Goethes Faust. Erster und Zweiter Teil. Grundlagen, Werk, Wirkung 3406448941, 9783406448942

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Goethes Faust. Erster und Zweiter Teil. Grundlagen, Werk, Wirkung
 3406448941, 9783406448942

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Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte Herausgegeben von Wilfricd Barner und Gunter E. Grimm unter Mitwirkung von Hans Werner Ludwig (Anglistik) und Siegfried Jüttner (Romanistik)

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einhcitsaufnahme

Schmidt, Jochen: Goethes Faust, Erster und Zweiter Teil : Grundlagen \Xlirkung / Jochen Schmidt. - München; ßeck, 1999 (Arbeitsbücher zur Literatmgeschichtc) ISBN 3-406-44894-1

ISBN 3 406 44894

- \Verk -

1

Umschlagentwurf: Bruno Schachtncr Titelkupfer von J. H. Lips zu Goethes Faust-Fragment von 1790 (Stiftung Weimarer Klassik) © C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1999 Gesamtherstellung: \Vagner GmbH, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany

Umschlagabbildung:

Inhalt

Vor\vort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Faust vom 16.Jahrhundert 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2. 3.

4.

9

bis zu Goethe

Das Faustbuch von 15 87 . . . . . . . . . . . . . . Der historische Faust und der Weg zum Faustbuch Die Problematik des Begriffes ,Volksbuch' . . . . . Die theologische Konzeption . . . . . . . . . . . . Die Verdammung von Forschungsdrang und Entdeckungslust angesichts der modernen Entdeckungen am Beginn der Neuzeit Das Teufelsbündnis im Vergleich zu früheren und späteren Werken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christopher Marlowe: The Tragicall History of the Life aud Death of Doctor Faustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faust im 17. und 18. Jahrhundert: Neubearbeitungen des Faustbuchs und Marlowes Fortwirken auf dem Theater. Neuansatz bei Lessing und im U1-faust . . . . . . . . Elemente der Faust-Tradition bei Goethe . . . . . . . . . . . .

11 11 13 14 20 22 24

28 30

II. Goethe: Faust. De,· Tragödie erster Teil 1. 2. 3. 4. 5. 5.1 5 .2

5.3 6.

Die Entstehungsgeschichte: Vom Urfaust über das Fragment von 1790 bis zum Faust I . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Urfaust zum Faust I: Tendenzen der Umformung Historische Konturen des 18.Jahrhunderts im Faust I Konzeption, Komposition und Handlungsstruktur . . Präludium: Zueignung, Vorspiel auf dem Theate1· und Prolog im Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legitimation für das Wiederaufgreifon des Jugendwerks: Zueignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reflexion auf das \Vesen der Dichtung und ihr Verhältnis zur Theaterpraxis: Vorspiel auf dem Theater . . . . . . . . . . . . Der Horizont prästabilierter Harmonie jenseits des tragischen Geschehens: Prolog im Himmel Die erste Szene: Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 38 40 42 47 48

50 56 68

6 6.1

6.2 6.3 6.4

6.5 7.

8. 9.

9.1 9.2 9.3 9.4 10. 11.

11.1

11.2 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

19. 19.l

Inhalt

Die Gesamtkonzeption: Die Sphäre der Wissenschaft als Paradigma entfremdeten und beschränkten Daseins. Fausts Suche nach schöpferischer Authentizität im Namen der „Natur« .. Die Bedeutung der Magie und ihrer Vorgeschichte ...... Die 1vlakrokosmos-Vision und ihre neuplatonisch-pansophische Esoterik ............................. Der Erdgeist im Kontext pantheistischer Naturphilosophie .. Fausts Dialog mit Wagner: Neue und alte Poetik. Die WagnerGestalt in der Tradition der Gelehrtensatire .......... Konzeptioneller Brückenschlag von der Anfangsszene zu den späteren Studierzimmerszenen: Fausts Melancholie als Voraussetzung des Teufelspakts .................... Erste Öffnung zur Welt lebendiger Erfahrung: Vor dem Tor .. Das dramaturgische Herzstück: Fausts Verbindung mit Mephisto in den Studierzimmerszenen Das innere Übergangsgeschehen Mephisto ............ . Fausts und Mephistos zentraler Dialog in der Szene Studierzimmer (II): Pakt, Wette und Motivation der Weltfahrt ..... Der Gesang der Geister in den Studierzimmerszenen: Die Stimmen des Unbewußten und Halbbewußten ........... Der Epilog zu Fausts Gelehrtendasein: Wissenschaftssatire .. Beginn der Weltfahrt. Sinnlichkeit und politische Satire: Auerbachs Keller und I--Iexenküche in der Fernperspektive auf die Walpurgisnacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auerbachs Keller: Allseitige Satire auf die alten Stände Klerus und Adel sowie auf den neuen revolutionären „Freiheits"-Drang des „ Volks" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hexenküche: Verjüngung und universeller Einbruch des Irrationalen. Fausts Disposition zur Sinnlichkeit ... Die Grundkonzeption der Gretchen-Handlung Die Struktur der Gretchen-Handlung .... . Gretchen .................... . Fa'usts Selbstreflexion in der zentralen Szene \Vald und Höhle Fausts innere Problematik Gretchens Verführung: Von der ersten Begegnung bis zu Matthens Garten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gretchens Bedrängnis und Ächtung: Die gesellschafts- und kirchenkritische Szenensequenz Am Brunnen, Zwinge1; Nacht. Straße vor Gretchens Türe, Dom . ............. . Die Gefahr der sich verselbständigenden Sexualität: Walpurgisnacht ............................... Biographische. und historische Voraussetzungen. Funktion und Struktur der Gesamtszene .....................

. .

68 73

. .

75 85

.

89

.

95 108 117 118 122 128

. 138 . 141

. 144

. 144

149 157 160 162 164 172 . 176

180

. 186 186

7

Inhalt

19 .2 Die ursprüngliche Konzeption der Walpurgisnacht . . . . . . . 19.3 Der ursprüngliche Schluß der Walpurgisnacht vor dern Hintergrund der historischen Hexenverfolgung ............. 19.4 Warum hat Goethe auf die ursprüngliche Konzeption der V?alpurgisnacht verzichtet? ...................... 20. Gretchens Katastrophe: Die abschließende Szenensequenz Trübet Tag. Feld, Nacht. Offen Feld, Kedwr . . . . . . . . . .

III. Der Tragödie 1. 2. 3.

4. 5. 6. 6.1

6.2 6.3

6.4

6.5 7. 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

zweiter

192 197 201 203

Teil

Die Entstehungsgeschichte .................... Grundzüge des Alterswerks. Differenz und Zusammenhang von Faust I und Faust II . . . . . . . . . . . . .......... Der historische Gesamthorizont. Faust als der sich autonom setzende Mensch der Moderne . . . . . . . Die fünf Akte in historischer Perspektive .......... . Faust und Mephisto: Die Ambivalenz des modernen Fortschritts Helena: Die geschichtliche Vermittlung antiker Kultur von der Renaissance bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Die Gesamtkonzeption des dritten Aktes Antikisierende Stilelemente im dritten Akt ..... Die historische Kontur der Helena-Gestalt: Die Synthese von Winckelmann-Rezeption und antiker Tradition in der Szene Vor dem Palaste des lv1enelas zu Sparta . .............. . Die Vollendung der Kultur und die Gewinnung idealer Natur in der Begegnung mit der Antike: Innerer Burghof . ....... . Euphorion als Allegorie der Romantik und der Untergang der ,,klassischen" Kultur: Arkadien im „schattigen Hain" .... . Fortschritt als Zerstörungswerk der Moderne ......... . Beschleunigung und rastlose Unersättlichkeit als Merkmale des modernen Fortschritts ............... . Abstraktheit, Virtualität und Desorientierung als Folgen der modern-fortschrittlichen Zivilisation .............. . Der Gewaltcharakter der modernen Zivilisation im vierten und fünften Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Untergang der naturnahen alten Welt am Anfang des fünften Aktes: Philemon und Baueis . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Untergang der kosmisch-schönen Welt: Das Lied des Türmers Lynkeus im fünften Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sorge als Melancholie in der fortschreitenden Zivilisation: Jvlitternacht ............................

210 212 215 220 229 234 234 238

241

245 253

264 264 267 270

273

27 6 278

s 7.7

8. 9.

Inhalt

Fausts letzte Illusionen: Die Ironisierung des modernen Fortschritts und der modernen Sozialutopien in der Szene Großer Vorhof des Palasts ....................... . 282 ,,Ernste Scherze": Die Szene Grablegung . .......... . 285 Bergschluchten: ,,Fortschritt" ins Unendliche und Apotheose des Eros ............................. . 287

IV: Faust nach Goethe 1.

2.

Goethes Faust als nationale Identifikationsfigur im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Thomas Manns Doh.tor Faustus: Distanzierung von Goethe und Anschluß an das Faustbuch von 1587 .............. 319

Anhang 1. 1.1 1.2 1.3 1.4

2. 3.

Faust-Gestaltungen im 19. und 20.Jahrhundert. Faust-Dichtungen . Faust-Parodien ....... . Faust-Vertonungen .... . Faust in der bildenden Kunst Die wichtigsten metrischen Formen in Faust I und Faust II Szenen- und Verskonkordanz zu Urfaust, Fragment von 1790 und Faust I ........................... .

Bibliographie

.

325 325 326 327 333 334 338 342

Begriffsregister

373

Namenregister

376

Vorwort Die Literatur zu Goethes Faust läßt sich kaum noch überblicken. Mehr als zehntausend Publikationen verzeichnen die Bibliographien. Die Schwierigkeit, sich in einem so weiten Felde zu orientieren, hat dazu geführt, daß fast nur noch einzelne Aspekte, Konstellationen, Szenen, Verse und \Vorte erörtert werden und daß neben den ohnehin auf Detailerläuterungen angelegten Kommentaren seit Jahrzehnten in Deutschland lediglich reduktive Übersichten entstanden. Besonders trifft dies auf die Untersuchungen des Faust I zu. Deshalb tmd auch weil der erste Teil des Dramas ein allgemeineres Interesse findet, steht er im Zentrum dieses Buches. Eine Lücke soll es auch als Gesamtdarstellung des ersten und des zweiten Teils füllen. Zum Faust II hat die Literaturwissenschaft Bedeutendes geleistet, aber kaum je wurde die Gesamtstruktur über alle fünf Akte hinweg erfaßt. Darauf und auf die thematischen Schwerpunkte konzentrieren sich meine Ausführungen. Breit rezipierte und scheinbar zum kulturellen Allgemeingut gehörende Texte unterliegen einen1 enthistorisierenden Trivialisiernngsprozeß. Schon die beiden markantesten Epochen der Faust-Forschung haben zu solcher Enthistorisierung beigetragen: der Positivismus, indem. er die historische Wahrnehmung punktualisierte und auf - an sich durchaus unverächtliche - Daten, Realien und „Einflüsse" verkürzte; die immanente Interpretation, indem sie das Fremde des unwiderruflich in die Vergangenheit Entrückten durch existentialistische Identifikation im Schein des Unmittelbaren aufhob, statt das immer noch enorme Gegenwartspotential des \Verks durch historische Reflexion zu vermitteln. Die Folgen sind bis heute spürbar, und der Verlust geschichtlichen Bewußtseins in der Gegenwart verstärkt sie. Der hier unternommene Versuch soll eine Lektüre mit historischer Tiefenschärfe ermöglichen und so auch oberflächlichen Ideologisierungen entgegenwirken. Wie sehr ihnen Goethes Faust ausgesetzt war, daran erinnert das letzte Kapitel. Auch wenn dieses Buch immer wieder z11Neuem weiterzuführen sucht, verdankt es dem von Generationen gewonnenen Wissensstand sehr viel - im Einzelnen wie für größere Zusammenhänge, im Grundwissen, das ein Studienbuch festzuhalten und weiterzugeben hat, wie in speziellen Problemstellungen. Ich danke meinen Mitarbeitern, den Kollegen und Freunden, die mir mit Kritik und wertvollen Anregungen geholfen haben. Freiburg,

in meinem sechzigsten

Jahr

J. S.

I. Faust vom 16. Jahrhundert

bis zu Goethe

1. Das Faustbuch von 1587 1.1 Der historische Faust und der \Xfeg zwn Faustbuch Faust ist eine historische Gestalt, die schon den Zeitgenossen zu Gerüchten und Legendenbildung Anlaß gab, bevor sie schließlich in die Dichtung einging. Den erhaltenen Dokm11enten zufolge ist Faust zwischen 1460 und 14 70 geboren und zwischen 1536 und 1539 gestorben. Nach den frühesten Überlieferungen stammte er aus I-Ielrnstadt bei Heidelberg, spätere Nachrichten hingegen nennen Knittlingen bei Ivlaulbronn als Heimatort. In den zuverlässigsten Urkunden heißt er Georgius Faustus, erst später und so auch im Faustbuch von 1587 erhält er dann den Vornamen Johann. Faustus ist kein Familienname, sondern ein lateinischer Gelehrtenname, wie er im Zeitalter des Humanismus und der Reformation üblich war: Mit den.1 vom lateinischen Wort „faustus" - ,,der Glückliche" - abgeleiteten Namen wollte sich sein Träger als humanistisch Gebildeter ausweisen und zugleich als glücklich oder glückbringend darstellen. Daß er in manchen Dokumenten als bekannter Astrologe erscheint, paßt zu diesem im Namen erhobenen Anspruch. 1483 hat sich Faustus in Heidelberg immatrikuliert, 1484 erwarb er dort den Grad des Baccalaureus, 1487 den des Magister artium. Bald schon scheint er ein unstetes \Vanclerleben begonnen und dabei allerlei dubiose Dienste angeboten zu haben. Als erster erwähnt der Abt Johannes Trithemius von Sponheim, ein humanistischer Gelehrter, den Magier Faustus. Am 20. August 1507 schrieb er an den Astrologen Johannes Virdung von einem Magister Georgius Sabellicus Faustus iunior, einem Scharlatan, der in Gelnhausen seine Künste feilgeboten und fluchtartig die Herberge verlassen habe, als er hörte, daß der gelehrte Trithemius komme. Dieser Faustus prahle mit den unglaublichsten magischen Fähigkeiten, in Wahrheit aber sei er ein Herumtreiber und Schwindler. Aus einigen historischen Dokumenten geht hervor, daß immerhin mächtige Leute von Faustus Nutzen ziehen wollten, so Franz von Sickingen und der Bischof von Bamberg, von dem sogar ein Zahlungsbeleg für ein von Faustus erstelltes Horoskop erhalten blieb Astrologie galt damals allgemein noch als ernstzunehmende Wissenschaft. Bezeugt ist aber auch, daß Faustus als verdächtiges Subjekt immer wieder verjagt wurde. Am 4. August 1536 nennt ihn der angesehene Gelehrte Joachim Carnerarius zum letzten Mal als Lebenden, ein Dokument aus dem Jahre 1539 bezeichnet ihn als verstorben. Schon wenige Jahrzehnte später bildeten sich Legenden um die sonderbaren

12

I. Faust vom 16.Jahrlnmdert

bis zu Goethe

Umstände seines Todes. Die Zimmerische Chronik (1564/1566) erzählt, der Teufel habe den Faustus in Staufen im Breisgau erwürgt. Luther erwähnt ihn bereits 1535 und 1537 in seinen Tischreden als Teufelsbündler. Wie die Zeit allgemein, so glaubte Luther an Zauberer und Zauberinnen, also Hexen, und die Kraft des Zauberns führte man auf das Bündnis mit dem Teufel zurück. Damit war schon die Vorstellung des Teufelspakts da: Das zentrale Element vom Faustbuch bis zu Goethe und Thomas Mann. Eine andere große Autorität, Melanchthon, weiß sowohl von Faustus als auch von einem schwarzen Hund zu berichten, der ihn begleitet habe und in dem sich-wie dann noch bei Goethe - der Teufel versteckt habe. Den Berichten Melanchthons folgend stellte ein gewisser 1vlanlius eine einflußreiche Schrift zusammen, in der erstmals an die Stelle des lateinischen Beinamens „Faustus" der deutsche Name „Faust" als Nachna1ne tritt; und den urkundlich bezeugten Vornamen Georg löst der Vorname Johannes ab, den Faust auch im Titel des Faustbuchs von 1587 tragen wird. Daß Goethe seinen Faust mit dem Vornamen Heinrich versah, dürfte vmn ersten Vornamen des zeitgenössischen Gelehrten Heinrich Agrippa von Nettesheim herrühren, dessen Schriften er studierte und aus denen er manche Züge für seine Faustgestalt übernahm. Den allgemein verbreiteten Sagen und Legenden um Faust kristallisierten sich lokale Faust-Überlieferungen an, etwa in Nürnberg und in Erfurt. Auf diese Geschichten, Sagen und Anekdoten konnte das Faustbuch von 1587 zurückgreifen, sie bildeten eine Art von biographischem Kern. Dazu kamen Quellen, die der unbekannte Verfasser zur weltanschaulichen Strukturierung und zur stofflichen Anreicherung seines \X'erks benutzte. Der erste und mit Abstand wichtigste Quellenbereich diente der weltanschaulichen Formierung irn Sinne einer streng protestantischen Warnschrift vor der Teufelsbündnerei. Zu diesen Quellen gehörten die Schriften der Reformation: vorab Luthers Bibelübersetzung und seine Tischreden, ferner pÜix1larisierende Sammlungen von Aussprüchen Luthers und theologischreformatorische Traktate. In engem Zusarnn1enhang damit steht der zweite Quellenbereich: ein weitverbreitetes Schrifttum über Teufel, Dämonen und Zauberei. Die evangelische wie zuvor schon die katholische Kirche verbreitete den Glauben an Zauberer und Hexen, deren weitgehende, verderbliche Macht von der Teufelsbündnerei herrühre. Schon längst führte die Inquisition zur massenhaften Folterung und Verbrennung von angeblichen Zauberern und Hexen. Die ganze Zeit war besessen von Teufels- und DänionenAngst, und Luther selbst zeigte sich in besonderer \Veise von der Macht des Teufels überzeugt. Seine Werke sind voll von Teufelsvorstellungen, ebenso zahlreiche andere Reformationsschriften. Die Forschung hat im einzelnen nachgewiesen, welche Schriften über Teufels- und Zaubererwesen der streng protestantische Verfasser des Faustbuchs von 1587 heranzog und wie er sie benutzte. Er stellt den Teufel als eine alles bestimmende und schlechthin entscheidende Macht dar, gegen die sich der Mensch kaum zu wehren vermag.

1. Das Faustbuch von 1587

13

Den dritten Quellenbereich bilden Sammlungen von Erzählungen, insbesondere von Sclnvänken, die nicht mit der Faustgestalt zusammenhängen, die aber der Verfasser mit ihr verband, um seinem Werk auch Unterhaltungswert zu verleihen. Schwänke waren im. 15. und 16. Jahrhundert außerordentlich beliebt und verbreitet, es gab ganze Schwanksammlungen - die berühmteste rankte sich um die Gestalt des Till Eulenspiegel. Schließlich ein vierter Quellenbereich: Naturkundliche, geographische und kosmographische Schriften dienten dazu, Fausts Abenteuerfahrten und Flüge in den Kosmos entsprechend auszustaffieren und eine gewisse Buntheit in das \Vcrk zu bringen.

1.2 Die Problemati!Vissenschaft, Der ganzen Welt verborgen! Und wer nicht denkt, Dem wird sie geschenkt, Er hat sie ohne Sorgen.

11. Beginn der Weltfahrt. Sinnlichh.eit und politische Satire: Auerbachs Keller und Hexenküche in der Fernperspektive auf die Walpurgisnacht 11.1 Auerbachs Keller: Allseitige Satire auf die alten Stände Klerus und Adel sowie auf den neuen revolutionären „Freiheits"-Drang des„ Voll