zentralen Institutionen der Griechen sucht, die an der Repräsentation des gemeinsamen Wissens der Griechen Interesse hatten, so stößt man zuerst auf die großen Heiligtümer in Delphi und Olympia, aber auch auf kleinasiatische Heiligtümer dieser Zeit, etwa in Ephesos, Milet oder auf Samos, die in der Zusammenschau ihrer Weihgaben eine ähnliche ‚Internationalität’ erkennen lassen. Heiligtümer hatten in jener Zeit auch die Aufgabe, als Schatzhäuser zu dienen, also die materiellen und kulturellen Güter ihrer Gesellschaft, zu denen auch das Wissen gehörte, aufzubewahren. So soll der frühgriechische Denker Heraklit dem Heiligtum der Artemis von Ephesos sein eigenes Manuskript gestiftet haben. In dieses geistige und kulturelle Umfeld passen durchaus die homerischen Epen als eine für die Zeitgenossen neue, aber erstrebenswerte Form gesammelten und strukturierten Wissens.“

1636 Für Kreta nunmehr Gehrke (1997) und (2000). 1637 Zu den Gründen der späteren Datierung: Patzek 2003, 34 f. 1638 Patzek aaO 32 ff. – Anders aber G. Weiler 2001, 3 und insbesondere 7 ff: Fixierung der Epen während der zweiten Hälfte des 8. Jhs. v. C. 1639 2003, 38.

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Alexander der Große und der Eid von Opis Der Gedanke eines gemeinen griechischen und später eines einheitlichen Rechts für sein Weltreich1640 scheint auch in den Plänen des Homerverehrers Alexander eine Rolle gespielt zu haben. Das zeigt sich – bei aller Unsicherheit der Überlieferung – vielleicht in Alexanders ‚Eid von Opis’ aus dem Sommer des Jahres 324 v. C., von dem Arrian1641 berichtet. Auch Plutarch1642 erwähnt Alexanders Ziel einer Rechtsvereinheitlichung. In der Alexandervita geht Plutarch aber nur allgemein auf die Vorfälle in Opis ein, erwähnt die Rahmenbedingungen der durch Opfer und Libationen besiegelten Versöhnung zwischen Alexander und den Makedonen, nicht aber, was hier für uns rechtlich von Interesse wäre. Im ‚Eid von Opis’ soll Alexander nicht nur den Wunsch ausgesprochen haben, dass nun der Krieg ein Ende finden möge und dass künftig alle Menschen der zivilisierten Welt in Frieden leben könnten; er wollte auch, dass die Menschen die ganze Welt als Heimat betrachten sollten. Darauf folgen die hier interessierenden Worte, denn diese Ziele sollten erreicht werden: „[…] with laws common to all, where the best will govern regardless of their race. Unlike the narrowminded I make no distinction between Greeks and Barbarians. […] Keep as a symbol 1643 (Hervorhebung von mir) of love this oath which we have taken tonight with our libations”.

Im Sommer 324 v. C. war es zur sogenannten ‚Meuterei von Opis’1644 gekommen, die beinahe zu einem völligen Zerwürfnis Alexanders mit einem beträchtlichen Teil seiner makedonischen Landsleute geführt hätte. – Die alte Handelsstadt Opis liegt an der engsten Stelle zwischen Euphrat und Tigris, etwa 60 Kilometer nordöstlich von Babylon; hier oder in der Nähe gründete Seleukos I sei-

1640 Diese allerdings nicht völlig gesicherte Zielsetzung Alexanders fügte sich jedenfalls in seine bekannten Pläne zur Völkerverschmelzung harmonisch ein. In diesem Sinne schon Plutarch, Moralia: Alexander als Philosoph 8 (1950, 271 f). – E. Weiss (1936, 61 f) erwähnt den im Weltreich Alexanders entstandenen Gedanken der Oikumene, der ua. beinhaltete, „daß jedem Menschen innerhalb des Weltreiches auch ohne Rechtshilfevertrag Rechtsschutz zu gewähren ist“. 1641 Anabasis 7, zitiert nach Wirth/v. Hinüber. – Ebenso Bd. II der Ausgabe von P. A. Brunt 241. Zum Soldatenaufruhr in Opis auch Droysen 1998, I 412 ff. 1642 Moralia IV (1936/1999, F. C. Babbit): Peri tes Alexandrou tyches e aretes I 8 (S. 404 f). 1643 Text einer Gedenktafel im Flughafen von Saloniki, leider ohne genaue Quellenangabe. – Bei Wirth/v. Hinüber heißt es (auch im griechischen Text) nur: „Neben anderem Segen erflehte er dabei Eintracht und das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einem Reiche für Makedonen und Perser.“ – In den ‚Erläuterungen’ (aaO 973) zu dem im Versöhnungsfest von Opis zum Ausdruck gelangten Ausweitung griechischer Vorstellungen auf den ganzen Orient merkt Wirth an: „Die hieraus zwangsläufig sich ergebenden Folgen hatte lange vor Alexander bereits der Sophist Antiphon formuliert (fr. 44 D)“. Dieses Fragment findet sich unter 17 A bei Schirren/Zinsmaier 2003, 195. 1644 Arrian, Anabasis VII 8 ff.

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Alexander der Große und der Eid von Opis

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ne Hauptstadt Seleukia. Der Anlass war folgender: Alexander hatte nach seiner Ankunft in Opis den Makedonen die Botschaft verkündet, „er wolle die wegen Alter oder körperlicher Verstümmelung nicht mehr Kampffähigen aus dem Kriegsdienst entlassen und sie in die Heimat zurückschicken; als Entlassungsgeschenk aber wolle er ihnen soviel geben, dass alle in der Heimat mehr beneidet und auf diese Weise die anderen Makedonen gereizt würden, die gleichen Mühen und Gefahren auf sich zu nehmen.“ – Das wurde wohl nicht ganz zu Unrecht als Abschiebung verstanden und führte zu Empörung,1645 was wiederum Alexander zu einer Jähzornhandlung (Hinrichtung von dreizehn makedonischen Männern) veranlasste. Darauf hielt er „seinen Soldaten in einer eindrucksvollen Rede die Verdienste vor, die sein Vater Philipp und er selbst sich um das makedonische Volk erworben hätten. Als die Makedonen sahen, dass es dem König mit der Entlassung ernst sei, wurden sie umgestimmt […].“ – Der tiefere Grund dieser Auseinandersetzung war die Eifersucht vieler Makedonen auf die Perser in Alexanders Umgebung. Nach tagelangem Groll Alexanders und Vermittlungsversuchen der Makedonen gelang schließlich die Versöhnung,1646 und zum Dank wurden Trankopfer und Gebete dargebracht:1647 „In dem Gebet von Opis, mit dem das große Versöhnungsmahl eingeleitet wurde, flehte Alexander die Götter um Eintracht zwischen Makedonen und Persern an, beide Völker sollten gemeinsam die Herrschaft führen. An seinem Plan der Völkerverschmelzung hielt der König 1648 also unentwegt fest“.

Dabei könnte Alexander die Äußerung zum gemeinsamen Recht für alle gemacht haben. Die Darstellung Arrians und der allgemeine historische Rahmen lassen dies in der Tat nicht unwahrscheinlich erscheinen. Obwohl Alexander bei seinem Unterfangen gescheitert ist, muss allein schon ein solches Vorhaben als denkwürdig hervorgehoben werden. – Alexander erweist sich unter diesen schwierigen Umständen, von seinem Jähzorn einmal abgesehen, als geistesgegenwärtiger, weitblickender Heerführer und Herrscher mit Gespür für das Bewältigen heikler Situationen und einem geradezu (rechts)utopischen ‚touch’. Der weitere Zusammenhang der Ereignisse von Opis wird in der anschaulichen Darstellung Bengtsons deutlich:1649 „Zu Beherrschern der Welt wollte Alexander die Makedonen und die Perser, das führende Volk des Achämenidenreiches, machen. Der Verschmelzung dieser beiden Völker (von ihrer

1645 Nach Bengtson 1965/2003, 303 f forderten die für die Entlassung in die Heimat vorgesehenen makedonischen Veteranen „die Verabschiedung aller makedonischen Soldaten und riefen dem König voll Hohn zu, er möge allein mit seinem Vater Ammon zu Felde ziehen.“ 1646 Arrian, Anabasis VII 11, 5. 1647 AaO VII 11, 8 f. 1648 Bengtson 1965/2003, 304. 1649 1965/2003, 303 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

Rassenverwandschaft als Indogermanen hat Alexander natürlich nicht das geringste geahnt) diente vor allem die Massenhochzeit zu Susa. In ihr verbanden sich Alexander und seine nächsten Freunde mit persischen Frauen. Alexander heiratete Stateira, die Tochter des letzten Großkönigs, Hephaistion ihre Schwester, 80 andere vornehme Makedonen verbanden sich mit Töchtern aus persischem und iranischen Geblüt, nicht weniger als 10 000 Makedonen haben damals Hochzeitsgeschenke von Alexander empfangen. Auch sie waren entweder schon im Besitz von persischen Frauen oder haben diese auf der Massenhochzeit geheiratet. Natürlich gab es unter den Makedonen auch zahlreiche Männer, die dem König auf diesem Weg nicht zu folgen vermochten. Ihr Zorn und Groll entlud sich bei der Meuterei von Opis […].“

Hier soll noch eine andere Stelle aus Plutarchs ‚Moralia’1650 erwähnt werden, die zeigt, dass noch Plutarch auch Alexanders (in mancher Hinsicht) durchaus modern zu nennende Vorstellungen von Herrschaft und Recht zu den wesentlichen Eigenschaften des großen Makedonen zählte. Der Text belegt immerhin, dass derartige Vorstellungen mit Alexander verbunden wurden und dass Opis wohl nicht den einzigen Anlass bot, um diese Ziele Alexanders sichtbar werden zu lassen. „But upon Alexander it was Virtue who laid the kingly and god-like Labour, the end and aim of which was not gold, carried about by countless camels, nor Persian luxury, banquets, and women, nor the wine of Chalybon [sc. city in Syria], nor the fish of Hyrcania, but to order all men by one law and to render them submissive to one rule and accustomed to one manner of life. The desire which he cherished to accomplish this task was implanted in him from child1651 hood, and was fostered and increased with the years that passed.” (Hervorhebung von mir)

Dies ist aber nicht der einzige Text, in dem Plutarch sein hohe Wertschätzung der rechtlichen Leistungen Alexanders ausdrückt; er vergleicht ihn auch mit großen Heerführern und Gesetzgebern und stellt etwa Solons Seisachtheia und Alexanders Schuldübernahme für seine makedonischen Kämpfer nebeneinander.1652 Plutarch will wohl hervorheben, dass sich Alexander an historischen Vorbildern orientierte; besonders eindringlich sein Lob:1653 „But if the deity that sent down Alexander’s soul into this world of ours had not recalled him quickly, one law would govern all mankind, and they would look toward one rule of justice as though toward a common source of light.”

Alexanders durchaus originelle Gedanken zur Einheit der Völker flossen aber auch auf philosophischem Gebiet ein, und sie wirkten in kaum zu unterschät-

1650 Zitiert nach der Ausgabe der Loeb Classical Library: IV 469 f. 1651 Wer hat wohl dem jungen Alexander diese Ziele nahegebracht? 1652 II 13. –I 4: „[…] instructing lawless and ignorant tribes in the principles of law and peace“ und ebendort I 5: „Although few of us read Plato’s Laws, yet hundreds of thousands have made use of Alexander’s laws, and continue to use them.” 1653 AaO I 8.

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Nomos und Physis

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zender Weise in der Stoa fort, die sie an Rom weitervermittelte. Lassen wir Plutarch erneut zu Wort kommen:1654 „Moreover, the much-admired Republic of Zeno, the founder of the Stoic sect, may be summed up in this one main principle: that all the inhabitants of this world of ours should not live differentiated by their respective rules of justice into separate cities and communities, but that we should consider all men to be of one community and one polity, and that we should have a common life and an order to us all, even as a herd that feeds together and shares the pasturage of a common field. This Zeno wrote, giving shape to a dream or, as it were, shadowy picture of a well-ordered and philosophic commonwealth; but it was Alexander who gave effect to the idea“.”

Gleichsam um Alexanders originären Anspruch auf diese Idee abzusichern, fügt Plutarch hinzu: „For Alexander did not follow Aristotle’s advice to treat the Greeks as if he were their leader, and other peoples as if he were their master […]”. – „Yes, the equipment that he had from Aristotle his teacher when he crossed over into Asia was more than what he had from his father 1655 Philip.”

Nomos und Physis Veranlasst durch gesellschaftlichen Wandel (nach den Perserkriegen), durch den verheerenden (Peloponnesischen) Krieg und vielleicht auch durch immer zahlreichere und spezifischere, vom alten Herkommen abweichende rechtliche Regelungen in den Poleis brach der Gegensatz Nomos – Physis im letzen Viertel des 5. Jahrhunderts auf; er rüttelte auch an den überkommenen gesellschaftlichen und rechtlichen Grundlagen vieler Poleis und wurde erst dadurch zum Problem. Der in Kleisthenischer Zeit geschaffene neue Nomos bezog immer häufiger aktuelle Inhalte und Werte in das wachsende positive Recht der Poleis ein und geriet dadurch allmählich in einen Gegensatz zur (eigenen) alten Wertbasis, aber auch zu den Rechtsordnungen der übrigen Poleis. Ein Ergebnis dieser Entwicklung war das Nomos-Physis-Problem.1656 Anders als zu erwarten waren es zwar die Sophisten, die diesen Widerspruch zuerst hervorhoben und erörterten; der von ihnen – Protagoras ausgenommen – propagierte Weg war aber zumeist problematisch; er wies nämlich historisch zurück! – Dafür steht neben Hippias von Elis auch Gorgias von Leontinoi.1657 Der Widerspruch lag in der Forderung, der neue Nomos – der immer noch Teil des

1654 AaO I 6. 1655 AaO I 4. 1656 Dazu Kapitel II 13. 1657 Zur Sophistik: Lesky 1971/1993, 387 ff. – Vgl. auch Kapitel VI 3.

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Kapitel I: Perspektiven, 7. Olympische Religion und Heroenkulte

nomologischen Wissens war – müsse mit dem (der ‚Natur’ viel weitgehender entsprechenden) Alten und Überkommenen (ua. auch solchem Recht) wieder in Einklang gebracht werden und dürfe keine willkürlichen Setzungen normativer Art vornehmen. Der neue Nomos war für diese Sophisten ein Tyrann, was schon sprachlich einen gewollten Gegensatz zu Pindars Formulierung bildet, der von einem „König Nomos – O²NPK CBTeMFVK“ gesprochen hatte. – Die Lehre, die Sokrates, Platon und schließlich auch noch Aristoteles und der Peripatos – im Widerstand gegen die Sophistik – daraus zogen und vertraten, setzte sich zum Ziel, mit dem neuen ‚Nomos’ auch die Bereiche von Religion und Kultus weiterzuentwickeln, um auf diese Weise eine Art Parallelverschiebung dieser Bereiche vornehmen zu können. Durch eine solche ‚Anpassung’ des Alten und Überkommenen konnte auf der anderen Seite Neues (besser) integriert und berücksichtigt werden. In diesem Programm lagen beachtliche Leistungen von Akademie und Peripatos. Die Bemühungen vermochten aber die politischen Rahmenbedingungen nicht mehr in dem Maße zu beeinflussen, wie dies nötig gewesen wäre, um noch eine Wende im 4. Jahrhundert herbeizuführen. Die (auch durch den Peloponnesischen Krieg geförderte) Loslösung von Politik, Macht und Recht von den überkommenen Grundlagen war bereits zu weit fortgeschritten, als dass noch eine gemeinsame Fortentwicklung (zB in Richtung Flächenstaat bei Aufrechterhaltung der Demokratie mit ihren rechtsstaatlichen Elementen) möglich gewesen wäre. – Als wichtiges rechtliches Ausgleichsinstrument bringt das Nomos-Physis-Problem – das auch als eine Reaktion auf eine akzelerierte gesellschaftliche Entwicklung – gleichsam Alt gegen Neu – gesehen werden muss – das Konzept der Epieikeia hervor.1658 – Die sophistische Position ist voll von inneren Widersprüchen und kann und sollte daher nicht – wie das immer wieder geschieht – als Aufklärung schlechthin verstanden werden, auch wenn sie das in manchen ihrer Facetten war. Im Nomos-Physis-Problem beweist die Haltung der Sophisten gerade das Gegenteil: Sie wandten sich mitunter gegen den ‚den Fortschritt’ bringenden Nomos und traten damit für das Alte (im Sinne einer vermeintlich notwendigen Übereinstimmung von Kultur/Nomos mit der Natur unter Ausschluss eines autonomen gesellschaftlichen Bereichs) ein.1659

1658 Näheres in Kapitel II 13 und FS I. Weiler (2008). 1659 Zum Rechtsdenken der Sophisten: Kapitel VIII 4.

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8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland „Aber sie führte von dannen Nausithoos, ähnlich den Göttern Brachte gen Scheria sie, fern von den erfindsamen Menschen, Und umringte mit Mauern die Stadt und richtete Häuser Baute Tempel der Götter und teilte dem Volke die Äcker.“

Dass die Kolonisation im alten Griechenland schon in Homerischer Zeit im Gange war, belegt das vorangestellte Motto,1660 das von der Gründung Scherias/Kerkyras – heute Korfu – und vom Oikisten Nausithoos handelt. – Ich möchte das wissenschaftliche Interesse auf die rechtlichen Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt lenken und zeigen, dass die griechische Kolonisation auch auf dem Gebiet des Rechts Beachtliches geleistet hat.1661

Was ist Kollisionsrecht? Kollisionsrecht1662 trägt bis heute dem räumlichen Neben- und Miteinander von Staaten/Poleis und ihren Rechtsordnungen Rechnung.1663 Staaten existierten

1660 Homer, Odyssee VI 7-10; Übersetzung J. H. Voss. 1661 Grundsätzlich Busolt I 173 ff, der auch auf die gesellschaftlichen Vorstadien der Kolonisation, nämlich die Entwicklung von (See)Handel und Gewerbe eingeht und ebendort II 1264 ff, wo er das Verhältnis zwischen Mutter- und Pflanzstadt darstellt. Ferner Graham 1964, 19832. Die Dissertation von Seibert (1963) behandelt erstmals auf breiterer Basis die Beziehung von ‚Metropolis und Apoikie’; sie hatte sich zur Aufgabe gestellt nachzuweisen, dass Mutterstadt und Kolonie keinesfalls „nur durch Bande der Pietät verbunden waren“ (aaO 234). Seibert kommt zum Ergebnis, dass neben der Anwendung von „brutaler Gewalt“ und „Machtpolitik“, insbesondere auch „rechtliche Beziehungen“ festgestellt werden konnten und nennt dafür „einseitige Bürgerrechtsverleihung, gegenseitige Isopolitieverträge, Gesetze über die Entsendung eines Strategen […]“ uam. Auf die hier untersuchten Fragen geht er nicht ein. – Teile der Großen Kolonisation behandeln Dunbabin (1948) und Bilabel (1920); vgl. auch den Überblick von Ch. Freeman 1999/2000, 63 ff: ‚An Expanding World: 800-550 B. C. – Zum späten Einstieg Athens in den Kolonisierungsprozess: Ehrenberg 1973a, 116 ff. 1662 Vgl. schon Phillipson (1911) und Yntema 1954, 516 ff. – Wolff (1979) spricht von einer „Konkurrenz von Rechtsordnungen“ in der Antike. – Grundsätzlich zu Aufgaben, Begriff, Wesen und Bezeichnung von Internationalem Privatrecht/IPR: Dölle (1968) und Kegel (19876). – Zur Abgrenzung des Kollisionsrechts vom Fremden- und Völkerrecht vgl. insbesondere nach Anm. 2059. 1663 Kollisionsregeln innerhalb ein und derselben Rechtsordnung: und zwar zwischen altem und neuem Recht statuiert das intertemporale (Privat)Recht. Auch dafür finden sich schon Beispiele

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

auch in der Antike nicht isoliert voneinander, sondern waren auf menschliche und politische Kontakte1664 ebenso angewiesen wie auf recht(sgeschäft)liche und wirtschaftliche, ergaben sich doch schon früh typische Sachverhalte mit rechtlicher ‚Auslandsberührung’: (See)Handelsgeschäfte wurden getätigt und dabei Verträge geschlossen,1665 Heiraten und Erbschaften über Grenzen hinweg gab es damals ebenso, wie es Fragen der Bürger-, Wohnsitz- und Aufenthaltsberechtigung zu entscheiden galt. Die normativen Entscheidungen einer Polis wirkten auf die Behandlung der eigenen Bürger in anderen Poleis zurück; Reziprozität. Das Prinzip der Gegenseitigkeit1666 wurde früh erkannt und im Rahmen von Isopolitie-, Sympolitie-, Rechtshilfe-1667 und Synoikismosverträgen in größerem oder geringerem Maße umgesetzt. Neben einer rechtlichen bestand häufig auch eine politische Austauschbeziehung. Berührungen mit anderen Rechtsordnungen gab es nicht nur im Privatrecht, sondern auch im Strafrecht und im öffentlichem Recht und hier insbesondere im Verwaltungsrecht. Dabei zeigte sich offenbar früh, dass nicht alle aufgeworfenen Fragen befriedigend durch Anwendung eines einzigen Anknüpfungsprinzips, etwa dem Personalitätsprinzip oder der lex fori (als Ausfluss des Territorialitätsprinzips)1668 gelöst werden konnten; mochte ein solches Denken auch lange vorgeherrscht haben und bis heute für manche unsensible Lösungen verantwortlich sein.1669 Zu regeln galt es auch damals Fragen des Bürgerrechts/der Staatsbürgerschaft (lex patriae), des Erwerbs und Erhalts von Grund und Boden, der Niederlassung zu Zwecken von Handel und Gewerbe, der Steuerpflicht usw.

im antiken Griechenland; zum Beispiel im Stadtrecht von Gortyn (~ 450 v. C.; etwa in IV 49 ff: Mitgiftbestellung durch den Vater oder VI 25 und IX 16 ff: Verbot von Geschäften über fremdes Vermögen oder XII 15 ff: Schenkungen auf den Todesfall). Weitere Nachweise und Beispiele für Gortyn bei Kohler/Ziebarth (1912/1972), etwa 94. Vgl. auch Bücheler/Zitelmann (1885). – Dazu jüngst auch Daemgen (2005), der sich aber nicht zu den hier untersuchten Fragen äußert. Seine Schlussfolgerungen für das intertemporale Recht im antiken Griechenland sind lückenhaft. – Die Existenz von intertemporalem Recht (also von Übergangsbestimmungen) im antiken Griechenland beweist jedenfalls, dass das Problem von Rechtskollisionen (auch innerhalb einer Rechtsordnung) bekannt war und dass man darauf auch legistisch reagierte. 1664 Zum griechischen Völkerrecht Näheres in Pkt. 9. Die beiden Gebiete sind verwandt; das gilt insbesondere für die Frage der Kollisions- oder ‚IPR’-Verträge. 1665 Phillipson 1911, II 70 ff: Handelsverträge samt Jurisdiktion oder 115 ff: Zur Beziehung von Mutter- und Tochterstadt. 1666 Dazu mein Zivilrecht 2004², I 78. 1667 Dazu ab Anm. 1772. 1668 Schönbauer 1929, 368 umschreibt dieses Prinzip: „[…] das eigentliche Territorialitätsprinzip, wonach jedes Gericht ohne Rücksicht auf die Person und deren Abstammung [sich] nur nach dem Rechte des Gerichtslandes richtet“. – Schönbauer unterscheidet auch noch ein abgeschwächtes Territorialitätsprinzip, was hier aber vernachlässigt werden kann. – Zum frühen Personalitätsprinzip: Yntema 1954, 514. 1669 Vgl. dazu etwa Kalchschmid/Barta 1999, 28 ff: (Illegales) Heranziehen von in Österreich verunglückten Ausländern als Organspender; vgl. auch Anm. 2052.

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Was ist Kollisionsrecht?

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Es leuchtet daher ein, dass Kollisionsnormen früh nicht nur das Privatrecht, sondern auch das öffentliche Recht betrafen. Im Privatrecht zeigte sich zunächst im Bereich von Ehe und Familie und im Erbrecht, aber auch früh im Sachen- und im Schuldrecht das Bedürfnis nach differenzierteren Regelungen, um den rechtlichen Interessen der handelnden Parteien – dazu zählten neben den unmittelbar beteiligten Privaten mittelbar auch die betroffenen Poleis – besser zu entsprechen. Die Inschrift von Naupaktos enthält erste privatrechtliche Beispiele. – Das Problem bestand dabei darin, in die jeweilige Entscheidung nicht (immer) nur die Interessen einer (betroffenen) Seite einfließen zu lassen, sondern sachgerechte(re) Lösungen zu finden, die allen Beteiligten nützen konnten. So entwickelte sich für manche Fragen bereits eine Art Personalstatut,1670 das an das Heimatrecht einer Person anknüpfte; später wurde von ius sanguinis/originis oder vom ius ossibus inhaerens gesprochen. 1671

Phillipson bringt als Beispiel den Zweiten Vertrag zwischen Sparta und Argos nach der Schlacht bei Mantinea (418 v. C.): in dessen Pkt. 6 wurde die Achtung des ius sanguinis (und damit die Anwendung von fremdem Recht/Kollisionsrecht: Personalstatut) vereinbart: „Justice shall be administered to the individual citizens of each State according to their ancestral customs.“ – Das bedeutete ein Anknüpfen am Bürger-, nicht bloß am Wohnsitzrecht. Allein auch das Wohnsitzrecht – als zweite Variante des ‚Personalstatuts’ – spielte schon in der Antike eine Rolle; es wurde etwa auf Metöken angewandt und räumte ihnen gewisse Rechte (insbesondere Rechtsschutz) ein und erlegte ihnen Pflichten auf (zB Steuer- und Wehrpflicht; auch zur Sicherung von Staatsschulden wurden sie unter Umständen gemeinsam mit den Bür1672 vom Liegenschaftserwerb hingegen blieben sie ausgeschlossen. – gern herangezogen), Das zeigt, dass in der frühen Rechtspraxis territoriale und personale Anknüpfung als (mögli1673 che) Prinzipien noch nicht strikt geschieden waren, in nuce waren sie schon vorhanden.

Einen wie im modernen internationalen Privatrecht explizit formulierten Personalitätsgrundsatz kannte die Antike aber offenbar noch nicht, mag der Inhalt des Personalitätsprinzips in der Antike auch umstritten sein.1674– Schon Schönbau-

1670 Auch dafür finden sich in der Antike erste Ansätze (etwa in der Inschrift von Naupaktos); vgl. die Hinweise bei Anm. 1965: Anordnung der Anwendung opuntischen Rechts auf die Nachzügler in Naupaktos. 1671 1911, II 59 ff insbesondere 62 und 204 uH auf Thukydides V 79. 1672 Vgl. Szanto (1885). 1673 Zur Rechtsstellung von Fremden: Hitzig 1907, 211 ff; Weiss 1923, I 171 ff und Lipsius 1915, III 791 ff. 1674 Vgl. einerseits Taubenschlag 1936, 259 f mwH („Mit der Einwanderung der Griechen hält, kraft des im Altertum geltenden Personalitätsprinzips, das griechische Recht in Ägypten seinen Einzug.“) und denselben, 1938, 471, andererseits Wolff 1980, 38 f: „Niemals begegnet ein Verweis auf das Heimatrecht einer Partei. [Vgl. aber nur das Beispiel Phillipsons bei Anm. 1671.] Wir dürfen also feststellen, dass der mögliche Rückgriff auf das Personalstatut einer Person – also das Personalitätsprinzip von der Art des im heutigen Internationalen Privatrecht geltenden – zumindest als regelmäßiges Ordnungsprinzip [?] außerhalb der juristischen Vorstel-

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

er1675 beklagte, dass man nirgends „genau“ erkenne, „was die Rechtshistoriker unter dem Personalitätsprinzipe im antiken Rechte verstehen“. Er anerkennt nur ein „innerstaatliche[s]“ Personalitätsprinzip und er bringt dazu ein interessantes Beispiel aus der Zeit des Augustus.1676 – Das lässt erkennen: Die Inschrift von Naupaktos belegt einen Zwischenschritt; ihr ‚intermunizipiales’ Kollisionsrecht ist nämlich nicht mehr nur ‚innerstaatliches’ Kollisionsrecht (wie auch noch das Beispiel aus dem Fayûm im ptolemäischen Ägypten),1677 sondern bereits – wenn auch noch kein ‚internationales’ – ein zwischen zwei Poleis geltendes, eben ein ‚intermunizipiales’ Kollisionsrecht. Es gilt zwischen zwei unabhängigen (aber dennoch in sehr enger Beziehung stehenden) Poleis außerhalb eines einheitlichen Staatsgebildes und es kann daher zwar noch nicht als ‚internationales’, aber doch als ‚(inter)hellenisch-munizipiales’ Kollisionsrecht bezeichnet werden. – Wir können demnach unterscheiden: 1. Innerstaatliches Kollisionsrecht regelt rechtliche Kollisionen innerhalb eines Staatsverbandes: Etwa zwischen mehreren diesem Verband angehörenden (semi-autonomen) Poleis – oder wie im ptolemäischen Ägypten historische Wirklichkeit – zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Staatsverbandes; hier insbesondere zwischen Griechen und Ägyptern. 2. Intermunizipiales Kollisionsrecht ordnet Probleme zwischen zwei bereits grundsätzlich unabhängigen ‚Staaten’, deren Autonomie allerdings unterschiedlich groß sein kann – wie typischerweise im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterstadt sichtbar. 3. Internationales Privatrecht: Diese Entwicklungsstufe – im Sinne eines grundsätzlichen und allgemeinen Erkennens, Reflektierens und Regelns der kollisionsrechtlichen Fragen – wurde 1678 in der Antike weder in Griechenland noch in Rom erreicht.

Diese Präzisierung ist nötig, um einerseits keine falschen Vorstellungen zu wecken oder übertriebene Hoffnungen zu nähren und um andererseits negative Beurteilungen wie die H. J. Wolffs künftig möglichst zu vermeiden. In der Wissenschaft sind solche negativen Beurteilungen ebenso problematisch wie überzogenes Lob. – Rechtsgeschichte ist auch eine empirische Disziplin, die weder späte-

lungswelt der Zeit gelegen haben muß.“ (?) Wolff misst hier wohl antikes Recht zu sehr am Maßstab des modernen. Dazu kommt, dass seine Einschränkungen und Immunisierungen (etwa: „zumindest als regelmäßiges Ordnungsprinzip“) seine Aussagen entwerten; vgl. 1980, 38 f. Zudem ist der Begriff des Personalstatuts auch noch in der Moderne ambivalent und bedeutet entweder Staatsbürgerschaft/Bürgerrecht oder Wohnsitzrecht; vgl. nur Dölle 1968, 49. Wolff ist daher nicht zu folgen. 1675 1929, 368. 1676 Siehe bei den Anm. 1765 sowie 2054 und 2077. – Naupaktos erwähnt er nicht. 1677 Dazu später bei Anm. 1786. 1678 Undifferenziert verneinende Antworten greifen offenbar zu kurz, weil sie außer Acht lassen, dass auch die Lösung von Rechtskollisionen einer Entwicklung unterlag, die Zwischenschritte kannte und wohl auch benötigte. – Vgl. dazu bei Anm. 2078.

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Was ist Kollisionsrecht?

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re Hinzufügungen, noch nachträgliche hyperkritische Weg- oder Auslassungen billigen sollte. Zurück zu den Aufgaben von Kollisionsrecht: Anders als ‚personenrechtliche’ Fragen wurden Liegenschaften schon damals nach der lex rei sitae, dem ‚Recht der gelegenen Sache’ behandelt. Bewegliches Gut dagegen folgte früh dem Recht der Person, der es gehörte; die Formulierung des Grundsatzes mobilia ossibus inhaerent erfolgte aber erst später. Bruck1679 hat jedoch gezeigt, dass der Erwerb von Individualeigentum an Fahrnis bereits zur Zeit Homers verbreitet war. – Delikte und Rechtsgeschäfte dagegen wurden offenbar früh nach dem Recht des Ortes, an dem sie begangen (lex oder forum delicti commissi) oder geschlossen (lex oder forum contractus, locus regit actum)1680 worden waren, beurteilt. – Zu manchen dieser Einsichten gelangte man ganz oder doch zum Teil bereits in griechischer (und römischer) Zeit.1681 Diese Grundsätze wurden ‚gelebt’, obgleich formulierte Regeln, wie sie die Statutentheorie dann im Mittelalter bildete, noch fehlten. In der Antike beinhaltete die lex fori schlicht sowohl das materielle als auch das formelle Recht des jeweiligen (Gerichts)Ortes. Die lex fori wurde grundsätzlich als Konsequenz der ausschließlichen politisch-justiziellen Zuständigkeit für ein Territorium – etwa eine Polis – für Rechtsakte verstanden, war also ein Aspekt des Territorialitätsprinzips, das sich primär an politischer Herrschaft orientierte. Die lex fori bildete offenbar früh die Basis für das forum delicti commissi und das forum contractus/locus regit actum. Die Gründe dieser Entwicklung kennen

1679 1926/1970², 39 ff. 1680 Die Vorstellung vom Vertrag als individuellem Gesetz der ihn schließenden Parteien – lex privata/lex contractus, also ihre normative Selbstbindung und -verpflichtung (durch Selbstbestimmung), findet sich schon bei Aristoteles (vgl. Rhetorik I 15, 1376b), ist aber wohl noch älter. – Auf den geschlossenen Vertrag dann das Recht des Abschlussorts anzuwenden, ist eine von mehreren möglichen Lösungen für das Kollisionsproblem und wurde bereits in Griechenland angewendet. Vgl. das von Phillipson 1911, II 63 f angeführte Beispiel aus dem Vertrag zwischen den kretischen Poleis Hierapytna und Priansos vom Ende des 3. Jhs. v. C., in welchem ein Austausch verschiedener Rechte und Privilegien vereinbart wurde. Der Vertrag enthielt neben dem Austausch des Bürgerrechts – beinhaltend das Recht der gegenseitigen Teilnahme an den religiösen Kulthandlungen und heiligen Festen, das Recht der Wechselheirat, das Recht zum Eigentumserwerb, zum Abschluss von Kauf- und Darlehensverträgen, ja von allen Arten privatrechtlicher Verträge. All dies sollte in Übereinstimmung stehen mit der jeweiligen lex loci contractus. Phillipson: „[…] in a word, the parties are to share in common in all things divine and human, LBh RFeXO LBh ‚ORSXQeOXO QƒOUXO (which is the customary formula inserted in treaties establishing complete alliances in Greece). Further taxes for exports or imports are abolished, except in the case of certain articles imported by sea.” – Bei Phillipson finden sich weitere Beipiele für die starke Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung und -angleichung; so der Vertrag zwischen Smyrna und Magnesia/Lydien von 244 v. C. (1911, II 67 f) in dem unter anderem eine „community of laws“ vereinbart wird. – Vgl. auch Anm. 1695 Chaniotis (1996). 1681 Zur sogenannten lex fori (also dem vom zuständigen und entscheidenden örtlichen Gericht anzuwendenden Recht = Recht des Gerichtsortes) auch bei Anm. 1779.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

wir bislang nicht, allein sie könnten darin gelegen haben, dass über die ‚plumpe’ örtlich-territoriale Zuständigkeit hinaus, ein besonderer sachlicher Gesichtspunkt (bei Delikten und Vertragsschlüssen) für die Zuständigkeit eines Gerichts genannt werden konnte, der zudem einfach nachvollziehbar und vielleicht auch schon da und dort gewohnheitsrechtlich praktiziert worden war. – Kurz: Die örtliche gerichtliche Zuständigkeit konnte damit aus sachlichen Gründen (und nicht nur auf politische Machtverhältnisse gestützt) einsichtig gemacht werden. Wolff geht in seiner Ablehnung, die auch Vorstufen eines ‚Internationalen Privatrechts’ nicht anerkennen will, meines Erachtens zu weit. 1682 Nach Wolffs Akademievortrag von 1979 hielten offenbar viele ‚alles’ für geklärt. – Dennoch ist zu überlegen, ob die Entwicklung tatsächlich so verlaufen ist, wie Wolff und Schönbauer meinen. Ich versuche, darauf eine neue Antwort zu finden.1683 Anders als nach der späteren irreführenden Bezeichnung als ‚Internationales’ Privatrecht anzunehmen, ist Kollisionsrecht nationales Recht eines Staates. Es handelt sich auch nicht um Privatrecht, sondern um öffentliches Recht; die spätere Bezeichnung ist also auch in dieser Hinsicht unrichtig. – Es regelt keine Sachfragen und zählt damit nicht zum materiellen Recht, es ordnet lediglich an, welches der kollidierenden Rechte auf einen konkreten, zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden ist. – Dies wird vorausgeschickt, um das Verständnis der folgenden Ausführungen zu erleichtern.

‚Erinnerungen’ an die griechische Kolonisation Bereits Graham1684 hat darauf hingewiesen, dass die (Rechts)Fragen rund um die griechische Kolonisation früh auf wissenschaftliches und politisches Interesse gestoßen sind und im Konflikt zwischen Britannien und seinen nordamerikanischen Kolonien von großer Bedeutung waren. Dazu waren auch einige Bücher erschienen, die Graham als „pamphlets […] written […] with the aim of finding justification in the practices of the ancients for whatever view their authors supported“ bezeichnet. Nicht die wissenschaftliche Suche nach Wahrheit sei ihr leitender Gedanke gewesen, sondern die argumentative Stärkung der eigenen Position. Wissenschaftlich anziehend gewirkt hätte aber schon neben der ‚Kolonisation’ als solcher, auch „the special nature of Greek colonies“.

1682 Zu weitgehend scheint mir auch die Ablehnung durch Schönbauer 1929, 369, dem Wolff in seinem Akademievortrag offensichtlich (weitgehend) gefolgt ist. Im Gegensatz zu Wolff anerkennt Schönbauer allerdings ein innerstaatliches Kollisionsrecht in römischer Zeit. Schönbauer formuliert allerdings ebenfalls apodiktisch. Durchaus interessant und bedenkenswert sind hingegen seine Ausführungen (1929, 372 ff) zum ‚innerstaatlichen Personalitätsprinzip’. 1683 Zu Wolff später mehr. 1684 1964, XVII f.

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‚Erinnerungen’ an die griechische Kolonisation

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Ein anderes Beispiel für das langanhaltende Gedächnis zwischen Mutter- und Tochterstadt findet sich bei Seibert:1685 1686

„Im Jahre 1900 feierte Marseille, die Tochterstadt von Phokaia, ihr 2500jähriges Bestehen. Als Berichte darüber in den Zeitungen erschienen, fragte die Mutterstadt Phokaia in Marseille an, warum sie nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen worden sei; ‚man vermisste die 1687 schuldige Pietät’“.

Die im 8. Jahrhundert v. C. (auf äolischem Gebiet) gegründete Hafen- und Handelsstadt Phokaia ist die nördlichste der ionischen Küstenstädte des westlichen Kleinasien. Sie hat sich nach Herodot1688 als erste griechische Stadt mit den Phöniziern im Handel gemessen. Als Mutterstadt gründete sie ua. neben Lampsakos (a 700) auch Massalia/Marseille (a 600) – von wo aus um 565 Alalia/Korsika gegründet wurde (das allerdings wieder verlorenging) – und schliesslich Elea in Süditalien. Die Stadt gilt als eine der ersten griechischen Münzstätten (Ende 7. Jahrhundert).1689

1685 1963, 1. 1686 Dazu Lamer/Kroh (199510), Boardman (19994) und Roebuck (1959). 1687 Seibert (1963) zitiert Lamer 1933, 505: Stichwort ‚Mutterstadt’. 1688 I 163. 1689 Zum Schicksal der Phokäer in Kapitel VI 4: Historischer Rahmen (bei der Jahreszahl: 546 v. C.). – Mehr zum Verhältnis von Massalia zu seinen Kolonien bei Werner 1971, 46 ff.

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Abb. 8: Kleinasiatische Küste – Phokaia

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Kolonisation fördert Rechtsvereinheitlichung und autochthone Kautelarpraxis Das Entstehen von Kollisionsrecht im archaischen Griechenland habe ich auch deshalb untersucht, weil diese Entwicklung zu zeigen vermag, dass dadurch das ‚gemeine’ griechische Recht1690 gefördert wurde. Zudem kann damit deutlich gemacht werden, welche beachtlichen Leistungen das griechische Rechtsdenken im Rahmen der (Großen) Kolonisation schon in archaischer Zeit erbracht hat. Das ist bereits vorausschauende Kautelarpraxis auf beachtlichem Niveau. Diese Leistungen werden weder dadurch geschmälert, dass das römische Recht nicht darüber hinausgelangt ist, sondern sie offenbar lediglich übernommen hat, noch dadurch, dass selbst Savigny sie nicht gekannt hat.1691 Ob römischrechtliche Parallelen eines innerstaatlichen Kollisionsrechts nur auf die ‚Natur der Sache’ zurückzuführen sind, wie dies etwa W. Waldstein für das Freilassungswesen in Griechenland (Paramoné) und Rom (operae libertorum) angenommen hat, sei vorerst dahinge1692 stellt; der Kontext spricht nämlich eher für eine Rezeption durch Rom.

Die Entdeckung früher Ansätze von Kollisionsrecht ließ mich diese ‚Errungenschaft’ ausführlicher schildern, zumal die praktische und später auch theoretisch bedeutsame Qualität der für die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt geschaffenen Regeln bisher nicht wirklich erkannt worden ist.1693 Schon damals ging es im Kern um die Frage, welche der berührten Rechtsordnungen in konkreten Fällen zur Anwendung gelangen sollte: Das Recht der Mutterstadt oder jenes der kolonialen Tochter? Es bestanden nämlich inhaltlich immer wieder Berührungspunkte zu beiden Rechtsbereichen; zu klären war etwa der Fall, dass der Vater eines Aussiedlers/Nachzüglers (etwa nach Naupaktos) im heimischen hypoknemidischen Lokris/Opus1694 gestorben war und klargestellt werden sollte, ob der Sohn, mittlerweile Bürger von Naupaktos, als Familienangehöriger – allein oder neben Geschwistern – auch nach opuntischem

1690 Dieser Vorgang darf aber auch nicht überschätzt werden, denn das griechische Recht hat bis zuletzt eine beachtliche Diversität bewahrt; dazu statt aller und in manchem zu Recht kritisch Finley (1966), der insbesondere Wolff ‚entzaubert’; Wolff (vgl. nunmehr denselben 1995, Griechisches Recht, in: LAW III 2516) vertrat nach dieser Publikation etwa Finleys Meinung. Vgl. schon Pkt. 6. – Vgl. dazu die realistischere Rechtseinheits-Formel Lewalds bei Anm. 1762. 1691 Zum römischen Recht bei Anm. 1765. – Zu Savigny: Maridakis (1953). 1692 Zu den verschiedenen Ansätzen und Möglichkeiten einer kulturhistorischen Rezeptionsforschung (Akkulturation oder Kulturtransfer) auch in Bezug auf das Rechtsdenken grundlegend: I. Weiler (2006). 1693 Das gilt auch für Graham (1964) und die Kommentierung der Naupaktos-Inschrift durch Koerner (1993). Eine Ausnahme macht Sturm (1984; vgl. Anm. 1885 ); vgl. auch dessen Kritik (2002, 591 ff) an Maffi (1986, 69 ff). 1694 Zur Entstehung von Opus: Ehrenberg 19652, 29.

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Recht erbberechtigt sein sollte. Auch der umgekehrte Fall und weitere Fälle bedurften einer Lösung. Solche Fragen stellten sich immer dann, wenn eine Kolonie eine eigene Rechtsordnung hatte, was offenbar bis ins späte 6. Jahrhundert regelmäßig der Fall war; das konnten übernommene Normen der Mutterstadt (Jurisdiktionsregeln und Institutionen) sein oder autonom geschaffene Regeln der Pflanzstadt. – Daneben wurde früh auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Kollisionsprobleme dadurch zu lösen, dass – etwa im Rahmen eines Synoikismos oder einer Isopolitie1695 – neues Recht für die Zukunft geschaffen wurde. Eine solche Lösung vermochte die kollidierenden rechtlichen Interessen aller von diesem Vorgang Betroffenen zu berücksichtigen.1696

1695 Zahlreiche Beispiele bei Chaniotis (1996); zB 109 ff, 185 ff, 276 ff, 435 ff. Diese Vertragstypen zeigen auch die Bedeutung des Prinzips der Gegenseitigkeit im antiken Griechenland. Chaniotis hält manches für noch klärungsbedürftig, was wohl vor allem für rechtliche Fragen gilt. Nach ihm (aaO 110) ist etwa strittig, ob eine Isopolitie generell und abstrakt wirkte oder erst dann, wenn ein Bürger der Partnerstadt das Bürgerrecht in der anderen Stadt aktivierte. Nach Chaniotis gab es beides. 1696 Dazu unten die Ausführungen zu: ‚Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon’. Für Ehrenberg (19652, 29 ff) war der Synoikismos die wichtigste Form des Übergangs vom Gaustaat zur Polis. – Zur Isopolitie (und deren kollisionsrechtlichen Bezügen) in Pkt. 9: Völkerrecht (ab Anm. 2143).

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Kolonisation fördert Rechtsvereinheitlichung und autochthone Kautelarpraxis

Abb. 9: Überblick – Stammland und Kleinasien

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Die ‚Große Kolonisation’ Anhand der folgenden Beispiele will ich zeigen, dass in der Antike bereits ein ‚Gespür’ für das Berücksichtigen der rechtlichen Interessen aller Betroffenen bestanden oder sich doch entwickelt hat. Die Einsicht, dass im Falle der ‚Berührung’ von zwei Rechtsordnungen, nicht nur die Interessen einer Seite berücksichtigt werden sollten, führte zu Regeln, die den nötigen Ausgleich herbeizuführen vermochten. Das lag auch insoferne nahe, als zwischen Mutter- und Tochterstadt häufig eine funktionierende (Dauer)Beziehung geschaffen werden sollte. Es leuchtet daher ein, dass sich gerade die Bereitschaft zur Berücksichtigung der Interessen anderer in der Beziehung zwischen Mutter- und Tochterstadt oder im Rahmen eines Synoikismos eher entwickeln konnten als zwischen fremden Poleis oder Staaten. Es handelte sich demnach um eine allmählich fortschreitende Entwicklung, deren erste Schritte im Rahmen der archaischen Kolonisation gesetzt wurden, die ich hier kurz darstellen möchte.

Apoikien und Kleruchien • Die Blütezeit der Großen Kolonisation, die zur Verdoppelung der Zahl der griechischen Poleis führte, wird zwischen a 750 und 580/550 v. C. angesetzt.

1697

• Die im Schrifttum mitunter anzutreffende (begriffliche) Unterscheidung zwischen Apoikie 1698

und Kleruchie scheint in dieser Schärfe in den Quellen (lange) nicht existiert zu ha1699 – Obgleich in der Frühzeit meist autonome Kolonien gegründet wurden, beinhalben. tete der Begriff der Apoikie/…QPJLPJ (für Aussiedler) von Anfang an sowohl selbständige 1700 als auch unselbständige Pflanzstädte. Nach Welwei war ausschlaggebend, „wieweit die Metropolis ihren Führungsanspruch durchsetzen konnte“. Dazu war etwa Korinth ge-

1697 Zur Kolonisation allgemein Eder, in: DNP VI (1999) 646 f; zum Verlauf der Großen Kolonisation, aaO Sp. 653 ff, ferner Gschnitzer 1981, 49 ff und 113 ff und I. Weiler 1988², insbesondere 106 ff mwH, der auf die Diskussion über die wesentlichen Beweggründe der Großen Kolonisation eingeht; dazu auch Werner 1971, 33 ff. – I. Weiler unterscheidet: Erste oder Kleinasiatische Kolonisation um 1000 v. C. (aaO 49, 54); Zweite oder Große Kolonisation (aaO 106 ff) und Dritte Kolonisation in hellenistischer Zeit (aaO 111). – Vgl. auch bei I. Weiler (Hg.) 1995², 37 f (K. Tausend) und 99 (G. Doblhofer), zudem Werner (1971). 1698 Ehrenberg 1973a, 117 und 128 ff uH auf Berve (1937); auch Welwei, Apoikia, in: DNP I (1999) 849 ff, der sich wie Ehrenberg für eine flexible und transitorische Einordnung von Kolonien ausspricht. – Eingehend zu Kleruchien Busolt 1972, II 1271-1280. 1699 Vgl. die Ausdrucksweise im Dekret für die Kolonie Brea: IG3 I 237. – Zur Diskussion über den Status korinthischer Kolonien: Graham 1964, 118 ff (Corinth and the Colonial Empire) mwH, danach scheint der Sprachgebrauch bis Thukydides relativ ‘offen’ gewesen zu sein. Die Meinungen von Kahrstedt (1922), Hampl (1939) und Gschnitzer (1958) lehnt Graham ab. 1700 Apoikia, in: DNP I (1999) 850.

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Die ‚Große Kolonisation’

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genüber Syrakus nicht in der Lage, „während in korinth. Kolonien am Golf von Korinth und im epeirotisch-illyr. Küstengebiet mit Ausnahme von Korkyra eine starke Bindung an 1701 „In general the die Mutterstadt bestand“. Dazu passt gut die Bemerkung Grahams: closest relations between colonies and mother cities have been found where the colonies were not far from the mother city, or where the mother city was sufficiently powerful and ambitious to overcome the obstacle of distance.”) Wiederum anders war Korinths Beziehung zu seiner Kolonie Poteidaia, „die jährlich ihre Oberbeamten (Epidamiurgen) aus der Mutterstadt Korinth erhielt“, sich aber auf der anderen Seite im Gegensatz zu Korinth 1702 – Der Begriff Klerouchie scheint überdem Attisch-Delischen Seebund anschloss. haupt erst gegen das Ende des 5. Jahrhunderts v. C. Gestalt angenommen zu haben und ist 1703 1704 nach Welwei erst im 4. Jahrhundert „klar erkennbar”. – Ehrenberg plädiert daher zu Recht für ein flexibles und mit Übergängen versehenes Zuordnen zum einen oder anderen Typus; und er meint „that there was more than one type of cleruchy and apoecy“; sein Ergebnis: „[…] it seems desirable to distinguish four types: the cleruchy as a garrison [1], and as a municipal community [2], the apoecy as a dependent colony within the empi1705 re [3], and as a normal colony [4]”.

• Graham bemerkt zu dieser Unterscheidung: „The normal Greek word for any colony was ‚QPJLeB, but distinctions of language were possible if it was strongly felt that a distinction of form should be recognized. Thus the term cleruchy (LMISPVDeB) was used to describe a certain type of Athenian colony […], and trading-posts were distinguished by the special 1706 Er betont aber auch „It is therefore still necessary to stress that most name yNQ²SJPO.” Greek colonies were founded to be self-sufficient Greek poleis, with enough land to feed their population” und unterstreicht, dass die übliche Beziehung zur Mutterpolis nicht nur 1707 durch Handelsüberlegungen bestimmt gewesen sei.

• In der Koloniegründungsurkunde (Bronzetafel) für Naupaktos ist von Epoikie/|QPJLPJ die Rede, womit ausgedrückt werden sollte, dass es sich um sogenannte Zu- oder Nachzügler 1708 Welwei betont, dass auch |QPJLPT „kein (in eine schon bestehende Kolonie) handelte. klar umrissener Begriff“ gewesen sei. Danach konnten |QPJLPJ sowohl selbständige Siedler/…QPJLPJ, als auch Zuzügler (wie für Naupaktos nachgewiesen) gewesen sein. – Auf diese Zuzügler wurde danach grundsätzlich naupaktisches Recht angewendet; sie erwarben ja auch das Bürgerrecht dieser Polis. Zusätzlich er- oder behielten sie aber auch (spezifische

1701 1964, 215. 1702 Zu Korinths westlichen Kolonien im 8. Jahrhundert v. C.: Graham 1964, 218 ff; zu Kerkyra und seinen Kolonien (etwa Epidamnus) aaO 149 ff. 1703 AaO. 1704 1973, 128 ff. Er erläutert diese Fragen anhand des Brea-Dekrets, das bei Tod 1933, Nr. 44 abgedruckt ist. 1705 1973, 134. – Hervorhebung und Gliederung von mir. 1706 1964, 4 ff. – Als Beispiele erwähnt Graham Al Mina und Naukratis. 1707 Dazu auch Werner 1971, 32 ff. 1708 Welwei, Apoikia, in: DNP I (1999) 850 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

neue) Rechte in der Mutterstadt (Opus), was offenbar mit Billigung der Tochter Naupaktos geschah.

• Von der Apoikie wird – idealtypisch – schließlich die Kleruchie1709 unterschieden, die grundsätzlich kein neues Rechtssubjekt entstehen ließ, sondern eine staatsrechtlich unselbständige Gründung der Mutterstadt blieb; als aktueller Vergleich bietet sich der zwischen ‚Unternehmen’ und ‚Filiale’ an. Mit diesem insbesondere vom späten Athen forcierten Kolonietypus wurden häufig militärisch-politische, aber auch wirtschaftliche Ziele verfolgt. – Etymologisch kommt Apoikie von ‚QPJLeB ±JLeBK, was soviel bedeutet wie: 1710 Verzweigung des Hauses. – Die Gründung von Bürgerkolonien stellte insbesondere für das kleisthenische Athen nach 508 v. C. ein wichtiges politisches Konzept zur Erweite1711 rung seiner Einflusssphäre dar; das zeigen die von Funke erwähnten Beispiele, nämlich das euböische Chalkis und die Inseln Lemnos und Imbros. Auch auf Salamis siedelten Athener als Kleruchen. „So besehen hatte die Anlage von Kleruchien, deren Bewohner athenische Bürger blieben, nicht nur eine strategische Sicherungsfunktion, sondern diente auch der Stärkung des bürgerlichen Zusammenhalts. Darüber hinaus kam den Kleruchien vor allem auch eine große ökonomische Bedeutung zu. Tausende von Bürgern konnten mit neuem Ackerland versorgt werden, und Athen gewann zugleich dringend benötigte zusätzliche Anbauflächen zur Versorgung der eigenen Bevölkerung. Denn ein hoher Prozentsatz der Griechen „made their living on the land and it was their surpluses 1712 Die innenpolitischen Auswirkungen dieses in jenen Jahwhich underpinned city life“. ren entwickelten Kleruchiensystems, das zu einem wichtigen Instrument athenischer Macht- und Wirtschaftspolitik werden sollte, können daher kaum unterschätzt wer1713 1714 – Welwei betont, dass Athen aber „zumindest in 2 Fällen [nämlich Thurioi den.“ und Amphipolis] Kolonien gegründet [hat], die eindeutig eigene Gemeinwesen darstellten“. Während Thurioi als ‚Nachfolgesiedlung’ von Sybaris gegründet wurde, entstand „Amphipolis in exponierter Lage in Thrakien.“ Diese Apoikien waren aber auch insofern Sonderfälle, als dort nicht nur Athener angesiedelt wurden. Insgesamt waren die Apoikien

1709 Das Wort kommt von: LMISPÀDPJ = Inhaber eines kléros/LM›SPK oder Landloses. Dazu Welwei, Kleruchoi, in: DNP VI (1999) 598 f: Als athenische Kleruchien werden Chalkis (~ 505 v. C.), Salamis, Lemnos, Imbros, Skyros und Lesbos genannt, die Athen – mit Ausnahme von Salamis – durch die Niederlage im Peloponnesischen Krieg verlor. 1710 Beispiel für eine Kleruchie bei Brodersen et al. 1992, I Nr. 108: Urkunde betreffend einen Außenbesitz Athens auf der Insel Lesbos. 1711 2001, 7. 1712 Ch. Freeman 1999/2000, 17. 1713 Zur fragwürdigen und gescheiterten Expedition der Athener (unter Führung des Marathonsiegers Miltiades) gegen Paros (489 v. C.): Ehrenberg 1973a, 137 ff. 1714 Apoikia, in: DNP I (1999) 851. Die Angehörigen der Apoikie wurden Apoikoi genannt. – Ehrenberg 1973a, 134 Fn 1 bezeichnet auch Sigeum als frühe athenische Apoikie: „[…] with its usual features, but to some extent lacking in full political independence because of the family rule of the Peisistratidae”.

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„trotz erheblicher Unterschiede in Rechtsstellung und Struktur Ausstrahlungspunkte griech. Kultur und Gesittung in der Fremde“.

• Unterschieden wurde schließlich zwischen Apoikie,1715 Kleruchie1716 und bloßer Handelsniederlassung/Emporion/yNQ²SJPO, die als Handelsfaktorei keine eigene Gemeinde bildete (weshalb Kollisionsprobleme gar nicht entstehen konnten). Daneben war der Begriff Epoikie/yQPJLeB in Gebrauch, wenn die Kolonisten als ‚Nachzügler’ in einer schon früher 1717 – „Die griegegründeten Stadt Aufnahme fanden, wie das in Naupaktos der Fall war. chische Colonie [Apoikie] […] ist eine Niederlassung von Griechen im fremden Lande, die ein selbständiges Staatswesen, eine Politie, bildet, unabhängig von der Mutterstadt, 1718 Oehler betont noch, dass nicht nur die Kolound ein neues Bürgerrecht begründet“. niegründungen aus unterschiedlichen Ursachen und Anlässen erfolgten, sondern „auch der Vorgang bei der Aussendung und Einrichtung“ der Kolonie; „doch hatte sich wohl durch das Herkommen eine gewisse Ordnung festgesetzt, die Herodot V 42 als U† OPNJ[²NFOB 1719 grundbezeichnet“; dazu gehörte vor allem die Befragung des delphischen Gottes (1), 1720 der bei staatlichen Kolosätzlich aber auch die Bestellung eines ±JLJTU›T/Oikisten (2), niegründungen, vom Staat ernannt wurde wie etwa Demokleides für Brea. Der Oikist hatte wichtige organisatorisch-politische, rechtliche und religiös-kultische Aufgaben zu er1721 füllen wie etwa die Verteilung des durch Krieg oder Vertrag gewonnenen Landes,

1715 Grundsätzlich und ausführlich Oehler, RE I (1894) 2823 ff; dort 2827-2836 ein Verzeichnis der griechischen Kolonien mit dem Namen der gegründeten Stadt, der Mutterstadt, dem Gründungsjahr und den antiken Belegstellen. Manches wird freilich heute anders datiert. Nunmehr auch: Welwei, Apoikia, in: DNP I (1999) 849-851 mit einer Karte und Übersichten auf aktuellem Stand. 1716 Dazu Ameling, Kleruchoi-Ptolemäisches Ägypten, in: DNP VI (1999) 599-601 und Kiechle, Kolonisation-Attische Kleruchie, in: LAW II (1995) 1564: Kleruchien werden hier als „hauptsächlich von Athen verwendete Form der Militärkolonie“ verstanden. „In das Gebiet einer besiegten Polis werden zu deren Kontrolle und Sicherung athen. Bürger gesandt und erhielten dort Grundstücke (Kleroi) zu erblicher Nutzung. Hierzu meldeten sich natürlich vor allem Theten, die auf solche Weise zu Zeugiten aufstiegen. Die Anlage von [Kleruchien] besaß somit neben dem strategisch-militärischen auch einen sozialpolitischen Aspekt. Zu Beginn des Pelop. Krieges dürfte die wirtschaftliche Existenz von etwa 10 000 Athenern auf [… Kleruchien] beruht haben. Im Gegensatz zu den normalen Kolonisten schieden die Kleruchen aus dem athen. Staatsverband nicht aus, sondern blieben athen. Bürger, wenn sie auch im athen. Heer eigene Truppenkörper bildeten und in ihrer [Kleruchie] eine gemeindliche Selbstverwaltung mit Behörden nach athen. Vorbild besaßen.“ Es folgt eine Liste der athenischen Kleruchien. 1717 Oehler, RE I (1894) 2823. – Auch nach Kyrene kamen ‚Nachzügler’; die unten zu besprechende Inschrift betrifft die dadurch entstandene Probleme; dazu auch Busolt 1972, II 1269. 1718 Dazu später. Das Beispiel Kyrene zeigt, dass das alte Bürgerrecht nicht ‚verlorengehen’ musste. 1719 Sie erfolgte nach Oehler, RE I (1894) 2825 nicht nur aus religiösen Gründen, „sondern die delphische Priesterschaft konnte wegen ihrer weitreichenden Beziehungen [und Erfahrungen] gute Auskunft [und Rat] erteilen“. 1720 Dazu eingehend Graham 1964, 29 ff: The role of the oikist. 1721 Mehr zur Inbesitznahme des für die Kolonie bestimmten Gebietes bei Busolt 1972, II 1268.

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wobei er unter Umständen von einer Kommission, den HFXO²NPJ/Geonomoi, unterstützt 1722 wurde, und er „richtete […] das neue Gemeinwesen ein“. Der staatlich bestellte Oikist 1723 wie das athenische besaß in der Regel „weitgehende oder unbeschränkte Vollmacht“, Dekret für Brea zeigt. – Ging eine Koloniegründung nicht vom Staate aus, wählten die 1724 Kolonisten aus ihrer Mitte in der Regel einen Oikisten. An der Gründung von Thurioi beteiligten sich Kolonisten aus ganz Hellas unter athenischer Führung, weshalb kein Oikist bestellt, sondern dessen Aufgaben einem Gremium von zehn Männern übertragen 1725 Berühmter Auswanderer nach Thurioi war Herodot, der sich 444 v. C. den Kowurde. 1726 lonisten angeschlossen hatte und auch das Bürgerrecht erwarb.

• Die Kolonisten waren in der Regel Bürger der Mutterstadt, stammten aber unter Umständen auch aus anderen Poleis (wie bei der Gründung von Naukratis oder Thurioi; am naupaktischen Nachzüglerunternehmen nahmen auch Nichtopuntier teil). Bei staatlichen Gründungen wurden die Kolonisten aus den (unteren) Bevölkerungsklassen der Theten 1727 und Zeugiten ausgewählt oder durch das Los bestimmt. (3)

• Apoikia bedeutete aber nicht nur ‚Kolonie’, sondern – worauf Oehler1728 hingewiesen hat – auch die „Stiftungsurkunde einer Colonie“ (4). Bei staatlicher Koloniegründung wurde das künftige Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterstadt durch diese ‚Stiftungsurkunde’ geregelt, „sonst wurde es [sc. dieses Verhältnis] als ein Pietätsverhältnis aufgefasst 1729 Gründete und verglichen dem Verhältnisse zwischen Kind und Eltern“; zB bei Platon.

Busolt weist darauf hin, dass die Landlose/LM›SPJ vornehmlich in älterer Zeit meist nicht zu frei verfügbarem Eigentum verteilt wurden. Häufig bestanden Veräußerungsverbote; so noch für die Gründung von Melaina Kerkyra im 4. Jh. v. C., allerdings hier auf die Hälfte des Landloses beschränkt. 1722 Oehler, RE I (1894) 2825. – Die Gründungsurkunde von Kyrene (dazu unten in diesem Punkt) und das Nachzügler-Dekret/Gesetz für Naupaktos (dazu unten), beide von den Mutterstädten geschaffen, sollten offenbar die Gründungsorganisation vorbereiten helfen und für den Oikisten erleichtern. 1723 So Busolt 1972, II 1266. – Dabei handelt es sich um eine frühe Form einer (von der Mutterstadt erteilten) öffentlichrechtlichen direkten Vertretungsmacht. 1724 Busolt 1972, II 1266, dort weitere Beispiele und Quellen. 1725 Busolt aaO. – Dennoch entstand Streit darüber, welche Stadt als Mutterstadt und wer als ihr Oikistes gelten sollte. 1726 Schachermeyr 1971, 76 ff, 79, 103, 106, 152, 157. 1727 Streng sanktionierte Auswahlregeln galten auf Grund der allgemeinen Notsituation bei der Gründung von Kyrene. – Zur Auswahl der Kolonisten auch Busolt 1972, II 1267. 1728 RE I (1894) 2823 und 2825. 1729 Nomoi VI 754a-d.1894, I Oehler (1894) 2826: Daher erklärt es sich, dass sich Kolonien in der Not an ihre Mutterstadt wandten und umgekehrt die Mutterstadt an ihre Kolonien; Thukydides V 84, 106. – Es waren grundsätzlich aber nur Ehrenrechte, die Mutterstädten zuerkannt wurden; „[…] zu den Hauptfesten der Mutterstadt schickten die Colonien Festgesandte, 2FXSPe, und Opfertiere, während bei den Festen der Colonie den Angehörigen der Mutterstadt besondere Ehrenrechte zukamen“. Zu den bereits rechtswissenschaftlich eingesetzten platonischen 2FXSPe: Kapitel VI 6. – Vgl. auch Busolt 1972, II 1266, 1269 f.

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eine Tochterstadt selbst eine Kolonie, wurde der Oikist traditioneller Weise von der Mut1730 terstadt erbeten (5).

• Graham unterscheidet für die gesamte Kolonisationsepoche auch zwischen privaten und 1731

staatlichen Kolonien. Schon Herodot beschreibt etwa Kyrene als staatliche Kolonie, die Auswanderung des Dorieus aus Sparta (nach Thera) dagegen als privates Unterneh1732 Graham ist beizupflichten, wenn er meint: „On the other hand it is probably a men. vain hope to try to draw a firm line in the early period between colonies founded on individual initiative and approved by the state and those established by a decision of the community.“ – Sichere Aussagen über die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstädten sind schon auf Grund der spärlichen Quellen für den Beginn der Kolonisationsepoche bis ins 5. Jh. v. C. nicht möglich. Erst für die folgende Zeit ist die Quellenlage deutlich besser. – Wir wissen auch, dass die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochter1733 so etwa zu stadt nicht immer gut gewesen sind. Sogar zu Kriegen war es gekommen, Auseinandersetzungen zwischen Rhodos und Gela, Sparta und Kythera, Korinth und Kerkyra, Epidamnos und Syrakus. Es fehlte danach nicht an Anlässen und Erfahrungen, die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt rechtlich zu regeln.

1730 Thukydides I 24: Gründung von Epidamnos durch die korinthische Kolonie Kerkyra. 1731 1964, 7 f. – Das ist das insofern von Bedeutung, als Kollisionsrecht – soweit wir das wissen – offenbar nur in staatlichen Kolonien entstand. – Dazu auch Ehrenberg 1973a, zB 116 f. – Zu öffentlichen Kolonien eingehend bereits Oehler, "QPJLeB , RE I (1894) 2825 f. 1732 Insbesondere IV 153 zu Kyrene, V 42 zu Doreus. – Bei der ‚Aussiedlung’ illegitimer Kinder aus Sparta nach Tarent dürfte es sich um ein staatliches Unternehmen gehandelt haben; dazu in Anm. 1868. 1733 Graham 1964, 10. AaO 13 bezeichnet er es als „the Scylla and Charybdis” seiner Untersuchung, ob von den Quellen des 5. Jhs. v. C. auf die Jahrhunderte davor (rück)geschlossen werden könne. Er plädiert dabei für ein (vorsichtiges) Heranziehen zusätzlicher archäologischer Beweise und Handelsbeziehungen sowie der sogenannten ‚nomina’ (zu den nomizómena/OPNJ[²NFOB bei Anm. 1719): danach wird davon ausgegangen, dass im Normalfall eine Kolonie „the cults, calender, dialect, script, state offices and citizen divisions“ der Mutterstadt fortführte. – M. Stahl (2008, 86 ff) weist mit Beispielen darauf hin, dass zwischen Mutter- und Tochterstadt auch städtebauliche und architektonische Austauschbeziehungen bestanden und dass, was noch bedeutsamer ist, die Kolonisation ein „Faktor für die Beschleunigung der Entwicklung“ war.

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Abb. 10: Sizilien und Megale Hellas/Magna Graecia und giechisches Mutterland

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Kolonisation und Entwicklung der Polis Heute nimmt man an, dass die nach der Mitte des 8. Jahrhunderts verstärkt einsetzende Große Kolonisation parallel zur Polisentwicklung verlief. Dabei wird überwiegend die Meinung vertreten, dass die Große Kolonisation und die Entwicklung der Polis einander beeinflusst und gefördert haben. Wie das aber vor sich gegangen ist, scheint allerdings noch unklar zu sein. So nimmt W. Eder1734 an, dass die „Rückwirkung der Lösung von Problemen in den Kolonien (Verwaltung, Rechtsordnung, Stadtplanung)“ die „Polisbildung im Mutterland eher gefördert als kopiert“ habe. Diese Art des Verlaufs wird von den Quellen jedoch nicht durchgehend gestützt. Zwar dürfte es in einer ganzen Reihe von Fällen so gewesen sein, doch kann das nicht als generelles ‚Fortschrittsmuster’1735 gelten, denn es trifft weder auf das ältere kyrenische, noch auf das jüngere naupaktische Unternehmen zu. Diese Gründungen machen vielmehr deutlich, dass die Herausforderungen an die gesamte Gesellschaft – und das waren Koloniegründungen allemal – schon die kautelarjuristische Phantasie in den Mutterstädten gefördert, ja beflügelt hatte. Das gilt auch für die späteren athenischen Kolonien Thurioi (eine Apoikie) und wohl auch für Brea.1736 – Ferner ist zu bedenken: Im Laufe des langen Prozesses der Kolonisierung bildeten sich ‚RegelungsStandards’ heraus,1737 die zwar im Einzelfall nicht sklavisch übernommen, aber doch grundsätzlich weitergegeben und dabei auch fortentwickelt und an die jeweilige Situation angepasst wurden. So entstand ein beachtlicher, durch Erfahrung gestützter ‚Vorrat’ an Regeln, der – wie schon der in diesem Kontext früh vorhandene Gleichheitsgedanke zeigt – auch für die künftige gesellschaftliche Entwicklung in den Mutterstädten von Bedeutung war. Die Metropole spielte dabei überwiegend die aktive Rolle: Grundlegende institutionelle Einrichtungen,

1734 Kolonisation, in: DNP VI (1999) 663. 1735 Allgemein zum Fortschrittsgedanken in der Antike: Dodds (1973). 1736 Vgl. Ehrenberg 1973a, 131 ff, der für ein transitorisches Verständnis der Kolonietypen Apoikie und Kleruchie eintritt und dies anhand der athenischen Kolonie Brea, die er als Apoikie einschätzt, erörtert, während er zugleich auch deren Kleruchiecharakter in mancher Hinsicht(etwa wegen der bestehenden politischen Abhängigkeit) herausarbeitet. 1737 Vgl. Graham 1964, insbesondere 59 ff. Das betrifft vor allem die grundsätzliche Gleichheit der Siedler und im Falle des Scheiterns der Kolonie, ein Rückkehrrecht in die Heimat. Dazu traten häufig Treueschwüre oder Eide gegenüber der Mutterstadt. – Dazu später. Schon hier verweise ich auf Koerner (1993, 184), der diese wichtige Einsicht Grahams teilt und diese Regelungen als einen erhaltenen „Teil des griechischen Kolonisationsrechts“ betrachtet. Der Kern dieser Regeln ergab sich freilich schon aus der ‚Natur der Sache’; hierzu gehört etwa auch die Regelung des Bürgerrechts der Kolonisten. (Zum Zeitpunkt des Erwerbs des neuen Bürgerrechts: Werner 1971, 45 und 65 ff.) Das gilt auch für die frühesten, offenbar von Opus initiierten Kollisionsregeln.

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ob religiös-kultische – die meist von den Kolonien übernommen wurden und ein wichtiges Bindeglied zwischen Mutter- und Tochterstadt bildeten,1738 politischinstitutionelle oder auch rechtliche, wurden der Kolonie gleichsam als gesellschaftliches ‚Marschgepäck’ mit auf den Weg gegeben, also häufig noch in der Heimat konzipiert.1739 Das leuchtet auch insofern ein, als – so unterschiedlich die Anlässe und Ziele der jeweiligen Gründungen waren – im Normalfall Interesse daran bestand, gute Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt zu schaffen und zu erhalten. Das macht auch die Naupaktos-Inschrift anschaulich. – Als ergänzende Hypothese schlage ich deshalb vor: Der Innovationsschub in jeder Hinsicht ging nicht ausschließlich von den Tochterstädten aus, sondern es war immer wieder auch die Mutterstadt, welche den Kolonisten neue und kreative Lösungsvorschläge für das Gelingen der Gründung und die erhoffte gemeinsame künftige Entwicklung mit auf den Weg gab.1740 Man denke etwa an die unterschiedlich gestalteten Rückkehrrechte der Kolonisten: Kyrene ļNaupaktos. Nicht nur im Idealfall wurde dabei – wie im naupaktisch-opuntischen Kollisionsrecht – das Wohl beider Seiten bedacht. Die für die Kolonisten getroffene Regelung hatte unter Umständen Rückwirkungen auf die Mutterstadt.1741 Für das Verhältnis zwischen Apoikie und Mutterstadt kommt Werner1742 zum interessanten Ergebnis, dass der Gang der Entwicklung „immer stärker werdende Bindungsversuche und hegemonialer Tendenzen“ der Metropolen erkennen lasse. Das Wachsen dieser Herrschaftsbestrebungen stehe dabei in direkter Proportionalität zur fortschreitenden politischen Konzentration und zur Festigung der

1738 Dazu Graham 1964, 216 f. 1739 Auch der Oikist wird häufig die vertrauten Institutionen und Regeln der Mutterstadt übernommen und allenfalls angepasst haben. – Bei privaten Gründungen mag das anders gewesen sein. 1740 Das schließt den umgekehrten Verlauf nicht aus. Wichtige Ausnahmen (iVm Koloniegründungen) sind offenbar die frühen Gesetzgebungen des Zaleukos für das epizephyrische Lokri (~ vor der Mitte des 7. Jhs.) und des Charondas für Katane (~ 6. Jh.); vgl. in Kapitel II 1: ‚Frühe Polissatzungen’ (am Beginn) und Welwei, Apoikie, in: DNP I (1999) 850, der auch auf spätere Rezeptionen dieser alten Kodifikationen hinweist und schon Smith (1922) und Lübker 1914/20058, 414 und 1132. Für Wilamowitz (1905, 20) war die Gesetzgebung des Charondas (neben der von Drakon und Solon) die wichtigste in Griechenland, „die vielfach auch im Osten rezipiert worden ist; von den angeblichen Gesetzen des Lokrers Zaleukos tut man besser abzusehen. [?] Da Katane chalkidischer Herkunft ist, Solon gerade den Anschluss an Chalkis z. B. in Maß und Münze gesucht hat, ist anzunehmen, dass die Rechtsprinzipien dieser wichtigsten Gesetzbücher einander nahe standen. Die Übereinstimmungen des römischen Rechtes, die dem Poseidonios aufgefallen sind und ihn zu der Hypothese brachten, deren Niederschlag die Fabel von der römischen Gesandtschaft nach Athen ist, wird sich, soweit wirklich griechischer Einfluss vorhanden ist, durch den Einfluss des chalkidischen Rechtes erklären: es ist ganz wie beim Alphabete und den Sibyllinen.“ 1741 Eine spezifische Untersuchung dieser offenbar wechselseitigen Beeinflussungen ist mir nicht bekannt; vgl. aber M. Stahl in Anm. 1733. 1742 1971, 73.

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staatlichen Konsistenz der Polis; zugleich habe aber diese Entwicklung den Polisbegriff unterhöhlt und mit der „Sprengung der jeweils nur eine gemeindestaatliche Kommune duldenden Engräumigkeit“ sei der griechische Gemeindestaat überwunden worden. Die griechische Kolonisation sei „als Folge der sich konstituierenden und konstituierten Poliswelt in die Geschichte getreten“ und habe mit dem „Verfall der griechischen gemeindestaatlichen Ordnung ihr Ende“ gefunden. Der hellenistische Flächenstaat habe die mit der griechischen Kolonisation verbundene Urbanisierung durch Städtegründungen fortgesetzt, was im Imperium Romanum zum Abschluss gebracht worden sei.

Pflanzstädte als Gesellschaftsexperimente? Einen für die künftige gesellschaftliche und vor allem die politische und rechtliche Entwicklung vieler griechischer Gemeinwesen hohen Wert scheint die Kolonisation zusätzlich gefördert zu haben: die rechtliche und politische Gleichheit der die Heimat verlassenden Bürger im neuen ‚Staat’,1743 stimmen doch die sonst sehr unterschiedlichen Koloniegründungen darin überein, dass die sie begleitenden Rechtsakte (Dekrete, Eidesvereinbarungen, Verträge, Gesetze) einander in diesem Punkte gleichen. Die Gründungssituation gewährte die verlockende Chance eines gesellschaftlichen und politischen Neubeginns, ja eines Experiments. Diese Chance zu ergreifen, bestand offenbar im Rahmen von Koloniegründungen eine größere Bereitschaft – und oft auch politischer Druck – als in der Heimat selbst. Dazu trug mitunter auch der ‚Grund’ der konkreten Koloniegründung bei. Das ermöglichte rechtliche, politische und überhaupt gesellschaftliche ‚Experimente’; auch wenn die einzelnen kolonialen Unternehmungen immer wieder durch konkrete Tatsachen ‚determiniert’ gewesen sein mögen. Die Weichen dafür wurden aber häufig – zumal bei staatlichen Gründungen – bereits in der Mutterstadt gestellt. Die Gründung von Kolonieen forderte offenbar immer wieder auch dazu heraus, über Fragen von Recht (Verfassung, Institutionen etc.) und Gerechtigkeit (insbesondere Land- und Ämterverteilung, Städtebau/Architektur) im neuen Gemeinwesen nachzudenken.1744

1743 Vgl. schon den Hinweis in Anm. 1737. – In Athen wurde Gleichheit – unabhängig von kolonisatorischen Aktivitäten – erst von Solon ernstlich aufgegriffen; in Chios allenfalls schon etwas früher: Tod 1933, Nr. 1. – Neben der Kolonisation förderte auch die Wehrverfassung (Stichwort: Hoplitenpolis) die Entwicklung zur Gleichheit. 1744 Platons ‚Nomoi’ (III 702b ff) liegt ein derartiger hypothetischer oder vielleicht sogar tatsächlicher Anlass zugrunde. – Zur griechischen Staatsutopie: Bichler (1983), (1984) und (1986) und nunmehr (2008); vgl. auch Flashar (1974).

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Die gesellschaftliche Situation erinnert an das von John Rawls1745 erdachte Gerechtigkeitsexperiment; solchen Unternehmungen haftete nämlich stets auch etwas (Staats)Utopisches an; neue Verfassung und Rechtsordnung, Landaufteilung, Ämtervergabe etc.1746 – Rawls meint, dass Menschen, wenn sie noch einmal ganz von vorne anfangen und sich die Grundsätze und Prinzipien einer neuen und gerechten Gesellschaft ausdenken könnten, durchaus bereit wären, jedem eine faire Chance einzuräumen. In diesem Falle wüsste ja niemand, wie die künftige Entwicklung (für ihn) verlaufen und wer, was erreichen würde usw. – Koloniale Anfänge besaßen wohl auch schon in archaischer Zeit nicht nur etwas Prägendes, sondern auch etwas Herausforderndes. Ich beabsichtige damit keineswegs, diese gesellschaftlichen Chancen ins Ideale zu verklären; doch möchte ich den besonderen Charakter dieser Entwicklung, die sich im antiken, ja zumeist schon im archaischen Griechenland nahezu zweihundert Mal ereignet hat, hervorheben und betonen.

Frühe Kollisionsmodelle Kollisionsrecht zwischen Mutter- und Tochterstadt ist eine Vorstufe des modernen ‚Internationalen Privatrechts’, das noch heute zu den schwierigsten Rechtsgebieten zählt. Es überrascht, den Anfängen dieser Entwicklung bereits an der Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert v. C. und in Ansätzen sogar schon im ausgehenden 7. Jahrhundert zu begegnen, auch wenn manche dieser Datierungen noch nicht ganz unumstritten sind. Die Datierung erscheint aber grundsätzlich sowohl für Thera/Kyrene, als auch für die Nachzügler/Epoikoi der hypoknemidischen Lokrer nach Naupaktos gesichert.1747 – Der lange Prozess der griechischen Kolonisation legt allerdings die Annahme nahe, dass solche (Rechts)Regeln auch anderswo und vielleicht auch schon früher eingesetzt wurden, um Kolonien zu fördern und die künftigen Beziehungen zwischen ‚Mutter’ und ‚Tochter’, die auch hier immer wieder für Probleme sorgten, nachhaltig zu stützen. Die Vereinbarungen, Gesetze oder Dekrete wurden in der Regel in einen religiös-kultischen Rahmen eingebunden:1748 Für Kyrene in den durch Eidesablegung bestärkten ‚Pakt der Gründer/³SLJPO UÎO ±JLJTU›SXO’ für Naupaktos in der Ver-

1745 1979, zB 27 ff. 1746 Dazu kurz in meinem Lehrbuch: 2004a, II 1051 f. – Zu den unterschiedlichen Anlässen einer Koloniegründung vgl. auch Anm. 1868 (Tarent). 1747 Für Naupaktos besteht ein gewisser Spielraum für die Zeitspanne zwischen ~ 460 v. C. und der Zeit vor den Perserkriegen (~ 500 v. C.); für letzteres Datum plädiert etwa E. Meyer, Forschungen zur alten Geschichte I 291 ff (zitiert nach Meister 1895, 273). Meister selbst spricht sich (1895, 331 ff) für eine jüngere Datierung aus, fügt aber hinzu, dass er die „Untersuchung über die Abfassungszeit der Inschrift noch nicht für abgeschlossen“ hält. 1748 Dazu nunmehr auch Scheibelreiter (2007).

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einbarung und dem eidlich bekräftigten Versprechen der Siedler von den Opuntiern nicht abzufallen. Die kyräische Regelung kleidete ihre Fluchformel in eine bildhaft kräftige Sprache:1749 „Unter diesen Bedingungen haben die Eideszeremonie durchgeführt die, die am Ort (= Thera) blieben und die, die um zu siedeln fortzogen; und sie sprachen Flüche aus gegen die, die das Beschworene überträten und nicht daran festhielten, seien dies Leute von denen, die nach Libyen siedelten, oder von denen, die hier bleiben. Sie formten dazu wächserne Figuren und verbrannten sie unter Fluchformeln, nachdem alle zusammengekommen waren, Männer, Frauen, Jungen und Mädchen: Wer nicht bei diesen Eidbestimmungen bleibe, sondern sie übertrete, solle so zerschmelzen und zerrinnen, wie die Figuren, er selbst, sein Geschlecht und 1750 sein Vermögen [...].“

Mögen auch zwischen Mutter- und Tochterstadt oder auch zwischen durch Synoikismos verbundenen Gemeinden1751 noch keine typisch ‚internationalrechtlichen’ Beziehungen1752 bestanden haben, so ist doch die rechtliche Lösung bereits die gleiche: Eine Rechtsfrage kann zufriedenstellend nicht (nur) nach dem Recht einer (betroffenen) Rechtsordnung gelöst werden, weil der ‚Fall’ etwa eine gleichgewichtige ‚Auslandsberührung’ aufweist und die berührten Rechtsordnungen unterschiedliche Lösungen vorsehen.1753 Die beiden Rechtsordnungen (und die darin geregelten Interessenlagen) ‚konkurrieren’ konkret miteinander. Im Falle eines Synoikismos wird aus mehreren Poleis und damit in der Regel auch Rechtsordnungen eine neue Rechtsordnung für die neu entstehende (größere) Polis geschaffen, welche die bisherigen kollidierenden Regeln der (zur neuen Polis verschmolzenen) alten Poleis gemeinsam mit diesen beseitigt. Mitunter werden auch nur – wie bei der Eingemeindung von Euaimon in die Polis Orchomenos – ergänzende neue Regeln geschaffen. Auch in diesem Fall musste ein rechtlicher (Interessen)Ausgleich im Rahmen der Rechtsordnung gefunden werden. Er erfolgte im konstituierenden Rechtsakt des Synoikismos (und zwar in Form eines gemeinsames Recht schaffenden sogenannten ‚IPR-Vertrags’ – Methode 2).1754 Anders verhält es sich im Falle der Anwendung von Kollisionsrecht zwischen Mutter- und Tochterstadt (Methode 1), wo nicht (unbedingt) ein-

1749 Pkt. A – Anfang der Urkunde; s. bei Anm. 1946. 1750 Zitiert nach Brodersen et al. 1992, I 6. – Vgl. dazu M. Weinfeld 1990, 187 ff (189): „It is hard to imagine that this use of wax figurines developed independently in the East and in the West. The origins of the custom must be eastern, as are the other customs of treaty making.“ 1751 Vgl. dazu den ‚Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon’. 1752 Phillipson 1911, I, S. VIII und 62 spricht daher uH auf Walker (1899) anschaulich von ‚Intermunicipal’ law. 1753 Die beiden Rechtsordnungen konnten daher auch nicht immer kombinierend nebeneinander angewandt werden. 1754 Mehr zu den beiden von Lewald (1968) unterschiedenen Modellen nach Anm. 1778 und bei Anm. 1821.

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vernehmlich, sondern unter Umständen auch einseitig angeordnet wird, dass (auf bestimmte Sachverhalte mit Auslandsberührung) nicht (bloß) eigenes, sondern (auch) fremdes Recht angewendet werden soll: Zugunsten der NaupaktosNachzügler etwa bestimmt deren Mutterstadt (Opus) einseitig, dass in bestimmten Erbfällen nicht opuntisches, sondern naupaktisches Recht als neues Heimatrecht der Nachzügler angewendet werden soll. Ebenso einseitig trifft die Mutterstadt auch eine entsprechende, aber spiegelverkehrte Anordnung zugunsten der Opuntier. Das ist auch insofern ungewöhnlich, als das einseitige Festlegen von Kollisionsrecht beide Male durch die Mutterstadt erfolgt. Das spricht für deren starke Stellungt, es war vielleicht aber auch nur als Hilfestellung für die Nachzügler gedacht, um diese zu entlasten und zugleich zu fördern und dadurch die politisch beabsichtigte Stärkung von Naupaktos auch für die Siedler attraktiv zu gestalten.1755 Schon Phillipson1756 war der Frage nachgegangen, ob es bereits in der Antike ein ‚Internationales Recht’ – ‚öffentliches’, also vornehmlich Völkerrecht, oder ‚privates’ – gegeben habe. Er bezeichnet dabei die zumeist verneinenden Antworten als „largely untenable“ und „extreme and one-sided“.1757 Er nimmt bereits die Existenz von Elementen eines internationalen Rechts in Griechenland und Rom an1758 und betont zu Recht, dass es damals noch gar keine scharfe Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht gegeben habe.

Das ‚Internationale Privatrecht’ der Antike Im Jahre 1968 hat H. Lewald wie schon L. Mitteis, H. F. Hitzig, E. Weiss und andere Überlegungen zur Existenz eines gemeinen griechischen (Zivil)Rechts angestellt;1759 dies im Rahmen seines Beitrags zur Entstehung eines griechischen Kollisions- oder ‚internationalen’ Privatrechts. Denn auch das allmähliche Entstehen eines Kollisionrechts trug zur Rechtsangleichung im antiken Griechenland bei, wenngleich dieser Beitrag nicht überschätzt werden sollte. Dies geschah auf bereits beachtlichem rechtlichem Niveau. – Nicht-griechische Vorbilder dieser bedeutenden Entwicklung sind bisher nicht bekannt. Es scheint sich

1755 Dazu auch bei Anm. 2003. 1756 I 46 ff. 1757 Näheres bei Phillipson 1911, I 49 ff und 192 ff, zu den „Elements of private international law“. 1758 1911, I 50 ff. 1759 Wolff (1979) und (1980) etwa – vgl. schon bei Anm. 1683 – lehnt die Ergebnisse Lewalds (1968) und anderer ab, ohne auf deren Argumente wirklich eingegangen zu sein; das gilt insbesondere für Lewalds anschauliche ‚IPR’-Methoden-Unterscheidung in Methode 1 und Methode 2. Dazu unten ab Anm. 1774.

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um eine genuin griechische Schöpfung im Rahmen der Kolonisation und der Polisbildung gehandelt zu haben. Dass die Rechtsvereinheitlichung – die diese Entwicklung offenbar erleichterte – schon am Beginn des 4. Jahrhunderts v. C. in manchen Bereichen weit vorangekommen war, zeigt der ‚Aiginetikós’ des Isokrates.1760 1761

Schon Hitzig hatte darauf hingewiesen, dass in der Rede das Recht von Ägina als dasjenige bezeichnet wird, „nach dessen Bestimmungen das Testament errichtet werden musste, weil der Erblasser und der Testamentserbe dort Metoiken waren, und als das Recht, das bei den Richtern gilt“, während das Gesetz von Siphnos als deren Heimatrecht bezeichnet wird. – Darin kann sowohl ein Hinweis auf die lex fori, als auch vielleicht bereits auf die Grundsätze des locus regit actum und der lex rei sitae erblickt werden.

Lewald setzt sich mit der Frage der Existenz eines gemeinen griechischen Rechts deshalb auseinander, weil dies für sein kollisionsrechtliches Thema eine wichtige Vorfrage war:1762 „Zu welchen Schlüssen kommen wir also? Vor allem, welchen Einfluss hat diese Gemein1763 samkeit des Rechts auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts ausgeübt? Konnte sie die Entstehung von Gesetzeskollisionen verhindern? Sicherlich nicht. Die in den verschiedenen Staaten gültigen unterschiedlichen griechischen Rechtsordnungen basierten zwar auf ähnlichen oder gar gleichen Grundsätzen, sie unterschieden sich aber in vielen Einzelheiten, so dass Gesetzeskollisionen wohl unvermeidbar gewesen sein mögen. Die Gemeinsamkeit des 1764 Rechts hat indessen ihre Lösung außerordentlich erleichtert.“

Zu Gesetzeskollisionen im römischen Reich bemerkt Lewald:1765 „Das römische Reich besaß keine Rechtseinheit, vielmehr lebten in den Ostprovinzen griechisches Recht und örtliches Gewohnheitsrecht neben dem römischen Recht fort; denn die Römer haben ihr Recht den unterworfenen Völkern nicht aufgezwungen, sondern ihnen gestattet, suis legibus uti. Auch die Ausdehnung der civitas Romana durch die constitutio Antoniniana von 212 [n. C.] führte nur zu einer Ausdehnung des römischen Rechts auf den Gebieten des

1760 Knappe Inhaltsangabe bei R. Nickel 1999/2006, 33. 1761 1907, 223. 1762 1968, 674. – Zu Lewald (1946/1968): Yntema 1954, 517. 1763 Zu Lewalds Gebrauch des Begriffs ‚internationales Privatrecht’ siehe auch das ‚intertemporales Privatrecht’ in und bei Anm. 1663. 1764 Dieser Gedanke Lewalds passt auch für das Verhältnis von Mutter- und Tochterstadt zu. 1765 1968, 689. – Zu den römischen ‚Conflicts of Laws’ schon Phillipson 1911, I 267 ff und nunmehr auch Sturm (1978), der „interprovinziales Reichsprivatrecht“ ortet: „Römisches Kollisionsrecht dürfte sich zunächst als Recht entwickelt haben, das den Anwendungsbereich der in den einzelnen Reichsteilen geltenden Privatrechtsordnungen abzugrenzen hatte. Es handelt sich also nicht um internationales, sondern um interprovinziales Reichsprivatrecht“; vgl. auch bei Anm. 2055 und 2077. – Ablehnend, wenn auch nicht überzeugend Wolff 1980, 66 ff. – Sturms Ergebnis hat Schönbauer (1929, 396 ff) vorweggenommen. Sturm bringt allerdings andere Beispiele als Belege. Schönbauer spricht auch von ‚innerstaatlichem Personalitätsprinzip’.

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Handels- und [Teilen des] Privatrechts, nicht aber auf den Gebieten des Familien- und Erbrechts, so dass eine Mehrheit nebeneinander existierender Rechtsordnungen teilweise fortbe1766 stand.“

Schon Schönbauer hat Beispiele für die Existenz eines ‚innerstaatlichen Personalitätsprinzips’ – und damit von Kollisionsregeln – im römischen Recht gefunden, was zeigt, dass Wolffs Befund auch für das römische Recht nicht zutrifft. Schönbauer weist darauf hin, dass die im lybischen Kyrene gefundenen fünf ‚Edikte des Augustus’ innerhalb des Römerreichs und neben dem Staatsvolk der Römer auch eine ‚Nationalität der Hellenen’ anerkannten: „Es kann ein Grieche mit dem römischen Bürgerrechte ausgezeichnet werden und er bleibt 1767 trotzdem Angehöriger seiner Nationalität und seines Bürgerstaates.“

Nach Schönbauer lassen diese Edikte des Augustus aus Kyrene „eine National0, itätenpolitik im heutigen Sinne erkennen“, die „bewusst […] das Staatsvolk der Römer und die Nationalität der Hellenen“ trennte. Für mich ist die Fragestellung von Bedeutung, weil der Nachweis auch nur von Vorstufen von Kollisionsrecht ein Beleg für die frühe und hohe Entwicklung der griechischen Kautelarpraxis schon vor dem Entstehen einer griechischen Rechtswissenschaft ist. Ein solcher Nachweis unterstreicht meine These von einer bedeutenden vor-wissenschaftlichen Funktion der griechischen Kautelarpraxis,1768 die sich auch bei anderen als rechtsgeschäftlichen Fragen (des Alltags oder Handels) zeigt. Ich gehe daher über Lewald hinaus auch auf ältere Koloniegründungsvereinbarungen, -gesetze oder -dekrete ein, weil diese sowohl zur Entstehung von gemeinem griechischen öffentlichen und privaten Recht beigetragen – was schon L. Mitteis erwähnt, wenn auch nicht näher untersucht hat – als auch das Entstehen von Kollisionsrecht gefördert, ja man kann sagen, nahezu erzwungen haben, und weil sich dies aufgrund von Urkunden und Inschriften noch nachvollziehen lässt. Die Anfänge der Bildung von Kollisionsrecht waren allerdings zunächst räumlich beschränkt auf die bewidmende Mutter- und ihre Tochterstadt, etwa auf Thera und seine Koloniegründungen im lybischen Kyrene oder die Nachkolonisierung durch die hypoknemidischen Lokrer und ihre Mutterstadt Opus mittels sogenannter Nachzügler, die nach Naupaktos gesandt wurden. Der

1766 Vielleicht ist diese Praxis der Römer ein bedenkenswertes Argument dafür, dass auch wir die europäische Rechtsvereinheitlichung zu allerletzt auf die Bereiche des Familien- und Erbrechts erstrecken sollten. – Zu Caracallas Edikt auch Yntema 1954, 518. 1767 Diese Regelungen des Augustus zielten – wie andere auch – darauf ab, „die Griechen für sich zu gewinnen“: Schönbauer 1929, 402; sie enthielten privates und öffentliches Kollisionsrecht. 1768 Das Wort kommt vom lateinischen cavere: sorgen, vorsorgen. Dazu Mayer-Maly, Iuris prudentia, in: DKP III (1979) 9 ff und schon E. Weiss 1936, 51.

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Ansatz dieser Entwicklung von Kollisionsrecht,1769 der bisher nicht wirklich erkannt wurde, ist deutlich älter als von Lewald angenommen. Die ältesten Nachweise bei Lewald1770 stammen aus dem 3. Jahrhundert v. C., und ein schönes Beispiel kommt aus dem ptolemäischen Ägypten (Fayûm) aus dem 1. Jahrhundert v. C., also aus (spät)hellenistischer Zeit. Tatsächlich gibt es ein ‚vorbereitendes’ Beispiel vom Ende des 7. Jahrhunderts v. C. (Kyrene) und ein bereits ‚fortgeschritteneres’ – vornehmlich das bürgerliche (Erb)Recht betreffendes – Beispiel für die Verwendung von Kollisionsregeln aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. C. (Naupaktos).1771 Auch die vertraglich geschaffene Lösung im Rahmen des Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon ist deutlich älter als die bisher bekannten Beispiele; sie stammt aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v. C. Lewald1772 erwähnt zum Beweis der Existenz eines Instruments, das „viel zur Schaffung der besagten Rechtseinheit“ (im Grundsätzlichen) beigetragen habe, die Rechtshilfeverträge zwischen zwei Poleis,1773 die Symbola/TºNCPMB oder Symbolai/TVNCPMBe, die zwei Methoden anwandten, was bisher nicht gebührend beachtet wurde:1774

1769 Dies ist auch noch Graham (1964) entgangen; zu Wolff bei Anm. 1683 und 1759. – Das epizephyrische Lokri war schon ~ 673 v. C. von den Lokrern/Opus gegründet worden; Graham 1964, 115 f mwH sowie Dunbabin 1948, 163 ff. 1770 Für Lewald 1968, 686 enthalten die Papyri mit denen die Krokodilmumien von Fayûm (3. Jh. v. C.) ausgestopft waren, „die älteste Kollisionsnorm […], die wir besitzen“. – Wir werden sehen, dass es deutlich ältere gibt. 1771 Zur Datierung von Naupaktos Anm. 1747. – Bei Graham finden sich weitere wichtige Beispiele jeweils bei der Erörterung von Einzelfragen; etwa zur athenischen Kolonie von Brea (1964, 34 f, 42 f). Dazu auch Werner 1971, 56 ff. 1772 1968, 671 f mwH. 1773 Dazu schon Hitzig (1907) mit zahlreichen Beispielen und Weiss (1926). – Rechtshilfeverträge milderten die im antiken Griechenland ausgeprägte Abhängigkeit der Rechtsstellung des Einzelnen von seiner Polis, was dazu führte, dass auch die Bürger benachbarter Städte rechtlich als ‚Fremde’ (s. Anm. 1674) galten. Gegenseitig eingeräumt wurden in der Regel Isopolitie und Asylie und immer wieder Rechts- und Gerichtsschutz (wohl nach der jeweiligen lex fori; vgl. bei Anm. 1778). Vgl. zum Asylrecht, in Pkt. 9: ‚Gemeingriechisches Völkerrecht’ (Anm. 2312). – Ich teile Lewalds Meinung, dass man damit auch das Problem der ‚Konkurrenz’ (von Rechtsordnungen) erkannt und vertraglich geregelt hat. (Dazu in Pkt. 9: Völkerrecht.) Wenngleich Wolff sich nicht zu dieser Einsicht durchringen konnte (vgl. Vortragsbericht 1980, 99), konzediert er: „allenfalls legen sie gelegentlich eigene neue Regeln fest, so dass sich ein Konfliktsproblem nicht ergeben konnte“. 1774 Zur Etymologie: Maschke 1926/1968², 159 ff. – Die folgende Unterscheidung Lewalds erscheint mir für das Verständnis von Kollisionsrecht oder der Konkurrenz von Rechtsordnungen wichtig; Wolff geht in seinem Heidelberger Akademievortrag darüber hinweg. Rechtskollisionen konnten und werden aber noch heute nicht nur national-einseitig, sondern auch zwei- oder mehrseitig gelöst.

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„Diese Verträge, die uns in Inschriften zahlreich erhalten sind, sollten die Verfahren zwischen den Angehörigen der Vertragsstaaten regeln. Im allgemeinen enthalten sie Vorschriften über die Gerichtsverfassung und das Verfahren; manchmal befassen sie sich auch mit dem materiellen Recht, das von dem zuständigen Gericht angewandt werden soll, und verfahren dabei auf zweierlei Weise: Manchmal bestimmt der Vertrag selbst die materiell-rechtlichen Vorschriften, die von dem Gericht anzuwenden sind; in diesem Fall haben wir vereinbarte Vorschriften des materiellen Rechts vor uns [= Methode 1: Man kann hier von Kollisions- oder sogenannten ‚IPR’-Verträgen sprechen]. Das andere Mal beschränkt sich der Vertrag auf die Bestimmung des anzuwendenden Rechts und stellt eine Kollisionsnorm auf. In diesem Falle übernimmt er die Methode des internationalen Privatrechts [= Methode 2: Kollisionsregeln im engeren Sinn]“.

Als Beispiele für die Anwendung dieser beiden Methoden zur Lösung von Kollisionsproblemen bringt Lewald einerseits einen Brief des Königs Antigonos Monophtalmos an die Stadt Teos (Methode 1)1775 und andererseits den Freundschaftsvertrag zwischen den Städten Ephesos und Sardes vom Anfang des 1. Jahrhunderts v. C. (Methode 2).1776 – Dieser Vertrag regelte vornehmlich Privatdelikte: „Wenn sich ein Epheser von einem Bürger aus Sardes, oder umgekehrt, in seinem Recht verletzt fühlte, so konnte er sich vor den Gerichten der Heimatstadt des Schuldigen nach den dort 1777 geltenden Gesetzen Recht verschaffen.“

Lewald1778 erwähnt noch, dass die Rechtshilfeverträge häufig bloß die Formulierung ent-hielten, das zuständige Gericht solle „nach den Gesetzen“ entscheiden und dass damit die jeweilige lex fori1779 – also das vom entscheidenden Gericht anzuwendende (Orts)Recht – gemeint sei und er fügt dem hinzu:

1775 Mehr bei Lewald 1968, 671 ff: „Wir konnten feststellen, dass die griechischen Städte zur Regelung des Verfahrens bei privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen ihren Angehörigen das gleiche zu tun versuchten wie heute unsere modernen Staaten, wenn sie Verträge zur Regelung der privatrechtlichen Beziehungen ihrer jeweiligen Staatsangehörigen abschliessen.“ (675) – Heute schaffen supranationale Gebilde wie die EU über bilaterale Kollisionsregeln hinaus auch supranationales Kollisionsrecht. – Lewald zitiert Glotz 1928, 312, der anschaulich von „regelrechten Verträgen des internationalen Privatrechts“ spreche. 1776 Die stark verstümmelte Inschrift wurde in der Stadt Pergamon gefunden, die als Vermittlerin von den beiden Städten angerufen worden war. – Quintus Mucius Scaevola, zu dieser Zeit römischer Statthalter der Provinz Asia, hatte zum Abschluss dieses Vertrages beigetragen, der sowohl international-öffentliches wie internationales Privatrecht enthielt; Text bei Brodersen et al. 1999, III Nr. 502, S. 144 ff: Pergamon – Vermittlungsbriefe des Proc. Q. Mucius Scaevola; Isopolitie- und Rechtsgewährungsvertrag zwischen Ephesos und Sardeis 98/7 oder 94/3 v. C. 1777 Lewald 1968, 672 f. – Damit wurde eine lex oder besser ein forum delicti commissi geschaffen; der Deliktsbegehungsort bestimmte dabei für die Angehörigen der Vertragsstaaten das anzuwendende Recht. – Vgl. auch unten bei Anm. 2091. 1778 Unter Hinweis auf Hitzig (1907a) und (1907b). 1779 Schon Phillipson 1911, II 71 erwähnt mwH, dass im Rahmen der Regelung von Handelsbe-

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„Das überrascht nicht, wenn wir uns an die Verwandtschaft der verschiedenen griechischen Rechtsordnungen erinnern oder, anders ausgedrückt, wenn wir die Existenz eines einheitlichen griechischen Rechts berücksichtigen.“

Ergänzend ist zu bemerken, dass sich hinter einer solchen Regelung zum Beispiel auch das Recht des (Geschäfts)Abschlussortes verbergen kann; also der Grundsatz des locus regit actum sowie die lex delicti commissi. Es sollte in Erwägung gezogen werden, dass Rechtshilfeverträge (Methode 1) eben auch Rechtskollisionen mindern oder ganz beseitigen wollten. Wolff1780 erwähnt das in seiner umfassenden Monographie nicht; vorsichtiger drückt er sich noch in seinem Vortragsbericht1781 aus: Danach enthalten Rechtshilfeverträge hinsichtlich des anzuwendenden materiellen Rechts „zumeist [!] überhaupt keine Bestimmung; allenfalls legen sie gelegentlich eigene neue Regeln fest, so dass sich ein Konfliktsproblem [!] nicht ergeben konnte.“ – Damit bestätigt er aber selbst, dass derartige Verträge das Problem der ‚Konkurrenz’ (iSv Rechtskollisionen) erkannt hatten. Wolffs Deutung, dass (immer? – nur) die Anwendung der lex fori beabsichtigt gewesen sei, ist fiktiv und nicht plausibler als die Annahme, dass dabei mitunter auch schon weiter gedacht worden sein konnte, ganz abgesehen davon, dass auch die Entscheidung, die lex fori anzuwenden, selbst eine Kollisionsregel ist. Lewald beschließt seinen Artikel mit einem instruktiven Beispiel aus der Rechtsentwicklung im ptolemäischen Ägypten.1782 – Lassen wir ihn die Ausgangslage schildern, die dieser Entwicklung zugrunde lag und zur Ausformung von (Quasi)Kollisionsrecht – nämlich zu innerstaatlichem Kollisionsrecht (innerhalb des Ptolemäerreichs) – geführt hatte:1783

ziehungen (TºNCPMB) auch die Zuständigkeit für daraus allfällig entstehende Klagen (EeLBJ ‚Qµ TVNC²MXO) geregelt wurde. – Dahinter verbirgt sich eine Kollisionsregel: nämlich das Recht des Abschlussortes/locus regit actum. 1780 1979, 37 ff. 1781 1980, 99. 1782 Lewald 1968, 688 Fn 51 (1968) merkt uH auf Bikermann (1938) an, „dass im Königreich der Seleukiden das gleiche Problem entstand, das offenbar auf die gleiche Weise gelöst wurde.“ Gemeint ist damit die Anknüpfung an die Vertragssprache, was meines Erachtens Rückschlüsse auf ein Verständnis für kollisionsrechtliche Probleme gestattet. – Zur Anwendung griechischen Rechts im ptolemäischen Ägypten auch Taubenschlag (1938), Zusammenfassung S. 489. 1783 1968, 683: Lewald legt offensichtlich Wert darauf zu zeigen, dass diese Regeln ihrer Funktion nach Kollisionsregeln sind, was Wolff mit nicht überzeugender, begriffsjuristischer Begründung ablehnt. Jede Rechtsvergleichung, auch rechtshistorische, die nicht funktional vergleicht, geht in die Irre. – Wolff (1979, 47 ff) geht auch ausführlich auf das ptolemäische Ägypten ein; dies bei teilweise anderer Sichtweise und Akzentuierung als Lewald. Er betont etwa (1979, 47 f) – was selbstverständlich ist und worüber sich auch Lewald im Klaren war, dass es im ptolemäischen Ägypten nicht um den „denkbaren Zusammenprall von Gesetzen politisch gleichgeordneter souveräner Staaten, sondern um mögliche Konflikte zwischen mehreren unter ein und derselben monarchischen Landesspitze koexistierenden Rechtsüberlieferungen verschiedenen

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„Im ptolemäischen Ägypten finden wir zwei Rechtssysteme vor, das einheimische [ägyptische] System und das griechische System, die sich offenbar sehr voneinander unterschieden. Während des ersten Jahrhunderts der mazedonischen Herrschaft, d. h. im 3. Jh. v. Chr., scheinen die Mazedonier und Griechen einerseits und die Einheimischen andererseits sich als zwei einander fremde und streng getrennte Welten angesehen zu haben. Es gibt ein griechisches Notariat und ein ägyptisches Notariat . Es gibt griechische Gerichte und ägyptische Gerichte. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Unterschiede vor allem im Familienrecht am ausgeprägtesten. Im ägyptischen Recht […] waren Ehen zwischen Bruder und Schwester gestattet, und die Könige selbst folgten [immer wieder] dieser Sitte, die ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen Gesetzen der Griechen stand. Angesichts dieser Unterschiede der Sitten und Rechtsauffassungen scheint es nur natürlich, dass die Griechen nach ihren griechischen Gesetzen und die Einheimischen nach ihren alten Sitten und Rechtsvorschriften lebten. Bei dieser Sachlage ist es wohl durchaus richtig, von einem in Ägypten herrschenden Personalitätsprinzip in dem Sinne zu sprechen, dass die Gesetze nur auf Personen anwendbar waren, 1784 (Hervorhebungen von mir) die einer bestimmten Bevölkerungsgruppe angehörten.“

Lewald geht über die Meinung Wengers hinaus und bemerkt zur weiteren Entwicklung in Ägypten:1785 „Man muss sich jedoch vor einer zu starken Vereinfachung der Dinge hüten. Müssen wir nicht auch die Möglichkeit offen lassen, dass es Gesetze gab, die gleichermaßen für die gesamte Bevölkerung galten? Zugunsten dieser These scheinen mehrere Gründe zu sprechen. Jeden einzelnen dem Gesetz seiner Herkunft zu unterwerfen, war wohl in einem Lande wie Ägypten kaum möglich, wo sich die Völker so vermischt hatten. Welches Recht galt z. B. für 1786 die Juden?“ (Hervorhebung von mir)

Kollisionsregeln im ptolemäischen Ägypten konnten aber nicht nur (innerstaatlich) zwischen den beiden großen Volksgruppen der Griechen und Ägypter ‚gute Dienste’ leisten (wie etwa in den Fayûm-Papyri), sondern auch im rechtlichen Verkehr zwischen den großen hellenischen Poleis im Lande (Naukratis, Alexandria, Ptolemais) vermitteln. Dies waren eigenberechtigte Bürgergemeinden, die über eigene Rechtsordnungen verfügten; auch wenn ihnen die staatliche Souveränität fehlte, wodurch eine Unterordnung unter die königliche Gesetzgebung bestand, der sowohl diese griechischen Poleis als auch die Bürger des gesamten ptolemäischen Herrschaftsbereichs (also Griechen, Ägypter, Juden etc.)

Ursprungs und ursprünglich verschiedener Geltungssphären“ ging. – Die unterschiedliche Bewertung durch die beiden Wissenschaftler rührt bloß daher, dass Wolff in der Beurteilung dieses Phänomens formal-positivistisch und begriffsjuristisch, Lewald hingegen funktionalrechtspraktisch argumentiert. – Dazu erinnere ich an Schönbauers frühe Anerkennung eines ‚innerstaatlichen’ Personalitätsprinzips (s. bei Anm. 1675). 1784 Lewald (1968) verweist diesbezüglich auf Wenger 1936, 158 f. – Wolff lehnt das ab. 1785 1968, 683 ff. 1786 Dazu auch schon Schönbauer 1929, 376 f.

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unmittelbar (auch im Verkehr untereinander) unterstellt waren. – Für eine bereits ausgeprägte Rechtsquellenschichtung, eine Art ‚Stufenbau’ der Rechtsordnung im ptolemäischen Ägypten hat sich Taubenschlag1787 ausgesprochen, und er vermittelte später noch einen interessanten Einblick in die unterschiedlichen Elemente des ‚Greek law of Egypt’. Wir finden dort eine beeindruckende ‚Spolienarchitektur’:1788 „We find therein rules gathered from the Ionic (Attica, Erythrea, Chios, Ios, Amorgos, Syros, Tenos, Delos, Ephesos, Zeleia, Samos, Kysikos), the Doric (Korinth, Kalauria, Halikarnas, Gortyn, Andania), Aeolic (Orchomenos, Tespi, Lebadea, Ilion) and from other spheres of law: from Phokis (Delphi), Aetolia (Termon), Lokri (Naupaktos), Acarnania (Stratos), Arcadia (Orchomenos, Mantinea, Tegea), Caria (Mylasa), Misia (Pergamon), Lydia, Macedonia, from Great Greece (Thurii, Heraclea). It corresponds to the ethnic composition of Greek immigra1789 tion.“

Wir sehen daraus sowohl, wie nötig die Bildung eines gemeinen griechischen Rechts, einer Rechtskoiné im ptolemäischen Ägypten war, als auch wie man dieses Ziel zu erreichen versuchte. Die fast vollständige Rechtsvereinheitlichung beseitigte die sonst bestehenden Rechts-Kollisionen und erwies sich als ein innerstaatlich-kollisionsrechtlicher Akt im weiteren Sinn, der die ‚bunten’ staatlichen Rechtsgrundlagen allmählich in ein homogen(er)es territoriales (Rechts)System umgoss. Die wichtige Frage, welches Recht das für Streitigkeiten zwischen Griechen und Ägyptern zuständige Gericht, des Koinodikion, angewandt hat, beantworten zum Teil die Papyri aus der Provinz Fayûm,1790 deren Text nach Lewald „die älteste Kollisionsnorm enthält, die wir besitzen“.1791 – Die besonderen Umstände des Fundes sollen Lewalds eigene Worte wiedergeben:1792 „Wir verdanken [den Text] einem Fund, der auf sehr merkwürdige Weise von den grossen Oxforder Papyrologen Grenfell und Hunt gemacht wurde. Bei Ausgrabungen in einem kleinen Dorf der [ägyptischen] Provinz Fayûm entdeckten sie ein ganz seltsames Gräberfeld: einen Friedhof von Krokodil-Mumien. Die Tiere waren in diesem Teile Ägyptens heilig. Bei ihrer Einbalsamierung wurden sie mit Altpapier ausgestopft, mit Papyri, die sich auf diese Weise wunderbar erhalten haben.“

1787 (1936) und (1938). 1788 Zu diesem Begriff nunmehr mein Beitrag in 2006c, 411. 1789 1938, 489. 1790 Zum ‚Justizwesen der Ptolemäer’ H. J. Wolff (1962). – Zur Erschließung des Fayûm durch die Herrscher der 12. Dynastie, insbesondere Sesostris II (1882-1872 v. C.): Schlögl 2003, 53 f. Große Verehrung als Hauptgott der Region genoss der krokodilgestaltige Gott Sobek. – Zur Bedeutung ägyptischer Tiergottheiten und von Mensch-Tier-Mischwesen: Hornung 2005, 165 ff und 181 ff. 1791 Im antiken Griechenland hat es noch ältere Kollisionsregeln gegeben. 1792 1968, 686 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Diese Papyri gaben den Text einer königlich-ptolemäischen Verordnung wieder und enthielten die von Lewald erwähnten Kollisionsregeln. Er ist bei Lewald vollständig abgedruckt. – Diese Regeln repräsentieren bereits eine hohe Rechtskultur; sie bestimmten vornehmlich das für Verträge zwischen Griechen und Ägyptern anwendbare Recht. Als origineller Anknüpfungspunkt diente dabei die Vertragssprache.1793 – Verträge unterlagen danach dem Recht der Vertragssprache. In Ägypten erfolgte diese Rechtswahl auch von Rechtsunkundigen durch die Inanspruchnahme eines griechischen oder ägyptischen Notars, die in der Rechtspraxis parallel zueinander agierten: • Wurde der Vertrag in griechischer Sprache abgefasst, gelangte griechisches Recht zur Anwendung und darüber hinaus waren zur Entscheidung griechische Gerichte zuständig;

• wurde er in ägyptisch-demotischer Sprache abgefasst, sollte es zur Anwendung ägyptischen Rechts und der Zuständigkeit ägyptischer Gerichte kommen.

Die Nationalität der Vertragsparteien spielte danach – im Gegensatz zu früher (?) – keine Rolle mehr. Entscheidend war letzten Endes der gemeinsame Wille der Vertragspartner bei der Wahl der Vertragssprache.1794 – Darin liegt meines Erachtens auch ein erster Ansatz für die Möglichkeit einer privatautonomen Rechtswahl durch die den Vertrag schließenden Parteien. – Lewald zieht aus seinen Ausführungen den Schluss:1795 „Die angeführten Quellen scheinen die These zu rechtfertigen, wonach die hellenistische Antike Gesetzeskollisionen kannte, die sich aus der Koexistenz mehrerer Zivilrechtsordnungen ergaben.“

Zu ergänzen ist, dass sich solche Rechtskollisionen eben auch innerhalb des Herrschaftsbereichs einer Staatsordnung ergeben konnten. – Das ptolemäische Ägypten (und das Seleukidenreich?) liefern dafür anschauliche Beispiele, die offensichtlich später von den Römern rezipiert worden sind.

1793 Zum analogen Problem im Königreich der Seleukiden oben Anm. 1782. 1794 Vgl. Lewald 1968, 688. 1795 1968, 688; Hervorhebung von mir. – Dagegen betont Wolff 1979, 74, solches sei eigentlich seines Wissens „auch von keinem Autor je behauptet worden“. Wolff zieht sich aber insofern geschickt – aber fragwürdig – aus der Affäre, als sich seine Feststellung nur auf „Ansätze zu einer zusammenhängenden [!] Lehre [!] von der möglichen Konkurrenz von Rechtsordnungen“ bezieht. Ein solcher Anspruch ist aber viel zu ‚hoch’ angesetzt und wenig sinnvoll.

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‚Intermunizipiales’ Kollisionsrecht zwischen Mutter- und Tochterstadt Dieser Abschnitt widmet sich vorklassisch-archaischen Beispielen von Kolonie(gründungs)gesetzen, -vereinbarungen oder -Dekreten1796 und einer jüngeren Kollisionsregel aus einem Synoikismos- oder Eingemeindungsvertrag ein; letztere spielten neben Isopolitie- und Sympolitieverträgen früh eine bedeutende Rolle beim Umgang mit Rechtskollisionen, aber sie trugen auch zum Entstehen von gemeingriechischem Recht bei,1797 und zwar bei den Anfängen eines ‚international’-öffentlichrechtlichen und eines ‚international’-privatrechtlichen Kollisionsrechts. Da die ‚Internationalität’ aber kaum entwickelt war, spricht man hier besser – wie im Jahr 1911 von Phillipson vorgeschlagen – von ‚zwischen(stadt)staatlichen’ oder ‚intermunizipialen’ Regeln.

Entwicklung Italiens im Hochmittelalter Es fällt auf, dass die (hoch)mittelalterliche Entwicklung von ähnlichen politischen Voraussetzungen ausging; denn auch im mittelalterlichen Italien gab es zahlreiche klein- oder stadtstaatliche Akteure – Bologna, Genua, Pisa, Mailand, Florenz, Venedig – mit lebendiger gesellschaftlicher Kommunikation und vor allem mit einem lebhaften Handelsverkehr!1798

1796 Heute kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass für alle Koloniegründungen derartige Vereinbarungen etc. getroffen wurden, es ist aber nicht undenkbar. Ob und welche frühen Leitmuster es dafür gegeben hat, wissen wir ebenfalls nicht. Aber auch das ist nicht unwahrscheinlich, zumal sich – bei aller Konkurrenz zwischen frühen Mutterstädten – derartige Errungenschaften wohl rasch herumsprachen und zumindestens zu anpassender Nachahmung anregten; vgl. dazu Welwei 2002, 52, abgedruckt bei Anm. 1926. – Nicht auszuschließen ist ferner eine Verbindung der Koloniegründungsregeln mit den großen Gesetzgebungstraditionen der Achäer (Zaleukos für das epizephyrische Lokris/Magna Graecia), Ionier (Charondas für Katane/Sizilien; dazu schon Anm. 1740) und Dorer (Diokles für Syracus). Zu diesen Traditionen: Smith (1922). – Zu ‚Standards’, wie sie Graham festgestellt hat, später. – Zur Datierung der Naupaktos-Inschrift: Anm. 1747. 1797 Zu Zusammenhängen von Kolonisation und Leistungen der Rechtsetzung allgemein Gehrke 2000, 146. 1798 Zur mittelalterlichen Statutentheorie: Dölle (1968), Kegel (19876) und Franz Gschnitzer 1966, 38. – Dazu auch Yntema 1954, 518 ff mwH: „Um 1200 war es, als Aldricus, der junge und verehrte Zeitgenosse der vier berühmten Bologneser Doktoren, den genialen Vorschlag machte, dass in solchen Fällen [sc. in denen die Parteien und die Gerichte ihren verschiedenen Rechten unterworfen waren] der Richter nach seinem Ermessen das wirksamere und nützlichere Recht anwenden solle. Dieses Prinzip der Billigkeit [!] wurde insbesondere in einer nur scheinbar nebensächlichen Bemerkung zur Glossa Cunctos Populos (C. 1. 1. 1.), die angeblich von Accursius selbst stammt, ausgedrückt. […] Ungefähr um 1228 wird hier festgestellt, dass ein

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Franz Gschnitzer hat dies anschaulich und einleuchtend erklärt: Die Parteien haben sich durch das Herstellen von Nahbeziehungen dem jeweiligen Ortsrecht (‚statutum’) unterworfen: für persönliche Verhältnisse dem Wohnsitzrecht (statuta personalia); für Liegenschaften der lex rei sitae (statuta:- realia), für bewegliche Sachen, die als Zubehör der Person folgten, wiederum dem Personalstatut und für Handlungen dem Recht des Ortes, an dem sie gesetzt wurden (statuta mixta: für Delikte galt die lex delicti commissi und für Rechtsgeschäfte galten die Regeln der lex contractus und des locus regit actum). Die Statutentheorie hat allerdings auch Schwächen. – Eine ähnliche Praxis existierte schon im alten Griechenland: Die Inschrift von Naupaktos etwa kennt Regeln, die für Nachlässe (zu denen ausländische Liegenschaften und überhaupt ausländischer Besitz gehörten) den Umgang mit derartigen (Rechts)Kollisionen be1799 stimmten.

Die italienischen Städte besaßen, wie antike Poleis, eigene Stadtrechte (‚statuta’), die trotz vieler Ähnlichkeiten auch über grundsätzliche Fragen hinaus, doch keineswegs vollständig übereinstimmten. Deshalb ergab sich immer wieder die Frage nach dem in concreto anzuwendenden Recht und dem zuständigen Gericht. In Bologna gelang es schließlich, sich vom herrschenden Gedanken zu lösen, dass eine Gesetzgebung nur die Bürger der eigenen Stadt oder des eigenen Territoriums binden konnte.1800 Die Rechtsschulen der Glossatoren und Postglossatoren oder Kommentatoren – vor allen Bartolus (1314-1357) und sein Schüler Baldus (1327-1400) – entwickelten erste allgemeine (Rechts)Grundsätze, wonach zum Beispiel Handlungen – ob von Bürgern der eigenen Stadt oder von Fremden – nach dem Recht ihres Begehungsortes und Sachenrechte nach dem Recht der gelegenen Sache, der lex rei sitae beurteilt werden sollten. Die Gliederung dieser ‚Statutenregeln’ nach Personen, Sachen und Handlungen geht auf Baldus zurück, die Regel, dass sich Form und Inhalt von Verträgen nach dem Recht des Abschlussortes und spätere Leistungsstörungen (wie Verzug oder Gewährleistung) nach dem Recht des Erfüllungsortes (hilfsweise nach der lex fori) zu beurteilen seien, bereits auf Bartolus.1801 – Es scheint, als hätten die Griechen zwar weder spezifische Begriffe, noch explizite

Bürger aus Bologna, der in Modena verklagt wird, nicht nach den Gesetzen von Modena beurteilt werden darf, da er ihnen nicht unterliege. Die überaus rasche Annahme der fruchtbaren Idee, dass ein Gericht je nach der Natur des Rechtsfalls das auf einen Ausländer anzuwendende Recht bestimmen soll, zeigt sich auch in den Verfügungen der Siete Partidas von Castilien, die im Jahre 1262 diesen Gedanken formal anerkannten.“ (Das zeigt erneut die Fruchtbarkeit der griechischen Epieikeia! Dazu in Kapitel II 13.) 1799 Dazu ‚Die Inschrift von Naupaktos’ (bei Anm. 1883). 1800 Diese Einsicht hatte man allerdings schon aus der Antike; vgl. etwa Wenger 1936, 180 uH auf Berneker (1935). 1801 Dölle 1968, 28 f; Kegel 19876, 98 ff: Dort auch zur Entwicklung bis zur Gegenwart.

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Griechische Wurzeln?

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Regeln gekannt, wohl aber bereits eine Praxis, der ähnliche oder sogar idente Vorstellungen zugrunde lagen.1802

Griechische Wurzeln? Zurück zu den Rechtskollisionen im antiken Griechenland, für die bereits einige allgemeine Aussagen möglich sind, die in den folgenden ‚Punkten’ zusammengefasst werden können: • Anscheinend, sind die öffentlich-rechtlichen Regeln älter als die privatrechtlichen, was insofern nicht überrascht, als es vornehmlich darum ging, nicht nur das tatsächliche und private, sondern zu allererst das politisch-gesellschaftliche Risiko der Kolonisten (als bisherigen Bürgern ihrer jeweiligen Mutterstädte/Metropoleis) rechtlich abzufedern, da ja Kolonien auch scheitern konnten. Dafür galt es politisch und rechtlich vorzusorgen. – Wie das Beispiel Naupaktos (~ 460-500 v. C.) zeigt, hat sich relativ früh die Notwendigkeit 1803 auch für privatrechtliche Kollionsregeln ergeben.

• Die Große Kolonisation erforderte jedenfalls beachtliche rechtspraktische Leistungen, ja man kann – wenn auch vielleicht nicht von allem Anfang an – geradezu von einem jurisprudentiellen Innovationsschub sprechen. – Im Laufe dieser sich über Jahrhunderte erstreckenden Entwicklung hat die Kautelarjurisprudenz das intermunizipiale Kollisionsrecht ‚erfunden’. – Da die typische Koloniegründung von Anfang an die Apoikie war, stellte sich dieses Problem mit dem Beginn des Kolonisationsprozesses. Kurz: Aus einer Polis wurden zwei, wozu (häufig) kam, dass Mutter- und Tochterstadt im Normalfall weiterhin gute Beziehungen pflegen wollten und vielleicht darauf sogar angewiesen waren. Das nötige Wissen scheint aus dem Erfahrungsaustausch im Rahmen von Polisentwicklung (man denke auch an die parallel entstandenen Kooperationsformen von Sympo1804 und Kolonisation gewonnen worden zu sein. litie oder Isopolitie)

• Dieser Vorgang betraf öffentliches und privates (bürgerliches) Recht, was aber in der Frühzeit noch kaum voneinander geschieden wurde. Es blieben insbesondere familien-

1802 Sowohl Dölle (1968), als auch Kegel (19876) meinen, dass es in der Antike vereinzelte Kollisionsregeln gegeben habe; sie führen dies allerdings nicht näher aus. 1803 Smith 1922, 190 Fn 1: „According to Strabo (VI 1. 8) the western Locrians were the first Greeks to establish a written law.” – Strabo rühmt in seinen ‚Geographica’ das von Zaleukos eklektisch aus kretischen, lakonischen und areopagitischen Bestimmungen geschaffene Gesetzbuch der Lokrer (man beachte die frühe Tendenz zur Rechtsangleichung!) auch noch in anderer Hinsicht: nämlich wegen seiner Einfachheit und der gesetzlichen und nicht wie früher bloß richterlichen Festlegung des Strafmaßes. Das zu erwähnen ist deshalb nicht überflüssig, weil es zeigt, dass die opuntischen Nachzügler-Regeln für Naupaktos in einer alten Gesetzgebungsund Kolonisationstradition standen. Man verfügte offenbar über Erfahrungswerte. 1804 Beispiele bei Chaniotis (1996): etwa zwischen Hierapytna und Praisos (185 ff) oder zwischen Eleutherna und Lato (276 ff). – Vgl. auch Anm. 2048 und in Pkt. 9 (Völkerrecht).

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

und erbrechtliche, aber auch vermögensrechtliche und – wie die Beispiele Kyrene und Naupaktos zeigen – öffentlichrechtliche Beziehungen (etwa kultisch-religiöse sowie Steuern und Abgaben betreffende) zur Heimat bestehen, während neue Rechtsbeziehungen in der Kolonie begründet wurden. Ähnliches galt für das Sachenrecht, das ebenfalls eine bedeutende Rolle spielte, da in der Regel das vertraglich oder kriegerisch erworbene Umland neugegründeter Poleis an die Siedler nach gleichen Anteilen (kleroi, klaroi) durch den Oikisten oder durch das Los zugewiesen wurde. – Der Zuweisungsakt erfolgte (bei staatlichen Gründungen) hoheitlich, war also öffentlichrechtlicher Natur, die damit begründete Rechtsbeziehung (insbesondere der Erwerb von Liegenschaftseigentum) gehört dagegen zum Privatrecht, das aber häufig öffentlichrechtlichen Beschränkungen unterlag, 1805 – Diese Unteretwa unveräußerlich und auch gegen exekutiven Verlust geschützt war. scheidung könnte weiter verfeinert werden, zumal das neue originär erworbene Eigentum häufig auch noch weitere öffentlichrechtliche Auflagen oder Schranken hatte; zB neben der Unveräußerlichkeit des kleros auch die damit verbundene Pflicht zur Leistung von 1806 – Koloniegründungen Hand- und Spanndiensten und insbesondere die Wehrpflicht. förderten offenbar auch die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht, 1807 woraus schon Platon Folgen für die Zuständigkeit der Behörden ableitete. Ulpian, der die Unterscheidung wahrscheinlich partiell übernommen hat, ist aber hinter die griechische Entwicklung zurückgefallen.

• Da bislang keine auswärtigen Vorbilder bei Ägyptern,1808 Phöniziern oder Karthagern bekannt geworden sind, scheint es sich um eine genuin griechische Entwicklung gehandelt zu haben. – Das Anlegen befestigter auswärtiger Stützpunkte am Beginn der Kolonisationsepoche dürfte allerdings nach Vorbild der Phönizier erfolgt sein, mit deren Handels1809 – Die führenden Akmacht die frühe Kolonisation der Griechen in Konkurrenz trat. teure der Kolonisation – zu denen Athen nicht zählte – waren früh entwickelte griechische Poleis, die gleichzeitig Orte der Seefahrt und des Handels waren, weil zunächst nur sie über das für derart anspruchsvolle Unternehmungen nötige Wissen verfügten; das galt etwa für den Stützpunkt der Euboier auf der Insel Pithekusai, dem heutigen Ischia, aber auch für Korinth und Megara oder die ionischen Poleis Milet und Phokaia. Der Rechtsstatus dieser frühesten (Handels)Niederlassungen war aber wahrscheinlich noch nicht der von Kolonien, bedeutete also insbesondere noch keine (neue) Staatsgründung. – Die Erfahrungen aus der Polisentwicklung dürften aber bereits in frühe koloniale Projekte eingeflossen sein; was wohl auch vice versa gilt.

1805 Dazu insbesondere Schönbauer (1952/1969). 1806 Vgl. Koerner (1987); zur späteren (insbesondere mittelalterlichen) Entwicklung Troje (1972). 1807 Dazu in Pkt. 10 (bei Anm. 2574) und in Kapitel VI 6: ‚Öffentliches und privates Recht’ und 8 (Demosthenes). 1808 Grundsätzlich zu Kontakten zwischen Griechen und Ägyptern in archaischer Zeit: Haider (2004) und Schlögl 2003, insbesondere 25, 36, 53, 80. 1809 Vgl. Raaflaub (2004).

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Griechische Wurzeln?

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• Eine wichtige Rolle spielte das Orakel von Delphi, das vor Koloniegründungen regelmä1810

ßig von der Mutterstadt oder vom Oikisten befragt wurde, denn die Gründung einer 1811 – Polis oder Kolonie „was a sacred act, sacred enough to be performed by a god“. Über Delphi und den regelmäßig von der Mutterstadt übernommen Götter- und Heroen1812 kult blieben die Kolonien mit der Heimat verbunden. Für eine Verbindung von Mutter- und Tochterstadt sorgten auch ‚mitgenommenes’ Recht und politische Institutio1813 nen.

Die eindrucksvollsten Beispiele für die Entwicklung von intermunizipialem Kollisionsrecht sind: • Die Vereinbarung der Theraier für eine Koloniegründung im lybischen Kyrene (~ 630 v. 1814

C.): gefunden als ‚Wiederaufzeichnung’ im frühen 4. Jh. v. C. in Kyrene; und

auf einer Marmorstele

• die etwa 150 Jahre jüngere (~ 500-460 v. C.) Inschriftt der hypoknemidischen (Mutter1815

stadt: Opus) über die Verstärkung der bestehenden Kolonie Naupaktos 1816 zügler/Epoikoi.

durch Nach-

1810 Vgl. oben bei und in Anm. 1720. 1811 Graham 1964, 26 und 29 ff. – Danach beanspruchten viele Poleis Apollon als ihren Oikisten. Die Kolonie-, als Staatsgründung, verlangte offenbar wie die frühe Gesetzgebung nach einem göttlichen Ursprung; dazu für die Gesetzgebung Smith 1922, 191 ff. 1812 Zur Rolle Delphis im Rahmen der Großen Kolonisation: Parke/Wormell 1956, 49 ff und Rosenberger 2001, 69 ff: Orakel als Legitimation und Entscheidungshilfe. Vgl. auch Graham 1964, 25 ff. – An der die Kolonisation „lenkenden Rolle Delphis“ wird aber bisweilen gezweifelt, denn legitimierende Orakelsprüche scheinen mitunter auch erst nachträglich eingeholt worden zu sein, um das Ansehen einer gegründeten Stadt zu erhöhen; dazu Rosenberger 2001, 69 und 73 f mit Literatur. – Dennoch ist an der bedeutenden Legitimierungs- und Lenkungsrolle Delphis nicht zu zweifeln. Graham 1964, 26 f hält es für wahrscheinlich, „that through this constant connection with colonial expeditions Delphi acquired the position of arbiter in colonial matters”; er nennt Thurii, Epidamnus und Thasos. – Denkbar wäre, dass Delphi auch Erfahrungen und Wissen um Koloniegründungen gesammelt und weitergegeben hat; vielleicht auch auf rechtlichem Gebiet. 1813 Überschaubar zur Großen Kolonisation und deren vielschichtigen gesellschaftlichen Problemen und (Hinter)Gründen: Welwei 2002, 44 ff und 49 ff und insbesondere Graham 1964, 5 ff. – Welwei spricht von insgesamt etwa 200 Neugründungen. 1814 Zur Vorgeschichte der Anrufung des delphischen Orakels durch den Theraier Battos und die folgende Koloniegründung von Kyrene: Rosenberger 2001, 69 ff mwH. – Vgl. auch Graham 1964, 27 f; der Originaltext des Gründungsdekrets samt Übersetzung findet sich 224 ff. 1815 Vgl. Brodersen et al. 1992, I Nr 30. – Zu Topographie, Entwicklung und den Bauten von Naupaktos: Trowbridge/Oldfather, Naupaktos, in: RE XVI (1935) 1983 f (Naupaktos), ferner Rocchi, Naupaktos, in: DNP VIII (2000) 752-754. 1816 Zur Datierung auch Graham 1964, 41 f und oben in Anm. 1747. – Die Bronzetafel mit der beidseitig angebrachten Gesetzesinschrift befindet sich im Britischen Museum in London; sie wurde in Chaleion, etwa 40 Kilometer östlich von Naupaktos gefunden. Mehr bei Meister 1895, 272 ff und Koerner 1993, 175 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

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Die Bedeutung dieser beiden Inschriften wurde bislang nicht wirklich erkannt. – Schon diese frühen Beispiele kennen die von Hans Lewald für die Zeit des Hellenismus nachgewiesenen rechtstechnischen Lösungsmuster zur Bewältigung von Kollisionsproblemen: Das Schaffen neuer Rechtsregeln durch zwei oder mehrere Poleis durch Vereinbarung für künftige Rechtskollisionen (Methode 1); darüber hinaus scheint in Naupaktos die Entwicklung bereits einen Schritt vorangekommen zu sein. Es wurden nämlich durch Dekret/Gesetz und Vertrag (?) Kollisionsregeln festgelegt, die in bestimmten (Rechts)Fällen mit Auslandsberührung eine der davon tangierten Rechtsordnungen zur (allein) anwendbaren erklärten (Methode 2) ohne dass hier neues Recht geschaffen worden wäre.1817 Bis heute lässt sich nicht feststellen, ab wann die eine oder andere Methode eingesetzt wurde. Dafür, dass man bei der Anwendung flexibel war, spricht der Umstand, dass die politische und rechtliche Gestaltung der Kolonie als Apoikie von Anfang an viele Varianten ermöglichte und ein Spektrum von völlig ‚unabhängig’ bis stark ‚abhängig’ umfasste, während der Begriff der Kleruchie1818 erst am Ende des 5. Jahrhunderts v. C. Gestalt angenommen hatte. Diese politische Bandbreite spiegelte sich wohl auch im Einsatz der rechtlichen Instrumente. Als Indizien für das Vorliegen eher des einen oder des anderen Kolonie-Typus werden angesehen: • Beibehaltung oder Verlust des alten und überhaupt Erlangung eines neuen Bürgerrechts. 1819

nennt für die Vergabe eines neuen Bürgerrechts durch die Pflanzstadt auch – Busolt praktische Überlegungen: Hätten nämlich Mutterstädte ihr eigenes Bürgerrecht auf die jeweilige Pflanzstadt übertragen, wären sie genötigt gewesen, „entweder Kolonisten aus anderen Städten auszuschließen oder diesen das Bürgerrecht zu verleihen, was mit der Gepflogenheit oder gesetzlichen Bestimmung, die zur Bedingung der Verleihung Verdienste um den Staat machte, nicht recht vereinbar gewesen wäre […] Da die Pflanzstädte ihr eigenes Bürgerrecht hatten, so bedurfte es zur bürgerrechtlichen Gleichstellung aller oder einzelner Bürger der Pflanzstadt in der Mutterstadt und von Bürgern dieser in jener besonderer Isopolitieabschlüsse oder Verträge.“

• Die mehr oder weniger umfassende Übernahme politischer Institutionen und der (Staats)Form für das neue politische Gemeinwesen; ident mit der Mutterstadt oder

1817 Zu den beiden ‚Methoden’ oben bei den Anm. 1753 und 1775. 1818 Zum ältesten athenischen Kleruchengesetz von ~ 510/500 v. C.: Koerner 1993, 1 ff. Das Gesetz betrifft Kleruchen auf Salamis und legt deren Steuer- und Heeresfolgepflicht in Athen fest. Ihr Grundbesitz durfte, Verwandte ausgenommen, nicht verpachtet werden. Koerner: „Die Bestimmung zeigt also, dass die wichtigsten Bürgerpflichten auch für die Kleruchen galten.“ – Für das Mittelalter nunmehr: Troje (1972): Ius protimiseos und dazu Kapitel II 19: ‚Vom Familienzum Individualeigentum’. 1819 1926³/1972, II 1265.

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Griechische Wurzeln?

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1820

nicht? – Zu nennen ist hier auch die konkrete politische Bindung/Abhängigkeit einer 1821 Kolonie von ihrer Mutterstadt.

• Weiterbestehende (rechtlich-politische) Verpflichtungen gegenüber der Mutterstadt; etwa Regeln für den Zuzug von Nach- oder Neusiedlern mit Landverteilung oder Abgabenpflicht?

• Rückkehrberechtigung im Falle des Scheiterns einer Kolonie?1822 – Die Regelungen waren unterschiedlich weit gefasst; sehr eng im Falle Kyrenes, großzügig dagegen für Naupaktos. Sie tragen jedoch wenig zur Typusunterscheidung bei, weil das Rückkehrrecht offenbar bei allen Kolonietypen vorkam.

• Der politisch-rechtliche Rahmen für derartige Unternehmungen – das zeigt uns das Beispiel Thera/Kyrene – war früh das Beschwören politisch vorgegebener (öffentlichrechtlicher) Inhalte durch die Auswanderer: der ³SLPK UÎO ±JLJTU›SXO. (Der Begriff Eidesverein1823 ist aber irreführend und sollte daher besser vermieden werden, denn er setzt – barung korrekt gebraucht – eine autonom getroffene Vereinbarung voraus, die zu ihrer Bekräftigung auch noch beschworen wird.) – Damit schwindet freilich eine fassliche Unterscheidung zum einseitig erlassenen Dekret oder einem Gesetz der Mutterstadt. Die Härte der Regeln von Thera/Kyrene spricht für einseitig erlassene Regeln der Polis (vertreten durch die Volksversammlung/Ekklesia). – Die Form des Dekrets, Gesetzes oder einer sonstigen einseitigen Anordnung lässt wohl schon von der gewählten Rechtsform her eine stärkere Abhängigkeit der Siedler im Koloniegründungsakt erkennen. Das bedeutet aber nicht (immer), dass auch die Kolonie selbst abhängig blieb. Für Thera galt dies beispielsweise nicht.

1820 Dass derartige Übernahmen im Naupaktos-Dekret fehlen, ist aber weder als Pro-, noch als Contra-Argument geeignet. Es erklärt sich vielmehr daraus, dass es sich um ein Nachzüglerunternehmen für eine Polis handelte, die ihre Institutionen schon hatte und keine neuen mehr benötigte. Die ‚neuen’ Kollisionsregeln ergänzten aber (für die Zuzügler) die bestehende Rechtsordnung von Naupaktos. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese neue Regelung das Ergebnis einer bisher nicht optimalen Praxis war, der solche Regeln gefehlt haben mochten. Nachzügler waren nämlich auch schon früher nach Naupaktos ausgewandert; und es wäre nicht überraschend zu erfahren, dass es sich dabei um eine Routineangelegenheit gehandelt hat. 1821 Dazu eingehend Ehrenberg 1973a, 128 ff; vgl. auch oben bei Anm. 1686 f „dependent colony within the empire“. 1822 Dazu vergleichend Graham 1964, 53 f. 1823 Die zweiseitig eidlich beschworene, also religiös-kultisch verstärkte, (mehr oder weniger autonom getroffene) Vereinbarung ist aber bereits homerisch-neuassyrisch vorgeprägt. Zur rechtlichen Verwendung des Eides – insbesondere bei Staatsverträgen – vgl. die Darstellung der Einflüsse der aus altorientalischen Vertragspraxis auf Griechenland durch Weinfeld (1990, 175 ff und 187 ff: Curses and sanctions) und die weiterführenden Arbeiten Rollingers (zB 2005), der zudem die Verwendung dieser orientalischen Vorbilder im homerischen Griechenland nachgewiesen hat. – Dazu auch in Pkt. 9: Völkerrecht.

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• Nach Meister1824 hat (erst?) die deutlich jüngere naupaktische Regelung wahrscheinlich aus zwei ‚Teilen’ bestanden (die in der Folge zu einem Ganzen zusammengefügt wurden, aber wohl von Anfang an aufeinander bezogen waren); einem von den Opuntiern in Vorverhandlungen mit den Naupaktiern ausgehandelten (und von der Polis Opus dekretartig, also einseitig formulierten und festgesetzten) Teil und einem danach vertraglich zwischen Opus und den freiwilligen Kolonisten abgeschlossenen (der den vorgegebenen Dekretin1825 – Die bislang von der Wissenschaft verwendete Terminohalt zu respektieren hatte). logie ist sehr uneinheitlich – weil auch von unterschiedlichen Annahmen ausgehend, wes1826 bei halb sich daraus keine verlässlichen Rückschlüsse ziehen lassen; so spricht Oehler 1827 einer staatlichen Koloniegründung generell von ‚Stiftungsurkunde’, während Busolt den Begriff ‚Statut’ und Graham durchgehend den Begriff ‚decree’ verwendet. Keiner dieser Autoren erklärt den von ihm gewählten Begriff näher. Oehler und Graham betonen dabei das einseitige Erlassen des Rechtsaktes, wodurch Vertrag und Vereinbarung eher ausgeschlossen werden. Der Begriff des ‚Statuts’ dagegen scheint in die Nähe einer beidoder mehrseitigen Vereinbarung gerückt zu sein. – Alle diese Rechtsakte konnten überdies eidlich bekräftigt werden, sodass das Vorliegen einer sogenannten ‚Eidesvereinbarung’ (besser, weil neutraler, spricht man von eidlicher Bekräftigung) allein noch keinen sicheren Aufschluss über die Rechtsform der Gründung einer Kolonie und auch nicht über 1828 ihren späteren Status zu liefern vermag.

Ich betrachte hier die gut zugänglichen, in Übersetzungen vorliegenden und deshalb auch ohne große Schwierigkeiten zu verstehenden Urkunden.1829 – Es überrascht, dass dieser ‚Schatz’ – das gilt für alle hier behandelten Fälle – bisher nicht (wirklich) ‚gehoben’ wurde. Die Gründe dafür liegen im Fall von Kyrene

1824 (1895). Dazu später. 1825 Die Differenzen zwischen den einzelnen Kommentatoren dieser Urkunde scheinen mir weitgehend überbrückbar. Meisters Verständnis wird sowohl der Beziehung zwischen Opus und den anderen hypoknemidischen Lokrern (dazu interessante Überlegungen bei Koerner 1993, 177 f), als auch derjenigen zwischen Opus und Naupaktos wohl am ehesten gerecht. Schon die Herausgeber der griechischen juristischen Inschriften Dareste/Haussoullier/Reinach haben die Z. 111 als ‚dispositions générales’ und die des übrigen Textes als ‚dispositions paticulières’ gedeutet. Dabei haben sie vielleicht zu ‚modern’ gedacht, wozu die alphabetische Nummerierung des zweiten Teils der Inschrift verleitet haben mag. Koerner 1993, 176 Fn 8 betont, dass die den zweiten Teil der Inschrift gliedernden Buchstaben „den Ziffern des milesischen Zahlenalphabets entsprechen“; er sagt aber nicht, was das zu bedeuten hat. (Existierte ein miletisches Vorbild? Milet war eine früh aktive Mutterstadt.) 1826 In: RE I (1894) 2825 f. 1827 19263/1972, II 1265 Fn 1. 1828 Ehrenberg 1973a, 128 ff plädiert daher zu Recht für Flexibilität im Einschätzen von Kolonien als Apoikie oder Kleruchie. 1829 Abgedruckt bei Brodersen et. al. 1992, Bd. I, bei Graham (1964) und Koerner (1993). Die naupaktische Inschrift ist auch bei Tod 1933, Nr. 24, bei Meister (1895) und Koerner (1993 Nr. 49) wiedergegeben. Im Gegensatz zu Brodersen kommentieren aber Meister und Koerner die Inschrift eingehend. Das gilt, wenn auch in abgeschwächtem Maße, auch für Graham (1964).

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Thera und die Koloniegründung von Kyrene

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wohl in der Einschätzung des ‚Pakts der Siedler’ durch Wilamowitz als „späte Mache“, was bestehende Zweifel an der Echtheit lange verfestigte, die allerdings seit den grundlegenden Arbeiten von Graham und Jeffery ausgeräumt sind.1830 Immerhin sind lange Zeit hindurch weitere Nachforschungen unterblieben.1831 Für Naupaktos gilt das nicht in gleichem Maße, mag hier auch noch manche Frage offen sein.1832 Jedenfalls steht der naupaktische Text durch die aufgefundene Inschrift außer Zweifel.1833 Der Wert der naupaktischen Inschrift wurde infolge der vehementen negativen Beurteilung durch Wolff bis heute meist verkannt. Die scheinbar abschließende Einschätzung bei Wolff, der den Hintergrund der Kolonisation nicht berücksichtigt und in einer Fußnote nur marginal Stellung genommen hatte, wirkte jedenfalls nicht fördernd.

Thera und die Koloniegründung von Kyrene Eine im nordafrikanischen Kyrene1834 1923 im Rahmen italienischer Ausgrabungen aufgefundene Stele samt Inschrift wird ins frühe 5. Jahrhundert v. C. datiert. Sie enthält einen kyräischen Volksbeschluss aus dieser Zeit, dem der Pakt der ursprünglichen Gründer (³SLJPO UÎO ±JLJTU›SXO) angefügt ist, der um 630 v. C. datiert wird. Bengtson ergänzt: 1835

1830 Graham (1960), Jeffery (1961). 1831 Echtheitszweifel auch bei Bengtson (19752) und ihm folgend Seibert (1963); dazu Anm. 1835. – Ein anderer Grund lag und liegt aber wohl immer noch in der schwindenden Interdisziplinarität und in der Konzentration der Rechtsgeschichte des deutschsprachigen Raumes auf das römische Recht. 1832 Dazu Graham 1964, 41 f. – Vgl. dazu auch bei Anm. 1917 ff: Hitzig (1907b). 1833 Umfassende Hinweise bei Graham 1964, 226 Fn 1: insbesondere auf Meister (1895) und Tod 1933, 24. 1834 Kyrene gründete später selbst Kolonien; ~ 565/550 v. C. Barka, Apollonia und Taucheria (~ 6. Jh. v. C.) sowie Euhesperides (~ Ende 6./Anfang 5. Jh. v. C.), alle im lybischen Umfeld; dazu Seibert 1963, 68 ff und Werner 1971, 63 ff. – Zu Kyrene: Huß und Niemeyer, Kyrene, in: DNP VI (1999) 1002-1004; zur Stadtrechtsgeschichte E. Weiss (1949). – Die Doppelrolle von Kolonie und Mutterstadt war nicht selten. Ein anderes berühmtes Beispiel ist Thassos, selbst eine Gründung von Paros (Oikist war der Vater des Dichters Archilochos) im ersten Viertel des 7. Jhs. Thassos gründete mehrere Kolonien im thrakischen Hinterland, aber auch Neapolis; dazu Graham 1964, 71 ff: Thasos and the effect of distance. Das bekannteste Beispiel ist aber wohl Milet, berühmt für seine zahlreichen Koloniegründungen, mag hier auch manches übertrieben sein; nach Seneca waren es 75, nach Plinius gar 90! Besonders zahlreich waren die pontischen Kolonien Milets. Zu Milet: Graham 1964, 98 ff. Zu den Kolonien Milets, auch zu den Gründungen von Samos, Paros, Teos, Andros, Kolophon, Klazomenai, Chios, Naxos, Eretria und zu den chalkidischen und phokäischen Kolonien: Bilabel (1920). 1835 19752, II 2, Nr. 103, 2 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

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Abb. 11: Lage von Thera

„Der Pakt erscheint in der Gestalt eines theräischen Volksbeschlusses. Da aber die Authentizität des (sc. der Inschrift angehängten) Paktes nicht in allen Stücken gesichert ist, so wird die Urkunde unter den apokryphen Verträgen im Schlußband erscheinen.“

Die Inschrift war 1925 von Ferri erstmals veröffentlicht und später mehrmals bearbeitet worden. Angeschlossen war eine Abhandlung von Wilamowitz,1836 die den Pakt der Gründer als eine „späte Mache“, also als Fälschung bezeichnete. Diesen Bedenken gegen die Echtheit des Gründerpaktes schlossen sich weitere Autoren an; etwa G. Oliverio, A. Ferrabino und F. Chamoux. Zur Wende in der Einschätzung unserer Urkunde kam es erst mit den Arbeiten von Graham und Jeffery. Der dem kyräischen Volksbeschluss angefügte sogenannte ‚Gründungspakt’ enthält die hier interessierenden Rechtsregeln, die danach schon für die ursprüngliche von Thera ausgehende Koloniegründung gegolten haben sollen. Bengtson führt für seine (schon damals nicht unanfechtbare) Einschätzung auch

1836 1925, 35 ff. – Wilamowitz hielt in der Berliner Akademie für Wissenschaften einen Vortrag über das von den spartanischen Theräern gegründete Kyrene, das er noch mit 78 Jahren (auf Einladung der italienischen Regierung) besucht hatte; vgl. die Besprechung der kleinen Schrift von Wilamowitz durch F. Studniczka 1928, 233 ff.

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‚Standards’ für Koloniegründungen?

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andere Autoren an, die jedoch nicht alle seinen Verdacht bestätigen,1837 vor allem nicht die damals jüngsten und gründlichsten Arbeiten, nämlich diejenige von Graham.1838 Ich erörtere anschließend nur die jüngeren Arbeiten von Jeffery und Graham, denn sie vermögen den gegenwärtigen Forschungsstand ausreichend wiederzugeben. Dazu kommt noch das 1964 veröffentlichte Buch von Graham, zum Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterstadt. Dieses Werk ist das bisher umfassendste zu unserem Thema und auch deshalb von Interesse, weil Graham über die Koloniegründungstexte hinaus weitere Beispiele einbezieht, was manchen Vergleich ermöglicht; etwa die athenische Gründung von Brea oder die Gründungen 1839 durch Thassos, Milet und Korinth uam.

Die bei Brodersen1840 abgedruckte Übersetzung der ‚Inschrift’ trägt den Titel: „Kyrene: Eidesvereinbarung der Siedler um 600“.1841 Schon hier fehlt ein Hinweis auf Zweifel an der Echtheit des Gründungspaktes. Es wird aber erwähnt, dass sich die Zeilen 23 ff als „Wiederaufzeichnung […] geben“. – Bengtsons Zweifeln, oder vielleicht seiner Mahnung zur Vorsicht, soll ebenso nachgegangen werden1842 wie dem von Welwei1843 (ohne Zusammenhang mit unserer Inschrift) allgemein erhobenen Einwand, dass es als fraglich angesehen werden müsse, ob es „bereits im Verlauf der Großen Kolonisation […] derartige Gründungen [sc. Apoikien] durch offiziellen Beschluss der öffentlichen Institutionen der ‚Mutterstädte’“ gegeben habe.

‚Standards’ für Koloniegründungen? Rechtsregeln zur Unterstützung schwieriger kolonialer Unternehmungen können als der Situation angemessen betrachtet werden und überraschen daher nicht,

1837 Ähnlich wie Bengtson, wenngleich in manchem Punkte schon zweifelnd Seibert 1963, 9 ff, insbesondere 57 ff und 67, dessen Dissertation von Bengtson betreut worden war. 1838 Weitere Nachweise bei Bengtson (19752) und Graham (1960). 1839 Zu den Kolonien dieser Poleis auch Seibert (1963): Thassos 218 ff, Milet 179 ff und Korinth 107 ff. 1840 1992, I 4 ff, Urkunde Nr. 6. 1841 Gegen diese Bezeichnung wendet sich Graham 1964, 104 mwH und schlägt vor, von einem „agreement of the founders“ zu sprechen, zumal sonst falsche Assoziationen erweckt würden. – Allein auch diese Bezeichnung ist nicht klarer; der ‚Eidesvereinbarung’ vorzuziehen wäre ‚Eideszeremonie’ – Grahams Kritik ist somit unergiebig, weil der beidseitig geleistete Eid, eine alte Form der Bekräftigung sowohl von Vereinbarungen als auch von einseitigen Rechtsakten war; dazu schon bei und in Anm. 1823. 1842 Eine eigene Bewertung der offenen Fragen hat Bengtson (19752) ebensowenig vorgenommen wie in der Folge Brodersen et al. (1992, I). 1843 2002, 45. – Dazu ab Anm. 1856.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

denn sie reflektieren realistisch die konkrete Situation.1844 Offenbar kam es im Laufe der Großen Kolonisation nicht nur zu einer Verbreitung und gegenseitigen Kenntnis von Regelungen für Kolonien, sondern – wie Graham wohl zu Recht annimmt – sogar zur Ausbildung rechtlicher ‚Standards’ für Koloniegründungsvereinbarungen oder -dekrete.1845 Das schloss der jeweiligen Situation entsprechende Abänderungen oder Ergänzungen für den Einzelfall nicht aus. Derartige Normen sind bereits für die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts v. C. weder unzeitgemäß noch undenkbar. Ab der Mitte des 7. Jahrhunderts wurde Recht häufiger schriftlich niedergelegt.1846 Seit dem Beginn größerer kolonisatorischer Unternehmungen ab der Mitte des 8. Jahrhunderts bis zur Gründungsvereinbarung von Kyrene waren etwa 120 Jahre verstrichen, ein Zeitraum, der zur Bildung solcher Regeln genutzt werden konnte. Die Regeln von Thera/Kyrene sind wohl etwas älter als die Gesetzgebung Drakons. Regeln wie die für Kyrene – und vor allem wie die für Naupaktos – dürften kaum zum ersten Mal eingesetzt worden sein.1847 Eher ist davon auszugehen, dass sie – im Sinne Grahams – zu einem in (kontinuierlicher) Entwicklung begriffenen ‚Standard’ für Koloniegründungen gehörten. Es ist nämlich schwer vorstellbar, dass größere (und insbesondere nicht nur von einer Polis getragene) Koloniegründungen – wie im ägyptischen Naukratis – ohne solche Regeln das Auslangen gefunden haben sollten.1848 Die unterschiedliche Herkunft der Siedler erforderte Regelungen; wahrscheinlich wurde dabei nach Methode 1 vorgegangen. – Risikoreiche Unternehmungen, wie es Koloniegründungen meist waren, bedurften schon ihrer Natur nach früh der Unterstützung durch das Recht (auch zwischen Mutter- und Tochterstadt), um das beträchtliche persönliche und familiäre Risiko der Kolonisten, aber auch das der entsendenden Mutterstadt abzufedern. Struktur und Intensität der politischen und rechtlichen Beziehungen waren freilich von Kolonie zu Kolonie unterschiedlich.1849 – Aus den Beispielen ersehen wir – und zwar jenseits aller

1844 Für die Gründung von Kyrene ist noch nachzutragen, dass die Theräer „ins Ungewisse fuhren, da zum Zeitpunkt der Kolonisation niemand wusste, wo Kyrene“ liegt; Werner 1971, 44 f auf Grund von Herodot IV 150 und 151, 2. Anders E. Weiss 1949, 232: Neubesiedlung einer älteren Gründung (um 1000 v. C.). 1845 Dazu unten nach Anm. 1856 und passim. 1846 Zu den frühen griechischen Gesetzgebungen: G. Smith (1922) sowie M. Gagarin (1989). 1847 Vgl. die Beispiele früher Koloniegründungen bei Oehler, Apoikia, in: RE I (1894) 2827/82836 und bei Eder, Kolonisation/Grosse Kolonisation, in: DNP VI (1999) 653-663. 1848 Eine bislang nicht nachgewiesene, aber denkbare Art der Verbreitung von Gründungsregeln bestand vielleicht darin, dass sie in Delphi gesammelt und bei den üblichen sakralen Koloniegründungsanfragen weitergegeben und vielleicht sogar angepasst wurden. – Für Kyrene ist eine solche Anfrage nachgewiesen. – Vgl. auch die durch Perikles propagierte Gründung von Thurioi. 1849 So war Kyrenes Mutterstadt Thera eine Monarchie, während Naupaktos’ Mutterstadt Opus eine Oligarchie gewesen sein soll; vgl. Graham 1964, 59.

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Jefferys Untersuchung

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Echtheitszweifel, dass das frühe Entstehen von Rechtsregeln und schließlich von Kollisionsrecht im antiken Griechenland, kein theoretisches Anliegen war, sondern dass es eine rechtspraktische, also eine typisch kautelarjuristische Leistung war.1850

Jefferys Untersuchung Im Jahre 1961 erschien Jefferys Aufsatz zum Gründungspakt von Kyrene. Die gründliche Untersuchung enthält alle wichtigen Daten und stellt den wahrscheinlichen Verlauf der Entwicklung eingehend dar. Bei Jeffery stehen allerdings – wie bei Grahams Arbeit aus dem Jahre 1960 – nicht juristische, sondern historische und philologische Aspekte, insbesondere die Datierung, die Erläuterung und die Textrekonstruktion im Vordergrund. All dies ist jedoch auch für uns von Bedeutung. Ich zitiere daher zunächst zur Ergänzung und Klarstellung den Beginn von Jefferys Aufsatz, der jene Daten enthält, die wir auch für unsere Fragen benötigen, die aber in der Sammlung der Staatsverträge bei Bengtson und der der Inschriften bei Brodersen fehlen: „One of the most valuable ancient documents for the history of Greek colonization is the in1851 scription SEG IX 3, a decree found by the Italians in the course of their excavations at Cyrene. The decree was promulgated early in the fourth century B. C. by one Demis son of Bathycles, a Cyrenean who was seeking to obtain the citizenship for immigrants who had come to settle in Cyrene from Thera, the original mother-city of the colony. To help their cause Demis cited a document (lines 25-41 of SEG IX. 3), which is entitled ‘Pact of the settlers’ (³SLJPO UÎO ±JLJTU›SXO), and which purports to be the original terms drawn up in the seventh century between the departing emigrants on the one hand, and the ruling authority in Thera on the other. Herodotus gives us in his Bk. [Book] IV. 150-158 two fifth-century versions (the Theran and the Cyrenean) of the foundation of the colony c. 637 B. C., and the apparent verbal connexion at certain points between Herodotus’ text and this Pact has been discussed by modern scholars, most recently by F. Chamoux in his excellent work ‘Cyrène sous la monarchie des Battiades’ (1953), 104 ff.”

Theras Mutterstadt war Sparta, die Staatsform daher zunächst wie dort eine Monarchie. – Etwa um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. C. aus Anlass der Ankunft neuer Siedler, denen die Nachfahren der alten Auswanderer nicht die ursprüng-

1850 Allgemein zur Großen Kolonisation der Griechen (neben den bereits gennanten Autoren) insbesondere auch Boardman (19994) und Gschnitzer (1981): Zu Kyrene Boardman 19994, 153 ff. – I. Weiler 1996, 237 Fn 106 weist auf die ‚Unsicherheiten’ hin, denen Kolonisatoren ausgesetzt waren und erwähnt dabei auch die ‚Eidesvereinbarung’ der Theräer. – Grundsätzlich zur Beziehung von Mutter- und Tochterstadt: Graham (1964). 1851 Supplementum Epigraphicum Graecum (1923).

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

lich versprochenen Rechte einräumen wollten, ereignete sich ein Aufruhr/Bürgerkrieg/Revolution (stasis/TUƒTJK), der sich zum Kyrenisch-Lybischen Krieg auswuchs, zu dem sich Jeffery außert.1852 Ich lasse alle Details und Verzweigungen und auch die subtile philologische Beweisführung beiseite und beschränke mich auf das Ergebnis, vor allem deshalb, weil dieses allein für die Echtheit der im Pakt der Siedler angeführten Normen von Bedeutung ist. – Jeffery beantwortet die Frage, ob „the ‚Pact of the settlers’ in any sense an archaic document” ist, mit einem klaren ‚Ja’:1853 „But I think, it is not impossible that c. 637, when the colony was decided upon, some kind of document was in fact drawn up and inscribed on wood or stone or bronze. To the Therans it may well have seemed essential to have the death penalty for desertion (or for abetting desertion) guaranteed in writing, in order to ensure that the minimum number was forthcoming, and that the colony did go; while to the emigrants it may well have seemed no less essential that they should carry to Libya the Therans’ written assurance that under certain conditions they might return and resume their Theran rights and properties – little though this assurance helped them in fact [Herodot IV 156, 2-3].”

In einer ‚additional note’ pflichtet Jeffery dem Ergebnis des kurz vorher publizierten Aufsatzes von Graham bei und zitiert: „that ‚the burden of proof is on those who deny the authenticity’, and that it [gemeint ist der ‘Pact of Settlers’] may well be ‚a genuine document re-edited in the fourth century.”1854 – Damit erscheinen Bengtsons Bedenken ausgeräumt. Graham hatte sich in seinem Beitrag vor allem mit früheren Autoren (insbesondere Ferri, Oliverio und Ferrabino) auseinandergesetzt und war ebenfalls zum Ergebnis gekommen, dass es zwar noch eine Reihe von Einzelfragen zu klären gebe, es aber falsch wäre „to regard the ³SLJPO as a forgery based on Herodotos“ und that „it seems better to regard the content of the ³SLJPO UÎO ±JLJTU›SXO as original“.1855

1852 1961, 142 ff uH auf Herodot IV 161. 1853 Jeffery 1961, 142. 1854 Jeffery 1961, 147. 1855 Graham 1960, 111.

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Welweis Bedenken

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Abb. 12: Nordafrika und Kyrene samt Gründungen

Welweis Bedenken Welwei hält es für fraglich, „inwieweit bereits im Verlauf der Großen Kolonisation der Griechen derartige Gründungen [sc. Apoikien] durch offiziellen Beschluss der öffentlichen Institutionen der ‚Mutterstädte’ vorgenommen wurden.“1856 – Seine Bedenken gelten aber wohl vornehmlich den Anfängen der Kolonisationsbewegung, da „in den griechischen Gemeinwesen des 8. Jahrhunderts noch kein festes institutionelles Gefüge existierte, so dass damals […] noch ‘vorstaatliche’ Verhältnisse herrschten“. – Für Thera (a 630 v. C.) ist das aber nicht mehr anzunehmen und für Naupaktos (a 460-500 v. C.) erst recht nicht. Für das 8. Jahrhundert und vielleicht auch noch für manches Gemeinwesen der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts erscheinen Welweis Bedenken berechtigt, nicht mehr aber für die letzten Jahrzehnte des 7. Jahrhunderts. – Es spricht nämlich – von unserer Inschrift einmal abgesehen – manches dafür, dass diese Methode schon früher angewendet wurde und dass sie bereits in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts insbesondere grössere Kolonieprojekte begleitete, bei denen die Probleme kaum geringer waren als die von Naukratis. Graham nimmt an, dass sich im Laufe der Großen Kolonisation rechtliche Begleitregeln als ‘Standards’ entwickelten, die freilich im Einzelfall adaptiert werden konnten. Das erforderte neben politischem Know-How bereits kautelarjuristische Fähigkeiten, die in kolonisatorisch aktiven Poleis nur aus den Mutterstädten stammen konnten. – Denkbar wäre aber, dass etwa für die naupaktischen Nachzügler (Epoikoi/|QPJLPJ) eine Regelung geschaffen und gleichsam nachgeschoben wurde, die man dort schon bei früheren Unternehmungen dieser Art ge1856 2002, 45. – Dazu oben bei Anm. 1843. – Gerade die Situation in Thera legt das aber nahe.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

braucht hätte; letzterenfalls wären die Kollisionsregeln schon Ergebnis eigener Erfahrung gewesen. Das Entsenden von Nach-Siedlern nach Naupaktos durch die hypoknemidischen Lokrer (Mutterstadt: Opus) um etwa 500 v. C. war ja ein verhältnismäßig kleines Vorhaben, das zudem als Nachzüglerunternehmen für eine bereits bestehende Binnenkolonie bestimmten Gefährdungen gar nicht ausgesetzt war. Die hier dennoch eingesetzten Kollisionsregeln könnten daher von größeren und älteren (lokrischen?) Vorbildern stammen, die uns heute nicht mehr bekannt sind.1857

Gründungspakt Theras für Kyrene Betrachten wir nun den umstrittenen Gründungspakt, der sich als ‚Wiederaufzeichnung’ der ursprünglichen Vereinbarung von ~ 635 v. C. bezeichnet, etwas näher.1858 Der Pakt beinhaltet mehr als nur eine ‚Eidesvereinbarung’ zwischen den Theraiern und den Auswanderern. – Zunächst müssen wir uns vor Augen halten, was eine solche Koloniegründung politisch und rechtlich bedeutete. Es geht dabei grundsätzlich entweder um die Entstehung einer neuen Polis, also um das bewusste Schaffen eines neuen – wie wir heute sagen würden – (Völker)Rechtssubjekts im Rahmen des hellenischen Kulturraums oder um die Ausdehnung eines bestehenden Staates auf ein neues Territorium.1859 – Im Fall von Kyrene ging es um die Gründung einer autonomen und souveränen Kolonie, einer Apoikie, eines neuen staatlichen Gemeinwesens.1860 – In der ‚Eidesvereinbarung’ kann neben der persönlichen Verpflichtung der Aussiedler und der Polis Thera insofern ein staatsrechtlicher Akt erblickt werden, als Thera die Entstehung der neuen Polis, der Apoikie Kyrene, im Voraus anerkennt, wobei diese Anerkennung nur durch das Gelingen des Unternehmens bedingt ist. Für den Fall des Gelingens werden dem neuen Gemeinwesen auch bereits beidseitig beschworene und zuvor festgelegte Pflichten zur grundsätzlichen Gleichstellung nachziehender Theraier (als Epoikoi) auferlegt. – Wie ernst all das auch (staats)rechtlich gemeint war, zeigt nicht nur die Zwangsauswahl der Teilnehmer und die Zusage künftiger Unterstützung der Kolonie, sondern auch der Um-

1857 Vgl. schon Anm. 1803. 1858 Brodersen et al. 1992, I Nr. 6, S. 4: „Kyrene: Eidesvereinbarung der Siedler“. – Zur Geschichte von Thera: Herodot IV 147 ff, zur konkreten Koloniegründung von Kyrene ebendort IV 150 ff. – Zu den von Herodot berichteten zwei Gründungsvarianten auch Welwei 2002, 51. 1859 Zur letzten Möglichkeit Chaniotis (2004). Chaniotis verfolgt darin – wie schon in seinem früheren Werk (1996) – die Verträge zwischen kretischen Poleis, nicht aber kollisionsrechtliche Fragen, vielmehr das staat(srecht)liche Beanspruchen eines Territoriums als eigenes. 1860 Vgl. auch Huß, Kyrene, in: DNP VI (1999) 1003.

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Gründungspakt Theras für Kyrene

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stand, dass das ansonsten ‚standardmäßig’ eher großzügig eingeräumte Rückkehrrecht der Kolonisten hier auf ein ‚Minimum’ (Graham) eingeschränkt worden ist.1861 Diese Art der Gründung war anscheinend sowohl durch die innere Situation Theras (Missernte und Hungersnot als Anlass der Aussendung),1862 als auch durch die Wahl des weit entfernten Kyrene als Ort für die Kolonie, also durch äußere Umstände, geradezu erzwungen worden. – Die Regelung der Theraier enthält für diesen Zweck ausschließlich öffentlichrechtliche Bestimmungen, und es gibt, im Gegensatz zu Naupaktos, keine erb-, familien- und sachenrechtlichen Regelungen. Das war möglicherweise beabsichtigt und ließe dann den Schluss zu, dass diese Rechtsbeziehungen mit der Auswanderung als faktisch (wie rechtlich?) durchtrennt betrachtet wurden, weil man nicht mit der Aufrechterhaltung über die große Entfernung hinweg rechnete;1863 obwohl die Kolonisten ihr theräisches Bürgerecht behielten. Der Umstand, dass es sich ausschließlich um öffentlichrechtliche Bestimmungen handelt, spricht aber auch für ihr hohes Alter, und der nüchtern an Sachproblemen orientierte, unspektakuläre Inhalt deutet ebenfalls auf ihre Echtheit hin. – Einige Beispiele:1864 • Die (Aus)Siedler behalten das Bürgerrecht ihrer Heimatinsel Thera: „Bleiben soll den 1865

Theraiern das gleiche Bürgerrecht auch in Kyrene […]“ – Z.(eile) 13.

• Die politische Struktur der Mutterstadt/Metropolis Thera wird den Siedlern nach Kyrene gleichsam ‚mitgegeben’; das betrifft insbesondere die politischen Einteilungen in Phylen, 1866 – Z. 16 ff. Phratrien und Hetairien;

• Die Siedler ziehen zu gleichen Bedingungen in die Kolonie: „Zu völlig gleichen Bedingungen sollen sie ziehen aus jedem Haushalt […]“ – Z. 28 ff.

1867

– Das war wohl hier

1861 Zu den Hintergründen gleich mehr sowie die Hinweise bei und in Anm. 1868 (Tarent), 1873 und 1936 f. – E. Weiss 1949, 233 nimmt unzutreffend kein Rückkehrecht an. 1862 Unter Umständen kam noch ein Konflikt mit den Urbewohnern der Insel (den Myniern) dazu, der dadurch entschärft oder gelöst werden sollte, indem man (auch) diese zur Auswanderung zwang. (?) – Vgl. allerdings unten bei Anm. 1867: „[…] aus jedem Haushalt“. 1863 Vielleicht gab es auch zur Zeit der Gründung von Kyrene noch kein intermunizipiales Kollisionsrecht, das man hätte einsetzen können. 1864 Ich gebe hier den Text ohne die Auszeichnung seiner (Fund)Verstümmelungen und Ergänzungen wieder. Weitergehende Hinweise dazu bei Brodersen et al. 1992, I Nr. 6 sowie Graham 1964, 94 f und insbesondere Meister (1895). – Aus Platzgründen wird auf eine Wiedergabe des gesamten Textes verzichtet. 1865 Ehrenberg 1973a, 117, stellt für die Unterscheidung zwischen Apoikie und Kleruchie auf den Verlust oder Erhalt des Bürgerrechts ab. – Das Beibehalten des Bürgerrechts ist aber für Apoikien eine Ausnahmeerscheinung. 1866 Diese Passagen liegen noch innerhalb der ersten (auf jeden Fall echten) 23 Zeilen der Inschrift, die später angeführten Punkte gehören zur ‚Wiederaufzeichnung’. – Zu ‚Phratrie’ und ‚Phyle’ auch Brodersen et al. 1992, I 142. 1867 Vgl. Graham 1964, 59. – Die ‚Gleichheit’ (der Siedler) wurde im Rahmen der Kolonisation

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

auch deshalb nötig, weil sich die Kolonisten nicht nur aus Freiwilligen rekrutierten. Jeder Haushalt hatte (!) vielmehr einen Sohn zu stellen. In der Urkunde heißt es kategorisch: „Wenn aber einer nicht ziehen will, obwohl die Stadt ihn fortschickt, soll er todgeweiht sein, und sein Besitz soll eingezogen werden. Wer ihn aber aufnimmt oder versteckt, sei es ein Vater seinen Sohn oder ein Bruder seinen Bruder, wird dasselbe erleiden wie der, der nicht ziehen will. Unter diesen Bedingungen haben die Eideszeremonie durchgeführt die, die am Ort (= Thera) blieben und die, die um zu siedeln fortzogen […]“. – Die Strenge dieser Regeln, die sogar die Todesstrafe androhen, spiegelt Theras Notsituation, wahrscheinlich infolge einer Dürrekatastrophe mit Missernte; E. Weiss 1949, 232: Übervölkerung. Für eine freie ‚Vereinbarung’ (zwischen dem Gemeinwesen von Thera und den (nach den Regeln der Polis) ‚bestimmten/ausgewählten’ und keineswegs freiwilligen Aus1868 bemerkt dazu: „Darum siedlern) fehlte hier der politische ‚Raum’. – Van Compernolle waren diese Zwangsausgestoßenen oft von Haß gegenüber ihrer Mutterstadt erfüllt, obwohl sie deren Sprache, Religion, Sitten und Einrichtungen beibehielten.“

• Der beidseitig geleistete Eid ist (rechtlich) aber bloß feierliche Form der als bindender öffentlichrechtlicher Akt, nicht aber als Vertrag (!?) zu verstehenden Rechtsbeziehung (zwischen Aussiedlern und Theraiern). – Die ‚Regeln’ waren vielmehr zuvor einseitig durch 1869 – Daher halte ich den von Beschluss der ‚Versammlung’/Ekklesia festgelegt worden. Graham und anderen verwendete Begriff ‚Dekret’ für unproblematisch. Die Gesamtregelung war nämlich offenbar nicht wirklich zweiseitig-autonom angelegt, sondern bestand aus einem Dekret (= einseitiger Beschluss der politischen Versammlung) und einer dieses 1870 Dekret bekräftigenden Eideszeremonie zwischen Aussiedlern und Daheimbleibenden. – Die Form deutet auf das hohe Alter dieses (öffentlich)rechtlich eingekleideten politisch 1871 motivierten Aussiedlerunternehmens, dessen archaisch-bildhafte Sprache beeindruckt. 1872 – „Hauptmotiv für diese Ansiedlung in Lybien war zweifellos Landnot in Thera;“ die Härte der Bedingungen macht dies deutlich. Es ging dabei insbesondere darum, die Überlebenschancen der in Thera Verbleibenden zu erhöhen. Die schwierige Versorgungslage 1873 in der Mutterstadt erklärt die Strenge der Regelung. – Boardman führt dazu aus: „Greeks settled in Cyrenaica as soon as they did in Egypt; but while the Greeks of Nauc-

offenbar früh zu einem politischen und rechtlichen Wert. 1868 Kolonisation, in: LAW II (1995) 1562. – Die älteste Koloniegründung Spartas war Tarent (spätes 8. Jh.), die offenbar ebenfalls keine ‚freiwillige’ war. Ch. Freeman (1999/2000, 68) führt als Grund dieser ‚Aussiedlung’ an: „The Spartan settlement at Tarentum, a fine harbor high on the instep of Italy […] shows another motive for settlement. Its founders were the illegitimate children of Spartan women and helots, the slave class of the Spartan state. There was no place for them at Sparta; a new start was their only hope.“ 1869 Vgl. dazu Anm. 1879. 1870 Anders in Naupaktos, das hat Meister (1895) dargelegt. 1871 Vgl. Anm. 1823. 1872 Welwei 2002, 51. 1873 19994, 153.

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Gründungspakt Theras für Kyrene

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1874

ratis were merchants, the Greeks at Cyrene were farmers. A severe drought at home had driven them to seek new homes overseas. […] But the prime attraction was the fertile land of the Cyrenaican plateau and seabord […]” (Hervorhebung von mir)

• Grundsätzliche Gleichstellung später nachziehender Theraier:1875 „Wenn die Siedler die Ansiedlung behaupten können, dann soll jeder von den Familienangehörigen, der später nach Lybien fährt, sowohl am Bürgerrecht als auch an den Ehrenämtern teilhaben und soll von dem noch nicht einem Besitzer zugewiesenen Land einen Anteil durchs Los erhal1876 – Z. 31 ff. ten.“

• Rückkehrrecht der Siedler für den Fall des Scheiterns der Kolonie, was wohl nötig war, um ein solches Unternehmen überhaupt durchführen und politisch rechtfertigen zu können: „Wenn sie aber die Ansiedlung nicht behaupten können und auch die Theraier ihnen 1877 nicht zu Hilfe kommen können, sondern sie binnen fünf Jahren von Not verdrängt werden, sollen sie aus dem Land fortgehen ohne Nachteil nach Thera zu ihrem Besitz, und sollen dort Bürger sein (können).“ – Z. 34 ff. – Die Befristung auf fünf Jahre war wohl auch deshalb nötig, weil der Besitz und die Rechtsstellung der Kolonisten in der Mutterstadt nicht auf Dauer in Schwebe gehalten werden konnten und in absehbarer Zeit einer Klärung bedurften, insbesondere da Geburten und Todesfälle die Rechtslage verändern 1878 Auf der anderen Seite wollte man den Kolonisten die Rückkehr im Falle des konnten. Scheiterns offen halten, waren es doch eigene Bürger und Angehörige, die hier unter schwierigsten Bedingungen die Heimat verlassen mussten, um die Versorgungslage Theras zu sichern. – In der Befristung lag aber wohl auch ein Ansporn für die Kolonisten.

Fassen wir zusammen: Der Gründung von Kyrene lagen zwar eidlich beidseitig beschworene Kolonisationsbedingungen zugrunde, jedoch war deren Inhalt zuvor einseitig, also ohne Beiziehung der Aussiedler, von der politischen Ver-

1874 Die Gründung von Naukratis (im westlichen Nildelta) durch Milet war um ~ 650-625 v. C. erfolgt. Um 570 v. C. wurde Naukratis unter Pharao Amasis, der ein Philhellene war, „reconstituted“ (Vinogradoff 1922, 3). Amasis gestattete den Griechen die Gründung einer Handelsniederlassung. – Solon soll Naukratis besucht und Amasis getroffen haben; vgl. dazu Linforth 1919, 297 ff. An der Nach- oder Neugründung von Naukratis sollen auch andere Poleis beteiligt gewesen sein, was eine kollisionsrechtliche Lösung (Methode 1?) nahelegt. – Zu Naukratis A. Möller, in: DNP VIII, (2000) 747-749. 1875 Dazu Graham 1964, 64: Nachzügler-Gleichstellungsklauseln gehörten offenbar zum ‚Standard’ griechischer Kolonievereinbarungen und -dekrete. – Zu den ‚Nachzüglern’ auch Busolt 19263/1972, II 1269: Kolonien waren danach ein ‚Ventil’, das auch noch nachträglich betätigt werden konnte. 1876 Für diesen Zweck wurde das zur Verfügung stehende Land mitunter nicht sofort vollständig verteilt, sondern es verblieb ein Teil im Besitz der neugegründeten Polis und diente als Masse für spätere Aufteilungen (ua. für von der Mutterstadt Zuziehende). – Vgl. auch die von Koerner (1987) behandelten Landaufteilungen auf Chios sowie denselben 1993, Urkunde Nr. 47. 1877 Im Vergleich zu anderen Koloniegründungen ist dieses Rückkehrrecht geradezu ‚minimalistisch’. 1878 Wie diese vorläufigen und die endgültigen Regelungen beschaffen waren, wissen wir nicht.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

sammlung in Thera beschlossen worden.1879 – Von einer ‚echten’ Vereinbarung kann daher keine Rede sein. In Wahrheit ging es darum, die Bedingungen des politisch und menschlich schwierigen Aussiedlungsunternehmens inhaltlich festzulegen und auf eine tragbare Grundlage zu stellen. Dies sollte nicht nur künftigen Streit in der Kolonie selbst und zwischen Mutter- und Tochterstadt vermeiden, sondern überhaupt mittels dieses heiklen Unternehmens einen Beitrag zum Überleben Theras zustandebringen. Aus dem theräisch-kyrenischen Dokument sind aber keine Rückschlüsse darauf möglich, ob damals bereits Kollisionsrecht zur Verfügung gewesen wäre, das man aber nicht eingesetzt hat, weil die politische Situation und die große Entfernung kaum auf lebendige künftige Kontakte zwischen Mutter- und Tochterstadt hoffen ließen. Lediglich ein rudimentäres Rückkehrrecht1880 und eine freilich sehr weitgehende Nachzüglerregelung (zu gleichen Bedingungen) für den Fall des Gelingens waren vorgesehen. Diese für spätere Aussiedler großzügigen Bestimmungen haben nach Graham keine Entsprechung in anderen Gründungsakten.1881 Die Härte der Auswahlregeln weist auf die allgemeine Notlage auf Thera hin, die überhaupt als Grund des Aussiedlungsprojekts anzusehen ist.1882 Die Heimatinsel hatte es über die erwähnten Auswahlregeln hinaus jedem freigestellt, sich am Projekt zu beteiligen.

1879 In der feierlichen Gründungsvereinbarung von Thera/Kyrene heißt es am Beginn: „[t&]EPYF UÎO yLLMITeBJ“ – „Entschieden von der [Volks?]Versammlung“. 1880 Es wurde nur für den Fall des Misslingens der Gründung ohne Möglichkeit der Hilfeleistung durch Thera und daraus sich ergebender unüberwindbarer Schwierigkeiten für die Kolonisten gewährt. 1881 Vgl. Graham 1964, 64. – Auch beim Rückkehrrecht haben offenbar die äußeren Umstände den Norminhalt geprägt. Rechnete man bereits mit der Notwendigkeit weiterer Aussiedlungen? – Ich halte es für verfehlt, diese großzügige Nachzüglerregelung nur als Indiz für eine Fälschung zu deuten. 1882 Herodot IV 151.

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Gründungspakt Theras für Kyrene

Abb. 13: Opus und Naupaktos

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Die Inschrift von Naupaktos Naupaktos//BºQBLUPK, die wichtigste Stadt der West-Lokrer, lag in Südwestgriechenland, auf dem Festland an der Nordseite des Golfs von Korinth gegenüber der Peloponnes und nordöstlich des heutigen Patras. Die Gründung von Naupaktos war von Ostlokris (Opus)1883 aus erfolgt, das nur etwa 65 Kilometer entfernt ist. Opus, die Mutterstadt der hypoknemidischen Lokrer, hatte (wohl nicht zum ersten Mal)1884 zwischen ~ 460 und ~ 500 v. C. zur Stärkung der längst bestehenden Polis Naupaktos Nachzügler/Epoikoi entsandt und dafür offenbar mit der Tochterstadt Rahmenbedingungen ausgehandelt, diese sodann ‚Opus-intern’ (durch Gesetz oder Dekret) festgelegt und auf dieser Grundlage schließlich mit den wahrscheinlich aus Freiwilligen rekrutierten Kolonisten pauschal einen Vertrag geschlossen, den ich untersuchen will.1885 – Den konkreten Grund des Nachzüglerunternehmens kennen wir nicht, es ging wohl um eine Stärkung der Polis Naupaktos in einer von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Zeit.

Der Text der Inschrift Meister hat den griechischen Text der Inschrift abgedruckt, übersetzt, einen umsichtigen ‚Commentar’ über ausgewählte Probleme angefügt und Fundumstände

1883 Das östliche oder hypoknemidische Lokris bildete die Küstenlandschaft an der Meerenge von Euböa, nördlich an das antike Phokis und Boiotien grenzend; dazu Meyer, Lokris, in: DKP III (1979) 717-721. Hauptorte neben Opus waren Larymna, Thronion, Nikaia, Skarpheia. Nationalheros war Aias. – Nicht zu verwechseln ist das hypoknemidische Lokris mit dem ~ 700 v. C. als Kolonie gegründeten Lokris Epizephyrioi an der Südwestspitze Italiens (dazu Musti/Del Monaco, Lokroi Epizephyrioi, in: DNP VII (1999) 421-425), dessen berühmter Gesetzgeber Zaleukos war. Zu Zaleukos Smith (1922). – Opus war die Mutterstadt aller Lokrer: Graham 1964, 47 uH auf Strabo IX 425. – Zu Lokroi/Lokris auch Oldfather, in: RE XIII (1927) 11351287 und Rocchi, Lokroi/Lokris, in: DNP VII (1999) 416-421. – Nach dem ihr Land durchziehenden Knemisgebirge hießen die Ostlokrer auch hypo-knemidische Lokrer. Die dominierende Polis des Landes war Opus. – Zur Datierung der Inschrift auch Werner 1971, 54 Fn 124. 1884 Vgl. die Hinweise auf die ältere naupaktische Landaufteilungs-Inschrift bei Anm. 2017. – Zum Zuzug der Ostlokrer nach Naupaktos: Gschnitzer 1958, 56 ff und 189, der auf die Überschrift der untersuchten Inschrift hinweist (‚Für den Zuzug nach Naupaktos soll folgendes gelten’). 1885 Ich folge der Deutung der Inschrift durch Meister (1895) f; dazu gleich. – Zu dieser Inschrift auch Sturm 1984, 463 ff, dessen Beitrag zur FS Biscardi mir erst nach Abschluss des Manuskripts zur Kenntnis kam. Ich habe sein Ergebnis aber noch teilweise eingearbeitet. Sturm ist der bislang einzige Autor, der die Rechtsanwendungsregeln unserer Inschrift als Kollisionsregeln erkannt hat; siehe aaO S. 468 f.

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Die Inschrift von Naupaktos

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und -daten, Inschriftenpublikationen und Umschriften dargestellt.1886 Seine Übersetzung verdient (trotz mancher Kritik, die sie erfahren hat) immer noch Beachtung, sie wirkt ausgewogen. Wie Koerner folge ich Meister in vielen Punkten obwohl die Arbeit mehrerer Generationen von Wissenschaftlern inzwischen zu Korrekturen geführt und manche neue Einsichten ergeben hat, etwa durch Graham,1887 den ich ausführlich berücksichtige und Koerner,1888 der diese Inschrift vollständig abdruckt und übersetzt, eine eigene Kommentierung und zudem ein aktuelles Verzeichnis der Urkundeneditionen und der Literatur zur Inschrift bringt. Allerdings teile ich manche Einschätzung Koerners nicht; so etwa seine nicht überzeugend begründete Ablehnung von Meisters Meinung über den Aufbau der Inschrift.1889 – Daneben ist auch Brodersen et al.1890 zu erwähnen, dort werden aber weder Literatur noch Textprobleme behandelt. Ich zitiere aber auch aus dieser Urkundensammlung, weil sie leicht zugänglich ist. – Von Interesse ist auch der dort1891 abgedruckte (wahrscheinlich ältere) Text einer Bronzetafel aus Naupaktos mit „Regelungen für Neusiedler, 525-500?:1892 Diese beiden Naupaktostexte ohne Bezugnahme aufeinander abzudrucken, halte ich allerdings für problematisch; auch wenn es an gesicherten Einsichten fehlen mag.1893 Meister geht gründlich auf die zahlreichen schwierigen und umstrittenen Übersetzungsvarianten ein und räumt auch mit den häufigen Versuchen auf, Probleme mit der Annahme von Graveurfehlern zu erklären. – Zum Erhaltungszustand der Inschrift bemerkt er: „Erhalten ist die Inschrift vollständig, und so gut leserlich, dass an keiner einzigen Stelle ein Zweifel über die Bedeutung eines Zeichens obwalten kann. Die Versehen, die der Graveur begangen hat, sind im Verhältnis zur Länge der Urkunde nicht zahlreich und bis auf eines ohne weiteres erkennbar.“

Zu den beiden ersten, sehr unterschiedlichen Teilen der Urkunde1894 bestehen beträchtliche Meinungsunterschiede: Während Graham1895 eine einheitlich er-

1886 1895, 274 ff. 1887 1964. 1888 1993, 172 ff, Nr. 49. 1889 1993, 177 Fn 12. 1890 1992, I 16 ff Nr. 30 mit Hinweisen auf IG IX 1, 334 und IG IX 1 2 3, 718: „Chaleion – Gesetz der hypoknemidischen Lokrer über die Kolonie in Naupaktos, 500-475“. 1891 1992, I 11 Nr. 19. 1892 IG IX 12 3, 609. – Zu den Hintergründen Koerner 1993, 154-169. 1893 Zu Topographie und Geschichte des Ortes Naupaktos: Rocchi, Naupaktos, in: DNP VIII (2000) 752-754. Rocchi unterstreicht die strategisch günstige Lage, den maritimen Charakter und die Bedeutung als Hafenstadt und Zentrum von Schiffsbau. 1894 Dazu mehr bei Anm. 1928 ff. 1895 1964, 45 und 230 ff. – Koerner 1993, 177 und 198 f folgt Graham. Koerners Argumentation gegen Meister (der sich auch auf Gschnitzer 1958, 56 beruft) überzeugt nicht. Meines Erachtens

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

richtete Urkunde annimmt, geht Meister1896 von zwei unterschiedlichen Teilen aus und plädiert mit guten Gründen für deren getrennte Errichtung und bloß nachträgliche Zusammenfassung anlässlich der Promulgation, und er führt dazu meines Erachtens überzeugend aus: „Ich glaube daher, dass diese beiden Theile ebenso wie dem Inhalte und der Form, so auch der Abfassung nach zu unterscheiden sind, und ursprünglich nicht ein einheitliches Actenstück bildeten, sondern zwei Actenstücke, von denen das zweite, später abgefasste, bestimmt ist, das vorangehende durch speciellere Bestimmungen zu ergänzen. Das erste enthält die auf Grund der Vorverhandlung [seitens der Mutterstadt Opus] mit den Naupaktiern festgestellten [inschriftlich nicht nummerierten] Hauptbestimmungen, die erst erledigt sein mussten, ehe die [einzeln nummerierten Nachzugsbedingungen] von den Opuntiern beschlossen werden und die [Nach- oder Zuzügler] sich [eidlich dazu] verpflichten konnten.“

Der zweite (gegliederte) Teil beginne „mit der Mittheilung der vollzogenen Verpflichtung“, und setze „voraus, dass dieser Eid [durch die Nach- oder Zuzügler] bereits geschworen ist“ usw. Meisters sorgfältig erarbeitete Auslegung der Inschrift ist stimmig und textgetreu und daher anderen Interpretationen vorzuziehen; insbesondere auch in Bezug auf die rechtliche Bedeutung. – Meisters schlichte, aber einleuchtendere Erklärung der beiden unterschiedlichen Teile mit der späteren (wohl auch publikationstechnisch gebotenen) Zusammenfügung ist naheliegender. Durch das Aneinanderfügen der beiden Teile ergibt sich, zunächst als wohl unbeabsichtigter Nebeneffekt eine Art ‚allgemeiner’ und daran anschließend ein ‚besonderer Teil’. Graham greift wohl theoretisch-systematisch zu hoch, wenn er hier eine gewollte Unterscheidung annimmt.1897

Der Inhalt der Inschrift Meister gibt einen systematischen Überblick; er unterscheidet drei Teile, wovon die beiden ersten für das Verständnis von besonderer Bedeutung sind:1898 • Nach dem ersten (nicht gegliederten) Teil der Inschrift1899 sollten die Kolonisten (Nach1900

zügler) erhalten: 1. Kultgemeinschaft in Naupaktos (Z./Zeilen 1-4); 2. Steuergemein1901 schaft mit den westlichen Lokrern (Z. 5 und 6); und 3. Befreiung von hypoknemidi-

schließen Gesetzes- und Vertragslösung einander nicht aus: Mantelgesetz? 1896 1895, 300 ff. 1897 Graham folgt den Herausgebern der griechischen Inschriften (oben Anm. 1825). – Wolff (1979, 40 Fn 109) berücksichtigt auch Meisters Untersuchung nicht (vgl. Anm. 1916). – Ablehnend auch Sturm 1984, insbesondere 468 Fn 13; dazu auch bei Anm. 1928. 1898 1895, 329 ff. – Ich folge Meister und gehe auf die einzelnen Punkte später noch näher ein. 1899 Zu Grahams Deutung dieses ‚allgemeinen’ Urkundenteils ab Anm. 1928. 1900 Meister 1895, 278 ff. 1901 Meister 1895, 290 ff; davon zum Teil abweichend Koerner 1993, 187 f.

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Der Inhalt der Inschrift

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schen Steuern (Z. 10, 11) und 4. unter bestimmten Bedingungen ein Rückkehrrecht 1903 (ohne Verpflichtung zum Aufnahmeopfer); Z. 7-10.

• Der zweite (buchstabenmäßig gegliederte) Teil der Inschrift regelt: 1. Den Treueschwur der Kolonisten (Z. 12-14) – Die Kolonisten/Nachzügler waren danach eidlich verpflichtet, den Opuntiern treu zu bleiben: „Zum Abschluss eines Treuebündnisses mit den Naupaktiern erklären sich die Opuntier im Voraus bereit, wenn nach dreißig Jahren hundert Naupaktier zu den Opuntiern kommen wollen, um im Namen der Naupaktier den Treue1904 2. Die Steuerschwur von den Opuntiern entgegen zu nehmen und ihnen zu leisten.“ pflicht der Kolonisten/Nachzügler (in Naupaktos) und die Androhung des Ausschlusses 1905 3. Das allgemeine Erbrecht der Kolonisbei deren Verletzung. (Z. 15 und 16) 1906 ten/Nachzügler. (Z. 16-19) 4. Die Pflicht zur öffentlichen Ankündigung (und zwar in 1907 5. VorNaupaktos und in Opus) einer allfälligen Rückkehr von Kolonisten. (Z. 20-22) 1908 rechte der Perkotharier und Mysacheer. (Z. 23-28) 6. Das Erbrecht der (Naupaktos)Kolonisten nach Brüdern, die im hypoknemidischen Lokris verstorben sind. (Z. 291909 7a. Die bevorzugte prozessuale Behandlung der Kolonisten in Opus (Z. 3231) 1910 34). 7b. Die Bestellung von Verfahrensvertretern/Prostates vor Gericht für Kolonis1911 ten, die in Opus und für (Ost)Lokrer, die in Naupaktos klagen wollen. (Z. 34-35). 8. Das Erbrecht der Kolonisten nach dem in Opus zurückgebliebenen und verstorbenen Va1912 1913 9. Den Schutz des Gesetzes vor Verletzung. (Z. 38-46) ter (Z. 35-37).

• Der dritte Teil (Z. 46 und 47) – er ist wie der erste nicht in (alphabetisch) nummerierte Absätze gegliedert, ordnet an, dass diese Bestimmungen in derselben Weise für die Cha1914 leier gelten sollen, die von Antiphatas nach Naupaktos geführt worden sind.

Anders als die kyrenischen enthalten diese naupaktischen Regeln neben öffentlichrechtlichen auch bereits privatrechtliche – nämlich erbrechtliche Kollions-

1902 Meister 1895, 299 f. 1903 Meister 1895, 293 ff. 1904 Dazu auch unten bei Anm. 1952. – Zur Eidesleistung Koerner 1993, 186 f. – Text bei Brodersen et al. 1992, I, S. 17 Nr. 30. 1905 Dazu unten bei Anm. 1963. 1906 Grundlegend Meister 1895, 330 (systematischer Überblick) und insbesondere 304 ff (Darstellung bisherigen unterschiedlichen Lesarten und eigene überzeugende Deutung), ferner unten ab Anm. 1998. – Koerner 1993, 189 folgt Meister. 1907 Meister 1895, 330 und unten bei Anm. 1966. 1908 Meister 1895, 330 und unten bei Anm. 2016. 1909 Dazu bei Anm. 2020. 1910 Vgl. Meister 1895, 331 und unten bei Anm. 1972. 1911 Meister 1895, 331 und unten bei/in Anm. 1974. 1912 Meister 1895, 330 und unten bei/in Anm. 1953. 1913 Meister 1895, 331 und unten bei Anm. 1986. 1914 Meister 1895, 326 ff und Koerner 1993, 201 f. Sturm 1984, 468 übersetzt: „soll entsprechend […] gelten“ und deutet damit – was sinnvoll ist – eine Form der ‚analogen’ Rechtsanwendung an.

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normen.1915 – Solche Kollisionsregeln setzen ein Minimum an gesellschaftlicher Kommunikation, also ‚gelebte’ Kontakte voraus. In Naupaktos wurden offenbar diese Voraussetzungen für gegeben erachtet. – Die Inschrift hält allgemeine und besondere Bedingungen für die an diesem Nach- oder Zuzüglerunternehmen Beteiligten fest.1916 Schon Hitzig1917 hatte auf eine Besonderheit aufmerksam gemacht, die jedoch mit Hilfe der soeben dargestellten Gliederung der Urkunde durch Meister elegant gelöst wird. Warum Hitzig Meisters Ausführungen unbeachtet gelassen hat, muss dahingestellt bleiben. Er hat aber offenbar die Einschätzung der Vereinbarung zwischen Opus und den Kolonisten/Nachzüglern als Vertrag von Meister übernommen, allerdings ohne den weitergehenden Überlegungen bei Meister Beachtung zu schenken: 1918

„Da die ganze Urkunde [?] nicht einen Vertrag zwischen den Lokrern [sc. Opus] und der Stadt Naupaktos, sondern einen Vertrag der Lokrer mit den lokrischen Kolonisten in [besser: nach] Naupaktos darstellt, handelt es sich überall nur um Streitigkeiten zwischen diesen; dabei ist wohl in erster Linie an die besonders erwähnten Erbschaftsstreitigkeiten zu den1919 ken.“

Die Kollisionsregeln galten danach offenbar nur – oder doch vornehmlich – für die Mutterstadt Opus und die von dort kommenden auswanderungswilligen Nachzügler nach Naupaktos.1920 Die zur Zeit der Nachzügleraktion offensichtlich guten Beziehungen zwischen Ost- und Westlokrern scheinen diese unge-

1915 Die Rechtsnatur dieser Regeln wurde ua. auch von Busolt 1926 3/1972, II 1267 nicht erkannt, der nur den erbrechtlichen Inhalt referiert. – Zu den Besonderheiten des zweiten Inschriftenteils sogleich. 1916 H. J. Wolff hatte diese Inschrift bis zu seinem Akademievortrag am 30. Juni 1979 (1980) nicht gekannt und sie daher auch nicht erwähnt. In der Diskussion war er von Fritz Gschnitzer auf sie hingewiesen worden. In der Buchfassung (1979) ging er in Fußnote 109 kurz darauf ein. – Diese nachträgliche Anmerkung sollte offenbar nur dieAufrechterhaltung der im Vortrag vertretenen Meinung sicherstellen, es habe im antiken Griechenland nicht einmal Vorformen eines ‚internationalen’ Privatrechts gegeben. – Auch Sturm (1984) hat Wolffs Auffassung kritisiert, er bezeichnet sie (S. 468 Fn 13) als ‚Irrtum’. 1917 1907b, 14; vgl. auch Chaniotis 1996, 60 f, 134 ff. 1918 Über die rechtliche Natur dieser ‚Vereinbarung’ bestehen unterschiedliche Auffassungen: Hitzig spricht von einem Vertrag, Graham (sowohl für Kyrene, wie für Naupaktos und Brea) von decree (so etwa 1964, 40 ff) und Brodersen et al. 1992, I Nr. 30 von einem Gesetz. – Zutreffend wohl Meister (1895), der zwischen einem opuntischen Dekretsteil (der zuvor zwischen Opus und Naupaktos ausgehandelt worden war) und einem Vertrag zwischen Opus und den Nachzüglern unterscheidet. Koerner 1993, 177 lehnt das Graham (1964) folgend, ab. 1919 Auch Hitzig (1907b) hat den normativen Gehalt dieser Regeln nicht erkannt und zudem Meisters Deutung nicht wirklich beachtet. In seiner kurzen Bezugnahme auf die Inschrift, erwähnt er Meister zwar, geht aber nicht auf ihn ein (aaO 14). 1920 Eine in der Tat eigenartig anmutende Konsequenz, die nach weiterer Klärung verlangt, die aber nicht Hitzig, sondern Meister liefert.

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Der Inhalt der Inschrift

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wöhnliche normative Konstellation ermöglicht zu haben. Der Urkunde ist nämlich nicht zu entnehmen, dass die Polis Naupaktos an dieser zweiten, spezielleren Vereinbarung beteiligt war; was nicht ausschließt, dass diese Regeln von ihr geduldet und allenfalls nachträglich übernommen werden sollten/wurden oder dass vielleicht auch schon ältere derartige Regeln bestanden haben.1921 Immerhin handelte es sich doch bei den Nachzüglern/Epoikoi um ihre künftigen Bürger:1922 Nach Graham war Naupaktos „a considerable city of ancient standing,1923 so that the settlement is a re-colonisation, or, more probably, reinforcement, of an existing city“. So bekommt der (ohne Hinweis und Zusammenhang) erfolgte Abdruck der beiden Urkunden Sinn.1924 – Beherzigenswert auch Grahams Rat: 1925

„Any reconstruction must be based mainly on the internal evidence of the decree itself.“

Von allgemeinem Interesse ist auch eine Bemerkung Welweis, der darauf hinweist, dass:1926 „die Kommunikation innerhalb der griechischen Welt die Kenntnis neuer rechtlicher Regelungen und Bestimmungen rasch verbreitete und entsprechende Nachrichten in jener Formierungsphase der Polis vielerorts Interesse fanden, nachdem die Bedeutung jener Ordnungsfaktoren erkannt worden war.“

Das passt auch für Koloniegründungen wie Thera/Kyrene und Nachzüglerunternehmen – wie im Fall von Naupaktos, die nach schützenden Rechtsregeln verlangten. Dazu kam, dass Kolonien immer wieder auch von mehreren Poleis gegründet wurden, was zusätzliche Regelungen erforderte, zugleich aber auch deren Verbreitung förderte. Wie groß im antiken Griechenland das Interesse an ei-

1921 Ohne Billigung durch Naupaktos wäre diese Lösung (Erbrechtsregeln!) nicht möglich gewesen. 1922 Zwischen Naupaktos und Opus musste es aber wohl eine, wenn auch vielleicht ältere Meinungsbildung oder Vereinbarung über diesen Vorgang gegeben haben, zumal nicht anzunehmen ist, dass die Nachzügler auf gut Glück nach Naupaktos zogen. – So auch Meister (1895). 1923 Er verweist auf Trowbridge/Oldfather, Naupaktos, in: RE XVI (1935) 1983 f. 1924 Nr. 30 und 19 bei Brodersen et al. 1992, I 16 und 11 ff. – Rocchi, Naupaktos, in: DNP VIII (2000) 752 bemerkt: „Um die Wende vom 6./5. Jh. v. Chr. brachten Einwanderer der [sc. schon bestehenden] Stadt einen bed.[eutenden] Bevölkerungszuwachs. Zu den Siedlern, die sich in Hyle und Liskaria niederließen, kamen Kolonisten aus West-Lokris und aus Chaleion (ca. 500475 v. Chr. […])“. Chaleion liegt zwischen Naupaktos (Richtung Osten) und Itea, beim heutigen Galaxidi. – Auch Koerner (1993) hat beide naupaktischen Urkunden abgedruckt und behandelt, aber keinen Bezug hergestellt. 1925 1964, 42. – Dieser Anforderung hat meines Erachtens Meister (1895) am besten entsprochen, mag der heutige Wissensstand auch das Ergebnis einer wissenschaftlichen ‚Patchworkarbeit’ sein. 1926 2002, 52.

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nem Gedankenaustausch auch auf dem Gebiet der Gesetzgebung war, zeigen Platons ‚Nomoi’.1927

Der ungewöhnliche Aufbau der Urkunde Ehe ich mich dem Inhalt der Inschrift widme, zitiere ich eine Bemerkung Grahams zur legistischen Form:1928 „One of the most striking aspects of the Naupactos decree is its form. After the first paragraph 1929 (1-11), which covers several topics, the remaining paragraphs are numbered, and each contains strictly one provision only. The significance of this distinction is disputed, but there are good reasons to believe that the first, unnumbered section contains the general matters regarded as most important by colonists and metropolis.”

In Appendix III seines Werks geht Graham darauf näher ein. Meisters1930 Auffassung, wonach die Inschrift nicht nur aus einem Dekret besteht, sondern zwei Dekrete (besser Teile!) enthält, folgt Graham nicht: „We may, therefore, conclude that the distinction in form was intentionally made in order to express a real difference in the character of the provisions: those of a general character and greatest importance were placed in the first section.” (Hervorhebungen von mir)

• An der Spitze der nicht nummerierten ‚dispositions générales’ (im Gegensatz zu den 1931

stehen religiös-kultische Bestimmungen, wonach dem ‚dispositions particulières’) künftigen Naupaktier freigestellt wird in seiner Mutterstadt entweder wie ein Gastfreund/Xenos an heiligen Handlungen teilzunehmen und zu opfern oder „als Mitglied des Volks und der Gemeinde, er selbst und sein Geschlecht, für immer“; so die Deutung bei 1932 hat diesen Teil der Inschrift eingehend untersucht und kommt Brodersen et al. Meister unter anderem zum Ergebnis, „dass durch diese Urkunde die Beziehungen der Auswande1933 – Darauf folgen in den rer ebenso zur neuen wie zur alten Heimat geregelt werden“. 1934 Zeilen 5, 6 und 11 abgaben- und gebührenrechtliche Bestimmungen.

1927 XII 951c-952d, zum ‚Beobachter’/‚2FXS²K’. Dazu in Kapitel VI 6: ‚Platons Einschätzung der Rechtspolitik …’ 1928 1964, 45. – Zu Meister oben bei und in Anm. 1896 f. 1929 Graham (1964, 226 ff mwH): „This is the first example in Greek epigraphy of such numbering by letters of the alphabet“. Vgl. auch Anm. 1945. 1930 1895, insbesondere 301; dazu oben bei Anm. 1894. – Meisters Meinung ist vorzuziehen. 1931 So schon Meister 1895, 300 uH auf Dareste/Haussoullier/Reinach Nr. XI, S. 180 ff. 1932 1895, 178 ff, 287 ff. 1933 Meister behandelt (1895, 288) den dem zweiten Teil der Urkunde zugrunde liegenden Vertrag, der von der Versammlung der 1000 Opuntier mit den Kolonisten/Nachzüglern geschlossen wurde. 1934 Meister (aaO. 276) übersetzt (Z. 5, 6): „Steuern sollen die Colonisten der hypoknemidischen Lokrer im hypoknemidischen Lokris nicht zahlen, bevor einer wieder Bürger des hypoknemidi-

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Der ungewöhnliche Aufbau der Urkunde

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• Der Wortlaut der einleitenden Bestimmungen enthüllt nach Graham eine unmittelbare Verbindung zwischen (Staats)Bürgerschaft und der Zahlung bestimmter Steuern, sodass man eher annehmen sollte, „that the decree here expresses something inherent in the loss of citizenship“. Den Siedlern wird nämlich Abgabenfreiheit in der Mutterstadt zugesi1935 ausgenommen im Falle der Rückkehr. Aber selbst dann besteht unter bestimmchert, ten Bedingungen keine Abgabenpflicht. Nach Graham hängt auch diese Regelung mit den Umständen der Expedition zusammen: „It can be seen throughout the decree that the colonists are encouraged to go; every discouraging fear is removed. Furthermore the possibility of easy return and the provision for inheritance by citizens of one state from those of the other […] must have had the effect that the colonists felt far less cut off from their old 1936 For these reasons it was found necessary to home than those of a colony like Cyrene. express the automatic effect of the change of citizenship on the colonists’ tax liability.” – Auch die Regelung des Rückkehrrechts der Nachzügler (Z. 7-10 ) erklärt Graham im Kontext des Verlusts des ursprünglichen Bürgerrechts: „The provisions for return in the Naupactus decree are most revealing. […] By joining the colony he loses his original citizen1937 – Meister ship; the provisions for return give the legal conditions for its recovery.” übersetzt die Z. 7 ff: „Wenn er zurückkehren will, und, was die Leitung des Hauswesens betrifft, einen erwachsenen Sohn oder Bruder zurücklässt, so soll es ihm gestattet sein ohne Aufnahmeopfer; wenn etwa gewaltsam die hypoknemidischen Lokrer aus Naupaktos vertrieben werden sollten, so soll es ihnen erlaubt sein, dahin, woher jeder gewesen war, 1938 zurückzukehren ohne Aufnahmeopfer.”

• Daraus schloss Graham1939 – wie übrigens schon Meister und andere, dass die Auswanderer – einmal Naupaktier geworden – ihr ursprüngliches Bürgerrecht verloren: „Now the decree makes quite plain that the colonist is to become a Naupactian and cease to be a ci1940 – Nicht diese Schlussfolgerung Grahams halte ich tizen of Hypocnemidian Locris.“ für unbefriedigned, sondern seine weitere Annahme, dass trotz Verlusts des alten Bürger-

schen Lokris geworden ist.“ Z. 11 wiederholt: „Steuern sollen sie keine zahlen außer in Gemeinschaft mit den westlichen Lokrern.“ 1935 Die Kolonisten ließen unter Umständen Liegenschafts- und anderes Vermögen in der Heimat zurück, das andernfalls abgabenpflichtig gewesen wäre; dazu Graham 1964, 47 f, 51 f. – Gleichzeitig wurden die Nachzügler im zweiten, in nummerierte Absätze gegliederten Teil des Dekrets zur Abgabenzahlung in Naupaktos verpflichtet; siehe im Anschluss Pkt. B (15 f) der Inschrift. 1936 In Kyrene trugen freilich auch die ganz anders gearteten Umstände dazu bei; Hungersnot, daraus resultierender Zwang und die große Entfernung. 1937 Wohl wegen der Notlage war im Fall von Thera-Kyrene das Rückkehrrecht stark eingeschränkt , obwohl die Aussiedler ihr Bürgerrecht behielten. 1938 1895, 276. – S. 293 ff folgt ein eingehender Kommentar dieser Passage. – Der Großteil der Überlegungen Grahams findet sich entweder schon bei Meister oder ist mit dessen Meinung vereinbar. 1939 1964, 51. 1940 Vgl. damit die Regelung in Kyrene, wo eine Art Doppel(staats)bürgerschaft kreiert wurde.

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rechts – und auch gegen die Bezeichnung der Kolonisten im Dekret selbst, das von 1941 …QPJLPJ, |QPJLPJ und ±JL›UPSFK/±JLIUBe/±JLIU›SFK/yOPJLPÀOUFK spricht – Naupaktos keine 1942 1943 Denn das war Naupaktos wohl längst! Nach Meister Apoikie gewesen sein soll. hat die Unterscheidung zwischen Apoikie und Epoikie hier keine große Bedeutung; sie spielte damals offenbar noch keine Rolle. Von Bedeutung sei der lokrischen Sprachgebrauch; die Kolonisten heißen danach „im Verhätnis zur alten Heimat, die sie verlassen, …QPJLPJ, im Verhältnis zur neuen, der sie zustreben, |QPJLPJ, und im Verhältnis zu der Stadt, die sie dann bewohnen, ±JL›UPSFK [etc.]“. – Der Urkunde entspricht eine solche Deutung wohl am besten; besser als die bei Graham, der sie zur Bestätigung seiner Annahme, 1944 Naupaktos sei eine Kleruchie gewesen, verwendet.

Der zweite Teil der Inschrift. Pflichten der Nachzügler Wir haben eine nach Graham hier erstmals nachweislich angewendete frühe Form der Papragraphenzählung vor uns:1945 • Pkt.ǹ(=Z.11-14): Eid der Kolonisten. Diese versprechen, von den Opuntiern aus eigenem Willen unter keinen Umständen abzufallen. Der Eid konnte nach 30 Jahren bekräftigt werden; dies offenbar unter der Voraussetzung, dass es von beiden (!) Seiten gewünscht 1946 – Meister: „Eidlich verpflichtet sind die nach Naupaktos gehenden Colonisten, wurde. auf keinerlei Art und Weise freiwillig von den Opuntiern abzufallen; es soll gestattet sein, dass den Eid, wenn sie wollen, dreißig Jahre nach der Eidesablegung hundert Männer der 1947 Naupaktier den Opuntiern auferlegen und den Naupaktiern die Opuntier.“

• Graham1948 deutet dies als Indiz „of dependence, not an alliance of equals“ und vergleicht 1949

die Formulierung mit Eiden der Chalkidier gegenüber Athen und von Epidamnus gegenüber Korinth; er spricht von einer „politically dependent colony“. – Er übersieht dabei, die erwähnte und auch von Hitzig betonte Tatsache, dass dieser Teil der Urkunde, näm-

1941 Vgl. Meister 1895, 327 f. 1942 Die von Meister angenommene Zweiteilung der Inschrift/Urkunde – insbesondere deren erster (nach ihm zwischen Opus und Naupaktos ausgehandelter) Teil – vermag auch diese Frage besser zu erklären. 1943 1895, 327 f. 1944 Gegen eine solche Annahme auch Werner 1971, 55 f. 1945 Nr. 30 bei Brodersen et al. 1992, I 16 ff, bei Graham 1964, 226 ff, bei Tod 1933, Nr. 24, 31 ff und Meister 1895, 274 f (Text) und 275 ff (Übersetzung). – Koerner 1993, 176 Fn 8 erwähnt, dass die Buchstabenzählung „den Ziffern des milesischen Zahlenalphabets entsprechen“; vgl. Anm. 1929. 1946 Die Formulierung lässt Auslegungsvarianten zu. – Vgl. schon oben vor Anm. 1904 (Meister). 1947 1895, 276. – Meisters Auslegung dieses Passus (1895, 313) behandle ich im Anschluss an das Argument Grahams, dem ich nicht folgen kann. 1948 1964, 53 f. 1949 Vgl. Tod 1933, Nr. 42, 21 f.

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lich die (vertragliche) Vereinbarung gar nicht zwischen Naupaktos und Opus, sondern zwischen Opus und den Kolonisten/Nachzüglern getroffen wurde, weshalb sie für die Beurteilung der Rechtsstellung von Naupaktos nicht überbewertet werden darf. Ferner ist 1950 zu berücksichtigen, der gezeigt hat, dass sowohl Apoikien als auch KleruEhrenberg chien in mannigfachen Erscheinungsformen vorgekommen sind. Politisch und/oder anderweitig abhängig waren auch andere Kolonien, ohne deshalb ihre rechtliche Selbständigkeit einzubüßen. – Wirklich zu beseitigen vermag diese Unklarheiten nur die Interpre1951 tation der Inschrift durch Meister, auf die ich deshalb eingehen werde.

• Zuvor noch zu Wolffs ‚Naupaktos-Fußnote’: Die Bestimmung, dass der Eid auf Wunsch 1952

nach 30 Jahren bekräftigt werden konnte, ist nämlich nicht – wie Wolff dies versucht 1953 hat – nur als „Übergangsregelung für die erste Generation der Siedler“ zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um ein potenziell auf Dauer angelegtes politisches Treueversprechen, das erneuert werden konnte, wobei – wie schon Meister deutlich gemacht hat – die aktive Rolle zu einer Bekräftigung des Eides nicht von den Opuntiern (die die Kollisionsregeln mit ihren Nachzüglern vereinbart hatten), sondern von den Naupaktiern aus1954 Wolff schneidet hier jedes Gegenargument ab und nimmt Versuche zu einer ging. sachgerechten und sinnvollen Erklärung nicht zur Kenntnis (aus Eile?). Ich folge Meisters 1955 stimmiger Interpretation der Zeilen 12 ff der Inschrift: „Da die [Nach- oder Zuzügler] nur für ihre Personen den Opuntiern Treue schwören können, so kann der Staat der Opuntier sich auch seinerseits nicht dem Staate der Naupaktier gegenüber durch einen Treueeid binden. Doch wird der Abschluss eines solchen gegenseitigen Treue-bündnisses der nächsten Generation vorbehalten […] Es sollen nach dreißig Jahren, wenn die Naupaktier [!] es wollen, hundert Männer aus ihrer Mitte zu diesem Zwecke nach Opus kommen, nun nicht mehr als Vertreter der [Nachzügler], von denen viele tot, viele […] [unter Zurücklassung von Kindern und Brüdern] in die Heimat zurückgekehrt sein werden, sondern als Vertreter der Gesamtbürgerschaft von Naupaktos, und sollen den tausend Opuntiern auferlegen den Treueeid der Stadt Naupaktos zu schwören, selbst aber für die Gesamt1956 heit der Naupaktier den Treueid den Opuntiern gegenüber leisten.“

1950 Vgl. Anm. 1736. 1951 Dazu oben ab Anm. 1898: Meisters Gliederung der Inschrift in drei Teile. 1952 Dazu oben bei Anm. 1904. 1953 1979, 41 Fn 109. 1954 Denkbar wäre es sogar, dies als zeitliche Begrenzung und (bei Bewährung?) die Erneuerung des Eides als Verlängerung der Geltungsdauer oder Option für eine endgültige Regelung zu verstehen. 1955 1895, 302 f. – Die Geltung der Kollisionsregeln wurde von der ‚Neuauflage’ des Eids unter anderen Rahmenbedingungen nicht berührt; sie galten demnach weiter; möglicherweise aber als Teil der naupaktischen Rechtsordnung. (?) 1956 Näheres bei Meister 1895, 303. – Das könnte auch bedeuten, dass die Polis Naupaktos die Bewährung der zwischen Opus und den Nachzüglern vereinbarten Regeln anerkannte.

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Die den Nachzüglern eingeräumten Vorteile sollten nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Privatrechts verstanden werden, waren sie doch auch Teil eines höheren politischen Ziels, das ebenso das Wohl der opuntischen ‚Tochter’ Naupaktos – an deren Gedeihen die Ostlokrer über die Nachzüglergeneration hinaus interessiert waren – wie eine gute Beziehung zu dieser ‚Tochter’, zu deren Stärkung die Nachzügler ausgewandert waren, fördern wollte. Die Nachzügler selbst sollten wohl durch diese beinahe als ‚fürsorglich’ zu bezeichnenden Regeln zusätzlich zur Teilnahme am Unternehmen motiviert werden. Auch die Erbrechtsregeln konnten über die erste Siedlergeneration hinaus von Bedeutung sein, zumal offenbar an eine lebendige Austauschbeziehung (ohne namhafte Wohnsitz- und Niederlassungshindernisse) gedacht war. Auch in künftigen Generationen konnten Brüder oder Väter (die nicht nach Naupaktos aus1957 bewanderten unter diese Regelungen fallen. Die Erneuerung des Eides nach 30 Jahren wirkte wohl auch eine Verlängerung des gesamten Vertragsinhalts, wodurch nunmehr die Vereinbarung zur Gänze (!) eine solche zwischen Opuntiern und Naupaktiern wurde. Das setzte allerdings voraus, dass sich das Regelwerk – auch aus naupaktischer Sicht – bewährte, wozu insbesondere auch der ursprünglich bloß zwischen den Opuntiern und den Nachzüglern vereinbarte Teil mit den Kollisionsregeln gehörte. Die Initiative dazu hatte von den Naupak1958 tiern auszugehen. Nun zu Grahams Annahme, Naupaktos sei eine Kleruchie gewesen und zu Meisters noch im1959 mer überzeugender Gegenposition aus dem Jahre 1895. Es geht um die Zeilen 32 ff der Inschrift, die bereits zur Zeit Meisters „die größten Schwierigkeiten gemacht“ hätten. Schon Oikonomides habe 1869 in seiner Schrift &QPeLJB -PLSÎO (SƒNNBUB 125 (mit der die Inschrift erstmals publiziert worden war) gemeint, dieser Satz beweise, „dass die [Nachzügler/Epioikoi], wenn auch Naupaktier geworden, doch den Opuntiern untertänig geblieben seien, so dass sie sich ihr Recht in allen Fällen in Opus hätten holen müssen“; diese Auslegung, der Graham folgte, habe bereits Vischer zurückgewiesen. Die Nachzügler hätten zwar den Opuntiern geschworen nicht von ihnen abzufallen, seien aber „im Übrigen, so lange sie Naupaktier sind, den Opuntiern gegenüber frei und selbständig [geblieben], und auch dieser Paragraph enthält kein Wort, das auf eine Abhängigkeit und einen [opuntischen] Gerichtszwang deuten könnte“. – Das prozessuale Entgegenkommen der Oputier gegenüber den Nachzüglern habe andere Gründe. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei dem Nachzüglerunternehmen nach Naupaktos um eine staatliche und nicht bloß eine private opuntische Aktion handelte, die (für die Betroffenen) offenbar bedeutende politische Ziele, nämlich vornehmlich die 1960 Unterstützung und Stärkung der Binnenkolonie Naupaktos, verfolgte.

1957 Meister 1895, 302 f. 1958 Meines Erachtens ist dieser Teil nicht bloß als Vereinbarung auf Zeit (zwischen den Opuntiern und den Kolonisten) zu verstehen, denn diese galt wohl auch dann weiter, wenn die Naupaktier nach 30 Jahren keine ‚Eidesablegung’ verlangten. Durch eine Eidesablegung nach 30 Jahren wurde die zunächst zwischen den Opuntiern und den Kolonisten geschlossene Vereinbarung zu naupaktischem Recht. 1959 Meister 1895, 313 f. 1960 Vgl. Meister 1895, 313; unten bei Anm. 2010.

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Meister erörtert auch die Frage, ob zwischen Naupaktos und Opus schon vor dem Epoikieunternehmen Prozesse ‚Qµ TVNC²MXO – d. h. auf der Grundlage eines Rechtshilfevertrages – geführt worden seien, nachher sei es jedenfalls der Fall gewesen. Die den Nachzüglern von Opus eingeräumten prozessualen Vorrechte (einer raschen Prozessabwicklung) entsprächen 1961 dass der denen bei den EeLBJ ‚Qµ TVNC²MXO. Danach sei es allgemeine Regel (!) gewesen, Kläger dem Wohnorte des Beklagten zu folgen habe, was hier wechselseitig zwischen Opus und Naupaktos gegolten habe. Das „EeLBO hBSzTUBJ LBh E²NFO der Urkunde bedeute nichts anderes als EeLIO EPÀOBJ LBh MBCFkO […] sc. QBS ‚MM›MXO“, also „einander Recht geben und neh1962 – Darin liegt wohl eimen, d. h. sich der schiedsrichterlichen Entscheidung unterwerfen“. ne Auswirkung des Personalitätsprinzips, das sich im Wohnsitzrecht des Beklagten niederschlägt; letzteres ist freilich zugleich das jeweilige Heimatrecht des Beklagten. Die Regel der lex fori ist demnach auch in diesem Kontext zu verstehen und sollte nicht isoliert (d. h. ohne Bezug auf das Wohnsitz- und Heimatrecht des Beklagten) als bloße gerichtliche Zuständigkeitsregel gedeutet werden.

• Pkt.Ǻ(=Z. 15 f): Pflicht der Nachzügler zur Abgabenzahlung in Naupaktos.1963 – Es ist in der Tat etwas merkwürdig, dass die Mutterstadt die von ihr ausziehenden Nachzügler zur Steuerzahlung in der Tochterstadt Naupaktos ‚verpflichtet’. Das steht aber wohl in funktionalem Zusammenhang mit der Steuerfreiheit in der Mutterstadt, die den Nachzug attraktiv machen sollte. Sinnvoll ist diese Verbindung dann, wenn beide Regeln als wirksame Unterstützung der Tochterstadt verstanden werden. Rechtlich entspricht diese Vereinbarung zwischen Opus und den Nachzüglern einem Vertrag zugunsten eines Dritten (= Naupaktos). Das verstärkt noch den Charakter der Unterstützung Naupaktos’ durch Opus.

• Pkt. C (= Z. 16-19) enthält die erste der drei erbrechtlichen Kollisionsregeln.1964. – In der Anordnung der Anwendung opuntischen Rechts auf die Nachzügler (die mittlerweile Bürger von Naupaktos geworden waren) liegt ein (wenn auch nicht prinzipiell reflektiertes und explizit ausgedrücktes) Abstellen auf das (alte) Heimatrecht und damit das (alte) 1965 zugunsten der Nachzügler; das galt übrigens vice versa auch für Personalitätsprinzip die Opuntier in Naupaktos.

• Pkt. D (= Z. 19-22): Rückkehrmöglichkeit1966 für die Naupaktos-Nachzügler wie in Ky1967

rene und Brea, wird:

wobei – wie in der allgemeinen Einleitung geregelt – unterschieden

1961 Meister 1895, 316 uH auf Meier/Schömann/Lipsius (1883-1887). 1962 Näheres bei Meister aaO 316 ff. 1963 Vgl. schon oben bei Anm. 1905. – Meister 1895, 330: „Wer aus Naupaktos mit Hinterlassung von Staatsschulden entweicht, soll aus beiden lokrischen Staaten, dem westlichen und östlichen, verbannt sein.“ 1964 Dazu ab Anm. 1991. 1965 Dazu allgemein oben bei Anm. 1670. – Vgl. auch Sturm 1984, 469: „Aussiedler werden […] so behandelt, als wenn sie Stadtbürger von Opus geblieben wären.“ 1966 Dazu Graham 1964, 52 f. – Pkt. D der Urkunde (= Pkt. 4 bei Meister: Z. 20-23 ) schreibt vor,

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„Wenn einer zurückzukehren wünscht, soll es, wenn er an seinem Herde [in Naupaktos] einen 1968 erwachsenen Sohn oder Bruder zurückläßt, erlaubt sein, ohne Gebühren. Wenn aus Zwang vertrieben werden aus Naupaktos die hypoknamidischen Lokrer, soll es erlaubt sein, (dorthin) zurückzukehren, woher ein jeder stammt, ohne Gebühren; Abgaben soll er keine zahlen, es sei 1969 – Garantierte Rückkehrrechte der Siedler denn gemeinsam mit den hesperischen Lokrern.“ gehörten damit zum Standard von Koloniegründungsregeln, mögen sich auch die Bedingungen, unter denen dies gestattet war, stark unterschieden haben; und deutlich strenger für Ky1970 erblickt in den Rückkehrrechten der Siedler rene, als für Naupaktos gewesen sein. Graham wohl zu Recht einen Zusammenhang mit der Pflicht der Mutterstadt, ihre Kolonie zu verteidigen und zu schützen: „This suggests that in all regular Greek colonies the mother city was responsible for the colony’s protection at least in its early years. Hence it had to concede the colonists a right of return if it failed in this duty.“

• Pkt. E (= Z. 22-24) regelt die rechtliche Behandlung von Kolonisten, die nicht aus Opus stammen.

1971

• Pkt. G – Anfang (= Z. 32-34): bestimmt bevorzuge Behandlung der Kolonisten bei Prozessen in Opus (Prodikie): „Die nach Naupaktos gehenden Siedler sollen bevorzugt einen Prozess erhalten von den Richtern [der Mutterstadt]; sie sollen als Kläger und Beklagter in Opus noch am gleichen Tage [‚VUBNBS²O] einen Prozess erhalten, in eigener Sache 1972 (?).“ 1973

Für Graham war eine derartige Regelung nötig „when, as is suggested here by the inheritance provisions, frequent intercourse between the colonists and citizens of the mother com-

dass eine geplante Rückkehr in der Agora (Volksversammlung) angekündigt werden soll, und zwar in Naupaktos und bei den hypoknemidischen Lokrern (Opus oder einer anderen Stadt, aus der der Kolonist stammte). 1967 Zu Brea Werner 1971, 56 ff. 1968 Nach Meister war die Rückkehr gegen Bezahlung einer Gebühr oder die Vornahme eines Aufnahmeopfers auch ohne die genannten Voraussetzungen möglich. 1969 Zur Ausgestaltung des Rückkehrrechts Graham 1964, 52 f; er versteht es funktional: „This would be necessary to ensure the success of any colony; it is therefore a minimum limitation of the right to return.” – Anschließend vergleicht er diese Anordnung mit der von Thera/Kyrene: „If the right of return in the Cyrene decree may be regarded as the minimum, that of Naupactus must be near the maximum.“ 1970 1964, 62. 1971 Dazu später bei Anm. 2012. 1972 Zitiert nach Brodersen et al. 1992, I 18. – Vgl. Graham 1964, 59 f, Meister 1895, 331 und Koerner 1993, 196 ff, der betont, dass diese Bestimmungen nur von den hypoknemidischen Lokrern erlassen worden sein konnten, und „daher nur für ihre Gerichtsbarkeit Geltung haben“ konnten; „über die Prozessführung in Naupaktos konnten sie nichts anordnen“. – Koerner folgt Meister auch darin, dass eine weitere Begünstigung der Nachzügler darin gelegen habe, dass sie den für den Bürgerprozess (in Opus) zuständigen Gerichtshof der Dikasteres in Anspruch nehmen konnten und nicht vor den Xenodikai klagen mussten. Auch für ihn handelt es sich hier – wie für Meister – um eine Begünstigung für die Nachzügler. – Vgl. auch Sturm 1984, 466. 1973 1964, 59 f.

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munity was envisaged. The precedence given to the colonists is a good example of the favourable terms offered to those who took part in this expedition. No doubt an arrangement about legal procedure would be required whenever the colonists were expected to maintain close relations with the mother city”. – Das trifft auf der einen Seite zu; daraus wird aber auch deutlich, dass Graham – wie später Wolff – die erbrechtlichen Regeln bloß als rechtliche Verfahrensregeln zur Erhaltung guter Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt einschäzt – was sie auch waren, denn Streit sollte so rasch wie möglich ausgeräumt werden. Die erstaunliche Innovation in diesen Regeln hat aber auch Graham nicht gesehen.

• Pkt. G – Fortsetzung (= Z. 34 f)1974 als Ergänzung für die in Rede stehenden Verfahren, freilich wechselseitig sowohl für Nachzügler, die in Opus klagen wollen, als auch für Opuntier, die in Naupaktos vor Gericht gehen wollen: „Zum Vertreter eines Colonisten vor Gericht in Opus soll man einen Hypoknemidier, und zum Vertreter eines Hypoknemidiers vor dem Gericht in Naupaktos einen Colonisten, und zwar den einen wie den anderen aus vornehmen und in Ehren stehenden Leuten wählen.“ – Meister: „Als gesichertes Ergebnis der Erklärung ist folgendes zu betrachten. Die [Epioikoi], die aus dem hypoknemidischen Staat ausgeschieden und Naupaktier geworden sind, bedürfen, um in Opus die Gerichte anrufen zu können, eines QSPTUƒUIK [Prostates iSv Rechtsbeistand]; die Hypoknemidier bedürfen natürlich, wenn sie in Naupaktos als Kläger auftreten wollen, ebenfalls eines solchen Vertreters vor Gericht. Kommt der [Epioikos] nach Opus um zu klagen, so bestellt man ihm selbstverständlich einen der Hypoknemidier zum Vertreter. Kommt der Hypoknemidier nach Naupaktos, um zu klagen, so könnte man ihm auch einen Altbürger aus Naupaktos zum Vertreter stellen; in unserer Urkunde wird aber ausge1975 (Hervorhebung macht, dass der Vertreter aus der Zahl der [Epioikoi] zu nehmen sei.“ von mir) Bisher wurde offenbar übersehen, dass wir es hier mit einer wechselseitigen und ausgewogenen – vertraglich vereinbarten – verfahrensrechtlichen Kollisionsregel für die QSPTUƒUIKBestellung zu tun haben, die in der Tradition der Fremdenprozesse liegt, nach der Nichtbürger 1976 Wie später in Rom sich in der Regel zunächst nicht selbst vor Gericht vertreten konnten. waren Prozessbeistände angesehenen Familien zu entnehmen, und – eine solche Vermutung liegt nahe – man wird dabei nicht rechtlich Unwissende ausgewählt haben: Hierin liegt eine 1977 Die Ursprünge der griechischen Anwaltschaft Wurzel rechtlicher Professionalisierung.

1974 Ich folge hier Meister 1895, 317 ff, der diese Stelle zu Recht präziser als Brodersen et al. aaO. nämlich im Sinne des Bestellens gegenseitiger „Vertreter vor Gericht“ versteht (1895, 331: Zusammenfassung). – Eingehender auch Koerner 1993, 197. 1975 Diese Anordnung lässt darauf schließen, dass mit laufenden Agenden zwischen beiden Poleis gerechnet wurde, und sie ist ein Indiz dafür, dass die künftigen Beziehungen organisatorisch und rechtlich ernst genommen wurden. – Anders Sturm 1984, 466. 1976 Dazu generell Hitzig (1907a). – Das zeigt, dass eine Untersuchung des antiken Kollisionsrechts auch das Verfahrensrecht einbeziehen muss. 1977 Dazu mein Beitrag (2004b).

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liegen, neben den Logographen und Synegoroi, in der Bestellung dieser Prozessbeistände und -vertreter. Es zeigt sich, dass das Fremdenrecht auch einen ersten Schritt zum Kollisionsrecht bedeutet: Auf ‚Fremde’ wurde – wenigstens zum Teil – das Recht der Polis angewandt, in welcher sich der Fremde oder Metöke aufhielt oder niedergelassen hatte; darin liegt aber nichts anderes als eine (wenigstens teilweise) Anwendung des Wohnsitzrechts (nicht dagegen des Heimatrechts) auf Fremde. In der Frühzeit aber fehlte noch die Einsicht in die Möglichkeit, auf Fälle mit Auslandsberührung fremdes Recht (wenigstens teilweise) anzuwenden. Dieser Schritt wurde wohl erst durch eine Ausweitung von Verkehr und Handel und durch Erfahrungen in der rechtlichen Praxis, die sich als verbesserungsbedürftig erwiesen hatte, ermöglicht. Die einzelnen Poleis hatten innerhalb dieser Entwicklung immer stärker auch die Stellung und Behandlung der eigenen Bürger in der Fremde zu bedenken. Schon Hitzig hat dies zutreffend gesehen: „besonders in Bezug auf die Handelsklagen musste auch die Erwägung der Reziprozität eine Rolle spielen und es ist sehr wohl möglich, dass gerade hier auch ohne besondere Gesetze und Staatsverträge sich gewohnheitsrechtlich gleichartige Normen des Verkehrs bei den einzelnen am Handel beteiligten Gemeinwesen entwickelten“. – Hierin liegen die Anfänge des ius gentium. Der Fortschritt kam vornehmlich auf zweierlei Art: Einerseits wurden – worauf auch Wolff in seinem Heidelberger Akademievortrag eingegangen ist – die Richter im Bereich des Frem1978 zu urteilen; andererdenrechts ermächtigt, in derartigen Fällen nach der EJLBJXUƒUI HOÎNI seits wurden häufig Rechtshilfeverträge geschlossen, um die rechtliche ‚Fremdheit’ der Bürger der diese Verträge schließenden Poleis zu reduzieren und auf diese Weise Rechtskollisionen (ausgelöst durch Rechts-Fremdheit) gezielt abzubauen. Beide Schritte sind im antiken 1979 – Der erste Griechenland mehrfach bezeugt, werden hier aber nicht näher untersucht. Schritt zum Kollisionsrecht lag im Bestreben, Fremden nicht nur einen gewissen (Mindest)Rechtschutz in der Wohnsitzpolis zuzuerkennen (was durch religiöse Verpflichtungen von alters her garantiert war; Zeus Xeinios), sondern auch ihre Stellung derjenigen der Bürger stärker anzugleichen. Darin äußerte sich der wichtige Gedanke von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Menschen und Rechtsordnungen und vom Anknüpfen an (oder doch Berücksichtigen von) Recht, zu dem der zu behandelnde Sachverhalt eine rechtliche Nahebeziehung hatte. Ein Anwenden nicht nur des eigenen (insbesondere gesatzten!) Rechts scheint über die Lückenfüllungsregel des (attischen) Richtereides entstanden zu sein, mittels der

1978 Das beinhaltet die allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit. 1979 Hitzig 1907a, 216 f betont, dass die „Durchbrechungen des Prinzips der Rechtlosigkeit“ von Fremden durch eine eigene Gesetzgebung (des inländischen Gemeinwesens) oder durch (Rechtshilfe)Verträge zwischen zwei oder mehreren Gemeinwesen gelöst werden konnten. Der erste Weg bestand in der gesetzlichen Regelung des Fremdenprozesses, der dann alle Prozesse von Fremden, woher auch immer sie stammen mochten, unterlagen. Der Fremde hatte in diesem Fall keinen Anspruch auf das Einhalten bestimmter Regeln. Der zweite Weg räumte dagegen bereits subjektive öffentliche und private Rechte aus dem Rechtshilfevertrag ein, und solche Verträge sind als ‚IPR’-Verträge zu werten, worauf Lewald hinweist.

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Formel der EJLBJXUƒUI HOÎNI. Diese Vorgangsweise war wohl älter als die aus den Rechtshilfeverträgen, zumal dabei immer noch ‚eigene Richter’, ‚eigene Gerichte’, nach (formell)‚eigenem Recht’ die Entscheidung fällten. Allerdings war – im Rahmen der Lückenfüllung – der Umstand zu berücksichtigen, dass das sinnvolle Lösen von Fällen es mitunter erforderte, weitere rechtliche Gesichtspunkte zu beachten; das waren wohl zunächst gar nicht solche aus dem fremden Recht, sondern allgemeine Rechtsgrundsätze, die auch dem eigenen Recht zugrundelagen und –gelegt wurden. Mit dem zweiten Schritt – dem Abschluss von Rechtshilfeverträgen, sind wir auf dem Weg zu einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit verschiedener Rechtsordnungen bereits ein deutliches Stück vorangekommen. Der dritte Schritt bestand in der Erkenntnis, dass manche Sachverhalte danach verlangten, dass nicht (nur) eigenes, sondern (auch) fremdes Recht anzuwenden (Naupaktos) oder dass in (An)Erkennung einer Kollisionslage neues Recht (für beide invol1980 – Allen diesen Wegen ist die Einsicht gemein, dass der älvierten Seiten) zu schaffen sei. tere Weg im rechtlichen Umgang mit Fremden nicht der einzige und zudem verbesserungsbedürftig, weil nicht der gesellschaftsverträglichste war. Es ist daher unangemessen, die antike Situation am fertigen Produkt der Moderne – dem ‚Internationalen Privat-Recht’ – zu messen; vielmehr lehrt uns die Rechtsgeschichte, wie der Weg dahin mit vorgelagerten und in vielem noch unvollkommenen Zwischenlösungen zu erreichen versucht wurde. Das Alles-oderNichts-Prinzip führt hier nicht zum Ziel. ‚Entwicklungshelfer’ für den Umgang mit Rechtskollisionen im alten Griechenland fanden sich auch innerhalb der einzelnen Poleis, so etwa die sich sowohl voneinander unterscheidenden, als auch sich gegenseitig überschneidenden Rechtskreise zwischen (Voll)Bürgern, Metö1981 1982 und Fremden im engeren Sinn, wozu allenfalls noch Sonderregeln aus Rechtshilfeken oder Isopolitieverträgen kamen. Zudem gab es Zwischenformen, wie aus dem Vertrag zwi1983 nach welchem Chaleier, die sich länger als schen Chaleion und Oianthea ersichtlich wird, einen Monat in Oianthea aufhielten, nicht mehr dem Fremden- sondern dem Bürgerprozess unterlagen. – Solche Regeln bauten ‚Konkurrenz’ (bedingt durch rechtliche ‚Fremdheit’) und mögliche Kollisionen zwischen den betroffenen Poleis ab, sie wirkten vereinfachend und ausgleichend. Solchen Zielen folgte schließlich auch das Kollisionsrecht. – Einen weiteren Schritt zum Kollisionsrecht bildete die Berufung auswärtiger Richter zur Entscheidung interner – häufig, aber nicht ausschließlich privatrechtlicher – Streitigkeiten in einer Polis oder zur 1984 Hier urteilten fremde Richter unKlärung von Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Poleis.

1980 Ein Synoikismosvertrag mit Kollisionsregeln (zwischen Orchomenos – Euaimon) wird anschließend kurz behandelt. 1981 Dazu eingehend Hitzig 1907a, 218 ff. 1982 Auch dazu Hitzig 1907a. – Platon unterscheidet in den Nomoi (952de und 953a-e) vier Arten von Fremden: a) Geschäftsleute; b) Touristen/Schaulustige, die wegen der Heiligtümer oder der Feste kommen; c) Abgesandte fremder Staaten; d) ‚Beobachter’ iSv Platon (Nomoi 951a). 1983 Dazu Hitzig 1907a, 224 mwH. 1984 Dazu Hitzig 1907a, 236 ff und 244 ff; dort auch die häufigsten Anlässe für eine solche Vorgangsweise. – Das Heranziehen auswärtiger Richter zur Entscheidung interner Streitigkeiten

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ter Zugrundelegung der lex fori, die aber auch eine Entscheidung nach EJLBJXUƒUI HOÎNI einschloss, was ein Berücksichtigen fremden Rechts zumindestens nicht völlig ausschloss. Dadurch wurde wohl auch die Möglichkeit gefördert, spezifische Regeln innerhalb der lex fori – wie die des locus regit actum oder der lex delicti commissi – auszubilden.

• Pkt. H oder 8. (= Z. 35-37): Beerbung des zurückgebliebenen Vaters.1985 • Pkt. I oder 9. (= Z. 38-46) – Schlussbestimmung, Anfang:1986 Verstöße gegen die Beschlüsse ziehen Atimie und Vermögensverfall nach sich, sind also wie in Thera/Kyrene (dort 40 ff) streng sanktioniert. Auch das Brea-Dekret kennt eine solche Regel (dort 20 ff). Offenbar zählten auch solche Schutzanordnungen zum ‚Standard’ von Koloniegründungsregeln. – „Similar provisions are very common in all decrees, but they show the importance placed on the foundation decree and this in turn shows that both colony and 1987 metropolis expected the connection between them to persist and have value.”

Der dritte Teil der Inschrift • Schlusssatz (= Z. 46 f): Hier wird bestimmt, dass „das für die hypoknemidischen Lokrer Festgesetzte […] in derselben Weise giltig sein [soll] für die Bewohner, die mit Antiphatas aus Chaleion gekommen sind“. – Das bedeutet die Anordnung einer ‚entsprechenden Anwendung’ der dekretierten und vertraglich beschlossenen Regeln auf die Chaleier, wodurch auch die erbrechtlichen Bestimmungen für die Beziehungen zwischen Naupaktos und Chaleion gelten, was auch die Kollisionsregeln einschließt. – „Die Vorschriften wurden also in Bausch und Bogen für eine andere Gruppe von Siedlern in Naupaktos über1988 Koerner vernommen, und dieses Exemplar der Urkunde ist uns erhalten geblieben.“ tritt mit guten Gründen – abweichend von anderen Autoren – die Meinung, dass dieser Beschluss (weder von den Siedlern selbst, noch von den Naupaktiern, sondern) von den „Chaleer/n in Chaleion“ gefasst worden sei. Das ergebe sich daraus, dass nach der Urkunde „die Mutterstadt ihr Verhältnis zu den Kolonisten regelte“. Dazu kommt, dass die Inschrift „in der Gegend des antiken Chaleion gefunden worden“ ist. Wichtig, weil als Beweis für das frühe Entstehen von gemeinem griechischem Recht anzuse1989 „Wir haben damit einen klaren Beleg dafür, dass hen, ist der folgende Hinweis Koerners: eine Polis ein Gesetz einer anderen Polis ohne weiteres übernahm, eine Tatsache, die die Frage nach der Einheitlichkeit des griechischen Rechts weniger kompliziert erscheinen lässt, als man meist annimmt. Selbst wenn man nicht übersehen sollte, dass es sich hierbei um eine

gilt als Indiz für die Existenz eines gemeinen griechischen Rechts. 1985 Dazu später im Rahmen der erbrechtlichen Kollisionsregeln. 1986 Meister 1895, 331. – Vgl. oben den ‚Überblick’ bei Anm. 1913. – Koerner 1993, 198 spricht von Schutzvorschriften für das Gesetz samt Strafbestimmungen. 1987 Graham 1964, 59. 1988 Koerner 1993, 201. 1989 1993, 201.

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Die ältesten privatrechtlichen Kollisionsregeln – Die erste Kollisionsregel

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nicht alltägliche Materie der Gesetzgebung handelte, ist trotzdem die Bedenkenlosigkeit auffallend, mit der die Übernahme geschah. Die Bestimmungen, die die Opuntier für ihre Epöken erließen, sind in keiner Weise an die Verhältnisse von Chaleion angepasst worden, man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, statt ‚Hypoknemidier’ den Namen ‚Chaleer’ einzusetzen.“ – Man kann daher nicht behaupten, „dass jede Bestimmung für die hypoknemidischen Lokrer daher auch für die Chaleer gelte; ich würde eher denken, dass der allgemeine Rahmen, die grundlegenden Gedanken über die Beziehungen der Kolonisten zur Mutterstadt, die im opuntischen Gesetz ihre Fixierung gefunden hatten, auch für die Chaleer und ihre Kolonisten gelten sollten. Welche der opuntischen Einzelvorschriften für die Chaleer anwendbar waren, ist bei unserer Unkenntnis der Verfassung dieser Polis nicht mehr zu ermitteln. Man kann höchstens bei einzelnen Vorschriften begründet vermuten, dass sie – oder Teile ihres Inhalts – für Chaleion nicht anwendbar waren; so alles das, was sich auf die Existenz der hypoknemidischen Einzelpoleis und ihrer eigenen Gesetzlichkeit bezog. Und es ist auch wenig wahrscheinlich, dass es in Chaleion Perkotharier und Mysacheer gab. Wie dem aber auch sei, der Zusatz belehrt uns jedenfalls, dass wir auch für Chaleion einen gesetzgeberischen Akt über Siedler 1990 – Das wirft wirft auch ein neues Licht auf die nach Naupaktos vorauszusetzen haben.“ Idee von Funktion, Bedeutung und Auslegung des Gesetzes in archaischen Poleis. Das in diese Frage offenbar hineingetragene allzu strenge, ja ausschließlich positivistische Normverständnis ist wohl nicht die einzige Möglichkeit des Umgangs mit solchen Texten.

Die ältesten privatrechtlichen Kollisionsregeln – Die erste Kollisionsregel Nach weiteren abgabenrechtlichen Bestimmungen folgt die meines Wissens bislang älteste bekannte privatrechtliche Kollisionsregel.1991 Sie ist intermunizipialer Natur und erbrechtlichen Inhalts; sie gilt zwischen den Nachzüglern – die mittlerweile Bürger von Naupaktos geworden waren – und der Mutterstadt Opus. Es ist aber nicht auszuschließen, dass derartige Regelungen schon früher und vielleicht auch anderswo in Gebrauch standen, währte die Kolonisationsbewegung um diese Zeit doch schon etwa 250 Jahre.1992 – Graham1993 führt die Erbrechtsregeln auf die besonderen Umstände zwischen Mutterstadt und Kolonie zurück, „which may be regarded as special and unusually close.“1994 – Ver-

1990 Das ist auch für die Kollisionsregeln von Bedeutung. 1991 Generell zum Kollisionsrecht: ab Anm. 1662 ff. – Auch Sturm (1984, 468 f und 2002, 591 ff) hat diese Regeln als Kollisionsregeln erkannt. – Schon Werner 1971, 55 Fn 126 hielt sie für untersuchenswert. 1992Dazu schon Welwei, oben bei Anm. 1926. 1993 1964, 67. 1994 Graham fügt dem hinzu: „Provision for inheritance between colony and mother city, for example, would have been unrealistic at Cyrene. It presupposes frequent and easy relations be-

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

gleichbar enge Beziehungen gab es allerdings auch bei anderen Koloniegründungen. Koerner erkannte – und kam damit der ‚Wahrheit’ sehr nahe, dass der eigentliche Zweck dieser (Erb)Regeln nicht der war, „die Erbfolge festzulegen“, sondern dass sie „vielmehr Anordnungen für den Fall treffen [wollen], dass für die Hinterlassenschaft eines Epöken in Naupaktos kein Erbe vorhanden war“.1995 Der Nachlass sollte dann dem nächstverwandten hypoknemidischen Lokrer zufallen. Dass es sich hier um eine Kollisionsregel handelt, hat Koerner – obwohl nach Sturm tätig – nicht erkannt. – Wenig später kommt er darauf zurück und betont, dass damit eine Erbberechtigung festgelegt worden war, „die über die Landesgrenzen hinaus gültig anerkannt war. Die Naupaktier haben diese Regelung, die offenbar auf die Initiative der Opuntier zurückging, gebilligt, denn ihnen war daran gelegen, die Zahl der männlichen Bevölkerung nicht absinken zu lassen. Dieses Ziel wurde erreicht, wenn der erbberechtigte Hypoknemidier wirklich das Erbe antrat.“ – Folgt man Koerner, dann erkennt man, dass es sich um eine vertraglich geschaffene Norm handelt (Methode 1). „Die Erbberechtigung über die Landesgrenzen hinaus ist sehr bemerkenswert nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch nach dem Charakter des Nachlasses, der in Grundeigentum bestand. Der Erbwillige war demnach gehalten, sein Bürgerrecht mit Antritt des Erbes zu wechseln, und dies scheint keine Schwierigkeit mit sich gebracht zu haben. Eine Selbstverständn1996 lichkeit im Rechtsdenken kann dies alles kaum gewesen sein“.

Sturm1997 hat die Erbrechtsregeln des ‚Naupaktosdekrets’ bereits grundsätzlich als Kollisionsregeln erkannt und bemerkt, dass „die skizzierten Vorschriften […] in doppelter Hinsicht Ansätze kollisionsrechtlichen Denkens“ zeigen: „Einmal wird ein Zufluchtsgerichtsstand gewährt und dies nicht für Bürger, sondern für Personen, die einmal Bürger waren. Zum anderen werden Vorschriften des materiellen lokrischen Rechts auf Personen angewandt, die diesem Recht nach dem in der Antike geltenden Personalitätsprinzip an sich gar nicht unterworfen werden durften.“

tween the citizens of the two communities.” 1995 Koerner 1993, 189 ff. In diese Richtung dachte wohl auch schon Graham 1964, 55. 1996 Daher „wird man“ – so Koerner 1993, 191 – Wolff (1979, 40 Fn 109) zustimmen, dass es sich hierbei zunächst [? Das sagt Wolff nicht!] um eine Übergangsregelung für die erste Generation der Siedler handelte“. – Über Wolff hinausgehend fügt Koerner hinzu: „Solche Regelungen mögen aber Anstöße für die Entwicklung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen fremden Staaten gegeben haben.“ Koerners Kniefall vor der Autorität Wolffs und sein Übergehen von Sturm (1984), brachten ihn um tiefere Einsicht, so richtig sein letzter Satz auch ist. Koerner ist aber dem ‚rechtshistorischen Gehalt’ unserer Vorschrift bereits nahe gekommen. 1997 1984, 468 f; vgl. nunmehr auch dessen Beitrag 2002, 591 ff (gegen Maffi).

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Erbrecht der Kolonisten Meister1998 gibt einen Überblick zum Erbrecht der Kolonisten. Der erste Teil der Regelung betrifft das (allgemeine) Vererben von Eigentum durch Nachzügler in Naupaktos:1999 • Pkt. C oder 3 (= Z. 16-19) „Wenn etwa nicht ein Nachkomme in dem Hause ist, oder ein Erbberechtigter unter den Colonisten ist in Naupaktos, so soll von den hypoknemidischen Lokrern der Nächstverwandte Besitz ergreifen, von wo in Lokris er immer her sei, wenn 2000 2001 innerhalb dreier Monate; er in Person kommt, mag es ein Mann sein oder Knabe, andernfalls soll man die naupaktischen Gesetze anwenden.“ (Hervorhebungen von 2002 mir)

Bei Fehlen von Erben in Naupaktos bestimmte also opuntisches Recht (für Bürger der Polis Naupaktos) den nächsten Erbberechtigten. Die Regel verweist auf das Recht der Mutterstadt – Opus! Denn nicht naupaktisches Recht, dem die Nachzügler mittlerweile grundsätzlich unterlagen, war anzuwenden, sondern das der hypoknemidischen Lokrer. –Das ist eine kollisionsrechtliche Anordnung, denn durch diese Regelung wird nicht nur eine Kaduzität, d. h. ein Heimfallrecht bei erblosem Nachzügler-Nachlass, zugunsten von Naupaktos vermieden, sondern auch eine mögliche Kollision von Normen und Werten zweier – wenn auch wahrscheinlich eng verwandter – autonomer Rechtsordnungen.2003 Gewiss stellen Regeln wie diese – die es auch außerhalb dieses Geltungsbereichs gegeben haben könnte – erst einen Anfang der kollisionsrechtlichen Entwicklung dar; denn wir haben es hier noch mit keinem ‚System’ zu tun, sondern bloß mit ein-

1998 1895, 330. 1999 Vgl. Graham 1964, 54 ff, auch zu Übersetzungs- und Rekonstruktionsproblemen. Grundlegend Meister (1895). Koerner 1993, 188 f folgt Meister: „Danach wurde eine dreigliedrige Abfolge von Erbberechtigten festgelegt: 1. der direkte Nachkomme im Hause, 2. der Erbberechtigte aus den Epöken in Naupaktos, 3. der Nächstverwandte im hypoknemidischen Lokris.“ – Abweichend Sturm 1984, 466 f, der meint, diese Erbregel sei nur „hinsichtlich seines [sc. des Erblassers] in einer Stadt Ostlokriens hinterlassenen Vermögens“ zu verstehen. (?) 2000 Fehlende Geschäftsfähigkeit war also kein Hindernis für den Erbschaftserwerb. 2001 Das hatte etwa für Brüder der Kolonisten Bedeutung; dazu unten bei Anm. 2021 f. – Weibliche Nachkommen waren danach in dieser Linie nicht erbberechtigt. Das Erbrecht von Naupaktos, das wir nicht kennen, könnte aber eine solche vorgesehen haben, vgl. aber unten nach Anm. 2033. – Graham 1964, 55 liest aus dieser Formulierung, dass hypoknemidische Erbprätendenten „had to take up residence in the colony [?] in order to inherit“ [...] „This protected the colony against a reduction of population by absentee ownership. It is worth noting how easily the decree assumes that citizens of one community could transfer themselves to the other.” So auch Koerner 1993, 190, der aber auf die praktischen Schwierigkeiten mit minderjährigen Erben hinweist. – Vgl. auch bei Anm. 2029. 2002 Zitiert nach Meister 1895, 276. – Die Frist war offenbar eine Verfallsfrist. 2003 Grahams Annahme, Naupaktos sei eine Kleruchie, ließ ihn diese Konsequenz nicht sehen; vgl. oben bei Anm. 1959.

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zelnen Anordnungen. Aber ein Anfang war gemacht, und dies sollte künftig nicht mehr bestritten werden. Denn eines muss klargestellt werden: Eine solche Anordnung erfolgte nicht zufällig und willkürlich; sie ist vielmehr bewusst getroffen worden.

F. Schwind An diesem Punkt will ich noch auf F. Schwind eingehen, der in einem Wiener Akademievortrag meint,2004 dass das Erkennen von rechtlichen Kollisionsproblemen, die „tiefe Verankerung“ des internationalen Privatrechts „in den gesamten geistigen Grundlagen der Zivilisation und Kultur“ beweise. Die jeweiligen „Rechtseinrichtungen“ seien dabei von einer „höheren Warte aus“ (?) zu betrachten; entscheidend sei letztlich die „innere soziale Funktion“ eines Rechtsinstituts oder einer Rechtsfigur. – Lässt sich daraus für uns etwas gewinnen? Worin könnten in unserem Falle die geistig-historischen Grundlagen der Regelung gelegen haben, worin ihre Verankerung in der griechischischen (Rechts)Kultur zu erblicken sein? Ich denke, es ist grundsätzlich der Respekt vor dem Willen des Erblassers, dessen Vermögen zu verteilen ist. Aber damit nicht genug: Dieser individuelle Respekt wurzelt tief in dem bei den Griechen kollektiv ausgeprägten Familien- und Oikosdenken, welches das Familienvermögen (zunächst als Ganzes) als substanzielle Basis von Familie und Gesellschaft in rechtliche Regelungen einbezieht. Der vermeintliche (idealtypische) Erblasserwille gebietet es, die Person des Erblassers zugleich mit der im Oikos zum Ausdruck gelangenden Familienbindung. zu respektieren. In diesem Fall hat auch der grundsätzlich bestehende territoriale und personale Normanspruch der Polis Naupaktos – und im umgekehrten Falle der von Opus – zurückzustehen. Die wenn auch noch bescheidene und auf einen kleinen Bereich beschränkte Kollisionsregel wendet danach kulturelle Werte und Grundsätze an. Es wäre ein Fehler, hier nur eine isolierte Anwendung von Recht ohne dahinterliegendes (tieferes) Verständnis am Werk zu sehen. Zur Respektierung des Erblasserwillens und der Bedeutung von Familie und Oikos tritt aber wenigstens gleichgewichtig das konkrete politische Interesse von Opus und anderen Poleis an der Polis Naupaktos hinzu. Sie sollte vor allem in ihrer Wehrkraft gestärkt werden, worin wohl der eigentliche Sinn des Epoikieunternehmens lag. – Bei realistischer Sicht der Dinge wird man wohl – anders als in Schwinds idealistischer Deutung – die handfesten Interessen berücksichtigen müssen, die diese erste Kollisionsregel haben entstehen lassen. Insofern unterscheidet sich Kollisionsrecht nicht von der Entstehung anderer (Rechts)Normen.

2004 1959/1960, 96. – Vgl. dazu auch bei Anm. 2061.

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Gesetzliche Erbfolge für die Naupaktosnachzügler Die opuntisch-naupaktische Regelung enthielt auch eine knapp gehaltene Erbfolgeordnung nach Parentelen für die Naupaktos-Nachzügler.2005 – Damit wird primär, was Graham übersehen hat, Kaduzität in Naupaktos (möglichst) ausgeschlossen und erreicht, dass hypoknemidisch-lokrisches Vermögen im (Ursprungs)-Haus und in der Familie bleibt.2006 Die Bestimmung von Erbberechtigten erfolgte in einem solchen Fall nach dem Recht der hypoknemidischen Lokrer – genauer der Mutterpolis Opus, das aber wohl mit dem nau-paktischen, von dem wir nichts Näheres wissen, (weitgehend) übereinstimmte (?). Es handelt sich jedenfalls um einen Verweis auf eine andere als die naupaktische Rechtsordnung. – Der Unterschied zum modernen Kollisionsrecht liegt darin, dass hier nicht Naupaktos autonom Kollisionsregeln schuf, sondern dass dies – ausgehend von der Mutterpolis – gemeinsam von Mutter und Tochter vertraglich geschaffen und mit den Nachzüglern konkretisiert wurde. Darin äußert sich zweifellos die starke Position der Mutterstadt Opus. Man sollte aber nicht – wie Graham – daraus ein Argument für die (völlige) rechtliche Unselbständigkeit von Naupaktos im Sinne einer Kleruchie (?) zu machen versuchen. Vielmehr ist darin vornehmlich das rechtliche und politische Bemühen zu erkennen, über die Nachzüglergeneration hinaus gewachsene Familien-, Verwandtschafts-, Oikosund Polisbande rechtlich zu erhalten, zu achten und zu stärken und mit den Eigeninteressen von Naupaktos zu verbinden. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht – wie Wolff, dem auch Koerner teilweise folgte, irrtümlich annahm – nur für die Siedler-Generation gedacht war. – In dem Denken über die erste Generation hinaus zeigt sich ein Streben nach Sachgerechtigkeit, denn die Regelung gilt nicht bloß einseitig, sie ist wechselseitig angelegt. Dass diese Lösung insbesondere den Interessen von Naupaktos und denen der Nachzügler entgegenkam, ist offenkundig; sie war aber auch insoferne von Bedeutung, als das Interesse an der Stärkung von Naupaktos, sinnvollerweise nicht von vornherein auf die Nachzüglergeneration beschränkt werden sollte. Das haben Wolff und Koerner übersehen. Die gesetzliche Erbfolgeordnung/Parentel sah folgendermaßen aus:

2005 In diesem Sinne wohl auch Graham 1964, 55. – Wir müssen dabei aber bedenken, dass die Regeln nur zwischen den Nachzüglern und der Mutterstadt Opus galten, aber wohl auch den in Naupaktos geltenden entsprachen. 2006 Vgl. damit die deutlich jüngere hellenistische Kaduzitätsregel der seleukidischen Gründung von Dura-Europos, der bereits eine deutlich ausführlichere Parentelordnung vorangestellt war. – Zu Dura-Europos: Watzinger, in: RE Suppl. VII (1940) 149-169 und Leisten, in: DNP III (1997) 846 f.

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• Erste Parentel/Linie: (Eigene) Nachkommen; die „Descendenz im Hause“.2007 – Das sind Kinder und Kindeskinder.

• Zweite Parentel: Sonstige rechtmäßige Erben unter den Kolonisten/Epioikoi von Naupak2008

tos. – Meister betont wohl zu Recht, dass dadurch den Erbberechtigten (offen ist freilich, wonach sie bestimmt wurden: wohl nach opuntischem und nicht nach naupaktischem Recht) unter den Epioikoi (vor den übrigen im hypoknemidischen Lokris verbliebenen Verwandten) ein Vorzugsrecht eingeräumt worden sei; was wohl auch dem Zusammenhalt der Nachzügler diente. – Was das opuntische Recht in dieser Fall als ‚rechtmäßige Erben’ ansah, wissen wir aber nicht; am wahrscheinlichsten erscheint eine Fortsetzung der Parentelordnung mit den Eltern väter- und mütterlicherseits (?) und deren Nachkom2009 men.

• Dritte Parentel: Die nächsten Verwandten im (gesamten) hypoknemidischen Lokris. – Darin lag auch ein Vorteil für die Mutterstadt Opus, weil ein allfälliger Heimfall an die Polis Naupaktos um eine Parentel hinausgeschoben wurde.

• Vierte Parentel: Ab hier greifen allfällige weiterreichende naupaktische Regeln, womit wohl insbesondere eine Kaduzität zugunsten der Tochterpolis gemeint gewesen sein dürfte.

Von Perkothariern und Mysacheern Die folgenden Bestimmungen treffen Vorsorge für den Fall, dass Nachbarn oder landschaftliche oder gesellschaftliche Fraktionen der hypoknemidischen Lokrer – und nicht nur Nachzügler aus Opus – ebenfalls nach Naupaktos siedeln wollten. Meister2010 deutet die Bezeichnungen Perkotharier und Mysacheer – im Anschluss an Vischer und F. Nietzsche, von dem auch die etymologische Ableitung dieser Bezeichnungen als ‚Reiniger’ und ‚Blutschuldheiler’ stammt – als „gewisse Klassen des lokrischen Volkes“, vielleicht „zwei große Geschlechter, die in verschiedenen Ortschaften des Landes ihren Wohnsitz hatten“:2011

2007 Meister 1895, 306. 2008 Meister aaO. 2009 Vgl. aber die bei Anm. 2033 angeführte naupaktische (?) Parentelordnung, wonach entfernter verwandte Kolonisten allfälligen näheren Verwandten in Opus vorgingen. Darin lag wohl das ‚Vorzugsrecht’. 2010 1895, 306 f. – Dazu mit einigen Abweichungen auch Koerner 1993, 192 f. – Sturm (1984, 467 f und 2002, 595 f) deutet Perkotharier und Mysacheer als „Geschlechter der Urbevölkerung, die die Lokrer unterworfen und zu einer Art Periöken, also zu Bürgern minderen Rechts, herabgedrückt hatten“. 2011 Näheres bei Meister 1895, 306 ff, der die beiden Namen für Phylenbezeichnungen hält, S. 312.

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Von Perkothariern und Mysacheern

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„Sie umfassen den Adel des Landes und ihre Unterabteilungen sind die hundert Häuser. Wie sie mit jener Sühne eine Pflicht, die dem ganzen Staate obliegt, übernommen haben, so haben sie andererseits ein Recht von ihm erhalten, das sich an ihren Grundbesitz knüpft. Ihr Grundbesitz stammte wohl aus alter Verteilung von Staatsgut her, und jedes Haus war im Besitz eines Gutes“.

Nicht unwichtig ist Meisters Hinweis, „dass wir es bei dieser Epoikie nicht mit einer Handlung zu thun haben, die auf dem freien Entschluss einer Anzahl Privatleute beruhte, sondern mit einem Staatsact, bei dem politische Erwägungen massgebend waren, und bei dem mehr der Staatswille als der freie Wille der Auwandernden zum Ausdruck kam“.2012 (Hervorhebungen von mir) Kollisionsnormen wurden mithin im Rahmen von Koloniegründungen auch deshalb gebraucht, weil immer wieder nicht nur Bürger einer Polis an solchen Unternehmungen teilnahmen, sondern auch solche aus anderen – angrenzenden oder auch weiter entfernten – Stadtstaaten oder wenigstens aus verschiedenen Landschaften/Fraktionen (eines Staates); wenn auch unter Führung eines Initiators oder allenfalls sogar mehrerer Initiatoren, des Oikisten:2013 2014

„The ‚oecist’ (PdLJTU›K) was a man with a special mission, religious as well as political. Hence he was regarded as a chosen instrument of the gods and after his death he received special veneration. Usually he was buried within the colony in some important public place 2015 where his grave became the object of a heroic cult.”

In Kolonien wie Naupaktos konnte daher nicht mehr jeder nach seinem Heimatrecht leben, sondern es musste die Entscheidung für eine (geltende) Rechtsordnung fallen. Das konnte auf zweierlei Weise geschehen: nämlich mittels Kollisionsvertrags zwischen den verschiedenen Bürgergruppen – wodurch neues oder auch partiell ausgewähltes, aber gleiches Recht für alle geschaffen wurde – oder durch die Übernahme des Rechts einer Mutterstadt, also durch Rechtsbewidmung, was aber für einen Teil der Siedler, den Verlust des bisherigen Rechts bedeutete. Das Privatrecht und Teile des öffentlichen Rechts – nicht dagegen das Bürgerrecht – einer Mutterstadt (allenfalls mit Adaptierungen) zu übernehmen, war die einfachere Lösung und entsprach wohl oft den Intentionen der Oikisten; es war auch die Lösung für Kleruchien. Die Regelung:2016

2012 1895, 313. 2013 Dazu auch Parke/Wormell 1956, I 49 ff. – Vgl. ferner Welwei 2002, 47 und Busolt 19263/1972, II 1265. 2014 ‚Politisch’ meint hier offenbar auch ‚rechtlich’. 2015 Von Tochterstädten wurde erwartet, dass sie den Kult der Mutterstadt übernahmen und Vertreter mit Opfergaben zu den Hauptfesten der Mutterstadt sandten; Parke/Wormell 1956, I 49: „At the same time the foundation of a colony would involve the establishment of temples and cults on the new site, and thus colonization, besides propagating old religious associations, might also give rise to new ones.“ 2016 Vgl. Brodersen et al. 1992, I 17 f, ferner Tod 1933, 32; zitiert nach Meister 1895, 277.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

• Pkt E oder 5 (= Z. 22-28) „Von den Perkothariern und Mysacheern soll, wenn der Besitzer Naupaktier geworden ist, auch sein in Naupaktos befindliches Vermögen den naupaktischen Gesetzen [= kein Beachten des Personalitätsprinzips], aber sein im hypoknemidischen Lokris befindliches den hypoknemidischen Gesetzen unterworfen sein [= Anwendung der lex rei sitae + Territorialitätsprinzip = ursprüngliches Heimatrecht?], wie die 2017 wenn eiStädte der einzelnen im hypoknemidischen Lokris es gesetzlich bestimmen; ner von den Perkothariern und Mysacheern unter den für die Colonisten giltigen gesetzlichen Bestimmungen heimkehrt, so sollen sie, jeder in seiner Stadt, ihren eigenen Gesetzen 2018 unterworfen sein.“

Hier werden unterschiedliche Anknüpfungen gewählt, wobei das Vermögen der mitziehenden Perkotharier und Mysacheer (in Naupaktos) dem Territorialitätsprinzip unterliegen soll. – Auf zurückkehrende Perkotharier und Mysacheer sollte aber wiederum insgesamt deren Heimatrecht angewendet werden. Für Graham2019 ist dies „an example of the principle that the colonist should go on equal terms“: „When the Corinthians advertised for colonists to go to Epidamnus, they assured them equality of status (yQh Už gTI LBh °NPeB; Thuc. I. 27.1). The same words are used in the foundation decree for Cyrene (27 f) and the same principle explains the appointment of special commissioners to allot the land (HFÈOPNPJ) by the Brea decree (6-8), whose duty it would be to ensure this equality in the vital matter of land division. This division of land is the subject treated by the decree about Black Corcyra.” (Hervorhebungen von mir) „So it can be seen that the principle that the colonists should participate on equal terms had definite practical force even among oligarchic peoples like the Locrians and the Corinthians. It therefore seems reasonable to assume that it was a regular feature of Greek colonial enterprises.”

Die zweite Kollisionsregel Es geht nach dieser Regel um das einseitige (nicht wechselseitige!) Erbrecht von Nachzüglern gegenüber ihren in der Heimat gebliebenen Brüdern.2020 Das bedeutet eine gewisse Bevorzugung der Kolonisten gegenüber zuhause gebliebenen Brüdern, die nach dieser Regel nicht zum Zuge kamen. In der Heimat gebliebene Brüder erbten aber allenfalls nach der Norm Nr. 3. – Brüder gehören zur zweiten Parentel, nämlich ‚Eltern und deren Nachkommen’; hier werden sie

2017 In diesem Passus liegt bereits der Ansatz der späteren ‚Weiterverweisung’. 2018 Auch hier gilt demnach grundsätzlich das Personalitätsprinzip. 2019 1964, 58 f. 2020 Vgl. dazu schon oben bei Anm. 1909. – Auch Koerner 1993, 194 f.

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Die zweite Kollisionsregel

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aber nicht wie in den modernen Regelungen durch die Eltern ausgeschlossen, ihr Erbrecht wird vielmehr vorab behandelt: • Pkt. F oder 6 (= Z. 29-31): Danach beerbten Siedler ihre im hypoknemidischen Lokris 2021

verstorbenen Brüder (mit dem ihnen nach dortigem Recht zustehenden Teil) nach dem Recht der hypoknemidischen Lokrer. – Ausdrücklich angeordnet wird in dieser Regel auch, dass der Kolonist „vom Vermögen des Bruders Besitz ergreifen“ soll; „das ihm [= anteilsmäßig neben allfälligen anderen Brüdern] Zukommende soll er in Besitz neh2022 men.“

• Damit wurde ein gegenseitiges Erbrecht von Brüdern, die mittlerweile in verschiedenen Poleis/Staaten lebten, sichergestellt. Als anzuwendendes Recht wird jeweils das Recht der hypoknemidischen (Ost)Lokrer gewählt, das auch auf nicht aus Opus stammende Nachzügler gilt. Damit herrscht über Polisgrenzen hinweg der Grundsatz: ‚Das Gut rinnt wie das Blut.’ – Das Vermögen folgte im Erbgang der Blutsverwandtschaft. Die Reihe der Erbberechtigten richtete sich dabei nicht strikt nach der Parentelordnung, vielmehr wird für die zweite Erbklasse zuerst das Erbrecht der Brüder und erst anschließend dasjenige zwischen Vater und Sohn und vice versa geregelt. – Diese Bestimmung mit ihrer Kollisionsregel beruht offenbar auch auf der grundsätzlichen (wenn auch nicht bis ins letzte durchgeführten) Gleichwertigkeit von Mutter- und Tochterstadt. Die Erbregeln waren aber offensichtlich nicht nur, wie Wolff annimmt, für ein einmaliges Anwenden auf die Nachzüglergeneration geschaffen worden. Kaduzität konnte vielmehr auch nach dem Tod von Brüdern und des Vaters bei Geschwisterkindern eintreten. – Auch Sturm will das 2023 ‚Statut’ „auf keinen Fall […] als bloße Übergangsvorschrift im Rechtssinne“ ansehen. Es geht nach Sturm „nicht darum, intertemporales Recht zu schaffen, sondern den Status der ersten Generation von Aussiedlern in einer Ordnung festzulegen, die auch spätere Generationen übernehmen können“.

2021 In Naupaktos lebende Brüder erben danach auch dann, wenn ein Bruder in Opus (oder in einer anderen hypoknemidischen Polis) verstarb und der Verstorbene neben dem Bruder in Naupaktos auch noch einen oder mehrere Brüder in der Heimat hinterließ. Die Brüder hatten den Nachlass zu teilen. In Nr. 3 (nach Meister) fehlt eine solche Anordnung. – So auch Sturm 1984, 467 und 2002, 592 f. 2022 Meister 1895, 277. – Ob die Anordnung Nr. 3 ebenso zu verstehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Es ist aber davon die Rede, dass der Nächstverwandte aus dem hypoknemidischen Lokris von der Erbschaft Besitz ergreifen solle; allerdings mit der Einschränkung: „wenn er in eigener Person kommt“. Dieser Passus wird unterschiedlich gedeutet. Nach Graham ist damit gemeint, dass der Erbe sich in Naupaktos niederlassen müsse. Dafür spricht der Umstand, dass die Regelungen Nr. 3 und Nr 6 unterschiedlich und voneinander getrennt sind. Man hätte ansonsten eine eine einzige wechselseitige Regel schaffen können. Auch die grundsätzleich Begünstigung der Kolonisten unterstützt eine solche Deutung. 2023 1984, 468: „So irrtümlich H. J. Wolff (1979, S. 40 Anm. 109).“ Sturm aaO Fn 13.

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Die dritte Kollisionsregel Sie betrifft das Erbrecht von Nachzüglern gegenüber ihrem Vater:2024 • Pkt. H oder 8 (= Z. 35-37): „Wenn etwa einer seinen Vater zurücklässt und den ihm zukommenden Antheil am Vermögen dem Vater lässt, so soll es, wenn der Vater gestorben ist, dem nach Naupaktos gegangenen Colonisten gestattet sein seinen Anteil herauszubekommen.“

Das Erbrecht von Söhnen (am Familieneigentum), auch wenn diese mittlerweile Bürger einer anderen Polis geworden waren, blieb so erhalten. Der Sohn erhielt nunmehr nach dem Tod des Vaters gleichsam das ‚Auseinandersetzungsguthaben’, das ihm auch zugestanden wäre, hätte er sich zum Zeitpunkt seines Umzugs nach Naupaktos ‚abfinden’ lassen:2025 „In Z. 35-37 […] wird vorausgesetzt, dass ein Epöke beim Verlassen der Heimat seinen Vater zurückließ und seinen Teil an den DS›NBUB [sc. nach Meister und Koerner hier mit der Bedeutung ‚Landeigentum’] seinem Vater [zu treuen Handen] überantwortete. Wenn dann der Vater starb, konnte der Epöke seinen Anteil am Erbe erhalten. Dies lässt sich so erklären, dass der 2026 untereinander teilten [darauf deutet nach Vater und die Söhne das Familieneigentum Koerner der Passus der Inschrift: Uµ NzSPK UµO DSFNƒUPO], sicher veranlasst durch den Auszug 2027 des einen Sohnes. Dieser ließ seinen Teil seinem Vater, um es unversehrt zu erhalten.“

Die erbrechtlichen Regeln der Inschrift hätten Nachzüglern ihr Erbrecht in der Familie zu erhalten gesucht. – Der Grundsatz der Erhaltung des Anteils am Oikos/des Familienvermögens2028 galt danach auch für das Verhältnis zwischen in der Mutterstadt verbleibenden Angehörigen und Kolonisten/Aussiedlern oder Nachzüglern. – Hierin lag aber auch ein Vorteil für das die Kolonisten aufnehmende Naupaktos; denn das ererbte Vermögen konnte in diesem Fall nach Naupaktos verbracht werden.2029

2024 So Meister 1895, 277; bei Brodersen et al. 1992, I S. 18 – Vgl. auch Graham 1964, 55 f und Koerner 1993, 194 f. 2025 So auch Sturm 1984, 467 mit Deutungsvarianten in Fn 10. Für die Problematik von Hausvermögen und ungeteilter brüderlicher Gemeinschaft verweist er auf Biscardi (1968). 2026 Am ‚oikos’ bestand ursprünglich Familieneigentum aller Familienmitglieder, und der Hausvater/Kyrios war nur dessen Verwalter. Einzel- oder Individualeigentum entwickelte sich zunächst an Fahrnis; dazu eingehend Bruck (1926/19702). Davon berichten bereits die homerischen Epen. Die Entwicklung zu Einzeleigentum an Grund und Boden dauerte deutlich länger. Sie verlief in den Territorien Griechenlands sehr unterschiedlich und scheint bei den hypoknemidischen Lokrern noch nicht abgeschlossen gewesen zu sein. 2027 Koerner 1993, 194 f. 2028 Koerner aaO, uH auf Graham (1964, 57). 2029 Vgl. Graham, oben Anm. 1999.

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Naupaktische Landaufteilung um 500 v. C. Ergänzend will ich eine offenbar schon etwas früher, nämlich um 500 v. C. (?)2030 errichtete ‚Regelung für Neusiedler’2031 vorstellen: Nach- oder Zuzüglerunternehmungen haben auch schon früher stattgefunden, was nicht nur als historisches Faktum von Bedeutung ist, sondern auch als Argument für die Annahme dienen kann, dass die ersten intermunizipialen Kollisionsregeln gleichsam das Ergebnis früherer Erfahrung waren. Koerner überschreibt diese ältere Urkunde mit „Naupaktos. Landaufteilung“. Es handelt sich dabei um eine (rein) naupaktische Satzung, deren Anordnungen für die „Aufteilung der hylischen und liskarischen Ebenen, [und zwar] sowohl für das […] aufgeteilte Gebiet […] als auch für das Gemeindeland“2032 Geltung haben sollte. – Für Neu- oder Zusiedler wird darin naupaktisches gesetzliches Erbrecht (als Parentelordnung) hinsichtlich der Landzuteilung wiedergegeben oder erlassen:2033 • Erbrecht „soll zustehen den Eltern [= Vater und Mutter] und dem Sohn; [hier bleibt unklar, ob es sich um ein gegenseitiges Erbrecht handelte, was aber eher anzunehmen ist. (?) Vgl. auch die folgende Bestimmung.]

• wenn es keinen Sohn gibt, einer Tochter, • wenn es keine Tochter gibt, einem Bruder [des Erblassers],2034 • wenn es keinen Bruder gibt, soll einer nach Verwandschaftsgrad […] erben, soweit es rechtmäßig ist. [? Sind hier die gradmäßig nächsten Verwandten gemeint? Vielleicht Geschwisterkinder?]

• Wenn (es) nicht (einen solchen gibt), […]“ [der anschließende Text der Inschrift ist zum Teil verdorben, zum Teil für uns nicht relevant]. – Wahrscheinlich handelte es sich um eine Kaduzitätsregel.

Schließlich wird noch bestimmt, dass das Land zur einen Hälfte den ursprünglichen Siedlern und „zur anderen Hälfte den Zusiedlern“ gehören solle, und es

2030 Vollständige Inschrift mit Übersetzung und eingehender Erörterung bei Koerner 1993, 154 ff (Nr. 47). Koerner hält den zeitlichen Ansatz von Klaffenbach um 500 v. C. „für den wahrscheinlichsten“. Brodersen et al. nehmen 525-500 v. C. an. 2031 Brodersen et al. 1992, I Nr. 19. 2032 In Naupaktos existierte danach eine Allmende – also Gemeinde-, als Gemeinschaftsland, das allenfalls später an Nachzügler verteilt werden konnte. – Allmenden (Almen!) werden noch heute als gemeinsame Weideflächen benutzt. 2033 Kollisionsregeln enthält diese ältere Inschrift aber (noch?) keine. – Zum Intestaterbrecht Koerner 1993, 159 ff. 2034 Damit ist die Parentel ‚Eltern’ (iSv ‚alle Vorfahren’) gemeint; denn der Bruder des Vaters gehört bereits zur (dritten) Parentel der ‚Großeltern und deren Nachkommen’.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

wird unter anderem auch noch der Modus der Zusiedlung geregelt. – Der Tausch zugewiesener (Landlos)Anteile wird für zulässig erklärt.2035 „Das [besprochene] Gesetz zeigt Naupaktos als eine wohlorganisierte Polis unter der Vorherrschaft des Adels. Es hat Anteil an der allgemeinen Rechtsentwicklung in Griechenland, wobei zu sehen ist, dass noch einiges archaisches Rechtsdenken lebendig war. Ökonomisch basierte die Polis noch ganz auf der Landwirtschaft [? Schiffsbau], die extensiv erweitert werden konnte. Diese positiven Verhältnisse waren aber [schon damals!] von äußerer Bedrängnis überschattet, die die weitere Entwicklung in Frage stellte. Es ist möglich, dass die in Aussicht genommene Zusiedlung zur Verstärkung der wehrhaften Bevölkerung stattgefunden hat; dafür 2036 ein Zeugnis sein, doch wird dies von den meisten könnte das ostlokrische Siedlungsgesetz in Frage gestellt.“

Schlussbemerkung Rückblickend kann gesagt werden, dass die Gründungsurkunden der Kolonien von Kyrene und Naupaktos wichtige Einblicke in das Rechtsleben ihrer Zeit gewähren. Obgleich einerseits die Unterschiede in den Regelungen offenkundig und auch erklärbar sind, so sind andererseits die Übereinstimmungen beträchtlich, und sie finden sich auch bei anderen Koloniegründungen. Dies gilt für den Schutz des Vereinbarten und damit für die Absicherung der Beziehungen zwischen Mutter und Tochterstadt ebenso wie für die rechtliche Gleichbehandlung der Siedler und schließlich für das Rückkehrrecht. Im Verlauf der Großen Kolonisation hatten sich2037 gemeingriechische kautelarjuristische ‚Standards’ herausgebildet, die an die jeweilige Situation angepasst wurden, aber kaum übergangen werden konnten. – Die griechische Kolonisation hat nicht nur rechtliche Innovationen geschaffen, die sich auch auf die Mutterstädte auswirkten, wie etwa im Hinblick auf die rechtlich-politische Gleichheit der Bürger, sie hat auch Tendenzen zur Rechtsvereinheitlichung hervorgebracht, die zur Bildung von Rechtsgrundsätzen und zu einer Rechtskoine führten.

2035 Koerner aaO. Er schließt aus dieser Vorschrift über den Tausch, „dass der Verkauf von Land in Naupaktos zu dieser Zeit noch unbekannt oder vielleicht auch untersagt war“. – Zur Landverteilung allgemein Link (1991). 2036 Gemeint ist die naupaktische Inschrift; bei Koerner 1993, Nr. 49. 2037 Graham 1964, 59 ff.

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Der Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon Ein weiteres Beispiel für eine vor-hellenistische Lösung von Kollisionssproblemen ist der deutlich jüngere Synoikismosvertrag2038 zwischen Orchomenos/Arkadien und Euaimon aus dem zweiten Viertel des 4. Jahrhunderts v. C.2039 Nach Thür/Taeuber handelte es sich nicht um eine „Vereinigung zweier gleichrangiger Poleis, sondern um die Eingliederung von Euaimon in die Polis der Orchomenier“ und zudem um die „Übersiedlung einer großen Zahl von Bürgern der einen Partnerstadt (Euaimon) in die andere (Orchomenos)“.2040 Der Vertrag regelt in seinem § 10 auch die in Euaimon und in Orchomenos durch ‚fremde Richter’ entschiedenen Rechtsstreitigkeiten.2041 Leider fehlen der Inschrift gerade die entscheidenden Teile dieser Passage. Gegenseitige Anerkennung der ergangenen Urteile – und damit von Rechtsfolgen nach fremdem Recht – erscheint aber naheliegend und würde eine verfahrensrechtliche Kollisionsregel bedeuten. Graham weist unter anderem auf die grundsätzliche Bedeutung von Religion und Kultus nicht nur für die Mutter- und Tochterstadt hin: „The earliest way in which Greek communities were joined with each other was by having the same sanctuary and the same cults. Thus the early Greek leagues were religious leagues in the 2042 sense that they were based on a common religious centre and worship.”

Die Behandlung kultischer Probleme im Rahmen eines Synoikismos lässt wohl auch Rückschlüsse auf die Behandlung rechtlicher Fragen zu. Der Eingemeindungsvertrag zwischen Orchomenos und Euaimon regelt unter anderem familienrechtliche Kollisionsprobleme zwischen den beiden miteinander zu verschmelzenden Poleis. Es geht um den Rechtsstatus von Frauen und Kindern (aus Euaimon) als künftigen Bürgern der ‚neuen’ Polis; sie sollten nunmehr ebenso Orchomenier werden wie ihre Gatten und Väter. – Für den künftigen Rechtsstatus der Frauen und Kinder lautete die Regel daher nicht wie im Falle einer (echten) Kollisionsnorm, dass auf diese Personen das bisherige

2038 Abgedruckt ua. bei Brodersen et al. 1996, II 84 f., Nr. 287. – Eine eingehende Erörterung der gesamten Urkunde findet sich bei: Thür/Taeuber 1994, 130 ff (Nr. 15); dort auch Darstellung der Fundumstände und Literaturhinweise. 2039 Mehr zur Datierung zwischen 360 und 350 v. C. bei Thür/Taeuber aaO. 138 ff. 2040 1994, 134 f, Fn 2. 2041 Thür/Taeuber 1994, 133: „Diejenigen Prozesse, welche fremde (Richter) entschieden haben, sowohl in Euaimon als auch in Orchomenos, […] das Vermögen (in) jeder der beiden (Städte?).“ Bezüglich der Lücke sei zu erwarten, „dass die von den ‚fremden Richtern’ entschiedenen Prozesse, EeLBK (Z. 47/48), nicht nochmals vor Gericht gebracht werden dürfen, also vielleicht […] [LVSeBK FgOBJ]“, also gültig iSv rechtskräftig (einer entschiedenen Sache) waren, aaO 152; vgl. auch die Hinweise S. 143. 2042 1964, 216. – Vgl. Nilsson 1986, 18 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Recht von Orchomenos zur Anwendung gelangen sollte – das vielleicht eine andere Lösung bereit hielt, sonst wäre die neue Regel überflüssig gewesen, sondern es wurde eine neue allgemeine Regel kreiert: „Wenn jemand eine Fremde geheiratet hat, […]“ So beginnt § 8 der Inschrift, worin Ehen mit Ausländerinnen geregelt werden. – Dies bot sogar die Möglichkeit, allenfalls auch den Rechtsstatus dieser Personen im neuen Orchomenos anzuheben.2043 Wahrscheinlich bedeutete dieser Passus der Inschrift aber die „Anerkennung der euaimnischen Epigamievorschriften“ durch Orchomenos: Üblicherweise bezog sich nämlich die Verleihung des „Bürgerrechts zwar auf die Kinder, nicht aber ausdrücklich auf die Frauen“.2044 Die Griechen haben rechtliche Kollisionen durchaus bewusst auf die beiden von Lewald2045 so bezeichneten unterschiedlichen Arten gelöst; nämlich einerseits vertraglich durch das Schaffen von inhaltlich neuem Recht (Methode 1) und andererseits bereits durch echte Kollisionsregeln (Methode 2), nämlich durch die Anordnung, fremdes Rechts auf einen Fall mit ‚Auslandsberührung’ anzuwenden. – Diese Methoden finden sich bereits in verschiedenen Gebieten des bürgerlichen Rechts. Wir haben Beispiele aus dem Erb-, Sachen- und Vermögensrecht (Naupaktos) und nunmehr aus dem Familienrecht kennengelernt. Es ist nicht auszuschließen, dass es solche Regeln auch in anderen (Thera/Kyrene) Bereichen gegeben hat. – Im schon erwähnten § 8 (Z. 40-43) dieser SynoikismosInschrift heißt es: „Wenn jemand eine Fremde geheiratet hat, sollen die Kinder und die Frauen Orchomenier 2046 sein.“ (Hervorhebung von mir) Damit wird einheitliches Recht für alle Familienmitglieder geschaffen und auch den Frauen nicht zugemutet, in der Fremde nach dem Recht ihres Herkunftsorts (Heimatrecht/Personalitätsprinzip) als rechtlich Fremde leben zu müssen, mag dieses Recht inhaltlich vielleicht sogar ähnlich gewesen sein. Dadurch sollte wohl die (Rechts)-Einheit von Familie und Oikos und darüber hinaus der Synoikismos als solcher gefördert werden. – Diese Gleichstellung brachte – in privat- und öffentlichrechtlicher (Bürgerrecht!) Hinsicht – auch eine Vereinfachung mit sich.

2043 Frei – unfrei, insbesondere aber: fremd – einheimisch. 2044 Thür/Taeuber 1994, 137 und Fn 15. – Zur Epigamie gleich mehr. 2045 Dazu oben bei Anm. 1754. 2046 Zitiert nach Thür/Taeuber 1994, 132.

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Der Synoikismos zwischen Orchomenos und Euaimon

Abb. 14: Orchomenos in Arkadien

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Die Regeln zum Erwerb des Bürgerrechts im antiken Griechenland, insbesondere bei Mischehen mit Frauen aus anderen Poleis, waren äußerst streng. Häufig wurde im Rahmen von Isopolitieverträgen die Rechtsgültigkeit von Ehen/Epigamia, insbesondere im Hinblick auf die Ehelichkeit von Kindern und ihr gesetzliches Erbrecht vereinbart.2047 – Beispiele für intermunizipial-völkerrechtliche Verträge zwischen kretischen Poleis und auch für Sympolitie- und Isopolitieverträge bringt Chaniotis.2048

Rechtskultur im archaischen Griechenland Die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der griechischen Kolonisation waren beachtlich. Die Kolonien wurden zu Außenposten der griechischen Kultur. Griechische Gesittung und politische Institutionen verbreiteten sich ebenso wie die griechische Sprache und alle Sparten von Kunst, Literatur und Wissenschaft. Die Kolonien vermochten nicht nur den Bevölkerungsüberschuss zu mindern und neues Ackerland zur Verfügung zu stellen, sie kurbelten auch den Handel an, lieferten Rohstoffe und mehrten so den Wohlstand.2049 Zudem dienten sie als politische ‚Ventile’. – Mit griechischem (Kultur)Bewusstsein und griechischem Geist erhielt auch die Rechtsentwicklung wichtige Impulse, denn die in archaischer Zeit oft schwierige und gefahrträchtige Kolonisierung verlangte früh nach rechtlicher Unterstützung, die von den Mutterstädten in der Regel gewährt wurde. Sehr früh entstanden bei Koloniegründungen (Koloniedekrete, -gesetze, verträge, Eidesvereinbarungen, Isopolitieverträge) differenzierte rechtliche Regeln, die schon in archaischer Zeit gezielt eingesetzt wurden. Echtes Kollisionsrecht (Methode 2) und vertraglich neu geschaffenes materielles Recht bei Koloniegründungen oder einem Synoikismos (Methode 1) – letztere Methode bezeichnete Glotz als „regelrechte Verträge des internationalen Privatrechts“ – ergab sich beinahe von selbst und kam daher nicht ganz überraschend. Kollisionsverträge trugen nämlich der Tatsache Rechnung, dass bei großen Synoikismen einzelne beteiligte Poleis rechtlich nicht unberücksichtigt bleiben konnten.2050

2047 Busolt 19203/1979, I 220 ff. – Zur Epigamie: P. Rhodes, in: DNP III (1997) 1105. 2048 1996, zB 109 ff, 185 ff, 276 ff, 421 ff. – Auf den Seiten 101 f und 288 f finden sich für Verträge typische ‚Isopolitieformeln’. Dazu auch Pkt. 9: Völkerrecht. 2049 Zur alten Streitfrage, ob die Kolonisation den Handel oder – umgekehrt – der vorausgehende (See)Handel die Kolonisation ermöglicht und gefördert habe, I. Weiler (2007 bei Fn 1740). 2050 Kleineren Poleis blieb dadurch das Gefühl erspart, dem großen ‚Bruder’ oder der großen ‚Schwester’ unterlegen zu sein. – Eine vergleichbare Situation ergab sich, wenn Kolonien von mehreren Poleis gegründet wurden. – Polisbildung und Koloniegründungen führten mithin zu vergleichbaren Problemen, die zu bewältigen waren. Die dabei gefunden rechtlichen Lösungen wurden offenbar wechselseitig genutzt.

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Rechtskultur im archaischen Griechenland

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Das zeigt etwa die Gründung von Thurioi, für die unter Beteiligung namhafter Persönlichkeiten wie Perikles, Herodot und Protagoras neues Recht durch eine neue (Polis)Verfassung geschaffen wurde. Dies war eine weitere Möglichkeit zur Lösung von Rechtskollisionen, nämlich eine, die nicht durch vertragliche Einigung der Betroffenen, sondern von (einer) über allen Beteiligten und Gruppen stehende/n Persönlichkeit/en geschaffen wurde/n.2051 – Ein Vertrag dagegen schuf (von allen) vereinbartes neues Recht für ‚alle’, was eine volksnähere und später demokratisch-egalitärere Lösung bedeutete als etwa die Erhebung einer bestimmten bestehenden Rechtsordnung zur herrschenden – auf Kosten aller anderen. Das bedeutete aber auch, dass – wie der Synoikismus von OrchomenosEuaimon zeigt – ‚Neues’ geschaffen werden konnte und man sich nicht mit Bestehendem begnügen musste. Es bestand danach so etwas wie eine Chance zu politischer und rechtlicher Innovation. Das war – im Gegensatz zur sonstigen Ehrfurcht der Griechen gegenüber altem Recht – bei derartigen Anlässen allem Anschein nach leichter möglich. Dieses ‚Neue’ scheint, wie im Beispiel der familien- und bürgerrechtlichen Regelung aus der Peloponnes (OrchomenosEuaimon) am Gemeinwohl und den Interessen des neugeschaffenen Gemeinwesens orientiert gewesen zu sein. – Die beiden Kollisions(rechts)modelle trugen auch unterschiedlichen politischen Konstellationen Rechnung: Eine einseitige Anknüpfungsregel verlieh nämlich dem ‚verweisenden’ Recht Dominanz und brachte Überlegenheit oder doch Stärke und Einfluss zum Ausdruck. Das war sinnvoll, wenn – wie bei den Kolonieverträgen – die rechtliche Verbindung zwischen Mutter- und Tochterstadt überhaupt erst geschaffen und auf eine vertraute, die Herkunft nicht verleugnende Basis gestellt werden sollte. Im Fall des Kollisionsvertrages hingegen erfüllte das egalitäre Vertragsmodell über rechtliche Belange hinaus die politische Funktion, Isonomie auch nach außenhin sichtbar zu machen. Das Beispiel Naupaktos beweist – wenn man für die Entstehungsgeschichte die Auffassung Meisters teilt –, dass die beiden Modelle kombiniert werden konnten (Kombination von Methode 1 und 2): Aushandeln der grundlegenden Rahmenbedingungen für die Nachzügleraktion zwischen Opus und Naupaktos (Methode 1) und ergänzendes und präzisierendes Kollisionsrecht durch die immer noch als Mutterstadt agierende Polis Opus (Methode 2).

2051 Zu Thurioi vgl. bei Anm. 1725 sowie Menzel (1909). – In den ‚Heimatpoleis’ entsprach dem in etwa die Funktion des Aisymneten.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Die Schaffung von privat- und öffentlichrechtlichem2052 Kollisionsrecht stand im Dienste der Polis und ihrer politischen und gesellschaftlichen Bedürfnisse. Rechtlich Neues wurde durch neue politische und sachliche Konstellationen hervorgebracht. Die Entwicklung im Rahmen der Großen Kolonisation ist dabei allem Anschein nach nicht völlig isoliert verlaufen; Graham hat vielmehr die Entwicklung rechtlicher ‚Standards’ nachgewiesen. Das war nur durch eine kontinuierliche Kommunikation möglich. Aus heutiger Sicht erweist sich die Große Kolonisation auch als beachtlicher Generator und Akzelerator rechtlicher Entwicklung. Es ist dabei nicht weiter verwunderlich, dass die ersten Versuche zur Lösung von Kollisionsproblemen zunächst im Beziehungsgefüge zwischen Mutter- und Tochterstadt zu intermunizipialem (Kollisions)Recht geführt haben. Aufgrund der bestehenden Vertrauensbeziehung schienen ‚Experimente’ hier eher möglich.2053 Es konnte zumeist mit einem gewissen Verständnis und sogar mit Entgegenkommen gerechnet werden, was mutige Lösungen förderte; waren doch in der Regel beide Seiten an einem guten Einvernehmen in der Zukunft interessiert – schon aus familiären und verwandtschaftlichen und oft auch politischen und wirtschaftlichen Gründen. Erst im Mittelalter ist es gelungen, die griechischen und die späteren römischen Ansätze einer Kollisions(rechts)praxis – die bereits Schönbauer2054 und zuletzt Sturm2055 als ‚innerstaatliches Personalitätsprinzip’ und ‚interprovinziales Reichsrecht’ gedeutet haben – in Regeln zu fassen und daraus Kollisionsprinzipien (‚Statuten’) zu machen, die danach unterschieden, ob sich die zu entscheidenden Sachverhalte mit Auslandsberührung auf Personen, Sachen oder Handlungen bezogen.2056 – Dann war nur noch ein kleiner Schritt nötig, um das kollisionsrechtliche Instrumentarium auf die Rechtsfragen zwischen Bürgern entfernter(er) und fremder Staaten zu übertragen und dabei nicht politische, sondern

2052 Wie rückständig und wenig sorgfältig mitunter noch heute im Bereich des öffentlichen Rechts im Vergleich zum Privatrecht mit Rechtskollisionen zwischen den Bürgern zweier Staaten umgegangen wird, habe ich im Zusammenhang mit der Organtransplantation behandelt; vgl. Kalchschmid/Barta 1999, 28 ff. In diesem heiklen Bereich wird von Vertretern des österreichischen öffentlichen Rechts in der Tat behauptet, Angehörige fremder Staaten, die in Österreich zu Tode kommen, seien wie Österreicher, die von ihrem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, als Organspender zu behandeln, weil auf diese ‚Personen’ das Territorialitätsprinzip Anwendung finde. Das ist ,Steinzeitjurisprudenz’. – Solche Fälle machen aber deutlich, dass sich mitunter privatrechtliches und öffentlichrechtliches Kollisionsrecht immer noch nicht trennen lassen, vielmehr – wie in der Antike – auch ununterschieden auftreten; hier: privatrechtlicher Persönlichkeitsschutz versus öffentlichrechtlich-administrativ geregeltes Transplantationsrecht. 2053 Vgl. oben bei Anm. 1745: Rawls. 2054 Dazu die Hinweise in Anm. 1765. 2055 Sturm (1978); vgl. auch Anm. 1765 und 2077. 2056 Zur Entwicklung seit dem Mittelalter: Dölle 1968, 28 ff und ausführlich Kegel 1987 6, 98 ff.

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Mangel an Voraussetzungen für ein IPR?

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sachlich wie rechtlich angemessene Gesichtspunkte zur Anknüpfung zu wählen. Die Orientierung an konkreten Lebenssachverhalten führte dabei je nach Lage des Falles zum Anknüpfen an unterschiedliche Rechtsordnungen. Schon in griechischer Zeit spielten neben sachlichen auch praktisch-politische und ausgleichende (Gerechtigkeits)Überlegungen eine Rolle, weil Fälle mit Auslandsberührung stets auch die eigenen Bürger einer Fremdbeurteilung aussetzte, was zu moderateren (eigenen) Lösungen zwang/tendieren ließ. Es waren demnach nicht immer isolierte und idealistische Gesichtspunkte, sondern vielmehr häufig rechtspraktische Interessen an angemessenen Lösungen, die ein allmähliches Orientieren an der ‚Goldenen Regel’2057 bewirkten. Als Kriterien dienten dabei de facto – nicht dagegen als formulierte Prinzipien – örtliche (a lex fori, a locus regit actum oder a lex loci delicti commissi), sachliche (a lex rei sitae) und persönliche (a ius ossibus inhaeret, Bürgerrecht) Gesichtspunkte. Das forderte zudem immer wieder den Vergleich heraus, denn was man selber normierte, konnte man bei anderen schlecht tadeln. Solche Überlegungen spielten häufig in Fragen des bürgerlichen Rechts, aber auch des Strafrechts2058 und anderen Gebieten des öffentlichen Rechts – etwa des Steuerrechts oder der Regelung der Epigamie – eine Rolle.2059 – Überlegungen zur Angemessenheit und Gerechtigkeit beim Lösen von Kollisionsproblemen wurden im antiken Griechenland durch das in gewissen Bereichen vorhandene gemeine griechische Recht gefördert.2060

Mangel an Voraussetzungen für ein IPR? Nicht aufrechtzuerhalten ist die von Fritz Schwind ohne Beachtung historischer Tatsachen und Zusammenhänge aufgestellte – und zu sehr auf das Imperium Romanum ausgerichtete – These, wonach schon der Aufbau der antiken Welt, die Idee eines ‚Internationalen Privatrechts’ überhaupt nicht zugelassen habe.2061

2057 Dazu in Kapitel VII 1: Rechtsbewusstsein, Rechtsgefühl. 2058 Im Strafrecht wurde anscheinend schon im Altertum das Recht des Begehungsortes angewendet. Auslandsberührungen (zB die Person des Täters) hatten keinen Einfluss. – Von ‚hier’ aus gelangte die lex delicti commissi wohl ins zivile Schadenersatzrecht. 2059 Straf- und privates Schadenersatzrecht wie öffentliches und privates Recht im Allgemeinen waren lange Zeit nicht streng voneinander geschieden. – Der Mangel von Wolffs (1979) Untersuchung besteht ua. darin, dass sie sich auf das ‚Internationale Privatrecht’ beschränkt und das ‚Internationale öffentliche Recht’ nicht berücksichtigt. Man denke an die Voraussetzungen und Abgrenzungen des Polis-Bürgerrechts von der Rechtsstellung der Metöken, Fremden oder Sklaven; vgl. Anm. 1671. Im ‚internationalen öffentlichen Recht’ scheint zudem sogar der ältere Ansatz gelegen zu sein. 2060 Darauf hat schon Lewald (1959 und 1968) – vgl. oben nach Anm. 1762 – hingewiesen; später auch Wieacker 1981, 592 f: Wieacker spricht hier von einem Minimum „von Übereinstimmung der […] Partner über die materiale Gerechtigkeit der gemeinsamen Rechtsnormen“. 2061 Auch Sturm (1978) kommt für Rom zu einem anderen Ergebnis; vgl. Anm. 1765.

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Kapitel I: Perspektiven, 8. Rechtskollisionen im archaischen Griechenland

Das trifft nicht einmal für die römische Welt zu, und für die griechische ist es ganz falsch. Schwind hat nicht gesehen, dass schon die Antike Rechtskollisionen als Konkurrenz verschiedener Rechtsordnungen – und zwar als ‚intermunizipiales’ und ‚inter-provinziales’ Kollisionsrecht – sowie als intertemporales Recht (Problem der zeitlichen Geltung innerhalb ein und derselben Rechtsordnung) erkannt hatte. – Vor allem aber ist die Annahme Schwinds unhaltbar, es habe dafür an der entscheidenden Voraussetzung gleichberechtigter Staaten gefehlt. Die staatlich und rechtlich vielfältige Welt der griechischen Poleis hat früh das Problem rechtlicher Kollisionen erkannt und darauf unterschiedlich reagiert. Lösungsansätze waren: Zunächst das Fremdenrecht (mit den dafür geschaffenen Magistraten und Gerichten, die offenbar in der Folge Rom als Vorbild gedient haben);2062 dann das Vorantreiben der Rechtsvereinheitlichung zu einer Rechtskoiné, die sowohl ein ius gentium (als Völkerverkehrsrecht) als auch erste Ansätze eines intermunizipialen Kollisionsrechts haben entstehen lassen.

Fremden-, Kollisions- und Völkerrecht Das Fremdenrecht, das die besondere Behandlung von Fremden durch eine bestimmte – nämlich die heimische – Rechtsordnung regelt, hat zunächst dazu beigetragen, kollisionsrechtliche Lösungen hinauszuschieben. Mit dem aus der Religion abgeleiteten Instrument des Fremdenrechts wurde nämlich versucht, die Probleme angemessen zu lösen; Zeus Xeinios war Beschützer der Fremden. – Als sich aber, was in Griechenland früh der Fall war, die Kontakte mit Fremden zunehmend auf den bloßen Abschluss von (Handels)Geschäften aller Art beschränkten und damit der zentrale Schutzgrund der Gastfreundschaft wegfiel, musste nach anderen Möglichkeiten Ausschau gehalten werden. Nach Wieacker2063 „suchte und fand der Handel der mediterranen Ökumene Auswege aus den Unzuträglichkeiten, die sich daraus“ ergaben: Ein erster Weg sei die Einrichtung einer besonderen Rechtsprechungsbehörde für Streitigkeiten zwischen Fremden untereinander und zwischen Fremden und Bürgern gewesen wie des (kretischen) xenios kosmos, des (attischen) Polemarchen und der Hafengerichte (an bedeutenderen Handelsplätzen) und die in der Folge 241 v. C. „vielleicht nach deren Vorbild in Rom geschaffene[n] Fremdenprätur und wahrscheinlich verwandte Institutionen in phönizischen und punischen Handelsstädten“. – Ein zweiter Weg waren „nach dem Zeugnis griechischer Staatsverträge der klassi-

2062 Vgl. den Hinweis Wieackers 1981, 580 sowie Anm. 2060. 2063 1981, 580.

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Fremden-, Kollisions- und Völkerrecht

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schen und hellenistischen Zeit und der römischen Verträge mit Karthago, bilaterale Abkommen zwischen zwei einzelnen Gemeinwesen“.2064 Die beiden Methoden der Regelung von Rechtskollisionen gehörten neben anderen Rechtsinstrumenten (wie dem Synoikismos oder der Isopolitie etc.) – zur Antwort auf diese Herausforderungen, in die man durch die zunehmenden Auslandskontakte in Handel und Politik selber eingebunden war. – Heute wie damals ist Fremdenrecht inländisches Recht; d. h. es regelt für einen bestimmten Staat/eine Polis konkret die rechtliche Behandlung von Fremden (und zwar ohne Unterschied ihrer Herkunft) etwa beim Grunderwerb, eine in Griechenland lange Zeit heikle Frage. Es war Fremden und Metöken als Nichtbürgern lange verwehrt, Grundstücke zu erwerben; das traf etwa Aristoteles in Athen. Auf der anderen Seite liess man Metöken neben Bürgern sogar für Darlehensschulden von Poleis solidarisch (mit)haften. Mit Hilfe der Regeln des Fremdenrechts und der Fremdengerichtsbarkeit (die auch nichtansässige Fremde umfasste und nur sachlich beschränkt war)2065 wurden auch Kollisionsprobleme gelöst: Fremde wurden dadurch dem Recht der jeweiligen Polis unterworfen, das ihnen in der Regel zB den Erwerb von Liegenschaften untersagte. Darin liegt eine Anwendung des Territorialitätsprinzips – lex rei sitae, was für das Liegenschaftsrecht nahelag. – Zwischen dem Fremden- und dem Kollisionsrecht gibt es demnach Übergänge. Ähnliches gilt für das Völkerrecht, das im Rahmen von Methode 1 ebenfalls Kollisionsprobleme löste. Wir werden dem Rechtsverständnis der Antike jedenfalls nicht gerecht, wenn wir ihre Lösungen nicht inhaltlich, sondern nur begrifflich im Sinne moderner Prinzipien betrachten. Kollisionsprobleme wurden in der Antike eben auf ganz unterschiedliche Weise zu lösen versucht, dabei wurden nicht nur Kollisionsrecht im engeren Sinn oder gar prinzipielle Verweisungsnormen angewendet. Kollisionsrecht gehört zwar – wie das Fremdenrecht – auch einer ‚inländischen’ Rechtsordnung an, trifft aber selbst keine Sachentscheidung (was in einem bestimmten Falle rechtens sein soll), sondern bestimmt nur – nach unterschiedlichen Kriterien – das anzuwendende Recht, das diese inhaltlichen Anordnungen enthält. Das kann ein fremdes oder das eigene Recht sein. Auch das Völkerrecht2066 konkurrierte mit dem Kollisionsrecht, es unterschied sich aber von ihm (auch damals schon) dadurch, dass seine Akteure und Adressaten vornehmlich Staaten waren. Staatliches Kollisionsrecht wird zwar einseitig

2064 Für Neumann 2005, 189 ist die etwaige Konkurrenz von Rechtsordnungen im mesopotamischen, syrischen und anatolischen Bereich ein bislang „ungelöstes Problem“. – Zum griechischen Fremdenprozess eingehend Hitzig (1907a, 227 ff), der ausgehend von Thalheim, Lipsius, Beauchet auch auf die Handelsklagen (yNQPSJLBh EeLBJ) eingeht. 2065 Wolff 1979, 12. 2066 Zu den Rechtshilfeverträgen ab Anm. 1772.

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staatlich geschaffen, ist aber etwa im Bereich des Privatrechts grundsätzlich auf private Akteure zugeschnitten. Das Völker(gewohnheits oder -vertrags)recht schafft zwischenstaatliches Recht – und zwar bi- oder multilaterales, während Kollisionsrecht stets innerstaatliches Recht eines Staates ist; mögen diesem Recht auch unter bestimmten Voraussetzungen Angehörige anderer Staaten unterstellt werden. – Dass zwischen den beiden Rechtsgebieten auch schon in der Antike Zusammenhänge und Übergänge bestanden, machen die Beispiele zu ‚Methode 1’ deutlich. So ist etwa beim Synoikismos die äußere Hülle – der Vereinigungsvertrag zwischen zwei oder mehreren Poleis – dem Völkerrecht zuzuordnen, das sachliche Substrat des (inhaltlich) Geregelten dagegen ist kollisions- und privatrechtlicher Natur. Durch den Vertrag sollten – wie das Beispiel von Euaimon zeigt – unter anderem Rechtskollisionen zwischen den Bürgern zweier Poleis (die eine staatsrechtliche ‚Fusion’ anstrebten) durch Schaffung von neuem (gleichsam synthetischem) Recht ausgeräumt werden; dazu gab es mehrere Möglichkeiten. Wir haben es häufig mit Mischformen zu tun; Völkerrecht und Kollisionsrecht werden gleichzeitig eingesetzt. – Auch das Beispiel von Naupaktos zeigt Übergänge und Überschneidungen; es beinhaltet nicht nur das Neben- und Miteinander von Methode 1 und Methode 2 sondern auch von Völkerrecht (Vertrag zwischen Opus und Naupaktos) und Kollisionsrecht (Ausführung des völkerrechtlichen Rahmens).

Zusammenfassung Aus dem Papyrusfund von Fayûm kennen wir die Lösung der im ptolemäischen Ägypten bestehenden Rechtskollision zwischen der einheimisch-ägyptischen und der griechischen Bevölkerung: Diese Lösung vermochte es – trotz Bestehens einer starken politisch-rechtlichen Zentralinstanz, die durch die Wahl der Vertragssprache privatautonom vollzogene ‚Rechtswahl’ der Vertragsparteien zu respektieren. Eine solche Lösung bedeutet einen Fortschritt gegenüber der einseitig getroffenen autoritativen Bestimmung des anzuwendenden Rechts durch den Staat. Man kann das aber auch als spezifische Antwort auf die besondere politische und rechtliche Situation im ptolemäischen Ägypten ansehen, denn damit wurde das Verbindende über das Trennende in diesem antiken ‚Vielvölkerstaat’ gestellt.2067 – Dabei ist es formal gewiss richtig, diese Lösung nicht als dem heutigen ‚Internationalen Privat-Recht’ entsprechend anzusehen, weil das Ptolemäerreich ein geschlossenes Staatsgebiet war und es daher an der

2067 Damals wie heute können aber Gründe vorliegen, die ein Respektieren vertraglicher Rechtswahl ausschließen; etwa das, was wir heute ordre public nennen. – Im ptolemäischen Ägypten half die Regel den Gegensatz zwischen der ägyptischen und griechischen Bevölkerung aufzulockern und im Einzelfall zu überbrücken.

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Mehrheit staatlicher Akteure fehlte. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit; denn das alte ägyptische (yHDÈSJPK O²NPK) und das neue griechische Recht (auf der Grundlage der QPMJUJLPh O²NPJ) – die sich in den Jahrhunderten des Hellenismus gegenseitig beeinflussten und überlagerten2068 – standen einander eine geraume Zeit hindurch als erratische Blöcke gegenüber, indem sie gleichsam zwei Wertund Rechtsordnungen innerhalb des Ptolemäerreichs bildeten. Den einzelnen vertragsschließenden Parteien mochten dagegen bereits andere – in concreto sachlichere – Gesichtspunkte wichtig gewesen sein,2069 auch wenn sich in den beiden Rechtsblöcken durchaus Übereinstimmungen ergeben und bereits früh Rezeptionen stattgefunden hatten.2070 Diese innerstaatliche Regelung einer Kollision ist daher ein ebenso wichtiger Schritt hin zum modernen Internationalen Privatrecht wie das intermunizipiale Kollisionsrecht. Wir haben es mit unterschiedlichen Zwischenstufen zu tun; die ältere griechische Lösung erfüllt inhaltlich bereits alle Merkmale von echtem Kollisionsrecht. – Es ist daher keineswegs abwegig, wenn Hans Lewald an diese besondere rechtliche Situation innerhalb des Ptolemäerreichs kollisionsrechtliche Maßstäbe anlegt,2071 vielmehr ist ihm beizupflichten:2072 „Wir können als sicher annehmen, dass das Problem des internationalen Privatrechts im alten Griechenland als solches erkannt wurde und dass die griechischen Gerichte die Anwendung eines fremden Gesetzes nicht grundsätzlich ablehnten.“

Meine Untersuchung bestätigt diesen Befund, wenn auch der Begriff ‚internationales Privatrecht’ vielleicht nicht hätte verwendet werden sollen. – Manche Erscheinung in der Entwicklung des Kollisionsrechts war sogar bedeutend älter als noch von Hans Lewald angenommen. Es wird deutlich erkennbar, wie sehr H. J. Wolff2073 von einem Vorurteil geleitet war, wenn er meinte, dass das „juristische Denken der Griechen [...] immer verhältnismäßig primitiv“ geblieben sei.2074 Die frühen Beispiele von Kollisionsrecht aus der Zeit der griechischen Kolonisation und aus dem ptolemäischen Ägypten beweisen vielmehr, dass die Griechen sogar sehr bald ein durchaus beachtliches Talent und zudem Interesse für angemessene und originelle Lösungen und insbesondere auch für rechtliche Neuerungen besessen haben. – Damals stand aber noch kein (rechts)wissenschaftliches, sondern ausschließlich ein praktisches Interesse im Vordergrund,

2068 Mehr bei Taubenschlag 1936, 259 ff. 2069 So ist es gut vorstellbar, dass ein Grieche, um einen für ihn günstigen Vertrag zu schließen (der nach ägyptischem Recht ebenso vorteilhaft war wie nach griechischem) durchaus bereit war, zum ägyptischen Notar zu gehen, um damit seinem Vertragspartner entgegenzukommen. 2070 Auch dazu Taubenschlag (1936). 2071 Für das Römische Reich auch Sturm (1978). 2072 1968, 675. 2073 1964, 7. – Vgl. Wolff 1979, passim. 2074 Diese Bewertung lässt den Standpunkt des beurteilenden Betrachters erkennen.

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das durch die Kolonisationsbewegung geweckt und gefördert worden war. Deshalb versuchte man auch noch nicht, das eigene rechtspraktische Handeln theoretisch zu hinterfragen, zu systematisieren und in Regeln zu fassen. Kreativität zum Bewältigen bislang unbekannter Herausforderungen und zum Schaffen von Neuem ist im Rechtsdenken kein Vorrecht der ‚Theorie’. – Die Frage, die Wolff in seiner Studie aus dem Jahre 1979 stellt, ist daher nicht ohne weiteres sinnvoll: „Kannte die klassische Antike Begriff und Tatsache eines Internationalen Privatrechts?“

Die Antwort darauf sollte nicht als endgültig angesehen werden, auch sie ist nicht unproblematisch: „Weder griechische Gesetzgeber noch Rom haben jemals Bestimmungen von der Art der Art. 7-31 unseres Einführungsgesetzes zum [dt.] BGB. erlassen; ebenso hat kein römischer Jurist oder sonstiger antiker Autor jemals versucht, aus zusammenfassender Betrachtung tatsächlicher Praktiken oder im Wege theoretischer Überlegungen Prinzipien zu gewinnen, mit denen dem genannten Problem beizukommen war.“

Damit wird zu vieles ausgeblendet. Denn: es ist gewiss nicht die Regel, die am Beginn der Entwicklung steht, sie wächst vielmehr aus einer sich stetig festigenden Praxis.2075 Wie Graham nachweisen konnte, hatten sich schon in den Jahrhunderten der Großen griechischen Kolonisation rechtliche ‚Standards’ entwickelt, zu denen – wie in Naupaktos – am Ende der Großen Kolonisation ‚Ansätze’ eines privatrechtlichen Kollisionsrechts gehörten. Hinter diesen ‚Standards’ standen schon damals Überzeugungen und Wertvorstellungen etwa betreffend Erwerb und Verlust des Bürgerrechts, die Rückkehrrechte oder die Gleichheit der Siedler. – Die von Schönbauer2076 und Sturm2077 gezeigten Beispiele aus der römischen Praxis dürften eine inhaltliche Fortsetzung älterer griechischer Kautelarpraxis gewesen sein. Auch in anderen Fällen – etwa bei der Entwicklung des (Individual)Eigentums und damit im Zusammenhang beim sogenannten ‚Totenteil’ und bei der (erst hellenistischen) ‚Seelgerätstiftung’2078 – ist immer wieder festzustellen, dass das Fehlen eines ‚Begriffs’ und/oder einer zusammenfassenden Betrachtung zusammen mit einer wissenschaftlichen Reflexion und formulierten allgemeinen Prinzipien keineswegs den Schluss rechtfertigt, eine konkrete Rechtsordnung habe ein ‚Problem’ noch nicht erkannt.2079 Wir sollten uns zuletzt auch noch fragen, weshalb bereits das archaische Griechenland Normen wie die hier besprochenen geschaffen hat. Obgleich wir im

2075 Vgl. Paulus in Dig. 50,17,1 (16 ad Plaut.): „[…] non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fit […]“. 2076 1929, insbesondere 396 ff; dazu Anm. 1765 und 2054. 2077 1978; dazu Anm. 1765. – Zu Naupaktos: Sturm (1984 und 2002). 2078.Dazu Kapitel II 20. 2079 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Kränzlein; etwa 1963, 29.

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Detail davon keine Kenntnis haben, können wir darauf nur eine Antwort geben: damit sollten anstehende Lebensfragen gelöst und besser als bisher bewältigt werden. Es müssen Sachverhalte vorgefallen sein, welche ohne solche Regeln nicht oder doch weniger befriedigend gelöst werden konnten und die den Wunsch nach (besserer) Lösung hatten entstehen lassen. Denkbar wäre auch, dass um 500 v. C., zur Zeit der großen Naupaktos-Inschrift, bereits eine solche Praxis – also standardisierte Normen für Koloniegründungen und Nachzüglerunternehmungen – bestanden hatten und dass durch den Erlass der Regeln nur größere (Rechts)Sicherheit erreicht werden sollte. Hinter dieser Praxis stehen weiterreichende und tiefergehende Überlegungen. Sie haben viel später im Mittelalter zur Entwicklung der sogenannten ‚Statutentheorie’ und schließlich im 19. Jahrhundert zum Internationalen Privatrecht geführt. Die Gründung von Kolonien – vornehmlich jene von Apoikien – und die damit einhergehende Entstehung einer neuen Polis mit einer meist auf Dauer angelegten Beziehung zwischen Mutter- und Tochterstadt führten zum Erkennen der örtlich-räumlichen Grenzen der Rechtsgeltung und Rechtsanwendung. Damit im Zusammenhang stand die Einsicht, dass bei Beteiligung von wenigstens zwei Poleis– etwa Mutter- und Tochterstadt – an einem Fall bestimmt werden musste, welche der beiden Rechtsordnungen angewendet werden und nach welchen Kriterien dies geschehen sollte. Auch wenn manche Übereinstimmungen im Grundsätzlichen vorhanden waren, so mussten doch die beiden Rechtsordnungen nicht in allen Details übereinstimmen.2080 Damit scheint in ersten Umrissen die Einsicht gewachsen zu sein, dass Rechtsverhältnisse in jedem Bereich einen bestimmenden Kern oder Ort, ein Sitz, ein Zentrum haben, die es für die rechtliche Beurteilung zu berücksichtigen galt, wollte man den davon berührten Personen und Problemen ‚gerecht’ werden. Auch bei solchen Überlegungen scheint der Weg zum Kollisionsrecht – nachdem die Religion diese Aufgaben nicht mehr zu leisten vermochte – über das Fremdenrecht und insbesondere die Fremdengerichtsbarkeit geführt zu haben; denn hier hatten die zuständigen Magistrate und Gerichte nach der Lückenfüllungsregel des griechischen Richtereides nach dem Grundsatz der EJLBJPUƒUI HOÎNI zu urteilen. Diese konkrete Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft führte offenbar hin zu den Regeln einer angemessenen Lösung von Fällen mit Auslandsberührung. Das hatte praktische Leitlinien wie die lex fori, die lex delicti commissi oder die lex rei sitae oder – wie in Naupaktos – im Erbrecht das Berücksichtigen von Angehörigen/Verwandten etc. zwischen Mutter- und Toch-

2080 So schon Lewald, oben bei den Anm. 1762 oder 1779, nach dem diese Voraussetzungen das Entstehen von Kollisionsrecht erleichtert haben dürften. – Dazu kommt, dass mit zunehmender Dauer der Selbständigkeit in der Regel auch die rechtliche Autonomie der ‚Tochter’ anwuchs, was Probleme mit der ‚Mutter’ bedeuten konnte.

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terstadt nach dem Heimatrecht zur Folge.2081 – Wolff2082 und diesem folgend Wieacker2083 kamen einer solchen Deutung bereits nahe.2084 Wolff verbaute sich ein tieferes Verständnis aber dadurch, dass er die ‚reine’ lex fori überbetonte und in dieser Regel – auch nicht iVm der EJLBJPUƒUI HOÎNI – keinerlei Ansätze von Anknüpfungen nach der lex loci actus oder der lex loci delicti commissi zu erblicken vermochte. Eine Verbindung von lex fori und lex loci delicti commissi enthält aber schon der Freundschaftsvertrag zwischen den Städten Ephesos und Sardes vom Anfang des 1. Jahrhunderts v. C.2085 – Ich will damit nicht sagen, dass in archaischer, klassischer oder hellenistischer Zeit bereits abstrakt formulierte Kollisionsprinzipien oder -maximen bestanden haben; es scheint vielmehr bei richtungsweisenden Einzelentscheidungen und konkreten Regelungen und Vereinbarungen wie der naupaktischen geblieben zu sein.2086 Die Inschrift von Naupaktos beweist aber auch, dass damals über die bereits deutlich älteren öffentlichrechtlichen Kollisionsregeln hinaus auch schon privatrechtliche bekannt waren. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Regeln von Naupaktos die einzigen des griechischen Rechtskreises waren und es auch geblieben sind. Wir wissen, dass der Austausch auch rechtlicher Regelungen für Kolonien von alters her zwischen griechischen Poleis praktiziert wurde. Das belegen die von Graham nachgewiesenen ‚Standards’. All das ist nicht nur in die Antike projizierte Rechtsdogmatik,2087 sondern der Versuch, ein in manchem bereits erkennbares genuin griechisches Bemühen richtig zu verstehen. – Durch eine Koloniegründung entstand zwischen Mutterund Tochterstadt eine dauerhafte Rechtsbeziehung, man könnte auch sagen: die Keimzelle sowohl einer völkerrechtlichen, als auch einer intermunizipialkollisionsrechtlichen Rechtsbeziehung, auf die die Regeln des Fremdenrechts allerdings nicht passten! Die für diese Beziehung geschaffenen Regeln dienten offenbar dazu, daraus entstehende Rechtsfragen nicht kollidieren und dadurch zum Problem werden zu lassen, sondern sie angemessen zu lösen, obgleich die beiden Rechtsordnungen, die sich zudem auch weiterentwickelten, in manchen Punkten nicht übereinstimmten, einander widersprachen oder gar in sich unhar-

2081 Auch Wolff (1980, 45 bei und in Fn 127) hält – allerdings noch ohne Bezug auf Naupaktos – die Beurteilung erb- und personenrechtlicher Fragen nach dem Heimatrecht der betroffenen Partei für ‚denkbar’. 2082 1980, 45 f und öfter. 2083 1981, 582. 2084 Inhaltlich noch weiter Koerner (1993) und Sturm (1984 und 2002). 2085 Dazu bei Anm. 1776. 2086 Nach Koerner (1993) haben von dieser Möglichkeit aber auch bereits die Bürger anderer Poleis (Chaleion) Gebrauch gemacht. Die vielleicht von Opus ausgehende neue Regelung hatte sich offenbar bereits ausgebreitet. 2087 Grundsätzlich zur Vorsicht mahnend schon – freilich ohne Bezug zu unserem Thema – H. Mitteis 1947, 44.

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monisch waren. Damit wurde auch begonnen, nach der ‚Natur der Sache’, dem ‚Sitz’ oder den bestimmenden ‚gerechten’ Gründen von Rechtsverhältnissen mit mehrfacher Rechtsberührung zu fragen. Als zu berücksichtigende tatsächliche Verhältnisse, die es beim Ermitteln des ‚Sitzes’, von Rechtsverhältnissen zu bedenken galt, tauchten bereits damals bestimmte Gesichtspunkte für eine rechtliche Anknüpfung auf: • der Wohnsitz (später: lex oder forum domicilii) einer Person;2088 • der Ort der gelegenen Sache/die lex rei sitae (der vornehmlich im Liegenschaftsrecht zwi2089

schen Mutter- und Tochterstadt eine Rolle spielte);

• der Ort des Rechtsaktes (lex oder forum contractus, locus regit actum);2090 • der Ort, an welchem das zu verfolgende Delikt begangen worden war (lex oder forum de2091

licti commissi);

• und schliesslich der Gerichtsort (lex fori).2092

Die Kolonien von Thera-Kyrene und Opus-Naupaktos und der Synoikismos von Orchomenos-Euaimon belegen, zu welchen beachtlichen Leistungen die griechische Kautelarrechtspraxis aus sich heraus (und das heißt, soweit wir bislang sehen können, ohne Hilfe von außen und auch noch ohne Unterstützung durch Philosophie, Rhetorik oder Sophistik) schon in früher Zeit fähig war: Rechtskollisionen – oder wie man auch sagen kann, die Konkurrenz ganzer Rechtsordnungen oder auch nur innerstaatlicher Rechtsnormen – zu erkennen und zu deren Lösung inter-munizipial-zwischenstaatliches, interethnisches oder interprovinzielles Kollisionsrecht (als Vorläufer des modernen Internationalen Privatrechts und des Internationalen öffentlichen Rechts) oder auch nur Intertemporales Recht (zeitliche Übergangsregeln) innerhalb ein und derselben Rechtsordnung zu schaffen, war keine Kleinigkeit.

2088 Der Wohnsitz(wechsel) spielte bei Koloniegründungen oder Nachzüglerunternehmungen eine Rolle. 2089 Das Naupaktos-Dekret kennt bereits einen solchen Ansatz. 2090 Dieser Gesichtspunkt spielte in Kyrene und Naupaktos keine Rolle, wohl aber in manchen Isopolitie- und Synoikismosvereinbarungen. 2091 Davon wird bereits in Isopolitie- und Synoikismosregelungen Gebrauch gemacht; vgl. oben bei Anm. 1776 f. Der ‚Sitz’ oder ‚Schwerpunkt’ – heute sprechen wir von ‚stärkster Beziehung’ (vgl. § 1 Abs. 1 öIPRG) – begangener Delikte liegt am Ort ihrer Begehung, der häufig auch der Wohnsitz der vom Delikt betroffenen Personen ist. 2092 Auch dieser Ort spielt in ,Isopolitie- und Synoikismosregelungen eine Rolle; vgl. bei Anm. 1779. Er überlagerte wohl zunächst speziellere Anknüpfungsregeln, wie das forum contractus oder die lex loci delicti comissi. – Nach der Nachzügler-Inschrift von Naupaktos (~ 460-500) behielten die hypoknemidischen Lokrer auch als Aussiedler in Opus einen für sie günstigen Gerichtsstand; dazu auch Sturm 1984, 466. – Den Geist dieser älteren Entwicklung hat Maridakis in seinem Beitrag zur FS Lewald unter dem Titel „Die internationalprivatrechtliche Lehre Savignys im Lichte seiner Rechtsentstehungstheorie“dargestellt.(Vgl. schon bei Anm. 1691.)

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9. Anfänge des Völkerrechts „These volumes, […], will help to dispel the fiction, still sometimes repeated, that in the sixteenth and seventeenth centuries a group of writers, notably Albericus Gentilis and Grotius, ‚founded’ international law.“ J. Macdonall, Vorwort zu C. Phillipson (1911)

„Die politische Geographie Griechenlands erhöhte die Wirksamkeit [der] religiösen Überdachung des Völkerrechts, weil die Verletzung des Eides auf dem Forum unzähliger selbständiger Poleis und Stämme auf engstem Raum nicht verborgen bleiben konnte und also dem Rechts- und Traditionsbrecher keine Möglichkeit blieb, die Isolation zu umgehen. Hier liegt einer der Gründe für das ausgeprägte Rechtsbewußtsein der Griechen.“ Ernst Baltrusch, Symmachie und Spondai (1994)

Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für das Entstehen von gemeinem griechischen Recht2093 und von polisübergreifenden Rechtsgrundsätzen im gesamten griechischen Siedlungsraum leistete das interhellenische Völkerrecht.2094 Akteure und ideelle Träger als Völkerrechtssubjekte2095 waren bis ins 5. und 4. Jahrhundert vornehmlich hunderte Poleis und Staatenbünde,2096 später auch Bundesstaaten.2097 Die eingesetzten Instrumente waren bereits vielfältig: Spondai,2098 Bündnis-2099 und Symmachieverträge,2100 Isopolitie-2101 und Sympolitie-

2093 Zu gemeinsamen gesellschaftlichen Wertvorstellungen, aus denen nicht nur die olympische Religion, die Heroenkulte und das gesamte nomologische Wissen sondern auch das frühe griechische Recht hervorgehen konnte, Punkte 6 und 7 dieses Kapitels. 2094 Zu den Grundlagen und Anfängen des griechischen Völkerrechts: Preiser (1984/1995) und Ziegler (1994/20072, 23 ff); Baltrusch (1994) und Alonso (2007) alle mwH; auch Verdross 1964, 1 ff, 13 ff und 31 ff und Bedermann (2001). 2095 Die Poleis sind dabei grundsätzlich rechtlich gleiche Partner, wenngleich manche von ihnen immer wieder nach Hegemonie streben und diese zeitweilig auch erreichen. 2096 Unrichtig Schwind (1965), der die Vielfalt des zwischenstaatlichen Rechtslebens in der Antike verkannt hat. 2097 Funke 1994, 125 ff. 2098 Grundlegend Baltrusch (1994) – s. sogleich; zum Begriff auch Hampl 1936, 153 ff, der die Defensivsymmachie zwischen den Korkyräern und den Athenern aus dem Jahre 433 v. C. un-

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verträge,2102 Kapitulations-,2103 Friedensverträge2104 und Beuteaufteilungen,2105 Staatsverträge,2106 Schiedsgerichts-2107 und Rechtshilfeverträge,2108 Richterent-

tersucht. 2099 Etwa das um 540 v. C. gegen die immer mächtiger werdende persische Bedrohung geschlossene kleinasiatische Bündnis von 12 ionischen Städten, die (nördlich von Priene, auf der Halbinsel Mykale) das Panionion, als ein dem Poseidon Heliokonios geweihtes Heiligtum gründeten. Solche Bünde ‚verstärkten’ vereinheitlichende Tendenzen politisch, militärisch und rechtlich; vgl. dazu den Bericht von A. Franz 2004, 41. – Vgl. ferner die Studien von Larsen (1953/1969) zum frühen Achäischen Bund und (1960/1969) zum Böotischen Bund im Jahre 447 v. C. und Scordi (1953/1969) zu den Anfängen des Aitolischen Koinon. Zum Achaiischen Bund von 146-27 v. C. auch Schwertfeger (1974). 2100 Eingehend Baltrusch 1994, 3-91; vgl. auch Preiser 1956, 742, für den die Symmachie die „bei weitem wichtigste völkerrechtliche Verbindung griechischer Stadtstaaten“ war. 2101 Chaniotis 1996, 101 ff: „Der Begriff Isopolitie (dTPQPMJUFeB) bezeichnet die gegenseitige Verleihung des vollen Bürgerrechts an alle Bürger der Vertragspartner, die es vorzogen, Bürger der Partnerstadt zu werden (‚aktive’ oder ‚effektive Isopoliten’). Die Isopolitie wurde immer als ein individuell wahrzunehmender Rechtstitel verstanden. Durch die Isopolitie erhielten aber auch diejenigen, die ihr potentielles Bürgerrecht in der Partnerstadt nicht aktivieren wollten (‚Isopoliten im engeren Sinne’), gewisse Privilegien.“ – Isopoliten unterlagen aber meist wie Bürger der Steuerpflicht; Isotelie. Isopolitieverträge waren oft handelsrechtlich bedeutsam: Gewährung von Im- und Exportfreiheiten, Steuerbegünstigungen bis zur Atelie (= Steuerfreiheit) oder Zollfreiheit; Gawantka 1975, 59 ff; Ziegler 2002, 59. 2102 Chaniotis 1996, 104 ff: „Ein für die historische Geographie Kretas besonders wichtiges Phänomen ist die Zusammensetzung einer Bürgerschaft aus zwei weitgehend selbstverwalteten Gemeinwesen an verschiedenen Siedlungsplätzen.“ – Eine Sympolitie entsteht aus der vertraglichen Verbindung zweier unabhängiger Poleis, die künftig ein gemeinsames Bürgerrecht besitzen, aber ihre Selbstverwaltung beibehalten. 2103 Zum römischen Verständnis der deditio: Nörr (1989); dazu auch Dahlheim 1968, 5 ff und 1991, 41 ff. 2104 Bederman 2001, 155 ff und K. Schmidt (2002): Schmidt untersucht den berühmten Friedensvertrag von Kadesch (1270 v. C.), den Frieden des Antalkidas (386 v. C.) und den Friedensvertrag zwischen Byzanz und Persien (562 n. C.). 2105 Aymard (1957/1967/1969). 2106 Beispiele bei Hitzig (1907b), Bengtson 1969/1975 2, II und III und Brodersen et al. 1992/1996/1999, I-III. Zu den griechischen Staatsverträgen des 4. Jhs. v. C. (insbesondere aaO 8 ff und 85 ff: sogenannter Königsfrieden von 386 zwischen dem Perserkönig Artaxerxes und den Hellenen; aaO 26 ff und 103 ff: das gemein-hellenische Abkommen einer LPJOž FdS›OI von 362/361 kurz nach der Schlacht bei Mantineia; aaO 34 ff und 89 ff: der Vertrag von 338/37 nach Chaironeia, ebenfalls eine LPJOž FdS›OI uam.) hat Hampl (1938) untersucht. Vgl. auch Bederman 2001, 154 ff. 2107 Zur ‚International Arbitration amongst the Greeks’: Marcus N. Tod (1913; mH auf die Literatur des 19. Jhs.); Tods sorgfältige Studie enthält einen wertvollen Quellenüberblick (aaO 7-52). Vgl. auch Harter-Uibopu (1998): Schiedsverfahren; dazu Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht und Rechtsidee’. 2108 Vgl. Pkt. 8. – Auch Rechtshilfeverträge waren immer wieder von wirtschaftlicher Bedeutung, reichte ihr Inhalt doch vom Gewähren der Asylie (Schutz von Person und deren Eigentum), bis zu dem eines umfassenden Rechtschutzes durch einheimische oder fremde Richter; Ziegler 2002, 59.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

lehnungen; ferner Amphiktyonien,2109 panhellenische Feste,2110 der Epieikeiagedanke2111 samt der Pistis-/Treue-Formel2112 für die Vertragserfüllung2113 und -auslegung uam.2114 – Dazu traten früh Handelsverträge.2115

2109 Mannzmann, in: DKP I 311 ff und Ziegler 1994, 31/2007 2, 28 sowie Bederman 2001, 168 ff. – Verdross 19645, 31 ff. 2110 Vgl. Ulf 1997, 45 mwH: Zur Vorbereitung solcher Feste entsendet der Festort Boten, um offizielle Einladungen an „politische Einheiten“ zu überbringen; diese Boten werden von Organen der besuchten Poleis etc. empfangen; die „Boten verkünden für die Teilnehmer am Fest die Ekecheirie, einen von den Teilnehmerstaaten für die Teilnehmer garantierten friedlichen Zustand, bei dessen Verletzung durch ein Individuum auch der betreffende Staat zur Verantwortung gezogen wird“. – Das völkerrechtliche Gesandtschaftswesen geht offenbar auf diese Usancen zurück; vgl. bei Anm. 2307. 2111 Dazu am Ende dieses Punktes. 2112 Der Treuegedanke hat auch im Völkerrecht alte Wurzeln und ist nicht erst der griechischen oder gar der römischen, sondern schon der hebräisch-judäischen und der neuassyrischen Vertragspraxis bekannt (und hat vielleicht noch ältere Wurzeln); dazu Eckhart Otto, Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). – Zu Übergängen zwischen epieikeia/aequitas und pistis/fides: Nörr 1989, 151. Zur Fides im römischen Völkerrecht: Nörr (1989, 94 f und 103 ff und 1991; dazu Ziegler 1992, 482 ff und Dahleim 1968, 25 ff und 1991, 41 ff) und Calderone 1964, 33 ff. Nörr geht auf die analoge ältere völkerrechtliche Terminologie und Praxis hinsichtlich der fides nicht ein und erweckt dadurch den Eindruck, als handle es sich um eine römische ‚Erfindung’. Das wird noch verstärkt, wenn Nörr 1991, 4 f sagt: „Gerade im Bereich der internationalen Beziehungen beanspruchen die Römer, das Volk der fides zu sein – im Gegensatz zu den perfiden Puniern oder auch Griechen.“ Er zitiert Schulz (1934, 152): „Die Römer werden pathetisch, wenn sie von der Fides reden“. Die daran anschließenden Ausführungen Nörrs (5 f und 9 f, 38 etc.) relativieren auch schwerste Verstöße gegen das Völkerrecht. Wohltuend kritisch gegenüber einer weitverbreiteten unkritischen Haltung zur römischen ‚fides’ Dahleim (1991, zB 50), der von einem „schillernden Begriff […] im Katalog der römischen Werte“ spricht. Dass die römische Fides bei völkerrechtlichen Kontakten immer wieder aus Opportunitätsgründen auch bewusst missachtet wurde (Nörr 1989 und 1991: Beispiele L. C. Lucullus und S. S. Galba/Lusitaner 151/150 v. C.; Gallierkatastrophe von 387 v. C. und Zerstörung Korinths nach der Kapitulation des achäischen Bundes 146 v. C.), hat auch Grassl in seinem Tagungsreferat 2008 (in Druck) gezeigt. – Zum römischen Völkerrecht (ius fetiale, Kriegseröffnung, amicitiaVerhältnisse uam.): Zack (2001; dazu Ziegler 2005, 267 ff: Schwäche – Das römische Völkerrecht wird isoliert dargestellt!) und Dahleim (1968). 2113 Der Treuegedanke hat auch im Völkerrecht alte Wurzeln und ist nicht erst der griechischen oder gar der römischen, sondern schon der hebräisch-judäischen und der neuassyrischen Vertragspraxis bekannt (und hat vielleicht noch ältere Wurzeln); dazu Eckhart Otto, Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). – Zu Übergängen zwischen epieikeia/aequitas und pistis/fides: Nörr 1989, 151. Zur Fides im römischen Völkerrecht: Nörr (1989, 94 f und 103 ff und 1991; dazu Ziegler 1992, 482 ff und Dahleim 1968, 25 ff und 1991, 41 ff) und Calderone 1964, 33 ff. Nörr geht auf die analoge ältere völkerrechtliche Terminologie und Praxis hinsichtlich der fides nicht ein und erweckt dadurch den Eindruck, als handle es sich um eine römische ‚Erfindung’. Das wird noch verstärkt, wenn Nörr 1991, 4 f sagt: „Gerade im Bereich der internationalen Beziehungen beanspruchen die Römer, das Volk der fides zu sein – im Gegensatz zu den perfiden Puniern oder auch Griechen.“ Er zitiert Schulz (1934, 152): „Die Römer werden pathetisch, wenn sie von der Fides reden“. Die daran anschließenden Ausführungen Nörrs (5 f und 9 f, 38 etc.) relativieren auch schwerste Verstöße gegen das Völkerrecht. Wohltuend kritisch gegen-

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Polisübergreifendes Staats- und Rechtsdenken

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Polisübergreifendes Staats- und Rechtsdenken Als Beispiele für ein bereits im antiken Griechenland bestehendes politisches Denken über die Polis hinaus, werde ich (neben der bereits erwähnten ‚internationalen’ Schiedsgerichtsbarkeit) die Amphiktyonien und die für das nachklassische Griechenland erkennbare Tendenz zum Bundesstaat behandeln.2116

Amphiktyonien Amphiktyonien waren sehr alte, früh nach den Dunklen Jahrhunderten von den Umwohnern/‚NGJLUePOFK, Nachbarvölkern und Grenznachbarn eines Heiligtums für unterschiedliche Götter – etwa Demeter, Apollon, Poseidon – gegründete Bünde mit kultischen, religiösen, partiell aber auch politischen Zielen.2117 Wie die Symmachien wurden sie durch völkerrechtlichen Vertrag als Eidgenossen-

über einer weitverbreiteten unkritischen Haltung zur römischen ‚fides’ Dahleim (1991, zB 50), der von einem „schillernden Begriff […] im Katalog der römischen Werte“ spricht. Dass die römische Fides bei völkerrechtlichen Kontakten immer wieder aus Opportunitätsgründen auch bewusst missachtet wurde (Nörr 1989 und 1991: Beispiele L. C. Lucullus und S. S. Galba/Lusitaner 151/150 v. C.; Gallierkatastrophe von 387 v. C. und Zerstörung Korinths nach der Kapitulation des achäischen Bundes 146 v. C.), hat auch Grassl in seinem Tagungsreferat 2008 (in Druck) gezeigt. – Zum römischen Völkerrecht (ius fetiale, Kriegseröffnung, amicitiaVerhältnisse uam.): Zack (2001; dazu Ziegler 2005, 267 ff: Schwäche – Das römische Völkerrecht wird isoliert dargestellt!) und Dahleim (1968). 2114 Auch der aus dem frühen Privat- und Strafrecht stammende Gedanke der ‚Vergeltung’ spielt im Völkerrecht (bis in die Moderne) eine bedeutende Rolle; man denke an die Kriege aus Rache: Troianischer Krieg, auch der Feldzug Alexander des Großen wird so begründet. Allgemein zur ‚Idee der Wiedervergeltung’ L. Günther (1889), der aaO 17 f Fn 31 mwH auch auf das Völkerrecht eingeht. 2115 Dazu Ziegler (2002) mit Beispielen: Regeln für den Handelsverkehr in Staatsverträgen des Altertums. – „Staatsverträge, die Regelungen für den Handelsverkehr zwischen Bürgern verschiedener Staaten oder Reiche treffen, sind praktisch so alt wie das Völkerrecht.“ Schon der älteste Staatsvertrag, der in Nordsyrien gefundene Vertrag zwischen Ebla und Assur aus der Mitte des 3. Jts., enthält Bestimmungen über den grenzüberschreitenden Handel. Die Regelungen betrafen zunächst vornehmlich die Sicherheit der auf fremdem Territorium tätigen Kaufleute. (Zu Ebla: H. Klengel, in: DNP III (1997) 861 f.) Ziegler bringt neben weiteren Beispielen aus dem Alten Orient, auch solche aus Griechenland. 2116 Tausend (1992) behandelt Amphiktyonie und Symmachie als Formen zwischenstaatlicher Beziehungen (im archaischen Griechenland). – Zu Staatenbund und Bundesstaat auch Ehrenberg 19652, 126 ff: Behandelt werden zwischenstaatliche Beziehungen, Amphiktyonien, hegemoniale Symmachien sowie Stamm- und Landschaftsbünde. 2117 Bengtson (1951) und Tausend (1992). – Funke 1994, 131 f zählt auch Amphiktyonien zu den „Formen polisübergreifender Herrschaftsorganisation“ und Vorläufern griechischen bundesstaatlichen Denkens, zumal sie auch eine zwischenstaatliche Verhältnisse regelnde Ordnungsfunktion hatten.

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schaft von den alten Stammesverbänden (zunächst 12, dann 14) begründet und waren polisübergreifende, überstaatliche Organisationen mit eigenem Statut, Vermögen und Organen, juristische Personen und nach heutigem Verständnis Völkerrechtssubjekte. Die älteste Amphiktionie war anscheinend die von Anthela (Demeterheiligtum in den Thermopylen), die berühmtesten aber waren die Amphiktyonien von Delphi und Delos.2118 In Delphi (Apollon)2119 und Anthela (Demeter) versammelten sich zweimal jährlich (Frühling und Herbst) die Amphiktyonen, „um als Kultgenossen ihre religiösen Aufgaben zu erfüllen und über gemeinsame Anliegen zu beraten.“ (Mannzmann) In die Ratsversammlung entsandte jeder Verband zwei Vertreter/hieromnémones, die auf ein Jahr bestellt wurden. Daneben betrauten die Mitglieder auch Botschafter/pylagóroi ohne Stimmrecht mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Amphiktyonien führten heilige Kriege und besaßen gesetzgebende und richterliche Gewalt für ihre Mitglieder. Nach Preiser2120 nimmt unter den Staatenverbindungen völkerrechtlicher Art der Kultverband der Amphiktyonie insofern eine Sonderstellung ein, als hier eine ursprünglich sakrale Zielsetzung (Schutz des gemeinsamen Heiligtums) zu wichtigen zwischenstaatlichen Einrichtungen geführt hat: „Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß Gottesfriede und Asylrecht in den hierhergehörigen religiösen Zentren ihre erste dauernd gesicherte Stätte gefunden haben.“

Die Amphiktyonien zeigen, dass die Verbindungen zwischen Recht und Religion im alten Griechenland stärker waren, als mitunter angenommen wird.2121 Das überrascht schon deshalb nicht, als die beiden Bereiche lange im nomologischen Wissen vereint waren und sich erst spät ausdifferenzierten. – Die Amphiktyonien trugen somit nicht nur zur Entstehung, Pflege und Erhaltung gemeinsamer religiöser und kultischer Vorstellungen bei, sondern sie brachten auch gemeinsame Rechtsgrundsätze und Wertvorstellungen hervor.2122 – Heuß spricht treffend von Amphiktyonenvölkerrecht, das auch zu einer frühen Humanisierung des Kriegsrechts beigetragen hat. Berühmt ist der Schwur der delphischen Amphiktyonen, mit dem sich die Mitglieder verpflichteten, eine dem Bund angehörende Stadt weder zu zerstören, noch sie auszuhungern oder vom fließenden Wasser abzuschneiden, ob im Krieg oder im Frieden. Damit verbunden war die Ver-

2118 Tausend 1992, 47 ff, der 55 ff auch auf die ionische Amphiktyonie vom Panionion eingeht. 2119 Vgl. Tausend 1992, 34 ff. 2120 1956, 742. – Preiser ist der Begründer der Völkerrechtsgeschichte: Zur Person Ziegler 1999, 659 ff. 2121 Dazu Kapitel II insbesondere 4-6: ‚Keine getrennte Buchhaltung’ (R. Maschke). – Vgl. die weiterführenden Hinweise zum Asylrecht, im Unterpunkt: ‚Gemeingriechisches Völkerrecht’ (Anm. 2312). 2122 Dazu Pkt. 7 dieses Kapitels bei und in Anm. 1607 und Heuß 1946/1969, 53 f.

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pflichtung, gegen Mitglieder bei Verletzung des Schwurs2123 einen gemeinsamen Vernichtungskrieg zu führen.2124 „Das Verbot der angeführten, als unerträglich empfundenen Kriegsmaßnahmen hat das griechische Kriegsrecht der Folgezeit beeinflußt, ohne doch allgemein bindende Regeln zu erzeugen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einem gemeinsamen Sanktionsunternehmen aber, für den modernen Betrachter von hoher Aktualität, ist zu einem festen Bestandteil der auf die 2125 Herstellung eines ‚allgemeinen Friedens’ gerichteten Verträge des 4. [Jhs.] geworden.“

Von Staatenbünden zu Bundesstaaten Die zwischenstaatlichen Beziehungen in Griechenland haben nach den langen und verheerenden Kriegen, Peloponnesischer Krieg (431-404) und Korinthischer

Abb. 15: Die griechischen Bundesstaaten im 3. Jh. v. C. (aus: P. Funke 2007, 82 f)

Krieg (395-386), nicht nur zu Staatenbünden geführt, sondern auch zur Entwicklung von bundesstaatlichen Strukturen beigetragen.2126 Die im Gefolge der krie-

2123 Diese Fluchformel folgt wahrscheinlich orientalischem Vorbild; dazu bei Anm. 2226. 2124 Das durch Aischines (II 115) überlieferte Bündnis der delphischen Amphiktyonie ist abgedruckt bei Bengtson 19752, II 3 f (Nr. 104). 2125 Preiser 1956, 742. 2126 Nach R. M. Errington 1994, 121 ff zeigen die inneritalischen Verhältnisse „ein völlig anderes

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gerischen Auseinandersetzungen unternommenen Versuche, eine sogenannte LPJOž FdS›OI – das ist eine umfassende allgemeine Friedensordnung bei Wahrung der einzelstaatlichen Autonomie – zu schaffen, misslang.2127 In der Hoffnung, eine dauerhaftere Balance der Kräfte zu erreichen, waren in Griechenland vor allem im 3. Jahrhundert Bundesstaaten geschaffen worden. Es ist das Verdienst von Peter Funke, dies deutlich gemacht zu haben:2128

Abb. 16: Die griechischen Bundesstaaten im 2. Jh. v. C. (aus: P. Funke 2007, 82 f)

„Ein Blick auf die politische Landkarte des 3. Jhdt.s v. Chr. verdeutlicht den tiefgreifenden Wandel der griechischen Staatenwelt […] Das griechische Mutterland hatte sich von einer Welt zahlloser, jeweil auf die eigene Autonomie sorgfältig bedachter Einzelstaaten in eine Welt von Bundesstaaten verwandelt. Sieht man einmal von einigen ganz wenigen Poleis wie

Bild der zwischenstaatlichen Beziehungen“, als die von Griechenland bekannten Strukturen; dazu auch Th. Hantos (1983). 2127 Dazu unten bei Anm. 2362. 2128 1994, 125 ff uH auf J. A. O. Larsen (1968), Busolt/Swoboda (1920-19263), Walbank (1983) und Giovannini (1971).

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Kreta

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Athen und Sparta ab, deren politische Bedeutung stark zurückgegangen war, so waren alle ehemals eigenständigen Staaten in der einen oder anderen Weise Mitglieder eines bundesstaatlich organisierten Verbandes. Der Bogen reicht vom Epirotischen und Thessalischen Bund im Norden über den Akarnanischen, den Boiotischen und Euböischen Bund bis hin zum Nesiotenbund in der Ägäis; allen voran dominierten – einmal von den makedonischen Einflusssphären abgesehen – im politischen Kräftespiel der griechischen Freistaatenwelt der Aitolische Bund in Mittelgriechenland und der Achäische Bund auf der Peloponnes.“

Diese Entwicklung zu einem bundesstaatlichen Denken im nachklassischen Griechenland verkörpert nach F. W. Walbank2129 „in einer Welt der monarchisch regierten Staaten die ungebrochene Fähigkeit der Griechen, auf eine neue politische Herausforderung mit neuen Lösungen zu antworten“. Dabei drängt sich die Frage auf, „ob nicht der Föderalismus, ein anderes Jahrhundert ohne Rom vorausgesetzt, frische und fruchtbare Aspekte entwickelt hätte“. Bot diese Staatsform doch die Möglichkeit, „die Begrenzungen von Größe und die relative Schwäche, die den einzelnen Staaten anhaftete, zu überwinden. Es fehlte nur die Zeit dazu.“ – Funke spricht von einer „Vielfalt der Erscheinungsformen“, als Ergebnis eines „politischen Gärungsprozesses“, der durch das Eingreifen Roms unterbrochen worden sei.2130

Kreta Einen Überblick über das intermunizipiale griechische Völkerrecht zwischen kretischen Poleis gibt Angelos Chaniotis. Er zeigt, welche Vielfalt an rechtlichen Instrumenten auf Kreta in hellenistischer Zeit vorhanden war: 2131

2132

Staatsverträge; Friedensverträge, verschiedene Bündnisse (bilaterale und hegemoniale, 2133 2134 2135 Isopolitieund Sympolitieverträge; Vereinbarungen wirtschaftliSymmachien), 2136 chen Charakters; verschiedene Freundschaftsverträge (Feste, Agone, Amphiktyonien: zB 2137 Nr. 61, 11, 14, 26); Rechtshilfeverträge (zB Nr. 18: zwischen Gortyn und Lato); Schiedsvereinbarungen (zB Nr. 54, 55); Grenzverträge (zB Nr. 4, 49, 62) uam.

2129 1983, 163; zustimmend Funke 1994, 127 f. 2130 1994, 130 f. 2131 Nach Kränzlein (1963, 38) erfolgte die gegenseitige Einräumung von Privilegien zum Erwerb von Grund und Gebäuden durch Staatsvertrag nur vereinzelt; vgl. aber das Beispiel Hierapytna und Priansos (GDI 5040) und dazu in Kapitel II 22: ‚A. Kränzlein – Zum griechischen Eigentumsverständnis in der klassischen Ära (Eigentumsfähigkeit als Teil der Rechtsfähigkeit)’. 2132 Chaniotis, aaO: zB Nr. 40, 43. 2133 Chaniotis, aaO: zB Nr. 51 f, 75 f, 78 f. 2134 Chaniotis, aaO: zB Nr. 5, 14 f. 2135 Chaniotis, aaO: zB Nr. 70-73. 2136 Dazu Chaniotis 1996, 120 ff (Ausfuhr- und Bergungsrecht) und 122 (Geldgeschäfte). 2137 Dazu Chaniotis 1996, 123 ff.

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Ziel der Vereinbarungen wirtschaftlichen Charakters war nach Chaniotis auch die Klärung der Frage, welches Recht bei solchen Geschäften anzuwenden ist.2138 Hiefür gelte die „allgemeine Regel, dass das Recht der Stadt, in der die Transaktion stattgefunden hat, Anwendung finden soll.“ – Gawantka erörtert diese kollisionsrechtlichen Fälle eingehender, und er trennt bereits Gerichtsstandsvereinbarungen und Kollisionsrecht:2139 „Bezüglich des Gerichtsstandes, der für den Isopoliten gilt, kennen die Isopolitievereinbarungen nicht weniger als vier Möglichkeiten“: - das bürgerliche [iSv ordentlichem] Gericht (hier 2140 - Behörden, die für den Fremdenwerden die Isopoliten wie ansässige Bürger behandelt); prozess zuständig sind (hier werden die Isopoliten wie Fremde behandelt); - das Gerichtsverfahren, das den Proxenoi offensteht (hier werden die Isopoliten ebenfalls wie Fremde behan2141 - und schließlich ist mitdelt, „deren Status jedoch vor dem der Bürger privilegiert ist“); unter ein zwischenstaatliches Gericht zuständig, das aus einer dritten unbeteiligten Stadt be2142 stellt wird.

Zum Kollisionsrecht in Isopolitievereinbarungen bemerkt Gawantka:2143 „Auch auf die Frage, welches Recht im Rechtsverkehr zwischen den Isopoliten i. e.S. und den ansässigen Bürgern angewendet werden soll, findet sich nicht nur eine Antwort, sondern 2144 oder es soll entschieden zwei: entweder das Recht, das in der Stadt des Isopoliten gilt, 2145 werden LBU† Uµ O²NP Uµ xLBUzSI LFJNzOP.“ – Damit wird festgelegt, dass das Recht des angerufenen Gerichts angewendet werden soll. Gawantka resumiert: „Diese sehr unterschiedlichen Regelungen zeigen hinreichend, wie schwer es war, für beide Seiten zufriedenstellende Regelungen zu finden; vor allem aber wird an ihnen manifest, dass die Gleichstellung der Isopoliten i. e. S. mit den eingesessenen Bürgern offensichtlich nur eine – und zudem recht selten benutzte – Möglichkeit unter mehreren war und dass durch die Vereinbarung des ‚potenziellen’ Bürgerrechts die Antwort auf die Frage, wie man den zwischenstaatlichen Rechtsverkehr konkret regeln sollte, in keiner Weise 2146 zu ihren Gunsten präjudiziert war.“

Damit war – nämlich über die Koloniegründungsverträge hinaus – intermunizipiales Kollisionsrecht geschaffen und die Grundsätze des locus regit actum und

2138 Chaniotis verweist hier auf Hitzig 1907, 42. 2139 1975, 49 ff. 2140 Gawantka (1975, 49); Vertrag zwischen Hierapytna und Praisos (Anfang 3. Jh. v. C.). 2141 Rechtsakt betreffend Hierapytna und Priansos (Anfang 2. Jh. v. C.). 2142 Rechtsakt betreffend Hierapytna und Magnesia/Maiandros (Anfang 2. Jh. v. C.). 2143 1975, 50. 2144 Vertrag zwischen Lato und Eleutherna (aus dem 2. Jh. v. C.). 2145 Vertrag zwischen Lato und Olus (aus der zweiten Hälfte des 2. Jh. v. C.) und Vertrag zwischen Hierapytna und Priansos (Anfang 2. Jh.). 2146 Mehr bei Gawantka, aaO 50 f.

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der lex fori als Ausfluss des Territorialitätsprinzips verwirklicht, mithin vom Personalitätsprinzip abgegangen worden.2147 Chaniotis untermauert seine Ausführungen durch zahlreiche Vertragstexte, die er im Originaltext mit Übersetzung wiedergibt und kommentiert.2148

Völkerrecht und Kolonisation Auf die völkerrechtliche Entwicklung im antiken Griechenland gehe ich auch deswegen ein, weil im Rahmen der Kolonisation häufig Symmachie-, also Beistands- und Bündnisverträge, Symmachiedekrete oder doch ähnliche Klauseln formuliert wurden für den Fall des Angriffs eines Dritten auf das Gebiet der Tochter- oder Mutterpolis. Die Kolonisation wirkte sowohl auf das Entstehen als auch auf die Praxis des griechischen Völkerrechts stimulierend ein.2149 Die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt2150 waren vielfältig und reichten von familiär-herzlichem Entgegenkommen bis zum Krieg. Im Streit zwischen Mutter- und Tochterstadt – etwa zwischen Korinth und Kerkyra wegen Epidamnos, einer Gründung Kerkyras – regten die Kerkyraier eine schiedsrichterliche Entscheidung durch peloponnesische Städte an,2151 was Korinth ablehnte, worauf sich die Kerkyraier an Athen um Hilfe wandten. Die Kerkyraier erwogen auch, sich der Entscheidung des Delphischen Orakels zu unterwerfen, das demnach nicht nur bei Koloniegründungen, sondern auch bei Streitigkeiten zwischen Tochter- und Mutterstadt in Erscheinung trat und dabei die Funktion einer neutralen, über den Parteien stehenden (Schieds)Instanz wahrnahm. Im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Korinth und Kerkyra, die zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges beitrug, wurde auch ein Waffenstillstand vorgeschlagen, eine andere Art von völkerrechtlicher Vereinbarung.2152 Auch das Entstehen von intermunizipialem Kollisionsrecht gehört zum Völkerrecht: So wird – ich folge hier Meister – die kollisionsrechtliche Lösung für die opuntischen Nachzügler nach Naupaktos durch eine vorangehende völkerrechtliche Vereinbarung (wohl als Staatsvertrag zu werten) zwischen den Poleis Naupaktos und Opus2153 vorbereitet. – Der Peloponnesische Krieg setzt jedoch auch andere

2147 Zum Kollisionsrecht in Isopolitievereinbarungen Gawantka 1975, 49 ff. 2148 1996, 179 ff. – Zu den Dekreten/Beschlüssen der Polis Praisos/Priansos betreffend ihr Rechtsverhältnis zu den abhängigen ‚Gemeinden’ der Staliten und Setaiten aus dem frühen 3. Jahrhundert s. sogleich. 2149 So auch Ziegler 1994, 30 f (20072, 24 f). 2150 Bei Apoikien handelte es sich meist um souveräne Poleis. Im Streit zwischen Kerkyra und Korinth betonen die Kerkyraier ihre ‚Gleichberechtigung’; Thukydides I 34 (1). 2151 Thukydides I 28 (1). 2152 Dazu mehr bei Baltrusch (1994). 2153 Zu Entwicklung von Opus: Ehrenberg 19652, 29.

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für die Entwicklung des ‚griechischen’ Völkerrechts wichtige Themen auf die ‚Tagesordnung’, die – wie die Diskussion des sogenannten Rechtes des Stärkeren – schließlich zur Humanisierung des Kriegsrechts beitragen; ein Anstoß, der vornehmlich durch die Stoa erfolgt ist.2154 Man fragte etwa: Kann und darf der Stärkere dem Schwächeren (im Krieg oder durch Kriegsdrohung wie Athen gegenüber den Meliern) seinen Willen aufzwingen, oder sind solchem Ansinnen Grenzen gesetzt? Dabei musste als Begründung für und gegen die Annahme eines solchen Rechts des Stärkeren das Vorbild der Natur herhalten, aber auch religiöse oder rechtliche Gründe wurden vorgebracht. In ihrer Antwort auf derartige Argumente der Melier stützen sich die Athener im Melierdialog geradezu unverfroren auch auf religiöse Argumente.2155

Privatrecht als Ideenlieferant Das Instrumentarium des griechischen Völkerrechts stammte – und das gilt nicht erst für die griechische Entwicklung – zum (Groß)Teil aus dem Privatrecht, wurde aber in seiner Anwendung dem neuen Gebiet angepasst; was nicht nur auf das Vertrags(schluss)modell, sondern etwa auch auf das Konzept der Epieikeia/aequitas und der Pistis/fides (Treuegedanke bei Abschluss und Erfüllung von Verträgen) zutrifft.2156 Auch die Schiedsgerichtsbarkeit hat sich, ausgehend vom privaten Bereich, zunächst auf die öffentlich-staatliche und von hier auf die völkerrechtliche Ebene ausgedehnt.2157 – Die ‚Anleihen’ des Völkerrechts aus dem Privatrecht sind noch bei Hugo Grotius erkennbar, der in seinem Werk ‚De iure belli ac pacis’ (1625) das Völkerrecht anhand der Privatrechtslehre weiterentwickelt hat.2158

2154 Dazu in Kapitel VII :1: ‚Entstehung von Rechtsgefühl/Rechtsbewusstsein’ (F. Hampl) und in Kapitel X 5: ‚Graeca leguntur’?. – In diesem Sinne auch Dahlheim (1991). 2155 Thukydides V 105 (1) ff und dazu Kapitel IV: Melierdialog. 2156 Zu Übergängen zwischen Epieikeia/aequitas und pistis/fides: Nörr 1989, 151; auch 108: demosia pistis/fides publica. – Bederman 2001, 171 ff (The nature of Greek treaty-making) geht auf Abschluss und Beurkundung der griechischen Staatsverträge ein und behandelt ihre Beeidigung, den Ausschluss von Betrug und die Stellung von Geiseln; dazu Kapitel VI 2: ‚Kannte das griechische Recht ‚Willensmängel’? etc. 2157 Dazu in Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht und Rechtsidee – Prozessrechtsgeschichtliche Entwicklungsschritte’ und dort insbesondere: ‚Das private Schiedsgericht’. 2158 Dazu L. Winkel (2006). – Zu einer „zentralen Figur des Völkerrechts scheint die fides erst durch Grotius geworden zu sein“; Nörr 1989, 156, der auf Fikentscher (1979, 63: De fide et perfidia) verweist. Vgl. auch Nörr 1991, 45 ff.

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Abb. 17: Korinth – Kerkyra – Epidamnos

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Völkerrecht und Alter Orient „Daß das mit den alten Griechen beginnende europäische Völkerrecht nicht aus dem historischen Dunkel auftaucht, sondern mit dem Völkerrecht des Alten Orient verbunden sein muß, erscheint einleuchtend, auch wenn dieser Zusammenhang vielfach noch nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Dabei sind politische und kulturelle Zusammenhänge längst bekannt. Schon die mykenische Welt wird in mancher Hinsicht als Mittler zwischen dem Nahen Osten und Griechenland gedient haben. Vielfältige Beziehungen zum Orient haben Griechen auch in assyrischer Zeit und in der altorientalischen Spätzeit unterhalten.“ K.-H. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte (1994/20072)

Die weltweit „ältesten Spuren eines Völkerrechts“ finden wir im Alten Orient, im Süden des Zweistromlandes auf dem Gebiet des heutigen Irak, sie stammen aus der Mitte des 3. Jahrtausends. Träger waren vornehmlich die sumerischen Stadtstaaten, die bis in das 4. Jahrtausend hinaufreichen.2159 Es wird aber angenommen, dass schon in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends zwischen den sumerischen Stadtstaaten untereinander und zu ihren Nachbarn, insbesondere dem östlich gelegenen Elam, völkerrechtliche Beziehungen bestanden haben. Historisch greifbar werden Aktivitäten des alten Sumer aber erst in der zweiten Jahrtausendhälfte. Koroãec datiert die frühsumerische Epoche mit etwa 2500-2350.2160 – Die ältesten Belege stammen aus dem sumerischen Stadtstaat Lagaã – sogenannte ‚Geierstele’, die im Louvre aufbewahrt wird – und nicht aus einer der ruhmreichen alten Städte Eridu, Ur, Uruk oder Kiã.2161 Die Geierstele enthält einen Friedensvertrag zwischen dem siegreichen Lagaã und dem besiegten angrenzenden Stadtstaat Umma; streitig waren Grenzverlauf, Wasserrechte und die Nutzung eines Weidegebietes, das von alters her als Guedena, ‚Rand des Eden’ bezeichnet worden war.2162 – Die bekräftigende Eides-

2159 Preiser (1996). Vgl. auch H. Neumann (2003) und Bederman 2001, 21 ff und 137 ff (Staatsverträge). – Zum frühen ‚Staatsbegriff’ in Anm. 2281. Zu den sonstigen kulturellen Leistungen der Sumerer und der späteren Kulturen im Zweistromland: Rollinger 2008 3, 279 ff und Schretter, ebendort 303 ff; vgl. auch Kapitel VI 4: ‚Mesopotamien …’. 2160 1964, 57 ff. 2161 Preiser 1996, 229. 2162 Als Schwurgötter des Friedensvertrages werden nicht die Stadtgötter der Streitparteien, „son-

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leistung zu diesem Vertrag ist bereits „mit einer Selbstverfluchung für den Fall des Vertragsbruches verbunden“, eine Praxis, die dann auch im archaischen Griechenland üblich wurde:2163

Abb. 18: Frühes Mesopotamien mit den Sumerischen Stadtstaaten und ihren Nachbarn

„Man sieht, es wird [sc. schon damals] alles getan, um dem Vertragsgegner und seinem Anhang die bei Eidbruch drohende grausame Vergeltung so anschaulich wie möglich vor Augen zu führen.“ – „Die Rechtsfigur der durch den Bruch des beschworenen Abkommens bedingten Selbstverfluchung begegnet, soviel ich sehe, im zwischenstaatlichen Bereich an dieser 2164 Stelle zum ersten Mal.“

Eine weitere Institution des zwischenstaatlichen Lebens, die „um die Mitte des dritten Jahrtausends bereits Rechtscharakter [?] erworben haben dürfte, ist […] die sogenannte ‚Bruderschaft’ (sumerisch nam-ãeã)“, das ist die Bezeichnung eines anderen souveränen, also gleichrangigen Herrschers als ‚Bruder’. – Auch diese Praxis „hat in der Folge nicht nur im Alten Orient Schule gemacht“.2165

dern sechs Hauptgottheiten des sumerischen Pantheons angerufen, an ihrer Spitze Enlil, der ‚Reichsgott’ aus Nippur, das schon früh zum religiösen Mittelpunkt des Sumerertums erwachsen war“; Preiser, aaO 230. 2163 Preiser 1996, 230 und ebenso Ziegler 2007 (in Druck). 2164 Hervorhebung von mir. 2165 Preiser 1996, 230 f; Hervorhebung von mir.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

Die weitere Entwicklung des s erfolgt dann im ersten altorientalischen Großreich, das Sargon von Akkad nach der Unterwerfung der sumerischen Stadtstaaten nach der Mitte des 24. Jahrhunderts begründet hatte.2166 Der Versuch zur Errichtung eines Weltreichs durch die Dynastie von Akkad (~ 2350-2150) trug nicht zur Beruhigung bei, verstärkte die zwischenstaatliche Unsicherheit. – Ab dem Ende des 3. Jahrtausends brachte diese Situation „in Vorderasien eine wahre Welle innerstaatlicher Kodifikationen“ hervor, die aber zwischenstaatlich keine Änderungen bewirkten. Innerstaatlich haben diese ‚Kodifikationen’ aber „die Rechtsstellung des einfachen Bürgers gewaltig gehoben und gewiß bei nicht wenigen das Gefühl für das eigene Recht und die es sichernde Rechtsordnung überhaupt erst geschaffen. Denn die berühmte Stelle aus dem Epilog des […] Kodex Hammurabi […] war, wie wir wissen, kein bloßes Gerede“:2167 „Der entrechtete Bürger, der in einen Rechtshandel gerät, trete vor mein Bildnis als König der Gerechtigkeit, und dann lese er meinen Schriftstein und höre meine kostbaren Worte, und mein Denkstein kläre ihm seinen Rechtshandel, seinen Rechtsspruch soll er ersehen […].“

Über die völkerrechtlichen Beziehungen der akkadischen Herrscher sind wir durch eine Tontafel, die im elamischen Susa gefunden wurde, unterrichtet. Es geht darin um einen zwischen Naramsin von Akkad und einem Elamerkönig zwischen 2291 und 2255 in elamischer Sprache abgefassten Vertrag, der bereits die später so bezeichnete Freund-Feind-Klausel enthält:2168 „NarƗm-Sîns Feind ist auch mein Feind – NarƗm-Sîns Freund ist auch mein Freund!“

Preiser nimmt an, dass es sich dabei um einen ‚Vertrag unter Gleichstehenden’ gehandelt hat und nicht um ein Freundschaftsdiktat, also einen subordinierenden Vertrag.2169 – Mit der Verwendung der Freund-Feind-Klausel in der Geschichte des frühen Völkerrechts hat sich Scheibelreiter befasst.2170 – Zwischen der ältesten Verwendung dieser Klausel und ihrem Gebrauch in Griechenland und Rom bestehen aber große chronologische Lücken, die die Annahme einer durch Rezeptionen vermittelten, durchgehenden Tradition unsicher erscheinen lassen. Auszuschließen ist dies allerdings nicht.2171

2166 Preiser 1996, 231 ff. – Das Reich von Akkad bestand von etwa 2330-2180 und strebte bereits über das südliche Mesopotamien hinaus. Vgl. auch Preiser 1956, 738 f. 2167 Nach Preiser 1956, 739. 2168 Übersetzung von W. Hinz 1967, 66 ff. 2169 1996, 234. – Das wurde von späteren Autoren bezweifelt; vgl. Scheibelreiter: Innsbrucker Vortrag 2008 (in Druck). 2170 Im Rahmen der Innsbrucker Tagung ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2008 (in Druck). 2171 In der Diskussion des Vortrags von Scheibelreiter wurde überwiegend von einer 50:50 Prozent-Chance ausgegangen, wobei M. Krebernik die Ansicht vertrat, dass die derzeit bestehende große Lücke nach den Hethitern am ehesten über Lydien und Phrygien geschlossen werden könnte.

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Die Freund-Feind-Klausel Scheibelreiter hat in einer vergleichenden rechtshistorischen Untersuchung der Freund-Feind-Klausel dem ältesten Beispiel noch zahlreiche weitere hinzugefügt: • Vertrag des Königs von Hatti, Subbiluliuma, mit dem König von Tette, Nuhassi (nach 2172

1355 v. C.):

„Und mit meinem Freund sei er Freund, mit meinem Feinde sei er Feind.“

• Vertrag Subbiluliumas mit Mattiuaza, König von Mitanni:2173 „Wie er der Feind des Landes Mitanni ist, so ist er auch der Feind des Landes Hatti […] Der Freund des Königs des Landes Hatti ist auch der Freund des Königs des Landes Mitanni.“

• Vertrag Subbiluliumas mit Sunassura, König des Landes Kizwatna:2174 „[…] so soll Su2175

nassura mit dem Lande Hatti wahrlich Freund sein.“

• Ehevertrag aus Babylon (~ 1950-1500 v. C.) hin, dessen Geltung die Beziehung zwischen 2176

Haupt- und Nebenfrau in einer polygamen Ehe regeln sollte: „With whom she [wife 1] is hostile, she [wife 2] will be hostile; with whom she is friendly, she will be friendly.“ – Das Völkerrecht hat immer wieder privatrechtliche Figuren rezipiert. Dieser Vertrag lässt eine funktionale Verbindung zwischen diesen (heute unterschiedenen) Rechtsgebieten erkennen.

• Brief des Königs von Hatti, Tudhalija, an den König von Assur, Tukulti-Ninurta, anläss2177

lich des Todes von dessen Vorgänger, Shalmaneser I (nach 1240 v. C.): a good friend of your lord, so I will be a good friend of the new one.“

„Just as I was

• Gründung des Attisch-Delischen Seebundes (478/77 v. C.):2178 „Deshalb war dieser [sc. Aristeides] es, der den Städten die ersten Beiträge auferlegte, im dritten Jahr nach der Seeschlacht von Salamis, unter dem Archontat des Timosthenes, und die Eide schwor er den Ionern, dass derselbe Freund und Feind sein solle, zu deren Bekräftigung sie Metall2179 klumpen im Meer versenkten.“

• Vertragsentwurf zwischen Athen und Kerkyra (433 v. C.) nach Thukydides I 44. • Vertrag zwischen Athen und dem Makedonenkönig Perdikkas (423/22 v. C.): „Dieselben werde ich für Freunde und Feinde halten … und zu den Athenern gerecht [EJLBePK] und

2172 Weidner 1923, 61. 2173 Weidner 1923, 21. 2174 Weidner 1923, 90 ff. 2175 Die hethitischen Verträge sind idR subordinierende Verträge. – Vergleiche mit Vater und Sohn sprechen für Subordination, der Vergleich mit Brüdern indiziert Koordination. 2176 R. Westbrook 1988, 117. 2177 Zaccagnini 1990, 42. 2178 Aristoteles, Athenaíon Politeía 23, 5. 2179 Zu dieser Praxis Scheibelreiter: Vortrag 2008, 169 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

ohne Falsch [LBh ‚E²MPK] und ohne Schädigung [LBh ‚CMBCµK…] und ich werde helfen nach meinen Möglichkeiten [LBh CPFRzTP LBU† Uµ EVOBUµO …]“.

• Vertrag Roms mit dem Aitolischen Bund (189 v. C.):2180 „Das imperium und die maiestas 2181

Roms soll der Stamm der Aitoler anerkennen ohne böse Absicht [sine dolo malo]; und er soll nicht zulassen, dass ein Heer, das gegen socii und amici der Römer geführt werde, ihre Gebiete durchquere und nicht irgendwelche Hilfestellung geben; die gleichen Freunde soll er haben, die das römische Volk hat [hostes eosdem habeto quos populus Romanus], und die Waffen soll er gegen diese erheben und in gleicher Weise den Krieg führen. [armaque in eos ferto bellumque pariter gerito].“

Kodifikationen sumerischer Stadtstaaten Nach dem Zerfall des akkadischen Reiches um 2170 „folgt ein rundes Jahrhundert, in dem das Schwergewicht noch einmal sumerischen Stadtstaaten zufällt, die in mehrfacher Hinsicht bereits eine hohe Stufe geistiger und materieller Kultur erreicht haben, ohne dass es ihnen jedoch gelungen wäre, die politischen Zustände der altsumerischen Welt auf die Dauer wieder herzustellen“:2182 „Aus dieser Zeit der sogenannten Dritten Dynastie von Ur (etwa 2064 bis 1955) stammen die ältesten uns überlieferten keilschriftlichen Rechtssammlungen, die, zum Teil leider in trümmerhaftem Zustande, rechtliche Vorschriften aller Art, darunter auch Strafandrohungen und ihnen entsprechende Schutz- oder Wiedergutmachungsbestimmungen zugunsten der Gefährdeten oder Geschädigten, enthalten.“

Zu nennen ist hier vor allem der in sumerischer Sprache abgefasste Codex UrNammu/a (~ 2064-2046),2183 eine „für die frühe Zeit bereits erstaunlich ausgebildet(e)“ und bereits schriftlich niedergelegte Rechtssammlung. Er ist das älteste von drei Gesetzbüchern oder besser Reformgesetzen, die dem berühmten Codex Hammurabi zeitlich vorangehen.2184

2180 Livius 38, 11, 1. 2181 Vgl. den Vertrag zwischen Athen und Perdikkas. 2182 Preiser 1996, 234 ff. – Hervorhebung von mir. 2183 Preiser 1996, aaO. Anders datiert Neumann (2003, 72 f), der als Regierungszeit von UrNamma 2111-2094 angibt. Ur-Namma war der Begründer der 3. Dynastie von Ur. – Vgl. auch Koroãec 1964, 67 ff. 2184 Preiser 1996, 234 f und 1956, 739 mwH und Belegen sowie Neumann 2003, 61 und 73 ff mwH. – Zum historischen Hintergrund dieser Regelungen betont Preiser: Nach dem Zusammenbruch des akkadischen Reiches herrschten im Zweistromland verschiedene BarbarenStämme unter denen die Rechtssicherheit offenbar gering war: „Das Verlangen nach möglichst vollständiger schriftlicher Sicherstellung der Bevölkerung scheint nach der bedrückenden Periode der Rechtsunsicherheit unter der Fremdherrschaft von Anfang an unwiderstehlich gewesen zu sein.“

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Erhalten sind von dieser ältesten keilschriftlichen Rechtssammlung Teile des Prologs und der Rechtssatzung sowie der abschließenden Fluchformel, „so daß sich der Gesamtumfang des 2185 Wie die späteren Codices kennt auch Gesetzeswerks noch nicht rekonstruieren läßt“. schon dieser älteste Codex Prolog und Epilog, die nach Neumann ua. der „Verkündung des göttlichen Auftrags an den Herrscher“ dienten, aber auch seine Taten priesen (militärische Erfolge, Beseitigung von Mißständen, Schaffen von Rechtssicherheit, Stabilisierung der Wirtschaft) und gültige ethisch-moralische Grundsätze darlegten. Der König nahm für sich vor al2186 – Zum julem auch in Anspruch, die Gerechtigkeit im Lande wiederhergestellt zu haben. ristischen Teil merkt Neumann an: „Vorläufig kann man auf die Existenz von über 50 Paragraphen schließen, wobei nur ein Teil vollständig erhalten ist. Die Einteilung in Paragraphen ist modern und basiert auf der formalen Stilisierung der Rechtssätze. Die Stilform […] ist die sog. konditionale Form, d. h., die zu regelnden Tatbestände werden als Bedingungssatz mit ‚wenn’ […] eingeleitet, woraus sich die in einem Hauptsatz formulierten Rechtsfolgen ergeben. Die Gliederung der Rechtssätze läßt eine gewisse Systematik erkennen, die auf […] sachlichen Zusammenhängen beruht.“ – Die Bestimmungen behandeln Kapitaldelikte (Mord/Tötung, Raub), Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Fälle im Zusammenhang mit der Heirat von Sklaven, Sklavenrecht, Ehebruch, Vergewaltigung, Ehescheidung, Witwenrecht, Flucht von Sklaven, falsches Zeugnis, Erbrecht sowie kauf-, kredit-, pacht- und mietrechtliche Fragen. Die Schadenersatzpflicht erfasste auch schon die fahrlässige Schädi2187 – Die Gerichtsbarkeit wurde von Beamten des Königs ausgeübt. An der Spitze der gung. Städte und Provinzen standen Statthalter als oberste Vertreter des Königs.

Namhafte völkerrechtliche Dokumente sind aus dieser Zeit nicht erhalten, und es wird angenommen, dass damals die Voraussetzungen für „eine auch nur leidlich funktionierende internationale Rechtsordnung“ noch fehlten. – Das ändert sich erst wieder für die unter der Bezeichnung ‚altbabylonische Zeit’ bezeichneten vier Jahrhunderte von etwa 1930 bis 1530 mit den Zentren Babylon, Mari,2188 Assur und später auch Aleppo (Reich von Jamhad), Eãnunna, Larsa und Elam. Diese unruhige Zeit überdauerte vor allem das von Hammurabi (~ 1728/29-1686) regierte Babylon, das bis zu seiner Eingliederung ins Persische Reich (539 v. C.) „als Träger einer großen Tradition noch immer in hohem An-

2185 Neumann 2003, 73. 2186 Neumann 2003, 73 f. 2187 Neumann 2003, 74 ff. – Zur ‚Erfindung’ der Fahrlässigkeit im alten Griechenland Kapitel II 4: Antiphon. – Interessant Neumanns Hinweis, dass in der Ur III-Zeit, im Vergleich zum Codex Hammurabi, die Todesstrafe relativ selten angedroht wurde. Eine Rolle spielten auch Ordalbeweise, spiegelnde Strafen und die Versklavung (etwa bei Diebstahl). War der Dieb ein Sklave, „wurde er dem Bestohlenen zugesprochen, was auf die Haftung des Eigentümers für die Tat seines Sklaven hinweist“. – Zur Strafrechtsentwicklung: Kapitel VII 8. 2188 Dazu Preiser 1996, 235 f. – Die königlichen Archive von Mari enthalten reiches Material, nämlich die Mari-Korrespondenz und auch zahlreiche Berichte über zwischenstaatliche Abkommen, nicht aber die Verträge selbst. Die Verträge scheinen damals noch nicht schriftlich niedergelegt worden zu sein; Preiser 1996, 237.

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sehen stand“.2189 – Aus der Blütezeit des Mari-Reichs, nicht aber aus Mari selbst, stammen berühmte innerstaatliche Rechtssammlungen, die nach Preiser „gegenüber ihren älteren Vorgängern, inhaltlich wie in Anordnung und Form, beachtliche Fortschritte“ erkennen lassen, nämlich der: • etwa ~ 1920 zu datierende in akkadischer Sprache niedergelegte Codex Eãnunna2190und der

• etwa 50 Jahre jüngere also um 1870 zu datierende, erneut sumerisch abgefasste Codex Li2191

pit Eãtar

• und der Codex Hammurabi.2192 • Zu den Gesetzbüchern aus der Zeit zwischen ~ 2050 und ~ 1700 zählt Preiser auch den hethitischen Entwurf einer Gesetzesrevision, der „zwar wohl erst in die 2. Hälfte des [zweiten Jahrtausends] fällt, jedoch die Abänderung von Bestimmungen eines wesentlich älteren Gesetzbuches zum Gegenstand hat, das weithin Sühneleistung an die Stelle der

2189 Preiser 1996, 236 f. 2190 Dazu Koroãec 1964, 84 ff und Neumann 2003, 64, 84 f, der dieses Gesetzeswerk aber in das das 19. und 18. Jh. einordnet. – NarƗm-Sîns von Eãnunna hat (wie auch Sumulael von Babylon) „das Zerbrechen von ‚(Schuld-) Tafeln des Landes’ angeordnet, somit eine Seisachthie (‚Schuldenabschüttelung’) verfügt“; Koroãec 1964, 81. – Auf die Solonische Seisachthie gehe ich in Kapitel II ein. 2191 Preiser 1956, 739 und Neumann 2003, 60 ff. Koroãec 1964, 75 ff, behandelt auch auf den Inhalt und datiert die Entstehung auf 1875-65; Neumann 2003, 83: 1934-1924 v. C. Nach Koroãec (1964, 79) hat sich Lipitiãtar, König von Isin, „im Urteil seiner Zeitgenossen und der Nachwelt einen solchen Ruf erworben, dass man noch in neuassyrischer Zeit seiner als eines von den großen Vorfahren gedachte“. Wenngleich Hammurabi „keine Bestimmung des CL [sc. Codex Lipit Eãtar] wörtlich übernommen hat“, lassen aber „zahlreiche inhaltliche Übereinstimmungen deutlich erkennen, dass der babylonische Gesetzgeber vom CL zumindest wertvolle Anregungen erhalten hat“. Neumann 2003, 83: Das Original des Gesetzestextes war in eine Stele eingemeißelt; und: „Im Prolog der Rechtssammlung wird auf eine vom König erlassene Schulden und Lastenbefreiung angespielt, indem es dort unter anderem heisst, dass Lipit-Eãtar die Schuldsklaverei von ehemals freien Bewohnern Babyloniens aufgehoben [Solon!] und den Umfang öffentlicher Dienstverpflichtung eingeschränkt habe.“ – Zwei schuldrechtliche Bestimmungen regeln die Haftung des Hirten für die ihm anvertrauten Rinder (Koroãec 1964, 80); danach wurde der Hirt von seiner allgemeinen Haftung befreit, „wenn das Rind von einem Löwen zerrissen wurde“: „Hier begegnet man zum ersten Mal dem Begriff der höheren Gewalt.“ (Koroãec verweist aaO Fn 5 auf Koschaker 1920, 284 ff, der jedoch das Reißen von Vieh in der Hürde durch ein Raubtier ‚typisch als Zufall [bezeichnet], den der Eigentümer trägt’“. (Dazu Kapitel II 5: ‚Zufall und höhere Gewalt’.) 2192 Die Regierungszeit Hammurabis nimmt H. Neumann (2003, 86), anders als Preiser, mit 17921750 an. – Vom Codex Hammurabi ist das Original erhalten. Die 2,25 Meter hohe schwarze Diorit-Stele wurde 1901/02 auf der Akropolis von Susa entdeckt und befindet sich im Louvre. Zum Codex Hammurabi etwa Koroãec 1964, 94 ff und Neumann 2003, 85 ff mwH. – H.-Dieter Viel (2002) hat den gesamten CH in Urschrift und Übersetzung herausgegeben und kommentiert.

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Talion treten läßt und daher eher in die Zeit der ebenfalls vom Kompositionsgedanken 2193 beherrschten früheren Reformgesetze, als in die Epoche des Hammurabi gehört“.

Rechtsfortschritt von ‚Innen nach Außen’ Das Völkerrecht nach dem Zusammenbruch des akkadischen Reichs spiegelt den innerstaatlichen Rechtsfortschritt nicht wider:2194 „Zwischenstaatliches und innerstaatliches Recht sind noch allzu weit voneinander entfernt, als dass sie unmittelbar aufeinander hätten einwirken können. Wie ließe es sich sonst erklären, dass die große Neufassung des innerstaatlichen babylonischen Rechts in eben die Zeit fällt, in der mit der Zerstörung von Mari durch die babylonische Armee der letzte noch existierende Konkurrent des babylonischen Herrschers, sein langjähriger Bundesgenosse, wider alle rechtliche Bindung auf dem Wege der Gewalt endgültig ausgeschaltet wurde.“

Vom Ende der Mari-Zeit vergeht etwa ein Vierteljahrtausend, „bis an die Stelle einer mit völkerrechtlichen Bindungen leichtfertig umgehenden, ja, sie vorsätzlich missachtenden Machtpolitik, ein rechtlich stabilisiertes System von Staaten trat“. – Erst nach der Mitte des 2. Jahrtausends vermag sich ein Rechtsbewusstsein zu entfalten, das als „Kernstück einer wirklichen Völkerrechts-Ordnung“ zu dienen vermag.2195 – Preisers Hinweis, dass das Völkerrecht dieser Zeit am hohen Niveau der innerstaatlich Rechtsentwicklung nicht zu partizipieren vermochte, kann als Stütze für meine These angesehen werden, dass die Entwicklung des Rechtsgefühls nicht nur von ‚unten’ nach ‚oben’, sondern auch von ‚innen’ nach ‚außen’ erfolgte: Zunächst wird das innerstaatliche Recht entwickelt, und das erreichte Niveau wird erst mit einigem zeitlichem Abstand auf den zwischenstaatlichen Bereich/Rechtsverkehr übertragen.2196

2193 1956, 739 Fn 9 uH auf M. Riemschneider 1954, 53. 2194 Preiser 1996, 238 f. – Einen Eindruck davon, wie hoch das ‚innerstaatliche’ Privat- und Strafrecht damals bereits entwickelt war, vermitteln die Ausführungen von Neumann (2003, 55 ff) sowie dessen Beiträge zu den Innsbrucker Tagungen ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2005, 181 ff (Bürgschaft und Pfand), 2007, 117 ff (Wandel babylonischer Rechtsverhältnisse im Hellenismus), 2008, 37 ff (Göttliche Gerechtigkeit und menschliche Verantwortung im alten Mesopotamien im Spannungsfeld von Norm(durch)setzung und narrativer Formulierung). 2195 Preiser 1996, 239. – Die völkerrechtliche Ordnung folgt demnach der innerstaatlichen RechtsOrdnung nach. 2196 Dazu in Kapitel VII 1: ‚Rechtsbewusstsein/Rechtsgefühl’, wo ich vornehmlich auf die Entwicklung des ‚Rechtsbewusstseins’ von ‚unten’ nach ‚oben’ eingehe und nachzuweisen versuche, dass es sich beim ‚Rechtsbewusstsein’ vornehmlich um eine kulturelle Entwicklung (und keine angeborene Fähigkeit) handelt. – Ich habe diese Überlegungen im Rahmen der Innsbrucker Tagung ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ 2008 vorgetragen; in Druck).

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Frühe Rechts-Form Zwischenstaatliche Verträge wurden damals noch nicht schriftlich abgefasst, der Vertragsschluss ging aber dennoch nicht – wohl wiederum nach innerstaatlichem privatrechtlichem Vorbild, „ohne irgendwelche Art von sakraler Weihe vor sich“. – Preiser beschreibt drei eindrucksvolle Akte, „die der getroffenen Vereinbarung die ihr zukommende Weihe geben“:2197 • Das ‚Eseltöten’: Dieser Brauch entstammt dem Leben der ‚Halbnomaden’, für die der Esel das wertvollste Trag- und Reittier war. Es bedurfte einer „großen Gelegenheit [!], um sich zu dieser höchst aufwendigen Form der sakralen Sicherung zu entschließen“. – Der Begriff ‚Eseltöten’ wurde – ohne weiteren Zusatz – schließlich als Synonym für ‚einen 2198 Vertrag schließen’ gebraucht.

• Am häufigsten begegnet als Bezeichnung für den Vertragsschluss die akkadische Wendung ‚sissiktam rakasum’, was so viel heißt wie ‚den Rocksaum binden’, ‚zusammenbinden’, ‚verknüpfen’, was auch symbolisch ausgeführt worden sein soll. – Dieser Sprachgebrauch führt hin zum griechischen TVOBMMƒTTX (attisch TVOBMMƒUUX), Synallagma und 2199 – Dieser Begriffsbildung von dort zum römischen iuris vinculum und zur obligatio. lag nach Preiser die Vorstellung zugrunde, „dass die Kleidung integrierender Bestandteil des Menschen“ ist und im „Zweistromland hat die Verknüpfung des Gewandes als Zeugnis der engen Verbundenheit […] lange nachgewirkt“.

• Als dritte ‚Form’ des Vertragsschlusses begegnet „das ebenso drastische wie überzeugende ‚napistam lapatum’, ‚sich (selbst) an die Kehle fassen’, ‚sich verpflichten’, ‚ein Bündnis schließen’. – Preiser: „Wie weit geht hier in seiner unmißverständlichenGeste selbst der Gleichstehende!“

Weitere Beispiele für das Fortwirken allgemein-vertraglicher und völkerrechtlicher Praxis aus dem Nahen Osten in Griechenland, in Rom und noch im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa bringt Ziegler:2200

2197 1996, 237 f. – Diese Tradition des förmlichen Vertragsschlusses hat offenbar über die Assyrer ins archaische Griechenland und von hier weiter bis Rom weitergewirkt. 2198 Diese Art der pars pro toto-Bezeichnung kennt auch noch das archaische Griechenland; man denke an die Spondai. Vgl. später zu Baltrusch (1994). 2199 Dazu in Kapitel VI 6: ‚Synallagma und Obligation’ und in Kapitel II 9: ‚Weichenstellung in Richtung einer frühdemokratischen Gesellschaft – Synallagma, obligatio, iuris vinculum’. – Hier gibt es anscheinend eine Verbindung vom Akkadischen über das Neu-assyrische hin zum Griechischen und von dort zum Lateinischen. 2200 2007 (in Druck); vgl. auch dessen Referat auf der Innsbrucker-Tagung 2008 (in Druck). – Hervorhebungen auch von mir.

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• Das Vertragsverständnis, das die Vertragsbindung2201 aus den wechselseitigen Eiden der Vertragschließenden ableitet [?], „was adopted by Greeks and Romans from the ancient Near Eastern tradition. [?] The correspondence of the treaty-terminologie used by leading powers in the Ancient Near East on one side, by Greeks and Romans on the other side had been observed already before World War II. The conclusion, that this parallelism of terms and of structure is due to direct continuity has only become predominant in the last gen2202 eration.“

• „The Slovenian legal historian Viktor Koroãec hat already shown in 1931 in a profound analysis of the Hittite treaty-texts recorded either in Akkadian (ancient Babylonian) or in Hittite language that a treaty was concluded by two corresponding actions: the regulations 2203 In an equal treaty both demanded by one party and the oath taken by the other party.

2201 Der Vertrag erhielt seine Binde- und Verpflichtungskraft aber wohl – abgesehen vielleicht von der Frühzeit bis etwa um die Mitte des 2. Jts. (und selbst daran zweifle ich) – nicht ausschließlich durch die (Partei)Eide, sondern wenigstens ebenso durch die häufig auch bloß konkludent erfolgte Parteieinigung. (Herrscher wie Hammurabi setzten doch bereits die religiössakrale Einkleidung von Verträgen erkennbar als herrschaftsstützendes Element ein!) – Das mit dem Eid ausgedrückte Anrufen höherer Mächte sollte die Vertragszuhaltung bekräftigen und sichern. Das zeigt die spätere Entwicklung, die Verträge schließlich auch ohne Eide bestehen lässt. – Der Eid setzt eine Willensäußerung (-einigung) voraus, die, wie die spätere Entwicklung zeigt, nicht unbeachtet bleiben darf! Problematisch W. Preiser (1984/1995): „The double oath was the conclusion of the treaty“ (mE wollte Preiser damit das Willenselement im Vertrag nicht beseitigen). Ziegler (2004, 531) folgt seinem Lehrer: „Der Eid war keine zusätzliche Sicherung des Vertrages, sondern konstitutiver Bestandteil des Vertragsabschlusses selbst“; auch hier bleibt der Wille der Parteien unerwähnt. Aber auch konstitutive Form setzt Konsens voraus und vermag ihn nicht zu ersetzen! – Ganz allgemein muss hier ein Vorbehalt gemacht werden; Rezeptionen sollten nicht allzu leichtfertig angenommen werden. Die vertragliche Einigung als solche wurde gewiss nicht nur im Nahen Osten ‚erfunden’, sondern vielerorts immer wieder neu entdeckt. Ebendies gilt wohl auch für die religiöse Bekräftigung von Vertragsschlüssen durch Eid und/oder Opfer. Für völkerrechtliche Verträge – etwa im Zusammenhang mit Kriegen – gilt das ganz besonders. Die Basis für mögliche/wahrscheinliche Übernahmen aus dem Nahen Osten dürfte daher hier schmäler sein als häufig angenommen. Sie bezieht sich vermutlich eher auf ganz bestimmte solenne Formen des Vertragsschlusses als auf die vertragliche Einigung als solche und ihre kultisch-religiöse Einbettung; etwa auf die von Rollinger und Preiser erwähnte Selbstverfluchung in neu-assyrischen Fluchformeln und deren Übernahme durch Homer. – Zum allgemeinen Gabentausch (M. Mauss und C. Lévy-Strauss), der der Rechts- und religiösen Entwicklung vorangeht: Kapitel I 6: ‚Normgenerator Familienrecht’ und Kapitel VII 8 sowie in Kapitel IX. 2202 Ziegler verweist auf M. Weinfeld 1973, 190 ff und 1990, 238 ff. – Terminologie und Begründungen wurden wohl häufiger übernommen. 2203 Hier muss manches klargestellt werden: Koroãec 1931, 34 f spricht von der „Zerlegung des Vertrags in zwei korrespondierende Handlungen: die Aufstellung von Vertragsbestimmungen durch die eine und ihre Beeidigung durch die andere Partei“. (Ganz offensichtlich lag im Beeidigen des von einer Vertragspartei erstellten Vertragstextes durch die andere Partei nicht nur ein religiöser Akt, sondern auch eine willentliche Zustimmung.) – Das ist sehr modern gedacht, denn der Vertrag bildete auch damals (trotz seiner Teilung in einen profanen und einen sakralen Teil) ein einheitliches Ganzes; zudem gilt diese Vorgangsweise, wie Koroãec selbst zeigt, meist

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

parties had to fulfill these functions: each partner demands the provisions agreed upon from the other, and mutually they take their oaths. The provisions or regulations were called rikiltu or riksu in Akkadian, ishiul in Hittite, meanwhile the oath confirming them was called mamitu (Akkadian) or lingais (Hittite). […] And [Koroãec] alluded also to the linguistic division of the treaty in ancient Greek treaties: the synthekai correspond to 2204 riksu, the horkoi to mamitu.“ Dass es sich hier nicht nur um bloße – iSv vollständige – Übernahmen handelt, zeigt 2205 Baltrusch: Griechische Begriffe orientieren sich danach (anders als die moderne Vertragslehre und das moderne Völkerrecht und jedenfalls zum Teil auch unabhängig von orientalischen Vorbildern) an den „verschiedene(n) Aspekte(n) des Vertragsschlusses“. Die Art der Erstellung des Inhalts und des Zustandekommens von Verträgen wird einerseits mit homología bezeichnet (dieser Begriff dient vornehmlich zur Bezeichnung von Verträgen, die „auf einseitiger Anerkennung von Forderungen bzw. Vorschlägen“ beruhen); andererseits wird die den Vertragsschluss begleitende religiöse Zeremonie mit spondaí umschrieben; „und die [inhaltlichen] Bedingungen des Vertrages“ werden mit einem weiten Verständnis als Synthekai bezeichnet, später wird auch von Symbola gesprochen, wobei in diesen Begriffen das gemeinsame Formulieren oder doch Einflussnehmen 2206 auf den Vertragsinhalt steckt. Diese Begriffe bezeichnen stets den ganzen Vertrag.

• Die Völkerrechtsverträge der Neu-Assyrischen Epoche des 8. und 7. Jhs. „mention expressly the oath, but also in detail the sacrifice of the animal as part of the ceremony with terrible curses: the party guilty of perjury and of breaking the treaty shall be cut to pieces 2207 – „The parallelism between the Ancient Near Eastern and as the sacrificed animal.“ the Homeric conceptions of treaty-making has been amply demonstrated by Peter

oder sogar ausschließlich für ‚ungleiche’, also insbesondere Unterwerfungs- und Kapitulationsverträge. Das Erstellen des Vertragstextes durch eine Vertragspartei und die bloße Zustimmung durch die andere gibt es auch heute noch. Das ändert grundsätzlich nichts am Konsensprinzip! Bei ‚ungleichen’ Verträgen und auch noch bei modernen Vertragsschlüssen unter Zugrundelegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nur die willentliche Zustimmung mehr oder weniger frei (die Willensfreiheit ist aber zweifellos eingeschränkt, was nach der jeweiligen Verkehrsitte mehr oder weniger weit gehen konnte!), während der Vertragstext ausschließlich von der ‚stärkeren’ Seite formuliert wird. 2204 Ziegler 2007 (Manuskript S. 4; in Druck) Koroãec (1931) und Preiser (1996) folgend. – Die Bezugnahme auf die griechischen synthekai erfolgt hier aber zu ungenau; zur noch nicht einheitlichen, vielmehr konkret differenzierenden griechischen Vertragsterminologie: Baltrusch (1994). 2205 1994, 202 ff. 2206 Mehr bei Baltrusch 1994, 203 f. – Ich komme darauf bei Anm. 2366 zurück. 2207 In nachhomerischer Zeit gingen die Griechen früh zu anderen Opferformen über, was der weitverbreitete Terminus Spondai (= Weinspende) belegt. – Grundlegend zum olympischen Opfer: K. Meuli (1946) und diesem folgend W. Burkert (1987 2); dazu in Pkt. 7: ‚Die Griechischen Opferbräuche (K. Meuli)’. – Ziegler (in Druck) erwähnt die analoge Vorgangsweise bei römischen Völkerrechtsverträgen nach dem ius fetiale; er stützt sich auf seine Ausführungen 1995, 237 f. – Vgl. auch Rollinger 2004, 369 ff und 2005b, 205 ff.

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2208

Karavites. […] The Near Eastern chracter of the curse which was used in the oath of 2209 the Delphic Amphictyons (probably dating from the seventh century B. C.) has been recognised long ago.“

• „The Near-Eastern pattern of treaty-making was received obviously also by the Romans and their neighbours directly from Carthage and not from Greece.“ – Diese Meinung 2210 die Ziegler uneingeschränkt übernimmt, ja offenbar noch bekräftigt, erBedermans, 2211 scheint mir anfechtbar. In dieser Absolutheit ist sie unwahrscheinlich; auch Nörr zweifelt daran.

Nachwirkungen aus dem Alten Orient Ich beschränke mich hier vornehmlich auf das griechische Völkerrecht, auch wenn die Untersuchungen von Preiser und Ziegler deutlich zeigen, dass die Errungenschaften des griechischen – und erst recht die des späteren römischen – Völkerrechts nicht ‚aus dem historischen Dunkel’ oder Nichts aufgetaucht sind, sondern im Alten Orient wurzeln. – Die „Ausbildung einer völkerrechtlichen Ordnung in der Staatenwelt des Alten Orients“ hat vor allem Preiser gründlich untersucht.2212 Völkerrechtliche Beziehungen zwischen Griechen und nichtgriechischen Mächten bestanden mit sehr unterschiedlichen Staaten(gebilden) des Altertums: mit dem Perserreich,2213 den Phöniziern, den Etruskern, mit Karthago, den späten Assyrern, dem spätzeitlichen Ägypten und schließlich mit Rom.2214 Die ionischen Griechen schlossen Verträge mit benachbarten Mächten; so etwa Milet um 600 mit dem Lyderkönig Alyattes2215 und nach Herodot2216 um 546 mit Ky-

2208 1992. Vgl. nun auch Rollinger (2004 und 2005b). – Wie immer muss zwischen dem säkularen Vertragsschluss und seiner Befestigung durch sakrale Rituale unterschieden werden. Die Unklarheiten rühren wohl daher, dass der Konsens oder doch Konsenselemente im säkularen und im sakralen Teil zum Ausdruck gelangen können. 2209 Abgedruckt bei Bengtson 19752, Staatsverträge II 3 f (Nr. 104). 2210 2001, 183. – AaO 205 lässt Bederman den Transfer altorientalischer Traditionen auf Rom über die Griechen gehen, was von Ziegler gerügt wird. (?) Bedermans Position wäre widersprüchlich, wenn er damit nicht zum Ausdruck bringen wollte, dass Rom sowohl von den Griechen, als auch von Karthago rezipiert hat. 2211 Ziegler 1989, 102 ff. 2212 1956 und 1996, 227 ff; dazu oben ab Anm. 2159. – Vgl. aber auch Preisers Beiträge, in: Macht und Norm in der Völkerrechtsgeschichte (1978). – Die Entwicklung der völkerrechtlichen Vertragspraxis lässt sich durch das Werk Grewes (Fontes Historiae Iuris Gentium, 1995) gut nachvollziehen. 2213 Zur Völkerrechtsordnung der altgriechisch-persischen Zeit von ~ 600-338 v. C.: Ziegler 1994/20072, 26 ff. 2214 Zu den völkerrechtlichen Beziehungen Roms zum Partherreich: Ziegler (1964). 2215 Bengtson/Werner 19752, Staatsverträge II Nr. 105.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

ros dem Großen2217 oder 555/550 Ephesos mit Kroisos.2218 – Die Vorgeschichte des bereits hoch entwickelten Völkerrechts im Alten Orient (Sumer, Akkad, AltBabylonien, Assur, Hethiter) und Ägyptens nur eingeschränkt zu berücksichtigen, halte ich für vertretbar, weil dieser Bereich bereits durch eine Vielzahl von Publikationen erschlossen wurde.2219 – Als Beispiel wird häufig einer der frühen Staatsverträge der Menschheitsgeschichte genannt, der erstaunlich genau auf den 21. November 1259 v. C. datiert werden kann, abgeschlossen zwischen den damaligen Großmächten Ägypten – vertreten durch Ramses II (1279-1213) – und dem Hethiterreich – vertreten durch Hattusili III:2220 Dieser Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern hatte eine Präambel, die ua. die Geltung des Vertrags über den Tod der Vertragschließenden hinaus festlegte; die folgenden Artikel enthielten einen gegenseitigen Nichtangriffspakt, ein Verteidigungsbündnis gegen auswärtige Angreifer, wechselseitige Zusagen zur Unterstützung gegen innere Feinde und zur Auslieferung politischer Flüchtlinge, schließlich den Schutz Asylsuchender bei Rückführung in ihr Heimatland. Der Schlussabschnitt zählte auch die Schutz- und Schwurgötter auf und verband dies mit einer Segensformel für den vertragstreuen und einer Fluchformel für den vertragsbrü2221 chigen Partner.

Zum rechtlichen Aufbau der hethitischen Staatsverträge bemerkt Ziegler2222 uH auf Koroãec:2223 „Ihm [sc. Koroãec] verdanken wir den klaren Nachweis, dass nach der Auffassung der altorientalischen Kontrahenten der internationale Vertrag zwei auch sprachlich getrennte Elemente enthielt, zum einen die getroffene Abmachung, also das inhaltlich Vereinbarte, zum anderen den Eid, durch dessen Leistung das Versprochene unter den Schutz der Götter gestellt wird.“

Zu diesen orientalischen Vorbildern finden sich Parallelen in griechischen und römischen Staatsverträgen. Dazu verweist Ziegler2224 auf Weinfeld; für die „Übereinstimmung von altvorderasiatischen und homerischen Vorstellungen

2216 I 141. 2217 Bengtson/Werner 19752, Staatsverträge II Nr. 115. 2218 Bengtson/Werner 19752, Staatsverträge II Nr. 109. 2219 Dazu das Lehrbuch von K.-H. Ziegler (1994/20072), mit umfangreichen Literarturangaben. Auch die Innsbrucker Tagung ‚Lebend(ig)e Rechtsgeschichte’ befasste sich 2008 mit dem Thema: Völkerrecht, Staatsverträge und Diplomatie; Tagungsband (in Druck). 2220 Zur Vorgeschichte dieses Vertrages (insbesondere Schlacht bei Kadesch: 1274 und darauffolgender Friedensschluss von 1270 v. C.): Klengel (2002), ferner Kapitel VI 4: ‚(Griechische) Zeittafel’ (Jahr 1274 v. C.) und nunmehr L. Bell 2007, 98 ff und Allam auf der Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). Der Vertrag ist abgedruckt bei Grewe 1995, I 18 ff. – Zu den hethitischen Staatsverträgen: Koroãec (1931/1970) und Grewe 1995, I Nr. 1-5. 2221 Vgl. Schlögl 2003, 103 und Ziegler 1994, 18 f /20072, 15 f. 2222 1994, 19/20072, 16. 2223 1931/1970, 18 ff. 2224 1994, 26/20072, 21.

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über bindende Versprechen“ zitiert er P. Karavites (1992), der Rollingers Ergebnisse2225 zum Teil vorweggenommen hat. Seit längerem bekannt ist der „orientalische Charakter der vermutlich aus dem siebenten vorchristlichen Jahrhundert stammenden Fluchformel im Schwur der delphischen Amphiktyonen“;2226 aufschlussreich die „griechische und lateinische Terminologie für den feierlichen Vertrags-Abschluß: Das hórkia témnein, das ‚Eide schneiden’, und das foedus ferire (foedus icere, foedus percutere), den ‚Bund schlagen’, ‚Vertrag erschlagen’, knüpft an die Zerstückelung des Opfertieres bei der Schwurhandlung an“. Wichtig auch die Feststellung,2227 „wonach die schriftliche Ausfertigung der mündlich geschlossenen und beschworenen Staatsverträge [in Griechenland und Rom] keine konstitutive Wirkung hatte“, während im Alten Orient der „Schriftform möglicherweise größere Bedeutung beigemessen“ worden ist.2228 Preiser, Ziegler,2229 Rollinger und ua. nehmen zu Recht in den griechischen Vorstellungen von Staatsverträgen und vom Völkerrecht überhaupt eine aus dem Alten Orient vermittelte Kontinuität an, deren Grundlagen noch in der hellenistischen und römischen Welt weitergewirkt haben.2230 Die Griechen haben jedoch auch im Bereich des Völkerrechts nicht nur ‚rezipiert’, sondern auch weitergedacht und weiterentwickelt. Nach Preiser haben die Griechen die Grundlagen für eine erste internationale Rechtsordnung geschaffen:2231 Sie sind davon ausgegangen, dass eine Vielheit von Staaten gegenseitig ihre Unabhängigkeit anerkennt und sich als gleichrangige Teilnehmer an den zwischenstaatlichinternationalen Beziehungen beteiligen, wobei übergreifende Rechtsgrundsätze entwickelt werden. Man denke an die Beispiele bei Herodot2232 und Thukydides.2233

2225 (2003/2005). Vgl. auch M. Weinfeld 1990, 188. 2226 Bengtson, Staatsverträge II Nr. 104 mwH. – Vgl. auch Tausend (1992) und M. Weinfeld 1990, 188. 2227 Ziegler 1994, 19 (uH auf Koroãec 1931/1970, 15 ff) = 20072, 16. 2228 Grundsätzlich übernimmt aber ‚Griechenland’ (im Gegensatz zu Rom), die Schriftform für Verträge konsequent; dazu in Pkt. 10: ‚Das Ausmaß des griechischen Einflusses’ (ab Anm. 2564). 2229 1994, 25 ff und 20072, 21. 2230 Dazu Ziegler 1994, 40 ff /20072, 32 ff. – Zahlreiche Staatsverträge der griechisch-römischen Welt sind bei Bengtson/Werner 19752, II (für die Zeit von 700-338 v. C.) und Schmitt 1969, III (für die Zeit von 338-200 v. C.) sowie Brodersen et al. 1992, I (Archaik und Klassik), 1996, II (Spätklassik und früher Hellenismus), 1999, III (Griechischer Osten und Rom) wiedergegeben. 2231 1995, 716 ff. 2232 VII 136 (Völkerrechtlicher Schutz von Herolden/Gesandten): U† QƒOUÎO ‚ORSÈQXO O²NJNB/ta pánton anthrópon nómima. (Den Hintergrund bildete die Ermordung persischer Gesandter durch die Spartaner, die deshalb Freiwillige zu Xerxes schickten, um für die ermordeten Herolde zu büßen. Xerxes erwiderte darauf, „er wolle es den Lakedaimoniern nicht gleichtun. Sie hätten das Völkerrecht mit Füßen getreten, indem sie die Herolde ermordeten. Er selbst wolle nicht tun, was er an ihnen tadle, aber auch die Lakedaimonier von ihrer Schuld nicht lösen, in-

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

Aus welchem Grund entsteht Völkerrecht? Einen wichtigen Grund für das Entstehen einer der Entwicklung von Völkerrecht förderlichen „zwischenstaatlichen Sphäre“ am Ende der archaischen Zeit erläutert Heuß:2234 „So herrschte bis zum Ende der archaischen Zeit nicht nur in der zwischenstaatlichen Sphäre, sondern auch in Ansehung der Größen, auf denen sie beruhte, in weiten Gegenden der griechischen Welt eine geradezu existenzielle Unsicherheit. Der Friede unter den Staaten war eine höchst fragwürdige Angelegenheit. Das gilt für das Land wie für das Meer. Es gab tief eingewurzelte Feindverhältnisse, die jederzeit, ohne alle Formalität, in offenen Kriegszustand umschlagen konnten. Wir wissen das von den Beziehungen zwischen Aigina und Athen [Herodot V 81]. […] Erst allmählich gewann man die Möglichkeit, durch das Mittel feierlich beschworener Verträge diese Unsicherheit zu beseitigen, eine Entwicklung, die sich nach unserer Kenntnis erst im sechsten Jahrhundert angebahnt hat, bezeichnenderweise in Anlehnung an die Autorität des olympischen Heiligtums […]. Das Gefühl für den schwankenden Boden, auf dem man stand, wurde deswegen nicht weniger lebhaft. Man sah die Feindschaft nicht eigentlich als beseitigt, vielmehr als lediglich überbrückt an und befristete deshalb die Gültigkeitsdauer der Verträge. Der delphische Apoll empfiehlt Athen einen dreißigjährigen Vertrag mit Aigina und stellt die Fortsetzung des Kampfes danach als besonders zweckmäßig in Aussicht [Herodot V 89]. Auf dem Meer war der Friede noch fragwürdiger. Der Feind – in dem eben angedeuteten Sinn, welcher keinen aktuellen Kriegszustand voraussetzte – war da erst recht Freiwild. Dazu 2235 die handfeste Form in der Verfolgung ließ das Fehlen eines internationalen Privatrechts rechtlicher Ansprüche als durchaus legitim erscheinen. […] Rechtshilfeverträge, wie sie in der klassischen Zeit eine große Rolle spielten, gab es noch nicht. Die kleinasiatischen Griechen

dem er sie töte.“) – Das Völkerrecht kennt auch frühe Ansätze der Vertretung des Staates nach aussen; dazu Kapitel VI 2: ‚Direkte Stellvertretung’ und Röhrmann (1968, 40 ff). 2233 IV 97, 2: U† O²NJNB UÎO A)MM›OXO/ta nómima ton Hellénon; IV 98, 2; III 58, 3. Es geht hier um den interhellenischen völkerrechtlichen Schutz von Heiligtümern im Krieg. 2234 1946/1969, 86 f. 2235 Gemeint ist hier wohl das Völkerrecht! – In dieser (absoluten) Form trifft das (auch für das ‚Internationale Privatrecht’) nicht zu. Es gab in archaischer Zeit (die bei Heuß bis zu den Perserkriegen reicht) sehr wohl bereits Ansätze zu einem internationalen Privatrecht. Wie weit verbreitet die Kollisionsregeln waren, muss einstweilen offen bleiben. Manches spricht dafür, dass sich diese Regeln im Rahmen der sogenannten Großen Kolonisation rasch verbreitet haben. Dazu trugen kolonisatorische Gemeinschaftsunternehmungen wohl ebenso bei wie die von Welwei 2002, 67 f betonte „’Vernetzung’ der griechischen Welt durch Kommunikation und der hierdurch bedingte Austausch von Ideen und Anregungen für neue Organisationsmodelle im politischen Raum“. – Wie die Entwicklung in Kreta zeigt (dazu oben ab Anm. 2138: Chaniotis und Gawantka), war es nicht nur die Kolonisation, die das Entstehen von Kollisionsrecht anregte, sondern auch das Bedürfnis nach besseren wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Poleis.

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mussten sich bekanntlich von den Persern sagen lassen, dass solche sehr empfehlenswert wären.“

Die Polis Priansos und die abhängigen Gemeinden der Staliten und Setaiten Einen weiteren Grund für das Entstehen von Völkerrecht machen die Rechtsakte der kretischen Polis Priansos/Praisos aus dem frühen 3. Jahhundert v. C. sichtbar. An ihnen wie an anderen kretischen Beispielen lässt sich das Entstehen von Binnenvölkerrecht oder besser von Völkerrecht in statu nascendi beobachten, wobei die Volksbeschlüsse/Dekrete2236 – die auch noch in anderer Hinsicht interessant sind – nur einen ersten Schritt bedeuten. Auch in der Welt der griechischen Poleis sind demnach zwischenstaatliche Beziehungen (und Völkerrechtssubjektivität) ebenso allmählich entstanden, wie vorhandene Autonomie (und damit Völkerrechtssubjektivität) etwa durch Eroberung allmählich verloren wurde.2237 Auch in völkerrechtlicher Hinsicht waren die rechtlichen und politischen Beziehungen vielfältig; sie reichten von völliger Abhängigkeit über verschiedene Zwischenstufen hin zu Souveränität und Autonomie (in einem eigenen Territorium).2238 Mit einer Zwischenstufe haben wir es hier zu tun. – Eine völkerrechtliche Beziehung zu den von Priansos abhängigen Gemeinden der Staliten und der Setaiten ist nicht anzunehmen; es handelte sich nicht um eine Vielheit von Staaten, da diese beiden Gemeinden auf keinen Fall als Völkerrechtssubjekte anzusehen sind. Deshalb fehlte es ihnen auch an staatlicher Souveränität und

2236 Nach Chaniotis 1996, 167 regeln die Dokumente über abhängige Gemeinden grundsätzlich drei Bereiche: a) Zugeständnisse der herrschenden Polis, b) Pflichten der abhängigen Gemeinde (etwa von Stalai und Setaia) und c) Rechtshilfe; dazu eingehend 144 ff. Rechtshilfe-Klauseln betreffen Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern untereinander (vgl. § 1 ABGB: ‚unter sich’), aber auch mit Bürgern von Vertragspartnern insbesondere eines Isopolitievertrages, die vor Gericht grundsätzlich die gleichen Rechte hatten wie einheimische Bürger. Für die Bürger abhängiger Gemeinden war wie für Fremde in kretischen Poleis der Xenios Kosmos zuständig; Chaniotis 1996, 162, ferner auch Koerner 1987, 483 f und 1993, 433 ff und Link 1994, 48. 2237 Letzteres trifft etwa für die abhängigen Orte/Gemeinden Stalai und Setaia zu, die offenbar von Priansos/Praisos erobert worden waren. Näheres darüber ist nicht bekannt. Beide Hafenorte (Setaia im Norden Kretas und Stalai im Süden) behielten auch nach der Eroberung eine gewisse Selbständigkeit. Zu Praisos und seinen Hafenstädten schon Gschnitzer 1958, 35 ff und 185. 2238 Chaniotis 1996, 160 ff erörtert die unterschiedlichen ‚Rechtsverhältnisse zwischen einer souveränen Polis und einer abhängigen Gemeinde’ und spricht von einer „Vielfalt bei den Abhängigkeitsformen“. Dazu kommentiert er die Urkunden 63-69. – Für Gschnitzer 1975, 81 ist Kreta ein „Paradies kleinstädtischer Machtpolitik“. Grund der Abhängigkeit der Staliten und Setaiten von Praisos ist für Chaniotis die Eroberung der ursprünglich autonomen Poleis. Wohl deshalb werden Stalai und Setaia (trotz gegebener Abhängigkeit) noch als Poleis bezeichnet, deren Bürger ein eigenes Bürgerrecht hatten.

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damit an der Fähigkeit Staatsverträge zu schließen. Vorhanden war dagegen bereits eine Vorstufe eines intermunizipialen (Rechts)Verkehrs und wohl auch eine grundsätzliche Übereinstimmung im Rechtsbewusstsein. Das Praisos-PriansosDekret hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Regelung für Naupaktos.2239

2239 Naupaktos war jedoch bereits wesentlich weiter entwickelt und obwohl Tochter von Opus bereits eine souveräne Polis, wenn dies auch von manchen Autoren bezweifelt wird. Das ist hier nicht der Fall. Auch Naupaktos war eine Binnengründung mit weiterbestehenden politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen und Bindungen zur Mutterstadt. – Vgl. dazu das Thera-Dekret, das ebenfalls die Bedingungen einseitig festlegte. Die von Graham (1964) verwendete Bezeichnung ‚Dekret’ ist meines Erachtens zutreffend.

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Abb. 19: Die politische Geographie Kretas in hellenistischer Zeit (aus: A. Chaniotis 1966, 528, Tafel 2)

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Fritz Gschnitzer und Angelos Chaniotis haben sich eingehend mit dem Priansos2241 Ich gehe auf beide Arbeiten ein; sie lassen erkennen, wie Volksbeschluss/-Dekret befasst. schwierig die rechtliche Einordnung solcher Akte ist, sie zeigen aber auch, wie fruchtbar ein interdisziplinäres Arbeiten sein könnte. – Wie aus dem Titel seines Beitrags ersichtlich ist, geht es 2242 Gschnitzer um die völkerrechtliche (!) Deutung; er ringt, wissenschaftlich sympathisch, aber vergeblich, um eine akzeptable Lösung. Mit subtilen und interessanten Überlegungen schwankt er zwischen der Einordnung als (Staats)Vertrag (iSv zweiseitigem Rechtsgeschäft) und der als einem bloß einseitigen völkerrechtlichen Rechtsgeschäft. Wenngleich er eine Präferenz für den einseitigen Akt erkennen lässt, kann er sich doch nicht entscheiden, so dass die Frage letztlich offen bleibt. – Das Problem liegt darin, dass er zwar von einem besonderen (einseitigen) völkerrechtlichen Rechtsakt spricht, in seinen Darlegungen jedoch innerhalb der privatrechtlichen Rechtsge2243 schäftslehre verbleibt, die zur Lösung wenig beizutragen vermag. Gschnitzer hätte vorrangig zwischen staatlich-hoheitlichem und privat-rechtsgeschäftlichem Handeln unterscheiden sollen; dann hätten sich seine Probleme nahezu von selbst gelöst.

Priansos war eine souveräne Polis und mit dem Beschluss oder Dekret gab sie – einseitig – einen kleinen Teil ihrer Hoheitsrechte/-gewalt an Stalai ab, dessen Stellung vorher wohl noch schwächer gewesen war, auch wenn Stalai als ‚Polis’ bezeichnet wurde.2244 Ein entscheidender Rest von Abhängigkeit bleibt auch nach dem Dekret bestehen,2245 wobei diese Abhängigkeit rechtlich besser als eine öffentlichtrechlich-hoheitliche verstanden werden sollte. Die Leistungen, die Stalai nach dem Dekret zu erbringen hatte, sind rein hoheitlich-öffentlichrechtlicher Natur und nicht etwa privat-, also schuldrechtliche Pflichten. – Chaniotis beschreibt die Rechtslage bereits zutreffender:

2240 1975, 79 ff. 2241 1996, 383 ff. 2242 Näheres zur Topographie der hier besprochenen Orte bei Gschnitzer und Chaniotis. 2243 Vgl. 1975, 87: „Wir haben es also hier […] der Form nach nicht mit einem der uns aus der griechischen Welt von zahllosen Beispielen her geläufigen Staatsverträge zu tun, sondern mit einem eigenartigen, einseitig formulierten und einseitig gerichteten Rechtsgeschäft des Völkerrechtes, in dem sich zunächst und unmittelbar nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, die dienende, sondern die herrschende Gemeinde bindet.“ – Vgl. aaO 98: „[…] Urkunden über einseitige Rechtsgeschäfte des Völkerrechts“. – Das ist zutreffend gesehen, lediglich die Qualifikation als Rechtsgeschäft sollte unterbleiben. (Ähnlich anfechtbar die Versuche der Deutung von Proxenie und Isopolitie, ebenda.) – Diese Regelung ähnelt den als ‚Koloniegründungsverträge’ bezeichneten Rechtsakten, die in Wahrheit auch keine Verträge sind, sondern in Dekret- oder Beschlussform hoheitlich und einseitig die Kolonisationsbedingungen festlegen, wie dies etwa für Theras Kolonie Kyrene der Fall war. Auch dort fehlt zunächst der zweite Vertragspartner, insbesondere das zweite Völkerrechtssubjekt, denn die Kolonie und geplante Polis kann bestenfalls als in Entstehung begriffen verstanden werden. Während für Apoikien Selbständigkeit geplant war, ist die künftige Entwicklung in den hier erörterten Fällen noch ganz ungewiss. Allerdings kann auch in den kretischen Beispielen von Entwicklungen hin zu Souveränität und Autonomie gesprochen werden; dies war aber nur eine von mehreren Möglichkeiten. Hierin liegt eine Ähnlichkeit mit den Koloniedekreten, wobei jedoch an Kleruchien zu denken ist. 2244 Dazu unten bei Anm. 2248. 2245 So fehlte den Staliten ein eigenes Staatsgebiet; vgl. auch Chaniotis 1996, 161.

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Abb. 20: Die politische Geographie Ostkretas zu Beginn der hellenistischen Zeit (aus: A. Chaniotis 1996, 529, Tafel 3a)

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„Hier haben wir es mit abhängig gewordenen Poleis zu tun. […] Das Dokument weist eine 2246 besondere Rechtsform auf, eine Mischung von Volksbeschluß und Staatsvertrag“.

Chaniotis geht auf Gschnitzer nur punktuell, nicht aber grundsätzlich ein, weshalb auch bei ihm manche Frage offen bleibt; denn er folgt Gschnitzer insbesondere in der Annahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts.2247 – Doch stellt Chaniotis bereits einiges klar: Der Beschluss der Volksversammlung von Praisos/Priansos bezeichnet Stalai als Polis und ihre Bewohner als Politai, und sie besaßen auch ein eigenes Bürgerrecht, aber „dennoch bildete diese Gemeinde keinen unabhängigen Staat. Die Praisier gaben den Staliten ihre DÈSB [sc. ihr Land], blieben aber weiterhin die Eigentümer dieses Gebietes.“2248 Rechtsakte wie das Handeln der Polis Priansos werden besser nicht als (einseitige) Rechtsgeschäfte oder gar Verträge, sondern als Hoheitsakte der autonomen Polis Priansos verstanden.2249 Nur innerhalb der – genuin privatrechtlichen – Kategorie ‚Rechtsgeschäfte’ wird zwischen einseitigen und zweiseitigen Rechtsgeschäften unterschieden. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber gar nicht um ein Rechtsgeschäft oder gar einen Staatsvertrag, sondern einen einseitigen2250 staatlichen Hoheitsakt der Polis Priansos.

2246 1996, 387. – Chaniotis erörtert die Frage der ‚Abhängigkeit’ von Orten näher aaO 160 ff und spricht aufbauend auf Gschnitzer 1958, 151 ff, von ‚abhängigen Gemeinden’ und nicht wie dieser von ‚abhängigen Orten’. 2247 1996, etwa 166 und 388. – Das Problem bei Gschnitzer und Chaniotis liegt darin, dass sie einerseits den grundsätzlichen Unterschied von Hoheitsakt und Rechtsgeschäft nicht beachten und andererseits den Begriff des Rechtsgeschäfts nicht umschreiben/operationalisieren, sodass der Bedeutungsgehalt unscharf und unspezifisch bleibt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es bei den Griechen eine ‚Rechtsgeschäftslehre’ im heutigen Sinn gar nicht gab; vgl. dazu mein Lehrbuch 2004a, I 275 ff. 2248 1996, 161. 2249 Die Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht war im hellenistischen Griechenland bereits bekannt. 2250 Zur Einseitigkeit der im Priansos-Dekret auferlegten Bedingungen ist Gschnitzers (aaO 93 f) Hinweis auf Bickerman (1969, 474 ff) nicht ganz unzutreffend; versteht man allerdings das Dekret als Rechtsgeschäft, ist eine Deutung als ‚Kapitulationsvereinbarung’ nicht zielführend, was auch Gschnitzer gesehen hat. – Ähnliches gilt für Gschnitzers Hinweis auf H. J. Wolffs Bezeichnung des Vertrages als ‚Zweckverfügung’, die letztlich nichts aussagt, aber Verwirrung stiftet. Der Begriff ‚Zweckverfügung’ ist nicht zuletzt deshalb unglücklich, ja unbrauchbar, weil er die nötige Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht unbeachtet lässt (auch wenn diese Unterscheidung im griechischen Rechtsdenken schwächer ausgeprägt gewesen sein mag). Zudem ist die Einsicht, dass Verträge ‚Zwecke’ verwirklichen wollen, weder neu, noch in diesem Zusammenhang hilfreich. Der Umstand, dass Verfügungen einseitig erfolgen, der Vertrag aber notwendig ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist, macht deutlich, dass derartige Begriffe nichts zu klären vermögen. Das hat D. Simon (1984, 1 ff) nicht beachtet. Dazu kommt, dass Wolffs Vertragsverständnis als ‚Zweckverfügung’ wohl von Max Webers ‚Rechtssoziologie’ (19672, 134 ff) beeinflusst ist, der zwischen ‚Status-‚ und ‚Zweckkontrakten’ unterschieden hat.

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Abb. 21: Die politische Geographie Ostkretas um 110 v. C. (aus: A. Chaniotis 1996, 529, Tafel 3b)

Die hier vertretene Meinung findet, wenn nicht in allen, so doch in manchen derartigen Rechtsakten insofern eine Stütze, als die mittels einseitigen Hoheitsaktes gewährten Zugeständnisse an abhängige Orte/Gemeinden dadurch bekräftigt wurden, dass die Einhaltung der von Priansos gestellten Bedingungen nicht rechtsgeschäftlich (!) zugesagt, sondern (ebenfalls einseitig) beeidet wurden.2251 Diese Sichtweise erspart es, mühsam und künstlich ein Rechtsgeschäft zu konstruieren, was meines Erachtens jener Zeit nicht entspricht. Die damals noch sehr uneinheitliche Terminologie für allgemein rechtliche, rechtsgeschäftliche und vertragliche Akte bezeichnete – wie uns vor allem Baltrusch für das griechische Völkerrecht gezeigt hat – auch einseitig durch Hoheitsakt festgelegte Bedingungen und deren (ebenfalls einseitig durch Eidesleistung vorgenommene) Bekräftigung als homologia.2252 Für Chaniotis stellt das Praisos-Stalai-Dokument eine „Mischung von Volksbeschluß und Staatsvertrag“ dar. Ein Staatsvertrag setzt jedoch mehr als einen Staat voraus, und daran fehlt es hier. Stalai ist – da keine souveräne Polis – kein Völkerrechtssubjekt, weshalb ein solcher Rechtsakt nicht zum Völkerrecht zählen kann.2253 – Die „neue Regelung gewährte den Staliten uneingeschränktes Besitzrecht an dem Land, der Stadt und den Inseln“, die Gebietshoheit behielten aber die Praisier, was sich „am deutlichsten in der Abgabe der Hälfte aller Einkünfte aus den Häfen und dem Fisch- und Purpurschneckenfang an die Praisier“

2251 Vgl. Chaniotis 1996, 166 mwH. 2252 Vgl. oben die Ausführungen in Anm. 2206. Der Begriff der ‚Homologie’ wurde sowohl für privat- als auch für öffentlichrechtliche Akte verwendet. 2253 1996, 387. – Chaniotis (aaO 164): „Gschnitzer hatte sicher Recht, wenn er diese Regelungen von den normalen Verträgen trennte und ihnen eine besondere Stellung im Völkerrecht zuwies.“ Allein es liegt nicht nur kein Vertrag vor, sondern es handelt sich auch noch nicht um Völkerrecht.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

ausdrückt.2254 Darüber hinaus hatten die Staliten eine Reihe weiterer Dienste zu leisten: „Im erhaltenen Teil der Inschrift werden nur Seefahrten erwähnt, […] Dies schließt allerdings nicht aus, daß im verlorenen Teil der Inschrift auch Dienste anderer Art (etwa Hilfe im 2255 Kriegsfall) angeführt wurden.“

Richtiger ist es daher, im gesamten Praisos-Stalai-Dekret keinen (Staats)Vertrag,2256 sondern bloß einen einseitigen Hoheitsakt mit (einseitig hoheitlich auferlegten) Bedingungen2257 zu sehen.2258 Diese Rechtsakte, die viel eher Normsetzungsakten (vergleichbar der Gesetzgebung, Psephismata, Dekreten)2259 als Verträgen gleichen, binden auch die normsetzende Polis ein:2260 Zunächst allein dadurch, „dass die Rechtsverhältnisse genau definiert und nicht der Willkür der herrschenden Stadt überlassen wurden“;2261 aber auch die Popularklage fand im Verhältnis von herrschender Polis und abhängiger Gemeinde bei Verletzungen

2254 Chaniotis 1996, 389: „Die Zugeständnisse der Praisier ähneln der Erbpacht oder einem bestimmten Typus von Landschenkungen hellenistischer Könige, wobei nur der Besitz und nicht das Eigentum des Landes an den Beschenkten überging […]“ (?) – Zielführender ist der Hinweis von Chaniotis (1996, 162 f) auf die Parallelität zur Paramone-Formel in griechischen Freilassungsurkunden. 2255 1996, 391 f. – Abhängige Gemeinden waren der herrschenden Polis gegenüber typischerweise zu militärischer Unterstützung unterschiedlicher Art, aber auch zur Erhaltung von Heiligtümern und zum Ausrichten von Festen verpflichtet; Chaniotis 1996, 167. 2256 Auch Gschnitzer 1975, 85 betont, dass der vorliegende Text „ganz anders formuliert“ ist, als die griechischen Staatsverträge. 2257 Gschnitzers Bemühen zur Deutung des Textes als Rechtsgeschäft/Vertrag führt dazu, dass er anstatt von ‚oktroyierten Bedingungen’ von ‚einer rechtschäftlich erteilten Auflage’ spricht; die Auflage ist zwar funktional verwandt, sie gehört aber in den Bereich des Rechtsgeschäftes, worum es sich hier gerade nicht handelt. 2258 Die Vorstellung von einem Rechtsgeschäft sorgt aber nicht nur bei Gschnitzer, sondern auch bei Chaniotis (vgl. 1996, 165) für Verwirrung. Es wird nicht klar, dass der Vertrag stets ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist, auch wenn er mittels einseitiger Willenserklärungen zustande kommt. Damals wie heute kann ein (Vertrags)Teil allein die Textierung vornehmen, und der andere stimmt bloß zu. Das ändert nichts an der Zweiseitigkeit des auf Konsens beruhenden Vertrags. Zur terminologischen Unterscheidung von Homologia, Synthekai, Spondai etc. anschließend ab Anm. 2347 (Baltrusch), insbesondere ab Anm. 2366 und schon oben nach Anm. 2206. – Vgl. auch Nörr 1989, 40. 2259 Vgl. Chaniotis 1996, 165: Akarnanenbund und Anaktorion – Psephisma. Auch das PraisosStalai-Dekret spiegelt dies wider und misst dem Normsetzungsakt durch die Pflicht zur alljährlichen (mit Selbstverfluchung gekoppelten) Eidesablegung seitens des Kosmenkollegiums der herrschenden Polis enorme Bedeutung zu. Die durch Selbstverpflichtungserklärungen der herrschenden Polis der abhängigen Gemeinde eingeräumten Rechte werden klar und ausführlich genannt. Text bei Chaniotis 1996, 383 ff. 2260 Es handelt sich um Selbstbindung, gesichert insbesondere durch Eid und hier auch bereits durch die Möglichkeit der Popularklage. 2261 Chaniotis 1996, 168.

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Was ist Völkerrecht?

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der wechselseitigen Rechte und Pflichten Anwendung.2262 – Entsprechendes gilt für den wahrscheinlich gleichzeitig gefassten „Beschluß von Praisos über sein Rechtsverhältnis zur abhängigen Gemeinde der Setaiten“.2263 Im Vergleich zur früheren, offenbar noch schwächeren Rechtsstellung der beiden abhängigen Gemeinden lässt die rechtliche Behandlung durch Priansos aber einen Fortschritt erkennen. Chaniotis spricht davon, dass die Regelungen autonomer Poleis mit abhängigen Gemeinden eine „Tendenz zur Verbesserung ihres Status“ erkennen lassen.2264 Für einen weiteren Entwicklungsschritt wird daher für die Gemeinden die Möglichkeit denkbar, die Souveränität und damit den Status einer unabhängigen Polis zu erreichen. Das hätte bedeutet, dass die beiden Poleis, die erst die Eroberung durch Priansos zu abhängigen Gemeinden gemacht hatte, die ursprünglich gegebene Selbständigkeit (und damit Völkerrechtssubjektivität) wiedererlangt hätten. Auch die Möglichkeit hätte bestanden, aus den bisher keineswegs gleichberechtigten Siedlungen, eine neue (auf egalitärer Grundlage aller Gemeinwesen, Priansos eingeschlossen) errichtete Polis für alle Bewohner zu schaffen. Die Instrumente dazu waren vorhanden. – Allein das sind bloße Gedankenspiele, die zeigen, dass Völkerrechtssubjekte schon in griechischer Zeit auf unterschiedliche Weise entstehen und vergehen konnten.

Was ist Völkerrecht? Der von den Griechen geschaffene Begriff ‚Völkerrecht’ unterlag stetem Wandel. – Der deutsche Terminus Völkerrecht ist eine Übersetzung des lateinischrömischen ius gentium, der seinerseits aus dem Griechischen übernommen ist. Das Griechische sprach von LPJOµO EeLBJPO/koinón díkaion, GºTFJ EeLBJPO/phýsei díkaion oder LPJOµK O²NPK/koinós nómos,2265 was nicht mit Völkerrecht in unserem heutigen Sinn, sondern besser mit ‚gemeinem’ griechisch-mediterranen

2262 Chaniotis (1996, 166 und 397) führt als Beispiel die Regelung zwischen Gortyn und Amyklaion an; dazu 1996, 394 ff (Nr. 66). – Die Praisier sicherten den Staliten auch zu, ihnen im Falle von Angriffen zu helfen (Beistandsformel), und sie verpflichteten sich den Staliten wohlgesonnen zu sein; sogenannte F¹OPFkO-Formel (A 17 der Urkunde). 2263 Dazu Chaniotis 1996, 393 f. 2264 1996, 167. 2265 Verdross 19645, 41 übergeht dies und betont stattdessen die Herkunft des für das „Völkerrecht so wichtigen Ausdrucks ‚Jus gentium’ […] aus Rom“. (Das gilt auch für Nörr 1989, 15.) Auch sonst reiht sich Verdross unter die Bewunderer Roms ein, und er teilt bestehende Vorurteile, ohne die Bedeutung des griechischen Rechtsdenkens zu würdigen. Das gilt vor allem für die Entwicklungen vom ius civile zum ius honorarium, den praetor peregrinus oder die bona fides und die aequitas, die Verdross als große Leistungen Roms preist und die alle vom ius gentium bewirkt wurden; Verdross stützt sich dabei auf Schönbauer 1929, 383. – Mehr zur Rolle der Epieikeia/aequitas und Pistis im Völkerrecht später.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

Handels- oder Verkehrs-Recht übersetzt werden sollte. Allein gegen eingebürgerte Terminologie ist schwer anzukommen. Der Terminus gemeingriechisches Recht könnte Verwechslungen und Fehlvorstellungen weitgehend vermeiden helfen und darüber hinaus auch klarstellen, dass er sich ganz wesentlich auf das Privatrecht und keineswegs etwa auf das Völkerrecht nach unserem heutigen Verständnis bezieht.2266 Egon Weiss bezeichnet es als den wichtigsten Beitrag griechischer Rechtsbildung, dass diese ein „gegenüber allen Fremden ohne Unterschied der Herkunft zur Anwendung gelangendes ius gentium“ geschaffen hat.2267 Schon am Ende des 19. Jahrhunderts pries Ludwig Mitteis, in seinem ‚Reichsrecht und Volksrecht’, das noch heute seinen wissenschaftlichen Rang behauptet, das griechische Völkerrecht,2268 das auch zur Keimzelle des griechischen Naturrechts(denkens) wurde. – Auch für K.-H. Ziegler2269 entsteht die „Idee des Naturrechts“ in „der Welt der griechischen Stadtstaaten“, und er betont deren Bedeutung für die Entwicklung des Völkerrechts nicht nur im antiken Griechenland, sondern auch später in Europa. Für Ziegler2270 ist die „Wiederanknüpfung an das altgriechische Völkerrecht bei Hugo Grotius“ (1583-1645) „mit Händen zu greifen“, zumal dieser auch „seine Naturrechts-Sätze gern durch Exempel aus der griechischen Antike untermauert“. Als Beispiel nennt Ziegler den Abschnitt über die „zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel der Kriegs-Verhütung“ bei Grotius. Die Begriffe LPJOµO EeLBJPO/Völkerrecht oder GºTFJ EeLBJPO/Naturrecht/ius gentium verfließen zunächst ineinander und werden weithin synonym gebraucht. Die griechischen Termini lassen das noch erkennen: LPJOµO EeLBJPO, GºTFJ EeLBJPO oder LPJOµK O²NPK. – Nach L. Mitteis2271 liegt der tiefere Grund für die Herausbildung eines völkerverbindenden griechischen Verkehrsrechts/ius gentium „in der Meinung, dass [dieses] die für alle Nationen wahre Rechtsidee an den Tag fördere“. – Dieser Vorgang ist nach Mitteis in allen griechischen Poleis „ziemlich gleichmässig vor sich gegangen“ und damit habe sich die alte vertragsmässige Rechtshilfe der EeLI ‚Qµ TVNC²MXO in die allgemeine Rechtshilfe des ius gentium aufgelöst. – Diese Vorstellungen waren zudem – als ungeschriebenes Recht/…HSBGPK O²NPK/agraphos nomos, ein wichtiger Anwendungsbereich von Gewohnheitsrecht, das demnach auch im griechischen Völkerrecht bedeutsam war.2272

2266 Vgl. etwa Phillipson 1911, I 53 f. 2267 1934, 252. Dazu in Pkt. 10: ‚Naturrecht und Völkerrecht’ (bei Anm. 2519). 2268 1891/1984, 72 ff. Dazu in Kapitel X 4: ‚Kosmopolitismus: …’. 2269 1994, 39/20072, 32 f. 2270 1994, 41/20072, 33. 2271 1891/1984, 74 f. 2272 Zum Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle: Kapitel VII 1: ‚Rechtsquellen und Rechtsbegriff’.

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Wann spricht man von Völkerrecht? Als Schöpfer eines bereits weiter fortgeschrittenen Völkerrechts im antiken Griechenland gilt der Stoiker und Panaitiosschüler Poseidonios von Apameia (~ 135-51 v. C.),2273 dessen Einfluss auf Rom groß war. Er besuchte zwischen 100 und 90 v. C. erstmals Rom, und seine Vorträge auf Rhodos, das seine zweite Heimat geworden war, hörten viele Römer, unter ihnen Cicero 78 v. C.2274 Pompeius besuchte ihn dort zweimal. Er gilt als der letzte große Gelehrte des griechischen Altertums und als der letzte hellenistische Historiker von Bedeutung. Schon sein Lehrer Panaitios von Rhodos (~ 185-110/9 v. C.)2275 übte beachtlichen Einfluss auf römisches Denken aus; er war in Rom Gast des Scipio Africanus minor.2276 Er hatte ua. Kontakt mit Laelius minor, dessen Tochter mit Q. Mucius Scaevola verheiratet war. Das griechische Völkerrecht ist nicht nur ein Beispiel für das Entstehen von gemeingriechischem Recht,2277 sondern auch ein Exempel für die Bedeutung von Völker-Gewohnheitsrecht,2278 das auch damals neben dem immer bedeutender werdenden Völker-Vertragsrecht stand. Hier werde ich lediglich wenige Beispiele anführen, doch zeigt ein Blick in die „Staatsverträge des Altertums“, wie überaus reichhaltig das Material ist.2279 Damit von Völkerrecht gesprochen werden kann, müssen nach A. Verdross folgende Voraussetzungen gegeben sein:2280

2273 Dies bereits einem unserem modernen Verständnis weitgehend entsprechenden oder doch nahekommenden Sinn. Den Einfluss der ethischen Forderungen der griechischen Philosophen auf die Römer betont Dahlheim (1991); vgl. auch Preiser (1950/1978). – Dazu auch in Pkt. 10 (bei Anm. 2519) und zu Poseidonios in Anm. 2520 sowie J. Engels, in: Schütze 1997, 572 ff sowie B. Inwood, in: DNP X (2001) 211-215, wo aber die rechts- und staatsphilosophischvölkerrechtliche Bedeutung übergangen wird. Grundlegend zu Poseidonios immer noch K. Reinhard (1921) und in: RE XXII (1954) 558 ff. 2274 Plutarch, Cicero 4 und Cicero, De natura deorum I 3, 6. 2275 Vgl. M. Kraus, in: Schütze 1997, 497 ff und B. Inwood, in: DNP IX (2000) 226-228; s. zu Poseidonios. 2276 Zu ihm Cassius Dio 2007, I 448 ff, 456 ff, 466, 472. 2277 Dazu Pkt. 6, mit Stellungnahme zu Autoren wie M. I. Finley (1966) und M. Gagarin (2005, 29 ff), die die Existenz gemeingriechischen Rechts leugnen. 2278 Das zu erwähnen ist auch deshalb nötig, weil etwa H. J. Wolff Existenz und Bedeutung von Gewohnheitsrecht für Griechenland generell bestreitet. 2279 Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 700 bis 338 v. Chr., bei Bengtson/Werner (1962/19752), diejenigen von 200-31 v. Chr., bei H. H. Schmitt (1969). 2280 19645, 5 ff.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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1. Vielheit von Staaten: – Die Welt der etwa 700 griechischen Poleis bot ein geradezu ideales Feld für das Entstehen eines interhellenischen Völkerrechts. Beim Beurteilen der Rechtssubjektivität (Rechtsfähigkeit) der griechischen Poleis wurde und wird häufig übersehen, dass diese Poleis durch lange Zeiträume als Völkerrechtssubjekte handelnd auftraten, was Rechtsfähigkeit voraussetzt. Stadtstaaten besaßen danach nicht nur im innerstaatlichen, sondern auch 2282 Bereits im zwischenstaatlich-völkerrechtlichen Bereich Rechts- und Handlungsfähigkeit. in griechischer Zeit existierten internationale (Rechts)Kontakte unterschiedlichster Art. „Von einer völkerrechtlichen Ordnung sprechen wir dann, wenn unabhängige, in kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen stehende Staaten sich gegenseitig als autonome Rechtssubjekte gleichen Ranges anerkennen und bei Abschluss und Ausführung ihrer zwischenstaatlichen Abreden wie auch bei der Befolgung des im Staatenverkehr Üblichen von der Vorstellung bestimmt sind, sie seien zur Einhaltung des Vereinbarten oder stillschweigend 2283 Geltenden auch rechtlich verpflichtet und diese Verpflichtung sei unabänderlich.“ 2284

2. Staatliche Souveränität: – Souveränität bedeutet innere und äußere Unabhängigkeit und rechtlich gleichen Rang mit anderen Völkerrechtssubjekten, verlangt aber nicht danach, dass

2281 Unrichtig Schwind (1965); dazu in Pkt. 8. – Zum frühen Staatsbegriff: Preiser 1996, 227 f uH auf K.-H. Ziegler (Artikel ‚Völkerrecht’ im Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte und D. O. Edzard (1957): „Als Staat bezeichnen wir selbständige Herrschaften von der kleinsten Stadt mit dem sie umgebenden offenen Land (sumerisch ma-da) bis zum größeren, mehrere Städte umfassenden Territorium“. Für Preiser waren die sumerischen Stadtstaaten frühe Völkerrechtssubjekte. 2282 Vgl. dazu Kapitel II 10: ‚Vereinsautonomie’. 2283 Es geht demnach um das „Nebeneinanderbestehen selbständiger, gleichrangiger, sich als solche respektierender und durch einen regelmäßigen Austausch verbundener Rechtssubjekte“; „Ein Völkerrecht ist nur da nicht möglich, wo an die Stelle einer Vielheit von Staaten ein einziger, umfassender Weltstaat getreten ist. So hat das ausgebildete Imperium Romanum das Völkerrecht der vorhergehenden Epoche – bis auf geringe, die Beziehungen zu den Randstaaten betreffende Reste – in der internen Rechtsordnung des Weltreiches aufgehen lassen“; Preiser 1956, 737. 2284 In Kapitel V vor 1 (Euripides) gehe ich auf Personalitätsprinzip und Souveränitätsverständnis ein: In den ‚Herakliden’ des Euripides geht es um einen völkerrechtlichen Konflikt zwischen Argos und Athen. – L. Mitteis (1891/1984, 72 ff) nennt dieses ursprüngliche Personalitätsprinzip ein „exclusives Verbandsrecht“ und bemerkt dazu: „Wer nicht im Gemeindeverband steht, dem sind Commercium und Connubium, |HLUITJK und yQJHBNeB durchaus versagt; der Staat erschöpft sich in der Person seiner Bürger und gibt dem Fremden keinen Rechtsschutz. Doch wird als persönliche Begünstigung schon früh die Proxenie, d. h. die privilegiarische Zulassung des einzelnen Ausländers zu gewisser Antheilnahme an den Wohltaten des Staatsschutzes bewilligt; ihre privatrechtlich wichtigste Seite ist die Gewährleistung von yQJHBNeB oder |HLUITJK oder beider zusammen; daneben unter Umständen Zollfreiheit, Theilnahme an öffentlichen Festen u. s. f.“ Zum Entstehen einer völkerrechtlichen Praxis fährt Mitteis fort: „Der beständig steigende intercantonale Verkehr erforderte bald, dass, was ursprünglich besonderes Entgegenkommen war, bis zu einem gewissen Grad in Rechtsanspruch umgesetzt werde. Dies geschah wenigstens unter benachbarten Städten in weitem Umfang durch Sympolitieverträge, […]; bei Städten, die, ohne benachbart zu sein, doch in regem Handelsverkehr standen, durch Rechtshilfeverträge, sogen. TºNCPMB auf Grund deren der Fremde die EeLI ‚Qµ TVNC²MXO erheben konnte,

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Wann spricht man von Völkerrecht?

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souveräne Mitglieder einer Völkerrechtsgemeinschaft auch tatsächlich eine gleiche Machtstellung besitzen; auch wenn die Erfahrung lehrt, dass zu große Machtunterschiede, den Stärke2285 ren zum Machtmissbrauch verleiten. 2286

3. Zwischenstaatlicher oder internationaler Verkehr: – In der Antike gab es neben einem regen intermunizipialen schon einen zwischenstaatlichen und auch einen internationalen Rechtsverkehr. Ich habe den Begriff ‚intermunizipial’ gebraucht, um eine frühe Stufe des Internationalen Privatrechts zu beschreiben. Ich meine aber, dass das Adjektiv ‚intermunizipial’ auch im Bereich des griechischen (und vielleicht auch des sumerischen) Völkerrechts verwendet werden kann. Man könnte aber auch von inter-hellenisch und von inter-sumerisch sprechen. – Auch die Frage, „ob bereits die Welt des alten Sumer die Stufe einer rechtlich geordneten Völkergemeinschaft erreicht hat, die wir, kurz gefasst, eine ‚völkerrechtliche Ord2287 nung’ nennen, erörtert Preiser. 2288

2289

4. Übereinstimmende Rechtsgrundsätze: – Preiser spricht davon, dass die den zwischenstaatlichen Verkehr „lenkenden Regeln nicht auf einer jederzeit aufkündbaren bloßen Konvention beruhen [dürfen], sondern Bestandteile einer wirklichen Rechtsordnung sein sollen“, die von der „Überzeugung der Beteiligten getragen“ sind, „dass diese durch das Herkommen oder durch ausdrückliche Vereinbarung geschaffenen Regeln rechtlich binden“ und „nicht einseitig aufgehoben werden können und dass ihre Verletzung Sanktionen rechtlicher 2290 Im Art nach sich zieht“. – Es braucht demnach das „Gefühl, rechtlich verpflichtet“ zu sein. Völkerrecht ist nach Preiser eine solche „rechtstreue Gesinnung noch ungleich wichtiger als im innerstaatlichen Recht“, denn wo „dieses ein wohlabgestuftes System von Rechtsprechungsinstanzen und Vollstreckungsmöglichkeiten bereithält, ist der um sein Recht gebrachte Partner der zwischenstaatlichen Beziehung im allgemeinen gezwungen, sich selbst zu seinem Recht zu verhelfen. Um wieviel mehr ist er also auf die freiwillige Einhaltung des Vereinbar-

was der lateinischen recuperatio entspricht. Solche Verträge über den Schutz des gegenseitigen Verkehrs waren sehr häufig; von besonderer Bedeutung waren die Symbola der Staaten des attischen Seebundes, welche ein gegenseitiges gleiches Recht des Handelsverkehrs stipulierten“. 2285 Preiser 1956, 737. 2286 Dazu Preiser aaO 737 f. 2287 1996, 232 und 1956, 738. 2288 Das betrifft sowohl ausdrücklich formulierte, also insbesondere geschriebene Gesetze, wie in langer Übung entstandene Regeln/Gewohnheitsrecht. – Beispiele für gemeingriechisches Völkerrecht anschließend. – Zur Ausbildung einer völkerrechtlichen Ordnung im Alten Orient Preiser (1996, 232), für den das Völkerrecht, mangels zwischenstaatlicher Institutionen „bis heute so gut wie ausschließlich auf der rechtstreuen Gesinnung der für die beteiligten Völkerrechtssubjekte Handelnden“ ruht; und eine solche Gesinnung sei „nicht denkbar, so lange die innere Ordnung der am Staatenverkehr teilnehmenden Subjekte ihren eigenen Staatsangehörigen nicht wenigstens ein Mindestmaß an elementaren Rechten zubilligt und sichert“; vgl. auch denselben 1956, 738. 2289 1956, 738. Gemeinsame Rechtsgrundsätze fehlten der mesopotamischen Frühzeit (im gesamten 3. und nach bisherigem Wissen auch in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends). 2290 Zur Entstehung von Rechtsgefühl/-bewusstsein (inner- wie zwischenstaatlich): Kapitel VII 1 und mein Beitrag zur Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck).

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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ten oder stillschweigend Geltenden durch die andere Seite angewiesen! Das Bewußtsein einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber dem fremden Staat wird sich im allgemeinen erst dann einstellen, wenn die innerstaatliche Rechtsentwicklung eine fortgeschrittene Stufe erreicht hat.“

Alle diese Voraussetzungen sind in Griechenland vorhanden.2291 Daran lässt auch Baltrusch keine Zweifel aufkommen:2292 „Nun wird heute zu Recht anders als noch im 19. und beginnenden 20. Jh. kaum mehr die Anwendbarkeit des Begriffes Völkerrecht auf die antiken Verhältnisse bestritten, auch wenn 2293 […] Es lasder Wortsinn mindestens auf die Polis-Gesellschaft Griechenlands nicht passt. sen sich aber leicht die antiken Verhältnisse dahingehend überprüfen, ob sie von der modernen Definition des Begriffes Völkerrecht gedeckt sind. Dies trifft uneingeschränkt für die griechische Antike zu, weil die Grundvoraussetzung jedes Völkerrechts erfüllt ist: Die Existenz selbständiger Völkerrechtssubjekte, die miteinander in Kontakt treten und sich an die getroffenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen gebunden fühlen. Man darf freilich nicht die modernen Definitionen der Völkerrechtssubjektivität den antiken Verhältnissen überstülpen wollen“.

Für den völkerrechtlichen Verkehr bezeichnet Baltrusch eine Reihe von Kriterien als bestimmend für die Beziehungen „zwischen den Stämmen und Städten der griechischen Frühzeit“: (1) Friedliche und freundschaftliche Beziehungen, „die auf den persönlichen Kontakten der Adligen und Adelsfamilien oder auf gemeinsamen Interessen (Handel, Kultus etc.) beruhten“; (2) „die kriegerischen Beziehungen“; und

2291 Damit will ich nicht behaupten, dass das griechische Völkerrecht inhaltlich bereits generell mit jenem der Neuzeit verglichen werden kann. Bedauerlich wenig entwickelt war das – vielmehr noch grausame – Kriegsvölkerrecht, das Verdross zu Recht kritisiert; vgl. aber Kapitel VII 1: ‚Rechtsgefühl/Rechtsbewusstsein’ (Einfluß der Stoa: F. Hampl). – Darauf weist auch Heuß 1946/1969, 88 f hin: „In ihn [sc. den historischen Zusammenhang der archaischen Zeit] gehört auch die Schrankenlosigkeit der Kriegsführung, die vor der Vernichtung griechischer Gemeinwesen und der Versklavung der Einwohnerschaft nicht zurückschreckt“. Heuß verweist in einer Anm „auf die Städteaustilgungen im Sizilien der älteren Tyrannis, an das bekannte Schicksal von Sybaris 511 [v. C.] oder das entsprechende von Siris. Methymna auf Lesbos zerstörte die Nachbarstadt Arisbe und versklavte deren Einwohner (Hdt. 1, 151)“. – Zur Sklaverei der Antike: Strasburger 1976, 23 ff. Strasburger untersucht sowohl Griechenland als auch Rom und strebt danach, weitverbreitete Vorurteile abzubauen. Vgl. auch Anm. 2542. – Zum wenig entwickelten Kriegsvölkerrecht: Kiechle (1958/1969). 2292 1994, 201 f. 2293 Baltrusch aaO Fn 41 stützt sich auf A. Nussbaum 1960, 10, der „unter Verkennung der tatsächlich, völkerrechtlich entscheidenden Selbständigkeit der griechischen Städte die außenpolitischen Beziehungen unter ‚Innergriechisches Recht’ zu fassen“ versucht habe; ähnlich F. Schwind, oben in Pkt. 8 (bei Anm. 2281).

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Gemeingriechisches Völkerrecht

(3) „überhaupt keine Beziehungen“.

483 2294

(Hervorhebung von mir)

Nach Baltrusch berühren das antike griechische und das moderne Völkerrecht einander auch hinsichtlich der Rechtsquellen; das betrifft das Völkervertrags-, das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsregeln, O²NJNB UÎO A&MM›OXO oder UÎO ‚ORSÈQXO, aber auch das „Anwendungsfeld des Völkerrechts“ mit Kriegsrecht, Vertragsrecht und Gesandtenrecht. Daran ändert nichts, dass das griechische Völkerrecht – wie später auch das römische – noch kein modernes System ausgearbeitet hat und auch die Begrifflichkeit noch nicht einheitlich war:2295 So wird etwa der Waffenstillstand im Griechischen mit yLFDFJSeB, ‚OPLXD› und TQPOEBe umschrieben, „ohne dass wir Unterschiede festellen können; Waffenruhe und Waffenstillstand wurden dabei nicht wie heute unterschieden“.2296 Ähnliches gilt für den Kapitulationsvertrag, der sowohl mit °NPMPHeB, als auch mit TQPOEBe bezeichnet wird, „je nachdem welcher Aspekt des Vertrages in den Mittelpunkt rückte“, schließlich auch für Bündnis- und Friedensverträge und nicht zuletzt für die Symbola, die mit dem modernen Ausdruck ‚Rechtshilfeverträge’ nicht voll erfasst werden.2297

Gemeingriechisches Völkerrecht In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber, ob es überhaupt ein gemeingriechisches Recht gegeben hat.2298 M. I. Finley und M. Gagarin, die die Existenz gemeingriechischen Rechts leugnen, haben aber das Völkerrecht nicht beachtet, obwohl gerade dort wichtige Belege für gemeingriechische Rechtsgrundsätze zu finden sind.2299 – Für K.-H. Ziegler sind die Grundlagen einer funktionierenden Völkerrechtsordnung von den Griechen bewusst geschaffen worden. Auch theoretische Ansätze für ein gemeingriechisches Völkerrecht fänden sich bereits bei verschiedenen griechischen Autoren:2300 • „Ungeschriebene Grundsätze und Gewohnheiten in Krieg und Frieden werden gern bezeichnet als nomos oder (ein Plural) nomima ‚der Hellenen’. Wenn sie das Fehlen eines förmlichen rechtsetzenden Akts ausdrücken wollen, sprechen die Griechen auch vom ‚ungeschriebenen Gesetz’, agraphos nomos.“

2294 1994, 94 ff. Hier scheint mir manche Frage offen. 2295 Zum unterschiedlich verwendeten Begriff der TQPOEBe unten ab Anm. 2347. 2296 Baltrusch 1994, 204 und 103 ff. 2297 Baltrusch 1994, 205. 2298 Dazu oben Pkt. 6. 2299 Da das Völkerrecht seine Rechtsfiguren häufig anderen Rechtsgebieten (meist dem Privatrecht) entnommen hat, sind weitere Rückschlüsse zulässig. – Zur gemeingriechischen Völkerrechtspraxis unten bei Anm. 2327. 2300 Innsbrucker-Vortrag 2008 (in Druck).

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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• „Zu den nomoi koinoi der Hellenen gehörte beispielsweise nach Thukydides der Schutz der Heiligtümer im Krieg (4, 97, 2)“;

• „aber auch das Recht der kriegerischen Eroberung (4, 98, 2)“, • „ferner die Schonung der bittflehenden Besiegten (3, 58, 3).“ • „Die engere altgriechische Rechtsgemeinschaft wird aber auch schon früh durch ein universelles, nämlich für alle Menschen postuliertes Recht umlagert. Bereits Herodot (7, 136) kennzeichnet die Unverletzlichkeit des unter göttlichem Schutz stehenden Herolds (keryx) als Recht aller Menschen (ta panton anthropon nomima).“ – „Dem ‚Recht aller Menschen’ entspricht nach Xenophon auch das Prinzip, dass im Krieg eroberte Städte mitsamt der Bevölkerung und ihren Sachen dem Sieger gehören (Kyrupädie 7, 5/73: nomos en pasin anthropois).“

• „Mehrfach apostrophiert im 2. vorchristlichen Jahrhundert der Historiker Polybios im zwischenstaatlichen Verkehr gemeinsames Recht und gemeinsame Bräuche aller Menschen (Hist. 1, 70, 6; 2, 8, 12; 2, 58, 4 f. und 6 f.; 4, 6, 11; 4, 67, 4). Polybios folgt hier gewiss griechischer Tradition, auch wenn das von ihm Beobachtete ebenfalls in den Bereich des römischen ius gentium fällt“.

• „In der griechischen Rechtstheorie ist auch schon früh der Gedanke der Vertragstreue entwickelt worden. Die griechische pistis entspricht dabei der lateinischen fides“. „In griechischen Staatsverträgen wird nicht selten vereinbart, dass die Vertragsbestimmungen ‚getreulich und ohne Arglist’ (oder ‚gerecht und ohne Arglist’) ausgeführt werden sollen. In einem vor 510 v. Chr. geschlossenen Staatsvertrag verpflichten sich die Vertragsparteien (Sybariten und Serdaier) zu ‚treuer, unverbrüchlicher Freundschaft’.“ – Obwohl ein eindeutiger Beweis nicht zu erbringen ist, liegt es hier nicht nur nahe, eine Rezeption durch die Römer in Bezug auf die ‚fides’ (abgeleitet aus der griechischen ‚pistis’) anzunehmen, sondern auch die pistis als Instrument der individuellen Vertragsgerechtigkeit (wie von Platon und Aristoteles entwickelt) und damit als Aspekt der epieikeia/aequitas 2301 – Diese Vertragsformeln lassen auch erahnen, dass die Anfänge des rözu verstehen. mischen dolus griechisch inspiriert waren. – Während gewöhnlich die Entwicklung vom Privatrecht zum Völkerrecht verlief, ist in Einzelfällen auch der umgekehrte Weg denkbar. Das könnte bei der Entwicklung des dolus-Begriffs und der Berücksichtigung von dolus mittels unterschiedlicher Rechtsmittel (actio, exceptio) der Fall gewesen sein.

• Ferner ist die für die Entwicklung des Völkerrechts „in allen Epochen der europäischen Rechtsgeschichte“ wichtige „Idee des Naturrechts“ „in der Welt der griechischen Stadt2302 – Der Gedanke von der natürlichen Gemeinschaft aller Menschen staaten entstanden“. sei vor allem in der stoischen Philosophie so entwickelt worden, dass die römische Stoa daran anknüpfen konnte.

2301 Dazu in Kapitel VI 1 (und FS für I. Weiler: 2008, 861 ff). 2302 Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck).

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Gemeingriechisches Völkerrecht

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• Als letzten Punkt führt Ziegler die bis Homer zurückreichende diplomatische Praxis an. 2303

Der Schutz von Herolden stammt danach nicht erst aus der klassischen Ära.

Weitere Einrichtungen gemeingriechischen Völkerrechts Das Konzept der Neutralität war den Griechen bekannt. Neutralitätserklärungen auf griechischer Seite spielten während der Perserkriege eine Rolle. Nicht immer wurde aber der Wunsch (kleinerer Poleis) respektiert, wie das Beispiel der Insel Melos im Peloponnesischen Krieg zeigt.2304 Troncoso betont,2305 dass man noch nicht von Neutralität im heutigen Sinn sprechen kann. – Verdross nennt weitere Einrichtungen des griechischen Völkerrechts:2306 2307

„Organe des völkerrechtlichen Verkehrs sind außerordentliche Gesandte; […] Der steigende Verkehr zwischen den Stadtstaaten machte eine völkerrechtliche Regelung des Fremdenrechts erforderlich. Zum Schutze der Interessen der Ausländer wurde [schließlich] ein an2308 ähnlich dem heutigen Honoragesehener Bürger des Empfangsstaates bestellt (Proxenos), rakonsul. Neben Verleihung des Bürgerrechts an einzelne Ausländer wurde durch Staatsver2309 aller Vollbürger bilateral vereinbart. träge die Gleichberechtigung (Isopolitia, Sympolitia) In den zahlreichen an allen Küsten des Mittelmeeres und auf den Inseln gegründeten Pflanz2310 2311 sowie an Bord von Schiffen galt das Recht des Heimatstaates. städten, Ein ganzes System von Staatsverträgen bildete das hellenische VGR [sc. Völkergewohnheitsrecht] weiter. Die Verträge regelten die Grenzvermarkung, Handel, Fremdenrecht, Seerecht, Schiedsgerichtsbarkeit, Bündnisse und Friedensschlüsse. Das Seerecht kannte Bestimmungen über die Territorialgewässer, Benützung von Häfen (Ein-Schiff-Klausel) und Durchfahrtsrecht. Gegen die Piraterie übte Athen und dann die Handelsrepublik Rhodos die ‚Seepolizei’ aus. Die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit bestand isoliert und institutionell. So setzten z. B. Athen und Böotien mit Schiedsvertrag (sýmbolon) den Stadtstaat Lamia als ständigen

2303 Weitere Beispiele gemeingriechischen Völkerrechts ab Anm. 2306. 2304 Dazu Kapitel IV. 2305 (2001) mwH. – Vgl. auch Pkt. 7 bei Anm. 1611. 2306 19645, 36 f. 2307 Vgl. bei Anm. 2110 f. 2308 Dazu Pkt. 4 bei Anm. 517 und oben bei Anm. 1890 zur älteren Auffassung von der Proxenie als persönlicher Begünstigung (L. Mitteis). – Kritisch Errington 1994, 119 uH auf Marek (1984). 2309 Mehr bei Gawantka (1975). 2310 Dies kann so nicht aufrechterhalten werden; s. Pkt. 8. 2311 Also ein etwas gelockertes (Heimathafen?, Wohnsitzprinzip) Personalitätsprinzip.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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Schiedsrichter für ihre Streitigkeiten ein. Tempel hatten das Asylrecht, der.“

2312

auch für Auslän-

Abgesehen von diesen partikularen völkerrechtlichen Beziehungen der griechischen Stadtstaaten untereinander gab es auch Beziehungen zwischen diesen und dem Persischen Reich und mit anderen Mächten. Zwischen den hellenistischen Diadochenstaaten (Ptolemäer, Seleukiden, Antigoniden) „wurde der Verkehr durch völkerrechtliche Gewohnheit und durch Verträge geregelt“; durch Handels- und Bündnisverträge versuchten die Diadochenmonarchien andere Mittelmeerstaaten – Karthago, griechische Stadtstaaten in Sizilien und der Magna Graecia und schließlich auch Rom – in dieses Staatensystem einzubeziehen.2313

Epochen antiken Völkerrechts Nach W. Preiser2314 hat schon in der Antike das „gleichzeitige Vorliegen der besprochenen [allgemeinen] Voraussetzungen in drei Fällen zur Entwicklung einer funktionierenden, einen längeren Zeitraum überdauernden völkerrechtlichen Ordnung geführt“: • Zum ersten Mal „bald nach der Mitte des 2. [Jts.], innerhalb der Staatenwelt des Vorderen 2315

Orients“ zwischen ~ 1450 bis 1200 v. C.

• Ein zweites Mal zur „Blütezeit der griechischen Stadtstaaten“ zwischen ~ 600 und 338 v. 2316

2317

C. – Preiser betont zu Recht die Bedeutung der Polis als Trägerin völkerrechtlicher Rechte und Pflichten. Alle Voraussetzungen zum Entstehens von Völkerrecht waren gegeben. – Kritisch kann allenfalls bemerkt werden, dass die Polis (als Institution) nicht erst 2318 sondern bereits während des 7. Jhs., nach der Wende vom 7. zum 6. Jh. entstanden ist, auch wenn dies nicht überall gleichzeitig der Fall war. Streiten lässt sich auch darüber, ob

2312 Dazu E. Szanto, in: RE II (1896) 1879-1881 ("TVMeB); v. Woess 1926, 32 ff; Dietrich 2007, 193 ff; Rüterswörden 2007, 221 ff sowie Chaniotis 2007, 233 ff alle mwH. 2313 Verdross 19645, 38 ff widmet dem Völkerrecht der hellenistischen Staaten und der Republik Rom lediglich die Seiten 38-40. 2314 1956, 738. 2315 In der Begründung für diese Einteilung, der Ziegler folgt, verweist Preiser (1956, 738) auf sein ausführliches Werk 1954, 257 ff. Nicht zu übergehen ist die frühe Rechtswelt der Hethiter; dazu Riemschneider (1954), Weidner (1923), Koroãec (1931), Koschaker (1928), J. Friedrich (1930) und allgemein C. W. Ceram (1955). – Zur Diskrepanz zwischen hoher innerstaatlicher und gleichzeitig fehlender zwischenstaatlicher Rechtsentwicklung: Kapitel VII 1: Rechtsgefühl. 2316 Dazu Preiser 1956, 740 ff. – Zur Entwicklung des griechischen Völkerrechts ab Anm. 2394. 2317 1956, 740 Fn 21 f. – Er behandelt auch die heute nicht mehr haltbaren Einwände gegen die Annahme eines altgriechischen Völkerrechts ua. durch A. Nussbaum (19542) und Liszt/Fleischmann (192512). Nussbaums Begriff eines ‚intermunizipialen’ Rechts (statt Völkerrechts) stammt von Phillipson (1911). 2318 So Preiser 1956, 741.

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die griechische Völkerrechtsordnung bereits 338 v. C. ein Ende gefunden hat; hier übersieht Preiser, dass Makedonien längst nicht alle Stadtstaaten unterworfen hatte, und darüber hinaus, nach Alexanders Tod die Diadochenreiche als mächtige Völkerrechtssubjekte in Erscheinung getreten waren, ohne dass von einem Einfluss Roms gesprochen werden könnte. – Von der besonderen Bedeutung der Amphiktyonie als einer spezifisch griechi2319 schen Institution war schon die Rede.

• Schliesslich ein drittes Mal in der „frühen und mittleren Zeit der römischen Republik, vom Ausgang des 5. [Jhs.] an, zunächst auf Italien beschränkt, dann auf das westliche, am 2320 – In der römischen Welt Ende auf das ganze Mittelmeerbecken sich erstreckend“. konnte eine Völkerrechtsordnung aber nur solange bestehen, „als Rom bereit war, andere Staaten als unabhängige Rechtssubjekte gleichen Ranges neben sich anzuerkennen. Diese Bereitschaft ist im Grunde schon seit dem Ende des zweiten punischen Krieges nicht mehr vorhanden. Die Schlacht von Pydna (168 v. Chr.), von der Polybios (1, 1) die Vollendung der römischen Weltherrschaft rechnet, ‚die letzte Schlacht, in der ein zivilisierter Staat als ebenbürtige Großmacht Rom auf der Walstatt gegenübergetreten ist’ bedeutet den auch äußerlich erkennbaren Wendepunkt; von einem Nebeneinander selbständiger Staaten, […], kann nach der Zerstückelung Makedoniens und der ins gleiche Jahr fallenden Demütigung des Seleukiden Antiochos’ IV. vor Alexandria (Polybios 29, 11) 2321 nicht mehr die Rede sein.“

Neben diesen relativ kurzen Epochen einer funktionierenden Völkerrechtsordnung, stehen „die sehr viel ausgedehnteren Zeiträume, in denen zwar einzelne Erscheinungen völkerrechtlicher Art begegnen, für die aber ein wirksames, alle zwischenstaatlichen Beziehungen erfassendes Rechtssystem nicht angenommen werden darf“. – Das gilt cum grano salis auch für die griechische Archaik, in der etwa die intermunizipial-völkerrechtlichen Kontakte zwischen Mutter- und Tochterstadt deutlich älter sind, für die aber allein deswegen noch nicht von einer allgemein bestehenden Völkerrechtsordnung gesprochen werden kann.2322

Völkerrecht im klassischen Griechenland E. Bickerman in einem Aufsatz einen Teil dieser Regeln im Hinblick auf die Symmachien untersucht.2323 Danach wurden sie von Syrakusanern, Lakedaimoniern und Athenern auf inhaltlich idente Weise befolgt und gehandhabt; dies seit

2319 Dazu oben bei Anm. 2109 und insbesondere nach Anm. 2115. 2320 Dazu Preiser 1956, 742 ff. 2321 Mommsen, Römische Geschichte I 780, Preiser 1956, 742. 2322 Die Praxis des Delphischen Apollon in Fragen der Kolonisation hat hier offenbar konstituierend gewirkt. 2323 1950/1969. – Wichtig ferner Baltrusch (1994).

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

de Zeit Solons bis tief in den Hellenismus hinein. Der älteste Vertrag in griechischer Sprache ist ein Beistandspakt (wahrscheinlich aus der Zeit s): „Abmachung zwischen den Eleiern und Heraiern. Es soll von jetzt an TVNNBDeB bestehen für hundert Jahre. Wenn etwas nottut, sei es Wort oder Tat, sollen beide in jedem Fall und besonders für den Krieg sich verbinden. Verbinden sie sich nicht, so sollen die, die (gegen diese Verpflichtung) verstoßen, dem Zeus von Olympia ein Talent Silber als Sakralbuße erstatten.’“

„Wie man sieht, ist es ein foedus aequum.“2324 – An die Stelle einer spontan geleisteten Waffenhilfe tritt demnach immer wieder seit ältester Zeit der vorsorglich vereinbarte Beistand gegen mögliche oder wahrscheinliche Aggressoren: die Symmachia/TVNNBDeB. Daneben wurden Nichtangriffspakte geschlossen. – Bei vertraglich – idR feierlich – vereinbarten Beistandspflichten existieren zwei Hauptformen:2325 „[…] den wechselseitigen Beistandspakt einerseits und den Unterwerfungsvertrag [iSv Kapi2326 tulation] andererseits.“ (Hervorhebung von mir)

Erwähnenswert ist, dass Bickerman, ohne auf die Frage der Entwicklung und Existenz eines gemeinen griechischen Rechts einzugehen, ein solches offenbar annimmt, wenn er die erwähnten Rechtsinstitute als „griechische“ behandelt und davon spricht, dass „die Griechen unterschieden“2327 oder wenn er in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Beistandspakt und Unterwerfungsvertrag anmerkt:2328 „Diese Einteilung ist griechisch. Die Gesandten Antiochos’ III. in Rom im Jahre 193 v. Chr. unterscheiden drei Arten von Vereinbarungen: a) Kapitulation auf Gnade und Ungnade; b) Vertrag auf der Basis der Gleichberechtigung nach einem Kriege und c) von beiden Seiten freiwillig geschlossene Vereinbarung zwischen Partnern, die niemals im Kriege lagen. Diese letzte Kategorie, hier gesondert angeführt im Interesse der Sache des Antiochos’ III., gehört juristisch zur zweiten Gruppe. Wir haben also einerseits das foedus aequum und andererseits den Fall cum bello victis dicerentur leges. [foedus iniquum]“ (Hervorhebungen von mir)

Das griechische Verständnis der Kapitulation war ein anderes als das der Römer, für die die Dedition kein foedus war.2329 Das musste 191 v. C. eine Ge-

2324 Bickerman 1950/1969, 477. 2325 Bickerman 1950/1969, 476 und 485. 2326 Am Ende seines Beitrags (1950/1969, 500 ff) versucht Bickerman eine „teleologische Erklärung“ dieser miteinander verknüpften Aspekte des griechischen Völkerrechts. 2327 1950/1969, 477. 2328 Bickerman 1950/1969, 476 Fn 10. 2329 Dahlheim 1991, 43: „Zwar treffen zwei souveräne Staaten eine Vereinbarung – insofern schließen sie im weitesten Sinne einen Vertrag –, diese endete jedoch mit der Selbstaufgabe eines Kontrahenten und enthielt dementsprechend keine Regelungen für die Zukunft. Ebendies zeichnete jedoch einen römischen Vertrag (foedus) aus.“ Kritisch zu Nörr: Dahlheim aaO 44 ff. – Die römische Auffassung zeigt, dass man nicht wirklich an einer Anwendung oder Entwick-

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sandtschaft des Aitolerbundes zur Kenntnis nehmen, die dem römischen Konsul Glabrio ihre Kapitulation/deditio erklärt hatte, dabei aber über deren Bedeutung irrte.2330 Die griechischen Gesandten stützten sich auf ihre eigene Deutung und wiesen die vom Konsul gestellten Forderungen zurück, wurden aber „[…] von dem erbosten Römer in Ketten gelegt und lautstark über die römische Interpretation der deditio belehrt, [und] gaben […] schließlich nach“.2331 – Für die Kapitulation nach griechischem Recht kam es auf die getroffene Vereinbarung an, die jeweils konkret Vollzug und Übergabe regelte; nach römischer Vorstellung bedeutete die deditio, wie Polybios seine Landsleute aufklärte:2332 „Wer sich in die freie Verfügung der Römer gibt, übergibt ihnen erstens das Land, das er besitzt, mit allen Städten darin, dazu alle Männer und Frauen, die in dem Land und den Städten wohnen, ebenso Flüsse, Häfen, Tempel, Gräber, und dies bedeutet in aller Kürze, dass die Römer über all dies Herr sind, die Kapitulierenden über schlechthin nichts mehr“.

Die Praxis und Unterscheidung zwischen paritätischen (zwischen gleichwertigen Partnern) und nicht-paritätischen, Subordinations-/Unterwerfungs- oder Vasallenverträgen ist aber deutlich älter und nicht nur schon den Hethitern, sondern bereits den Sumerern bekannt.2333 Nach Neumann2334 waren die Subordinationsverträge die älteren Verträge, paritätische Verträge sind (jedenfalls bei den Hethitern) erst um 1500 v. C. in Gebrauch gekommen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Vereinbarungen (°NPMPHeB iwS), denen man nicht nur im griechischen Völkerrecht, sondern auch in anderen Rechtsbereichen begegnet, muss klargestellt werden – und das ist über das Völkerrecht hinaus von Bedeutung, dass der griechische Vertragsbegriff nicht so eng ist, wie uns das H. J. Wolff2335 glauben machen will. Schon für das antike Griechenland

lung von Völkerrecht interessiert war, sondern meist bloß an der Durchsetzung des eigenen Standpunktes. Dahlheim, aaO 47: „Dem Leidensweg Karthagos folgten wenig später das achäische Korinth und das spanische Numantia. Ihr Schicksal verdeutlicht, dass die der deditio immanente Norm jenseits des Schutzes des nackten Lebens nichts Konkretes enthielt und damit der Ermessensspielraum der römischen Kommandeure allein von der öffentlichen Meinung, die die der führenden Familien Roms war, abgesteckt wurde.“ Oder aaO 49: „Und wer wie Cicero die römische Herrschaft über den orbis terrarum als verdiente Folge der römischen Gerechtigkeit und fides las, mochte gewiß nicht über alle exempla belehrt werden, die der fides ein janusköpfiges Aussehen verliehen.“ AaO 51 erinnert Dahlheim an Flavius Josephus, der „während des jüdischen Aufstandes im Auftrag des Titus Jerusalem zur Kapitulation aufgefordert [hat] und dabei seine Landsleute daran erinnert, dass die Römer berechnende Sieger seien, die ihren Vorteil über ihre momentane Erbitterung stellen würden, und der liege nun nicht darin, eine menschenleere Stadt und ein verödetes Land in Besitz zu nehmen (bellum Jud. 5, 373)“. 2330 Dazu Nörr 1989, 94 ff und Dahlheim 1991, 42 f. 2331 Dahlheim 1991, 42 f uH auf Polybios 20, 9 f und Livius 36, 27 ff sowie Nörr 1989, 94 ff. 2332 36, 4. 2333 Dazu Neumann auf der Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). 2334 Innsbrucker Tagung 2008 (= 2009, in Druck). 2335 Vgl. dazu in Kapitel II 9: ‚Deutung des griechischen Vertrags …’ und in Kapitel VI 2: ‚Dar-

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

ist von einer einheitlichen Auffassung des Vertrages auszugehen und keinesfalls von unterschiedlichen Begriffen für das Privatrecht, für das Völkerrecht usw. Der griechische Vertrag steht und fällt daher nicht, wie Wolff meint, mit der Unterwerfung des Schuldners oder Vertragspartners unter die (private) Vollstreckungsmacht des Gläubigers etc.2336 Vielmehr kannte schon das griechische Recht und Rechtssdenken das für sich gültige und sich am Willen der (Vertrags)Parteien orientierende schuld- oder eben auch völkerrechtliche Versprechen, die homologia/°NPMPHeB iwS, auch wenn der Vertragsschluss – wie schon im Alten Orient – mit religiös-kultischem Beiwerk versehen und bekräftigt wurde. Das gilt auch für das griechische Völkerrecht, wo der Begriff homologia, ebenso wie andere Termini, oft sehr allgemein, und nicht nur in Verträgen mit Machtgefälle, gebraucht wird. Wie auch im modernen Recht konnte dies jedoch der Fall sein.2337 – Im Völkerrecht war unter gleichwertigen Partnern eine Unterwerfung unter die Vollstreckungsmacht des Vertragspartners ja ausgeschlossen.2338 Das griechische Völkerrecht unterscheidet aber zwischen ‚gleichen’ und ‚ungleichen’ Verträgen. Bei den ‚gleichen’ Verträgen – die Römer nennen sie foedera aequa2339 – versprechen beide Partner (freiwillig) für den Bündnisfall gegenseitige Hilfe2340 und unterwerfen sich für die Überprüfung der Einhaltung eines solchen Abkommens unter Umständen dem Schiedsurteil eines Heiligtums oder einer anderen Schiedsinstanz;2341 zum Beispiel dem des Zeus in Olympia. Das ist realistisch, weil der Eintritt des Bündnisfalles durchaus zweifelhaft und daher interpretationsbedürftig sein konnte und nicht immer so einfach festzustellen wie vergleichsweise im Privatrecht die erfolgte oder nicht erfolgte Lieferung von Waren oder Geld. – Darin liegt wohl ein Verständnis, das beide Vertragspartner als gleichberechtigt und nur dem göttlichen Recht und seinen Sanktionen unterworfen denkt. Ich meine, dass ein solches Verständnis, das den freiwilligen Vertragsschluss voraussetzt, auch das griechische Privatrecht bestimmte. Damit

lehens- und Kreditgeschäfte’ (am Ende). – Wolff ist auf das Völkerrecht nicht eingegangen. 2336 Dazu in Anm. 2342. 2337 Vgl. etwa Thukydides, I 117 (3): Niederwerfung von Samos durch Athen. – Mehr zur uneinheitlichen Vertragsterminologie, die insbesondere auf die Art und Form des Abschlusses abstellte ab Anm. 2366. 2338 Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern sind etwa die Bündnisverträge zwischen den Lakedaimoniern und dem Persischen Großkönig gegen Athen während des Peloponnesischen Krieges; dazu Thukydides, VIII 17 (4) und 18 (1) f sowie VIII 37 (1) ff. Diese Verträge enthielten auch keine Unterwerfungsklausel. 2339 Zur römischen Unterscheidung: Dahlheim 1968, ua. 119 f. 2340 Darin steckt auch je eine Selbstverpflichtung der Versprechenden (°NPMPHeB). 2341 In Griechenland früh nachweisbar; dazu in Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht und Rechtsidee – Entwicklungsschritte’ (2) und (3)’.

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Völkerrecht im klassischen Griechenland

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will ich aber keineswegs die praktische Bedeutung von Exekutivklauseln 2342 leugnen. Die Vertragsbindung wurde aber schon in griechischer – und nicht etwa erst in römischer – Zeit durch den auch feierlich erklärten, übereinstimmenden (grundsätzlich freien) Parteiwillen und das gegenseitige Versprechen (als Willenserklärung) herbeigeführt; sie geschah nicht erst durch die Vollstreckungs- oder Unterwerfungserklärung des einen, nämlich des schuldnerischen oder des völkerrechtlich unterlegenen Vertragsteils. Die griechische °NPMPHeB meinte im Bereich der foedera aequa – und dazu zählen grundsätzlich alle privatrechtlichen Verträge – das freiwillig und gegenseitig abgegebene Versprechen der Vertragsparteien, das durch Zusätze ergänzt werden konnte. Das gilt für das Völkerrecht ebenso wie für das Privatrecht. Die gegenseitigen Beistandspakte/foedera aequa und die Unterwerfungs- oder Kapitulationsverträge/foedera iniqua des griechischen Völkerrechts enthielten demnach entweder ein gegenseitiges oder ein (bloß) einseitiges2343 Versprechen künftiger Hilfeleistung, also im Bündnisfall. – Darin steckt – und zwar bei beiden (Vertrags)Typen – bereits jenes ‚moderne’ Verständnis vom gegenseitigen Versprechen, wobei die zugesagte Leistung bloß einseitig oder aber zweiseitig verpflichtend vereinbart werden konnte. Dieses Niveau wurde also nicht erst in der Neuzeit durch Hugo Grotius auf scholastischer und biblischer Grundlage erreicht.2344 – In Österreich gelangte das naturrechtliche Verständnis vom Versprechen durch K. A. v. Martini in den § 861 des ABGB. Dieses Verständnis vom Versprechen wird auch durch eine weitere Einrichtung aus der Geschichte des Völkerrechts gestützt:2345 „Die Griechen [!] unterschieden zwischen folgenden zwei Begriffen: Beendigung der Feindseligkeiten und Friedenszustand. Um Frieden zu haben, um sich in Zukunft gegen Zusammenstöße zu schützen, setzten sie neben die TQPOEBe, d. h. die Vereinbarung, durch die man

2342 Dazu auch in Kapitel VI 2: ‚Darlehens- und Kreditgeschäfte – Exekutivklausel’. – Eine Exekutivklausel trat zur Willenseinigung der Vertragsparteien hinzu, aber die Parteien konnten auch darauf verzichten, ohne dass dadurch die Gültigkeit des Vertrags gefährdet war. Davon zu unterscheiden ist die grundsätzliche Möglichkeit, eine vertragliche Zustimmung bedingt abzugeben; etwa: Ich stimme nur unter der Voraussetzung zu, dass du eine Exekutiverklärung abgibst. Eine solche Verkehrssitte war anscheinend weit verbreitet. (Fraglich ist, inwieweit Konkludenz im Spiel war?) Dennoch ist auch hier zwischen vertraglicher Einigung und allfälligen einseitig abgegebenen Zusätzen zu unterscheiden. – Allerdings konnte der Verzicht auf eine Exekutivklausel die Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen erschweren. 2343 Dieses Versprechen wurde vom Gläubiger oder Sieger entgegengenommen (nachdem sein Inhalt vom Sieger zuvor festgelegt worden war), wodurch der den Frieden bringende Vertrag zustande kam. 2344 So Mayer-Maly 2003, 25 uH auf den Evangelisten Matthäus, die spätscholastische Moraltheologie und Diesselhorst (1959). – Vgl. dazu auch Kapitel VI 2: ‚Wahre Zustimmung der Vertragsparteien?’. 2345 Bickerman 1950/1969, 477 ff.

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den Krieg unterbrach [sc. die Waffenstillstandsvereinbarung und], die [auf die Zukunft gerichtete] wechselseitige Nichtangriffsvereinbarung für die Dauer des Vertrages. Das zeigt eine Stelle bei Andokides, die zuerst in Erstaunen setzen muß. Der Sprecher stellt dort die TQPOEBe, die der Sieger dem Besiegten nach dem Siege auferlegt, und die FdS›OI, die auf Gleichheitsbasis im Geist des Ausgleichs geschlossen wird, einander gegenüber. Das wesentliche Element der griechischen Friedensverträge, die Nichtangriffsklausel, verpflichtet die Kontrahenten, sich jedes feindseligen Angriffs gegen das Territorium des oder der andern zu enthalten. Doch sie verpflichtet sie zu nichts weiterem. Die griechische FdS›OI schließt den indirekten Krieg nicht aus. Lediglich Grenzverletzung stellt einen casus belli dar.“ (Hervorhebungen von 2346 mir)

Spondai Nach Baltrusch2347 hat der Begriff der Spondai/4QPOEBȓ der „modernen Forschung bisher […] deshalb so große Schwierigkeiten bereitet, weil er so viele unterschiedliche und durchaus nicht nur völkerrechtliche Aspekte enthält, nämlich: Personenschutz (Festspiel-Spondai), Waffenruhe, Waffenstillstand, faktischer Friedensvertrag werden mit ihm unter Beibehaltung seines ursprünglichen Bedeutungsinhaltes – nämlich des Schutzes vor Gewaltanwendung – in gleicher Weise bezeichnet“. – Baltrusch untersucht die einzelnen Formen der Spondai; er beginnt mit den Frühformen2348 und geht auf den Begriff ein: „Der im Zusammenhang mit den vertraglichen Kriegsunterbrechungen verwandte Begriff TQPOEBe bedeutet eigentlich ‚Trank-’‚ bzw. ‚Weinspenden’.“ – Der Begriff wird nur im Plural verwendet und Verbalformen stehen im Medium: TQzOEFTRBJ = ‚durch Trankopfer einen Vertrag schließen’. „Bei diesen Weinspenden handelte es sich ursprünglich um eine religiöse Geste einzelner Personen, die dazu bestimmt war, von den Göttern Sicherheit und Schutz für 2349 – „Die Zesich oder andere beim Beginn eines gefährlichen Unternehmens zu erlangen.“ remonie sollte also Sicherheit in kommenden Gefahren gewährleisten; in allen Fällen war sie mit einem Gebet verbunden, so dass hier der Ursprung der Kombination Eid – Spondai in den älteren Staatsverträgen zu suchen ist.“ – „In einer weiteren Entwicklungsstufe erbat man sich 2350 oder begleitete verbei Kriegsfahrten durch Spondai eine göttlich geschützte Rückkehr tragliche Regelungen im Krieg durch Spondai […] Der Vorgang bedeutet also nichts anderes

2346 Vgl. auch Phillipson 1911, I 51. – Zu ‚Symmachie und Spondai’ vor allem Baltrusch (1994). 2347 1994, 202. 2348 1994, 99 ff. 2349 In diesem Sinne Herodot VII 54, 2: Xerxes spendet bei Beginn seines Griechenlandfeldzugs. – Baltrusch zitiert dazu Homer: etwa Ilias XVI 225 (Achilleus untermauert seinen Wunsch nach glücklicher Rückkehr des Patroklos aus dem Kampf durch eine Weinspende) oder Ilias XXIV 283 ff (Weinspende des Priamos). 2350 Ilias II 341: Ausfahrt der Griechen nach Troja.

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Spondai

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als ein ‚sich unter den Schutz der Götter stellen’. Von da war es kein großer Schritt hin zum Schutz von gefährdeten Personen, der vertraglich in der Form von Spondai verbürgt wurde: 2351 oder eines ungefährdeten Auszuges bei KapitulatioSei es in der Form des Geleitschutzes nen.“ Baltrusch verfolgt die Entwicklung des Begriffs noch weiter. – Spondai konnte auch nur 2352 ein einseitiges Versprechen bedeuten; die Gleichsetzung mit Vertrag ist „relativ jung“. Die durch Spondai vermittelte Sicherheitsgarantie wird in vielfältiger Weise angewendet: 2353 Beilegung eines Konfliktes durch Einzelkampf/Monomachie; - Totenbergung/‚OBeSFTJK 2354 2355 OFLSÎO; - Festspiele (waren die ersten Anlässe für ihren Abschluss); - in klassischer 2356 – Zeit weitete sich die Anwendung stark aus (etwa Beratungs- oder Rückzugs-Spondai). Erwähnenswert ist auch noch die Funktion der ‚Spondai’ als Vorstufe des Friedensvertra-

2351 Belege bei Thukydides (etwa IV 46, 3) und Herodot (etwa V 72, 2). 2352 1994, 101 f. Zu bedenken ist dabei freilich (was häufig nicht richtig gewürdigt wird), dass ein Vertrag noch nach moderner Auffassung aus zwei (einseitigen und selbständigen), wenngleich einander entsprechenden (Willens)Erklärungen zustandekommt; noch das ABGB sagt in § 861: „Wer sich erklärt, dass er jemandem sein Recht übertragen, das heißt, dass er ihm etwas gestatten, etwas geben, dass er für ihn etwas tun, oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen; nimmt aber der andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beider Teile ein Vertrag zustande.“ Zudem können Willenserklärungen nicht erst seit der Moderne nicht nur ausdrücklich, sondern wenigstens auch schlüssig/konkludent abgegeben werden; auch dazu äußert sich das ABGB in § 863. Das in der Literatur (etwa: von Ziegler 1997, 475 oder Baltrusch 1994, 102) für einseitig gehaltene Versprechen dürfte gar nicht selten als Teil eines etwa konkludent geschlossenen Vertrages anzusehen sein! 2353 Ilias III 264 ff (Vertrag zwischen Griechen und Trojanern, den Krieg durch einen Zweikampf zwischen Menelaos und Paris zu entscheiden); 1994, 104 ff. 2354 1994, 112 ff. – In klassischer Zeit war die vom Sieger dem Unterlegenen gegebene Erlaubnis, gefahrlos seine Gefallenen bergen zu dürfen, gültiges gemein griechisches Völkerrecht, das als QBMBJµO |RPK, QƒUSJPK O²NPK oder O²NPK LPJOµK QƒOUXO UÎO A&MM›OXO bezeichnet wurde. (Finley und Gagarin haben ua. all das bei ihrem negativen Urteil zur Existenz eines gemein griechischen Rechts nicht berücksichtigt; das betrifft aber nicht nur das Völkerrecht, sondern auch das Privatrecht, das als dessen Vorbild diente (!); dazu Pkt. 6; vgl. nur bei Fritz Gschnitzer 1975, 95 f. Baltrusch betont, dass die „Entwicklung zu einem von allen respektierten und völkerrechtlich bindenden Institut [… bereits] die Ilias Homers [zeigt]“, die zwei Formen der Totenbergung kennt: „die beeidete, vertragliche [VII 314-482] und die formlose, auf privater Zusage beruhende [XXIV 656-672].“ – Zum Kriegsrecht als Element der Entstehung von Individualeigentum: Kapitel II 19; das Recht des Siegers erstreckte sich nicht nur auf den Leichnam des Besiegten, sondern auf dessen gesamtes Vermögen. 2355 1994, 117 ff: „Während der griechischen Festspielzeiten werden Spondai in ihrer ursprünglichen Form greifbar, wenn man darunter den Aspekt des Schutzes in Gefahren versteht. Schon der Begriff yLFDFJSeB, der parallel zu TQPOEBe gebraucht wurde, weist auf den gewährten persönlichen Schutz hin (zusammengesetzt aus |DFJO DFkSBK. Das wird noch deutlicher, wenn man den Ursprung der griechischen Spiele in Beziehung zu den ersten uns bekannten […] Fällen von Spondai in Beziehung setzt.“ – Nach Baltrusch, der K. Meuli 1941, 189 ff folgt, ist „der Bezug [sc. der Olympischen Spiele] auf den Totenkult nicht von der Hand zu weisen“; Kampfspiele zu Ehren Verstorbener. 2356 1994, 123 ff.

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ges; Baltrusch erörtert sie anhand des Verhältnisses zwischen Sparta und Argos während des Perserkrieges (481), des Vertrages zwischen Athen und Sparta 446/5 (Spondai für 30 Jahre) und des Nikias-Vertrages von 421, den er als „sicherste Quelle für unsere Kenntnis der 2358 Spondai“ eingehend kommentiert.

Sechs Elemente sind für die Spondai charakteristisch:2359 • Allgemeiner Schutz vor Waffengewalt (für ganz verschiedene Zwecke); • Schirm der Götter für den zentralen Vertragsinhalt; • Zweiseitigkeit (gilt auch für Festspiel-Spondai); • Keine starre Definition für das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern; es gab Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern (etwa Waffenstillstand für Verhandlungen) ebenso wie Über- und Unterordnung (zB Siegergarantie für Totenbergung);

• Befristung der Spondai, die einen aktuellen Krieg nur unterbrachen, das Verhältnis der Streitparteien aber nicht endgültig regelten;

• Anerkennung des Status quo zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Ausgangspunkt des Vertrages.

Spondai beendeten keine Kriege, waren demnach keine Friedensverträge. Durch die Befristung war eine flexible Handhabung möglich, die längerfristige Unterbrechungen/Spondai „zur Vorstufe des Friedensvertrages, ja sogar faktisch zum Friedensvertrag selbst“ machten. Auch die inhaltliche Offenheit der Spondai trug zu ihrer Verbreitung bei.2360 – Die Einheit von weltlichem Recht und Religion in frühgriechischer Zeit zeigt sich bei den Spondai darin, dass es in der Frühzeit nur drei Anlässe für Spondai gab (Totenbergung, Einzelkampf und Festspiele), die alle der „religiösen Sphäre“ angehörten.2361 Erst im 5. Jahrhundert wird der Anwendungsbereich der Spondai ausgedehnt: auf Beratungen, Rückzug und Durchzug durch fremdes Territorium sowie Verhandlungen. – Nach dem Peloponnesischen Krieg ging man im 4. Jahrhundert über die Grenzen der Zweiseitigkeit hinaus und fand mit den Eirene-Verträgen (vorübergehend) neue Formen, die den komplizierter gewordenen zwischenstaatlichen Beziehungen besser entsprachen.2362

2357 1994, 155 ff. 2358 1994, 185 f: Liste der langfristigen Spondai. 2359 1994, 186 ff. 2360 Diese ‚inhaltliche Offenheit’ war ein Spezifikum des Völkerrechts. 2361 Baltrusch 1994, 188. 2362 Vgl. oben bei Anm. 2127.

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Etymologie der Spondai Ich gehe auf die etymologische Bedeutung der TQPOEBe ein – also der beiden korrespondierenden Einzel-Versprechen, die mit ‚Vereinbarung’ etc. nur ungenau wiedergegeben sind, weil der im Griechischen verwendete Plural deutlich macht, dass es sich um zwei (aufeinander bezogene und einander entsprechende, aber nicht unbedingt inhaltlich und sprachlich idente) ‚Versprechen’ handelte, die etwa im Völkerrecht einen Waffenstillstand bewirken sollten.2363 Die ‚Vereinbarung’ oder das ‚Abkommen’ ist das rechtliche Ergebnis der beiden abgegebenen und aufeinander bezogenen Einzel-Versprechen. – Das bedeutet nicht mehr, als dass die Wurzeln der römischen und modernen Versprechenslehre beim Vertrag(sschluss) in Wahrheit schon im griechischen Völker- und auch im allgemeinen griechischen Vertragsrecht liegen,2364 wofür sich auch ein Beleg in Platons Dialog ‚Kriton’ findet.2365 – Vorab ist klarzustellen, dass die griechische Rechtssprache – auch im Völkerrecht – keine einheitliche Terminologie für den Vertragsschluss entwickelt hat; es werden vielmehr mehrere Begriffe verwendet, je nachdem, welcher vertragliche Aspekt betont wird. Auch im Völkerrecht zeigt sich das deutlich, worauf Baltrusch besonders hinweist:2366 Symmachie oder Ekecheiria bezeichnen einen bestimmten Vertragsinhalt; Homologia betont dagegen den Akt des Zustandekommens eines Vertrages (hier die vollinhaltliche Zustimmung zu dem vom anderen Vertragsteil gemachten Vorschlag); Spondaí hebt die den Vertragsschluss „begleitende religiöse Zeremonie“ hervor; und Synthekai legt das Gewicht auf die jeweiligen (inhaltlichen) Bestimmungen eines Vertrages, die im Regelfall gemeinsam erstellt wurden. Nach Baltrusch charakterisiert aber jeder dieser Termini – trotz Akzentuierung des in ihm liegenden besonderen Aspektes – den „ganzen Vertrag – am umfassendsten die TVOR¡LBJ [Synthékai], die alle Verträge und ihre Bedingungen bezeichnen können“.2367 Der im Begriff Synthekai aber zusätzlich enthaltene Aspekt „betrifft das ‚gemeinsame Festsetzen’ (TVOUeRFTRBJ), also das Zustandekommen des Vertrages auf zweiseitiger Grundlage“.2368 Verträge (überhaupt Rechtsakte, auch hoheitliche), die „auf einseitiger Anerkennung von Forderungen bzw. Vorschlägen [be-

2363 Auch die beiden ‚Versprechen’ des privatrechtlichen Vertragsschlusses sind korrespondierende (Willens)Erklärungen, die inhaltlich nicht identisch sind, wenngleich auf dasselbe Ziel bezogen: den Vertragsschluss. 2364 Ein orientalischer Einfluss ist möglich. 2365 49e ff; dazu in Kapitel VI 2: ‚Wahre Zustimmung der Vertragsparteien?’. 2366 1994, 203. 2367 Baltrusch verweist auf Kussmaul 1969, 15 ff. 2368 Diese Formulierung von Baltrusch ist ungenau und leicht irreführend, weil jeder Vertrag eine zweiseitige Grundlage hat, haben muss (!); gemeint ist, dass beide Teile den Vertragsinhalt gemeinsam erstellt haben und dass dieser nicht nur von einem (Vertrags)Teil formuliert wurde.

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ruhen], [heißen] demgegenüber °NPMPHeB“.2369 Der Homologia-Begriff findet sich nicht nur im Vertragsrecht, sondern überall dort, ‚wo einer Behauptung oder einem Verlangen zugestimmt wird’; etwa bei Quittungen oder einem Geständnis. Im griechischen Völkerrecht wurde mit Homologia der (moderne) Kapitulationsvertrag bezeichnet, „weil hier das Moment der einseitigen Anerkenntnis am augenfälligsten ist“. Die Anwendung des Homologia-Begriffs bei hoheitlichen Rechtsakten zwischen einer souveränen Polis und abhängigen Orten/Gemeinden im hellenistischen Kreta hat Chaniotis untersucht.2370 – Die Spondai/TQPOEBe (Weinspenden) rücken die den Vertragsschlusses religiös-rituell begleitende Zeremonie (mit Opfer, Eid und allfälliger Selbstverfluchung) in den Vordergrund, bezeichnen aber ebenso den gesamten Vertrag. – Die Homologie bedeutete daher nicht (unbedingt), wie mitunter angenommen, dass ein (Vertrags)Partner sich dem anderen unterworfen hatte, was freilich der Fall sein konnte. Es war vielmehr ebenso möglich, dass ein Teil mit dem vom Vertragspartner Vorgeschlagenen vollkommen einverstanden war. Homologie war demnach bloß die Bezeichnung dafür ‚wie’ der Vertrag zustandekam. Die mitunter unzutreffende Einschätzung kommt wohl daher, dass die Form der Homologie auch für die Kapitulation (als Vertrag) verwendet wurde. – Alle Bezeichnungen des Vertragsschlusses folgten jedoch dem Konsensprinzip und bezeichneten den Vertrag als Ganzen; auch der Unterwerfungsvertrag, bei dem nur der Entscheidungsfreiraum durch die bestehenden Tatsachen sehr eingeschränkt war. • Das Verbum TQzOEX bedeutet:2371 1. sprengen, ausgießen, ein Trankopfer darbringen; aber auch (in offenbar jüngerer Bedeutung) 2. einen Vertrag schließen und 3. (gleichsam beide Bedeutungen verknüpfend) a) unter Ausgießen eines Trankopfers einen Vertrag, ein Bündnis, einen Friedensvertrag oder Waffenstillstand etc. schließen und; b) etwas (feierlich) festsetzen, vereinbaren, zusichern, versprechen oder sich gegenseitig versichern, aber zB auch einen Streit/Zwist/OFkLPK beilegen, also sich mit jemandem/UJOe versöhnen. – Das Substantiv im Singular ™ TQPOE› heißt analog 1. Weiheguss, Weinspende, Trankopfer und ist bei Gastmählern und beim Abschluss von Verträgen gebräuchlich; 2. im Plural TQPOEBe bedeutet es feierlich durch Weihegüsse einen geheiligten Vertrag, ein Bündnis, Frieden oder einen Waffenstillstand schließen. Der Plural zeigt an, dass (auch nach griechischem Verständnis) jeder Vertrag wenigstens zweier Parteien bedarf.

• Die lateinischen, eng verwandten Entsprechungen von TQzOEX und TQPOE› sind: spondeo und sponsio. Der alte Große Stowasser führt noch die griechischen Wurzeln dieser lateini-

2369 Baltrusch 1994, 203 mwH. – Auch dafür gilt das in Anm. 2368 Gesagte. 2370 1996, 165. Praisos – Stalai und Setaia. 2371 Nach Gemoll (19576). – Vgl. Pkt. 7 (Anm. 1129): Hinweis, dass die Worte TQzOEX und TQPOE› aus dem Hethitischen stammen! – Weinfeld (1990, 186) spricht in Bezug auf die Libation beim Vertragsschluss von „another striking parallel between Greek and Oriental covenantal procedure“.

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schen Begriffe an – womit wohl eine sprachliche Genese im Sinne einer (Ur)Verwandtschaft aufgezeigt werden soll – und nennt als (idente) Bedeutungen: feierlich und förmlich geloben, sich ebenso verpflichten, verbürgen, aber auch verloben und versprechen etc. Sponsio ist das feierliche Versprechen, Gelöbnis, Zusage oder Abma2372 der über diese sprachliche und vielleicht auch rechtliche Verwandchung. – Kaser, schaft und damit die griechischen Wurzeln (?) dieser lateinischen Termini nicht näher eingeht, führt zu sponsio und stipulatio aus: „Mit dem Namen sponsio und stipulatio bezeichnet man herkömmlich ein Geschäft, bestehend aus einem förmlichen Schuldversprechen durch mündlichen Austausch von Frage und Antwort. Der Teil, der Gläubiger werden soll, vollzieht das stipulari, indem er den Gegner befragt, ob dieser sich zu der bezeichneten Leistung binde, etwa: ‚centum mihi dari spondesne?’. Der sich Verpflichtende nimmt daraufhin das spondere mit der Antwort ‚spondeo’ vor.“

Kaser zitiert Arangio-Ruiz, nach dem die Worte spondere und stipulari primär nicht das ganze Geschäft, sondern dieses (reflexive, Sich-Versprechen-Lassen) das Fragen und jenes (spondere) das Antworten bedeute. Doch seien die Verben auch für den ganzen aus Frage und Antwort bestehenden Akt (den Vertrag) verwendet worden. – Das war auch im griechischen Recht(sdenken) so. Der Unterschied – und damit zweifellos eine juristische Leistung – bestand bloß darin, dass die Römer die Abgabe und Annahme eines Schuldversprechens im Rahmen eines Vertragsschlusses schließlich mit verschiedenen Begriffen, eben spondeo und stipulari, bezeichneten, während die Griechen denselben Terminus für die Abgabe und die Annahme des Versprechens gebrauchten und deshalb von TQPOEBe sprachen. Die Differenzierung im Lateinischen fasste zugleich die Verteilung der Rollen unter den Vertragsparteien sprachlich präziser. Kaser betont ferner den sakralen Zusammenhang im römischen Rechtsdenken, der den Akt als zu den Eiden gehörig kennzeichnet: „Ein Eidesgeschäft ist die sponsio offenbar auch beim Verlöbnis […], beim votum und im zwischenstaatlichen Verkehr“; gemeint ist damit die völkerrechtliche sponsio pacis. Dass diese Verknüpfung von rechtlichen und sakralen Elementen einer vertraglichen Vereinbarung schon dem griechischen und orientalischen Recht(sdenken) 2373 – Die Verwendung im nichtsakralen Zusammenhang trat bekannt war, bleibt unerwähnt. 2374 erst in späterer Zeit zur sponsio hinzu. Bemerkenswert ist, dass die römischen Parallelen sich nicht allein auf das Sprachliche beschränken, sondern auch im rechtlichen Bereich auftreten und dort analog für das feierliche Versprechen verwendet werden. Diese römische Versprechenslehre wurzelt demnach nicht nur sprachlich, sondern – zumindestens anfänglich – auch funktional in griechischer Sprachund Rechtspraxis. Es ist hier nicht von Belang, ob der Gebrauch von Wort und Begriff im

2372 19712, 168. – Ansatzweise ähnliche Überlegungen wie die hier vorgetragenen, bei Pringsheim: vgl. Kapitel III 3: ‚Verwandlung der Erynien …’. 2373 Dazu oben Preiser, Ziegler, Weinkauf, Karavites und Rollinger (2004a) und (2005b). 2374 Kaser 19712, 538 ff (Verbalkontrakte) und 660 ff (Bürgschaft).

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griechischen Recht zunächst völkerrechtlich oder aber privatrechtlich gewesen war. Es liegt allerdings nahe, von einem Gebrauch im Privatrecht auszugehen, der dann auf den Bereich 2375 Es lässt sich daher völkerrechtlicher Vereinbarungen und Versprechen ausgedehnt wurde. mit einiger Sicherheit sagen, dass die Lehre vom Versprechen nicht erst eine Entdeckung der Scholastik oder des Hugo Grotius unter Berücksichtigung des biblischen Eidesverbots ist, 2376 sondern dass sie ausgeprägte ältere griechisch-römische Wurzeln hat.

Die römische Entwicklung war aber jedenfalls schon in der griechischen Völkerrechtspraxis vorgebildet, nach der etwa der Sieger das Versprechen des Besiegten entgegennahm, dass dieser künftig (im Bündnisfalle) ein guter TºNNBDPK sein werde. Der eine (Schuldner, ~ Besiegter) verspricht etwas (~ ein Verhalten, eine Leistung) und der andere lässt sich etwas versprechen (Gläubiger, ~ Sieger). Eingebettet sind diese (beiden) Versprechenserkklärungen, eine aktive und eine passive, in einen einheitlichen Vertrag. Bei den foedera aequa ist das alles noch stärker ausgeprägt und klarer. – Die griechische Völkerrechtspraxis hat demnach nicht nur die Kapitulationserklärung als Vorstufe des römischen foedus iniquum entwickelt, sondern auch schon das einseitige förmliche Versprechen zur Erbringung einer künftigen Leistung (hier: der Hilfeleistung im Bündnisfall), was schließlich zum Charakteristikum der römischen sponsio und stipulatio wurde. Das griechische völkerrechtliche foedus aequum dagegen begründete ua. die bereits leistungsmäßig verschränkte Lehre vom gegenseitigen vertraglichen Versprechen, was (wohl bereits) im griechischen Schuldrecht zur Entstehung der wesentlich gegenseitig verpflichtenden Verträge geführt hatte (Synallagma).2377

2375 Dafür spricht auch die uH auf Platon, Xenophon und Aristoteles getroffene Feststellung Bickermans 1969, 498: „Jedermann in Griechenland, Sieger wie Besiegte, erkannte den Grundsatz an, dass ‚aller Besitz des Besiegten dem Sieger gehöre’. Aber gerade dieser Grundsatz machte – wegen des wechselnden Schlachtenglücks – den Besitz unbeständig. Im Anschluß an die Grundsätze ihres Privatrechts ließen die Griechen die Okkupation nicht als Rechtsgrund des Eigentums in den zwischenstaatlichen Beziehungen gelten. Auch der Zeitablauf zählte hier nicht. Nur auf die Besetzung von res nullius oder auf den rechtmäßigen Erwerb konnte man Rechtsansprüche begründen. […] Um das Recht auf ein Gebiet festzulegen, gehen die griechischen Schiedsgerichte bis zur ersten Quelle des umstrittenen Titels zurück.“ – Steinwenter (1925/19712) hat gezeigt, dass auch die Schiedsgerichtsbarkeit von der privatrechtlichen zur öffentlichrechtlichen Regelung (und von dort zur völkerrechtlichen) gelangt ist; dazu in Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht’. 2376 Anders Mayer-Maly 2003, 25. 2377 Die Zwölf-Tafeln kennen die Verschränkung von stipulari und spondere noch nicht, sondern nur die sponsio; vgl. Kaser I 1971², 169 Fn 35. Cicero dagegen kennt bereits sowohl spondeo und sponsio (in der beschriebenen Bedeutung), wie stipulatio und stipulor offenbar noch als Synonyma (Merguet 1997, 693 f und 697); nicht dagegen ein reziprok-korrespondierendes und zugleich bereits begrifflich differenzierendes stipulari und spondere. Bei ihm klingt jedoch andererseits bereits das künftige Verständnis (Gaius) der obligatio an (zB De Legibus II 41: gravissima enim ex omnibus promissis est ac votis sponsio, qua obligamur deo). Zur Entwicklung des Begriffs obligatio: Kapitel VI 6: ‚Synallagma und Obligation’; zum griechischen Synallag-

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Bereits die griechische Vertrags- und Völkerrechtspraxis könnte jene Eigenart gehabt haben, die allerdings erst für das römische Recht verbürgt ist und für dieses geradezu als charakteristisch angesehen wird, nämlich dass die Antwort das übergeordnete Verb der Frage wiederauf2378 – Vor allem Wenskus erörtert die Diskussion der Rönimmt; zB: dari spondes? Spondeo. mer zu der bei der Stipulation anzuwendenden Sprache (Wechsel vom Lateinischen zum Griechischen) und führt dazu aus: „Gerade weil sie [sc. die stipulatio] so typisch römisch ist, hat sich den römischen Juristen schon früh die Frage gestellt, ob für ihre Durchführung auch 2379 – Gefragt werden kann im gegebenen Zuandere Sprachen als Latein in Frage kommen“. sammenhang aber vielleicht auch danach, ob diese von den Römern an den Tag gelegte Großzügigkeit nicht auch eine Reminiszenz an die griechischen Ursprünge der stipulatio enthält, zumal sowohl bei Gaius als auch bei Ulpian zahlreiche griechische Einflüsse zu finden 2380 sind.

Symmachie und Spondai In der Schlussbetrachtung seines Buches legt Baltrusch die Gründe dar, die ihn zur Wahl seines Themas bewogen haben:2381 Die Erforschung des antiken Völkerrechts habe eine zweigeteilte Entwicklung genommen. Während das römische Völkerrecht – und hier vor allem das der republikanischen Zeit – intensiv und methodisch und inhaltlich mit guten Ergebnissen bearbeitet worden sei,2382 sehe die Situation beim griechischen Völkerrecht anders aus. Zwar wurde in den vergangenen 30 Jahren (berechnet von 1994) ein erheblicher Fortschritt bei der Materialsammlung erzielt, aber diese Sammlungen könnten, „so verdienstvoll sie sind“, die „Forschungsarbeit hinsichtlich der Elemente des griechischen Völkerrechts“ nicht ersetzen. Es seien zwar wichtige Arbeiten zu Einzelbereichen verfasst worden,2383 aber „das System oder auch nur die Grundlagen des griechischen Völkerrechts erhellen sie nicht.“2384

ma: ebendort. 2378 Wenskus 1997, 116. 2379 Wenskus verweist hier insbesondere auf Zgusta (1980). Siehe auch die Literatur bei Kaser I 1971², 538. 2380 Vgl. nur die Hinweise in diesem Punkt und dem folgenden Pkt. 10: etwa die Anm. 2534, 2542, 2584 ff und in Kapitel II 4 (‚Antiphons Speerwurfbeispiel’) und 5 (‚Roms Rezeption’). 2381 1994, 189. – Eingehende Rezension von Ziegler 1997, 471 ff. 2382 Baltrusch 1994, 189 nennt ua.: E. Täubler (1913), A. Heuß (1933), W. Dahlheim (1968). 2383 Baltrusch 1994, 190 nennt ua.: Marek (1984: Proxenie) Gauthier (1972: Symbola), Gawantka (1975: Isopolitie), Troncoso (1987: Neutralität) oder M. N. Tod (1913: International arbitration). – Zu nennen ist noch Tausend (1992), der aaO 188 ff eine Strukturanalyse der archaischen Symmachie vorgelegt hat. Tausend bringt Beispiele ua. für das griechische Mutterland (etwa die athenischen Bündnisse unter den Peisistratiden oder die Hilfe Athens und Eretrias an Milet im Ionischen Aufstand), die Westgriechen (Bündnisse in Sizilien und Bündnisse in Unteritalien) und die ‚großen’ Bündnisse (der Lelantische Krieg – Kampf zwischen Chalkis und Eretria,

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Baltrusch kommt zu dem Schluss, „dass es eine systematische und historische Analyse der zentralen Formen des griechischen Völkerrechts, mit deren Hilfe man dessen Wesen erfassen könnte, [vor ihm] nicht gibt“.2385 – Der Weg zu einem Verständnis des griechischen Völkerrechts führ „nur über die Symmachie und die Spondai“, denn damit hänge „die für jedes Völkerrecht zentrale Frage von Krieg und Frieden zusammen“.2386 Die Untersuchung dieser beiden Vertragsformen erbringe über gewisse inhaltliche „Besonderheiten des griechischen Völkerrechts hinaus acht Grundzüge des griechischen Völkerrechts“, nämlich:2387 • (1) Verhältnis von Krieg und Recht: Bereits Homer kennt die „wichtigsten Elemente des ius belli, was deutlich auf die zunehmende Staatlichkeit“ und auf die damit verbundene „Übernahme auch völkerrechtlicher Kompetenzen durch die Gemeinwesen schon in frühgriechischer Zeit“ hinweist; Privatkriege und öffentliche Kriege werden bereits voneinan2388 Mit den öffentlider geschieden und öffentliche Kriege hatten „absoluten Vorrang“. chen Kriegen beginnt die Verrechtlichung des Krieges; Kriegsgrund/Kriegsberechtigung, Kriegserklärung (nach gescheiterten Verhandlungen) und vertragliche Kriegsunterbre-

die Messenischen Kriege sowie die Bündnisse Spartas und Athens) im 6. Jh. v. C. 2384 Ziegler (1997, 471) kritisiert diese Feststellungen Baltruschs meines Erachtens zu Unrecht. Bedauern kann man aber mit Ziegler, dass Baltrusch’ Untersuchung nur bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges (404 v. C.) reicht und daher die „letzte Phase der bis 338 v. C. [Chaironea] dauernden altgriechischen Völkerrechtsordnung“ nicht mehr behandelt. 2385 1994, 191. 2386 Baltrusch untersucht zunächst die Symmachieverträge (aaO 3-91) und bezeichnet sie als eine „gegenüber anderen Formen zwischenstaatlichen Umgangs späte Erscheinung“, die „mit der Ausbildung der Polis ursächlich zusammenfällt“. Ziegler 1994, 472 kritisiert (uH auf Tausend 1992, 64 ff und 188 f), dass Baltrusch in Homers TVORFTeBJ LBh ³SLJB (Ilias II 339) keinen Vertragsschluss sehen will, auch wenn bei Homer noch die Bezeichnung TVNNBDeB fehlt: „Es ist in der vergleichenden Rechtsgeschichte häufig zu beobachten, dass die Gegenstände früher auftauchen als die fachlichen Begriffe“; ebenso Ziegler Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck): „Aus der Privatrechtsgeschichte wissen wir auch, dass die Sachgeschichte häufig älter ist als die Begriffsgeschichte.“ – Wir wissen heute zudem, dass diese Vertragspraxis bei Homer orientalisch beeinflusst ist. 2387 1994, 191 ff. 2388 Baltrusch schildert das Nebeneinander von privater und öffentlicher Kriegsführung (aaO 95 ff); bemerkenswert der Umstand, dass private in öffentliche Kriege übergehen konnten; so haftete uU die Heimatgemeinde der einen privaten Raubkrieg führenden Bürger für deren Vergehen: „Die Gemeinde erscheint also als Vertreter ihrer Mitglieder im Wortsinn: Sie vertrat die Interessen ihrer geschädigten Angehörigen bzw. haftete für das aus ihrer Mitte begangene Unrecht“. Öffentliche Kriege waren danach schon in der Frühzeit ein „Mittel der Rechtsexekution“ (aaO 98). Ob Rom, das diese Praxis ebenfalls kannte, die griechische Lösung übernommen hat, wissen wir nicht, es ist aber nicht auszuschließen: Watson 1993, 10 ff und 20 ff. Diese Zurechnung an Gemeinden ist auch von Bedeutung für das Entstehen der Rechtspersönlichkeit von Poleis; dazu Kapitel II 10: ‚Vereinsautonomie – Die Polis als juristischer Körper des öffentlichen Rechts?’.

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Symmachie und Spondai

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chung mittels Spondai. Sie waren das „am meisten verbreitete völkerrechtliche Institut der Griechen“; „Spondai verboten oder unterbrachen die Anwendung von Waffengewalt für eine bestimmte Zeit, sind also ausschließlich Verträge zwischen Kriegsführenden […] gewesen; nicht dagegen waren sie Friedensverträge, d. h. den Krieg beendende Verträge. 2390 Diese sind vielmehr erst aus ihnen hervorgegangen“ und zwar erst im 4. Jh.

• (2) „Befristung der Spondai“: Sie bringt zum Ausdruck, dass sich die Griechen „auf ewig nur das positiv definierte Verhältnis vorstellen“ konnten (zB Freundschaft), während der bloße Friede als Waffenstillstand gedeutet wurde, „der den Krieg formal nur unterbrach, aber nicht beendete“. Das Institut der Spondai schuf demnach keine „positive neue Ordnung“, sondern erfasste nur den Status zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der Krieg galt als „legitimes Streitaustragungsinstrument“ und musste, einmal begonnen, auch entschieden werden. Eine „Anerkennung der Eirene [des Friedens] als ein positives rechtli2391 ches Verhältnis wurde erst im 4. Jh. vollzogen.“

• (3) Symmachie und Spondai werden „grundsätzlich zweiseitig und formal auf gleicher 2392

spiegeln also keine rechtliche Ungleichheit wider: „Daß dem Grundlage geschlossen“, so war, hängt wieder mit den besonderen Voraussetzungen der zwischenstaatlichen Politik in Griechenland zusammen. Das Nebeneinander von Hunderten von außenpolitisch selbständigen, aber durch zahlreiche Verbindungen wieder voneinander abhängigen Gemeinden bildete ein höheres Rechtsbewußtsein im Umgang miteinander aus, als dies in von Großreichen mit Weltherrschaftsabsichten (Perser) dominierten Regionen der Fall 2393 war.“

2389 Baltrusch 1994, 92-188. 2390 1994, 92. 2391 Auch die Befristung von Symmachien bestätige diesen Grundzug. 2392 Hervorhebung von mir. – Kriterien früher Symmachieverträge sind (1994, 15): - Die grundsätzliche Zweiseitigkeit; - die zeitliche Begrenzung; - die prinzipielle Gleichberechtigung der Vertragspartner; - und die Koppelung mit dem Herstellen völkerrechtlicher Beziehungen. Anschließend (15 ff) behandelt Baltrusch die Symmachie des 5. Jhs. und dabei (aaO 17 ff) die sogenannte ‚Freund-Feind-Klausel’ (ÌTUF UµO …VUPO yDRSµO FmOBJ LBh GeMPO); er untersucht ua. den Peloponnesischen Bund (19 ff), die Symmachie gegen die Perser von 481/80 (30 ff), den Attischen Seebund (52 ff). Die Tradition reicht nach Baltrusch in jene Zeit zurück, in der solche Beziehungen in persönlichen Verhältnissen wurzelten, was Ziegler (1997, 473) uH auf frühe Belege dieser Klausel im Alten Orient (3. und 2. Jt.) bezweifelt. – Eine weitere für Symmachien verwendete Formel ist die ‚Schutzklausel’/yƒO UJK yQh UžO H¡O/DÈSBO UÎO […] CPIRFkO, mit der ein Vertragspartner zur Hilfeleistung (CPIRFkO) verpflichtet wird, wenn ein Angriff auf den Vertragspartner erfolgt (68 ff); auch dafür bringt Baltrusch Beispiele, etwa das Brea-Dekret von 445, in dem die Mutterstadt Athen den Verbündeten im Distrikt von Thrake Hilfeleistung im Falle eines Angriffs auf ihre Kolonisten verordnet. Baltrusch vermutet daher den „Ursprung dieser Klausel in den Schutzgarantien mächtiger Mutterstädte für ihre Tochterstädte und rechnet dazu auch die in Koloniegründungsverträgen eingeräumten Rückkehrrechte (?); etwa zwischen Opus und Naupaktos oder Thera und Kyrene. 2393 1994, 193: Erst Athen habe diesen Grundzug des interhellenischen Völkerrechts mit seiner Behandlung abgefallener Bundesgenossen – wie Naxos, Baltrusch verweist auf Thukydides I 98

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

• (4) Grundsätzlich vier Entwicklungsstadien im griechischen Völkerrecht:2394 - Die homerische Zeit in der die „zwischenstaatlichen Beziehungen auf den persönlichen Beziehungen der Adligen und ihrer Familien gegründet“ sind; Ansätze zur Staatlichkeit sind schon vorhanden. Dem „entsprechen eigene Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (z. B. Ehe, Gefolgschaft)“; bloße Kampfbünde, wie sie die spätere Zeit kennt, sind dieser Stufe unbekannt. Hierher gehören die Spondai, die sich „auf kurzfristige Unterbrechungen des Krieges zur Durchführung bestimmter und für beide Seiten wichtiger Angelegenheiten (Totenbergung, Einzelkampf, Festspiele) [beschränken], während die tatsächliche Beendigung des Krieges entweder durch eine Kriegsentscheidung oder 2395 aber durch einen Freundschaftsvertrag erfolgen mußte“. - Mit Ausbildung der Stadtstaaten werden auch die internationalen (oder meist besser: die 2396 – zwischenstaatlich/intermunizipialen) Beziehungen „auf eine neue Stufe gestellt“. Diese Übergangsphase reicht vom 7./6. Jh. bis um etwa 400 v. C. und sie ist nicht mehr durch persönliche Bindungen geprägt, sondern man behilft sich mit ‚reinen’ Kampfgemeinschaften/Symmachien. Auch dafür bediente man sich aber der Form der Spondai, die dabei eine „Wandlung von einer auf wenige Tage befristeten Waffenruhe zu einem faktischen Friedensvertrag durchmachten“, womit dieses Rechtsinstitut überfordert wurde. - Der Peloponnesische Krieg erzwang „in vierfacher Hinsicht“ eine Weiterentwicklung: Der athenisch-spartanische Dualismus förderte neue Vertragsinhalte, insbesondere Klau2397 - die seln zur Sicherung der Autonomie und sogenannte Schutzklauselsymmachien; Sophistik versachlichte und rationalisierte das griechische Völkerrecht dadurch, dass immer weniger auf religiöse Bindungen gesetzt wurde und statt dessen verstärkt kollektive 2398 - der ganz GriechenSanktionsbestimmungen die Vertragszuhaltung sichern sollten; land in Mitleidenschaft ziehende Krieg führte dazu, „daß mit den Koine-Eirene-Verträgen und dem Aufkommen r anstelle der [bisher] üblichen bilateralen Verträge die Friedensordnungen möglichst weit gespannt“ wurden, wozu beitrug, dass Sparta sich als unfähig erwies, „das von Athen hinterlassene Machtvakuum auszufüllen und mit Macht die Ordnung zu garantieren“; - schließlich wurden „neue zwischenstaatliche Formen der Zusammenarbeit (z. B. Isopolitie)“ entwickelt, „die weit über die alte Symmachie mit ihren begrenzten Möglichkeiten hinausging“.

(4) – „und mit der dann einseitigen und durch Treueide zu bekräftigenden Bindung der Verbündeten (oder eher Untertanen) an die Führungsmacht“ verletzt. 2394 1994, 194 ff. – Zu den Epochen der antiken Völkerrechtsgeschichte: Preiser (1956) und Ziegler 1994/20072, § 7. 2395 Baltrusch 1994, 194 zitiert Homer, Ilias III 73 (Rede des Alexandros/Paris betreffend den geplanten Zweikampf zwischen ihm und Menelaos: „Doch ihr andern beschwört ein heiliges Bündnis und Freundschaft, […]“) und 94: „Doch wir andern beschwören ein heiliges Bündnis und Freundschaft.“ 2396 Baltrusch 1994, 194 f. 2397 Dazu Baltrusch 1994, 68 ff. 2398 Zum Rechtsdenken der Sophistik: Kapitel VIII 4.

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Symmachie und Spondai

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- Das Entstehen der hellenistischen Großreiche, was ab dem 2. Jh. durch die römische Ex2399 pansion eine zusätzliche Dynamik erhielt.

• (5) ‚Bindung an das Vereinbarte’:2400 Anders als im modernen Völkerrecht waren es im griechischen Völkerrecht bis in die zweite Hälfte des 5. Jhs. (als der Glaube an die Götter schwand) sakrale Rituale wie Eid, Opfer und Weinspende, die Verträge „rechtskräftig 2401 die Zuhaltung des Vertrags wird durch ihre religiöse Grundlage bekräfmachen“; 2402 tigt. „Diese war so gegenwärtig und so zentral, daß sie dem ganzen Vertrag den Namen geben konnte, wie der Begriff Spondai es vor Augen führt. Die Götter beschützen also das Übereinkommen und zwangen als gleichsam übergeordnete Instanz alle Beteiligten, die Bestimmungen einzuhalten, die Vorbedingung jeder funktionierenden völkerrechtlichen Ordnung.“ – Trotz des religiösen Hintergrunds gab es aber schon in der Frühzeit zahlreiche Vertragsbrüche. Man versuchte dem ua. durch „wortgewaltige Formulierungen“, wie man ihnen auch im Alten Orient begegnet, beizukommen. Auch für Baltrusch erlangt die „Bindung des Vertragsrechts an die Religion […] ihre eigentliche Bedeutung in ihrer Verbindung mit der öffentlichen Meinung“. Die völkerrechtliche Sanktion bei einem Vertragsbruch lag „in dem Ausschluß des Delinquenten aus der Völkerrechtsgemeinschaft, in der Isolation als Folge seiner Verletzung der göttlichen Ord2403 Die politische Geographie Griechenlands erhöhte danach „die Wirksamkeit nung“. dieser religiösen Überdachung des Völkerrechts, weil die Verletzung des Eides auf dem Forum unzähliger selbständiger Poleis […] auf engstem Raum nicht verborgen bleiben konnte und also dem Rechts- und Traditionsbrecher keine Möglichkeit blieb, die Isolation zu umgehen.“ Darin liegt für Baltrusch einer „der Gründe für das ausgeprägte Rechtsbewußtsein der Griechen“ (!). Die religiöse Einbindung des griechischen Völkerrechts blieb auch bestehen, „als die Bedeutung der Religion im gesellschaftlichen Leben zurückging. Das alte griechische Völkerrecht war der Tradition verhaftet“ und passte sich an die „gewaltigen Veränderungen im Zusammenhang mit der Poliswerdung nur zögernd“ an; d. h. „die alten Institute der frühgriechischen Zeit mit ihrer von personalen Elementen dominierten Struktur wurden trotz gewisser Modifikationen im Wesentlichen übernommen. Die dem Institut der Spondai [innewohnenden] Möglichkeiten wurden – fast bis zur Entstellung – ausgeschöpft. Erst als dieses seine Unzulänglichkeit allzusehr offenbart hatte,

2399 Baltrusch 1994, 195 f uH auf P. Klose (1972). 2400 Baltrusch 1994, 196 f. – Von Interesse, weil H. J. Wolff behauptet hatte, dass der Vertragsschluss als solcher im antiken Griechenland keine Bindungswirkung nach sich gezogen habe. Erstaunlich, dass ihm kaum widersprochen wurde; vgl. jedoch Mannzmann 1962, 174 ff. Erklärlich ist dies vielleicht aus der Wirkung von Autorität, was kein Einzelfall ist: Vertreter der Alten Geschichte, der Altphilologie und Rechtsphilosophie usw. haben bis heute die Meinung übernommen, dass die Rechtswissenschaft als Wissenschaft ein rein römisches Phänomen ist. 2401 Zu Eidesformeln Baltrusch 1994, 60 ff. 2402 Diese Ausdrucksweise ist ungenau, denn: „Verträge ‚rechtskräftig machen’“ und Sicherung der Zuhaltung ist nicht dasselbe! Ich gehe davon aus, dass sakrale Rituale Vereinbartes absichern sollten. 2403 Baltrusch 1994, 196 f. Er folgt Nörr 1989, 25.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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beschritt man andere Wege.“ Im Ergebnis wurde „um 400 das Völkerrecht verweltlicht […], jedenfalls insoweit, als das Religiöse zwar immer noch den Hintergrund, aber nicht mehr das eigentlich Bindende darstellte. Kollektive Sanktionsmaßnahmen ersetzten die Furcht vor den Göttern und die Verträge wurden nicht mehr nach den religiösen Begleitzeremonien benannt.“

• (6) Bünde oder Bündnisse: Nichts lege „so sehr die Wesenselemente des [‚griechischen’!] Völkerrechts bloß […] wie der Aufstieg und Fall der Seemacht Athen“. – Die Entwicklung des Attischen Seebundes zwang Sparta als Vormacht des Peloponnesischen Bundes zu einem Konfrontationskurs, den die Verbündete nicht mitgehen wollten: „So erhoben zwar beide Vormächte den Anspruch, Griechenland in beiderseitige Einflusssphären aufzuteilen, aber nur die eine [sc. Athen] war überhaupt dazu in der Lage, diesen Anspruch wahrzumachen. Der Vertrag von 446/5, der das regeln sollte, ging von der Voraussetzung aus, daß beide Städte ihre Absprachen auch bei ihren Verbündeten durchsetzen konnten, was aber nicht nur der Struktur des Peloponnesischen Bundes zuwiderlief, sondern sich 2405 – Gleiches mit den Grundzügen des griechischen Völkerrechts nicht vereinbaren ließ.“ habe für die Zeit nach dem Zusammenbruch Athens im Peloponnesischen Krieg) gegolten, „als Sparta nicht in der Lage war, die in es gesetzten Erwartungen nach einer konstruktiven Ordnung für ganz Griechenland zu erfüllen: Die Niederlage Athens hatte ein von Sparta nicht auszufüllendes Machtvakuum geschaffen.“

• (7) Öffentlichkeit zwischenstaatlicher Vorgänge und die Förderung des Autonomiegedan2406

Diese beiden Charakteristika des griechischen Völkerrechts brachte das Zustankens. dekommen der Spondai und Symmachien zum Vorschein: - Das streng beachtete Öffentlichkeitsprinzip (Vertragsverhandlungen und -abschlüsse fanden vor den zuständigen Polisinstitutionen statt, in Demokratien vor der Volksversammlung) hatte Auswirkungen „auf Form und Inhalt der Verträge“. Es entstand eine Tendenz zu stereotypen Formeln, ergänzt durch präzisierende Spezialbestimmungen, weil „sie von der breiten Öffentlichkeit verstanden werden mußten“. Durch die Formulare der Symmachieverträge, waren außenpolitischen „Ambitionen“ enge Grenzen gesetzt, denn diese Praxis erschwerte nach vorne gerichtete (also offensive) Vereinbarungen: „Das formalisierte Verfahren der °NPMPHeB, d. h. die Annahme von Vorschlägen bzw. Forderungen in

2404 Baltrusch 1994, 197. – Wie etwa in Kapitel II 13 (‚Wandel vom ungeschrieben zum geschriebenen Recht – ágraphos nómos’) festgestellt, gilt dieses Festhalten der Griechen an altem, überkommenen Recht, nicht nur für das Völkerrecht. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der Kreditkauf; dazu Kapitel II 13: ‚Zum Kreditkauf’. Dies ist eine Folge der alten, dem Mythos entstammenden Vorstellung, das Recht sei eine Gabe der Götter, insbesondere des Zeus. 2405 Wie die Spondai des Nikias-Vertrags von 421 zeigten, konnte Sparta „seine Verbündeten nicht so zwingen wie Athen mit seiner unkonventionellen Machtpolitik die seinen“, wodurch die „Untauglichkeit des auf Zweiseitigkeit gegründeten Institutes der Spondai für ein übergreifendes gesamtgriechisches Ordnungssystem“ deutlich wurde; Baltrusch 1994, 197 f. 2406 1994, 198 ff.

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Symmachie und Spondai

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toto, hat darin seinen eigentlichen Grund. Der Ursprung dafür liegt auch hier in der frühgriechischen Zeit, wo Spondai von den Führern in Anwesenheit beider Heere abge2408 – Auch die Vielzahl der griechischen Poleis wirkte als öffentliches schlossen wurden.“ Korrektiv, „das die Ambitionen machthungriger Einzelstädte zu kontrollieren wußte“. Wie unüberwindlich diese Hürde war, habe Athen zu spüren bekommen, „denn was diese Stadt letzten Endes zu Fall gebracht hat, war, daß sie in den Augen der griechischen Öffentlichkeit als Rechtsbrecher dastand“.

• Die Verletzung der O²NJNB UÎO A&MM›OXO im Peloponnesischen Krieg förderte, „was man in neuerer Zeit als die Antriebsfeder des griechischen Völkerrechts […] angesehen hat, 2409 [den] Autonomiegedanken“.

• (8) Die Art des Zustandekommens der Verträge sagt nach Baltrusch etwas aus „über das 2410

– Beim Abschluss völkerrechtlicher VerVerhältnis von Völkerrecht und Diplomatie“. träge spielte das Gesandtschaftswesen eine bedeutende Rolle; ein Beispiel dafür ist der Waffenstillstandsvertrag von 423, der „überhaupt nur auf dem steten Hin und Her von Gesandtschaften“ beruhte. Erschwert wurde das Zustandekommen der Verträge noch dadurch, dass die Gesandten meist nicht verhandlungs- und abschlussberechtigt waren. Vor allem seit den Perserkriegen spielte die griechische Diplomatie nicht nur bei Verträgen, sondern auch bei der Kontaktaufnahme, bei der Zusammenarbeit und im Nachrichtenwesen eine Rolle. – Im Hinblick auf die nicht immer einfach zu bewältigende völkerrechtliche Terminologie betont Baltrusch (uH auf Gadamer), dass es im Rahmen der ‚Vergegenwärtigung’ des historischen Stoffes stets darum gehe, dass diese Vergegenwärtigung den Stoff „für den Zeitgenossen verständlich machen muß“. Diese Aufgabe verfehle, wer „die Forderung stellt, man habe im historischen Verstehen die eigenen Begriffe beiseite 2411 aber auch derzu lassen und nur in Begriffen der zu verstehenden Epoche zu denken“; jenige, „der bei seiner Auslegung der Quellen das Begriffsinstrumentarium der Vergangenheit durch das der eigenen Zeit kritiklos zu ersetzen sucht und damit die Geschichte

2407 Die Homologie entspricht so der modernen vertraglichen ‚Annahme(erklärung)’. Auch sie hat die einen Antrag vollinhaltlich anzunehmen, damit der Vertrag zustandekommt. 2408 Baltrusch 1994, 198 Fn 34 verweist auf den Vertrag zwischen den Griechen und den Troianern betreffend den Einzelkampf zwischen Menelaos und Paris im III. Gesang der ‚Ilias’ und für die klassische Zeit auf den Waffenstillstandsvertrag von 423, der nichts anderes enthält „als die Einzelresolutionen und Beschlüsse der athenischen Volksversammlung bzw. des Peloponnesischen Bundes“. 2409 Baltrusch 1994, 199. Hervorhebung von mir. – Berufungen auf die O²NPJ A&MM›OXO kamen in Fällen vor, bei denen die Streitparteien unterschiedlichen Rechtsgemeinschaften angehörten und vertragliche Abmachungen zur Rechtsdurchsetzung fehlten (etwa Schiedsvereinbarungen oder Rechtshilfeverträge); vgl. Scheibelreiter 2008, 189 ff. Den O²NPJ A&MM›OXO kam dabei die Rolle/Funktion eines gemeingriechischen Sachrechts zu, das der Lückenfüllung diente. (Eine kollisionsrechtliche Lösung war offenbar in manchen Fällen unerwünscht; etwa wenn die Kontrahenten wie in dem von Scheibelreiter behandelten Fall Athen und Sparta waren.) 2410 1994, 200 ff. 2411 Gadamer 19652, 374.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

[…] verfälscht. Denn auf diese Weise kommt man notwendig zu falschen Ergebnissen hinsichtlich des untersuchten Stoffes als auch hinsichtlich der Vergleichbarkeit moderner 2412 und vergangener Epochen“.

Nicht ganz zu Unrecht bemängelt Ziegler, dass Baltrusch die Sonderstellung des griechischen Völkerrechts „etwas zu sehr pointiert“, wodurch die „Einbettung des griechischen Staatsvertrages in die altorientalisch-mittelmeerische Tradition“ nicht hinreichend deutlich werde.2413 – Zur Geschichte des Völkerrechts im Alten Orient sind die Untersuchungen W. Preisers deshalb unentbehrlich.2414

Griechische Epieikeia und römisches Völkerrecht Karl-Heinz Zieglers Arbeit über ‚Aequitas in Roman International Law’2415 stützt sich auf eigene und fremde Vorarbeiten wie die von Dieter Nörr aus 1989 und 1991. Ziegler geht davon aus, dass die Römer, obwohl sie keinen festen Terminus dafür besaßen,2416 bereits über ein „law of nations (or public international law)“ verfügten. – Ich beschränke mich hier auf wesentliche Punkte in den zentralen Aussagen. Erstaunlich ist es, dass sich Nörr und Ziegler zwar eingehend mit der römischen Entwicklung befassen, dabei aber nicht nur die griechischen, sondern auch die noch älteren orientalischen Wurzeln nur nebenbei erwähnen oder ganz übergehen.2417 Dass aber die römische aequitas ein Kind der griechischen Epieikeía ist, steht außer Zweifel.2418 Die griechische Epieikeia war nämlich jenes ‚Wundermittel’, welches das alte, bäuerliche und steife römische ius civile in das anpas-

2412 Baltrusch aaO. 2413 1997, 476 uH auf (1994/20072) uam. – Allerdings räumt auch Ziegler in seiner Darstellung der römischen aequitas den griechischen Wurzeln leider nicht ganz den ihnen gebührenden Platz ein. 2414 1956, 737 ff und 1996, 227 ff. 2415 1993/1997. – Baltrusch (1994) geht auf die Epieikeia/aequitas/equity/Billigkeit nicht ein, obwohl die Untersuchung von Symmachie und Spondai dies ermöglicht und ihre „religiöse Grundlage“ (aaO 196) und Vielfalt ihrer Verwendung (Totenbergung, Personenschutz, Vorstufe des Friedensvertrages etc.) dies nahegelegt hätte. Zudem gab es Probleme bei der Auslegung; man denke an den Nikias-Vertrag von 421; dazu Baltrusch 1994, 169 ff. – Auch Bedermann (2001, 51 ff) berücksichtigt die griechische Epieikeia nicht und behandelt nur die römische bona fides. 2416 Verwendet wurden (1997, 48): ius gentium, ius belli, ius belli ac pacis oder einfach ius oder iustus oder iniuria. AaO 49 weist Ziegler darauf hin, dass „it is a common experience in history that legal facts and institutions are considerably older than theoretical reflections upon them.“ 2417 Das gilt meist auch für die der römischen fides vorgelagerte griechische pistis; vgl. oben Anm. 2112. – Kritisch zur römischen fides: Dahlheim 1991, insbesondere 49 ff und H. Graßl in seinem Innsbrucker Vortrag 2008 (in Druck). 2418 Dazu Kapitel II 13.

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Griechische Epieikeia und römisches Völkerrecht

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sungsfähige ius praetorium/honorarium verwandelt hatte. Diese genetischen Zusammenhänge wären einer Untersuchung wert gewesen. – Schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass die römische aequitas auch im Völkerrecht erst über griechische Vermittlung nach Rom gelangt ist, auch wenn in der Wissenschaft keine Einigkeit herrscht. Es handelt sich um eine jener Strömungen, die ua. über die Stoa, die ja auch das platonische und das aristotelische Erbe bewahrte und weitergab, in das römische Rechtsdenken gelangt waren. Das gilt insbesondere für die Humanisierung des Kriegsvölkerrechts.2419 Fast noch erstaunlicher ist es, dass Ciceros phantasievolle und auf römische Größe zugeschnittenen Aussagen unkritisch übernommen werden. Hier sind Fehler unterlaufen, die vermeidbar gewesen wären. Zieglers Versehen verwundert auch insofern, als er andernorts durchaus zutreffend feststellt, 2420 dass das mit den Griechen beginnende europäische Völkerrecht mit dem des Alten Orient „verbunden gewesen sein muß”. Der naheliegende Schluss, Rezeption durch die Römer anzunehmen, bleibt aber nahezu ausgespart. – Beide, Ziegler ebenso wie Nörr, überschätzen die Eigenständigkeit Ciceros. Wie so oft hat Cicero auch hier griechisches Gedankengut übernommen und die römische (Kriegs)Geschichte, die keineswegs rühmlicher war als die anderer Völker, geglättet und geschönt. Wie Ciceros Darstellungen in diesem Kontext zu verstehen sind, hat Franz Hampl in einem glänzenden Aufsatz aus dem Jahre 1957 gezeigt.2421 Im Folgenden wichtige Punkte in den Gedanken Zieglers, bei denen ich mir nähere Erläuterung und stärkere Vertiefung wünschte: • „Cicero laid the foundations for a legal theory [!?] of international relations”.2422 • In der Erörterung zum foedus aequum und foedus iniquum vernachlässigt Ziegler die älte2423

ren griechischen und orientalischen Wurzeln. – Für die Beziehung zwischen Griechenland und Rom macht er hier das, was er bei Baltrusch als Mangel gesehen hat, der den griechischen Staatsvertrag nicht in die „altorientalisch-mittelmeerische Tradition“ gestellt habe.

• „That Roman aequitas sometimes [?] corresponds to the Greek ‘epieikeia’ is a wellknown fact”.

2424

2419 Dazu in Kapitel VII 1: Rechtsbewusstsein, Rechtsgefühl (F. Hampl). – Preiser 1950/1978, 177 betont noch die Bedeutung der Philosophie der Stoa für das moderne Völkerrecht. 2420 (1994). – Siehe das diesem Punkt vorangestellte Motto. 2421 Offenbar kennen weder Nörr und Ziegler diese Arbeit Hampls. Dazu in den Kapiteln VII 1: ‚Rechtsbewusstsein/Rechtsgefühl’ und X 5: ‚Graeca leguntur’? – Zieglers Hinweis auf Rostovtzeff (aaO 49 bei Fn 5) bleibt vage. 2422 1997, 51. 2423 1997, 53. 2424 1997, 53 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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• Für die Berücksichtigung nicht nur der verba (etwa des Gesetzes), sondern auch der Ab2425

sicht des Gesetzgebers (ratio, voluntas) zitiert Ziegler lediglich Cicero und Celsus.

• Die Korrektur des ius strictum durch ius aequum sieht Ziegler als ausschließlich römische 2426

Schöpfung, während dieses Gedankengut schon in der Sophistik angelegt und insbe2427 sondere von Platon und Aristoteles weiterentwickelt wurde. - Ziegler erörtert nur den Ersten, nicht aber den Zweiten Vertrag zwischen Rom und Kar2428 thago. Letzterer hätte aber gezeigt, wie die Römer mit den Latinern, also ihresgleichen 2429 verfuhren. – Wie Hampl dies ausgedrückt hat, wird dadurch klar, dass die Römer um nichts ‚besser’ waren als andere Völker, und es zeigt sich auch, wie sehr Cicero die römische Geschichte glorifiziert. - Das durch Cicero verwendete Bild vom (iuris) vinculum zusammen mit Vetrag und Eid, das man bislang für genuin römisch gehalten hat, hat griechische, ja bereits alt2430 orientalische Vorbilder.

• In der Erörterung des Begriffs Völkerrecht beschränkt sich Ziegler auf die römische Ter2431

„The term ‘law of nations’, as we well know, is derived from Latin ius minologie: gentium.” – Man vermisst den Hinweis darauf, dass es sich um eine Übersetzung des grie2432 chischen LPJOµO EeLBJPO handelt.

• „Roman aequitas has developed into modern ‘equity’” (?) usw. • Der Beitrag der römischen Pontifikaljurisprudenz und der Fetialen zur Humanisierung des antiken Kriegsrechts – im Vergleich zu dem der Stoa – schätzt Ziegler wohl zu hoch 2433 – Es ist vorwiegend das Verdienst der Stoischen Staatsethik, nämlich insbesondeein. re des Panaitios von Rhodos und seines Schülers Poseidonios (und nicht der Römer), für eine Humanisierung des Kriegsvölkerrechts (Verwerflichkeit des Krieges, Schonung des 2434 Feindes etc.) eingetreten zu sein. - Dass Ciceros ‘De officiis’ nur das verloren gegangene Werk des Panaitios wiedergibt, was 2435 Cicero dem Leser selbst mitteilt, wäre einer Erwähnung wert; Ciceros Abhängigkeit in Fragen der Ethik wäre deutlicher erkennbar.

2425 1997, 54. – Aristoteles (Rhetorik I 13, 17, 1374b) fehlt bedauerlicherweise. Dazu Kapitel II 13. 2426 Ziegler 1997, 54. 2427 Dazu in Kapitel VI 1 und mein Beitrag (2008). – Dort zeige ich, dass die Epieikeia ganz entscheidend zum Entstehen der griechischen Rechtswissenschaft beigetragen hat. 2428 1997, 58. 2429 Dazu in Kapitel VII 1: ‚Rechtsgefühl’. 2430 De officiis 3, 31/111. – Vgl. dazu ua. Kapitel VI 6: ‚Synallagma und Obligation’. 2431 1997, 62. – Die großen juristischen Leistungen Ostroms auf diesem Gebiet werden nicht einmal erwähnt. 2432 Dazu auch in Pkt. 10. 2433 1997, 57. 2434 Zu Panaitios und seinem Schüler Poseidonios von Apamea (~ 135-51 v. C.) bei Anm. 2273. 2435 Dazu in Kapitel X 5: ‚Graeca leguntur’?

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Griechische Epieikeia und römisches Völkerrecht

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• Auch die römische fides hat ältere Vorbilder, griechische (pistis) und alt-orientalische.2436 2437

– H. Graßl zeigt, dass die Römer den Begriff der fides mitunter sehr selektiv handhabten und aus Opportunitätsgründen auch bewusst missachteten. Der hohe Stellenwert der römischen fides entspricht demnach schon in republikanischer Zeit nicht ganz der Realität, sondern ähnelt einem Mythos.

Die Rechtsfiguren werden in der Historiographie zweimal verfälscht: Zuerst werden die griechischen und/oder orientalischen Schöpfungen in römische umgewandelt; seit Konstantin werden sie zu christlichen gemacht, dies alles, obgleich sich seit den Griechen – vor allem seit Platon und Aristoteles und später der Stoa nichts geändert hat. Bei der Epieikeia der Griechen und bei der römischen aequitas geht es um Ausgewogenheit2438 im Verhältnis von Gesetz und Urteil, also um Gerechtigkeit im Einzelfall bei der Rechtsanwendung; bei der pistis/fides um das gegenseitige Vertrauen(können), um die Treue beim Abschluss und bei der Erfüllung von Verträgen.2439 Obwohl die Moral im modernen Völkerrecht – hier vor allem die Humanisierung des Kriegsrechts – vornehmlich eine griechische Leistung war, halten immer noch viele gerade sie für eine Leistung des Christentums. Es sieht so aus, als habe die Romanisierung griechischer Einrichtungen wie Epieikeia und Pistis nicht nur den Ruhm des römischen Rechts gefördert, sondern auch die Christianisierung erleichtert. Die zum Teil überschießende Weiterentwicklung durch Byzanz wird vielleicht deshalb nicht gewürdigt, weil dort die griechischen Ursprünge noch anschaulich und lebendig waren.2440 – Die Geschichte des Völkerrechts ist somit keineswegs frei von Ideologien, vor allem auch deshalb, weil die Romanistik den griechischen und damit den orientalischen Einfluss über Gebühr vernachlässigt hat. Ich meine, dass es längst an der Zeit ist, ohne Umschweife festzustellen, dass die griechische Epieikeia, die im Zentrum des Rechtsdenkens stand, zunächst von den Römern und später vom Christentum übernommen, sodann zur römischen aequitas und schließlich zur anglo-amerikanischen equity und unserer Billigkeit wurde und dass sie bis heute eine Grundlage der Wertordnung sein kann und dies auch ist. Dass mit der griechischen Herkunft häufig auch orientalische Einflüsse verbunden sind, tut dem keinen Abbruch. Wichtig ist allerdings die Erkenntnis, dass das moderne Völkerrecht zu einem großen Teil nicht auf christ-

2436 Dazu E. Otto auf der Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). 2437 Innsbrucker Tagung 2008 (in Druck). 2438 Billigkeitsüberlegungen (im Sinne eines ausgewogenen Einbeziehens der tangierten Interessen) spielten in der Antike wie in der Neuzeit aber auch beim Formulieren von Gesetzen eine Rolle (vgl. etwa § 1310 ABGB); hier liegt die Wurzel der Gerechtigkeitsfunktion im modernen Dispositivrecht. 2439 Vgl. Baltrusch 1994, 196, der auch die enge „Bindung des Vertragsrechts an die Religion“ betont. 2440 Vgl. Anm. 2431 und Kapitel II 13.

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Kapitel I: Perspektiven, 9. Anfänge des Völkerrechts

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lich-römischen Fundamenten ruht, sondern dass vielmehr das Christentum viele ältere Erkenntnisse aufgenommen, verarbeitet und weiterentwickelt hat.

Zusammenfassung Das Völkerrecht war in der Tat eine Art ‚Schmelztiegel’ früher Rechtsordnungen. Es griff privatrechtliche Einrichtungen auf und entwickelte sie für eigene Zwecke weiter. Dies gilt vor allem für Abschluss, Einhaltung und Erfüllung von Verträgen, aber auch den Bereich der Stellvertretung.2441 Daneben schuf es auch eigene Figuren wie die griechischen Spondai oder die schon von den Sumerern verwendete Freund-Feind-Klausel. Hierher gehören vor allem die Staatsverträge. – Während im modernen Völkerrecht der Abschluss von Staatsverträgen durch ein schriftliches Niederlegen in einer Urkunde erfolgt, wurde die Publizität solcher Rechtsakte früher durch Einbettung in sakrale Sollenität erreicht, wodurch eine Vereinbarung formell unter den Schutz der Götter – häufig besonderer Schwurgötter – gestellt wurde. Trotz einer von Anfang an zu beobachtenden rechtlichen Zweiaktigkeit bildeten säkulares und sakrales Handeln aber eine innere Einheit;. dies war schon bei den alten Sumerern der Fall.2442 Erst viel später wird die Vereinbarung zusätzlich beurkundet.2443 – Es kann als gesichert gelten, dass seit den Sumerern zunächst der Vertragsinhalt (von einer oder beiden Parteien) erarbeitet, sodann vereinbart und schließlich beschworen und damit sakral abgesichert wurde. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der von den Parteien autonom geschaffene Vertragsinhalt die wesentliche Grundlage bildete und Schwurakte dies lediglich bestärken wollten und sollten. Allerdings scheint die sakrale Form in früher Zeit ein Teil der Rechtsform gewesen zu sein, ganz wie auch noch heute Formvorschriften manchmal konstitutiv für das Zustandekommen gültiger Verträge sind. Das für das Völkerrecht charakteristische Neben- und Miteinander von öffentlichen und privaten Interessen öffnete den Blick für Neues. Völkerrecht kann aber auch – und das ist eine neue Einsicht, als Entwicklungsindikator für eine über die eigene innere normative Ordnung hinausreichende (bereits) zwischenstaatliche Rechtsentwicklung und Rechtsgesinnung betrachtet werden. Schon das Entstehen von Völkerrecht erforderte beachtliches Rechtsbewusstsein/Rechtsgefühl, denn es ging dabei von Anfang an darum, mit Nachbarn, aber auch mit fremden

2441 Dazu in Kapitel VI 2: ‚Direkte Stellvertretung’. 2442 Vgl. oben bei Anm. 2162. 2443 Vgl. A. Heuss 1934, 15 ff. – Auch A. Heuss lässt hier aber letzte Klarheit vermissen, wenn er einerseits feststellt, dass „der völkerrechtliche Vertrag bei Griechen und Römern nicht in einem schriftlichen Akt, sondern in der mündlichen Schwurhandlung vollzogen wurde“ und andererseits das Beschwören geschlossener Verträge als „sakrale Vollzugshandlungen“ bezeichnet.

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Zusammenfassung

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Völkern und Mächten, im Frieden wie im Krieg zu leben. Auf diesem langen und von schweren Rückschlägen und Durststrecken gekennzeichneten Weg bedeutet der Vertrag von 1259 v. C. zwischen Ramses II und dem Hethiterkönig Hattusilis III eine erste völkerrechtliche Akmé; er lässt bereits ein vorbildliches grenzübergreifendes Rechtsbewusstsein erkennen, das schließlich eine friedliche Entwicklung zwischen Staaten möglich machte. Ich habe dem Abschnitt zum griechischen Völkerrecht ein Motto vorangestellt, das aus dem Vorwort des Werkes von C. Phillipson stammt, eines häufig unter seinem Wert eigeschätzten Autors. Nun schließe ich mit den Worten des Autors selbst, der sich gleich am Beginn seiner Arbeit an jene wendet, die an der Existenz eines antiken Völkerrechts zweifeln:2444 „It has not infrequently been said that international law, public as well as private, […], is a creation of the modern States, and of modern States alone; and that the ancient peoples, […], had no clear conception of a true law of nations. But such an attitude implies erroneous preconceptions, and indicates a blindness to historic perspective.“

10. Rezeption durch Rom? „Wenn am Eingang der römischen Rechtsgeschichte die Kodifikation des Zwölftafelbuches steht, so darf uns das nicht irre machen. Ganz abgesehen davon, dass dieses Werk nicht in die von uns zu behandelnde Periode gehört: es steht in der römischen Rechtsgeschichte vollkommen isoliert und ist in seiner Gesamtkonzeption wie in seiner Form offensichtlich unter dem Eindruck griechischer Kodifikationen entstanden. Und wie die römische Gesetzgebung niemals wieder den spruchartigen, in seiner Kürze auf letzte Genauigkeit bewusst verzichtenden Stil der zwölf Tafeln aufgenommen hat, so ist auch der Gedanke einer das gesamte Recht behandelnden Kodifikation bis zum Ende der klassischen Zeit nie wieder auch nur ernsthaft erwogen worden. Wenn Julius Cäsar am Ende seines Lebens den Kodifikationsgedanken aufnahm [Sueton, Cäsar 44], so zeigt dies wie andere Maßnahmen seiner letzten Zeit nur, wie starken Einfluß der Geist des Hellenismus auf ihn gewonnen hatte. […] Die erste Gesamtkodifikation seit den zwölf Tafeln steht

2444 1911, 27. – Man vergleiche damit etwa H. J. Wolff, in: LAW III 2529 f.

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Kapitel I: Perspektiven, 10. Rezeption durch Rom?

am Ende der eigentlichen römischen Rechtsgeschichte: so stark das römische Gepräge der Kodifikation Justinians […] hervortritt, als Ganzes ist sie ein Werk des griechischen Geistes. Kodifikationen eines Teilgebietes, etwa des Verfassungsrechts, des bürgerlichen Rechts oder Strafrechts, sind niemals auch nur versucht worden.“ Fritz Schulz, Prinzipien des römischen Rechts (1934/1954)

Ich gehe anschließend auf Art und Inhalt der Rezeption griechischen Rechts (denkens) durch Rom und seine Juristen ein.2445 Ältere Autoren betonen nämlich immer wieder, dass hier noch vieles im Fluss und unsicher und zudem noch kaum oder gar nicht erforscht ist. Beispiele von Ludwig Mitteis, Josef Partsch, Egon Weiss und Raphael Taubenschlag sollen zeigen, für wie interessant, lebendig und bedeutsam die Wechselbeziehung zwischen Römern und Griechen schon von diesen ‚älteren’ Wissenschaftlern eingeschätzt wurde.2446 Die Beispiele überschneiden einander nur geringfügig, was in Kauf genommen wurde, weil dadurch auch das Gewicht einzelner Argumente deutlich wird. – Zur ‚Art der römischen Rezeption’ habe ich schon in der ‚Einleitung’, betreffend den Bericht des Aulus Gellius2447 zu Ciceros Methode Stellung genommen. Von grundlegender Bedeutung ist das Werk von L. Mitteis zur Beziehung zwischen Reichsrecht und Volksrecht,2448 das eine wahre Fundgrube darstellt. – Die bisherige Einschätzung der Transferbeziehung ist jedoch durchaus unterschied-

2445 Zu Methode und Beschreibung von Kulturkontakten in den Altertumswissenschaften nunmehr Ulf (2009). 2446 Dazu auch die andernorts angeführten Hinweise von Kübler (in der ‚Einleitung’ und in diesem Kapitel) und Coing (etwa in Kapitel VII 5) oder in den Kapiteln VI und VII. Erwähnen möchte ich B. Küblers wichtigen Aufsatz 1907/1908, auf den ich in Kapitel VI 2 (‚Darlehensund Kreditgeschäfte’) eingehe. Dieser Aufsatz untersuchte erstmals die griechischen responsa und deren Beantwortung durch römische Juristen (Scaevola, Paulus, Modestinus) und zeigt die Bedeutung des griechischen für das römische Recht von der republikanischen Zeit bis zu den römischen Klassikern. – Ein möglichst vollständiger Überblick bereits erwiesener oder doch wahrscheinlicher Einflüsse des griechischen auf das römische Rechtsdenken ist längst wünschenswert; vgl. dazu meine Ausführungen 2006, 409 ff: Wissenschaftstheoretische Vorbemerkungen in der FS P. W. Haider. – 2447 I 3, Cap. 1; Weiss 1978, S. 17 ff. 2448 1891/1984.

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lich: Nach F. Schulin2449 hat das griechische Recht ein ähnliches Schicksal wie das germanische/deutsche Recht gehabt: „Beide sind vom römischen Rechte erstickt worden.“ Mitteis zeigt uns freilich für das Verhältnis des griechischen und des römischen Rechts ein anderes, deutlich günstigeres Bild. Es ist mir gar nicht möglich, alle die von Mitteis gezeigten möglichen, wahrscheinlichen und als gesichert anzunehmenden Rezeptionen unterschiedlicher Art darzustellen. Ich beschränke mich daher auf einzelne Beispiele. Es gibt auch noch in der Gegenwart viele Werke, die sich mit der Rezeption des römischen Rechts in Europa befassen, aber nur Wenige sind dieser Frage für das Verhältnis zwischen Römern und Griechen nachgegangen. Ich erwähne nur P. Koschaker, W. Seagle oder F. C. v. Savigny. – Erstaunlicherweise findet sich mitunter eine ähnlich unkritische Haltung bei Romanisten, wenn es um die bei der Rechtsfindung angewandten Methoden der römischen Juristen geht. Dazu anschließend ein Beispiel.

Möglichkeiten und Wege für Rezeptionen und Transfers zwischen Griechen und Römern gab es viele, und sie bestanden über lange Zeiträume. Es fehlte weder an räumlichen, zeitlichen, noch an sachlichen Gelegenheiten. Ohne dieser Frage im Detail nachzugehen,2450 erwähne ich – geographisch: Magna Graecia, Sizilien, Sardinien und Nordafrika, später vor allem die Levanteküste und das ptolemäische Ägypten, das als Reagenzglas rechtlicher Umsetzung bezeichnet werden kann. – Zeitlich kam es zu Berührungen vom Beginn der Großen Kolonisation, bis zum Ende der hellenistischen Ära und (auf rechtstechnischer Ebene) noch lange danach (etwa bei Gaius und Ulpian), wobei diese Kontakte zu manchen Zeiten stärker waren, als zu anderen. – Es wäre schon sehr verwunderlich, wenn die Römer ausgerechnet im Rechtsbereich nichts übernommen hätten.2451

2449 1882, 4. 2450 Das soll in einer der nächsten Innsbrucker Jahrestagungen versucht werden. 2451 Ich verweise auf meinen Beitrag (2006c, 410 ff).

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Kapitel I: Perspektiven, 10. Rezeption durch Rom?

Abb. 22: Griechische Kolonien in Süditalien/Magna (aus: Cerchiai/Jannelli/Longo 2004, 11)

Abb. 23: Griechische Kolonien in Sizilien (aus: Cerchiai/Jannelli/Longo 2004, 12)

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Zur Methode der römischen Rechtsfindung – Wesens- oder Unwesensschau? Die von Max Kaser2452 zur römischen Rechtsfindung verfasste Abhandlung ist nicht ohne Folgen geblieben. Kaser vertrat darin mit Nachdruck die lange unwidersprochen gebliebene Meinung, die Methode der Rechtsfindung der römischen Juristen habe in der Intuition gelegen, worunter er verstand, dass „die Gewinnung der richtigen Entscheidung durch ein unmittelbares Erfassen [erfolgte], das des rationalen Argumentierens nicht bedarf“.2453 Das hat dem Ansehen des römischen Rechtsdenkens nicht nur keinen Abbruch getan, sondern dieses – was wohl beabsichtigt war, noch gesteigert; der wissenschaftlichen Durchdringung der Beziehungen zwischen römischem und griechischem (und vor allem orientalischem) Rechtsdenken hat diese Haltung jedoch geschadet. „Man gewinnt in der Darstellung Kasers unvermeidlicherweise den Eindruck, dass die Römer, wenn sie Jurisprudenz trieben, mit besonderen Fähigkeiten einer unmittelbaren Anschauung des Richtigen, d. h. des Gerechten begabt gewesen seien, wie sie sich bei anderen Juristen, in 2454 anderen Zeiten und anderen Kulturen, nicht wieder gefunden haben.”

Ich erwähne Kasers Irrtum, der mittlerweile durch Franz Horak zurechtgerückt wurde, vornehmlich deshalb, weil dadurch auch ein Licht auf Kasers immer wieder feststellbaren Mangel an Interesse für mögliche griechische oder gar orientalische Wurzeln des römischen Rechtsdenkens fällt: Denn wenn die römische Methode der Rechtsfindung in praktizierter Intuition bestand, machte das nicht nur eine rationale Begründung und Erklärung überflüssig, sondern auch jeden Rekurs auf einen allfälligen griechischen Einfluss, was – wie ich meine zeigen zu können – nicht zutrifft. Meine Untersuchung könnte als Beitrag zur Auffindung eines von Kaser und anderen übersehenen missing link für römischrechtliche Lösungen und Rationalität gelesen werden. Neben der bis zum Überdruss betonten – wenngleich dennoch nur unvollkommen dargestellten – Bedeutung der griechischen Philosophie könnten noch zahlreiche weitere griechische Einflüsse und Anregungen genannt werden, die jenseits der Intuition als Vorbilder und ‚Ideenlieferanten’ für das römische Rechtsdenken in Betracht kommen. Horaks glänzende – unter dem Titel ‚Unwesensschau’ erschienene – Antwort auf die von Kaser (und Waldstein, der Kaser folgt) behauptete Wesensschau der römischen Juristen, die unbedingt nachgelesen werden sollte, braucht keine Er-

2452 1962a, 1969 kam es zu einer zweiten Auflage. 2453 1962a/1969, 54. 2454 Horak 1998, 287. – Manche römische Selbsteinschätzung weist freilich in diese Richtung; vgl. etwa die von F. Hampl erwähnte Haltung Ciceros, s. Kapitel VII 1: ‚Das Entstehen von Rechtsbewusstsein … – F. Hampl und das Rechtsgefühl’ und X 5: ‚Graeca leguntur’.

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Kapitel I: Perspektiven

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gänzung. Sie muss in Zusammenhang mit meinem Thema aber erwähnt werden, denn Horak erinnert auch daran, dass Kasers Behauptung so neu nicht war: „Ähnliches findet sich schon bei Savigny, aus neuerer Zeit bei Schulz und bei Wieacker, 2455 wenn auch nicht als dessen letztes Wort.“

Zudem verteidigte Waldstein2456 unbeirrt Kasers „Lehre von der Intuition“ noch zu einer Zeit, als sich der ‚Meister’ davon schon wieder gelöst hatte. Für Waldstein bleibt die Intuition „das rationale Verfahren [sc. der römischen Juristen] schlechthin“.2457 – Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Waldstein betont Horak, dass es um die Einheit des römischen Rechts nicht sonderlich gut gestanden und es anstatt vieler in Wesensschau erkannter Einheitslösungen (angefangen bei den veteres bis in die Zeit der Spätklassik) viele widersprüchliche und einander ausschließende Meinungen gegeben habe.2458 Waldsteins Versuch, die von Kaser wieder aufgegebene Lehre von der besonderen intuitiven Begabung der römischen Juristen zu ‚reanimieren’, muss demnach als missglückt angesehen werden. Damit gewinnt das Interesse der Rechtsgeschichte für griechische (und damit auch orientalische) Vorbilder wieder an Bedeutung.

Rechtliche Transfers und Rezeptionsvorgänge Weshalb haben gerade im Rechtsbereich immer wieder Transfers und Rezeptionen stattgefunden? – Sie sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil sich in ihnen das „Symptom einer Kultursynthese“2459 offenbart oder verbirgt. Es geht dabei um das Gelingen von ‚Kulturübertragung’ und damit um das Sicherstellen von ‚kultureller Kontinuität’ und das Vermeiden von ‚Kulturbrüchen’ trotz eines Wechsels des Kulturträgers – was häufig den Untergang des bisherigen bedeutete. – Dieses Phänomen ist für uns aus zwei Gründen von Wichtigkeit: • Einerseits

für die griechisch-archaische Gründungsphase der europäischen (Rechts)Kultur, die ihre Kraft und Kreativität durch einen Kulturtransfer aus dem Alten Orient anreicherte;

• andererseits für die über viele Jahrhunderte relevante griechisch-römische Kulturbeziehung, die auch die Rechtsentwicklung und -ausformung einschloss, was bisher immer

2455 1998, 285. 2456 Fundstellen zu Waldsteins Publikationen aus 1972, 1976 und 1975 ff bei Horak, aaO 291. 2457 Dazu Horak 1998, 290 ff. – Horak zerpflückt auch Waldsteins Versuch, die Intuition der römischen Juristen auf den Begriff der Aristotelischen Aisthesis (Nikomachische Ethik VII 1098b, 3 f) zurückzuführen. Bemerkenswert erscheint mir dabei, dass Waldstein sich hier auf griechische Philosphie beruft, die bei ihm sonst nicht hoch im Kurs steht. 2458 1998, 295 f. 2459 Vgl. H. Mitteis 1947, 33 f.

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Rechtliche Transfers und Rezeptionsvorgänge

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wieder geleugnet, heruntergespielt oder verdrängt wurde, obwohl dieser ebenso tiefe wie langanhaltende rechtliche Kulturtransfer ein Faktum ist.

Allein daraus erhellt, dass eine enge Verbindung zwischen Rechtswissenschaft und Rechtsgeschichte auf der einen und allgemeiner und Alter Geschichte auf der anderen Seite unerlässlich ist, um die vielfältigen und schwierigen Fragen, die sich hier auftun, angemessen behandeln und verarbeiten zu können. – Dass eine so enge Verbindung bisher nicht geschaffen wurde, ist vielleicht nicht auf ‚böse’ Absicht’ und mangelnde Motivation zurückzuführen; auch ein gewisses Beharrungsvermögen könnte das Festhalten am status quo bewirkt und so ein grundsätzliches Überdenken verhindert haben. – Dazu sagt Heinrich Mitteis,2460„[…] dass die Rechtsgeschichte immer aufs neue bei den Historikern in die Lehre geht, wenn sie nicht den großen Zusammenhang verlieren will“; was, das sei hinzugefügt, längst erreicht, aber oft gar nicht bemerkt wurde, weil eine gewisse Selbstgenügsamkeit dies verhindert hat. Wie H. Mitteis2461 gezeigt hat, geht es nicht darum, sich einer einzelnen Strömung in der von der Geschichtswissenschaft der letzten beiden Jahrhunderte entwickelten Zielausrichtung oder der Methode zu unterwerfen, sondern darum, die Vorgänge unvoreingenommen und offen zu betrachten. Ich halte es durchaus für sinnvoll, bewusste Teilrezeptionen anzunehmen und ziehe diese Annahme der pauschalen Ablehnung oder dem durchaus feststellbaren gänzlichen Mangel an Interesse vor.2462 Mitteis’ Überlegungen gelten etwa auch für W. Diltheys (1833-1911) Interesse am – historisch und philosophisch – Unbewussten, das im Freud’schen Sinne zu vervollständigen wäre, oder dessen Begriff des historischen Individuums, der nicht nur den Einzel(mensch)en, sondern auch größere gesellschaftliche Entitäten wie die griechische Kultur oder das griechische Recht (oder einzelne seiner Erscheinungen) zu erfassen vermag und zu einer historischen Typenlehre und zu einem lebenphilosophisch geprägten geschichtlichen Verstehen führen kann; für Eduard Sprangers (1882-1963) „Lebensformen“ als historisch-psychologische Idealtypen oder Nicolai Hartmanns (1882-1950) Geschichtsontologie als analytisch-psychologische Seinserfassung, die in Hartmanns Schichtenlehre (als Gesetz der gegenseitigen Einwirkung der Schichten) gipfelt und in der Beurteilung der historischen Wirklichkeit das Subjekt des Betrachters einbezieht, dessen Standpunkt nicht zu vernachlässigen ist. – Eine Bestandsaufnahme aller dieser Überlegungen zu Denkweisen und Methoden zusammen mit den Beispielen ihrer Anwendung erscheint wünschenswert und überaus reizvoll; sie wäre wohl in der Lage, die Spreu vom Weizen zu sondern.

2460 1947, 35. 2461 1947, 27 ff. 2462 Dazu H. Mitteis aaO.

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Kapitel I: Perspektiven

Eine Rezeption von Rechtsregeln darf nicht zu rasch angenommen werden, vielmehr ist ebenso Vorsicht geboten wie bei der Rezeption anderer Kulturvorstellungen. Ingomar Weiler ist diesem Problem nachgegangen.2463 Als Beispiel dafür, wie „schwierig es ist, hier Klarheit zu gewinnen“, führt er den Diskurs über die ‚Goldene Regel’ an,2464 die in nahezu allen Kulturkreisen der Erde entwickelt wurde, wenn auch mit großen zeitlichen Unterschieden und inhaltlichen Nuancen. Weiler kommt zum Ergebnis:2465 „Die Fragen der Rezeption, der einseitigen oder wechselseitigen Einflussnahme und des autonomen Konzipierens von Verhaltensnormen lassen sich nur von Fall zu Fall und nicht generell beantworten. Das gilt auch für die Rechtsbeziehnungen zwischen Orient und Hellas.” – „Angesichts [sc. der erwähnten] ideengeschichtlichen Parallelen und den […] angeführten archäologisch dokumentierten Handelskontakten zwischen dem Orient und Hellas liegt der Ge2466 danke nahe, dass auch das Rechtsdenken hierbei keine Ausnahme bildet.”

Für die Beziehungen zwischen Rom und dem antiken Griechenland ist zu bedenken, dass es eine ausgeprägte Kulturübernahms- und Rezeptionsdrift gegeben hat, die vom militärischen Sektor (Hoplitentaktik) über technische und wirtschaftliche Errungenschaften bis hin zu den bereits wahrgenommenen Bereichen von Architektur, bildender Kunst, Literatur und Theater, Religion, Sport, Bildung, Wissenschaft und Philosophie und auch dem Recht (Institutionen, Organschaften, Instrumenten etc.) reichte. – Daher lässt sich sagen: Die verbreitete Ansicht, dass Rom in den genannten und weiteren Bereichen rezipiert hat, Rechtliches dagegen nicht, überzeugt nicht. Dieses Vorurteil abzubauen, ist ein Ziel meiner Untersuchung. Nicht nur zwischen Rom und Hellas hat es Rezeptionen verschiedenster Art gegeben, sondern auch zwischen den rund um das Mittelmeer siedelnden Griechen und anderen Kulturen; insbesondere jenen des Vorderen und Alten Orients und Ägyptens.2467

2463 2007, 197 ff. – Weiler nennt mögliche oder wahrscheinliche Transfers zwischen Hellas und dem Orient. 2464 2007, 199 f. – Vgl. Kapitel VII 1: Rechtsgefühl/Rechtsbewusstsein und oben. 2465 2007, 200 und 213. 2466 I. Weiler weist darauf hin, dass im Rechtsbereich Untersuchungen wie jene von W. Burkert (2003) fehlen. 2467 Dessen war sich Platon bewusst, der humorig feststellte (Phaidon 109b): „Es ist schon großartig, dass wir Griechen vom Phasis [sc. also dem südöstlichsten Winkel des Schwarzen Meeres] bis zu den Säulen des Herakles [sc. der Strasse von Gibraltar] nur um das Meer herumsiedeln wie Ameisen und wie Frösche um einen Teich sitzen“. – Zur Rezeption Platon: „Was immer die Griechen von den Barbaren übernehmen, arbeiten sie in schönerer Weise aus.“ (Platon, Epinomis 973cd; vgl. Burkert 2003, 19). – Zitate nach I. Weiler 2007, 211.

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Verwandtschaft zwischen römischem und griechischem Recht? Zunächst ist die grundsätzliche und eindringliche Warnung von L. Mitteis2468 zu beachten, nicht leichtfertig die „außeritalischen Rechtsordnungen der indogermanischen Völkerfamilie“ insbesondere nicht die germanischen und slawischen (die der römischen „anerkanntermaßen ziemlich fern“ stünden) analog auf das römische Recht anzuwenden. „Eine besondere Stellung gegenüber dem römischen hat man jedoch von altersher dem griechischen Recht zugeschrieben. Weit verbreitet und von namhaften Vertretern getragen ist eine Annahme, welche zwischen Griechen und Römern eine nähere Verwandtschaft annimmt und dieselbe auf zahlreiche Bindeglieder in Sprache, Religion und Mythologie zu stützen sucht; sie hat sogar zu der bekannten Hypothese von dem gräkoitalischen Urvolk geführt. [...] Aber man wird der Herleitung römischer Rechtssätze aus dem indogräkoitalischen Urrecht, […], auch von juristischen Erwägungen aus, mit großer Skepsis gegenüberstehen müssen.“ L. Mitteis erwähnt einerseits die Unterschiede in der Ausgestaltung der patriarchalischen Hausgewalt, und andererseits wichtige Übereinstimmungen – wie bei der feierlichen Haussuchung beim Diebstahl: „Die feierliche Haussuchung beim Diebstahl ist freilich gewiss den Griechen, Indern und Römern gemeinsam; aber mit ihnen auch den Germanen und also indogermani2469 – E. Weiss versteht dieses Rechtsinstitut wohl richtig als Rest sches Recht schlechthin.“ der Selbsthilfe, weil nach Gaius die XII-Tafeln die Haussuchung zwar gestatten, aber keine 2470 Klage zu ihrer Erzwingung vorsehen; erst der Prätor gewährt die prohibiti furti actio.

Mitteis lehnt es aber ab, aus dieser Verwandtschaft „ein historisches Gesetz und eine Methode“ abzuleiten, doch steht für ihn fest, dass „in bedeutendem Umfang eine Rezeption griechischen Rechts in Rom stattgefunden“ hat:2471 „Es ist das eine Teilerscheinung des allgemeinen und sehr weitreichenden Einflusses, den die griechische Kulturwelt auf die römische geübt hat, wobei naturgemäß als Ausgangspunkt des griechischen Einflusses nicht das ferne Altgriechenland zu denken ist, sondern die in Süditalien und Sizilien gegründeten Kolonien.“

Mitteis betont, dass das Einströmen der griechischen Kultur auf verschiedensten Gebieten (Kunst, Religion/Glaube, Mythos/Sage, Begräbniskultur, Sitte/Brauch, Sprache – griechische Lehnwörter (!), Wissenschaft, Technik, Handel und Gewerbe etc.) stattgefunden hat und zeitlich sehr weit zurückreicht:

2468 1908, I 9 ff. 2469 1908, I 11 f. 2470 Gai. III 192. 193. 2471 1908, I 12 Fn 25 „Hierüber sind bekanntlich die Ansichten sehr geteilt und noch heute verhalten sich namhafte Autoren ablehnend gegen jede Annahme fremdländischen Einflusses, während andere hierin zu weit gehen.“ Er stützt sich dazu auf sein ‚Reichsrecht und Volksrecht’ 1891/1984, 3 Fn 2 und 13 Fn 1.

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Kapitel I: Perspektiven

„Nur um das hohe Alter dieser Einwirkung hervorzuheben, sei daran erinnert, dass die Lateiner vor allem die griechische (d. h. chalkidische) Schrift übernommen haben, wovon das äl2472 teste Dokument – die Fibel von Praeneste – bis ins sechste Jahrhundert hinaufreicht.“

Um die „Tragweite“ dieser kulturellen Rezeption „für die Rechtsentwicklung zu erkennen, ist auszugehen von der Zwölftafelgesetzgebung. Dass dabei griechische Entlehnung in nicht unbedeutendem Maße stattgefunden hat, ist eine Tatsache. Man kann die Erzählung von der Gesandtschaft, welche das Recht von Athen einholte, sowie von dem Ephesier Hermodoros, der die Dezemvirn inspirierte, für eine Legende oder doch für eine entstellte Darstellung halten; aber dass die Rezeption mindestens auf dem Weg über die süditalischen Griechenstädte stattgefunden hat, lehrt der Inhalt des Gesetzes an vielen Stellen. Das wird auch von jenen zugegeben, die im übrigen das Datum, ja selbst die Authentizität der Zwölftafeln bezweifeln“.2473 – Mitteis verweist ua. auf das griechische Lehnwort ‚poena’ in Tafel 8, 4 und vielleicht 8, 3; die Regelung der Begräbnisfeierlichkeiten in Tafel 10; die actio finium regundorum in Tafel 7, 2; das Vereinswesen in Tafel 8, 27; die Bestimmung der längsten Schwangerschaftsdauer mit elf Monaten in Tafel 4, 4; „ferner vielleicht der Aufschub des Eigentumserwerbs an gekauften Sachen bis zur Zahlung des Kaufschillings“.2474 – Für die Zeit danach sei zu unterscheiden zwischen einer „direkten Rezeption fremder Rechtsinstitute durch das Gesetz, das prätorische Edikt und Gewohnheitsrecht, und zwischen der Beeinflußung des juristischen Denkens durch griechische Ideen, welche ihrerseits wieder auf die Ausbildung des Juristenrechtes zurückwirkt.“ Dazu stützt sich Mitteis auf Cicero und die Rhetoren und weitere philosophische Vorbilder (Platon, Stoa). Er meint auch, dass die „Juristen der ausgehenden Republik und der beginnenden Kaiserzeit ihre Theorien vielfach mehr nach doktrinär-philosophischen [d. h. griechischen] Lehren als nach rechtspolitischen Erwägungen geformt haben“, was heute längst allgemein anerkannt sei. Eine Zusammenstellung der einzelnen republikanischen Juristen, deren hellenistisch-philosophische Neigungen bezeugt sind, gebe Voigt.2475

2472 AaO 12 ff. 2473 AaO 15. 2474 Unter Hinweis auf Hofmann 1870, 42 f. – Zum ‚Kreditkauf’ Kapitel II 13. 2475 Mitteis 1908, I 16. – Voigt 1856/1966, I 253 f: Voigt erwähnt (uH auf Stahr, Aristoteles) neben Cicero, M. Antonius, C. Laelius (ein Hörer des Diogenes und Panaitios), L. Furius Philus, P. Rutilius Rufus, Q. Aelius Tubero und Q. Mucius Scaevola/der Augur (alle Schüler des Panaitios), S. Pompeius, M. Brutus, M. Cato und Servius Sulpicius Rufus (alle Stoiker) und A. Varus (Kenner der atomistischen Philosophie). Voigt geht auch auf die Frage ein, warum „aus dem Zeitalter des Kaiserreiches […] keine Juristen als Anhänger von Philosophenschulen genannt werden […].“ AaO I 255 ff erörtert Voigt den Einfluss der griechischen Philosophie auf die römische Jurisprudenz.

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Verwandtschaft zwischen römischem und griechischem Recht?

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Weiters dürfte „aber auch die direkte Rezeption griechischer Rechtsinstitute […] nicht unbeträchtlich gewesen“, wenn auch „[…] in sehr vielen Fällen nicht streng beweisbar“ sein.2476 „Eine an Sicherheit angrenzende Wahrscheinlichkeit hat sie eigentlich nur dort, wo, wie es in der Kaiserzeit häufig geschieht, gewisse, dem römischen Recht bis dahin sicher fremde, wohl aber im Gebiet des Hellenismus sich vorfindende Institutionen durch positive, insbesondere kaiserliche Verordnung eingeführt werden; […] Die hierher gehörigen Erscheinungen gehören zumeist dem Gebiet nicht des Privatrechts, sondern der Staatsverwaltung an; hier stimmen verschiedene der kaiserzeitlichen Verwaltung angehörige Institutionen, wie gewisse Elemente im Steuerwesen, in den Ordnungen des Fiskus, ein grosser Teil der Verwaltungshierarchie, die Volkszählung und Reichsvermessung, die Prägung mit dem Regentenbildnis, der Eid auf den Genius Principis, […] und zahlreiche andere Dinge so auffallend mit hellenistischen, insbesondere ptolemäischen Ordnungen überein, dass von historisch-philologischer Seite die Entlehnung meist als selbstverständliche Tatsache betrachtet wird.“

Auf dem Gebiete des Privatrechts sei „gleiche Evidenz selten“. Mitteis führt aber neben der lex Rhodia de iactu, die teilweise Nachbildung Drakontischer Gesetze in der lex Iulia de adulteriis an (Ulpian, Dig. 48, 5, 24 pr.),2477 ferner allenfalls die Einführung des Asylrechts für misshandelte Sklaven durch Antoninus. Darüber hinaus sei größte Vorsicht geboten […] Die „größte Wahrscheinlichkeit“ spricht nach Mitteis aber auch dafür, dass „der römische Besitzesschutz und die ‚Vis ex conventu’2478 beim dinglichen Prozess dem griechischen Recht entlehnt sind.“2479 „[…] im allgemeinen aber muss man sich mit der Erkenntnis begnügen, dass gewiss Vieles entlehnt ist, das Einzelne aber nicht festgestellt werden kann.“ – Nach einer nochmaligen Mahnung zur Vorsicht,2480 nennt Mitteis weitere Beispiele einer möglichen „direkten Rezeption“, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Er vermutet, dass die Rezeption vornehmlich das Vermögensrecht (also Sachen- und Schuldrecht) betroffen habe, weil das Familienrecht „überall den nationalen Typ rein zu bewahren“ pflege.2481 Neben der deductio quae moribus fit sei noch die bei den italischen Pächtern ziemlich häufig gewordene Verpfändung der Ernte des Pächters für den Pachtzins zu erwäh-

2476 AaO 17. 2477 Dazu mehr in Kapitel II 10: ‚Nomos Moicheías’. – Zu weiteren Analogien im Sklavenrecht verweist Mitteis auf Hitzig 1897, 169 f. 2478 Dazu Hofmann 1870, 118 ff: Lokrischer Eigentumsprozess, die attische Exagoge und die römische deductio, quae moribus fit; insbesondere 130 ff. – Vgl. dazu auch die eigenartig anmutende abwertende Einschätzung dieses offenbar griechischen Ursprungs bei L. Wenger 1950, 29. 2479 1908, I 19 und auch in Fn 55: „Die deductio quae moribus fit hat eine auffallende Analogie in der griechischen yYBHXH›“ uH auf Hofmann 1870. 2480 Er betont, er habe „ganz unsichere Vermutungen“ weggelassen. 2481 Zu geringfügigen Ausnahmen 1908, I 19 Fn 55.

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Kapitel I: Perspektiven

nen. Es folgen Beispiele aus dem Schuldrecht, dem Erbrecht, dem Vereinswesen,2482 dem Prozessrecht und dem Strafrecht.

‚Der griechische Gedanke in der Rechtswissenschaft’ – M. Kaser gegen J. Partsch In seinem Aufsatz zur griechischen Rechtswissenschaft aus dem Jahr 1931 bringt Partsch zahlreiche Beispiele für die Rezeption griechischen Rechts durch die Römer:2483 • „[…] in der dunklen Zeit vom 4. bis 2. Jahrhundert, lange ehe die Wirkung griechischer Wissenschaft und Literatur auf die römische Aristokratie einsetzte, hat die römische Rechtsordnung aus griechischen Gesetzen und aus dem hellenistischen Rechtsverkehr tiefe Anregungen empfangen. Damals wurde das Ädilenediktt den griechischen Marktordnungen der Agoranomen nachgeschrieben. Der Satz, dass der Käufer eine Offenbarungspflicht über die Mängel der verkauften Sache hat, wurde neben der Wandlungsklage aus griechischen Rechten übernommen. Alles, was wir von den Amtprogrammen des Zensors wissen, zeigt stark die Einwirkung des griechischen Rechtes. Wer für diese Zeit, ohne das griechische Material zu verwerten, die römische Rechtsentwicklung zu erklären versucht, der steht bei jedem Schritte vor Rätseln. Oft genug wird eine plötzlich in Rom vorhandene neue Bildung verständlich, wenn wir feststellen können, wie das hellenistische Rechtsleben aussah, inmitten dessen Rom zwischen dem 4. und dem 2. Jahrhundert groß geworden ist. Wir dürfen nicht immer Anlehnungen suchen wollen, Vorschriften, welche aus griechischen Gesetzen in die römische Rechtsordnung hinübergenommen sind. Allerdings kann es auch an solchen Entlehnungen nicht gefehlt haben, und wir können Punkte geltend machen, an denen es schwer fällt, die Übernahme zu bestreiten. So die Rezeption des 2484 […] Im römigriechischen Persönlichkeitsschutzes in die prätorische actio iniuriarum. schen Schuldrecht der Republik sind die sogenannten Konsensualkontrakte, der Kauf, die Miete, der Dienst- und der Werkvertrag mit ihrer eigenartigen ursprünglichen Haftung wegen Nichterfüllung (des Verkäufers auf den Kaufpreis, des Vermieters auf den Mietzins, des Unternehmers auf den Betrag des Werkklohnes) in direkter Anlehnung an griechische Haftungsgrundsätze bei denselben Rechtsgeschäften entstanden. Die Entwicklung des römischen Besitzschutzes im Verhältnis zum Eigentumsprozesse ist auch den griechischen Rechten parallel gelaufen, indem man zunächst vor dem Streit um das Herrenrecht

2482 Vgl. auch Volkmann, in: DKP V 265 (Solon). 2483 Er verweist generell auf L. Mitteis 1908, I 10 ff und für die spätrömische Rechtswissenschaft etwa auf Pringsheim (1918). – Zur direkten Stellvertretung der Griechen, die durch Rom und seine Juristen abgelehnt wurde: Kapitel VI 2; dazu die Bspr. des Werks von L. Wenger (1906) durch Partsch (1908, 495 ff). 2484 Partsch verweist auf seinen Beitrag 1920, 54 ff; dazu mehr in Kapitel VI.

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den gewaltsamen Entsitzer zur Herausgabe an den letzten ruhigen Besitzer zwang. Die Stellung des Prätors gegenüber dem zivilen Nachlasse entspricht auffällig der Fürsorgetätigkeit, welche der griechische Gemeindebeamte an den Nachlässsen der Bürger wahrnimmt. Und der römische Prozess wird uns allmählich in einem größeren Zusammenhange erscheinen, wenn wir den alten Prozess der griechischen Stadtrechte kennen lernen werden und auch dort Privatladung, den Rechtsstreit, der nur mangels eines Anerkenntnisses des Beklagten stattfindet, die positive Defensionserklärung des Beklagten und seine Einigung auf das Prozessthema, das System der Klagen und die Personalhaftung aus dem 2485 ist die GeUrteil, das stets nur auf Geld geht, kennen lernen werden. Im Strafprozesse richtsverfassung und der Prozess der Quästionengerichte als eine unmittelbare Rezeption 2486 aus dem griechischen Rechte zu betrachten.“

• „Um die Mitte des 2. Jahrhunderts vor Chr. beginnt der Einfluss der griechischen Bildung. Die philosophischen Grundbegriffe wie die Darstellungsformen der römischen Rechtsliteratur treten unter den Einfluss griechischer wissenschaftlicher Methode. Die römischen Juristen schieden damals die Rechtsprechung nach jus civile und jus aequum gerade wie ihre griechischen Lehrer die Rechtsprechung nach dem EeLBJPO [díkaion] und dem ’yQJFJLzK [epieikés]. Die Römer lernten durch POSIDONIOS das jus proprium civium Romanorum, 2487 unterscheiden, dem Rechte, das das nationale römische Recht, von dem jus gentium auch die anderen Kulturen anerkennen, und die Stoa gab den römischen Juristen ihre Lehre vom Naturrecht wie ihre Physik mit den Vorstellungen von den Sachen und die Anregung zu den Definitionen nach dem Wortklange. In der heutigen Lehre vom Eigentumserwerb durch Verarbeitung und Verbindung, vom Geschäftsirrtum über wesentliche Eigenschaften der Sache wirken die Problemstellungen der Stoa durch das römische Recht hindurch noch bis ins [Deutsche] Bürgerliche Gesetzbuch hinein. Nach den Vorbildern der griechischen Rhetorik entwarfen römische Redner eine Prozesstheorie, die zum ersten Male den materiellen Anspruch des Klägers und die Verteidigungsmittel des Beklagten nach griechischen Denkformen durchdachte. Es war dieselbe Zeit, in der PANAITIOS der römischen Aristokratie den Gedanken vortrug, aus denen heraus AUGUSTUS seine Monarchie des besten Mannes im Staate gestaltete.“ – Partsch unterstreicht die Bedeutung des griechisch-hellenistischen Wirtschaftslebens für die Entwicklung des römischen Rechts: „Griechisches Urkundenwesen gestaltete die römischen Rechtsgeschäfte für die Bedürfnisse der römischen Bürger, soweit sie dem hellenistischen Kulturkreise angehörten. In den Provinzen musste der Beamte vielfach mit griechischen Gesetzen arbeiten, und ein römischer Präfekt richtete in Ägypten ein Grundbuch ein, das offenbar auf Vorbildern griechischer Rechte beruhte. In die römische Rechtsordnung führen schon die Kaiser des

2485 Zum Strafprozess zitiert Partsch „die gute Studie“ von Hitzig, Über die Herkunft des Schwurgerichtes im römischen Strafprozesse (1909). 2486 1931, 348. – Hervorhebungen von mir, weitere Beispiele bei Partsch. 2487 Dazu verweist Partsch auf Lenel 1915, I 330 ff. – Zu Poseidonios K. Reinhard, in: RE XXII (1954) 559 ff.

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zweiten Jahrhunderts die zahlreichen Soldatenprivilegien ein, welche auf die griechische Vermögensfähigkeit des Hauskindes und auf das griechische Testamentsrecht Rücksicht 2488 nehmen mussten.“

• Für die Jahre um 250 n. C.2489 „In den Jahren, da die schöpferische Kraft der römischen Rechtswissenschaft abstirbt, schon vor der Mitte des dritten Jahrhunderts, beginnt vollends der griechische Gedanke in die römische Rechtsanwendung mit einer Kraft einzuströmen, die wir erst seit Ludwig Mitteis verstehen lernten. Nach der Theorie sollte seit Caracallas Gesetz [212 n. C.] über die Verleihung des Bürgerrechts an die städtischen Provinzialen das Reichsrecht jede unrömische Rechtsordnung aus der Geltung im Reiche verdrängen. In Wahrheit hat sich ein ähnlicher Vorgang abgespielt wie in Deutschland, als zahlreiche Bildungen deutschen Privatrechts trotz der radikalen Aufnahme des fremden Rechtes in Geltung blieben.“

• Für die Zeit vom 4. bis zum 6. Jh. n. C. hebt Partsch2490 die Leistungen der Rechtsschulen von Byzanz und Beryt zur Lehre von der Willenserklärung hervor: Die „Unterscheidung der Grade des Verschuldens nach heutigem bürgerlichen Rechte, die Lehre vom einseitigen und zweiseitigen Schuldvertrage, die Lehre vom gegenseitigen Vertrage entstammen derselben Welt, in der feste Dogmen, die ins [Deutsche] Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurden, wie die Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung und die überscharfe Scheidung von Dienst- und Werkvertrag zuerst geprägt wurden.“

Nach Kaser2491 hat Partsch,2492 ebenso wie auch L. Mitteis2493 und Taubenschlag2494 den griechischen Einfluss „stark überschätzt“. Dazu ist anzumerken, dass Kaser diesen Einfluss hingegen unterschätzt, ihn mitunter sogar sogar unbeachtet gelassen hat. Zudem waren sowohl Partsch, als auch L. Mitteis und R. Taubenschlag unbestritten bedeutende Kenner des griechischen Rechts; ihre Meinungen sollten auch heute noch Gewicht haben. Kasers Sicht ist bedauerlichweise zuweilen einseitig romanistisch, weshalb seine Haltung zu allfälligen Rezeptionen durch Rom nicht unangreifbar ist. Gewiss sind manche Positionen bei den von ihm kritisierten Autoren von der Wissenschaft inzwischen überholt, allein das gilt wohl auch für manche der von Kaser verteidigten Punkte. – Zur allgemeinen „Kennzeichung“ des römischen Rechts meint Kaser:2495

2488 1931, 349. 2489 1931, 349 ff. 2490 1931, 350 f. 2491 19712, 178 f Fn 4. – Das heißt: nahezu alle wichtigen Rechtshistoriker außer ihm selbst! 2492 1931, 346 ff. 2493 1908, I 18 ff. 2494 1959, I 421 ff. 2495 19712, 178.

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„Trotz der nahen Berührung mit anderen Völkern, wie sie der Zuerwerb großer Gebiete und die stark intensivierte Wirtschaft mit sich brachten, hat sich das römische Privatrecht seine spezifisch römische Originalität weithin bewahrt.“

Zu dieser Feststellung stützt sich Kaser – ohne jede Einschränkung – auf F. Schulz,2496 der allerdings gerade in dem genannten Werk auch ganz anderes sagt. Das Wort ‚bewahrt’ trifft hier zudem nicht exakt zu, gerade weil das römische Recht – wie insbesondere J. Partsch, L. Mitteis, E. Weiss, R. Taubenschlag deutlich gemacht haben – keineswegs gänzlich autonom und autochthon entstanden ist, sondern seit archaischer Zeit unter einer mehr oder weniger starken Einwirkung und Förderung durch griechisches Rechtsdenken stand. Daher kann ich Kaser auch nicht folgen, wenn er meint:2497 „Das Gedankengut des griechisch-hellenischen Kulturkreises hat zwar die geistigen und wirtschaftlichen Grundlagen des Rechts beeinflusst. Das weitverbreitete hellenistische Recht aber, vor allem das Vermögens- und Verkehrsrecht, das dem römischen in älterer Zeit ebenbürtig und teilweise überlegen war, hat auf dieses nur in überraschend engen Grenzen eingewirkt.“

Es folgt auch bei ihm der in dieser Form längst nicht mehr haltbare – Hinweis auf den „bedeutenden Einfluß der griechischen Philosophie auf die römische Jurisprudenz“, wobei er nicht berücksichtigt, dass die griechische Philosophie – ebenso wie die häufig unterschätzte Rhetorik (Antiphon) – auch eine juristischrechtswissenschaftliche Seite besaß, was allein die Namen Platon, Aristoteles, Theophrast und Demetrios von Phaleron belegen.2498 Völlig unbeachtet bleiben auch jene griechischen Leistungen, die nicht so sehr für die Römer als später für das mittelalterliche und neuzeitliche Europa (und schließlich für die Neue Welt) von Bedeutung waren:2499 die aus dem Alten Orient übernommenen Konzepte des Gesetzes und der Kodifikation, wozu Promulgation, ein bereits hochentwickeltes Gesetzgebungsverfahren und eine rechtsstaatliche Normenkontrolle und die Grundlagen für eine unabhängige Gerichtsbarkeit gehörten. Schließlich ist die bis heute für alle Welt bedeutende ‚Idee’ der Verfassung hier zu nennen. Dazu kamen wichtige Erkenntnisse in Theorie und Methode und Fortschritte im materiellen und formellen Bereich wie Instanzenzug, Rechtskraft, mediative

2496 1934/1954, 84 ff. 2497 19712, 178 f. 2498 Dazu in den Kapiteln VI, VII und VIII. – Zu Politik und Philosophie bei Demetrios: Gehrke 1978, 151 ff. 2499 Diese tragenden Grundlagen der (Rechts)Kultur müssten meines Erachtens in einer bewertenden Darstellung des Privatrechts wenigstens erwähnt werden. Dass alle diese bedeutenden griechisch-orientalischen Errungenschaften fehlen, macht Kasers Überbewertung des Privatrechts deutlich und belastet dadurch seine Gesamtbeurteilung. Bedauerlicherweise haben ganze Generationen von Wissenschaftlern, Juristen ebenso wie Historiker, Kasers Position unkritisch übernommen und ihr damit eine überaus einflussreiche und in ihrer Wirkung nahezu allgegenwärtige Stellung verliehen.

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Prozessvermeidung oder Gesetzesauslegung, Lückenfüllung mit Analogie (Richtereid). – Allerdings bringt auch Kaser Beispiele für griechischen Einfluss auf das römische Recht:2500 • Von den Beweisurkunden die Doppelurkunde in der Form testatio und das chirographum. • Der Litteralkontrakt, das constitutum debiti und das receptum argentarii, die wohl aus dem hellenistischen Buchführungs- und Bankwesen stammen.

• Das Recht des Seewurfs, das „ mit Sicherheit [?] demselben Kulturkreis zuzuschreiben“ ist.

2501

• Das Seedarlehen, die arra und vermutlich auch die uneigentliche Verwahrung. • Der Gedanke, dass Leistung einen Anspruch auf Gegenleistung erzeugt2502 und der der ‚Surrogation’ , deren hellenistische Provenienz allerdings unsicher ist.

• Die longi temporis praescriptio und die Protopraxie/QSXUPQSBYeB (bevorrechtete Forde2503

rungen des Fiskus im Konkurs des Fiskalschuldners), auch der Verkauf des ins Asyl geflüchteten Sklaven, die über das Provinzialrecht ins römische Reichsrecht eingeflossen ist.

• Die „Namen [?] hypotheca, hyperocha, antichresis“ , die wohl aus provinzialer Praxis stammen.

2504

• Die Weiterbildung des Begriffs der iniuria durch den der »CSJK [hybris] ist (für Kaser) fraglich.

2505

Kaser betont, dass „wo immer hiernach mit einer Aufnahme fremder Elemente zu rechnen ist, […] die Römer sie in ihrem eigenen Geist umgeprägt“ und „ihnen eine typisch römische Gestalt gegeben und sie ihrer Ordnung so organisch eingefügt [haben], dass sich das Bewusstsein von ihrer fremden Herkunft verflüchtigt hat“. – Dass eine solche ‚Anverwandlung fremden normativen Gedankenguts’ ausschließlich bei den Römern und nicht auch bei anderen Völkern, etwa den Griechen, möglich war und auch stattgefunden hat, kann hiermit wohl nicht gemeint sein.2506 Allerdings vermisst man bei Kaser auch einen Hinweis auf das Zwölftafelgesetz, das manches aus dem griechischen Rechtskreis übernommen hat, auf bedeutende Schöpfungen in Naturrecht, Völkerrecht und Fremdenrecht (als Vorbilder für den Prätor peregrinus) und auf zahlreiche Institutionen im Erbrecht, insbesondere beim Testament.2507 Ähnliches gilt für die

2500 19712, 179. – Hervorhebungen zum Teil von mir. 2501 Zur lex Rhodia anschließend in Anm. 2511. 2502 Zu ‚Synallagma und Obligation’: Kapitel VI 6. 2503 19712, 306 Fn 28. 2504 Man vergleiche damit die fundierte Darstellung bei L. Mitteis in 1891/1984. 2505 Dazu Kapitel II 14. 2506 Vgl. den Hinweis auf Platon in Anm. 2467. 2507 Dazu mehr in Kapitel II 10.

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Egon Weiss

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frühe Unterscheidung der Verschuldensformen mit dem Herausheben der Fahrlässigkeit und der Abgrenzung von Zufall und höherer Gewalt. Ich meine deshalb, dass die Aufzählung der Beispiele bei Kaser zu unspezifisch ist. – Im Übrigen verweise ich im Hinblick auf das beachtliche Rezeptions- und Assimilationsvermögen der Römer auf das instruktive Beispiel von Aulus Gellius2508 und – neben den bereits erwähnten Autoren Partsch, Weiss, Taubenschlag uam. – auch auf Lübtow,2509 der den Begriff ‚Assimilationsvermögen’ geprägt hat.

Egon Weiss Weiss unterscheidet2510 für die Rezeption des ‚Griechischen’ in der entscheidenden Zeit bis zum Ende der römischen Republik zwischen einer ‚formellen’ und einer „materiellen Einwirkung auf das römische Rechtsdenken“: „Von einer formellen Einwirkung, d. h. von einer bewußten Übernahme griechischer Sätze in das römische Recht kann, soweit heute unsere Vorstellung reicht, wohl nur in geringem Umfange gesprochen werden. Ein ganz sicheres Beispiel ist nur die lex Rhodia de iactu, das 2511 Wohl übernimmt die Rhetorik vielfach bei Erörterungen von Recht der großen Haverei. Rechtsgegenständen griechisches Gedankengut, aber diese Erörterungen dürfen nicht mit ju2512 ristischen Auseinandersetzungen verwechselt werden.“

Auch Weiss2513 vermutet für die Zwölf-Tafeln2514 und die Gesetzgebung Justinians einen namhaften griechischen Einfluss, woher auch immer er kommen

2508 ‚Einleitung’: ‚Griechische Rechtsfälle – Fall 2’. 2509 1955, 26. 2510 1934, 250 ff. 2511 Ergänzend zu Weiss und uH auf Kreller (1921) ist festzuhalten, dass es sich dabei nicht wie auch noch von Weiss vermutet um die Rezeption eines rhodischen Gesetzes im republikanischen Rom und/oder durch die kaiserlich-römische Gesetzgebung handelte, sondern wohl nur um einen allgemeinen Seehandelsbrauch, der vermutlich nicht allein aus Griechenland stammte, sondern mediterranes Gewohnheitsrecht war. Vgl. auch Kapitel II 6: ‚Natürlicher und menschlich veranlasster Zufall’ und Kapitel VI 6: ‚Körperliche und unkörperliche Sachen’. – Die Nachwirkungen der lex Rhodia reichen bis in die Gegenwart: die §§ 700 ff HGB regelten die große Haverei, und § 1043 ABGB nutzte den griechischen Grundgedanken zur Formulierung des Aufopferungsanspruchs im Rahmen der ‚Verwendung einer Sache zum Nutzen des anderen’ (Versionsanspruch/versio in rem); Satz 2 des ABGB zeigt den Zusammenhang mit den Seegesetzen. – Zu den römischrechtlichen Ausgleichsansprüchen im Rahmen der lex Rhodia: Mayer-Maly 19992, 146 und L. Mitteis 1891/1984, 159 ff/161 ff: Const. Antoniniana und Gewohnheitsrecht! 2512 Allein die Bemerkungen zu Antiphon in dieser Schlussfolgerung machen sie problematisch und zeigen, dass auch noch Weiss die juristische Bedeutung der Rhetoren und Logographen unterschätzt hat. 2513 Vgl. Pkt. 1 in diesem Kapitel und Kaser 19712, 21 f. 2514 Dazu auch Kapitel II 6.

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mochte; aus der Magna Graecia und Sizilien, den oströmischen Provinzen oder dem griechischen Mutterland. Zudem betont Weiss, dass die griechische Jurisprudenz und Rechtspraxis Entwicklungen vollzogen haben, deren Ergebnisse ohne römischrechtlichen Zwischenwirt in den Fundus des europäischen Rechtsdenkens eingegangen sind, was insbesondere für die Publizität im Liegenschaftsverkehr2515 sowie das Register-, Archiv-, Urkunden- und Notariatswesen2516 gelte. Interessant ist vor allem Weiss’ überzeugende Einschätzung der „materiellen Einwirkungen“:2517 „Viel wichtiger erscheint […] die materielle Beeinflussung des römischen Rechtes in dieser Zeit durch die Griechen, d. h. die Beeinflussung durch die allgemeine griechische Gedankenwelt. Um genauer würdigen zu können, was gemeint ist, muss davon ausgegangen werden, dass es in Griechenland niemals einen juristischen Berufsstand von irgendwie nennenswertem 2518 Unbedenklich können u. Einfluss auf Gesetzgebung u. Rechtswissenschaft gegeben hat. müssen sogar auch solche Schöpfungen des griechischen Geistes in diesem Zusammenhang 2519 Wohl der herangezogen werden, die nicht gerade von juristischer Seite ausgegangen sind. wichtigste Fall solcher juristischer Begriffsbildung ist die Entstehung des gegenüber allen Fremden ohne Unterschied der Herkunft angewendeten ius gentium [als gemeines Völkerverkehrs- und Handelsrecht/LPJOµO EeLBJPOkoinón díkaion]. Wenn hier allem, was Menschenantlitz trägt, auch ohne Rechtshilfevertrag Rechtsschutz gewährt wird, so ist es der griechische Gedanke der PdLPVNzOI_oikoumene], der hier aus der Weltmonarchie Alexanders des Großen 2520 nachwirkt und der wahrscheinlich auf Poseidonios von Apamea (~ 135-51 v. C.) zurück-

2515 Vgl. die Hinweise oben und vor allem in Kapitel VI. So betonte etwa Demetrios von Phaleron den Publizitätsgedanken (im Anschluss an Theophrast). – Nach Althoff/Zeller 2006, 17, hat sich Demetrios „besonders eng“ an seinen Lehrer Theophrast „angelehnt“. 2516 Dazu vor allem Kapitel VI 2. 2517 1934, 252. 2518 Diese erstaunliche Aussage ist nicht zu halten. – Vgl. Kapitel VI 1, VI 2 und passim ferner meinen Beitrag 2004b, 27 ff. 2519 Vgl. dazu insbesondere die Beispiele zu Platon, aber auch zu Aristoteles und Theophrast in Kapitel VI 5. – Zur Bedeutung des nicht-juristischen griechischen Rechtsdenkens insbesondere Kapitel VI. 2520 Poseidonios aus Apameia in Syrien, berühmter Philosoph der mittleren Stoa, Schüler des Panaitios von Rhodos (~ 185-110 v. C.) dessen Einfluss auf die römischen Frühklassiker bedeutend gewesen sein soll. – Poseidonios gilt als der letzte große altgriechische Historiker; er setzte Polybios fort und schilderte den Aufstieg Roms zur Weltmacht zwischen 144-85 v. C. in 52 Büchern. Er war einer der universalen Denker des Altertums. Er war mehrmals in Rom. Er ließ sich in Rhodos nieder, wo ihn Cicero hörte. Dazu Bringmann 2003,155: „Dem berühmten Poseidonios […] machte selbst Pompeius zweimal seine Aufwartung in Rhodos, zuerst 66 v. Chr. Bei der Übernahme seines Kommandos im Osten, dann 62 v. Chr. auf der Rückreise nach Rom. Beide Male nahm er an Disputationen des Philosophen teil und ehrte ihn bei seinem letzten Besuch, indem er dem Liktor die magistratische Eingangszeremonie, mit dem Beil an die Tür zu schlagen, verbot und die Rutenbündel vor dem führenden Philosophen der Zeit senken ließ.

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Das Ausmaß des griechischen Einflusses

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geht. Ich erinnere ferner an die römische Regularjurisprudenz mit ihrem Versuche der Einordnung der Rechtsbegriffe in das Schema von Ober- u. Unterbegriff, wie dies die griechische Philosophie bereits seit Sokrates kannte u. an das ius naturale.“

In Wahrheit ist das ius gentium schon viel älter und meines Erachtens nicht nur aus dem Alexanderreich zu erklären, sondern ganz wesentlich aus der zerstreuten Siedlungsweise (und den weitverzweigten Handelsbeziehungen) der Griechen in Landschaften und aus ihrem ausgeprägten kosmopolitischen Sinn.2521 – Dazu kommt nach manchen Autoren noch die im gemeinsamen Mythos erhaltene Erinnerung an eine gemeinsame Frühgeschichte in der mykenischen und sogar minoisch-kretischen Kultur.2522 Schließlich sollte die große Bedeutung der gemeinsamen olympischen Religion und anderer gesellschaftlicher und kultureller Gleichrichter wie der panhellenischen Sport- und Kulturagone und Feste nicht übersehen werden. Weiss führt noch weitere Beispiele für einen möglichen griechischen Einfluss auf das römische Rechtsdenken an:2523 • Die deductio, quae moribus fit2524 als Vorstufe des Eigentumsprozesses und die Parallellen zur griechischen ’&YBHVH›: „Vielleicht lässt sich wirklich der Beweis führen, dass schon das griechische Recht einen Besitzschutz kannte, wenngleich bisher Belege dafür nur für Gortyn u. Lokroi Epizephyrioi in Unteritalien vorhanden sind.“

• Die römische bonorum possessio soll die Praxis des griechischen Erbrechts, den oder die 2525

Erben amtlich ins Erbe einzuweisen, als Vorbild gehabt haben.

• Die actio iniuriarum und die EeLI »CSFXK2526 und wahrscheinlich die Hypothek, für die „Ähnliches“ gilt.

2527

Das Ausmaß des griechischen Einflusses Die Einflüsse des griechischen Rechts(denkens) auf das römische Recht waren insgesamt größer, als meist angenommen wird. Sie waren sehr unterschiedlicher

‚Die Macht huldigt dem Geist’, so hat Karl Reinhardt die symbolträchtige Szene gewürdigt.“ Vgl. auch Anm. 2698. 2521 Dazu Kapitel X 4: Kosmopolitismus der Hellenen; dort zeigt sich, dass die Griechen ihr ius gentium auch als eine Art Handelsrecht verstanden haben. Zur Ausbildung des ius gentium und Unterschieden zu Rom: L. Mitteis 1891/1984, 74-76. 2522 So Voegelin 2001, IV 77 ff. 2523 1934, 251 f. 2524Vgl. oben Anm. 2478 f. – Überblick zu Gortyn in Kapitel II 18. 2525 Mehr in Kapitel II 10: ‚Amtliche Einweisung ins Erbe’, dort auch Weiss’ Vermutungen darüber, wie sich dieser konkrete Rezeptionsvorgang abgespielt haben mag. 2526 Dazu insbesondere Kapitel II 14. 2527 Dazu Kapitel VI 2.

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Kapitel I: Perspektiven

Natur, was ihre Erkennbarkeit erschwert.2528 Der Einfluss ging zunächst von Rhetorik, Grammatik und Philosophie aus, von letzterer kamen nicht ‚nur’ rechtsphilosophische sondern auch wichtige rechtsdogmatische und rechtstheoretische Elemente. Vor allem im Hellenismus war es auch das praktische griechische Rechts- und Wirtschaftsleben in den großen römischen Ost-Provinzen,2529 das auf das römische Recht nachhaltig einwirkte. Seit Alexander hatte sich das griechische (Privat)Recht dort erhalten und weiterentwickelt; dies gilt vor allem für das Ägypten der Ptolemäer. Nach Taubenschlag beginnt die Einflussnahme der griechischen Provinzialrechte auf das römische Reichsrecht mit der Eroberung Siziliens und währt „die ganze Zeit des Freistaats und des Prinzipats hindurch“. Vermittelt wurde dieser Einfluss vornehmlich durch das prätorische Edikt, das Gewohnheitsrecht und die kaiserliche Gesetzgebung.2530 Spätestens ab dem Beginn der Makedonenherrschaft entwickelte sich (insbesondere ab dem letzten Viertel des 4. Jhs. v. C.) auf dem griechischen Festland – vor allem in Athen – unter Führung der großen Rhetoren- und Philosophenschulen (Schule des Isokrates, Platons Akademie, Lykeion des Aristoteles und Peripatos des Theophrast) Schritt für Schritt eine griechische Rechtswissenschaft mit den Galionsfiguren Aristoteles und Theophrast, zu denen sich 2531 gesellt. Als makeder zwischen Theorie und Praxis vermittelnde Demetrios von Phaleron donischer Statthalter Athens von ~ 317-307 v. C. vereint Demetrios erstmals anschaulich Theorie und Praxis, und er wurde dafür im Altertum bewundert. Es ist kaum anzunehmen, dass Demetrios sein Amt nicht im Einverständnis mit seinem Lehrer Theophrast übernommen hat. Es bedeutete doch auch Vorteile für den Lehrbetrieb des Peripatos und eröffnete ihm die Möglichkeit, für Athen die makedonische Herrschaft erträglicher zu gestalten. Seine juristischen Fähigkeiten kommen schließlich in Ägypten Ptolemaios I zugute.

Das römische Recht wurde, wie der folgende Überblick zeigt, nicht auf allen Gebieten gleichermaßen beeinflusst. Der über Jahrhunderte anhaltende Rezeptionsvorgang verlief zudem mit unterschiedlicher Intensität und beeinhaltete mitunter bloße Anregungen zu eigener legistischer Aktivität und den Anreiz zu ju-

2528 Undifferenziert und pauschal jeden griechischen Einfluss auf die „spätere Entwicklung der juristischen Dogmatik“ ablehnend Wolff, in: LAW III 2530. – Vgl. aber schon oben bei Anm. 2377 zur ‚Art’ der Rezeption und in Kapitel III 1 (Aischylos als Rechtsdenker: Die ‚Eumeniden’) zu bei Aischylos nachweisbaren Rechts- und Verfahrensgrundsätzen wie dem Grundsatz ‚audiatur et altera pars’, dem Rückwirkungsverbot von Gesetzen und Ansätzen der Regel ‚in dubio pro reo’. – In Kapitel VI 5: Beispiele für Einflüsse aus der griechischen Philosophie. 2529 Taubenschlag (1934a) und insbesondere L. Mitteis (1891/1984) und sein Römisches Privatrecht (1908). – Nach L. Mitteis (vgl. die Hinweise in Kapitel VI vor 1: ‚Beamte und Magistrate …!) haben sich die Römer aber auch schon zur Zeit des Zwölftafel-Gesetzes wirtschafts- und bankrechtliches Know-How von den Griechen geholt. 2530 Taubenschlag 1934, 284 f – zB Edikt ‚de inspiciendo ventre’: Dig. 25, 4, 1 §§ 10-15. 2531 Dazu in Kapitel VI 3: ‚Anfänge der griechischen Rechtswissenschaft – Demetrios von Phaleron’.

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Das Ausmaß des griechischen Einflusses

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ristischer, rhetorischer und philosophischer (Aus)Bildung, mitunter aber auch mehr oder weniger wörtliche Übernahmen. Es ist gar nicht möglich, hier alle diese Einflüsse auch nur zu benennen; es liegt mir aber daran, wenigstens einen Eindruck von der Reichhaltigkeit und Komplexität dieses Rezeptionsvorgangs, der nach Taubenschlag auf sehr unterschiedliche Weise zustande kam, zu vermitteln. – Dabei fanden über die ‚griechischen’ Provinzialrechte der östlichen Reichshälfte auch andere Rechtserfahrungen, nämlich orientalische, ägyptische oder assyrisch-babylonische, Eingang in das römische (Reichs)Recht vor allem deshalb, weil auch das griechische Rechtsdenken solche Erfahrungen aufgenommen hatte. 2532

Griechische Einflüsse sind nachweisbar, spürbar oder wenigstens wahrscheinlich:

• Im Zwölf-Tafel-Gesetz,2533 aber etwa auch bei der actio institoria.2534 • Im öffentlichen, insbesondere im Verwaltungsrecht:2535 – Anders als das römische hat sich das griechische Rechtsdenken auch für das öffentliche Recht interessiert und dabei, auch über das Staatsrecht im engeren Sinn hinaus, viel geleistet. Nach dem Erwerb Siziliens und anderer Gebiete übernahmen die Römer das hellenistische Verwaltungsrecht; zB Lex Hieronica in Sizilien, die spanische Bergwerksordnung von Vipasca und das hellenistisch-ägyptische Katasterwesen. Hellenistischen Vorbildern folgten anscheinend auch die 2536 – Das ersten Provinzialpräturen von Sardinien, Korsika und von Sizilien (227 v. C.). öffentliche Register-, Urkunden- und Archivwesen im römischen Imperium stammt aus2537 „Es ist diesbezüglich von Bedeutung, daß wir schließlich aus griechischen Quellen: [sc.: zB den römischen Geburtsregistern] […] zuerst in Ägypten und Afrika, in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. begegnen […]“, also in Gebieten in denen grie2538 chisches Recht dominierte.

• Im Strafrecht – Auf Drakon geht die Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Tötung zurück. Schon Latte hat einen über Magna Graecia vermittelten griechi-

2532 Vgl. auch die oben angeführten Beispiele von J. Partsch (1931). 2533 Taubenschlag 1934a, 284. Zurückhaltend Partsch 1931, 346 f. 2534 Die actio institoria betrifft die Haftung des Geschäftsherrn aus Geschäften von Gewaltunterworfenen und Angestellten; dazu Kaser 19712, I 605 f und 608 f. Bei Kaser fehlt aber jeder Hinweis auf die Umstände, die auf eine Übernahme aus dem griechischen Recht hindeuten. – Taubenschlag erwähnt aaO 285, dass Ulpian „bemerkenswert“ die actio institoria „mit denselben Worten rechtfertigt“ wie Hypereides die Einführung durch Solon gerechtfertigt habe. Vor Taubenschlag haben das schon Beauchet und Hitzig bemerkt; vgl. etwa Hitzig 1897, 169 (und dazu in der ‚Einleitung’: Fall 1). 2535 Schulz 1954, 86 mwH. 2536 Bengtson 1973, 58. 2537 Dazu Kapitel VI 2: Zur juristischen Professionalisierung in Griechenland. 2538 Vgl. auch Kapitel II 3 (nicht schon mit Drakon) und Zurückdrängen der ‚Personalexekution’ (seit Solon): persönliche Freiheit.

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Kapitel I: Perspektiven

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2539

schen Einfluss auf die Zwölf-Tafel-Gesetzgebung angenommen. – Damit im Zusam2540 menhang steht die frühe Eindämmung von Blutrache und Selbsthilfe. – Von großer Bedeutung sind auch die spätestens von Aristoteles für das Strafrecht entwickelten Haftungs- und Zurechnungsformen des dolus/‚EeLINB, der culpa/NƒSUINBund des ca2541 sus/‚UºDINB), die wahrscheinlich durch Q. Mucius übernommen wurden.

• Im Sklaven- und Freilassungsrecht etwa der Freikauf.2542 • Im Sachenrecht unter anderem die Besitzinterdikte, die actio ad exhibendum, Catos Verpfändungsformular, das pignus Gordianum, der Pfandverkauf (an den Gläubiger) und die 2543 verschiedenen Formen der Antichresis.

• Im Familienrecht:2544 unter anderem die schriftliche Beurkundung der Ehe (tabulae nup2545

tiales), die Duldung des Konkubinats, dem das griechische Pälikat zugrunde liegt, der wechselseitige Unterhaltsanspruch zwischen Eltern und Kindern aus dem hellenistischen 2546 die RechtsProvinzialrecht (mit Ansätzen schon in der Solonischen Gesetzgebung); vermutungen über die Abstammung von Kindern bei Auflösung der Ehe (Senatus2547 consultum Plancianum), die offenbar aus Gortyn-Tafel IV 5 kommen.

2539 Dazu Kapitel II 2. – Mehr zu diesen Fragen in Kapitel II 4-6; zum griechischen Strafrecht: Kapitel VII 8. 2540 Dazu etwa Kapitel II 2. 2541 Dazu mwH Kübler 1934, 88 f und unten in Kapitel II 5. – Zum Zufall insbesondere Kapitel II 4 und 5. 2542 Taubenschlag 1930, 140 ff und 1934a, 285 f und 1923, I. Zum Freilassungsrecht auch bei Hitzig (1897). – Zur vermögensrechtlichen Stellung von Sklaven im altgriechischen Recht: Hitzig 1897, 168 f. Dort auch zur Rede des Hypereides gegen Athenogenes (dazu in der ‚Einleitung’: Fall 1) und aaO 169 f zum Freikauf (Fall des suis nummis redemptus) und zur Rede des [Pseudo]Demosthenes gegen Neaira (XXIX 1354 ff): Neaira, eine Sklavin, kauft sich dadurch frei, dass sie zunächst mit ihren Herren den Kaufpreis aushandelt, der mit 20 Minen festgesetzt wird. Diesen Betrag übergibt sie einem Dritten, der das Geld (als Käufer) den Herren der Sklavin aushändigt, um Neaira freizukaufen und sie sodann freizulassen. Mehr bei Hitzig, der die diese Frage regelnde römische constitutio divorum fratrum (Ulpian Dig. 40, 1, 4 und 5, 1, 67 und Marcian Dig. 40, 1, 5) als wahrscheinlich von griechischen Vorbildern beeinflusst ansieht. Zu Neaira: Hamel (2004). – Hitzig behandelt (1897, 170) auch den Freiheitsprozess. – Informativ, kritisch und ohne die üblichen Vorurteile zur griechischen und römischen Sklaverei, zur Freilassung und ihren Folgen Strasburger (1976); s. S. 19. Vgl. auch Lauffer (1961) und I. Weiler (2003 und 2004a) sowie bei und in Anm. 2291 und in Kapitel VII 1: ‚Rechtsidee – Patriarchat und Rechtsvorstellungen’. 2543 Taubenschlag 1934a, 287 f (wie E. Weiss). – Zur Emphyteusis bei Anm. 394. – Vgl. insbesondere auch Hitzig 1906/1968, 129 ff mwH und unten in Kapitel II 19, 22, 23 und VI 2: zB Miteigentum. 2544 Taubenschlag 1934a, 286 f. 2545 Zum griechischen Urkunden-, Register- und Archivwesen: Kapitel VI 2 . 2546 Dazu Kapitel II 10: ‚Anständige Behandlung der Eltern als Bürgerpflicht…’ (Solon). 2547 Zum Stadtrecht von Gortyn: Kapitel II 18.

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Das Ausmaß des griechischen Einflusses

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• Im Erbrecht2548 die bonorum possessio; die adoptio testamentaria; das testamentum militis; möglicherweise die Unzulässigkeit der institutio ex re certa; der Universalfideikomiss („si sine liberis decesserit“); der schlüssige Erbschaftserwerbswille „durch Begraben des Erblassers“; die querela inofficiosi testamenti, „von vielen als bloße Nachahmung der 2549 griechischen EeLI NBOeBK hingestellt“. – „Der Gedanke, die Anfechtung des inoffiziosen Testaments mit dem ’color insaniae’ zu rechtfertigen, stammt sicher aus der griechischen 2550 (Hervorhebung von mir) – Theo Mayer-Maly verdanke ich den Hinweis, Rhetorik“. dass die römischen Kaiser griechisch testierten.

• Im Schuldrecht nennt Taubenschlag2551 das dem attischen Recht nachgebildete Edikt der 2552

kurulischen Ädilen über den Sklavenkauf, (uH auf Weiss); die Konsensualkontrakte 2553 die, wie von Partsch nachgewiesen, in direkter Anlehnung an griechische Haftungsgrundsätze entstanden seien; die römischen Pächtergesellschaften, die ähnlich wie die hellenistischen organisiert sind; die Versteigerungsklausel bei Cato (de agricultura 144, 2554 die nach L. Mitteis „merkwürdigerweise an eine ähnliche Klausel bei der ptol. 13), Steuerpacht“ erinnere; die relocatio bei den staatlichen Werkverträgen, der „ein hellenis2555 das receptum nautarum, tisches Formular zugrunde“ liege; die lex Rhodia de iactu; 2556 das receptum argentarii, das foenus nauticum und „nach Ansicht mancher Forscher“ 2557 die „aller Wahrscheinlichkeit nach“ aus dem hellenistischen das depositum irregulare, Verkehrsrecht ins römische Recht rezipiert worden sind; auch das Eintrittsrecht des Bür-

2548 Dazu auch Kapitel II 10 und Kapitel VII 1: ‚Rechtsidee und Rechtsbegriff’. 2549 Taubenschlag 1934a, 290. 2550 Schulz 1934/1954, 88 mwH. – Dazu Maschke 1926/19682, 196 ff. 2551 1934a, 288 ff. 2552 1925, 139 ff. 2553 Vgl. oben bei Anm. 2484. – Zur Auseinandersetzung um die Konsensualverträge: ‚Einleitung’ Anm. 87. 2554 Dazu Mayer-Maly 1991, 89; allerdings ohne Hinweis auf griechisch-hellenistische Vorbilder. Mayer-Maly geht aber auf die Entwicklung des aus dem Griechischen übernommenen Begriffs hypotheca ein und behandelt aaO 89 f Entstehung und Anerkennung besitzloser Pfandrechte. Er verweist auf Kränzlein 1963, 82 ff und Wagner (1968). 2555 Dazu bei/in Anm. 2511. 2556 Zu den recepta, insbesondere zur Rezeption des receptum arbitri und der Schiedsgerichtsbarkeit, Kapitel VII 1: ‚Verfahrensrecht und Rechtsidee – Einfluss griechischer Rechtspraxis und theorie … ’; Ziegler 1971, 12 uH auf Partsch. 2557 Vgl. Kübler 1907/1908, 207: „So kommen wir […] zu dem Schlusse, daß Papinian die Hingabe von Geld zur Verwahrung in der Weise, daß der Empfänger das Geld zu beliebigen Zwecken verwenden darf, dafür aber die Gefahr übernimmt und jederzeit zur Rückgabe imstande sein muß, nach Vereinbarung sogar die empfangene Summe zu verzinsen hat, als Depositum gelten ließ, eine Auffassung, die Ulpian und Paulus nicht teilten und bekämpften. Aber vergeblich! Papinians Ansicht wurde von Justinian angenommen. Wir glauben ferner, daß auf die Meinung des Papinian die griechische Praxis und griechische Rechtsanschauungen von größtem Einfluß waren. […].“ (Vgl. Kaser 19712, I 536 und Kaser/Knütel 200819, 3 Rz. 8 und die Ausführungen in Kapitel VI 2: ‚Schenkung auf den Todesfall im Stadtrecht von Gortyn’.)

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Kapitel I: Perspektiven

534 2558

gen in das Forderungsrecht des Gläubigers; – „Entlehnungen aus dem griechischen Recht“ finden sich ferner in den römischen Quittungsformeln und im „römischen Urkun2559 usw. – Für das ‚Privatstrafrecht’ betont Taubenschlag eine denwesen im allgemeinen“ „frappante Analogie zwischen der röm. actio iniuriarum und der attischen EeLI ‚JLeBK“ und damit der Hybrisklage. „Allem Anschein nach ist die Iniuria der zwölf Tafeln im we2560 – sentlichen nichts anderes und nicht mehr als die ‚JLeB des griechischen Rechts.“ 2561 Nach Pringsheim gehen die actiones in bonum et aequum conceptae auf die actio iniuriarum zurück, und diese ist wiederum der griechischen Hybrisklage nachgebildet. Zu diesen Klagen gehören nach Pringsheim die actio de effusis et deiectis, die actio funeraria, die actio de feris, die actio de sepulchro violato und die actio rei uxoriae.

• Im Allgemeinen Teil das vertragliche Willenselement; die Fiktion.2562 • Im Prozessrecht erfolgte im 2. Jh. v. C. die „Einrichtung des Zentumviralgerichtshofes höchstwahrscheinlich nach griechischem Muster“.

2563

• Die Schriftlichkeit hatte schon für die griechische Rechtsetzung der Frühzeit größte Be2564

– Hier will ich lediglich betonen, dass die Schriftform in der dritten Einflussdeutung. 2565 phase des griechischen auf das römische Rechtsdenken eine solche auch für das römische (Privat)Recht erlangte. „Vom Osten aus ist namentlich die Schrift als allgemeinste 2566 sie vermag die Manzipation rechtsgeschäftliche Form in den Verkehr eingedrungen: 2567 und Tradition wie die Stipulation zu ersetzen und macht den Kaufvertrag ohne Rücksicht auf die sonst nötige Zahlung bindend.“ (Hervorhebungen zum Teil von mir) E. Levy

2558 Zur Novation: Taubenschlag 1931, 84 ff. 2559 Mehr in Kapitel VI 2. 2560 So schon Hitzig (1899). – Vgl. auch J. Partsch (oben bei Anm. 2484) und Kapitel II 13 und in Kapitel VII 8. 2561 1932, 85 ff. 2562 Vgl. den Hinweis auf Partsch bei Anm. 2490. – Taubenschlag 1934a, 288 f betont uH auf Rabel das gegenüber dem römischen Recht hohe Niveau des griechischen Stellvertretungsrechts; dazu Kapitel VI 2: ‚Direkte Stellvertretung’. – Bei den Griechen spielte die Fiktion der korrekten Erfüllung beim Werkvertrag eine wichtige Rollle; dazu Kapitel VI 2: ‚Werkverträge – Abnahme beim Werkvertrag/Mängelrüge’ (Simonetos, Maschke). 2563 Taubenschlag 1934a, 291 f und und (1923); vgl. auch Hitzig (1909), der auch auf weitere griechische Einflüsse hinweist: etwa für die lex frumentaria eine Inschrift aus Samos (aaO 49). – Zum Formularprozess: Partsch oben vor Anm. 2485. 2564 Vgl. dazu K.-J. Hölkeskamp: (1994, 2000) und 1999, 278 f. 2565 Siehe Pkt. 1: ‚Einflussphasen…’. 2566 Levy verweist auf L. Mitteis 1891/1984, insbesondere 486 ff und 514 ff. 2567 Zur verpflichtenden Kraft der Schrift in der hellenistischen Praxis zitiert Levy: Mitteis 1891/1984, 472 ff, 483 ff und 492 ff, Kübler, Collinet, Riccobono und de Francisci. Nachweise bei Levy (1929/1963). – Zur ‚sponsio’ und ‚stipulatio’ und möglichen griechischen Vorbildern (spondai) Pkt. 9 nach Anm. 2346 ff.

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Das Ausmaß des griechischen Einflusses

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2568

spricht von „entschiedener Übermacht der nicht mehr abzuwehrenden Schriftpraxis 2569 des Ostens.“

• Aus dem griechischen Osten stammen nach E. Levy „gewiß auch der Haftungsmaßstab der diligentia und die Verdrängung der custodia durch die culpa.“ „Desgleichen die Vorstellung der hereditas als einer universitas, einer organischen Einheit. Hellenistisch ist wohl ferner die jederzeitige Widerruflichkeit der nun dem Legat ganz angeglichenen do2570 natio mortis causa.“

Darüber hinaus lässt sich bis heute ein unmittelbarer – nicht erst durch das römische Recht vermittelter – Einfluss des antiken griechischen Rechtsdenkens auf unsere Rechtsentwicklung in folgenden Fällen feststellen: • Das gesamte öffentliche Recht, also das Staats- und Verwaltungsrecht ebenso wie das Strafrecht und das Strafprozessrecht, ist im griechischen Rechtsdenken seit Alters her mit größter Aufmerksamkeit bedacht worden, wobei in manchem bis heute gültige Ergebnisse erzielt wurden, die den römischen im Bereich des Privatrechts kaum nachstehen. Das 2571 dass sie diese Gebiete gängige Pauschallob für die römischen Juristen verschweigt, wenig und erst spät beachtet haben. – Weshalb die griechischen Leistungen so wenig ‚zählen’, bleibt unergründlich.

• Die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht2572 war den Griechen ver2573

2574

traut. Maschke und Bonner/Smith weisen darauf hin, dass Demosthenes zwei Arten von Gesetzen unterschied: „[…] those which regulate our dealings with one 2575 2576 and those which regulate our dealings with the state”. Die Unterscheidung another

2568 1929/1963, 180. 2569 Zur ‚Verschriftung und Verschriftlichung’ insbesondere in Kreta: Gehrke (1997) und (2000). 2570 Levy 1929/1963, 181. 2571 Vgl. Kaser 19712, 4 f. – Zum Strafrecht: Kapitel VII 8. 2572 Dazu auch in diesem Kapitel Pkt. 1. 2573 1926/19682, 161. 2574 1930, I 79 Fn 1. – Näheres bei Maridakis 1987, insbesondere 353 ff, der diese Unterscheidung auf Demosthenes zurückführt. 2575 Vgl. damit die Umschreibung in § 1 ABGB („unter sich“), die auf Martini zurückgeht, der sie wohl einer Vorstufe der Preußischen Kodifikation entnommen hat; dazu mein Beitrag 1999, 30 iVm. 33 f. Die ursprüngliche Fassung stammt offenbar von Demosthenes, von dem sie Platon übernommen haben könnte; Maridakis 1987, 355: „Beziehungen von Privatperson zu Privatperson“. Nicht ausgeschlossen ist, dass Demosthenes, der Platons ‚Vorlesungen’ in der Akademie gehört hat, die Formulierung in seinen Reden verwendet hat. Platons späte Publikation seiner ‚Nomoi’ klärt demnach die Frage der Urheberschaft nicht endgültig, denn zur Zeit Platons und auch noch des Aristoteles (auch wenn zu dessen Lebzeiten bereits ein Wandel im Gange gewesen sein mag) galt ein Werk dann als publiziert, wenn es vorgetragen worden war; dazu Düring, Aristoteles, in: RE Suppl. XI (1968) 159 ff. 2576 Zum Zeitgenossen Aristoteles (383-322 v. C.), der diese Unterscheidung auch verwendet: Kapitel VI 6 (Öffentliches und Privates Recht); zu Demosthenes auch in Kapitel VI 8.

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Kapitel I: Perspektiven

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war offenbar damals bereits geläufig. – Jones zitiert in diesem Kontext Platon und Demosthenes: „Plato thought that cases in which the state’s interests (Uµ EIN²TJPO) were in issue should be assigned to different courts from those concerned with cases between individuals though, characteristically, he is more concerned to protect the city from the citi2578 zens than the citizens from the city.”

Der Ausgangspunkt liegt nach Maridakis bei Demosthenes, dessen Unterscheidung, wie die Meinung Platons zeigt, dem modernen Verständnis näher liegt als die wesentlich jüngere, jedoch deutlich weniger weit reichende bei Ulpian.2579 Nach Maridakis2580 dürfte Ulpian mit guten Gründen seine berühmte Definition (Dig. 1, 1, 1, 2, Ulp. 1 inst.), die sich auch in den Institutionen findet (Inst. Iust. 1 § 4), dem Werk des Demosthenes entnommen und an das römische Rechtsdenken angepasst haben. Dabei ging der für die Moderne bedeutende ‚Rechtswegaspekt’ wieder verloren, lediglich die Interessenzuordnung blieb erhalten; daher spricht man heute von ‚römischer Interessentheorie’. Indes hat Ulpian nur den Gedanken der unterschiedlichen Interessen der Griechen übernommen, nicht dagegen den für uns noch heute bedeutenderen der unterschiedlichen Rechtswege. Letzterer ging vielmehr verloren, weil die Römer diese griechischen Vorstellungen nur teilweise übernommen haben, was daran gelegen haben mag, dass ihr (autoritäres) politisches System für derart subtile Differenzierungen in den Kompetenzen keinen Raum hatte. Ulpian hat sich offenbar auch in anderen Fällen von griechischem Gedankengut inspirieren lassen und hat rechtliche oder andere Vorbilder teilweise oder auch gänzlich in sein rechtswissenschaftliches Denken übernommen: beim Nomos moicheias,2581 bei der actio institoria,2582 bei der Entstehung des Grundsatzes ‚in dubio pro reo’2583 oder beim Widerruf von Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen in Dig. 24, 1, 32, 3 und 34, 4, 4 („ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae exitum“ – Wandelbar ist der Wille Sterbender bis zum äußersten Ende des Lebens): Hier machte Ulpian offenbar aus Versen aus der ‚Alkestis’

2577 So auch Jones 1956, 116 ff. 2578 Jones zitiert aaO 116 Platon, Nomoi VI 767b und Demosthenes XXIV 99: „speaks of courts ‚private and public’“. – Platon nimmt damit das moderne Kriterium der Unterscheidung nach dem ‚Rechtsweg’ vorweg; vgl. dazu mein Zivilrecht 20042, 36 ff. 2579 Maridakis 1987, 356: bei Demosthenes findet sich „im Keim [auch schon] die Vorstellung vom ius cogens, das Platon [in der Folge] in seinen Gesetzen [XI 930b] klar formuliert“ habe; diese Feststellung halte ich allerdings für problematisch. – Meines Erachtens enthalten die Ausführungen des Demosthenes bereits einen ersten Ansatz der ‚Amtshaftung’ des Staates für seine Organträger, vgl. den bei Maridakis aaO angeführten Text. – Vgl. schon den Hinweis Maschkes (1926/19682, 161) auf die Verbindung von Demosthenes, Aristoteles und Ulpian. 2580 Wohl im Anschluss an Maschke. 2581 Kapitel II 11. 2582 Vgl. Anm. 2526. 2583 Vgl. Kapitel III 1.

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Das Ausmaß des griechischen Einflusses

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des Euripides einen römischen Rechtsgrundsatz, der bis heute als von ihm stammend zitiert wird.2584 – Ulpian war es auch, der die griechische Linie im Bereich des ‚Zufalls’ weiterführt2585 und der die berühmte Definition des Rechts („ius est ars boni et aequi“; Dig. 1, 1, 2 pr.) des Celsus zitiert, der sie offenbar griechischen Vorbildern (LBMµOLBhEeLBJPO nachgebildet hat. Die griechische Unterscheidung in öffentliches und privates Recht, die deutlich weiter reicht als die römische2586 und von Platon am weitesten bereits im Hinblick auf Behördenzuständigkeit gedacht worden war, überrascht insoferne nicht, als sich im antiken Griechenland die Klagslegitimation (des griechischen Aktionensystems!)2587 daran orientierte. Eine beeindruckende Darstellung dieser Unterscheidung mit einer Einteilung der Klagen findet sich bei Lipsius,2588 der zwischen öffentlichen Klagen und Privatklagen unterscheidet, wobei Privatklagen nicht nur von Privatpersonen angestrengt werden konnten, sondern auch von öffentlichen Amtsträgern wie dem Archon, dem Polémarchos, den Thesmothéten, den Vierzigmännern usw. ‚Öffentliche Interessen’ konnten auch durch einzelne Bürger wahrgenommen (Popularklagen) werden, zumal den Griechen ein öffentlicher Ankläger fremd war. – Platon hat sich vielleicht nur an dieser schon bestehenden Einteilung orientiert. So hat das griechische (Rechts)Denken weithin autonom (!) nicht nur die Grundlagen für unsere Demokratien geschaffen, die Staatsformen und ihre Entstehung reflektiert2589 und parallel dazu eine bereits modern anmutende Rechtssubjektivität (die subjektiven Rechte eingeschlossen)2590 mit einem Kernschutzbereich für die Freiheit der Person, der erst viel später wieder aufgegriffen und in seiner Tragweite erkannt worden ist, verschiedene Formen von – zunächst nur privatrechtlicher, schließlich aber auch politischer – Gleichheit (Isonomie) und die menschliche Persönlichkeit (Hybrisklage!) entwickelt und vorweggenommen,2591 sondern es war auch von allergrößter Bedeutung für das Entstehen eines

2584 Verse 669 ff und dazu Kapitel VI vor Pkt. 1. – Vgl. Kapitel II 23: ‚Griechenland – Rom und Moderne’ und meinen Beitrag in: Barta/Kalchschmid 2004 und 2005 (Motti). 2585 Zum ‚Zufall’, (Speerwurfbeispiele) in Kapitel II 4 und 5. 2586 Dazu auch ab Anm. 2572 und in Kapitel VI 6 und 8. 2587 Ob das griechische das römische Aktionensystem beeinflusst hat, ist umstritten; dazu auch in Kapitel II 9: ‚Deutung des griechischen Vertrags’. – Ein Transfer ist nicht unwahrscheinlich. Zum griechischen Klagen system auch in Kapitel VII 8: ‚Th. Mommsens Umfrage – Zusammenfassung’. 2588 1915, III 990 ff (Inhaltsverzeichnis) iVm 1912, II 237 ff. 2589 Grundlegend Platon, Politeia. Vgl. auch Ehrenberg 1961/65, 105 ff. 2590 Georg Jellinek und andere Rechtsdenker des 19. und 20. Jhs. erweisen sich danach als Epigonen griechischen Staats- und Rechtsdenkens; dazu Kapitel II 9 und 12. – Die Solonische ‚Rechtssubjektivität’ umfasste nicht nur die natürliche Person, sondern auch schon die juristische; vgl. Kapitel II 10: ‚Vereinsautonomie’. 2591 Dazu insbesondere Kapitel II 14; vgl. aber schon Partsch bei/in Anm. 2504. – Das hat auch Pringsheim 1932, 87 gesehen, der für das römische Recht uH auf Partsch von einer „Rezeption

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Kapitel I: Perspektiven

modernen Verständnisses der Gerechtigkeit als Rechtsidee2592 und des Rechtsstaates als ‚Eunomia’,2593 die zur ‚rule of law’, also Rechtsstaatlichkeit wird und für Rechtssicherheit bürgt. • Vor der ‚politischen Gleichheit’, die in Griechenland, allerdings nur für die männlichen Bürger, erst unter Kleisthenes erreicht wurde, verwirklichte schon Solon eine ‚privatrechtliche Gleichheit’ (vor dem Gesetz), die – ausgehend von der durch ihn geschaffenen, unwiderruflichen Freiheit – Vertragsfreiheit im Sinne von weitgehender Privatautonomie gewährte und auch schon die Freiheit zur Gründung von Gesellschaften und Vereinigun2594 gen beinhaltete. – Das Streben nach politisch und rechtlich abgesicherter Freiheit und Gleichheit ist ein Spezifikum der griechischen Entwicklung; es ist früheren Hochkulturen 2595 in dieser Form fremd.

• Topoi des antiken Griechenland wurden immer wieder auch ideologisch missbraucht.2596 Es ist aber unrichtig, von einer „griechischen Rechtsmetaphysik (u. a. Solons Eunomia)“ zu sprechen. Solons ‚Eunomia-Konzept’ war nämlich kein (bloß) metaphysisches, sondern ein auch mit Augenmaß verwirklichtes und in jeder Hinsicht realitätsnahes Unterfangen, mit dem das gesamte Volk rechtlich durch Teilhabe möglichst vieler am Staatsgeschehen (Volksversammlung, Rat/Boulé, Volksgericht) befriedet werden sollte. Solons zu Recht angesehenes Gesetzgebungswerk war die Grundlage für die Entwicklung zur Demokratie, die schon mit Kleisthenes durch verhältnismäßig geringe Ergänzungen und 2597 Korrekturen erreicht werden konnte.

• Der Areopag hatte von alters her die Aufgabe, „die Gesetze zu überwachen“ und „sah darauf, daß die Amtsträger ihr Amt gemäß den Gesetzen ausübten. Hatte jemand Unrecht erlitten, stand es ihm frei, beim Rat der Areopagiten Anzeige zu erstatten, sofern er dabei 2598 angab, unter Verletzung welchen Gesetzes ihm Unrecht zugefügt worden sei“. – Darin 2599 liegen frühe Ansätze von Legalitätsprinzip und Normenkontrolle.

des griechischen Persönlichkeitsschutzes in die prätorische actio iniuriarum“ spricht. – Meines Erachtens liegt im fundamentalen griechischen Schutz von Freiheit, Gleichheit und menschlicher Persönlichkeit auch die Keimzelle der späteren Menschenrechte. 2592 Vgl. Ehrenberg (1921/1966), Hirzel (1900) und (1907/1966). – Zu ‚Rechtsidee’ und ‚Rechtsbegriff’: Kapitel VII 1. – Vgl. auch Kapitel II 17. 2593 Vgl. das dem Buch als Motto vorangestellte Aischylosfragment. – Dazu auch Kapitel II 17. 2594 Dazu Kapitel II 10: ‚Vereinsautonomie’. 2595 In Österreich verlief die Entwicklung auf die gleiche Weise: das Privatrecht schreitet voran und schafft Weg und Raum für politische und öffentlichrechtliche Neuerungen im Rahmen der Reformen Kaiser Joseph II.; dazu mein Beitrag in: Barta/Palme/Ingenhaeff (1999). 2596 Vgl. Goller/Oberkofler 2004, 74 zu René Marcic. 2597 Zur Eunomia vgl. auch bei und in Anm. 438. – Zur möglichen ägyptischen Herkunft: Kapitel II 17 (Lehre von der Ma’at). 2598 Aristoteles, Athenaíon Politeía 3, 6 und 4, 4. 2599 Zur ‚Normenkontrolle’ im antiken Griechenland Wolff (1970). – Zur sogenannten Entmachtung des Areopag unter Ephialtes und zum Zusammenhang mit den ‚Eumeniden’ des Aischylos: Kapitel III.

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Tempel, Agora und Alphabet

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Tempel, Agora und Alphabet K.-J. Hölkeskamp geht in seinem Aufsatz auf die von allem Anfang an bestehende Bedeutung der Schriftlichkeit für die griechische Rechtssetzung ein. Für ihn sind weitere Bedingungen für die Entstehung von Gesetzen in der archaischen Polis die Agora – als Ort der Versammlung, als öffentlicher Raum und Ort der Beschlussfassung; schließlich wurde die Versammlung selbst so bezeichnet – und der Tempel; hier als Ort der formellen und materiellen Publikation. Diese Bedingungen waren jedenfalls am Ende der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts (Dreros/Kreta)2600 vorhanden. Seit dieser Zeit tritt die Polis als „handelnde[s] Subjekt“ auf.2601 Sie ist als Bürgerverband (damos/demos = Volk) wohl auch schon als (handelndes) Rechtssubjekt zu betrachten, besaß öffentliches Vermögen (tà damósia/U†EBN²TJB) und hatte über dessen Verwendung zu entscheiden.2602 – Später gibt Hölkeskamp einen Einblick in die Entstehung, Verwendung und Begriffsgeschichte der mehrschichtigen Termini thesmós und nómos, die immer wieder für Fehldeutungen und Irritationen gesorgt haben.2603 – Satzungen (thesmoi) setzten demnach „die konsolidierte politisch-institutionelle Identität der Polis, mithin ihre spezifische ‚Staatlichkeit’ bereits voraus [...]“.2604 Dazu möchte ich noch erwähnen, dass der älteste griechische Text in Alphabetschrift, der auf dem griechischen Festland gefunden wurde, die Inschrift auf der berühmten Dipylon-Kanne aus Athen ist, deren Alter zwischen 800 und 750 v. C. angesetzt wird:2605 „In Griechenland wurden aber Gegenstände aus Keramik schon Jahrhunderte vorher beschriftet. Eine in mykenischer Zeit gut dokumentierte Kategorie von Texten sind die auf Vasen gemalten Inschriften in Linear B. Einige von diesen sind kunstvoll ausgeführt. Hier liegen die 2606 Anfänge der kalligraphischen Tradition in Europa.“

2600 Text bei Brodersen et. al., 1992, I 2 und 3. – Zu Dreros auch Welwei 2002, 66 f. 2601 Hölkeskamp 1994, 143. 2602 Hölkeskamp 1994, 144 und unten Kapitel II 10: Vereinsautonomie – Existenz ‚juristischer Personen’. 2603 Vgl. dazu auch Kapitel IX 3: Kelsens Midas-Zitat und der Hinweis auf Ehrenberg. 2604 Hölkeskamp 1994, 153. 2605 Haarmann 2002, 59 f. – Nach Lorenz 1996, 43 gehört die Übernahme des phönikischen Alphabets in die zweite Hälfte des 8. Jhs. v. C. Die Zeit um 750 v. C. bringe den bedeutenden Wandel aus einer „Welt der Oralität“ in eine „Kultur der Literalität“. – Zur Entwicklung der griechischen Schrift und der Sprache vgl. auch: A. Heuß 1946/1969, 41 f. Heuß meint aaO 42: „Die Griechen sind während der archaischen und klassischen Zeit nie ein ‚schreibendes’ Volk gewesen und haben den Schriftgebrauch über die Grenzen verhältnismäßig eng begrenzter Gebiete nicht hinausdringen lassen.“ Dem ist zu entgegnen, dass der Gebrauch der Schrift für das griechische Recht früh und kontinuierlich eine wichtige Rolle gespielt hat. 2606 Ein Beispiel für eine kalligraphische Inschrift in Linear B auf einer Vase aus dem Theben des 13. Jh. v. C. bei Haarmann 2002, 73.

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Kapitel I: Perspektiven

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Zum Verständnis des römischen Rechts sind auch weitere charakteristische Züge, wie sie F. Schulz eindrucksvoll formuliert, von Bedeutung:2607 • „In das Privatrecht greift die lex [nur] ein, wenn es sich um die Beseitigung sozialer Missstände handelt […], oder wenn die Normen […] nur durch staatliche Satzung geschaffen werden können […] oder aber, wenn die privatrechtlichen Normen in Verbindung mit organisationsrechtlichen auftreten […]. Die großen zentralen Gebiete des Privatrechts dagegen, wie das Vertragsrecht, das Eigentums-, Servituten- und Pfandrecht, das Ehe- und Kinderrecht sowie das Erbrecht, sind von der Gesetzgebung so gut wie ganz unberührt geblieben, selbst dort, wo, wie bei der Festsetzung des Beginns der vollen Geschäftsfähigkeit, die Sache dringend eine gesetzliche Regelung forderte.“

• Auch die Vorstufen des ‚modernen’ Gesetzes2608 mit der noch das Vernunftrecht des 18. 2609

und überhaupt das Gesetzgebungs- oder Jhs. auszeichnenden Achtung vor dem Gesetz 2610 Nomothesieverfahren und der Kodifikationsgedanke – der allerdings wie das Gesetz orientalisch beeinflusst zu sein scheint – wurden jedenfalls im antiken Griechenland für die Moderne vorbereitet. Das römische Rechtsdenken lehnte die „Kodifikation grundsätzlich ab und wahrt gegenüber der Einzelgesetzgebung eine strenge Zurückhaltung. Das 2611 – Es ist ‚Volk des Rechts’ ist nicht das Volk des Gesetzes“ (Hervorhebung von mir). 2612 die Aussage, es wäre die Ehre eines jeden Volkes, demnach kein Zufall, dass Hegel Gesetze zu haben und „ein Gesetzbuch zu machen“ und es „wäre einer der größten Schimpfe, der einer Nation oder jenem [Juristen]Stande angetan werden könnte“, ihnen diese „Fähigkeit abzusprechen“, eher im Anschluss an griechisches und nicht an römisches Denken macht, auch wenn Gesetze seines Erachtens niemals die ganze Fülle des 2613 Rechts erschöpfen können.

• Die Ablehnung des Kodifikationsgedankens hat Savigny2614 von den Römern übernommen.

2615

2616

– Zu Savignys griechenfeindlicher Haltung bemerkt Troje:

2607 1934/1954, 6 f. 2608 Dazu insbesondere K.-J. Hölkeskamp 1994, 135 ff. Vgl. auch Kapitel II 3: ‚Drakon – Überlieferung seiner Gesetzgebung’ und nunmehr Gehrke (1997) sowie derselbe (2000). 2609 Vgl. meinen Beitrag in: Barta/Palme/Ingenhaeff 1999, insbesondere 30 ff. – Bleicken 1984, 399 betont, dass sich die Griechen der Bedeutung des Gesetzes für die Demokratie durchaus bewusst gewesen seien und zitiert Demosthenes (Rede gegen Timokrates): „Die Ursache für alles Gute in der Stadt, dafür dass sie demokratisch und frei ist, liegt in den Gesetzen“. 2610 Zur Nomothesie Bleicken 1984, 392 ff: Nach Bleicken haben schon im 5. Jh. v. C. sogenannte Syngrapheis/TVOHSBGFkK genannte Einzelpersonen oder Kommissionen „wiederholt Gesetze entworfen [haben]. Sie entschieden aber nicht selbständig, sondern leiteten ihre Entwürfe über den Rat dem Volk zur Beschlussfassung zu“; unter Hinweis auf Kahrstedt (1938) 1 ff. Dies zeigt, wie spezifisch, vielfältig und gewichtig juristische Arbeit in Athen bereits betrieben wurde. Dazu insbesondere Kapitel VI. 2611 Schulz 1934/1954, 4. 2612 Rechtsphilosophie § 211; dies ist die berühmte gegen Savigny (1814) gerichtete Feststellung. 2613 Vgl. dazu das oben vorangestellte Motto von F. Schulz 1934/1954, 5. 2614 1814, 9 ff.

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Tempel, Agora und Alphabet

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„Das deutsche 19. Jahrhundert ist eine Phase besonders konsequenter Unterdrückung griechischer Staats- und Rechtsvorstellungen. Im 19. Jahrhundert wird römische Geschichte, soweit Mommsen sie geschrieben hat, mit Aussparung also der Kaiserzeit, endlich zum Muster für alle Geschichte. In Savigny, von dem, wie mir scheinen will, auch die antigriechischen Impulse ausgehen, ist Orientierung am Römischen zu jener Kraft und Größe gesteigert, die jeden, auch den berechtigten Kritiker als Zwerg erscheinen lassen will. Die Vorbilder des römischen Patriziers, Großgrundbesitzers, Senators, Prätors sind bis zum äußersten verinnerlicht. Ideologische Kontaminationen, die dem Romanismus nun einmal anhaften, sind auf höchste Sittlichkeit stilisiert. Die von Savigny erneuerte Jurisprudenz ist auf extreme Weise lateinisch.“ Von einem solchen Standpunkt aus bekämpft Savigny Thibaut, der für eine deutsche Kodifikation – ein griechischer Gedanke! – eintritt, ebenso wie die großen klassischen Kodifikationen an der Wende vom 18. zum 19. Jh.: Das preussische ALR von 1794, den französischen Code Civil von 1804 und das österreichische ABGB von 1811.

Ähnlich äußert sich Egon Weiss:2617 „Neuere Forschung hat dann gezeigt, dass der Einfluss des griechischen Rechts doch noch viel weiter geht. Griechischen Ursprunges ist namentlich der ganze beim Kodifikationshergang eingeschlagene Weg. Die Kodifikation [sc. der Zwölf-Tafeln] erfolgte durch Decemviri legibus scribundis, die in ihrer Hand auch die ganze Staatsgewalt für die Zeit ihrer Gesetzgebungstätigkeit vereinigten. Dies ist der gleiche Hergang, wie wir ihm vielfach in griechischen 2618 oder ein einzelner Gesetzgeber Städten begegnen, indem ein Kollegium von Aisymnetai wie z.B. gerade Solon eingesetzt wird, der während der Entstehung des Gesetzes auch die leitende Stellung im Staate in Händen hat, offenbar um ihn von der Beeinflussung durch die Magistratur bei der Gesetzgebung freizuhalten. Wir müssen indess noch weiter gehen. Welchen der beiden Berichte, ob den des Livius oder den des Dionysios von Halikarnass wir nachschlagen, stets geht daraus hervor, dass die zwölf Tafeln als ein Produkt des Ständekampfes zwischen Patriziern u. Plebeiern anzusehen sind. Es sind also nicht etwa theoretische Bedürfnisse, sondern politische Bestrebungen gewesen, die zur Kodifikation geführt haben. Wenn man sich auf dieser Stufe der Zivilisation aus politischen Gründen zur schriftlichen Niederlegung des Rechtes entschloss, so geschah dies, weil die überwiegende Merheit des Volkes zur Rechtsprechung, die in den Händen der führenden, in Rom patrizischen Minderheit lag, kein Vertrauen hatte; die Kodifikation ist also die Aeusserung u. zugleich das Ergebnis einer Justizkrise.“ – „Vergleicht man nun die Vorgänge, die z.B. zur Solonischen Kodifikation geführt haben, u. über die wir aus Solons Elegien unterrichtet sind, so sieht man, dass auch in Griechenland die Kodifikation als ein Mittel zur Behebung der Justizkrise, welche im Begriffe stand, sich zu einer Staatskrise auszuwachsen, ergangen ist. Von dieser griechischen

2615 Schulz 1934/1954, 8 f. 2616 1971/2005, 19 f. 2617 1934, 249 f. 2618 Dazu Kapitel II 1: ‚Solons staatsrechtliche Reformen – Der Aisymnet Solon’.

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Kapitel I: Perspektiven

Justizkrise, wie sie der Entstehung der griechischen Gesetzgebung voranging, hören wir z. B. bewegliche Worte bei Hesiod.“ (Hervorhebungen von mir) – Diese Überlegung gilt offenbar 2619 auch schon für die Gesetzgebung Drakons.

• Auch die Idee von der Verfassung und der ’Normenkontrolle’,2620 von den Fundamenten der Entwicklung von Rechtsstaat und Verfassungsgerichtsbarkeit ist keine Entdeckung Roms oder der Neuzeit. Ähnliches gilt für eine unabhängige (und vor allem auch demo2621 2622 mit Verfahrensgrundsätzen (zB zur Beweiswürdigung), kratische) Gerichtsbarkeit für die wissenschaftliche Begriffs- und Systembildung und das Interesse an Methode, Sys2623 bis hin zur tem und Auslegung (mit so wichtigen Konzepten wie der Epieikeia) 2624 Rechtsphilosophie.

• Dass die Begriffs- und Systembildung im Recht nicht gerade ein Ruhmesblatt der römischen Rechtswissenschaft ist, sondern dass die Römer sie den Griechen verdanken, ist 2625 Allein die Systematik in einer Rechtsordnung kann mittlerweile weithin anerkannt.

2619 Dazu Kapitel II 3: ‚Der äußere Anlass für Drakons Tätigwerden …’. – Zu den Anfängen der römischen Republik, die in tiefem Dunkel liegen, zur sogenannten Servianischen Verfassung, zum Ständekampf und den Zwölf-Tafeln auch Lenel 1915, 319-327. 2620 H. J. Wolff (1970). – Zum Insturment der grafé para nómon/HSBGž QBS† O²NPO für Verfassungsschutz und Normenkontrolle MacDowell 1978, 50 ff; vgl. auch Kahrstedt 1938, II 246 ff und Bleicken (1984). Der Abwehr künftiger oder bereits geschehener Verletzungen der Staatsordnung diente neben der Paranomie-, auch die Eisangelieklage als „klassischer Hochverratsprozeß“ in Athen; dazu Lipsius 1905, I 176 ff. Der Kampf gegen die Tyrannis ist altes griechisches Rechtsgut. Vor Solon soll schon Drakon ein Tyrannengesetz geschaffen haben: Bleicken, aaO 388 ff, wonach diese Instrumente des Verfassungsschutzes als Popularklagen gestaltet waren. – Zur Paranomieklage/QBSBO²NPO HSBG›, der Klage wegen missbräuchlicher Gesetzgebung auch Thür, in: DNP IX (2000) 321. 2621 Zum griechischen Gerichtswesen Burckhardt/v. Ungern-Sternberg (2000) mit Beiträgen von Welwei, Thür, Schubert, Dreher (der auf den Ostrakismos, das Scherbengericht eingeht; dazu auch P. J. Rhodes, in: DNP IX (2000) 103 f) uam.; s. dazu Pkt. 1 Anm. 370. – Zu den Besonderheiten des griechischen Rechtsdenkens und der Gerichtsbarkeit Pringsheim 1950, 2 ff und dazu Kapitel I 5. – Dass kontinentaleuropäische Juristen die demokratische Gerichtsbarkeit Athens eher geringschätzen, ist bedauerlich, auch wenn diese Gerichtsbarkeit manche Schwächen gehabt hat. Die Beurteilung durch anglo-amerikanischer Fachvertreter ist meist ausgewogener und einfühlsamer. 2622 Dazu Kapitel VII 1. 2623 Daraus entwickelte sich die römische ‚aequitas’, unsere ‚Billigkeit’ (und die angloamerikanische ‚equity’), der Grundsatz von ‚Treu und Glauben’ (als Prinzip der Vertragsredlichkeit) und die ‚Guten Sitten’, als außergesetzliche (aber normativ gebilligte!) Korrektive für im Einzelnen nicht geregelte Fragen; dazu Kapitel II 13. 2624 Dazu Jaeger (1947/1960) und Paideia I 140 ff (1933/19735) und II 244 ff (1944/19734) und III 1 ff (1947/19734: Platos ‚Staat’) und 289 ff (‚Nomoi’). Ein eindrucksvolles Beispiel bildet die auch die für die Aufklärungs(rechts)philosophie so wichtige Vorstellung von der Ablösung des Naturzustands unter den Menschen durch einen Staats(gründungs)- oder Gesellschaftsvertrag, die schon im griechischen Denken wurzelt; vgl. Ehrenberg 1965, 369 f. Dazu Kapitel VIII 4: ‚Das Rechtsdenken der Sophisten’. 2625 Schulz (1934/1954). – Vgl. auch Pólay 1968, 150 ff, Manthe (2003) oder auch Coing 1962,

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Die Polis und ihre Bürger

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aber nicht entscheidend dafür sein, ob diese auch subjektive Rechte und als ihre Träger Rechtssubjekte hervorgebracht hat. Die Rechtsgeschichte ist diesen (Irr)Weg aber bislang 2626 häufig gegangen. .

• Es ist aber nicht nur die Begriffs- und Systembildung die das römische Rechtsdenken den Griechen verdankt, es ist das gesamte wissenschaftliche Arbeiten und Denken, das übernommen wurde. Im Werk des Aristoteles waren die allgemeinen Grundlagen der Wissenschaft aufbereitet, und auf dieser Basis war die Entwicklung neuer Einzeldisziplinen, ua. 2627 Man denke nur an die Platonischen der Rechtswissenschaft, überhaupt erst möglich.. Dialoge, die Aristotelische Syllogistik und die für Aristoteles charakteristische Verbindung von Empirie (Bedeutung der Einzelerscheinung – rechtlich zB: Fallrecht), Dedukti2628 Der Umstand, dass die Ergebnisse der griechischen Philosoon und Theoriebildung. phie und Wissenschaft conditio sine qua non der Entwicklung des römischen Rechtsdenkens sind, wird (immer noch) häufig unterbewertet. Ohne sie hätte es aber gar kein römisches Recht gegeben. Der immer noch vom römischen Recht dominierten (Privat)Rechtswissenschaft ist es bisher nicht geglückt, sich einzugestehen, dass ihre Geburt aus dem Geiste der griechischen Philosophie einerseits für sie ehrenhaft ist, andererseits aber im Vergleich mit der Entwicklung der allgemeinen Wissenschaftsgrundlagen und der 2629 Philosophie nicht von überragender Bedeutung ist.

Die Polis und ihre Bürger Direkt griechisch sind auch die oft verkannten und missbrauchten Ideen des Volksrechts, der Volksgerichtsbarkeit und der umfassenden Teilhabe des Volkes am öffentlichen und politischen und am Rechtsleben eines Gemeinwesens,2630 was verständlicherweise zu starkem Interesse und intensiver Befassung des Rechts und Rechtsdenkens mit Fragen des öffentlichen Rechts führte. – Die griechische Polis lebte in ihren Bürgern, denn die Bürger machten die Polis aus. Deshalb war der Polis der Einzelne (als Bürger) wichtig, und die Bürger waren eng mit ihrer Polis verbunden.

17: „Der Gedanke des Systems ist also nicht eigentlich römischem Denken entsprungen. Er hat seinen Ursprung vielmehr in Griechenland, genauer gesagt, in der griechischen Philosophie“, die aber auch, so wäre fortzufahren, wichtige Leistungen im Bereich des Rechtsdenkens erbracht hat. 2626 So etwa Coing aaO. – Anders zum Ursprung des Institutionensystems im römischen Recht Kreller (1948). 2627 Dazu insbesondere Kapitel VI, VII und VIII. 2628 Dazu Zemb 1961, 54 und insbesondere Düring, in: RE Suppl. XI (1968) 159 ff, 318 ff (Aristoteles). 2629 Dazu Kapitel VI. 2630 Dazu Kapitel II (Solon).

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Kapitel I: Perspektiven

• Den politischen Bürgerpflichten entsprachen schon früh Bürgerrechte, geteilt in persönliche oder Privatrechte und politisch-öffentliche Teilhaberechte. Solon hat diesen wichtigen Zusammenhang klar erkannt und in Gesetzgebung und Politik die zur Durchführung erforderlichen Schritte gesetzt.

• Von höchster Bedeutung war die Entwicklung der Grundformen des europäischen Staa2631

und tes, die in Griechenland geradezu experimentell wie in einem Reagenzglas ablief deren Ergebnisse bis in die Gegenwart bestimmend blieben. – Was das alte Griechenland im Staatsrecht und in der Justizorganisation geschaffen hat, waren – nicht mehr, aber auch nicht weniger – die ‚Baukasten-Elemente’ des modernen Staates: Gesetz, Verfassung, Normenkontrolle, Gesetzgebungsverfahren, unabhängige Gerichtsbarkeit und alle die übrigen schon erwähnten Errungenschaften zusammen mit methodischem Vorgehen in Rechtsanwendung, Auslegung und Lückenfüllung. Die Errungenschaften des griechischen 2632 – Rechtsdenkens auf dem Gebiet des Privatrechts werde ich noch näher darstellen. Was die Griechen lange nicht zu erreichen vermochten, waren größere staatliche Einheiten, die diese vielfach bereits hochentwickelten staatsrechtlichen und normativen Werk2633 zeuge hätten aufnehmen und zur Entfaltung bringen können.

• Nicht vergessen darf man, dass auch die eng mit der Polis verwobene (Volks)Kultur in höchster Ausprägung – wie etwa durch Tragödie und Komödie, die großen Agone und 2634 und die Vorliebe für öffentliche Bauten griechischen Ursprungs sind. Feste

• Auf den in Griechenland vorbildhaft abgelaufenen und auch rechtlich außerordentlich bedeutenden ‚Prozess’ der Individualisierung und des Entstehens der Rechtssubjektivität 2635 – Aber schon hier will ich erwähnen, dass diese Entwicklung gehe ich noch näher ein. erst möglich wurde, als die verwandtschaftlichen, noch vorstaatlichen Rahmenbedingungen verringert wurden. Das scheint in Griechenland relativ früh und parallel zur Polisbildung erfolgt zu sein. Erst als der Einzelne sich partiell, rechtlich und politisch aus dem Familien- und Verwandtschaftsverband, kurz aus den Herkunftsgruppen, zu lösen vermochte, war er in der Lage, selbständig im politischen Prozess der Polis mitzuwirken. Die Polis brauchte den rechtlich und politisch unabhängigen Bürger und förderte daher seine

2631 Darauf kann ich hier nicht eingehen. Vgl. aber Ehrenberg 1965, 105 ff und (1965² ); ferner insbesondere Fritz Gschnitzer (1969) mit vielen interessanten Beiträgen. 2632 Kapitel VI und VII. 2633 Zu den Änderungen nach der makedonischen Machtübernahme nach Chaironeia (338 v. C.): Kapitel VI 4 (Zeittafel). 2634 Den Unterschied zwischen griechischen Festen und römischen Spielen bringt schon der Titel des Buchs von J.-M. André (2002) zum Ausdruck. 2635 Vgl. insbesondere Kapitel II 1: ‚Van Dülmens Irrtum’. – Nicht zu übersehen ist, dass der rechtliche Individualisierungsprozess eng mit der Entwicklung des Gewissens (dazu Kapitel II 17: Ma’at) und der Verschuldenshaftung zusammenhängt. Verschulden musste individuell festgestellt und zugerechnet werden; dazu Kapitel II 17: ‚Eunomia’ und ‚Parallelen zwischen Ma’at und Eunomia’. – Dies floss schließlich in die griechische ‚Rechtsidee’ und deren ‚Rechtsbegriff’ ein; dazu in Kapitel VII 1.

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Die Polis und ihre Bürger

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Entwicklung. – Für Strasburger war es eine Eigenart griechischen Denkens, Polis und Einzelne als „gleichwertige Größen“ erscheinen zu lassen: „Immer wieder finden wir z. B. bei Thukydides Terminologie und Normen für das Verhalten der Völker untereinander aus der Individualsphäre abgeleitet.“

• Die Möglichkeit zur Entfaltung von selbständiger politischer, militärischer, wirtschaftlicher und rechtlicher, aber auch sportlicher und künstlerischer, allgemein von kultureller Tätigkeit nimmt zu. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Solon als eine der ersten oder über2637 Das künstlerische haupt als erste Persönlichkeit im alten Griechenland ‚greifbar’ wird. Schaffen der Griechen war bis in die letzten Jahrzehnte des 6. Jhs. v. C. (weitgehend) 2638 anonym.

• Die Entwicklung der Kunst und das Entstehen des Individuums als autonomes Einzelwesen stehen in einem inneren Zusammenhang; denn: „Das volle Ergreifen des menschlichen Körpers in der Kunst geht zusammen mit seinem Ergreifen durch die Individualität, durch das Ich.“ In der griechischen Kunst geschieht am Ende der archaischen Epoche (zwischen 510 und 480 v. C.) eine tiefgreifende Veränderung, die ein „neues Menschenbild“ hervorbringt, in welchem die individuelle Physiognomie zu einem wichtigen Aus2639 drucksmittel wird, das von dem bisher üblichen Einheitstypus abweicht. – Auch die 2640 stammen aus dieser Zeit, wenngleich sie vielleicht Anfänge der Tragödie (Thespis) um ein bis zwei Jahrzehnte früher zu datieren sind als für den Bereich der bildenden Kunst. Die Trägödiendichtung erreichte schon wenige Jahrzehnte später in den Werken des Aischylos und Sophokles ihre ersten Höhepunkte und erfuhr mit Euripides ihre Vollendung. Der frühe Anfang der Literatur liegt aber in der Lyrik (Sappho, Alkaios und wohl auch schon Hesiod und Homer). – Dieser Entwicklungsprozess setzt in Athen mit der Solonischen Gesetzgebung ein und zieht wie ein ins Wasser geworfener Stein seine Kreise. (Die Freiheit des Einzelnen war ab Solon gesetzlich als unverlierbares Gut garantiert, die Teilhabe aller Bürger am Staatsgeschehen hatte nunmehr ein bemerkenswertes Ausmaß erreicht, Verträge konnten geschlossen und Handelsgesellschaften gegründet werden, Familienvermögen konnte nunmehr auch letztwillig erhalten und privatautonom

2636 Zum Verhältnis ‚Einzelner’ und ‚Gemeinschaft’ in der Antike: Strasburger (1949/1969) und Schaefer (1956/1969). – Zur Entwicklung von Individualisierung und politischem Bewusstsein: Spahn 1993, 343 ff. 2637 Seine Lebensdaten sind allerdings noch keineswegs gesichert. 2638 Vgl. die Inschriften in Brodersen et al. 1992, I Nr. 3 und 4, mit ebendort I Nr. 37: Die erstgenannten Denkmäler stammen aus der Zeit zwischen 625-600 v. C. und weisen noch keinen Künstlernamen auf; anders I Nr. 37: Diese „Weihung Gelons [des Tyrannen von Syrakus (491478/77) aus dem Jahre 480 v. C.] für seinen Sieg [gegen die Karthager] bei Himera [Stadt im Norden Siziliens], nennt den Schöpfer der Statue: „Den Dreifuß und die Nike-Statue hat verfertigt Bion Sohn des Diodoros, ein Milesier“. 2639 Voutiras 2001, 24 und 35. 2640 Zur Entstehung der griechischen Tragödie auch Murray 1957, 32 ff mwH S. 34 Fn 1 auf die unterschiedlichen Positionen von Jane Harrison (Themis 314 ff) und Ridgeway (1910).

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Kapitel I: Perspektiven

weitergegeben werden, wenn keine nahen Angehörigen vorhanden waren; die selbständige Stellung der Hauskinder wurde im Vergleich zu Rom erheblich gestärkt, und man sagt, dass dies vornehmlich darauf zurückzuführen sei, dass die Griechen nicht überwiegend Bauern geblieben, sondern früh ein Handwerks-, Gewerbe- und Handelsvolk geworden waren uam.) In ganz Attika und weit darüber hinaus, denn das Vorbild Athens wirkte auch in anderen Poleis, begegnen wir mit dem Fortschreiten des 6. Jhs. v. C. Einzelpersönlichkeiten, eben Individuen, was nicht bedeutet, dass damit familiäre und verwandtschaftliche Bindungen beseitigt worden wären, denn die griechische Einbettung des Einzelnen in die Polis, wirkte wie ein gesellschaftliches Auffangbecken, sodass der Einzelne sich auch außerhalb seines Oikos keinesfalls ungeborgen und alleingelassen fühlen musste, selbst wenn keine Bindung mehr existierte. – Der rechtliche und politische Hintergrund eines Gemeinwesens ist demnach für die Entwicklung des Einzelnen zum Individuum von ebenso großer Bedeutung wie umgekehrt die Autonomie des Einzelnen für die Entwicklung von Gemeinwesen. Es ist daher ein Fehler, wenn auch groß angelegte Untersuchungen den gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmen mitunter kaum oder gar nicht berück2641 Die Bereiche in denen sich der Einzelne als herausragendes Einzel-Wesen sichtigen. zu etablieren vermochte, waren somit der Sport, die Politik (Magistrate, Heer und Institutionen mit Beamtenschaft), Kunst und Kultur und das Rechts- und Wirtschaftsleben (Handwerk, Gewerbe, Bauerntum, Handel, gleichsam von der Urproduktion bis hin zum Export). Dazu traten im Laufe des 6. und dann vor allem im 5. und 4. Jh. v. C. die Wissenschaft und die Philosophie, die in ihren Anfängen kaum von sophistischer Betätigung 2642 Die Entwicklung der Persönlichkeit wurde schließlich ein zu unterscheiden waren. Ziel der Paideia und damit auch von Dichtung, Philosophie, Rhetorik und Politik, aber auch der Medizin. Die Verbindung von Bürger und Polis war bis zuletzt eng, wie uns noch Aristoteles zeigt: „Denn der Mensch ist für die Gemeinschaft der Polis und von Na2643 tur für das Zusammenleben bestimmt.“

Dazu hat sich vor allem schon L. Mitteis im Jahre 1891 geäußert. Auch wenn manche seiner Ergebnisse mittlerweile umstritten oder überholt sein mögen, ist sein Buch insgesamt als imposante Leistung anzusehen, und es ist noch heute eine Fundgrube für jeden an der Bedeutung des griechischen Rechtsdenkens für das römische und für das spätere Rechtsdenken Interessierten. – Mitteis vertritt etwa die Ansicht, dass sich in der hellenistischen Welt das griechische Recht in einem hohen Maße auch gegenüber dem römischen Recht behaupten konnte, während E. Levy2644 annimmt, dass sich – im Westen – mehr oder weniger aus-

2641 Ebendies ist aber im Projekt des R. van Dülmen (2001) geschehen; dazu später mehr. 2642 Vgl. auch Fuhrmann 20035, 30. 2643 Nikomachische Ethik IX 9, 1169b. 2644 (1951) und (1956).

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Griechische Sprache und Kultur

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schließlich Vulgarrecht als Mischrecht bildete, was vermutlich zutrifft. – Für die Zeit nach 212 n. C. folgt E. Weiss2645 der Ansicht Mitteis’: „[…] wenn die constitutio Antoniniana [212 n. C.] der griechischen Bevölkerung das römische Bürgerrecht verlieh, so beseitigte sie damit die einzelnen griechischen Rechte. In Wirklichkeit aber zeigt sich auch hier das Gesetz von der Erhaltung der Kraft wirksam. Die geistige Energie, die sich im griechischen Recht darstellt, war nicht durch einen Federstrich des Gesetzgebers aus der Welt zu schaffen. Gerade diese Zeit nach der constitutio Antoniniana ist die Zeit des Kampfes zwischen Reichsrecht u. Volksrecht. Dieses Volksrecht war, wie seit dem bekannten Werk von Mitteis, Reichsrecht u. Volksrecht 1891, mit Recht angenommen wird, überwiegend oder gar ausschliesslich griechischer Herkunft. Dass dieser Einfluss bestanden hat, wissen wir ebenso sicher, als es uns leider gänzlich unbekannt ist, wie die seit Diokletian die Rechtsbildung in sich vereinigende Reichskanzlei zur Kenntnis des Vulgarrechtes gelangt ist; wir können kaum annehmen, dass die mehr oder weniger zufällige Bekanntschaft mit einem griechischen Rechtssatz, wie sie sich aus den Eingaben der Parteien an die Reichskanzlei ergab, genügt haben kann, um z.B. die Rechtssätze über die bona materna 2646 zu schaffen.“

Griechische Sprache und Kultur Die griechische Sprache zählt zu jenen Sprachen, bei denen – mehr als bei anderen – das Verständnis des Textes aus dem konkreten Kontext erst im Detail erschlossen werden muss, vor allem weil der sprachliche Ausdruck knapp gehalten wird. Darin liegt gleichsam der Keim der Text-Auslegung und des hermeneutischen Interesses, dessen Ansätze schon von der Sprachstruktur gefördert werden. Das Erkennen der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Sprache, des Sprechens und Argumentierens, von Dialog und Rhetorik sowie der Auslegung und die Suche nach Erkenntnis, Wahrheit und Gerechtigkeit durch Sprache ist in Europa ebenso griechischen Ursprungs, wie die wissenschaftliche Prüfung des vermeintlichen Wissens oder das Einfordern von Beweisen und Begründungen. – Das kritische Hinterfragen von Bestehendem, bisher Angenommenem war schon mit der ionischen Naturphilosophie und dann mit Sokrates und den Sophisten zum Bestandteil der griechischen Philosophie, Bildung und Rechtskultur geworden und führte früh zum Entstehen der Rechtsphilosophie. 2647 – Für die Griechen war ihre Sprache mehr als nur ein Vehikel, um etwas auszudrücken: Sie genossen ihren Wohlklang und waren wortschöpferisch

2645 1934, 253. 2646 Vgl. dazu auch Taubenschlag 1923. – Zur gesonderten Verwaltung des mütterlichen Vermögens in Kreta: Gehrke 1937, 35. 2647 Dazu Jaeger (1947/1960).

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Kapitel I: Perspektiven

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und lautmalerisch tätig, sie wussten auch, dass Einsicht und Erkenntnis sprachund ausdrucksgebunden sind. Sie wussten früh um die Macht der Sprache und die damit verbundene Gefahr, andere zu überreden, ja zu überrumpeln. Sokrates, Platon oder Theophrast, dem Aristoteles den Namen gegeben haben soll, der göttlicher Redner bedeutet, haben dagegen angekämpft, haben sich aber selbst mit Freude ihrer Sprache bedient. Das nüchterne Vorbild einer klaren und schnörkellosen Wissenschaftssprache im Altertum stammt von Aristoteles. Schließlich hätte sich wohl die klassische Dichtung nicht ohne die Verliebtheit in die Sprache des griechischen Volkes entwickeln können. • Jacob Burckhardt zitiert in seiner ‚Griechischen Culturgeschichte’2648 die Einschätzung 2649

der griechischen Sprache durch Ernst Curtius, der meinte, diese sei „die erste geschichtliche Tat der Hellenen, und diese erste Tat [sei] eine künstlerische“ gewesen. Darauf hinzuweisen ist nicht überflüssig, weil „das Griechische“ bedingende Voraussetzung von Dichtung, Philosophie, Geschichtsschreibung, von allen Formen der Rhetorik, Grammatik und mittelbar auch von Staatskunst, Politik, Rechtsdenken und Demokratie der Hellenen war. Die Schönheit und Leichtigkeit, die Ausdrucksvielfalt und der Formenreichtum des Griechischen boten ideale Voraussetzungen für subtile sprachlich vermittelte, kulturelle Aktivitäten bis hin zu Recht und Politik.

• Die griechische Dichtung forderte seit Homer zu umfassender Interpretation des vielschichtig angelegten Sprachgewebes heraus und förderte dadurch differenziertes Denken und Verstehen, was vielfältige kulturelle Frucht trug. Voegelin hat das am Beispiel der 2650 Homerischen Dichtung auf beeindruckende Weise dargestellt.

Es ist somit kein Zufall, dass alle literarischen Genres2651 – bis hin zu den Rechtstexten griechisch vorgeprägt sind und dass die für die juristische Argumentation und für alle rechtlichen Verfahren so unerlässliche ‚Dialektik’ und ‚Dialogkultur’ griechischen Ursprungs ist.2652 All dies kam offenbar früh auch dem Rechtsdenken zugute, und ein wichtiges Ergebnis ist das schriftliche Niederlegen von Gesellschaftsnormen im Gesetz als ‚Thesmos’ (seit der Mitte des 7. Jahrhundert. v. C) und schließlich als ‚Nomos’. Aber auch das frühe Interesse an Gesetzgebung, Methode und Hermeneutik verdankt dem griechischen Sprachempfinden, seinem Formulierungsgeschick und der Dialogs-, Rede- und

2648 1929, III 12 ff. 2649 1929 I, 16 ff (21). 2650 IV/1, 93 ff: ‚Homer und Mykene’ und hier insbesondere Voegelins Interpretation des Zorns/Cholos des Achilleus auf der einen und der zerstörerischen Kraft des Eros, die durch Aphrodite auf der anderen trojanischen Seite bei Paris bewirkt wird. 2651 Zu orientalischen Einflüssen auf die Griechen im Bereich der Literatur: Patzek (1996), Burkert (2003) und zuletzt Schrott (2008), alle mwH. 2652 Zur Hochschätzung der Rede schon bei den Ägyptern: Kapitel II 17: ‚Weitere Parallelen?’ und mein Beitrag 2006c, 425.

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Griechische Sprache und Kultur

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Argumentationskunst seine Entstehung. Die ‚Tetralogien’ Antiphons2653 geben davon ein beredtes Beispiel. – Von besonderer Bedeutung für die wissenschaftliche Rechtsentwicklung – und zwar nicht nur in Griechenland, sondern auch in Rom – war die griechische ‚Dialektik’.2654 Der Begriff der Dialektik unterlag einem beachtlichen Wandel angefangen bei der forensischen Rhetorik über die Sophisten und Frühsokratiker, über Sokrates, Platon, Aristoteles und die Stoiker bis in den Späthellenismus und später in seiner römischen Ausformung. Kurz gesagt: Dialektik ist die Kunst des Diskussionsgesprächs und des richtigen Fragens und Antwortens mit dem Ziel einer gemeinsamen Klärung des Sachverhalts, die die Lösung eines Problems ermöglichen, aber auch den Sieg über den Gesprächspartner bringen soll. Dialektik ist philosophische Diskussionskunst, Kunst der Unterredung und Beweisführung, Wissenschaft der Logik, Verfahren zur Erkenntnis, intellektuelles Werkzeug im Existenzkampf. – Schon hieraus wird klar, welche Bedeutung die Dialektik auch für das Rechtsdenken und vor allem für die (Weiter)Entwicklung des Prozessdenkens gehabt haben muss. Fritz Schulz, der große Kenner der römischen Rechtswissenschaft, stellt dazu fest:2655 2656

„Die Übertragung der Dialektik auf die römische Jurisprudenz war für diese wie für die 2657 Entwicklung der Rechtswissenschaft überhaupt von der allergrößten Bedeutung. Erst damit trat die römische Rechtswissenschaft ein in den Kreis der hellenistischen Fachwissenschaften, erst damit wurde sie zu einer Wissenschaft im engeren und strengen Sinne, zu einer Wissenschaft im Sinne des Platon und Aristoteles […]. Denn Wissenschaft im strengen Sinne kann nur die systematische Forschung und Erkenntnis genannt werden, System und systematische Forschung ist aber allein mit der dialektischen Methode erreichbar. Erst durch die Dialektik gewann die römische Jurisprudenz das Logische in vollem Umfang, Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit, Fülle und Feinheit. Denn sie reduziert nicht nur die Einzelerscheinung auf 2658 das genus, sondern hat auch heuristische Bedeutung und lässt juristische Probleme sehen, auch wenn kein ‚praktischer Fall’ sie dem Juristen vor Augen führt. Freilich ist die Dialektik 2659 sagte, leicht zu zeigen, aber schwer zu gebrauchen eine Methode, die, wie schon Platon ist. Betrachtet man die dialektische Jurisprudenz der Republikaner mit kritischem Blick, so sieht man wohl ihre Unvollkommenheiten und Mängel. […] Die Übertragung der dialekti-

2653 Die Lektüre von Schirren/Zinsmaier (2003) lohnt. 2654 Dazu Hülser, in: DNP III (1997) 512 ff und 516. 2655 1961, 81 f. 2656 Zum Begriff ‚Dialektik’ Gigon, in: LAW I 724 sowie Schischkoff 1991 22, 139. 2657„Die Geschichte der römischen Jurisprudenz hat sie [sc. die Dialektik] nicht genügend beachtet, die Geschichte der Philosophie vollständig ignoriert.“ – Zu den Begriffen Jurisprudenz und Rechtswissenschaft insbesondere Kapitel VI 5. 2658 Schulz zitiert Cicero, De legibus 1, 5, 15, zu den Dialogbedingungen in Platons ‚Nomoi’. 2659 Philebos 16 C.

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Kapitel I: Perspektiven

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schen Methode auf die Rechtswissenschaft und damit der Aufbau einer systematischen Rechtswissenschaft bleibt gleichwohl ein geisteswissenschaftliches Ereignis allerersten Ranges. Denn wenn irgendwo das enthusiastische Wort Platons über die Dialektik zutrifft, so war es hier: für die römische Jurisprudenz war die Dialektik wirklich das Feuer des Prometheus.“ (Hervorhebungen von mir)

Man sollte dabei nicht übersehen, dass die ‚Dialektik’ zum methodischen Instrumentarium von Aristoteles und Theophrast gehörte und auch eingesetzt wurde. – Die Ergebnisse ihrer juristischen Recherchen, Forschungstätigkeiten und Publikationen nicht als rechtswissenschaftliche anerkennen zu wollen, bedeutet, dass – im Vergleich zum römischen Recnt – mit zweierlei Maß gemessen wird. Platon ist der erste der griechischen Rechtsdenker, der die dialektische Methode nutzt; nach der makedonischen Machtergreifung (338 v. C.) wird sie vor allem durch Aristoteles, Theophrast und Demetrios von Phaleron2660 Schritt für Schritt unter Einbindung der großen Philosophenschulen Athens zu einer griechischen Rechtswissenschaft weiterentwickelt.2661 – Im Rechtsdenken des (spät)republikanischen Rom vollzieht sich 250 bis 300 Jahre später in gleicher Weise die Entwicklung dieser Wissenschaft zu einer neuen Disziplin, die ihre Wurzeln nicht nur im Gerichtsgebrauch, sondern auch in der Philosophie hat. Sie gelangt dank der günstigen Umstände, des hohen Talents und des ernsthaften Bemühens der Juristen vor allem im Bereich des Privatrechts zu höchster Blüte.

Rahmenbedingungen der Rezeption Der griechische Einfluss erfolgte, wie E. Pólay anschaulich darstellte, vornehmlich im 2. Jahrhundert v. C.2662 unter Bedingungen, die für das römische Staatsgebilde charakteristischwaren und das auch blieben: Eine geradzu hemmungslose Expansions- und Eroberungspolitik hatte nicht nur Karthago niedergeworfen, sondern auch mit imperialer Geste die Reste Griechenlands unterjocht. – Rom war dem Vorbild Alexander des Großen (356-323) gefolgt. • Sklavenmassen in zuvor nie dagewesenem Ausmaß überschwemmten um die Mitte des 2. Jhs. v. C. das „siegreiche“ Rom. Durch die Sklavenarbeit und die enormen Gebietsgewinne wurde die Wirtschaft angekurbelt und erforderte dringend neue rechtliche Regelungen, die über das alte ius civile hinausreichen mussten, das diesen Anforderungen nicht mehr

2660 Zu diesen Vertretern der frühen philosophischen Rechtswissenschaft in Griechenland Kapitel VI. 2661 Dazu in Kapitel VI 2 und 3. 2662 Schulz 1961, 44 ff; Pólay 1968. – 215 v. C. kommt es zum 1. Makedonischen Krieg, 148 v. C. wird Makedonien, 146 v. C. ganz Griechenland römische Provinz.

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Rahmenbedingungen der Rezeption

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gewachsen war. – Die griechische Kultur in ihrer Anpassungsfähigkeit und Vielfältigkeit 2663 bot (Ab)Hilfe und Chancen für Neuerungen in Gesellschaft und Recht.

• Pólay bemerkt dazu:2664 – „Seit der Beendigung des ersten punischen Krieges (241 v. u. Z.) nimmt in Rom wachsend die warenproduzierende Sklavenwirtschaft überhand. Die siegreichen Kriege des 2. Jahrhunderts v. u. Z., der zweite und dann der dritte mazedonische Krieg, der syrische Krieg, die Vernichtung Karthagos [146 v. C.], die Besetzung des griechischen Bodens sicherten Rom ungeheuere Massen von Sklaven.“ Allein nach der Schlacht bei Pydna (168 v. C.) sollen an die 150.000 der mit Makedonien verbündeten Epiroten in die Sklaverei verkauft worden sein. 1000 der vornehmsten Griechen, unter ihnen der Geschichtsschreiber Polybios (208-118 v. C.), werden als Geiseln nach Italien gebracht. Nach der brutalen und vollständigen Zerstörung Korinths durch die Römer (146 v. C.) wurde fast die gesamte Bevölkerung versklavt. – Dies führte in der Landwirtschaft zur Intensivierung des Anbaus in den meisten Gebieten. Die wachsende Zahl der Sklaven ermöglichte auch die Errichtung von Handwerksbetrieben, die fremde Arbeitskräfte (Sklaven) beschäftigten (Kleider-, Bogner-, Töpfer-, Kupferschmiedmanufakturen) und die Vergrößerung der römischen Handelsflotte, deren Galeeren durch Sklaven angetrieben wurden. Auch der Weinexport Italiens stieg sprunghaft an und verdrängte die griechi2665 spricht von einem „mitleidschen Weine fast gänzlich aus der ägäischen Welt. Dihle losen Wirtschaftsgebaren der römischen Eroberer.“ – Der Zustrom der Edelmetalle nach Rom stellte, als Folge der Eroberung, auch das staatliche Münzwesen um. Dieser Umschwung des Wirtschaftslebens brachte notwendig eine Reihe von neuen Lebensverhältnissen hervor, die geregelt werden mussten. „Das Grundgeschäft des Umsatzes, den Kaufvertrag, mußte man von seinen bisherigen Formalitäten befreien, da sich die Kaufverträge jetzt schon auf Warenmassen bezogen. Der Verkauf von ganzen Sklavenmengen in einem Posten, bei dem die stückweise Manzipation praktisch undurchführbar war, erforderte das Vordringen des bonitarischen Eigentums, bei dem durch die Konstruktion der fiktiven Ersitzung auch der Tradition übereignende Wirkung zukam. Aus der verarmten Bauernschaft bildeten sich die Gruppen der Kleinpächter und der freien Lohnarbeiter, und daher mußte man die Verhältnisse der Sachmiete und der Dienstmiete normieren. Die Warentransporte, hauptsächlich zu See, drängten nach einem Ausbau der rechtlichen Konstruktion des Werkvertrages. Cato organisierte bekanntlich Handelsgesellschaften zum Zwecke des Warentransports. Es wurde nötig, neben der alten societas der Familie die Rechtsform der kaufmännischen societas auszubilden. […] Aber nicht nur bezüglich der Wirtschaftsbasis, auch hinsichtlich des juristischen Überbaus war die Mitte des 2. Jahrhunderts so ziemlich die bewegteste Epoche der republikanischen Zeit. – Das Amt des praetor pereg2666 wurde im Jahre 242 v. u. Z. errichtet, um die Rechtsstreitigkeiten zwischen den rinus

2663 Dazu L. Mitteis 1908, I insbesondere 12 ff. 2664 1968, 152 f. 2665 1967/1998³, 353. 2666 Zu griechischen Vorbildern schon L. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 73 ff: In Athen war

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Kapitel I: Perspektiven

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römischen Bürgern und Peregrinen zu entscheiden. Das Zivilrecht und das durch den praetor peregrinus gestaltete Recht entwickelten sich also gleichlaufend nebeneinander, ohne daß es [zunächst] zu nennenswerten Wechselwirkungen gekommen wäre. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts [v. C.] öffnete aber die lex Aebutia, die den Formularprozeß des praetor peregrinus zu zivilrechtlicher Wirksamkeit erhob, dem prätorischen Recht den Weg, in das Zivilrecht einzudringen und in diesem so revolutionäre Änderungen hervorzurufen, die schließlich zur Vereingiung der beiden Rechte auf einer höheren Ebene führten.“

Neue Aufgaben für die Rechtsgeschichte Die Zeit einer verklärten Sicht auf alles Römische, die auch im Werk Paul Koschakers2667 noch herrscht, ist vorüber. So vertritt U. Manthe in seiner ‚Geschichte des römischen Rechts’2668 zur Bedeutung der griechischen Kultur für das römische Rechtsdenken bereits eine andere Position. Manthe weist zunächst darauf hin, dass sich die römischen Pontifices des Zwölf-Tafel-Rechts ‚bemächtigt’ und „dessen Sprache nach ihren eigenen Regeln“ ausgelegt hätten. Die Folge war eine sehr starre Interpretation des Gesetzes, die kaum Abweichungen zuließ und dadurch Anpassungen an Änderungen in der Gesellschaft erschwerte. Bis zur Mitte des 2. Jahrhundert v. C. herrschte pontifikaler Rigorismus. Als berühmtes Beispiel für die Versteinerung der römischen Jurisprudenz durch die Pontifices führt Manthe einen Fall an:2669

der Polemarchos zuständig, in Lokri die Xenodikai, in Kreta die Xenioi kosmoi, im ptolemäischen Ägypten gab es Xenikoi agoranómoi und für Aristoteles (Politik IV 13) sind die Fremdengerichte ein notwendiger Faktor eines wohlgeordneten Staatswesens. 2667 1947/19664. – Es wäre allerdings falsch, für diese Entwicklung allein Koschaker verantwortlich zu machen. Ich denke dabei an F. Wieackers Äußerung über ‚römisches Wesen’ und ‚römisches Recht’ und die pauschale Beurteilung dieser Frage durch Kaser. Verstärkt wird die Fehleinschätzung des römischen Rechts im 19. Jh., wo etwa Rudolph von Ihering, wissenschaftlich nicht belegbare Aussagen macht und dadurch Anpassungen – konkret den auf Grund der technisch-gewerblich-industriellen Entwicklung notwendig gewordenen Schritt von der Verschuldens- zur Gefährdungshaftung – zwar nicht verhindern, aber doch zu verzögern vermochte und so für den doppelten Paradigmenwechsel in Bismarcks Arbeiterversicherung verantwortlich war; dazu meine Ausführungen 1983, 47 ff und 1995, 27 ff. Die Bewertung durch Ihering gipfelt in der berühmt-berüchtigten Feststellung: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Ersatz, sondern die Schuld – ein einfacher Satz, ebenso einfach wie der des Chemikers, dass nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der Luft.“ Dem fügt Ihering, die Quelle seiner Erkenntnis nennend, hinzu: „[…] das römische Recht führte mich über sich selbst hinaus, indem es mir Gedanken von allgemein gültiger Wahrheit entgegenbrachte." (FS der Giessener Juristenfakultät, 1867) 2668 2000, 57 ff. 2669 Gai. 4, 11.

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Neue Aufgaben für die Rechtsgeschichte

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„Daher wurde ein Rechtsgutachten erteilt, daß jemand, der wegen abgehauener Weinstöcke geklagt und dabei in der Klage ‚Weinstöcke’ gesagt hatte, seinen Prozeß verloren habe, weil er sie hätte ‚Bäume’ nennen müssen, denn im XII-Tafel-Gesetz, aus welchem ihm die Klage wegen der abgehauenen Weinstöcke zustehe, sei allgemein von ‚abgehauenen Bäumen’ die Rede.“

Dazu Manthe: „Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. führten auch äußere Ereignisse zur Erneuerung der Rechtswissenschaft. Die Eroberung Griechenlands führte eine gewaltige Zahl gefangener Griechen nach Rom, von denen die Gebildeten Einfluß auf ihre neuen Herren errangen und das Interesse für die griechische Kultur erweckten; man denke nur an das Schicksal des Historikers Polybios, der 167 in das Haus des jüngeren Scipio Africanus gelangte. [grex Scipionis] 156/155 v. Chr. 2670 Die Angehörigen der römikam eine athenische Philosophengesandtschaft nach Rom. schen Nobilität folgten begeistert den Lehrvorträgen der Gesandten, und der Einfluß der griechischen Philosophie auf die spätrepublikanische Jurisprudenz kann nicht hoch genug einge2671 sind ersichtlich von der stoischen Philosophie schätzt werden. Einige der großen Juristen beeinflußt (Q. Mucius Scaevola, der Augur, und Q. Mucius Scaevola, der Pontifex, P. Rutilius Rufus, der ältere Q. Aelius Tubero), andere standen der skeptischen Akademie näher (Servius Sulpicius Rufus, C. Aquilius Gallus). Griechenland brachte vor allem System und Methode nach Rom – die Einteilung der Wissenschaften in ihre Untergruppen, die Definitionen der Fachbegriffe, die Bildung von Regeln und die deduktive Methode hat Rom den Griechen zu verdanken. Aber nicht nur das gedankliche Gerüst, sondern auch ein neues Verständnis von Gerechtigkeit hat seine Wurzeln in der Begegnung mit der griechischen Philosophie. Die Pontifices hatten ihre juristische Tätigkeit auf die Auslegung und Anwendung der Gesetze beschränkt, ohne danach zu fragen, ob sie Gerechtigkeit verwirklichten; die ’hellenistische’ Epoche der römischen Jurisprudenz erkannte, daß über dem positiven Recht eine Idee der Gerechtigkeit stand, die es zu erforschen und zu verwirklichen galt. Die Stoa glaubte, das überpositive Prinzip der Gerechtigkeit sei von der Weltvernunft geschaffen, und es gelte nur, es zu erkennen, um es durchsetzen zu können; daß Q. Mucius Scaevola Pontifex ’Treu und Glau-

2670 Dazu schon bei Anm. 555 vgl. Küblers (1934). 2671 Zu M. Manilius (~ 195-? Konsul 149 v. C.), M. Junius Brutus (~ 182-? Praetor 142 v. C.), Publius Mucius Scaevola/Pontifex maximus (~ 176-115 v. C.; 141 Volkstribun, 136 Praetor, 133 Konsul, ab 130 Pontifex maximus), Quintus Mucius Scaevola/ebenfalls Pontifex maximus und Sohn des Erstgenannten (~ 140-82 v. C.; 106 Volkstribun, 98 Praetor, 95 Konsul und anschließend Statthalter Asiens. Er war Rechtslehrer Ciceros und Verfasser des grundlegenden Werkes: Libri XVIII iuris civilis), Aquilius Gallus und dessen Schüler Servius Sulpicius Rufus (~ 94-43 v. C.; zu ihm F. Horak, in: DKP V 428 f): Pólay (1968) und insbesondere Kübler 1934, zB 85 ff; vgl. Pomponius Dig. I 2, 2, 39: „Publius Mucius et Brutus et Manilius, qui fundaverunt ius civile". Allgemein zu den römischen Juristen: Kunkel 1951/2001. Zu Quintus Mucius: Pomponius Dig. I 2, 2, 41, zu Servius Sulpicius Kübler aaO, insbesondere 96 f. Zu den Scaevolae: Bruck 1954, 24 ff. – Auch Pólay betont mehrfach die Entwicklung der römischen Rechtswissenschaft aus der griechischen Philosophie und Grammatik; vgl. aaO 159 ff.

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Kapitel I: Perspektiven

ben’ (bona fides) in die juristische Arbeitstechnik einführte, ist vor diesem Hintergrund zu se2672 hen. Die skeptische Akademie hingegen stand moderner Wissenschaftslehre näher, indem sie aus der Beschränktheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit folgerte, daß man sich der Wahrheit nur in Wahrscheinlichkeitsgraden der Erkenntnis nähern, nie sie aber erreichen 2673 (Hervorhebungen von mir) könne [...].“

Bernhard Kübler schildert den Einfluss der griechischen Philosophie2674 und betont:2675 „Man muß sich das alles vor Augen halten, um den Einfluss zu begreifen, den die griechische 2676 Auch Rechtsentwicklung und RechtsPhilosophie auf die römische Geisteswelt ausübte. wissenschaft konnten davon nicht unberührt bleiben. Waren doch alle Juristen jener Zeit mit der griechischen Philosophie vertraut und Anhänger einer oder der andern Schule. Es ist das auch von jeher erkannt und in zahlreichen Schriften behandelt worden. Heute könnte man beinahe glauben, dass es vergessen sei.“ „War die Philosophie dem naiven Götterglauben, der ohnehin schon kränkelte, schädlich und untergrub sie die Fundamente des ius sacrum, so schuf sie doch Ersatz durch die Ethik. Keine Ethik war der Denkweise der Römer, deren Ideal die virtus war, so entsprechend wie die der

2672 Zur Epieikeia insbesondere Kapitel II 13. 2673 In diesem Sinne schon Pólay 1968, 182 f und öfter. 2674 Es waren aber nicht nur die allgemeine Philosophie und die Philosophie als rechtswissenschaftliche Disziplin, die Einfluss ausübten. 2675 1934, 84. Kübler betont aaO 85 ff, dass die älteren römischen Juristen „fast ohne Ausnahme Stoiker“ waren; Panaitios von Rhodos (185-110 v. C.) übte einen großen Einfluss auf die römische Aristokratie aus, die nach Rhodos kam, um ihn zu hören. Er gilt als Begründer der mittleren Stoa, die eine praxisbezogene Ethik vertrat, die den Römern entgegenkam. Panaitios war auch in Rom und verkehrte dort im Hause von Publius C. Scipio, dem Eroberer Karthagos. Panaitios' Schrift „Vom pflichtgemäßen Handeln“ war die Vorlage für Ciceros ‚De officiis’. – Zu Publius Mucius, Brutus und Manilius betont Kübler: Sie schufen „die Grundlagen […] zur Wissenschaft des Zivilrechts.“ – Dazu auch Bringmann 2003, 154 f und zur Tatsache, dass Cicero Philon von Larissa (~ 159/8-84/3), Schulhaupt der Akademie, der zu Beginn des Ersten Mithradatischen Krieges nach Rom geflohen war, in Rom hörte: „Damals hörte Cicero Philon, der in ihm die lebenslang dauernde Liebe zur Philosophie weckte und ihn für die Neue Akademie gewann.“ – „Aber auch die wirklich an der Philosophie interessierten Römer waren Amateure. Philosophie als Profession war und blieb in Rom eine Domäne der Griechen. Selbst Cicero wäre ohne die Hilfe philosophisch gebildeter Griechen im fortgeschrittenen Alter nicht in der Lage gewesen, in schneller Folge die Themen und Kontroversen der hellenistischen Philosophenschulen in Werken lateinischer Sprache darzustellen. Ihm halfen, um nur die Prominentesten zu nennen, M. Pomponius Dionysius, der gelehrte Freigelassene seines Freundes Atticus, der Stoiker Athenodorus Calvus oder der Peripateiker M. Tullius Cratippus, dem er das römische Bürgerrecht verschaffte.“ 2676 Doch muss betont werden, dass nicht nur das philosophische Rechtsdenken der Griechen die entstehende römische Rechtswissenschaft beeinflusste, auch die damals schon hoch entwickelte griechische Rechtspraxis diente den Römern in mehr als einem Bereich als Vorbild.

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Bäuerliches Familieneigentum als Vorläufer des Anerbenrechts?

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Stoiker mit ihren strengen Anforderungen. Sie sahen das höchste Glück in der Sittlichkeit. 2677 Nur der Weise kann es erlangen.“

Nach langem Verleugnen und Verdrängen alles Griechischen – und erst recht alles Orientalischen – sollte sich nunmehr auch in der Rechtsgeschichte eine neue Sichtweise durchsetzen. Nicht blinde Euphorie ist erstrebenswert, sondern ein ernstes Verständnis von Wissenschaft, das bereit ist, historische Tatsachen und Entwicklungsschritte zur Kenntnis zu nehmen und dem das Verstehen von Zusammenhängen (Hermeneutik)2678 ein Anliegen ist.2679 – Was Helene Miltner2680 über Solon geschrieben hat, gilt auch für manche andere Errungenschaft des griechischen Rechtsdenkens: „Denn, was Solon hier an Wahrheiten ausspricht, hat Wert und Gültigkeit behalten bis in unsere Tage und wäre der Beachtung wirklich wert.“

Bäuerliches Familieneigentum als Vorläufer des Anerbenrechts? Das griechische Rechtsdenken kennt frühe Ansätze des bäuerlichen Anerbenrechts, das erst im 19. Jahrhundert gesetzlich geregelt wurde, obgleich es in diesem Bereich schon Jahrhunderte früher gewohnheitsrechtliche Regeln gegeben haben mag.2681 – Bereits Hesiod spricht davon, dass ein Bauer nur einen Sohn zeugen soll, um den Reichtum des Hauses zu mehren.2682 Eben diesen Gedanken formuliert das noch heute als Rechtsgrundsatz des bäuerlichen Sondererbrechts geltende Rechtssprichwort: „Der Bauer hat nur ein Kind““.2683 – Die Höfe in Attika waren meist zu klein, um mehr als eine Familie zu ernähren, weshalb es nahelag darauf zu achten, die gemeinsame Lebensgrundlage nicht durch Teilung zu zerstören. Dies konnte auf unterschiedliche Weise bewerkstelligt werden: eine Möglichkeit war die Regelung des späteren Anerbenrechts, eine andere war die Lösung über das Familieneigentum. Dazu Nilsson:2684

2677 1934, 85. 2678 Zur Entstehung der Hermeneutik durch Schleiermacher Jaeger 1960, 401 ff. Für die Geisteswissenschaften und weit darüber hinaus von Bedeutung wurde das Werk von Gadamer (1960/1999). 2679 Dazu will auch ich einen Beitrag leisten. Wird die Entwicklung in Griechenland und im Alten Orient einbezogen, verbreitert sich das Fundament der Rechtsgeschichte; tieferes Interesse könnte geweckt werden, woraus sich didaktische Chancen ergäben. Ich zitiere deshalb bewusst immer wieder aus Originaltexten. 2680 1955, 59. 2681 Dazu F. Gschnitzer 1935/1993, 339 ff mwH. 2682 Werke und Tage V 375 ff. – Ich gehe darau auch in Kapitel II 3: ‚Der äußere Anlass für Drakons Tätigwerden’ und 11: ‚Hofübergabe …’ ein. 2683 Dazu mein Zivilrecht 20042, II 1027. 2684 1954/55, insbesondere 269.

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Kapitel I: Perspektiven

556 2685

„Eins ist sicher: das Saatland war individuelles [?] Eigentum. Man kann ebenso gut sagen, daß der Hof den Mann besaß, wie daß der Mann den Hof besaß. Der Hof durfte nicht dem Geschlecht entfremdet werden. Dadurch erklärt sich das für uns befremdliche attische Gesetz, 2686 die Tochter eines Mannes, der keinen Sohn hatte, ihren nächsten Verdaß die Erbtochter, wandten männlicherseits ehelichen sollte; nötigenfalls konnte dieser, wenn er schon verheiratet war, sich von seiner Frau scheiden. Der eigentliche Erbe war ihr Sohn. Aus derselben Rücksicht ist wohl die Erlaubnis erklärlich, eine Halbschwester väterlicherseits zu heiraten. Das Eigentum durfte dem Geschlecht nicht verloren gehen. In Sparta waren die Landlose unverkäuflich und konnten nur vererbt werden.“ (Hervorhebung von mir)

Die Meinungen in dieser Frage sind aber kontrovers; so stehen etwa Ruschenbusch,2687 der in Griechenland eine (reine) Realteilung feststellt und Bruck2688 gegeneinander: „Sollte die Grundlage des Vermögens in der primitiven Agrarwirtschaft, das Bauerngut mit lebendem und totem Inventar, in gleiche Teile zersplittert worden sein? Es war im Familien2689 eigentum gebunden.“

Das griechische Recht hatte in den verschiedenen Poleis generell weithin vergleichbare, wenn auch nicht idente strikte Regeln gegen die Veräußerung von Familieneigentum und hier insbesondere von Liegenschaftseigentum des Kleros geschaffen und kannte auch noch in klassischer Zeit Schutzbestimmungen gegen den Verlust des Familien-Liegenschaftseigentums im Rahmen von Exekution und Pfandverwertung.2690 Auf die Frage der bäuerlichen Erbsitte2691 und der sogennanten elterlichen Teilung2692gehe ich auch andernorts ein.

Naturrecht und Völkerrecht Auch die Vorstellungen von einem ‚Naturrecht’2693 und einem ‚Völkerrechts/ius gentium’,2694 das Verhältnis von ‚Gewohnheitsrecht’ und ‚gesatztem Recht’ und

2685 Nilsson verwendet den Begriff ‚individuelles Eigentum’ rechtlich untechnisch, also nicht im Sinne von ‚Individualeigentum’, sondern eher iSv Familieneigentum; dazu Kapitel II 19. 2686 Mehr dazu in Kapitel II 10: ‚Epíkleros’. 2687 2005, 131 ff. 2688 1954, 33, Fn 31 gegen die Deutung der mancipatio familiae bei H. Levy. 2689 Dazu Kapitel II 19. 2690 Dazu in Kapitel II 10: ‚Gebundenes Bodenrecht’. 2691 Vgl. dazu in Kapitel II 1: ‚Die nachbarliche Beziehung’. 2692 Dazu in Kapitel II 10: ‚Entwicklung der Verfügungen von Todes wegen’ und ebendort: ‚Plutarch, Ruschenbusch und Maschke zum ‚Testamentsgesetz’ Solons’ sowie in Kapitel II 19: ‚Vom Familien- zum Individualeigentum’ und in Kapitel VI 2: ‚Die Schenkung auf den Todesfall’. 2693 Dazu auch in den Kapiteln V und VIII 7 (Aristoteles). 2694 Dazu Pkt. 9.

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Graeca leguntur

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die Grundlagen der ‚Legistik’ – man denke nur an Platons ‚Nomoi’ und ‚Politeia’ oder das Projekt des Perikles für eine Muster-Verfassung der panhellenische Kolonie Thurioi2695 – sind griechischen Ursprungs, wenn auch da und dort orientalischer Einfluss sein mag. Solons Aktualität als Gesetzgeber,2696 Platons Modernität als Staats- und Rechtsdenker2697 überraschen ebenso wie die Gründlichkeit und Vielfalt im Denken des Peripatos. Pólay2698 stellt klar, dass die Begriffe ius naturale/Naturrecht und ius gentium/Völkerrecht Übersetzungen der griechischen Termini GºTFJ EeLBJPO und LPJOµOEeLBJPO sind. – Aus dem LBMµO LBh EeLBJPO der griechischen Philosophie entwickeln römische Juristen die Begriffspaare ius et aequitas sowie bonum et aequum.2699 Zur berühmten Definition des Rechts durch Celsus2700 als ars boni et aequi (Dig. 1, 1, 1 pr., Ulpian 1 inst.)2701 war es dann nicht mehr weit. Aristoteles2702 stellte dem strengen Gesetz – damals wieder als Nómos bezeichnet, die Billigkeit/yQJFeLFJB gegenüber und folgt damit älterer Tradition.

Graeca leguntur In Abkehr von den Glossatoren sollte unsere Maxime daher lauten: ‚Graeca leguntur’, Griechisches wird beachtet, gelesen, ernst genommen.2703 – Mit Ruschenbusch meine ich:2704

2695 Dazu etwa Kapitel VI 3: ‚Praktische Orientierung der griechischen Philosophie’. 2696 Vgl. etwa Kapitel II 1. 2697 Vgl. Kapitel VII. 2698 1968, 155 ff. – Vgl. dazu schon oben in Anm. 2520 zu Poseidonios als Schöpfer des Völkerrechtsgedankens. Das bedeutet aber nicht, dass es vor Poseidonios kein griechisches Völkerrecht gegeben hätte; vgl. nur Bickerman (1950/1969). 2699 Zur Epieikeia/aequitas: Kapitel II 13. 2700 Dazu Wieacker 1944/1961², 149: „Griechisch gebildete Männer wie Mucius oder Servius, Julian oder Celsus haben auch einen bewussten Begriff davon, was Gerechtigkeit ist und fordert; sie wird in ihren Entscheidungen eins mit der positiven Rechtskunst. Auch in diesem Sinn ist die letzte große Epoche der römischen Jurisprudenz klassisch.“ In Fn 20 weist Wiacker auf den Einfluss der aristotelischen yQJFeLFJB hin. 2701 Zu Ulpians ‚Anleihen’ aus dem griechischen (Rechts)Denken Anm. 2534. 2702 Nikomachische Ethik V 1137 ff und Rhetorik I 1374, 27 ff. 2703 Zu beachten ist dabei die Warnung von H. J. Wolff, wonach manches Problem „seems to be obscured by the fact that scholars have not sufficiently freed themselves from modern juridical conceptions“ 1946, 79. – Andererseits meine ich, dass die Kenntnis des geltenden Rechts den Blick auch für die Rechtsgeschichte zu schärfen vermag oder überhaupt erst dazu führt, Zusammenhänge wahrzunehmen; dazu in: Barta/Palme/Ingenhaeff 1999, 437 zu Zeillers ‚Erfindung’ der Antragsbindung. 2704 1960, 130 (= 2005, 32 f).

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Kapitel I: Perspektiven

„Da das Recht die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt, ist jede Frage nach dem Recht eines Zeitalters zugleich eine Frage, die den Historiker angeht. Entscheidend ist dabei nur, daß das gewonnene rechtshistorische Ergebnis auch auf seinen Aussagewert für die politische Historie befragt wird.“

Dazu kommt, dass sich in der Entwicklung des frühen griechischen Rechtsdenkens mitunter Parallelen zum alten deutsch-germanischen Rechtskreis zeigen und Einsichten für beide Seiten bereichernd sein können,2705 wenn die nötige Vorsicht nicht außer Acht gelassen wird. Rechtsgeschichte ermöglicht es, die langwelligen Phasen in der Entwicklung des Rechts und seiner Teilbereiche im Zusammenhang mit anderen Wissenschaften (auf den nicht verzichtet werden sollte), besser oder überhaupt erst erkennen und verstehen zu können. Erst so wird es möglich, Tendenzen in der Entwicklung wahrzunehmen und bessere Prognosen abzugeben. Fortschritt, Rückschritt, Absturz und Stillstand werden ebenso sichtbar wie Ursache und Anlass). Sigmund Freud drückte Ähnliches im Essay ‚Die Zukunft einer Illusion’ aus: „[...] je weniger aber einer vom Vergangenen und Gegenwärtigen weiß, desto unsicherer muß sein Urteil über das Zukünftige ausfallen.“

Ein wichtiger Grund für den Bedeutungsverlust der Rechtsgeschichte liegt auch darin, dass zu wenig im engeren Fachgebiet geforscht wird. Die Flucht in akademische Ämter und in Richtung geltendes Recht erscheint oft zu verlockend. Zu Recht beklagt H. Coing2706 die „Trennung von Dogmatik und Rechtsgeschichte“. Damit ist das Problem noch nicht gelöst, was große Juristen und Rechtshistoriker – etwa Fritz Schulz oder Ludwig und Heinrich Mitteis – erkannt haben.2707 Im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Fächern, die im 20. Jahrhundert ebenfalls einen „atemberaubenden Absturz“ (O. Gigon) erleben mussten, gibt es in der Rechtsgeschichte keine vergleichbare Selbstreflexion.2708 Es genügt nicht, die Fehler lediglich bei anderen zu vermuten und zu suchen. – Die moderne Rechtsgeschichte hat es auch nicht verstanden, neue Fächer wie die Rechtssoziologie und die Rechtstatsachenforschung oder gar die Rechtsanthropologie und die Rechtsethnologie einzubinden oder auch nur zu berücksichtigen. Damit

2705 Vgl. etwa die von E. Kaufmann (1958) gezeigten Parallelen im Bereich der Erfolgshaftung; dazu Kapitel II 6. – Demgegenüber steht die ernstzunehmende Warnung von E. Weiss (1934, 248), der die Meinung bekämpft, dass „das griechische Recht […] viel mehr Verwandschaft mit dem germanischen, als mit dem römischen Recht“ aufweise. So auch schon L. Mitteis 1908 I, 10 ff. 2706 1962, 3; kritisch schon H. Mitteis (1947). 2707 Vgl. dazu bei Anm. 429. 2708 Vorbildlich für die klassische Philologie und antike Philosophie: Gigon 1977, 5 ff.

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Recht und Gesellschaft

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wird verkannt, dass „alle Geschichtstatsachen zugleich Rechtstatsachen“ sind. 2709

Recht und Gesellschaft Im Zusammenhang mit dem „Isolierungsprinzip der römischen Jurisprudenz“2710 stellte F. Schulz in seinen ‚Prinzipien des römischen Rechts’ fest, was bis heute oft nicht einmal im geltenden Recht Tätige (an)erkennen: 2711 „Nichtrechtliche Elemente werden in der deutschen Wissenschaft wie in der römischen aus der Betrachtung ausgeschieden. Das bloß Übliche bleibt beiseite, besonders in der führenden Disziplin des Privatrechtes. [!] Dem typischen Inhalt der Geschäftsurkunde (des GrundstücksKaufvertrags, des Wohnungsmietvertrags, des Seetransportvertrags usw.), der typischen tatsächlichen Verwendung der Rechtsinstitute und Rechtssätze wurde wenig oder gar keine Beachtung geschenkt. Erst die Rechtstatsachen-Forschung des 20. Jahrhunderts hat in Deutschland Wandel geschaffen. Auch die Lebensverhältnisse, die das Recht ordnen will, die Bedürfnisse, insbesondere die wirtschaftlichen Bedürfnisse, die es befriedigen will, der ‚Zweck im Recht’: das alles hat die Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts lange Zeit zu wenig 2712 […] Aber auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts hat die römische Isoliebeachtet. 2713 rungsmethode noch einmal einen großen Triumph gefeiert: in Labands Staatsrecht. In seiner strengen Sonderung des Rechts von den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnissen, von den ökonomisch-politischen, ethischen und religiösen Anschauungen und Bestrebungen ist dieses Werk ein echt romanistisches Buch, obwohl der Verfasser, akademisch gesprochen, Germanist war. Gierke hat in seiner noch heute lesenswerten Anzeige dieses Werkes die echt deutsche Forderung nach einer Gesamtschau großartig zum Ausdruck

2709 H. Mitteis 1947, 63. 2710 F. Schulz 1934/1954, 25. 2711 F. Schulz 1934/1954, 26 verweist hier auf E. Ehrlich 1903/1973, 33 ff und M. Wolff 1906, 697 ff; M. Segall 1908, 410 ff; Eltzbacher (1913); Nussbaum (1914) und denselben als Hg. der „Beiträge zur Kenntnis des Rechtslebens“ (seit 1926). – Zu Ehrlich und der Rechtstatsachenforschung mein Lehrbuch 2004a, II 1061 ff. – In der Ablehnung von sozialwissenschaftlichen Methoden/Disziplinen (in der Rechtswissenschaft) ist die Rechtsdogmatik sogar rigoroser als Rechtspositivismus, der diese grundsätzlich anerkennt und sie lediglich aus der Rechtswissenschaft beseitigt wissen will; vgl. Kelsen (1911/1970). 2712 Ihering habe diese Richtung der Rechtswissenschaft schließlich bekämpft, und langsam sei es anders geworden. Man muss bedauernd hinzufügen: Nicht für lange! Schulz zitiert MüllerErzbach, Deutsches Handelsrecht III (1921), der optimistisch meinte: „Die Wahrheit beginnt (!) Allgemeingut zu werden, dass ein Recht nur aus der Kenntnis der von ihm geordneten Lebenverhältnisse heraus verstanden werden kann.“ 2713 Kelsen hat diese Entwicklung noch weiter getrieben: Dazu Kapitel V 2: Naturrecht oder Kulturrecht und 4: Naturrecht oder Rechtspositivismus sowie in Kapitel X 3: Hans Kelsen und der legendäre König Midas.

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Kapitel I: Perspektiven

gebracht: selten haben sich das römische und das deutsche Prinzip in zwei so kongenialen Vertretern gegenübergestanden.“ (Hervorhebung von mir)

Eine ausschließlich dogmatische Betrachtungsweise wird un-historisch, was sich immer wieder zeigt. Auf der anderen Seite führt auch ein rein (rechts)historisches Bemühen ohne Kenntnis dogmatischer Zusammenhänge nicht zum Ziel, weil dann leicht das Wesentliche verborgen bleibt. Es braucht beide Elemente, will man angemessene Ergebnisse erzielen. Das lehrt die Rechtsgeschichte der Antike ebenso wie die neue(re) Privatrechtsgeschichte. Nur dann kann ganzheitliches Verstehen erreicht werden, wozu auch die Rechtsphilosphie beitragen kann. Wie die ‚Philosophiegeschichte’, die gleichermaßen Philosophie und Geschichtswissenschaft ist, ist die ‚Rechtsphilosophie’ sowohl Rechtswissenschaft als auch Philosophie. Ähnliches gilt für die ‚Rechtsgeschichte’2714 und die ‚Rechtssoziologie’. – Ein solche Auffassung verdient vor ‚einpoligen’ Deutungen den Vorzug; sie vermeidet (überholte) Hegemonieansprüche einzelner Disziplinen und fördert Interdisziplinarität. Probleme ergeben sich aber immer wieder aus den vielfältigen Anforderungen und Ansprüchen der einzelnen Wissenschaftszweige, die Rücksichtnahme und echtes Interesse erfordern. Die genannten Bindestrichdisziplinen können ihre Janusköpfigkeit nicht verleugnen, betrachten sie doch ein und denselben Gegenstand von verschiedenen Standpunkten und aus unterschiedlichem Blickwinkel. Das führt zu anderen und neuen Schwerpunkten, aber auch zu vertiefter Einsicht, auch wenn einmal mehr die Rechtswissenschaft ein andermal mehr die ergänzende Disziplin im Vordergrund steht.– Gegenseitiger Respekt ist unerlässliche Voraussetzung für eine gedeihliche und fruchtbringende Zusammenarbeit, sind doch die erforderlichen Voraussetzungen selten in einer Person vollkommen gegeben.2715 Auch H. Mitteis hat sich über die „eigenartige Doppelstellung“ der Rechtsgeschichte Gedanken gemacht und meint:2716 • „Sie gehört einerseits der Geschichtswissenschaft an, also dem Zentralgebiet der Kulturund Geisteswissenschaften, in dem es auf reine Erkenntnis ankommt, und zugleich bildet sie einen Zweig der Rechtslehre, also einer angewandten und vorwiegend auf praktische Ziele gerichteten Disziplin. Sofort taucht die Frage auf, ob sie nicht selbst ein Zwitterwesen ist, das an einem unheilbaren inneren Zwiespalt leidet, ob nicht der Gegensatz zweier Denkweisen ihr zum Verhängnis wird, den überbrücken zu wollen von vornherein aussichtslos ist. Geschichte erkundet ein in der Vergangenheit liegendes Sein, Recht normiert

2714 Zum Entstehen der Rechtsgeschichte aus der griechischen Philosophiegeschichte: Kapitel VI 2 (Aristoteles und Theophrast) und insbesondere Kapitel VIII 1. 2715 Grundsätzlich zur den hohen Anforderungen an eine zeitgemäße Rechtsgeschichte und ihr Umfeld: H. Mitteis (1947). 2716 1947, 8 f.

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Recht und Gesellschaft

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ein gegenwärtiges und künftiges Sollen. Die Geschichte will Einmaliges, Individuelles schildern, das Recht betrifft immer wiederkehrende, generell geregelte Tatbestände. Die Rechtswissenschaft steht in naher Beziehung zur Ethik, da auch ihr Gegenstand die Ausrichtung auf Werte fordert; Geschichte will wertfrei, voraussetzungslos, rein kontemplativ betrieben sein.“

• Mitteis versteht auch zu Recht die „propädeutische Funktion“ der Rechtsgeschichte als „Leistung […] für die Rechtswissenschaft“, weil die „Beschäftigung mit ihr […] die ideale Einführung in die Rechtswissenschaft“ darstellt, „weil sie das verwickelte und vielgliedrige Gefüge des modernen Rechtes auf einfachste Grundformen zurückführen und aus seinen Elementen aufbauen lehrt, so dass jede neue Generation immer wieder den 2717 Werdegang des Rechtes nacherleben kann“.

Gerade hinsichtlich dieser zuletzt genannten Forderung sind zahlreiche Wünsche an Forschung und Lehre offen geblieben. Allein das weitgehende Ausblenden des griechischen Rechts macht deutlich, wie einseitig und nicht selten auch wie unwissenschaftlich hier vorgegangen wurde und wird. Fast scheint es, als habe es am Interesse gemangelt, nicht nur die eigenen, sondern die vielfältigen Wurzeln europäischer Vergangenheit und Gegenwart kennenzulernen. Das Bemühen um ein europäisches Privatrecht macht ein Rückbesinnen über Rom hinaus ganz aktuell. Manche liebgewordene europäische Illusion wird dadurch beseitigt. Denn die römische Charakterisierung des Schuldverhältnisses als vinculum iuris stammt in Wahrheit aus dem Alten Orient und ist über die Griechen nach Rom gelangt. Dieses Bild halte ich für die beste Beschreibung der Gläubiger-SchuldnerBeziehung, und es ist den bisherigen Formulierungsversuchen weit überlegen. Ich meine deshalb, dass man es beibehalten sollte, jedoch nicht etwa weil es aus Rom stammt, sondern weil es nahezu perfekt ist.

2717 1947, 77.

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Glossar abdicatio actio - ad exhibendum - de dolo/doli - de effusis et deiectis - de feris - institoria - quod metus causa - de sepulchro violato - funeraria - rei uxoriae actiones in bonum et aequum conceptae Agnation Agon Agorá ágraphos nomos Aisymnét/Dialaktes Akademie Akmé Amphiktyonie Analogie

anér spoudaíos Anerbenrecht animus Anomalie Anomalisten

Verstoßung (eines Kindes)  Apokeryxis Klage oder Klagsformel, Anspruch  dike Klage auf Vorweisung (etwa der strittigen Sache) Klage wegen Arglist Klage für den Fall, dass etwas aus einem Gebäude gegossen oder geworfen wurde Klage wegen Schädigung durch wilde Tiere Klage aus Geschäften des angestellten Geschäftsführers (institor) gegen den Geschäftsherrn Klage wegen Zwang/Erpressung Klage wegen Grabschändung Klage auf Ersatz der Bestattungskosten Klage auf Rückgabe der dos nach Auflösung der Ehe Klagen, bei denen die Urteilsumme nach dem bonum et aequum ermittelt wird, d. h. dass die Festsetzung der Urteilsumme in das billige Ermessen des Richters gelegt wird durch die Hausgewalt vermittelte ‚Verwandschaft’, im Gegensatz zur Kognation (Blutsverwandtschaft) Wettstreit, Wettkampf Marktplatz, Ort der Versammlung, später auch die Versammlung selbst ungeschriebenes Recht vergleichbar den (römischen)  Dezemvirn griechische Philosophenschule Höhepunkt, Blüte (des Mannesalters ~ 40 Jahre) Schutzgemeinschaft für ein Heiligtum ursprünglich aus der Mathematik, bedeutet Proportionalität; Rechtswissenschaft: Argumentieren mit vergleichbaren/gleichwertigen Fällen/Sachverhalten (Rechtsähnlichkeit) der umsichtige Mann/Hausvater als Norm und Beurteilungsmaßstab; (bonus)  pater familias = Einerbenrecht, Prinzip im Erbrecht, wonach das Bauerngut nur an einen Alleinerben, den Anerben fällt Geschäftswille; animus-Lehre betont für die Beurteilung eines Rechtsaktes den Vorrang des Geschäftswillens Unregelmäßigkeit (innerhalb einer Sprache) griechische Grammatiker, die die mangelnde Entsprechung zwischen Form und Funktion betonen (Streit zwischen Anomalisten und Ana-

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Glossar

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anthropomorph Apagogé Apoikíe Apokéryxis Archaische Epoche Archonten Archeget Areopag Areté Arr(h)a artes liberales Asébeia Asylie Áte Atelíe Atimíe Aton audiatur et altera pars Auslobung autochthon Avesta Billigkeit/Epieikeía/ aequitas/ equity bona materna bonorum possessio/possessor Boulé Buphonien(fest) casus Choaí chthonisch Codex

logetikern/ Analogisten) von menschlicher Gestalt, menschenähnlich das ‚Wegführen’, Festnahme eines auf frischer Tat ertappten Täters zur sofortigen Vorführung (vor den Elfmännern) selbständige Kolonie Verstoßung/Enterbung wegen Erbunwürdigkeit Zeitraum vom Ende der Dunklen Jahrhunderte bis zu den Perserkriegen älteste griechische Spitzenbeamte Bezeichnung für den Gründer einer Stadt oder Kolonie = Stammvater der auf dem Areshügel in Athen tagende Gerichtshof (der Areopagiten), zuständig für schwerste Verbrechen = virtus, Tüchtigkeit, Vortrefflichkeit Angeld, Draufgeld zu unterschiedlichen Zwecken (Beweis, Rücktritt, Erfüllungssicherung, Gültigkeitsvoraussetzung) die freien Künste; die sieben Materien des mittelalterlichen Bildungskanon bestehend aus Trivium und Quadrivium Gottlosigkeit (Straftatbestand) einem Fremden gemachte Zusicherung des Schutzes vor Überfällen und Vollstreckungsmaßnahmen (Göttin der) Zwietracht Steuerfreiheit Aberkennung der bürgerlichen Rechte, Ächtung, Ehrlosigkeit ägyptischer Sonnengott ‚auch der andere Teil soll gehört werden’ = Grundsatz des beiderseitigen Gehörs im Verfahren an einen unbestimmten Personenkreis gerichtete, einseitige Zusage einer Belohnung für den Fall der Herbeiführung eines Erfolges ursprünglich: erdgeboren, modern: einheimisch heilige Schriften der auf Zarathustra zurückgehenden Religion der Parsen  Epieikeia von der Mutterseite herrührendes Vermögen Erbschaftsbesitz, -besitzer; Bezeichnung für die erbrechtliche Nachfolgeordnung nach prätorischem Recht (Ältesten)Rat = Dipoleia, Fest des Zeus mit ritueller Stiertötung (Buphonienbeil) Zufall (im Gegensatz zu zurechenbarem Verschulden) Trankopfer erdhaft das aus mehreren Blättern zusammengeheftete ‚Schriftwerk’ (im Gegensatz zur nur einseitig beschriebenen Buchrolle: Liber) und insbe-

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Glossar

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constitutio constitutum debiti Corpus Hippocraticum Corpus Iuris Civilis

culpa custodia deditio definitio Delphinion Déme depositum - irregulare Dezemvirn

Di(h)airese Diadochen(reiche) Diaithetes Dialektik Digesten

dikaiotáte gnóme Dikastes dike exoúles Dike/dike diligentia Dionysien Dipoleia distinctio

sondere Gesetzbuch  Corpus Iuris (Sammel)Bezeichnung für alle Formen der kaiserlichen Gesetzgebung Roms formfreie Zusage der Schulderfüllung Sammlung unterschiedlicher medizinischer Texte aus dem 5. bis 2. Jh. v. C., dem Hippokrates zugeschrieben; welche Texte tatsächlich von ihm verfasst sind, ist umstritten seit dem 12. Jh. übliche Bezeichnung für das Gesetzgebungswerk Justinians bestehend aus: Institutionen, Digesten/Pandekten, Codex und Novellen allgemein Verschulden (im Gegensatz zu  casus); speziell Fahrlässigkeit (im Gegensatz zu  dolus = Vorsatz) Fürsorge, Obhut; Bewachungspflicht; strenger Haftungsmaßstab für anvertraute Sachen Unterwerfung (Kapitulation); Auslieferung an den Feind (im Völkerrecht), an den Geschädigten (im Privatstrafrecht) Begriffsbestimmung Tempel des Apollo in Athen und Gerichtshof Unterabteilung der Phyle Verwahrung Verwahrung von vertretbaren Sachen mit Gebrauchsbefugnis Zehnmännernkollegium, im (römischen) Ständekampf mit der schriftlichen Niederlegung des geltenden Rechts im  Zwölftafelgesetz betraut  divisio, Einordnung von Begriffen durch Unterscheidung und Zuordnung von Unterbegriffen (differentia specifica/genus proximum) Nachfolger des Alexander(reichs): Antigoniden, Ptolemäer, Seleukiden Schlichtungsrichter, vergleichbar dem modernen Mediator ‚Kunst der Unterredung’; Diskussion in Frage- und Antwortform; Studium der Gattungen mittels Diairese und Synthese juristische Literaturgattung, Erörterung von (schwierigen) Einzelfragen; zweiter Teil des Corpus Iuris Civilis, enthaltend Exzerpte aus den Schriften der klassischen (römischen) Juristen Teil des  Richtereides; Verpflichtung, nach bestem Wissen und Gewissen gerecht zu entscheiden Richter Besitzstörungsklage (?) Tochter des Zeus und der Themis; Göttin der Gerechtigkeit; Klage Sorgfalt Festspiele zu Ehren des Dionysos Fest des Zeus Polieus  Buphonien(fest) Unterscheidung, Trennung juristischer genera und species in Anwen-

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Glossar

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divisio dolus donatio mortis causa Dotalrecht Dunkle Jahrhunderte Edikt

Eigentumsdiadikasíe Eirene Eisangelíe Ekecheiría Ekklesía Empórion Endogamie Epheten Epidamiurg/Epidemiurg Epieikeia Epigamie Epíkleros

Epiklése Epikoúrios Epikuräer Epitaph Epoikoi Erbtochter Erbunwürdigkeit Erinyen Eunomía

dung der dialektischen Methode; bei den Glossatoren eine Literaturform Schema der Einordnung von Begriffen in Ober- und Unterbegriffe deliktische Täuschung, Betrug; Vorsatz in Gegenüberstellung zur Fahrlässigkeit; allgemein treuwidriges Verhalten  Schenkung auf den Todesfall Teil des Ehegüterrechts, regelt das Schicksal der dos = Heiratsgut, während und nach Auflösung der Ehe Epoche nach dem Zusammenbruch des mykenischen Imperiums von etwa 1100/1050 bis 900/850 v. C. allgemein hoheitliche Bekanntmachung, speziell das Edikt des Prätors = Verlautbarung des ‚Juristiktionsprogramms’ zu Beginn seiner Amtszeit (Rechts)Streit um das ‚bessere’ Recht zwischen zwei Eigentumsprätendenten = Friede, Tochter von  Zeus und  Themis Anklage wegen außerordentlichen Staatsverbrechens; Hochverrat Waffenruhe Volksversammlung Handelsniederlassung (Gebot der) Heirat innerhalb der eigenen (Verwandtschafts)Gruppe athenische Richter (Strafrichter bei Totschlag) Aufsichtbeamter, Mitglied einer Aufsichtbehörde Einzelfallgerechtigkeit; Ausgleich rechtlicher Strenge im Einzelfall Recht zur Eheschließung zwischen Bürgern unterschiedlicher Städte (römisch: connubium) Erbtochter, die Tochter eines ohne männlichen Erben verstorbenen Erblassers, die nicht selbst Erbin wird, den Nachlass aber durch verpflichtende Heirat mit dem nächsten Angehörigen/Verwandten weiter vermittelt Zuschreibung von Werten (und besonderen ‚Qualitäten’) an Gottheiten und Heroen/Heroinen Epiklese des Apoll (A. epikoúrios = der Helfer) griechische Philosophenschule Totenfeier, Leichenrede Nachzügler  Epíkleros Ausschluss von Erb- (und Pflichteils)recht infolge bestimmter Verhaltensweisen  Apokeryxis Rachegöttinnen der Unterwelt, später  Eumeniden (römisch: furiae) ‚Wohlgesetzlichkeit’, gute Ordnung der Polis (Solon); Tochter von  Zeus und  Themis

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Glossar

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Eusébeia Exagogé

exceptio doli Exegese Exegeten Exogamie Fideikommiss fides bona fides

Filiation/Rechtsbewidmung foenus nauticum formelles Recht Formularprozess Fremdenrecht Génos Geonómoi gesatztes Recht Gewohnheitsrecht Glossatoren Göbekli Tepe Gortyn Handlungsfähigkeit Heliaía Hellenismus

Hermeneutik Hetairíe

Frömmigkeit, Gottesfurcht Vertreibung aus dem Besitz (römisch: vis ex conventu), vereinbarter Gewaltakt im Interdiktenverfahren, um eine Entscheidung herbeizuführen Geltendmachung treuwidrigen Verhaltens durch den Beklagten Auslegung, Erklärung mit der Auslegung vornehmlich von Sakral-, Ritual- und Kultvorschriften betraute ‚Beamte’ (Gebot der) Heirat außerhalb der eigenen (Verwandtschafts)Gruppe formfreie letztwillige Zuwendung von einzelnen Vermögenswerten Pflicht zum Worthalten Verkehrssitte (als Beurteilungsmaßstab – entsprechend der Vertragsgerechtigkeit); im Sachenrecht: der gute Glaube an die (eigene oder fremde) Berechtigung Austattung von Tochterstädten mit dem Recht der Mutterstadt/Metropole Seedarlehen, für das (wegen des erhöhten Risikos) Sonderregeln galten regelt die Durchsetzung der im materiellen Recht niedergelegten Rechte = Verfahrensrecht (jüngerer) römischer Prozess mittels Schriftformeln; seit den leges Iuliae der ordentliche Prozess auf den Verkehr mit Nichtbürgern (und den der Nichtbürger untereinander) anzuwendendes Recht Geschlecht für die Landaufteilung zuständige ‚Beamte’ = schriftlich niedergelegtes, positiviertes Recht (Satzung, ius scriptum) durch langandauernde Übung in Rechtsüberzeugung enstandendes Recht – Gegensatz: geschriebenes, gesatztes, positiviertes Recht Bologneser Rechtsschule des 13. Jahrhunderts, die das wiederentdeckte Corpus Iuris Civilis glossierte Hügel in der Südosttürkei, Stätte bedeutender steinzeitlicher Ausgrabungen Stadt in (Süd)Kreta, Großinschrift aus der Mitte des 5. Jahrhunderts durch eigenes Handeln Rechtswirkungen (Rechte und Pflichten) herbeiführen können; s. auch  Rechtsfähigkeit (athenisches) Volksgericht Zeitraum der Hochblüte der griechischen Kultur, als sie sich über den Mittelmeerraum ausbreitete; von Alexander dem Grossen bis zum Beginn der Vorherrschaft Roms Wissenschaft/Lehre vom erklärenden Verstehen ursprünglich adeliger Freundschaftsverband; in Athen vor allem im 5.

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Glossar

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Hierogamíe Hieromnemónes Homologie Homo-mensura-Satz Hopliten Horos/Horoi Hybris in dubio pro reo Iniuria institutio heredis institutio heredis ex re certa Institutionen Interdikt Internationales Privatrecht Intertemporales Privatrecht Isomoiría Isonomía Isopolitíe Isotelíe ius civile ius cogens ius fetiale

ius gentium ius honorarium ius protimíseos ius strictum ius sanguinis/originis ius ossibus inheaerens

Jh. klubartiger Zusammenschluss; später Berufsgemeinschaft (entsprechend dem römischen collegium) heilige (Ehe)Verbindung Gesandte bei den Amphiktyonien (‚heilige Merker’) Vertragsschluss mittels Zustimmungserklärung Satz des Protagoras, wonach der Mensch das Maß aller Dinge ist schwerbewaffnete Fußsoldaten Hypothekenstein/e bewusste Überhebung der eigenen Person (über andere)  iniuria im Zweifel für den Angeklagten (Entscheidungsgrundsatz des Strafrechts) allgemein Unrecht; speziell (als Privatdelikt) die Missachtung und Herabsetzung fremder Persönlichkeit Erbeinsetzung Erbeinsetzung auf einen bestimmten Gegenstand (im Gegensatz zur Einsetzung auf einen Bruchteil des Vermögens) ‚Einrichtungen’, insbesondere Rechtseinrichtungen; Titel juristischer (Einführungs)Lehrbücher besondere Verfahrensart des römischen Prozeses, die eine hoheitliche Anordnung herbeiführt, vor allem in Besitzverfahren (Kollisions)Regeln, die bestimmen, welche Rechtsordnung in einem Fall anzuwenden ist (Kollisions)Regeln für die Anwendung von neuem und altem Recht innerhalb ein- und derselben Rechtsordnung ‚gleiches Schicksal’ = Gleichberechtigung bei Verteilungsverfahren (häufig: Verteilung von Grund und Boden) (grundsätzliche) Gleichheit vor dem Gesetz gleiches Bürgerrecht (für die Bürger einer anderen Polis) ‚Gleichheit der Pflichten’, Gleichstellung eines Fremden das auf römische Bürger anzuwendende Recht und das auf Quellen des ius civile beruhende Recht (Vorsicht: nicht deckungsgleich!) zwingendes, d. h. durch Parteienvereinbarung nicht abänderbares Recht (Gegensatz: ius dispositivum, nachgiebiges Recht) das von den für die völkerrechtlichen Beziehungen Roms zuständigen Fetialen angewandte Recht, insbesondere zu Kriegserklärung und Friedensschluss Rechtsregeln, die für alle Menschen (omnes gentes) gelten das von Amtsträgern (vor allem vom Prätor) geschaffene Recht Vorkaufsrecht strenges Recht (meist) als geschriebenes Recht, im Gegensatz zum ius aequum  Epieikeia Bezeichnungen für die Anknüpfung an das Heimatrecht einer Person

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Glossar

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ius vitae ac necis Kaduzität Kairós

Kátharsis Kautelarjurisprudenz

Kenotaph Klerós/Kláros Kleruchíe Koiné Koinodikion Kollisionsrecht Kosmogonie Kosmos kurulische Ädilen Kyrios Legat Legatentestament Legistik lex (forum) contractus lex Aebutia - Aquilia - delicti commissi - fori - Iulia de adulteriis - patriae - rei sitae - Rhodia de iactu

Recht des Gewalthabers über Leben und Tod der gewaltunterworfenen Hausangehörigen erbloser Nachlass, idR dem Staat ‚verfallen’ (caducus = verfallen) der rechte Augenblick (etwas zu tun oder zu unterlassen); die Griechen unterschieden bei der Zeit die messbare physikalische Zeit und den Kairós (rituelle) Reinigung, Läuterung Teilgebiet der juristischen Tätigkeit, die die Parteien bei der Durchführung von Rechtsakten, bei der Abfassung von Verträgen uam. unterstützt Grabmal (ohne Leichnam), leeres Grabmal Landlos (das Bürgern bei der Landverteilung zugewiesen/zugelost wurde) unselbständige Kolonie (Kleruchoi: urspünglich Inhaber eines Kleros in der Kolonie) sprachliche/religiöse/kulturelle Gemeinschaft; zB Rechtskoiné für Streitigkeiten zwischen Poleis zuständiges Gericht = Internationales oder intermunizipiales Privatrecht, bestimmt das anzuwendende Recht im Fall mehrerer möglicher Anknüpfungspunkte Lehre von der Entstehung der Welt in Kreta Titel des höchsten Magistrats  Archonten mit der Aufsicht (und der Gerichtsbarkeit) über den Markt betraute römische Magistrate; griechisch: Agoranómoi in etwa vergleichbar dem (römischen) pater familias; Gewalthaber in einem personenrechtlichen Gewaltverhältnis letztwillige Zuwendung von einzelnen Vermögenswerten (Gegensatz: Erbeinsetzung) Testament, das lediglich Einzelzuwendungen enthält ‚Kunst’ (griechisch téchne) der Gesetzgebung auf Verträge anzuwendendes Recht des Vertragsortes Einführung des Formularprozesses in Rom um 150 v. C. Plebiszit aus 286 v.C. über die Schädigung an Vermögensgegenständen (damnum iniuria datum) auf Delikte anzuwendendes Recht des Begehungsortes das vom entscheidenden Gericht anzuwendende Recht (des Verfahrensortes) von Augustus veranlasste Regelung der Strafbarkeit geschlechtlicher Verfehlungen Regel, die das anzuwendende Recht an das Bürgerrecht knüpft Recht des Ortes, an dem sich die Sache (Liegenschaft) befindet vermutlich kein Gesetz im technischen Sinne (sondern mediterranes Gewohnheitsrecht); Summe von Regeln zur Schadensverteilung bei Verlusten in Seenot

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Glossar

570

Libation Logographen Loxías Lückenfüllung

Manzipation Metöke Miásma mimetische Theorie Moira Musagétes nomologisches Wissen

Nomos agamíou - árgias - moichéias non liquet

Nóthoi Oikist oikoío ánax operae libertorum Orphik Paián Pälikat Palláke Panathenäen

panegyrikós

Trankopfer Verfasser von Gerichtsreden und Eingaben für die Parteien Epiklese des Apollon, weissagend, prophetisch Richter hatten damals (wie heute) jeden Rechtsfall zu entscheiden (kein  non liquet); existierte keine Rechtsnorm (nach der entschieden werden konnte ), musste eine für den Einzelfall geschaffen werden, und zwar durch  Analogie feierlicher Formalakt zur Begründung und Übertragung von Herrschaftsrechten auf Dauer in der jeweiligen Stadt lebender Fremder ohne Bürgerrecht Beschmutzung, Unreinheit, allgemein: Unheil Theorie René Girards zum Entstehen ursprünglicher Gewalt Schicksal Epiklese des Apollon als ‚Führer’ der Musen (ungeschiedene) Gesamtheit von Sozialnormen (umfassend Sitte, Brauch, Gewohnheit, altes Herkommen, Moral, Religion und Recht) in frühen Gesellschaften = Begriff von Max Weber (gebraucht in der Alten Geschichte) Regelung (Straftatbestand) der Ehelosigkeit Regelung (Straftatbestand) der mangelnder Vorsorge für den eigenen Unterhalt Regelung (Straftatbestand) geschlechtlicher Verfehlungen; ua. Ehebruch = die ‚Sache’ ist nicht klar; konnte jemand einen Beweis, den er zu erbringen hatte, nicht erbringen, gereichte ihm das zum Nachteil (iSv Prozessverlust!) – Für staatliche Richter bestand schon in Griechenland Entscheidungspflicht  Richtereid. In Rom konnte der Richter schwören: rem sibi non liquere außereheliche Kinder mit wesentlichen Aufgaben betrauter ‚Organisator’ bei Koloniegründungen; zB Landverteilung häuslicher Gebieter anlässlich der Freilassung dem späteren Patron eidlich zugesicherte Arbeitsleistungen griechische, philosophisch- mystische Bewegung (Geheimlehre) Kultlied, vor allem für Apollon  Pallaké Nebenfrau großes Fest zu Ehren Athenes, jedes Jahr (kleine P.) oder jedes vierte Jahr (große P.) veranstaltet, mit gymnischen und musischen Wettkämpfen über mehrere Tage andauernd, Abschluss mit einem Festumzug der gesamten Bürgerschaft (dargestellt am Parthenonfries) festlich

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Glossar

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Panionion Paramoné

Paranomie(klage) Parentelordnung pater familias patria potestas/kyrieía peculium Periöken Person

Personalitätsprinzip Personalstatut Phratrie

Phreatos Phyle pistis Polemarch Popularklage positives Recht Postglossatoren (= Kommentatoren) Praetor Praetor peregrinus Praetor urbanus Privatautonomie Promulgation Prostátes

zentrales Heiligtum des ionischen Bundes Bezeichnung für unterschiedliche Rechtsverhältnisse (ua. in der Funktion einer Gestellungsbürgschaft); hier: Verpflichtung des Freigelassenen zur Leistung von Diensten an den Freilasser  operae libertorum wegen missbräuchlicher Gesetzgebung Gliederung der Verwandten nach Stämmen; zB Eltern und deren Nachkommen, Großeltern und deren Nachkommen usw. (familiärer) Gewalthaber, der selbst in keinem Gewaltverhältnis steht, gewaltfreier Mann Hausgewalt einem gewaltunterworfenen Hausangehörigen zur selbständigen Verwaltung überlassenes Vermögen Bürger ‚minderen Rechts’ (Sparta) nach moderner Auffassung Träger von Rechten und Pflichten; natürliche Person – juristische Person (Personenverbände, Vermögensmassen) Grundsatz, wonach das anzuwendende Recht vom Status der beteiligten Personen abhängt rechtliche Lage einer Person, auf sie anwendbares Recht; heute: entweder Bürgerrecht oder Wohnsitzrecht ‚Bruderschaft’ – Gruppe von Verwandten, bestehend aus mehreren Klans; im klassischen Athen (nur noch) organisatorische Untereinheit (4 Phylen, je 3 Phratrien zu je 30 Gené) = Heros der Gerichtsstätte én phreattoí – Küstenort für Verfahren gegen landflüchtige (verbannte) Mörder und Totschläger Stamm, organisatorische Einheit (Athen) = fides Bezeichnung für einen (ursprünglich militärischen) hohen Amtsträger; Athen: einer der Archonten Klage, die jeder Bürger anstellen kann (Österreich: nach dem Konsumentenschutzgesetz §§ 29 f) positiviertes = gesatztes Recht auf die Glossatoren folgende rechtswissenschaftliche Schule, für deren Vertreter der ausführliche Kommentar (nicht die Erörterung einzelner Fragen) typisch ist für die Gerichtsbarkeit zuständiger römischer Magistrat Fremdenprätor Stadtpraetor grundsätzliche Befugnis des Einzelnen zur selbständigen Gestaltung seiner Sphäre (Gesetzes)Kundmachung Vorsteher; Beistand (im Verfahren), Patron; Vertreter der Metöken

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Glossar

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Protímesis Proxeníe Prytaneíon

Psephísma/Psephismata Publizität Pylagoroi querela inofficiosi testamenti receptum arbitri - argentarii - nautarum cauponum et stabulariorum Rhetra/Rhetre Rechtsfähigkeit

Richtereid

Schenkung auf den Todesfall/donatio mortis causa Seelgerät

Seisáchtheia Sieben Weise

Siete Partidas Sophistik Spolienarchitektur Spondé/Spondaí Spondophoroí

Vorzug Schutz der Interessen von Fremden durch damit betraute Bürger ‚Amtshaus’, Versammlungslokal der Prytanen; Mittelpunkt des Staates; mit speziellen richterlichen Zuständigkeiten betraut (Klagen gegen unbekannte Täter, Tiere und leblose Gegenstände; zB Buphonienbeil!) (Volks)Beschluss als eigene Rechtquelle neben dem Gesetz im Rechtsbereich: Erkennbarkeit von rechtlichen Beziehungen/Rechtsakten im Interesse der Rechtssicherheit Gesandte bei den Amphiktyonien (als Berater der  Hieromnemones) Klage, mit der ein Testament wegen Pflichtwidrigkeit angefochten wird (etwa wegen Übergehung) Versprechen, das Amt eines Schiedsrichters zu übernehmen Versprechen eines Bankiers, für die Auszahlung eines Darlehens zu sorgen Garantieübernahme der Schiffer, Gast- und Stallwirte für die eingebrachten Sachen der Passagiere und Gäste Gesetz, Verordnung insbesondere des Lykurg (Sparta) Rechte und Pflichten haben können, Person = Rechtssubjekt sein; s. auch  Handlungsfähigkeit (die heute wieder in Geschäfts- und Deliktsfähigkeit unterteilt wird) in Griechenland weit verbreitet; Richter mussten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit schwören, sich streng an das Gesetz zu halten und bei Fehlen einer Regel ( Lückenfüllung) nach bestem Wissen und Gewissen gerecht ( dikaiotáte gnóme) zu entscheiden Schenkung, die erst mit dem Tod des Schenkers wirksam wird

griechische ‚Totenkultstiftung’, Stiftung zur Totenbetreuung; im Mittelalter Bezeichnung für die an Kirche und gemeinnützige Zwecke gemachten Zuwendungen um des Seelenheils willen Schulderlass, insbesondere derjenige Solons Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens des späten 7. und 6. Jahrhunderts, durch ihre Weisheitssprüche bekannt; über sie existieren unterschiedliche Listen; erste ausdrückliche Erwähnung bei Platon Gesetzbuch Alfons X. von Kastilien, des Weisen (13. Jh.) griechische Philosophenschule Wiederverwendung von Teilen aus anderen Bauten zu unterschiedlichen Zwecken meist völkerrechtlicher Art geschlossene Verträge Herolde

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Glossar

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Sponsio Statutenlehre Stipulation = Sponsio superficies solo cedit

Symbola/Symbolon/ Symbolai Symmachie Sympolitie Synégoroi Syneidesis/conscientia Syngrapheís Synoikismos Synthékai Territorialitätsprinzip Testierfähigkeit Testierfreiheit Themis Theodorikoí Thesmós Thesmothéten Théten Tímema Totenteil Tradition Trapezites Universalsukzession verba-voluntas (Gegensatz)

Vertrag, der mittels mündlichen Versprechens in Frage- und Antwortform geschlossen wird in der Frührezeption entwickelte Lehre zur Entscheidung, welche von mehreren Rechtsordnungen anzuwenden ist formgebundenes mündliches Leistungsversprechen; später ganz allgemein Versprechen Grundsatz, wonach alles, was mit dem Boden fest verbunden ist, dessen rechtliches Schicksal teilt; daher kein separates Eigentum am Gebäude (vgl. § 297 ABGB) Rechtshilfevertrag Kampfgemeinschaft ‚Gemeindeverband’, Zusammenschluss von Poleis Personen, die im athenischen Prozess die Parteien unterstützten, die nicht an deren Stelle, sondern mit ihnen gemeinsam auftraten Gewissen, Bewusstsein Kollegium, das die schriftlichen Vorlagen für die Volksversammlung anfertigte (diese Aufgabe ging später an die Boulé über) Zusammenschluss kleinerer Gemeinwesen zu einer Stadt (durch Synoikismos entstandene Städte: zB Athen, Sparta, Megalopolis, Rom) völkerrechtliche Verträge mit gemeinsam erstellten Regelungen Grundsatz, nach dem alle Personen und Akte nach dem Recht des Territoriums, auf dem sie sich befinden/ereignen, beurteilt werden Fähigkeit, ein gültiges Testament zu errichten; eine qualifizierte Geschäftsfähigkeit Befugnis des Erblasses über seine vererblichen Rechte (frei) zu verfügen = Privatautonomie im Erbrecht Tochter des Uranos; Gefährtin/Gattin des Zeus; Göttin der Gerechtigkeit und der Ordnung (Töchter  Dike, Eunomia, Eirene) Festgesandte autoritativ gesatztes (= gesetztes) Recht; zB Drakon, Solon Gesetzgeber Tagelöhner, die vierte (unterste) Klasse der Bürgereinteilung bei Solon Strafantrag, Strafe/Strafbemessung Grabbeigabe formfreie Übergabe (im Rahmen des Eigentumserwerbs) Bankier/s Gesamtnachfolge, das Einrücken des Nachfolgers in die Rechtsposition des Vorgängers insbesondere im Erbrecht Diskussion darüber, ob bei der Auslegung dem Wortlaut oder dem (nachweislichen) Willen der Vorrang gebührt; erste Formulierung bei Aristoteles

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Glossar

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Verfallsfrist

Verschuldensarten Verschuldenshaftung Veteres

Vierzigmänner vindicatio

vis ex conventu Xenikoí agoranómoi Xénios kosmos Xenodíkai Xénos Zentumvirn

Zeugiten Zwölftafelgesetz Zeus (Epiklesen des Zeus: Auswahl) - agoraíos - alexíkakos - apotropaíos - boulaíos - chthónios - eleuthérios - euménes - ephéstios - herkeíos - hórkios - hikésios - hýpatos - kathársios - ktésios - patér - patróos

= Ausschlussfrist = Präklusivfrist, von Amts wegen wahrzunehmende Frist, nach deren Ablauf Rechte nicht mehr geltend gemacht werden können  dolus, culpa Haftungslehre, wonach nur bei zurechenbarem Verschulden für den Eintritt eines schädigenden Ereignisses einzustehen ist in der römischen Juristensprache Bezeichnung für Juristen, die vor dem Referenten gelebt haben, zumeist sind die republikanischen Juristen gemeint ‚mobile’ Richter, zuständig für Bagatellsachen förmliche Inanspruchnahme von (Personen und) Sachen auf Grund eines Herrschaftsrechts; insbesondere die Eigentumsbehauptung; auch Bezeichnung für die Eigentumsklage selbst vereinbarter Gewaltakt im Interdiktenverfahren  Exagogé für Fremde zuständige Magistrate im ptolemäischen Ägypten Magistrat für Prozesse von Fremden Richter in Prozessen von Fremden Gastfreund; Fremder Richterkollegium mit zunächst 105 (je 3 aus jeder der 35 Tribus), in der Kaiserzeit bis zu 180 Mitgliedern; insbesondere große Erbschaftsprozesse! Kleinbauern; zur dritten Klasse der Bürgereinteilung bei Solon gehörend von den Plebejern im Ständekampf durchgesetzte Niederlegung des geltenden Rechts durch die decemviri legibus scribundis (451 v. C.)

Beschützer der Volksversammlung rettend unglückabwendend Ratgeber Erdgeborener Befreier; Beschützer der Wohlgesinnte Beschützer des Hauses/Herdes Beschützer des Hofes Beschützer des Eides Beschützer der Schutzflehenden der oberste der Götter Reiniger, Entsühner zum Haus gehörend Vater Schützer des Geschlechts

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Glossar

- phrátrios - phílios - polieús - sotér - xeínios - meilíchios - mórios - olýmpios

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zur Phratrie gehörend Beschützer der Freundschaft Stadtgott Retter Beschützer der Fremden der gnädige/entsühnende Beschützer der Ölbäume der Olympier

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Stichworte Umfasst Personen, Orte und Begriffe abdicatio 185 Abgabenfreiheit 405 ABGB 541 Abkommen, bilaterale 435 Accursius 377 Achäischer Bund 449 Achtung vor dem Gesetz 540 Ackerbau 248 actio - ad exhibendum 532 - de dolo 135 - de effusis et deiectis 145, 534 - de feris 534 - de sepulchro violato 145, 534 - funeraria 534 - iniuriarum 522, 529, 534, 538 - institoria 39, 531 - quod metus causa 135 - rei uxoriae 534 actiones in bonum et aequum conceptae 534 Ädil - Edikt 522 adoptio testamentaria 533 Adoption 36, 146, 166, 181, 318, 337 - des Herakles 260 - posthume 157 - testamentarische 169 Adoptionstestament 176 Adorno, Theodor W. 94 aequitas 130, 134 f, 477, 509 aequitas  s. auch Epieikeia Affekt 224 Affektlehre 135 Agamben, Gorgio 19 Ägina 369, 468 Agnation 198 Agon 209, 226

Agora 539 Agoranómoi 552 Ägypten - ptolemäisches 552 Ahnenkult 169, 181, 297, 317 Aiginetische Rede 185, 213, 369 Aischylos 17 Aisymnetie 19, 178, 541 Aitolischer Bund 449 Akademie, platonische 127 Akarnanischer Bund 449 Akkad 456 Aktionensystem, römisches 537 Alalia 351 Aleppo 459 Alexander der Große 340, 550 Alkestis des Euripides 44 Allam, Schafik 14 f, 31, 34, 88, 204, 325 ALR 541 Alter Orient 325, 465 Altersvormundschaft 36 Altes Herkommen 227 Alyattes 465 Amasis 395 ambulatoria est voluntas defuncti … Rechtssprichwörter amicitia 444 f Amphiktyonen - Schwur der delphischen 446, 467 - Völkerrecht 446 Amphiktyonie 161, 222, 317, 330, 444 f Amphipolis 358 Amtshaftung 536 Analogie 526 - und Anomalie 45

ánax (andrón) 278 Anaxagoras 194, 217 Anaximander 110, 182 Anaximenes 110 anér spoudaíos 294 Anerbenrecht 555 Anthela 446 Anthropologie 19, 242 Anthropomorphismus 258 Antichresis 526, 532 Antigonos Monophtalmos 372 Antigraezismus 58, 122, 140 Antike Rechtsgeschichte 14, 27, 30, 214 Antiphon 5, 18, 37, 49, 93, 549 Antonius (Marcus) 520 Anwaltschaft 411 Aphrodite 184, 268 Apoikie 356 Apokeryxis 185 Apoll, Delphischer 166, 209, 223 f, 238, 242, 265 f, 468 Arbeitstechnik, juristische 554 Archaik, griechische 148, 162, 166, 182, 188 f, 211, 325, 487 Architektur 193 Archive 89, 328, 528, 531 Areopag 149, 538 Arglist 484 Argumentation 547, 549 Aristoteles 18, 37, 548 Arkesilaos 135 arr(h)a 326, 526 Arrian 340 ars boni et aequi 557 Artemis (von Ephesos) 184, 339 Arzt 178 - und Patient 18

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asébeia 217, 261, 303 f Assur 459 Astronomie 193 Asyl 446, 466, 486, 521 Asylie 443 Athen, Gerichtshöfe 149 Athena/e 184, 268, 269 Atimie 414 Attisch-Delischer Seebund 457, 504 audiatur et altera pars  Rechtssprichwörter Aufenthaltsberechtigung 346 Augustus 370 Auslegung 72, 542, 544, 547 Auslieferung politischer Flüchtlinge 466 Ausnahmezustand 19 Babylon 340, 459 Baldus 378 Bankwesen 51, 526 Bartolus 378 basileús 278 Beamtenstand 5 Beauchet, Ludovic 34, 531 Beerdigungspflicht 157 Begriffs- und Systembildung 528, 542 Beistand 451, 488 Beistand(spakt) 488 Belastungsverbote  Veräußerungs- und Belastungsverbote Bellizismus 120 Bernays, Jacob 236, 241 Besitzschutz 60, 89, 201, 521 f, 529 Bestattung 45, 316, 337, 519 Beuteaufteilung 443 Beweis 145 Beweislehre 73 Beweiswürdigung 542 Bildung 57, 93, 103, 121 Billigkeit 48, 377, 557  s. auch Epieikeia Binnenvölkerrecht 469 Biscardi, Arnaldo 206 Blutrache 212, 223, 532

Blutrecht 166, 212 Boiotischer Bund 449 bona fides 477, 506, 554 bonae fidei iudicia 130 Bonner, Robert J. 68 bonorum possessio 529, 533 bonum et aequum 60, 557 Boulé 313 Brandopfer 230 Brauch 181 Brea 360, 501 Bruck, Eberhard F. 8, 13, 33, 60, 152 Brutus (Marcus Junius) 553 Bundesstaaten 445, 447 Bündnisse 442, 449, 451, 504 Buphonien 235 f, 239 Buphonienprozess 239 Bürge, Eintrittsrecht 534 Bürger 313, 346 Burkert, Walter 20, 180, 242, 244 Byzanz 140, 509 Calhoun, George M. 8, 10 f, 21, 26 f, 40, 59 f, 63, 68 ff, 75 f, 79, 81, 83 f, 143 f, 150, 264, 296, 650 Caracalla 61 Cäsar 80, 511 case law 205, 543 casus 134 Çatal Hüyük 243 Cato 74, 533, 551 Cato (Marcus) 520 Celsus 135, 508, 537, 557 Chaironeia 5, 18 Chaleion 414 f, 440 Chalkis 358 Chaniotis, Angelos VI, 161, 430, 449, 471 f, 474 f, 496 Charondas 78, 79, 164, 166, 364, 377 Chilon 37, 41 Chios 184, 395 Christentum 510 Chrysippos 135 Cicero 43, 47, 74, 479, 498, 507 f, 520, 528, 553 f

Clan 169 Code Civil 541 Codex - Eãnunna 460 - Hammurabi 458, 460 - Justinianus 58, 126 - Lipit Eãtar 460 - Theodosianus 126 - Ur-Nammu/a 458 Codex Hammurabi 456 Cohen, David 151, 196, 213 color insaniae 533 commercium 480 Comte, Auguste 115 connubium 480 Constitutio Antoniniana 61, 82, 369, 547 constitutum debiti 526 Corpus Hippocraticum 111 Corpus Iuris Civilis 57, 59, 82 culpa 535 Curtius, Ernst 548 custodia 84 damos/demos 539 Darlehen 147 Das Gut rinnt wie das Blut  Rechtssprichwörter de mortuis ni(hi)l nisi bene  Rechtssprichwörter decemviri legibus scribundis 541 deditio 489 deductio quae moribus fit 521, 529 Deduktion 97, 543 Delos 446 Delphi 209, 216, 323, 338 f, 388, 446 Delphinion 149 Delphisches Orakel  Apoll, delphischer - Entscheidung 451 Demeter 273 Demetrios von Phaleron 528, 530 Demokratie 24, 106, 119, 140, 146, 211, 269, 331, 344, 537

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demosia pistis 452 Demosthenes 535 f - Unmöglichkeit 44 depositum irregulare 526, 533 Der Bauer hat nur ein Kind  Rechtssprichwörter Diadikasie 28, 200, 205 Diadochenreiche 487 Dialaktes 19 Dialektik 73, 548 f, 550 Dialog 547 f Didyma 209 Dienstvertrag 522 Diespiter-Juppiter 246 Digesten 58, 126 Dikasten 150 Dike 209, 282 diligentia 535 Dilthey, Wilhelm 517 Diokles 377 Diokletian 82 Dionysios von Halikarnass 541 Diplomatie 505 Dipolienfest  Buphonien Dipylon-Kanne 539 do ut des 262 Dodds, Eric R. 68, 218, 244, 256 Dodona 209 dolus 134, 484 dominium  Eigentum donatio mortis causa  Schenkung auf den Todefall Dotalrecht 35 Drakon 78, 166, 223, 238, 521 Dreros 78, 539 Dülmen, Richard von 116 Dunkle Jahrhunderte 44, 76, 77, 102, 148, 188, 227, 280, 331 Dura-Europos 162, 419 Durchfahrtsrecht 485 Durkheim, Emile 20 Echnaton 118 Eco, Umberto 140

Edikt - de inspiciendo ventre 530 - der kurulischen Ädilen 533 - des Augustus von Kyrene 370 - prätorisches 520, 530 Ehe 35, 293 Ehebruch 35, 165 Ehescheidung 35 Ehevertrag, babylonischer 457 Ehre 293 Ehrenberg, Victor 90, 144 Ehrlich, Eugen 30, 128 Eid 216, 250, 298, 383, 492 - Bruch 455 - von Opis 340 Eigentum 162, 205 - Erwerb durch Verarbeitung und Verbindung 523 - griechisches 204 - Prozess, lokrischer 521 - Spezifikation 87 - Vererbung 417 Eigentumsdiadikasie  Diadikasie Eingemeindungsvertrag  Synoikismos Eirene-Verträge 494 Eisangelie 542 Ekecheiria 335, 495 Elam 454, 459 Elea 351 Eleutherna 379, 450 Eliade, Mircea 244 f, 248, 269, 308 Emphyteusis 532 Empirie 97, 543 Emporikaí díkai 168 Emporikoí nómoi 168 Emporion 359 Endogamie 274 Ephesos 339, 372 Epheten 149 Ephialtes 17, 538 Epidamnos 361

Epieikeia 11, 43, 60, 72, 145, 344, 444, 452, 477, 484, 542 - im römischen Völkerrecht 506 Epigamie 430 Epikleros  Erbtochter Epiklesen 273 Epimenides 224 Epirotischer Bund 449 Epitaphien (auf berühmte Rechtshistoriker) 13 Epitaphioi logoi 336 Epitaphios 315 - des Demosthenes 316, 336 - des Hypereides 316, 336 - des Perikles 156 Epoikoi 366, 391, 398 equity 11, 509, 542 Erbfolge, gesetzliche 90 Erbpacht  Emphytheuse Erbrecht 146, 175, 181 f, 185, 191, 199, 297, 318, 328, 337, 347, 401, 416 - von Frauen 337 - Brüder 423 - gesetzliches 9, 146, 166, 185, 195, 213, 337, 419, 423, 425, 430 - Kolonisten 417 - Nachzügler 422 Erbschaftserwerbswille, schlüssiger 533 Erbtochter 35, 168, 208, 337, 556 Erdmutter 252 Erfolgshaftung 145, 239, 240 Eridu 454 Eroberung 484 Eseltöten 462 Eãnunna  Codex Eãnunna Estermann, Hans 53 Euaimon 371, 427 Euböischer Bund 449 Eunomia 146, 538 Euripides 17

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Europa 273 - und das römische Recht 16, 128 - und griechisches Recht 25, 122 exceptio doli 134 Exekutivklauseln 491 Exheredation 199 Exogamie 274 Fahrlässigkeit 145, 527 fait social total 169 Fallrecht  case law Familie 162, 166, 169, 198, 293 - bäuerliche 555 - Eigentum 166, 187, 424, 555 - indoeuropäische 251 - Organisation 186, 208, 248, 296 - Recht 34, 146, 166, 167, 187 f, 200, 294, 297, 337, 374, 428, 521, 532 - Religion 187 Fayûm 348, 371, 436 Fest, Joachim 96 Feste - Gesandte 132, 360 - Kalender 216 - Orte 328 - panhellenische 133 - Spiele 493 Fetialen 508 Feuerkult 252 fides 444, 452, 484, 506, 509 fides publica 452 Fiktion 534 Filiation 160 Finley, Moses I. 196 f, 201 ff, 207 Flavius Josephus 489 Fluchformel 367, 463, 466 Fluchtritual 237 f, 241 foedera - aequa und iniqua 488, 490 f, 498, 507 - ferire und percutere 467

foenus nauticum 533 Formularprozess 133, 552 Formvorschriften 298, 510 forum - contractus 349, 441 - delicti commissi 349, 372, 441 - domicilii 441 Foucault, Michel 99 Frau - Abwertung 279, 293 - Verhältnis zum Mann 199 Freiheit 336 - der Person 537 Freikauf 532 Freilassung 36, 532 Fremdenrecht 64, 78, 130, 131 ff, 145, 153, 157, 177, 201, 274, 324, 333, 338, 412, 434 f, 439 f, 485, 526 - Gericht 173, 177, 201, 435, 439, 552 - Kosmos 130, 132 - Magistrat 145, 177, 338 - Prätor 78, 81, 130 f, 133, 145, 338, 434, 469, 477, 526, 551 f - Prozess 132, 177, 411, 412, 435, 450 Freud, Sigmund 100, 105, 558 Freund-Feind-Klausel 456 f, 501, 510 Freundschaftsverträge 449 Friedensverträge 443, 449, 492, 501 Frömmigkeit 262 Frühsokratiker 549 Fund 164, 167 Gabentausch 170, 463 Gadamer, Hans-Georg 93 Gagarin, Michael 68, 150, 153, 160, 196, 200, 206 Gaius 499, 513 Gallus (C. Aquilius) 553 Gastrecht 274 Geburtsregister 531 Gefährdungshaftung 552

Gegenleistung 526 Gegenseitigkeit 169, 346, 354 Geierstele 454 Gela 361 Geld 170 Gellius (Aulus) 37, 41, 512 Gemeinschaftskolonien 160 Generalklausel 72 Genos 166 Geonómoi 360 Gerechtigkeit 46, 162, 336, 547, 557 - als Rechtsidee 538 Gerechtigkeitsexperiment 366 Gerichtsbarkeit 542 - unabhängige 525 Gerichtsstand 450 Gerichtszwang 224 Gesandtschaftswesen 444, 467, 483 Gesandtschaftswesen 274 Geschlechtsverkehr, vorehelicher 277 Geschlechtsvormundschaft 36, 168, 199 Gesellschaftsvertrag 542 Gesetz - Auslegung 526 - Kollisionen im römischen Reich 369 - Lücken 151 - Präambeln 18, 466 - ungeschriebenes 316, 478 Gesetzestreue 48 Gesetzgeber 166 Gesetzgebung 5, 20, 525, 548 - Justinian 527 Gewährleistung 522 Gewalt - Hausgewalt 188 - höhere 145, 460, 527 - väterliche 36 Gewohnheitsrecht 25, 156, 157, 225, 478, 520, 530, 556

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Gigon, Olof 98 Gimbutas, Maria 244 Girard, René 242 Gläubiger-SchuldnerBeziehung 561 Gleichheit 336, 365, 537 Glossatoren 58, 122, 378 Göbekli Tepe 2, 112, 231, 241 Goldene Regel 74, 433, 518 Gorgias von Leontinoi 5, 153, 194, 343 Gortyn 168, 172, 198, 346, 529 Götterglaube 18, 136, 193, 232, 292, 301, 309, 317, 554 Göttervorstellungen - anthropomorphe 257 - griechische 184, 271 Gottesfriede 446 Gottlosigkeit  asébeia grafé para nómon 542 Grammatik 73 Grenzverträge 449 Grotius, Hugo 452, 478, 498 Grund und Boden 293 Grundbuch 5, 88, 523 - von Tenos 172 Grundstückskäufe  Kaufrecht Gschnitzer, Franz 39, 97, 102, 106, 170, 378, 402, 472, 474 ff, 544 Guilt-Culture 218, 285 Gute Sitten 542 Güteraustauschrecht 298 Gutsübergabe 200 Hafengerichte 434 Halikarnaß 172 Hampl, Franz 74, 85, 95, 507 Handel 170 - Bräuche 157 - Gesellschaften 551 - Verkehrsrecht 153, 166, 173, 528 - Verträge 444 Harrison, Jane E. 216

Hartmann, Nicolai 517 Hatti 457 Hattusili III 466, 511 Hausfrau/Despoina 277 Hausgemeinschaft 166 Häusler, Alexander 244 Haussuchung 519 Hausvater 294  s. auch Kyrios, pater familias Haverei, große 527 Hegel, Georg W. F. 540 Heiligtümer 226 - hellenische 317 Heimatrecht 409, 422, 428 Heimfallrecht 417 Heirat 169, 170 - Regeln 297 - Sitten 204 Helden 117, 121, 241 Heliaia 149 Hellenion 177 Hera 229, 271, 273, 275 Herakles 227, 331 Heraklit 110, 257 hereditas 535 Hermeneutik 73, 548, 555 Herodot 37, 179, 184, 194, 431 Heroen 306 Heroenkulte 162, 215, 226, 303 Herold 467 Hesiod 234, 235, 555 Hetairie 313 Heuß, Alfred 11, 176 Hierapytna 379, 450 Hierogamien 273 Hippias von Elis 343 Hippokrates 109 Hirzel, Rudolf 60 Hitzig, Hermann F. 60 Hoheitsakt 474 homo necans 242 Homologia 464, 475 f, 490, 495 Homo-mensura-Satz 122, 195 Hopliten 365 Hoplitentechnik 313

Horak, Franz 54, 515 f Horkheimer, Max 116 ff hórkia témnein 467 Humanismus 93, 103, 115, 120, 121 Hybris 15, 26, 145, 220, 526, 534, 537 Hypereides 37, 38, 531 hyperocha 526 Hypoknemidier 411 Hypothek 15, 172, 526, 529 - Horoi 173 Ihering, Rudolph von 244, 552 Imbros 358 in dubio pro reo  Rechtssprichwörter Individualeigentum 146, 166, 318 Individualisierung 544 Indoeuropäer 245 Indogermanen 29, 244, 245, 246, 288, 342 inherited conglomerate 153, 258  nomologisches Wissen Initiation 170 iniuria 15, 60, 506, 526 Instanzenzug 525, 536 Interessentheorie 536 Intuition 515 Inzest 169, 274, 297 Irrtum 523 Ischia 380 Isokrates 37, 185, 369, 530 Isomoiria 187 Isonomie  Gleichheit Isopolitie 161, 346, 441 f, 449 f, 485, 502 Isthmia 209 iuris vinculum 462, 508 ius - aequum 43, 508, 523 - belli 500, 506 - belli ac pacis 506 - civile 78, 81, 129, 477, 506, 523 - est ars boni et aequi 537 - et aequitas 557

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- fetiale 444 f - gentium 78, 81, 130, 131 f, 134, 173, 196, 434, 477 f, 484, 506, 508, 523, 528 f, 557 - honorarium 77 f, 477, 507 - imaginis 158 - naturale 78, 83, 196, 529, 557 - ossibus inhaerens/t 347, 433 - praetorium 77, 507 - privatum 125 - publicum 125 - sacrum 554 - sanguinis/originis 347 - strictum 43, 508 ius gentium  s. auch Völkerrecht ius naturale  s. auch Naturrecht ius peregrinum  s. auch Fremdenrecht iustitia perennis 17 Jagd 233 - Bräuche 157, 230, 234 - Rituale, steinzeitliche 229, 232, 235, 239, 240, 243 Jünger, Friedrich G. 94, 95, 114, 217, 266 Jurisprudenz 70  s. auch Rechtswissenschaft, römische - spätrepublikanische 553 Juristen als Priester 123 Juristenausbildung 64 jus  ius Justice of Zeus 259 Justinian 57, 78 Justus, Thibaut 541 Kadesch 466 Kaduzität 417, 419, 423 Kant, Imanuel 20 Kapitulation 443, 483, 488, 491 Karthago 147

Kaser, Max 63, 515, 516, 522 Katane 364, 377 Kataster, hellenistischägyptisch 531 Kátharsis  Reinigung Kaufrecht 147, 172 Kautelarjurisprudenz 67, 353, 370, 379, 391, 426, 438 Kelsen, Hans 99, 128 Kerkyra 345, 361, 451 keryx 484 Kinder, uneheliche 35, 204 Kindesaussetzung 157 Kiã 454 Klagen, öffentliche 537  s. auch Popularklage und Hybris Kleanthes 135 Kleisthenes 78, 166, 306 Kléros 187 f, 294 Kleruchiesystem 147, 356, 382 Klientel 36 Kodex Hammurabi  s. Codex Hammurabi Kodifikation 511, 525, 540 f - Justinian 512 Koine-Eirene-Verträge 502 Koinodikion 375 koinón díkaion 477, 528 koinós nómos 477 Kollisionsrecht 16, 144, 177, 345, 421, 434, 450 - familienrechtliches 427 - in Isopolitievereinbarungen 450 - innerstaatliches 348 - intermunizipiales 348, 434, 450 - IPR-Vertrag 367 - Modelle 366, 431 - Prinzipien 432, 440 - privat- und öffentlichrechtliches 432 - Probleme 354, 359, 435 - ptolemäisch-ägyptisches 155

- Vertrag 421 Koloniegründung 160, 173, 174, 370 - Standards 387 Kolonisation 160, 350, 353, 356, 365 f, 380, 391, 430, 437 f, 451 - Große 189, 222, 226, 313, 324, 353, 356, 363, 379, 387 f, 391, 432, 438, 513 - und Völkerrecht 451 Kommentatoren 122, 378 Konkubinat 35, 532 Konsens 28, 463, 496, 522, 533 Konsensualvertrag 28 Konstantin der Große 62, 82, 509 Konstantinopel 140 Konsularsystem 132 Korax 5 Korfu 345 Korinth 356, 361, 380, 451 Koroãec, Victor 463 Korsika 351 Koschaker, Paul 57, 552 Kosmos 182 Kreditwesen 51 Kreislaufmodell, normatives 291 Kreta 449, 468, 471, 552 - Mordsühnung 241 Krieg 483 - Erklärung 444 f, 500 - Humanisierung (durch Völkerrecht) 233, 446, 452, 508, 509 - öffentlicher 500 - Verrechtlichung 500 Kroisos 466 Kronos 274 Kübler, Bernhard 86, 134 Kulturbrüche 516 Kulturdrift 268 Kulturtransfer 5, 353 Kultus 215 Kunst 193 Kurgan 248

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Kyrene 144, 359 ff, 364, 366, 370 ff, 381, 385, 387, 391 - Gründungspakt 386 f, 392 Kyrieía 188 Kyrios 188, 199, 230 Kyros 37, 45, 466 Kythera 361 Lagaã 454 Laienrichter 149, 151 Lampsakos 351 Landaufteilung, naupaktische 425 Landlos 199 Landschaftsverbände 179 Lang, Martin 15, 31, 55, 182 Larsa 459 Lato 379, 450 Latte, Kurt 20 legal isolationism  Rechtswissenschaft, römische Isolierung Legalitätsprinzip 538 Legatentestament 176 leges Iuliae 130 leges sumptuariae  Luxusgesetzgebung Legistik 5, 146 Leistung 526 - entgeltfremd 170 - entgeltlich 170 - unentgeltlich 169 f Lemnos 358 Lenel, Otto 131 Lesbos 358 Leto 273 Levy, Ernst 83 Lévy-Strauss, Claude 30, 122, 169, 274 lex - Aebutia 81, 130, 133, 552 - Aquilia 77, 80, 86 - contractus 378 - delicti commissi 373, 378, 414, 439

- fori 346, 349, 372 f, 378, 409, 414, 433, 439, 440, 451 - Hieronica 531 - Iulia de adulteriis 35, 521 - loci actus (oder forum contractus) 349 f - loci delicti commissi (oder forum delicti commissi) 349, 433, 440 - patriae 346 - rei sitae 349, 369, 378, 433, 435, 439, 441 - Rhodia de iactu 521, 527, 533 Libation 250 Liessmann, Konrad P. 94 Litteralkontrakt 526 Livius 541 Lloyd-Jones, Hugh 68, 244, 259 locus regit actum  Rechtssprichwörter Logographen 5, 40, 89, 412 Lokri 133, 198, 353, 398, 552 - epizephyrisch 164, 364, 377, 398, 529 - hypoknemidisch 198, 366, 370, 381, 392, 398, 405, 410, 414, 415 ff, 419, 420, 423 longi temporis praescriptio 526 Lorenz, Konrad 20, 112, 180 Lückenfüllung 72, 90, 154, 213, 412 f, 439, 505, 526, 544 - richterliche 26 Luxusgesetzgebung 45, 337 MacDowell, Douglas M. 68 Macht des Schicksals  moira Magna Graecia 52, 86, 133, 513 Magnesia/Lydien 349 Magnesia/Maiandros 450

Malinowski, Bronislaw 30, 90, 167, 293 Mängelrüge 534 Manilius (Manlius) 553 Mantelgesetz 399 Mari 459, 461 Marktaufseher 184 Maschke, Richard 60, 99, 151, 206, 223, 299, 535 Massalia/Marseille 351 Mauss, Marcel 169 Mayer-Maly, Theo 15, 18, 54, 533 Medizin 109 Megara 380 Melierdialog 452 Menander 44 Menschenbild 119, 218 Menschenopfer 232 Menschenrechte 121, 336, 538 Merton, Robert K. 10 Mesopotamien 455 Methode 146, 542, 548 - römischer Rechtsfindung 515 Metöken 347 Metropolis 356 Meuli, Karl 230 f, 237, 242 Miasma 241, 263, 286 Midas-Vergleich 20 Milet 174, 339, 380, 385, 395 Mischehen 430 Mitgift 166, 168, 199 Mitleid 232 Mitteis, Heinrich 13 Mitteis, Ludwig 13, 51, 52, 60, 98, 173, 183, 197 f, 201, 205 ff, 210, 213 f, 368, 370, 478 Mnemones/Merker 172, 338 mobilia ossibus inhaerent  Rechtssprichwörter moira 280, 286 Mommsen, Theodor 7, 73 Monogamie 34, 165 Monotheismus 118 Montaigne, Michel de 96

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Montesquieu, Charles de 96 Moral 181, 218 Mord 164 Mordsühne in Kreta 242 Mündigkeit 168 Muße 94 f, 121 Mysterien, eleusinische 177 Mythos 114, 217, 230, 234 f, 235, 252 Nachbarschaft 204 Nachkolonisierung 370 Nachzügler 366, 395, 398, 417 Nahrungsverteilungsregeln 169, 274 naturalis ratio 131 Naturphilosophie, ionische 182, 547 Naturrecht 64, 153, 157, 196, 478, 484, 523, 526, 556 f s. auch ius naturale Naukratis 160, 177, 184, 360, 395 Naupaktos 144, 353, 357, 359 f, 364, 366, 371, 379, 381, 398 - Inschrift 398 - Nachzügler 368 Nausithoos 345 Neaira 532 Neid der Götter 220 Nesiotenbund 449 Neumann, Hans 14 f, 31, 182, 325, 454, 458 ff Neutralität 335, 485 Nichtangriffsklausel 492 Nichtangriffspakt 466 Nikias-Vertrag 494, 504, 506 Nilsson, Martin P. 221 Noctes Atticae  s. Gellius (Aulus) nomima 361, 483 nomologisches Wissen 78, 153, 170, 181, 227, 258, 290, 332 Nomos 483, 539 - agamíou 294

- agraphos  Gesetz, ungeschriebenes - árgias 294 - moicheías 44, 209, 277, 294 - und Physis 343 Nomothesie 540 Nordafrika 513 Normenkontrolle 525, 538, 542 Notariat 528 - ägyptisches 374 - griechisches 374 Notariatswesen 89 obligatio 64, 71, 171, 201, 298, 462 Oikist 359 f , 364, 385, 421 Oikos 162, 166, 204, 208, 293 f, 318, 328 Oikoumene 528 Olus 450 Olympia 209, 335, 339 - Spiele 177 Opferbräuche 216, 230, 234 - Langknochen 229 - Speiseopfer 229 f - Tieropfer 246 - Trankopfer 246 Opis 340 Opus 353, 358, 363, 368, 370, 381, 388, 392, 398, 440 f Orakel 209, 226, 258 Orchomenos 371, 427, 441 ordre public 436 Organtransplantation 432 orientalisierende Epoche 221 Orpheus 184 Ostlokris  Lokri Ostrakismos 542 Ostrom 508 Otto, Walter F. 254 Paideia 546 Palaiphatos 260 Pälikat 35, 532 Palme, Rudolf 6, 52 Panaitios von Rhodos 95, 479, 508, 520, 528, 554

Panathenäen 270 Panegyris 335 panhellenische Feste 148, 317, 444 Panionion 177, 222 Paoli, Ugo E. 206 Papinian (Aemilius) 82, 533 Pappulias, Demetrios 214 Papyrusforschung 51 paramoné 36 Paranomieklage 542 Parentel 90, 146, 337, 419 f, 423, 425 Parker, Robert 244 Parmenides 111 Paros 385 Partsch, Josef 60, 522 Paternalismus 291, 293 patria potestas 36, 188 Paulus (Iulius) 82, 533 Pausanias 236, 238, 241 peculium 36 Peloponnesischer Bund 504 Pergamon 372 Perikles 89, 316, 388, 431 Peripatos 530 Person 6, 12 Personalexekution 531 Personalitätsprinzip 163, 173, 346, 348, 369, 409, 422, 428, 432, 451, 485 Personalstatut 347 Personenschutz 492 Persönlichkeitsschutz 28, 321, 322, 336, 522, 538 Philon 554 Philosophengesandtschaft, athenische 553 Philosophiegeschichte 91, 560 Phokaia 351, 380 Phratrie 179, 455 Phronesis 97 Phyle 179 phýsei díkaion 477 pignus Gordianum 532 Pistis 444, 452, 477, 484, 506, 509,  s. auch fides Pithekusai 380

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Platon 18, 37, 194, 520 - Akademie 530 Plutarch 340 Pólay, Elemér 130 Polemarch 434, 537, 552 Polis, Entstehung und Kultur 194, 208, 226, 311, 313, 363 Polybios 489, 528, 551, 553 Polygamie 34 Pompeius (Gnaeus) 479, 528 Pomponius (Sextus) 553 Pontifices 508, 552 Popularklage 145, 476, 537 Porphyrios 236, 241 Poseidon 271 Poseidonios von Apamea 194, 479, 508, 528, 557 Postglossatoren 378 Potidaia 357 Pound, Roscoe 10 praesumtio Muciana 35 praetor peregrinus  Fremdenprätor Praisos 379, 450 f, 476 Priansos 450, 469 f  s. auch Praisos Priesterrecht 225 Pringsheim, Fritz VIII, 28, 60, 62, 135 f, 140 ff, 147 ff, 206, 214, 497, 534 Privatautonomie 538 Privatklagen 537 Privatkrieg 500 Privatrecht 540 - als Ideenlieferant 452 - europäisches 561 - gemeines griechisches 183 - internationales 16, 348 - intertemporales 345 - solonisches 154 Privatstrafrecht 534 Prodikie 410 Professionalisierung  Rechtsberufe Prometheus 231, 234, 319 promissio 263 Promulgation 525

Prostates 401, 411 Protagoras von Abdera 194, 195, 343, 431 Protopraxie 526 Provinzialrecht 61, 531 f Proxenie 132, 274, 450, 480, 485 Prozess 523 - Beistand 412 - Recht 534 - Vermeidung 526 Prytaneion 149, 236 Ptolemäerreich 436 Publizität 15, 87, 172, 510, 528 Pydna 487, 551 Pythagoras 194 querela inofficiosi testamenti 533 Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia  Rechtssprichwörter Quintilian 134 Quittung 534 Rabel, Ernst 60, 89 Ramses II 466, 511 Rawls, John 366 Realteilung 556 receptum - argentarii 526, 533 - nautarum 533 Recht 478 - der Vertragssprache 376 - gemeines griechisches 159, 161, 173, 177, 180, 183, 192, 197 f, 200, 206 f, 223, 334 - öffentliches 147, 154 - öffentliches und privates 535 - und Gesellschaft 559 - und Moral 20 - und Religion 297 - ungeschriebenes 478 Rechtsangleichung 349 Rechtsanthropologie 558 Rechtsanwendung 544

Rechtsbegriffe, unbestimmte 151, 154 Rechtsberatung 5 Rechtsberufe 18, 40 Rechtsbewidmung/Filiation 160, 165, 173 f, 421 Rechtsbewusstsein 501, 510 - der Griechen 442, 503 Rechtsethnologie 558 Rechtsfamilien 190 f, 214 Rechtsgeschäft 474 Rechtsgeschichte 5, 91, 146, 560 Rechtsgrundsätze und prinzipien 218, 413, 426, 467, 481 - gemeinsame 278 Rechtshilfe 161, 165, 177, 346, 371, 373, 412 f, 443, 449, 468, 478 Rechtsidee 146, 336 f Rechtskoiné 174, 206, 375, 426 Rechtskraft 525 Rechtskreis 191, 214 - attisch-athenischer 161 - dorischer 161 - griechischer 190 Rechtskreislehre 161 Rechtsphilosophie 5, 146, 542, 547, 560 Rechtspolitik 5, 146 Rechtspositivismus 105, 124 Rechtspraxis  s. Kautelarjurisprudenz Rechtsquellentheorie 157 Rechtsschulen 58 Rechtssicherheit 5, 538 Rechtssoziologie 128, 558, 560 Rechtssprichwörter 293, 555 - ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum 44, 536 - Das Gut rinnt wie das Blut 423 - de mortuis ni(hi)l nisi bene 321

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- Der Bauer hat nur ein Kind 555 - in dubio pro reo 530 - locus regit actum 349, 373, 378, 414, 433, 441, 450 - mobilia ossibus inhaerent 349 - quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia 58 - superficies solo cedit 5, 155 - ubi societas, ibi ius 180 Rechtsstaatlichkeit 538, 542 Rechtssubjektivität 119, 537, 544 Rechtstatsachenforschung 128, 558 Rechtstheorie 67, 146 Rechtsunterricht 58 Rechtsvereinheitlichung 215, 340, 349, 353, 369, 426, 434 Rechtsvergleichung 5, 146 Rechtsvermutung, Abstammung von Kindern 532  s. auch praesumtio Muciana Rechtswahl 376 Rechtswissenschaft 20, 67, 70 - römische, Isolierung 123, 124, 559 Register 89, 528, 531,  s. auch Archive Regularjurisprudenz 529 Reichsprivatrecht - interprovinziales 369 Reichsprivatrecht, interprovinziales 432 Reichsrecht und Volksrecht 547 Reinheit 241 Reinigung 238, 241, 245, 263 Religion 162, 208, 215, 217, 229, 251 f, 268, 273 f, 281, 284, 286 f, 300, 302

Religion, gemeinsame 338 relocatio 533 res corporales – res incorporales 71, 527 Rezeption 43, 353, 511, 513, 516, 517, 521 f - als Kulturtransfer 5 - orientalischer Götter 184 - Rezeptionsdrift 518 Reziprozität 346 Rhea 276 Rheinstein, Max 191 Rhetorik 5, 40, 73, 89, 547, 549 Rhodos 361 Richtereid 90, 212, 412, 439, 526 Richterentlehnung 150, 161, 165, 444 Richterrecht 90 Ritual 243 Rollinger, Robert 23, 55, 192, 221, 325, 467 Rom und Karthago, Zweiter Vertrag 508 Rückkehrrecht 383, 409, 426 - der Kolonisten 363, 364, 395, 410 - der Nachzügler 405 Rückwirkung von Gesetzen 530 Rufus (P. Rutilius) 520 Rügebräuche 19 Rutilius (Publius) 553 Sachenrecht 297 Sakralrecht 223 ff, 238 Salamis 358, 382 Sallust 80 Samos 184, 339 Sardes 372 Sardinien 513 Sargon von Akkad 456 Savigny, Friedrich C. von 59, 516, 540 Scaevola (Q. Mucius, der Augur) 553

Scaevola (Q. Mucius, der Pontifex) 135, 372, 520, 553 Schenkung 166, 169 - auf den Todesfall 8, 84, 146, 176 - Verbote 338 Scheria 345 Schicksal 209 Schicksalsvorstellungen 282 Schiedsgericht 443 Schiedsgerichtsbarkeit 150, 153, 452, 478 Schiedsvertrag 449, 485 Schiller, Friedrich 49 Schmitt, Carl 19 Schopenhauer, Arthur 232 Schriftlichkeit 534, 539 - Rechtssetzung 153 Schrott, Raoul 4, 184, 193, 251, 253, 325, 548 Schuldlehre 145 Schuldsklaverei 460 Schuldübernahme 342 Schulz, Fritz 13, 29, 61 ff, 80, 85, 123 ff, 130, 133 ff, 138, 512, 516, 525, 540, 549, 558 f Schwangerschaft 520 Schwind, Fritz 418, 433 Seedarlehen 526 Seehandelsbrauch 527 Seelgerät 8 - Stiftung 146 Seerecht 485 Seisáchtheia 189, 460 Selbsthilfe 19, 532 Selbstverfluchung 250, 326 f, 455, 476 Selbstverpflichtung 476, 490 Seleukia 341 Semele 273 Senatusconsultum Plancianum 532 Servius (Sulpicius Rufus) 520, 553 Setaia 469 Shame-Culture 218, 285 Simonides 220

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Sitte und Recht 181, 234, 240 Sizilien 86, 513 Sklaven 37, 550 - Ehen 36 - Recht 201 - Wirtschaft 551 Sklaverei 36 Skyros 358 Smith, Gertrude 21, 68, 69, 535 Smyrna 349 societas 551 Sokrates 91, 217, 261, 303 Soldatenprivilegien 524 Solon 12, 19, 28, 44, 78, 166, 194, 488 Sophisten 194, 549 Souveränität 472, 480 Sozialnormen 157, 181 Sozialwissenschaften 124 Soziobiologie 180 Sparta 198, 361 Spolienarchitektur 77 Spondaí 442, 464, 476, 492, 495, 499, 510 - Befristung 494 - Etymologie 495 - Festspiel 494 - Festspiele 492 Spondophoroi 335 sponsio 496, 498 - pacis 497 Sprache 177, 547 Spranger, Eduard 517 Staatenbünde 442, 446 f, 504 Staatsbegräbnis 337 Staatsbegriff 480 Staatsformen 537 Staatsgründung 542 Staatsnotstand 19, 541 Staatsrecht 77, 146, 535 Staatsverträge 443, 449, 479, 510 - hethitische 466 Staatsverwaltung 521 Stahl, Michael 76, 106, 121, 268, 313

Stalai 469 Stasis 19 Statuskontrakte 474 Statutenlehre 16, 378, 439 Steinwenter, Artur 60, 152 Stellvertretung 27, 64, 510, 534 Stiftung 6 Stipulation 326, 497 f, 534  s. auch sponsio Stoa 135, 452, 520, 553 - Staatsethik 85 Straf- und Strafprozessrecht 147, 531, 535 Strasburger, Hermann 99 Stroux, Johannes 11 subjektive Rechte 537 Sueton 511 sumerische Stadtstaaten 454, 455 -Kodifikationen 458 Sündenbock 242 superficies solo cedit  Rechtssprichwörter Susa 342 Syllogistik 543 Symbola 371, 464 Symmachie 160, 222, 442, 451, 488, 495, 499 Sympolitie 161, 346, 443, 449, 485 Synallagma 498 Synegoroi 412 Syneidesis 145 Synoikismos 160, 346, 367, 377, 427, 436, 441 Synthekai 464, 476, 495 Syrakus 357, 361, 377 Tarent 361, 394 Taubenschlag, Raphael 27, 61, 99, 375, 512, 524, 527, 533 Tausch 170 Teilhabegedanke, politischer 119, 543 Teilung, elterliche 146, 166, 556 Teos 372

Territorialitätsprinzip 173, 346, 422, 435, 451 Testament 15, 146, 176, 199, 318, 337, 526 - Soldaten 533 Tetralogie 49, 549 Thales (von Milet) 110, 182 Thassos 385 Themis 209, 273, 282, 319 Theognis 220 Theophrast 18, 37, 41, 142, 202, 242, 530 Theorie und Praxis 97, 543 Theorodokoi 132 Thera 144, 361, 366 f, 370, 388, 441 Theseus 331 Thesmos 78, 332, 539 Thespis 545 Thessalischer Bund 449 Thukydides 17, 100 Thür, Gerhard 28, 40, 154, 211, 427 Thurioi 160, 358, 360, 363, 388, 431 Tieropfer 232 Tisias 5 Totenbergung 493 f Totenkult 252, 317 Totenstiftung 182 Totenteil 8, 318 Totschlag 223 Trapezites 89 Treu und Glauben 542, 554 Tribonian 126 Troje, Hans E. 25, 59, 122, 140 Tubero (Q. Aelius) 520, 553 ubi societas, ibi religio  Rechtssprichwörter Ulpian 38, 44, 82, 499, 513, 521, 531 ff, 536 f, 557 Umma 454 Unity of Greek Law 196 Universalfideikomiss 533 Unterhalt 337, 532 Unterwerfungsvertrag 488 f, 496 Ur 454

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Stichworte

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Uranos 274 Urkundenwesen 89, 523, 528, 531 Uruk 2, 454 Vasallenverträge 489 Väterbrauch/mos maiorum 153, 181, 227 Veräußerungs- und Belastungsverbote 200, 360 verba et voluntas 134, 508 Vereinsautonomie 147, 537, 539 Verfahren 147, 162 - Grundsätze 145, 542 Verfassung, gemischte 111 Verfassungsgerichtsbarkeit 542 Verfassungsvergleichung 63  s. auch Rechtsvergleichung Verhaltensforschung 180 Verkehrssitte 157 Vermögensfähigkeit - der Frau 199 - des Hauskindes 524 Vermögensverfall 414 Verpfändung - Ernte 521 - Formular bei Cato 532 Verschuldensformen 527 Verschuldenshaftung 145, 283, 552 Versionsanspruch 527 Versprechen 491, 493, 498 Versteigerung 533 Vertrag 463, 465, 483 - Abschluss 250, 452 - Anfechtung 39 - Begriff 489 - Bindung 463 - Erfüllung 171, 326, 444 - Freiheit 538 - Sprache 155, 376 - Terminologie 464 - Treue 484, 542 - zugunsten Dritter 27 - Zuhaltung 463 Verwaltung

- kaiserzeitliche 521 - Recht 77, 531, 535 Verwandtschaft 169, 204, 208, 519 veteres 78 Vierzigmänner 537 vinculum iuris 561 Vinogradoff, Paul 174, 183 Vipasca, Bergwerksordnung 531 vis ex conventu 521 Voegelin, Eric 218 Völkergewohnheitsrecht 479, 483, 485 Völkerrecht 7, 64, 146, 153, 157, 161, 193, 196, 215, 274, 281, 326, 335, 368, 430, 434 ff, 440, 442, 449, 451 f, 454, 456 f, 461, 464, 478, 483, 526, 556 f - Alter Orient 454 - Begriff 477 - Entwicklungsstadien 502 - Epochen 486 f - gemeingriechisches 483 - interhellenisches 442 - Rechtssubjekte 442, 469, 482 - Schiedsgerichtsbarkeit 485 - Verträge (bilaterale, multilaterale, zwischenstaatliche) 462, 502 Volksgericht 149, 150, 313, 543 Volksrecht 543 Volksrichter 150 Volksversammlung 313 Volljährigkeit 36 Vormundschaft  s. Altersund Geschlechtsvormundschaft votum 497 Vulgarrecht 547 Waffenstillstand 451, 483, 492, 505

Waldstein, Wolfgang 515, 516 Weber, Max 30, 227, 229, 258 Wehrverfassung 313, 365 Weiler, Ingomar 32, 54, 85, 518 Weinspende 492 Weisheitslehren 189, 193 Weiss, Egon 13, 60, 163, 478, 527 Weltbild 118 f, 182, 218 Wenger, Leopold 13, 30, 51, 60 Wergeld 223 Werkvertrag 522 Werte, olympische 337 Wesensschau 515 Widerstandsrecht 19 Wieacker, Franz 84, 85, 123, 434, 440, 516 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 6, 216, 234, 244 Willenserklärung 524, 534 - Mängel 39 Willensfreiheit 135 Winckelmann, Johannes 121 Wissenschaftsgeschichte 14 Wissenschaftssprache 548 Wohnsitz 346 f, 409 Wolff, Hans J. VIII, 12, 25, 40, 51, 68, 88, 142, 148, 157, 206, 214, 348, 370, 407, 437, 479 Xenios Kosmos  s. Fremdenrecht: -Prätor Xenodikai 410, 552 Xenophanes 194, 257 Xenophon 37, 45 Xerxes 467 Zaleukos 78 f, 164, 166, 364, 377 Zentumviralgerichtshof 534 Zession 27 Zeus 132, 209, 219, 229, 236, 263, 266, 271, 273 f, 278, 412 Zeusepiklesen 209, 275

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Zeusverehrung 209 Zimmermann, Reinhard 16 Zufall 145, 527, 537 Zurechnung 135 Zurechnungsformen 532  s. auch casus und Verschuldensformen und Verschuldenshaftung Zwölftafelgesetz 77, 86, 527, 541  s. auch decemviri legibus scribundis

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Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen Herausgegeben von Joachim Hengstl, Torsten Mattern, Robert Rollinger, Kai Ruffing und Orell Witthuhn

10: Eberhard Ruschenbusch

Kleine Schriften zur griechischen Rechtsgeschichte

17: Sven Günther, Kai Ruffing, Oliver Stoll (Hg.)

Pragmata

2005. 248 Seiten, br ISBN 978-3-447-05220-7 € 68,– (D) / sFr 116,–

Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Antike Im Gedenken an Harald Winkel

Eine ganze Reihe der Schriften und Besprechungen des Frankfurter Althistorikers Eberhard Ruschenbusch sind Fragen des altgriechischen Rechts gewidmet. Sachlich betrifft die Sammlung Methodisches, Grenzund Bodenrecht, mannigfache Aspekte der athenischen Gesetzgebung, die Gesetzgeber Drakon und Solon, das Straf- und Prozessrecht sowie Adoption und Erbrecht; im Zentrum steht das athenische Recht des 6.–4. Jahrhunderts v. Chr.

2007. IX, 191 Seiten, 11 Abb., br ISBN 978-3-447-05536-9 € 48,− (D) / sFr 83,−

13: Joachim Hengstl, Ulrich Sick (Hg.)

Recht gestern und heute Festschrift zum 85. Geburtstag von Richard Haase 2006. XXVII, 385 Seiten, 1 Abb., 3 Tafeln, gb ISBN 978-3-447-05387-7 € 78,− (D) / sFr 132,−

Anlässlich R. Haases 85. Geburtstag ist unter internationaler Beteiligung eine Festschrift entstanden, welche Haases Wirken als Praktiker wie als Wissenschaftler würdigt. Als zentrales Thema für diese Festschrift wurde die “Mediation” gewählt, eine aktuelle Methode der Konfliktlösung, für die es auch schon im Alten Orient und der Antike Vorbilder gab.

Der Sammelband ist dem im Jahr 2005 unerwartet verstorbenen Sozial- und Wirtschaftsgeschichtler Harald Winkel gewidmet. Dass Althistoriker auf diese Weise seiner gedenken, findet seinen Grund in der vielfältigen Verbundenheit der Beiträger zu Harald Winkel. Das chronologische Spektrum der versammelten Beiträge reicht von der späten römischen Republik bis in die Spätantike und spiegelt die gesamte Breite der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung zur römischen Welt wider. 19: Robert Rollinger, Heinz Barta (Hg.)

Rechtsgeschichte und Interkulturalität Zum Verhältnis des östlichen Mittelmeerraums und „Europas“ im Altertum In Verbindung mit Martin Lang 2007. XI, 226 Seiten, 54 Abb., 5 Karten, gb ISBN 978-3-447-05630-4 € 68,– (D) / sFr 116,–

Mit „Rechtsgeschichte und Interkulturalität“ liegt nun der Sammelband einer im Jahre 2005 in Innsbruck abgehaltenen, interdisziplinären Konferenz vor, deren Ziel es war, Rechtsentwicklung als Phänomene im Horizont von Kultur- und Geistesgeschichte zu verstehen.

HARRASSOWITZ VERLAG • WIESBADEN www.harrassowitz-verlag.de • [email protected]

Orient Slavistik • Osteuropa • Bibliothek • Buch • Kultur •

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Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen Herausgegeben von Joachim Hengstl, Torsten Mattern, Robert Rollinger, Kai Ruffing und Orell Witthuhn

20: Tonio Sebastian Richter

Rechtssemantik und forensische Rhetorik Untersuchungen zu Wortschatz, Stil und Grammatik der Sprache koptischer Rechtsurkunden 2., überarbeitete Auflage 2008. XLII, 447 Seiten, gb ISBN 978-3-447-05631-1 € 118,− (D) / sFr 200,−

Unter fachsprachenlinguistischer Fragestellung wird die Textierung koptischer Rechtsurkunden untersucht. Als merkmalhaft für die Fachprosa dieser Texte werden ihr Rechtswortschatz und bestimmte stilistische Figuren beschrieben. 24: Heinz Barta, Robert Rollinger, Martin Lang (Hg.)

Recht und Religion Menschliche und göttliche Gerechtigkeitsvorstellungen in den Antiken Welten 2008. IX, 207 Seiten, 9 Abb, br ISBN 978-3-447-05733-2 € 48,− (D) / sFr 83,−

Im Jahre 2006 wurde in Innsbruck bereits zum dritten Mal eine internationale Tagung organisiert, die sich dem Prinzip einer ‚Lebend(ig)en Rechtsgeschichte‘ verpflichtet fühlt und dabei unter einem explizit formulierten Leitthema und einer interkulturell vernetzenden Perspektive die Kulturen des antiken Mittelmeerraumes und Altvorderasiens ins Auge nimmt.

25: Peter Mauritsch, Werner Petermandl, Robert Rollinger, Christoph Ulf

Antike Lebenswelten Konstanz – Wandel – Wirkungskraft Festschrift für Ingomar Weiler zum 70. Geburtstag Unter Mitarbeit von Irene Huber 2008. XV, 945 Seiten, 80 Abb., gb ISBN 978-3-447-05761-5 € 98,– (D) / sFr 166,–

Beinahe sechzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der (Alt-) Historie, Altorientalistik, Archäologie, Klassischen Philologie, der Sportwissenschaft, Rechtswissenschaft und der Soziologie aus elf Ländern folgen in diesem Band den Spuren von Ingomar Weiler. Sie präsentieren wesentliche und lesenswerte Beiträge zu wichtigen Feldern historischer Analyse, aber auch zu gegenwärtig aktuellen Fragestellungen aus dem Blick der Vergangenheit. 26: Sven Günther

»Vectigalia nervos esse rei publicae« Die indirekten Steuern in der Römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian 2008. IX, 197 Seiten, br ISBN 978-3-447-05845-2 € 48,− (D) / sFr 83,−

Die Studie beschäftigt sich mit den vectigalia, sogenannten indirekten Steuern, in der Römischen Kaiserzeit. Ein Schwerpunkt bildet hierbei insbesondere die Analyse der Wechselwirkungen mit Politik, Verwaltung, Recht, Wirtschaft und Gesellschaft.

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