Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft: Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland [1 ed.] 9783428523689, 9783428123681

Eike Bicker untersucht, wie bei grenzüberschreitenden Konzerngesellschaften ein angemessener Gläubigerschutzstandard ver

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Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft: Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland [1 ed.]
 9783428523689, 9783428123681

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 42

Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland

Von Eike Thomas Bicker

Duncker & Humblot · Berlin

EIKE THOMAS BICKER

Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 42

Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland

Von

Eike Thomas Bicker

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Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12368-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Bislang waren Unternehmen, die ihr wirtschaftliches Engagement von einem Mitgliedstaat auf andere erweiterten wollten, auf die Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften oder rechtlich unselbständigen Zweigniederlassungen angewiesen. Neben der nunmehr bestehenden Möglichkeit eine SE als abhängiges oder herrschendes Konzernunternehmen zu gründen, tritt im Zuge der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit eine weitere Gestaltungsvariante hinzu: Der Aufbau einer grenzüberschreitenden Konzernstruktur mittels abhängiger Scheinauslandsgesellschaften. Vorteil dieser Gestaltungsvariante ist vor allem, dass der gesamte multinationale Konzern hierdurch einem einheitlichen Gesellschaftsrecht unterworfen werden kann. Diese Entwicklung ist mit den Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Konzernrechts in Zusammenhang zu sehen, die durch den Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts neue Impulse erhalten haben. Danach sollen Gläubigerschutzprobleme, die sich anlässlich einer Konzernverbindung ergeben, in Anlehnung an die englische (und französische) Rechtsordnung vor allem auf Grund einer Haftung wegen wrongful trading gelöst werden. Bislang ist nicht geklärt, wie sich die neuere Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit zu diesen Harmonisierungsbestrebungen verhält. Die bisherigen den Gläubigerschutz betreffenden Analysen beschäftigten sich ausschließlich mit unabhängigen Scheinauslandsgesellschaften, obwohl gerade im Konzern das Ausfallrisiko der Gläubiger deutlich erhöht ist und zudem die gängigen gesellschaftsrechtlichen Begründungsmuster nicht ohne weiteres auf den Konzernsachverhalt übertragen werden können. Die vorliegende Arbeit unternimmt es, diese Lücke zu schließen. Weil die Rechtsform der englischen private limited company für grenzüberschreitende Konzerngestaltungen besonders attraktiv erscheint, wird die Frage des Gläubigerschutzes am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland untersucht, zumal auch das von der EU-Kommission favorisierte Haftungsmodell an die englische Regelung der Haftung wegen wrongful trading angelehnt ist. Die Frage des Gläubigerschutzes in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft veranlasst dabei zum einen kollisionsrechtliche Überlegungen, wobei insbesondere die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte von Insol-

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Vorwort

venz- und Gesellschaftsstatut Probleme bereitet. Zum anderen ist eine Erforschung und Bewertung des englischen Rechts notwendig, um beurteilen zu können, ob die Anwendung deutscher Gläubigerschutznormen zur Schließung etwaiger Schutzlücken im englischen Recht erforderlich erscheint. Die Rechtswissenschaftiche Fakultät der Universität Freiburg hat die Arbeit im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen; Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum Stand Herbst 2006 berücksichtigt. Entstanden ist die Arbeit während meiner mehrjährigen Tätigkeit am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht von Herrn Prof. Dr. Uwe Blaurock und während meines Studienaufenthaltes an der Universität Cambridge in Großbritannien. Herrn Prof. Dr. Uwe Blaurock, der die Arbeit auch betreut hat, danke ich für die langjährige und unermüdliche Unterstützung. Herrn Prof. Dr. Gerhard Hohloch danke ich für die überaus rasche Erstellung des Zweitgutachtens. An der Universität Cambridge bin ich meinen akademischen Lehrern Frau Prof. Dr. Eilís Ferran und Herrn Senior Lecturer John Armour zu Dank verpflichtet. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern, ohne deren seit jeher erfolgten Förderung ich dieses Buch nicht hätte schreiben können. Ihnen widme ich die vorliegende Arbeit. Frau Maren Poeck danke ich für ihren steten Zuspruch und Unterstützung. Außerdem bin ich ihr für die Korrektur der Arbeit dankbar. Herrn Christoph Kuhn und Herrn David Barst danke ich für die kritische Auseinandersetzung mit den Thesen dieser Arbeit. Freiburg, im November 2006

Eike Bicker

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Europäisches Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Europäische Niederlassungsfreiheit und Gläubigerschutz im Konzern I. Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensvermischung und Vermögensentzug . . . . . . . . . . . . . . . . III. Transparenz und Konzernvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Attraktivität der „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft“ . . . . . . D. Zu untersuchende Fragestellungen und Gang der Darstellung . . . . . . .

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Erster Teil Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft – Identitätswahrende Sitzverlegung, internationales Gesellschafts- und Konzernrecht § 1 Grenzüberschreitende Sitzverlegung und nationales IPR . . . . . . . . . . . A. Rechtsdogmatische Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sitztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermittelnde Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Deutsches Kollisions- und Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Englisches Kollisions- und Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Grenzüberschreitende Sitzverlegung unter europäischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sitzverlegungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Recht der freien Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . I. Daily Mail (1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Centros (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überseering (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inspire Art (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Reaktionen der deutschen Gerichte auf die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Konturen eines europäischen internationalen Gesellschaftsrechts . . . A. Reichweite der Gründungsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maßgeblichkeit des ausländischen Gesellschaftsstatuts . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Insolvenzstatut? . . . . . . 1. Normenqualifikations- und Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein Vorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Teleologische Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verallgemeinerungsfähigkeit der Keck-Rechtsprechung . . . . . . . . . III. Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtfertigung von Niederlassungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Verhinderung von Missbrauch und Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missbrauch des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umgehung inländischer Tätigkeitsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslandsgesellschaft fungiert ausschließlich als Schuldenträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wegen Missbrauchs der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . 1. Maßstab des Erforderlichkeitskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung . . . . . . . .

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§ 4 Auswirkungen auf das internationale Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bisherige Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versteckte Kollisionsnormen im deutschen Konzernrecht? . . . . 2. Eingriffsnormenqualität konzernrechtlicher Regelungen . . . . . . 3. Vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . 4. Wirtschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnisorientierte Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Theorie vom „Sitz der Rechtsverhältnisse“ und Schutzzwecküberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gesellschaftsrechtliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kollisionsrechtliche Behandlung der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Englische Muttergesellschaft und englische Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsche Muttergesellschaft und englische Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inländischer limited company-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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Zweiter Teil Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

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§ 5 Das englische Recht der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Begriff der Unternehmensgruppe im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . 84 B. Publizitätsvorschriften und das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 C. Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Vorschriften zum Mindestkapital (minimum capital) . . . . . . . . . . . 90 II. Begriff des Grundkapitals und Kapitalaufbringungsrecht . . . . . . . 91 III. Materielle Kapitalerhaltungsregeln (capital maintenance) . . . . . . . 92 D. Durchgriffshaftung im Konzern ( piercing the corporate veil) . . . . . . . 95 I. Das Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit (separate legal entity doctrine) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Liberaler Ansatz im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Herrschende restriktive Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Das Argument der „wirtschaftlichen Einheit“ . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Façade or mere sham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Agency Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Bestätigung der restriktiven Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 V. Gründe für die englische Zurückhaltung in Haftungsfragen . . . . . 100 VI. Alternativen zur Durchgriffshaftung ( piercing the corporate veil) 102 1. Garantieerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Tort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Vicarious liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 E. Geschäftsführerpflichten (directors’ duties) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Geschäftsführerpflichten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Geschäftsführerpflichten bezüglich Gläubigerinteressen (directors’ duties to take into account creditors’ interests) . . . . . 108 1. Wesen der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Normadressatenkreis und Anwendbarkeit auf die Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Die Muttergesellschaft als de facto director . . . . . . . . . . . . . 111 b) Die Muttergesellschaft als shadow director . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 F. Insolvenzrechtliche Haftungs- und Anfechtungstatbestände . . . . . . . . . 117 I. Fraudulent trading (s. 213 IA 1986) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Konzernrechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

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Inhaltsverzeichnis II. Wrongful trading (s. 214 IA 1986) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Moment of truth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Every step-defence“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normadressatenkreis und Anwendbarkeit auf die Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) De facto director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Shadow director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konzernrechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchsetzungmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsrechtliche Zurückhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Muttergesellschaft als shadow director . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenzanfechtungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tranactions at an undervalue (s. 238 IA 1986) . . . . . . . . . . . . . 2. Unlawful preferences (s. 239 IA 1986) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Disqualification und Investigations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Disqualification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investigations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 6 Das deutsche Recht der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Publizität der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechnungslegungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die konzernspezifische Haftung im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung im AG-Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gläubigerschutz nach den §§ 300–310 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung nach § 309 AktG und § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 31, 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die konzernrechtliche Ausgleichspflicht nach § 302 AktG . c) Beendigung von Vertragskonzernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Konzept der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingliederungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung im GmbH-Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die konzernspezifische Haftung im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . I. Haftung im faktischen AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerschutz nach den §§ 311–318 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schwächen des konzernrechtlichen Gläubigerschutzsystems . .

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3. „Qualifizierte“ Nachteilszufügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Von der Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“ zur Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktienrechtliche Konsequenzen aus dem Rechtsprechungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung im faktischen GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mindestkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalschutz bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot der Einlagenrückgewähr und Konzernfinanzierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf konzernweite Cash-Pooling Systeme cc) Dualer Gläubigerschutz: Kapitalerhaltungsvorschriften und Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalschutz bei der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot der Einlagenrückgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalerhaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Haftung nach allgemeinen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzernrechtliche Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deliktsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftung des herrschenden Unternehmens als „faktischer Geschäftsführer“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Existenzvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entnahmen mit der Folge weiterer Schäden . . . . . . . . . . . . . b) Abzug betriebsnotwendiger Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abzug wichtiger Produktionsmittel und Geschäftsfelder . . d) Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Spekulation auf Kosten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 160 161 162 162 162 165 168 168 171 171 171 171 173 174 175 177 177 179 180 180 182 184 184 184 187 188 190 190 191 192 193 194 194 194 196

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Inhaltsverzeichnis 3. Die Haftung der Schwestergesellschaft (sog. horizontaler Durchgriff) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Begründungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kapitalerhaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhaltenshaftung und Zurechnungsfragen . . . . . . . . . . . cc) Gefahr von Schutzlücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einschränkungen bei der horizontalen Haftung . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materielle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 199 200 200 201 202 203 203 204 205

Dritter Teil Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland

207

A. Begriff der Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 B. Kollisions- und europarechtliche Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 § 7 Publizität und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Eintragung im deutschen Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Firma und Angabe auf Geschäftsbriefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Transparenz und „Konzernvertrauen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Publizität der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe . . . . . . II. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konzernvertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze einer „Konzernvertrauenshaftung“ in England und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit der deutschen „Konzernvertrauenshaftung“ . . .

210 210 210 211 212 213 213 214 216 216 219

§ 8 Gläubigerschutz durch englische Kapitalschutzvorschriften, Geschäftsführerpflichten und piercing the corporate veil . . . . . . . . . . . . . 221 A. Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . 221 B. Organisationsverfassung und piercing the corporate veil . . . . . . . . . . . . 224 § 9 Anwendbarkeit der deutschen oder englischen Insolvenzverschleppungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 A. Anwendbarkeit der englischen fraudulent und wrongful trading Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

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B. Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzantragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzantragspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berücksichtigung der englischen Haftung aus common law b) Kollisions- und sachrechtliche Folgerungen . . . . . . . . . . . . . .

229 229 229 230 230 232 233 233 234 235 237

§ 10 Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . A. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243 243 244

§ 11 Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffstatbestände . . . . . . . . . . . . . . A. Existenzvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deliktsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deliktsrechtliche Haftungstatbestände (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB) . . . . . . . 2. Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwächen des Kapitalerhaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandliche Schwächen der englischen Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Insolvenzrechtliches Anfechtungsinstrumentarium . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vermögensvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriff in die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Materielle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 248 248 248 249 249 249 250 251

§ 12 Anwendbarkeit spezifischer Konzernhaftungstatbestände . . . . . . . . . . . A. Der konzernrechtliche Verlustausgleich (§ 302 AktG analog) . . . . . . . B. Die konzernrechtliche Nachteilsausgleichs- und Schadensersatzpflicht (§§ 311, 317 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konzernrechtliche Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 265

251 252 253 254 255 257 258 259 259 260 261

266 268

14 Zusammenfassung der A. Ergebnisse des B. Ergebnisse des C. Ergebnisse des

Inhaltsverzeichnis Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270 270 271 276

Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

Abkürzungsverzeichnis a. A. abl. ABl. Abs. a. E. All ER Alt. AmtsG Anh. Art. Aufl. BCC BCLC Bd. BegrRegE Beschl. BT-Drucks. bzw. CA 1985 CDDA 1986 Ch. CLJ CSLR ders. d.h. DTI EBLR EBOR EG Einl. EWHC Fn. Harvard L. R. Hdb. h. L. H. L.

Andere(r) Ansicht ablehnend Amtsblatt Absatz Am Ende All England Law Reports Alternative Amtsgericht Anhang Artikel Auflage British Company Cases Butterworths Company Law Cases Band Begründung des Regierungsentwurfs Beschluss Bundestagsdrucksache beziehungsweise Companies Act 1985 Company Directors Disqualification Act 1986 Chancery Cambridge Law Journal Cambridge Student Law Review derselbe das heißt Department of Trade and Industry European Business Law Review European Business Organization Law Review Europäische Gemeinschaften Einleitung England and Wales High Court Fußnote Harvard Law Review Handbuch Herrschende Lehre House of Lords

16

Abkürzungsverzeichnis

Hrsg. IA 1986 ICCLR Id. IntGesR IR i. S. d. i. S. v. J. JBL lit. LJ. LMCLQ LQR m. E. MJ MLR m. w. N. n. F. No. Nr. OJLS para. QB r. RefE RiL-VE Rn. s. SE ss. Tz. u. a. University of Chicago L. R.

Herausgeber Insolvency Act 1986 International Company and Commercial Law Review Idem Internationales Gesellschaftsrecht Insolvency Rules Im Sinne des/der Im Sinne von Justice Journal of Business Law litera Lord Justice Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Law Quarterly Review meines Erachtens Maastricht Journal of European and Comparative Law Modern Law Review Mit weiteren Nachweisen Neue Fassung number Nummer Oxford Journal of Legal Studies paragraph Queens Bench rule Referentenentwurf Richtlinienvorentwurf Randnummer section Societas Europaea sections Textzahl unter anderem University of Chicago Law Review

Urt. u. U. v v. v. a. vgl. VO

Urteil unter Umständen versus von/vom vor allem vergleiche Verordnung

Abkürzungsverzeichnis WLR Yale L. J. z. B. zit.

17

Weekly Law Reports Yale Law Journal zum Beispiel zitiert

Wegen der übrigen Abkürzungen vergleiche die Zusammenstellung bei: Kirchner, Hildebert/Butz, Cornelie, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin 2003

Einleitung Wirtschaftliche Einheiten, in denen zwei oder mehr rechtlich selbständige Einheiten unter einer gemeinsamen wirtschaftlichen Leitung stehen, finden sich in allen entwickelten Volkswirtschaften.1 Im angloamerikanischen Rechtsraum wird dieses Phänomen als corporate group beschrieben2, in Deutschland hat sich im juristischen und nichtjuristischen Sprachgebrauch der Begriff des Konzerns etabliert.3 Ein wirtschaftlicher Zusammenschluss von Unternehmen unter Wahrung ihrer rechtlichen Selbständigkeit hat viele wirtschaftliche Vorteile für die Beteiligten, hier seien nur die Gewinnmaximierung aufgrund von Synergieeffekten, die Erhaltung des eigenständigen unternehmerischen good will und die Kanalisierung von Haftungsrisiken genannt („Haftungsschott“).4 Diesen Vorzügen stehen aber auch erhebliche Nachteile und Gefahren gegenüber. Neben der wirtschaftspolitischen Gefahr der Monopolbildung5 steht im Konzern vor allem zu befürchten, dass der herrschende Gesellschafter ein außerhalb der Gesellschaft bestehendes eigenes unternehmerisches Interesse verfolgt und die Gesellschaft deswegen zu Lasten der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger ausbeutet („Konzernkonflikt“). Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich dabei auf den Gläubigerschutz im Konzern.

1 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (674); Hadden, in: McCahery, Corporate Control and Accountability, S. 343–369. 2 Hadden, The Control of Corporate Groups, S. 1 f.; Blumberg, The Law of Corporate Groups, S. 3 f. 3 Genau genommen knüpft die gesetzliche Regelung des Aktiengesetzes aber an den Begriff des verbundenen Unternehmens (§§ 15 ff., 291 ff. AktG) und nicht an den des Konzerns (§ 15 AktG) an; ausführlich dazu Raiser/Veil § 50 Rn. 1 ff. Entsprechend des Sprachgebrauchs soll hier der Begriff des Konzerns allgemein das Phänomen der Unternehmensgruppe umschreiben. 4 Ausführlich Kallfass, in: Mestmäcker/Behrens, Gesellschaftsrecht der Konzerne, S. 19 ff.; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 26. 5 Soweit die Konzernbildung zum Schutz des Wettbewerbs kontrolliert werden muss, ist dies nicht Aufgabe des Konzernrechts als Teildisziplin des Gesellschaftsrechts, sondern Gegenstand der Fusionskontrollverordnung der EG (ABl.EG Nr. L 24/1 v. 19.1.2004) sowie der §§ 35 ff. GWB.

20

Einleitung

A. Europäisches Konzernrecht Obgleich mit zunehmender Integration der europäischen Märkte eine einheitliche europäische Regelung zur Lösung dieser Konfliktlage wünschenswert wäre, scheiterten bislang alle Versuche, ein einheitliches Konzernrecht für Europa zu schaffen.6 Erst die Aufsehen erregenden Unternehmenszusammenbrüche von Enron und Parmalat brachten die Diskussion um verbesserte Anleger- und Gläubigerschutznormen wieder auf die europäische Agenda: Die Kommission gab im Sommer 2003 ihren „Aktionsplan“7 für eine Reform Europäischen Gesellschaftsrechts bekannt, welcher größtenteils auf der Vorarbeit der High Level Group of Company Law Experts8 beruht. Auch der „Konzernkonflikt“ wird darin behandelt, wobei von der Kodifizierung eines gruppenspezifischen Rechts abgesehen wird und die Probleme eher in Anlehnung an die englische (und französische) Rechtsordnung mittels verschärfter Publizitätsregeln, einer europäischen Haftung wegen wrongful trading und anderer insolvenzrechtlicher Mechanismen – wie etwa einer substantive consolidation – gelöst werden sollen.9

B. Europäische Niederlassungsfreiheit und Gläubigerschutz im Konzern Diese zaghaften Harmonisierungsbestrebungen werden aber schon jetzt durch tatsächliche Rechtsentwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht überholt. Denn mit seinen Urteilen Centros10, Überseering11 und Inspire Art 12 macht der EuGH den Weg frei für den Aufbau grenzüberschreitender Konzernverbindungen mittels abhängiger Scheinauslandsgesellschaften 6 Vgl. die gescheiterten Vorentwürfe für eine Konzernrichtlinie in den Jahren 1974/75 (I. Teil aus 1974: DOK Nr. XI/328 74-D, II. Teil aus 1975: DOK Nr. XI/593 75-D; abgedruckt bei Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 187 ff.) und 1984 (DOK III/1639/84, abgedruckt in ZGR 1985, 444 ff.). Auch der 1998 veröffentlichte Vorschlag des Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 ff., wurde zunächst nicht weiterverfolgt. 7 Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, KOM/2003/284 endg. 8 Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa vom 4.11.2002. 9 Aktionsplan, Ziff. 3.1.3 und Ziff. 3.3; High Level Group, S. 73 f., 86, 97 f. 10 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459. 11 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919. 12 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“).

Einleitung

21

(„grenzüberschreitende Konzerngesellschaften“). Der EuGH entschied dabei, dass die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) europäischen Gesellschaften das Recht gewährt, ihren Verwaltungssitz identitäts- und rechtsformwahrend in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, sofern der Gründungsstaat den Wegzug gestattet.13 Die „grenzüberschreitende Konzerngesellschaft“ „importiert“ damit gewissermaßen ihr ausländisches Gesellschaftsrecht in den Zuzugstaat. Weil zudem im internationalen Konzernrecht traditionell das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft den Konzernkonflikt regelt14, dringen im Wege dieser gesellschaftsrechtlichen Gründungsanknüpfung auch die ordnungspolitischen konzernrechtlichen Vorstellungen des Gründungsstaates in die Rechtsordnung des Sitzstaates ein. Damit sehen sich die europäischen Rechtsordnungen einem erheblichen Wettbewerb ausgesetzt, was mittelbar zu einer Angleichung der nationalen Regelungen führen wird. Die gesellschaftsrechtliche Diskussion um die Effektivität des gesetzlichen Mindestkapitals und des gesamten Kapitalschutzsystems kontinentaleuropäischer Prägung15 bilden erst den Anfang für diese Rechtsentwicklung. Ob sich dabei das regelungsärmste Recht mit dem geringsten Schutzstandard durchsetzen wird (race to the bottom), bleibt abzuwarten. Jedenfalls stellen sich damit die hierzulande ausschließlich für die unabhängige Scheinauslandsgesellschaft diskutierten Gläubigerschutzfragen16 in verschärfter Form: Wegen des in der abhängigen Gesellschaft bestehenden „Konzernkonfliktes“ ist nämlich das Risiko von Konzerngläubigern, mit ihrer Forderung auszufallen, gegenüber anderen Gläubigern deutlich erhöht.17 Hierfür lassen sich vor allem folgende drei Gründe anführen: I. Unterkapitalisierung Erstens besteht die Gefahr, dass die Muttergesellschaft besonders riskante Aktivitäten einer bestimmten Konzerngesellschaft zuordnet und diese gleichzeitig nicht mit der notwendigen Eigenkapitalgrundlage ausstattet, um ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen (sog. Aschenputtelgesellschaften oder materiell unterkapitalisierte Gesellschaften).18 Stattdessen wird die Gesell13

EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483. Vgl. statt aller Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 549; ausführlich dazu unter § 4. 15 Dazu § 6 E. I., II. 3. 16 Vgl. stellvertretend die Einzelberichte in den Sammelbänden Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland; Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht. 17 Überblick bei Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74; Posner, Economic Analysis of Law, S. 450 f. 14

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schaft häufig lediglich mit Darlehen finanziert, so dass die Muttergesellschaft formal nicht die Position eines Gesellschafters, sondern die eines bevorzugten Gläubigers einnimmt (sog. nominelle Unterkapitalisierung).19 II. Vermögensvermischung und Vermögensentzug Zweitens müssen die Gläubiger befürchten, dass Vermögenswerte innerhalb der Gruppe neu zugeordnet werden, so dass die ursprünglich eingegangene Risikoverteilung zwischen Gläubigern und den beteiligten Konzerngesellschaften empfindlich gestört wird.20 Manchmal dienen diese intragroup transactions ausschließlich dazu, Vermögen einer Gesellschaft zu Gunsten einer anderen zu entziehen. Klassisches Beispiel hierfür ist der existenzvernichtende Eingriff, wie er etwa in den Fällen Bremer Vulkan21 oder KBV 22 praktiziert wurde. Eine ähnliche Situation lag dem englischen Fall Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investment Corp.23 zugrunde. In den weitaus häufigeren Fällen werden Gläubigerinteressen aber durch Transaktionen verletzt, welche aus anderen Gründen unternommen wurden. So kann beispielsweise eine Umverteilung von Vermögenswerten Steuervorteile für die gesamte Gruppe oder auch Produktions- oder Distributionsvorteile bringen. Allerdings erhöhen auch solche „neutralen“ Transaktionen das Ausfallrisiko für die Gläubiger der betroffenen Gesellschaft.24 III. Transparenz und Konzernvertrauen Drittens vermindert eine solche Konzernstruktur die Transparenz der Geschäftsbeziehungen zu und zwischen den beteiligten Gesellschaften. Zum einen besteht die Gefahr, dass die Gläubiger gar nicht um die Gruppenzugehörigkeit ihres Vertragspartners wissen und sich deswegen nicht gegen ihr erhöhtes Ausfallrisiko schützen können (Transparenzproblem). Kennen sie aber die Gruppenzugehörigkeit der Gesellschaft, so nehmen sie die Unternehmensgruppe regelmäßig nicht in ihrer rechtlichen Vielheit, sondern als 18

Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74; Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (102); vgl. den englischen Fall Adams v Cape Industries Plc [1990] BCLC 479. 19 Schulte, 18 Company Lawyer 1997, 2; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 415 ff.; Prentice, in: Grantham/Rickett, Corporate Personality in the 20th Century, 99 (102 f.); vgl. den englischen Fall Salomon v Salomon [1897] 1 AC 22. 20 Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74. 21 BGHZ 149, 10. 22 BGHZ 151, 181. 23 [1998] 1 WLR 294. 24 Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74.

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wirtschaftliche Einheit wahr, was sie verleitet, auf die Finanzkraft bzw. Reputation der gesamten Gruppe zu vertrauen (Konzernvertrauensproblem).25 Der Rechtsschein der Einheitlichkeit wird noch durch Zusagen der Muttergesellschaft gestärkt, sie stehe jederzeit hinter ihren Tochtergesellschaften (sog. comfort letters oder „weiche Patronatserklärungen“), welche oftmals kausal für die Aufnahme oder Fortführung der Geschäfte mit der Tochtergesellschaft sind.26 Gleichwohl stellen sich im Krisenfalle diese Zusagen nicht selten als leere Versprechungen heraus, was wiederum das Ausfallrisiko der Gläubiger erhöht.

C. Attraktivität der „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft“ Die Frage des Gläubigerschutzes bei „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaften“ ist zudem von enormer praktischer Relevanz. Für Unternehmen, die ihr wirtschaftliches Engagement von einem Mitgliedstaat auf andere erweitern wollen, ist die Gründung von Tochtergesellschaften nach ihrer Heimatrechtsordnung, welche dann mittels Verwaltungssitzverlegung in dem jeweiligen Mitgliedstaat wirtschaftlich tätig werden, deutlich attraktiver als die Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften oder rechtlich unselbständigen27 Zweigniederlassungen. Auch gegenüber der seit dem 8.10.2004 bestehenden Möglichkeit, sich der supranationalen Societas Europaea (SE)28 als abhängiges oder herrschendes Konzernunternehmen zu bedienen29, ist die „grenzüberschreitende Konzerngesellschaft“ von Vorteil. Denn mittels dieser lässt sich der gesamte multinationale Konzern einem einheitlichen Gesellschaftsrecht unterwerfen, während das SE-Statut in erheblichem Umfang auf das Aktienrecht des jeweiligen Sitzstaates (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO) verweist.30 Vor allem können durch die Konstruk25

Posner, Economic Analysis of Law, S. 450 f. Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74. 27 Verpflichtungen aus dieser Tätigkeit treffen damit unmittelbar die Gesellschaft an der Hauptniederlassung, vgl. dazu Pentz, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 13 Rn. 67; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 75 f. 28 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Abl.EG Nr. L 294/1 v. 10.11.2001 und Richtlinie 2001/86/EG des Rates v. 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl.EG Nr. L 294/22 v. 10.11.2001. 29 Maul, Die faktisch abhängige SE, S. 1 ff.; Brandi, NZG 2003, 889 (890). Einzelheiten zu den einzelnen Gründungsalternativen gem. Art. 2, 3 SE-VO bei Thoma/ Leuering, NJW 2002, 1449. 30 Bei Sitzverlegung führt dies daher zu einem Wechsel des für die SE geltenden Rechts (Statutenwechsel, vgl. den 15. Erwägungsgrund der SE-VO. Im Ergebnis be26

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tion auch die Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung umgangen werden31, während sich die Gründung einer SE gerade wegen der Mitbestimmungsproblematik als langwierig und umständlich gestalten dürfte.32 Zumindest bei Neugründungen dürfte die SE deswegen keine wesentliche Rolle in der europäischen Gesellschaftsrechtspraxis spielen.33 Dass es ein Bedürfnis zur Herstellung einer einheitlichen Haftungs- und Organisationsstruktur im Konzern gibt, belegt die Tatsache, dass die US-amedeutet der Verweis auf das Aktienrecht des Sitzstaates, dass 25 verschiedene Formen der SE innerhalb der EU existieren. 31 Die Anwendung der unternehmerischen Mitbestimmung ist auf deutsche Gesellschaftsformen beschränkt (§ 1 Abs. 1 MitbestG). Eine analoge Anwendung muss an der zumeist monistischen Struktur der europäischen Gesellschaftsformen scheitern, weil das geltende Mitbestimmungsrecht an das Verwaltungsorgan des Aufsichtsrates anknüpft (dualistisches Modell). Selbst wenn man de lege ferenda ausländische Gesellschaften dazu verpflichten würde, für diese Fälle eine dualistische Struktur bereitzuhalten, wäre ein solch schwerwiegender Eingriff in das Organisationsstatut der ausländischen Gesellschaft wohl kaum zu rechtfertigen, so auch Zimmer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 365 (369 ff.); ders., NJW 2003, 3585 (3590); Kamp, BB 2004, 1496 (1498); Geyrhalter/ Gänßler, NZG 2003, 409 (412); Horn, NJW 2004, 893 (900); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, 1235 ff.; Ebke, JZ 2003, 927 (931); Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); Paefgen, DB 2003, 487 (491); a. A. Bayer, BB 2004, 1 (4); W.-H. Roth, ZGR 2000, 311 (333); Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 217 ff. 32 So sehen Art. 3 und 4 SE-Richtlinie zunächst eine Verhandlungslösung vor, wonach die Unternehmensleitung vor Umstrukturierung zur SE mit der Arbeitnehmerseite über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE zu verhandeln hat. Gelingt es den Verhandlungsparteien nicht, sich innerhalb eines Zeitraumes von grundsätzlich 6 Monaten zu einigen, greift die sog. Auffanglösung ein. Diese bestimmt, dass ein Vertretungsorgan der Arbeitnehmer zu bilden ist, welches umfassende Unterrichtungs- und Anhörungsrechte gegenüber dem Leitungsorgan der SE hat. War im Übrigen eine der beteiligten Gesellschaften mitbestimmt, so gilt dies fort. Einzelheiten bei Heinze, ZGR 2002, 67 (89–92); Pluskat, DStR 2001, 1483 (1487). 33 So auch Brandt, DStR 2003, 1208. Anderes muss für bereits bestehende Konzerne gelten, weil die Neustrukturierung durch Scheinauslandsgesellschaften die Neugründung und Sitzverlegung jeder einzelnen Tochtergesellschaft mit sich bringt. In diesem (und wohl nur in diesem) Falle bietet sich die Gründung einer SE oder aber eine „grenzüberschreitende Verschmelzung“ an. Letztere war bis vor kurzem nach deutschem Recht nicht möglich, weil der Anwendungsbereich des UmwG auf deutsche Rechtsträger beschränkt war, vgl. Lutter, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 6 ff. Diesen nationalen Rechtsformenvorbehalt erklärte der EuGH aber mit Urteil vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 („SEVIC Systems AG“), abgedruckt in ZIP 2005, 2311, für nicht vereinbar mit der europäischen Niederlassungsfreiheit. Damit muss zumindest die grenzüberschreitende „Herein-Verschmelzung“ bereits nach geltendem Recht akzeptiert werden. Ob dies allerdings auch die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden „Heraus-Verschmelzung“ mit einschließt, bleibt angesichts der aufrecht erhaltenen Daily Mail-Doktrin fraglich (siehe dazu § 2 C. I.). Für die Zukunft wird jedenfalls auch diese durch Umsetzung der „Verschmelzungsrichtlinie“ vom 25.10.2005 (RL 2005/56/EG) ermöglicht.

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rikanischen Konzerne Dow Chemical, United Parcel Service und Ramada ihr Deutschlandgeschäft nicht etwa in Form einer deutschen GmbH oder AG, sondern wegen der Anerkennungspflicht US-amerikanischer Gesellschaften mit Sitz in Deutschland34 jeweils in der Rechtsform einer US-amerikanischen corporation nach dem Recht des US-Staates Delaware betreiben.35 Was die Delaware corporation im Verhältnis zu den USA ist, dürfte im europäischen Kontext die englische private limited company (Ltd.) werden. Diese erfreut sich schon jetzt großer Beliebtheit als vermeintlich kostengünstigere Alternative zur deutschen GmbH.36 Schätzungen zufolge sind bereits über 25.000 private limited companies in Deutschland wirtschaftlich aktiv.37 Allerdings ist zu berücksichtigten, dass mit dieser Rechtsform auch erhebliche Rechtsberatungs- und Rechnungslegungskosten verbunden sein können, welche die Kostenersparnis bei Gründung der Gesellschaft schnell wieder aufwiegen. Insbesondere ist die Ltd. auf Grund ihres Verwaltungssitzes in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG i. V. m. § 10 AO unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.38 Dies erfordert de facto eine doppelte Rechnungslegung nach deutschem und englischem Recht. Die Rechtsform empfiehlt sich daher eher für international operierende Konzerne als für Kleinunternehmer.39 Denn die Herstellung einer einheitlichen Haftungsund Organisationsstruktur weist ihrerseits ein großes Kosteneinsparpotential auf und vermag die erhöhten Rechnungslegungskosten mindestens auszugleichen, wenn nicht sogar zu übertreffen. Aus diesen Gründen soll die Problematik des Gläubigerschutzes in der „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft“ hier am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft dargestellt werden.40 Im Übrigen sei hier noch angemerkt, dass die Bundesregierung bereits auf die drohende ausländische Konkurrenz reagiert hat und ihrerseits die Attraktivität der deutschen GmbH und AG als „grenzüberschreitende Konzerngesellschaft“ erhöhen möchte.41 34 Vergleiche Art. XXV Nr. 5 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtvertrages. 35 Schwark, AG 2004, 173 (175). 36 Vgl. Der Spiegel v. 27.9.2004, Heft 40, S. 108; Wirtschaftswoche v. 7.4.2005 Heft 15, S. 26. Auch die Entscheidung des AG Hamburg NZI 2003, 442, hatte eine abhängige englische private limited company zum Gegenstand. 37 Hirte, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 35. 38 Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2104 f.). 39 Vgl. die Einschätzung von Triebel, BB 2004 v. 26.4.2004, Heft 17, S. VI (VII); ders., zitiert in Wirtschaftswoche v. 7.4.2005, Heft 15, S. 26. 40 Die Ausführungen konzentrieren sich dabei auf die Rechtsform der private limited company. Allerdings wird auch das Recht public limited company in Grundzügen dargestellt, weil die Gestaltungsform der „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft“ auch mit dieser möglich, wenngleich weniger wahrscheinlich ist. Zur Unterscheidung beider Rechtsformen vgl. § 5 A.

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D. Zu untersuchende Fragestellungen und Gang der Darstellung Der Untersuchungsgegenstand des Gläubigerschutzes in grenzüberschreitenden Konzernlagen wirft dabei vor allem folgende Probleme auf, die es im Laufe der Abhandlung zu bearbeiten gilt: Erstens muss ermittelt werden, wie weit die gesellschaftsrechtliche Gründungsanknüpfung nach den Vorgaben des EuGH reicht und wie sich demzufolge das Rechtsverhältnis zwischen abhängigem und herrschendem Unternehmen (Konzernstatut) bestimmt. In diesem Zusammenhang muss insbesondere zweitens untersucht werden, welche Auswirkungen dies auf das mit dem Gesellschaftsrecht eng verwobene Insolvenzrecht hat. Auffällig ist dabei, dass nach bisher nahezu einhelliger Meinung Scheinauslandsgesellschaften wegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 EuInsVO dem Insolvenzrecht des Verwaltungssitzstaates unterfallen sollen. Werden aber Gesellschafts- und Insolvenzstatut internationalprivatrechtlich unterschiedlich angeknüpft, wird der bisher einheitlich wirkende insolvenzrechtliche und gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutz auseinander gerissen. Die Problematik wurde bislang nur oberflächlich durch eine internationalprivatrechtliche Qualifikation der jeweiligen Schutznorm zu lösen versucht. Das Problem geht aber tiefer. Insbesondere folgt aus der unterschiedlichen Anknüpfung, dass beide Rechtsmaterien nun nicht mehr abgestimmt aufeinander sind und funktional unabhängig voneinander wirken. Mittelbar führt dies zu der Frage, wie sich die EuInsVO als sekundäres Gemeinschaftsrecht zu der primärrechtlichen europäischen Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) verhält. Drittens muss untersucht werden, ob das englische Gründungsrecht angemessene Schutzinstrumente für inländische Konzerngläubiger bereitstellt und unter welchen Voraussetzungen deutsches Sachrecht angewendet werden darf. Dies setzt notwendigerweise eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und englischen Konzernrechts voraus. Weil aber nur Deutschland über ein gruppenspezifisches Recht verfügt, die englische Rechtsordnung hingegen auf das überkommene Gesellschafts-, Insolvenz- und Kapitalmarktrecht42 zurückgreift43, ist ein Vergleich der einzelnen nationalen 41

Begründung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, S. 37; abrufbar unter www.bmj.de. Näher zu den Reformvorschlägen unter § 1 C. 42 Hier sind im englischen Recht insbesondere die sog. „Listing Rules“ zu nennen, die von allen an der London Stock Exchange gelisteten Gesellschaften befolgt werden müssen. Sie enthalten bei börsennotierten Unternehmen neben verfahrensrechtlichen Vorschriften auch materielle Schutzvorschriften, die die Unabhängigkeit der beherrschten börsennotierten Gesellschaft und die Beteiligung der Aktionäre bei

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Rechtssätze wenig sinnvoll, wenn nicht sogar unmöglich. Die hier vorzunehmende Methode ist daher die funktionale Rechtsvergleichung, bei der die Funktion von Rechtssätzen zur Lösung eines bestimmten sozialen Problems gesucht wird.44 Den obigen Fragestellungen folgend ist der Gang der Untersuchung wie folgt aufgebaut: Im ersten Teil der Arbeit werden zunächst die internationalprivatrechtlichen und europarechtlichen Rahmenbedingungen für die „grenzüberschreitende Konzerngesellschaft“ herausgearbeitet. Sodann folgt im zweiten Teil die Darstellung und Würdigung des englischen und deutschen Gläubigerschutzrechts im Konzern. Im dritten Teil werden die aus Teil 1 und 2 gewonnen Ergebnisse zusammengeführt und auf die abhängige englische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland angewendet. Hierbei soll ermittelt werden, wie sich ein angemessener Gläubigerschutz unter Berücksichtigung europarechtlicher und internationalprivatrechtlicher Vorgaben bewerkstelligen lässt.

substantiellen Vermögensverschiebungen sicherstellen; näher dazu Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 520–529. 43 Druey, Gutachten für den 59. DJT 1992, H 39 ff.; Blaurock, ZEuP 1998, 460 (479 f.); Zusammenfassung bei Hommelhoff, Festschrift Semler, S. 455 (465 f.). 44 Vgl. zur funktionalen Rechtsvergleichung Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33 ff.; Rheinstein/Borries, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1988, S. 25 ff.

Erster Teil

Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft – Identitätswahrende Sitzverlegung, internationales Gesellschafts- und Konzernrecht § 1 Grenzüberschreitende Sitzverlegung und nationales IPR Die rechtliche Konstruktion der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft in Form der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit deutschem Verwaltungssitz ist nur möglich, wenn eine identitätswahrende Verlegung des Verwaltungssitzes1 von England nach Deutschland nach den jeweils geltenden nationalen Kollisions- und Sachrechten zulässig ist.2 Das internationale Privatrecht als nationales Kollisionsrecht regelt, welcher Rechtsordnung die Gesellschaft nunmehr untersteht (Gesellschaftsstatut3 oder lex societatis).4 Auf der Ebene des Gesellschaftsrechts als nationalem Sachrecht stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit und Identität behält. Bei der Ermittlung des kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunktes standen sich traditionell zwei Auffassungen gegenüber.

A. Rechtsdogmatische Anknüpfungspunkte I. Sitztheorie Die Sitztheorie knüpft das Gesellschaftsstatut an den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung an und galt jedenfalls bis zu den Entscheidungen des 1

Davon ist streng die Verlegung des Satzungssitzes zu trennen. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ist ein tatsächlicher Akt, die Verlegung des Satzungssitzes hingegen in erster Linie ein rechtlicher Akt. 2 Beide Ebenen sind streng voneinander zu trennen, vgl. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 554; Behrens, ZGR 1994, 1 (7). 3 Auch die Bezeichnung „Personalstatut“ ist üblich, vgl. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 258 mit Fn. 326; zur Terminologie Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrecht, Rn. 8. 4 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 1.

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EuGH in Sachen Centros5, Überseering6 und Inspire Art 7 in den meisten kontinental-europäischen Ländern, u. a. in Frankreich8, Belgien9, Luxemburg10 und Österreich11. In Deutschland wurde sie von der Rechtsprechung seit jeher12 und im Schrifttum vom überwiegenden Teil vertreten13. Dabei wurde der Verwaltungssitz nicht immer nach einheitlichen Kriterien bestimmt, was der Sitztheorie den Einwand der Rechtsunsicherheit einbrachte.14 Jedoch setzte sich die Auffassung durch, dass der tatsächliche Tätigkeitsort der Geschäftsleitung und der Vertretungsorgane für die Bestimmung des Verwaltungssitzes maßgeblich ist, da dort regelmäßig „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“.15 Die Anknüpfung an den Verwaltungssitz war als allseitige Kollisionsnorm zu begreifen16, d.h. die Anknüpfung galt nicht nur für Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz, sondern auch für solche mit ausländischem Verwaltungssitz. 5

EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459. EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. I-2002, 9919. 7 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“). 8 Art. 1837 Code de Commerce; Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 418 ff. 9 Art. 197 Code de Commerce. 10 Art. 159 des Gesetzes vom 10.8.1915 betreffend die Handelsgesellschaft, abgedruckt in Arendt/Georges, Das luxemburgische Aktienrecht, S. 35 (87). 11 § 10 des Bundesgesetzes vom 15.6.1978 über das Internationale Privatrecht, abgedruckt in RabelsZ 43 (1978), 375 (377). 12 Das RG folgte der Sitztheorie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, RG JW 1904, 231; RG JW 1934, 28, 45; RGZ 77, 19 (22); 83, 367 (369 f.); 92, 73 (76); 117, 215 (217), 159, 33 (42); zur umfangreichen Rechtsprechung des BGH vergleiche nur BGHZ 25, 134 (144); 51, 27 (28); 53, 181 (183); 78, 318 (334); 97, 269 (272); 118, 151 (167); 134, 116 (118); zur geschichtlichen Entwicklung Luchterhandt, Grenzüberschreitende Konzernverbindungen, S. 12 ff. 13 Ebenroth, Konzernleitungs- und Konzernbildungskontrolle, S. 70 f.; ders., Verdeckte Vermögenszuwendungen, S. 367 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 264 ff.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 38; Kraft, in: Kölner Komm. AktG, § 5 Rn. 38 ff.; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (561); Ebke, ZGR 1987, 245 (246 und 269); Einsele, ZGR 1996, 40 (43). 14 So Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, Rn. 348 ff. 15 Die Definition vermied die im Hinblick auf konzernverbundene Gesellschaften bestehende Unstimmigkeit, dass bei einer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft, welche alle wesentlichen Geschäftsentscheidungen der inländischen Tochtergesellschaft traf, die inländische Tochtergesellschaft streng genommen keinen eigenen Verwaltungssitz hatte, vgl. BGHZ 97, 269 (272); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 219, 221. Das Problem stellt sich im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO nunmehr in einem neuen Gewand, siehe dazu ausführlich § 3 A. II. 16 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 103 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 312. 6

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

II. Gründungstheorie Die Gründungstheorie (Inkorporationstheorie) knüpft nicht an den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes (residence) an, sondern verweist auf das Recht des Staates, in welchem die Gesellschaft wirksam gegründet wurde, mithin an den Satzungssitz (registered office) der Gesellschaft.17 Die Gründungstheorie knüpft damit an den subjektiven Willen der Gründer an, nach welchem Recht diese eine Gesellschaft errichten wollen.18 Sie wurde im 18. Jahrhundert in England entwickelt19 und galt bereits vor den europarechtlichen Vorgaben u. a. in den Niederlanden20, in der Schweiz21, und Italien22. III. Vermittelnde Lehren Dem Vorteil der Gründungstheorie, das Gesellschaftsstatut eindeutig und klar bestimmen zu können und den Gründern größtmögliche Gestaltungsfreiheit zu gewähren, steht auf der anderen Seite ein Mangel an Durchsetzung nationaler Regelungs- und Schutzinteressen gegenüber. Insbesondere die Gründung einer sog. Scheinauslandsgesellschaft ( pseudo-foreign corporation) ermöglicht die „Wahl“ eines den Gründern genehmen Gesellschaftsstatuts, welches z. B. auf Mindestkapitalvorschriften, Regeln zur Kapitalaufbringung und des Kapitalerhalts zum Nachteil der inländischen Gläubiger verzichtet.23 Um die Vorteile der Gründungstheorie zu nutzen, gleichzeitig aber ihre Nachteile zu vermeiden, wurden zahlreiche Alternativen zu Sitzund Gründungstheorie vorgeschlagen. Diese lassen sich in zwei Gruppen kategorisieren: Einige knüpfen grundsätzlich an das Gründungsrecht an und gelangen damit zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften, schränken aber sodann das Gründungsstatut im Wege einer Sonderanknüpfung (Beh17 Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, S. 105; Behrens, RablsZ 52 (1988), 498 (500); Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (137); Mann, Festschrift M. Wolff, S. 271 (286); Dicey/Morris, S. 752 ff., 1101. 18 Kaligin, DB 1985, 1449 (1450). 19 Für Großbritannien: Dicey/Morris, S. 725 ff.; Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 96 ff. 20 Rameloo, in: Wouters/Schneider, Current Issues, S. 47 (52 ff.). 21 Art. 154 CH-IPRG vom 18.12.1987. 22 Art. 25 I-IPRG 1995. 23 Ebenroth, Verdeckte Vermögenszuwendungen, S. 365; Ebenroth/Sura, RabelsZ 43 (1979), 315 (328 f.); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 52 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 269 f.; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417 (424). Dies ist gleichsam die sog. „Flucht nach Delaware“. Zu den negativen Erfahrungen mit der Gründungstheorie vergleiche Großfeld, Praxis des internationalen Privatund Wirtschaftsrechts, S. 41, 51.

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rens)24, einer „Überlagerung“ (Sandrock)25 oder einer „Differenzierung“ (Grassmann)26 ein. Dies kann dazu führen, dass Rechtsverhältnisse nicht mehr nach einem einheitlichen Gesellschaftsstatut beurteilt werden. Andere gehen von der parallelen Anwendung der Sitz- und Gründungstheorie auf verschiedene Fallgruppen aus (Wiedemanns Schwerpunktlehre27 und Zimmers Kombinationstheorie28).

B. Deutsches Kollisions- und Sachrecht Unter Geltung der Sitztheorie führte die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes trotz Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland zu einem Wechsel des Gesellschaftsstatutes.29 Sobald also eine ausländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in Deutschland hatte, war kraft Sitztheorie deutsches Recht anwendbar.30 Da aber die Gründungserfordernisse des deutschen Rechts nicht eingehalten waren und es insbesondere an der für die Rechtsfähigkeit erforderlichen Eintragung in das deutsche Handelsregister fehlte, galt lange Zeit die ausländische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland als rechtlich nicht existent („rechtliches nullum“).31

C. Englisches Kollisions- und Sachrecht Wegen der Maßgeblichkeit des Satzungssitzes für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts ist die Verlegung des Verwaltungssitzes nach englischem Kollisionsrecht unerheblich.32 Das Erfordernis einer steuerrechtlichen Genehmigung für den Fall des Wegzugs ist mit Einführung des 24 Sog. eingeschränkte Gründungstheorie, Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498 (517); ders., ZGR 1978, 499 (511). 25 Sog. Überlagerungstheorie, Sandrock, RabelsZ 42 (1978), 227 (246 ff.); ders., Festschrift Beitzke, S. 669 ff.; ders., RIW 1989, 505 (512 ff.); Sandrock/Austmann, RIW 1989, 249 (252 ff.). 26 Sog. Differenzierungslehre, Grasmann, System des Internationalen Gesellschaftsrechts, Rn. 615–1134. 27 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 791 ff.; ders., Festschrift Kegel, S. 187 (197). 28 Zimmer, InterGesR, S. 219 ff. 29 BGH BB 2003, 2013; Kindler, NJW 2003, 1073 (1074); Ebke, JZ 2003, 927 (928). 30 Großerichter, DStR 2003, 159 (160). 31 BGH BB 2002, 1106 (Vorlagebeschluss an EuGH); BGHZ 97, 269 (271); BGHZ 53, 181 (183); siehe aber zur sog. „modifizierten Sitztheorie“, wonach eine ausländische Kapitalgesellschaft in eine inländische Personengesellschaft umqualifiziert wird, BGHZ 151, 204; dazu sogleich unter § 2 D. 32 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 119 ff.

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

Finance Act 1988 entfallen, welcher nur noch eine Liquidationsbesteuerung vorsieht.33 Aus englischer Sicht ist daher die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland form- und identitätswahrend möglich, wenn auch die Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven für englische Unternehmen zu Buche schlägt. Die Rechtmäßigkeit der Wegzugsbesteuerung ist allerdings nach der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache De Lasteyrie du Saillant 34 zweifelhaft geworden. Der EuGH sah in der Besteuerung noch nicht realisierter Wertsteigerungen eine Beschränkung der europäischen Niederlassungsfreiheit für natürliche Personen (Art. 43 EG). Wegen Daily Mail 35 ist jedoch fraglich, ob die für natürliche Personen gewonnen Rechtserkenntnisse auch auf juristische Personen übertragbar sind. Dies ist davon abhängig, ob die Rechtsprechung zu Daily Mail sachlich noch überzeugen kann.36 Mit der vorgeschlagenen Änderung von § 4a GmbHG und § 5 Abs. 2 AktG durch den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)37 hat sich diese Problematik allerdings für den deutschen Rechtskreis entschärft. Denn der Entwurf verzichtet nunmer auf das Erfordernis eines inländischen Verwaltungssitzes bei einer deutschen GmbH oder AG. Damit wird inländischen Kapitalgesellschaften die Möglichkeit eröffnet, ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen zu können. Besonders deutsche Konzernunternehmen sollen dadurch in die Lage versetzt werden, ihre Auslandstöchter in vertrauten Rechtsformen zu betreiben, was wiederum die Attraktivität der deutschen Rechtsformen gegenüber vergleichbaren Auslandsgesellschaften erhöhen kann.38

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Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 124 f. EuGH vom 11.3.2004 – Rs. C-9/02 („De Lasteyrie du Saillant“), abgedruckt in GmbHR 2004, 504. 35 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483. bestätigt in EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-203/00 („Überseering“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 62 ff.; und in EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 102 f. 36 Die h. M. lehnt dies jedenfalls für die sofortige Wegzugsbesteuerung ab, vgl. Schaumburg, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 403 (419 ff.); Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 (615). 37 Abrufbar unter www.bmj.de. 38 Begründung RefE, S. 37. 34

§ 2 Grenzüberschreitende Sitzverlegung unter europäischen Gesichtspunkten A. Sitzverlegungsrichtlinie Die Europäische Kommission legte im Jahre 1997 einen Vorentwurf für eine 14. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie1 vor, die die grenzüberschreitende und identitätswahrende Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EG ermöglichen soll.2 Nach Art. 3 des RiL-Vorentwurfs (VE) treffen die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen, die erforderlich sind, damit der satzungsmäßige oder tatsächliche Sitz einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden kann, ohne dass sich die Gesellschaft im Wegzugsstaat auflösen und im Zuzugsstaat neu gründen muss. Gleichwohl bewirkt jede Sitzverlegung stets einen Wechsel des die Gesellschaft regelnden Rechts (Statutenwechsel).3 Gestützt auf die Rechtsgrundlage Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG möchte die Richtlinie nicht den Streit zwischen Sitz- und Gründungstheorie entscheiden, sondern versteht sich als kollisionsrechtlich neutral. Unter Verweis auf die „konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips“ wird nur eine umwandlungsrechtliche Lösung verfolgt.4 Bislang existiert noch kein offizieller Vorschlag der Kommission, der dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt werden kann. Gleichwohl ist mittlerweile zweifelhaft, ob die Art. 2 und Art. 10 Abs. 2 RiL-VE, welche auch bei alleiniger Verlegung des Verwaltungssitzes zum Schutz der Sitztheoriestaaten einen Statutenwechsel bewirken, noch mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit vereinbar sind.5 Dabei stellt sich freilich die bekannte Frage, ob auch die Gemeinschaft an die Grundfreiheiten gebunden ist oder nur die Mitgliedstaaten sich nach diesen 1

Abgedruckt in ZIP 1997, 1721 ff. und ZGR 1999, 157 ff. Ausführlich zum 14. RiL-VE Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 495 ff. 3 Zum aktuellen Stand der Diskussion auch Bayer, BB 2004, 1 (9 f.); Eidenmüller, JZ 2004, 24 (31). 4 Begründung des VE in: ZGR 1999, 157 (159). 5 Für eine Streichung der Bestimmung und eine Beschränkung auf die Satzungssitzverlegung Leible, ZGR 2004, 531 (548); Lutter, ZGR 2000, 1 (13); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 13 f.; Meilicke, GmbHR 1999, 896 (897); zweifelnd Kieninger, ZGR 1999, 724 (746). Näher zum Streitstand Jaeger, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, S. 126 ff. 2

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

richten müssen.6 Mit dem EuGH ist die Bindung der EG an die Grundfreiheiten allerdings zu bejahen, da der Binnenmarkt auch durch Maßnahmen der Gemeinschaft beeinträchtigt werden kann und die Grundfreiheiten an der Spitze der gemeinschaftsrechtlichen Normenhierarchie stehen, welche im gesamten Gemeinschaftsgebiet Geltung beanspruchen.7 Sollten demnach die Art. 43, 48 EG den Gesellschaften das Recht zubilligen, ihren Verwaltungssitz unter Beibehaltung des statutarischen Sitzes identitäts- und statutenwahrend in einen anderen Mitgliedstaat verlegen zu dürfen, wäre das Erfordernis des Art. 2 und Art. 10 Abs. 2 RiL-VE nach Übereinstimmung von Satzungs- und Verwaltungssitz jedenfalls für die alleinige Verlegung des Verwaltungssitzes nicht mehr mit europäischem Primärrecht vereinbar.8

B. Recht der freien Niederlassung Der EG-Vertrag gewährt den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten das Recht, sich auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates niederzulassen und dort eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dorthin zu verlegen.9 Begünstigte sind neben natürlichen Personen auch die ihnen gleichgestellten Gesellschaften (Art. 48 EG). Dabei erfasst Art. 48 EG nur solche Gesellschaften, die nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates wirksam gegründet wurden; die Gesellschaft muss also bereits rechtlich existent sein.10 Zusätzlich muss die Gesellschaft entweder ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben.11 Zu unterscheiden ist die primäre Niederlassungs6

Darstellung des Meinungsstandes bei Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 180 f. 7 EuGH vom 20.4.1978 – Rs. 80 u. 81/71 („Commissionaires Réunis/Receveur des Douanes“), Slg. 1978, 927 Tz. 35 f.; EuGH vom 29.2.1984 – Rs. 37/83 („REWE“), Slg. 1984, 1229 Tz. 18; Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 199; Kingreen/Störmer, EuR 1998, 263 (277); teilweise anderer Ansicht ist Bogdandy, JZ 2001, 157 (166), der der Rechtsprechung des EuGH entnimmt, dass lediglich offensichtliche Verstöße der Rechtsetzungsorgane der Union verboten sind. 8 Nach Zimmer, ZHR 168 (2004), 355 (367) geht die Kommission nach den jüngsten EuGH-Entscheidungen davon aus, dass die Verlegung des tatsächlichen Sitzes als solches nicht zu einem Statutenwechsel führt und konzentriert sich dementsprechend bei ihren Vorarbeiten für die Sitzverlegungsrichtlinie auf den Fall der Satzungssitzverlegung. 9 Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 43 EG Rn. 1, 6. 10 Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 48 EG Rn. 5. 11 EuGH vom 13.7.1993 – Rs. 330/91 („Commerzbank“), Slg. 1993, I-4017, Rn. 13. Für eine solche Zuordnung spielt die Staatsangehörigkeit der Gesellschafter nach eindeutigem Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 EG entgegen der sog. Kontrolltheorie keine Rolle, weil Art. 48 EG der Gesellschaft als Verbandsperson und nicht den Ge-

§ 2 Grenzüberschreitende Sitzverlegung unter europäischen Gesichtspunkten 35

freiheit, nämlich die Freiheit, in einem anderen Mitgliedstaat den Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit auszuüben (Art. 43 Abs. 1 S. 1, 48 EG), von der sekundären Niederlassungsfreiheit, die zur Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften berechtigt (Art. 43 Abs. 1 S. 2, 48 EG). Darüber hinaus besteht das Recht, sich an bereits bestehenden Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten zu beteiligen. Hier überschneiden sich Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56, 58 EG.12

C. Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit Durch die Entscheidungs-Viererkette Daily Mail 13, Centros14, Überseering15 und Inspire Art 16 hat der EuGH die Reichweite der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften innerhalb der Gemeinschaft wesentlich konkretisiert. Diese für das Verständnis der grenzüberschreitenden Sitzverlegung zentralen Entscheidungen werden im Folgenden kurz dargestellt. I. Daily Mail (1988) In dem Sachverhalt, welcher der Daily-Mail-Entscheidung des EuGH17 zu Grunde lag, wollte eine englische Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in die Niederlande verlegen („Wegzugsfall“), wurde daran jedoch durch die damals noch steuerrechtlich erforderliche und abgelehnte Genehmigung der englischen Finanzbehörde gehindert. Der High Court of Justice legte dem EuGH die Frage vor, ob der Genehmigungsvorbehalt nach s. (1) (a) des Income and Corporation Taxes Act von 1970 gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Der EuGH verneinte diese Frage in Abweichung zu den Schlussanträgen des Generalanwaltes Darmon18: Die Art. 43, 48 EG (damals Art. 52, 58 EGV) „gewähren beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts (Hervorhebung durch den Verfasser) einer Gesellschaft, die nach dem sellschaftern das Recht auf freie Niederlassung gewährt, vgl. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 261. 12 Näher zur Abgrenzung zwischen Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 56 EG Rn. 16 ff. 13 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483. 14 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459. 15 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919. 16 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“). 17 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483. 18 Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 7.6.1988, Slg. 1988, 5483 Tz. 5.

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Recht eines Mitgliedstaates gegründet ist und in diesem ihren satzungsmäßigen Sitz hat, nicht das Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung (unter Wahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft des Gründungsstaates) in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen“.19 Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften anders als für natürliche Personen „im allgemeinen“ durch die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG, damals Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EGV) verwirklicht werde. Weiterhin bestehe die Möglichkeit einer Neugründung in einem Mitgliedstaat.20 Im Übrigen sei jedoch für die rechtliche Existenz einer Gesellschaft nur die Rechtsordnung des Gründungsstaates maßgeblich, da die Gesellschaft nur dieser ihre Rechtspersönlichkeit verdanke.21 Inwieweit nachträgliche Veränderungen zulässig sind, werde in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Diesen Umständen werde in den Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG (damals Art. 54 Abs. 3 lit. g) EGV) und Art. 293 EG (damals Art. 220 EGV) Rechnung getragen. Daraus folge, dass die Frage der Sitzverlegung „nicht durch die Bestimmungen über Niederlassungsfreiheit (. . .) gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege der Rechtsetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen; eine solche wurde jedoch noch nicht gefunden“.22 II. Centros (1999) Centros23 betraf vordergründig nur die Ausübung der sekundären Niederlassungsfreiheit, nämlich die Eintragung einer (formalen) Zweigniederlassung, die wirtschaftlich betrachtet aber ihre Hauptniederlassung war. Dennoch können den Aussagen des EuGH wichtige Prämissen auch für die Ausübung der primären Niederlassungsfreiheit durch Verlegung des Verwaltungssitzes entnommen werden. In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall hatte ein dänisches Ehepaar eine private limited company nach englischem Recht gegründet, um anschließend mittels einer formalen Zweigniederlassung die Geschäfte ausschließlich in Dänemark zu betreiben. Die dänischen Behörden verweigerten die Eintragung der Zweigniederlassung, weil es sich tatsächlich nicht um die Errichtung einer Zweig-, sondern einer Hauptnie19 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483 Tz. 25; Ergänzungen durch den Verfasser. 20 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483 Tz. 17. 21 Der EuGH nimmt damit argumentativ die sog. „Geschöpftheorie“ des angelsächsischen Rechts auf, wonach Gesellschaften lediglich eine Kreation des Staates sind, er kann daher über ihren Bestand in weitem Umfang verfügen, vgl. Liggett v. Lee, 288 U. S. 517, 541 (1933). 22 EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483 (5512, Tz. 23). 23 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459.

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derlassung handele und somit die Anforderungen an das dänische Gesellschaftsrecht (Mindestkapital) zu erfüllen seien. Auf Vorlage des letztinstanzlichen Højesteret entschied der EuGH, dass es keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit bedeute, wenn die Auslandsgründung nur zu dem Zweck erfolgt sei, um die strengeren Gründungsvorschriften im Inland zu umgehen.24 Vielmehr genössen auch sog. „Scheinauslandsgesellschaften“ die Niederlassungsfreiheit und sind als Zweigniederlassung einzutragen. Zwar könne eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein; die Anwendung des dänischen Gründungsrechts, insbesondere das Mindestkapitalerfordernis, sei aber zum Gläubigerschutz nicht erforderlich. Die Gläubigerinteressen seien schon dadurch ausreichend geschützt, dass die Gesellschaft als Gesellschaft englischen Rechts, nicht als Gesellschaft dänischen Rechts auftrete, so dass den Gläubigern bekannt sei, dass sie nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, also auch nicht dem Mindestkapitalerfordernis unterliege.25 Zusätzlich würden die Gläubiger durch die Publizitätsregeln der 4. und 7. Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie26 geschützt. Eine Auseinandersetzung mit dem Urteil Daily Mail fand hingegen nicht statt. III. Überseering (2002) In der mit Spannung erwarteten Überseering-Entscheidung27 nahm der EuGH nun nicht mehr zu der sekundären, sondern zur Reichweite der primären Niederlassungsfreiheit durch Verlegung des Verwaltungssitzes Stellung. Es ging um eine in den Niederlanden als Besloten Vennootschap (B. V.) inkorporierte Kapitalgesellschaft (Überseering B. V.), die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hatte. Eine Klage der Gesellschaft wurde von den deutschen Instanzgerichten wegen mangelnder Rechts- und Parteifähigkeit als unzulässig abgewiesen, weil die Gesellschaft entsprechend der Rechtsfolgen unter der Sitztheorie als rechtlich nicht existent angesehen wurde.28 Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des VII. Zivilsenates des BGH verwarf der EuGH diese Rechtsauffassung und urteilte, dass die 24

EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459 Tz. 23 ff. EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459 Tz. 36. 26 4. gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 27.7.1978 (Jahresabschlussrichtlinie) – 78/660/EWG, abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., S. 147 ff.; 7. gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 13.6.1983 (Richtlinie über den konsolidierten Anschluss) – 83/349/EWG, abgedruckt bei Lutter, ebenda, S. 211 ff. 27 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919. 28 OLG Düsseldorf JZ 2000, 203 m. Anm. Ebke; dafür hatte sich auch der BGH in seinem Vorlagebeschluss ausgesprochen, vergleiche BGH, BB 2000, 1106 (1107 f.). 25

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Aberkennung der Rechts- und Parteifähigkeit einer nach ausländischem Recht wirksam gegründeten Kapitalgesellschaft und das Erfordernis einer vollständigen Neugründung im Zuzugsstaat, „einer Negierung der Niederlassungsfreiheit“ gleichkomme, für die es keine Rechtfertigung gebe.29 Vielmehr genieße die Gesellschaft Überseering B. V., „die in den Niederlanden wirksam gegründet wurde und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, auf Grund der Art. 43, 48 EG das Recht, als Gesellschaft niederländischen Rechts (Hervorhebung durch den Verfasser) in Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“.30 Ferner holte der EuGH die in Centros unterlassene Abgrenzung zu Daily Mail nach. Der Gerichtshof stellte fest, dass in Daily Mail nur über die Frage von Wegzugsbeschränkungen zu befinden war und dass nach wie vor gelte, dass das Recht, welchem die Gesellschaft ihre Gründung und Existenz verdanke, auch über die Voraussetzungen entscheiden dürfe, nach denen dieser Status beibehalten werden oder verloren gehen könne.31 Keinesfalls könne aus der allgemeinen Formulierung des Urteils Daily Mail 32 aber geschlossen werden, dass die nationalen Gesellschaftsrechte nicht den Bestimmungen des EG-Vertrages über die Niederlassungsfreiheit unterlägen.33 IV. Inspire Art (2003) Bisheriger Schlusspunkt zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften bildet das Urteil des EuGH in der Rechtssache Inspire Art 34. Die Inspire Art Ltd. – ein im Kunsthandel tätiges Unternehmen – wurde nach englischem Recht als private limited company gegründet. Ihr einziger Gesellschafter wohnte in den Niederlanden, wo die Gesellschaft mittels einer in Amsterdam (NL) errichteten Zweigniederlassung auch ihre ausschließliche Geschäftstätigkeit entfaltete. Nach niederländischem Recht handelte es sich daher um eine formal ausländische Gesellschaft im Sinne von Art. 1 des niederländischen „Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen“ (WFBV)35. Das 29 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 81, Tz. 93. 30 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 80. 31 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 61 ff., Tz. 70 ff. 32 Vergleiche EuGH vom 27.9.1988 – Rs. C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483 Tz. 23. 33 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 73. 34 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“). 35 Gesetz über formal ausländische Gesellschaften vom 17.12.1997, Staatsblad 1997 Nr. 697.

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WFBV erlegte diesen formal ausländischen Gesellschaften verschiedene gesellschaftsrechtliche Pflichten auf: neben Offenlegungspflichten musste die Gesellschaft nach Art. 2 WFBV als „formal ausländische Gesellschaft“ im Handelsregister eingetragen werden und auch unter diesem Zusatz firmieren. Zum weiteren Schutz des Rechtsverkehrs war ein dem niederländischen Recht entsprechendes Mindestkapital aufzubringen. Pflichtverstöße gegen diese Auflagen wurden mit einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer sanktioniert (Art. 4 Abs. 4 WFBV). Die Inspire Art Ltd. wehrte sich gerichtlich gegen die Vorgaben des WFBV. Das angerufene Kantongerecht Amsterdam legte dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG die Frage vor, ob die im WFBV genannten Pflichten mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind (Art. 43, 48 EG).36 Damit standen aus deutscher Sicht Vorschriften auf dem Prüfstand, die kollisionsrechtlich als Sonderanknüpfungen einzuordnen sind.37 Anders als Generalanwalt Alber 38, der die besonderen Publizitätspflichten des Art. 2 WFBV wegen der Stigmatisierungswirkung noch als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ansah, beurteilt der EuGH Art. 2 WFBV nur am Maßstab der Zweigniederlassungsrichtlinie39. Wie bereits in Centros40 legt der Gerichtshof den Begriff der Zweigniederlassung sehr weit aus, indem er ihn auch auf Scheinauslandsgesellschaften erstreckt. Soweit das WFBV die in der Elften Richtlinie vorgesehenen Publizitätspflichten lediglich in nationales Recht umsetze, komme eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit nicht in Betracht.41 Der EuGH unterstellt dabei freilich die Vereinbarkeit der Richtlinie mit den Grundfreiheiten, denn auch europäisches Sekundärrecht muss sich am Maßstab der Niederlassungsfreiheiten (Primärrecht) messen lassen.42 Soweit die Offenlegungspflichten allerdings über diejenigen der Elften Richtlinie hinausgingen, liege darin wegen deren abschließenden Charakters ein Verstoß.43 Damit interpretiert der EuGH die Zweigniederlassungsrichtlinie als Vollharmonisierung, weder ein Unterschreiten noch ein Überschreiten durch den nationalen Gesetzgeber ist euro36

EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 38–51. Spindler/Berner, RIW 2003, 949 (952); dazu auch Weller, DStR 2003, 1800 (1801); Kleinert/Probst, DB 2003, 2217. Siehe dazu auch Art. 6 „wet conflictenrecht corporaties“, Staatsblad 1997, Nr. 699, wonach dieses Gesetz, insbesondere Art. 2, unbeschadet des WFBV Geltung beansprucht. 38 Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 30.1.2003 – Rs. C-167/01, NZG 2003, 262 Tz. 107 ff., 145, 148. 39 Elfte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 89/666/EWG vom 21.12.1989, abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 134. 40 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459. 41 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 58. 42 Siehe oben § 2 A. 43 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 66 ff. 37

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parechtskonform. Da die Sonderfirmierungspflicht als „formal ausländische Gesellschaft“ in Art. 2 WFBV über die Anforderungen der Elften Richtlinie hinausgeht, stellt der EuGH einen Verstoß gegen die Richtlinie fest.44 Hingegen fallen die Vorschriften des WFBV über Mindestkapitalausstattung und Geschäftsführerhaftung nicht unter die Elfte Richtlinie und sind deswegen am Maßstab der Art. 43 und 48 EG zu messen. Zunächst bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung in Centros45, wonach die Wahl des vorteilhafteren Gesellschaftsrechts keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt, sondern deren Gebrauch.46 Anschließend wird der Einwand zurückgewiesen, dass die Niederlassungsfreiheit nicht beschränkt werde, da ausländische Gesellschaften in den Niederlanden uneingeschränkt anerkannt würden und nur besondere Erfordernisse zu berücksichtigen haben. Der EuGH stellt unmissverständlich fest, dass die vom englischen Gründungsrecht (Gesellschaftsstatut) abweichenden Regelungen über Mindestkapitalausstattung und Geschäftsführerhaftung die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen. Im Anschluss an die Überseering-Entscheidung wird nochmals eine Abgrenzung zu seinen Ausführungen in Daily Mail vorgenommen: Letztere betrafen nur das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Gründungsstaat (Wegzugsfall), hier ginge es hingegen um die Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Zuzugsstaat nach Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes, also um einen ganz anders gelagerten Sachverhalt.47 Sodann prüft der EuGH, ob die Regelungen des WFBV über Mindestkapital und Geschäftsführerhaftung durch einen zwingenden Grund des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein könnten. Zwar stelle der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes grundsätzlich einen zwingenden Grund des Allgemeinwohls dar48, jedoch hält der EuGH die Regelungen über das Mindestkapital – ohne dabei auf die virulente Frage der Geeignetheit einzugehen49 – für nicht erforderlich. Erneut verweist der EuGH auf die Möglichkeit des Selbstschutzes, da die Gesellschaft als englische und nicht als niederländische Gesellschaft auftrete. Potenzielle Gläubiger seien daher durch das Auftreten als auslän44

EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 71 f. EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459 (1492 ff., Tz. 23 ff.). 46 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 95. 47 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 102. 48 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. 2002, I-9919 Tz. 92. 49 Der Generalanwalt Siegbert Albert hat hingegen diese Frage bereits verneint, Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Albert vom 30.1.2003, NZG 2003, 262, Tz. 141 ff. Näher zur Geeignetheit des Mindestkapitals als Gläubigerschutzinstrument Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (8 ff.); Micheler, ZGR 2004, 324 (332 ff.). 45

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dische Gesellschaft hinreichend davor gewarnt, dass diese anderen den innerstaatlichen Vorschriften zum Mindestkapital und der Geschäftsführerhaftung unterliegen.50

D. Reaktionen der deutschen Gerichte auf die Rechtsprechung des EuGH Durch Daily Mail fühlten sich die deutsche Rechtsprechung51 und h. L.52 noch in ihrem Standpunkt, dass die Sitztheorie auch auf Gesellschaften Anwendung findet, die in einem europäischen Mitgliedstaat gegründet werden, bestätigt: Das Gesellschaftsrecht gehe der Niederlassungsfreiheit vor (Theorie von der Irrelevanz der Grundfreiheiten).53 Während die deutsche Rechtsprechung zunächst gar nicht auf die Centros-Entscheidung reagierte54, judizierte der österreichische OGH in einem mit Centros vergleichbaren Sachverhalt, dass die Zweigniederlassung einer englischen private limited company einzutragen sei und erklärte zugleich die Gründungstheorie für maßgeblich.55 Kurz vor der Überseering-Entscheidung versuchte der II. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 1.7.2002, noch die Sitztheorie und ihre Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit zu retten, indem er einer nach dem 50

EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 135. BayVerGH NJW 1985, 2894; BayObLG (Landshuter Druckhaus Ltd. I) AG 1986, 45; OLG Hamburg NJW 1986, 2199; OLG München NJW 1986, 2197; LG Köln GmbHR 1986, 314. Einzig das BayObLG hatte in den Entscheidungen Landshuter Druckhaus Ltd. II (BayObLG NJW 1986, 3029 und Landshuter Druckhaus Ltd. III (RIW 1987, 52) Zweifel geäußert. 52 Ebke, ZGR 1987, 245 (249 ff.); Großfeld, IPRax 1986, 145; ders., IPRax 1986, 351; Großfeld/Luttermann, JZ 1989, 386 ff.; Großfeld/König, RIW 1992, 433 (435); a. A. aber Timmermans, RabelsZ 48 (1984), 1 (39); Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498 (517 ff.); Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 (333, 342 f.). 53 Klinke, ZGR 1993, 1 (7); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 123 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 363; Ebenroth/Eyles, DB Beilage 2/88, 1 (10, 13); dies., DB 1989, 413 ff. 54 Vergleiche die Urteile des LG Potsdam ZIP 1999, 2021, und des LG München ZIP 1999, 1680. In der Literatur wurde die Bedeutung der Entscheidung allerdings kontrovers beurteilt: Einerseits wurde vertreten, dass die Nichtanerkennungsfolge der Sitztheorie gar nicht Gegenstand der Entscheidung war, vgl. Ebke, JZ 1999, 656 (660 f.); Kindler, NJW 1999, 1993 (1997); W.-H. Roth, ZGR 2000, 311 ff. („viel Lärm um nichts“); Mülbert/Schmolke, ZVglRWiss 100 (2001), 233 (262). Dagegen interpretierten andere Autoren die Entscheidung zutreffend als Paradigmenwechsel zur Herkunftslandanknüpfung, so G. H. Roth, ZIP 1999, 861 (867); Sandrock, BB 1999, 1337 ff.; Sedemund/Hausmann, BB 1999, 810; Meilicke, DB 1999, 625 (627). 55 OGHZG 2000, 36 = JZ 2000, 199 m. Anm. Mäsch; zust. Behrens, IPRax 2000, 384 (386 f.); kritisch Kieninger, NZG 2000, 39 ff.; Jaeger, NZG 2000, 918 (919). 51

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Recht der Kanalinsel Jersey gegründeten Kapitalgesellschaft56 mit Verwaltungssitz in Deutschland nicht die Rechts- und Parteifähigkeit generell absprach, sondern die ausländische Kapitalgesellschaft in eine inländische rechts- und parteifähige Personengesellschaft umqualifizierte.57 Als unmittelbarer Adressat der Überseering-Entscheidung entschied jedoch der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 13.3.200358, dass sich die Rechtsfähigkeit der Überseering B. V. allein nach ihrem Gründungsrecht, mithin niederländischem Recht beurteile. Ausdrücklich verwarf er damit auch die sog. Umqualifizierungslösung des II. Zivilsenates: Eine Umqualifizierung in eine inländische Personengesellschaft komme nicht in Betracht, da die Aberkennung des Haftungsprivilegs ebenfalls einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstelle, die Gesellschaft also gerade nicht als „Gesellschaft niederländischen Rechts“59 in Deutschland von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen könne.60 Genau besehen, führt die Umqualifizierung aber nicht zu einem Statutenwechsel, sondern vielmehr zu einer Statutenverdoppelung.61 Denn aus Sicht des Gründungsstaates bleibt die Kapitalgesellschaft erhalten, von dieser wird gewissermaßen eine inländische Personengesellschaft „abgespalten“.62 Die von der ausländischen Kapi56 Die Kanalinsel Jersey ist zwar Bestandteil des Vereinigten Königreiches, steht jedoch zur Europäischen Union in einem verfassungsrechtlichen Sonderverhältnis. Gemäß Art. 299 Abs. 6 lit.c) EG i. V. mit dem Protokoll Nr. 3 zu der Beitrittsakte 1972 gelten die Grundfreiheiten des EG-Vertrages nur eingeschränkt für Jersey. Damit ist die ausländische Kapitalgesellschaft wie ein Drittstaaten-Zuzugsfall zu behandeln; vergleiche BGHZ 151, 204 (208 f.). Allgemein zum völkerrechtlichen Status der Insel Jersey und der Geltung europäischer Grundfreiheiten auf ihrem Gebiet siehe die Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola zur EuGH-Entscheidung vom 16.7.1998 – Rs. C-171/96 („Rui Alberto Pereira Roque“), Slg. 1998, I-4610 ff. 57 BGHZ 151, 204 (206) = BB 2002, 2031 m. Anm. Gronstedt; kritisch Behrens, IPRax 2003, 193 (199); Heidenhain, NZG 2002, 1141 (1142); Schanze/Jüttner, AG 2003, 30 (32); zustimmend dagegen Kindler, NJW 2003, 1073 ff.; ders., IPRax 2003, 41 ff., und auch (noch) Leible/Hoffmann, DB 2002, 2203 ff.; so auch AG Hamburg, ZIP 2003, 1008 ff. 58 BGH ZIP 2003, 718 = NJW 2003, 1416 = BB 2003, 915. 59 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering“), Slg. I-2002, 9919 Tz. 80. 60 BGH ZIP 2003, 718 (720); zustimmend Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 ff.; Forsthoff, DB 2003, 979 ff.; Schulz, NJW 2003, 2705 ff. Im Übrigen war eine Anrufung des Großen Senates entbehrlich, da die vom II. Zivilsenat vertretene Auffassung, selbst wenn sich ihr der Große Senat angeschlossen hätte, aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht hätte angewendet werden dürfen. Dazu Rehberg, Würdigung der Tagung „Internationales Gesellschaftsrecht im Wandel: Das Überseering-Urteil des EuGH und seine Folgen“, IPRax 2003, 175 (180 f.); Thode, Referat im Rahmen der Tagung „Internationales Gesellschaftsrecht im Wandel: Das Überseering-Urteil des EuGH und seine Folgen“, IPRax 2003, 175 (178). 61 Zutreffend Behrens, IPRax 2003, 193 (200). 62 Behrens, IPRax 2004, 20 (21); ders., IPRax 2003, 193 (200).

§ 2 Grenzüberschreitende Sitzverlegung unter europäischen Gesichtspunkten 43

talgesellschaft abgespaltene Personengesellschaft führt aber ein von der ausländischen Gesellschaft gänzlich unabhängiges rechtliches Leben. Beide Gesellschaften sind deswegen nicht identisch. Somit negiert auch die sog. „modifizierte Sitztheorie“ die Niederlassungsfreiheit, weil ebenso wie bei der traditionellen Sitztheorie die Gesellschaft nicht als Verbandsperson unter Beachtung ihrer Rechtspersönlichkeit, Haftungsstruktur und Organisationsverfassung ihre Niederlassung von einem Mitgliedstaat in den anderen verlegen kann. Dem Urteil des II. Zivilsenates des BGH vom 2.6.2003 kann die Bereitschaft entnommen werden, den obigen Befund anzunehmen.63 Bis auf wenige Ausnahmen64 hat die deutsche Rechtsprechung den Wechsel zur Gründungstheorie recht reibungslos unternommen: Sowohl das OLG Naumburg65 als auch das OLG Celle66 stellten die Unvereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit fest. Mit Beschluss vom 19.12.2002 bejahte das BayObLG unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und unter ausdrücklicher Abweichung vom II. Zivilsenat67 die Rechts- und Grundbuchfähigkeit einer englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland.68 Bemerkenswert ist auch die Entscheidung des VIII. Zivilsenates des BGH vom 29.1.200369 zu Art. XXV Nr. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtvertrages von 195470, der beide Vertragsstaaten verpflichtet, die nach dem Recht des anderen Staates gegründeten Gesellschaften im Inland anzuerkennen. Der BGH schließt sich nunmehr der h. M.71 an, wonach im Verhältnis zu den USA nicht die Sitztheorie, sondern die Gründungstheorie auf US-amerikanische Gesellschaften 63 BGH DStR 2003, 1451 (1452); ebenfalls bestätigend das Urteil des BGH zu Art. VII des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag vom 5.7.2004, ZIP 2004, 1402, in dem der II. Zivilsenat ausdrücklich feststellt, dass Art. VII des Vertrages es ebenso wie die europäische Niederlassungsfreiheit gebietet, das Personalstatut der Gesellschaft dem Recht des Gründungsortes zu entnehmen. 64 LG Frankenthal vom 6.12.2002 NJW 2003, 762 = BB 2003, 542 m. abl. Anm. Leible/Hoffmann; aufgehoben durch OLG Zweibrücken vom 26.3.2003 unter Verweis auf die Überseering-Entscheidung, DB 2003, 1264 f. = BB 2003, 864; AG Lüneburg IPRax 2003, 266; aufgehoben durch OLG Celle IPRax 2003, 245. 65 OLG Naumburg vom 6.12.2002 GmbHR 2003, 533. 66 OLG Celle vom 10.12.2002 GmbHR 2003, 532 (533). 67 BGHZ 151, 204 (206). 68 BayObLG vom 19.12.2002 GmbHR 2003, 299 (300). 69 BGH, NJW 2003, 1607; dazu Merkt, RIW 2003, 458; Pache, IStR 2003, 808; Horn, NJW 2004, 893 (897). 70 BGBl. II 1956, 488. 71 Zur h. M. Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn. 262; ders., RIW 2003, 458 (459).

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mit Sitz in Deutschland Anwendung findet. Die Entscheidung ist dabei deutlich von der Überseering-Entscheidung geprägt.72 Der BGH sieht einen Zusammenhang dahingehend, dass die Anwendung der Sitztheorie in dem einen Fall einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bedeuten würde und in dem anderen Fall ein Verstoß gegen den Staatsvertrag. Mit Urteil vom 5.7.200473 unterstreicht auch der II. Zivilsenat des BGH diese Parallele, wonach Art. VII des Abkommens ähnlich wie Art. 43 und 48 EG auf europäischer Ebene den Gesellschaften Niederlassungsfreiheit im Gebiet des anderen Vertragsteils gewähre, woraus folge, dass sich die Frage der Rechts- und Parteifähigkeit und die Haftungsstruktur, mithin also das gesamte Personalstatut der Gesellschaft, nach dem Recht des Gründungsstaates richte.74 Auch der BFH75 erkennt nun in Abkehr zu seiner früheren Rechtsprechung76 die Rechtsfähigkeit einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland an. Bisherigen Schlusspunkt bildet die BGH-Entscheidung vom 14.3.2005.77 Der Bundesgerichtshof stellt darin erstens fest, dass die Geschäftsführerhaftung einer englischen private limited company mit tatsächlichem Sitz in Deutschland sich ausschließlich nach englischem Gesellschaftsrecht richtet. Zweitens tritt er der Argumentation des Instanzgerichts entgegen, den Geschäftsführer einer Scheinauslandsgesellschaft wegen fehlender Eintragung in einem deutschen Handelsregister der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG zu unterwerfen, weil auch dies eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeute.

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Pache, IStR 2003, 808 (809). BGH ZIP 2004, 1549 m. w. N. 74 Noch nicht gänzlich ist die Frage geklärt, ob die in dem Vertrag eingeräumten Rechte unter dem Vorbehalt eines „genuine link“ zum Gründungsstaat stehen, Überblick zum Meinungsstreit bei Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, Rn. 262. In seinem Urteil vom 5.7.2004 – BGH ZIP 2004, 1549 (1550) lässt der BGH die Frage offen. In einem darauf folgenden Urteil vom 13.10.2004 – BGH ZIP 2004, 2230 (2231) hält der BGH für die Erfüllung des „genuine link“ Erfordernisses, sofern ein solches überhaupt bestehen mag, die Ausübung auch nur geringer wirtschaftlicher Tätigkeit für ausreichend, in diesem Fall die Tatsache, dass die amerikanische Gesellschaft einen Telefonanschluss mit Anrufbeantworter in den USA installiert hatte. 75 BFH, GmbHR 2003, 722 = IStR 2003, 422. 76 BFH Beschl. vom 13.11.1991, BStBl II 1992, 263. Pikanterweise war dies der Beschluss im vorläufigen Rechtsschutz über denselben Sachverhalt. 77 BGH v. 14.3.2005 – II ZR/03 = BB 2005, 1016 = DB 2005, 1047 = ZIP 2005, 805; vgl. auch die zustimmenden Kommentare von Wand, BB 2005, 1017 f., und Ressos, DB 2005, 1048 f. 73

§ 3 Konturen eines europäischen internationalen Gesellschaftsrechts A. Reichweite der Gründungsanknüpfung I. Maßgeblichkeit des ausländischen Gesellschaftsstatuts In der Sache bedeutet die Rechtsprechung des EuGH eine Abkehr von der Sitztheorie, auch in ihrer „modifizierten“ Form. Dies folgt allerdings nicht unmittelbar aus den Art. 43, 48 EG, sondern ist Folge nationalen Kollisionsrechts.1 Die Gegenposition, wonach die Grundfreiheiten als versteckte Kollisionsnormen zu verstehen sind und auf das Recht des Gründungsstaates verweisen2, ist abzulehnen, weil es fern liegend ist, dass die römischen Verträge eine detaillierte völkerrechtlich/gemeinschaftsrechtliche Vereinheitlichung im Sinne der Sitz- oder Gründungstheorie herbeiführen wollten.3 Die Art. 43, 48 EG bilden aber die gemeinschaftsrechtliche Grenze für die Formulierung von Kollisionsnormen, welche die Niederlassungsfreiheit betreffen. So muss im Ergebnis die Anwendung von Kollisionsund dem daraus resultierenden Sachrecht mit der Niederlassungsfreiheit übereinstimmen. Weil aber die tatsächlichen Auswirkungen der Sitztheorie nicht mehr mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar waren4, geht die ganz h. M. von einer umfassenden gesellschaftskollisionsrechtlichen Gründungsanknüpfung (Einheitstheorie) bei europäischen Auslandsgesellschaften aus.5 Eine Anwen1 W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Lüderitz, S. 635 (646); Altmeppen, NJW 2004, 97 (100); Leible, ZGR 2004, 531 (534) („Europarechtliche Gründungstheorie“); Schanze/Jüttner, AG 2003, 30 (36); dies., AG 2003, 661 (665) („europarechtlich moderierte Kontrolltheorie“). 2 Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (14); Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 209 ff.; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 45. 3 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205). 4 Leible, ZGR 2004, 531 (534); Schanze/Jüttner, AG 2003, 30 (36); dies., AG 2003, 661 (665); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (8); Brand, JR 2004, 89; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1084); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (95). 5 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205); Horn, NJW 2004, 893 (896 f.); Bayer, BB 2004, 2357 (2364); Behrens, IPRax 2004, 20; Borges, ZIP 2004, 733; Eidenmüller/ Rehm, ZGR 2004, 159; Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, 2167; Hirte, GmbHR

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dung inländischen Gläubigerschutzrechts kommt demzufolge nur in Betracht, wenn ein Missbrauch des europäischen Gemeinschaftsrechts, Betrug oder eine Schutzlücke im Gründungsrecht festgestellt werden kann, welche die Anwendung inländischer Gläubigerschutzregeln im Rahmen einer Rechtfertigung durch zwingende Allgemeininteressen erforderlich macht (Gebhard-Formel).6 Altmeppen möchte hingegen die Aussagen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Scheinauslandsgesellschaften auf die Pflicht der Mitgliedstaaten reduzieren, die Gründung einer Kapitalgesellschaft innerhalb der Gemeinschaft „anzuerkennen“ und das Organisations- und Innenrecht der Gesellschaft nach ihrem Gründungsrecht zu beurteilen.7 Hingegen richte sich der Gläubigerschutz nach dem Recht des Sitzstaates, weil andernfalls eine einheitliche Anknüpfung an das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates die „abwegige Vorstellung von der gleichzeitigen Geltung 25 verschiedener Gesellschaftsrechte in jedem einzelnen Mitgliedstaat“ zur Folge habe.8 Eine solche Differenzierung zwischen der Gründungsphase der Gesellschaft und der Bestandsphase ist jedoch aus zwei Gründen nicht überzeugend. Zum einen führt es zu einem gespaltenen Gesellschaftsstatut, was zu einem Nebeneinander häufig unvereinbarer mitgliedstaatlicher Regelungen führt.9 Wertungswidersprüche und Anpassungsprobleme sind die Folge.10 Zum anderen ist eine solche Differenzierung auch nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Der EuGH stellt in Inspire Art explizit fest, dass 2003, R 421; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677 (681); Meilicke, GmbHR 2003, 1271; Merkt, RIW 2004, 1 (7); Probst/Kleinert, MDR 2003, 1265; Sandrock, BB 2004, 897; Schumann, DB 2004, 743; Spindler/ Berner, RIW 2003, 949; Weller, DStR 2003, 1800 (1802); Ziemons, ZIP 2003, 1913; Leible, ZGR 2004, 531 (533); Riegger, ZGR 2004, 510 (524); Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (365); Omar, 15 ICCLR 2004, 398; a. A. Kindler, NJW 2003, 1073 (1077); ders., NZG 2003, 1086 (1088); Altmeppen, NJW 2004, 97; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, wobei letztere nicht die Gründungsanknüpfung an sich in Frage stellen, sondern nur deren Reichweite, dazu sogleich im Text. 6 EuGH vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), Slg. 1995, I-4165, Tz. 37. EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 34; EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 133; EuGH vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), Slg. 1995, I-4165, Tz. 37. 7 Altmeppen, NJW 2004, 97; ders., Festschrift Röhricht, S. 3 (15 f.); Altmeppen/ Wilhelm, DB 2004, 1083 (1086 f. und 1089). 8 Altmeppen, NJW 2004, 97 (99). 9 Für eine einheitliche Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts auch Randelzhofer/ Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Recht der Europäischen Union, Art. 48 EG, Rn. 74; ferner Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 66, 249; Heider, in: MünchKomm. AktG, Einl. Rn. 131 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 412; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 788; Ebenroth/Sura, RabelsZ 43 (1979), 315 (330 ff.). 10 Ein Beispiel findet sich bei Schumann, DB 2004, 743 (745).

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die Niederlassungsfreiheit die Mitgliedstaaten nicht nur zur gegenseitigen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der EU-Auslandsgesellschaft verpflichtet, sondern dass auch Vorschriften während des Bestehens der Gesellschaft, etwa Mindestkapitalisierungserfordernisse, die Niederlassungsfreiheit nicht unzulässig beschränken dürfen. Aus kollisionsrechtlichen und europarechtlichen Erwägungen ist deswegen eine einheitliche Anknüpfung an das Gründungsstatut der Gesellschaft vorzunehmen.11 Der II. Zivilsenat BGH hat sich jüngst dieser Auffassung für den Bereich der Haftungsverfassung angeschlossen.12 II. Auseinanderfallen von Gesellschaftsund Insolvenzstatut? Bestimmt nun grundsätzlich englisches Gesellschaftsrecht die Finanz- und Haftungsverfassung einer englischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland, so drängt sich das grundsätzliche Problem auf, dass Gläubigerschutz im englischen Recht weniger gesellschaftsrechtlich als vielmehr insolvenzrechtlich verwirklicht wird. Welches Insolvenzstatut auf eine EU-Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland anzuwenden ist, ergibt sich aus Art. 3 und 4 der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO)13. Gemäß Art. 4 EuInsVO gilt für das gesamte Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori consursus). Für die Eröffnung des Verfahrens sind nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates zuständig, in dem der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.14 Fallen wie hier jedoch Verwaltungs- und Satzungssitz auseinander, so ist nach herkömmlicher Lesart diese Vermutung widerlegt und der Verwaltungssitz bildet den Mittelpunkt der Interessen.15 Da die Verweisung in Art. 4 Abs. 1 EuInsVO sich 11 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2241); ders., JZ 2003, 526 (528); ders., JZ 2004, 24 (25); Paefgen, WM 2003, 561 (567); Leible/Hoffman, ZIP 2003, 925 (926). 12 BGH v. 14.3.2005 – II ZR/03 = BB 2005, 1016 = DB 2005, 1047 = ZIP 2005, 805; vgl. auch die zustimmenden Kommentare von Wand, BB 2005, 1017 f., und Ressos, DB 2005, 1048 f. 13 Verordnung des Rates (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000, ABl.EG Nr. L 160 vom 30.6.2000. Die EuInsVO gilt in den Mitgliedstaaten unmittelbar, Reinhart, in: MünchKomm. InsO, vor Art. 102 EGInsO, Rn. 83. 14 Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO. 15 Vgl. den 13. Erwägungsgrund der EuInsVO: „Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist“; siehe auch Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 13, 23, 24; Weller,

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sowohl auf das Verfahrensrecht als auch auf die materiellen Normen des nationalen Insolvenzrechts bezieht, sind bei einer insolventen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland nach ganz h. M. deutsche Gerichte für das Insolvenzverfahren zuständig, und es gilt deutsches Insolvenzrecht.16 Bis vor kurzem bestanden in diesem Zusammenhang aber noch Zweifel bei abhängigen Konzerngesellschaften. So wurde teilweise vertreten, dass der Ort an dem die einheitliche Leitung ausgeübt wird, zugleich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Tochtergesellschaft sei.17 Insbesondere englische Gerichte bedienten sich dieses Begründungsmusters, um auch über ausländische Tochtergesellschaften ein englisches Insolvenzverfahren zu eröffnen.18 Dafür wurden ökonomische Erwägungen angeführt, weil damit Mutter und Tochter einem einheitlichen Insolvenzverfahren unterstellt werden können.19 Wortlaut und Systematik der EuInsVO entspricht es jedoch, auf den Ort abzustellen, an dem die Tochtergesellschaft ihre werbende Tätigkeit entfaltet.20 Nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO kommt es zur Bestimmung des Insolvenzstatuts auf den Mittelpunkt der juristischen Person an, über die das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll, und nicht auf den Mittelpunkt der Gesellschafterinteressen. Der Interessenschwerpunkt der Tochtergesellschaft liegt aber an dem Ort, an dem sich ihr Haftungsfond befindet, aus welchem sie ihre Geschäftstätigkeit finanziert und ihre Gläubiger befriedigt. Dies ist auch Konsequenz des Prinzips der juristischen Selbständigkeit im Konzern. Ferner kommt gemäß dem 13. Erwägungsgrund der EuInsVO als „Mittelpunkt tatsächlicher Interessen“ auch nur ein Ort in Betracht, der für Dritte feststellbar ist.21 Das kann entweder der Satzungssitz IPRax 2003, 207 (209); Schumann, DB 2004, 743 (746). Englische Gerichte sehen die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO ebenso als widerlegt an, wenn der tatsächliche Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat liegt, vgl. Re Daisytek-ISA Ltd [2004] BPIR 30 (16–17); Re BRAC RentA-CarInternational, Inc. [2003] EWHC (Ch) 128, [2003] 1 WLR 1421. 16 Schumann, DB 2004, 743 (746); Weller, IPRax 2003, 207 (209); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (415); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (347); Borges, ZIP 2004, 733 (737); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 11; U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (334). Im Folgenden wird dies als „Trennungstheorie“ bezeichnet. 17 So der High Court of Justice of Leeds ZIP 2004, 963 = NZI 2004, 219; AG München ZIP 2004, 962; weitere Hinweise auf die englische Praxis bei Liersch, NZI 2004, 141; Tribunale Civile di Parma ZIP 2004, 1220. 18 Kritische Stimmen bezeichnen diese Vorgehensweise als „Insolvenz-Imperialismus“, so Lüer, Festschrift Greiner, S. 201 (213 f.). 19 Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3456); Paulus, ZIP 2005, 1948 (1953 ff.). 20 AG Mönchengladbach NZI 2004, 383 (384); High Court Dublin ZIP 2004, 1223; Lüer, Festschrift Greiner, S. 201 (213 f.).

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oder der Verwaltungssitz der Tochter sein. Keinesfalls ist es aber für Dritte erkennbar, von wo aus die tatsächliche Leitungsmacht über die Gesellschaft ausgeübt wird. Mit Urteil vom 2.5.2006 (Eurofood/Parmalat) hat der EuGH diese Auslegung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bestätigt.22 Damit sind bei inländischen Konzerngesellschaften deutsche Gerichte zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig und deutsches Insolvenzrecht ist anwendbar.23 Eine solche Interpretation zieht allerdings die schwerwiegende Konsequenz nach sich, dass bei einer (abhängigen) EU-Auslandsgesellschaft ihr Insolvenz- und Gesellschaftsstatut auseinander fallen. Dies kann zu einem internationalprivatrechtlich problematischen Normenmangel oder zu einer Normenhäufung führen. Ein Beispiel hierfür könnte die unterschiedliche Ausgestaltung der Insolvenzverschleppungshaftung in Deutschland und England sein: Der englische Haftungstatbestand des wrongful trading ist systematisch dem Insolvenzrecht zuzuordnen (s. 214 IA 1986), wohingegen die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung systematisch im Gesellschaftsrecht (§ 64 Abs. 2 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) angesiedelt ist. Bleibt es bei einer solchen Qualifizierung, so würde das Schutzinteresse der rechtzeitigen Insolvenzeröffnung, um ein Abwälzen des Unternehmensrisikos auf die Gläubiger zu vermeiden, sachrechtlich durch keine der beiden Rechtsordnungen verwirklicht. In der Unternehmensgruppe schützt s. 214 IA 1986 ferner die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft vor einer „Ausplünderung“ des Gesellschaftsvermögens, indem die Muttergesellschaft von der Vorschrift als shadow director erfasst wird, wenn sie in einem ausreichenden Maße auf die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft Einfluss nimmt.24 Damit übernimmt s. 214 IA 1986, wie die action en comblement du passif des französischen Rechts, Funktionen, die im deutschen Recht dem Konzernrecht zugewiesen werden.25 Dieses Schutzinteresse wäre bei 21 Darauf weisen auch B. Kübler, Festschrift Gerhardt, S. 527 ff. und Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3456 f.) hin. 22 EuGH vom 2.5.2006 – Rs. C-341/04 („Eurofood/Parmalat“) mit Anm. Saenger/Klockenbrink, EuZW 2006, 363; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 27.9.2005 – Rs. C-341/04 („Eurofood/Parmalat“), abgedruckt in ZIP 2005, 1878 (1884, Rn. 117) mit Anm. von Pannen/Riedemann, EWiR 2005, 725. 23 Ebenso Mankowski, RIW 2005, 561 (576); Weller, IPRax 2004, 412 (415 f.); U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (337); ders., Festschrift Gerhardt, S. 397 (407). 24 Cork Report, Rn. 1938; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (752 f.); Collins, 53 MLR 1990, 741. 25 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (756 f.); Schuberth, Konzernrelevante Regelungen im britischen Recht, S. 192 ff.; Fleischer, AG 1999, 350 (357 f., 360 f.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (209); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 539.

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insolvenzrechtlicher Qualifikation von s. 214 IA 1986 ebenfalls nicht verwirklicht, da gleichzeitig deutsches Konzernrecht kollisionsrechtlich nicht anwendbar wäre.26 In beiden Fällen liegt also ein kollisionsrechtlich begründeter Normenmangel27 vor: Weder das anwendbare Gesellschaftsrecht des Herkunftsstaates England noch das aufgrund des lex fori-Prinzips (Art. 4 Abs. 1 EuInsVO) anwendbare Insolvenzrecht des Verwaltungssitzstaates Deutschland tragen den oben genannten Schutzinteressen Rechnung. Dieses Ergebnis verwundert, da die Gesellschaft nun besser stünde als nach dem Recht beider Rechtsordnungen.28 Hierzu werden im Wesentlichen drei Lösungswege vorgeschlagen: (1) In Deutschland wird bislang ausschließlich eine sog. Normenqualifikation unternommen („Normenqualifikationstheorie“).29 Demnach wird die entsprechende Norm entgegen ihrer Stellung im Gesetz funktional als insolvenzrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Schutznorm eingeordnet. (2) Theoretisch kann der Normenmangel aber auch materiellrechtlich aufgelöst werden.30 Demnach sind die gemeinsamen Grundsätze beider Rechtsordnungen zu ermitteln. Der Verwaltungssitzstaat ist dann zur Durchsetzung seiner Schutzvorschrift jedenfalls in dem Umfang berechtigt, in dem die Gesellschaft auch nach ihrem Heimatrecht rechnen musste, allerdings auch nicht schärfer.31 Dieses Verfahren ist sehr komplex und birgt das offensichtliche Problem der Rechtsunsicherheit in sich. Mittelbar käme man dadurch zu einem einheitlichen europäischen Gesellschaftsrecht, was dem Gedanken der Subsidiarität und des Wettbewerbs der Rechtsordnungen widerspricht. Dieser Lösungsansatz wird daher von niemandem ernsthaft in Erwägung gezogen und bedarf keiner weiteren Ausführung. (3) Einen interessanten, hierzulande noch unbekannten Ansatzpunkt wählt dagegen der englische Rechts26

Ausführlich zum internationalen Konzernrecht unter § 4. Allgemein zum Problem des Normenmangels Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 366 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 234 ff., zur Problematik der Normenhäufung bei paralleler Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung und der englischen Haftung aus common law, vgl die Ausführungen unter § 9 B. II. 2. 28 Internationalprivatrechtlich wird ein Ergebnis, das durch Anwendung zweier materieller Rechte beiden Rechtsordnungen widerspricht, als beiderseitiger Normwiderspruch bezeichnet, vergleiche Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 360. 29 Alle implizit, vgl. Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589) und Bayer, BB 2003, 2357 (2365); Borges, ZIP 2004, 733 (739 f.); ders., RIW 2000, 167 (178); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (348); Weller, IPRax 2003, 520 (522); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (416); Eidenmüller, JZ 2004, 24 (27); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (168); Riegger, ZGR 2004, 510 (525 f.); Ulmer, JZ 1999, 662 (664 f.); ders., NJW 2004, 1201 (1205, 1207); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (399 f.). 30 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361. 31 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (175); Eidenmüller, JZ 2004, 24 (28). 27

§ 3 Konturen eines europäischen internationalen Gesellschaftsrechts

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wissenschaftler Armour.32 Im Gegensatz zur Trennung von Gesellschaftsund Insolvenzstatut vertritt er deren Einheitlichkeit („Einheitstheorie“). Die Vermutungsregel des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO sei so auszulegen, dass sie de facto eine unwiderlegliche ist. Somit unterstehe die Gesellschaft nicht nur dem Gesellschaftsrecht ihres Gründungsstaates, sondern auch dessen Insolvenzrecht. Eine Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sei deswegen entbehrlich.33 1. Normenqualifikations- und Trennungstheorie Die Autoren, die von einer Trennung von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut ausgehen, schlagen grundsätzlich zwei Wege ein, um über die „Normenqualifikation“ einen Normenmangel oder eine Normenhäufung zu vermeiden. Einige fassen das Gesellschaftsstatut möglichst weit, um alle Gläubigerschutzregelungen mit gesellschaftsrechtlichem Bezug zu erfassen und einer einheitlichen Rechtsordnung zu unterstellen.34 So wird vorgeschlagen, aus europäischer Sicht Schutznormen trotz ihrer Einbettung im Insolvenzrecht gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, wenn sie die gesellschaftsrechtliche Risikoverteilung betreffen.35 Dies führt weitestgehend dazu, dass englische insolvenzrechtliche Schutznormen, wie etwa ss. 213, 214 IA 1986 auf die Ltd. mit Sitz in Deutschland angewendet werden.36 Entsprechend werden deutsche funktionsäquivalente Schutznormen, wie etwa die Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 2 GmbHG) und die Insolvenzverschleppungshaftung (§ 64 Abs. 2 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB), nicht angewendet, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.37 Andere fassen dagegen das Insolvenzstatut möglichst weit. So werden Gläubigerschutzregelungen, die auf den ersten Blick gesellschaftsrechtlich erscheinen, als insolvenzrechtlich qualifiziert. Damit gelangen sie weitestgehend zur Anwendung deutschen Gläubigerschutzrechtes unter Verdrängung des englischen Rechts.38 Bei dieser „Flucht 32

Armour, Who Should Make Corporate Law?, S. 26 ff. De lege ferenda auch Eidenmüller, NJW 2004, 3455 ff. 34 Zimmer, IntGesR, S. 295. 35 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (27); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (168); Riegger, ZGR 2004, 510 (525 f.); Ulmer, JZ 1999, 662 (664 f.). Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (399 f.). 36 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); Riegger, ZGR 2004, 510 (526 f.); Mock/ Schildt, ZInsO 2003, 396 (399 f.). 37 Beispielsweise kann s. 214 IA 1986 und die Haftung aus common law die directors entgegen §§ 62 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG verpflichten, die insolvente Gesellschaft im Gläubigerinteresse weiterzuführen und nicht zur Insolvenz anzumelden, vgl. Schall, ZIP 2005, 965 (971) und die Ausführungen unter § 9 B. II. 2. 38 Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589) und Bayer, BB 2003, 2357 (2365) wollen über eine insolvenzrechtliche Qualifizierung zur Anwendbarkeit der deutschen Existenzvernichtungshaftung kommen; eine insolvenzrechtliche Anknüpfung der deut33

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

in das Insolvenz- oder Deliktsrecht“ ist aber Vorsicht geboten.39 Einer solchen Einordnung liegt oftmals die Vorstellung zugrunde, bei einer Einordnung unter das Delikts- oder Insolvenzstatut sei die Anwendung inländischen Rechts unbeschränkt möglich.40 Wäre eine solche Auslegung stimmig, so könnte womöglich das niederländische WFBV, welches Gegenstand der Inspire Art-Entscheidung war, gerettet werden, indem der Gesetzgeber eine insolvenzrechtliche Version des Gesetzes etwa mit dem Inhalt erließe, dass bei Nichtbefolgung der Vorschriften über die Mindestkapitalausstattung, die Geschäftsführer in der Insolvenz eine persönliche Haftung treffe.41 Überzeugender ist aber, dass die Wirkungen von Inspire Art nicht durch eine „Umqualifizierung“ gesellschaftsrechtlicher Normen in insolvenzrechtliche oder deliktsrechtliche Normen umgegangen werden können.42 Aus europarechtlicher Sicht ist es unwesentlich, wie der nationale Gesetzgeber eine Norm „etikettiert“, weil er ansonsten die Reichweite der Niederlassungsfreiheit manipulieren könnte. Hat eine Regelung erhebliche Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit, so muss sie sich an Art. 43, 48 EG messen lassen.43 Erst wenn es sich aus europarechtlicher Sicht tatsächlich um eine insolvenzrechtliche Norm handelt, ist möglicherweise über den schen Insolvenzantragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung befürworten Altmeppen, NJW 2004, 97 (100 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (739 f.); ders., RIW 2000, 167 (178); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (348); Weller, IPRax 2003, 520 (522); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (416); Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 103 f. 39 Ebenso Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (167); Spindler/Berner, RIW 2003, 949 (955); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3591 f.). 40 Vgl. H.-F. Müller, NZG 2003, 415 (416); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (348); Weller, IPRax 2003, 520 (522); Altmeppen, NJW 2004, 97 (100 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (739 f.); ders., RIW 2000, 167 (178), die nur teilweise oder nicht für alle Rechtsfragen die Vereinbarkeit mit Europarecht überprüfen. 41 Dies scheint der niederländische Gesetzgeber auch versucht zu haben, vgl. Rammeloo, MJ 2004, 379 (407 f.); Lowry, 63 CLJ 2004, 331 (343 mit Fn. 32). 42 So auch Armour, Who Should Make Corporate Law?, S. 27; Bitter, Jahrbuch Junge Zivilrechtswissenschaftler, 2004, 299 (311); zur Zurückhaltung gegenüber einer solchen Flucht ins Insolvenzrecht mahnend K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 (499). 43 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (167); Eidenmüller, JZ 2004, 24 (25); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9 f.) (demgegenüber noch unklar dies., RIW 2003, 949 (955), wo einerseits betont wird, der Qualifikation von Rechtsinstituten komme immense Bedeutung zu, andererseits aber anerkannt wird, dass auch deliktische Haftungsfiguren mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein müssen); Bitter, Jahrbuch Junge Zivilrechtswissenschaftler, 299 (311). Das wird übersehen etwa von Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1479); Bayer, BB 2003, 2357 (2364 f.); Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); Weller, DStR 2003, 1800 (1804); unklar ders., IPRax 2003, 207 ff. und 520 ff., wo das Erfordernis europarechtlicher Prüfung zwar erkannt, teilweise aber doch nur kollisionsrechtlich argumentiert wird; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669 f.).

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Verweis aus Art. 3, 4 EuInsVO ein Rückgriff auf die Niederlassungsfreiheit gesperrt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass erstens die EuInsVO selbst primärrechtskonform ist und zweitens eine abschließende Regelung trifft.44 Beides wird ausführlich an anderer Stelle in der Arbeit analysiert.45 2. Einheitstheorie Dass eine „Umqualifizierung“ gesellschaftsrechtlicher Normen in insolvenzrechtliche nicht vor der Niederlassungsfreiheit schützt, entspricht wohl der h. M. Dennoch scheut man sich hierzulande im nächsten logischen Schritt zu fragen, ob die EuInsVO als solche oder zumindest die Auslegung im Rahmen ihres Art. 3 Abs. 1 überhaupt noch zu der Inspire Art Rechtsprechung des EuGH passt.46 Indessen ist die Auslegung der Norm und des Tatbestandmerkmals „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ nicht so klar und eindeutig, wie dies von der bislang nahezu einhelligen Meinung suggeriert wird. Zunächst ist auffällig, dass der zentrale Begriff des „Mittelpunkts hauptsächlicher Interessen“, welcher den Anwendungsbereich der gesamten EuInsVO reguliert, nur äußerst schemenhaft definiert ist.47 Dies spiegelt den unglücklichen Kompromiss zwischen Sitz- und Gründungstheorie wider; der europäische Gesetzgeber wollte sich nicht auf eine der beiden Theorien festlegen.48 Indessen kann wohl als geklärt gelten, dass die Sitztheorie im Gesellschaftsrecht – oder besser ihre tatsächlichen Auswirkungen – nicht mehr den Vorgaben der europäischen Niederlassungsfreiheit entspricht.49 Ein Festhalten an der überkommenen Sitztheorie im Bereich des Insolvenzrechts scheint aber wenig glücklich. Denn Gesellschafts- und Unternehmensinsolvenzrecht (corporate insolvency law) bilden eine funktionale Einheit, welche gar nicht sinnvoll voneinander getrennt werden kann.50 44 EuGH Slg. 1979, 649 Tz. 8 – „Cassis de Dijon“; Slg. 1993, I-4979 Tz. 9 – „Vanacker“; Slg. 2001, I-9897 Tz. 32 – „DaimlerChrysler“; v. Bogdandy, JZ 2001, 157 (166); Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 180 f. 45 Zur Primärrechtskonformität vgl. unten § 3 A. II. 3.; zum abschließenden Charakter § 9 B. II. 2. 46 Vgl. statt aller Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205, 1207 mit Fn. 57); Ansätze aber bei Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3458 f.). 47 Vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuInsVO und den 13. Erwägungsgrund. 48 13. Erwägungsgrund der EuInsVO; Fletcher, Insolvency in Private International Law, S. 260–262; Omar, European Insolvency Law, 2004, S. 97–99; Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3456). 49 Siehe oben § 3 A. I. 50 Armour, Who Should Make Corporate Law?, S. 25; Armour/Whincop, The Proprietary Foundations of Corporate Law, S. 25; Skeel, 113 Yale L. J. 2004, 1519 (1550–62).

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

Wie eng die Verzahnung zwischen materiellen Insolvenz- und Gesellschaftsnormen ist, belegt die deutsche Diskussion, Gläubigerschutzrecht ganz aus dem Gesellschaftsrecht in das Insolvenzrecht zu verlagern.51 Zentrale gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzinstrumente wie das Kapitalerhaltungsrecht, die Kapitalersatzregeln, die Insolvenzverschleppungs- und die Existenzvernichtungshaftung weisen allesamt starke Querbezüge zum Insolvenzrecht auf.52 Vielleicht ist dieser Querbezug am unauffälligsten im Kapitalerhaltungsrecht. Jedoch liegt die eigentliche Bedeutung der Ausschüttungssperre darin, dass sie auch in der Zone der Überschuldung besteht, mithin der gesamte entzogene Wert zurückzuerstatten ist, selbst dann, wenn der Vermögensentzug ganz oder teilweise nicht mehr zu Lasten des Eigenkapitals der Gesellschaft erfolgte.53 Ganz deutlich ist der Bezug aber bei der Insolvenzverschleppungshaftung, die unmittelbar an die Insolvenzantragspflicht anknüpft, und bei den Kapitalersatzregeln, die systematisch sowohl im Gesellschaftsrecht (vgl. die Rechtsprechungsregeln in Analogie zu §§ 30, 31 GmbHG bzw. § 57 AktG und § 32a, b GmbHG) als auch im Insolvenzrecht (Nachrangigkeit, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, und Anfechtung, § 135 InsO) verankert sind. Beide Instrumente verfolgen dabei das Ziel, zu verhindern, dass die aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähige Gesellschaft unter einseitiger Verlagerung des Risikos auf die Gläubiger fortgeführt wird.54 Damit geht es sowohl bei der Insolvenzverschleppungshaftung als auch bei dem Kapitalersatzrecht im Kern darum, den Rechtsverkehr vor nicht mehr rentablen Unternehmen zu schützen55, was wiederum deutlich den Normzweck der InsO widerspiegelt.56 Neben Querbezügen zu den Anfechtungstatbeständen der InsO57 – vor allem der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO – bezweckt schließlich auch die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs als eine Insolvenzverursachungs- oder -vertiefungshaftung nichts anderes als die Verhinderung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen im Vorfeld der Gesellschaftskrise.58 Sie fungiert damit als „Haftungsklammer“ zwischen den gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften und dem Schutz des geordneten Verteilungsverfahrens in der Insolvenz. 51 Vgl. den Vorschlag von M. Fischer, ZIP 2004, 1477 ff.; teilweise auch Röhricht, ZIP 2005, 505 (514 ff.). 52 Vgl. die Darstellung bei Röhricht, ZIP 2005, 505 (506 ff.). 53 Altmeppen, NJW 2004, 97 (102); Röhricht, ZIP 2005, 505 (511 f.). 54 BGHZ 109, 55 (58) („Lagergrundstück I“) zum Kapitalersatzrecht bei der GmbH. 55 Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.). 56 Vgl. § 1 InsO; Röhricht, ZIP 2005, 505 (506). 57 Nassall, ZIP 2003, 969 (973 ff.); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1483). 58 Röhricht, ZIP 2005, 505 (514); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207).

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Auch der rechtsvergleichende Blick nach England und Frankreich belegt die für die „Paketlösung“59 der europäischen Gesellschaftsrechte typische Verschränkung zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. In Ergänzung der Kapitalerhaltungsvorschriften verhindert s. 214 IA 1986 ebenso wie die action en comblement du passif 60 im französischen Recht die Ausplünderung der Gesellschaft im Vorfeld der Insolvenz.61 Bei der Bestimmung des haftungsauslösenden Zeitpunkts (sog. moment of truth) darf dabei nicht der enge Zusammenhang mit den Kapitalisierungsvorschriften verkannt werden.62 Weil im englischen Recht traditionell kein Zusammenhang zwischen (Mindest-)Kapitalisierung und Haftungsprivileg besteht, löst allein die Tatsache der Überschuldung regelmäßig noch keine Haftung aus63, während im deutschen Recht spätestens drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen ist bzw. eine entsprechende Haftung eintritt (§ 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG).64 Als Gegengewicht zu dem erweiterten Ermessenspielraum der Geschäftsführer werden den Gläubigern im englischen Insolvenzrecht weiterreichende Kompetenzen bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestanden. Während in Deutschland zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsvoraussetzung (§§ 14 Abs. 1, 17 InsO) regelmäßig ein fehlgeschlagener Vollstreckungsversuch vorzutragen ist65, genügt im englischen Recht bereits der Verzug mit einer unbestrittenen Schuld.66 Die Tatsache, dass die mit der Modernisierung des englischen Gesellschaftsrechts betraute Company Law Review Steering Group in Erwägung zog, den Tatbestand des wrongful trading aus dem Insolvency Act 1986 herauszulösen und in den Companies Act 1985 zu integrieren67, belegt ebenfalls die These von der funktionalen Einheit von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Der Vorschlag beruhte auf dem engen Zusammenhang zwischen s. 214 IA 1986 und der gesellschaftsrechtlichen Pflicht aus common law, welche die Geschäftsführer zur Beachtung von Gläubigerinteressen in 59

Röhricht, ZIP 2005, 505 (508). Art. 180 französisches Insolvenzgesetz, näher dazu Omar, 6 Insolvency Lawyer 2003, 239 (246). 61 Forum Europaem Konzrenrecht, ZGR 1998, 672 (752 f., 756 f.); Cork Report, Rn. 1938; Collins, 53 MLR 1990, 741. 62 Davies, AG 1998, 346 (348 f.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (305). 63 § 5 F. II. 1. c). 64 Siehe den Rechtsvergleich unter § 9 B. II. 2. b). 65 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 51. 66 Cornhill Insurance plc v Improvement Services Ltd [1986] 1 WLR 114; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 82. 67 Company Law Review Steering Group, Final Report, Annex C, Schedule 2 Rn. 9; der Vorschlag wurde allerdings von der Regierung verworfen; näher dazu Gower/Davies, 7. Aufl., S. 373 f. 60

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der Krise der Gesellschaft verpflichtet.68 Beide Haftungstatbestände greifen ein, wenn wegen der Krise der Gesellschaft ein großer Anreiz zu opportunistischem Verhalten seitens der Geschäftsführer besteht. Im Gegensatz zu s. 214 IA 1986 setzt die Pflicht aus common law aber nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus, sondern verändert die gesellschaftsrechtliche Pflichtenbindung der Direktoren. Sie ist somit eher gesellschaftsrechtlich als insolvenzrechtlich zu qualifizieren.69 In beiden Rechtsordnungen bestehen damit gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Gläubigerschutzmechanismen, die sich erst durch ihr Ineinandergreifen zu einem umfassenden Schutzsystem ergänzen.70 Ist aber beides so eng miteinander verknüpft, macht es keinen Sinn, internationalprivatrechtlich beide Rechtsdisziplinen unterschiedlichen Kollisionsregeln zu unterstellen. Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen gibt es noch weitere Gründe, die für eine insolvenzrechtliche Gründungsanknüpfung in der EuInsVO sprechen. Nach dem Virgos/Schmidt Report, der als inoffizieller Kommentar zur EuInsVO gilt, ist Hauptanliegen der Verordnung, dass die gefährdeten Gläubiger leicht und schnell vorhersehen können, welches Gericht international für das Insolvenzverfahren zuständig ist.71 Es ist aber nicht einfach für die Gläubiger zu erkennen, wo nun der tatsächliche wirtschaftliche Schwerpunkt der Gesellschaft besteht, insbesondere wenn der Schuldner in mehreren Mitgliedstaaten wirtschaftlich aktiv ist. Hingegen ist der Satzungssitz eindeutig und präzise bestimmbar. Vor allem aber kann bei Maßgeblichkeit des Verwaltungssitzes durch Verschieben von Vermögensgütern und der Hauptverwaltung von einem Mitgliedstaat in einen anderen das Insolvenzstatut der Gesellschaft jederzeit geändert werden.72 Damit haben es Gesellschaften in der Hand, ihren „Mittelpunkt tatsächlicher Interessen“ kurz vor der Insolvenz in denjenigen Mitgliedstaat zu verlegen, der das 68 West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250; Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870; Re Pantone 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v London Wharf (Limehouse) Ltd [2003] BCC 855; Re MDA Investment Management Ltd [2004] 1 BCLC 217. 69 Näher dazu unter § 9 B. II. 2. a). 70 Röhricht, ZIP 2005, 505 (516); Skeel, 113 Yale L. J. 2004, 1519 (1550–62); Armour/Whincop, The Proprietary Foundations of Corporate Law, S. 25; Armour, Who Should Make Corporate Law?, S. 25; ähnlich Zimmer, IntGesR, S. 292–296. 71 Virgos/Schmidt Report on the Convention on Insolvency Proceedings, abgedruckt in: Moss/Fletcher/Isaacs, The EC Regulation on Insolvency Proceedings, Anhang 2, Rn. 75. 72 Skjevesland v Geveran Trading Co Ltd [2003] BPIR 924; Shierson v VlielandBoddy [2004] EWHC 2752 (Ch), [2004] All ER (D) 420 (421): „[T]he creditors are always at risk of such a change [of the centre of main interests], and they cannot safely make any assumptions as to the insolvency law which will apply in due course.“ ( per Mann J).

§ 3 Konturen eines europäischen internationalen Gesellschaftsrechts

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laxeste und somit „Schuldner freundlichste“ Insolvenzrecht aufweist ( forum shopping).73 Wenn es aber gerade Ziel der EuInsVO ist, ein solches insolvenzrechtliches forum shopping zu verhindern74, so ist ein Abstellen auf den Verwaltungssitz im Rahmen des „Mittelpunkts tatsächlicher Interessen“ inkonsequent. Knüpft man hingegen den „Mittelpunkt tatsächlicher Interessen“ ausschließlich an den Satzungssitz der Gesellschaft, so kann ein solcher Wechsel des Insolvenzstatuts nur durch Verlegung des Satzungssitzes gelingen. Dies kann jedoch de lege ferenda relativ einfach verhindert werden, indem es Gesellschaften, die am Rande der Insolvenz stehen, verboten wird, ihren Satzungssitz zum Nachteil der Gläubiger zu verlegen.75 Ein Verbot der Verwaltungssitzverlegung dürfte vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit dagegen schwieriger zu bewerkstelligen sein. Selbst wenn solche speziellen Probleme nicht auftreten, führt doch eine Auslegung des „Mittelpunkts tatsächlicher Interessen“ im Sinne des Satzungssitzes zu einer transparenten und für die Gläubiger leicht zu erkennenden internationalen Zuständigkeit der Insolvenzgerichte. Für Konzerninsolvenzen kommt hinzu, dass die Eröffnung von Hauptinsolvenzverfahren über Auslandsgesellschaften zu erheblichen Zuständigkeitskonflikten führen kann. Ein besonders spektakuläres Beispiel hierfür bietet der Fall Parmalat, in dem ein italienisches und ein irisches Gericht ein entsprechendes Insolvenzverfahren über eine irische Finanzierungsgesellschaft des Parmalat-Konzerns eröffneten.76 Diese Zuständigkeitskonflikte basieren erneut auf der unklaren Formulierung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und könnten bei einer Anknüpfung an das leicht erkennbare Organisationsstatut gänzlich vermieden werden. Zudem könnte im Wege dieser Anknüpfung das Insolvenzverfahren über „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaften“ mit dem Insolvenzverfahren über die Muttergesellschaft vereinigt werden. Zumindest in diesen Fällen wäre damit ein einheitliches Konzerninsolvenzstatut geschaffen. 3. Ein Vorschlag de lege ferenda Die Untersuchung zeigt, dass eine unterschiedliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut nicht sinnvoll ist. Zum einen besteht die Gefahr, dass durch ein Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Insolvenz73 Ausführlich dazu Bicker, GPR 2006, 127 (130); Mankowski, NZI 2005, 368 (372), allerdings für den Fall des Umzugs natürlicher Personen. 74 Vgl. den 4. Erwägungsgrund der EuInsVO. 75 Armour, Who Should Make Corporate Law?, S. 29. 76 Tribunale Civile di Parma ZIP 2004, 1220; High Court Dublin ZIP 2004, 1223; EuGH vom 2.5.2006 – Rs. C-341/04 („Eurofood/Parmalat“) mit Anm. Saenger/Klockenbrink, EuZW 2006, 363.

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statut beide Rechtsmaterien nicht mehr aufeinander abgestimmt sind, was zu Wertungswidersprüchen und Anpassungsproblemen führt. Zum anderen löst eine insolvenzrechtliche Anknüpfung an den Verwaltungssitz der Gesellschaft Zuständigkeitsprobleme aus und verhindert ein insolvenzrechtliches forum shopping. Allerdings bildet Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO insofern eine Auslegungsgrenze, als eine Anknüpfung an den „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ abweichend vom Satzungssitz zulässig sein muss.77 Der Vorschlag Armours, die Vermutungsregel des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO so anzuwenden, dass sie faktisch eine unwiderlegliche ist, überschreitet damit die Grenzen einer grammatikalischen und systematischen Auslegung. De lege lata kommt es damit tatsächlich zu einem problematischen Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Insolvenzstatut. Allenfalls eine primärrechtskonforme Auslegung könnte zu einem anderen Ergebnis zwingen78. Der EuGH bekennt sich grundsätzlich zu dem Prinzip der primärrechtskonformen Auslegung im Verhältnis zu sekundärem Gemeinschaftsrecht79, weil auch der Gemeinschaftsgesetzgeber an die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gebunden ist.80 Die generelle Anwendbarkeit nationalen Insolvenzrechts auf europäische Auslandsgesellschaften bedeutet jedoch im Allgemeinen noch keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.81 Denn dies hat keine Auswirkung auf die Finanz- und Haftungsverfassung der Gesellschaft während ihrer Lebensdauer, sondern wirkt sich erst bei insolvenzbedingter Abwicklung der Gesellschaft aus. Insofern unterscheidet sich die Sachlage wesentlich von der Situation in Centros, Überseering und Inspire Art, in denen die Auslandsgesellschaft bei Zuzug entweder überhaupt nicht anerkannt wurde bzw. ihr erhebliche Auflagen gemacht wurden bis sie wirtschaftlich tätig werden durfte Ferner hat der EuGH bisher kaum Sekundärrecht auf seine Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten überprüft und soweit ersichtlich noch niemals wegen Verstoßes gegen die Grundfreiheiten für nichtig erklärt.82 Diese Zurückhaltung lässt sich mit der Konkretisierungsbedürftigkeit der Grundfreiheiten durch Sekundärrecht (vgl. 77 Vgl. auch Erwägungsgrund 13: „Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist.“ 78 Vogel, Juristische Methodik, S. 122; Oppermann, Europarecht, Rn. 688. 79 EuGH – Rs. 218/82, Slg. 1983, 4063 ff. 80 Kingreen/Störner, EuR 1998, 263 (277); Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 199. 81 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (348); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (112). 82 Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 181; v. Bogdandy, JZ 2001, 157 (166) entnimmt der Rechtsprechung des EuGH, dass lediglich offensichtliche Verstöße der Rechtsetzungsorgane der EU verboten sind.

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etwa Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG) erklären, welches sogar Anwendungsvorrang gegenüber den Grundfreiheiten genießt, sofern es primärrechtskonform und abschließend ist.83 Deswegen wird sich wohl kaum aus Art. 43, 48 EG die Primärrechtswidrigkeit der EuInsVO ableiten lassen können. De lege ferenda ist freilich eine einheitliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut zu fordern, um die oben beschriebenen Zuständigkeitskonflikte und Abstimmungsprobleme zu vermeiden.84 Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ist deswegen dahingehend zu ändern, dass die Gerichte am Satzungssitz der Gesellschaft ausschließlich für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständig sind. Dadurch wäre auch eine einheitliche Zuständigkeitsregel für die Abwicklung und Liquidation von solventen und insolventen Gesellschaften geschaffen. Denn für die nicht insolvenzbedingte Auflösung und Beendigung von Gesellschaften sind gemäß Art. 22 Nr. 2 EuGVVO ebenfalls die Gerichte am Satzungssitz der Gesellschaft ausschließlich zuständig. Inländische Gläubiger hätten dadurch auch keine prozessual Schlechterstellung zu befürchten, weil ihnen nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens jederzeit die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gemäß Art. 3 Abs. 3 EuInsVO offen steht.85 Konsequenterweise müsste aber auch hier das materielle Insolvenzrecht des Gründungsstaates gelten. Diese Abkehr vom lex fori Prinzip entspricht aber ebenfalls der Rechtslage bei der Durchsetzung gesellschaftsbezogener Ansprüche außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Hierfür sind gemäß Art. 2, 60 EuGVVO auch die Gerichte am Verwaltungssitz der Gesellschaft allgemein zuständig, dennoch gilt dabei materielles ausländisches Gesellschaftsrecht. Es erscheint nicht einleuchtend, warum den Gläubigern außerhalb des Insolvenzverfahrens ein solches Auseinanderfallen zwischen Gerichtsstand und materiellem Recht zugemutet werden kann, innerhalb eines Insolvenzverfahrens aber nicht. Die Alternative, gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Gläubigerschutz auseinander zu reißen, ist demgegenüber jedenfalls nicht von Vorteil.86 Mit Einführung einer europäischen Haftung wegen wrongful trading wären immerhin die nationalen Insolvenzantragspflichten und deren Haftungsfolgen einander angeglichen und zumindest diesbezüglich ein einheitlicher Gläubigerschutz am Gerichtsstand des Verwaltungs- und des Satzungssitzes gewährleistet. 83

Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 180 f.; näher dazu unter § 9 B. II. 2. b). 84 So auch Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3458). 85 Nur vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens ist das Antragsrecht eingeschränkt, Art. 3 (4) (a) EuInsVO. Das Sekundärverfahren bezieht sich freilich nur auf die im Verwaltungssitzstaat liegenden Vermögen, Art. 3 Abs. 2 S. 2 EuInsVO. 86 Zur Problematik der Normenhäufung bei paralleler Anwendbarkeit der common law Haftung und der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung siehe unten § 9 B. II. 2.

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B. Teleologische Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit Angesichts der Weite des Schutzbereiches der Niederlassungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot wird die Frage virulent, ob ähnlich der sog. Keck-Rechtsprechung87 eine Begrenzung des Schutzbereiches erforderlich ist, um nicht die gesamte Rechtsordnung des Sitzlandes, die sich potentiell beschränkend auf die Niederlassungsfreiheit auswirkt, unter den strikten Rechtfertigungsvorbehalt des Europarechts zu stellen.88 I. Entwicklung der Warenverkehrsfreiheit Beispielhaft für den Zusammenhang zwischen dem Verständnis der Grundfreiheiten als allgemeine Beschränkungsverbote89 und der Notwendigkeit ihrer Reduktion ist die Entwicklung der Warenverkehrsfreiheit. Nach der sehr weiten Dassonville-Formel90 des EuGH waren faktisch alle wirtschaftslenkenden Regelungen der Mitgliedstaaten potentiell dazu geeignet, die Warenverkehrsfreiheit zu beeinträchtigen. Deswegen sah sich der EuGH in Keck 91 dazu gezwungen, den Schutzbereich wieder einzuschränken, indem er zwischen produkt- und vertriebsbezogenen staatlichen Regelungen differenzierte. Demzufolge fallen bestimmte Beschränkungen von Verkaufsmodalitäten nicht unter den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit, soweit sie diskriminierungsfrei angewendet werden und auch nicht tatsächlich zum Schutz einheimischer Produkte führen. In weiteren Entscheidungen zu Art. 28 EG wurde diese Einschränkung auf das Kriterium des Marktzugangshindernisses reduziert.92 Kern der Verallgemeinerung ist da87 EuGH vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 („Keck und Mithouard“), Slg. 1993, I-6097, Tz. 16, 17. 88 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (168); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (666 f.). 89 Siehe zur Warenverkehrsfreiheit EuGH – Rs. 8/74 („Dassonville“), Slg. 1974, 837, Tz. 5; zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH – Rs. C-415/93 („Bosman“), Slg. 1995, I-4921, Tz. 94 ff.; zur Niederlassungsfreiheit EuGH– Rs. C-19/92 („Kraus“), Slg. 1993, 1663, Tz. 32; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH – Rs. C-33/74 („van Binsbergen“), Slg. 1974, 1299, Tz. 10, 12; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH – C-148/91 („Veronica“), Slg. 1993, 487, Tz. 15. Eindeutig im Sinne des weiten Beschränkungsbegriffes nunmehr die Goldene Aktien-Rechtsprechung, EuGH vom 13.5.2003 – Rs. C-463/00 („Goldene Aktien IV“ – Kommission/Spanien), NJW 2003, 2663, Tz. 61, und EuGH vom 15.5.2003 – Rs. C-98/01 („Goldene Aktien V“ – Kommission/Großbritannien), NJW 2003, 2666, Tz. 47. 90 EuGH –Rs. 8/74 („Dassonville“), Slg. 1974, 837, Tz. 5. 91 EuGH vom 24.11.1993 – Rs. C-267/91 („Keck und Mithouard“), Slg. 1993, I-6097, 6131, Tz. 16,17.

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bei, dass vertriebsbezogene Maßnahmen regelmäßig nicht den Marktzugang erschweren, da sie nur die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit betreffen, während produktbezogene Maßnahmen typischerweise marktaufsplitternde Wirkung entfalten.93 II. Verallgemeinerungsfähigkeit der Keck-Rechtsprechung Gegen eine Übertragung der Keck-Grundsätze auf andere Grundfreiheiten wird immer wieder deren unterschiedlicher materieller Gehalt angeführt.94 So sei das im Rahmen der Keck-Rechtsprechung entwickelte Kriterium der „Verkaufsmodalität“ nur schwerlich auf die Niederlassungsfreiheit übertragbar.95 Die Argumentation verkennt aber, dass trotz des unterschiedlichen Gehalts der Grundfreiheiten alle vier ein paralleles Ziel verfolgen: Es geht um die Liberalisierung des Verkehrs der Produktionsfaktoren zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 3 lit. c) EG).96 Die Grundfreiheiten sollen die nationalen Märkte integrieren und gleichzeitig verhindern, dass allein der Umstand, dass ein Produkt, eine Person oder eine Tätigkeit zunächst einer bestimmten Rechtsordnung und nicht einer anderen unterworfen ist, zu Behinderung bei der Ausübung der geschützten Tätigkeit führt.97 Im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarktes lassen sich daher die Dassonville-Formel und der Keck-Ansatz insofern verallgemeinern, als dass zwischen den Prinzipien der Freiheit des Marktzugangs und der Marktgleichheit zu unterscheiden ist.98 Die Freiheit des Marktzugangs wird nicht schon durch die Gewährung der Inländergleichbehandlung verwirklicht. Denn auch unterschiedslos anwendbare Regeln auf inländische wie auf ausländische Produkte oder Personen, können den Marktzugang erschweren. Somit sichert erst ein allgemeines Beschränkungsverbot die Freiheit des Marktzugangs, die Marktgleichheit wird hingegen durch das Diskriminierungsverbot ge92 EuGH – Rs. C-470/93 („Köln/Mars“), Slg. 1995, I-1923, Tz. 12 ff.; EuGH – Rs. C-254/98 („TK-Heimdienst“), Slg. 2000, I-151, Tz. 29. 93 Das Abgrenzungskriterium der Marktaufsplitterung hat bereits Generalanwalt van Gerven in seinen Schlussanträgen zum Torfaen-Urteil in Analogie zum europäischen Wettbewerbsrecht vorgeschlagen, Rs. C-145/88, Slg. 1989, 3851; dieses Kriterium wird aufgegriffen von Eberhartinger, EWS 1997, 43 (49); Schlag, in: Schwarze, Art. 44 EG Rn. 55. 94 So wohl Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EG, Rn. 10; Kieninger, ZEuP 2004, 685 (691). 95 Auch Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EG, Rn. 59 mit Fn. 153 weist auf die Schwierigkeiten hin, entsprechende Maßnahmen zu finden. 96 Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EG, Rn. 56. 97 Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EG, Rn. 59. 98 W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, 729 (737 ff.); Troberg, in: Von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EGV, Art. 52, Rn. 59.

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währleistet.99 Gleichzeitig ist damit die Funktion der Beschränkungsverbote auf die Gewährleistung des freien Marktzugangs begrenzt. Solche Maßnahmen, die keine marktaufsplitternde Wirkung haben, sind daher nicht als Beschränkung im Sinne der Grundfreiheiten zu werten. Ausgehend von der Funktion der Grundfreiheiten für die Verwirklichung des Binnenmarktes und Integration der nationalen Märkte kann daher trotz der jeweiligen Besonderheiten von einer dogmatischen Konvergenz gesprochen werden, welche für die Übertragbarkeit des Keck-Ansatzes auch auf die Niederlassungsfreiheit spricht.100 III. Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit Nach Reduktion der Keck-Formel auf das wesentliche Kriterium der Marktaufsplitterung lässt sich diese sinnvoll auf die anderen Grundfreiheiten übertragen. Gerade bei der Niederlassungsfreiheit, bei der es um die Standortverlegung und dauerhafte Eingliederung des Niederlassungswilligen in die Rechtsordnung des Aufnahmestaates geht, wird das eigentliche Problem des Zuzugs deutlich: Es geht um die Aufnahme der Tätigkeit, also um den freien Zutritt zum Markt.101 Die Ausübung der Tätigkeit hingegen folgt alleine innerstaatlichen Regeln. Denn es ist wenig einsichtig, warum jener, der sich zu einer dauerhaften Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat entschließt, von den Ausübungsregeln, die für seine Mitbewerber am gleichen Standort gelten, verschont bleiben soll.102 Würde das Beschränkungsverbot nicht auf die Freiheit des Marktzugangs reduziert, hätte dies eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zur Folge. Der EuGH scheint ebenfalls von der Übertragbarkeit der Keck-Grundsätze auf andere Grundfreiheiten auszugehen, obgleich er die Frage bislang 99

W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, 729 (737 ff.). Ebenso Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., 2005, S. 210 ff.; Eberhartinger, EWS 1997, 43 (49); M. Nettesheim, NVwZ 1996, 342 (345); Herdegen, Europarecht, Rn. 291; U. Becker, NJW 1996, 179 (180 f.); Jarass, EuR 2000, 710 ff.; Füller, Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheit nach dem EG-Vertrag, 2000, S. 139 ff.; Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EG, Rn. 59; W.-H. Roth, Gedächtnisschrift für KnobbeKeuk, 1997, S. 729 (740 ff.); U. Everling, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, 607 (617 ff.); zurückhaltender Schlag, in: Schwarze, Art. 43 EG, Rn. 55; ablehnend Kieninger, ZEuP 2004, 685 (691); Scheuer (ohne Begründung), in: Lenz/ Borchardt, Art. 43 EG, Rn. 10. 101 Everling, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 607 (617 f.); W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 729 (737 ff.); Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573 (2575). 102 Eberhartinger, EWS 1997, 43 (46). 100

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noch nicht endgültig geklärt hat.103 Für die Dienstleistungsfreiheit, welche gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen Niederlassungsrecht und Warenverkehr einnimmt104, kommt er in seinem Urteil Alpine Investments 105 erst über das Kriterium der „Dienstleistungsmodalität“, welches er verneinte, zu einer Eröffnung des Schutzbereichs. Ähnlich argumentiert er in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit. In der Rechtssache Graf 106 betonte der EuGH, dass bei unterschiedslos anwendbaren Regelungen Art. 39 EG nur eingreifen könne, wenn die nationale Regelung den „Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt“ beeinflusst. Eine Formulierung, die stark an die Keck-Formel erinnert. Auch in seiner Goldenen Aktien-Rechtsprechung stellt der EuGH darauf ab, ob eine Regelung geeignet ist, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Investitionen abzuhalten (sog. „chilling effect“) und damit den Marktzugang zu beeinflussen.107 Im Bereich der Niederlassungsfreiheit kann schließlich auch das Urteil in der Rechtssache Semeraro Casa Uno108 als Indiz für die Reduktion des Beschränkungsverbotes auf den Marktzugang behindernde Maßnahmen verstanden werden.109 Im Ergebnis sind daher nur solche Regeln des Sitzstaates an der Niederlassungsfreiheit zu messen, welche tatsächlich den Marktzugang von Auslandsgesellschaften beeinträchtigen.110

C. Rechtfertigung von Niederlassungsbeschränkungen Sobald eine staatliche Maßnahme marktzugangsbeschränkende Wirkung entfaltet, lässt sich diese europarechtlich nur aus drei Gründen legitimieren: 103

Überblick bei Epiney, in: Callies/Ruffer, Art. 28 EG Rn. 57. Everling, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 607 (615). 105 EuGH – Rs. C-384/93, Slg. 1995, I-1141, Rn. 33 ff. 106 EuGH – Rs. C-190/98 („Graf“), Slg. 2000, I-493, Tz. 23 f. 107 EuGH vom 13.5.2002 – Rs. C-463/00 („Goldene Aktien IV“ – Kommission/ Spanien), NJW 2003, 2663, Tz. 58 ff.; EuGH vom 15.5.2002 – Rs. C-98/01 („Goldene Aktien V“ – Kommission/Großbritannien), NJW 2003, 2666, Tz. 45 ff. 108 EuGH vom 20.6.1996 – Rs. C-418/93 („Semeraro Casa Uno“), Slg. 1996, I-2975, Tz. 32. 109 In diesem Sinne W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 729 (739); Eberhartinger, EWS 1997, 43 (49); ablehnend aber Schlag, in: Schwarze, Art. 43 EG Rn. 55; Scheurer, in: Lenz/Borchard, Art. 43 EG Rn. 10. 110 Ebenso Eidenmüller, JZ 2004, 24 (25 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (167 f.); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (666 f.); Spindler/Berner, RIW 2003, 949 (955); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 28; ders., JZ 1997, 857 (859); Eberhartinger, EWS 1997, 43 (46); Everling, Gedächtnisschrift KnobbeKeuk, S. 607 (621); W.-H. Roth, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 729 (740 f.); Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EG Rn. 59 ff.; im Ergebnis zustimmend Schlag, in: Schwarze, Art. 43 EG Rn. 55. A. A. aber Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EG Rn. 10; Kieninger, ZEuP 2004, 685 (691). 104

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Zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 46 EG), zur Verhinderung von Missbrauch und Betrug und zur Durchsetzung zwingender Allgemeininteressen. Art. 46 EG spielt für die Rechtfertigung von Gläubigerschutznormen allerdings keine Rolle, weil der Begriff der öffentlichen Ordnung einschränkend im klassischen (ausländer-)polizeirechtlichen Sinn ausgelegt wird und der Gläubigerschutz keine Kategorie des Polizeischutzes ist.111 I. Zur Verhinderung von Missbrauch und Betrug 1. Missbrauch des Gemeinschaftsrechts Phänomenologisch lässt sich der Rechtsmissbrauch als Normenmissbrauch beschreiben, der in die Kategorien von Normenflucht und Normenerschleichung untergliedert werden kann.112 Beiden Fällen ist dabei gemeinsam, dass sich ein Marktteilnehmer durch rechtliche Gestaltung einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen will. Im Falle der Normenflucht soll dieser Vorteil dadurch erreicht werden, dass der Marktteilnehmer durch Auslandsberührung die inländischen Anforderungen umgeht, nach der Auslandsberührung aber sogleich in einer Kehrtwendung auf den heimischen Markt zurückstrebt.113 Umgekehrt zeichnet sich die Fallgruppe der Normenerschleichung dadurch aus, dass Ausländer ins Inland streben, um auf diese Weise anders nicht erhältliche Vorteile zu erlangen.114 Betrug lässt sich hingegen als eine Täuschung über Tatschen definieren. Die Schwierigkeit in der Abgrenzung liegt also weniger in der rechtlichen Subsumtion, sondern vielmehr in der genauen Ermittlung des Sachverhaltes. Sowohl der Centros- als auch der Inspire Art-Sachverhalt lassen sich grundsätzlich der Fallgruppe der Normenflucht zuordnen. Jedoch bringt der EuGH in beiden Urteilen zum Ausdruck, dass die zielgerichtete Wahl des vorteilhafteren Gesellschaftsrechts kein Missbrauch des Gemeinschaftsrechts im Sinne einer Normenflucht ist, sondern gerade deren Gebrauch.115 Somit verbleibt für die Bejahung eines Missbrauchs im Bereich der Niederlassungsfreiheit nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsspielraum. Nur 111

Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447 (458 ff.); Forsthoff, EWS 2001, 59 f. Fleischer, JZ 2003, 865 (869); Schön, Festschrift Wiedemann, S. 1271 (1275). 113 Im angelsächsischen Recht wird dies plastisch als „U-turn-construction“ umschrieben, Kjellgren, 11 EBLR 2000, 179 (183): „circumvention through U-turnconstructions“. 114 Beispielhaft sind die Entscheidungen des EuGH – Rs. 39/86, Slg. 1988, 3190 („Lair/Universität Hannover“) und EuGH – Rs. 221/89 („Factortame“), Slg. 1991, 3905. 115 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 27; EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 138. 112

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wenn der durch das Verhalten des Marktteilnehmers bezweckte Vorteil nicht mehr mit dem Zweck der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, kann noch von einem Missbrauch der Niederlassungsfreiheit gesprochen werden.116 Entscheidend ist also, dass der Marktteilnehmer die Niederlassungsfreiheit zweckentfremdet.117 Damit ist verbunden, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs nur im Einzelfall greift. Zur Zeit wird der Missbrauch der Niederlassungsfreiheit noch in den folgenden drei Konstellationen diskutiert: a) Umgehung inländischer Tätigkeitsverbote Ein Missbrauchsfall könnte vorliegen, wenn eine Auslandsgesellschaft im Einzelfall gegründet wird, um inländische Tätigkeitsverbote (§ 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 3 und 4 AktG bzw. s. 1 CDDA 1986) zu umgehen. Die Bestellung des Vertretungsorgans und gleichzeitig die Frage der Bestellungsverbote richten sich grundsätzlich nach dem Gründungsrecht der ausländischen Gesellschaft. Bei einer englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland kommt also englisches Gesellschaftsrecht zur Anwendung. Dieses beachtet aber – ebenso wenig wie das deutsche Recht – ausländische Tätigkeitsverbote nicht. Die Tatsache, dass ein Bestellungsverbot nicht grenzüberschreitend durchgesetzt werden kann, bietet daher erheblichen Anreiz, inländische Bestellungsverbote durch Gründung einer ausländischen Gesellschaft zu umgehen. Der EuGH greift diese Problematik auf, indem er zwischen „Vorschriften über die Errichtung der Gesellschaften“ und solchen über die „Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten“ unterscheidet.118 Wird aber eine Auslandsgesellschaft ausschließlich zu dem Zweck gegründet, sich letzterem zu entziehen, dient dies nicht mehr der Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes, sondern nutzt allein die Tatsache aus, dass die einzelnen nationalen Gesellschaftsrechte nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind. In diesem Fall wird daher tatsächlich die Niederlassungsfreiheit zweckentfremdet. Die Umgehung inländischer Tätigkeitsverbote stellt einen Missbrauchsfall dar, der die Anwendung inländischer Schutzvorschriften rechtfertigt.119

116 Vergleiche EuGH vom 12.5.1998 – Rs. C-367/96 („Kefalas“), Slg. 1998, I-2843, Tz. 28; Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola zu EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 20. 117 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26). 118 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 26. 119 In diesem Sinne auch Knapp, DNotZ 2003, 85 (89); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669); Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26).

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b) Auslandsgesellschaft fungiert ausschließlich als Schuldenträgerin Auch die Konstellation, dass eine Auslandsgesellschaft ausschließlich als Schuldenträgerin fungiert, während die mit ihr eng verflochtene GmbH alle Aktiva auf sich vereinigt, wird unter dem Stichwort des Rechtsmissbrauchs diskutiert. Das AG Hamburg qualifiziert ein solches Geschäftskonzept als rechtsmissbräuchlich und kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Aberkennung des Haftungsprivilegs der ausländischen Kapitalgesellschaft – in diesem Fall eine englische private limited company – keine Einschränkung deren Niederlassungsfreiheit bedeutet.120 Tatsächlich lässt sich dieses Modell aber auch mit zwei Inlandsgesellschaften realisieren, so dass fraglich ist, ob tatsächlich gerade die Niederlassungsfreiheit zweckentfremdet wird.121 Es wird doch eher das Vertrauen der Gläubiger und weniger die Niederlassungsfreiheit missbraucht. Ferner hätten die Gläubiger getreu dem Informationsmodell des EuGH auch die Möglichkeit gehabt, sich selbst zu schützen.122 Schließlich kann auch auf die Schutzmechanismen der ausländischen Gesellschaftsrechte verwiesen werden, so dass im Ergebnis hier nicht von einem Missbrauch der Niederlassungsfreiheit auszugehen ist. c) Wegen Missbrauchs der juristischen Person Teilweise wird vertreten, solche Verhaltensweisen, die einen Durchgriff wegen Vermögensvermischung, Existenzvernichtung oder materieller Unterkapitalisierung begründen, als Rechtsmissbrauch zu qualifizieren, welcher die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ausschließt.123 Ob dies tatsächlich so ist, hängt entscheidend von der Definition des Missbrauchs im Gemeinschaftsrecht ab. Der EuGH versteht darunter einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit und prüft unter diesem Gesichtspunkt die missbräuchliche Ausnutzung von Regelungsgefällen.124 Dagegen scheint denjenigen 120 AG Hamburg NZI 2003, 442 (443). Zustimmend Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447 (463, 474). 121 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (179 f.). 122 Zum „Informationsmodell“ des EuGH sogleich unter § 3 C. II. 3. 123 Borges, ZIP 2004, 733 (742 f.); Drygala, ZEuP 2004, 337 (347); Kindler, NZG 2003, 1086 (1089); Horn, NJW 2004, 893 (899); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1085); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447 (464); Weller, IPRax 2003, 207 (209); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589); Bayer, BB 2003, 2357 (2364 f.); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669 f.); ähnlicher Ansatz auch bei AG Hamburg NZI 2003, 442 (443 f.). 124 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 24 f. und 29; EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 139.

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Autoren, die Durchgriffstatbestände des Sitzrechts für anwendbar halten, der Begriff des Missbrauchs der juristischen Person vorzuschweben.125 Beides ist aber voneinander zu unterscheiden. Denn Grundanliegen des EuGH war es, die Niederlassungsfreiheit als Rechtswahlfreiheit auszugestalten. Die einzelnen Durchgriffstatbestände lassen sich aber nicht losgelöst vom sonstigen materiellen Gesellschaftsrecht definieren. Die Kriterien der Unterkapitalisierung und des Existenzentzuges knüpfen an bestimmte Vorstellungen hinsichtlich der Kapitalaufbringung und des Kapitalerhalts an.126 So setzt beispielsweise der Tatbestand des „existenzvernichtenden Eingriffs“ unter anderem das Versagen der vorrangigen Kapitalerhaltungsregeln nach §§ 30, 31 ff. GmbhG voraus127, ist also eng mit dem Kapitalschutz nach deutschem Gesellschaftsstatut verwoben. Der Tatbestand der materiellen Unterkapitalisierung setzt das deutsche Rechtsverständnis voraus, dass nur durch eine gewisse Mindestkapitalausstattung das „Haftungsprivileg“ verdient ist.128 Dagegen ist beispielsweise der englischen Rechtsordnung eine solche Verknüpfung zwischen Eigenkapitalausstattung und Haftungsbeschränkung fremd. Wenn der EuGH aber die Niederlassungsfreiheit als Rechtswahlfreiheit interpretiert und in der Wahl extrem vorteilhafter Kapitalisierungserfordernisse und Haftungsregime keinen Missbrauch, sondern gerade den Zweck der Niederlassungsfreiheit sieht, dann kann diese Entscheidung nicht dadurch wieder rückgängig gemacht werden, dass über den Missbrauch der juristischen Person „durch die Hintertür“129 wieder das Kapitalschutzsystem des Sitzstaates Anwendung findet. 2. Betrug Anders als beim Missbrauch des Gemeinschaftsrechts geht es bei Betrug um Täuschung über Tatsachen. Eine betrügerische Berufung auf die Niederlassungsfreiheit dürfte demzufolge vorliegen, wenn eine Auslandsgesellschaft zu Betrugszwecken gegründet wird. Erfolgt beispielsweise die Gründung einer ausländischen Gesellschaft alleine zu dem Zweck, den Rechtsverkehr durch ein betrügerisches Geschäftsmodell zu schädigen, etwa indem lukrative Geschäftsbeziehungen der Auslandsgesellschaft mit weiteren ausländischen Gesellschaften vorgespiegelt werden130, können nationale Rege125 So explizit Drygala, ZEuP 2004, 337 (347); ebenso AG Hamburg NZI 2003, 442 (443 f.). 126 Kieninger, ZEuP 2004, 685 (699). 127 BGH JZ 2002, 1047; zu dieser Voraussetzung näher Ulmer, JZ 2002, 1049 (1051). 128 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 203. 129 Kieninger, ZEuP 2004, 685 (699).

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lungen zur Unterbindung solchen Geschäftsgebarens unter Durchbrechung des Gründungsrechts zur Anwendung gelangen.131 II. Aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Im Anschluss an die Gebhard-Formel132 ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt, wenn diese nicht diskriminierend, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geboten und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist133 (sog. „Vier-Konditionen-Test“). Als zwingende Allgemeininteressen kommen nach dem EuGH etwa der Schutz von Gläubigern, Minderheitengesellschaftern und Arbeitnehmern in Betracht.134 Wegen der Fülle der möglichen Schutzinteressen können hier nur Leitlinien für die Beurteilung der inländischen Schutzmaßnahmen anhand des Europarechts dargestellt werden. 1. Maßstab des Erforderlichkeitskriteriums Neuralgischen Punkt für die Anwendbarkeit gesellschaftsrechtlicher Schutznormen des Sitzstaates bildet das Erforderlichkeitskriterium. Im deutschen Schrifttum lassen sich dazu zwei Strömungen ausmachen. Die wohl h. M. ist der Auffassung, dass sich die Erforderlichkeit aus Schutzlücken der Gründungsrechtsordnung ergebe. Nur wenn dieses Recht zwingenden Allgemeinwohlbelangen nicht oder nicht ausreichend Rechnung trage, könnten deutsche Vorschriften hilfsweise zur Geltung kommen.135 Dies setzt zweifellos eine aufwändige rechtsvergleichende Analyse voraus.136 Um eine solche zu vermeiden, schlagen andere eine nationale Erforderlichkeitsprüfung vor. Sei beispielsweise eine Durchgriffshaftung aus nationaler Sicht zwingend erforderlich, könne dieses Recht auch auf Auslandsgesellschaften angewendet werden, ohne dass zu prüfen sei, ob das fremde Recht eine ver130 Das Beispiel findet sich bei Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26); Eidenmüller/ Rehm, ZGR 2004, 159 (180). 131 Der EuGH betont in der Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 38 die Kompetenz der Mitgliedstaaten, „Betrügereien“ zu verhindern. 132 EuGH vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), Slg. 1995, I-4165, Tz. 37. 133 EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 34. 134 EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, I-9919, Tz. 92. 135 Kieninger,ZEuP 2004, 685 (699 ff.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (173 ff.); Schuman, DB 2004, 743 (745); W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125); Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1917); Forsthoff, DB 2002, 2471 (2477); Bayer, BB 2004, 1 (4); Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100 (1102); Schulz, NJW 2003, 2705 (2707); Behrens, IPRax 2004, 20 (25). 136 W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125).

§ 3 Konturen eines europäischen internationalen Gesellschaftsrechts

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gleichbare Haftung vorsieht.137 Dafür spreche das ökonomische Kriterium der Minimierung der Rechtsinformationskosten.138 Letztere Auffassung verkennt aber die Dogmatik der europäischen Grundfreiheiten. Der Erforderlichkeitsbegriff des Gemeinschaftsrechts ist ebenso wie der Begriff des zwingenden Allgemeininteresses ein gemeinschaftsrechtlicher und kein nationalstaatlicher.139 Anders lässt sich auch nicht erklären, dass der EuGH die Anwendung nationaler Mindestkapitalvorschriften auf ausländische Gesellschaften ablehnt. Denn diese sind ebenfalls aus mitgliedstaatlicher Sicht zwingend erforderlich, um sich das „Privileg“ der Haftungsbeschränkung zu erkaufen.140 Konsequent zu Ende gedacht, hätte eine nationalstaatliche Interpretation des Erforderlichkeitsbegriffes zur Folge, dass jeder Mitgliedstaat für sich selbst definieren könnte, welche Schutzmechanismen aus seiner Sicht erforderlich sind. Er könnte somit die Reichweite der Niederlassungsfreiheit selbst determinieren, gegebenenfalls sogar manipulieren. Daher ist der h. M. darin zuzustimmen, dass das ausländische Gesellschaftsstatut nur dann mittels nationaler Durchgriffstatbestände durchbrochen werden kann, wenn dieses Schutzlücken offenbart. 2. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung Beachtenswert ist der strenge Maßstab, den der EuGH an die gemeinschaftsrechtliche Erforderlichkeitsprüfung legt. Demzufolge ist ausreichend, dass das Gründungsrecht das Schutzanliegen überhaupt, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, verwirklicht.141 Ein solches Verständnis folgt bereits aus der Prämisse des Binnenmarktes. Dieser ist nur vorstellbar, wenn die nationalen Regelungskonzepte grundsätzlich als gleichwertig anerkannt sind (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung).142 Als Zusammenschluss unter Gleichen bedeutet das aber auch, dass ein Mitgliedstaat nicht ein beliebig hohes Schutzniveau für sich definieren und dies gegenüber ausländischen Gesellschaften mittels seines eigenen Rechts durchsetzen kann.143 137 Borges, ZIP 2004, 733 (741 f.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088); Altmeppen, Festschrift Röhricht, S. 3 (19 f.). 138 Borges, ZIP 2004, 733 (742). 139 Klarstellend insoweit Ebke, JZ 2003, 927 (931); Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 (929). 140 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 203. 141 Siehe dazu EuGH vom 6.6.1996 – Rs. C-101/94 („Kommission/Italien“), Slg. 1996, I-2691, 2725 Tz. 25, der die Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das Schutzanliegen Italiens mit dem Argument zurückweist, dass „die verschiedenen von den Mitgliedstaaten [. . .] verwendeten Methoden im Einzelfall einen stärkeren Schutz gewähren können als eine andere.“ 142 Oppermann, Europarecht, Rn. 1299 ff. und 1620.

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

Parallel zu seiner Rechtsprechung zu anderen Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit, aber auch der Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit hält der EuGH daher eine Doppelkontrolle durch den Zuzugsstaat für nicht erforderlich, und verweist regelmäßig auf die Kontrollmechanismen des Herkunftsstaates.144 Gleiches muss auch für den Bereich der Niederlassungsfreiheit gelten. Nur wenn der Herkunftsstaat überhaupt keine bzw. nur offensichtlich unzureichende Schutzmechanismen bereit hält oder aber diese aufgrund der Grenzüberschreitung versagen, sind inländische Schutzstandards erforderlich. 3. Das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung Zweite Säule für die Rigidität des Erforderlichkeitskriteriums ist neben dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung. So hält der EuGH bereits in Centros, aber auch in der Entscheidung Inspire Art das Mindestkapital zum Schutz der Gläubiger für nicht erforderlich.145 Er weist auf die Möglichkeit des vertraglichen Selbstschutzes hin, da die Gläubiger um die Eigenschaft der Gesellschaft als solche ausländischen Rechts wissen. Damit verfolgt der EuGH parallel zur Verbraucherpolitik der Europäischen Gemeinschaft146 ein Schutzkonzept, das als „Informationsmodell“ bezeichnet werden kann. Parallel zum „mündigen Verbraucher“, der durch genügende Information befähigt sein soll, selbst die „richtige“ Entscheidung zu treffen anstatt auf institutionelle Schutzkonzepte angewiesen zu sein, geht der EuGH von dem „mündigen Gläubiger“ aus, der, auf die ausländische Haftungsstruktur hingewiesen, sich selbst absichern muss.147 Dies deckt sich mit dem Ansatz der ökonomischen Analyse des Rechts, welche besagt, dass Vertragsgläubiger vom Grundsatz her in der Lage sind, das korporative Insolvenzrisiko, und damit das Risiko, mit ihrer Forderung teilweise oder zur Gänze auszufallen (Ausfallrisiko), zu internalisieren.148 143 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (28). Ähnlich auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (14); Behrens, IPRax 2004, 20; Riegger, ZGR 2004, 510 (523). 144 Vergleiche Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 30 EG Rn. 139 ff.; EuGH, Slg. 1986, 3755 Rn. 27 – „Komm./Deutschland“; EuGH, Slg. 1992, I-3351 Rn. 31 – „Ramrath“. 145 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 Tz. 135 („Inspire Art“). 146 Näher dazu Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, S. 156 ff. 147 Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (69); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (171 ff.); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (663 f.). Zu den Grenzen des „Informationsmodells“ als Gläubigerschutzinstrument im Konzern, vgl. die Ausführungen unter § 5 B. 148 So bereits Posner, Economic Analysis of Law, S. 432 ff.; Easterbrook/ Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 49 ff.

§ 4 Auswirkungen auf das internationale Konzernrecht Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt, dass die Auswirkungen der Sitztheorie zumindest für Zuzugsfälle nicht mehr mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) vereinbar sind. Gesellschaftskollisionsrechtlich ist nunmehr an das Gründungsstatut der ausländischen Kapitalgesellschaft anzuknüpfen. Für die internationale Unternehmensgruppe ist damit allerdings noch nicht die Frage beantwortet, nach welchem Recht sich die Beziehung zwischen den beteiligten Gesellschaften richtet.

A. Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft? Bisher konnte noch kein einheitliches besonderes international-privatrechtliches Konzernstatut formuliert werden. Im In- und Ausland hat sich aber die Ansicht durchgesetzt, dass sich das Verhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen im Unterordnungskonzern nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft richtet.1 Dies hatte in Verbindung mit der Sitztheorie zur Folge, dass deutsches Konzernrecht immer dann anwendbar war, wenn das abhängige Unternehmen seinen Sitz in Deutschland und damit auch hier seinen „Gefahrenschwerpunkt“2 hatte. Die Sitztheorie sollte gerade auch vor Umgehung des deutschen Konzernrechts schützen.3 Nunmehr ist gesellschaftskollisionsrechtlich aber an das Gründungsstatut anzuknüpfen, so dass die oben beschriebenen Schutzprämissen der international-privatrechtlichen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft auf den Kopf gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob sich eine neuartige Anknüpfung des Konzernrechts anbietet, die den Schutz der inländischen Gläubiger und Minderheitsaktionäre wieder gewährleistet. 1 BGHZ 65, 15; 119, 1; 138, 136 (alle implizit); OLG Franfurt, AG 1988, 267; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 549; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 556; Wiedemann, Festschrift Kegel, S. 187 (204, 207 f.); Raiser/Veil, § 58 Rn. 33 mit Fn. 67; aus englischer Sicht Ebert, 25 Company Lawyer 2004, 108, 110. 2 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 556. Ähnlich Wiedemann, Festschrift Kegel, S. 187 (204); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., § 311 Rn. 21. 3 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 705.

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I. Bisherige Stellungnahmen in der Literatur Bislang findet sich noch keine geschlossene Stellungnahme zu diesem Problemkreis. Habersack ist der Auffassung, dass aus den oben genannten Schutzzweckerwägungen zumindest die §§ 311 ff. AktG (faktischer AGKonzern) bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz entsprechend anwendbar sein sollen.4 Allerdings bleibt offen, ob eine entsprechende Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf einer kollisionsrechtlich „neuartigen“ eingriffsrechtlichen Anknüpfung deutschen Konzernrechts beruht oder, ausgehend von der bisherigen gesellschaftsrechtlichen Kollisionsregel, das ausländische Gesellschaftsstatut lediglich – etwa mittels Überlagerung oder Sonderanknüpfung – durchbrochen wird. Für ersteres spricht die undifferenzierte Bejahung einer Anwendung, ohne auf gleichwertige Schutzinstrumente der ausländischen Rechtsordnung einzugehen. Gar keine Stellungnahme findet sich dazu, ob auch die Normen des AGVertragskonzerns (§§ 291 ff. AktG) oder die richterrechtlich entwickelten Regeln zum GmbH-Konzernrecht auf ausländische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland zu übertragen sind. Konsequenterweise müsste Habersack dies bejahen, da die Schutzinteressen hier nicht anders als bei den §§ 311 ff. AktG liegen. Hingegen hält Eidenmüller an der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation des Konzernrechts fest und ist der Auffassung, dass durch die Errichtung einer ausländischen Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland das deutsche Konzernrecht tatsächlich vollständig umgangen werden kann.5 II. Dogmatische Lösungsansätze Um im Wege einer neuartigen Anknüpfung die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit des deutschen Konzernrechts zu sichern, müssen die bisher entwickelten alternativen Begründungsansätze zum internationalen Konzernrecht näher untersucht und auf ihre Vereinbarkeit mit der europäischen Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) überprüft werden. 1. Versteckte Kollisionsnormen im deutschen Konzernrecht? Möglicherweise könnten sich in den konzernrechtlichen Vorschriften selbst Kollisionsnormen finden, die die Anwendung deutschen Konzernrechts auf 4

Habersack, in: Emmerich/Habersack, 3. Aufl., § 311, Rn. 21; diese Aussage findet sich aber nicht mehr in der 4. Auflage, vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311, Rn. 21. 5 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (30).

§ 4 Auswirkungen auf das internationale Konzernrecht

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die abhängige Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz anordnen. So vertritt etwa Bache im Zusammenhang mit der kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Unternehmensverträgen die Auffassung, dass es sich bei den Konzernrechtsnormen um versteckte Kollisionsnormen handele, die eine zwingende Sonderanknüpfung nach sich zögen.6 Begründet wird dies vor allem damit, dass es sich insoweit um Schutzvorschriften handele und sich die Beherrschung im Inland auswirke.7 Dafür könnte weiterhin sprechen, dass das Konzernrecht in einer Reihe von Vorschriften ausdrücklich auf Unternehmen mit Sitz im Inland Bezug nimmt.8 Eine versteckte Kollisionsnorm liegt aber nur vor, wenn die Norm nicht nur die Anwendbarkeit des deutschen Rechts bewirken will, sondern wenn Tatbestand und Rechtsfolge einer Sachnorm eine bestimmte kollisionsrechtliche Behandlung voraussetzen.9 Bei den Normen des Konzernrechts, welche an den inländischen Sitz des Unternehmens anknüpfen, ist man sich jedoch einig, dass sie nur ihren eigenen Anwendungsbereich regeln, mithin also die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit deutschen Rechts voraussetzen.10 Zudem sind die Normen auf Einzelfälle beschränkt, so dass ihnen schon deshalb keine allgemeine Kollisionsregel entnommen werden kann.11 2. Eingriffsnormenqualität konzernrechtlicher Regelungen Weil sich das Konzernrecht an der Schnittstelle von privatem und öffentlichem Recht befindet12, ist nicht unumstritten, ob es sich bei den Vorschriften des Konzernrechts um „echtes“ Privatrecht oder um Eingriffsnormen handelt.13 Hätte der Gesetzgeber das deutsche Konzernrecht primär im öffentlichen Staatsinteresse erlassen, so wäre dieses als öffentlich-rechtliche Sonderanknüpfung im Sinne der Eingriffslehre zur Behandlung des Konzernkonflikts bei abhängigen ausländischen Konzerngesellschaften mit Sitz in Deutschland berufen.14 Dies setzt allerdings voraus, dass das Konzern6

Bache, Unternehmensvertrag, S. 104 f. Bache, Unternehmensvertrag, S. 101 ff. 8 Vgl. etwa §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1, 305 Abs. 2, 319 Abs. 1, 327 Abs. 1 Nr. 2, 329 Abs. 1, 330 Abs. 1 und 2, 334 Abs. 3 Nr. 3 AktG. 9 Sonnenberger, in: MünchKomm. BGB, IPR, Einl. Rn. 479. 10 Bayer, grenzüberschreitender Beherrschungsvertrag, S. 44; Mann, Festschrift Barz, S. 219 (222). 11 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 678 f. 12 So Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (130); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 665, 673. 13 Überblick bei Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 673. 14 Entsprechend ihrer kollisionsrechtlichen Bedeutung werden Eingriffsnormen auch als versteckte öffentlich-rechtliche Kollisionsnormen bezeichnet, so Sonnenberger, MünchKomm. BGB, IPR, Einl. Rn. 479; teilweise werden die Begriffe der 7

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

recht in erster Linie ein überindividuelles Gemeinschaftsinteresse schützen soll.15 Entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen gegensätzlichen Auffassung16 hat das Konzernrecht als Teil des Wirtschaftsrechts aber keine ordnungspolitische Funktion, sondern bezweckt ausschließlich den Schutz des einzelnen.17 Bereits aus der Begründung des Regierungsentwurfs18 kann entnommen werden, das es „nicht Aufgabe des Aktienrechts sein (kann), den Konzern als solchen zu bekämpfen“, denn eine Unternehmenskonzentration könne durchaus „wirtschafts- und gesellschaftspolitisch erwünscht sein“. Dann kann das Konzernrechts aber auch keine Unterscheidung „zwischen wirtschaftlich- und gesellschaftspolitisch erwünschten und unerwünschten Konzernen“ leisten. Hauptanliegen ist vielmehr der Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre.19 Ein ordnungspolitisches Interesse des gesetzgebenden Staates ist damit nicht verbunden. Sicherlich beeinflussen wirtschaftliche Regelungen stets reflexartig die jeweilige Wirtschaftsordnung und reflektieren deren tragende Prinzipien, daraus lässt sich umgekehrt aber gerade nicht auf eine ordnungspolitische Zielsetzung des deutschen Konzerngesetzgebers schließen. Eine Qualifikation der Konzernrechtsnormen als Sonderanknüpfungen im Sinne der Eingriffslehre lässt sich somit nicht begründen. 3. Vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Qualifikation Teilweise wird auch vertreten, dass Unternehmensverträge dem Vertragsstatut20 unterfallen, während die den Schutz der abhängigen Gesellschaft bezweckenden Normen im faktischen Konzern (§§ 311, 317 AktG) deliktsrechtlich21 anzuknüpfen seien. Entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie im internationalen Privatrecht gelte für die vertraglich begründete Beherrschung die freie Rechtswahl (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Eingriffsnorm und versteckten Kollisionsnorm auch synonym gebraucht, Neuhaus, RabelsZ 35 (1971), 401 (405). 15 Im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts wird zur Abgrenzung auf die Mikro- und Makrofunktion einer Norm abgestellt, vgl. Sonnenberger, in: MünchKomm. BGB, IPR, Einl. Rn. 49 m. w. N. 16 Eine ordnungspolitische Funktion des Konzernrechts bejahen Luchterhandt, Genzüberschreitende Konzernverbindungen, S. 73; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 563. 17 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 562 ff. 18 Abgedruckt bei Kropff, AktG, S. 374. 19 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 679 ff. 20 Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (161 ff.). 21 Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (173).

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Fehle eine Bestimmung durch die Parteien, so unterlägen Unternehmensverträge dem Recht der Hauptniederlassung der abhängigen Gesellschaft, weil diese dort die charakterisierenden Leistungen erbringe (Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 EGBGB).22 Damit wäre auf die abhängige ausländische Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz deutsches Vertragskonzernrecht anwendbar, sofern keine Parteivereinbarung existiert. Bei einer faktisch abhängigen ausländischen Gesellschaft mit Sitz im Inland fänden ebenfalls die §§ 311, 317 AktG als Recht des lex delicti commissi Anwendung. Eine Anknüpfung an das Vertragsstatut ist jedoch mangels schuldrechtlicher Qualifikation von Unternehmensverträgen abzulehnen. Unternehmensverträge begründen nicht (nur) eine schuldrechtliche Rechte- und Pflichtenstellung, sondern greifen unmittelbar in die innere Struktur der Gesellschaft ein.23 Dies manifestiert sich vor allem bei dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in der Ausrichtung der Gesellschaft auf die Interessen einer anderen, in dem Verlust der selbständigen Leitungsmacht der Geschäftsleitung und in der Unanwendbarkeit wesentlicher Regelungen des Kapitalerhaltungsrechts (§ 291 Abs. 3 AktG).24 Bei den anderen Unternehmensverträgen i. S. v. § 292 AktG ist diese gesellschaftsrechtliche Qualifizierung nicht so deutlich, handelt es sich doch zunächst um bloße schuldrechtliche Überlassungsverträge25 (z. B. Betriebsüberlassungs- oder Betriebspachtverträge), aber auch diese weisen organisationsrechtliche Elemente auf. Mit ihnen sind häufig schwerwiegende Eingriffe in die Gesellschaftsverfassung verbunden und sie dienen ebenso wie die Unternehmensverträge nach § 291 AktG dem Aufbau von Konzernen.26 Damit unterfallen auch die Unternehmensverträge i. S. d. §§ 291, 292 AktG nicht dem Vertragsstatut.27 Auch eine deliktsrechtliche Anknüpfung der §§ 311 ff. AktG vermag nicht zu überzeugen. Bei den §§ 311, 317 AktG handelt es sich nicht um 22

Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (161). Bache, Unternehmensvertrag, S. 25 f.; Bayer, grenzüberschreitender Beherrschungsvertrag, S. 13 ff.; Ebenroth, Verdeckte Vermögenszuwendungen, S. 371 ff.; Raiser/Veil, § 54 Rn. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 948. 24 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 695; Einsele, ZGR 1996, 40 (50). 25 Vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs des § 292 AktG, abgedruckt bei Kropff, AktG, S. 378 f.; aus der Literatur etwa Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, S. 155 f.; Brauer, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 42; Bache, Unternehmensvertrag, S. 43. 26 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 3. Aufl., § 292 Rn. 5 f. 27 Bache, Unternehmensvertrag, S. 25 ff.; Lutter, Gutachten für den 48. DJT 1970, H 42; Koppensteiner, Internationale Unternehmen, 1971, S. 153 f.; H. P. Westermann, ZGR 1975, 68 (83); Ebenroth, Verdeckte Vermögenszuwendungen, S. 378 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 695 ff.; a. A. Brauer, Kollisionsrechtliche Probleme, S. 127, wobei die freie Rechtswahl ausgeschlossen sei, weil es sich hier nicht um gleichrangige Partner handele (S. 94). 23

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1. Teil: Die grenzüberschreitende Konzerngesellschaft

eine „jedermann“ treffende allgemeine deliktische Haftung aus missbilligtem Verhalten28, sondern sie knüpfen an eine gesellschaftsspezifische Pflichtverletzung des herrschenden Unternehmens an. Diesem wird vorgeworfen, durch seinen gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss (§ 17 AktG)29 die abhängige Gesellschaft zu einem für sie nachteiligen Geschäft veranlasst zu haben, ohne die dadurch entstandenen Nachteile auszugleichen. Ganz deutlich tritt die gesellschaftsrechtliche Grundlage der Haftung hervor, wenn man den Blick weg vom Aktien- und hin zum GmbH-Konzernrecht lenkt. Dort lehnt man eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG ab30 und kommt doch über die Verletzung von Treuepflichten zu vergleichbaren Ergebnissen.31 Dies untermauert die These, dass die §§ 311 ff. AktG nur spezielle Ausprägung und Konkretisierung der Pflichtenstellung des Mehrheitsgesellschafter sind.32 Eine deliktsrechtliche Qualifizierung der §§ 311 ff. ist damit ausgeschlossen. 4. Wirtschaftsrechtliche Qualifikation Luchterhandt schlug bereits früh eine vom Gesellschaftsrecht gänzlich losgelöste wirtschaftsrechtliche Qualifikation33 deutscher Konzernrechtsnormen vor: Das Konzernrecht sei dem Wirtschaftsrecht zuzuordnen, weil es wie das Kartellrecht und das Recht des unlauteren Wettbewerbs die Grundstrukturen der marktwirtschaftlichen Ordnung regele und damit dem Schutz der Marktwirtschaft diene.34 Kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt sei daher das „Auswirkungsprinzip“: Sobald sich internationale Sachverhalte auf das Inland auswirken, sei deutsches Konzernrecht im Sinne einer einseitigen Kollisionsnorm anwendbar.35 Entsprechend könnte nun vertreten werden, dass deutsches Konzernrecht zur Aufrechterhaltung der inländischen Marktstruktur anwendbar ist, weil der „Gefahrenschwerpunkt“36 bei einer ausländischen Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz gerade hier liegt und deren Abhängigkeit vor allem die Interessen der inländischen Gläubiger und Gesellschafter bedroht. 28

So aber Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (173). Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 89 und § 17 Rn. 15 ff. 30 BGHZ 65, 15 (18) – „ITT“; BGHZ 95, 330 (340) – „Autokran“; BGHZ 149, 10 (16) – „Bremer-Vulkan“; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht, Rn. 12; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 76; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 11, 16. 31 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 89 und Rn. 4. 32 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 89 und Rn. 4. 33 Luchterhandt, Genzüberschreitende Konzernverbindungen, S. 70 ff. 34 Luchterhandt, Genzüberschreitende Konzernverbindungen, S. 75. 35 Luchterhandt, Genzüberschreitende Konzernverbindungen, S. 79 ff. 36 Darauf stellt das OLG Frankfurt a. M. AG 1988, 267 ab. 29

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Dies setzt allerdings voraus, dass die konzernrechtlichen Normen tatsächlich die Aufrechterhaltung des inländischen Wettbewerbs bezwecken. Wie bereits oben dargestellt, dient das deutsche Konzernrecht dazu, den Interessenkonflikt zwischen Mehrheit und Minderheit aufzulösen, der sich auch auf die Gläubiger nachteilig auswirken kann. Konzernrecht bezweckt daher nur den Schutz privater Interessen.37 Die Freiheit des Wettbewerbs als Allgemeinwohlbelang wird hauptsächlich durch die Fusionskontrollverordnung der EG38 sowie durch die §§ 35 ff. GWB geschützt. Eine wirtschaftsrechtliche Sonderanknüpfung ist daher als eine im Kern eingriffsrechtliche abzulehnen.39 5. Ergebnisorientierte Anknüpfung Klocke vertritt ebenfalls eine eigenständige kollisionsrechtliche Anknüpfung konzernrechtlicher Normen.40 Da es eine Gleichartigkeit der nationalen Rechtsordnung im Konzernrecht nicht gebe, könne nicht auf die herkömmlichen Anknüpfungspunkte des internationalen Privatrechts im Sinne Savignys zurückgegriffen werden. Daher seien in Anlehnung an das USamerikanische Modell eines „result selective approach“ Kollisionsgrundsätze zu entwickeln, die sich aus den materiellgesellschaftsrechtlichen Interessen ergäben. In den nationalen Konzernrechtsnormen komme ein privates und öffentliches Interesse zum Ausdruck. Für den Unterordnungskonzern ergebe die Interessenbewertung, dass das Recht der abhängigen Gesellschaft Geltung beanspruche.41 Ob dies allerdings auch dann gilt, wenn eine ausländische Gesellschaft ihr Gründungsstatut nach Deutschland „importiert“, wird durch Klocke verständlicherweise nicht ausdrücklich beantwortet. Allerdings kann aus seinen Stellungnahmen42 gefolgert werden, dass er wegen der Schutzbedürftigkeit der inländischen Gesellschafter und Gläubiger zu einer Anwendung des deutschen Konzernrechts tendiert. Hierbei ist aber erneut problematisch, staatliche Interessen zum Ausgangspunkt einer Anknüpfung zu wählen, um über private Interessen zu entscheiden.43 Da eine Inte37 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 562, 557; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 800. 38 ABl.EG Nr. L 24 v. 29.1.2004, S. 1. 39 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 562. 40 Klocke, Deutsches Konzernkollisionsrecht, S. 62 ff. 41 Dies sei ferner als allseitige Kollisionsnorm zu verstehen, Klocke, Deutsches Konzernkollisionsrecht, S. 133. 42 Vergleiche die Beispiele bei Klocke, Deutsches Konzernkollisionsrecht, auf S. 118 ff. und die Stellungnahme auf S. 133, wonach es das Bestreben aller Rechtsordnungen sei, den den inländischen Gläubigern und Aktionären gewährten Schutz auch gegenüber ausländischen Unternehmen durchzusetzen. 43 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 564.

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ressen gestützte Anknüpfung darüber hinaus eine umfangreiche Kasuistik erfordert, ist auch der Einwand der Rechtsunsicherheit berechtigt.44 6. Theorie vom „Sitz der Rechtsverhältnisse“ und Schutzzwecküberlegungen Ähnlich wie Altmeppen/Wilhelm45 könnte man mit Savigny das Konzernrechtsverhältnis danach bestimmen, wo das Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach seinen „Sitz“ hat46 oder wo dessen „Schwerpunkt“47 liegt. Ebenfalls auf Schutzzwecküberlegungen stellen Großfeld und Wiedemann ab48; auch Koppensteiner kommt bei seiner materiellrechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis, dass inländisches Konzernrecht dann Anwendung finden müsse, wenn der Zweck der Regelung „die Verhältnisse des deutschen Partners der Unternehmensverbindung betrifft.“49 Es wurde bereits dargelegt, dass der Gefahrenschwerpunkt sich bei der (ausländischen) abhängigen Gesellschaft befindet.50 Deren Schutz ist allerdings nicht Selbstzweck, sondern vermittelt einen Schutz für deren Minderheitsgesellschafter und Gläubiger.51 Koppelt man daher das Konzernrechtsverhältnis kollisionsrechtlich vom Gesellschaftsstatut ab, so könnte nach der Theorie vom „Sitz der Rechtsverhältnisse“ deutsches Konzernrecht zum Schutz inländischer Gläubiger und Gesellschafter auf ausländische Gesellschaften mit hiesigem Verwaltungssitz entsprechend anwendbar sein. Aber auch ein solcher Ansatz verkennt den gesellschaftsrechtsspezifischen und damit privatrechtlichen Charakter des Konzernrechts. Denn eine Anknüpfung an den Schutzzweck des Konzernrechts stellt ebenfalls auf den ordnungspolitischen Charakter des Konzernrechts ab und ist als eine im Ergebnis eingriffsrechtliche Sonderanknüpfung abzulehnen.52 Überdies würde 44

Dölle, RabelsZ 34 (1970), 403 (408 f.). Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1086). 46 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 107 f. 47 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 217 f. 48 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 556; Wiedemann, Festschrift Kegel, S. 187 (209). 49 Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht (1971), 104 f. 50 OLG Frankfurt a. M. AG 1998, 267; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 556; ders., Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 97; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 687 ff. 51 Vergleiche die Regierungsbegründung abgedruckt bei Kropff, AktG, S. 373 f.; deutlich auch Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht: „Der beste Schutz der Gläubiger und Gesellschafter ist der Erhalt eines liquiden Schuldners.“ 52 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 557; Sonnenberger, in: MünchKomm. BGB, IPR, Einl. Rn. 49. 45

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eine solche Trennung von Konzern- und Gesellschaftsrecht zu schweren Wertungswidersprüchen und kollisionsrechtlich zu der Gefahr einer Normenhäufung führen. Unabhängig von dieser rechtlichen Inkonsistenz, müsste eine solche Anknüpfung an den Vorgaben der europäischen Niederlassungsfreiheit scheitern. Denn die Regeln des deutschen Konzernrechts greifen als Konkretisierung der Rechte- und Pflichtenstellung des Mehrheitsgesellschafters unmittelbar in die Organisationsverfassung der abhängigen ausländischen Gesellschaft ein. Wegen des Prinzips der Gleichwertigkeit aller europäischen Rechtsordnungen kann eine umfassende Anwendung der §§ 291 ff. AktG auch nicht pauschal als „nach deutschem Recht erforderlich“53 gerechtfertigt werden.54 Nur bei Vorliegen konkreter Schutzlücken im Gründungsrecht ist eine Anwendung deutschen Gläubigerschutzrechts legitimierbar, sei es in Form von allgemeinen gesellschaftsrechtlichen oder speziellen konzernrechtlichen Normen. 7. Gesellschaftsrechtliche Anknüpfung Damit lässt sich festhalten, dass eine vom Gesellschaftsstatut losgelöste Sonderanknüpfung des deutschen Konzernrechts nicht überzeugt. Eine solche wäre nur über die Eingriffslehre zu begründen. Dies verfängt aber vor dem Hintergrund des überwiegend privatrechtlichen Charakters des Konzernrechts nicht. Für eine einheitliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Konzernrecht spricht auch der Vergleich zu anderen Rechtsordnungen, welche zumeist kein gruppenspezifisches Recht kennen, sondern den Konzernkonflikt mit allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Instrumenten zu lösen versuchen.55 Im Falle einer losgelösten Sonderanknüpfung des deutschen Konzernrechts hätte dies international-privatrechtliche Friktionen und konfligierende Pflichtenbindungen zur Folge. Deswegen sollten sowohl allgemeines Gesellschaftsrecht als auch Konzernrecht ein einheitliches und geschlossenes Gesamtsystem des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes innerhalb derselben Rechtsordnung ergeben.56 Eine Anwendung deutschen 53 So – allerdings zum Gläubigerschutz bei der unabhängigen Gesellschaft: Ulmer, NJW 2004, 2101 (2108 f.); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088); Altmeppen, Festschrift Röhricht, S. 3 (19 f.); ähnlich Borges, ZIP 2004, 733 (741 f.). 54 Zur Maßgeblichkeit des gemeinschaftsrechtlichen Erforderlichkeitsbegriffs, siehe oben § 3 C. II. 1. 55 Exemplarisch für die englische Rechtsordnung etwa Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 61–110; Prentice, in: Lutter, Konzernrecht im Ausland, S. 93–114; zum amerikanischen Recht siehe Ebke, in: Mestmäcker/Behrens, Gesellschaftsrecht der Konzerne, S. 279–327; Blumberg, ZGR 1991, 327–372 (335 ff.); Zimmer, IntGesR, 363 ff. 56 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 556; Zimmer, IntGesR, 1998, S. 370 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 735 f. Wobei hier proble-

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Konzernrechts auf die abhängige Auslandsgesellschaft mit Sitz in Deutschland hätte zudem einen erheblichen Eingriff in deren Organisationsstatut zur Folge, welcher vor der Niederlassungsfreiheit nicht bestehen könnte. Da die Unternehmensverbindung auf der gesellschaftlichen Beteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft beruht, ist tatsächlich das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft maßgeblich.57

B. Kollisionsrechtliche Behandlung der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland Nachdem diese konzernkollisionsrechtliche Prämisse herausgearbeitet wurde, sollen nun die Gestaltungsvarianten für international operierende Unternehmen analysiert werden. Die vorliegende Arbeit untersucht den Gläubigerschutz in der abhängigen58 englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland, weswegen die Ausführungen auf die verschiedenen Gestaltungsvarianten mit einer solchen beschränkt sind. I. Englische Muttergesellschaft und englische Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland 1. Vertragskonzern Zur Wirksamkeit eines Beherrschungsvertrages zwischen einer englischen Muttergesellschaft und einer englischen Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland muss das englische Sachrecht, welches das Konzernverhältnis bestimmt, den Abschluss gestatten. Dies wird in England unterschiedlich beurteilt.59 Befürworter verweisen vor allem auf s. 258 Companies Act 1985 (CA 1985), der eine ausführliche Definition enthält, wann zwischen Unternehmen ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht und ausdrücklich von einer Einflussmöglichkeit mittels Beherrschungsvertrag spricht (control contract, s. 258 (2) (c) (ii) CA 1985). matisch ist, dass das Insolvenzstatut abweicht, zu dem Vorschlag einer einheitlichen Anknüpfung de lege ferenda siehe oben § 3 A. II. 3. 57 Mann, Festschrift Barz, S. 219 (224 ff.); ihm folgend Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 556. 58 Zu dem Abhängigkeitsbegriff in diesem Zusammenhang, vgl. Dritter Teil vor § 7. 59 Befürwortend Pennington, Company Law, S. 978; Schuberth, Konzernrelevante Regelungen im britischen Recht, S. 26. Ablehnend dagegen Prentice, in: Lutter, Konzernrecht im Ausland, S. 93 (98); Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 64 ff.

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Dagegen wird angeführt, dass die Direktoren der abhängigen Gesellschaft notwendigerweise gegen ihre Treuepflichten verstoßen müssten, wenn sie sich der Weisung der Muttergesellschaft beugten. Bei Zulässigkeit des Beherrschungsvertrages würde dies einen Verzicht auf die Geschäftsführerhaftung ex ante bedeuten, was s. 309A CA 1985 gerade verbietet.60 Der Verweis auf s. 258 CA 1985 überzeuge schon deswegen nicht, weil die Norm zum einen unmittelbar nur das Recht des konsolidierten Jahresabschluss der Muttergesellschaft regele.61 Zum anderen seien Beherrschungsverträge in England völlig unbekannt, so dass die Regelung nur der Umsetzung der 7. EG-Richtlinie diene und lediglich den Sinn habe, ausländische Tochtergesellschaften zu erfassen, die ihren Verwaltungssitz beispielsweise in Deutschland haben.62 Für eine solche Interpretation spricht die Definition des „Beherrschungsvertrages“ in Schedule 10A CA 1985, wonach das Recht des Staates, in dem das beherrschte Unternehmen gegründet worden ist, einen solchen Beherrschungsvertrag erlauben muss (para. 4 (2) Sch. 10A).63 Gemäß para. 4 (1) Sch. 10A verpflichtet der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Direktoren der abhängigen Gesellschaft nach Weisungen des herrschenden Unternehmens zu handeln, auch wenn dies nicht im Interesse des abhängigen Unternehmens liegt. Damit ist aber tatsächlich eine Treuepflichtverletzung der Direktoren verbunden, welche eine Haftung gegenüber dem beherrschten Unternehmen auslöst. Andererseits ist eine Haftungsbefreiung aufgrund des Beherrschungsvertrages gemäß s. 309A CA ausgeschlossen. Die Direktoren sähen sich durch einen Beherrschungsvertrag also widersprüchlichen Pflichten ausgesetzt, so dass richtigerweise ein solcher im englischen Gesellschaftsrecht als unzulässig abzulehnen ist.64 Es kann auch nicht argumentiert werden, dass für die abhängige englische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland etwas anderes gelte, weil das deutsche Recht gerade den Abschluss von Unternehmensverträgen gestatte und englische Interessen insofern gar nicht berührt seien. Denn die deutschen Schutznormen der §§ 291 ff. AktG sind wegen internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Bedenken grund60

So Prentice, in: Lutter, Konzernrecht im Ausland, S. 93 (98). Prentice, in: Lutter, Konzernrecht im Ausland, S. 93 (100 f.). 62 Farrar/Hannigan, Company Law, S. 473. 63 Dem entspricht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 lit. c) der Konzernbilanzrichtlinie, Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 über den konsolidierten Abschluss, ABl.EG Nr. L 193/1 v. 18.7.1983, abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., S. 257 ff. 64 So auch Gower, 5. Aufl., S. 119 mit Fn. 76: „It is difficult to see how a ‚control contract‘ could ever be regarded as ‚permitted by law‘ in relation to an English subsidiary; it would seem to be expressly forbidden by s. 310.“ 61

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sätzlich nicht anwendbar, so dass die deutschen Gläubiger und Gesellschafter primär auf die englischen Schutzmechanismen angewiesen sind. Diese laufen indessen leer, wenn entgegen s. 309A CA 1985 der Beherrschungsvertrag einer englischen Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland zulässig sein sollte. Deswegen ist ein Beherrschungsvertrages zwischen einer englischen Mutter und englischen Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland unzulässig. 2. Faktischer Konzern Eine faktische Konzernverbindung ist dagegen nach englischem Sachrecht unproblematisch möglich.65 Das Konzernverhältnis richtet sich trotz ihres inländischen Verwaltungssitzes ausschließlich nach dem Recht der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft. II. Deutsche Muttergesellschaft und englische Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland Mit der freien Wahl des Gesellschaftsstatuts werden die Vorzüge des englischen Gesellschafts- und Konzernrechts auch für deutsche Unternehmen interessant, insbesondere um auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft die deutsche unternehmerische Mitbestimmung und das restriktive deutsche Konzernrecht zu umgehen. Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages ist nach umstrittener, aber überzeugenderer Ansicht nach englischem Recht unzulässig.66 Im faktischen Beherrschungsverhältnis richtet sich der Schutz der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft nach englischem Recht. Auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft sind allerdings die deutschen konzernrechtlichen Schutzmechanismen anwendbar (Konzernverfassung von oben – „Holzmüller“)67, weil die Muttergesellschaft insofern nicht mehr nur als Gesellschafterin der abhängigen Gesellschaft, sondern in ihrem eigenen Gesellschaftsstatut „hauptbetroffen“ ist.68 65

Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 70. Siehe oben § 4 B. I. 1. Möglich wäre allein ein Beherrschungsvertrag zwischen einer englischen Mutter- und einer deutschen Tochtergesellschaft. 67 BGHZ 83, 122 (136 ff.) („Holzmüller“), wonach Maßnahmen der Gruppenleitung die Teilhabe- und Vermögensrechte der Gesellschafter der Obergesellschafter verwässern kann und daher der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen; siehe ferner BGHZ 106, 54 (64) („Opel“); BGHZ 136, 133 (141) („Siemens/Nold“); neuerdings bestätigt durch BGH NJW 2004, 1860 („Gelantine“); auch BGHZ 153, 47 (54) („Macroton“). 68 Ebenroth, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle, S. 68 ff.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 580; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 581. 66

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Gleiches gilt für die Konzernleitung und Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder der deutschen Konzernspitze69. III. Inländischer limited company-Konzern Schließlich können die deutsche Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle, ebenso wie die unternehmerische Mitbestimmung, auch auf Ebene der herrschenden Gesellschaft ausgeschaltet werden, wenn nicht nur die Tochtergesellschaft, sondern auch die Muttergesellschaft jeweils in Form einer englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland betrieben werden („inländischer limited company-Konzern“).70 Aufgrund der europarechtlichen Herkunftslandanknüpfung (Art. 43, 48 EG) unterliegen sowohl die herrschende als auch die abhängige limited company trotz ihrer Verwaltungssitze in Deutschland ausschließlich dem englischen Gesellschaftsrecht.

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Dazu jüngst Fleischer, DB 2005, 759 ff. Vergleiche die Konstellation im Fall des AG Hamburg NZI 2003, 442 mit Anm. von Mock/Schildt. 70

Zweiter Teil

Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe § 5 Das englische Recht der Unternehmensgruppe A. Begriff der Unternehmensgruppe im englischen Recht Auch wenn in England das Recht der Unternehmensgruppe nicht in einem geschlossenen Rechtssystem behandelt wird, finden sich doch im gesamten Companies Act 1985 (CA 1985) verteilt Normen, die spezielle Facetten des Konzernkonflikts regeln.1 Wann eine Gesellschaft als Mutter- ( parent company) bzw. Tochtergesellschaft (subsidiary) einer anderen angesehen werden kann, wird dabei zu zwei verschiedenen Zwecken bestimmt: S. 258 CA 1985 definiert die Unternehmensgruppe zum Zwecke der Rechnungslegung2, s. 736 (1) CA 1985 zur Bestimmung spezieller gesetzlicher Anforderungen, die außerhalb des Bilanzrechts an die Unternehmensgruppe bestehen.3 1 Vgl. s. 23 CA 1985; ss. 151–153 CA 1985; ss. 227–232 CA 1985 and Schedules 4–6; ss. 318 (1) (c), 319 (1), 320 (1), 323 (3), 324, 330 CA 1985; s. 321 CA 1985; s. 433 CA 1985; s. 346 CA 1985; und auch s. 485 (6) IA 1986. 2 Diese geht vor allem auf die Siebte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie zurück, Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 über den konsolidierten Abschluss, ABl.EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1 ff., abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., S. 257 ff. 3 Die Definitionen des Companies Act 1985 erstrecken sich auf alle Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit, so z. B. auch auf die seltene Gesellschaftsform der company limited by guarantee i. S. d. s. 1 (2) (b) CA 1985. Die Konzernpraxis wird jedoch von den Kapitalgesellschaftsformen der private limited company und der public limited company bestimmt. Nach der Negativdefinition in s. 1 (3) CA 1985 sind alle Gesellschaften private, die nicht als public qualifiziert werden können. Nur public companies ist es erlaubt, ihre Anteile öffentlich anzubieten und an der Börse zu handeln, ss. 81, 74 FSMA 2000. Außerdem müssen sie im Gegensatz zu private companies ein Mindestkapital von £ 50,000 aufbringen, ss. 11, 117, 118 (1) CA 1985. Cum grano salis entspricht die public company der deutschen AG, die private company der GmbH. Da die Beherrschung in der private company leichter ist, wird sie wesentlich häufiger als Konzernvehikel benutzt, siehe Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (107).

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Die Definition in s. 258 (2) CA 1985 orientiert sich zunächst an dem Konzept der formalen Beherrschung der Tochter durch die Stimmenmehrheit der Mutter ( formal control concept). Demzufolge gilt eine Gesellschaft als Muttergesellschaft (holding company) einer anderen (subsidiary), wenn a) sie die Mehrheit der Stimmrechte bei der Untergesellschaft besitzt, oder b) sie als Teilhaberin an der Untergesellschaft das Recht hat, die Mehrheit des board of directors zu ernennen oder zu entlassen, oder c) sie als Teilhaberin an der Untergesellschaft aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Teilhabern die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschaft allein kontrolliert. Zusätzlich implementiert s. 258 (2) (c) CA 1985 die Vorgaben der Siebten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie4 und dehnt damit die Definition auf die faktische Kontrolle aus.5 Somit werden auch andere Formen der Beherrschung unabhängig von einer Kapitalbeteiligung erfasst.6 Dementsprechend ist eine Gesellschaft auch dann Mutter, wenn sie aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen im „memorandum“ bzw. „articles of association“ das Recht zur Ausübung beherrschenden Einflusses hat (legal control).7 Für nicht bilanzrechtliche Zwecke, wie etwa dem Verbot für Tochtergesellschaften, Anteile an der Muttergesellschaft zu halten8 oder dieser finanzielle Unterstützung zu gewähren9, wird die Mutter-Tochterbeziehung ausschließlich nach dem engeren formal control-Konzept bestimmt.10 Insofern ist die Definition identisch mit dem ersten Test unter s. 258 (2) CA 1985.

4 Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 über den konsolidierten Abschluss, ABl.EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1 ff., abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., S. 257 ff. 5 Näher hierzu Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 28–30. 6 S. S. 258 (2) (d) CA 1985. 7 S. 258 (2) (c) (i) CA 1985. Daneben wird in s. 258 (2) (c) (ii) CA 1985 auch die Einflussmöglichkeit kraft „Beherrschungsvertrages“ (control contract) genannt. Nach der hier vertretenen Ansicht widerspricht das Konzept des Beherrschungsvertrages aber Grundprinzipien des englischen Gesellschaftsrechts und ist deswegen unzulässig. S. 258 (2) (c) (ii) CA 1985 ist als Verweis auf ausländische Gesellschaften zu verstehen, nach deren Gründungsrecht ein Beherrschungsvertrag wirksam abgeschlossen werden kann, vgl. Sch. 10A CA 1985, para. 4 (2) und die Ausführungen oben unter § 4 B. I. 1. 8 S. 23 CA 1985. 9 S. 151 CA 1985. 10 S. 736 (2) CA 1985.

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

B. Publizitätsvorschriften und das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung Traditionell besteht in England ein großes Vertrauen in die selbstheilenden Kräfte des freien Marktes. Entsprechend wird die privatautonome Risikoabsicherung einer gesetzgeberischen Intervention zum Schutz der Gläubiger vorgezogen.11 Dies deckt sich mit dem Ansatz der ökonomischen Analyse, dass Vertragsgläubiger vom Grundsatz her in der Lage sind, das korporative Insolvenzrisiko durch vertraglichen Selbstschutz (sog. financial covenants12) abzufangen.13 So können Gläubiger von Konzerngesellschaften sich beispielsweise durch höhere Zinsen, durch Bestellen dinglicher Sicherheiten, durch Garantien oder aber durch eine Rangrücktrittsvereinbarung14 schützen.15 Allerdings ist wesentliche Voraussetzung für eine solche effiziente Selbsthilfe, dass den Gläubigern alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen. Deswegen bestehen im englischen Recht strenge Publizitätsvorschriften. Alle Gesellschaften müssen einen jährlichen Statusbericht (annual return, s. 363 f. CA 1985) zum Handelsregister einreichen. Ferner gilt die Pflicht zur Buchführung (accounting records, ss. 221 ff. CA 1985) und die Geschäftsführer müssen, unter Beteiligung des company’s secretary, für jedes Rechnungsjahr einen Rechnungsabschluss, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (annual accounts, s. 226 f. Ca 1985)16, sowie einen Lagebericht (directors’ report, s. 234 CA 1985)17 aufstellen. Die auditors überprüfen in ihrem Bericht die Richtigkeit der An11 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 533; Neuling, Deutsche GmbH und englische private company, S. 16 f. und S. 163. 12 Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (79 ff.). 13 Posner, Economic Analysis of Law, S. 432 ff.; Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 49 ff. 14 Demnach gehen Ansprüche der Muttergesellschaft gegen die Tochter im Rang anderen Gläubigerforderungen nach (subordination agreement), vgl. dazu im deutschen Recht § 39 Abs. 2 InsO, Hirte/Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 12 ff. 15 Posner, 43 University of Chicago L. R. 1976, 499 (501–505). 16 Die Company Law Review Steering Group schlägt darüber hinaus vor, ein cash flow statement einzuführen, vgl. Company Law Review Steering Group, Final Report, Rn. 8.4. 17 Weitere Pflichten finden sich in s. 234 (3) und (4) und Schedule 7 CA 1985. Nach dem Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004, der am 28.10.2004 den Royal Assent erhalten hat, muss der directors’ report darüber hinaus eine Erklärung der Geschäftsleiter enthalten, dass diese alle relevanten Informationen den auditors zugänglich gemacht haben (ss. 234 (2A), 234ZA CA 1985). Grundsätzlich bezweckt der Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004 eine Stärkung der Unabhängigkeit der auditors, damit diese

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gaben und müssen erklären, ob die annual accounts den gesetzlichen Vorgaben entsprechen (auditors’ report, s. 235 CA 1985). Die annual accounts, der directors’ report, der auditors’ report und der annual return werden durch den registrar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht18 und können elektronisch auf der Infoseite des britischen Handelsregisters eingesehen werden.19 Insbesondere die annual accounts sollen den Gläubigern ein akkurates Bild über die finanzielle Situation der Gesellschaft vermitteln. Dies ist hingegen nicht möglich, wenn wesentliche Unternehmungen nicht durch die Gesellschaft selbst, sondern durch Tochtergesellschaften ausgeführt werden. Aus diesem Grunde werden die Geschäftsführer der Muttergesellschaft verpflichtet, eine konsolidierte Konzernbilanz20 aufzustellen, in welcher die Aktiva und Passiva von allen Konzerngesellschaften zusammengezogen werden, als ob sie selbst Aktiva und Passiva der Muttergesellschaft wären.21 Darüber hinaus muss die Muttergesellschaft ihre Beteiligungen an anderen Gesellschaften offen legen; die Tochtergesellschaft muss angeben, wer sie letztlich beherrscht.22 Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes ist aber, dass die annual accounts lediglich eine ex post Betrachtung des bereits abgeschlossenen Rechnungsjahres zulassen. Das heißt, dass die in den annual accounts enthaltenen Informationen bereits veraltet sein können, wenn die Gläubiger die Finanzkraft des Unternehmens beurteilen müssen.23 Unter diesen Umständen sind die Gläubiger darauf angewiesen, selbständig weitere Informationen über die Gesellschaft einzuholen, was wiederum die Transaktionskosten erhöht. Folge davon ist, dass sich für Kleingläubiger eine privatautonome Risikoabsicherung oftmals nicht lohnt.24 Darüber hinaus befand selbst die ihre Überwachungstätigkeit effektiver ausüben können, was letztendlich zu einer verbesserten Durchsetzung der Publizitätsregelungen führen soll. 18 S. 242 und s. 709 (1) CA 1985: „any person may inspect any records kept by the registrar for the purposes of the Companies Act.“ 19 Abrufbar unter www.companieshouse.gov.uk. 20 Die Pflicht geht zurück auf die Siebente Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 ABl.EG Nr. L 193/1. 21 S. 227 CA 1985 i. V. m. Schedule 4A CA 1985. Insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmensgruppen sind aber von der Pflicht zum Abschluss einer konsolidierten Bilanz ausgenommen, vgl. s. 248A CA 1985. Allerdings schlug jüngst die Company Law Review Steering Group vor, diese Ausnahme auf kleine Konzerne zu beschränken, Final Report, Rn. 4.26. 22 Schedule 5 CA 1985. 23 Zu diesem Kritikpunkt vgl. auch Davies, Introduction to Company Law, S. 73. 24 Schäfer/Ott, Ökonomischen Analyse, S. 608; Bauer, Nennkapitalziffer, S. 106; Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (79 f.).

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

High Level Group die Publizitäts- und Transparenzpflichten unter der Siebten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie als unzureichend, weil die konsolidierte Bilanz weder die finanzielle Situation verschiedener Teile der Gruppe, noch den Grad der Abhängigkeit der Tochtergesellschaften von der Mutter angemessen widerspiegelt.25 Daneben können grundsätzliche Einwände gegen das „Informationsmodell“ geltend gemacht werden. Eine privatautonome Risikoabsicherung verfängt nicht bei Deliktsgläubigern.26 Auch Arbeitnehmer befinden sich typischerweise nicht in der Position, bestimmte Schutzvorschriften gegenüber dem Arbeitgeber auszuhandeln.27 Sie sind ferner in ungleich größerem Maße auf den Fortbestand ihrer Arbeitsverhältnisse angewiesen.28 Allerdings werden einige Härtefälle bereits durch Versicherungslösungen abgedeckt. So werden die Interessen der Opfer von Industrie- und Autounfällen in über eine Haftpflichtversicherung geschützt; Lohnansprüche von Arbeitnehmern genießen grundsätzlich Priorität in der Insolvenz der Gesellschaft.29 Darüber hinaus können Arbeitnehmer auch Ansprüche gegen den National Insurance Fund geltend machen.30 Dennoch wird deutlich, dass der bloße Verweis auf Selbstschutz und Versicherung nicht in jedem Falle hinreichenden Gläubigerschutz bieten kann. Es kann sogar argumentiert werden, dass selbst dort, wo Gläubiger um vertraglichen Schutz feilschen können, es wirtschaftlich effizienter wäre, einen gesetzlichen Standardschutz zur Verfügung zu stellen, als es den Gläubigern aufzuerlegen, dieselben Vertragsbestimmungen immer wieder aufs Neue aushandeln zu müssen.31 Auffallend ist beispielsweise, dass die US-amerikanischen individualvertraglichen Regeln den kontinental-europäischen gesetzlichen Kapitalschutzregeln erstaunlich ähnlich sind.32 Ein individualvertraglicher Schutz erhöht demgegenüber aber die Transaktionskosten und damit auch die Kapitalkosten der Gesellschaft. Zudem ist das Schutzniveau geringer, weil die Durch25

High Level Group, S. 95 ff.; EU-Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.3. Kraakman, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 72; Spindler/ Berner, RIW 2004, 7 (13 ff.); dies., RIW 2003, 949 (954); Bayer, BB 2003, 2357 (2364); Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677 (682); Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2236); ders., JZ 2003, 526 (529). 27 Kraakman, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 72; Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (105). 28 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 30. 29 SS. 175 (1), 386, Schedule 6 IA 1986. 30 Employment Rights Act 1996, Part XII (ss. 182–190). 31 Davies, Introduction to Company Law, S. 79. 32 Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (79); Schön, ZGR 2000, 706 (727): „Der Markt simuliert daher auf schuldrechtlichem Wege einen Kapitalschutz“. 26

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setzung der vertraglichen Mechanismen erheblich von der Verhandlungsstärke der Gläubiger abhängt. Verhandlungsschwache Gläubiger profitieren von den financial covenants nur im Rechtsreflex ( free-ride), sehen sich aber gleichzeitig nicht mehr nur der Gefahr opportunistischen Verhaltens seitens der Geschäftsführer/Gesellschafter ausgesetzt, sondern auch der Großgläubiger. Zudem ist die in Großbritannien zunehmende Bedeutung von Sicherheiten für den Gläubigerschutz zu berücksichtigen. Hierbei besteht die Gefahr, dass die gesicherten (Groß-)Gläubiger alle Vermögenswerte aus der insolventen Gesellschaft ziehen, so dass die ungesicherten (Klein-)Gläubiger oftmals leer ausgehen. Dies tangiert die generelle Diskussion um den normativen Wert von Sicherheiten, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann.33 Schließlich ist insbesondere im Hinblick auf den Konzernsachverhalt mehr als zweifelhaft, ob ein Verweis auf eine privatautonome Risikoabsicherung, abgestützt durch strenge gesetzliche Publizitätsvorschriften, wirklich ausreichenden Gläubigerschutz gewährleisten kann. Zum einen sind die für einen Konzern bestehenden Publizitätspflichten unvollständig. Zum anderen besteht generell die Tendenz, die Unternehmensgruppe nicht in ihrer rechtlichen Vielheit, sondern als wirtschaftliche Einheit wahrzunehmen.34 Der Rechtsschein der Einheitlichkeit kann durch die konsolidierte Rechnungslegung im Konzern noch verstärkt werden, weil diese den Leser von Konzernbilanzen möglicherweise zu der Annahme verleiten, es gäbe auch eine konzernweite Haftung.35 Darüber hinaus besteht noch die Gefahr, dass die Gläubiger auf Grund rechtlich unverbindlicher comfort letters oder 33

Im Wesentlichen stehen sich dabei zwei Denkschulen gegenüber. Zum einen wird vertreten, Sicherheiten seien wirtschaftlich effizient, weil sie die Überwachungskosten für alle Gläubiger senkten. Nach Jackson/Kronman, 88 Yale L. J. 1979, 1143 ff. soll dies deshalb der Fall sein, weil nur schlechte Überwacher Sicherheiten bestellen, gute Überwacher aber hierauf nicht angewiesen sind. Diese Theorie wird allerdings durch die Praxis falsifiziert, weil zumeist Banken als traditionell gute Überwacher Sicherheiten fordern. Überzeugender argumentieren Smith/Warner, 34 Journal of Finance 1979, 247 ff., dass Sicherheiten vor einem Entzug der Vermögenswerte seitens der Geschäftsleiter/Gesellschafter schützen. Davon profitieren dann auch die ungesicherten Gläubiger ( free-ride). Anderer Auffassung ist aber LoPocki, 80 Virginia Law Review 1994, 1887 ff., nach dem die Bestellung von Sicherheiten zu einer Enteignung der ungesicherten Gläubiger führe. Da das Bestellen von Sicherheiten einerseits kostspielig sei (Transaktionskosten), andererseits aber keine Vermögensmehrung bewirke, sondern bloß Vermögen von den ungesicherten auf die gesicherten Gläubiger umverteile, seien Sicherheiten unter dem Strich wirtschaftlich ineffizient. Welche Theorie nun zu bevorzugen ist, hängt entscheidend von dem Vertrauen in die wirtschaftliche Effizienz des freien Marktes ab, vgl. Finch, 62 MLR 1999, 633; Mokal, 22 OJLS 2002, 687. 34 Posner, Economic Analysis of Law, S. 450. 35 Gower, 6. Aufl., S. 163 f.

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

„weicher“ Patronatserklärungen auf die Kreditwürdigkeit des gesamten Konzerns vertrauen, weil ihnen etwa vorgespiegelt wird, der gesamte Konzern stehe hinter dem Geschäft (sog. Problematik des Konzernvertrauens).36 Wie noch zu zeigen sein wird, greift hier nur im Ausnahmefall eine Rechtsscheinhaftung ein (misrepresentation). Vermag also der pauschale Verweis auf die Möglichkeit einer privaten Risikoabsicherung noch keinen effektiven Gläubigerschutz im Konzern zu verwirklichen, so muss untersucht werden, wie das englische Recht ansonsten auf die Gläubigerschutzprobleme im Konzern reagiert.

C. Kapitalschutz I. Vorschriften zum Mindestkapital (minimum capital) Im Unterschied zu Deutschland37 und anderen kontinentaleuropäischen Staaten38 besteht in England traditionell kein Zusammenhang zwischen Mindestkapitalisierung und dem Erwerb der Rechtspersönlichkeit oder dem „Privileg der Haftungsbeschränkung“.39 Nach Umsetzung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Kapitalrichtlinie)40 gilt aber bei der public company, dass sie ein genehmigtes Mindestkapital (authorised minimum share capital) von £ 50,000 aufweisen muss.41 An der Effektivität der Mindestkapitalvorschriften wird jedoch europaweit harsche Kritik geübt.42 Weil die englische Diskussion in weiten Teilen der deutschen Diskussion um die Sinnhaftigkeit einer Mindestkapitalziffer bei der GmbH gleicht, soll auf die Ausführungen zum deutschen Recht verwiesen werden.43 Es lässt sich aber zumindest feststellen, dass in England die ganz überwiegende 36

Näher dazu unter § 5 D. V. 1. und § 7 E. Vgl. statt aller Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 557 f. 38 De Kluiver/Van Gerven, The European Private Company, S. 21 (26–28). 39 Davies, AG 1998, 346 (348 f.). 40 77/91/EWG, Abl. Nr. L 26/1 vom 31.1.1977, Art. 6 (1), (3). 41 SS. 11, 118 (1) CA 1985. 42 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 135; Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber v. 30.1.2003 zu „Inspire Art“, GmbHR 2003, 302 Rz. 141 ff.; High Level Group, S. 82; Rickford, EBLR 2004, 921 (923 ff.); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1185 ff.); Ferran, 20 Company Lawyer 1999, 314 ff.; Armour, 63 MLR 2000, 355 (373 ff.); Grunewald/Noak, GmbHR 2005, 189 ff.; Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (15 ff.); Eidenmüller, Festschrift Heldrich, S. 581 (593); Bitter, WM 2004, 2190 (2195); Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1273). Zur Liberalisierung des Kapitalaufbringungsrechts bei Sacheinlagen siehe auch den Kommissionsentwurf zur Modernisierung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 21.9.2004, KOM (2004), endg., Art. 1 (1), der die neuen Art. 10a und 10b in die Richtlinie einführen soll. 43 § 6 E. I. 37

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Meinung für eine Abschaffung und damit Änderung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie eintritt.44 II. Begriff des Grundkapitals und Kapitalaufbringungsrecht Als gebundenes Kapital im kontinentaleuropäischen Sinne ist das gezeichnete Kapital anzusehen (issued capital). Das in der Gründungsurkunde als Nominalkapital (nominal capital, athorised capital) ausgewiesene Kapital ist nur eine Prognosezahl ohne praktische Aussagekraft.45 Dabei umfasst der Begriff des Grundkapitals (share capital) im englischen Recht alle Überpari-Emissionen (share premium), so dass der volle für den Anteil bezahlte Betrag den Kapitalerhaltungsvorschriften unterfällt.46 Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, wenn Gesellschaften fusionieren (merger relief, s. 131 CA 198547) oder es sich um eine Unternehmensgruppe handelt (group relief, s. 132 CA 1985). Der group relief bewirkt, dass bei einer Anteilsausgabe einer 100%igen Tochtergesellschaft an eine andere Gruppengesellschaft, welche die Anteile gegen eine Sacheinlage erwirbt, der Wert, um den die Sacheinlage den Nominalwert der Emission übersteigt48, nicht als share premium den Kapitalerhaltungsvorschriften unterliegt. Das englische Kapitalaufbringungsrecht ist wesentlich flexibler als das deutsche ausgestaltet. So sind im Gegensatz zum deutschen Recht auch Arbeits- und Dienstleistungen einlagefähig.49 Eine Werthaltigkeitskontrolle der 44 Rickford, EBLR 2004, 921 (923); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1185 ff.); Ferran, 20 Company Lawyer 1999, 314 ff.; Gower/Davies, 7. Aufl., S. 230. Die High Level Group, S. 82 teilt zwar die Bedenken, sieht jedoch keinen gesteigerten Handlungsbedarf („Trivialität“). Dies ist zumindest rechtstheoretisch problematisch, weil als funktionslos erkannte Normen abzuschaffen sind. 45 Farrar/Hannigan, Company Law, S. 559. 46 S. 130 (1), (3) CA 1985; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 283, 304. 47 Der merger-relief wurde eingeführt, um zu vermeiden, dass eine Gesellschaft (A), die die Anteile einer anderen Gesellschaft (B) erwirbt, indem sie an diese Gesellschaft (B) eigene Anteile ausgibt, einen share premium account in der Höhe einrichten muss, in welcher der Wert der erworbenen Anteile den Wert der ausgegeben Anteile übersteigt. Andernfalls wären die thesaurierten Gewinne bei B, welche zuvor hätten ausgeschüttet werden können, nach der Fusion nicht mehr als Dividende an die Gesellschafter von B ausschüttungsfähig, vgl. Head & Co Ltd v Ropner Holdings Ltd [1952] Ch. 124; dazu ausführlich Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 308–310. 48 Sog. minimum premium value, s. 132 (2), (3) CA 1985; näher Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 310–311. 49 Pennington, Company Law, S. 167 und S. 172; rechtsvergleichend Micheler, ZGR 2004, 324 (326).

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Sacheinlagen durch das Registergericht findet nur insoweit statt, dass die Einlage einen wirtschaftlichen Wert verkörpern, aber nicht vollwertig sein muss (consideration doctrine).50 Schließlich kennt das englische Recht auch kein dem § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG und § 36a Abs. 1 und 2 AktG vergleichbares Mindesteinzahlungsgebot. III. Materielle Kapitalerhaltungsregeln (capital maintenance) Die Grundlagen des englischen Kapitalerhaltungsrechts wurden in der Entscheidung Trevor v Whitworth51 festgeschrieben. Das House of Lords entschied, dass das gezeichnete Grundkapital nicht ohne richterlichen Beschluss an die Gesellschafter ausgeschüttet werden dürfe. Hieraus haben sich verschiedene Regelungen entwickelt. Zunächst dürfen Anteile nicht unter ihrem Nennwert ausgegeben werden (Verbot der Unterpari-Emission).52 Auch darf eine Gesellschaft grundsätzlich keine eigenen Anteile erwerben, da dies de facto zu einer Herabsetzung des Grundkapitals führen würde.53 Dieses Verbot ist über s. 23 CA 1985 auf Tochtergesellschaften ausgeweitet, weil ein Anteilserwerb der Tochter an der Muttergesellschaft eine faktische Herabsetzung des Grundkapitals der Mutter bewirken würde. Allerdings sind im CA 1985 einige Ausnahmen zu diesem grundsätzlichen Verbot des Erwerbs eigener Anteile aufgeführt. Die wichtigsten davon sind die äußerst detaillierten Regelungen zu rückkaufbaren Vorzugsaktien (redeemable preference shares)54 Als weitere Ausprägung des Kapitalschutzes ist es einer Gesellschaft oder ihren Tochtergesellschaften verboten, einer Person finanzielle Unterstützung beim Erwerb von Anteilen zu gewähren ( financial assistance).55 Darüber hinaus ist Gesellschaften die Vergabe von 50

Re White Star Line [1938] Ch. 458; zu den Missbrauchsmöglichkeiten Ooregum Gold Mining Co of India v Roper [1892] AC 125, 127 per Lord Watson: „This rule is capable of being abused and I have little doubt that it has been liberally construed in practice“. 51 (1887) 12 App. Cas. 409, HL (423–424). 52 Ooregum Gold Mining Co v Roper [1892] AC 125, jetzt kodifiziert in s. 100 CA 1985; vgl. auch Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 292. 53 Trevor v Whitworth (1887) 12 AC 409, HL; s. 143 (1) CA 1985 bestätigt diese Rechtsprechung, ersetzt aber nicht die common law rule. 54 SS. 159–181 CA 1985; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 430–454. 55 SS. 151–158 CA 1985, für private companies gelten aber Erleichterungen, s. 155 CA 1985. Die Regelungen zu financial assistance gehen auf Art. 23 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie zurück, welche freilich unmittelbar nur für public companies gilt. Die Sinnhaftigkeit der Regelung wird heftig diskutiert, Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 377–407. Siehe auch die Vorschläge der Kommission zur Modernisierung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 21.9.2004, KOM (2004), endg., Art. 1 Abs. 4, 5.

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Darlehen an ihre Direktoren oder diejenigen der Muttergesellschaft untersagt.56 Schließlich dürfen nach ss. 263 (1), 270 CA 1985 nur Bilanzgewinne ausgeschüttet werden (Verbot der Einlagenrückgewähr).57 Der Begriff der Ausschüttung wird dabei wie im deutschen Recht sehr weit verstanden und umfasst jede Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter, sei es in bar oder in anderer geldwerten Form.58 Wenn eine Ausschüttung an einen Gesellschafter nicht die Tatbestandsmerkmale des s. 263 CA 1985 erfüllt, ist dieser zur Rückzahlung bzw. zum Wertersatz verpflichtet, falls er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Ausschüttung gesetzeswidrig war.59 Das Verbot der Einlagenrückgewähr erstreckt sich auch auf verdeckte Gewinnausschüttungen.60 So wurde die Schuldverschreibung einer Tochtergesellschaft an ihre Mutter, in deren Folge unverhältnismäßige Zinszahlungen geleistet wurden, als verdeckte Einlagenrückgewähr angesehen.61 Garantieerklärungen oder sonstige Haftungsmitübernahmen im Konzern können ebenfalls unter den Begriff der Ausschüttung subsumiert werden.62 In Aveling Barford Ltd v Perion Ltd 63 erachtete das Gericht es sogar für „irrelevant“, dass die Ausschüttung nicht direkt an den herrschenden Gesellschafter, sondern an eine andere, von diesem ebenfalls beherrschte, Gesellschaft geflossen ist. Die Entscheidung hat besondere Bedeutung für den Konzern erlangt. Denn in der Folgezeit wurde die Legalität gruppeninterner Vermögensverschiebungen angezweifelt.64 Transaktionen, bei denen Vermögensgüter innerhalb der Unternehmensgruppe zu ihrem Buchwert anstelle ihres reellen 56 S. 330 (2) CA 1985. Für private companies gelten auch hier Ausnahmen, vgl. s. 330 (3), (4) und (6) CA 1985. 57 S. 281 CA 1985 stellt dabei klar, dass die gesetzlichen Regelungen nicht die restriktiveren Regelungen des common law oder etwaige strengere Satzungsregelungen verdrängen; siehe zu letzterem Re Cleveland Trust plc [1991] BCLC 33. 58 S. 263 (2) CA 1985. Der Bilanzgewinn wird in s. 263 (3) CA 1985 definiert als die „akkumulierten Gewinne, insofern sie nicht zuvor zur Ausschüttung oder Kapitalisierung verwendet wurden, weniger die akkumulierten, realisierten Verluste, insofern diese nicht mit einer rechtmäßigen Kapitalherabsetzung oder Kapitalumstrukturierung verrechnet wurden“. 59 S. 277 (1) CA 1985. 60 Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016. 61 Ridge Securities Ltd v IRC [1964] 1 All ER 275 (280): „dressed-up gift to a shareholder out of capital“. 62 Barclays Bank v British & Commonwealth Holdings Plc [1996] 1 BCLC 385, 390. 63 [1989] BCLC 626. 64 Doran, 12 Company Lawyer 1991, 169 (171–173).

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Marktwertes verschoben werden, könnten möglicherweise als verbotene Einlagenrückgewähr qualifiziert werden.65 Dies ist unzweifelhaft der Fall, wenn die übertragene Gesellschaft wie in Aveling Barford überhaupt keine ausschüttungsfähigen Gewinne hat.66 Umstritten war jedoch die Konstellation, dass die Gesellschaft zwar ausschüttungsfähige Gewinne erzielt hat, diese aber nicht ausreichten, um die Differenz zwischen Buchwert und Marktwert auszugleichen.67 Die Company Law Review Steering Group widmete sich dem Problem und schlug vor, eine klärende gesetzliche Regelung zu erlassen, welche ausdrücklich festlegt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr sich ausschließlich auf die veröffentlichten Rechnungsabschlüsse bezieht, welche wiederum nur den Buchwert von Vermögensgütern berücksichtigen.68 Die britische Regierung schloss sich dem Vorhaben in ihrem Gesetzesentwurf an.69 Somit steht zumindest für die Zukunft fest, dass gruppeninterne Vermögensverschiebungen, die zum Buchwert vorgenommen werden, nicht mehr das Ausschüttungsverbot verletzen. Neben der Rückzahlungsverpflichtung aus s. 277 CA 1985 kommt eine Inanspruchnahme des Gesellschafters wegen verbotener Einlagenrückgewähr nach den Grundsätzen des constructive trust70 in Betracht.71 So verletzten beispielsweise in Aveling Barford die Geschäftsführer ihre Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, in deren bestem Interesse zu handeln72, indem sie wichtige Vermögensgüter der Gesellschaft wesentlich unter Marktwert ver65

Gower/Davies, 7. Aufl., S. 280. Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 427 f. 67 Vergleiche Gower/Davies, 7. Aufl., S. 280 einerseits und R. S. Nock/S. Nock, Receivers, Administrators and Liquidators Law Quarterly 1995, 203 (242 f.) andererseits. 68 Company Law Review Steering Group, Completing the Structure, Rn. 7.21; dies., Final Report, Rn. 10.6. 69 British Government, Modernising Company Law, 2002, Rn. 6.5. 70 Bei dem constructive trust handelt es sich um einen Rückabwicklungsmechanismus, der zumeist in den Fällen von ungerechtfertigter Bereicherung einschlägig ist. Im Gegensatz zu den express und resulting trust, welche auf der ausdrücklichen bzw. vermuteten Intention der Parteien beruhen, wird ein constructive trust von Gesetzeswegen in solchen Fällen bestimmt, in denen der Erwerber kein dingliches Recht an dem Eigentum erwerben soll, vgl. Lewin, Rn. 7–02. Ein trust wird klassisch definiert als „an equitable obligation binding a person (who is called a trustee) to deal with property over which he has control (which is called trust property), for the benefit of persons (who are called beneficiaries or cestuis que trust), of whom he may himself be one and any one of whom may enforce the obligation“, Underhill/Hayton, Law of Trusts and Trustees, S. 3; Re Marshall’s Will Trusts [1945] Ch. 217; Green v Russell [1959] 2 QB226. 71 S. 277 (2) CA 1985. 72 Fiduciary duty to act in the company’s best interest, siehe dazu auch den berühmten Flitcroft’s case, Re Exchange Banking Co (1882) 21 Ch. D 519, CA. 66

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kauften. Weil die empfangende Gesellschaft und ihr herrschender Gesellschafter von dieser Pflichtverletzung wussten, wurden sie ihrerseits zu fiktiven Treuhändern (constructive trustees) des Gesellschaftsvermögens.73

D. Durchgriffshaftung im Konzern ( piercing the corporate veil) Im englischen Recht gibt es grundsätzlich zwei Institute, nach denen eine Muttergesellschaft für die Schulden ihrer insolventen Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden kann. Zunächst ist die im englischen case law entwickelte Doktrin des piercing the corporate veil (Durchgriffshaftung) zu nennen.74 Daneben gibt es die insolvenzgesetzlichen Haftungstatbestände des fraudulent und wrongful trading (ss. 213, 214 IA 1986).75 I. Das Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit (separate legal entity doctrine) Ausgangspunkt der englischen Durchgriffshaftung ist die Grundlagenentscheidung des House of Lords in Salomon v Salomon & Co Ltd.76 In diesem Fall gründete Mr. Salomon eine Gesellschaft und brachte als Sacheinlage sein Schuhgeschäft ein. Mr. Salomon war Mehrheitsgesellschafter und zugleich einziger Geschäftsführer. Die weitern Gesellschafter waren allesamt Familienmitglieder und fungierten lediglich als Strohmänner. Statt die Gesellschaft mit Eigenkapital auszustatten, gewährte Mr. Salomon ihr ein Darlehen in Höhe von £ 10,000, welches er sich durch Schuldverschreibung 73 Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447 (457 f.); Allied Carpets Plc v Nethercott [2001] BCC 81. 74 Dabei wird in England das Prinzip des piercing the corporate veil nicht nur als Fall der „Durchgriffshaftung“ verstanden, vielmehr wird hierunter allgemein die Frage behandelt, wann die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft ignoriert werden kann, d.h. in Zurechnungs- und Auslegungsfällen; gute Darstellung zu letzterem bei Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 87–91. Im Gegensatz zur deutschen Rechtsordnung wird in England kein dogmatischer Unterschied zwischen eigenständiger juristischer Persönlichkeit und Haftungsbeschränkung gemacht. Nach Raiser, Festschrift Lutter, S. 637 ff., hingegen ist das Haftungsprivileg kein notwendiges Merkmal der juristischen Person, obgleich die eigenständige Rechtspersönlichkeit eine institutionelle Haftungsbeschränkung nahe legt. Näher dazu Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 189. 75 Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (108); Gower/Davies, 7. Aufl., S. 195 beschreibt diese insolvenzgesetzlichen Haftungstatbestände als „probably the most extreme departure from the rule in Salomon’s case yet achieved in the United Kingdom.“ 76 [1897] 1 AC 22.

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(debenture) sichern ließ. Als über die Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, machte Mr. Salomon seinen Anspruch aus der gesicherten Schuldverschreibung geltend, nach dessen Befriedigung nichts mehr in der Insolvenzmasse vorhanden gewesen wäre. Das House of Lords hielt die Schuldverschreibung für rechtlich wirksam und durchsetzbar. Die wirksame Gründung der Gesellschaft führe zur Entstehung einer von Mr. Salomon zu trennenden, eigenständigen juristischen Person (separate legal entity). Mr. Salomon habe dann ein wirksames Rechtsgeschäft mit dieser juristischen Person abgeschlossen, welche im Übrigen auch nicht als Stellvertreterin ihres Mehrheitsgesellschafters angesehen werden könne.77 In der Folgezeit wurde um die Reichweite dieser separate legal entity doctrine gerungen. Heute kann festgestellt werden, dass sich eine außerordentlich restriktive Rechtsprechung durchgesetzt hat. Englische Gerichte üben weite Zurückhaltung, wenn es darum geht, die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person zu ignorieren. II. Liberaler Ansatz im Konzern In einigen früheren Entscheidungen lässt sich aber eine „durchgriffsfreundlichere“ Tendenz ausmachen. In der Entscheidung D. H. N. Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets78 stellte Lord Denning fest, dass es eine generelle Tendenz im englischen und europäischen Recht gebe, die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften zu missachten und stattdessen die Unternehmensgruppe als „wirtschaftliche Einheit“ („single economic unit“) wahrzunehmen.79 In dem Fall forderten drei Gesellschaften (D. H. N., B. und T.) Schadensersatz unter dem Land Compensation Act 1961. Das Lands Tribunal verweigerte D. H. N. den Anspruch, weil das verunreinigte Grundstück nicht D. H. N., sondern seiner 100%igen Tochter (B.) gehörte. Der Court of Appeal hingegen hob die Entscheidung auf und urteilte, dass der Gesetzeszweck verlange, D. H. N. und seine Tochtergesellschaft als rechtliche Einheit zu behandeln.80 77 Allerdings schenkte das Gericht der Tatsache der nominellen Unterkapitalisierung keine Aufmerksamkeit. Deswegen wurde auch nicht ein etwaiger Rangrücktritt der Gesellschafterforderung oder gar eine Umqualifizierung des Fremd- in Eigenkapital diskutiert. Dieses mangelnde Problembewusstsein kann wohl als „schwacher Punkt“ der Entscheidung angesehen werden; siehe die Kritik bei Kahn-Freund, 7 MLR 1944, 54: „calamitous“. 78 [1976] 1 WLR 852. 79 Id., 860 per Lord Denning: „there is evidence of a general tendency to ignore the separate legal entities of various companies within a group, and to look instead at the economic entity of the whole group“. 80 Id., 860 per Lord Denning: „are bound hand and foot to the parent company and must do just what the parent company says“.

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Einschränkend sei aber darauf hingewiesen, dass es hier um die Auslegung eines Gesetzes ging, obgleich die Passagen im Urteil etwas generalisierend ausgedrückt sind.81 Auch sollte die Muttergesellschaft nicht für die Schulden der Tochter haftbar gemacht werden, sondern die Anerkennung der wirtschaftlichen Einheit der Unternehmensgruppe zu deren Vorteil gereichen („gesellschafterfreundlicher Durchgriff“). Dennoch mag die Rede des Generalanwalts Warner in dem wettbewerbsrechtlichen Fall Commercial Solvents82 die oben zitierte Tendenz nach Anerkennung der wirtschaftlichen Einheitlichkeit der Unternehmensgruppe im Recht unterstützen. Ähnlich erklärte der Court of Appeal in Re A Company: „the cases show that the court will use its powers to pierce the corporate veil if it is necessary to achieve justice irrespective of the legal efficacy of the corporate group structure“.83 Dies widerspricht deutlich der späteren Entscheidung des Court of Appeal in Adams v Cape Industries Plc, in der das Gericht es explizit es ablehnte, einen Haftungsdurchgriff in der Unternehmensgruppe zuzulassen, „nur weil dies Gerechtigkeitsvorstellungen entspricht“.84 III. Herrschende restriktive Auffassung Die Richtigkeit der Entscheidung D. H. N. Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets85 als leading case für die Behandlung der Unternehmensgruppe als „wirtschaftliche Einheit“ („single economic unit“) wurde schnell in Frage gestellt. Das House of Lords wandte sich ausdrücklich gegen den Ansatz in Woolfson v Strathclyde Regional Council 86; den Todesstoß versetzte der Court of Appeal in der Entscheidung Adams v Cape Industries Plc87. Etwas vereinfacht war der Sachverhalt wie folgt. Im Wege von Versäumnisurteilen hatten US-amerikanische Gerichte Asbestopfern Schadensersatzansprüche gegen die englische Gesellschaft Cape zugesprochen, einer Konzerngesellschaft der Cape of Group of Companies. 81

So begründet Goff LJ das gefundene Ergebnis ungleich vorsichtiger, id., 468. EuGH, Slg. 1974, 223 (264 ff.). 83 Re A Company [1985] BCLC 333 (337–338). 84 Adams v Cape Industries Plc [1990] BCLC 479 (513): „merely because (. . .) justice so requires.“ Wesentlich weitergehend demgegenüber Creasy v Beachwood Motors Ltd [1992] BCC 638 (646–647): „[t]he power to lift the corporate veil (. . .) can be exercised to achieve justice where it is necessary for that purpose“; ausdrücklich overruled in Ord v Belhaven Pubs Ltd [1998] WLR 294, 309. 85 [1976] 3 All ER 462. 86 (1978) SLT 159 (161), per Lord Keith of Kinkel: „I have some doubts whether the Court of Appeal [in D. H. N. Food Distributors] properly applied the [Salomon-] principle and that it is appropriate to pierce the corporate veil only where special circumstances exist indicating that it is a mere façade concealing the true facts.“ 87 [1990] BCLC 479. 82

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Diese Urteile sollten im Vereinigten Königreich durchgesetzt werden. Englische Gerichte würden die ausländische Gerichtsurteile anerkennen, wenn u. a. nachgewiesen werden könne, dass Cape in den USA im Zeitpunkt der schadensauslösenden Ereignisse „anwesend“ war. Nun wurde argumentiert, dass Cape durch die Gesellschaften „anwesend“ gewesen sei, welche in den USA Asbest für die Gruppe vertrieben und verkauft hatten. Der Verkauf und Vertrieb wurde zunächst durch eine 100%ige US-amerikanische Tochter von Cape durchgeführt. Später übernahm dies eine andere US-amerikanische Gesellschaft, zu der Cape enge Geschäftsverbindungen unterhielt. Beide Gesellschaften waren deutlich unterkapitalisiert. Dennoch lehnte der Court of Appeal alle drei Argumentsstränge ab, mit denen versucht worden war, Cape für die Schadensersatzverpflichtungen der US-amerikanischen Gesellschaften haftbar zu machen. 1. Das Argument der „wirtschaftlichen Einheit“ Die Kläger führten u. a. den D. H. N.88 Fall als Beleg dafür an, dass unter Umständen der Konzern als wirtschaftliche Einheit behandelt werden und entsprechend die Haftungsverpflichtung einer Tochter der Muttergesellschaft zugerechnet werden könne. Der Court of Appeal reduzierte aber alle vorgebrachten Entscheidungen als auf die Auslegung von Gesetzen oder Verträgen bezogen, aus denen sich kein allgemeingültiges Haftungskonzept ableiten lasse. In Haftungsfragen komme es daher ausschließlich auf die rechtliche Vielheit der Unternehmensgruppe und nicht auf deren wirtschaftliche Einheit an.89 2. Façade or mere sham Allerdings bestätigte das Gericht, dass ein Haftungsdurchgriff dann in Betracht komme, wenn die Gesellschaft sich als eine bloße Fassade entpuppt („mere façade or sham concealing the true facts“).90 Bedauernswerter Weise lieferte es keine abschließende Definition, wann denn nun eine Gesellschaft als bloße Fassade anzusehen ist. Die Motive hinter dem gesell88 D. H. N. Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets [1976] 3 All ER 462; vgl. auch die Fälle The Roberta (1937) 58 Ll LR 159; Harold Holdsworth & Co (Wakefield) Ltd v Caddies [1955] 1 All ER 725. 89 Adams v Cape Industries Plc [1990] BCLC 479 (512). Das Gericht zitiert in diesem Zusammenhang die Stellungnahme von Goff LJ in Bank of Tokyo v Karoon [1986] 3 All ER 468 (485): „[Counsel] suggested beguilingly that it would be technical for us to distinguish between parent and subsidiary company in this context; economically, he said they were one. But we are concerned not with economics but with law. The distinction between the two is, in law, fundamental and cannot be bridged“. 90 Id., 515.

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schaftsrechtlichen Arrangement scheinen aber eine wesentliche Rolle hierfür zu spielen.91 Somit besteht eine gewisse Parallelität zur subjektiven Missbrauchslehre des deutschen Rechts.92 Jedenfalls wenn eine Gesellschaft allein zu dem Zweck gegründet wird, eine bereits bestehende persönliche Schuld des Gesellschafters zu umgehen, liegt nach gefestigter Rechtsprechung eine bloße gesellschaftsrechtliche Fassade vor, welche einen Haftungsdurchgriff rechtfertigt.93 In dem konkreten Fall entschied der Court of Appeal, dass die liechtensteinische Tochtergesellschaft von Cape nicht mehr als ein gesellschaftlicher Name94 und daher als Fassade anzusehen sei. Die US-amerikanischen Tochtergesellschaften hingegen hätten sich trotz stärkster Kontrolle durch Cape eine gewisse rechtliche Eigenständigkeit bewahrt und seien folglich mehr als eine bloße Fassade. Auch Gerechtigkeitserwägungen konnten das Gericht nicht umstimmen. Im Gegenteil: Es hob hervor, dass es legitim sei, die Struktur der Unternehmensgruppe zur Haftungsminimierung zu nutzen, indem sichergestellt wird, dass bestimmte Haftungsfolgen nur einer bestimmten Tochtergesellschaft zufallen.95 Dies sei kein Missbrauch der beschränkten Haftung, sondern gerade deren Gebrauch. Der Tatsache der krassen Unterkapitalisierung schenkte das Gericht keine Beachtung. 3. Agency Argument Auch das Agency-Argument der Kläger vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Es entschied, dass eine Tochtergesellschaft nur unter der engen Voraussetzung als Stellvertreterin (agent) ihrer Muttergesellschaft angesehen werden könne, wenn der Nachweis eines internen Stellvertretungsvertrages (agency agreement) zwischen Mutter und Tochter gelänge.96 Eine Vermutungsregel für Konzerngesellschaften lehnte das Gericht ab. 91

Id., 519 mit Verweis auf Jones v Lipman [1962] 1 All ER 442. Vgl. hierzu v. a. Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, S. 23 ff. In Deutschland gewinnt jedoch in zunehmenden Maße die objektive Missbrauchslehre und die Normzwecklehren die Oberhand, siehe zum Meinungsstand Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 76 ff. 93 Gilford Motor Co Ltd v Horn [1933] 1 Ch. 935; Jones v Lipman [1962] 1 All ER 442; Adams v Cape Industries Plc [1990] BCLC 479, 519; Creasy v Breachwood Motors Ltd [1993] BCLC 480; Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia (No. 2) [1998] WLR 294, 309; Ord v Belhaven Pubs Ltd [1998] WLR 294, 309. 94 Id., 519: „[n]o more than a corporate name“. 95 Id., 520: „[t]o ensure that the legal liability (if any) of particular future activities of the group (. . .) will fall on another member of the group rather than on the defendant company (. . .) is inherent in our corporate law“. 96 Id., 520–524. 92

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IV. Bestätigung der restriktiven Rechtsprechung Die Entscheidung in Re Polly Peck International plc97 ist ein gutes Beispiel für die strikte Befolgung der Vorgaben in Adams. Auch hier lehnte es das Gericht ab, die Tochtergesellschaft als Stellvertreterin der Mutter anzusehen. Ferner betonte es die rechtliche Selbständigkeit der Gruppengesellschaften, unabhängig von einer wirtschaftlichen Integration.98 In der darauf folgenden Entscheidung Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia (No. 2) 99 legte das Gericht die bisherige Rechtsprechung zum piercing the corporate veil besonders eng aus. Demzufolge sei eine Missachtung der rechtlichen Selbständigkeit von Gesellschaften nur zulässig, wenn die Auslegung eines Gesetzes, Vertrages oder einer rechtlichen Doktrin es erlaube, Gesellschaft und Gesellschafter zusammenzufassen.100 V. Gründe für die englische Zurückhaltung in Haftungsfragen Damit bleibt die Frage, warum die englischen Gerichte so starke Zurückhaltung üben, wenn es um eine Durchgriffshaftung im Konzern geht. Im Gegensatz dazu entscheiden US-amerikanische Gerichte wesentlich „durchgriffsfreundlicher“.101 In der englischen Literatur werden für diesen Befund vor allem folgende Gründe angeführt.102 Als erstes ist die formale Bindungswirkung der Salomon-Entscheidung für alle nachfolgenden Gerichte hervorzuheben. Das House of Lords ist sich damals der Wichtigkeit und Wirkung seiner Salomon-Entscheidung als „Leitentscheidung“ für das Gesellschaftsrecht durchaus bewusst gewesen.103 Zusätzlich ist die sog. stare decisis-Doktrin104, nach welcher die Gerichte 97

Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All ER 433. Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All ER 433, 448: „substance means legal substance, not economic substance“. Ähnlich Acatots & Hutcheson plc v Watson [1995] 1 BCLC 218. 99 [1998] 1 WLR 294. 100 [1998] 1 WLR 294, 306. 101 Rechtsvergleichend siehe Muscat, Holding Company Liability, S. 112–118; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 100 und S. 127. 102 Zusammenfassende Darstellung bei Prentice, 13 Connecticut Journal of International Law 1999, 305 (321–323); ders., 10 Florida Journal of International Law 1995, 469 (484 f.). 103 In der Vorinstanz zu Salomon [1895] 2 Ch. 321, 336 sagte Lord Justice Lindely: „[t]his appeal raises a question of very great importance, not only to the persons affected by the decision, but also to a large number of persons who are called one man companies“. 104 Stare decisis et non quieta movere, vgl. London Tramways v London City Council [1898] AC 375, H. L. 98

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an ihre früheren Entscheidungen und an diejenigen höherinstanzlicher Gerichte gebunden sind, wenn sie einen ähnlichen Fall zu entscheiden haben, im englischen Rechtsraum besonders stark ausgeprägt.105 Somit war es für unterinstanzliche Gerichte äußerst schwierig, von dem einmal vorgegebenen Kurs abzuweichen. Darüber hinaus war es selbst dem House of Lords bis vor kurzem verwehrt, seine eigenen Entscheidungen aufzuheben.106 Auch in der Folgezeit wurde von dieser Kompetenz nur selten Gebrauch gemacht. Zweitens wird auch der Grundsatz der Gewaltenteilung von den Gerichten streng beachtet. Englische Gerichte üben starke Zurückhaltung, wenn der Gesetzgeber sich bereits einer Problemlage gewidmet hat.107 Das englische Parliament hat das Gläubigerschutzproblem im Konzern in mehreren Legislaturperioden diskutiert und teilweise geregelt108, teilweise aber auch eine Regelung wegen gesetzestechnischer Schwierigkeiten abgelehnt.109 Eine etwaige Lückenfüllung seitens der Gerichte könnte dann mit der gesetzgeberischen Intention, Konzernen einen möglichst großen Gestaltungsspielraum zuzugestehen, kollidieren. Drittens scheinen die englischen Gerichte davon überzeugt, dass überhaupt keine schwerwiegenden Lücken im englischen Gläubigerschutzrecht vorliegen. Denn zum einen wird auf sog. Versicherungslösungen verwiesen. Zum anderen wird immer wieder hervorgehoben, dass sich Gläubiger selbstverantwortlich schützen könnten und sollten.110 105

Prentice, 13 Connecticut Journal of International Law 1999, 305 (322). Festgesetzt durch das House of Lords in London Tramways v London City Council [1898] AC 375; diese strenge Handhabung der stare decisis-Doktrin wurde in einer öffentlichen Erklärung des Lord Chancellors im Jahre 1966 aufgehoben, [1966] 3 All ER 77. 107 Prentice, 10 Florida Journal of International Law 1995, 469 (484), der als Beispiel für diesen Befund die Entscheidung Westdeutsche Landesbank Girozentrale v Islington London Borough Council [1996] 2 All ER 961 anführt. 108 Siehe hierzu insbesondere die Regelungen zur konsolidierten Konzernbilanz (s. 227 CA 1985 i. V. m. Schedule 4A CA 1985) und wrongful trading (s. 214 UA 1986). 109 So wurden die Vorschläge des Cork Report (Rn. 1985-65) zur Konzernhaftung in der Insolvenz wegen der unbestimmten Weite der Ausnahmetatbestände abgelehnt, vgl. Finch, Corporate Insolvency Law, S. 410 f. Auch der Vorschlag der CLR zu einem elective group regime, Completing the Structure, 2000, Kap. 10, stieß auf Ablehnung, vgl. CLR, Final Report, 2001, S. 179 f. 110 Vgl. Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia (No. 2) [1998] 1 WLR 294 (310 f.) per Toulson J.; Ord v Belhaven Pubs Ltd [1998] BCLC 607 (614) per Houbhouse LJ: „All the transactions that took place were overt transactions. They were conducted with the liberties that are conferred upon corporate entities by the Companies Act and they do not conceal anything from anybody“. 106

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Viertens halten englische Gerichte es für legitim, ja sogar nationalökonomisch wünschenswert, die Konzernstruktur zur Haftungsminimierung zu verwenden.111 Dieses Argument ist eng mit der Vermögenstrennungstheorie von Hansman und Kraakman verknüpft.112 Demzufolge schützt die Haftungsbeschränkung im Konzern einerseits die Gläubiger der Mutter vor einem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen durch die Gläubiger der Tochter. Andererseits werden aber auch die Gläubiger der Tochter vor einem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen durch die Gläubiger der Mutter geschützt. Auf diese Risikozuordnung dürfen die Gläubiger vertrauen. Jede Einmischung der Gerichte hätte daher einen Eingriff in die gesellschaftsrechtliche Risikoverteilung zur Folge und würde berechtigtes Vertrauen enttäuschen. Diese Argumentation wurde bereits von Toulson J in Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia (No. 2) 113 bemüht. Als alles überspannendes Prinzip lässt sich schließlich die nationalökonomische Grundüberzeugung erkennen, dass größtmögliche Freiheit in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten zu einer Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohles führt. Dieses ordnungspolitische Prinzip wollen die englischen Gerichte nicht durch den Schutz Einzelner unterwandern. VI. Alternativen zur Durchgriffshaftung ( piercing the corporate veil) Da sich die Doktrin des piercing the corporate veil als „non-starter“114 für eine Konzernhaftung entpuppt hat, werden in der englischen Literatur alternative Konzepte vorgeschlagen, unter denen eine Muttergesellschaft für Schulden ihrer Tochter haftbar gemacht werden kann.115 1. Garantieerklärungen Zweifellos können sich verhandlungsstarke Gläubiger ausbedingen, dass die Muttergesellschaft für die Schulden ihrer Tochter einstehen muss. Für die Annahme einer Garantieerklärung stellen die englischen Gerichte jedoch hohe Hürden auf. In der Wirtschaft gängige comfort letters, in denen die Mutter oder andere Konzerngesellschaften versichern, jederzeit hinter der Tochtergesellschaft zu stehen, werden mangels Rechtsbindungswillens nicht als rechtsgeschäftliche Garantieerklärungen behandelt.116 Allerdings kann 111

Adams v Cape Industries plc [1990] BCLC 479 (520); vgl. außerdem die Entscheidung In re Baglan Hall Colliery Ltd [1870] 5 LR-Ch. 346. 112 Hansman/Kraakman, 110 Yale L. J. 2000, 387 (393 ff.). 113 [1998] 1 WLR 294 (309). 114 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 34 f. 115 Überblick bei Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 34 ff.

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das Mutterunternehmen eine Mithaftung aus Rechtsschein treffen, wenn Dritte über die Identität ihres Vertragspartners irregeleitet werden, also Mutter und Tochter nach außen wie eine Person auftreten und dem Gläubiger trotz gehöriger Anstrengung die Haftungstrennung verborgen bleibt.117 Eine solche allgemeine misrepresentation-Haftung kommt aber wegen ihrer engen Voraussetzungen nur im Ausnahmefall in Betracht.118 Selbst wenn im Einzelfall die Auslegung ergeben sollte, dass es sich tatsächlich um eine rechtsgeschäftliche Garantieerklärung handelt, kann aber die Abgabe derselben eine Pflichtverletzung des Geschäftsleiters bedeuten.119 Denn eine Konsequenz der separate legal entity-Doktrin ist, dass der Geschäftsleiter ausschließlich im besten Interesse seiner Gesellschaft und nicht im Interesse einer anderen Gruppengesellschaft oder im Konzerninteresse handeln darf.120 Deswegen muss die Abgabe einer Garantieerklärung zugunsten einer anderen Gruppengesellschaft gleichzeitig einen Vorteil für die erklärende Gesellschaft bewirken.121 Freilich kann aus Sicht der Muttergesellschaft stets argumentiert werden, dass eine Garantieerklärung zugunsten ihrer Tochtergesellschaft sich Wert steigernd oder zumindest Wert erhaltend auf das Anteilsvermögen der Mutter auswirkt. Ist die Gesellschaft aber unabwendbar insolvent, so greift diese Rechtfertigung nicht mehr. Theoretisch sind die Geschäftsführer der Muttergesellschaft sogar verpflichtet, der Tochtergesellschaft jegliche Unterstützung zu versagen, wenn diese nur noch eine Belastung darstellt. Bei Zahlungsunfähigkeit der garantierenden Gesellschaft kann eine vertragliche Garantie schließlich auch nach den Insolvenzanfechtungstatbeständen der ss. 238–241 IA 1986 (transactions at an undervalue, preferences) anfechtbar sein.122 2. Tort Wegen der strengen Anwendung der Salomon-Doktrin schöpfen englische Gerichte das Potential, eine Muttergesellschaft über deliktsrechtliche Prinzi116 Kleinwort Benson Ltd v Malaysia Mining Corporation Bhd [1989] 1 WLR 379; Re Atlantic Computers plc [1995] BCC 696; Brown, JBL 1990, 281 ff.; in der deutschen Rechtsordnung spricht man in diesem Zusammenhang von „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen, vgl. dazu § 6 F. I. und § 7 E. II. 117 Muscat, Holding Company Liability, S. 423 f. 118 Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (471 f.). 119 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 36. 120 Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (102); Ferran, Company Law and Corporate Finance, 35 f.; Druey, Gutachten für den 59. DJT 1992, H 41, 51. 121 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 36. 122 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 36.

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pien haftbar zu machen, bislang kaum aus. Dagegen spielt das Deliktsrecht in Kanada eine wichtige Rolle, wenn es um die Begründung einer Konzernhaftung geht. Dort wurde eine Muttergesellschaft wegen Täuschung (deceit)123, Verschwörung, ein Delikt zu begehen (conspiracy)124 und Anstiftung zum Vertragsbruch125 der Tochtergesellschaft haftbar gemacht. Allerdings verlangen alle diese deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen im kanadischen wie auch im englischen Recht vorsätzliches Handeln. Eine Fahrlässigkeitshaftung (tort of negligence) setzt voraus, dass die Mutter dem Gläubiger eine Sorgfaltspflicht schuldet und diese zumindest fahrlässig verletzt. Nach den allgemeinen Regeln des englischen Deliktsrechts entsteht eine Sorgfaltspflicht (duty of care) aber nur zwischen den Vertragspartnern.126 Die Muttergesellschaft als Gesellschafterin der Tochter wird jedoch nicht Vertragspartner und eine Erweiterung der duty of care hat sich bislang in der englischen Rechtsprechung noch nicht durchgesetzt.127 3. Vicarious liability In jüngerer Zeit wird diskutiert, ob eine Muttergesellschaft für die Handlungen der directors ihrer Tochtergesellschaft über die Grundsätze der Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen (vicarious liability) haftbar gemacht werden kann.128 Ähnlich wie im deutschen Recht setzt eine solche Haftung ein festes Bestellungsverhältnis voraus, welches traditionell als ein solches zwischen Verrichtungsherrn (master) und Gehilfe (servant) bezeichnet wird.129 Der Verrichtungsherr ist haftbar für die deliktischen Handlungen seines Gehilfen, welche in Ausführung der zu verrichtenden Tätigkeiten entstanden sind. Entsprechend ist eine Gesellschaft für die deliktischen Handlungen ihrer Geschäftsleiter verantwortlich, soweit diese dabei im Rahmen ihrer geschäftlichen Befugnisse gehandelt haben.130 Nun könnte argumentiert werden, dass dort, wo die Muttergesellschaft Personen zu Geschäftsleitern ihrer Tochtergesellschaft bestellt, die gleichzei123 BG Preeco I (Pacific Coast) Ltd v Bon Street Holdings Ltd (1989) 60 DLR (4th) 30. 124 Lehndorff Canadian Properties Ltd v Davies & Co (1987) 10 BCLR (2d) 342. 125 McFadden v 481782 Ontario Ltd (1984) 47 OR (2d) 134; BG Preeco I (Pacific Coast) Ltd v Bon Street Holdings Ltd (1989) 60 DLR (4th) 30. 126 Company Law Review Steering Group, Completing the Structure, 2000, Rn. 10.59. 127 Befürwortend Muchlinski, 23 Company Lawyer 2002, 168 (178). 128 Überblick bei Grantham, 18 Company Lawyer 1997, 138 ff. 129 Atiyah, Vicarious Liability, S. 3. 130 New Zealand Guardian Trust Co Ltd v Brooks (1995) 2 BCLC 242, 245 f.

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tig in einem Anstellungsverhältnis zur Muttergesellschaft stehen, die Muttergesellschaft nach den allgemeinen Prinzipien der Haftung für Verrichtungsgehilfen für die Handlungen ihrer Angestellten-Direktoren verantwortlich ist.131 Über diese Konstruktion könnte in nicht unerheblichem Ausmaß eine Konzernhaftung begründet werden, weil es gängiger Praxis entspricht, Angestellte der Muttergesellschaft zu Direktoren der Tochtergesellschaft zu bestellen, um sich durch persönliche Verflechtungen die Kontrolle über die Tochter zu sichern.132 Der erste Versuch, eine solche Haftung zu begründen, scheiterte jedoch vor dem Privy Council in dem Fall Kuweit Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd.133 Demgegenüber entschied der High Court of New Zealand in Dairy Containers Ltd v NZI Bank Ltd 134, dass eine deliktsrechtliche Haftung der Muttergesellschaft durchaus in Betracht komme. Er attackierte dabei die Entscheidung des Privy Council heftig und rief dazu auf, diese nicht mehr länger als good law zu betrachten.135 Ein Argument gegen die Position des Privy Council in Kuweit könnte tatsächlich sein, dass nach allgemeinen deliktsrechtlichen Prinzipien der Verrichtungsherr von seiner Verantwortung nicht durch die Tatsache befreit wird, dass sein Gehilfe zu dem Zeitpunkt der deliktischen Handlung für einen anderen Arbeitgeber gearbeitet hat.136 Auf der anderen Seite, haben englische Gerichte und Gerichte des Commonwealth es stets abgelehnt, zwei Verrichtungsherren gesamtschuldnerisch haften zu lassen.137 Die entscheidende Frage lautet daher, welcher der beiden Verrichtungsherren verantwortlich ist. Das House of Lords entschied in Mersey Docks and Harbour Board v Coggins and Griffith (Liverpool) Ltd 138, dass derjenige Verrichtungsherr verantwortlich ist, der letztendlich die Kontrolle über den Gehilfen innehat. Der Begriff der Kontrolle und der Beherrschung ist im Zusammenhang von Konzernen aber mehrdeutig. Rechtlich betrachtet hat die Tochtergesellschaft „Kontrolle“ über ihre Direktoren, denn ausschließlich dieser schulden sie ihre organschaftlichen Pflichten. Faktisch betrachtet liegt die „Kontrolle“ freilich bei der Muttergesellschaft, welche die 131

Grantham, 18 Company Lawyer 1997, 138 ff. Grantham, 18 Company Lawyer 1997, 138. 133 [1991] AC 187, Privy Council. 134 [1995] 2 NZLR 30. 135 Id., 92 per Thomas J. 136 Mersey Docks and Harbour Board v Coggins and Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1, H. L. („borrowed servant“). Grantham, 18 Company Lawyer 1997, 138 (139) befürwortet eine Analogie der „borrowed servant“-Fälle zu der Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. 137 Atiyah, Vicarious Liability, S. 156 f. 138 [1947] AC 1. 132

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Entscheidung über Bestellung and Abberufung der Direktoren trifft. Sobald also die Angestellten-Direktoren aufhören, die Interessen ihres Arbeitgebers zu fördern, laufen sie Gefahr, ihre Position als Direktor zu verlieren. Der High Court of New Zealand war der Auffassung, dass die wirtschaftlichen Realitäten entscheidend seien. Der Privy Council hielt hingegen das Faktum der rechtlichen Kontrolle für ausschlaggebend und entschied, dass, wenn ein Geschäftsleiter sorgfaltswidrig handele, er dies ausschließlich in seiner Funktion als Vertretungsorgan der Gesellschaft und nicht als Angestellter der Muttergesellschaft tue. Obwohl der Privy Council anerkannte, dass der Angestellten-Direktor auch seinem Arbeitgeber Pflichten schulde, kam er zu dem Schluss, dass die gesellschaftsrechtlichen Pflichten überwögen. Im Spannungsfeld von Gesellschafts- und Deliktsrecht entspricht diese Haltung der konsequenten Durchsetzung der Salomon-Doktrin, weil andernfalls über das Deliktsrecht die zentralen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien der juristischen Selbständigkeit und der beschränkten Haftung ausgehebelt werden könnten.

E. Geschäftsführerpflichten (directors’ duties) I. Geschäftsführerpflichten im Konzern Nach englischem Recht schulden die Geschäftsleiter ihrer Gesellschaft Treuepflichten ( fiduciary duties)139 und Sorgfaltspflichten (duty of care140, skill 141 and diligence142).143 Auch wenn die Gesellschaft als eigenständige juristische Person nicht mit den Gesellschaftern gleichgesetzt werden darf, so werden doch die Interessen der Gesellschaft traditionell aus den Interessen der Gesellschafter heraus bestimmt.144 Denn die Gesellschafter sind letztlich diejenigen, welche die Früchte der Unternehmenstätigkeit ernten, nachdem alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt worden sind. Sie werden daher auch als residual claimants bezeichnet. 139

Re Smith and Fawcett [1942] Ch. 304 (306). Lagunas Nitrate Co v Lagunas Syndicate [1899] 2 Ch. 392 (418); Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch. 425; Re City Equitable Fire Insurance Co [1925] Ch. 407. 141 Norman v Theodore Goddard [1991] BCLC 1028. 142 Lagunas Nitrate Co v Lagunas Syndicate [1899] 2 Ch. 392 (418); Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch. 425; Re City Equitable Fire Insurance Co [1925] Ch. 407. 143 The Company Law Review Steering Group, Final Report, 2001, Rn. 3.7 schlug eine Kodifizierung dieser common law principles vor. Das DTI nahm den Vorschlag auf und präsentierte bereits einen Gesetzesvorschlag, Companies Bill, Sch. 2, Rn. 4. 144 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 372. 140

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Im Konzern bedeutet das Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit, dass die Geschäftsleiter nur im Interesse der Gesellschaft, zu deren Geschäftsleitung sie bestellt wurden, handeln dürfen und nicht etwa im Interesse des gesamten Konzerns oder anderer Konzerngesellschaften.145 Allerdings könnte argumentiert werden, dass, wenn die Interessen der Gesellschaft mit denjenigen der Gesamtheit der Gesellschafter übereinstimmen, zumindest die Interessen einer 100%igen Tochtergesellschaft mit dem Konzerninteresse der Muttergesellschaft gleichgesetzt werden kann. Dies lehnte der Court of Appeal aber in Charterbridge Corporation Ltd v Lloyds Bank Ltd 146 ab. Im englischen Recht muss deswegen jede Transaktion, welche auf Anweisung der Muttergesellschaft durchgeführt wird, zugleich einen substantiellen Vorteil für die Tochtergesellschaft bewirken.147 Die bislang einzige Konzession zur wirtschaftlichen Realität der Unternehmensgruppe liegt darin, dass für den Fall, dass ein Direktor keine gesonderte Interessenabwägung vornimmt, aber tatsächlich ein Gruppeninteresse verfolgt, darauf abgestellt wird, ob ein objektiver Dritter annehmen konnte, dass die Geschäfte dem Gesellschaftsinteresse entsprachen (CharterbridgeTest).148 Diese eingeschränkte gerichtliche Prüfungsdichte ist aber in ihrem Anwendungsbereich deutlich beschränkt. Für Geschäftsleiter abhängiger Konzerngesellschaften bestehen daher theoretisch Haftungsrisiken, was wiederum Anreiz für eine besonnene Geschäftsführung der Tochtergesellschaft sein kann. In der Praxis versagt aber dieser auf das Eigeninteresse der Gesellschaft bezogene Schutzmechanismus vollständig.149 Um die wirtschaftlichen Effizienzvorteile der Unternehmensgruppe auszuschöpfen, werden in aller Regel die Interessen der Tochtergesellschaft dem Konzerninteresse untergeordnet. Schadensersatzklagen wegen Verletzung der Interessen der Tochtergesellschaft werden praktisch nicht angestrengt. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass es äußerst schwierig ist, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Pflichtverletzung nachzuweisen. Die englischen Gerichte stehen den Geschäftsleitern dabei ein großes Maß an Beurteilungsspielraum zu, um nicht deren geschäftliche Entscheidungsfreudigkeit zu hemmen.150 Zum anderen ist die Durchsetzung von gesell145 Lindgreen v L & P Estates Ltd [1968] 1 Ch. 572; Charterbridge Corporation Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] 1 Ch 62; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 159. 146 [1970] 1 Ch. 62, 74. 147 Lonrho Ltd v Shell Petroleum Co Ltd [1980] 1 WLR 627, 634 f., H. L. 148 Charterbridge Corporation Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] 1 Ch. 62, 74. 149 Cork Report, Rn. 1926 und 1951; Wooldridge, in: Schmitthoff/Wooldridge, Groups of Companies, S. 108. 150 Devlin v Slough Estates Ltd [1983] BCLC 497, 504; Burland v Earle [1902] AC 83, 93; Re Smith Fawcett [1942] Ch. 304, 306; Regentcrest plc v Cohen

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schaftsrechtlichen Ansprüchen problematisch, da diese grundsätzlich nur der Gesellschaft zustehen.151 Die Möglichkeit derivativer Klagen ist äußerst beschränkt.152 Nur in der Insolvenz ändert sich dies, wenn der Insolvenzverwalter im Namen der Gesellschaft klagebefugt, zugleich aber den Interessen der Gläubiger verpflichtet ist.153 Hier ist aber auf die Schwierigkeiten der Prozesskostenfinanzierung hinzuweisen, auf welche sogleich eingegangen werden soll.154 II. Geschäftsführerpflichten bezüglich Gläubigerinteressen (directors’ duties to take into account creditors’ interests) 1. Wesen der Pflicht Werden traditionell die Interessen der Gesellschaft mit denjenigen der Gesellschaftergesamtheit gleichgesetzt, so bedeutet dies gleichzeitig, dass alle anderen Interessen außer Betracht bleiben müssen. Insbesondere ist es den Geschäftsleitern nicht erlaubt, Interessen der Gläubiger den Interessen der Gesellschafter vorzuziehen.155 Die Identifikation der Interessen der Gesellschaft mit denjenigen der Gesellschafter bricht aber in sich zusammen, wenn die Gesellschaft in eine finanzielle Krise gerät. Denn in der Insolvenz wird die noch vorhandene Vermögensmasse pro rata an die Gläubiger aufgeteilt, und diese sind durch den Mechanismus der insolvent liquidation berechtigt, die Befugnisse der Gesellschafter und Geschäftsführer aufzuhe[2001] 2 BCLC 80, 105. Dies entspricht der US-amerikanischen business judgement rule. 151 Foss v Harbottle (1843) 2 Hare 461, 67 ER 189; Prudential Assurance Co Ltd v Newman Industries Ltd (No. 2) [1982] Ch. 204, 210. Näher zum englischen Durchsetzungsmechanismus unter § 5 G. 152 Prudential Assurance Co Ltd v Newman Industries Ltd (No. 2) [1982] Ch 204, 210; Wallersteiner v Moir (No. 2) [1975] QB 373, 406; Edwards v Haliwell [1950] 2 All ER 1064, 1066 f. Für Minderheitsaktionäre besteht die Möglichkeit der actio pro socio, wenn ein „fraud on the minority“ nachgewiesen werden kann, dazu Estmanco (Kilner House) Ltd v Greater London Council [1982] 1 WLR 2; Burland v Earle [1902] AC 83; Birch v Sullivan [1957] 1 WLR 1247. Ferner werden sie über s. 459 CA (unfair prejudice) geschützt, O’Neill v Phillips [1999] 2 All ER 961; zur Anwendung von s. 459 CA 1985 im Konzern jüngst Gross v Rackind [2004] EWCA Civ 815; Besprechung von Mukwiri, 26 Company Lawyer 2005, 75. 153 S. 165 (3) IA 1986. 154 Siehe § 5 E. II. 4. 155 Dodge v Ford (1919) 170 NW 668; Company Law Review Steering Group, Strategic Framework, 1999, Rn. 5.1.12, 5.1.15, welche als Alternativen den „enlightened shareholder value“ und den „pluralist approach“ diskutiert. Ersterer hat Eingang in den Regierungsentwurf zur Reform des Gesellschaftsrechts gefunden, DTI, Companies Bill, 2002, s. 19, sch. 2, s. 2.

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ben.156 Im Insolvenzverfahren können daher die Interessen der Gesellschaft mit den Interessen der Gläubiger als deren residual claimant gleichgesetzt werden.157 Bevor es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt, besteht aber für Gesellschafter und Geschäftsführer ein starker Anreiz, die Gesellschaft auf jeden Fall fortzuführen und mit hoch riskanten Geschäften wieder profitabel zu machen (sog. high risk/high return ventures).158 Denn während etwaige Gewinne den Gesellschaftern zugute kommen, treffen weitere Verluste nach Aufzehrung des Eigenkapitals ausschließlich die Gläubiger.159 Daher wird versucht, die Gläubiger in der Umbruchsphase von Solvenz zur Insolvenz160 vor solch opportunistischem Verhalten zu schützen. Dies geschieht zum Großteil durch insolvenzrechtliche Mechanismen, wie etwa ss. 213, 214 IA 1986 ( fraudulent und wrongful trading) und ss. 238, 239 (transactions at an undervalue und preferences). Daneben gibt es aber auch noch die common law rule, wonach die Direktoren im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Treuepflicht die Interessen der Gläubiger bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.161 Diese Pflicht wurde erstmals in der Entscheidung des australischen High Court in Kinsela v Russel Kinsela Pty Ltd (in liq) 162 anerkannt. Der englische Court of Appeal nahm den Gedanken in dem Fall West Mercia Safteywear Ltd v Dodd 163 auf und stellte eine besondere Pflicht der Direktoren für gruppeninterne Transaktionen fest: Vermögensverfügungen von einer nicht mehr solventen Tochter auf andere Gruppengesellschaften sind 156

Kinsela v Russel Kinsela Pty Ltd (1986) 4 NSWR 722; West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250, 252 f. 157 West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250; Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870; Re Pantone 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v London Wharf (Limehouse) Ltd [2003] BCC 855; Re MDA Investment Management Ltd [2004] 1 BCLC 217; Grantham, JBL 1991, 1; Keay, JBL 2002, 379; ders., 66 MLR 2003, 665; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 499–510. 158 Cheffins, Company Law, S. 75–78; Prentice, 10 OJLS 1990, 265; Mokal, 59 CLJ 2000, 335. 159 Prentice, 10 OJLS 1990, 265; Gower/Davies, 7. Aufl., S. 198 f.; Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (178). 160 In der insolvenzrechtlichen Literatur haben sich für diese Phase die Begriffe der „twilight zone“ und der „transition period“ etabliert, vgl. Milman, JBL 2004, 493. 161 West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250; Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870; Re Pantone 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v London Wharf (Limehouse) Ltd [2003] BCC 855; Re MDA Investment Management Ltd [2004] 1 BCLC 217. 162 (1986) 4 NSWR 722. 163 [1988] BCLC 250.

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hiernach eine Pflichtverletzung, wenn dadurch Gläubiger benachteiligt werden. Auch wenn aus einigen obiter dicta hervorzugehen scheint, dass die Geschäftsleiter den Gläubigern unmittelbar eine solche Pflicht schulden164, entspricht es herrschender Meinung, dass diese Pflicht über die Gesellschaft mediatisiert wird.165 Dies verhindert insbesondere eine doppelte Inanspruchnahme der Direktoren durch die Gläubiger und den Insolvenzverwalter.166 Ferner würde eine direkte Pflicht das insolvenzrechtliche pari passu Prinzip untergraben, da nicht mehr alle Gläubiger kollektiv und pro rata, sondern nur noch derjenige individuell befriedigt wird, der als erster seinen Anspruch durchsetzen kann. Die Durchsetzung der Haftung erfolgt wie beim wrongful trading durch den Insolvenzverwalter.167 2. Tatbestandsvoraussetzungen Bislang herrscht noch keine Klarheit darüber, welche finanziellen Umstände diese Pflicht auslösen. Unzweifelhaft sind Gläubigerbelange einzustellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig (cash flow insolvent, s. 123 (1) IA 1986) oder überschuldet (balance sheet insolvent, s. 123 (2) IA 1986) ist.168 Die Pflicht kann aber schon vor diesem Zeitpunkt bestehen; so wurde sie bereits in Fällen anerkannt, in denen die Gesellschaft der Insolvenz nahe war169, die Solvenz zweifelhaft170 war oder eine Zahlung oder andere Maßnahme die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gefährden würde.171 Sicherlich birgt dieser Rechtszustand eine gewisse Rechtsunsi164

Winkworth v Edward Baron Development Ltd [1986] 1 WLR 1512, 1516 per Lord Templeman; zustimmend der Full Court of the Western Australian Supreme Court in Jefree v NCSC (1989) 7 ACLC 556; High Court of New Zealand in Hilton International Ltd v Hilton (1988) 4 NZCLC 64, 721, 751; und jüngst Supreme Court of Canada in Peoples Department Store Inc v Wise (2004) SCC 68. 165 Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870, 884; Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees [1991] 1 AC 187; Prentice, 10 OJLS 1990, 265 (275); Keay, 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (3). 166 Prentice, 10 OJLS 1990, 265 (275); Keay, 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (3). 167 S. 212 IA 1986, sog. misfeasance proceedings. 168 Nicholson v Permakraft (N. Z.) Ltd [1985] 1 NZLR 242; Westminster Property Management Ltd (No. 3), auch bekannt unter Official Receiver v Stern (No. 3) [2004] BCC 581. 169 Nicholson v Permakraft (N. Z.) Ltd [1985] 1 NZLR 242, 249 („near or in the vicinity of insolvency“); Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Services [1983] 3 WLR 492. 170 Brady v Brady [1988] BCLC 20, 40 („doubtful solvent“). 171 Nicholson v Permakraft (N. Z.) Ltd [1985] 1 NZLR 242, 249 („if a contemplated payment or other course of action would jeopardise its solvency“).

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cherheit. Jedoch ist eine exakte Bestimmung des Zeitpunkts, in dem die Pflicht entsteht, schlechthin unmöglich, betracht man das Wesen der Pflicht. Die Gläubigerbelange fließen graduell und nicht abrupt in den Entscheidungsprozess der Geschäftsleiter ein, je nach Finanzstatus der Gesellschaft und den möglichen Auswirkungen auf das Befriedigungsinteresse der Gläubiger im Einzelnen.172 Darüber hinaus ist unklar, welche Anforderungen an die Kenntnis der Geschäftsleiter von der Insolvenz der Gesellschaft zu stellen sind. Lord Templeman schlug in Re Horsely & Weight Ltd 173 einen objektiven Test vor, wonach ausreicht, dass die Geschäftsleiter um die finanziellen Tatsachen hätten wissen müssen. Andererseits könnte das bona fide Kriterium der Treuepflicht ( fiduciary duty) dafür sprechen, von den Geschäftsleitern positive Kenntnis von der Insolvenz zu verlangen.174 Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass ein subjektiver Test mit dem objektiven Test der wrongful trading-Vorschrift (s. 214 IA 1986) im Widerspruch steht („knew or ought to have concluded“). Teilweise wird s. 214 IA 1986 als Teil des weiteren West Mercia Prinzips verstanden. Dogmatisch wäre demnach ein unterschiedlicher Test ausgeschlossen. Selbst wenn man dem nicht folgen mag und s. 214 IA 1986 als besondere Ausprägung einer equitable duty of care, skill and diligence verstanden haben möchte, wäre ein unterschiedlicher Test nicht empfehlenswert, würde dies doch zu einem widersprüchlichen Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter führen. Schließlich haben auch jüngere Entscheidungen vermehrt darauf hingewiesen, dass der verständige Umgang mit der Unternehmensbilanz zur objektiven Mindestqualifizierung eines director gehört.175 Deswegen ist ein objektiver Test vorzugswürdig.176 3. Normadressatenkreis und Anwendbarkeit auf die Muttergesellschaft a) Die Muttergesellschaft als de facto director Die Pflicht, Gläubigerbelange in die Abwägung einzustellen, trifft jeden director. Gesetzlich wird ein director definiert als „jede Person, welche diese Position innehat, wie auch immer sie sich nennt.“177 Dies beinhaltet 172

Milman, JBL 2004, 493 (494). [1982] 3 All ER 1045, 1056 („ought to have known the facts“). 174 So der Court of Appeal in Brady v Brady [1988] BCLC 20, 40 f. 175 Re DKG Contractors Ltd [1990] BCC 903; jedenfalls kann ein finanzverständiger Direktor keine Entschuldigung haben, Re Cladrose Ltd [1990] BCC 11. 176 So auch Milman, JBL 2004, 493 (496). 177 S. 741 (1) CA 1985, s. 251 IA 1986, s. 22 (4) Company Directors Disqualification Act 1986. 173

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de iure und de facto Direktoren.178 Nach aktuellem englischem Recht kann anders als in Deutschland auch eine juristische Person die Position eines Direktors einnehmen179, auch wenn die britische Regierung angekündigt hat, sie wolle corporate directors in Zukunft verbieten.180 Es wird sich zwar selten eine Muttergesellschaft zu einem Direktor ihrer Tochtergesellschaft bestellen lassen, allerdings kann sie auch die Position eines de facto director einnehmen, wenn sie sich in die tagtäglichen Management-Entscheidungen der Tochter einmischt, so dass sie nach außen hin als Geschäftsführerin auftritt.181 Zugegebenermaßen ist die Erstreckung des Begriffs des directors auf den de facto director eine gesetzliche, jedoch besteht kein vernünftiger Grund, warum dies nicht auch für die Pflichten nach common law gelten soll.182 Die Mehrheit der englischen Gerichte teilt diese Auffassung.183 Somit kann grundsätzlich auch eine Muttergesellschaft als de facto director ihrer Tochtergesellschaft wegen Verletzung von Gläubigerinteressen (duty to take into account creditors’ interests) haftbar gemacht werden.184 b) Die Muttergesellschaft als shadow director Wie gesehen sind die Anforderungen an eine Qualifizierung der Muttergesellschaft als de facto director sehr hoch. Die Frage, ob sich die common law Haftung auch auf den leichter nachzuweisenden shadow director erstreckt, wurde bislang von der englischen Literatur noch nicht explizit behandelt, weil üblicherweise auf die gesetzlich normierte Haftung wegen wrongful trading (s. 214 IA 1986) zurückgegriffen wird, welche unzweifelhaft auch auf den shadow director Anwendung findet.185 Deswegen muss auf allgemeine Prinzipien des englischen Gesellschaftsrechts zurückgegriffen werden. S. 741 (2) CA 1985, s. 251 IA 1986 und s. 22 (5) CDDA 1986 definieren den shadow director als „eine Person, nach dessen Vorgaben und Weisungen die Geschäftsleiter es gewohnt sind zu handeln“186. Das Gesetz zählt dann abschließend diejenigen Vorschriften auf, unter denen eine Mut178

Gower/Davies, 7. Aufl., S. 379. S. 289 (1) (b) CA 1985. 180 Modernising Company Law, 2002, Rn. 3.34. 181 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCLC 161, 162 f. per Millet J. 182 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 379. 183 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCLC 161, 162 f. per Millet J.; Re Eurostem Maritime Ltd [1987] PCC 190. 184 Muscat, Holding Company Liability, S. 251. 185 Dazu sogleich unter § 5 F. II. 3. b). 186 S. 741 (2) CA 1985, s. 251 IA 1986, s. 22 (5) CDDA 1986: „shadow director, in relation to a company, means a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act“. 179

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tergesellschaft nicht als shadow director qualifiziert werden kann.187 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass zumindest bei allen anderen gesetzlichen Vorschriften, auch eine Muttergesellschaft den Begriff des shadow director erfüllen kann. Die englische Spruchpraxis geht zumindest bei natürlichen Personen davon aus, dass die commmon law duties grundsätzlich auf den shadow director Anwendung finden. So wandte beispielsweise Toulson J. in Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia die West Mercia-Doktrin auch auf den shadow director an, ohne überhaupt deren Anwendbarkeit zu problematisieren. Schließlich spricht auch die ratio der Rechtsfigur für dessen generelle Anwendbarkeit im englischen Gesellschaftsrecht.188 Denn Grundidee ist, dass diejenige Person, welche im Hintergrund die Geschicke der Gesellschaft wie ein Marionettenspieler189 lenkt, für seine Handlungen verantwortlich sein soll.190 Die Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Deverell 191, welche auf die Maßgeblichkeit des „wahren Einflusses“ abstellt, kann ebenfalls als Beleg dafür angeführt werden, dass die Figur des shadow director ein allgemeines Prinzip des englischen Gesellschaftsrechts darstellt.192 Deswegen ist davon auszugehen, dass eine Muttergesellschaft als shadow director der Tochtergesellschaft für die Nichtbeachtung von Gläubigerbelangen verantwortlich gemacht werden kann. Ab welchem Grad der Einflussnahme die Muttergesellschaft als shadow director zu qualifizieren ist, soll sogleich behandelt werden.193 4. Bewertung Es muss festgestellt werden, dass die West Mercia Pflicht in der Praxis keinen effektiven Gläubigerschutz gewährleisten kann. In den Fällen offensichtlicher Gläubigergefährdung greifen bereits die tatbestandlich klarer formulierten gesetzlichen Schutzvorschriften, wie z. B. ss. 213, 214, 238, 239, 423 IA 1986, ein.194 Insofern kann die Haftung aus common law nur zusätzliche Hilfe geben. In Fällen von subtileren gläubigergefährdenden Maß187

S. 741 (3) CA 1985. Muscat, Holding Company Liability, S. 251. 189 Re Unisoft Group Ltd (No. 3) [1994] 1 BCLC 609, 620: „[T]he shadow director must be, in effect, the puppet master controlling the actions of the board. The directors must be (to use a different phrase) the ‚cat’s paw‘ of the shadow director“. 190 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 184 per Millet J. 191 [2001] Ch 340. 192 Ähnlich auch Gower/Davies, 7. Aufl., S. 379. 193 Siehe unten, § 5 F. II. 3. b). 194 Muscat, Holding Company Liability, S. 249. 188

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nahmen, wie etwa bei Manipulationen des Transferpreises oder Vermögensvermischungen, ist unklar, ob die Doktrin tatsächlich anwendbar ist. Vorteil einer solch weiten, im case law verankerten Pflicht ist sicherlich, dass sie unproblematisch auf neue, von den gesetzlichen Vorschriften nicht erfasste Sach- und Problemlagen ausgedehnt werden kann. So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Haftung aus common law Schutzlücken bei den gesetzlichen Normen aufzufangen vermag, die aufgrund deren tatbestandlicher Enge bestünden.195 Selbst wenn dies für das allgemeine Gesellschafts- und Insolvenzrecht zutreffen sollte, so ist doch für das Konzernrecht zu konstatieren, dass englische Gerichte die common law Haftung bislang parallel zu den gesetzlichen Schutzvorschriften auslegt und anwendet haben. Auch hier wurde eine solche Pflichtverletzung bislang nur angenommen, wenn sie einzelne, individualisierbaren Transaktionen betraf.196 Im Konzerngeflecht ist es aber oftmals schwierig bis unmöglich, einzelne Transaktionen zu individualisieren, weswegen die West Mercia Pflicht jedenfalls in ihrer bisherigen Anwendung keinen zusätzlichen Gläubigerschutz gewährleisten kann. Allerdings muss ihr grundsätzliches Potential im Rahmen von Konzernbeziehungen anerkannt werden, sollte die englische Spruchpraxis von ihrer Fokussierung auf einzelne Transaktionen abrücken. Abschließend kann noch gefragt werden, ob der Doktrin nach Einführung der gesetzlich normierten Haftung wegen wrongful trading (s. 214 IA 1986) noch eine eigenständige Funktion verbleibt. Beide Pflichten dienen – ähnlich wie die deutsche Haftung wegen Insolvenzverschleppung – dazu, eine rechtzeitige Insolvenzanmeldung der Gesellschaft zu gewährleisten und die Gläubiger vor einer weitergehenden Vernichtung von Gesellschaftsvermögen zu schützen.197 Der Normadressatenkreis bei beiden Pflichten ist identisch.198 Allerdings kann die Haftung aus common law theoretisch zeitlich früher eingreifen.199 So darf nach s. 214 IA 1986 ein Geschäftsbetrieb trotz bilanzieller Überschuldung weitergeführt werden, wenn die objektive Aussicht auf finanzielle Gesundung besteht200, während der Court of Appeal in dem Fall Westminster Property Management Ltd (No. 3) 201 feststellte, dass 195

Keay, 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (6 f.). Ausführliche Darstellung bei Muscat, Holding Company Liability, S. 253. 197 Prentice, 10 OJLS 1990, 265; Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (297); Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (177 ff.). 198 Siehe oben unter § 5 E. II. 3. und unten unter § 5 F. II. 3. 199 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (200 ff.); Bersheda, CSLR 2004, 63 (71). 200 Oder anders herum formuliert, entsteht die Pflicht erst, „[if] there is no reasonable prospect that the company would avoid going into liquidation“, s. 214 (2) (b) IA 1986). 196

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bereits ab dem Zeitpunkt der Überschuldung die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerbelangen bestehe. Trotz dieser scheinbaren zeitlichen Vorverlegung der Haftung ist aber zweifelhaft, ob dies tatsächlich ein anderes Pflichtenprogramm für Geschäftsführer bedeutet. Denn die grundsätzliche Unwilligkeit englischer Gerichte, den Zeitpunkt der Überschuldung als Auslöser für eine Haftung zu nehmen, nährt sich daraus, dass im englischen Recht traditionell keine Verknüpfung zwischen Mindesteigenkapital und Haftungsbeschränkung besteht.202 Nicht selten sind englische Gesellschaften von dem ersten Tag ihrer Existenz an materiell unterkapitalisiert. Dennoch dürfen sie am Rechtsverkehr teilnehmen, wenn die Gläubiger, zumeist Banken, bereit sind, die Gesellschaft mit dem notwendigen Fremdkapital auszustatten bzw. ihr einen Zahlungsaufschub zu gewähren. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass das Unternehmen (wieder) wirtschaftlich rentabel sein wird. Um die Schließung wirtschaftlich rentabler Unternehmen zu vermeiden, stellt s. 214 IA 1986 deswegen nicht ausschließlich auf den Eintritt der Überschuldung ab, sondern misst dem Kriterium der Fortführungsfähigkeit wesentlich größere Bedeutung bei.203 Eine Vorverlagerung der Haftung über die West Mercia Grundsätze würde diese gesetzgeberische Wertentscheidung unterminieren. Daher sprechen die besseren Gründe dafür, die common law duty und s. 214 IA 1986 parallel auszulegen. Mittlerweile sind auch die Rechtsfolgen der jeweiligen Haftung aus common law und wegen wrongful trading einander angeglichen.204 Vor der Entscheidung des House of Lords in Buchler v Talbot 205 wurden die Schadensersatzzahlungen, die wegen Verletzung der Geschäftsleiterpflicht geleistet wurden, im Unterschied zur Rechtslage beim wrongful trading noch von einer floating charge206 erfasst, so dass die eingehenden Beträge nicht für die Verteilung unter den ungesicherten Gläubigern zur Verfügung standen.207 201

Auch bekannt als Official Receiver v Stern (No. 3) [2004] BCC 581. Davies, AG 1998, 346 (348 f.). 203 Vgl. Re Purpoint [1991] BCLC 491. 204 Die Auswirkung der Entscheidung Buchler v Talbot auch auf die common law rule verkennen Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (200 ff.); Schall, ZIP 2005, 965 (967); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (64). 205 [2004] 1 BCLC 281. 206 Die floating charge ist ein besitzloses Pfandrecht, dass sich auf alle oder bestimmte Vermögensgegenstände der Gesellschaft erstreckt, welche dieser von Zeit zu Zeit gehören, näher Goode, Legal Problems of Credit and Security, 4. Kapitel; Nolan, 120 LQR 2004, 108, 120–123. 207 Zur alten Rechtslage Keay, 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (7); Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 461. Im Gegensatz dazu unterfielen ein202

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Buchler v Talbot 208 stellt aber in Abkehr zur alten Rechtsprechung die sog. two funds theory auf, wonach sich das Vermögen der Gesellschaft in zwei getrennte Vermögensmassen untergliedert: den Fond für gesicherte (debenture holders’ fund) und den Fond für ungesicherte Gläubiger (liquidator’s fund).209 Da Schadensersatzansprüche wegen Nichtbeachtung von Gläubigerinteressen, wie das gesamte insolvenzbedingte Liquidationsverfahren an sich, ausschließlich im Interesse der ungesicherten Gläubiger durchgesetzt werden, fallen die Früchte aus diesen Ansprüchen nicht in den debenture holders’ fund und werden dementsprechend auch nicht mehr von einer floating charge erfasst, sondern stehen wie die Schadenseratzleistungen aus wrongful trading ausschließlich den ungesicherten Gläubigern zur Befriedigung bereit.210 Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass der Insolvenzverwalter seine Durchsetzungskosten nicht mehr aus den gesicherten Vermögenswerten der Gesellschaft ersetzt verlangen kann, sondern ihm nur noch die ungesicherten Vermögenswerte der Gesellschaft zur Befriedigung bereitstehen. Deren Werthaltigkeit tendiert aber regelmäßig gegen Null, weil eine in England übliche floating charge das gesamte Unternehmen umfasst.211 Sind aber Tatbestands- und Rechtsfolgenseite beider Haftungsinstitute identisch, so scheint der common law rule neben s. 214 IA 196 keine eigenständige haftungsrechtliche Bedeutung mehr zu haben. Diese Annahme ist indessen unrichtig. Praktische Bedeutung erlangt die common law Haftung vor allem dann, wenn s. 214 IA 1986 mangels Insolvenzverfahren nicht greift.212 Hier kommt es dann zu einem Direktdurchgriff der Gläubiger.213 Darüber gehende Zahlungen unter s. 214 IA 1986 bereits nach alter Rechtslage nicht einer floating charge, weil sie nicht als Vermögensgegenstände der Gesellschaft behandelt wurden, sondern dem Insolvenzverwalter persönlich zur treuhänderischen Verteilung an die ungesicherten Gläubiger zustanden, vgl. Oasis Merchandising [1997] 1 BCLC 689, 690, 703; Re Floor Fourteen Ltd (Lewis v Commissioner of Inland Revenue) [2001] 2 BCLC 392, 404. 208 [2004] 1 BCLC 281. 209 Ausführlich hierzu Bicker, GPR 2006, 127 (128). 210 Id., 298 per Lord Hoffman: „[insolvent liquidation] is a form of collective execution by all its [unsecured] creditors against all its available assets“; kommentiert von Armour, 63 CLJ 2004, 560 (563). Die two funds theory räumt gleichzeitig mit der nur schwer nachvollziehbaren Unterscheidung zwischen Vermögensgegenständen der Gesellschaft und treuhänderisch verwalteten Vermögensgegenständen des Insolvenzverwalters auf (s. o.). Die Konstruktion hatte allein den Zweck, die unter s. 214 IA 1986 geleisteten Zahlungen einer floating charge zu entziehen. Dazu besteht nach Buchler v Talbot kein Bedürfnis mehr, vgl. Mokal; LMCLQ 2004, 387 (401); Armour/Walters, Funding Insolvency: A Functional View, S. 34. 211 Kritisch deswegen, Mokal, LMCLQ 2004, 387 ff.; Bicker, GPR 2006, 127 (128). Die Entscheidung hat aber auch ihre Befürworter, vgl. Armour/Walters, Funding Insolvency Proceedings, S. 34 ff. Näher dazu unter § 5 F. II. 4. a). 212 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 372; Schall, ZIP 2005, 965 (968).

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hinaus verbietet die common law rule den Gesellschaftern, die Geschäftsführer von ihren gesellschaftsrechtlichen Verfehlungen freizuzeichnen.214

F. Insolvenzrechtliche Haftungs- und Anfechtungstatbestände I. Fraudulent trading (s. 213 IA 1986) 1. Tatbestand Um eine Haftung nach s. 213 IA 1986 begründen zu können, müssen drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Zunächst ist die Norm nur im förmlichen Liquidationsverfahren anwendbar. Zweitens muss die Gesellschaft mit der Absicht geführt worden sein, Gläubiger zu schädigen.215 Als Normadressaten kommen nur Personen in Betracht, die wissentlich an der fraudulösen Geschäftsführung teilgenommen haben.216 Dies ist nicht nur die Geschäftsleitung der Gesellschaft selbst, sondern dazu gehören auch diejenigen, die im Hintergrund stehend die Geschäftsführung betreiben bzw. aktiv beeinflussen. Damit gehören auch Muttergesellschaften zu den Normadressaten, was aber nach dem Wortlaut der Norm eine aktive Einmischung in den Geschäftsbetrieb der Tochtergesellschaft erfordert.217 Rein passive Verhaltensweisen, wie etwa das Unterlassen von Kontroll- oder Mitwirkungsmöglichkeiten, reichen nicht aus.218 Ebenso genügen nicht bloße Ratschläge, wenn es an einer aktiven Einmischung fehlt.219 Abgeschwächt wird das Kriterium der aktiven Einflussnahme allerdings in der Entscheidung Re Cooper Chemicals Ltd 220. Das Gericht erachtete es für ausreichend, dass ein Dritter von der fraudulösen Geschäftspraxis der Gesellschaft wusste und Gelder annahm, die offenkundig aus dieser Tätigkeit stammten. Bislang ist die Rechtsprechungslinie aber auf Darlehensfälle beschränkt, wodurch insbesondere Banken strengere Überwachungspflichten gegenüber ihren Kunden auferlegt werden sollen.221 213

Giles v Rhind [2002] 4 All ER 977; Day v Cook [2002] 1 BCLC 1. West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250, 252 f. 215 S. 213 (1) IA 1986: „(. . .) any business of the company has been carried on with intent to defraud creditors (. . .)“. 216 S. 213 (1) IA 1986: „(. . .) any persons who were knowingly parties to the carrying on of the business (. . .)“. 217 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 195 f.; Wolf, S. 98; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 531 f. 218 Milman, JBL 2004, 493 (498). 219 Re Maidstone Building Provisions Ltd [1971] 1 WLR 1085. 220 [1978] 2 WLR 866. 221 Re Bank of Credit and Commerce International SA [2001] 1 BCLC 263; Morris v State Bank of India [2004] 2 BCLC 279. 214

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Vor allem aber wird für eine Inanspruchnahme nach s. 213 IA 1986 betrügerisches Verhalten vorausgesetzt. An den Nachweis der subjektiven Tatbestandsseite werden seit jeher hohe Anforderungen gestellt222, woran die meisten einschlägigen Klagen bislang scheiterten.223 Eine Betrugsabsicht der Leitungsorgane wurde angenommen, wenn die Direktoren Verbindlichkeiten zu einer Zeit eingingen, als sie wussten, dass sie diese niemals würden erfüllen können.224 Dieser Test setzt damit positives Wissen voraus und war gemäß Re William C Leitch Brothers Ltd 225 nicht erfüllt, wenn die Direktoren aus den Fakten lediglich hätten erkennen müssen, dass die Gesellschaft der Insolvenz nicht mehr werde entgehen können. Die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der betrügerischen Absicht wurden in R v Grantham226 aber etwas abgeschwächt und eine Haftung bereits bejaht, wenn kein vernünftiger Grund für die Annahme bestand, dass der Gesellschaft in Zukunft neue Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen könnten, um die eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen.227 Dabei nahm das Gericht ausdrücklich Abstand von der in Re White & Osmond (Parkstone) Ltd 228 aufgestellten „sunshine doctrine“, wonach eine Betrugsabsicht abzulehnen war, wenn die Direktoren ehrlich geglaubt hatten, dass sich „die Wolken verzögen und die Sonne wieder zum Vorschein käme“229, obgleich diese (Wunsch-)Vorstellung objektiv völlig ungerechtfertigt gewesen war. Allerdings stellt die Entscheidung in Grantham wohl keine Abkehr von dem subjektiven Test hin zu einer objektivierten Betrugsabsicht dar. Vielmehr soll grob fahrlässigen Direktoren die Ausrede des Nichtwissens trotz offenkundiger Faktenlage abgeschnitten werden. Insofern dürfte die Abschwächung des Haftungsmaßstabs marginal sein. Die Entscheidung in Morphitis v Bernasconi 230 ist Beleg dafür, wie schwierig es nach wie vor ist, das Gericht von einer fraudulösen Geschäftsführung zu überzeugen. Eine (einfach) fahrlässige Fortführung der Geschäfte, in der Hoffnung, die finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft werden sich legen, ist regel222 Betrügerische Absicht setzt nach Re Patrick and Lyon Ltd (1933) Ch. 786, 790 „actual dishonesty, involving real moral blame“ voraus. 223 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 27-015 f.; Fleischer, AG 1999, 350 (355 f.); ders., DStR 2000, 1015 (1018). 224 Re William C. Leitch Brothers Ltd [1932] 2 Ch. 71, 77. 225 [1932] 2 Ch. 71, 77. 226 [1984] BCLC 270. 227 Der Entscheidung wurde gefolgt in R v Kemp [1988] QB 645. 228 Ch. D. vom 30.6.1960 (unveröffentlicht, aber zitiert in R v Grantham [1984] BCLC 270). 229 Id.: „that the clouds will roll away and the sunshine of prosperity will shine upon them again and will disperse the fog“. 230 [2003] 2 WLR 1521.

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mäßig noch nicht betrügerisch.231 Der strenge Haftungsmaßstab nach s. 213 IA 1986 ist dabei vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale neben einer zivilrechtlichen Haftung auch eine strafrechtliche Verurteilung möglich ist.232 2. Konzernrechtspraxis Für die Bedeutung der Norm in der Konzernrechtspraxis kann der Fall Re Augustus Barnett & Son Ltd 233 als instruktives Beispiel angeführt werden. Die Augustus Barnett & Son Ltd war eine 100%ige Tochtergesellschaft der Rumasa SA. Die Augustus Barnett & Son Ltd wirtschaftete zu einer Unterbilanz und die auditors der Gesellschaft waren zur Unterzeichnung der annual accounts nur bereit, weil die Muttergesellschaft in einem letter of comfort ihre finanzielle Unterstützung zugesagt hatte. Tatsächlich übertrug die Rumasa SA ihrer Tochtergesellschaft auch finanzielle Mittel und sicherte deren Zulieferern zu, sie werde die Gesellschaft auch in Zukunft unterstützen. Später stellte die Rumasa SA aber alle unterstützenden Tätigkeiten ein, woraufhin die Gesellschaft liquidiert werden musste. Der Insolvenzverwalter versuchte, die Muttergesellschaft unter dem damaligen s. 332 CA 1948 wegen fraudulent trading haftbar zu machen. Von Seiten des Gerichts wurde zunächst geprüft, ob die Rumasa SA als „Anstifter“ zu einer fraudulösen Geschäftsführung durch die Direktoren der Augustus Barnett & Son Ltd teilgenommen hatte. Dies scheiterte allerdings daran, dass den Direktoren der Tochtergesellschaft keine betrügerische Absicht nachgewiesen werden konnte. Diese hatten ernstlich geglaubt, dass die Obergesellschaft ihre Unterstützung fortsetzen würde. Somit fehlte es an einer „akzessorischen Haupttat“. Im zweiten Schritt prüfte das Gericht, ob die Muttergesellschaft selbst die Geschäfte der Augustus Barnett & Son Ltd in betrügerischer Absicht fortgeführt hatte. Zwar befand das Gericht, dass dies grundsätzlich möglich sei, jedoch fehle es hier an der erforderlichen aktiven Einmischung in die Geschäftsführung der Gesellschaft. Die Entscheidung belegt, dass s. 213 IA 1986 wegen seiner strengen Anforderungen ungeeignet ist, effektiven Gläubigerschutz im Konzern zu gewährleisten.234 Hier wird sich die Muttergesellschaft selten zu aktiven Geschäftsleitungsmaßnahmen verleiten lassen. Und bloße Einflussnahmen, wie 231

Milman, JBL 2004, 493 (498). Farrar/Hannigan, Company Law, S. 714. 233 [1986] BCLC 170; damals aber noch zu s. 332 CA 1948, welcher insoweit allerdings inhaltsgleich mit s. 213 IA 1986 ist. 234 Collins, 53 MLR 1990, 731 (741); Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 104; Kellermann, Interessenschutz, S. 177; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 534 f. 232

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sie für Konzernsachverhalte typisch sind, werden durch die Norm gerade nicht erfasst. In den oft undurchsichtigen Konzernstrukturen mit den vielfältigen Möglichkeiten „sublimer“ Einflussnahmen wird es fast unmöglich sein, der Muttergesellschaft eine betrügerische Absicht nachzuweisen.235 Zudem kann die Muttergesellschaft ihr Verhalten damit rechtfertigen, sie habe geglaubt, eine wirtschaftliche Konsolidierung der Gruppe würde sich auch auf die fragliche Tochtergesellschaft positiv auswirken.236 Zwar kann die Berufung auf ein solch übergeordnetes Konzerninteresse nicht nachteilige Maßnahmen für die Einzelgesellschaft rechtfertigen, jedoch ist die Motivation bei Feststellung der betrügerischen Absicht entscheidend.237 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Haftung für fraudulent trading nicht über das hinausgeht, was in Deutschland der Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB und § 826 BGB entspricht.238 II. Wrongful trading (s. 214 IA 1986) 1. Tatbestand Die erheblichen Schwierigkeiten, eine Inanspruchnahme der verantwortlichen Leitungsorgane über das Haftungsinstitut des fraudulent trading herzuleiten, bewogen den Gesetzgeber, eine Fahrlässigkeitshaftung wegen wrongful trading einzuführen. Der neue Haftungstatbestand wurde zunächst geradezu als epochale Neuerung gefeiert239, die insbesondere auch im Konzern nun endlich einen angemessenen Schutz für Gläubiger bewirken werde.240 Die Haftung wegen wrongful trading schaffte sogar den Sprung auf die europäische Agenda.241 Wesentlicher Vorteil einer solchen Haftung soll sein, dass sie im Gegensatz zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung bereits im Vorfeld der Insolvenz eingreife.242 Gleichzeitig tauge sie zur Be235

Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (110). Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (110). 237 Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 104; Kellermann, Interessenschutz, S. 177; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 536. 238 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (177 f.); Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 223 f. 239 Prentice, 10 OJLS 1990, 266 (277); Oditah, LMCLQ 1990, 205 (222). 240 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (752 f.); dass insofern eine Lücke im englischen Konzernrecht bestand wurde auch von der Rechtsprechung anerkannt, Re Southard & Co Ltd [1979]1 WLR 1198; Re Augustus Barnett & Son Ltd [1986] 2 BCLC 904, 908. 241 EU-Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.1.3; High Level Group, S. 86, 97. 242 High Level Group, S. 73: „Die Plicht zur Insolvenzanmeldung im Fall der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit kommt für gewöhnlich zu spät“; ebenso schon Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (754 f.). 236

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gründung einer allgemeinen Konzernhaftung, da sie nicht nur die Leitungsorgane der Gesellschaft verpflichte, im Gläubigerinteresse zu handeln, sondern sich auch auf den shadow director erstrecke.243 a) Insolvenzverfahren Die Norm ist nur anwendbar, wenn über die Gesellschaft bereits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.244 Die Gesellschaft muss sich im Verfahren des winding up befinden, das entweder durch einen Gesellschafterbeschluss245 oder durch Gerichtsbeschluss246 auf die Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft gerichtet ist.247 Neben dem winding up kennt das englische Recht weitere Insolvenzverfahren, die nicht auf Liquidation, sondern zumindest eine zeitweise Fortführung und Rettung des Unternehmens zum Ziel hat.248 Im Rahmen dieser Verfahren, können keine Ansprüche aus s. 214 IA 1986 erhoben werden, sofern die Gesellschaft nicht doch noch in ein winding up übergeleitet wird. Die Beschränkung auf das Liquidationsverfahren beruht offenkundig auf der Intention des Gesetzgebers, eine Rettung des Unternehmens nicht dadurch zu gefährden, dass die Leitungsorgane und eventuell auch die Fremdkapitalgeber bei einem Fehlschlagen der Rettungsbemühungen mit einer Haftung nach s. 214 IA 1986 zu rechnen haben.249 b) Sorgfaltsmaßstab Den Leitungsorganen muss nachgewiesen werden, den Geschäftsbetrieb zu einer Zeit fortgesetzt zu haben, als sie wussten oder hätten wissen müs243 Aktionsplan, Ziff. 3.1.3; High Level Group, S. 86, 97; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (756 f.) 244 S. 214 (2) (a) IA 1986. 245 S. 84 IA 1986; dabei wird zwischen members’ voluntary winding-up und creditors’ voluntary winding-up unterschieden, s. 89 IA 1986. Letzteres liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht mehr zahlungsfähig ist, s. 90 IA 1986, näher Keay/Walton, Insolvency Law, S. 197–205. 246 Winding up by the court, ss. 122, 124 IA 1986, näher Keay/Walton, Insolvency Law, S. 206–233. 247 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 193. 248 Administrative Receivership (IA 1986, Part III, abgeschafft durch den Enterprise Act 2002), Administration (IA 986, Sch B1), Company Voluntary Arrangement/Schemes of Arrangement (IA 1986, Part I and Sch A1/Companies Act 1985, Part XIII), Überblick über die Verfahrensarten bei Keay/Walton, Insolvency Law, S. 40–43. Das wichtigste Insolvenzverfahren ist neben der insolvent liquidation nunmehr die durch den Enterprise Act 2002 modernisierte administration, welche zu mehr Unternehmensfortführungen führen soll; ausführlich zu dem neuen Regime Frisby, 67 MLR 2004, 247. 249 Griffin, Personal Liability, S. 78

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sen, dass die Gesellschaft keine ernst zu nehmenden Aussichten hatte, wirtschaftlich überleben zu können und die insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden. Der Sorgfaltsmaßstab setzt sich dabei aus objektiven und subjektiven Elementen zusammen. Grundsätzlich wird darauf abgestellt, was ein vernünftiger und sorgfältiger Geschäftsführer gewusst und getan hätte, der über übliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.250 Allerdings wirken sich etwaiges Sonderwissen und Sonderfähigkeiten haftungsverschärfend aus.251 Hinsichtlich der allgemeinen Fähigkeiten differenziert die Rechtsprechung nach Größe und Komplexität des Geschäftsbetriebes, so dass von Geschäftsleitern kleinerer Unternehmen weniger erwartet wird als von Geschäftsleitern großer Unternehmen.252 c) Moment of truth Der maßgebliche Zeitpunkt, von dem ab keine vernünftige Aussicht auf Abwendung der insolvenzbedingten Liquidation mehr besteht (sog. moment of truth253), ist im Gesetz nicht näher definiert und ermöglicht dementsprechend eine flexible Handhabung der Norm. Kehrseite dessen ist ein gewisses Maß an rechtlicher Unsicherheit. Der Wortlaut spiegelt den Konflikt wider, dass einerseits die Entscheidungsfreudigkeit der Geschäftsführer nicht unangemessen beeinträchtigt werden soll254, andererseits aber auch die Gläubiger vor der Fortführung unrentabler Unternehmen effektiv geschützt werden sollen.255 So wird in der Literatur insbesondere die Gefahr gesehen, dass die Gerichte bei der Beurteilung ex post einen zu strengen Sorgfaltsmaßstab anlegen, obwohl doch die Geschäftsleiter ex ante in einer oftmals komplizierten Situation schnell entscheiden müssen.256 Dies habe dann einen „Überabschreckungseffekt“ zur Folge, wenn sich Geschäftsleiter nun trotz objektiv günstiger Prognose davor scheuen, irgendein unternehmerisches Risiko einzugehen. Zu geringe Risikofreudigkeit ist aber ökonomisch betrachtet genauso schädlich wie exzessive Risikobereitschaft und kann zur Schließung wirtschaftlich überlebensfähiger Unternehmen führen.257 Die Rechtsprechung hat auf diese Befürchtungen reagiert und in Re Continental Assurance258 zugesichert, die Verhaltensweise der Direktoren ex 250

S. 214 (4) (a) IA 1986. S. 214 (4) (b) IA 1986. 252 Re Produce Marketing Consortium (No 2) [1989] BCLC 520, 550; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 470 f. 253 Der Begriff geht zurück auf Drake, JBL 1989, 474. 254 Cheffins, Company Law, S. 537–548; Cooke/Hicks, JBL 1993, 338 (350). 255 Mokal, 59 CLJ 2000, 335. 256 Cheffins, Company Law, S. 537–548; Cooke/Hicks, JBL 1993, 338 (350). 257 Cheffins, Company Law, S. 541 f. 251

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ante zu betrachten und die zeitlichen und faktischen Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Mindestvoraussetzung ist aber, dass die Bilanzierungsvorschriften eingehalten wurden und die Geschäftsleiter zumindest in der Lage sind, die Bilanzen zu verstehen.259 Sie können sich damit nicht darauf berufen, von der finanziellen Krise der Gesellschaft nichts gewusst zu haben. Besonderheiten gelten für non-executive directors, die sich auf ein verantwortliches Handeln der executive directors verlassen dürfen.260 Zwar können die Handlungspflichten der Geschäftsleiter gemäß s. 214 IA 1986 nach dem Wortlaut der Norm schon vor Beginn der Insolvenz eingreifen, jedoch lässt sich in der englischen Spruchpraxis die eindeutige Tendenz erkennen, eine Haftung möglichst spät anzunehmen.261 So war in Re DKG Contractors Ltd 262 die Gesellschaft schon seit Februar 1998 zahlungsunfähig, der moment of truth wurde aber erst zwei Monate später angenommen, nachdem weitere Ereignisse den Geschäftsleitern die Ausweglosigkeit der Situation deutlich vor Augen geführt hatten. In Re Purpoint 263 war die Gesellschaft bereits am ersten Tag ihrer Existenz überschuldet. Der Richter nahm eine Haftung wegen wrongful trading aber erst elf Monate später bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an. Dass die englischen Gerichte der Tatsache der Überschuldung kaum Bedeutung beimessen, liegt sicherlich daran, dass es traditionell an einer Verknüpfung von Haftungsprivileg und Mindestkapitalausstattung fehlt.264 Die Urteile verdeutlichen, dass die Balance zwischen Gläubigerschutz und Entscheidungsfreiheit für Direktoren klar zugunsten letzterer verschoben wurde. Auch bei dem Maßstab, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Rettung der Gesellschaft sein muss, erkennen die Gerichte den unternehmerischen Charakter der Fortführungsprognose an und tragen dem durch Gewährung eines relativ weiten Beurteilungsspielraums Rechnung.265 Demgegenüber besteht nach deutschem Recht eine starre Pflicht zur Insolvenzanmeldung spätestens drei Wochen (§ 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG) nach Eintritt der Überschuldung (§ 19 Abs. 1 258

[2001] BPIR 733. Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] BCLC 520. 260 Sherborne Associates Ltd [1995] BCC 40. 261 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (184 ff.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (301 ff.). 262 [1990] BCC 903. 263 [1991] BCLC 491. 264 Davies, AG 1998, 346 (348 f.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (305). 265 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] BCC 26, 53: „[the standard should be that of a] reasonable prudent businessman, a breed which is likely to be less temperamentally cautious than lawyers and accountants“. Demgegenüber besteht in Deutschland eine starre drei Wochenfrist (§ 64 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich unabhängig von einer negativen Fortführungsprognose. 259

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und 2 InsO) oder der Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO), unabhängig von einer negativen Fortführungsprognose.266 Vergleicht man daher die bisherige englische Spruchpraxis mit der Insolvenzverschleppungshaftung in Deutschland, zeigt sich nach alledem keine Vorverlagerung der Haftung.267 Geht noch die High Level Group davon aus, dass die Regelung bereits eingreife, wenn die Insolvenz „vorhersehbar ist, aber noch nicht unmittelbar bevorsteht“, so ist dies unvereinbar mit dem wesentlich engeren Test in Re Continental Assurance, wonach die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits „verdammt [sein muss] und unvermeidbar auf die Insolvenz zusteuert“.268 Auch die jüngste Entscheidung Rubin v Gunner269 stellt auf das Kriterium der Unvermeidbarkeit der Insolvenz ab. Damit verkehrt sich die obige Behauptung, dass die englische Haftung früher eingreife als die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung in ihr Gegenteil: Die englischen Gerichte nehmen Verhaltensweisen hin, die wohl niemals von einem deutschen Gericht toleriert werden würden.270 d) „Every step-defence“ Die Direktoren können eine Inanspruchnahme abwenden, wenn sie belegen können, dass sie ab dem moment of truth alle möglichen Schritte unternommen haben, um den Gläubigerausfall zu minimieren.271 Entgegen hier weit verbreiteter Vorstellung entbindet die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages nicht automatisch von einer Haftung.272 Die Verpflichtung auf die Interessen der Gläubiger kann unter Umständen gerade die Fortführung des Unternehmens gebieten.273 Ob die eingeleiteten Schritte tatsächlich den gewünschten Erfolg gebracht haben, ist unerheblich, sofern sie nur bei sorg266

Die Fortführungsprognose dient im deutschen Recht lediglich zur Ermittlung der Vermögenswerte im Rahmen des Überschuldungstatbestandes, ist aber kein negatives Tatbestandsmerkmal der Insolvenzverschleppungshaftung, vgl. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO. Dies kann im Einzelfall zur Schließung noch wirtschaftlich rentabler Unternehmen führen; zum Vergleich des dynamischen englischen Modells mit dem statischen deutschen, siehe auch die Ausführungen unter § 9 B. II. 2. b). 267 Ebenso Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (184 ff.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (301 ff.). 268 [2001] BPIR 733, Rn. 100: „[would be] doomed by then, and would inevitably lapse into insolvency thereafter“. 269 [2004] 2 BCLC 110. 270 Ebenso Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (303); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (187). 271 S. 213 (3) IA 1986. 272 Unrichtig Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (300); Dichtl, GmbHR 2005, 886 (887). 273 Ebenso Schall, ZIP 2005, 965 (971).

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fältiger Vorausbetrachtung Erfolg versprechend waren.274 Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab richtet sich auch hier nach s. 214 (4) IA 1986. Englische Gerichte nehmen dabei regelmäßig eine Haftungsbefreiung an, wenn die Geschäftsführer bei Eintritt der Krise professionellen Rat aufgesucht und diesen entsprechend umgesetzt haben.275 De facto wird dadurch die Aufgabe, Standards für krisengebeutelte Gesellschaften aufzustellen, von den Gerichten an die ökonomische Praxis delegiert. 2. Rechtsfolge Liegen die Voraussetzungen des wrongful trading vor, so liegt es im Ermessen des Gerichts, die Geschäftsleiter auf Antrag des Insolvenzverwalters dazu zu verurteilen, einen solchen Betrag in das Gesellschaftsvermögen zu entrichten, den das Gericht für angemessen hält.276 Die Haftung ist damit als eine reine Innenhaftung ausgestaltet und nur der Insolvenzverwalter ist klagebefugt. Trotz der Weite der Ermessensnorm haben sich einigermaßen feste Regeln zur Bemessung des Umfangs der Haftung herausgebildet. Zunächst ist die Haftung nur kompensatorisch und hat keinen Strafcharakter.277 Des Weiteren ist nur der Schaden zu ersetzen, der den Gläubigern durch die Fortführung der Geschäfte ab dem moment of truth entstanden ist.278 Im Ergebnis führt dies zu einer Ersetzung des „Quotenschadens“, ähnlich der mittlerweile aufgegebenen Rechtsprechung des BGH.279 Ein darüber hinausgehender Vertrauensschaden für Neugläubiger ist nicht ersatzfähig.280 Gerade die Gleichbehandlung von Neu- und Altgläubigern entspricht einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Ausschlaggebend war dabei offenbar, dass man das Verfahren nach s. 214 IA 1986 nicht durch Differenzierungen zwischen verschiedenen Gläubigergruppen und entsprechende kostenintensive Beweisaufnahmen verkomplizieren wollte.281 Als weitere Sanktion ist eine Disqualifizierung der Geschäftsleiter nach dem Company Directors Disqua274 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] BCC 26, 54: „even if they fail to achieve the result“. 275 Re Continental Assurance [2001] BPIR 733. 276 S. 214 (1) IA 1986. 277 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] BCLC 520, 553 („primarily compensatory rather than penal“); deutlich nunmehr Morphitis v Bernasconi (2003) Ch. 552, 579 („no power to include a punitive element in the amount of any contribution“). 278 Sog. net deficiency test, Re Continental Assurance [2001] BPIR 733, 821; Liquidator of Marini Ltd v Dickenson (2003) EWHC 334, Rn. 68. 279 BGHZ 29 100, 102 ff.; aufgegeben in BGHZ 126, 181; siehe ferner Ulmer, ZIP 1993, 769 ff. 280 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (196); diesen Rechtszustand kritisiert Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (316 ff.).

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lification Act 1986 möglich, die entweder durch das mit der wrongful trading Klage befasste Gericht (s. 10 CDDA 1986) oder im Rahmen eines separaten Verwaltungsverfahrens (CDDA 1986) ausgesprochen werden kann. 3. Normadressatenkreis und Anwendbarkeit auf die Muttergesellschaft a) De facto director S. 214 IA 1986 findet Anwendung auf den de iure, den de facto und den shadow director.282 Gemäß s. 289 (1) (b) CA 1985 können auch Muttergesellschaften als juristische Personen Geschäftsführer ihrer Tochtergesellschaften sein, sofern dies nicht in der Satzung ausgeschlossen.283 In der Praxis kommt eine solche Konstellation aber so gut wie nie vor. Um von einer Position als de facto director auszugehen, muss die Muttergesellschaft nach außen hin den Anschein erwecken, als Direktor der Gesellschaft rechtmäßig bestellt worden zu sein.284 Damit erinnert der de facto director an die deutsche Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“.285 Der Umstand, die Zusammensetzung des board of directors zu kontrollieren, genügt dazu ebenso wenig wie organisatorische Verflechtungen, beispielsweise identische Leitungsorgane oder die Einbindung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft in die Geschäftspolitik des Gesamtkonzerns durch Vorgabe von finanziellen und unternehmerischen Richtlinien.286 Die Grenze ist erst überschritten, wenn die Muttergesellschaft direkt die konkreten Einzelheiten der Alltagsgeschäftsführung bestimmt und dies entsprechend nach außen dringt.287 Angesichts solcher Anforderungen wird eine Muttergesellschaft nur in Ausnahmefällen die Position eines de facto director einnehmen.288 281 Vgl. die Erklärung von Lord Lucas of Chilworth während der Beratungen im House of Lords am 21.3.1985 und 1.4.1985, in: Hansard, Parliamentary Debates, House of Lords, Bd. 461, Sp. 743. 282 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 182; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 466. 283 Die britische Regierung hat allerdings den Vorschlag zur Diskussion gestellt, nur noch natürliche Personen als directors zuzulassen, Modernising Company Law, 2002, Rn. 3.32–3.35. Damit wäre wohl die Qualifizierung einer Muttergesellschaft als de facto director ausgeschlossen, weil nicht mehr nach außen der Eindruck erweckt werden kann, sie sei Geschäftsleiter. 284 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCLC 161, 162 f. per Millet J. 285 Vgl. dazu BGHZ 150, 61 (69) und unten § 6 F. IV. 286 Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 109. 287 Re Kaytech International plc [1999] 2 BCLC 351, 423; im Anschluss an Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] 1 BCLC 333, 343 f. 288 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 446.

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b) Shadow director Der shadow director ist in s. 741 (2), s. 251 IA 1986 und s. 22 (5) CDDA 1986 definiert als „eine Person, nach dessen Vorgaben und Weisungen die Geschäftsleiter es gewohnt sind zu handeln“289, wobei ausdrücklich die bloße Beratung durch professionelle Ratgeber ausgenommen ist.290 Da auch juristische Personen das Amt eines director bekleiden können291, können ohne weiteres Muttergesellschaften als shadow director qualifiziert werden.292 Aller Voraussicht nach wird der Vorschlag der britischen Regierung, künftig nur noch natürliche Personen als directors einer Gesellschaft zuzulassen293, nicht zur Folge haben, dass juristische Personen nicht mehr als shadow director in Betracht kommen.294 Denn das Ziel des Reformvorschlages erschöpft sich darin, nach außen und innen klare persönliche Verantwortlichkeiten der directors zu schaffen.295 Da sich der shadow director aber nur im Hintergrund aufhält und gerade nicht nach außen in Erscheinung tritt, wird die bezweckte Transparenz nicht durch die Zulassung juristischer Personen als shadow director gefährdet. Zudem erfüllt s. 214 IA 1986 gerade durch seine Erstreckung auf die Muttergesellschaft als shadow director eine Funktion, die in Deutschland etwa dem Konzernrecht zugewiesen wird.296 In dem Reformvorschlag ist von einer Funktionsänderung des s. 214 IA 1986 aber keine Rede. Die englischen Gerichte entwickelten zunächst ein sehr restriktives Konzept des shadow director.297 Es wurde ein solches Maß an Einflussnahme verlangt, dass die eigentlichen Geschäftsleiter nur noch als Marionetten erschienen.298 Millet J. definierte das Tatbestandsmerkmal „gewohnt sind zu 289

S. 741 (2) CA 1985, s. 251 IA 1986, s. 22 (5) CDDA 1986. Sobald ihr Einfluss aber über eine bloße Beratung hinausgeht, können auch sie die Kriterien des shadow director erfüllen, vgl. Tasbian Ltd (No 3) [1993] BCLC 297, 304. 291 S. 289 (1) (b) CA 1985. 292 Vgl. nur Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 446. 293 British Government, Modernising Company Law, 2002, Rn. 3.32–3.35. 294 Ebenso Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (190). 295 British Government, Modernising Company Law, 2002, Rn. 3.34. 296 Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (756 f.); Schuberth, Konzernrelevante Regelungen im britischen Recht, S. 192 ff.; Fleischer, AG 1999, 350 (357 f., 360 f.); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (209); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 539. 297 Übersicht bei Bhattacharyya, 16 Company Lawyer 1995, 313 ff. 298 Re Unisoft Group Ltd (No 3) [1994] 1 BCLC 609, 620: „[T]he shadow director must be, in effect, the puppet-master controlling the actions of the board. The directors must be (to use a different phrase) the ‚cat’s paw‘ of the shadow director“; ähnlich restriktiv Re PFTZM [1995] BCC 280. 290

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handeln“ ähnlich restriktiv als „ein Verhaltensmuster, nach dem der Geschäftsleitung überhaupt kein eigener Entscheidungs- oder Ermessensspielraum verbleibt, sondern sie lediglich die Anweisungen anderer ausführt“.299 Nach diesen Kriterien konnte eine Muttergesellschaft nur in dem äußerst seltenen Fall als shadow director belangt werden, dass der Tochtergesellschaft überhaupt kein eigenständiger Handlungsspielraum mehr verblieb. Die Vorgabe von operativen Richtlinien an die Tochter genügte nicht. Diese Interpretation scheint über die Erfordernisse der Legaldefinition hinaus zu gehen. Deswegen hat der Court of Appeal in der im Jahre 2001 ergangenen Grundsatzentscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Deverell 300 die Anforderungen gleich in mehrfacher Hinsicht gelockert. So verwarf er ausdrücklich das Bild des Marionettenspielers ( puppetmaster), da damit zu strenge Anforderungen verbunden seien.301 Es komme allein darauf an, ob der Gesellschafter im Hintergrund „wahren Einfluss“ auf die Geschäftsleitung ausgeübt habe; eine vollständige Kontrolle über alle Belange der Geschäftstätigkeit sei nicht erforderlich.302 Demzufolge kann eine Muttergesellschaft nicht einer Qualifizierung als shadow director entgehen, wenn der Tochtergesellschaft strategische und wesentliche Geschäftsentscheidungen vorgegeben werden, ihr aber dennoch in Teilbereichen ein eigener Handlungsspielraum verbleibt. Das bloße Halten einer Mehrheitsbeteiligung oder personelle Verflechtungen genügen aber nach wie vor nicht. Die Hoffnung, über eine materielle Definition des shadow director zu einer erweiterten Konzernhaftung zu gelangen, wurde durch die Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Becker303 aber wieder zerstört. Das Gericht hob hervor, dass die Geschäftsleitung einem konsistenten Verhaltensmuster folgen müsse. Es genüge daher nicht, dass die Direktoren in Einzelfällen den Anweisungen des Mehrheitsgesellschafters gefolgt sind, selbst wenn sie in der Krise der Gesellschaft erteilt wurden. Es bleibt festzustellen, dass die Tatsachenlage im Einzelfall entscheidend ist, ob eine Muttergesellschaft als shadow director ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden kann. Konzernbeziehungen können deswegen so gestaltet werden, dass das Risiko der Muttergesellschaft, als shadow director verantwortlich gemacht zu werden, minimal gehalten wird.304 299 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 183: „What is needed is (. . .) a pattern of behaviour in which the board did not exercise any discretion or judgement of its own, but acted (merely) in accordance with the directions of others“. 300 [2001] Ch. 340. 301 Id., 355. 302 Id., 354. 303 [2003] BCLC 555. 304 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 31.

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4. Konzernrechtspraxis a) Durchsetzungmangel Die Annahme, dass s. 214 IA 1986 mit seiner Erstreckung auf den shadow director effektiven Gläubigerschutz im Konzern bewirkt, erscheint angesichts der bisherigen Konzernrechtspraxis als überzogen.305 Empirische Daten belegen, die Haftung wegen wrongful trading in der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Praxis eine äußerst bescheidene Rolle gespielt hat.306 Bislang gibt es – soweit ersichtlich – nur sechs veröffentlichte Fälle, in denen eine Haftungsklage aus s. 214 IA 1986 erfolgreich war.307 Und auch die Zahl der Verfahren insgesamt ist gering. In der Konzernrechtpraxis zeigt sich ein noch düsteres Bild: Bisher wurde in keinem veröffentlichten Fall eine Muttergesellschaft als shadow director gemäß s. 214 IA 1986 haftbar gemacht.308 Als mögliche Erklärung für die geringe Zahl von Klagen werden im Schrifttum verschiedene Gründe genannt, u. a. die Tatsache, dass von den Geschäftsleitern selbst oft nichts zu holen sei.309 Dieses Argument trifft auf den Konzernsachverhalt sicherlich nicht zu, wenn die Mutter als shadow director qualifiziert werden kann. Stellt man den wenigen Klagen aus s. 214 IA 1986 aber die Vielzahl von Verfahren zur Durchsetzung des Company Directors Disqualification Act 1986 310 gegenüber, so wird der eigentliche Grund für das Klagedefizit bei s. 214 IA 1986 deutlich311: Während die Vorschriften des CDDA 1986 durch das Department for State and Industry durchgesetzt 305 Ebenfalls kritisch Cork Report, Rn. 1939; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 33 ff.; Muscat, Holding Company Liability, S. 213 ff.; Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 112. 306 Kritisch deswegen Finch, Corporate Insolvency Law, S. 513 („great disappointment“); Cook, 2 Insolvency Lawyer 1999, 99 ff. („paper tiger“); Griffin, Personal Liability, S. 96 („sec. 214 has, in reality, failed to fulfill its objective“); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 175 (180, 206 ff.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (309, 318); Hirt, ECFR 2004, 71. 307 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] BCLC 520; Re DKG Contractors Ltd [1990] BCC 903; Re Purpoint Ltd [1991] BCLC 491; sowie die von Sargent, 3 Insolvency Intelligence 1990, 7 berichtete Entscheidung Re Fairmont Tours (Yorkshire) Ltd; Re Brian D (Contractors) Ltd [1999] BCC 26; Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC 235. 308 Eine Konzernhaftung wurde beispielsweise abgelehnt in Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180. 309 Cheffins, Company Law, S. 544; Hicks, 14 Company Lawyer 1993, 16. 310 Allein in den Jahren 2001–2002 wurden über 1750 Direktoren disqualifiziert, wobei Hauptgrund die Unfähigkeit zur Unternehmensführung war (unfitness, s. 6 CDDA 1986), DTI, Companies in 2001–2002, 2002, Table D. 311 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 199.

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werden, dem öffentliche Gelder zur Verfügung stehen, ist bei s. 214 IA 1986 nur der Insolvenzverwalter klagebefugt. Bis vor kurzem war es dabei für den Insolvenzverwalter nicht möglich, die Kosten für erfolglose Klagen aus s. 214 IA 1986 als vorrangige Liquidationsaufwendungen (liquidation expenses)312 aus der Masse ersetzt zu verlangen, und zwar auch dann nicht, wenn gute Erfolgsaussichten bestanden, die Klageerhebung also keinesfalls sorgfaltswidrig war.313 Auch eine Fremdfinanzierung war ausgeschlossen.314 Dieser Rechtszustand wurde zumindest teilweise durch den Gesetzgeber beseitigt. Mit Wirkung zum 1.1.2003 ist nunmehr vorgesehen, dass die bei Klagen aus s. 214 IA 1986 entstandenen Kosten als Liquidationsaufwendungen (liquidation expenses) gelten315, welche vorrangig aus der Masse ersetzt verlangt werden können.316 Zusätzlich konnten nach der Barleycorn Rechtsprechung Liquidationsaufwendungen aus einem Teil der floating charge befriedigt werden, sofern die ungesicherten Vermögenswerte nicht ausreichten.317 Die Hoffnung, diese Gesetzesänderung könnte die prozessuale Durchsetzung von s. 214 IA 1986 beleben318, wurde jedoch durch die Entscheidung des House of Lords in Buchler v Talbot 319 enttäuscht.320 Das House of Lords stellte darin in Abkehr zur alten Barleycorn Rechtsprechung die sog. two funds theory auf, wonach das Vermögen der Gesellschaft sich in der Insolvenz in den debenture holders’ fund und den liquidator’s fund aufspaltet.321 Jeder Fond trägt dabei seine eigenen Kosten zur Durchsetzung seiner Ansprüche.322 Die Liquidationsaufwendungen (liquidation expenses) sind somit nur aus den ungesicherten Vermögenswerten der Gesellschaft ersatzfähig.323 Wegen der üblicherweise alles umfassenden floating charges be312

S. 175 (2) (a) IA 1986. Re MC Bacon Ltd (No 2) [1990] BCLC 670; Re Floor Fourteen Ltd [2001] 2 BCLC 392. 314 Re Oasis Merchandising Services Ltd [1998] Ch. 170. 315 Rule 4.218 (1) (a) of the Insolvency Rules 1986, SI 1986/1925, as amended by the Insolvency (Amendment) (No. 2) Rules 2002, SI 2002/2712. 316 S. 175 (2) (a) IA 1986 i. V. m. Insolvency Rules, rule 4.218 (1) (a). 317 Re Barleycorn Enterprises Ltd [1970] Ch. 465, 476. 318 So Bachner, 5 EOBR 2004, 293 (298); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (181); Parry, 23 Company Lawyer 2002, 49; Tolmie, 6 Insolvency Lawyer 2003, 153. 319 [2004] 1 BCLC 281; die Wichtigkeit der Entscheidung für die Beurteilung der Effektivität von s. 214 IA 1986 blieb dem deutschen rechtsvergleichenden Schrifttum bislang völlig verborgen, exemplarisch: Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (196); Schall, ZIP 2005, 965 (967). 320 Ausführlich hierzu Bicker, GPR 2006, 127 (128). 321 Siehe oben unter § 5 E. II. 4. 322 Buchler v Talbot [2004] BCLC 281, 298 per Lord Millet. 323 Buchler v Talbot [2004] BCLC 281, 298 per Lord Millet. 313

§ 5 Das englische Recht der Unternehmensgruppe

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deutet dies aber, dass praktisch gar keine Vermögenswerte mehr in den liquidator’s fund fallen.324 De facto führt dies zu demselben unbefriedigenden Rechtszustand wie vor der Reform: Die Kosten für erfolglose Klagen aus s. 214 IA 1986 sind von dem Insolvenzverwalter persönlich zu tragen. Es bleibt allein die Hoffnung, dass Buchler v Talbot die Aufgabe das Abtretungsverbot von Ansprüchen aus s. 214 IA 1986 impliziert, was zu einem Markt für Prozesskostenfremdfinanzierung und damit zu einer effektiveren Durchsetzung von s. 214 IA 1986 führen könnte.325 b) Haftungsrechtliche Zurückhaltung Hinzu kommt, dass selbst in den Fällen, die vor die Gerichte kamen – was wegen des hohen persönlichen Prozesskostenrisikos für den Insolvenzverwalter eigentlich gute Erfolgsaussichten impliziert – eine deutliche Zurückhaltung englischer Gerichte auszumachen ist, Geschäftsleiter haftbar zu machen.326 Dieser Befund kann auf die generelle englische Zurückhaltung zurückgeführt werden, betriebswirtschaftliche Fragen zu entscheiden327, was wiederum logisch aus der ordnungspolitischen Vorstellung folgt, größtmögliche Freiheit in gesellschaftsrechtlichen Fragen führe zu einer Steigerung des wirtschaftlichen Gesamtwohls. Diesem liberalen Geist verpflichtet, schrecken englische Gerichte vor einer interventionistischen Handhabe von Haftungsnormen zurück. Die Zurückhaltung im Hinblick auf das piercing the corporate veil ist lediglich Ausdruck der liberalen Grundhaltung, welche konsequent auf s. 214 IA 1986 übertragen wurde.328 Daraus lässt sich schließen, dass, wenn es zu einer europäischen Haftungsnorm wegen wrongful trading kommen sollte, diese in Deutschland, dessen Rechtsordnung als paternalistischer und entsprechend „gläubigerfreundlicher“ charakterisiert werden kann, viel schärfer durchgesetzt werden würde als dies in England der Fall ist. Insbesondere steht zu erwarten, dass deutsche Gerichte von der im Tatbestand des wrongful trading vorgesehenen Vorverlagerung der Haftung tatsächlich Gebrauch machen würden, gerade weil hierzulande ein engerer Zusammenhang zwischen Mindestkapitalisierung und Haftung gelehrt wird.329 324

Kritisch deswegen Mokal LMCLQ 2004, 387 (401); Bicker, GPR 2006, 127

(128). 325

So Bersheda, CSLR 2005, 63 (69) und Armour/Walters, Funding Insolvency: A Functional View, S. 34 ff., die u. a. deswegen die Entscheidung befürworten. Dazu Bicker, GPR 2006, 127 (131). 326 Vgl. Re Continental Assurance Co [2001] BPIR 733; Re Purpoint [1991] BCLC 491; Sherborne Associates Ltd [1995] BCLC 40. 327 Devlin v Slough Estates Ltd [1983] BCLC 497, 504; Burland v Earle [1902] AC 83, 93; Re Smith Fawcett [1942] Ch. 304, 306; Regentcrest plc v Cohen [2001] 2 BCLC 80, 105, ausführlich dazu Cheffins, Company Law, S. 309–323, 328 Ähnliche Einschätzung bei Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (318).

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

c) Die Muttergesellschaft als shadow director Neben dem Durchsetzungsproblem und der haftungsrechtlichen Zurückhaltung ist zudem auf die Schwierigkeiten des shadow director Konzepts hinzuweisen. Vier Tatsachen müssen für eine Haftung als shadow director bewiesen werden330: (1) die Identität der eigentlichen Direktoren, (2) dass die Muttergesellschaft die Mehrheit, wenn nicht gar alle331 Direktoren angewiesen hat, (3) dass die Direktoren den Anweisungen gefolgt sind (4) und dass dies einem eingefahrenen Verhaltensmuster entsprach. Neben den ohnehin hohen Anforderungen des s. 214 IA 1986 bürdet das shadow director Konzept dem Insolvenzverwalter damit eine enorme Beweislast auf, zumal in dem Geflecht von empfehlenden und lenkenden Konzernbeziehungen nur schwer nachvollziehbar ist, ob ein Handeln des board auf einer autonomen Entscheidung beruht oder es von dem herrschenden Gesellschafter instruiert wurde. Ähnliche Probleme stellen sich im Rahmen von § 317 Abs. 1 AktG, wenn nachgewiesen werden muss, dass die nachteilige Maßnahme von der Muttergesellschaft „veranlasst“ war.332 Im Gegensatz zum deutschen Recht, wo zumindest bei einer Abhängigkeitslage von einem Beweis des ersten Anscheins ausgegangen wird333, greifen englische Gerichte in Konzernsituationen nicht auf Beweiserleichterungen zurück. In Secretary of State for Trade and Industry v Deverell wurden die Anforderungen zwar etwas gelockert, die jüngste Entscheidung Secretary of State for Trade and Industry v Becker gleicht aber einem Rückschritt, wenn das Gericht das formale Kriterium des eingefahrenen Verhaltensmusters hervorhebt.334 Dies dürfte Muttergesellschaften kaum davon abhalten, gerade in der Krise der Tochter maßgeblichen Einfluss zum Nachteil der Gläubiger zu nehmen. Hinzukommt, dass s. 214 IA 1986 zeitlich auf den Eintritt der Insolvenz oder unmittelbar davor beschränkt ist. Außerhalb dessen werden konzernintegrative Maßnahmen nicht sanktioniert, selbst wenn sie ursächlich für den Eintritt der Insolvenz waren.335

329

Davies, AG 1998, 346 (348 f.); vgl. auch die parallelen Ausführungen unter § 5 E. II. 4. 330 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 37. 331 Re Unisoft Group Ltd (No 2) [1994] BCC 766, 775 per Harman J. 332 Dazu § 6 D. I. 2. 333 Emmerich/Habersack, S. 404; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 311 Rn. 10; im Einzelnen aber umstritten, Überblick bei Habersack, in: Emmerich/ Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 32 ff. 334 Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2003] BCLC 555; so bereits Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161. 335 Muscat, Holding Company Liability, S. 217.

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5. Zusammenfassung der Ergebnisse Das Durchsetzungsdefizit, der späte Eintritt des moment of truth, die tatbestandliche Beschränkung auf Maßnahmen in der Krise der Gesellschaft und die schwierige Beweisführung hinsichtlich des shadow director lassen den Schluss zu, dass s. 214 IA 1986 keinen angemessenen Gläubigerschutz im Konzern gewährleisten kann.336 Dennoch darf die Wichtigkeit der Norm nicht verkannt werden.337 Die Einführung der wrongful trading Haftung bedeutet nämlich einen Politikwechsel. Zum ersten Mal widmete sich der englische Gesetzgeber ausdrücklich der Problematik einer Konzernhaftung und erkannte, dass eine wirtschaftlich integrierte Konzerngesellschaft sich nachteilig auf die Gläubiger auswirken kann.338 Entwicklungsgeschichtlich kann das sogar der Anfang vom Ende der Salomon-Doktrin in ihrer strengen Form sein. Darüber hinaus hatte s. 214 IA 1986 erheblichen Einfluss auf die Interpretation von Sorgfaltspflichten für Geschäftsführer.339 Während diese früher traditionell subjektiv verstanden wurden340, herrscht nunmehr nach Vorbild von s. 214 IA 1986 eine objektive Auslegung vor.341 Eine deutliche Haftungsverschärfung und verbesserte corporate governance Standards waren die Folge.342 Bessere corporate governance Standards bewirken aber nicht nur Anleger-, sondern mittelbar auch Gläubigerschutz. Denn die Gläubiger werden am besten geschützt, wenn ihnen ein wirtschaftlich gesunder und damit zahlungskräftiger Schuldner erhalten bleibt. Trotz aller Schwächen ist wrongful trading daher als Schritt in die richtige Richtung anzusehen.343

336 Cork Report, Rn. 1939; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 33 ff.; Muscat, Holding Company Liability, S. 213 ff.; Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 112. 337 Keay, 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (2 f.); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 216; Prentice, in: Grantham/Rickett, Corporate Personality in the 20th Century, S. 99 (125); Mokal, 59 CLJ 2000, 335. 338 Prentice, 13 Connecticut Journal of International Law 1999, 305 (326 f.). 339 Dazu Gower/Davies, 7. Aufl., S. 432–437; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 206–238. 340 Lagunas Nitrate Co v Lagunas Syndicate [1899] 2 Ch. 392, 418; Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch. 425; Re City Equitable Fire Insurance Co [1925] Ch. 407. 341 Bishopsgate Investments Management Ltd v Maxwell (No 2) [1994] 1 All Er 261, 264; Re Westmid Packing Servives Ltd [1998] 2 All ER 124, 130; Re Barings plc (No 5) [2000] 1 BCLC 523, 535 f.; Norman v Theodore Goddard [1991] BCLC 1028; Re D’Jan of London Ltd [1993] BCC 646; Cohen v Selby [2001] 1 BCLC 176, 183; siehe auch den Combined Code, Supporting Principles A.5. 342 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 214 ff.; Gower/Davies, 7. Aufl., S. 433 f.

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III. Insolvenzanfechtungstatbestände 1. Tranactions at an undervalue (s. 238 IA 1986) Nach s. 238 IA 1986 kann der Insolvenzverwalter Leistungen von der Gesellschaft ersetzt verlangen, wenn der Empfänger diese ohne oder ohne gleichwertige Gegenleistung erhalten hat.344 Die Gesellschaft muss sich in dem insolvenzrechtlichen Verfahren der insolvent liquidation oder der administration befinden. Ferner sind nur solche Rechtsgeschäfte anfechtbar, die sechs Monate bzw. zwei Jahre bei verbundenen Personen vor dem Beginn des Insolvenzverfahrens stattgefunden haben.345 Muttergesellschaften fallen unter den Begriff der verbundenen Personen346. In diesem Rahmen sind auch Garantieerklärungen347 von der Tochtergesellschaft für andere Konzerngesellschaften als transactions at an undervalue zu qualifizieren, solange der Gesellschaft keine angemessene Gegenleistung zugeflossen ist.348 Bei allen konzerninternen Transaktionen stellt sich aber das Problem, die zwischen den Gruppenunternehmen erbrachten Sach- oder Dienstleistungen zu bewerten. Denn die Gegenleistung ist nicht isoliert zu sehen, sondern es sind alle nach dem Parteiwillen dazu gehörigen Transaktionen mit zu berücksichtigen.349 Selbst wenn also einige Transaktionen nicht zum tatsächlichen Marktpreis vorgenommen wurden, stellt sich damit immer die Frage, ob der Gesellschaft an anderer Stelle geldwerte Vorteile zugeflossen sind, wie etwa preisgünstige Sach- und Dienstleistungen anderer Konzernunternehmen, oder in wieweit die Gesellschaft vom good will des GesamtkonSo auch Prentice, in: Grantham/Rickett, Corporate Personality in the 20th Century, S. 99 (125) („Section 214 is the right start“); ders., 13 Connecticut Journal of International Law 1999, 305 (326) („step in the right direction“). 344 Daneben gibt es noch den Tatbestand der transactions defrauding creditors, s. 423 IA 1986. 345 S. 238 (1) i. V. m. s. 240 (1) IA 1986; weitere Voraussetzung ist die Zahlungsunfähigkeit vor bzw. aufgrund des Geschäfts, wobei dies bei verbundenen Personen vermutet wird, s. 240 (2) IA 1986. 346 SS. 249 i. V. m. 435 (7), (10) IA 1986; Goode, Principels of Corporate Insolvency Law, S. 139. 347 Muscat, Holding Company Liability, S. 226–234; Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 114. 348 Allgemein zur Bewertung einer transaction at an undervalue, Re MC Bacon Ltd [1990] BCLC 324, 340: Zuerst ist der Wert der Leistung in Ansatz zu bringen, der dann mit dem Wert der Gegenleistung verglichen wird. Beide Werte sind aus der Sicht der Gesellschaft zu bemessen. Näher dazu Armour, in: Armour/Benett, Vulnerable Transactions, S. 37 (41–47, 55–64, 67–78); Mokal/Ho, Journal of Corporate Law Studies 2001, 359. 349 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd [2001] 1 WLR 143. 343

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zerns profitiert hat, dem die betreffende Maßnahme förderlich war.350 Gerade wenn solche konzerninternen Transaktionen an der Tagesordnung sind, erscheint der dadurch generierte good will untrennbar mit entsprechenden Vermögensverschiebungen verbunden, so dass es entsprechend schwierig sein dürfte, der Muttergesellschaft nachzuweisen, dass der Gesellschaft Vermögensgüter zum Nachteil der Gläubiger entzogen wurden.351 Zu der Schwierigkeit, überhaupt eine transaction at an undervalue festzustellen, kommt hinzu, dass nach s. 238 (5) IA 1986 eine Inanspruchnahme ausscheidet, wenn die Gesellschaft das fragliche Geschäft in dem guten Glauben ausgeführt hat, es diene der Geschäftsfortführung und sei der Gesellschaft förderlich. Ein bloßes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung schließt den guten Glauben noch nicht aus, so dass der Einwand häufig dann greifen wird, wenn die Tochtergesellschaft nur glaubte, vom good will des Konzerns zu profitieren.352 2. Unlawful preferences (s. 239 IA 1986) Während s. 238 IA 1986 darauf gerichtet ist, die Integrität des Gesellschaftsvermögens zu bewahren, schützt s. 239 IA 1986 (unlawful preferences) das Gleichbehandlungsgebot aller (ungesicherten) Gläubiger ( pari passu principle).353 Auf den Konzernsachverhalt übertragen kann das Gericht hiernach Leistungen, die die Tochtergesellschaft im Zeitraum von zwei Jahren vor ihrer Insolvenz an die Muttergesellschaft erbracht hat, für ungültig und damit rückzahlbar erklären, wenn der Obergesellschaft durch die Zahlung im Vergleich zu anderen Gläubigern der Tochtergesellschaft eine bessere Position eingeräumt wird, als sie sie ohne diese Leistung innegehabt hätte. Die erforderliche Absicht, den fraglichen Gläubiger mit der Leistung gegenüber sonstigen Gesellschaftsgläubigern zu bevorzugen, wird bei Konzerngesellschaften als „verbundene Personen“354 nach s. 239 (6) IA 1986 widerlegbar vermutet. Prentice ist der Auffassung, dass es einer Muttergesellschaft kaum gelingen wird, die Vermutung der Bevorzugungsabsicht zu widerlegen, wenn sie im Vergleich zu außenstehenden Gläubigern tatsächlich anders behandelt 350

Muscat, Holding Company Liability, S. 236 ff. Muscat, Holding Company Liability, S. 236 ff.; Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 115. 352 Muscat, Holding Company Liability, S. 236 ff.; Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 115; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 546. 353 Prentice, in: Pettet, Company Law in Change, S. 69 (75 f., 82 ff.); Armour, in: Armour/Benett, Vulnerable Transactions, S. 37 (41–47). 354 Mutter- und Tochtergesellschaft gehören nach ss. 249 i. V. m. 435 (7), (10) IA 1986 zu dem Kreis der „verbundenen Personen“ (connected persons). 351

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wurde. Andererseits kann eine Tochtergesellschaft aber plausibel behaupten, sie habe die betreffende Transaktion nicht etwa durchgeführt, um die Mutter zu bevorzugen, sondern um selbst an der Gewinnmaximierungsstrategie des Konzerns teilzuhaben.355 Insofern bietet die Konzernstruktur durchaus Potential dazu, die Vermutung des s. 239 (6) IA 1986 zu widerlegen. Selbst wenn eine Haftung wegen unlawful preferences durchgreift, ist wie bei s. 238 IA 1986 nur der status quo ante wiederherzustellen.356

G. Disqualification und Investigations Wie auch im deutschen Recht ist die Durchsetzung von Pflichtverletzungen durch die Geschäftsführer der Gesellschaft selbst vorbehalten.357 Außenstehende Minderheitsaktionäre sind nur im Ausnahmefall358, Gläubiger überhaupt nicht klagebefugt. Die Entscheidung zur Klageerhebung steht dem board of directors oder der Gesellschaftergesamtheit zu.359 Dementsprechend selten findet eine solche Klageerhebung statt, handeln die Geschäftsführer doch häufig im eigenen Interesse360 oder mag eine Klageerhebung auch wegen der zu befürchtenden negativen publicity gar nicht im 355

Muscat, Holding Company Liability, S. 237. Neben ss. 238, 239 IA 1986 ist noch s. 245 IA 1986 (late floating charges) zu nennen, wonach die Bestellung einer floating charge unwirksam ist, wenn die Gesellschaft zu dieser Zeit bereits insolvent war oder gerade durch die Sicherheitsbestellung insolvent wurde und die Sicherheitsbestellung nicht länger als ein Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist (s. 245 (3) (b), (4) IA 1986). Für verbundene Unternehmen gilt eine verlängerte Frist von zwei Jahren; näher zu s. 245 IA 1986, Benett, in: Armour/Benett, Vulnerable Transactions, 5. Kapitel. 357 Foss v Harbottle (1843) 2 Hare 461, 67 ER 189; Prudential Assurance Co Ltd v Newman Industries Ltd (No 2) [1982] Ch. 204, 210. 358 Zum Tatbestand des „fraud on the minority“, vgl. Estmanco (Kilner House) Ltd v Greater London Council [1982] 1 WLR 2; Burland v Earle [1902] AC 83; Birch v Sullivan [1957] 1 WLR 1247. Zu s. 459 CA (unfair prejudice), vgl. O’Neill v Phillips [1999] 2 All ER 961; zur Anwendung von s. 459 CA 1985 im Konzern zum Schutz von Minderheitsaktionären jüngst Gross v Rackind [2004] EWHC Civ 815; Besprechung von Mukwiri, 26 Company Lawyer 2005, 75. 359 Foss v Harbottle (1843) 2 Hare 461, 67 ER 189; Alexander Ward & Co Ltd v Amyang Navigation Co Ltd [1975] 1 WLR 673, 679; wobei die Kompetenz der Gesellschaftergesamtheit nur schwierig mit dem satzungsmäßigen Kompetenzgefüge zu vereinbaren ist. Denn nach art. 70 der Mustersatzung Table A trifft das board alle operativen Entscheidungen. Die Gesellschafterversammlung darf das board ohne ausdrückliche Kompetenzzuweisung in der Satzung nicht anweisen, Automatic SelfCleansing Filter Syndicate Co v Cunninghame [1906] 2 Ch. 34. Auf den Widerspruch weist hin Gower/Davies, 7. Aufl., S. 445 f. 360 Die Geschäftsführer, um deren Pflichtverletzung es geht, sind von der Stimmenabgabe nicht ausgeschlossen, es sei denn die Satzung bestimmt etwas anderes (etwa dass die Entscheidung zur Klageerhebung einem unabhängigen litigation com356

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besten Interesse der Gesellschaft liegen.361 In der Insolvenz verschiebt sich dieses Kompetenzgefüge aber zugunsten des Insolvenzverwalters362, der regelmäßig alles tun wird, um der Gesellschaft die entzogenen Vermögenswerte wieder zurückzuführen. Wegen der geringen Masse, die dem Insolvenzverwalter zur Durchsetzung dieser Ansprüche zur Verfügung steht363, vertraut das englische Gesellschaftsrecht daneben aber auf die öffentlichen Vollstreckungsvorschriften der Disqualifizierung von Geschäftsführern und den Untersuchungskompetenzen des DTI. I. Disqualification Insbesondere der Company Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986) wird im Rahmen der Durchgriffshaftung diskutiert.364 Nach s. 6 CDDA 1986 kann das Gericht auf Antrag des Secretary of State Direktoren einer insolventen Gesellschaft vom board of directors einer Gesellschaft für die Dauer von 2–15 Jahren ausschließen, sofern sich herausstellt, dass sie „unfähig“ („unfit“) sind, eine Gesellschaft zu führen. Besteht ein öffentliches Interesse an der Ausschließung, so kann dies auch dann vollzogen werden, wenn die betreffende Gesellschaft noch nicht insolvent ist.365 Das Tatbestandsmerkmal der „Unfähigkeit“ ist erfüllt, wenn die Direktoren die Geschäfte zum Nachteil der Gläubiger geführt haben.366 Dabei ist zu berücksichtigen, inwiefern die Direktoren für den Eintritt der Insolvenz, die Nichtleistung bereits bezahlter Güter oder Dienstleistungen und für die Besserstellung einzelner Gläubiger gegenüber der Allgemeinheit verantwortlich waren.367 Geschäftsunfähigkeit liegt ebenfalls vor, wenn die Geschäftsführung rücksichtslos oder inkompetent war.368 Neben s. 6 CDDA 1986 kommt ein Ausschluss auch wegen fraudulent oder wrongful trading in Betracht.369 Wichtig ist, dass sich der Normadressatenkreis auch auf den mittee der Gesellschaft zusteht), John Shaw & Sons (Salford) Ltd v Shaw [1935] 2 KB 113. 361 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 443 ff. 362 Der Insolvenzverwalter übernimmt die Vertretungsbefugnis der Gesellschaft, s. 165 (3) IA 1986. 363 Buchler v Talbot [2004] 1 BCLC 281. 364 Kiggundu, 9 Company Lawyer 1988, 141; Gower/Davies, 7. Aufl., S. 211. 365 S. 8 (1) CDDA 1986. 366 Re Keypack Homecare Ltd [1990] BCLC 440. 367 CDDA 1986, Sch. 1, Part II. 368 Inkompetenz ist gegeben, wenn die Direktoren bei der Delegation von management Aufgaben gar keine oder nur unzureichende Überwachungsmechanismen installiert hatten, Re Barings Plc (No 5) [2000] 1 BCLC 523. 369 S. 10 CDDA 1986.

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de facto und den shadow director erstreckt370, so dass auch eine Ausschließung von Muttergesellschaften in Betracht kommt.371 Nach der Disqualifizierung erstreckt sich das Verbot auf alle direkten oder indirekten Maßnahmen, die mit der Gründung, Unterstützung oder Geschäftsführung der Gesellschaft zusammenhängen.372 Die Gerichte legen dabei das Merkmal „Geschäftsführung“ weit aus. Die Vorgabe von strategischen Unternehmenszielen soll demnach genügen.373 Übernimmt die „disqualifizierte“ Person entgegen dem Verbot doch wieder die Leitung oder Kontrolle über eine Gesellschaft, ist sie für die während dieser Geschäftsführertätigkeit entstehenden Schulden der Gesellschaft persönlich verantwortlich.374 Entsprechend liefert die Norm durchaus Potential, eine Konzernhaftung zu begründen. Allerdings ist bislang noch kein einziger Fall bekannt, in dem eine Mutergesellschaft von der Geschäftsführertätigkeit ausgeschlossen wurde. Dies kann erneut auf die hohen Anforderungen zur Feststellung der Position eines de facto oder shadow director zurückgeführt werden. Die Kompetenznormen des CDDA 1986 erfreuen sich aber ansonsten großer Beliebtheit bei den Behörden. So wurden beispielsweise in den Jahren 2001–2002 über 1750 Direktoren wegen „Unfähigkeit“ von einer weiteren Geschäftsführungstätigkeit ausgeschlossen.375 Die Durchsetzung wirkt dabei in doppelter Hinsicht: Zum einen werden die Direktoren präventiv abgeschreckt, die Geschäfte der Gesellschaft auf dem Rücken der Gläubiger zu führen.376 Zum anderen werden unqualifizierte Individuen für die Dauer von bis zu 15 Jahren vom Markt für Geschäftsführer genommen.377 II. Investigations In England besteht zudem eine staatliche Aufsicht, die den Durchsetzungsmangel von gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzungen ausgleichen 370 SS. 6 (3C), 22 (4), 22 (5) CDDA 1986; dazu auch Schultheiß, Haftung des shadow director, S. 62–65. 371 Siehe dazu oben § 5 E. II. 3. und § 5 F. II. 3. 372 SS. 1(1) (b), 1A (1) CDDA 1986. 373 So befand das Gericht in R v Campbell, dass sich das Verbot auch auf eine beratende Tätigkeit für die Gesellschaft erstreckte; ähnlich streng Drew v HM Advocate [1996] SLT 1062; Re Market Wizard Systems (UK) Ltd [1998] 2 BCLC 282. 374 S. 15 CDDA 1986. Die Verbotsnormen des CDDA 1986 sind schließlich auch strafbewährt, ss. 23, 14 CDDA 1986. 375 DTI, Companies in 2001–2002, Table D. 376 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 218. 377 Das britische Handelsregister unterhält dafür ein disqualified directors register, welches kostenlos auf dessen Internetseite unter www.companieshouse.gov.uk einsehbar ist.

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soll. Staatliche ex post Aufsicht kann dabei auch als ein quid pro quo für das liberale Gründungsregime verstanden werden. Die Staatsaufsicht ist zweigliedrig ausgestaltet. Zum einen kann der Secretary of State Dokumente zur Durchsicht anfordern378, zum anderen hat er die Befugnis, unabhängige Inspektoren zur Untersuchung aller geschäftlichen Belange zu ernennen.379 Die Ernennung eines Inspektors kann auf Antrag der Gesellschaft oder der Gesellschafter angeordnet werden.380 Der Secretary of State kann eine solche Anordnung aber auch von Amts wegen treffen, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Geschäfte mit der Absicht geführt wurden, Gläubiger zu schädigen oder diese in sonstiger Weise gesetzeswidrig waren.381 Die Befugnisse der Inspektoren sind weitreichend und können sich auch auf die Geschäftstätigkeiten anderer Konzerngesellschaften erstrecken.382 Die Inspektoren können ebenso wie die Beamten des DTI383 die Herausgabe von Dokumenten verlangen.384 Die Inspektoren müssen dem Secretary of State Bericht erstatten.385 Kommen sie dabei zu dem Schluss, dass die Gesellschaft in der Tat zum Nachteil der Gläubiger oder gesetzeswidrig geführt wurde, kann der Secretary of State die Gesellschaft zwangsauflösen386 oder eine disqualification order387 bei Gericht beantragen. Vor allem dürften die Regeln aber eine präventiv-abschreckende Wirkung wegen der mit den Unersuchungen verbundenen negativen publicity haben.388 Trotz der weitreichenden Befugnisse wird die Effektivität der 378 S. 447 (2), (3) CA 1985. Regelmäßig bestellt der Secretary of State einen Beamten, der ohne Vorwarnung mit einem Durchsuchungsbefehl ausgestattet (s. 448 CA 1985), die Gesellschaftsräume betreten und nach den geforderten Dokumenten durchsuchen darf, näher zu den Voraussetzungen Farrar/Hannigan, Company Law, S. 505–508. 379 SS. 431, 432 CA 1985. 380 S. 431 CA 1985. Anordnungen gemäß dieser Norm sind aber relativ selten, da zum einen der beantragende Gesellschafter eine Sicherheit in Höhe von £ 5,000 für die anfallenden Untersuchungskosten leisten muss (s. 431 (4) CA 1985) und zum anderen ein guter Grund für die Untersuchung nachgewiesen werden muss (s. 431 (3) CA 1985). Seit 1990 gab es keine einzige Anordnung gemäß s. 431 CA 1985, DTI, Company Investigations, Rn. 32. 381 S. 432 (2) CA 1985. Inspektoren können ferner zur Untersuchung der Gesellschafterstruktur bestellt werden, ss. 442, 444 CA 1985. 382 S. 433 CA 1985; R v Board of Trade Ex p. St Amtrins Preserving Co [1965] 1 QB 603. 383 S. 447 CA 1985. 384 S. 434 CA 1985. 385 S. 437 CA 1985. 386 Zum Beispiel unter s. 124A IA 1986. 387 Zum Beispiel unter s. 8 CDDA 1986. 388 Die Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes liegt im Ermessen des Secretary of State, s. 437 (3) CA 1985. Dokumentenanfragen werden regelmäßig

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

Staatsaufsicht bezweifelt.389 So wurden beispielsweise unter s. 432 (2) CA 1985 nur drei Untersuchungen in den Jahren 1997/98–2001/02 angeordnet. Zudem sind die Untersuchungen zeit- und kostenintensiv390, was darauf schließen lässt, dass sie nur in krassen Missbrauchsfällen und in Fällen von großem öffentlichem Interesse durchgeführt werden.391 Entsprechend schlug das DTI selbst vor, seine Untersuchungskompetenzen grundsätzlich auf Fälle zu beschränken, bei denen ein großes öffentliches Untersuchungsinteresse besteht.392 Etwas häufiger kommen Dokumentenanforderungen nach s. 447 (2), (3) CA 1986 vor393, aber auch diese Fälle kommen im Verhältnis zu der total Zahl von Gesellschaftsinsolvenzen394 selten vor. So gesehen kommt der englischen Staatsaufsicht keine tragende Rolle beim Gläubigerschutz zu; sie hat eher ergänzende Funktion.395

nicht veröffentlicht, allerdings können solche Untersuchungen vor den Angestellten und der Presse kaum geheim gehalten werden, so dass jedenfalls in dieser Hinsicht mit einer negativen publicity zu rechnen ist, näher dazu Gower/Davies, 7. Aufl., S. 467. 389 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 478–480. 390 DTI, Company Investigations, Rn. 97. Beispielsweise hat die Untersuchung der Mirror Group Newspapers Ltd nahezu neun Jahre gedauert und über £ 9,5 Millionen verschlungen, vgl. Gower/Davies, 7. Aufl., S. 468 mit Fn. 6. Weitere Beispiele finden sich bei Farrar/Hannigan, Company Law, S. 498 mit Fn. 5: Die Untersuchung bei Atlantic Computers plc kostete £ 6,5 Millionen, bei Barlow Clowes £ 6,25 Millionen, bei Blue Arrow plc £ 3,5 Millionen, bei Astra Holdings £ 2,2 Millionen und bei London United Investments £ 2,2 Millionen; vgl. ferner DTI, Companies in 1995–96; Companies in 1994–95; Companies in 1993–94; Companies in 1992–93. 391 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 478. 392 DTI, Company Investigations, Rn. 97. 393 Zwischen 1997/98–2001/02 wurden durchschnittlich etwa 180 Anfragen pro Jahr durchgeführt, die Zahlen finden sich bei Gower/Davies, 7. Aufl., S. 468 mit Fn. 4; ähnliche Zahlen finden sich bei Farrar/Hannigan, Company Law, S. 498, in den Jahren 1991/92 bis 1996/97. 394 Im Jahre 2002/03 hatten 16.499 Gesellschaften Insolvenz angemeldet, DTI, Companies in 2002–2003, 2003, Table C2. 395 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 480.

§ 6 Das deutsche Recht der Unternehmensgruppe A. Begriff der Unternehmensgruppe Das Recht der verbundenen Unternehmen im AktG gliedert sich in zwei Teile. In den §§ 15–22 AktG finden sich allgemeine Definitions- und Publizitätsvorschriften, während die §§ 291–328 AktG die Rechte und Pflichten der Beteiligten bei Begründung, Durchführung und Beendigung einer Konzernbeziehung festlegen.1 Das Aktienkonzernrecht kommt zur Anwendung, wenn es sich bei der abhängigen Gesellschaft um eine AG oder KGaA handelt.2 Die §§ 15–19 AktG gelten als allgemeine, rechtsformenübergreifende Definitions- und Publizitätsnormen. Zentrale Bedeutung für die Anwendbarkeit des gruppenspezifischen Aktienrechts kommt dabei dem konzernrechtlichen Unternehmensbegriff zu. Dieser ist im Gesetz nicht definiert. Ausgehend von dem Schutzzeck des Konzernrechts, welches nicht gegen jeden Machtmissbrauch der Mehrheit, sondern nur gegen die Durchsetzung fremder Unternehmensinteressen schützen soll3, ist nach ständiger Rechtsprechung „Unternehmen“ i. S. d. §§ 15–19 ff. AktG jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf seine Rechtsform, wenn er neben der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, die nach Art und Intensität die Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss missbrauchen.4 Die Privatgesellschafter sind deswegen unabhängig von ihrer Beteiligungsquote nicht erfasst5. Das materielle Aktienkonzernrecht der §§ 311 ff. AktG stellt darüber hinaus entscheidend auf den Begriff der Abhängigkeit ab.6 Eine Abhängigkeitslage liegt vor, wenn das herrschende Unternehmen – ggf. durch Kooperation mit anderen – die Möglichkeit hat, direkten oder indirekten Einfluss 1

Emmerich/Habersack, S. 1. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Einl. Rn. 4; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 1. 3 BegrRegE bei Kropff, AktG, S. 373 f. 4 BGHZ 95, 330 (337) („Autokran“); BGHZ 135, 107 (113) („Volkswagen“); kritisch zu der Entwicklung des Unternehmensbegriffs K. Schmidt, AG 1994, 189 ff. 5 BGHZ 69, 334; kritisch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 (20 f.); K. Schmidt, ZIP 1994, 1741 6 Auf die Abhängigkeitslage stellen ebenso ab: §§ 16 Abs. 4, 56 Abs. 2, 71d, 89 Abs. 2 AktG. 2

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auszuüben (§ 17 Abs. 1 AktG).7 Dabei reicht nach dem Wortlaut die reine Möglichkeit der Einflussnahme aus, diese muss jedoch gesellschaftsrechtlich vermittelt sein.8 Nach § 17 Abs. 2 AktG wird ein Abhängigkeitslage widerleglich vermutet, wenn die Gesellschaft in Mehrbesitz eines anderen Unternehmens steht9, wobei die Anteile von abhängigen Unternehmen – also von potentiellen Konzernschwestern – der Obergesellschaft zugerechnet werden (§ 16 Abs. 4 AktG). Der Konzern ist in § 18 Abs. 1 S. 1 AktG einheitlich als Zusammenfassung eines herrschenden und eines oder mehrer abhängiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung definiert (Unterordnungskonzern). Kennzeichnend ist in jedem Fall, dass die Gruppe einem zentralen Finanzmanagement unterworfen ist.10 Für die Fälle des Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG sowie die Eingliederung nach § 319 AktG besteht eine unwiderlegbare (§ 18 Abs. 1 S. 2 AktG), für den Fall der Abhängigkeit eine widerlegbare Konzernvermutung (§ 18 Abs. 1 S. 3 AktG). Das AktG fächert den Konzernbegriff weiter auf, indem es in § 18 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AktG zwischen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern differenziert. Bei letzterem handelt es sich um eine gleichberechtigte Kooperation unabhängiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung.11 Hauptanwendungsfall für einen Gleichordnungskonzern bildeten früher Gewinngemeinschaften nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Heute ist diese Form der Interessenkooperation selten, weil sie nicht mehr als Grundlage der steuerlichen Organschaft nach § 14 KStG anerkannt wird.12 7

Hüffer, AktG, § 17 Rn. 4. BGHZ 90, 381 (395 ff.) („BuM“); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 17 Rn. 15; Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 17 Rn. 53. 9 Zum Begriff der Mehrheitsbeteiligung siehe § 16 AktG. 10 Raiser/Veil, § 51 Rn. 40; Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 18 Rn. 19 ff. Darüber hinaus wird nach dem sog. engen Konzernbegriff eine wirtschaftliche Integration gefordert, während die herrschende Gegenmeinung auch die einheitliche Leitung in anderen Schlüsselbereichen (z. B. Produktion, Verkauf, Organisation) ausreichen lässt, umfassende Übersicht zum Meinungsstand, Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, 4. Aufl., § 18 Rn. 10–14. 11 § 292 Abs. 2 AktG stellt klar, dass ein Gleichordnungsvertrag kein Beherrschungsvertrag ist, so dass auf ihn die §§ 293 ff. grundsätzlich nicht anzuwenden sind. Anderes gilt, wenn zugleich eine Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG) oder eine Betriebsüberlassung (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG) vereinbart ist, Hüffer, AktG, § 18 Rn. 20 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 18 Rn. 25 ff. 12 Allerdings scheint die Fusionskontrollpraxis immer mehr Unternehmensverbindungen zu Tage zu fördern, die als Gleichordnungskonzerne qualifiziert werden können, vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 18 Rn. 26; Emmerich, AG 1999, 529 (532). 8

§ 6 Das deutsche Recht der Unternehmensgruppe

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B. Publizität der Unternehmensgruppe I. Mitteilungspflichten Zweck der §§ 20, 21 AktG ist es, „die Aktionäre, die Gläubiger und die Öffentlichkeit über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser zu unterrichten und die vielfach auch für die Unternehmensleitung selbst nicht erkennbaren wahren Machtverhältnisse in der Gesellschaft deutlicher hervortreten zu lassen.“13 Übersteigt der Anteil der Beteiligung eines Unternehmens an einer AG 25%14, so hat es dies der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 S. 1 AktG). Eine erneute Mitteilungspflicht entsteht, wenn die Mehrheit der Anteile erlangt wird (§ 20 Abs. 4 AktG). Auch ein Absinken der Beteiligung unter die entsprechenden Schwellen ist anzuzeigen (§ 20 Abs. 5 AktG). In Mehrstufigkeitsverhältnissen (z. B. Mutter-Tochter-Enkelgesellschaft) bestehen sowohl für das unmittelbar als auch für die mittelbar beteiligten Unternehmen Mitteilungspflichten.15 § 21 AktG normiert nahezu inhaltsgleiche Mitteilungspflichten für Aktiengesellschaften, die an einem anderen Unternehmen im Inland Beteiligungen halten.16 Die Gesellschaft hat die Informationen unverzüglich in ihren Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen (§ 20 Abs. 6 AktG), wobei der elektronische Bundesanzeiger gem. § 25 Abs. 1 AktG das Pflicht-Gesellschaftsblatt ist. Somit können Aktionäre, aber auch Gläubiger, die Beteiligungsverhältnisse bequem auf elektronischem Wege abrufen.17 Ferner sind sie im Anhang des Jahresabschlusses zu veröffentlichen (§ 160 Nr. 8 AktG). Die Offenlegungspflichten nach §§ 20, 21 AktG bewirken aber nur in eingeschränktem Maße eine Publizität der Beteiligungsverhältnisse.18 Die Schwellenwerte 25% und 50% sind viel zu hoch angesetzt, so dass der Aufbau eines Paketes erst sichtbar wird, wenn der Erwerber bereits unterneh13

RegBegr bei Kroff, Kölner Kommentar zum AktG, S. 38. Bei der Berechnung der Kapitalquote werden Anteile von abhängigen Unternehmen dem mitteilungspflichtigen Unternehmen zugerechnet (§ 16 Abs. 4 AktG). Daneben besteht die Zurechnung nach § 20 Abs. 2 AktG, wonach ein Übereignungsanspruch oder eine Abnahmepflicht von Anteilen ausreicht, um die Mitteilungspflicht auszulösen, Hüffer, AktG, § 20 Rn. 3 ff. 15 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 20 Rn. 16, 20. 16 Das Aktiengesetz sieht als Sanktionen für einen Verstoß gegen die Mitteilungspflichten das Ruhen von Verwaltungsrechten vor (§§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG). Bei vorsätzlichem Verhalten ruht zudem der Dividendenanspruch (§§ 20 Abs. 7 S. 2, 21 Abs. 4 S. 2 AktG). 17 Hüffer, AktG, § 25 Rn. 1 f.; Noack, BB 2002, 2025. 18 Kritisch auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 20 Rn. 3; Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 18 ff.; ders., AG 1992, 41 ff. 14

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menspolitische Bedeutung erlangt hat.19 Er muss dabei aber weder die genaue Höhe noch im Falle der Mehrheitsbeteiligung deren Art mitteilen.20 Allerdings verlangt der Zweck der Regelung die Mitteilung, dass die Beteiligung ganz oder teilweise auf einer Zurechnung nach § 16 Abs. 4 oder § 20 Abs. 2 beruht.21 Schließlich muss der Erwerber auch nicht die mit dem Anteilserwerb verfolgte Strategie offen legen. Die Sanktionen bei einem Verstoß scheinen ebenfalls keine abschreckende Wirkung zu entfalten.22 Für börsennotierte Gesellschaften gelten die §§ 21 ff. WpHG als leges specialis23, was nicht ganz unproblematisch ist, weil die Mitteilungen nach §§ 21 ff. WpHG in einzelnen Punkten hinter denen des Aktienrechts zurückbleiben. So stellt § 21 WpHG im Gegensatz zu den §§ 20, 21 AktG allein auf die Stimmrechte und nicht auf die Kapitalanteile ab, was zur Folge hat, dass stimmrechtlose Vorzugsaktien nicht mehr mitteilungspflichtig sind.24 Nach den §§ 21 ff. WpHG trifft jeden Gesellschafter einer börsennotierten Gesellschaft ungeachtet seiner Unternehmereigenschaft ab einer Beteiligung von 5% der stimmberechtigten Aktien eine Mitteilungspflicht. II. Rechnungslegungsvorschriften Jede Kapitalgesellschaft hat einen Jahresabschluss (§ 242 HGB), bestehend aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen (§ 242 HGB), der um einen Bilanzanhang erweitert (§§ 284 f. HGB, § 160 AktG) und durch einen Lagebericht ergänzt werden muss (§ 289 HGB). Die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts ist nach §§ 242, 264 Abs. 1 HGB Aufgabe des Vorstands. Daran schließt sich die Abschlussprüfung durch einen oder mehrere Abschlussprüfer an (§ 316 Abs. 1 HGB).25 Die Abschlussprüfung hat sich auf die Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses und die Übereinstimmung von Jahresabschluss und Lagebericht zu erstrecken, so dass keine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erweckt wird (§ 317 HGB). Die Prüfung schließt mit einem Prüfungsbericht (§ 321 HGB). Sind keine Einwendungen zu erheben, erteilen die Abschluss19

Burgard, AG 1992, 41 (44). Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 20 Rn. 31; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien 4. Aufl., § 20 Rn. 34. 21 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 20 Rn. 34. 22 Burgard, AG 1992, 41 (44). 23 §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 5 AktG. 24 Kritisch deswegen Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 20 Rn. 4; Schneider, in: Assmann/Schneider, WpHG, vor § 21 Rn. 45; Schneider, AG 1997, 81 (82). 25 Kleine Gesellschaften sind von der Pflichtprüfung ausgenommen, § 316 Abs. 1 S. 1 HGB. 20

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prüfer einen Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB). Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, so ist er festgestellt (§ 172 AktG), sofern nicht Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung der Hauptversammlung zu überlassen. Die Hauptversammlung ist bei der Beschlussfassung über den Bilanzgewinn an den festgestellten Jahresabschluss gebunden (§ 174 Abs. 1 S. 2 AktG). Der Jahresabschluss und der Lagebericht mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, dem Bericht des Aufsichtsrats und dem Gewinnverwendungsbeschluss werden bei dem Handelsregister eingereicht und im Bundesanzeiger bekannt gemacht (§ 325 HGB). Obwohl bei der Rechnungslegung eines Unternehmens dessen Verflechtung mit anderen Unternehmen durchaus Berücksichtigung findet (vgl. § 266 Abs. 2 A III Nr. 1, B III Nr. 1 HGB, § 271 Abs. 2 HGB, § 275 Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Nr. 8 HGB, 285 Nr. 11 HGB, § 160 Abs. 1 Nr. 1 AktG), vermitteln die Einzelabschlüsse der Konzerngesellschaften noch kein wahrheitsgetreues Bild der Finanzlage des wirtschaftlich integrierten Konzerns.26 Deswegen muss ein konsolidierter Konzernabschluss aufgestellt werden. So bestimmt § 290 Abs. 1 HGB, dass die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens jährlich einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen haben.27 Der Konzernabschluss besteht aus der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, sowie dem Konzernanhang (§ 297 Abs. 1 HGB). Im Konzerabschluss ist die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so darzustellen, als ob diese Unternehmen insgesamt ein einziges Unternehmen wären (§ 297 Abs. 3 S. 1 HGB). Zu dem Konzernabschluss der Muttergesellschaft gehört der Konzernanhang, aus dem sich die Beteiligungsstruktur ergibt (§ 313 Abs. 2 HGB, § 160 Abs. 1 AktG). Kennt der Gläubiger aber nur die Tochtergesellschaft, so kann er aus dem Anhang zu dem Jahresabschluss der Tochtergesellschaft gem. § 285 Nr. 14 HGB die Muttergesellschaft erkennen. Die so gewährleistete Offenlegung der Konzernstruktur und der Beteiligungsverhältnisse ist aber kompliziert und im Bereich der Personengesellschaftskonzerne bestehen Publizitätslücken.28 Bedingt durch die verstärkte Orientierung an den International Financial Reporting Standards (IFRS, früher IAS [International Accounting Standards]) auf europäischer Ebene steht das deutsche Recht der Rechnungslegung allerdings vor einem völligen Umbruch.29 Die Fundamentalreform 26

Schneider, ZGR 1984, 497 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 967. Die Pflicht zum Aufstellen einer Konzernbilanz entstammt der Siebenten Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983 ABl.EG Nr. L 193/1. 28 Vgl. Schneider, WM 1986, 181 (188), der deswegen die Einführung eines Konzernregisters fordert, siehe unten. 29 Zur Entwicklung van Hulle, ZGR 2000, 537 ff. 27

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hat dabei zwei Teile: Zum einen wird mit der IFRS-Verordnung30 für Konzerne mit kapitalmarktorientierten Unternehmen ein Konzernabschluss nach IFRS ab dem 1.1.2005 verpflichtend.31 Die EU-Verordnung hat unmittelbare Wirkung und bedarf keiner Übernahme in das deutsche Recht.32 Einzelunternehmen und nicht kapitalmarktorientierten Konzernunternehmen wird ferner durch die IFRS-Anpassungs-Richtlinie33 die Möglichkeit eingeräumt, ihre Einzelabschlüsse bzw. den Konzernabschluss nach IFRS zu erstellen.34 Die Wahlmöglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber in § 325 Abs. 2a HGB bzw. § 315a Abs. 3 HGB übernommen.35 Die IFRS ist von einer akkuraten Darstellung nach dem true and fair view geprägt und stark an dem Informationsinteresse der Anleger orientiert.36 Die deutsche Bilanzierung erfolgt demgegenüber nach dem Vorsichtsprinzip und ist stärker dem Gläubigerinteresse verpflichtet, was typischerweise auch zu Ausschüttungsbegrenzungen führt, in dem der ermittelte ausschüttungsfähige Gewinn vorsichtig festgestellt wird.37 Nach deutschem Bilanzrecht ist deswegen auch das so verstandene Gläubigerinformationsinteresse ein reduziertes: Nicht das realistische Bild wird gezeichnet, sondern ein Minimum.38 Mit dem Abschied vom Vorsichtsprinzip rückt nunmehr die reale Darstellung der wirtschaftlichen Gesamtsituation in den Vordergrund. Zwar verlieren dadurch die herkömmlichen Kapitalerhaltungs30 Verordnung EG Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl.EG Nr. L 243/1 ff. 31 Von der Konzernrechnungslegungspflicht nach IAS/IFRS werden EU-weit ca. 7.000 Konzernmutterunternehmen und in Deutschland ungefähr 750 Konzernmutterunternehmen unmittelbar erfasst werden, Kirsch, Einführung in die internationale Rechnungslegung nach IAS/IFRS, S. 12 f. 32 Schmid, DStR 2005, 80. 33 Richtlinie 2003/51/EG, des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 91/674/ EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie Versicherungsunternehmen, Abl.EG 2003 L 178/16. 34 5.–8., 15. Erwägungsgrund IFRS-Anpassungs-Richtlinie; vgl. Busse von der Colbe, BB 2002, 1530 (1533). 35 Eingeführt durch das Bilanzrechtsreformgesetz, BGBl I 2004, 3166. Weil sich das Unternehmen nach dem IFRS-Abschluss deutlich positiver darstellen lässt als nach dem HGB-Abschluss (Schätzungen zufolge um die 30% positiver), wird die Sogwirkung der Reform erheblich sein, so Merkt, in: Blaurock, Anleger und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (66). 36 Achtleitner/Behr, International Accounting Standards, S. 111. 37 K. Schmidt, S. 436; Schmid, DStR 2005, 80 (81). 38 Grundmann, DStR 2004, 232 (234); Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (560 f.); Schmid, DStR 2005, 80 (81).

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regelungen ihre bilanzielle Grundlage39, allerdings ist als Gegengewicht nunmehr auch das Gläubigerinformationsinteresse umfassend ausgestaltet. Entsprechend des vom EuGH und der ökonomischen Analyse bevorzugten „Informationsmodells“ soll der „mündige Gläubiger“ durch akkurate Information befähigt werden, für sich selbst die richtige Entscheidung zu treffen und sich privatautonom abzusichern anstatt auf institutionelle Schutzmechanismen angewiesen zu sein.40 Andererseits wurde auch auf die erheblichen Schwächen der privatautonomen Risikoabsicherung hingewiesen, die vor allem im Konzern bestehen.41 Insofern scheint die Vorstellung vom „mündigen Gläubiger“ nicht in allen Belangen zu überzeugen. Das „Informationsmodell“ dürfte daher weniger auf dessen Vorteilhaftigkeit gegenüber den institutionellen Schutzmechanismen des klassischen Gesellschaftsrechts beruhen, sondern vielmehr einer Akzentverschiebung vom Gläubiger- hin zum Anlegerschutz nach angloamerikanischem Vorbild entspringen.42

C. Die konzernspezifische Haftung im Vertragskonzern I. Haftung im AG-Vertragskonzern 1. Unternehmensvertrag Das deutsche Konzernrecht gründet auf der Unterscheidung von Vertragsund faktischem Konzern. Die Regelung beruht auf der Annahme, dass im wirtschaftlich integrierten Konzern die auf das Eigeninteresse der Gesellschaft bezogenen Rechtsregeln ohnehin unterlaufen werden. Mit der Privilegierung der nachteiligen Leitungsausübung (§ 308 Abs. 1 S. 1 AktG) im Vertragskonzern sollte daher die immer größer werdende Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit überwunden werden.43 Vertragskonzerne entstehen aufgrund eines Unternehmensvertrages i. S. v. §§ 291, 292 AktG. Der Ab39

Merkt, ZGR 2004, 305 (309). Siehe oben § 3 C. II. 3. 41 § 5 B. 42 Als Ausprägung dessen sei auch auf die Kollision zwischen §§ 37b, c WpHG und den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln (§§ 57, 71 AktG) hingewiesen. Auch hier geht die h. M. von einem Vorrang des Anlegerschutzes aus, vgl. BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 (1273) (EM.TV) mit Anm. Fleischer, ZIP 2005, 1805 (1810); Möllers, BB 2005, 1637 (1639 ff.). Ähnlich verhält es sich bei der Anwendung der c. i. c.-Grundsätze auf fehlerhafte Stille Gesellschaften, vgl. BGH NZG 2005, 261; BGH ZIP 2005, 753 ff. („Göttinger Gruppe“); zuletzt BGH v. 26.9.2005 – II ZR 314/03; kritisch hierzu Wagner, NZG 2005, 499 ff.; Kiethe, DStR 2005, 924 ff. 43 BegrRegE bei Kropff, AktG, S. 374. 40

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schluss eines solchen erfordert die Zustimmung der Hauptversammlung von Mutter- und Tochtergesellschaft mit ¾-Mehrheit des Grundkapitals (§ 293 Abs. 1, 2 AktG). Die §§ 293a ff. AktG gewähren den Minderheitsaktionären Prüfungs- und Informationsrechte. Hauptanwendungsfall des Vertragkonzerns ist der Beherrschungsvertrag gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG. Der Vertrag gibt dem herrschenden Unternehmen das Recht, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft umfassend Weisungen zu erteilen, und zwar auch solche, die für die Gesellschaft nachteilig sind, sofern sie nur im übergeordneten Interesse des herrschenden Unternehmens oder des Gesamtkonzerns liegen (§ 308 Abs. 1 AktG). Der Beherrschungsvertrag verändert dabei die wirtschaftliche Ausrichtung des abhängigen Unternehmens und formt deren inneres Kompetenzgefüge neu.44 Auch die aktienrechtliche Vermögensbindung wird aufgehoben (§ 291 Abs. 3 AktG).45 Um eine einheitliche Veranlagung der Körperschaftssteuer zu erreichen, wird der Beherrschungsvertrag regelmäßig von dem in §§ 14 S. 1, 17 S. 1 KStG geforderten Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 2) AktG begleitet.46 Zugleich greifen nur in diesen Fällen die Schutzinstrumente der §§ 300 ff. AktG umfassend ein. Bei den in § 292 AktG aufgezählten Unternehmensverträgen47 sieht das Konzernrecht dagegen nur wenige oder keine Sondervorschriften zum Schutz der Gläubiger vor. 2. Gläubigerschutz nach den §§ 300–310 AktG a) Haftung nach § 309 AktG und § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 31, 278 BGB Die Ausrichtung der beherrschten Gesellschaft auf das Konzerninteresse und die Aufhebung der Vermögensbindung gefährden die Vermögenssub44

Deswegen handelt es sich bei dem Beherrschungs- wie auch bei dem Gewinnabführungsvertrag um einen Organisationsvertrag, Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 291 Rn. 25. 45 Die Vereinbarkeit des in § 291 Abs. 3 AktG normierten Konzernprivilegs mit den Art. 15 und 16 der Kapital-Richtlinie von 1976 (Abl.EG 1977 Nr. 26/1) ist zwar umstritten (vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (24); Mülbert, Festschrift Lutter, S. 535 (552 f.), aber im Hinblick auf § 302 AktG wohl zu bejahen, Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 145 ff.; ausführlich zum Meinungsstreit, WimmerLeonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 23–30. 46 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, 7. Aufl., 2001, S. 182. Daneben gibt es als Sonderfall sog. Teilgewinnabführungsverträge i. S. v. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG, die stille Beteiligungen i. S. d. § 230 HGB an einer AG sind, Hüffer, AktG, § 292 Rn. 15. 47 Diese sind nur schuldrechtliche Austauschverträge, BegrRegE bei Kropff, AktG, S. 378; K. Schmidt, ZGR 1984, 295 (304 f.).

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stanz der Gesellschaft und damit mittelbar auch deren Gläubiger.48 Denn der Vorstand der abhängigen Gesellschaft muss einer rechtmäßigen Weisung Folge leisten, so dass die §§ 76, 93 AktG zum Schutz der Gesellschaftsinteressen nicht anwendbar sind. Nach h. M. findet die Rechtmäßigkeit nachteiliger Weisungen (§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG) aber ihre Grenze, wenn sie die Existenz der abhängigen Gesellschaft gefährden.49 Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft machen sich daher nach § 310 Abs. 1 AktG schadensersatzpflichtig, wenn sie die Rechtmäßigkeit der Weisung nicht hinreichend überprüfen oder rechtswidrige Weisungen befolgen.50 Daneben sind nach § 309 Abs. 2 S. 1 AktG auch die Vorstandsmitglieder des herrschenden Unternehmens zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie bei Ausübung der Weisung nicht die erforderliche Sorgfalt angewendet haben.51 Paralell zu den Organmitgliedern haftet auch das herrschende Unternehmen für rechtswidrige Weisungen gegenüber der abhängigen Gesellschaft.52 Umstritten war lediglich, ob der Anspruch auf Vertrag oder Gesetz (§ 309 AktG analog) beruht. Mittlerweile lässt sich das Ergebnis ganz zwanglos aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 31, 278 BGB ableiten.53 Zwar sind die Kapitalerhaltungsvorschriften nach § 291 Abs. 3 AktG ausge48

Raiser/Veil, § 54 Rn. 46 ff. OLG Düsseldorf AG 1990, 490 (492); Hüffer, AktG, § 308 Rn. 19; a. A. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 308 Rn. 32. 50 Die Folgepflicht endet nach § 308 Abs. 2 AktG, wenn eine nachteilige Weisung offensichtlich weder den Belangen des herrschenden Unternehmens noch denen anderer konzernverbundener Gesellschaften dient, Hüffer, AktG, § 308 Rn. 22 und § 310 Rn. 2. 51 Im Falle der Insolvenz der abhängigen Gesellschaft können die Gläubiger den Anspruch der Tochter gegen die Mutter direkt geltend machen (§ 309 Abs. 4 S. 3 AktG). Auch wird das Klagerecht der Gläubiger durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht berührt (§ 309 Abs. 4 S. 4 AktG). 52 Raiser/Veil, § 54 Rn. 43; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 309 Rn. 136–139. 53 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 309 Rn. 21. Streitig ist aber das Verhältnis der Schadenseratzpflicht nach § 309 AktG zu der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG. Nach verbreiteter Ansicht soll die abhängige Gesellschaft bereits keinen Schaden haben, vgl. Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 309 Rn. 10. Hingegen ist mit der wohl herrschenden Gegenansicht zwischen der Haftung der Organe und der Muttergesellschaft zu differenzieren. Der Konzerngeschäftsleiter haftet auch bei bestehender Verlustausgleichspflicht persönlich, da die auf dem Organschaftsverhältnis beruhende Schadensverlagerung nach dem Normzweck des § 309 AktG den Schädiger nicht entlasten darf. Das herrschende Unternehmen haftet dagegen jedenfalls dann nicht mehr gesamtschuldnerisch, wenn die Ausgleichszahlung geleistet wurde. Vgl. dazu Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 309 Rn. 33; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 309 Rn. 80 ff. Zu der besonderen Problematik der Anrechnung von Konzernvorteilen bei der Schadensberechnung Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 309 Rn. 93 ff. 49

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schlossen, jedoch ist auch bei der AG der Rangrücktritt eines von einem Mehrheitsgesellschafters gewährten kapitalersetzenden Darlehens in der Rechtsprechung anerkannt.54 b) Die konzernrechtliche Ausgleichspflicht nach § 302 AktG Zuvörderst wird aber der Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger durch die jährliche Verlustausgleichspflicht der Muttergesellschaft gemäß § 302 AktG bewirkt. Demzufolge ist jeder während der Vertragsdauer entstehende Jahresfehlbetrag in der Bilanz der abhängigen Gesellschaft vom herrschenden Unternehmen auszugleichen, soweit er nicht durch Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann, die während der Vertragsdauer gebildet wurden.55 Dabei handelt es sich um eine uneingeschränkte gesetzliche Pflicht zur Übernahme des Geschäftsrisikos, unabhängig davon worauf der Verlust beruht.56 Der Anspruch entsteht und wird fällig mit Ende des Geschäftsjahres (Bilanzstichtag), in dem der Jahresfehlbetrag eingetreten ist, nicht erst mit Feststellung der Bilanz.57 Seine Höhe wird durch den zum Bilanzstichtag zutreffend ermittelten Jahresfehlbetrag, nicht aber durch den festgestellten Jahresabschluss rechtsverbindlich festgelegt.58 Entgegen der wohl noch h. M.59 ist im Interesse eines umfassenden Lebensschutzes der Tochtergesellschaft davon auszugehen, dass sie schon während des laufenden Geschäftsjahres Abschlagszahlungen auf den mit Ende des Geschäftsjahres fällig werdenden Verlustausgleich verlangen kann, sofern ihre Zahlungsfähigkeit oder Kreditwürdigkeit ernsthaft bedroht ist.60 Entgegen OLG Jena61 hält der BGH aber eine Aufrechnung (mit Forderungen aus einem konzernweiten Cash-Pooling System) gegen den konzernrechtlichen Verlustausgleichsanspruch für zulässig, soweit die zur Aufrechnung gestellte For54

BGHZ 90, 381 (384 ff.) („BuM“). Zur dogmatischen Einordnung der Verlustausgleichspflicht vgl., Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 14–23. 56 Raiser/Veil, § 54 Rn. 52. 57 Ansonsten hätte das herrschende Unternehmen die Möglichkeit, auf die Entstehung des Anspruchs durch Verzögerung der Feststellung der Bilanz Einfluss zu nehmen, heute ganz h. M., vgl. BGH DB 1999, 2457; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 302 Rn. 68; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 302 Rn. 40; früher umstritten, siehe den Überblick über den Meinungsstand bei Kleindiek, ZGR 2001, 479 (485 ff.). 58 BGHZ 142, 382; bestätigt durch BGH AG 2005, 397. 59 Vgl. Krieger, Münchener Hdb.GesR, Bd. 4, § 70 Rn. 60 m. w. N. 60 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 35 f.; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 297 Rn. 117 ff.; Priester, ZIP 1989, 1301 (1307 f.). 61 OLG Jena vom 21.9.2004 – 8 U 1187/03, GmbHR 2005, 1058; kritisch hierzu mit guter Argumentation Hentzen, AG 2006, 133 ff. 55

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derung vollwertig ist.62 Das kapitalgesetzliche Aufrechnungsverbot (§ 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG) sei nicht auf den konzernrechtlichen Anspruch auf Verlustausgleich andwendbar, weil Voraussetzungen und Schutzzweck beider Ausgleichsmechanismen unterschiedlich seien.63 Dem ist zuzustimmen. Denn im Gegensatz zu den Kapitalerhaltungsvorschriften setzt § 302 AktG keine Unterbilanz voraus, sondern erfasst den gesamten Jahresfehlbetrag, auch wenn am Bilanzstichtag das Stammkapital noch gedeckt ist.64 Auch kann ein gemäß § 302 AktG auszugleichender Fehlbetrag ganz andere Ursachen als eine verbotene Einlagenrückgewähr haben, beispielsweise eine schlechte Ertragslage. Neben § 302 AktG wird die Vermögenssubstanz der Tochtergesellschaft durch einen Höchstbetrag der Gewinnabführung (§ 301 AktG) und durch die Pflicht zur erhöhten Rücklage (§ 300 i. V. m. § 150 Abs. 2 AktG) geschützt. c) Beendigung von Vertragskonzernen Die Effektivität der Ausgleichspflicht ist jedoch höchst umstritten. Zwar ist bei korrekter Handhabung des § 302 Abs. 2 AktG und Zahlungsfähigkeit des herrschenden Unternehmens eine Insolvenz der abhängigen Gesellschaft für die Dauer des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ausgeschlossen.65 Da jedoch das Gesetz nur um die Sicherung des bilanziellen Anfangsvermögens bemüht ist66, bleibt eine nachhaltige Schädigung der abhängigen Gesellschaft durch den Entzug wertsteigender Vermögenspositionen oder vorvertraglicher stiller Reserven möglich.67 Dies macht sich insbesondere nach Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages bemerkbar, wenn die abhängige Gesellschaft aufgrund dieser schleichenden Auszehrung nicht liquide und überlebensfähig ist.68 Ein Verbot zum Abzug stiller Reserven69 besteht nicht, insbesondere ist § 301 AktG nicht anwendbar.70 Den Gläubigern ist auch nicht durch Sicherheitsleistungen nach § 303 AktG gedient, da diese sich nur auf Forderungen beziehen, die während des Unternehmensvertrages entstanden sind.71 Da nach 62

BGH v. 10.7.2006 – II ZR 238/04 = ZIP 2006, 1488. BGH v. 10.7.2006 – II ZR 238/04 = ZIP 2006, 1488. 64 Verse, ZIP 2005, 1627 (1631). 65 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 302 Rn. 41; Altmeppen, DB 2002, 879. 66 BegrRegE bei Kropff, AktG, S. 375. 67 Emmerich/Habersack, S. 280. 68 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 37 ff. 69 Dies wird diskutiert von Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, Teil II. 70 BGHZ 135, 374; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 301 Rn. 6a. 63

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dem Konzept der §§ 302, 303 AktG nur das bilanzielle Anfangsvermögen wiederherzustellen ist, muss auch eine Verpflichtung der Vertragspartner zur Vereinbarung einer Wiederaufbauhilfe abgelehnt werden72, zumal zu Beginn des Unternehmensvertrages noch gar nicht absehbar ist, wie am Ende die konkrete Aufbauhilfe aussehen soll.73 Die Lösung der Problematik hängt eng mit der Frage der Existenzgefährdung zusammen. Klar ist, dass nach der Konzeption der Verlustausgleichspflicht und den substantiellen Schranken des Weisungsrechts die Existenz des abhängigen Unternehmens für die Dauer des Vertrages garantiert ist. Nach einer Ansicht soll die Pflicht zur ordnungsgemäßen Konzernführung sich auch auf die Berücksichtigung der Auswirkungen der Konzernpolitik auf die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erstrecken, was dann unter Umständen zu einer Schadensersatzverpflichtung nach § 309 Abs. 2 AktG bzw. § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 31, 278 BGB führen kann.74 Andere leiten eine Bestandserhaltungspflicht bei nachvertraglicher Existenzgefährdung aus der gesellschaftlichen Treuepflicht ab.75 Beide Lösungsvorschläge teilen aber den Mangel, dass es im Geflecht von bloß beratenden und konzernlenkenden Maßnahmen schwierig nachzuweisen ist, welche Weisungen existenzvernichtenden Charakter hatten und ob die Existenzvernichtung tatsächlich kausale Folge dieser Weisung war. Ein unendlicher Streit, welche Weisungen potentiell die nachvertragliche Existenz bedrohen, wäre vorprogrammiert.76 Daher ist der Vorschlag Altmeppens vorzugwürdig, die Problematik im Rahmen der letzten vertraglichen Ausgleichspflicht anzugehen.77 Entgegen der bisherigen h. M.78 sollte bei der letzten Berechnung der Verlustausgleichspflicht zum Stichtag der Beendigung des Vertrages die Fort71

Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 303 Rn. 14 ff. Zustimmend aber Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 203 ff. 73 Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 7; Zöllner, ZGR 1992, 173 (186 ff.); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 38. 74 Emmerich/Habersack, S. 281 und S. 370 ff., die aber wegen der schwierigen Prognostizierbarkeit solche Schranken des Weisungsrechts höchstens in evidenten Missbrauchsfällen annehmen wollen; ähnlich Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 39 f., die eine Bestandserhaltungspflicht bei späterer Existenzgefährdung aus der gesellschaftlichen Treuepflicht ableitet. 75 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 39 f. 76 Vgl. zur Schwierigkeit bei der Feststellung, wann eine Weisung im Rahmen des § 308 Abs. 2 S. 2 rechtswidrig ist, Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 308 Rn. 110 ff. 77 Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl., 2002, § 302 Rn. 39 ff.; tendenziell auch K. Schmidt, ZGR 1983, 513 (532 f.); W. Müller, Festschrift Kropff, 1997, S. 518 (524 ff.). 78 BFHE 90, 370; OLG Düsseldorf AG 1999, 89 (91); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 302 Rn. 19. 72

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führungsprognose der abhängigen Gesellschaft einbezogen werden.79 Bei negativer Fortführungsprognose ist dann ähnlich wie bei der Insolvenzverschleppungshaftung (§ 19 Abs. 2 S. 2 InsO) der Ausgleichsanspruch auf der Basis von Liquidationswerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu berechnen. d) Das Konzept der Innenhaftung Als weitere Schwäche des § 302 AktG wird ferner angesehen, dass die Vorschrift nur eine Innenhaftung der Mutter gegenüber der Tochtergesellschaft vorsieht, so dass die Gläubiger sich diesen erst pfänden und überweisen lassen müssen, bevor sie gegen die Muttergesellschaft vorgehen können.80 Dabei ist zu beachten, dass ein Vergleich oder ein Verzicht durch die Tochter auch gegenüber den Gläubigern wirkt. Vergleich oder Verzicht werden allerdings erst 3 Jahren nach Beendigung des Unternehmensvertrages wirksam ist (§ 302 Abs. 3 AktG).81 II. Eingliederungskonzern Nach den Regelungen des Eingliederungskonzerns (§§ 319–327 AktG) kann das herrschende Unternehmen die Minderheitsgesellschafter ab einer Beteiligung von 95% gegen Abfindung ausschließen und die Tochter vollständig eingliedern. Mit der Eintragung wird die Tochter zu einer rechtlich selbständigen Betriebsabteilung der Obergesellschaft, die einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt (§ 323 AktG).82 Im Gegensatz zur Verschmelzung verliert sie also nicht ihren Status als eigenständige juristische Person. Die Gläubiger werden zum einen durch einen Anspruch auf Sicherheitsleistung geschützt (§ 321 AktG), zum anderen wird die Obergesellschaft gemäß § 322 AktG zur gesamtschuldnerischen Haftung verpflichtet. III. Haftung im GmbH-Vertragskonzern Die aktienkonzernrechtlichen Regelungen sind nicht unmittelbar auf den GmbH-Konzern anwendbar. Auch bei einer analogen Anwendung ist Vor79

Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 303 Rn. 39 ff.; tendenziell auch K. Schmidt, ZGR 1983, 513 (532 f.); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., 2005, § 302 Rn. 39. 80 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 302 Rn. 44 und 4; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 302 Rn. 20 und 23; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 18. 81 Denn § 302 Abs. 3 AktG enthält keinen dem § 309 Abs. 4 S. 4 AktG entsprechenden Vorbehalt für Gläubiger, vgl. Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 302 Rn. 72. 82 Emmerich/Habersack, S. 130; Raiser/Veil, § 55 Rn. 1

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sicht geboten, weil die Schutzinstrumente den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsform Rechnung tragen müssen. Sofern das herrschende Unternehmen über die Stimmenmehrheit bei der GmbH verfügt, ist der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages zur wirtschaftlichen Integration grundsätzlich nicht erforderlich, weil das umfassende Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 GmbHG bereits zu einer hierarchischen Entscheidungsstruktur führt. Weil das Weisungsrecht jedoch gemäß § 46 GmbHG seine Grenze in der Treuepflicht findet, welche es den Gesellschaftern verbietet, nachteilige Weisungen zu erteilen, ist auch bei der GmbH der Abschluss eines Beherrschungsvertrages empfehlenswert.83 Gewinnabführungsverträge werden regelmäßig zu dem Zweck abgeschlossen, das körperschaftssteuerrechtliche Privileg der Organschaft (§§ 14 S. 1, 17 S. 1 KStG) zu erlangen. Die Zulässigkeit von Unternehmensverträgen i. S. von §§ 291, 292 AktG ist unbestritten.84 Die h. M. hält wegen der personalistischen Struktur der GmbH einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss über den Abschluss eines Unternehmensvertrages für erforderlich85, die Gegenansicht lässt in Anlehnung an § 293 Abs. 1 AktG eine ¾ Mehrheit ausreichen.86 Wegen der satzungsändernden Wirkung bedarf ein Beschluss der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG).87 Im GmbH-Vertragskonzern ist nach ganz herrschender Meinung die Verlustausgleichspflicht nach § 302 Abs. 1 AktG analog anzuwenden.88 Umstritten ist aber, ob § 291 Abs. 3 AktG mit einer entsprechenden Suspendierung der Kapitalerhaltungsvorschriften ebenfalls analog anwendbar ist. Diejenigen Autoren, welche die Verlustausgleichspflicht als Verlängerung der Kapitalerhaltungsvorschriften sehen, kommen entsprechend zu einem Ausschluss der §§ 30 ff. GmbHG.89 Andere lehnen eine Analogie zu 83

Emmerich/Habersack, S. 130. BGHZ 103, 1 (4) („Familienheim“); 105, 324 (331) („Supermarkt“); 116, 37 („Stromlieferung“); Raiser/Veil, § 54 Rn. 11; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 51; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 182 ff. 85 Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 40; Raiser/Veil, § 54 Rn. 17; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 51; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1192 f.; Ebenroth/A. Müller, BB 1991, 358 (359). 86 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Anh. Rn. 49; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, Anh. nach § 52 Rn. 55; Koerfer/Selzner, GmbHR 1997, 285 (287 ff.); offen gelassen von BGHZ 105, 324 (332) („Supermarkt“). 87 BGHZ 105, 324 (331 f., 338) („Supermarkt“). 88 H.M., BGHZ 103, 1 (4 ff.) („Familienheim“); BGHZ 105, 168 (182) („HSW“); Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60 ff.; a. A. aber Bitter, ZIP 2001, 265 (270, 274 ff.); Kübler, Festschrift Heinsius, S. 397 ff. 89 Fleck, Festschrift GmbHG, S. 391 (395 f.); Hommelhoff, WM 1984, 1105 (1110); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 35; Schön, ZHR 159 (1995), 351 (373); Sonnenhol/Gross, ZHR 159 (1995), 388 (409 f.); Jula/Breitbarth, 84

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§ 291 Abs. 3 AktG mangels Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage ab.90 Dafür spricht, dass im AG-Vertragskonzern wegen der strengeren Kapitalerhaltungsregeln eine wirtschaftliche Eingliederung nur unter Ausschließung der §§ 57 ff. AktG möglich ist. Hingegen wird bei der GmbH nur das zur Deckung des Stammkapitals benötigte Vermögen geschützt, so dass eine Konzernintegration trotz zu beachtender Kapitalerhaltungsvorschriften denkbar ist. Zudem stellt der Verlustausgleichsanspruch analog § 302 AktG keinen gleichwertigen Ersatz für die Kapitalerhaltungsvorschriften aus §§ 30, 31 GmbHG dar. Denn die §§ 30, 31 GmbHG sind auf den Erhalt liquider Mittel gerichtet, hingegen gewährt § 302 AktG nur einen künftig fälligen Ausgleichsanspruch für den Entzug liquider Mittel. Auch der BGH hat jüngst zu § 30 GmbHG festgestellt, dass der Austausch liquider Haftungsmasse gegen eine zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Forderung die Vermögenslage der Gesellschaft und die Befriedigungsaussichten ihrer Gläubiger verschlechtere.91 Daher spricht ein optimierter Gläubigerschutz für die parallele Anwendung von § 302 AktG analog und §§ 30, 31 GmbHG im GmbH-Vertragskonzern. Inhaltlich geht der Anspruch aus § 302 AktG analog grundsätzlich auf Erstattung des Jahresfehlbetrages, wobei umstritten ist, ob im Hinblick auf den geringeren Schutzstandard der Kapitalerhaltungsvorschriften im GmbHRecht die Verlustausgleichspflicht auf eine Stammkapitaldeckungspflicht zu beschränken ist.92 Versteht man richtigerweise die Verlustausgleichspflicht nicht als eine bloße Verlängerung der Kapitalerhaltungsvorschriften ist93, sondern als Ausdruck der grundsätzlichen Verpflichtung zur Risikoübernahme infolge der Ausrichtung auf das Konzerninteresse, so muss eine Beschränkung des Anspruchs ausscheiden.94 Der Verweis auf die Vermögensbindung kann schon deshalb nicht tragend sein, weil auch ein NichtAG 1997, 256 (263); Vetter/Stadler, Haftungsrisiken im konzernweiten Cash Pooling, 2003, Rn. 171; ähnlich auch BGHZ 103, 1 (10): „Die Verlustausgleichspflicht dient dem Schutz der GmbH und ihrer Gläubiger gegen die Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz und tritt damit im Vertragskonzern an die Stelle der Kapitalerhaltungsvorschriften“. 90 Raiser/Veil, § 54 Rn. 50; Brandes, Festschrift Kellermann, S. 25 (32 f.); Müller/Goerdeler, in: Hachenburg, GmbHG, § 30 Rn. 72; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 184. 91 BGHZ 157, 72, näher dazu unten § 6 E. II. 1. a). 92 So Zöllner, JZ 1992, 381 (383 f.); Assmann, JZ 1986, 928 (936); Ebenroth, AG 1990, 188 (195); Ebenroth/Wilken, ZIP 1993, 558 (561 f.). 93 So auch die h. M., vgl. BGHZ 103, 1 (10) („Familienheim“); 107, 7 (18) („Tiefbau“); Stimpel, Festschrift Goerdeler, S. 601 (614 ff.); ders., ZGR 1991, 144 (151 ff.); Emmerich/Habersack, S. 291; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 3; Ulmer, NJW 1986, 1579 (1584); jetzt auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 107. 94 Wiedemann, ZGR 1986, 656 (667); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 52 ff.; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, 715 (719 f.); Kleindiek, GmbHR 1992,

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gesellschafter, mit dem ein Beherrschungsvertrag besteht, der Verlustausgleichspflicht unterliegt.95 Neben § 301 Abs. 1 AktG sind auch das Verbot zur Auflösung vorvertraglich gebildeter Rücklagen (§ 302 Abs. 2 AktG)96, sowie die Pflicht zur Sicherheitsleistung (§ 303 AktG) analog anzuwenden.97 Wie beim Aktienvertragskonzern findet auch bei der GmbH das Weisungsrecht seine Grenze in der Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft.98 Das gilt im GmbH-Konzernrecht wegen der besonders ausgeprägten Treuepflicht des herrschenden Unternehmens vielleicht noch stärker als schon im Aktienkonzernrecht.99 Überschreitet daher das herrschende Unternehmen seine Konzernleitungsbefugnis entsprechend § 308 AktG oder den engeren vertraglichen Regeln, so haften seine Organwalter analog § 309 Abs. 2 bzw. das herrschende Unternehmen aus § 309 Abs. 2 AktG analog und § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 31, 278 BGB.100 Befolgt der Geschäftsführer der GmbH unzulässige Weisungen, so haftet er der Gesellschaft auf Schadensersatz gem. § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG und § 310 AktG analog. Die Schutzmängel hinsichtlich der Liquiditätsverluste nach Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages und das Durchsetzungsproblem für Gläubiger bestehen bei dem GmbH-Vertragskonzern ebenso wie bei der AG.101

D. Die konzernspezifische Haftung im faktischen Konzern I. Haftung im faktischen AG-Konzern 1. Gläubigerschutz nach den §§ 311–318 AktG Unter den Begriff des faktischen Konzerns werden alle sonstigen Abhängigkeitsverhältnisse gefasst, die einer vertraglichen Grundlage entbehren. 574 (582 f.); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 64 und § 293 Rn. 40. 95 Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 53. 96 Emmerich/Habersack, S. 492; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 302 Rn. 25. Eine andere Beurteilung kommt konzernrechtlich nur ber Einmanngesellschaft in Betracht oder wenn alle Gesellschafter in dem Vertrag ausdrücklich zugestimmt haben, Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 76. 97 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 188. 98 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 185; Lutter/Hommelhoff, GmHG, Anh. § 13 Rn. 60. 99 Emmerich/Habersack, S. 493; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 189 100 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 189 f. 101 Siehe dazu oben § 6 C. I. 2.

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Gesetzliche Regelungen finden sich in den §§ 311–318 AktG. Im Gegensatz zum Recht des Vertragskonzerns beruht die Regelung des faktischen Konzerns grundsätzlich auf dem Gedanken, dass die unternehmerische Eigenständigkeit des abhängigen Unternehmens nicht angetastet werden darf.102 Dem herrschenden Unternehmen ist es nach § 311 Abs. 1 AktG verboten, nachteilig auf die abhängige Gesellschaft Einfluss zu nehmen, so dass es nur zu solchen Konzernleitungsmaßnahmen berechtigt ist, die zumindest auch im unternehmerischen Interesse der Tochtergesellschaft stehen.103 § 311 Abs. 2 AktG weicht diesen Ansatz jedoch wieder auf, indem eine nachteilige Einflussnahme gerechtfertigt wird, wenn die Nachteile durch die Gewährung gleichwertiger Vorteile ausgeglichen und damit die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft gewahrt werden.104 Die Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme geht regelmäßig mit einer nicht durch einen Gewinnverwendungsbeschluss gedeckten und damit an sich gem. §§ 57, 62 AktG unzulässigen Vermögensverlagerung auf das herrschende Unternehmen einher. Nach h. M. werden die §§ 57 ff. AktG aber durch § 311 Abs. 2 AktG verdrängt.105 Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das herrschende Unternehmen nicht sofort nach der nachteiligen Einflussnahme, sondern erst am Ende des Geschäftsjahres Ausgleich gewährt oder verspricht, wobei das herrschende Unternehmen dann wohl auch zum Ersatz des „Verzögerungsnachteils“ verpflichtet ist.106 Wird die nachteilige Einflussnahme nicht durch einen Ausgleichsanspruch kompensiert, haften das herrschende Unternehmen und dessen gesetzliche Vertreter nach § 317 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG107, wobei sich das herrschende 102

Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 1; Fleischer, DB 2005, 759 (760). 103 Raiser/Veil, § 53 Rn. 2. 104 Die Rechtfertigungsthese entspricht heute h. M., vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 5 und 59; Flume, Juristische Person, S. 169 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 960 ff.; Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 (22 ff.); Hüffer, AktG, § 311 Rn. 6 f. und 42; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Vor § 311 Rn. 5 f.; offengelassen von BGHZ 124, 111 (118 f.). 105 OLG Stuttgart AG 1994, 411 (412); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 311 Rn. 161 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49; Henze, BB 1996, 489 (498 f.); Michalski, AG 1980, 261 (264 f.); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 130 ff.; einschränkend Bayer, Festschrift Lutter, S. 1011 (1030 f.); a. A. Flume, Juristische Person, S. 127; Altmeppen, ZIP 1996, 693 (695 ff.). 106 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., 2005, § 311 Rn. 82, 68, 72. 107 Daneben haftet das herrschende Unternehmen nach § 117 AktG. Der Anspruch wird nach h. M. nicht durch § 317 AktG verdrängt, ist aber wenig praxisrelevant, weil er Vorsatz voraussetzt, dazu Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 317 Rn. 41; Raiser/Veil, § 53 Rn. 41. Auch allgemeine Haftungsgrundlagen kommen daneben in Betracht (z. B. §§ 823, 826 BGB, Durchgriffshaftung, Verletzung

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Unternehmen nach § 317 Abs. 2 AktG nur entlasten kann, bewusster und gewissenhafter Leiter einer unabhängigen selbe Maßnahme vorgenommen hätte.108 Auch Vorstand der abhängigen Gesellschaft haften nach §§ 76, 93, 116 Rechtswidrigkeit einer Maßnahme feststeht.

wenn ein pflichtGesellschaft dieund Aufsichtsrat AktG, wenn die

Die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG – inklusive der Regeln über kapitalersetzende Darlehen109 – sind neben dem Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG ebenfalls anwendbar.110 Diese Kumulation von Ansprüchen ist auch sinnvoll, weil § 317 AktG mehr – nämlich Schadensersatz – unter strengeren Voraussetzungen (Nachweis des nachteiligen Einflusses) gewährt, § 62 AktG hingegen nur einen Einlagenrückgewähranspruch allein aufgrund der Leistung und der (unmittelbaren oder mittelbaren) Aktionärseigenschaft des Empfängers vorsieht.111 Der Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG steht aber unmittelbar nur der abhängigen Gesellschaft zu. Im Falle der Insolvenz können die Gläubiger die Ansprüche der Tochtergesellschaft jedoch direkt geltend machen (§§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 S. 3 AktG).112 Daneben wird die Integrität der abhängigen Gesellschaft durch einen jährlichen Bericht des Vorstands abgesichert, in dem alle konzerninternen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen unter Angabe ihrer Vorteile und Nachteile aufzuführen sind (§ 312 AktG, sog. Abhängigkeitsbericht). Allerdings wird nur die Schlusserklärung des Vorstands nach § 312 Abs. 3 AktG im Lagebericht der Gesellschaft veröffentlicht. Der Bericht ist vom Abschlussprüfer und vom Aufsichtsrat zu prüfen (§§ 313, 314 AktG), wobei wegen der darin enthaltenen Konzerninterna wiederum nicht der Bericht als solcher, sondern nur das Ergebnis der Prüfung offen gelegt wird (§ 314 Abs. 3 AktG). 2. Schwächen des konzernrechtlichen Gläubigerschutzsystems Seit Inkrafttreten des AktG 1965 wird darüber gestritten, ob die Konzeption der §§ 311–318 AktG gelungen ist oder nicht.113 Kritisiert wird hierbei von Treuepflichten und eine Haftung aus Konzernvertrauen), dazu Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 109 ff. 108 BGHZ 141, 79. 109 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., 2005, § 311 Rn. 84; Hommelhoff, WM 1984, 1105 (1110 ff.); Jula/Breitbarth, AG 1997, 256 (264 f.). 110 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 5; Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 26. 111 Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 81. 112 Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 28; Emmerich/Habersack, S. 434. 113 Überblick über die rechtspolitische Würdigung bei Habersack, in: Emmerich/ Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 12. Während zunächst die kritische Stimmen überwogen (vgl. Monopolkommission, VII. Hauptgutachten, BT-Drucks. 11/2677 v.

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vor allem, dass die §§ 311 ff. AktG ihre Schutzwirkung nur entfalten können, wenn eine Maßnahme „nachteilig“ ist und sie auf „Veranlassung“ des herrschenden Unternehmens beruht.114 Mit dem Nachteilsbegriff sind aber erhebliche Bewertungsprobleme verbunden. Denn zur Ermittlung eines nachteiligen Charakters ist das Verhalten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft mit dem fiktiven Verhalten des Vorstands einer unabhängigen Gesellschaft zu vergleichen.115 Eine solche Angemessenheitskontrolle ist insbesondere deshalb schwierig, weil dem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zusteht116, also mehrere Verhaltensweisen sorgfältig und angemessen sein können.117 Auch das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung ist problematisch, da in dem Geflecht von empfehlenden und lenkenden Konzernbeziehungen nur schwer zu unterscheiden ist, ob ein Handeln der abhängigen Gesellschaft vom Konzern veranlasst ist oder auf einer autonomen Entscheidung des Vorstands beruht.118 Allerdings behilft sich die h. L. hier mit Beweiserleichterungen.119 Aber auch diese stoßen an ihre Grenzen, wenn bei zunehmender Intensität der Verflechtung und Abhängigkeit einzelne nachteilige Maßnahmen nicht mehr individualisierbar sind. Die Problematik wird sogleich unter dem Stichpunkt der „qualifizierten“ Nachteilszufügungen diskutiert.120 19.7.1988, Tz. 842; Kronstein, Festschrift Gessler, S. 219 (222)), so sind heute auch eine Reihe von positiven Stimmen zu verzeichnen, da sich vor allem die Gegenvorschläge nicht als überzeugender erwiesen haben, siehe Hommelhoff, Gutachten für den 59. DJT 1992, G 19 ff.; Habersack, Festschrift Peltzer, S. 139 (141); Lutter, ZHR 151 (1987), 444 (460); Rittner, ZGR 1990, 203 (211 ff.); K. Schmidt, JZ 1992, 856 (858 f.); Hüffer, AktG, § 311 Rn. 9. 114 Überblick über die Kritikpunkte bei Kropff, in: MünchKomm. AktG, vor § 311 Rn. 21; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, vor § 311 Rn. 21 ff. 115 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 39 ff. und 53; Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 311 Rn. 139 f.; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 311 Rn. 36. 116 Sog. business judgement rule, BGHZ 135, 244 (253) – „ARAG/Garmenbeck“, jetzt kodifiziert in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG n. F. durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BGBl. I 2005, 2805. 117 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 53. Ferner darf später erlangtes besseres Wissen nicht berücksichtigt werden, da die Beurteilung ex ante zu erfolgen hat, vgl. Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 311 Rn. 141 f. 118 Emmerich/Habersack, S. 403; Kropff, in: MünchKomm. AktG, vor § 311 Rn. 24. 119 Dabei sind freilich alle Einzelheiten umstritten, Überblick bei Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 32 ff. Zumeist wird bei einer Abhängigkeitsbeziehung von einem Beweis des ersten Anscheins ausgegangen, Emmerich/ Habersack, S. 404; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 311 Rn. 10. 120 Der Begriff geht zurück auf Kropff, in: MünchKomm. AktG, Anh. § 317 Rn. 44, der zu Recht den Ausdruck „qualifiziert faktischer Konzern“ für ungeeignet

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Ein weiterer Kritikpunkt ist die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens, den Nachteilsausgleich bis zum Ende des Geschäftsjahres hinauszuschieben.121 Das abhängige Unternehmen bringt dies in eine schwächere Verhandlungsposition, weil es dem Ausgleich „hinterherlaufen“ muss. Schließlich ist auch auf die Widersprüchlichkeit hinzuweisen, die zwischen dem Ziel der Information der Außenseiter über die Konzernbeziehung einerseits und die Nichtveröffentlichung des Abhängigkeitsberichts andererseits besteht. Die Gläubiger sind allein auf das Testat des Abschlussprüfers angewiesen, dessen Unabhängigkeit infolge der Auftragsabhängigkeit zum herrschenden Unternehmen oftmals zweifelhaft ist.122 Nur schwer erklärbar ist auch, warum kleinere und mittelgroße Gesellschaften von der Prüfung des Abhängigkeitsberichts völlig ausgenommen sind.123 Diese Publizitätsmängel dürften mit ein Grund dafür sein, dass bislang kaum ein Fall bekannt ist, bei dem ein Schadensersatzanspruch nach §§ 317, 318 AktG tatsächlich durchgesetzt wurde.124 3. „Qualifizierte“ Nachteilszufügungen a) Problembeschreibung Die Rechtspraxis hat gezeigt, dass die Vorstellung des Gesetzgebers von der Alternativität zwischen faktischem und Vertragskonzern unzutreffend ist. Vielmehr werden die Konzernierungsstufen zeitlich gestaffelt durchlaufen, wobei der Grad der Abhängigkeit steigt. So folgt einer einfachen Abhängigkeitsbegründung zunächst die faktische Konzernierung und danach die früher als „qualifizierte faktischer Konzern“, heute als „qualifizierte“ Nachteilszufügung beschriebene Situation, in der ein einzelgesetzlicher Ausgleich infolge der Dichte der Einflussnahme objektiv nicht mehr möglich ist.125 Hier laufen sowohl die Kapitalerhaltungsvorschriften als auch der Schutz der §§ 311 ff. AktG leer. hält, solche Sachverhalte zu beschreiben. Die Funktionsunfähigkeit der §§ 311 ff. AktG sei nicht auf einen bestimmten Konzerntyp zurückzuführen, sondern entscheidend sei die Entstehung und die Art des Schadens; ähnlich Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 54. 121 Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 311 Rn. 41 f.; ders., Festschrift Kastner, S. 279 (291); Hommelhoff, Gutachten für den Deutschen Juristentag 1992, G 49. 122 Hommelhoff, Gutachten G für den 59. Deutschen Juristentag 1992, G 55; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 313 Rn. 4. 123 Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 313 Rn. 13; ders., ZGR 1988, 558 (560 ff.) 124 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 317 Rn. 3. 125 Kropff, in: MünchKomm. AktG, Anh. § 317 Rn. 44.

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So ist beispielsweise eine Maßnahme dem Nachteilsausgleich (§ 311 AktG) nicht zugänglich, wenn der „Nachteil“ nicht quantifizierbar ist. Die üblichen Bewertungsmethoden scheitern auch, wenn der abhängigen Gesellschaft ganz oder teilweise Geschäftsfelder entzogen, oder einzelne wirtschaftlicher Funktionen durch andere ersetzt werden. Bei diesen nachteiligen Strukturänderungen versagt in aller Regel auch der Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG, weil der Schaden nicht bezifferbar ist, selbst nicht über die Grundsätze der richterlichen Schadensschätzung (§ 287 ZPO). Darüber hinaus können die §§ 311 ff. AktG an der nicht ordnungsgemäßen Buchführung oder Dokumentation im Abhängigkeitsbericht scheitern (sog. „Waschkorblage“).126 So liegt es insbesondere, wenn die abhängige Gesellschaft permanent unangemessene Konzernverrechnungspreise oder Konzernumlagen zu erbringen hat und nicht alle Geschäftsabläufe ordnungsgemäß verbucht bzw. dokumentiert sind. b) Von der Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“ zur Existenzvernichtungshaftung Der BGH hat bei solchen „qualifizierten“ Nachteilszufügungen zunächst für den Bereich des GmbH-Rechts eine konzernrechtliche Haftung entsprechend § 302 AktG entwickelt (sog. Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“).127 Diese konzernrechtliche Haftung wurde später auf den „qualifiziert faktischen AG-Konzern“ übertragen.128 Zuletzt hat der BGH aber – zunächst für die GmbH-Einpersonengesellschaft – diese konzernrechtliche Haftung wieder aufgegeben.129 Er entschied, dass der Schutz einer abhängigen GmbH-Gesellschaft nicht dem konzernrechtlichen Haftungssystems des AktG folge. Für die Fälle des Versagens der Kapitalerhaltungsvorschriften entwickelte der BGH stattdessen die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs. 126

Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Anh. § 317 Rn. 18. BGHZ 95, 330 (340, 345) („Autokran“); BGHZ 115, 187 (197 f.) („Video“); BGHZ 107, 7 (17 ff.) („Tiefbau“); BGHZ 122, 123 (126 ff.) („TBB“). 128 Ganz h. M., OLG Stuttgart DB 2000, 709 (710 f.); OLG Hamm NJW 1987, 1030; Raiser/Veil, § 53 Rn. 65 ff.; Kropff, in: MünchKomm. AktG, Anh. § 317 Rn. 27; Zöllner, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 369 (370, 378); Cahn, ZIP 2001, 2159 (2160); a. A. OLG Düsseldorf AG 2000, 567 (568 f.); Altmeppen, Abschied vom qualifiziert faktischen Konzern, S. 5 ff. 129 BGHZ 149, 10 = NJW 2001, 3622 („Bremer Vulkan“); BGHZ 150, 61 = NJW 2002, 1803 („L-Kosmetik“); BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 („KBV“); jüngst BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“) mit Anm. Schröder = ZIP 2005, 117 mit Anm. Altmeppen; BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“); ausführlich zu den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen unter § 6 G. I. 127

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Die Literatur unterstützt weitestgehend den Rekurs auf die allgemeinen Grundsätze der Durchgriffshaftung anstelle der zuvor dominierenden konzernrechtlichen Haftungsbegründung.130 c) Aktienrechtliche Konsequenzen aus dem Rechtsprechungswandel aa) Meinungsstand Allerdings finden sich bislang kaum Stellungnahmen dazu, ob sich aktienrechtliche Konsequenzen daraus ergeben, dass die „qualifizierte“ Nachteilszufügung bei der GmbH nun nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen behandelt wird. Einige Autoren befürworten nach wie vor eine konzernrechtliche Haftung nach § 302 AktG analog, weil die alternativ in Betracht kommende Existenzvernichtungshaftung auf das Aktienrecht nicht übertragbar sei.131 Dort gebe es keine Weisungsbefugnis der Gesellschafter, auf welcher gerade die „Bremer Vulkan“- und „KBV“-Rechtsprechung entscheidend abstelle, wenn sie betont, dass die Einpersonen-GmbH – vorbehaltlich existenzvernichtender Eingriffe – offen für kompensationslose Nachteilszufügungen durch den Gesellschafter sei.132 Andere lehnen eine solche Analogie mangels Regelungslücke ab und schlagen vor, die Problematik stattdessen über die allgemeine Existenzvernichtungshaftung zu lösen.133 bb) Stellungnahme Richtig ist, dass die Entscheidungen in „Bremer Vulkan“ und „KBV“ eine Einmann-GmbH zum Gegenstand hatten und damit unmittelbar nur auf 130

Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1839 ff.); ders., NJW 2002, 321 ff.; Bitter, WM 2001, 2133 (2137); Bruns, WM 2003, 815 (816 ff.); Drygala, GmbHR 2003, 729 (731 f.); Haas, WM 2003, 1929 (1931 ff.); Lutter/Banjera, ZGR 2003, 402 (407 ff.); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 ff.; Henze, NZG 2003, 649 (656 ff.); Keßler, GmbHR 2001, 1095 (1097 ff.); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (285 f.); Hoffmann, NZG 2002, 68 (70); Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (500); kritisch aber Wilhelm, NJW 2003, 175 (178 ff.); Nassall, ZIP 2003, 969 (970 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1225; ders., NJW 2001, 3577 (3578, 3580 f.), der im Ausnahmefall weiterhin eine Haftung aus § 302 AktG analog annehmen möchte. 131 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 16; Cahn, ZIP 2001, 2159 (2160) (nur Randnotizen); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 380 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 964; Eberl-Borges, Jura 2002, 761 (764); dies., WM 2003, 105 ff. 132 Röhricht, VGR 5 (2002), S. 3 (13 f.). 133 Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 64 und Rn. 73 ff.; Hüffer, AktG, 6. Aufl., 2004, § 1 Rn. 25 f.; Lutter/Trölizsch, in: Lutter, HoldingHandbuch, § 7 Rn. 60.

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den GmbH-Sachverhalt zugeschnitten waren. Jedoch stützte der BGH sein Ergebnis darauf, „dass das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, in der Gesellschaft zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger verbleiben muss“.134 Die Begründung ist also weniger eine GmbH-spezifische, sondern weist vielmehr auf einen allgemeinen Grundsatz des Kapitalgesellschaftsrechts hin. Zudem ist die Kapitalbindung im Aktienrecht stärker ausgeprägt als im GmbH-Recht, so dass einiges dafür spricht, die allgemeine Existenzvernichtungshaftung im Erst-Recht-Schluss auf Aktiengesellschaften zu übertragen. Gleichwohl ist zuzugestehen, dass gerade wegen der weiter reichenden aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln für die nur subsidiär eingreifende Existenzvernichtungshaftung ein geringerer Anwendungsbereich verbleibt als im GmbH-Recht. Bei sog. „qualifizierten Nachteilszufügungen“, welche sich vornehmlich im Konzern ereignen, laufen die aktienrechtlichen Ausschüttungssperren aber ebenso leer wie im GmbH-Recht. Deswegen ist gerade im Aktienkonzern ein Anwendungsfeld der Existenzvernichtungshaftung vorstellbar. Die Tatsache, dass der GmbH-Geschäftsführer weisungsgebunden ist, der Vorstand einer AG dagegen nicht, spricht nicht gegen eine Erstreckung der Haftung auf faktische AG-Konzerne. Zum einen ist in der Konzernrechtspraxis eine formale Weisungsbefugnis häufig gar nicht notwendig, weil das herrschende Unternehmen bereits durch personelle Verflechtungen (etwa Vorstandsdoppelmandate) die Gefolgschaft des abhängigen Unternehmens sichergestellt hat. Zum anderen obliegt trotz der oben beschriebenen Strukturunterschiede sowohl dem AG-Vorstand als auch dem GmbH-Geschäftsführer die Pflicht, der Gesellschaft das Vermögen zu erhalten, welches sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Verletzen sie diese Pflicht, sind in beiden Fällen die Voraussetzungen für eine Existenzvernichtung gegeben.135 Auch die §§ 311 ff. AktG verändern dieses Pflichtenprogramm grundsätzlich nicht. Denn unterbleibt ein Nachteilsausgleich gemäß § 311 Abs. 1 AktG oder sind die zugefügten Schäden gar nicht ausgleichsfähig („qualifizierte“ Nachteilszufügungen), so bleibt es bei dem Prinzip, dass der Vorstand grundsätzlich nur im Interesse der eigenen Gesellschaft handeln darf und auch durch die Kapitalerhaltungsvorschriften gebunden ist.136 Das Pflichtenprogramm von AG-Vorstand und GmbH-Geschäftsführung ist also in den Situationen, in denen eine Analogie zu § 302 AktG diskutiert wird, durchaus vergleichbar. 134

BGHZ 151, 181 (186) („KBV“). Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 73. 136 Raiser/Veil, § 53 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 317 Rn. 5; Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 26 135

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Aus diesen Gründen ist bereits zweifelhaft, ob eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vorliegt, welche eine Analogie zu § 302 AktG rechtfertigen könnte. Jedenfalls aber missachtet eine analoge Anwendung von § 302 den Normzweck der Ausgleichspflicht. Denn wer mit der h. M. in der Verlustausgleichspflicht eine Kompensation für die Aufgabe der Kapitalbindung im Vertragskonzern sieht (§ 291 Abs. 3 AktG)137, kann eine Analogie im faktischen Konzern schon deshalb nicht befürworten, weil bei Versagen der Nachteilsausgleichspflicht die Kapitalerhaltungsvorschriften im faktischen Konzern vollumfänglich anwendbar sind.138 Versteht man § 302 AktG aber als Ausdruck der grundsätzlichen Verpflichtung zur Risikoübernahme infolge der Ausrichtung auf das Konzerninteresse139, so rechtfertigt sich diese Verpflichtung zur Risikoübernahme vor allem in dem Hauptversammlungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft (§ 293 Abs. 2 AktG).140 Gerade an einem solchen fehlt es aber bei faktischen Konzernverbindungen. Damit ist die Interessenlage bei faktischer und vertraglicher Konzernverbindung gerade nicht vergleichbar. Denn letztendlich geht es bei „qualifizierten“ Nachteilszufügungen im faktischen Konzern um den Ausgleich pflichtwidriger Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen, bei denen der gesetzliche Einzelausgleich sowohl nach § 317 AktG als auch nach den §§ 57 ff. AktG versagt. Dies hat nichts mit der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG zu tun, die (auch) bei rechtmäßiger Ausübung des Weisungsrechts greift.141 Auf dieselben Erwägungen stützt sich letztlich auch der BGH, wenn er das kapitalgesetzliche Aufrechnungsverbot (§ 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG) nicht auf den konzernrechtlichen Anspruch auf Verlustausgleich anwenden will, weil Voraussetzungen und Schutzzweck beider Ausgleichsmechanismen unterschiedlich seien.142 Im Gegensatz zu den Kapitalerhaltungsvorschriften setzt § 302 AktG nämlich keine Unterbilanz voraus, sondern erfasst den gesamten Jahresfehlbetrag, auch wenn am Bilanzstichtag das Stammkapital noch gedeckt ist.143 Auch kann ein gemäß § 302 AktG auszugleichender 137

BGHZ 103, 1 (10) („Familienheim“); 107, 7 (18) („Tiefbau“); Stimpel, Festschrift Goerdeler, 1987, S. 601 (614 ff.); ders., ZGR 1991, 144 (151 ff.); Hüffer, AktG, § 302 Rn. 3; Ulmer, NJW 1986, 1579 (1584). 138 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 5; Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 26; Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 317 Rn. 51 und Anh. § 318 Rn. 64. 139 Wiedemann, ZGR 1986, 656 (667); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 52 ff.; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, 715 (719 f.); Kleindiek, GmbHR 1992, 574 (582 f.); wohl auch BGH WM 2001, 77 (78). 140 BGHZ 105, 324 (335 f.) („Supermarkt“); Hüffer, AktG, 6. Aufl., 2004, § 293 Rn. 17; Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 293 Rn. 40. 141 So bereits Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 302 Rn. 99. 142 BGH v. 10.7.2006 – II ZR 238/04 = ZIP 2006, 1488: Kein Aufrechnungsverbot gegen Verlustausgleichsanspruch einer abhängigen Gesellschaft, sofern die zur Aufrechnung gestellte Forderung gestellte Forderung werthaltig ist.

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Fehlbetrag ganz andere Ursachen als eine verbotene Einlagenrückgewähr haben, beispielsweise eine schlechte Ertragslage. Diese Unterschiedlichkeit in Voraussetzungen und Schutzzweck beider Ausgleichsmechanismen, bedeutet aber nicht nur, dass die kapitalrechtlichen Wertungen (Aufrechnungsverbot) nicht auf den konzernrechtlichen Ausgleichsanspruch angewandt werden können, sondern auch umgekehrt, dass ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung § 302 AktG nicht die Wertungen des Kapitalerhaltungsrechts aushebeln darf. Wenn man daher die Existenzvernichtungshaftung als (subsidiären) Teil eben dieses gesetzlichen Kapitalschutzes einordnet, so vermag eine analoge Anwendung der konzernrechtlichen Ausgleichspflicht außerhalb von Vertragsverbindungen unter Verdrängung des allgemeinen Systems nicht mehr zu überzeugen. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, die Problematik der „qualifizierten Nachteilszufügungen“ über die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zu lösen, statt auf die dogmatisch zweifelhafte Analogie zu § 302 AktG zurückzugreifen. II. Haftung im faktischen GmbH-Konzern Insbesondere die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer macht die GmbH anfällig für faktische Konzernierungen (§§ 37 Abs. 1, 45, 46 GmbHG).144 Nach h. M. sind die §§ 311 ff. AktG aber wegen der unterschiedlichen Organisationsstruktur von AG und GmbH nicht anwendbar.145 Gläubigerschutz wird vielmehr durch die Kapitalerhaltungsvorschriften gewährleistet, wobei den §§ 30, 31 GmbHG eine konzerndimensionale Bedeutung zukommt, wenn nicht nur Leistungen an das herrschende Unternehmen, sondern auch an ein von diesem beherrschtes Unternehmen (Schwestergesellschaft) erfasst werden.146 Gleiches gilt für die Grundsätze der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen.147 Im Übrigen werden die Gläubiger reflexartig über das aus der Treuepflicht folgende Schädigungsverbot und seine Sanktionen geschützt.148 Bei der mehrgliedrigen GmbH ist von dem grundsätzlichen Verbot der nachteiligen Einflussnahme auszugehen, wobei sich das 143

Verse, ZIP 2005, 1627 (1631). Emmerich/Habersack, S. 449; Emmerich, Scholz, GmbHG, Anh. § 44 Konzernrecht Rn. 65. 145 BGHZ 65, 15 (18) („ITT“); 95, 330 (340) („Autokran“); 149, 10 (16) („Bremer Vulkan“); Emmerich/Habersack, S. 449; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 76; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 11; a. A. für eine analoge Anwendung der §§ 311, 317 AktG, Kropff, Festschrift Semler, S. 517 (536 ff.); ders., Festschrift Kastner, S. 279 (292). 146 BGHZ 31, 258; 118, 107 (110); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 35. 147 BGHZ 81, 315 (318); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a/b Rn. 63. 144

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Vorliegen einer unerlaubten Einflussnahme am Maßstab des satzungsmäßigen Zwecks und des Unternehmensgegenstandes richtet.149 Verstößt der Mehrheitsgesellschafter gegen diese Treuepflicht, so ist er zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Die Gläubiger können sich den Anspruch pfänden und überweisen lassen, allerdings wird wegen der konzernspezifischen Gefahren auch ein unmittelbarer Anspruch der Gläubiger aus §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 S. 3 AktG analog für möglich gehalten.150 Beim Fehlen von Minderheitsgesellschaftern bzw. bei deren Einwilligung bereitet der Schutz der Gläubiger über gesellschaftsrechtliche Treuepflichten allerdings Schwierigkeiten.151 Hier können die §§ 30, 31 GmbHG allein keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, weil nur Maßnahmen erfasst werden, die unmittelbar oder mittelbar das Stammkapital der Gesellschaft angreifen. Konzernintegrative Maßnahmen, wie der Entzug von Geschäftschancen oder die Veranlassung zur Vornahme riskanter und verlustträchtiger Geschäfte, sind daher nicht erfasst.152 Deswegen hat der BGH das Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs entwickelt, welches auch der Alleingesellschafter zu beachten hat.153 Hintergrund des gesellschaftsrechtlichen Bestandschutzes ist, dass die Gesellschafter die GmbH nicht unter Umgehung der gläubigerschützenden Normen der §§ 65 ff. GmbHG und insbesondere des § 73 GmbHG auf „kaltem Wege“ liquidieren dürfen.154 Wegen der Auflösungsbefugnis der Gesellschafter nach §§ 60 GmbHG geht es bei der Frage des Bestandsschutzes nicht um den Schutz eines Eigeninteresses der Gesellschaft gegenüber ihrem Alleingesellschafter auf Existenz, sondern darum, dass die Gesellschafter wegen der Haftungstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zu beachten haben und der Ge148 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1222 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 17; a. A. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 285 ff., wonach Grundlage der Haftung nicht die Treuepflicht, sondern eine entsprechende Anwendung von § 43 GmbHG sei. 149 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 17. 150 BGHZ 95, 330 (340) („spricht vieles dafür“); Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 91; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 32. 151 Emmerich/Habersack, S. 453; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 17. 152 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 33; Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (92 ff.). 153 BGHZ 149, 10 = NJW 2001, 3622 („Bremer Vulkan“); BGHZ 150, 61 = NJW 2002, 1803 („L-Kosmetik“); BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 („KBV“); ausführlich dazu unter § 6 G. I. 154 Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 87; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Konzernrecht Rn. 90; Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (97 ff.); Henze, GmbHR 2000, 1069 (1072).

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sellschaft nicht Vermögen entziehen dürfen, wenn ihr dadurch die Möglichkeit genommen wird, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.155 Dieses Verbot der Existenzvernichtung wurde bereits im Grundsatze in der „TBB“-Entscheidung156 für die abhängige Einpersonen-GmbH anerkannt157 und schließlich durch die Entscheidungen „Bremer Vulkan“158 und „KBV“159 von seinen konzernrechtlichen Fesseln befreit.160 Es ist auf die mehrgliedrige GmbH zu übertragen161, wobei nur solche Gesellschafter als Durchgriffsschuldner in Betracht kommen, die, und sei es auch nur durch ihr Einverständnis, an der Existenzvernichtung der Gesellschaft mitgewirkt haben.162 Bei Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens steht den Gläubigern ein unmittelbarer Anspruch aus Durchgriffshaftung gegen den entziehenden Gesellschafter zu, sofern der Vermögensabzug nicht schon durch die §§ 30, 31 GmbHG sanktioniert werden kann.163 Die Existenzvernichtungshaftung kann auch nicht durch die Einschaltung einer Zwischenholding umgangen werden.164 So entschied der BGH jüngst unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zum Kapitalerhaltungsrecht, dass auch ein nur mittelbar beteiligter Gesellschafter wie ein unmittelbarer zu behandeln ist, wenn er über eine zwischengeschaltete Holding beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann.165 155

BGHZ 151, 181 (186) („KBV“). BGHZ 122, 123 (130). 157 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 34; Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (107 ff.); Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2022 ff.). 158 BGHZ 149, 10 (16 f.). 159 BGHZ 151, 181 (186) („KBV“). 160 Altmeppen, ZIP 2001, 1837 ff.; ders., ZIP 2002, 1553 ff.; Hoffmann, NZG 2002, 68 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, 3577 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 2021 ff.; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1135 ff.). 161 Hoffmann, NZG 2002, 68 (72 ff.); wohl auch Habersack, in: Emmerich/ Habersack, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 23 und 37. 162 Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (501 f.); Lutter/Banjera, ZGR 2003, 402 (436 ff.); Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 86. 163 BGHZ 151, 181 (187). 164 So war bereits im Geltungsbereich des „qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns“ empfohlen worden, eine haftungsbegründende „Unternehmenseigenschaft“ des herrschenden Gesellschafters im Lichte des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs durch Bildung einer Zwischenholding zu vermeiden, dazu Keßler, GmbHR 2005, 257 (264) m. w. N. Mit Aufgabe der konzernrechtlichen Begründung der Existenzvernichtungshaftung kommt es auf die Unternehmenseigenschaft des Durchgriffsschuldners nicht mehr an, die Haftung erfasst auch den Privatgesellschafter, vgl. Hoffmann, NZG 2002, 68 (71); K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3579); Bitter, ZIP 2001, 272 f. 165 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 (118) („Autohaus-Fall“); zustimmend Keßler, GmbHR 2005, 257 (264 f.); Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (878). 156

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E. Kapitalschutz Der Kapitalschutz hat auch im Konzernrecht eine wichtige gläubigerschützende Funktion. Auch wenn die §§ 57 ff. AktG im AG-Vertragskonzern durch die §§ 291 ff. AktG verdrängt sind, ist zumindest anerkannt, dass ein von einem Mehrheitsgesellschafter gewährtes Darlehen im Rang zurücksteht.166 Beim GmbH-Vertragskonzern kommen nach der hier befürworteten Auffassung die Kapitalerhaltungsregeln samt des Kapitalersatzrechts dagegen voll zum Zuge, § 291 Abs. 3 AktG gilt hier nicht analog.167 Beim faktischen AG-Konzern leben die §§ 57 ff. AktG ebenfalls wieder auf, falls ein Nachteilsausgleich unterbleibt.168 Im faktischen GmbH-Konzern schließlich wird der Gläubigerschutz maßgeblich und vorrangig über die §§ 30 f. GmbHG verwirklicht. I. Mindestkapital Gemäß § 7 AktG beträgt das Mindestkapital e 50.000,– bei der AG und gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG e 25.000,– bei der GmbH. Traditionell wird gelehrt, das Mindestkapital gewährleiste zumindest eine gewisse Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft und sei als „Eintrittspreis“ für das Privileg der beschränkten Haftung zu verstehen.169 Neuerdings ist das Mindestkapitalerfordernis aber in das Kreuzfeuer der Kritik geraten.170 Der EuGH171 und die High Level Group172 sprechen ihm seine Eignung zum Gläubigerschutz ab. In der Literatur gibt es eine starke Strömung, die darauf verzichten will.173 Andere wollen an dem Mindestkapitalerfordernis festhalten und fordern zum Teil sogar eine Erhöhung.174 Die Bundesregierung hatte nach län166

BGHZ 90, 381 (384 ff.) („BuM“); vgl. jetzt § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Raiser/Veil, § 54 Rn. 50; Brandes, Festschrift Kellermann, S. 25 (32 f.). 168 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 5; Kropff, in: MünchKomm. AktG, § 317 Rn. 26. 169 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 557 f.; Kreuzer, ZIP 1980, 597 (599); Priester, DB 2005, 1315 (1317), Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1369); Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (872); Fleischer, DStR 2000, 1015; Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379 f.); Lutter, AG 1998, 375. 170 Grunewald/Noak, GmbHR 2005, 189 ff.; Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (15 ff.); Eidenmüller, Festschrift Heldrich, S. 581 (593); Bitter, WM 2004, 2190 (2195); Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1273); Rickford, EBLR 2004, 921 (923 ff.); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1185 ff.); Ferran, 20 Company Lawyer 1999, 314 ff.; Armour, 63 MLR 2000, 355 (373 ff.); Mülbert/Birke, 3 EBOR 2002, 695 (715 ff.); Kübler, Unternehmensfinanzierung, S. 30 ff.; Bauer, Nennkapitalziffer; Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (82 ff.). 171 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 135. 172 High Level Group, S. 82. 173 Siehe die Nachweise in Fn. 170. 167

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gerem Ringen einen Reformentwurf zur Neuregelung des Mindestkapitals bei der GmbH (MindestkapG)175 in den Bundestag eingebracht, der vorsah, das Mindeststammkapital von e 25.000,– auf e 10.000 zu senken, um „im Zusammenhang mit den Maßnahmen zum Bürokratieabbau“ die Gründung einer GmbH erheblich zu erleichtern.176 Das Gesetz sollte zum 1. Januar 2006 in Kraft treten. Daraus wurde wegen der auf den 18. September vorgezogenen Bundestagswahl nichts. Der neue Referentenwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ist ebenfalls um Deregulierung des Haftkapitalsystems bemüht und schlägt erneut eine Absenkung des Mindestkapitals auf e 10.000 bei der GmbH vor.177 Obwohl gleich das gesamte Nennkapitalsystem kontinentaleuropäischer Prägung in der Kritik steht178, muss bei der Bewertung der Sinnhaftigkeit des Mindestkapitals zwischen jenem und dem Nennkapitalsystem unterschieden werden.179 Denn das Mindestkapital ist keinesfalls notwendige Voraussetzung für den Nennkapitalschutz.180 Das Recht der private limited company belegt, dass Regelungen zur Kapitalaufbringung und zum Kapitalerhalt auch ohne Mindestbetrag vorstellbar sind.181 Dieser ist nur eine „Stellschraube“182 im Nennkapitalsystem, die ohne weiteres auf Null zu174 Priester, DB 2005, 1315 (1317); ders., ZIP 2005, 921; Kleindiek, DStR 2005, 1366 (1369); Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863 (872); Lutter, AG 1998, 375; so wohl auch Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1912). 175 BT-Drucks. 15/5673 vom 14.6.2005. 176 RefE, S. 4, abrufbar unter www.bmj.de/media/archive/908.pdf (zuletzt besucht am 16.1.2006); zu dem Entwurf Seibert, BB 2005, 1061; Priester, ZIP 2005, 921; ders., DB 2005, 1315 (1317 f.); K. Schmidt, DB 2005, 1095; Kleindiek, DStR 2005, 1366 und die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2005, 548. 177 RefE, Art. 1 Nr. 3, abrufbar unter www.bmj.de; dazu Seibert, ZIP 2006, 1157 (1158 f.). 178 Rickford, EBLR 2004, 921 (923 ff.); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1185 ff.); Ferran, 20 Company Lawyer 1999, 314 ff.; Armour, 63 MLR 2000, 355 (373 ff.); Mülbert/Birke, 3 EBOR 2002, 695 (715 ff.); Kübler, Unternehmensfinanzierung, S. 30 ff. Eine Aufhebung des Mindestkapitalerfordernisses bei der AG wäre wegen Art. 6 (1) der Kapitalrichtlinie, Abl.EG Nr. L 26/1 v. 31.1.1977 nur auf europäischer Ebene möglich. Eine Reform der Richtlinie in dieser Hinsicht lehnt aber die High Level Group ( S. 82) mit dem Argument ab, der Aufwand würde die entstehenden Kosten nicht rechtfertigen. Dagegen Rickford EBLR 2004, 921 (923 mit Fn. 33). 179 Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (15 ff.); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433. 180 Eine unrichtige Vermengung findet sich beispielsweise bei Priester, DB 2005, 1315 (1317 ff.). 181 Siehe dazu oben und Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016 f.). 182 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433.

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rückgesetzt werden kann. Die schwindende Unterstützung des Mindestkapitals in Deutschland steht deshalb keineswegs im Widerspruch zu der überwiegenden Auffassung, dass das gesetzliche Nennkapitalsystem zumindest im Grundsatz erhaltungswürdig sei183 Dagegen scheint das Mindestkapital keine wichtige Funktion mehr zu erfüllen. Es spiegelt nur eine finanzielle Anfangssausstattung wider, die nach kurzer Zeit verloren sein kann.184 Der verbreitete Irrglaube, den Gläubigern stehe ein festes Haft- oder Garantiekapital zur Verfügung, kann diese verleiten, auf eine eigenverantwortliche Risikoabsicherung zu verzichten.185 Ein rechtsvergleichender Blick in die USA zeigt, dass dort die Eigenkapitalquote trotz (oder gerade wegen?) fehlender Mindestkapitalvorschriften wesentlich höher liegt als in Deutschland.186 Dem liegt die ordnungspolitische Vorstellung zugrunde, dass nur der Markt eine maßgeschneiderte Eigenkapitalausstattung für Gesellschaften gewährleisten kann. Insbesondere Banken, auf deren Kredite wohl kaum ein kleineres Unternehmen verzichten kann, übernehmen dabei eine Marktzulassungsfunktion, welche in Deutschland häufig (zu Unrecht187) dem Mindestkapital zugesprochen wird. Indem Banken bei ihrer Bonitätsprüfung sorgfältig darauf achten, dass die Gesellschafter ein ausreichendes Eigenrisiko übernehmen, werden sie gewissermaßen als gate-keeper tätig.188 Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der neuen Basel-II Richtlinien. Es sprechen also gute Gründe dafür, dass professionelle Gläubiger in concreto viel eher für eine angemessene Eigenkapitalausstattung sorgen können als eine anfänglich bestehende abstrakte Mindestkapitalziffer. Muss also das Mindestkapital als nahezu funktionslos betrachtet werden, so sind die deswegen bei der Unternehmensgründung anfallenden Kosten nicht zu rechtfertigen.189 Ein Mindestkapital erzwingt nämlich gerade für kleinere Unternehmen die gerichtliche Kontrolle der Kapitalaufbringung. Insbeson183 RefE, S. 4; Schön, 5 EBOR 2004, 429; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (434); K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1096); zu dem alternativ vorgeschlagen Solvency-Test sogleich. 184 Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1186 f.); Grunewald/ Noak, GmbHR 2005, 189 (189); Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (9). 185 So die Kritik von Kübler, Unternehmensfinanzierung, S. 30 ff.; zu diesem Aspekt auch K. Schmidt, DB 2005, 1095 (1096 f.). 186 Perlitz/Küpper/Löbler, ZGR 1985, 16 (18). 187 Das Mindestkapital kann kaum eine einzelne Gesellschaftsgründung verhindern, zumal bei Bargründungen nur ¼ des Mindestbetrages (§ 36a Abs. 1 AktG, § 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG) aufgebracht werden muss. Kritisch zur „Seriositätsgewähr“ des Mindestkapitals daher auch Merkt, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 61 (83). 188 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2004, 433 (435). 189 Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (16 f.); Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 (436 f.); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1195 ff.).

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dere bei Sacheinlagen sind vorab kostenintensive Sachverständigengutachten zu erbringen, die ab dem Stichtag der Gründung für den Gläubigerschutz sofort wieder bedeutungslos werden, weil das Mindestkapital gerade kein fester Haftungsfond ist.190 Meines Erachtens sprechen daher die besseren Gründe dafür, das Mindestkapital abzuschaffen. Gläubigerschutz im Konzern kann es jedenfalls nicht bewirken. II. Kapitalerhaltung 1. Kapitalschutz bei der GmbH a) Verbot der Einlagenrückgewähr und Konzernfinanzierungsstrategien In der GmbH ist der Vermögensschutz auf den Betrag des Stammkapitals begrenzt (§ 30 Abs. 1 GmbHG).191 Im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 AktG verbietet das GmbHG nicht die Rückgewähr von Einlagen, sofern die Zahlung aus dem das Stammkapital überschreitenden Vermögens möglich ist.192 Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet werden, sind der Gesellschaft zu erstatten (§ 31 Abs. 1 GmbHG). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH durch sein Grundsatzurteil vom 24.11.2003193 bislang üblichen Konzernfinanzierungsstrategien enge Grenzen gesetzt hat. aa) Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 Bis dato entsprach die Bestellung schuldrechtlicher oder dinglicher Sicherheiten zugunsten der Muttergesellschaft sowie Kreditgewährungen an Gesellschafter (sog. up-stream oder aufstrebende Darlehen) gängiger Praxis.194 Der BGH entschied nun, dass solche Kreditgewährungen, die nicht aus Rücklagen oder Gewinnvorträgen, sondern zu Lasten des gebundenen Vermögens der GmbH erfolgen, auch dann grundsätzlich als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen zu bewerten sind, wenn der Rückzah190 Zur Liberalisierung des Kapitalaufbringungsrechts bei Sacheinlagen siehe auch den Kommissionsentwurf zur Modernisierung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 21.9.2004, KOM (2004), endg., Art. 1 (1), der die neuen Art. 10a und 10b in die Richtlinie einführen soll. 191 H. P. Westermann, Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 5 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 3. 192 Raiser/Veil, § 37 Rn. 6. 193 BGHZ 157, 72. 194 Bender, BB 2005, 1492; Schrell/Kirchner, BB 2003, 1451 (1452); Hentzen, ZGR 2005, 480 ff.; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 ff.

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lungsanspruch gegen den Gesellschafter im Einzelfall vollwertig sein sollte.195 Er erteilte damit dem bislang herrschenden bilanziellen Ausschüttungsbegriff eine Absage, nachdem eine verbotene Einlagenrückgewähr nur in Betracht kam, wenn der Rückzahlungsanspruch gefährdet oder nicht mehr vollwertig war.196 Ein solcher „Austausch liquider Haftungsmasse gegen eine zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Forderung“ verschlechtert nach gewandelter Ansicht des BGH „die Vermögenslage der Gesellschaft und die Befriedigungsaussichten ihrer Gläubiger“.197 Eine Überwälzung des Insolvenzrisikos der Muttergesellschaft auf die Tochter und damit auf die Gläubiger sei nicht hinnehmbar. Gleiches muss für die Sicherheitenbestellung zugunsten anderer Konzernunternehmen gelten.198 Auch hier ging die bislang h. M. davon aus, dass die von der GmbH vorgenommene Besicherung grundsätzlich bilanzneutral sei, da erst die Inanspruchnahme der Sicherheit zu einem tatsächlichen Vermögensverlust führe.199 Nunmehr kommt dem Rückgriffsanspruch gegen den Gesellschafter aber keine bilanzielle Bedeutung mehr zu.200 Denn auch im Falle der Sicherheitenbestellung darf das Insolvenzrisiko des Gesellschafters nicht generell auf die GmbH und ihre Gläubiger abgewälzt werden.201 Der BGH hat sich aber einen Ausnahmetatbestand offen gehalten, wonach die Darlehensvergabe zulässig sein soll, wenn sie im Interesse der abhängigen Gesellschaft erfolgt, die Darlehensbedingungen einem Drittvergleich standhalten und die Rückzahlung des Darlehens durch werthaltige Sicherheiten voll gewährleistet oder die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht.202 Denn dort, wo ein Überwälzen des Insolvenzrisikos und daher ein Vermögensverlust nicht zu befürchten ist, entbehrt das Verbot der Darlehensgewährung jeglicher Rechtfertigung. 195

BGHZ 157, 72. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 30; Maier-Reimer, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Konzernfinanzierung, § 16 Rn. 24; Vetter, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 8 Rn. 7. 197 BGHZ 157, 72. 198 Nach allgemeiner Meinung unterfällt die Bestellung von Sicherheiten ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 30 GmbHG, vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 8; Pentz, in: Rowedder, GmbHG, § 30 Rn. 37; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 95. 199 OLG München ZIP 1998, 1438 (1439); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 33; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, GmbHG, § 30 Rn. 66. 200 Bayer/Lieder, ZGR 2005, 132 (145 f.); Bender, BB 2005, 1492 (1493). 201 So bereits RGZ 133, 393 (395); Mülbert, ZGR 1995, 578 (593 f.); Schön, ZHR 159 (1995), 351 (357 ff.); Bayer, Festschrift Lutter, S. 1011 (1024); Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 99. 202 BGHZ 157, 72 (77). 196

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bb) Auswirkungen auf konzernweite Cash-Pooling Systeme Besonders konzernweite Cash-Pooling Systeme könnten von dem oben zitierten Ausnahmetatbestand profitieren. Im Cash-Pool werden die Gelder aller Konzerngesellschaften zentral bei der Mutter gepoolt und je nach Liquiditätsbedarf wieder verteilt.203 Dadurch wird vermieden, dass einige Konzerngesellschaften ihren Liquiditätsüberschuss bei niedriger Verzinsung bei einer Bank anlegen müssen, während andere zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs höher verzinste Kredite aufnehmen müssen.204 Deswegen werden Cash-Pool Systeme auch überwiegend als ökonomisch sinnvoll erachtet und sollten zulässig sein.205 Andererseits kann es nach der Entscheidung des II. Zivilsenats vom 16.1.2006 keinen Zweifel mehr geben, dass die Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit von Gesellschafterdarlehen auch und gerade das Cash-Pooling erfasst.206 Die BGH Entscheidung vom Januar 2006 betraf allerdings nur die Frage der Kapitalaufbringung im Cash-Pool.207 Ungeklärt bleibt damit weiterhin, ob und unter welchen Voraussetzungen ein zentrales Cash-Manegement System mit den gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften vereinbar sein kann. Für die grundsätzliche Zulässigkeit zentraler Cash-Management Systeme im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschriften spricht, dass die oben beschriebene Optimierung der Geld- und Kapitalanlage auch im Interesse der abhängigen Gesellschaft geschieht, wenn sichergestellt ist, dass die Synergieeffekte und Kostenersparnisse zumindest teilweise auch ihr zugute kommen.208 Vorsichtige Stimmen raten Konzernen, Darlehen im Cash-Pool zu besichern.209 Allerdings stellt der BGH kein generelles Erfordernis auf, 203 Schilmar, DB 2004, 1411 ff.; Fuhrmann, NZG 2004, 552 ff.; Seidel, DStR 2004, 1130 ff.; Reidenbach, WM 2004, 1421 ff.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 ff. 204 Hentzen, ZGR 2005, 480 (494). 205 Vgl. statt aller Altmeppen, ZIP 2006, 1025 f. 206 Damit hat sich die im Schrifttum gegenteilig vertretene Auffassung wohl erledigt, Überblick über den (veralteten) Meinungsstand bei Altmeppen, ZIP 2006, 1025 (1028 f.). 207 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, abgedruckt in ZIP 2006, 665 ff. 208 Teilweise wird sogar vertreten, dass die Rechtsprechung überhaupt nicht auf das Cash Management im Konzern angewendet werden kann, weil hier der vom BGH gesehene Nachteil für die Gesellschaft – der Tausch von Liquidität gegen eine erst zum späteren Zeitpunkt fällige schuldrechtliche Forderung – gerade nicht bestehe, weil der Rückzahlungsanspruch täglich fällig werde, so Schäfer, GmbHR 2005, 133 (135 ff.); Ulmer, ZHR 169 (2005), 1 (4 f.). Aber auch dieser zeitnahe Ausgleich verhindert nicht, dass der Tochter das spezielle Risiko des Darlehensausfalls angelastet wird. Erfolgsversprechender erscheint es, die Problematik unter dem von dem BGH vorgestellten Ausnahmetatbestand zu lösen, ebenso Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 (147 ff.).

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Sicherheiten zu bestellen. Er stellt die Besicherung vielmehr in den Kontext der Kreditwürdigkeit210, wobei sich die Bonitätsprüfung strengster Maßstäbe ausgesetzt sieht. Hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen für die Zulässigkeit zentrale Cash-Pooling Systeme ist noch eine weitere Grundsatzentscheidung des BGH abzuwarten.211 Die Bundesregierung hat auf die unsichere Rechtslage reagiert und auf Grundlage des Referentenentwurfs zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgeschlagen, dass bei Leistungen an Gesellschafter, welche das Stammkapital angreifen, das Verbot der Einlagenrückgewähr nicht gelten soll, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt.212 Leistungen an verbundene Unternehmen stehen dabei Leistungen an Gesellschafter gleich.213 Damit greift der Reformentwurf die von dem BGH vorgesehene Ausnahmemöglichkeit auf, lockert aber die Voraussetzungen bewusst. Innerhalb der Prüfung des Gesellschaftsinteresses können unter anderem die Kriterien Drittvergleich, Kündbarkeit, Informationsfluss, Solvenz des Schuldners bzw. Sicherheiten berücksichtigt werden.214 Ziel des Entwurfs ist es, das bei der Konzernfinanzierung international gebräuchliche und wirtschaftlich sinnvolle Cash-Pooling zu sichern und auf eine verlässliche Rechtsgrundlage zu stellen.215 cc) Dualer Gläubigerschutz: Kapitalerhaltungsvorschriften und Existenzvernichtungshaftung Weil der Schutz des gebundenen Vermögens nach § 30 Abs. 1 GmbHG allein aber nicht immer ausreicht, hat der BGH den Gesellschaftern darüber hinaus verboten, Vermögen der Gesellschaft zu entziehen, falls dieser dadurch die Möglichkeit genommen wird, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen (sog. Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs).216 Damit hat der BGH den Schutz der Untergesellschaft und deren Gläubiger dual ausgestaltet. 209 Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 (144); Hüffer, AG 2004, 416 (418 f.); Jula/ Breitenbarth, AG 1997, 256 (260). 210 Ebenso Hentzen, ZGR 2005, 480 (498). 211 Vgl. Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 (150); Bayer, Festschrift Lutter, S. 1011 ff.; Hentzen, ZGR 2005, 480 (524 ff.) 212 RefE, Art. 1 Nr. 11, abrufbar unter www.bmj.de; näher dazu Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162 ff.). 213 Zuletzt OLG München ZIP 2006, 25 (26). 214 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163). 215 Vgl. Pressemitteilung vom 29. Mai 2006: „Zeit für Gründer – die GmbH-Reform“, abrufbar unter www.bmj.de. 216 BGHZ 149, 10 = NJW 2001, 3622 („Bremer Vulkan“); BGHZ 150, 61 = NJW 2002, 1803 („L-Kosmetik“); BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 („KBV“).

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Obwohl der existenzvernichtende Eingriff häufig zugleich eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellen wird – und damit wegen Vorrangigkeit der §§ 30, 31 GmbHG eine Haftung ausscheidet – ist dies keineswegs zwangsläufig der Fall. Der Entzug notwendiger Liquidität (aus Rücklagen), die Aufgabe von Geschäftschancen zugunsten der Muttergesellschaft oder die Verlagerung von Produktionslinien auf andere Konzerngesellschaften seien als Beispiele genannt.217 Damit müssen sich die Instrumente zur Konzernfinanzierung nicht nur am Verbot der Einlagenrückgewähr, sondern auch am Verbot existenzvernichtender Eingriffe messen lassen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, darf auch im Rahmen des existenzvernichtenden Eingriffs nicht auf die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus der Sicherheit abgestellt werden.218 Vielmehr ist bei der Bestellung von aufstrebenden oder up-stream-Sicherheiten entgegen der (noch) herrschenden bilanziellen Betrachtungsweise219 wie bei § 30 Abs. 1 GmbHG davon auszugehen, dass die Sicherheit von der Bank verwertet wird und der Rückzahlungs-/Regressanspruch wertlos ist. Die hier dargestellten Grundsätze gelten wegen Identität des gesellschaftsrechtlichen Vermögensbegriffs auch bei der AG. b) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen Der BGH hat zunächst in Analogie zu §§ 30, 31 GmbHG den Rechtsgrundsatz entwickelt, dass Gesellschafterdarlehen, die zur Abwendung der drohenden Insolvenz einem notleidenden Unternehmen gewährt oder stehengelassen werden, wie haftendes Eigenkapital der Vermögensbindung nach §§ 30, 31 GmbHG unterliegen.220 Dahinter steht der Gedanke der Finanzierungsfolgeverantwortung.221 Demnach steht es dem Gesellschafter frei, der notleidenden Gesellschaft weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen oder sie zu liquidieren. Entscheidet er sich aber dafür, die Gesellschaft mittels Fremdkapital weiter am Leben zu erhalten, darf er dieses Finanzierungsrisiko nicht auf die Gläubiger abwälzen, sondern hat für die Folgen selbst einzustehen. 217

Vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 16. Bender, BB 2005, 1492 (1493). 219 Vgl. Diem, ZIP 2003, 1283 (1286); Schrell/Kirchner, BB 2003, 1451 (1454), wonach gefragt werden soll, ob bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtungsweise im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit die Inanspruchnahme objektiv wahrscheinlich ist. 220 BGHZ 31, 258; 127, 336; zur Rechtsentwicklung: Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32a Rn. 4; Hommelhoff, ZGR 1988, 460 ff.; Hommelhoff/ Kleindiek, Feschtschrift GmbHG, 1992, S. 421. 221 BGHZ 127, 336 (344 ff.); Goette, ZHR 162 (1998), 223 (224 ff.); v. Gerkan, ZGR 1997, 173 (176 f.); Habersack, ZHR 162 (1998), 201 (204 f.). 218

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung aufgenommen und unabhängig von §§ 30, 31 GmbHG selbständige Tatbestände geschaffen. Nach § 32a GmbHG kann ein Gesellschafter den Rückzahlungsanspruch eines eigenkapitalersetzenden Darlehens im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen, wobei die Forderung im Verhältnis zu den anderen nachrangigen Forderungen den letzten Rang einnimmt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Wurde das Darlehen im letzten Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezahlt, kann der Insolvenzverwalter die Rückzahlung anfechten (§ 135 Nr. 2 InsO). Die Anfechtung löst eine Rückzahlungspflicht des Gesellschafters in die Insolvenzmasse aus (§ 143 InsO). Außerhalb der Insolvenz findet die Anfechtung nach § 6 AnfG statt. Die Vorschriften gelten sinngemäß auch für andere Zuwendungen des Gesellschafters, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG), wie etwa die Gewährung von Sicherheiten222, Bürgschaften223 oder aber Nutzungsüberlassungen224. Allerdings unterscheiden sich die Vorschriften der §§ 32a, b GmbHG, 135 InsO und § 6 AnfG in zwei für den Gläubigerschutz wesentlichen Punkten von der entsprechenden Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG:225 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dürfen Gesellschafterdarlehen grundsätzlich zurückgezahlt werden. Nur unter den Voraussetzungen der §§ 135, 143 InsO besteht eine Rückgewährverpflichtung des Gesellschafters. Im Gegensatz dazu greift das Auszahlungsverbot der §§ 30, 31 GmbHG jederzeit, auch außerhalb der Insolvenz. Andererseits schützt §§ 30, 31 GmbHG nur den Betrag, der zum Ausgleich einer Unterbilanz oder einer darüber hinausgehenden Überschuldung erforderlich ist, während nach § 32a GmbHG die gesamte Darlehenssumme gebunden ist. Die Diskrepanzen wurden im Sinne einer parallelen und damit ergänzenden Anwendung von §§ 30, 31 GmbHG und den insolvenzrechtlichen Regeln gelöst.226 Die Finanzierungsfolgeverantwortung tritt ein, wenn die Gesellschaft in der Krise ist. Nach § 32a Abs. 1 S. 1 GmbHG ist dies der Fall, wenn ein ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte. Dieser schwierig zu greifende normative Maßstab wird durch das in der Rechtsprechung herausgearbeitete Hilfskriterium der Kreditunwürdigkeit konkretisiert: Wenn ein 222 Zu den Grenzen der Sicherheitenbestellung bei der GmbH, Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517 und oben § 6 E. II. 1. a). 223 OLG Zweibrücken GmbHR 2002, 740; OLG Schleswig GmbHR 2002, 969. 224 BGHZ 109, 55 (Lagergrundstück I); 127, 1 (Lagergrundstück III); 127, 27 (Lagergrundstück IV); Hirte, NJW 1998, 3469 (3464 f.); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (114). 225 Vgl. Raiser/Veil, § 38 Rn. 14 ff. 226 BGHZ 90, 370.

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gesellschaftsfremder Dritter der Gesellschaft keinen Kredit mehr gewährt hätte, sondern ihr Eigenkapital zugeführt oder die Gesellschaft liquidiert hätte, entspricht die Bereitstellung eines Gesellschafterdarlehens keinem ordentlichen Finanzierungsverhalten mehr.227 Ferner ist die Gewährung von Darlehen durch verbundene Unternehmen dem Gesellschafter entsprechend § 32a Abs. 3 GmbHG wegen wirtschaftlicher Einheitlichkeit gleichzustellen, so dass den kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auch Konzerndimension zukommt.228 2. Kapitalschutz bei der AG a) Verbot der Einlagenrückgewähr In der Aktiengesellschaft unterliegt das gesamte Gesellschaftsvermögen der gesellschaftlichen Zweckbindung.229 Den Aktionären darf nur der von der Hauptversammlung zur Ausschüttung freigegebene Bilanzgewinn ausgezahlt werden (§ 57 Abs. 1 und Abs. 3 AktG). Von der Bindung sind aber die Beträge ausgenommen, die für den Erwerb eigener Aktien aufgewendet werden, soweit das Gesetz dies zulässt (§§ 57, 58, 174 Abs. 2 Nr. 2, 71 ff. AktG). Der Grad der Bindung ist dabei unterschiedlich, je nachdem, ob das Vermögen die Grundkapitalziffer deckt (§§ 264 ff. AktG), der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage zuzuordnen, in Gewinnrücklagen gebunden ist oder für den Erwerb eigener Aktien verwendet werden soll (§ 150 AktG). § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG verbieten neben offenen Vermögenszuwendungen auch verdeckte Vermögensverlagerungen an die Aktionäre, auch verdeckte Gewinnausschüttung genannt.230 Eine solche liegt vor, wenn die AG mit einem Gesellschafter Geschäfte tätigt, bei denen ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.231 Maßstab ist dabei, ob die Gesellschaft objektiv betrachtet ein solches Geschäft auch mit einem unabhängigen Dritten at arm’s length abgeschlossen hätte.232 Der Tatbestand 227

BGHZ 81, 318; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 32a/b Rn. 46; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 32a/b Rn. 18 ff. 228 BGHZ 81, 311 (315). Der BGH hat für die Zurechnung eine wirtschaftliche Einheit zwischen Darlehensgeber und Gesellschafter bzw. eine maßgebliche Beteiligung verlangt, wobei nach BGH GmbHR 1999, 916 grundsätzlich eine Mehrheitsbeteiligung ausreicht. Die herrschende Ansicht in der Literatur möchte die Zurechnung hingegen auf den Vertragskonzern beschränken, eine bloße faktische Konzernverbindung solle nicht genügen, vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a/b Rn. 64 f. m. w. N. 229 BGHZ 90, 381 (386) („BuM“); Raiser/Veil, § 19 Rn. 1. 230 RGZ 146, 93; 149, 385 (400); OLG Frankfurt AG 1996, 324; Flume, Juristische Person, S. 286; ders., ZHR 144 (1980), 18 ff. 231 Hüffer, AktG, § 57 Rn. 8. 232 Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 27.

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der verdeckten Vermögensverlagerung wird daher gerade im faktischen Konzern eine wesentliche Rolle spielen, sofern ein Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG unterbleibt. Insbesondere fallen darunter auch schuldrechtliche oder dingliche Sicherheitenbestellung der Tochtergesellschaft für die Mutter.233 Der BGH hat dabei zum GmbH-Recht entschieden, dass bereits die Bestellung der Sicherheit oder die Auszahlung der Darlehensvaluta als eine verbotene Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist, wenn sie nicht aus dem ungebundenen Gesellschaftsvermögen (Rücklagen) stammt.234 Wegen Identität des Vermögensbegriffes sind diese Grundsätze konsequent auf das Aktienrecht zu übertragen, mit der Folge dass jedes Darlehen und jede Bestellung von Sicherheiten zugunsten des Mutterunternehmens außerhalb einer ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns untersagt ist.235 Nur dann, wenn die Tochtergesellschaft aufgrund vielfältiger Kreditaktivitäten das Insolvenzrisiko der Muttergesellschaft kalkulatorisch umgehen kann, liegt ein erlaubtes „Drittgeschäft“ vor.236 Da es auf eine bilanzielle Betrachtungsweise nicht mehr ankommt, kann auch bei der AG der schuldrechtliche Freistellungs-, Erstattungs- oder Rückzahlungsanspruch gegen die Muttergesellschaft die Hergabe haftenden Vermögens nicht legitimieren.237 Der Verstoß gegen § 57 AktG wird jedoch geheilt, wenn und soweit die Muttergesellschaft die Darlehensvaluta konzernintern an die Tochtergesellschaft weitergibt.238 Das Verbot der Einlagenrückgewähr kann ferner nicht durch das Einschalten einer Tochtergesellschaft ausgehebelt werden. Die verbundenen Unternehmen werden vielmehr im System des Kapitalschutzes als wirtschaftliche Einheit behandelt239, da durch die Leistungen der Tochter das 233 RGZ 146, 84 ff.; OLG Koblenz AG 1977, 231 ff.; OLG Düsseldorf BB 1980, 1343; Bender, BB 2005, 1492; Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 82. 234 BGH ZIP 2004, 263; Bender, BB 2005, 1492. 235 Schön, ZHR 159 (1995), 351 (370); Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 28; Brandes, Festschrift Kellermann, S. 25 (28); zweifelnd aber Vetter, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 8 Rn. 7, der auf eine bilanzielle Betrachtungsweise abstellt. 236 Schön, ZHR 159 (1995), 351 (370). 237 Canaris, Festschrift Fischer, S. 31 (46 f.); Schön, ZHR 159 (1995), 351 (370); a. A. Reiner/Brakemeier, BB 2005, 1458 (1461) mit dem Hinweis darauf, dass aus den §§ 89, 115 AktG im Gegensatz zum GmbH-Recht (§ 43a GmbHG) folge, dass der Gesetzgeber im Aktienrecht Kredite nicht per se als Schmälerung des Gesellschaftsvermögens betracht. Diese Argumentation trägt aber nicht, weil die angesprochenen Normen Kredite an vertretungsbefugte Organe, also einen speziellen Fall des Insichgeschäfts regeln, wohingegen es bei Aktionärsdarlehen um eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter geht. 238 Vgl. bereits RGZ 139, 393 ff.; Schön, ZHR 159 (1995), 351 (370).

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Vermögen der Mutter mittelbar beeinträchtigt wird.240 Unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fallen auch Zuwendungen an Dritte, sofern sie sich indirekt als solche an den Aktionär darstellen und ihren Ursprung im Gesellschaftsverhältnis haben.241 Erfolgt die Leistung an ein vom Aktionär abhängiges Unternehmen, so wird sie ihm jedenfalls dann zugerechnet, wenn er Alleingesellschafter des empfangenden Unternehmens ist oder mit diesem ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag besteht. Die h. M. nimmt darüber hinaus eine Zurechnung bereits bei einer mehrheitlichen Beteiligung des Aktionärs an, da er kraft seiner Herrschaftsmacht stets Zugriff auf die Leistung bei dem empfangenden Unternehmen hat und ihm somit mittelbar die Leistung zugute kommt.242 Die Rechtsfolgen verbotener Leistungen ergeben sich aus § 62 AktG. Danach hat der Aktionär als Leistungsempfänger die Leistungen zurückzugewähren (§ 62 Abs. 1 S. 1 AktG). Im Falle einer Leistung an ein mit dem Aktionär verbundenes Unternehmen, bleibt wegen der Zurechnung grundsätzlich der Aktionär Schuldner des Anspruchs.243 b) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen Die im GmbH-Recht entwickelten Regelungen zu den kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen sind im Grundsatz auch auf die AG anzuwenden, wobei allerdings der Anwendungsbereich auf Gesellschafter mit unternehmerischen Interessen beschränkt ist.244 Davon ist regelmäßig ab einer Beteiligung von 25% auszugehen.245 Das Kriterium der Unternehmenseigenschaft rechtfertigt sich aus dem Schutzzweck der Regelungen über das Kapitalersatzrecht. Auch in der AG besteht die Gefahr, dass ein Gesellschafter 239

Vgl. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 71d AktG. Hüffer, AktG, § 57 Rn. 13; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 38. Einbezogen in diese Kapitalschutzeinheit sind auch abhängige Enkel- und Urenkel-Unternehmen der AG, da auch in dem Fall der mehrstufigen Konzernierung eine mittelbare Leistung aus dem Vermögen der AG erfolgt, vgl. Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 45. 241 Raiser/Veil, § 19 Rn. 6; Canaris, Festschrift Fischer, S. 31 ff. 242 BGH NJW 2001, 1490; NJW 1999, 2822; NJW-RR 1986, 579 (580); NJW 1996, 589 (590) (für die GmbH); für eine Übertragung dieser Grundsätze ins Aktienrecht, Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 46; Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 66; Gessler, Festschrift Fischer, S. 131 (148); Michalski, AG 1980, 261 (266 f.). 243 Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 14. Wegen der Möglichkeit der Einflussnahme auf den Aktionär haftet daneben stets das Mutterunternehmen als Gesellschafter-Gesellschafter nach § 62 AktG analog, Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 21 ff. 244 Grundlegend BGHZ 90 381 (385 ff.) („BuM“); Hüffer, AktG, § 57 Rn. 16 ff.; Habersack, ZHR 162 (1998), 201 (215 ff.); Junker, ZHR 156 (1992), 394 (399 f.). 245 BGHZ 90 381 (385 ff.) („BuM“); Raiser/Veil, § 19 Rn. 32. 240

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die notleidende Gesellschaft nicht liquidiert oder Eigenkapital zuschießt, sondern durch Darlehen versucht, die Gesellschaft über Wasser zu halten und das damit verbundene Finanzierungsrisiko auf außenstehende Gläubiger abwälzt.246 Im Gegensatz zum GmbH-Gesellschafter ist der Aktionär aber grundsätzlich nicht weisungsbefugt. Dessen Möglichkeiten, Kapitalentwicklungen zu beeinflussen, sind daher rechtlich und tatsächlich begrenzt. Nur eine unternehmerische Verantwortung kann eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital rechtfertigen, welche aber stets anzunehmen ist, wenn der Gesellschafter als herrschendes Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 1 AktG qualifiziert werden kann.247 Rechtsfolge eines eigenkapitalersetzenden Aktionärdarlehens ist die analoge Anwendung der §§ 57, 62 AktG. Allerdings kann hier nicht das gesamte Kapital geschützt sein, denn sonst wäre eine Rückzahlung kapitalersetzender Darlehen nie möglich, sondern entsprechend § 30 GmbHG nur das Grundkapital zuzüglich der gesetzlichen Rücklage.248 Daneben sind richtigerweise auch die §§ 135 InsO und § 6 AnfG anzuwenden, da sie im Gegensatz zu den früher geltenden §§ 32a KO und § 3b AnfG nicht mehr rechtsformspezifisch gefasst sind.249 3. Würdigung a) Kapitalerhaltungsrecht Wie bereits erwähnt, steht nicht nur das Mindestkapital, sondern das gesamte Kapitalschutzsystem kontinentaleuropäischer Prägung in der Kritik.250 Immer wieder wird dabei vorgebracht, dass das auf das Grundkapital bezogene Schutzsystem nicht vor dessen Aufzehrung durch Verluste schütze und deswegen keinen effektiven Gläubigerschutz gewährleisten könne bzw. der 246

BGHZ 90 381 (388) („BuM“). Es herrscht aber Streit darüber, ob die oben angesprochene 25%-Grenze abschließend zu verstehen ist (so Hüffer, AktG, § 57 Rn. 18), oder ob auch unterhalb dieser Schwelle eine Finanzierungsverantwortung in Betracht kommt (so Habersack, ZHR 162 (1998), 201 (216 ff.). 248 Der BGH hat die Frage noch nicht entschieden. Im Schrifttum herrscht aber weitgehend Einigkeit, dass ein Schutz des gesamten Vermögens nicht in Betracht kommt, wie hier Hüffer, AktG, § 57 Rn. 19; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 94; nach a. A. wird nur das Grundkapital geschützt, Raiser/Veil, § 19 Rn. 32; nach H. P. Westermann, ZIP 1982, 379 (387) schließlich wird das Gesamtvermögen bis auf den Bilanzgewinn geschützt. 249 Raiser/Veil, § 19 Rn. 33; Veil, ZGR 2000, 223 (251 ff.). 250 Rickford, EBLR 2004, 921 (923 ff.); Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1185 ff.); Ferran, 20 Company Lawyer 1999, 314 ff.; Armour, 63 MLR 2000, 355 (373 ff.); Mülbert/Birke, 3 EBOR 2002, 695 (715 ff.); Kübler, Unternehmensfinanzierung, S. 30 ff. 247

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so vermittelte Gläubigerschutz mit erheblichen Kosten für Unternehmen verbunden sei.251 Die Kapitalschutzvorschriften verlören schließlich auch mit der Umstellung auf die IFRS/IAS-Regeln ihre bilanzielle Grundlage.252 Statt des Haftkapitalsystems wird daher neben dem Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung vor allem eine Ausschüttungskontrolle nach dem Solvenztest (solvency test) bzw. nach dem Nettovermögenstest (bare net asset test) vorgeschlagen.253 Die Direktoren dürften danach nur ausschütten, wenn erstens die Aktiva der Gesellschaft deren Passiva übersteigen würden (Nettovermögenstest)254 und zweitens die Gesellschaft auch nach erfolgter Ausschüttung noch zahlungsfähig bliebe (Solvenztest)255. Die Geschäftsführer bzw. der Vorstand müsste darüber eine sog. Solvenzerklärung abgeben.256 Würde sich im Nachhinein herausstellen, dass die Voraussetzungen für eine Ausschüttung nicht vorlagen, so müssten die Geschäftsleiter für ihre falsche Erklärung haften. Es ist aber zweifelhaft, ob ein solches System von Ausschüttungssperren tatsächlich die benötigte Flexibilität gewähren würde, um angemessen auf die sich schnell ändernden Bedingungen am Kapitalmarkt zu reagieren. Denn die Qualität des Alternativmodells hängt entscheidend von den die Geschäftsleiter treffenden Haftungsregeln ab.257 Pflichtgemäßes Verhalten ist eher zu erwarten, wenn bei Fehlverhalten angemessene Sanktionen bestehen. Je größer aber die persönlichen Haftungsrisiken für Geschäftsleiter sind, desto vorsichtiger werden diese auf ein Ausschüttungsbegehren reagieren. Es steht zu erwarten, dass sie erst nach eingehender Prüfung und Beratung durch professionelle Berater eine Solvenzerklärung abgegeben werden. Das wäre aber für die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden und zeitaufwändig. Im Ergebnis könnte das Alternativmodell also dazu führen, dass das Ausschüttungsverfahren noch komplizierter und langwieriger wird als das bisherige Nennkapitalsystem. Zudem darf insbesondere im Konzern nicht verkannt werden, dass wesentliche Geschäftsentscheidungen von der Muttergesellschaft vorgegeben werden und den Geschäftsleitern im Regelfall gar kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Schon jetzt klaffen im faktischen Konzern rechtliche Doktrin und wirtschaftliche Realität weit auseinander. Obgleich die 251

Enriques/Macey, 86 Cornell Law Review 2001, 1165 (1186); Kübler, Unternehmensfinanzierung, S. 30; Mülbert/Birke, 3 EBOR 2002, 695 (716, 722); Armour, 63 MLR 2000, 355 (372 f.). 252 Merkt, ZGR 2004, 305 (309). 253 Rickford, EBLR 2004, 921 (980 ff.); Micheler, ZGR 2004, 324 (338 ff.). 254 Rickford, EBLR 2004, 921 (983 ff.). 255 Rickford, EBLR 2004, 921 (985). 256 Rickford, EBLR 2004, 921 (980 ff.). 257 Micheler, ZGR 2004, 324 (343 f.).

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Geschäftsleiter allein dem Interesse ihrer Gesellschaft verpflichtet sind, opfern sie dieses zumeist konzerninternen Belangen. Da die Mehrheitsgesellschafter de facto über die Ernennung von Geschäftsleitern entscheiden, laufen diese stets Gefahr, bei Nichtbefolgung der Anweisungen ihre Position zu verlieren. Ein bloßer Solvenztest als Ausschüttungssperre mit anschließender Geschäftsleiterhaftung verschärft diesen Interessenkonflikt noch mehr, so dass eine Ausschüttungssperre, die allein auf der Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter aufbaut, nicht wünschenswert ist. b) Kapitalersatzrecht Allerdings ist zuzugestehen, dass insbesondere das Kapitalersatzrecht als Umgehungstatbestand der gesetzlichen Kapitalerhaltungsregeln überfrachtet erscheint.258 Es wird schon der Berufsstand des „Kapitalersatzrechtlers“ ausgerufen259 und auch Mülbert bezeichnet die §§ 32a, b GmbHG als einen „Lawyers Full Employment Act“.260 So verwundert es nicht, dass auch die §§ 32a, b GmbHG in das Visier der Reformierer geraten ist und teilweise eine vollständige Streichung gefordert wird.261 In der Tat können die Begründungsversuche für die bislang vorgenommene „Umqualifizierung“ von Fremd- in Eigenkapital nicht so recht überzeugen, gestattet doch die Privatautonomie dem Gesellschafter, seiner Gesellschaft auch in der Krisenzeit ein Darlehen zu gewähren.262 Auch das Schlagwort von einer Finanzierungs- oder Finanzierungsfolgeverantwortung bringt nicht unbedingt Aufklärung.263 Insbesondere enthalten diese Begriffe keine Begründung dafür, warum gerade der Gesellschafter für die negativen Folgen der Finanzierung einstehen soll.264 Tatsächlich geht es, wie Altmeppen jüngst herausgestellt hat, im Kern wie bei der Insolvenzantragspflicht 258 Vgl. nur die Rechtsprechung zur „kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung“, BGHZ 109, 55 (Lagergrundstück I); 127, 1 (Lagergrundstück III); 127, 27 (Lagergrundstück IV); dazu Hirte, NJW 1998, 3459 (3464 f.); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (114); und die Rechtsprechung zum Finanzplankredit, BGHZ 142, 116; umfassende Darstellung der Rechtsprechung bei Habersack, ZGR 2000, 384 ff.; ders., ZHR 161 (1997), 457 ff.; K. Schmidt, ZIP 1999, 1241 ff. 259 Claussen, GmbHR 1996, 316. 260 Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (161). 261 Meilicke, GmbHR 2003, 793 (808 f.); Grunewald, GmbHR 1997, 1 (7); Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). 262 Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1913). 263 Vgl. Reiner, Festschrift Boujong, S. 415 (422): „Das Stichwort von der Finanzierungsverantwortung als Rechtsgrund des Eigenkapitalersatzrechts verfügt deshalb über keinerlei eigenständigen Aussagewert.“ Ebenso Grunewald, GmbHR 1997, 7 (10); Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32a Rn. 18. 264 Haas, NZI 2001, 1.

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und der Verschleppungshaftung darum, den Rechtsverkehr vor nicht mehr rentablen Unternehmen zu schützen.265 So hat auch der BGH in seinem Urteil Lagergrundstück I hervorgehoben, dass es Sinn des Kapitalersatzrechts sei, eine Fortführung nicht mehr überlebensfähiger Gesellschaften unter einseitiger Verlagerung des Unternehmensrisikos auf die Gläubiger zu verhindern.266 Deswegen ordnet die InsO folgerichtig die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen in der Krise an (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG) und verlangt bei Tilgung eines Darlehens innerhalb des letzten Jahres vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage. Damit entspricht die deutsche InsO dem französischen267 und US-amerikanischen268 Insolvenzrecht. Nicht einleuchten vermag hingegen, warum Fremdkapital in Eigenkapital umqualifiziert werden muss, um das oben angesprochene Ziel zu erreichen. Eine Beseitigung der Rechtsprechungsregeln und eine Beschränkung auf insolvenzrechtliche Mechanismen erscheinen daher angebracht.269 Begrüßenswert ist deswegen der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)270: Art. 1 Nr. 13 des Entwurfs sieht eine vollständige Aufhebung der Rechtsprechungsregeln vor; eine Unterscheidung zwischen „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen soll es nicht mehr geben. Kern der Regelung ist der Rangrücktritt aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz. Ist das Darlehen im Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags zurückgezahlt worden, so ist es anfechtbar. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist die Einhaltung der einjährigen Anfechtungsfrist des Gläubigers nach § 6 Nr. 2 AnfG allerdings schwierig. Nach geltendem Recht muss er innerhalb eines Jahres nach der Rückzahlung Anfechtungsklage erhoben oder zumindest die Anfechtung schriftlich mitgeteilt haben (§ 7 AnfG). Obwohl seine Informationslage außerhalb eines Insolvenzverfahrens schlecht ist, hat er nur wenig Zeit zu handeln. Deshalb wird vor265

Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1913 f.); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.) BGHZ 109, 55 (58). 267 Unter französischem Recht tritt eine insolvenzrechtliche Konsolidierung nach den Rechtsprechungsregelungen zur société de façade und der gesetzlichen action en extension, Art. 182 französisches Insolvenzgesetz, ein, näher dazu Wolf, Konzernhaftung in England und Frankreich, S. 67–75. 268 11 USC s. 510 (C) 1978 normiert die Deep Rock-Doktrin in Taylor v Standard Gas and Electricity Co (1939) 306 US 307; vgl. auch die neuseeländische Regelung zur insolvenzrechtlichen Konsolidierung, s. 271 (1) (b) Companies Act 1993 (NZ). 269 Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914); Sympathien für diesen Vorschlag auch bei U. Huber, in: Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131 (139 f.). 270 Abrufbar unter www.bmj.de. 266

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geschlagen, dass die Anfechtung möglich sein soll bei allen Zahlungen der Gesellschaft auf Gesellschafterdarlehen, die binnen eines Jahres vor Erlangung eines vollstreckbaren Titels, auf den die Anfechtung gestützt wird, erfolgt sind. Sollten diese Reformvorschläge tatsächlich Gesetz werden, wäre damit ein erheblich vereinfachtes, gleichwohl ebenso effektives Eigenkapitalersatzrecht geschaffen.

F. Haftung nach allgemeinen Vorschriften I. Vertragliche Haftung Bestehen Zweifel hinsichtlich der Solvenz der Tochtergesellschaft, sind die Gläubiger zu weiteren Vorleistungen häufig nur noch bereit, wenn die Muttergesellschaft die Erfüllung der Verbindlichkeiten zusichert. Solche Einstandspflichten bestehen im Geschäftsverkehr in abgestufter Form vom Erfüllungsvertrag bis hin zur Haftungs(mit)übernahme durch die Konzernobergesellschaft, die als Schuldbeitritt, Bürgschaft oder Patronatserklärung ausgestaltet sein kann.271 Anhand allgemeiner Auslegungsgrundsätze ist dann zu ermitteln, ob die Muttergesellschaft sich tatsächlich rechtsgeschäftlich binden wollte.272 Bei Auslegungsfragen muss sorgfältig zwischen den verschiedenen Formulierungen unterschieden werden. Hier soll allein die am häufigsten273 anzutreffende Formulierung untersucht werden, nämlich die Erklärung der Konzernmutter, sie stehe jederzeit hinter ihrer Tochtergesellschaft.274 Der BGH lehnte in einem solchen Fall eine rechtsgeschäftliche Haftung der Muttergesellschaft ab.275 Regelmäßig wird es sich daher bei derartigen Erklärungen um bloße Absichtserklärungen ohne Bindungswillen handeln (sog. „weiche Patronatserklärungen“).276 II. Konzernrechtliche Vertrauenshaftung Trotz fehlenden Rechtbindungswillens kann die Muttergesellschaft unter Umständen im Rahmen der allgemeinen Rechtsscheins- und Erklärungshaftung für Schulden ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden.277 So 271

Überblick bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 257. Dabei wird traditionell zwischen harten und weichen Patronatserklärungen unterschieden, vgl. Habersack, in: MünchKomm. BGB, vor § 765 Rn. 49 ff.; Horn, Staudinger, BGB, 13. Aufl., 1997, vor § 765 Rn. 407; Fleischer, WM 1999, 666 ff. 273 Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (469). 274 Ausführlich zu den sonstigen Varianten, Fleischer, WM 1999, 666 (671 ff.); Michalski, WM 1994, 1229 (1234 f.). 275 BGH WM 1961, 1103 (1106); ähnlich OLG Karlsruhe WM 1992, 2088. 276 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, S. 84. 272

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kommt etwa eine Haftung aus Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht, wenn die Tochter den Anschein erweckt, für die Mutter zeichnungsberechtigt zu sein und die Muttergesellschaft Verantwortung für diesen Rechtsschein trägt, weil sie ein einheitliches Auftreten der Unternehmensgruppe aktiv gefördert oder passiv geduldet hat.278 Neben einer solchen Vertreterhaftung aus Rechtsschein, nimmt spürbar die Tendenz im deutschen Schrifttum zu, die Obergesellschaft für die zurechenbare Begründung eines konkreten Vertrauenstatbestandes durch ausdrückliches oder schlüssiges Erklärungsverhalten haftbar zu machen.279 Eine solche „Konzernvertrauenshaftung“280 hat das Schweizer Bundesgericht in Fällen angenommen, in denen die Muttergesellschaft durch ihr Verhalten ein berechtigtes Vertrauen der Gläubiger einer Tochtergesellschaft in ihre „Konzernverantwortung“ geweckt hat, das später in treuwidriger Weise enttäuscht wurde.281 Ob sich eine solche „Konzernvertrauenshaftung“ in Deutschland durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann in der Einführung der c. i. c.-Haftung gemäß § 311 Abs. 3 BGB, wonach ein Schuldverhältnis mit Schutz- und Rücksichtspflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei sind, eine stabile dogmatische Grundlage für eine solche Vertrauenshaftung gesehen werden.282 Der Gesetzgeber hat dabei zwar in erster Linie neben der Eigenhaftung des Vertretenen an das Rechtsinstitut der Sachwalterhaftung gedacht283, jedoch ist der Tatbestand des § 311 Abs. 3 BGB weit gefasst und nicht auf diese Fallgestaltungen beschränkt. Die Anerkennung einer solchen konzernspezifischen Erklärungshaftung würde sich m. E. auch gut in das europäische Modell der privatautonomen Risikoabsicherung einfügen, wie es neben dem Gläubigerschutz284 etwa auch der Verbraucherpolitik der europäischen Union zugrunde liegt.285 Der 277

Eingehend Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (471 ff.). Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (473); für das schweizerische Recht: Handschin, Der Konzern im geltenden schweizerischen Privatrecht, S. 228. 279 Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (474 ff.); ders., NZG 1999, 685 (690 ff.); Druey, Festschrift Lutter, S. 1069 ff.; Lutter, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 229 ff.; U. Stein, Festschrift Peltzer, S. 557 ff.; offenbar auch Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 91. 280 Der Begriff geht zurück auf Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 305 ff. und wurde in der Folgezeit insbesondere von Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, S. 89 f. aufgenommen. 281 Vgl. BGE 120 II 331 = AG 1996, 44 („Wibru-Holding AG/Swissair Beteiligungen AG“). 282 Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (474 f.). 283 Siehe die Begründung zum RegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 14 (2001)/6040, S. 163 f. 284 EuGH Urteil vom 30.9.2003 – Rs. C-167/02, Tz. 135 („Inspire Art“). 278

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Informationsstand bei Verbrauchern wird durch Hinweis- und Aufklärungspflichten hergestellt286 und § 311 Abs. 3 BGB sichert ab, dass der Verbraucher sich auf die Richtigkeit der Information und auf die Verantwortlichkeit der am Vertragsabschluss teilnehmenden Personen dafür verlassen kann. Im Gesellschaftsrecht wird der notwendige Informationsstand durch Publizitätsund Firmierungspflichten erreicht.287 Verlangt man aber, dass Gläubiger für ihren Schutz größtenteils selbst zu sorgen haben, so muss dieses Mehr an privatautonomer Risikoabsicherung wie beim Verbraucher auch durch einen gesetzlichen Schutz des berechtigten Vertrauens auf Verlässlichkeit der Information und Verantwortlichkeit der am Vertragsabschluss beteiligten Personen abgesichert werden. Gerade im Konzern besteht ein Transparenzund Konzernvertrauensproblem288, welches die Effektivität der privatautonomen Risikoabsicherung häufig untergräbt. Eine Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB würde diesen Mangel zumindest lindern, wenn der Gläubiger sich bei Vorliegen gewichtiger vertrauenserweckender Umstände wenigstens auf die Richtigkeit der Finanzzusagen einer Muttergesellschaft verlassen darf.289 Der Tatbestand des einheitlichen Auftretens als Gruppe genügt hierfür noch nicht.290 Sobald aber qualifizierende Umstände hinzutreten, die berechtigterweise ein Vertrauen in ein bestimmtes zu erfüllendes Verhalten wecken, kommt eine Haftung wegen Nichterfüllung des erwartbaren Verhaltens in Betracht.291 Deswegen kommt es nicht nur darauf an, wodurch der Konzern einen Vertrauenstatbestand erzeugt, sondern auch, worauf vertraut werden darf (Haftungsübernahme, hinreichende Finanzierung, Gleichbehandlung, Stehenlassen von Krediten etc.).292 Eine berechtigte Erwartung wird dabei nur geweckt, wenn die Herausstellung des Konzernverhältnisses deutlich auf die Bewirkung eines Verhaltens der Adressaten, namentlich der aktuellen und künftigen Gläubiger, gerichtet ist.293 Genau dies ist der Fall, wenn sich die Muttergesellschaft „weicher Patronatserklärungen“ oder comfort letters bedient, um die Gläubiger zur 285

Dazu Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht, S. 156 ff.; Vgl. die auf europarechtlichen Vorgaben beruhende Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht vom 5.8.2002, BGBl. I/2002, S. 3002. 287 EuGH Urteil vom 30.9.2003 – Rs. C-167/02, Tz. 135 („Inspire Art“). 288 Siehe dazu bereits oben § 6 B. 289 Ebenso Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (481). 290 Lutter, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 229 ff. 291 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 510–514: Hinfälligkeit einer „Vertrauensinvestition“. 292 Druey, Festschrift Lutter, S. 1069 (1071). 293 Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (466); Druey, Festschrift Lutter, S. 1069 (1079 ff.). 286

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Fortführung bzw. (Wieder-)Aufnahme der Geschäfte mit der „kriselnden“ Tochtergesellschaft zu veranlassen. III. Deliktsrechtliche Haftung Der herrschende Gesellschafter kann sich gem. § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB294 oder wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB haftbar machen.295 Dabei zeigt der jüngst entschiedene „Klinik-Fall“296 ebenso wie die „KBV“- Entscheidung297, dass viele Sachverhalte, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich der relativ jungen Rechtsfigur der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs fallen können, zugleich auch eine unerlaubte Handlung i. S. von § 826 BGB darstellen. Beide Haftungsregime stehen mit eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen298 selbständig nebeneinander.299 Die Kernfrage lautet daher, welche Anforderungen an den Maßstab der guten Sitten zu stellen sind. Der BGH sieht in dem planmäßigen Entzug des Vermögens einer GmbH, welches auf eine (neu gegründete) Schwestergesellschaft verlagert wird, um den Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zu verhindern und das Unternehmen ohne Rücksicht auf die entstandenen Schulden fortzuführen, eine sittenwidrige Schädigung i. S. von § 826 BGB.300 Der Schadensersatzanspruch besteht dabei sowohl gegenüber dem gemeinsamen (Allein-)Gesellschafter als auch gegenüber der Schwestergesellschaft.301 Darüber hinaus kommt eine Haftung der Muttergesellschaft als Mittäterin oder Anstifterin gemäß § 830 BGB in Betracht, wenn ein Geschäftsführer der Tochtergesellschaft auf ihre Veranlassung hin eine Organpflicht verletzt, die ihm auch gegenüber Dritten obliegt.302 Von praktischer Bedeutung wird insbesondere die Weisung des Gesellschafters an die Geschäftsführer zur Insolvenzverschleppung sein (§ 64 Abs. 1 GmbHG/§ 92 Abs. 2 AktG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB).303 Daneben schlägt Rehbinder eine Haftung der Mut294 So kann der herrschenden Gesellschaft gegenüber ihrer Tochter eine Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB obliegen, BGHZ 149, 10 (17) – „Bremer Vulkan“. 295 Raiser/Veil, § 29 Rn. 21. 296 BGH v. 20.9.2004, II ZR 302/02, NZG 2004, 1107. 297 BGHZ 151, 181 (185). 298 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (412 f.); dies., ZIP 2003, 2177 (2180). 299 Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 25b; Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2028); Keßler, GmbHR 2002, 945 (950); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (408). 300 BGH v. 20.9.2004, II ZR 302/02, NZG 2004, 1107 („Klinik-Fall“). 301 Näher zum horizontalen Durchgriff unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten, sogleich unter § 6 G. I. 3. 302 Raiser/Veil, § 29 Rn. 21; Ehricke, ZGR 2000, 351 (355 ff.).

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tergesellschaft nach § 831 BGB wegen Delikten der Untergesellschaft vor.304 Auch wenn der Wortlaut der Norm neutral ist, zeigt doch deren Regelungszweck, dass sie auf natürliche Personen als Verrichtungsgehilfen zugeschnitten ist.305 Insbesondere kommt es bei der Einschaltung juristischer Personen zu dem Phänomen des so genannten Zwischengehilfen und einer von § 831 BGB insoweit „nicht gedeckten Potenzierung der Geschäftsherreneigenschaft“ (arg. e contrario aus § 823 Abs. 2 BGB).306 An eine Haftung der Muttergesellschaft nach § 831 BGB könnte aber gedacht werden, wenn sie eigene Angestellte zu Geschäftsleitern ihrer Tochtergesellschaften bestellt.307 Solche personellen Verflechtungen sind in der Konzernpraxis durchaus üblich, um sich der Loyalität der abhängigen Unternehmen zu versichern.308 Allerdings steht die aus dem Anstellungsverhältnis stammende Weisungsbefugnis im Widerspruch zu der gesellschaftsrechtlichen Pflicht des Geschäftsführers nur im Interesse „seiner“ Gesellschaft zu handeln. Im Konflikt zwischen Grundsätzen des Delikts- und Gesellschaftsrechts ist daher – wie im englischen Recht auch309 – das gesellschaftsrechtliche Haftungssystem mit seinem punktuell eingreifenden Pflichten- und Zurechnungsprogramm allgemeinen delikitischen Normen vorzuziehen.310 IV. Haftung des herrschenden Unternehmens als „faktischer Geschäftsführer“? Im englischen und französischen Recht wird eine Konzernhaftung über die Rechtsfigur des dirigeant de fait 311 bzw. den de facto und shadow director312 begründet. Darin wird sogar ein entscheidender europäischer Ansatz zur Verbesserung bestehender corporate governance Standards gesehen, auch im Konzern.313 Die Erkenntnis, dass nicht nur der formal ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführer für eine pflichtwidrige Geschäftspolitik in Anspruch genommen werden kann, sondern auch eine im Hintergrund agie303 Ehricke, ZGR 2000, 351 ff.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 54; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 64 Rn. 75. 304 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 529 ff. 305 Vgl. Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 130. 306 BGH WM 1998, 257. 307 Siehe dazu die parallele Diskussion im englischen Recht, oben § 5 D. V. 3. 308 Grantham, 18 Company Lawyer 1997, 138. 309 Kuweit Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] AC 187. 310 Allgemein zum Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Deliktsrecht, Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (100). 311 Omar, 6 Insolvency Lawer 2003, 239 (246). 312 Siehe dazu § 5 E. II. 3. und § 5 F. II. 3. 313 High Level Group, S. 86, 97; EU-Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.1.3 und Ziff. 3.3.

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rende Person, ist auch in Deutschland anerkannt.314 Im faktischen AG-Konzern gehen jedoch die §§ 311 ff. AktG als leges specialis einer etwaigen Organhaftung vor.315 Eine Organhaftung des Gesellschafters als faktischer Geschäftsführer ist aber im GmbH-Konzern grundsätzlich möglich. Dies ist jedenfalls für die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB anerkannt.316 Jenseits dessen war die Verantwortlichkeit des „faktischen Geschäftsführers“ umstritten;317 mit Urteil des BGH vom 27.6.2005318 dürfte dieser Streit aber zugunsten der generellen Pflichtenbindung des faktischen Geschäftsführers entschieden sein.319 Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als „faktischer Geschäftsführer“ ist erforderlich, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft prägt und damit über eine rein interne Einflussnahme hinaus nach außen wie ein Geschäftsleiter in Erscheinung tritt.320 Nicht erforderlich ist eine totale Verdrängung des Organwalters, eine Lenkung der Geschäftspolitik reicht aus.321 Andererseits genügt die Degradierung des satzungsmäßigen Geschäftsleiters zum bloßen Empfehlsempfänger nicht, wenn diese Einflussnahme nicht nach außen tritt.322 Damit erinnert der „faktische Geschäftsführer“ an die Rechtsfigur des de facto director im englischen und an den dirigeant de fait im französischen Recht. Nicht vergleichbar ist hingegen die Rechtsfigur des shadow director, da dessen Einflussnahme sich auf eine interne Kontrolle der Gesellschaft bezieht.323 Ein wesentlicher Unterschied zum englischen und französischen 314

RGZ 144, 387; 152, 277; BGHZ 47, 341 (343); 104, 44; 150, 61. Flume, Juristische Person, S. 89; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 349 ff., der die Haftung aus §§ 311, 317 AktG als Anerkennung der organschaftlichen Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens versteht. 316 BGHZ 104, 44; 150, 61; BGH v. 11.7.2005 II ZR 235/05: „Der faktische Geschäftsführer einer GmbHG ist nicht nur zur rechtzeitigen Insolvenzantragspflicht verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen“. 317 Bejahend Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 18; Organhaftung bei Organverdrängung bejahend U. Stein, Das faktische Organ, S. 136 ff.; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 12; ablehnend Hüffer, AktG, § 93 Rn. 12; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 3. 318 BGH II ZR 113/03. 319 In der Entscheidung wurde im Konzernzusammenhang eine Haftung des herrschenden Gesellschafters als „faktischer Geschäftsführer“ nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB diskutiert, im Ergebnis jedoch abgelehnt. 320 BGHZ 150, 61 (69); BGH v. 11.7.2005 II ZR 235/03; BGH v. 27.6.2005 II ZR 113/03. 321 BGHZ 194, 44 (48); BGHZ 150, 61 (69). 322 BGH v. 27.6.2005 II ZR 113/03. 315

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Recht ist allerdings, dass juristische Personen nach deutschem Recht wegen fehlender rechtlicher Eignung (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 AktG) nicht „faktische Geschäftsführer“ sein können.324 Die teilweise in der Literatur vertretene entgegengesetzte Ansicht325 vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, weil wesentliches Kriterium des faktischen Geschäftsführers seine Außenwirkung ist.326 Dritte sollen darauf vertrauen können, dass derjenigen, der sich als Geschäftsführer generiert, sich auch als solcher behandeln lassen muss. Damit beruht die Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ in gewisser Weise auf Rechtscheinsgrundsätzen. Können aber im deutschen Recht juristische Personen von vornherein nicht wirksam als Geschäftsführer bestellt werden, kann auch kein Rechtsschein erzeugt werden, auf den Dritte vertrauen dürfen.327 Damit ist im Hinblick auf die Vereinheitlichungsbestrebungen in der EU zu konstatieren, dass der Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ im deutschen Recht nicht die konzernspezifischen Entwicklungsmöglichkeiten des französischen dirigeant de fait und des englischen shadow director Konzepts offen stehen. Allerdings könnte an eine Haftung der Muttergesellschaft für ihre Organe gem. § 31 BGB gedacht werden, wenn diese ihrerseits als faktische Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach außen in Erscheinung treten und pflichtwidrig handeln. Entschieden gegen diese These spricht allerdings, dass die handelnden Personen eine Doppelorganstellung einnehmen würden. Rechtlich können sie in der konkreten Situation aber nur als Organ der Tochter oder der Mutter handeln. Wegen des Grundsatzes der rechtlichen Selbständigkeit von Konzerngesellschaften findet nur in der jeweiligen Beziehung eine organschaftliche Zurechnung nach § 31 BGB statt, nicht hingegen gesellschaftsübergreifend.

G. Gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung I. Existenzvernichtung Wie bereits schon mehrfach erwähnt, ist an die Stelle der früheren Rechtsprechung zur „Haftung im qualifiziert faktischen Konzern“ die Haftung des Gesellschafters wegen Existenzvernichtung getreten.328 Letztere knüpft 323

Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180, 184. BGHZ 150, 61 (68). 325 Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 229 f.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401 f. 326 BGHZ 150, 61 (68); und ganz deutlich nun BGH v. 27.6.2005 II ZR 113/03. 327 Ähnlich Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (193 mit Fn. 110). 328 BGHZ 149, 10 (16) („Bremer Vulkan“); 150, 61 (67 f.) („L-Kosmetik“); 151, 181 (186 f.) („KBV“). 324

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an einen institutionellen Missbrauch der Rechtsform der Gesellschaft an, welcher die Aufhebung der Vermögenstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter rechtfertigt.329 Damit hat sich der Bundesgerichtshof entgegen anderer Vorschläge in der Literatur330 für eine unbegrenzte Außenhaftung der Gesellschafter im Sinne der Durchgriffshaftung entscheiden.331 Sobald aber über die GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wird, steht der Anspruch dem Insolvenzverwalter analog § 93 InsO zu.332 1. Tatbestandsvoraussetzungen Ein existenzvernichtender Eingriff ist durch einen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen gekennzeichnet, welcher die „auf Grund der Zweckbindung dieses Vermögens gebotene angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeiten der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Maße vermissen“ lässt.333 Kausale Folge des Eingriffs muss die Insolvenz der Gesellschaft sein334; eine bloße Existenzgefährdung reicht nicht aus.335 War die Gesellschaft bereits insol329 BGHZ 151, 181 (187) („KBV“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“). 330 So schlug Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1842 ff.); ders., NJW 2002, 321 ff.; ders., ZIP 2002, 1553 (1562) in Anschluss an die Überlegungen von Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 330 ff.; ders., NJW 2003, 175 ff., und Flume, Juristische Person, S. 85 ff., eine Binnenhaftung des Gesellschafters als Quasi-Geschäftsführer analog § 43 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 93 Abs. 5 S. 2 und 3 AktG vor. Andererseits wurde die Haftung auf die Verletzung der auch dem Alleingesellschafter obliegende Treuepflicht gegenüber seiner GmbH gestützt, vgl. K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3580); Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2025 ff.), oder auf einen deliktsrechtlichen Ansatz abgestellt, vgl. Haas, WM 2003, 1929 (1940); Burgard, ZIP 2002, 827 (830). 331 BGHZ 151, 181 (187) („KBV“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“). 332 BGHZ 151, 181; BAG GmbHR 2005, 988 (989) mit zustimmender Anm. von Schröder, GmbHR 2005, 988 (990); Wahl, GmbHR 2004, 994 (995 f.); Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1559 f.); Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (430); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295); Vetter, ZIP 2003, 601 (606 f.); H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1137); a. A. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., 2004, Anh. § 318 Rn. 83. 333 BGHZ 151, 181 („KBV“); ähnlich schon BGHZ 149, 10 (16) („Bremer Vulkan“).; präzisierend BGH v. 13.12.2005 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“); dazu Gehrlein, BB 2005, 613 ff.; Keßler, GmbHR 2005, 257 ff. 334 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (113); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 18; Hoffmann, NZG 2002, 68 (69). 335 A. A. Wiedemann, ZGR 2003, 284 (293 f.); Henze, NZG 2003, 649 (658).

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vent, so genügt eine Insolvenzvertiefung.336 Weitere negative Voraussetzung ist, dass der Vermögensentzug nicht über die vorrangigen Kapitalerhaltungsvorschriften ausgeglichen werden kann.337 Der Einwand des Durchgriffsschuldners, der Gesellschaft stünden noch Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG zu, kann bei Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse aber als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.338 Wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Kapitalerhaltungsvorschriften kommen als Fallgruppen für die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs insbesondere solche Eingriffshandlungen in Betracht, die bilanziell nicht erfassbar sind. Klassisches Beispiel hierfür sind alle nicht individualisierbaren Vermögensverschiebungen („qualifizierte“ Nachteilszufügungen), wie sie vor allem bei sog. „Waschkorblagen“339 vorkommen. Daneben werden noch folgende Fallgruppen diskutiert: a) Entnahmen mit der Folge weiterer Schäden Zum einen können Entnahmen über den konkreten Vermögensabfluss hinaus weitere Schäden verursachen.340 Zu denken ist etwa an den Entzug von Produktionsmitteln, die zu einem über deren Wert hinausgehenden Nutzungsausfall führen. Die Rückerstattungspflicht nach den Kapitalerhaltungsregeln erfasst solche Schäden nicht, so dass diese jedenfalls im GmbHRecht nach den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs ersatzfähig sind. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie diese Schäden beschaffen sein müssen. Denn bei einem zur Insolvenz führenden Vermögensentzug entstehen immer weitere Schäden, die nicht von § 31 GmbHG erfasst sind, wie etwa der durch Unterbrechung der Produktion entstehenden Insolvenzschaden oder die Kosten des Insolvenzverfahrens.341 Im „Bremer Vulkan“Urteil lehnte der BGH eine Durchgriffshaftung noch ab, wenn die Gesell336

Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 18. BGHZ 151, 181 (187) („KBV“); diese Voraussetzung lehnen ab Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 134 f.; Bruns, WM 2003, 815 (821 f.); Drygala, GmbHR 2003, 729 (736 f.); Haas, WM 2003, 1929 (1936); Vetter, ZIP 2003, 601 (605 f.). 338 Nach BGHZ 151, 181 (184) soll wohl ein Einzelausgleich überhaupt ausgeschlossen sein, wenn die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde, vgl. die Anm. von Ulmer, JZ 2002, 1047 (1051); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Anh. § 318 Rn. 80; ähnlich BGH NJW 1996, 1283 (1284); OLG Köln GmbHR 1997, 220 (221). 339 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (425 f.); Henze, NZG 2003, 649 (658); Bruns, WM 2003, 815 (818). 340 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (94); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (421 ff.). 341 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (422). 337

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schaft nach dem Rückerstattungsanspruch wieder solvent war, so dass ein darüber hinausgehender Insolvenzschaden nicht ersatzfähig war.342 In „KBV“ hingegen wollte er den Gläubigern anscheinend den Ausgleich des gesamten Schadens unabhängig von der Solvenz der Gesellschaft zugestehen.343 Eine solche umfassende Ausgleichspflicht geht aber zu weit, weil der über die Solvenz hinausgehende Insolvenzschaden für die Gläubiger irrelevant ist, sofern ihre Ansprüche befriedigt werden.344 Richtigerweise führen deswegen nur solche Schäden zur Existenzvernichtungshaftung, infolge derer die Gesellschaft auch nach der Rückzahlung des Stammkapitals ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann. Im faktischen AG-Konzern bedarf es für den Ersatz solcher Folgeschäden in aller Regel gar nicht des Rückgriffs auf die Durchgriffshaftung, weil diese bereits in dem Nachteilsausgleich über § 311 Abs. 2 AktG bzw. dem Schadensersatzanspruch gemäß § 317 AktG enthalten sind. Beide Ansprüche stoßen aber an ihre Grenzen, wenn der Nachteil nicht quantifizierbar bzw. der Schaden selbst unter Berücksichtigung des § 287 ZPO nicht bezifferbar ist.345 Dies dürfte allerdings nur im Falle einer sog. „Waschkorblage“ gelten, wenn also ein Einzelausgleich mangels Individualisierbarkeit ausscheidet. Dann ist auch im faktischen AG-Konzern eine Haftung wegen Existenzvernichtung möglich.346 b) Abzug betriebsnotwendiger Liquidität Da bei der GmbH das Gesellschaftsvermögen nur in Höhe des Stammkapitals geschützt wird, besteht hier die Gefahr, dass der Abzug betriebsnotwendiger Liquidität oberhalb dieser Grenze von den §§ 30 f. GmbHG nicht erfasst wird, obgleich der Entzug die Solvenz der Gesellschaft in Frage stellt.347 Auch hier greift die Haftung wegen Existenzvernichtung ein. Im Aktienrecht stellt sich die Problematik dagegen nicht, weil dort jede wertmäßige Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens jenseits des ausschüttungsfähigen Bilanzgewinnes verboten ist. Anders ist dies nur, wenn die Gesellschaft bereits aus dem Handelsregister gelöscht wurde, weil mit Vollbeendigung der Gesellschaft auch die Ansprüche aus Kapitalerhaltung enden. 342 BGHZ 149, 10 (16): „Ein solcher bestandsvernichtender Eingriff (besteht) nur dann, wenn sich die Fähigkeit der GmbH zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht schon durch die Rückführung entzogenen Stammkapitals gemäß § 31 GmbHG wiederherstellen lässt“. 343 BGHZ 151, 181: „(. . .) soweit nicht der der GmbH durch den Eingriff insgesamt zugefügte Nachteil bereits nach §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden kann“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 344 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (423). 345 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 43. 346 Siehe oben § 6 D. I. 3. 347 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (93); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (285 f.).

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c) Abzug wichtiger Produktionsmittel und Geschäftsfelder Sowohl im Aktien- als auch im GmbH-Recht stellt sich das Problem, dass bei einer rein bilanziellen Betrachtungsweise der Abzug von Vermögensgegenständen ohne Sanktion bleibt, solange der rechnerische Wert des der Gesellschaft verbleibenden Vermögens nicht geschmälert wird bzw. die Gesellschaft ausreichend ausschüttungsfähige Gewinne hat. So schlägt sich etwa die Entnahme wichtiger Produktionsmittel bilanziell nur in dem Abgang des abgeschriebenen Anschaffungswertes des betreffenden Wirtschaftsgutes nieder.348 Ihre Bedeutung für die Fähigkeit des Gesellschaftsunternehmens zur Fortführung seines Geschäftsbetriebes kommt darin nicht zum Ausdruck. Andere Maßnahmen, wie etwa die Verlagerung von Betätigungsfeldern auf andere Konzerngesellschaften haben überhaupt keine bilanziellen Auswirkungen.349 In diesen Fällen kommt vor allem im faktischen GmbHKonzern eine Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs in Betracht. Im faktischen AG-Konzern können die allermeisten Fälle hingegen bereits mit Hilfe der §§ 311 Abs. 2, 317 AktG bewältigt werden. Voraussetzung der Existenzvernichtungshaftung ist allerdings, dass der Entzug bestimmter Unternehmensbereiche oder -güter unmittelbar in die Insolvenz mündet.350 Lässt sich der Abzug unternehmerischer Funktionen dagegen lediglich als faktische Zweckänderung qualifizieren, welche die Solvenz der Gesellschaft nicht unmittelbar berührt, werden die Gläubiger davor ebenso wenig geschützt wie dies bei einer formellen Zweckänderung der Fall wäre.351 d) Cash-Pooling Als weitere Fallgruppe ist die Einbindung der Gesellschaft in ein zentrales Cash-Management-System ohne Gewährleistung jederzeitiger Liquidität der abhängigen Gesellschaft zu nennen352, wobei zu den genauen Voraussetzungen eines zulässigen Cash-Managements im Konzern auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.353 e) Spekulation auf Kosten der Gläubiger Die wohl schwierigste Fallgruppe, die unter dem Stichwort der Existenzvernichtungshaftung diskutiert wird, betrifft die „Spekulation auf Kosten 348 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (93); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (424 f.). 349 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (93); Schön, ZHR 168 (2004) 268 (286). 350 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 (226) („Autohaus“). 351 Schön, ZHR 168 (2004) 268 (287). 352 Henze, NZG 2003, 649 (658); Bruns, WM 2003, 815 (818). 353 Siehe § 6 E. II. 1. a).

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der Gläubiger“.354 Gemeint ist die Situation, dass das Eigenkapital der Gesellschaft verbraucht ist und dies die Geschäftsführer dazu verleitet, mit Hilfe hochspekulativer Geschäfte die Gesellschaft aus der Krise führen zu wollen. Das Problem besteht nun darin, dass der Verlust aus solchen Geschäften ausschließlich die Gläubiger trifft, während der Gewinn den Gesellschaftern zugute kommen würde. Diese asymmetrische Risikoverteilung verleitet also zu opportunistischem Verhalten der Geschäftsführer und Gesellschafter zu Lasten der Gläubiger.355 Ein solches Verhalten lässt sich allerdings nur unter die Tatbestandsvoraussetzungen der Existenzvernichtung subsumieren, wenn man mit Teilen der Literatur den Begriff des „Eingriffs“ weit auslegt und darunter auch alle „Existenzgefährdungen“ erfasst möchte, die nicht notwendiger Weise einen finalen Vermögensabzug zum Gegenstand haben.356 Dem steht aber die neuere einschränkende Rechtsprechung des BGH zur Reichweite der Existenzvernichtungshaftung entgegen. In Abgrenzung zur ausufernden Rechtsprechung der Instanzgerichte stellt der BGH klar, dass der Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs sich nicht auf Managementfehler beim Betrieb des Gesellschaftsunternehmens beziehe, sondern einen gezielten, betriebsfremden Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen voraussetze.357 Damit kommt es entscheidend auf eine zweckwidrige Vermögensverlagerung auf die Gesellschafter in Umgehung der Liquidationsvorschriften an.358 In der Eingehung von Spekulationsgeschäften liegt aber noch keine zweckwidrig Vermögensverlagerung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter.359 Nur wenn die Risiken aus solchen Geschäften allein bei der Gesellschaft anfallen, die Gewinne aber sofort von dem herrschenden Unternehmen abgezogen werden, ist die Voraussetzung einer zweckwidrigen Vermögensverlagerung erfüllt.360 Im AG-Konzern wird man allerdings allen Formen von Spekulationsgeschäften mittels § 311 Abs. 2 AktG begegnen können, da unter Nachteil bereits jede Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft verstanden wird, soweit sie auf die Abhängigkeit zurückzuführen ist.361 Un354

BGH ZIP 1994, 207 (209) („EDV-Peripherie“); dazu Raiser, ZGR 1995, 156 (162 ff.); Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (109), Schön, ZHR 168 (2004) 268 (288 ff.); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (414 ff.); Banerjea, ZIP 1999, 1153 (1161); Bitter, WM 2001, 2133 (2139 f.). 355 Schön, ZHR 168 (2004) 268 (288 ff.). 356 So Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (414 ff.); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1082 f.); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (293); Bitter, WM 2001, 2133 (2139 f.). 357 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHG 2005, 299 („Kofferfall“). 358 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHG 2005, 299 (300) („Kofferfall“). 359 Schön, ZHR 168 (2004), 268, 289; Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (879). 360 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (102).

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terbleibt ein Nachteilsausgleich, so trifft das herrschende Unternehmen die Schadensersatzpflicht nach § 317 Abs. 1 S. 1 AktG. Im GmbH-Konzern werden die Gläubiger vor solchen riskanten Spekulationsgeschäften hingegen lediglich über die Geschäftsführerpflichten (§ 43 GmbHG) und die Insolvenzverschleppungshaftung geschützt. Ein Anspruch gegen das herrschende Unternehmen ist nur in Extremfällen über § 826 BGB gegeben, will man sich nicht auf die Konstruktion von Flume362, Wilhelm363 und Altmeppen364 einlassen und das Handeln der Gesellschafter als fremdnütziges Organhandeln einordnen, bei dessen Ausübung sie der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters schulden.365 Bemerkenswerterweise verfolgt hier das englische Recht einen ganz ähnlichen Lösungsansatz, indem es den Geschäftsführer bei Verbrauch des Eigenkapitals die Pflicht auferlegt, das restliche Vermögen im Interesse der Gläubiger „treuhänderisch“ zu verwalten366, wobei – wie in der Arbeit an anderer Stelle dargelegt – auch Gesellschafter als Haftungsadressaten in Betracht kommen.367 Darüber hinaus greift hier vor allem auch die Haftung wegen wrongful trading.368 2. Rechtsfolgen Rechtsfolge eines existenzvernichtenden Eingriffs ist die unbeschränkte verschuldensunabhängige Ausfallhaftung der beteiligten Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden gemäß § 128 HGB analog.369 Wenn über die 361 BGHZ 141, 79 (84); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 311 Rn. 36; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 25; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 39. 362 Flume, Juristische Person, S. 85 ff. 363 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 330 ff.; ders., NJW 2003, 175 ff. 364 Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1842 ff.); ders., NJW 2002, 321 (322 ff.); ders., ZIP 2002, 1553 (1562). 365 So der Vorschlag von Schön, ZHR 168 (2004), 268 (289). 366 West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250; Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870; Re Pantone 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v London Wharf (Limehouse) Ltd [2003] BCC 855; Re MDA Investment Management Ltd [2004] 1 BCLC 217. 367 Siehe dazu § 5 E. II. 3. und § 5 F. II. 3. 368 Vgl. Milman, JBL 2004, 493. 369 Teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 S. 1 AktG und analoge Anwendung der §§ 105 Abs. 1, 128, 129 HGB, siehe BGHZ 151, 181 (187) („KBV“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 20; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 35; Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050); H. P. Westermann, NZG 2002, 126 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 268 (273 ff.); Hoffmann, NZG 2002, 68 (71).

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GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist jedoch der Insolvenzverwalter anstelle der Gläubiger analog § 93 InsO aktivlegitimiert.370 Allerdings steht die Zugriffsmöglichkeit unter dem Vorbehalt, dass die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß beeinträchtigt wurde.371 Denn eine Durchgriffshaftung in voller Höhe kann dann eine besondere Härte darstellen, wenn die Gesellschaft bereits vor dem Eingriff finanziell geschwächt war oder sogar bereits eine Überschuldung bestand.372 In diesem Fall war die Gläubigerforderung von Anfang an nicht mehr vollwertig, unter Umständen sogar nahezu wertlos. Deswegen räumt der BGH den Gesellschaftern die Möglichkeit ein, der unbeschränkten Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs durch den Nachweis zu entgehen, dass der Gesellschaft auch bei redlichem Verhalten ein Nachteil in gleichem Ausmaß entstanden wäre. (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens).373 Nur ein darüber hinausgehender Nachteil ist in diesem Umfang auszugleichen. Diese Verteidigungsmöglichkeit ist im Zusammenhang mit der Umgehung der Liquidationsvorschriften zu sehen: Wenn die Verletzung der Gesellschafterpflicht zur ordnungsmäßigen Liquidation der Gesellschaft Grundlage der Haftung ist, dann zieht dies auch dem Umfang der Haftung eine Grenze.374 Ein Forderungsausfall, der bei ordnungsgemäßer Abwicklung ebenfalls eingetreten wäre, ist daher nicht ersatzfähig, wobei die Beweislast hierfür aber den Gesellschafter trifft. Nicht aufgenommen hat der BGH den Vorschlag, die Durchgriffsmöglichkeit nach Gläubigergruppen abzustufen.375 Eine Beschränkung des Haftungsrisikos auf Gläubigergruppen, die sich nicht privatautonom schützen können, wäre aber im Hinblick auf das vom EuGH favorisierte Informationsmodell durchaus erwägenswert. Denn trotz aller Kritik376 ist dem Aus370 BGHZ 151, 181; BAG GmbHR 2005, 988 (989) mit zustimmender Anm. von Schröder, GmbHR 2005, 988 (990); Wahl, GmbHR 2004, 994 (995 f.); Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1559 f.); Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (430); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295); Vetter, ZIP 2003, 601 (606 f.); H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1137); a. A. Koppensteiner, Köln Komm, AktG, 3. Aufl., 2004, Anh. § 318 Rn. 83. 371 BGHZ 151, 181 („KBV“). 372 Henze, NZG 2003, 649 (657). 373 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“) mit Anm. Schröder; Keßler, GmbHR 2005, 257 (263). 374 Vetter, ZIP 2003, 601 (603 f.); Bruns, WM 2003, 815 (822); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (287 f.); dagegen Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (410 f.); Drygala, GmbHR 2003, 729 (736 f.). 375 Bitter, WM 2001, 2133 (2140); ablehnend auch Bruns, WM 2003, 815 (818); Henze, NZG 2003, 649 (657). 376 Siehe oben § 5 B.

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gangspunkt der ökonomischen Analyse darin beizupflichten, dass sich zumindest verhandlungsstarke Vertragsgläubiger vor der Gefahr einer Externalisierung des Unternehmensrisikos eigenverantwortlich schützen können.377 Auf dieser Grundlage scheint ein Haftungsdurchgriff nicht erforderlich.378 Dagegen spricht freilich, dass eine Abstufung nach Gläubigergruppen zu einer Verkomplizierung der Beweisführung führen würde, was wiederum den Abschreckungseffekt der „schneidigen“ Durchgriffshaftung mindern würde. Zudem entspricht es gängigen Prinzipien, dass auch allen Vertragsgläubigern ein gesetzlicher Schutz vor Vermögensverschiebungen zuteil wird.379 3. Die Haftung der Schwestergesellschaft (sog. horizontaler Durchgriff) a) Meinungsstand Haftungsadressaten der Existenzvernichtungshaftung können sowohl der unmittelbar als auch der nur mittelbar beteiligte Gesellschafter sein.380 Eine Haftung der Schwestergesellschaft erscheint dem BGH aber zweifelhaft.381 Im Ergebnis lässt er die Frage offen und gelangt über § 826 BGB zu einer Haftung derselben. In der Literatur wird eine Durchgriffshaftung der Schwestergesellschaft (horizontaler Durchgriff) teilweise bejaht, wenn der primär haftende Gesellschafter vermögenslos ist und das Vermögen auf die Schwestergesellschaft verschoben hat.382 Die Schwestergesellschaft soll außerdem haften, wenn sie beherrschenden Einfluss auf die benachteiligte Gesellschaft auszuüben vermag.383 Gegen eine Haftung der Schwestergesellschaft wird vorgebracht, dass diese selbst nicht Gesellschafterin sei und 377 Posner, Economic Analysis of Law, S. 432 ff.; Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 49 ff. 378 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 191. 379 Vgl. etwa die insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln, §§ 129 ff. InsO, §§ 1 ff. AnfG. 380 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 (118) („Autohaus-Fall“); zustimmend Keßler, GmbHR 2005, 257 (264 f.); Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (878). 381 BGH v. 20.9.2004 – II ZR 302/02, NZG 2004, 1107 („Klinik-Fall“). 382 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 42; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl., S. 433; Raiser, Festschrift Ulmer, 2003, S. 493 (505 ff.); ders., in: Großkomm. GmbHG, § 13 Rn. 167; BAG ZIP 1999, 723 (725); dazu Henssler, ZGR 2000, 479 ff. 383 Raiser, Festschrift Ulmer, 2003, S. 493 (507 ff.); ders., in: Großkomm. GmbHG, § 13 Rn. 167; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (428); ders., Festschrift Wiedemann, 2002, S. 1199 (1216 ff.); Ehlke, DB 1986, 523 ff.; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557 (562 ff.).

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damit eine wesentliche Voraussetzung des Durchgriffs fehle.384 Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Existenzvernichtungshaftung nicht an eine bestimmte Organisationsstruktur anknüpfe, sondern an bestimmte Handlungsweisen.385 Sie sei Verhaltens- und keine Strukturhaftung.386 Schließlich könnten die Gläubiger auch auf den Anteilsbesitz des herrschenden Gesellschafters zugreifen, so dass es eines unmittelbaren Anspruchs gegen die Schwestergesellschaft überhaupt nicht bedürfe.387 Gegen letzteres ist allerdings einzuwenden, dass die Effizienz eines solchen mittelbaren Zugriffs auf die Vermögenswerte der Schwestergesellschaft von der Beteiligungshöhe abhängig ist. Auch hat ein horizontaler Direktanspruch den Vorteil, dass dieser Anspruch im Falle der Insolvenz beider Schwestergesellschaften gleichberechtigt mit anderen Gläubigeransprüchen konkurrieren würde, während Ansprüche der Gesellschafter nur nachrangig zu befriedigen sind.388 Für einen horizontalen Durchgriff besteht also ein rechtspraktisches Bedürfnis.389 Dieses erkennt auch der BGH an, wenn er den Gläubigern im Ausnahmefalle einen Direktanspruch nach § 826 BGB zubilligt. Ähnlich hat das Bundesarbeitsgericht einen horizontalen Durchgriff im Fall der Unternehmensaufspaltung in eine „arme“ Produktionsgesellschaft und eine vermögende Vertriebsgesellschaft zugelassen390, ohne allerdings die Voraussetzungen des Durchgriffs näher zu bestimmen.391 b) Dogmatische Begründungsversuche Die dogmatischen Begründungsversuche für eine Durchgriffshaftung basierten bislang entweder auf einer Brücke zum Unterordnungskonzern oder auf einer Parallele zum Gleichordnungskonzern.392 Nach Ersterem war ein horizontaler Durchgriff geboten, wenn das herrschende Unternehmen gezielt Vermögen auf die Schwestergesellschaft verschiebt.393 Weil die §§ 302 f. 384 Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., 2004, Anh. § 318 Rn. 102; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 97; Vetter, ZIP 2003, 601 (608 f.); Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (879). 385 Lieder, DZWIR 2005, 309 (318). 386 Haas, WM 2003, 1929 (1935 f.). 387 Vetter, ZIP 2003, 601 (609). 388 Dazu BGH NZG 2004, 233 (234); BGHZ 81, 320 (320 f.). 389 Winter, Horizontale Haftung im Konzern, S. 9 ff. 390 BAG AG 1999, 376 = ZIP 1999, 723. 391 Im Urteil findet sich nur der Hinweis, der Durchgriff rechtfertige sich aus der beherrschenden Stellung der Vertriebsgesellschaft, zur Kritik ausführlich Henssler, ZGR 2000, 479 ff. 392 Übersicht bei Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (495 ff.). 393 Henssler, ZGR 2000, 479 ff.

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AktG hier mangels gesellschaftsrechtlicher Beteiligung nicht greifen, wurde als Grundlage der Haftung § 242 BGB angeboten, wobei sich die Rechtsfolgen nach der aktienrechtlichen Verlustausgleichspflicht richten sollen. Die Lehre vom faktischen Gleichordnungskonzern stützte den Durchgriffsanspruch dagegen auf die Ausübung von Leitungsmacht durch die Schwestergesellschaft.394 c) Stellungnahme Mit Aufgabe der konzernrechtlichen Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“ hat sich der Begründungsaufwand für eine horizontale Durchgriffshaftung deutlich erleichtert.395 So muss nicht mehr nachgewiesen werden, dass die Schwestergesellschaften einen von ihrem gemeinsamen Gesellschafter geführten Konzern bilden. Auch bietet der enge Zusammenhang der Existenzvernichtungshaftung mit den Kapitalerhaltungsregeln eine belastbare dogmatische Grundlage, um die Haftung auf Schwestergesellschaften zu erstrecken.396 aa) Kapitalerhaltungsrecht In der Rechtsprechung zu §§ 30, 31 GmbHG ist nämlich anerkannt, dass Leistungen an Schwestergesellschaften dem herrschenden Gesellschafter als Leistungen an ihn zugerechnet werden können, wobei bereits eine mehrheitliche Beteiligung als Zurechnungsgrund ausreicht.397 Schuldner des Rückgewähranspruchs ist dabei primär der herrschende Gesellschafter. Umstritten ist aber, ob in diesen Fällen neben dem Gesellschafter auch die Schwestergesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Der BGH bejaht die Frage unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Einheit der Unternehmensgruppe, weil er andernfalls eine Umgehung der Kapitalschutztatbestände befürchtet.398 Er stützt sich dabei auf den Wortlaut des § 31 Abs. 1 GmbHG, 394

K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (428 f.). Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (506). 396 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 42; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl., S. 433; Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (505 ff.); ders., in: Großkomm. GmbHG, § 13 Rn. 167. 397 BGH NJW 1991, 357 (358); BGH NJW 1991, 1057 (1059); BGH NJW 1996, 589 (590); Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 67 ff.; Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 57 Rn. 65 ff. 398 BGHZ 81, 365 (367 f.); BGH NJW 1992, 1167 f.; zustimmend H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 12; Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (505 ff.); Bayer, in: MünchKomm. AktG, § 62 Rn. 22 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., Anh. § 318 Rn. 42; ablehnend 395

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der ganz allgemein bestimmt, dass verbotene Zahlungen der Gesellschaft erstattet werden müssen. Gleiches nimmt die h. M. für den aktienrechtlichen Kapitalschutz an, obwohl hier § 62 AktG ausdrücklich nur die Aktionäre zur Rückzahlung verpflichtet. Die Regel gilt ferner auch bei kapitalersetzenden Darlehen.399 Damit lässt sich die Haftung der Schwestergesellschaft als allgemeiner Grundsatz des Kapitalerhaltungsrechts verstehen. Akzeptiert man den dogmatisch engen Zusammenhang zwischen §§ 30, 31 GmbHG und der Existenzvernichtung, so erscheint es nur konsequent, die Grundsätze für die Haftung verbundener Unternehmen auf die Existenzvernichtungshaftung zu übertragen.400 Es ist nicht einleuchtend, warum die als Lücken füllend konzipierte Durchgriffshaftung hinter dem Standard der §§ 30 f. GmbHG, §§ 57 ff. AktG zurückbleiben sollte. bb) Verhaltenshaftung und Zurechnungsfragen Auch das Argument, dass es an einem verhaltensverantwortlichen Vermögensentzug durch die Schwestergesellschaft als Voraussetzung für den existenzvernichtenden Eingriffs fehlt, vermag nicht zu überzeugen. So ist beispielsweise vorstellbar, dass die Schwestergesellschaft den Vermögenstransfer selbst initiiert und (z. B. über eine mit anderen Konzerngesellschaften partiell personenidentische Geschäftsführung) faktisch die Mutter als Werkzeug benutzt und über deren gesellschaftsrechtlichen Einfluss andere Schwestergesellschaften dominiert.401 K. Schmidt hat unter Bezugnahme auf den Wortlaut der § 18 Abs. 2 und § 291 Abs. 2 AktG herausgearbeitet, dass eine einheitliche Leitung auch gegeben sein kann, wenn die beteiligten Gesellschaften nicht aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung im Sinne der §§ 16, 17 AktG zueinander im Abhängigkeitsverhältnis stehen.402 Auch kann es eine geteilte Leitung von Mutter- und Schwestergesellschaft geben.403 Beruht der Vermögensabzug also auf einer Ausübung von Leitungsmacht der Schwestergesellschaft, so sind alle Tatbestandsmerkmale der Existenzvernichtungshaftung erfüllt. Wenn die Schwestergesellschaft als Empfängerin der Leistung dagegen unbeteiligt ist, Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 65 (Haftung nur nach Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht); Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 40 f.; 76 ff.; den Stand der Rechtsprechung verkennen Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (879); Lieder, DZWIR 2005, 309 (318). 399 BGHZ 81, 365 (368 ff.). 400 Gehrlein, BB 2005, 613 (614). 401 Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (497 f., 507 ff.); Weller, ZHR 169 (2005), 657 (658). 402 K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 (423 ff.) 403 Raiser, Festschrift Ulmer, S. 493 (497 f.).

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so ist eine Zurechnung der Leitungsausübung des herrschenden Gesellschafters zumindest in Erwägung zu ziehen, wenn es sich im wirtschaftlichen Sinne um ein einheitliches Unternehmen handelt. Auf diesem Gedanken basiert schließlich auch die Haftung der Schwestergesellschaft für § 30 GmbHG bzw. § 57 AktG zuwider geleisteten Zahlungen. Insofern kann die doppelte Gesellschafterstellung als Brücke zwischen den Konzerntöchtern fungieren, welche die direkte Beteiligung zwischen ihnen ersetzt.404 Gleichwohl muss aus normativen Gesichtspunkten zwischen aktiven und passiven Verhaltensweisen der Schwestergesellschaft differenziert werden (siehe sogleich). cc) Gefahr von Schutzlücken Lehnt man eine solche – dogmatisch gut begründbare – Haftungserstreckung ab und verweist die Gläubiger allein auf die Möglichkeit, über § 826 BGB Regress zu erlangen, so kann dies im Einzelfall eine erhebliche Schutzlücke bedeuten. Denn zum einen muss im Rahmen des § 826 BGB eine vorsätzliche Schädigungsabsicht der Schwester festgestellt werden, wobei der BGH wohl keine übersteigerten Anforderungen aufstellt.405 Zum andern ist die Schadensersatzpflicht aber auf individualisierbare Schädigungen der Gesellschaft beschränkt.406 Denn die Norm verlangt eine Feststellung hinsichtlich der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität, welche bei „qualifizierten“ Nachteilszufügungen gerade nicht möglich ist. Dies würde es einem herrschenden Gesellschafter erlauben, die kapital- und deliktsrechtlichen Existenzschutzregeln gezielt zu umgehen, wenn er die Vermögensverschiebung nur intensiv genug durchführt. Eine Haftung wegen Vermögensvermischung würde bei Vermögenslosigkeit des Alleingesellschafters ebenfalls leer laufen. Auch die insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln können in diesem Falle keine Abhilfe schaffen, weil sie ebenfalls individualisierbare Rechtshandlungen voraussetzen und auch nur auf Wiederherstellung des status quo ante gerichtet sind, also Vermögensschäden über den bloßen Vermögensabzug hinaus nicht erfassen. Denselben Einwänden sieht sich auch ein bereicherungsrechtlicher Vermögensausgleich (§ 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ausgesetzt, zumal hier noch Kondiktionssperren und Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) drohen.

404

Raiser, in: Großkomm. GmbHG, § 13 Rn. 167. Vgl. BGH v. 20.9.2004 – II ZR 302/02, NZG 2004, 1107 („Klinik-Fall“) 406 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 25b; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 403 (412 f.); Lutter/Banerjea, ZIP 2003, 2177 (2180). 405

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dd) Einschränkungen bei der horizontalen Haftung Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass eine horizontale Haftung der Schwestergesellschaft in Ausnahmefällen wirtschaftlich notwendig und dogmatisch mit einer Parallele zum Kapitalerhaltungsrecht begründbar ist. Falls die Schwestergesellschaft ihrerseits aktiv an der Vermögensverlagerung mitgewirkt hat, bestehen auch wertungsmäßig keine Bedenken, die Schwester für den gesamten Gläubigerausfall haften zu lassen.407 War die Schwestergesellschaft dagegen bloße Empfängerin des Vermögenstransfers, so bereitet die Begründung einer vollumfänglichen Haftung Schwierigkeiten. Selbst unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Einheitlichkeit des Konzerns, kollidieren hier die Interessen der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft mit denjenigen der Minderheitsgesellschafter der Schwestergesellschaft und deren Gläubiger. Deswegen erscheint es in diesem Falle angezeigt, erstens den Durchgriff auf den Ausnahmefall zu beschränken, dass eine Haftung des Mehrheitsgesellschafters wegen Vermögenslosigkeit nicht in Betracht kommt, und zweitens den Umfang einer so begründeten Haftung auf Rückgewähr der erworbenen Vermögensvorteile zu begrenzen. Unter konsequenter Fortsetzung kapitalerhaltungsrechtlicher Grundsätze ist die passiv empfangende Schwestergesellschaft beispielsweise lediglich dazu verpflichtet, den von der anderen Schwester erworbenen Kundenstamm zurück zu transferieren oder rechtswidrig entzogene Geschäftschancen wieder aufzugeben. Eine Einstandspflicht für weitere Schäden ist dagegen wegen widerstreitender Interessen abzulehnen. Gerade hierin zeigt sich die Existenzvernichtungshaftung als eigenständiges und punktgenau eingreifendes Regressinstitut einer deliktischen Haftung aus § 826 BGB überlegen, welche ohne Differenzierungsmöglichkeit immer auf den Ersatz des vollen Vermögensschadens geht. d) Zwischenergebnis Nach der hier vertretenen Auffassung kommt neben den unmittelbaren und mittelbar beteiligten Gesellschaftern auch eine Schwestergesellschaft als Haftungsadressat der Existenzvernichtungshaftung in Betracht, wenn sie in einem wirtschaftlich einheitlichen Unternehmen mit der geschädigten Gesellschaft eingegliedert ist. Dieses besondere Näheverhältnis vermag einen vollumfänglichen Haftungsdurchgriff allerdings nur dann zu rechtfertigen, wenn die Schwestergesellschaft aktiv an dem Vermögenstransfer beteiligt war. Bei bloß passiven Verhaltensweisen ist die Einstandspflicht auf den Fall der Vermögenslosigkeit des Mehrheitsgesellschafters und auf die Rückgewähr der erlangten Vermögensvorteile zu beschränken. 407 Im Gegensatz zu § 128 HGB ist die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auf den Ausfall der Gläubiger beschränkt, vgl. BGHZ 151, 181 („KBV“)

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

II. Vermögensvermischung Nach h. M. findet ein Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter statt, wenn deren Privatvermögen mit dem Gesellschaftsvermögen untrennbar vermischt sind.408 Die Rechtsprechung setzt dem Haftungsdurchgriff aber enge Grenzen, indem sie für das Vorliegen einer Vermögensvermischung fordert, dass die Vermögenszuordnung durch falsche oder unzureichende Buchführung oder in sonstiger Weise völlig verschleiert wird, so dass insbesondere die Beachtung der Kapitalerhaltungsregeln unkontrollierbar wird.409 Bloße Vermögensbewegungen, die ordnungsgemäß verbucht worden sind, genügen daher nicht.410 Als Schuldner kommen nur diejenigen Gesellschafter in Betracht, die aufgrund des ihnen in dieser Position bestehenden Einflusses für die Vermögensvermischung verantwortlich sind.411 Mit der neuen Rechtsprechung zur Existenzvernichtungshaftung stellt sich aber die Frage nach deren Verhältnis zur Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung. Erwägenswert erscheint es, dass die bislang unter dem Topos der Vermögensvermischung diskutierten Fallgruppen vollständig in dem neuen Haftungskonzept aufgehen.412 Denn auch die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs basiert auf dem sachlichen Zusammenhang zwischen dem Privileg der Haftungsbeschränkung und der Pflicht zur Vermögenssonderung.413 Gerade sog. „Waschkorblagen“414, in denen das Vermögen von Mutter- und Tochtergesellschaft bilanzrechtlich nicht getrennt werden, können einen typischen Fall der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs darstellen.415 Da jedoch nicht jede Vermögensvermischung zugleich einen Vermögensabzug bedeutet, spricht einiges dafür, beide Institute nebeneinander bestehen zu lassen. Wohl aber können Unklarheiten bezüglich der Vermögenszuordnung dazu führen, dass der Gesellschafter darlegen muss, dass kein zweckwidriger Vermögensentzug stattgefunden hat.416 408 BGH WM 1958, 463; BGHZ 95, 330 (332) („Autokran“); 125, 366; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 224. 409 BGHZ 95, 330 (334) („Autokran“); BGH WM 1994, 869; Stimpel, Festschrift Goerdeler, S. 615; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 13; Hüffer, AktG, § 1 Rn. 20. 410 BGH ZIP 1985, 29 (31). 411 BGHZ 125, 366. 412 So wohl Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1557 ff.), der auf die Vermögensvermischung als wesentliches Kriterium abstellt. 413 Vgl. statt aller Schön, ZHR 168 (2004), 268 (274). 414 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (425 f.). 415 Altmeppen, ZIP 2005, 119 (120) („Intransparenzhaftung“); Keßler, GmbHR 2005, 257 (264); Henze, NZG 2003, 649 (658). 416 H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1138); Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1558 f.); kritisch aber Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050).

§ 6 Das deutsche Recht der Unternehmensgruppe

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III. Materielle Unterkapitalisierung Nach der Lehre von der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung sind die Gesellschafter dazu verpflichtet, die Höhe des Eigenkapitals an dem tatsächlichen Finanzbedarf des Unternehmens auszurichten.417 Statten die Gesellschafter die Gesellschaft daher mit völlig unzureichenden Mitteln aus, so sollen sie für den Gläubigerausfall in der Insolvenz persönlich haften. Dieser Ansicht ist der BGH bislang nicht gefolgt, weil das Gesetz nur die Aufbringung eines Mindestkapitals verlangt und es darüber hinaus keine abstrakte betriebswirtschaftliche Regel für die Bemessung des Eigenkapitals und insbesondere kein bestimmtes Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital gibt.418 Nur in extremen Missbrauchsfällen wurde auf Basis des § 826 BGB eine Gesellschafterhaftung bejaht.419 Allerdings könnten die neueren Entwicklungen im deutschen Gesellschaftsrecht einer Haftung wegen qualifizierter materieller Unterkapitalisierung den Weg bereiten. Die Erkenntnis, dass das Mindestkapital das Unternehmensrisiko zwischen Gesellschaftern und Gläubigern nicht angemessen verteilt, wirft die Frage auf, welches andere System dem gerecht werden kann.420 Eines davon könnte die Haftung wegen Unterkapitalisierung sein, welche eine angemessene Eigenkapitalausstattung als Verlustpuffer für die Gläubiger verspricht.421 Auch die Rechtsprechung zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs könnte für eine solche Unterkapitalisierungshaftung sprechen. So wird diskutiert, Fallgestaltungen in die Existenzvernichtungshaftung einzubeziehen, in denen der Gesellschaft durch eine entsprechende Satzungsgestaltung von vorneherein die Fähigkeit genommen wird, die normalen Geschäftsrisiken zu bewältigen.422 Noch weitergehend wird gefordert, die anfängliche Ressourcenverwehrung dem nachträglichen Ressourcenabzug gleichzustellen, da in beiden Fällen die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten missachtet und damit das Haftungsprivileg missbraucht werde.423 Allerdings betont der BGH nunmehr, 417 Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Anh. § 30 Rn. 50 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 224; Banerjea, ZIP 1999, 1153 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 240 ff.; Blaurock, Festschrift Stimpel, S. 553 (559 ff.); ders. Festschrift Raiser, S. 3 (19 ff.); Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (57 ff.); dies., GmbHG, § 13 Rn. 7 ff.; G. H. Roth, ZGR 1993, 170 (177 ff.); Raiser/Veil, § 29 Rn. 29 ff. 418 BGHZ 68, 312 (319) („Fertighaus“); 90, 381 (388 f.) („BuM“). 419 BGH NJW 1979, 2104; BGH NJW-RR 1988, 1181; BGH ZIP 1992, 694. 420 Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen Mindestkapital und alternativen Gläubigerschutzinstrumenten, Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (18). 421 Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (19 ff.). 422 Röhricht, Festschrift BGH, S. 83 (106, 110 f.); Henze, NZG 2003, 649 (659).

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2. Teil: Englisches und deutsches Recht der Unternehmensgruppe

dass sich aus dem Verbot der Existenzvernichtung weder eine Bestandsgarantie noch eine Sanierungs- oder Nachschusspflicht der Gesellschafter ergebe.424 Die normative Ordnung des GmbHG begründe keine Verpflichtung der Gesellschafter, „für eine nachhaltige Fortführung des Unternehmens“ Sorge zu tragen.425 Eine Haftung wegen anfänglicher Ressourcenverwehrung würde aber gerade eine solche postive Nachschuss- und Rettungspflicht für die Gesellschafter bedeuten. Auch der enge Eingriffsbegriff426 passt nicht zu einer solchen weitreichenden Haftung. Wenn der BGH maßgeblich auf den Gedanken der „wilden Liquidation“ als Voraussetzung für die Haftung wegen Existenzvernichtung abstellt427, so kann die Entziehung von Gesellschaftsvermögen nicht mit dem Unterlassen einer erforderlichen Kapitalzufuhr gleichgesetzt werden.428 Auch aus dem Gesichtspunkt der „Ingerenz“ kann dem Unterlassen von Einwirkungsmaßnahmen kein Eingriffscharakter zukommen.429 Andernfalls könnten fehlerhafte Geschäftsführungsmaßnahmen, die eine Gefahrenlage begründet haben, entgegen der Intention des BGH mittelbar nun doch in eine Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs einbezogen werden.430 Eine anfängliche oder nachträgliche materielle Unterkapitalisierung kann deswegen keine Haftung wegen Existenzvernichtung auslösen. Diskutabel bleibt allein, ob eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung erforderlich ist, um das Unternehmensrisikos angemessen zwischen Gläubigern und Gesellschaftern zu verteilen und um opportunistischem Verhalten vorzubeugen.431 Allerdings dürfte nach aktuellem Stand der Rechtswissenschaft die Existenzvernichtungshaftung, zusammen mit der Insolvenzverschleppungshaftung und der Möglichkeit einer privatautonomen Risikoabsicherung ausreichende Mechanismen bereithalten, einen Missbrauch des Haftungsprivilegs effektiv zu sanktionieren.

423 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 11; Bitter, WM 2001, 2133 (2139 f.); Ulmer, JZ 2002, 1049; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (413 ff.); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1082 f.); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (293 f.). 424 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 (226) („Autohaus“) mit Anm. Schröder; ebenso Altmeppen, ZIP 2005, 119; Keßler, GmbHR 2005, 257 (260). 425 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 (226) („Autohaus“). 426 Siehe dazu oben § 6 F. G. I. 1. e). 427 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHG 2005, 299 (300) („Kofferfall“). 428 Im Ergebnis ebenso Schön, ZHR 168 (2004), 268 (290); Wackerbarth, ZIP 2005, 877 (879). 429 Erwägend aber Keßler, GmbHR 2005, 257 (260). 430 Vgl. BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 (300) („Kofferfall“). 431 So auch Blaurock, Festschrift Raiser, S. 3 (19 ff.).

Dritter Teil

Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland A. Begriff der Abhängigkeit Wie oben dargelegt, liegt der Gefahrenschwerpunkt für die Gläubiger einer Unternehmensgruppe bei der abhängigen Gesellschaft. Weil sich die Ausführungen auf diese spezifische Gefahrenlage1 konzentrieren, muss zunächst gefragt werden, wann überhaupt von einer abhängigen englischen Auslandsgesellschaft mit Sitz in Deutschland ausgegangen werden kann. Wegen der Maßgeblichkeit des englischen Gesellschaftsstatuts bestimmt sich auch der Konzernbegriff grundsätzlich nach englischem Recht. Dieser kommt dem deutschen „Unternehmensbegriff“2 sehr nahe, da s. 736 CA 1986 bestimmt, dass nur Körperschaften sich zu einer Unternehmensgruppe zusammenschließen können. S. 258 CA 1985 stellt sogar auf den Begriff des undertaking ab, welchen nur Körperschaften, partnerships oder wirtschaftliche Vereinigungen erfüllen können. Anders als im deutschen Recht haben diese Begriffsbestimmungen aber nur eingeschränkte Bedeutung für die Rechtsfragen der Unternehmensgruppe.3 Im Wesentlichen wird der Anwendungsbereich von Konzernrechtsnormen durch das formale Kriterium der Stimmenrechtsmehrheit bestimmt (s. 736 (1) CA 1985).4 Insoweit ist der Abhängigkeitsbegriff in § 17 Abs. 1 AktG weiter, weil dort unter Umständen auch eine Minderheitsbeteiligung ausreicht, um eine beherrschende Stellung zu begründen.5 Zwar stellt s. 258 (2) (c) 1 Siehe dazu die unter Einl. B. besprochenen drei Problemfelder: (1) Transparenzund Konzernvertrauen, (2) Unterkapitalisierung, (3) Vermögensvermischung und Vermögensentzug. 2 Dazu § 6 A. 3 Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 118; allerdings greift die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs unabhängig von einer „Unternehmereigenschaft“ des einflussnehmenden Gesellschafters ein. 4 Vgl. ss. 23 (1), (7), 151 (1), (2), 320 (1), 321, 323 (3), 324, 330, 346, 433 CA 1985. 5 Im Falle der sog. dauerhaften Hauptversammlungsmehrheit, BGHZ 69, 334 (347) („Veba/Gelsenberg“).

208 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

CA 1985 für Zwecke der Rechnungslegung auch auf materielle Kriterien ab, so dass auch andere Formen der Beherrschung unabhängig von einer Kapitalbeteiligung erfasst sind, jenseits der Rechnungslegungsvorschriften blieb der materielle Konzernbegriff dem englischen Recht aber fremd. Im Ergebnis ist damit jedenfalls bei einer Mehrheitsbeteiligung nach s. 736 (1) (a) CA (und entsprechend nach § 17 Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 1 AktG) von einer spezifischen Konzerngefahr bei der englischen Kapitalgesellschaft auszugehen.6 Gleiches gilt nach s. 736 (1) (b) CA 1985, wenn ein Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung des Managements hat.7 Allerdings kann das Merkmal der formellen Stimmenrechtsmehrheit bzw. des maßgeblichen Einflusses auf die Besetzung des Managements leicht umgangen werden. Deswegen erscheint es aus Gläubigerschutzgründen erwägenswert, auch auf das materielle Kriterium des „beherrschenden Einflusses“ nach § 17 Abs. 1 AktG bzw. s. 258 (2) (c) CA 1985 abzustellen. Andererseits hat sich gerade dieses in England außerhalb der Rechnungslegungsvorschriften nicht durchsetzen können und ist zudem nur schwer definierbar8. Als alternatives Kriterium bietet sich aber der verwandte Begriff des shadow director an. Auch dieser stellt auf das materielle Kriterium des maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke der Gesellschaft ab9 und stellt einen allgemeinen Haftungstatbestand des englischen Gesellschaftsrechts dar.10 Neben formellen Beherrschungstatbeständen ist deswegen zumindest auch dann von einer spezifischen Konzerngefahr bei der englischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland auszugehen, wenn ihre Muttergesellschaft als shadow director qualifiziert werden kann.

B. Kollisions- und europarechtliche Prämissen Bei der nun zu behandelnden „Gretchenfrage“, wie ein angemessener Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Ver6 Zumindest bei den Kapitalschutzvorschriften entspricht ein Abstellen auf den formellen Begriff der Mehrheitsbeteiligung auch beiden Rechtsordnungen, vgl. einerseits: ss. 23 (1), (7), 151 (1), (2) CA 1985; und andererseits §§ 56 Abs. 1, Abs. 2, 71a, d AktG. 7 Auch im deutschen Recht gilt dies als Beispiel für „beherrschenden Einfluss“ im Rahmen des § 17 Abs. 1 AktG: Bayer, ZGR 2002, 933 (935 ff.); Emmerich/ Habersack, S. 45 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 17 Rn. 6; Hüffer, AktG, § 17 Rn. 5. 8 Vgl. die umfassende Darstellung bei Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 17 Rn. 19 ff. 9 S. 741 (2) CA 1986, s. 251 IA 1986, s. 22 (5) CDDA 1986: „In relation to a company ‚shadow director‘ means a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act“. 10 Vgl. § 5 E. II. 3.

3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft 209

waltungssitz in Deutschland gewährleistet werden kann, überschneiden sich die Frage der kollisionsrechtlichen Anwendbarkeit englischer und deutscher Gläubigerschutzinstrumente mit der Reichweite der europäischen Niederlassungsfreiheit. Nach ganz h. M. ist im Zuge der Rechtsprechung des EuGH zur europäischen Niederlassungsfreiheit kollisionsrechtlich nunmehr an das Gründungsstatut der Gesellschaft anzuknüpfen.11 Wegen der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts der abhängigen Gesellschaft im internationalen Konzernrecht ist in der hier zu untersuchenden Fallkonstellation englisches Gesellschaftsrecht anwendbar.12 Gleichzeitig ist gem. Art. 3 und 4 EuInsVO deutsches Insolvenzrecht zum Schutz inländischer Gläubiger berufen, weil der „Mittelpunkt der tatsächlichen Interessen“ auch bei abhängigen Scheinauslandsgesellschaften an deren Verwaltungssitz liegt.13

11 12 13

Siehe § 3 A. I. Siehe § 4 A. 7. Siehe § 3 A. II.

§ 7 Publizität und Vertrauensschutz A. Eintragung im deutschen Handelsregister Auslandsgesellschaften können als solche nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen werden.1 Jedoch können und sollen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften mit Sitz in Deutschland gem. §§ 13d–13g HGB im Handelsregister eingetragen werden. Nach deutschem Begriffsverständnis haben Scheinauslandsgesellschaften in Deutschland zwar nicht ihre Zweig-, sondern ihre Hauptniederlassung2, im Rahmen der §§ 13d–13g HGB muss aber auf den gemeinschaftsrechtlichen Begriff der „Zweigniederlassung“ abgestellt werden.3 Nach diesem kann die Hauptniederlassung nur am Ort des Satzungssitzes sein, jede andere Niederlassung ist eine „Zweigniederlassung“.4 Deswegen ist die abhängige englische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland gem. §13d ff. HGB eintragungspflichtig, wobei die Eintragung nur deklaratorische Wirkung entfaltet.5 Zur Durchsetzung der Eintragung ist eine Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 HGB zulässig, nicht aber eine Haftung der director nach § 11 Abs. GmbHG analog.6

B. Firma und Angabe auf Geschäftsbriefen Die §§ 17 ff. HGB sind im Wege einer eingriffsrechtlichen Sonderanknüpfung anwendbar und haben vor der Niederlassungsfreiheit grundsätz1

Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 5 Rn. 71; Lutter, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 2. 2 Lutter, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 3 f. 3 Die §§ 13 ff. HGB beruhen auf der Zweigniederlassungsrichtlinie, 11. EGRichtlinie 89/666/EWG v. 22.12.1989, Abl.EG Nr. L 395/36 ff.; zur Maßgeblichkeit des gemeinschaftsrechtlichen Begriffsverständnisses vgl. OLG Zweibrücken NZG 2003, 537 (538); LG Trier NZG 2003, 778; Wachter, GmbHR 2004, 88 (93); Riegger, ZGR 2004, 510 (513). 4 Vgl. 6. Erwägungsgrund der Richtlinie; EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97, „Centros“ Tz. 26 f. 5 Vgl. KG Berlin GmbHR 2004, 116 (117). 6 BGH v. 14.3.2005 – II ZR/03 = BB 2005, 1016 = DB 2005, 1047 = ZIP 2005, 805; Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 15 f.

§ 7 Publizität und Vertrauensschutz

211

lich Bestand.7 Allerdings können die formalen Kriterien, welche für die Eintragungsfähigkeit im deutschen Firmenrecht entwickelt wurden, nicht ohne weiteres auf ausländische Gesellschaften übertragen werden, sofern diese nach ihrem Gründungsrecht wirksam registriert sind.8 Der Rechtsformzusatz (§§ 4 AktG, 4 GmbHG, 19 HGB) ist erforderlich, braucht aber nur den Anforderungen des Gründungsstaates zu entsprechen.9 Eine Übersetzung in die deutsche Sprache ist nicht erforderlich, wohl aber ein besonderer Hinweis auf das einschlägige Recht.10 Auf Geschäftsbriefen sind Register und Registernummer der inländischen Zweigniederlassung sowie Register, Rechtsform und Sitz der Auslandsgesellschaft anzugeben (§ 37a HGB und Art. 6 der 11. Richtlinie).11

C. Rechnungslegung Die englische Kapitalgesellschaft ist verpflichtet, den jährlichen Statusbericht (annual return) spätestens zwölf Monate nach der Gründung12 und den Jahresabschluss (annual accounts) spätestens zehn Monate nach Abschluss eines Geschäftsjahres beim englischen Handelsregister einzureichen.13 Dabei gelten selbstverständlich auch die Regeln zur konsolidierten Konzernbilanz, aus der sich mittelbar die Konzernstruktur ergibt.14 Für den Fall, dass die Direktoren ihren Rechnungslegungspflichten nicht nachkommen, drohen Zwangsmaßnahmen und Geldstrafen.15 Reagiert die Gesellschaft auf die Mahnung des registars, die erforderlichen Unterlagen bei7 K. Schmidt, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 15 (47). 8 K. Schmidt, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 15 (30); a. A. Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 5 Rn. 41; Mankowski, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 12 Rn. 72. 9 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b) der 11. Richtlinie; K. Schmidt, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, S. 34. 10 Mankowski, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 12 Rn. 69; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677 (681); Brand, JR 2004, 89 (94); Eidenmüller/ Rehm, ZGR 2004, 159 (183); a. A. K. Schmidt, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 15 (40). 11 K. Schmidt, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, 2005, S. 42; streitig ist, ob die Firmenangabe als Grundlage des Rechtsformenzusatzes als implizit miterfasst anzusehen ist, dafür Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461 (465); dagegen Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 5 Rn. 94. 12 SS. 363 f. CA 1985. 13 SS. 226, 244 CA 1985. 14 Sch. 5 CA 1985. 15 Dierksmeier, BB 2005, 1516 (1518).

212 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

zubringen, nicht, wird die Gesellschaft zwangsgelöscht, und das in England belegene Vermögen fällt der britischen Krone zu.16 Darüber hinaus ist die Auslandsgesellschaft verpflichtet, ihre englischen Abschlüsse in Deutschland offen zu legen (§ 325a HGB).17 Damit können deutsche Gläubiger durch Einsichtnahme in die englischen Anhänge zum Einzelabschluss der Tochtergesellschaft erfahren, wer diese letztlich beherrscht.18 Ein zusätzlicher Jahresabschluss nach deutschem HGB ist nicht zu erstellen.19

D. Mitteilungspflichten Die Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG gilt auch für ausländische Mutterunternehmen, sofern die abhängige Gesellschaft eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist.20 Mit „Sitz“ ist der Satzungssitz der Gesellschaft gemeint (§ 5 Abs. 1 AktG), so dass § 20 Abs. 1 AktG nicht auf ausländische „Aktiengesellschaften“ mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar ist.21 Eine analoge Anwendung auf Scheinauslandsgesellschaften muss an der europäischen Niederlassungsfreiheit scheitern, weil dies eine Überlagerung des ausländischen Gründungsstatuts zur Folge hätte, wie sich aus der Sanktionsmöglichkeit des § 20 Abs. 7 AktG ergibt. Die Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG knüpfen hingegen an den Verwaltungssitz22 der Gesellschaft an und wären damit grundsätzlich auch auf ausländische „Aktiengesellschaften“ mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar, sofern deren Aktien an einem europäischen Markt gehandelt werden. Allerdings bedeuten die aus § 21 WpHG folgenden Organisations- und Informationseinholungspflichten23, vor allem aber das Ausübungsverbot des § 23 Abs. 4 WpHG ebenfalls einen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft.24 Damit muss auch eine Anwendung der §§ 21 ff. WpHG an 16 Graf von Bernstorff, RIW 2004, 498 (501). In Deutschland belegenes Vermögen ist hiervon nicht betroffen, insofern besteht also die englische Kapitalgesellschaft als juristische Person in Deutschland fort, vgl. Mansel, in Liber amicorum Gerhard Kegel, S. 111 ff.; U. Huber, in: Lutter, Die europäische Auslandsgesellschaft in Deutschland, S. 338. 17 Ebert/Leverdag, GmbHR 2003, 1337 (1339); Dierksmeier, BB 2005, 1516 (1518). 18 Sch. 5 CA 1985, Rn. 12. 19 Riegger, ZGR 2004, 510 (518). 20 BegrRegE zu § 20 bei Kropff, AktG, S. 39; Krieger, in: Münchener Hdb. GesR, Bd. 4, Rn. 112; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 595; Hüffer, AktG, § 20 Rn. 2. 21 Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, § 20 Rn. 41. 22 Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, vor § 21 WpHG Rn. 3; Hüffer, AktG, Anh. § 22, § 21 WpHG Rn. 13. 23 Schneider, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 21 Rn. 92.

§ 7 Publizität und Vertrauensschutz

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den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit scheitern, weil gleichwertige und sogar noch strengere Offenlegungspflichten nach englischem Recht bestehen.25

E. Transparenz und „Konzernvertrauen“ I. Publizität der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe Die Publizitätsregeln sind bei der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe lückenhaft, weil die englischen und deutschen Publizitätsvorschriften nicht aufeinander abgestimmt sind. Inländische Gläubiger können von der Abhängigkeitslage der englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland nur wissen, wenn sie in deren englischen (immerhin übersetzten26) Rechnungslegungsunterlagen und Anhängen im deutschen Handelsregister nachforschen. Wollen sie sich darüber hinaus einen Überblick über die Beteiligungsstruktur des gesamten Konzerns verschaffen, so müssen sie in die Konzernbilanz der englischen Muttergesellschaft Einblick nehmen, somit also in das englische Handelsregister.27 Selbst wenn sie diese Mühen auf sich nähmen, könnten sie den Unterlagen aber weder die finanzielle Situation der beteiligten Unternehmen, noch der Grad der Abhängigkeit der Tochtergesellschaften entnehmen.28 Der bisherige Publizitätsansatz sieht sich überdies einem grundsätzlichen Einwand ausgesetzt: Weder aus dem Handelsregister noch aus der Firma geht die Gruppenzugehörigkeit einer Gesellschaft unmittelbar hervor. Ebenso wenig besteht im englischen wie auch im deutschen Recht eine Pflicht, auf die Gruppenzugehörigkeit hinzuweisen.29 Forscht der Gläubiger – motiviert durch entsprechende „Verdachtsmomente“ – also nicht in den zum Handelsregister eingereichten Unterlagen nach, bleiben ihm die Konzernzugehörigkeit und die sich daraus ergebenden Gefahren völlig verborgen. 24

Hüffer, 6. AktG, Anh. § 22 Rn. 3. Die Mitteilungspflichten in § 21 WpHG gehen auf die Transparenzrichtlinie der EG zurück (Richtlinie 88/627/EWG vom 17.12.1988, ABl.EG Nr. L 348/62), welche in Großbritannien in Part VI CA 1985 umgesetzt wurde. Dabei löst bereits eine Beteiligung von 3% eine Meldepflicht aus, vgl. zum Ganzen Prentice, in: Hommelhoff/Hopt, Konzernrecht und Kapitalmarktrecht, S. 99 (111–115). 26 Vgl. § 325a Abs. 1 S. 3 HGB. 27 Das englische Handelsregister ist aber immerhin auf elektronischem Wege unter www.companieshouse.gov.uk einsehbar. Ein Abrufen der company accounts und der reports kostet jeweils £ 1,–. 28 High Level Group, S. 95; EU-Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.3. Die Transparenzlücke, die übrigens auch bei rein nationalen Sachverhalten besteht, soll durch eine Reform der Konzernbilanzrichtlinie in naher Zukunft geschlossen werden. 29 Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 145; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 409. 25

214 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Dieses Manko ließe sich de lege ferenda relativ einfach durch eine Verpflichtung zur Publizierung der Gruppenzugehörigkeit erreichen, etwa durch das Führen einer eigenen Konzernfirma.30 Jedoch ist zweifelhaft, ob eine Publizierung der Gruppenzugehörigkeit tatsächlich zu einem verbesserten Gläubigerschutz führen würde. Denn der Rechtsverkehr orientiert sich traditionell an der wirtschaftlichen Einheit und nicht an der rechtlichen Selbständigkeit der Konzerngesellschaften.31 Insofern würde das Führen einer Konzernfirma gerade unerfahrene Gläubiger dazu verleiten, auf die Finanzkraft der gesamten Gruppe zu vertrauen, obgleich sie rechtliche Vertragsbeziehungen nur zu einer Gruppengesellschaft unterhalten.32 Die tendenzielle Wahrnehmung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit führt damit zu einer Spannung zwischen dem Interesse professioneller Gläubiger an umfassender Information und dem Schutz unerfahrener Gläubiger. Der Konflikt kann aber aufgelöst werden, indem nicht das Führen einer Konzernfirma vorgeschrieben wird, sondern die Konzernzugehörigkeit unmittelbar im Handelsregister einzutragen ist.33 Dann können Gläubiger auf den ersten Blick die Konzernzugehörigkeit feststellen und sich auf die entsprechenden Risiken einstellen, ohne dass unerfahrene Gläubiger dazu verleitet werden, die Unternehmensgruppe als wirtschaftliche Einheit zu begreifen.34 II. Vertragliche Haftung An die Offenlage der Konzernverflechtung knüpft unmittelbar das Konzept der privatautonomen Risikoabsicherung an. In Bezug auf gesetzliche und vertragliche Kleingläubiger bestehen hier aber Schutzlücken.35 Diese werden durch Wahrnehmung der Unternehmensgruppe als wirtschaftliche Einheit noch verstärkt.36 Zentrale Bedeutung für den „Rechtsschein der Einheitlichkeit“ spielen dabei Patronatserklärungen von Konzerngesellschaften, in denen eine Konzerngesellschaft (zumeist die Muttergesellschaft) einen Schuldbeitritt erklärt oder sich verpflichtet, die betreffende Gesellschaft mit dem notwendigen Kapital auszustatten, um die Verbindlichkeiten zu erfüllen.37 30

So der Vorschlag von Schneider, WM 1986, 181 ff. Posner, Economic Analysis of Law, S. 450 f. 32 Hopt, Festschrift Volhard, S. 74 (79); Hertig/Kanda, in: Kraakman, The Anatomy of Corporate Law, S. 74. 33 So der Vorschlag von Hopt, Festschrift Volhard, S. 74 (79). 34 Befürwortend auch Bloß, Unternehmensgruppe im englischen und deutschen Recht, S. 145 f. 35 Ausführlich dazu unter § 5 B.; zu den Grenzen des Arbeitnehmerschutzes durch Information, siehe Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 30 f. 36 Posner, Economic Analysis of Law, S. 450 f. 31

§ 7 Publizität und Vertrauensschutz

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Kennzeichnend für beide Rechtsordnungen ist jedoch, dass sie seit jeher hohe Anforderungen an den Rechtsbindungswillen von solchen Patronatserklärungen stellen.38 Ausgangspunkt für die Ermittlung einer rechtsgeschäftlichen Bindung ist dabei nach klassischer zivilrechtlicher Methode die Frage, ob der Erklärungsempfänger als verständiger und loyaler Vertragspartner annehmen durfte, dass sich sein Gegenüber rechtlich verpflichten wollte.39 Dabei kann als rule of thumb gelten, dass, je undeutlicher eine Erklärung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach der Erfahrung im Geschäftsleben ist, desto höher die Prüfungspflichten des Erklärungsempfängers sind.40 Deswegen handelt es sich bei den häufig anzutreffenden Zusagen der Mutter, sie stehe jederzeit hinter der Tochtergesellschaft, regelmäßig um bloße Absichtserklärungen ohne Bindungswillen, so dass eine vertragliche Haftung für die Schulden der Tochter ausscheidet.41 Im englischen Rechtsraum spricht man in diesem Zusammenhang von comfort letters, in Deutschland von sog. „weichen Patronatserklärungen“42. In der englischen Bezeichnung kommt anschaulich zum Ausdruck, worauf solche Erklärungen abzielen: Durch die wohlkalkulierte Erzeugung eines comforting effects weckt die Muttergesellschaft bestimmte Erwartungen hinsichtlich ihres zukünftigen Geschäftsgebarens, welche später treuwidrig enttäuscht werden.43 Dabei sollen solche Erklärungen oftmals den letzten Zweifel der Gläubiger an der Bonität des Vertragspartners zerstreuen und sind damit kausal für den Vertragsabschluss und – vielleicht noch wichtiger – für die Bereitschaft zur Fortführung der Geschäfte mit einer „kriselnden“ Tochtergesellschaft. Gleichzeitig sind die Erklärungen aber meist so schwammig gehalten, dass sie gerade im Fall des Falles nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung qualifiziert werden können. Es drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass Konzerngesellschaften die hohen Anforderungen 37 Dabei wird zwischen aufstrebenden (up-stream), abstrebenden (down-stream) oder gleichrangigen Erklärungen unterschieden. 38 Vgl. die Entscheidung des Court of Appeal in Kleinwort Benson Ltd v Malaysia Mining Corporation Bhd [1989] 1 WLR 379, und in Re Atlantic Computers plc [1995] BCC 696; nahezu identische Argumentation bei BGH WM 1961, 1103 (1106). 39 Für England Re Atlantic Computers plc [1995] BCC 696 (698), für Deutschland BGH DStR 1993, 1753. 40 Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 290. 41 Für England: Kleinwort Benson Ltd v Malaysia Mining Corporation Bhd [1989] 1 WLR 379; Re Atlantic Computers plc [1995] BCC 696; für Deutschland: BGH DStR 1993, 1753. 42 Zur Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen siehe oben § 6 F. I. 43 In der englischen Literatur wird gar von einem „Placebo-Effekt“ solcher comfort letters gesprochen, vgl. Brown, JBL 1990, 281.

216 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

der Rechtsgeschäftslehre einseitig zu ihren Gunsten ausnutzen und mit solchen „weichen Patronatserklärungen“ die Taktik verfolgen, Gläubigern die Rechtsverfolgung zu erschweren.44 Diese Taktik ging sowohl in England als auch in Deutschland häufig auf, zu Prozessen kam es selten. Im Konzern erweist daher die Rechtsgeschäftslehre der privatautonomen Risikoabsicherung einen Bärendienst: Die Parteien begründen ihre Rechtsverhältnisse nicht mehr in freier Selbstbestimmung, indem sie Verantwortung für ihr Tun übernehmen45, sondern die wirtschaftliche Ausnahmestellung des Konzerns führt zu einer Fremdbestimmung im Sinne von Konzerninteressen, ohne eine damit verbundene Verantwortlichkeit des Erklärenden. Es spricht daher einiges dafür, die Prüfungspflicht des Erklärungsempfängers in Konzernlagen herabzusetzen, um den Gleichlauf von Freiheit und Verantwortlichkeit wiederherzustellen.46 Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine konzernspezifische Auslegungsregel zu Friktionen in der Rechtsgeschäftslehre führen und u. U. sogar über das eigentliche Ziel des Gleichlaufs von Freiheit und Verantwortung hinausschießen kann. Insbesondere würde eine solche konzernspezifische Auslegungsregel tief in die privatautonome Risikoverteilung eingreifen, wenn sich die Parteien der rechtlichen Unverbindlichkeit solcher Erklärungen bewusst waren und dies in ihre Risikokalkulation einbezogen hatten, etwa indem sich die Gläubiger ihr erhöhtes Ausfallrisiko durch eine höhere Zinslast haben abgelten lassen. Nähme man in diesen Fällen dennoch eine vertragliche Konzernhaftung an, so bedeutete dies für die übrigen Gläubiger der „kriselnden“ Gesellschaft eine Mehrbelastung, weil sie bei deren Insolvenz die erhöhte Zinslast nun tragen müssten. Bei Zweifelhaftigkeit des Rechtsbindungswillens ist es deswegen vorzugswürdig, die Problematik im Rahmen der allgemeinen Vertrauenshaftung anzugehen. III. Konzernvertrauenshaftung 1. Grundsätze einer „Konzernvertrauenshaftung“ in England und Deutschland Zunächst ist an eine Haftung der Muttergesellschaft unter Rechtscheinsgesichtspunkten zu denken. In beiden Rechtsordnungen kann ein Rechtscheinstatbestand aber allein aufgrund des einheitlichen Auftretens der Gruppe nicht angenommen werden. Eine Haftung kommt jedoch in Betracht, 44

Kiethe, ZIP 2005, 646 (648); Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 433. Näher zur Privatautonomie und Selbstbindung durch Vertrag, Larenz, AT, 6. Aufl., S. 40 f. 46 In diese Richtung Kronstein, Die abhängige juristische Person, S. 81; Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (470). 45

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wenn außenstehende Dritte bei Vertragsanbahnung über die Identität des Vertragspartners getäuscht werden. In England bemüht man hierfür die allgemeine misrepresentation-Haftung.47 In Deutschland lässt sich die Haftung mit der allgemeinen Rechtsscheinshaftung begründen: Wer zurechenbar den Anschein erweckt, er sei Vertragspartner, muss sich daran festhalten lassen.48 Damit gehen englische und deutsche Vertrauenshaftung auf positiven Vertrauensschutz. Wegen dieser „schneidigen“ Haftung werden aber verhältnismäßig strenge Maßstäbe an das Vorliegen eines Rechtscheinstatbestands geknüpft. Beispielhaft für diese Fälle sind etwa das Verwenden identischer Briefköpfe und das Auftreten im Geschäftsverkehr unter einem einheitlichen Gesamtnamen.49 Die Problematik „weicher Patronatserklärungen“ bzw. comfort letters lässt sich damit aber nicht lösen. Denn hier macht die Muttergesellschaft gerade die Haftungstrennung zwischen den Konzerngesellschaften deutlich, sagt dann aber ihre finanzielle Unterstützung zu. Allerdings kann ein solches Verhalten nach der hier vertretenen Auffassung eine Haftung nach den Grundsätzen der c. i. c. gem. § 311 Abs. 2 und 3 BGB auslösen.50 Auch wenn eine solche spezifische Konzernvertrauenshaftung bislang noch nicht ausdrücklich in der deutschen Rechtsprechung anerkannt ist, kann mit dem schweizerischen Bundesgericht51 argumentiert werden, dass ein Schuldverhältnis mit gesetzlichen Schutz- und Aufklärungspflichten entsteht, wenn Erklärungen der Muttergesellschaft bei Geschäftspartnern der Tochtergesellschaft Vertrauen in die Integrität und Kreditwürdigkeit des Konzerns hervorrufen. Dieser Weg scheint den englischen Gerichten verschlossen, weil die Aussage der Muttergesellschaft, sie werde auch in Zukunft hinter ihrer Tochter stehen, wohl noch gar keine representation im Rechtssinne ist.52 Denn hierin liegt weder eine Tatsachen- noch eine Rechtsauskunft, sondern lediglich 47 Grundlage dafür ist die Entscheidung des House of Lords in Hedley Byrne & Co v Heller & Partners [1964] AC 465; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 90 ff.; Smith, The Law of Contract, S. 136; Muscat, Holding Company Liability, S. 423 f.; sollte aufgrund einer Fehlinformation ein Vertragsschluss erfolgen, so steht dem anderen Teil zusätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen den Erklärenden bzw. ein Anfechtungsrecht aus s. 1, 2 (1) Misrepresentation Act 1967 zu. 48 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 179; Rehbinder, Konzernaußenrecht, 157. 49 BGH WM 1985, 54 (55): „R-Firmengruppe“; Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (473) m. w. N. 50 Vgl. die Ausführungen unter § 6 F. II.; ebenso Fleischer, ZHR 163 (1999), 461 (474 ff.); ders., NZG 1999, 685 (690 ff.); Druey, Festschrift Lutter, S. 1069 ff.; Lutter, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 229 ff.; U. Stein, Festschrift Peltzer, S. 557 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 91 51 BGE 120 II 331, 335 f.; fortgeführt in BGE 124 III 297, 303 f. 52 Dazu Treitel, The Law of Contract, S. 330–335.

218 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

eine Erklärung über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten. Hält die Muttergesellschaft dieses aber nicht ein, so liegt darin noch keine misrepresentation of fact.53 Anders ist dies nur, wenn die Muttergesellschaft eine Erklärung über ihre derzeitige Intention abgibt, obwohl sie eine solche in Wirklichkeit nie hatte. Darüber hinaus sind Sorgfalts- und Aufklärungspflichten nach der misrepresentation-Haftung grundsätzlich nur zwischen Vertragspartnern bzw. im Rahmen vertragsähnlicher Sonderbeziehungen54, nicht aber zu Dritten anerkannt, es sei denn diesen kommt eine professionelle Beraterrolle zu.55 Kann die Zusage also nicht klar als Erklärung im Vorfeld einer Garantiezusage qualifiziert werden, sondern bleibt es beim Erwecken von Vertrauen, ohne dass daraus abgeleitet werden kann, die Muttergesellschaft werde sich in Zukunft persönlich verpflichten, scheidet eine Haftung unter englischen Vertrauensschutzgesichtspunkten regelmäßig aus. Auch andere funktionsäquivalente Gläubigerschutzinstrumente können das erhöhte Ausfallrisiko der Konzerngläubiger in diesem Fall nicht auffangen. Der englische Fall Re Augustus Barnett & Son Ltd 56 ist dafür ein typisches Beispiel. Auch hier mussten die Gläubiger der Tochtergesellschaft aus dem Verhalten und Zusagen der Muttergesellschaft den Schluss ziehen, dass sie hinter den Verbindlichkeiten ihrer „kriselnden“ Tochtergesellschaft stehe. Das Gericht sah sich dennoch nicht nicht in der Lage, eine Haftung der Muttergesellschaft wegen fraudulent trading57 anzunehmen, obwohl es erkannte, dass dies eine große Härte für die Gläubiger bedeuten würde. Bereits vor dieser Entscheidung wurde von einer „Lücke im Gläubigerschutz“58 gesprochen, welche durch die Einführung der Haftung wegen wrongful trading geschlossen werden sollte. Aber auch diese stößt hinsichtlich des Konzernvertrauensproblems an ihre Grenzen. So kann zwar in der Zusage der finanziellen Unterstützung 53

The Seaflower [2002] 2 Lloyd’s Rep. 37, 42; Treitel, The Law of Contract, S. 331. 54 Hedley Byrne & Co v Heller & Partners [1964] AC 465, 528 f. 55 Vgl. Mutual Life & Assurance Co v Evatt [1971] AC 793. In dieser Entscheidung lehnte das Privy Council die misrepresentation-Haftung eines Versicherungsunternehmens wegen fehlenden Näheverhältnisses ab. Dieses hatte einem Kunden zugesichert, seine Tochtergesellschaft sei finanziell gut ausgestattet, woraufhin dieser in die besagte Gesellschaft investierte. Weitergehend aber die Entscheidung Anderson & Sons Ltd v Rhodes (Liverpool) Ltd [1967] 2 All ER 850, in welcher eine Nähebeziehung auch außerhalb einer professionellen Ratgeberstellung angenommen wurde. In der Entscheidung erklärte ein Einkaufskommissionsagent gegenüber dem Verkäufer, dass sein Prinzipal solvent sei, was aber nicht den Tatsachen entsprach. 56 [1986] BCLC 170. 57 Damals noch zu s. 332 CA 1948, der aber insoweit inhaltsgleich mit s. 213 IA 1986 ist. 58 Re Southard & Co Ltd [1979] 1 WLR 1198.

§ 7 Publizität und Vertrauensschutz

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eine Fortführung der Geschäftstätigkeit i. S. d. s. 214 IA 1986 gesehen werden, allerdings ist den Gläubigern hiernach nur der durch die Insolvenzverschleppung entstandene Masseverringerungsschaden, also der „Quotenschaden“ zu ersetzen. Neugläubigern, die ohne comfort letter überhaupt nicht in geschäftlichen Kontakt zur Gesellschaft getreten wären, wird ihr darüber hinausgehender Vertrauensschaden nicht ersetzt.59 Zudem ist die Haftung erst ab „Unvermeidbarkeit der Insolvenz“ einschlägig und auch der Nachweis der shadow director-Eigenschaft ist schwierig.60 Dies hat bereits an anderer Stelle der Arbeit zu der Schlussfolgerung geführt, dass s. 214 IA 1986 keinen effektiven Gläubigerschutz im Konzern bewirken kann.61 Gleiches muss wegen Kongruenz der Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen62 auch für die Haftung aus common law gelten. Eine Durchgriffshaftung ( piercing the corporate veil) wird in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht diskutiert. Es lässt sich also festhalten, dass in England das aufgrund von comfort letters erhöhte Ausfallrisiko der Gläubiger nicht kompensiert wird. Meines Erachtens besteht hier eine nicht unerhebliche Schutzlücke63, wohingegen im deutschen Recht eine Lösung über die Haftungsgrundsätze der c. i. c. (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB) zumindest möglich erscheint. 2. Anwendbarkeit der deutschen „Konzernvertrauenshaftung“ Die Schutzlücke im englischen Rechts könnte geschlossen werden, wenn und soweit § 311 Abs. 2 und 3 BGB als eine „Konzernvertrauenshaftung“ auf das Rechtsverhältnis zwischen deutschen Gläubigern und englischer Scheinauslandsgesellschaft Anwendung finden sollte. Kollisionsrechtlich steht eine solche Haftung zwischen Vertrags-64 und Deliktsstatut.65 Für eine vertragliche Qualifizierung spricht, dass zwischen erklärender Muttergesellschaft und dem auf die Erklärung vertrauenden Gläubiger ein „soziales Näheverhältnis“ aufgrund der wirtschaftlichen Integration des Konzerns besteht und die c. i. c.-Haftung allgemein auch als ein „quasi-vertraglicher“ Haftungstatbestand eingestuft wird.66 Dagegen wird angeführt, dass bei der 59 Kritisch deswegen auch Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (316 ff.); Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (196). 60 Siehe dazu § 5 F. II. 4. c). 61 Vgl. § 5 F. II. 5. 62 Vgl. § 5 E. II. 4. 63 Ebenso Prentice, 13 Connecticut Journal of International Law 1999, 305 (323). 64 Für eine Geltung des Vertragsstatuts: Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, IPR, Art. 32 Rn. 60 f.; Lüderitz, in: Soergel, EGBGB, Art. 38 Rn. 85. 65 Für eine Geltung des Deliktsstatuts: Hohloch, Erman, EGBGB, Art. 32 Rn. 21; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. 2, Rn. 559; Kreuzer, IPRax 1988, 16 (20); OLG Frankfurt IPRax 1986, 378. 66 BGH NJW 1987, 1141.

220 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Dritthaftung nach § 311 Abs. 3 BGB vertragliche oder vertragsähnliche Aspekte überhaupt keine Rolle spielten, weil der Dritte nun mal nicht Vertragspartner werde und eine solche Position auch niemals beabsichtigt war.67 Auf den Konzern übertragen, bedeutet die Argumentation, dass sich der Konzern an seiner rechtlichen Vielheit festhalten lassen, aus der nun einmal folgt, dass die Muttergesellschaft nicht selbst Vertragspartei wird. Allerdings ist zu beachten, dass im Gegensatz zur allgemeinen Sachwalterund Repräsentantenhaftung, die wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB) eingreift, die Muttergesellschaft hier nicht als Verhandlungsgehilfe tätig wird, sondern suggeriert, sie bzw. der gesamte Konzern werde selbst Vertragspartei. Die Vorstellung einer konzernrechtlichen „Verlust- und Haftungsgemeinschaft“ ist also Wesensmerkmal des hier erörterten „Konzernvertrauensproblems“. In der „Grauzone“ zwischen „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen erscheint daher eine vertragliche Qualifikation der Haftung überzeugender. Gleichwohl passt die freie Rechtswahl der Parteien (Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB, Art. 3 Abs. 1 EVÜ68) nicht zu dem Haftungskonzept. Deswegen entscheidet nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 EGBGB (Art. 4 Abs. 2 EVÜ) der Ort der Hauptverwaltung der Muttergesellschaft über das anzuwendende Recht. Nur falls die Muttergesellschaft ihre Hauptverwaltung also ebenfalls im Inland hat (inländischer limited company-Konzern), ist eine „Konzernvertrauenshaftung“ nach § 311 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 BGB anwendbar.

67

Hohloch, Erman, EGBGB, Art. 32 Rn. 21; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. 2, Rn. 559. 68 EG-Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ), BGBl II 1986, 809. Das Übereinkommen soll durch eine EG-VO ersetzt werden. Die Kommission will in Kürze einen Verordnungsvorschlag vorlegen, dazu Wagner, NJW 2005, 1754 (1755).

§ 8 Gläubigerschutz durch englische Kapitalschutzvorschriften, Geschäftsführerpflichten und piercing the corporate veil A. Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften Kollisionsrechtlich sind die Vorschriften über das Mindestkapital, die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung dem Gesellschaftsstatut zu entnehmen.1 Deswegen geht die ganz h. M. davon aus, dass sich die Finanzverfassung der englischen Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland ausschließlich nach englischem Gesellschaftsrecht bemisst.2 Vereinzelt wird aber vertreten, dass im Wege einer partiellen Anwendung der Sitztheorie3 bzw. zur Schließung von Schutzlücken des Gründungsrechts4 deutsches Kapitalerhaltungsrecht anwendbar sein soll. Namentlich Ulmer hält eine Anwendung der deutschen Kapitalschutzregeln vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit für unbedenklich, denn entweder enthalte das Gründungsrecht vergleichbare Schutzmechanismen, so dass schon tatbestandlich keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegen könne.5 Oder das Gründungsrecht enthalte keine vergleichbaren Schutzmechanismen, dann sei aber die Anwendung deutschen Rechts gemäß der Gebhard-Formel gerechtfertigt.6 1 RGZ 73, 366 (367); BGHZ 148, 167 (168); Kindler, in MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 450; Großfeld, in Staudinger, IntGesR, Rn. 259; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 733; Zimmer, IntGesR, S. 292. 2 Für die unabhängige Gesellschaft: Fleischer, in: Lutter, in: Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (116); Forsthoff/Schulz, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 15 Rn. 28; Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 13; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 129 (181 f.); Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2259); Schumann, DB 2004, 743 (745); Drygala, ZEuP 2004, 337 (347 f.); Bayer, BB 2003, 2357 (2364); Sandrock, ZVglRWiss 2003, 447 (473 ff.); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 17; Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1272); Behrens, IPRax 2004, 20 (24 ff.); Schumann, DB 2004, 743 (745); Riegger, ZGR 2004, 510 (522 ff.); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1479 f.). 3 Altmeppen, NJW 2004, 97 (100 f.); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088). 4 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.). 5 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.). 6 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.).

222 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Jedoch verkennt diese Argumentation die gemeinschaftsrechtliche Dimension des Erforderlichkeitsbegriffs.7 Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist es nämlich unerheblich, wie der Zuzugsstaat Vermögensausschüttungen zu Lasten des gebundenen Vermögens verhindert, solange der Gründungsstaat funktionsäquivalente Regelungen bereithält.8 Ansonsten hätten es die Mitgliedstaaten in der Hand, durch Setzen beliebig hoher Schutzstandards die Reichweite der Niederlassungsfreiheit zu manipulieren. Insbesondere bestehen im englischen Kapitalerhaltungsrecht strenge Ausschüttungsverbote (ss. 263, 277 CA 1985), welche mit dem Standard der §§ 57 ff. AktG vergleichbar sind.9 Ähnlich wie im deutschen Recht10 kommt dem englischen Verbot der Einlagenrückgewähr dabei Konzerndimension zu, wenn es auch Ausschüttungen an Schwestergesellschaften und nur mittelbare beteiligte Gesellschafter erfasst.11 Eine „Überlagerung“ durch nationales Sachrecht ist schon deswegen nicht erforderlich. Es kann auch nicht argumentiert werden, dass eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG zumindest bei der private limited company schon deshalb keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sein könne, weil sie hinter dem englischen Kapitalschutzstandard zurückbleibe. Denn englischer und deutscher Kapitalschutz ist zwar vergleichbar, im Einzelnen bestehen aber doch erhebliche Unterschiede. So ist in Deutschland die Ausschüttungssperre eng an das Gebot der realen Kapitalaufbringung gekoppelt (§§ 9 Abs. 1 AktG, § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG, § 7 Abs. 3 GmbHG, § 19 Abs. 2 GmbHG). Im englischen Recht kann dieses Gebot dagegen durch die sog. consideration doctrine weitgehend umgangen werden.12 Dies macht die in der Mustersatzung enthaltene Regelung deutlich, wonach bei der Gewinnverteilung allein die eingezahlten Anteile Maßstab für die Ausschüttung sind (Table A CA 1985, art. 104). Damit ist die Reichweite des englischen Kapitalerhaltungsrechts zumindest teilweise dem Willen der Gründer anheim gestellt. Für eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 ff. GmbHG fehlt es auch an der entscheidenden Bezugsgröße, weil bei Gründung der private limited company gerade kein Stammkapital aufgebracht werden muss. Altmeppen will die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf „das der Gläubigerbefriedigung gewidmete Vermögen“ beziehen und alle Ausschüttungen erfas7

Dazu bereits § 3 C. II. 1. Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 13; Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2259). 9 Vgl. dazu § 5 C. III. 10 Vgl. BGH NJW 2001, 1490; NJW 1999, 2822; NJW-RR 1986, 579 (580); NJW 1996, 589 (590) (für die GmbH). 11 Aveling Barford Ltd v Perion Ltd [1989] BCLC 626. 12 Vgl. Neuling, Deutsche GmbH und englische private limited company, S. 156. 8

§ 8 Gläubigerschutz durch englische Kapitalschutzvorschriften

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sen, „die zu Lasten des das Fremdkapital deckenden Vermögens“ gehen.13 Damit geht er aber weit über die Anforderungen der §§ 30, 31 GmbHG hinaus, welche einen Kapitalschutz nur in Höhe des Stammkapitals kennen, nicht hingegen einen festen Haftungsfond bei Insolvenz der Gesellschaft garantieren.14 Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, ist richtigerweise davon auszugehen, dass sich Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung der englischen Tochtergesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland ausschließlich nach englischem Gesellschaftsrecht bemessen. Weder die hiesigen Schutzvorschriften vor Unterpari-Emissionen (§ 9 Abs. 1 AktG), Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG), noch die Vorschriften hinsichtlich nicht endgültig zur freien Verfügung gestellter Wertüberlassungen (§ 7 Abs. 3 GmbHG), der Befreiungen von der Einlagepflicht durch Erlass, Verzicht oder Aufrechnung (§ 19 Abs. 2 GmbHG), oder die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG bzw. der §§ 57 ff. AktG sind anwendbar. Allerdings ist zu beachten, dass bilanziell nicht erfassbare Vorgänge ebenso wenig wie nach deutschem Recht unter den Ausschüttungsbegriff (s. 263 (1) CA 1985) subsumiert werden können. Wird beispielsweise der Tochtergesellschaft ein für den weiteren Geschäftsbetrieb zentrales Produktionsmittel entzogen, so kann die Gesellschaft im Rahmen der kapitalrechtlichen Rückforderungsregeln nur den Vermögensgegenstand bzw. dessen Wert zurückverlangen; die Bedeutung des Produktionsmittels für den weiteren Geschäftsbetrieb bleibt dagegen unberücksichtigt.15 Deswegen ist ein über den buchmäßigen Wertabzug hinausgehender Schaden, etwa wegen Stillstands der Produktion, nicht ersatzfähig. Die Aufgabe von Geschäftschancen zugunsten der Mutter oder die Eingehung von Spekulationsgeschäften werden ebenfalls nicht von den englischen Kapitalerhaltungsregeln erfasst. Schließlich versagen die Kapitalerhaltungsregeln auch bei sog. „qualifizierten“ Nachteilszufügungen.16 Sobald eine Vermögensverschiebung nicht als „Ausschüttung“ individualisiert werden kann, geht das Verbot der Einlagenrückgewähr ins Leere, weil die Verpflichtung zur Rückgewähr nicht eindeutig einem Schuldner zugeordnet werden kann. Gerade im Konzern bedeutet dies eine erhebliche Schutzlücke. Deutsche Gerichte haben die hier aufgezeigten Schwächen des Kapitalschutzsystems erkannt und als Antwort darauf nach langem Ringen die Haftung wegen existenz13

Altmeppen, NJW 2004, 97 (102). Vgl. zur Kritik Schumann, DB 2004, 743 (745). 15 S. 277 CA 1985 und der Rückforderungsanspruch nach den Grundsätzen des constructive trust, Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447 (457 f.). 16 Zur grundsätzlichen Kritik am englischen „monotransactional approach“, Muscat, Holding Company Liability, S. 237 ff. und S. 253 ff. 14

224 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

vernichtenden Eingriffs herausgebildet. Die französische Insolvenzausweitung arbeitet in ähnlicher Weise, wenn auch etwas zurückhaltender, indem sie die Vermögenswerte von Mutter und Tochter in der Insolvenz zusammenzieht.17 Es bleibt zu untersuchen, ob das englische Recht eine funktionsäquivalente Regelung aufweist, um die Lücken des Kapitalschutzsystems zu schließen.

B. Organisationsverfassung und piercing the corporate veil Auch die Organisationsverfassung wird einheitlich durch das englische Gesellschaftsrecht bestimmt.18 Die Geschäftsleiter einer englischen Konzerngesellschaft mit Sitz in Deutschland unterliegen damit den englischen Geschäftsleiterpflichten ( fiduciary duties und duties of care, skill and dilligence). Dementsprechend ist auch eine Ausrichtung der Tochtergesellschaft an einem übergeordneten Konzerninteresse unzulässig.19 Der klassische Haftungsdurchgriff im Sinne des piercing the corporate veil ist ebenfalls dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen20, so dass auch hier uneingeschränkt englisches Gesellschaftsrecht zur Anwendung gelangt.21 Abgerundet werden die Gläubigerschutzregeln durch die öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Regelungen des Company Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986) und durch die staatsaufsichtlichen Befugnisse der ss. 431 ff. CA 1985. Letztere sind bei Auslandsgesellschaften aber nur schwer durchsetzbar; so ist beispielsweise das Verlangen der Herausgabe von Dokumenten als fremder Verwaltungsakt in Deutschland nicht vollstreckbar.22 Diese theoretisch bestehende Schutzlücke verlangt aber nicht sofort die Anwendung des gesamten deutschen Gläubigerschutzrechts.23 17 Vgl. die confusion de patrimoines, société de façade und die gesetzliche action en extension, loi du 25 janvier 1985, Art. 182; zu den Einzelheiten der Haftungstatbestände vgl. Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 17–22, S. 12–14, S. 67–75. 18 Leible, in: Michalski, GmbHG, Syst. Darst. 2 Rn. 103; Riegger, ZGR 2004, 510 (517); KG BB 2003, 2644 (2646) zum Nachweis der Bestellung zum Geschäftsführer einer private limited company; a. A. Großerichter, DStR 2003, 159 (168); Altmeppen, NJW 2004, 97 (99). 19 Siehe oben § 5 E. I. 20 BGH ZIP 2004, 1549 (1550) (Durchgriff bei einer Delaware corporation); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 736 ff.; Zimmer, IntGesR, S. 344 ff., 352. 21 Fleischer, in: Lutter, in: Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (80); Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1620); Rehm, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 32. 22 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202); Altmeppen, NJW 2004, 97 (99); Schumann, DB 2004, 743 (745); Kieninger, ZGR 1999, 724 (742 f.); Zimmer, IntGesR, S. 338 f. 23 So aber Altmeppen, NJW 2004, 97 (99).

§ 8 Gläubigerschutz durch englische Kapitalschutzvorschriften

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Denn entgegen einer hierzulande weit verbreiteten Meinung24 kommt der Staatsaufsicht in England keine wesentliche Funktion zu. Sie wirkt eher ergänzend und faktisch auch nur bei besonderem öffentlichem Interesse.25 Schließlich ist es auch primär Aufgabe des englischen Rechts dafür zu sorgen, dass seine öffentlich-rechtlichen Vorschriften effektiv durchgesetzt werden bzw. die Zustellung von Verwaltungsakten gesichert ist.26 Die Disqualifizierung von Direktoren nach dem CDDA 1986 ist dagegen unproblematisch durch ein englisches Gericht auf Antrag des Secretary of State möglich. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dieses nationale Tätigkeitsverbot grenzüberschreitend durchzusetzen. So kann sich ein disqualifizierter Direktor dem Tätigkeitsverbot dadurch entziehen, dass er seine Geschäfte in einer anderen EU-Gesellschaftsform weiter betreibt.27 Entsprechendes gilt auch für die Umgehung der deutschen Tätigkeitsverbote nach § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 3 AktG. Hier kann aber wegen Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit das inländische bzw. das ausländische Tätigkeitsverbot analog auf die Geschäftsführer von EU-Auslandsgesellschaften angewendet werden.28 Eine europäische Initiative zur gemeinschaftsweiten Anerkennung von Tätigkeitsverboten wäre im Sinne der Rechtssicherheit jedoch wünschenswert.29

24 Kieninger, ZGR 1999, 724 (742 f.); Altmeppen, NJW 2004, 97 (99); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202). 25 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 480; DTI, Company Investigations 2001, Rn. 97; und oben § 5 G. II. 26 Schumann, DB 2004, 743 (745) mit dem Verweis auf AG Duisburg, NZG 2003, 1167, wonach bei fehlender postalischer Erreichbarkeit einer englischen Kapitalgesellschaft deren Löschung aus dem englischen Register in der Praxis nicht ausgeschlossen ist. 27 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26); Knapp, DNotZ 2003, 85 (89); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669). 28 Siehe oben § 3 C. I. 1. a). 29 Vgl. Europäische Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.1.3; dazu Fleischer, ZGR 2004, 437 (472 ff.).

§ 9 Anwendbarkeit der deutschen oder englischen Insolvenzverschleppungstatbestände Während weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die „klassisch“ gesellschaftsrechtlichen Haftungsinstrumente dem englischen Recht zu entnehmen sind, herrscht Streit über die Anwendbarkeit „insolvenzrechtlicher“ Ansprüche.1 Auffällig ist dabei, dass sich die Diskussion primär um die Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung rankt. Einerseits wird eine solche Haftung bejaht, weil die ss. 213, 214 IA 1986 nicht anwendbar seien2, andererseits eine solche unter pauschalem Verweis auf die ss. 213, 214 IA 1986 abgelehnt.3 Beide Auffassungen scheinen sich jedoch in dem Ausgangspunkt einig zu sein, dass es für die Frage der Anwendbarkeit deutschen Rechts entscheidend auf die Vorfrage der internationalprivatrechtlichen Qualifizierung von ss. 213, 214 IA 1986 ankommt. Denn sind die funktionsäquivalenten englischen Haftungsinstitute gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, besteht bei gleichzeitiger Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzanmeldepflichten die Gefahr der Normenhäufung; sind sie hingegen insolvenzrechtlich zu qualifizieren, muss gefragt werden, auf welche andere Weise das Schutzbedürfnis der Gläubiger an der rechtzeitigen Insolvenzanmeldung bei Auslandsgesellschaften verwirklicht werden kann. Vor dem 1

Zu dem problematischen Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Insolvenzstatut und dem hier unternommenen Vorschlag von einer einheitlichen Anknüpfung, siehe § 3 A. II. 2 Paulus, ZIP 2002, 729 (734); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (416); Bayer, BB 2003, 2357 (2365); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589 f.); Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); Altmeppen, NJW 2004, 97 (100 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (737 ff.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 ff.); Weller, IPRax 2004, 412 (414); G. H. Roth, in Feschrift Doralt (2004), S. 491; Wachter, GmbHR 2004, 88 (101); Riedemann GmbHR 2004, 345 (348); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 25 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 (2198 f.); Heldrich, in: Palandt, BGB, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 8; U. Huber, Festschrift Gerhardt, S. 397 (424 ff.); ders., in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (320 ff.), der allerdings die Anwendbarkeit des § 64 GmbHG durch eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung rechtfertigen will. 3 AG Bad Segeberg vom 24.3.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 m. zustimmender Anm. von Dichtl = NZI 2005, 411 m. Anm. von Pannen/Riedemann; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (400); dies., in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 46; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (10); offen lassend Schröder/Schneider, GmbHR 2005, 1288.

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 227

Hintergrund dieser Interdependenzen4 verwundert es, dass der internationalprivatrechtlichen Qualifizierung von ss. 213, 214 IA 1986 bislang kaum Bedeutung beigemessen wurde.5

A. Anwendbarkeit der englischen fraudulent und wrongful trading Haftung Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der ss. 213, 214 IA 1986 wird angeführt, dass sie trotz ihrer insolvenzrechtlichen Stellung im Gesetz Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Risikoverteilung seien.6 Dabei kann die Haftung wegen wrongful trading als Alternative zu dem kontinentaleuropäischen System einer festen Mindestkapitalziffer verstanden werden, die nicht ex ante sondern mittels einer ex post Kontrolle eine angemessenen Verteilung des Unternehmensrisikos gewährleistet. Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation spricht auch, dass die englische Rechtspraxis eine enge Verbindung zwischen dem haftungsauslösenden moment of truth und der gesellschaftsrechtlichen Kapitalisierungsfreiheit herstellt.7 Ferner werden die Haftungstatbestände der ss. 213, 214 IA 1986 funktional im Zusammenhang mit der Durchgriffshaftung diskutiert8, welche im internationalen Privatrecht traditionell dem Gesellschaftsstatut unterstellt ist.9 Allerdings gehören die Ansprüche gerade nicht zu den klassischen piercing the corporate veil Situationen, weil dieser Weg durch die strenge SalomonDoktrin gesperrt ist.10 Schließlich wird auch auf die enge Verbindung der wrongful trading Haftung mit den Rechtsprinzipien des common law hingewiesen. In der englischen Entscheidung Re Howard Holdings Inc.11 wurde dieser Einwand diskutiert, aber letztendlich für nicht durchschlagend erachtet, weil s. 214 IA 1986 erst im Insolvenzverfahren und nicht 4 Siehe deswegen auch den Vorschlag, de lege ferenda das Gesellschafts- und Insolvenzstatut einheitlich anzuknüpfen, § 3 A. II. 3. 5 Zur internationalprivatrechtlichen Qualifizierung und Anwendbarkeit der parallelen Haftung aus common law, siehe die nachfolgenden Ausführungen unter § 9 B. II. 2. a). 6 Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (400). 7 Davies, AG 1998, 346 (348 f.); Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (305). 8 Prentice, in: Hopt, Groups of Companies in European Laws, S. 99 (108); Gower/Davies, 7. Aufl., S. 195. Auch in der deutschen Literatur wird die wrongful trading Haftung zumeist als Alternative zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs oder materieller Unterkapitalisierung vorgeschlagen, Überblick bei Borges, ZIP 2004, 733 (740 ff.). 9 BGH ZIP 2004, 1549 (1550); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 736 ff.; Zimmer, IntGesR, S. 344 ff. 10 Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 233. 11 [1998] BCC 549, 554.

228 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

wie die common law Haftung bereits im Vorfeld der Insolvenz anwendbar sei. Im Ergebnis geht die englische Rechtsprechung damit von einer insolvenzrechtlichen Qualifikation der ss. 213, 214 IA 1986 aus.12 Dafür spricht, dass die Normen systematisch im Insolvenzrecht verankert sind, ein Insolvenzverfahren voraussetzen und nur von dem Insolvenzverwalter (liquidator) durchgesetzt werden können.13 Nur eine als englischer insolvency practitioner vom englischen insolvency service zugelassene Person darf als liquidator bestellt werden.14 Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Guardain/Nadler“15 dürfte auch kaum noch Raum für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der ss. 213, 214 IA 1986 sein. Der EuGH ordnete die der englischen wrongful trading Haftung entsprechende französische action en comblement du passif dem Insolvenzrecht zu16 und stützte sich dabei vor allem auf die systematische Verankerung der Norm im Insolvenzrecht, die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, die Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung des Anspruchs und den Umstand, dass der Erlös des Anspruchs der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommt.17 Alle diese Erwägungen treffen auch auf die Haftung nach ss. 213, 214 IA 1986 zu.18 Der Einwand, dass wegen Besonderheiten des französischen Verfahrensrechts aus der Entscheidung keine verallgemeinerungsfähigen kollisionsrechtlichen Schlüsse gezogen werden könnten19, verfängt nicht, weil es – ähnlich wie bei Art. 3, 4 EuInsVO – bei der Entscheidung um die Interpretation einer europäischen Rechtsnorm ging und nicht um die Auslegung nationalen Rechts.20 Im Ergebnis sind die ss. 213, 214 IA 1986 ebenso wie die ss. 216, 217 (Schutz vor so genannten 12

Lawlor, NZI 2005, 432 (434). Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 234 f. 14 SS. 338, 339 CA 1985, Insolvency Practitioners Regulations 1990, SI 1990/439. 15 EuGH Slg. 1979, 733. 16 Die Entscheidung erhielt überwiegend Zustimmung, vgl. Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 32; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 352; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR, Rn. 485; Riedemann, GmbHR 2004, 345 (348); Kuntz, NZI 2005, 424 (428); Junker, RIW 1986, 337 (345, 347); Wackerbarth, Grenzüberschreitende Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001, S. 107 f.; a. A. aber Zimmer, IntGesR, S. 291 (295). 17 Überblick zu den Kriterien bei Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (113); kritisch Haas, NZI 1999, 1148 (1150 f.). 18 Zur Verteilung des Erlöses im Interesse der Gläubigergesamtheit vgl. vor allem Buchler v Talbot [2004] 1 BCLC 281, 298 mit Anm. von Armour, 63 CLJ 2004, 560 (563) und oben unter § 5 F. II. 4. a). 19 So Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). 20 Kuntz, NZI 2005, 424 (428 mit Fn. 65). 13

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 229

phoenix companies)21 daher insolvenzrechtlich zu qualifizieren und finden auf die englische Auslandsgesellschaft wegen Art. 3, 4 EuInsVO im deutschen Insolvenzverfahren keine Anwendung.22 Anderes gilt, wenn die Gläubiger sich zur Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in England entschließen (Art. 3 Abs. 2, 27, 16 Abs. 2 EuInsVO).

B. Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzantragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung I. Qualifikation 1. Meinungsstand in der Literatur Wegen der insolvenzrechtlichen Qualifikation von ss. 213, 214 IA 1986 werden überwiegend auch die deutschen Antragspflichten und die Insolvenzverschleppungshaftung insolvenzrechtlich qualifiziert, weil nur so eine Schutzlücke in Form des Normenmangels vermieden werden könne.23 Die deutschen Haftungstatbestände seien dann über den Verweis des Art. 4 EuInsVO auf Auslandsgesellschaften anwendbar. Diejenigen Autoren, die von einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Antragspflichten ausgehen, argumentieren mit deren systematischen Stellung im Gesellschaftsrecht24 und der Tatsache, dass es sich um eine Organpflicht des Geschäftsführers handelt.25 Vor allem seien die Antragspflichten aber auch Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Risikoverteilung, 21 Die Vorschriften sollen verhindern, dass eine neue Gesellschaft auf Kosten der Gläubiger der zahlungsfähigen Gesellschaft gegründet wird, indem das Unternehmen zu einem minimalen Preis auf die neue, faktisch identische Gesellschaft übertragen wird, Penrose v Secretary of State for Trade and Industry [1996] 1 WLR 482; Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 235 ff. 22 So auch Wachter, DStR 2005, 1817 (1822); Borges, ZIP 2004, 733 (739 f.); Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 32; ders., NJW 2005, 1618 (1620); Bitter, WM 2004, 2190 (2198 f.); U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (322); Lawlor, NZI 2005, 432 (434); Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (369); Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 255; a. A. Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 46. 23 Zimmer, NJW 2003, 2385 (2390); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 32; ders., NJW 2005, 1618 (1620); Wachter, GmbHR 2004, 88 (101); Weller, IPRax 2003, 520 (522); ders., DStR 2003, 1800 (1804); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1085). 24 Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (399); Hirte, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 74. 25 Schumann, DB 2004, 743 (746); Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475).

230 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

weil sie ein Verbot der Fortführung der Gesellschaft in der Insolvenz und damit ein Verbot der Gläubigerschädigung enthielten.26 Deswegen sei auch die Insolvenzverschleppungshaftung als Reaktion auf die unterlassene Insolvenzanmeldung gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren.27 Andere schlagen eine deliktsrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung vor, weil sich die Anspruchsgrundlage aus dem allgemeinen Deliktsrecht ergebe (§ 823 Abs. 2 BGB), und gelangen über Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB zur Anwendbarkeit deutschen Deliktrechts.28 Wieder andere nehmen eine Mehrfachqualifikation von Insolvenz- und Deliktsstatut an.29 2. Stellungnahme a) Insolvenzantragspflichten Die Normierung der Antragspflicht im Gesellschaftsrecht allein sagt noch nichts über deren Qualifizierung aus. Denn wie Borges detailliert ausgeführt hat, ist die Stellung im Gesetz nicht Ausdruck einer bewussten dogmatischen Entscheidung des Gesetzgebers, sondern beruht auf dem sachlichen Zusammenhang der Antragspflicht mit der Pflicht zur Anzeige des Verlusts des hälftigen Grundkapitals und im Übrigen auf pragmatischen Erwägungen.30 Andererseits kann auch nicht aus Art. 4 EuInsVO auf die Anwendbarkeit von § 64 GmbHG bzw. § 92 AktG geschlossen werden.31 Die Insolvenzantragspflicht besteht unabhängig von einer tatsächlichen Verfahrenseröffnung, sie setzt sogar denknotwendig voraus, dass ein Insolvenzantrag noch nicht gestellt wurde.32 Damit muss auch ein anderer Anknüp26 AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 (885) = NZI 2005, 411 (412); Mock/Schildt, ZinsO 2003, 396 (399); Hirte, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 74; Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); K. Schmidt, ZHR 2004, 493 (497 f.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829 (830); Schumann, DB 2004, 743 (746). 27 Mock/Schildt, ZinsO 2003, 396 (400). 28 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (340 f.); Heldrich, in: Palandt, BGB, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 8; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670). 29 Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); wohl auch Zimmer, NJW 2003, 3585 (3590). 30 Borges, ZIP 2004, 733 (737 ff.). 31 So aber die oben in Fn. 23 genannten. 32 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1297); Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 35; U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (320 ff., 328 ff.); ders., Festschrift Gerhardt, S. 379 (425 f.).

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 231

fungspunkt als die lex fori concursus nach Art. 4 EuInsVO gefunden werden.33 Das bedeutendste Argument, welches für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Antragspflichten streitet, ist dasjenige von der gesellschaftsrechtlichen Risikoverteilung. Richtig an dem Ansatz ist, dass eine Insolvenzantragspflicht in der Tat nur bei Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfond existiert34, um Tendenzen opportunistischen Verhaltens in der Krise der Gesellschaft entgegenzuwirken.35 Die Insolvenzantragspflichten sind damit als eine Ergänzung der Haftungsbeschränkung bei juristischen Personen zu begreifen.36 Von dieser Querverbindung zum Gesellschaftsrecht kann aber nicht gleich auf eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation geschlossen werden. Denn neben den Insolvenzantragspflichten beugen vor allem auch die Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. InsO und die Rangrücktrittsregeln (z. B. § 39 Nr. 5 InsO)37 opportunistischem Verhalten in der Krise der Gesellschaft vor. Diese sind aber, wie sich aus Art. 4 Abs. 2 lit. g) und h) EuInsVO ergibt, eindeutig dem Insolvenzstatut der Gesellschaft zuzuordnen.38 Tatsächlich überwiegen die insolvenzrechtlichen Aspekte der Insolvenzantragspflichten, berücksichtigt man deren Zwecksetzung: Es geht um die rechtzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens, um die Altgläubiger vor einer weiteren Verringerung der Haftungsmasse zu schützen und die Neugläubiger vor einem ersten Kontakt mit der Gesellschaft zu bewahren. Erstgenannter Zweck ist eindeutig ein insolvenzrechtlicher, weil es um die kollektive Haftungsverwirklichung zur optimalen Befriedigung der Gläubiger geht.39 Aber auch der Schutz des Rechtsverkehrs ist ein Ziel der InsO.40 Die enge Verbindung 33

U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (320 ff., 328 ff.); Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1621). 34 Einzige Ausnahme ist die KGaA: Hier müssen die persönlich haftenden Gesellschafter, infolge der Verweisung des § 283 Nr. 14 auf § 92 Abs. 2 AktG, auch dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn es sich bei ihnen um natürliche Personen handelt und sie damit unbeschränkt persönlich haften, vgl. dazu BGHZ 75, 96 (105 ff.) („Herstatt-Fall“). 35 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (329 f.; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 103 f.; Mock/Schildt, ZinsO 2003, 396 (399). 36 BGHZ 126, 181 (197); Schmahl, in: MünchKomm. InsO, § 15 Rn. 66. 37 Siehe dazu sogleich. 38 So auch U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131 (166 ff.); Haas, NZI 2002, 457 (465); ders., NZI 2001, 1 (10); Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); ders., ZTS 2004, 291 (298 ff.); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480). 39 Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1620); ders., in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 25 ff. 40 Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 103.

232 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

zwischen Insolvenzantragspflicht und Insolvenzantragsrecht spricht ebenso für eine insolvenzrechtliche Qualifizierung. Die Frage des Antragrechts gehört zur gerichtlichen Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen.41 Wie Müller richtigerweise herausstellt, kann nur derjenige zur Antragsstellung verpflichtet sein, der dazu auch berechtigt ist.42 Die Insolvenzantragspflichten runden daher die Vorschriften über das Insolvenzeröffungsverfahren ab43 und sind deswegen im Ergebnis insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)44 unterstreicht dieses Ergebnis, wenn er in der Entwurfsbegründung zur Einführung eines erweiterten Auszahlungsverbots nach § 64 Abs. 2 S. 3 GmbHG die Norm entgegen ihrer systematischen Stellung dem Insolvenzrecht zuordnet und diese auch auf ausländische Gesellschaften angewandt haben will. b) Insolvenzverschleppungshaftung Dementsprechend ist im Sinne einer einheitlichen Betrachtungsweise auch die Sanktionierung der Pflichtverletzung (Insolvenzverschleppungshaftung) dem Insolvenzrecht zuzuordnen.45 Insbesondere scheint es nicht kohärent, auf europäischer Ebene funktionsäquivalente Normen einmal dem Insolvenzrecht und ein anderes Mal dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen. Prima facie spricht allerdings für eine deliktsrechtliche (Mehrfach-)Qualifikation, dass die Haftungsgrundlage systematisch dem Deliktsrecht zu entnehmen ist.46 Bei einer solchen deliktischen (Mehrfach-)Qualifikation kann es jedoch zu einem problematischen Gleichlauf unterschiedlicher Rechtsordnungen kommen. Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen grund41

Schumann, DB 2004, 743 (746). H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (416); ihm folgend Borges, ZIP 2004, 733 (739). 43 Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (367). 44 Abrufbar unter www.bmj.de. 45 Zimmer, NJW 2003, 2385 (2390); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 32; ders., NJW 2005, 1618 (1620); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (349); Wachter, GmbHR 2004, 88 (101); Weller, IPRax 2003, 520 (524); ders., DStR 2003, 1800 (1804); Borges, ZIP 2004, 733 (740); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1085); eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation befürworten hingegen Altmeppen/ Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088); Hirte, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 74; Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475); Mock/Schildt, ZinsO 2003, 396 (400); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207 f.); Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2260 f.). 46 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (340 f.); Heldrich, in: Palandt, BGB, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 8. 42

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 233

sätzlich dem Recht des Handlungsortes (Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Besteht die unerlaubte Handlung in einem Unterlassen, so ist Handlungsort der Ort, an dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen.47 Da dieser Ort gem. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Inland liegt, ist damit in Übereinstimmung mit dem deutschen Insolvenzstatut grundsätzlich inländisches Deliktsrecht anwendbar. Dies kann sich aber ändern, sobald der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Niederlassung im Ausland hat, weil er sich dann auch auf den Erfolgsort der Handlung und damit auf sein heimatrechtliches Deliktsrecht berufen kann (Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB).48 Hier fallen also Insolvenz- und Deliktsstatut auseinander, was im Extremfall zur Notwendigkeit einer Anpassung wegen Wertungswidersprüchen führen kann.49 Wegen dieser Schwierigkeiten ist eine Mehrfachqualifikation stets ultima ratio im internationalen Privatrecht.50 Sie ist nur zu betreiben, wenn es nicht möglich ist, einen Schwerpunkt zu bilden und die Erscheinung insgesamt einer Kollisionsnorm zugewiesen werden kann.51 Betracht man materiell den Schwerpunkt der Insolvenzverschleppungshaftung so liegt dieser in der Nichtbefolgung der insolvenzrechtlichen Antragspflicht. Die Haftung beruht daher materiell auf insolvenzrechtlichen Wertungen. Eine allein insolvenzrechtliche Qualifikation erscheint vorzugswürdig. Weil sich aus den Art. 3, 4 EuInsVO aber nicht die Geltung der deutschen Insolvenzantragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung ergibt, muss deren Anwendbarkeit aufgrund einer insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfung nach dem „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ analog Art. 3 EuInsVO bewerkstelligt werden.52 II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? 1. Meinungsstand Diejenigen Autoren, die eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung annehmen, sehen 47 Lüderitz, in: Soergel, EGBGB, Art. 38 Rn. 10; Heldrich, in: Palandt, BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 3. 48 Kuntz, NZI 2005, 426 (428); dies verkennt U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (340 f.). 49 Zur Anpassung von Insolvenzverschleppungshaftung und der Haftung aus common law, siehe unten § 9 B. II. 2. b). 50 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 178. 51 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 178. 52 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (320 ff., 328 ff.); Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1621).

234 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

in der Anwendung der deutschen Schutzvorschriften auf englische Auslandsgesellschaften eine Beeinträchtigung des ausländischen Gründungsstatuts und stellen dementsprechend einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit fest.53 Dieser könne auch nicht als nach deutschem Gläubigerschutzrecht erforderlich gerechtfertigt werden, weil in dieser Hinsicht die ss. 213, 214 IA bereits ausreichenden Schutz gewährleisten würden. Die Befürworter einer insolvenzrechtlichen Qualifikation halten die Anwendung der deutschen Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung dagegen zumeist für eine bloße tätigkeitsbezogene Beschränkung54, welche nicht an der Niederlassungsfreiheit zu messen sei.55 Hilfsweise wird auf die ansonsten bestehende Schutzlücke hingewiesen: Die funktionsäquivalente englische Haftung wegen wrongful trading komme wegen Art. 4 EuInsVO in Deutschland nicht zum Zuge, so dass die Anwendung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung zum Schutz der Gläubiger als zwingender Allgemeinwohlbelang zumindest gerechtfertigt sei.56 Eine vermittelnde Meinung hält zwar eine Anwendung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung im Hinblick auf die Art. 43, 48 EG für problematisch, will dem Gründungsrecht jedoch dadurch Geltung verschaffen, dass sie die Haftung wegen wrongful trading als Schutzgesetz im Rahmen des § 823 Abs. 2 qualifiziert.57 2. Stellungnahme Die zuletzt genannte Auffassung vermag weder kollisionsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu überzeugen. Ob ausländische Normen überhaupt als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommen, ist bereits zweifelhaft.58 Selbst wenn man dies annimmt, liefe eine Haftung 53 Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 39; dies., ZinsO 2003, 396 (400); Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (473 ff.); AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 (885) = NZI 2005, 411 (412). 54 Zur Übertragung der Keck-Grundsätze siehe § 3 B. 55 Eidenmüler, NJW 2005, 1618 (1621); ders., in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 29; Borges, ZIP 2004, 733 (740); Kuntz, NZI 2005, 426 (427); a. A. Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 39; dies., ZinsO 2003, 396 (400). 56 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 29; ders., NJW 2005, 1618 (1621); Borges, ZIP 2004, 733 (740); U. Huber, in: Lutter Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (348 ff.). 57 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670); Schumann, DB 2004, 743 (747 f.); Riegger, ZGR 2004, 510 (527); wohl auch Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 16 Rn. 46. 58 Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 12.

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 235

gem. § 823 Abs. 2 i. V. m. s. 214 IA 1986 indessen leer, weil Letztere in Deutschland kollisionsrechtlich überhaupt nicht anwendbar ist.59 Hält man ferner die Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung für europarechtlich problematisch, so müsste konsequenterweise gleiches auch für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 i. V. m. s. 214 IA 1986 gelten. Denn eine solche Haftung ginge deutlich über die Vorgaben des englischen Rechts hinaus, welches beispielsweise keinen Direktanspruch der Gläubiger kennt und bei der Schadensermittlung nicht zwischen Alt- und Neugläubigern differenziert.60 a) Berücksichtigung der englischen Haftung aus common law Aber auch die beiden anderen Begründungsversuche sind angreifbar. Vor allem wegen der schon oben bemängelten „deutsch-rechtlichen“ Perspektive werden in der Diskussion um die Geschäftsleiterhaftung bei englischen Auslandsgesellschaften die Gesamtzusammenhänge des englischen Gläubigerschutzrechts vernachlässigt. Nach den hier gefundenen Ergebnissen ist zunächst festzuhalten, dass die ss. 213, 214 IA 1986 kollisionsrechtlich nicht in einem deutschen Insolvenzverfahren anwendbar sind. Deswegen kann der pauschale Verweis auf die englischen Haftungstatbestände unter Verdrängung der deutschen Schutzvorschriften nicht überzeugen. Umgekehrt ist die Argumentation der europarechtlich unbedenklichen Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung erkennbar von der Annahme geprägt, dass andernfalls das Schutzinteresse der rechtzeitigen Insolvenzeröffnung nicht verwirklicht sei (Fall des Normenmangels).61 Trotz kollisionsrechtlicher Unanwendbarkeit der ss. 213, 214 IA 1986 ist diese Annahme aber ebenfalls unrichtig. Denn bislang wurde die Bedeutung der englischen Haftung wegen Verletzung von Gläubigerinteressen62 und deren Anwendbarkeit auf englische Auslandsgesellschaften schlichtweg unterschlagen oder ignoriert63, obwohl doch gerade die hierzulande häufig diskutierte Haftung wegen wrongful trading historisch dem common law ent59

Siehe oben § 9 A. Überblick bei Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (195) und ausführlich unter § 5 F. II. 2. 61 Vergleiche beispielsweise Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1621); ders., in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 33; U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 307 (349 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (740). 62 West Mercia Safteywear Ltd v Dodd [1988] 250; Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCLC 870; Re Pantone 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v London Wharf (Limehouse) Ltd [2003] BCC 855; Re MDA Investment Management Ltd [2004] 1 BCLC 217. 63 Andeutungen finden sich nur bei Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (477). 60

236 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

sprang.64 Nach der common law rule werden die Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft auf die Beachtung der Gläubigerinteressen verpflichtet.65 Rechtstechnisch wird dabei die gesellschaftsrechtliche Pflicht der Geschäftsführer, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln ( fiduciary duty to act in the company’s best interest), von einer Ausrichtung auf die Interessen der Gesellschafter hin zu einer Ausrichtung auf die Gläubigerinteressen verändert.66 Die dogmatische Verankerung der common law Haftung als Haftung für die Verletzung einer allgemeinen Organpflicht, sowie die Tatsache, dass sie im Gegensatz zu s. 214 IA 1986 unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens besteht, sprechen eindeutig für deren gesellschaftsrechtliche Einordnung. Davon geht auch die englische Rechtsprechung aus.67 Ist die Haftung aus common law aber gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, so ist sie im Wege der gesellschaftsrechtlichen Gründungsanknüpfung auch auf englische Auslandsgesellschaften anwendbar.68 Diese Tatsache hat nun erhebliche Auswirkungen auf die Haftungsverfassung der abhängigen Auslandsgesellschaft. Wie gesehen ist der Adressatenkreis der common law Haftung mit demjenigen von s. 214 IA 1986 identisch.69 Insbesondere erstreckt sich nach der hier vorgenommenen Analyse die Haftung auch auf den de facto und den shadow director, hat mithin über s. 289 (1) (b) CA 1985 Konzerndimension. Auch tatbestandlich wirken die Haftung aus common law und s. 214 IA 1986 ähnlich. Beide Pflichten dienen dazu, eine rechtzeitige Insolvenzanmeldung der Gesellschaft zu gewährleisten und die Gläubiger vor einer weiteren Vernichtung von Gesellschaftsvermögen zu schützen.70 Im Ergebnis erfasst die Haftung nach common law damit grundsätzlich alle Verhaltensweisen, die auch unter s. 214 IA 1986 subsumiert werde können.71 Die Rechtsfolgen der Haftung aus common law und aus s. 214 IA 1986 sind mittlerweile ebenfalls identisch ausgestaltet.72 64

Re Howard Holdings Inc [1998] BCC, 549, 554. Ausführlich unter § 5 E. II. 1. 66 Grantham, JBL 1991, 1; Keay, JBL 2002, 379; ders., 66 MLR 2003, 665; ders., 17 Insolvency Intelligence 2004, 1 (3); Prentice, 10 OJLS 1990, 265 (275); Finch, Corporate Insolvency Law, S. 499 ff. 67 Vgl. Re Howard Holdings Inc [1998] BCC 549 (554). 68 So wohl auch Lawlor, NZI 2005, 432 (434). 69 Vgl. oben § 5 E. II. 3. 70 Prentice, 10 OJLS 1990, 265; Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (297); Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174 (177 ff.). 71 Vgl. oben § 5 E. II. 4. 72 Nach der Entscheidung Buchler v Talbot [2004] 1 BCLC; unrichtig daher Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (200 ff.); Schall, ZIP 2005, 965 (967); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (64), die den Rechtsprechungswandel nicht diskutieren; vgl. dazu § 5 E. II. 4. und § 5 F. II. 4. a). 65

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 237

b) Kollisions- und sachrechtliche Folgerungen Daraus ergibt sich kollisionsrechtlich folgendes Bild: Die englische Haftung aus common law ist wegen der gesellschaftsrechtlichen Gründungsanknüpfung parallel zu den insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung anwendbar (Sonderanknüpfung gem. Art. 3 EuInsVO analog). Bedingt durch das Auseinanderfallen von Gesellschafts- und Insolvenzstatut liegt damit internationalprivatrechtlich eine Normenhäufung vor. Eine solche wäre unproblematisch, wenn beide Rechtsordnungen zu denselben Ergebnissen kämen bzw. leichte Detailunterschiede im Wege einer sachrechtlichen Anpassung überwunden werden könnten. Zwar zielen die hier kollidierenden Vorschriften beider Rechtsordnungen darauf ab, die Gläubiger in der Krise der Gesellschaft vor einem einseitigen Abwälzen des Unternehmensrisikos zu schützen, jedoch bestehen in der Umsetzung dieser Zielvorgabe erhebliche Unterschiede. Auf der Rechtsfolgenseite sieht das englische Recht lediglich eine Innenhaftung, das deutsche Recht hingegen eine „schneidige“ Außenhaftung vor. Auf Tatbestandsseite verlangt das englische Recht eine dynamische Betrachtung, während das deutsche Recht den Geschäftsführern die Beachtung einer starren Frist von 3 Wochen nach Eintritt der Insolvenz auferlegt. Mit diesem bright line test lässt sich einerseits relativ klar vorhersagen, wann eine Haftung nach § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG eintritt, andererseits kann ein solch unflexibler Test im Einzelfall zur Schließung wirtschaftlich rentabler Unternehmen führen.73 Im Konflikt zwischen wirtschaftlicher Rentabilität und Gläubigerschutz hat die deutsche Rechtsordnung also letzterem den Vorrang eingeräumt. Gerade anders herum verhält es sich im englischen Recht, welches entscheidend auf eine positive Fortführungsprognose („no reasonable prospect of avoiding liquidation“ – auch moment of truth genannt) abstellt74 und damit den Geschäftsleitern einen erheblich größeren Entscheidungsraum zubilligt. Einerseits verhindert dies die Schließung wirtschaftlich rentabler Unternehmen, andererseits ist die Bestimmung des haftungsauslösenden Zeitpunktes mit Unsicherheiten behaftet, was im Einzelfall zu einem geringeren Schutzstandard führen kann. Wegen dieser unterschiedlichen Modelle ist Vorsicht davor geboten, hiesige Begründungsmuster auf englische Gesellschaften zu übertragen. Beispielsweise entbindet entgegen 73

Kritisch deswegen K. Schmidt, ZGR 1998, 633 (653); Fenske, AG 1997, 554 (558); Penzlin, NZG 2000, 464 (467). 74 Zwar kennt auch das deutsche Recht eine solche Fortführungsprognose, diese ist aber nicht negatives Tatbestandsmerkmal der Antragspflicht, sondern erlaubt nur eine Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten (§ 19 Abs. 2 S. 2 InsO), vgl. Begr. zu RegE § 23, BR-Drucks. 1/92.

238 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

verbreiteter Vorstellung75 die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags nicht automatisch von einer Haftung nach englischem Recht.76 Die Verpflichtung auf die Interessen der Gläubiger kann unter Umständen gerade die Fortführung des Geschäftsbetriebes auch über die nach deutschem Recht maßgeblichen drei Wochen hinaus bedeuten. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Unterschiede zwischen dem statischen deutschen und dem dynamischen englischen Modell77: Positive Fortführungsprognose

Negative Fortführungsprognose

Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit

Potentielle Haftung nach deutschem, nicht aber nach englischem Recht

Potentielle Haftung nach deutschem und nach englischem Recht

Keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit

Keine Haftung

Potentielle Haftung nach englischem, aber nicht nach deutschem Recht

Wichtig ist es herauszustellen, dass es sich hier um eine theoretische Analyse handelt. In der Praxis hängt der englische „positive Fortführungstest“ von der Bereitschaft der Banken und Großgläubiger ab, der Gesellschaft weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.78 Dennoch ist damit klar, dass die parallele Anwendung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung und der englischen Haftung aus common law zu Wertungswidersprüchen führt: Statisches und dynamische Modell kollidieren. Dies spricht erneut eindringlich für eine einheitliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut.79 De lege lata ist freilich von einem Auseinanderfallen der beiden Statute aufgrund der primärrechtskonformen80 EuInsVO auszugehen. In Anbetracht dessen muss deshalb versucht werden, die parallele Anwendung gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Schutznormen einer angemessenen Lösung zuzuführen. Zur Lösung einer Normenhäufung bieten sich theoretisch zwei Methoden an.81 Entweder kann eine sachrechtliche Anpassung vorgenommen werden, oder aber es wird kollisionsrechtlich allein die 75

Vgl. Bachner, 5 EBOR 2004, 293 (300); Dichtl, GmbHR 2005, 886 (887). Ebenso Schall, ZIP 2005, 965 (971). 77 Vgl. dazu näher Bersheda, CSLR 2004, 63 (70 ff.). 78 Siehe die Studie von Franks/Sussman, The Cycle of Corporate Distress, Rescue and Dissolution: A Study of Small and Medium Size Companies. 79 Siehe dazu § 3 A. II. 3. 80 Bislang wurde noch kein einziges Mal Sekundärrecht wegen Verstoßes gegen die Grundfreiheiten für nichtig erklärt, Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 181. 81 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 256 ff. 76

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 239

Rechtsordnung angewendet, in deren Staatsgebiet der Schwerpunkt des Geschehens liegt.82 Dabei sind freilich die Vorgaben des Europarechts zu beachten. Die Anwendung des deutschen statischen Modells schränkt die Entscheidungsfreiheit der Geschäftsführer im Vergleich zum dynamischen englischen Modell ein.83 Es spricht einiges dafür, dass dies bloß eine tätigkeitsbezogene Beschränkung darstellt, da unmittelbar nur der Marktausgang der Gesellschaft und nicht ihr Zugang geregelt wird.84 Andererseits kann argumentiert werden, dass die Beschränkung hinsichtlich des Marktausgangs mittelbar auch abschreckende Wirkung auf die Zuzugsentscheidung der Gesellschaft entfaltet.85 Folgt man dieser Auffassung, so stellt sich im Rahmen der Rechtfertigung die Frage nach dem Verhältnis zwischen Niederlassungsfreiheit und EuInsVO. Denn auch wenn sich die Anwendbarkeit der Antragspflichten und der Insolvenzverschleppunghaftung nicht unmittelbar aus Art. 4 EuInsVO ergibt, so kann doch dem Verweis auf die lex fori concursus entnommen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber von dem generellen Vorrang des Insolvenzrechts vor anderen mitgliedstaatlichen Instituten ausgeht.86 Andererseits ist fraglich, ob durch Sekundärrecht der Rückgriff auf die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit gesperrt werden kann, sofern man tatsächlich in der Anwendung der deutschen Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff sieht. Rechtsdogmatisch geht das einschlägige primärrechtskonforme Sekundärrecht den Grundfreiheiten nur dann vor, wenn es eine abschließende Regelung trifft.87 Dann ist nämlich ebenso wie im nationalen Recht88 diejenige Rechtsquelle anzuwenden, die dem zu entscheidenden Fall am nächsten steht.89 82 Dabei entspricht die sachrechtliche Lösung der h. M., vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 237; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 256 ff.; eine kollisionsrechtliche Lösung bevorzugen Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 366 f.; Schurig, in: Soergel, EGBGB, Art. 15 Rn. 39. 83 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 29; ders., NJW 2005, 1618 (1621); Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 17 Rn. 39; Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475). 84 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 29; ders., NJW 2005, 1618 (1621). 85 So Mock/Schildt, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 17 Rn. 39; Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475). 86 Vgl. den 2., 3., 4. und 8. Erwägungsgrund der EuInsVO; Reinhart, in: MünchKomm. InsO, 2003, Art. 102 EGInsO Anh. I, vor Art. 1 EuInsVO Rn. 4: „Danach ist die lex fori concursus die kollisionsrechtliche Grundnorm.“ 87 Ehlers, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 180 f. 88 Dazu Ehlers, in: Erichsen/Badura, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 4.

240 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Entscheidend ist also, ob die in der EuInsVO enthaltene Verweisung auf das nationale Insolvenzrecht abschließend zu verstehen ist. Die EuInsVO selbst enthält keinen Hinweis auf ihr Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit. Dies ist auch nicht verwunderlich, weil der europäische Gesetzgeber getreu des Subsidiaritätsprinzips den Konflikt zwischen Sitz- und Gründungstheorie nicht entscheiden wollte90 und bei Erlass der Verordnung am 29.5.2000 ein Auseinanderfallen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut jedenfalls in dieser Form noch nicht absehbar war. Für den abschließenden Charakter der EuInsVO spricht aber erstens, dass eine Überlagerung nationalen Schutzrechts durch ausländische Haftungsnormen gerade das europäische Ziel der Verbesserung von Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren91 unterminieren würde. So hätte eine Anwendung des englischen dynamischen Modells ein insolvenzrechtliches forum shopping zur Folge, weil durch die Wahl der englischen Rechtsform nationale Insolvenzanmeldepflichten ausgehebelt werden könnten, was wiederum die Effizienz des nationalen Insolvenzverfahrens an sich in Zweifel zöge.92 Beispielsweise wird der weite Ermessensspielraum der Geschäftsleiter im englischen Recht durch weitreichende Antragsbefugnisse der Gläubiger bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kompensiert (compulsory winding-up, ss. 122, 123, 124 IA 1986). Zwar ist sowohl nach englischem als auch nach deutschem Recht auf Antrag der Gläubiger ein Insolvenzverfahren über die Gesellschaft zu eröffnen, wenn sie zahlungsunfähig ist.93 In England genügt aber zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit bereits der Verzug mit einer unbestrittenen Schuld94, während in Deutschland regelmäßig ein fehlgeschlagener Vollstreckungsversuch vorzutragen ist.95 Weil die englische Auslandsgesellschaft hier aber nicht die weitreichenden Gläubigerbefugnisse nach den ss. 122, 123, 124 IA 1986 bei der Verfahrenseröffnung zu befürchten hat (Art. 3, 4 EuInsVO), stünde sie bei Unzulässigkeit der deutschen Mechanismen besser als nach ihrem Heimatrecht. Eine solche Besserstellung kann bei vernünftigem Verständnis der Niederlassungsfreiheit 89 EuGH Slg. 1979, 649 Tz. 8 – „Cassis de Dijon“; Slg. 1993, I-4979 Tz. 9 – „Vanacker“; Slg. 2001, I-9897 Tz. 32 – „DaimlerChrysler“; v. Bogdandy, JZ 2001, 157 (166). 90 Vgl. den 13. Erwägungsgrund der EuInsVO; Fletcher, Insolvency in Private International Law, S. 60–262; Omar, European Insolvency Law, 2004, S. 97–99; Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3456). 91 8. Erwägungsgrund der EuInsVO. 92 Bicker, GPR 2006, 127 (130 f.) 93 Für England: ss. 122 (1) (f), 123, 124 (1) IA 1986; für Deutschland: §§ 14 Abs. 1, 17 InsO. 94 Cornhill Insurance plc v Improvement Services Ltd [1986] 1 WLR 114; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 82. 95 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 51.

§ 9 Anwendbarkeit deutscher/englischer Insolvenzverschleppungstatbestände 241

aber nicht mehr der Verwirklichung des Binnenmarktes für Gesellschaften dienen. Zweitens stützt auch die Systematik des EG-Vertrages die These vom abschließenden Charakter der Verordnung. Aus Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG folgt, dass auch der Gemeinschaftsgesetzgeber die Ausgestaltung der Niederlassungsfreiheit unter den Vorbehalt sekundärrechtlicher Konkretisierung gestellt hat. Zwar ermächtigt Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG nur zum Erlass von Richtlinien, weil üblicherweise die Ausgestaltung der Grundfreiheiten auch über Harmonisierungsmaßnahmen nach Art. 94, 95 EG erfolgt96, wenn der EG-Vertrag aber darüber hinaus in den spezielleren Art. 61c, 65, 67 EG sogar den Erlass von unmittelbar wirkenden Verordnungen vorsieht, so folgt aus der Regelungsdichte insgesamt, dass, wenn der europäische Gesetzgeber einen bestimmten Interessenkonflikt mit Berührungspunkten zur Niederlassungsfreiheit aufgelöst hat97, dieser nicht durch ein Rückgriff auf das Primärrecht unterlaufen werden darf. Drittens kann in der parallelen Anwendung der common law Haftung und der deutschen Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung auch ein Ziel- oder besser ein Instrumentenkonflikt gesehen werden. So kollidiert hier das Ziel, einen europäischen Binnenmarkt für Gesellschaften durch die Beseitigung von Niederlassungshindernissen zu verwirklichen (Art. 3 Abs. 1c, Art. 43, 48 EG) mit dem Bestreben, ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes durch Beseitigung von Abwicklungshindernissen in grenzüberschreitenden Zivilverfahren zu gewährleisten (Art. 61c, 65, 67 Abs. 1 EG).98 Interpretiert man aber die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit im Sinne einer Art von „Wechselwirkungslehre“99, wonach der Gewinn an Gläubigerschutz seinerseits im Lichte des mit ihm verbundenen Verlusts an Niederlassungsfreiheit gesehen werden muss und umgekehrt, so scheint die Niederlassungsfreiheit durch Anwendung der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung nur wenig – wenn überhaupt –, die Effektivität grenzüberschreitender Insolvenzverfahren bei Vorrang gesellschaftsrechtlicher Haftungsinstrumente aber erheblich einge96

Epiney, in: Ehlers/Becker, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 242 (für die Warenverkehrsfreiheit); Kahl, in: Callies/Ruffert, Art. 94 EG Rn. 2. 97 Sowohl die auf Grundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g) erlassenen Richtlinien als auch die gemäß Art. 61c, 65, 67 EG erlassene EuInsVO möchten verhindern, dass die Niederlassungsfreiheit Gesellschaften eine Flucht in das jeweils regelungsärmste Recht ermöglicht und dadurch die Interessen Dritter auf der Strecke bleiben, vgl. Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 44 EG Rn. 12 einerseits und den 4. Erwägungsgrund der EuInsVO andererseits. 98 Allgemein zur Auflösung europäischer Zielkonflikte, Hatje, in: Schwarze, Art. 2 EG Rn. 23. 99 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (174).

242 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

schränkt. Bei diesem Instrumentenkonflikt sprechen daher die besseren Gründe dafür, der EuInsVO gegenüber der Niederlassungsfreiheit den Vorrang einzuräumen. Folgerichtig ist bei insolvenzrechtlichen Schutzmechanismen ein Rückgriff auf die Niederlassungsfreiheit gesperrt, sofern diese auch aus europäischer Sicht tatsächlich dem Insolvenzrecht zugeordnet werden können und nicht nur aus nationalstaatlicher Sicht „umetikettiert“ worden sind. Bei den deutschen Antragspflichten und der Insolvenzverschleppungshaftung ist von einer originären insolvenzrechtlichen Qualifikation auszugehen, wie sich bereits aus der EuGH-Entscheidung Guardain/Nadler100 ergibt. Damit genießen die deutschen Mechanismen Vorrang vor der englischen common law Haftung. Andererseits scheint eine vollständige Verdrängung der Haftung aus common law über das Ziel, einen Interessenausgleich zwischen Niederlassungsfreiheit und den Rechten Dritter zu schaffen, hinauszugehen. Aus dem Zusammenspiel zwischen Niederlassungsfreiheit, EuInsVO und nationalem Kollisionsrecht ergibt sich vielmehr, dass die englische common law Haftung neben der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung anwendbar bleibt, im Sinne einer sachrechtlichen Anpassung aber nicht die starre drei Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG aushebeln darf. Als gesellschaftsrechtliches Gläubigerschutzinstrument kann es allerdings durchaus schärfer wirken, etwa indem die englische Haftung sich auch auf den de facto und shadow director, also wegen s. 289 (1) (b) CA 1985 auch auf Muttergesellschaften erstreckt, und gegebenenfalls früher eingreift.101 Mag man der hier vorgeschlagenen Lösung von der abschließenden Geltung der EuInsVO nicht folgen, so ist der Gemeinschaftsgesetzgeber aufgerufen, die Wertungen von gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Gläubigerschutznormen einander anzupassen. Dies kann durch eine europäische Haftung wegen wrongful trading102, durch einen expliziten Vorrang nationalen Insolvenzrechts vor gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen im Rahmen der EuInsVO oder durch eine einheitliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut103 geschehen.

100 EuGH Slg. 1979, 733 zur parallel gelagerten französischen „action en comblement du passif“. 101 Dies entspricht methodisch der sachrechtlichen Anpassung, siehe dazu Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 237; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 256 ff. 102 Vgl. Europäische Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.1.3 und Ziff. 3.3.; High Level Group, S. 73 f., 86, 97. 103 So der Vorschlag hier, vgl. § 3 A. II. 3.

§ 10 Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts A. Qualifikation Bei der Frage nach der Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts muss wiederum zwischen der kollisionsrechtlichen Anwendbarkeit und den Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit unterschieden werden. Nach überwiegender Meinung wird das Eigenkapitalersatzrecht gesellschaftsrechtlich qualifiziert.1 Kollisionsrechtlich wäre nach dieser Lösung deutsches Recht nur im Wege einer Sonderanknüpfung anwendbar. Eine solche sei aber entweder überhaupt nicht2 oder nur in den engen Grenzen zulässig, dass das englische Gründungsrecht in seiner Gesamtheit keinen ausreichenden Schutz gewährleisten kann.3 Andere kommen über eine insolvenzrechtliche4 oder eine Mehrfachqualifikation5 zur unbeschränkten Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts auf europäische Auslandsgesellschaften. Hierbei ist auffällig, dass zumeist einheitlich von „dem“ Eigenkapitalersatzrecht gesprochen wird. Richtigerweise ist aber zwischen den Rechtsprechungsregeln und den Novellenregeln der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO zu differenzieren.6 Das Eigenkapitalersatzrecht wurde zunächst in Analogie zu den §§ 30, 31 GmbHG von der Rechtsprechung entwickelt und später 1 H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, Einl. Rn. 96; Zimmer, IntGesR, S. 192 f.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 9 Rn. 43; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 192 f.; Karsten Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §§ 32a/b Rn. 15; Altmeppen, NJW 2004, 97 (103); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088). 2 Paefgen, DB 2003, 487 (490); ders., ZIP 2004, 2253 (2261 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (745); Wachter, GmbHR 2004, 88 (91); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1272); Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 409 (410 f.); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589). 3 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); ders., JZ 2004, 24 (28); W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125); Forsthoff, DB 2002, 2471 (2477). 4 Haas, NZI 2002, 457 (465 f.); ders., NZI 2001, 1 (10). 5 Kindler, NZG 2003, 1086 (1090). 6 Bislang nur Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131 (142 ff.); im Ansatz auch Forsthoff/Schulz, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 15 Rn. 35.

244 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

unter Einschränkungen auf die AG übertragen.7 Der Grundgedanke lag darin, dass § 30 GmbHG seine gläubigerschützende Funktion nur dann voll entfalten kann, wenn neben dem Stammkapital auch Gesellschafterdarlehen erfasst sind, welche in der Praxis wohl wichtiger sind als das nominelle Stammkapital.8 Bauen also die Rechtsprechungsregeln systematisch auf den deutschen Kapitalerhaltungsregeln auf, so spricht dies entschieden für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation.9 Sie sind kollisionsrechtlich daher nicht auf europäische Auslandsgesellschaften anwendbar. Hingegen knüpfen die Novellenregeln nicht an das materielle Kapitalerhaltungsrecht an, sondern legen die Rangfolge von Insolvenzforderungen fest und erklären bestimmte Rechtshandlungen für anfechtbar. Sie betreffen also vornehmlich die Frage der Verteilung des Insolvenzvermögens, ein ausgewiesenes Ziel der Insolvenzordnung (§ 1 InsO). Die Novellenregeln sind demnach insolvenzrechtlich zu qualifizieren und wie sich ausdrücklich aus Art. 4 Abs. 2 lit. i) und m) EuInsVO ergibt, auf europäische Auslandsgesellschaften anwendbar.10 Hierfür spricht auch, dass der Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) die gesetzlichen Regeln des Eigenkapitalersatzrechts vollständig in die InsO inkorporieren möchte, um hierdurch – unter gleichzeitiger Änderung von § 39 Abs. 1 InsO – deren Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften zu sichern.11

B. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? Die Anwendung der Novellenregeln ist auch mit der europäischen Niederlassungsfreiheit vereinbar. Denn die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO unterwerfen die Geschäftsleiter keinen Handlungsbeschränkungen beim Zuzug der Gesellschaft oder bei deren Geschäftstätigkeit.12 Erst wenn über die Gesellschaft in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet wird, gelangen die Vorschriften zur Anwendung. Diese bei Zuzug nur potentiell bestehende 7

Siehe dazu oben § 6 E. II. 1. b) und § 6 II. 2. b). BGHZ 31, 258 ff. 9 A. A. Haas, NZI 2002, 457 (465 f.), der auch die Rechtsprechungsregeln insolvenzrechtlich qualifizieren will. Diese setzen aber im Gegensatz zu den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinaus. 10 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131 (166); Haas, NZI 2002, 457 (465 f.); Paulus, ZIP 2002, 729 (734); Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); offen gelassen bei Forsthoff/Schulz, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 15 Rn. 38, 42 ff. 11 Vgl. Begründung des Referentenentwurfs, S. 83; abrufbar unter www.bmj.de. 12 U. Huber, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 131 (186 ff.). 8

§ 10 Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts

245

Haftungsgefahr kann aber kaum noch als Marktzugangshindernis qualifiziert werden. Selbst wenn man den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit so weit fassen mag, wäre eine Beschränkung durch die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO aber aus zwei Gründen gerechtfertigt. Zum einen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich die Anwendbarkeit der Novellenregeln unmittelbar aus Art. 4 Abs. 2 lit. i) und m) EuInsVO ergibt und damit – wie oben dargelegt – ein Rückgriff auf die europäische Niederlassungsfreiheit grundsätzlich ausgeschlossen ist.13 Zum anderen kann argumentiert werden, dass das englische Recht keine angemessenen Regelungen zur nominellen Unterkapitalisierung enthält und deswegen die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO zum Schutz inländischer Gläubiger erforderlich ist (Gebhard)14. Im englischen Recht verhindert bereits die Grundlagenentscheidung Salomon v Salomon15 einen Rangrücktritt von Gesellschafterdarlehen, wurden doch die gesicherten Schuldverschreibungen (debentures) des Hauptgesellschafters gerade nicht nachgeordnet oder gar umqualifiziert, obgleich dieser Gedanke wegen fehlender Mindestkapitalvorschriften und steigender Fremdkapitalabhängigkeit in England eher noch bedeutender sein dürfte als in Deutschland.16 Die Rückzahlung eines gesicherten Gesellschafterdarlehens stellt nach englischem Recht auch keine unlawful preference nach s. 239 IA 1986 dar, weil diese Norm nur im Verhältnis der ungesicherten Gläubiger untereinander wirkt.17 Weder die Haftung aus common law noch die Haftung wegen wrongful trading können diese Schutzlücke zufrieden stellend ausfüllen. Zwar bezwecken die englischen Haftungstatbestände – ähnlich wie das deutsche Eigenkapitalersatzrecht – einen Schutz des Rechtsverkehrs vor unrentablen Gesellschaften, allerdings setzen diese anders an und richten sich nicht gegen die Gesellschafter, sondern gegen die directors oder shadow directors einer insolventen Gesellschaft. Auch wenn theoretisch die Möglichkeit besteht, Gesellschafter als shadow director haftbar zu machen, sind die Anforderungen dafür so hoch, dass diese zumindest im Konzern bislang noch nie be13

§ 9 B. II. 2. b). EuGH vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), Slg. 1995, I-4165, Tz. 37; vgl. ferner EuGH vom 9.3.1999 – Rs. 212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459, Tz. 34; EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 133. 15 [1897] 1 AC 22, näher dazu oben § 5 D. I. 16 Kritisch deswegen Finch, Corprorate Insolvency Law, S. 415 ff.; Schulte, 18 Company Lawyer 1997, 2 ff.; Prentice, in: Grantham/Rickett, Corporate Personality in the 20th Century, S. 99 (102 f.); Kahn-Freund, 7 MLR 1944, 54 ff. 17 Prentice, in: Pettet, Company Law in Change, S. 69 (75 f., 82 ff.); Armour, in: Armour/Benett, Vulnerable Transactions, S. 37 (41–47). S. 239 IA 1986 wäre wegen Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 lit. m) EuInsVO ohnehin nicht auf das Hauptinsolvenzverfahren von englischen Auslandsgesellschaften anwendbar. 14

246 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

jaht wurden.18 Ferner weicht der Zeitpunkt des Haftungseintritts erheblich von den Eigenkapitalersatzregeln des deutschen Rechts ab, da Erkennbarkeit von unvermeidbarer Insolvenz19 später liegen kann als der Verlust der Kreditwürdigkeit nach deutschem Recht.20 Dies wird noch durch die Großzügigkeit englischer Gerichte hinsichtlich des Überschuldungstatbestands verschärft. Regelmäßig wird der moment of truth erst ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit angenommen21, also deutlich später als der Verlust der Kreditwürdigkeit. Auch ist die Pflicht, im materiellen Interesse der Gläubiger zu handeln, sehr offen gehalten, den Geschäftsführern wird dadurch ein großer Ermessensspielraum zubilligt. Je weiter man sich daher von dem Grundfall der Einräumung eines Kredits entfernt, desto schwieriger ist es, eine Haftung zu begründen.22 Damit sind Muttergesellschaften mannigfaltige Umgehungsmöglichkeiten eröffnet.23 Für Gläubiger nominell unterkapitalisierte Konzerngesellschaften besteht deswegen eine nicht unerhebliche Schutzlücke.24 Die englische Rechtsposition scheint darüber hinaus ohne Beispiel im Recht anderer Industrienationen zu sein.25 So entwickelten US-amerikanische Gerichte schon früh die Doktrin einer equitable subordination, wonach Gesellschafterdarlehen im Rang hinter den Forderungen externer Gläubiger zurückstehen.26 Das französische27 und neuseeländische28 Insolvenzrecht 18

Vgl. § 5 F. II. 4. c). Zum moment of truth oben § 5 F. II. 1. c). 20 Schall, ZIP 2005, 965 (971). 21 Zwar wird in der Entscheidung Westminster Property Management Ltd (No. 3) [2004] BCC 581 bereits eine Pflicht zur Berücksichtigung materieller Gläubigerinteressen nach common law ab dem Eintritt der Überschuldung angenommen, jedoch wird diese vermeintliche Vorverlagerung der Haftung kein von s. 214 IA 1986 verschiedenes Pflichtenprogramm der Geschäftsführer auslösen, siehe dazu die Ausführungen unter § 5 E. II. 4. 22 Ebenso Schall, ZIP 2005, 965 (971). 23 Siehe die Rechtsprechung des BGH zu den Umgehungsversuchen durch „kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen“, BGHZ 109, 55 (Lagergrundstück I); 127, 1 (Lagergrundstück III); 127, 27 (Lagergrundstück IV); und den „Finanzplankredit“, BGHZ 142, 116. 24 Schon das Cork Committee kritisierte diesen Rechtszustand „seriously inadequate“ (Rn. 1950) und „undoubtly defective“ (Rn. 1934). 25 Kritisch auch Kahn-Freund, 7 MLR 1944, 54 ff.; Schulte, 18 Company Lawyer 1997, 2 ff.; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 410. 26 11 USC s. 510 (c) 1978, zurückgehend auf die Entscheidung Taylor v Standard Gas and Electric Co (1939) 306 US 307 („Deep Rock“). 27 Vgl. die Rechtsprechungsregelungen zur société de façade und die gesetzliche action en extension, Art. 182 französisches Insolvenzgesetz, näher dazu bei Wolf, Konzernhaftung in England und Frankreich, S. 67–75. 28 S. 271 (1) (b) Companies Act 1993 (NZ). 19

§ 10 Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts

247

sehen Regeln zu einer substantive consolidation vor, wonach die Insolvenz der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft erstreckt werden kann. Auch die High Level Group of Company Law Experts sieht in einer konzernübergreifenden substantive consolidation oder ähnlich wirkenden Schutzmechanismen – wie dem deutschen Eigenkapitalersatzrecht29 – eine notwendige Regel des europäischen Gläubigerschutzrechts.30 Vor diesem Hintergrund scheint dann aber der Rangrücktritt und die Anfechtungsmöglichkeit des Gesellschafterdarlehens nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO das mildeste Mittel zu sein, um ausreichenden Schutz für inländische Konzerngläubiger zu gewährleisten.31 Einer darüber hinausgehende analoge Anwendung der Rechtsprechungsregeln – etwa über eine Sonderanknüpfung – bedarf es dagegen nicht. Zwar bestehen in besonderen Fällen bei den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Schutzlücken, etwa wenn die Jahresfrist verstrichen (§ 135 Abs. 5 InsO) oder der Gesellschafter als Rückgewährschuldner zahlungsunfähig oder flüchtig ist. Hierbei ist aber zu beachten, dass eine analoge Anwendung der Rechtsprechungsregeln wegen ihrer engen Verbindung zum Kapitalerhaltungsrecht einen tiefen Eingriff in die Finanzverfassung der Auslandsgesellschaft bedeuten würde, während dadurch nur in Randbereichen zusätzlicher Gläubigerschutz bewerkstelligt werden könnte. Interpretiert man aber die Rechtsprechung des EuGH in Centros und Inspire Art als eine Art von „Wechselwirkungslehre“, so kann der durch eine analoge Anwendung der Rechtsprechungsregeln nur marginal verbesserte Gläubigerschutz eine solch tief greifende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen. Nach alldem wird eine ausgewogene Interessenbewertung ergeben, dass der Schutz der inländischen Gläubiger durch die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO notwendig, aber auch hinreichend verwirklicht ist.

29 Prentice, in: Grantham/Rickett, Corporate Personality in the 20th Century, S. 99 (102). 30 High Level Group, S. 98. 31 Jedenfalls ein milderes Mittel als eine persönliche Haftung des Gesellschafters oder der Geschäftsführer, welche als europarechtlich unbedenkliche Alternative angeboten wird, vgl. Borges, ZIP 2004, 733 (743).

§ 11 Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffstatbestände A. Existenzvernichtung I. Qualifikation 1. Meinungsstand Zur kollisionsrechtlichen Einordnung der Existenzvernichtungshaftung und entsprechend ihrer Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften werden im Wesentlichen drei Ansätze vertreten. Überwiegend wird die Existenzvernichtungshaftung gesellschaftsrechtlich qualifiziert und deswegen auf EUAuslandsgesellschaften grundsätzlich nicht oder nur in den engen Grenzen für anwendbar gehalten, dass das ausländische Gründungsrecht keinen ausreichenden Schutz gewährleisten kann.1 Andere Autoren schlagen eine deliktsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung vor, welche dann gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB (lex loci delicti commissi) auf Auslandsgesellschaften anwendbar sein soll und als Ausdruck „allgemeinen Verkehrsrechts“ nicht an Art. 43 und 48 EG zu messen sei.2 Auch eine insolvenzrechtliche (Doppel-)Qualifikation wird erwogen, was die Anwend1 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (87 ff.); Bitter, WM 2001, 2133; Wiedemann, ZGR 2003, 283 (288 ff.); Meilicke, GmbHR 2003, 1271 (1272); Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1917); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 21; Schön, ZHR 2004, 268 (292); Schumann, DB 2004, 743 (748 f.); Goette, DStR 2005, 197 (200); Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (371); Kuntz, NZI 2005, 424 (430); AG Bad Segeberg v. 244.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 (885) = NZI 2005, 411 (412). Teilweise wird versucht, die Anwendung der Existenzvernichtungshaftung unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs zu rechtfertigen, vgl. Borges, ZIP 2004, 733 (742 f.); Drygala, ZEuP 2004, 337 (347); Kindler, NZG 2003, 1086 (1089); Horn, NJW 2004, 893 (899); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1085); Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447 (464); Weller, IPRax 2003, 207 (209); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589); Bayer, BB 2003, 2357 (2364 f.); Schanze/ Jüttner, AG 2003, 661 (669 f.); ähnlicher Ansatz auch bei AG Hamburg NZI 2003, 442 (443 f.). Dabei wird aber der Missbrauch der Niederlassungsfreiheit unzulässigerweise mit dem Missbrauch der juristischen Person vermengt, dazu ausführlich unter § 3 C. I. 1. c). 2 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669 f.); Bayer, BB 2003, 2357 (2365); Weller, DStR 2003, 1800 (1804); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.); Haas, WM 2003, 1929 (1940 f.).

§ 11 Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffstatbestände

249

barkeit der Haftung über den Verweis in Art. 3, 4 EuInsVO auf die lex fori concursus zur Folge habe.3 2. Stellungnahme a) Insolvenzrechtliche Qualifikation In der Literatur wird für eine insolvenzrechtliche Qualifikation vorgebracht, dass die Existenzvernichtungshaftung den Anfechtungstatbeständen der §§ 129 ff. InsO insofern ähnele, als es auch hier um die Rückgängigmachung einer Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens gehe.4 Jedoch zielt die Existenzvernichtungshaftung primär darauf ab, Schutzlücken der deutschen Kapitalerhaltungsregeln auszugleichen. Der Durchgriff ist also eng mit gesellschaftsrechtlichen Tatbeständen verbunden. Im Gegensatz zu den Insolvenzanfechtungstatbeständen steht die Geltendmachung der Haftung auch nicht ausschließlich dem Insolvenzverwalter zu, sondern kann unmittelbar von jedem einzelnen Gläubiger durchgesetzt werden.5 Gegen eine insolvenzrechtliche Einordnung und damit Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften nach Art. 3, 4 EuInsVO spricht ferner, dass der Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung nicht die formale Durchführung eines Insolvenzverfahrens voraussetzt, um dessen Gestaltung es der EuInsVO geht.6 Es darf schließlich nicht verhehlt werden, dass die Debatte um eine insolvenzrechtliche Qualifikation erst in Folge der neuen EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit aufkam und offenkundig „ergebnisorientiert“ geführt wird. Inhaltlich vermag sie indessen nicht zu überzeugen. b) Deliktsrechtliche Qualifikation Eine deliktsrechtliche Einordnung lässt sich ebenfalls nur schwer mit den Tatbestandsmerkmalen der Existenzvernichtungshaftung in Einklang brin3 Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 247 ff.; ders., IPRax 2003, 207 (210); Hirte, EWS 2002, 573 (574); Kindler, Festschrift Jayme, S. 409 (417); G. H. Roth, NZG 2003, 1081 (1085); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589 f.). 4 Kindler, Festschrift Jayme, S. 409 (417); Weller, Rechtsformenwahlfreiheit, S. 273. 5 Sobald allerdings das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft eröffnet wurde, wird auch die Haftung wegen Existenzvernichtung durch die Gesellschaft mediatisiert und steht ausschließlich dem Insolvenzverwalter nach § 93 InsO zu, BGHZ 151, 181; BAG GmbHR 2005, 988 (989) mit zustimmender Anm. von Schröder, GmbHR 2005, 988 (990); Wahl, GmbHR 2004, 994 (995 f.); Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1559 f.); Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (430); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295); Vetter, ZIP 2003, 601 (606 f.); H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1137); a. A. Koppensteiner, Köln Komm, AktG, 3. Aufl., 2004, Anh. § 318 Rn. 83. 6 Schön, ZHR 2004, 268 (292); Bruns, WM 2003, 815 (817).

250 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

gen. Diese stellt gerade nicht auf die unmittelbare Gläubigerschädigung, sondern auf Verletzung der Eigenbelange der Gesellschaft zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten ab.7 Ferner setzt die Existenzvernichtungshaftung kein Verschulden voraus8, was sie strukturell von einer Vielzahl deliktsrechtlicher Anspruchsgrundlagen unterscheidet.9 Schließlich sind deliktische Normen vorrangig an die Geschäftsführer gerichtet und es bedarf eines erheblichen Begründungsaufwands, um sie auch auf Gesellschafter zu erstrecken.10 Auch die Rechtsfolgen der deliktischen Haftung und der Existenzvernichtungshaftung sind unterschiedlich ausgestaltet. Insbesondere ist Rechtsfolge des § 826 BGB der Ersatz des der Gesellschaft zugefügten Schadens. Eben diese Rechtsfolge ist bei „qualifizierten“ Nachteilszufügungen, wie sie bei dem existenzvernichtenden Eingriff typisch sind, ungeeignet, weil weder die einzelnen schädigenden Eingriffe isoliert werden können, noch hinreichend genaue Feststellungen zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität möglich sind.11 Damit muss die Haftung wegen Existenzvernichtungshaftung von der deliktischen Haftung der Gesellschafter aus § 826, § 823 Abs. 2, § 263 Abs. 2 StGB, die zugleich verwirklicht sein kann, unterschieden werden.12 c) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation Die besseren Gründe sprechen daher für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation. Als Durchbrechung des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips und als Verlängerung der Kapitalerhaltungsvorschriften ist die deutsche Existenzvernichtungshaftung nur im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Sonderanknüpfung auf Auslandsgesellschaften anwendbar. Eine von Teilen der Literatur befürwortete insolvenzrechtliche oder deliktsrechtliche Mehrfachqualifikation13 führt hier nicht weiter, weil eine solche wegen der an 7

Schön, ZHR 2004, 268 (292); Bayer, BB 2003, 2357 (2365). Bruns, NZG 2004, 409 (410); ders., WM 2003, 815 (817). 9 Ungan, ZVglRWiss 104 (2005), 355 (372 f.). 10 So möchte Haas, WM 2003, 1929 (1940) eine Zurechnung über § 830 BGB annehmen, wenn der Gesellschafter mit dem Geschäftsführer zusammengewirkt hat, obgleich sich die Strafgesetze vornehmlich über § 14 StGB an den Geschäftsführer richten. Trete der Gesellschafter im Außenverhältnis auf, so sei er als „faktischer Geschäftsführer“ haftbar. Weil sich die Rechtsfigur aber nicht auf juristische Personen erstreckt (siehe oben § 6 F. IV.), hätte dies erhebliche Schutzlücken im Konzern zur Folge. 11 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 25b; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (412 f.); dies., ZIP 2003, 2177 (2180). 12 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (11); Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1556); ders., Festschrift Röhricht, S. 3 (19); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 25b; Keßler, GmbHR 2002, 945 (950); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (408). 13 Kindler, Festschrift Jayme, S. 409 (417). 8

§ 11 Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffstatbestände

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anderer Stelle beschriebenen Schwierigkeiten14 mittels Schwerpunktbildung zu vermeiden ist.15 Der Schwerpunkt der Existenzvernichtungshaftung liegt aber nach dem hier Gesagten im Gesellschaftsrecht. II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? Bei der Prüfung, ob die Haftung wegen Existenzvernichtung einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellt bzw. aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden kann, muss zwischen der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung und der oftmals gleichzeitig gegebenen deliktischen Haftung aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB unterschieden werden. Letztere wäre über Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB (lex loci delicti commissi) grundsätzlich auf die Auslandsgesellschaft anwendbar. 1. Deliktsrechtliche Haftungstatbestände (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht handelt es sich bei der Haftung nach Deliktsrecht um allgemeines Verkehrsrecht, welches unterschiedslos auf Ausländer und Inländer angewendet werde und damit als bloße – nicht rechtfertigungsbedürftige – tätigkeitsbezogene Beschränkung (Keck) nicht an der Niederlassungsfreiheit zu messen sei.16 Eine solche undifferenzierte Kategorisierung des Deliktsrechts als Ausdruck allgemeinen Verkehrsrechts vernachlässigt aber das zu beachtende Kriterium der marktzersplitternden Wirkung. Denn sobald Regelungen korporative Wirkungen zeitigen, indem sie etwa die Leitungsstruktur oder die Haftung der Gesellschaft betreffen, stellen sie nicht mehr rein tätigkeitsbezogene Regelungen dar, sondern behindern den Marktzugang ausländischer Gesellschaften, weil sie deren „Subjekteigenschaften“ überlagern.17 Wird beispielsweise das Sittenwidrigkeitsverdikt im Rahmen des § 826 BGB aus der Verletzung spezifischer gesellschaftsbezogener Verhaltenspflichten hergeleitet, hat dies eine Missachtung des ausländischen Gründungsstatuts zur Folge.18 14

Siehe oben § 9 B. I. 2. b). v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, § 7 Rn. 178. 16 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208); Bitter, WM 2004, 2190 (2197); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, S. 49 (124 ff.); Bayer, BB 2003, 2357 (2364 f.); Schön, ZHR 2004, 268 (292); Schumann, DB 2004, 743 (749). 17 Eidenmüller, JZ 2004, 24 (27); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (168). 18 So auch AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, NZG 2005, 411 (413) = GmbHR 2005, 884 (886). 15

252 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Richtet sich die Leitung und Haftung in der ausländischen Gesellschaft aber nicht ausschließlich nach ihrem Gründungsstatut, sondern werden zusätzlich im Wege der deliktischen Haftung deutsche gesellschaftsrechtliche Prinzipien zur Anwendung gebracht, so schreckt dies Unternehmensgründer und Gesellschafter von einem Zuzug ab. Deswegen kann nicht in jedem Falle eine Haftung nach § 826 BGB wegen bestandsvernichtenden Vermögensentzugs dem allgemeinen Verkehrsrecht zugewiesen werden, zumal dessen subjektiven Voraussetzungen zunehmend abgeschwächt werden.19 Erst wenn es um eindeutig vorsätzliche und sittenwidrige Gläubigerschädigungen geht, die auch natürlichen Personen verboten sind und damit „jedermann“ treffen, kann eine Haftung nach § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (Eingehungsbetrug) als tätigkeitsbezogene Beschränkung qualifiziert werden. 2. Existenzvernichtungshaftung Eine Anwendung der Existenzvernichtungshaftung auf Auslandsgesellschaften greift wegen Überlagerung des Gründungsstatuts in die Niederlassungsfreiheit ein.20 Zwar betrifft die Haftung im Unterschied zu der Inspire Art-Situation nicht unmittelbar die Gründung der Gesellschaft, jedoch gehört die Frage der „Durchgriffsresistenz“ zu den wesentlichen Merkmalsausprägungen einer Kapitalgesellschaft, so dass die Durchgriffshaftung schon die anfängliche Rechtsformenwahl beeinflusst.21 Erwägenswert ist lediglich, der Niederlassungsfreiheit bei solchen gründungsferneren Haftungstatbeständen eine geringere Schutzintensität beizumessen.22 Dieses Kriterium ist aber allenfalls im Rahmen einer Rechtfertigung zu berücksichtigen und kann nicht schon den Eingriffscharakter der Maßnahme aufheben. Schön will demgegenüber die Anwendbarkeit der Existenzvernichtungshaftung mit europarechtlichen Wertungen rechtfertigen.23 So sei in der Publizitätsrichtlinie24 ein europarechtliches Gebot zur Trennung der Vermögenssphären enthalten. In Verbindung mit dem Vorentwurf einer Liquida19

Siehe BGH v. 20.9.2004 – II ZR 302/02, NZG 2004, 1107 („Klinik-Fall“). Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, S. 49 (124 ff.); Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1620); ders., in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften in Deutschland, § 4 Rn. 22 ff., 31 m. w. N. 21 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften im deutschen Recht, S. 49 (124 f., 51 f.); Eidenmüller, NJW 2005, 1618 (1620). 22 Eingehend Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 206 ff.; ähnlich Bitter, WM 2004, 2190 (2192 f.); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (119). 23 Schön, ZHR 2004, 268 (294 f.). 24 Erste Richtlinie 68/151/EWG (Publizitätsrichtlinie) v. 9.3.1968, Abl.EG Nr. L 65/8. 20

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tionsrichtlinie aus dem Jahre 198725 leitet er daraus ein europarechtliches Verbot der „wilden Liquidation“ ab. Ob sich dieser ambitionierte Vorschlag durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Kritisch muss jedoch angemerkt werden, dass die (nie verabschiedete) Liquidationsrichtlinie nur eine vorrangige Gläubigerbefriedigung und keinen Haftungsdurchgriff vorgesehen hatte.26 Ähnlich verhält es sich bei der Publizitätsrichtlinie, die eine persönliche Haftung der Handelnden – nicht der Gesellschafter27 – nur bei Geschäftsaufnahme vor Gründung vorsieht (Art. 7 Publizitätsrichtlinie). Deswegen ist zweifelhaft, ob sich aus dem europäischen Sekundärrecht tatsächlich ein Verbot der „wilden Liquidation“ mit anschließender Gesellschafterhaftung herleiten lässt.28 Alternativ gelangt eine Reihe von Autoren zu dem Ergebnis, dass die Anwendung des Haftungsinstituts jedenfalls aus Gründen des Gläubigerschutzes gerechtfertigt sei.29 Dies gilt es im Folgenden näher zu untersuchen. Dabei sind die Gesamtzusammenhänge des englischen Konzernrechts sowie internationalprivatrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. a) Schwächen des Kapitalerhaltungsrechts Im Konzern versagt regelmäßig das auf Einzelausgleich zugeschnittene Kapitalerhaltungsrecht, weil einzelne Transaktionen nicht mehr individualisiert werden können („qualifizierte“ Nachteilszufügungen), etwa indem die Tochtergesellschaft einzelne Geschäftsfelder zugunsten der Mutter aufgibt oder Spekulationsgeschäfte auf Kosten der Gläubiger abschließt. Auch durch einen Vermögensabzug entstandene Folgeschäden sind nicht kompensiert. Theoretisch können jedoch alle Fallgruppen, die in Deutschland wegen Versagens des einzelgesetzlichen Ausgleichsystems der Existenzvernichtungshaftung zugewiesen werden, zumindest unter die englische Haftung aus common law subsumiert werden. 25

Dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 45. Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 212; Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (126 f.). 27 So aber Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (18 f.), der in Art. 7 der Richtlinie die Verwirklichung des europäischen Prinzips der unbeschränkten persönlichen Haftung bei gemeinsamer unternehmerischer Tätigkeit sieht; dagegen mit guten Argumenten Mülbert/Nienhaus, RabelsZ 65 (2001), 513 (522 f.); ferner Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 96. 28 Kritisch auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (122 f.). 29 Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589); Borges, ZIP 2004, 733 (742); Altmeppen, NJW 2004, 97 (101 f.); ders., Festschrift Röhricht, S. 3 (19 f.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208). 26

254 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Denn sobald eine Gesellschaft auf die Insolvenz zusteuert, werden nach englischem Recht die Direktoren auf die Beachtung materieller Gläubigerinteressen verpflichtet. Diese geht sogar noch über die Haftung wegen Existenzvernichtung hinaus, indem sie tatbestandlich nicht auf Vermögensentnahmen beschränkt ist, sondern bereits „Existenzgefährdungen“ im Vorfeld der Unternehmenskrise erfasst.30 Prima facie scheint daher die Anwendung der deutschen Existenzvernichtungshaftung nicht erforderlich zu sein. Dennoch wurde an anderer Stelle die Effektivität der englischen Haftungsinstitute im Konzern in Zweifel gezogen.31 Es bleibt zu untersuchen, ob diese für das englische Konzernrecht allgemein getroffene Feststellung auch auf die spezielle Situation der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland zutrifft. b) Durchsetzungsdefizit Als wesentliches Manko im englischen Gesellschaftsrecht wurde das Durchsetzungsdefizit identifiziert, welches vor allem wegen der nach wie vor schwierigen Prozesskostenfinanzierung besteht.32 Gemäß Art. 4 Abs. 2, 3 Abs. 1 EuInsVO ist aber deutsches Insolvenzverfahrensrecht auf die abhängige englische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar, so dass der Durchsetzungsmangel nach englischem Verfahrensrecht nicht automatisch auf die englische Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland übertragen werden kann. Gemäß § 35 InsO gehören – wie nach englischem Insolvenzrecht auch33 – nur solche Gegenstände zur Insolvenzmasse, die der Gesellschaft dinglich gehören. Die Ansprüche der gesicherten Gläubiger sind von der Masse auszusondern (§§ 47, 48 InsO)34, so dass das Insolvenzverfahren als kollektive Haftungsverwirklichung nur für die ungesicherten Gläubiger der Gesellschaft durchgeführt wird (§ 38 InsO). Nach Bereinigung der Masse von den dinglichen Ansprüchen Dritter werden die Masseverbindlichkeiten vorrangig aus der noch verbleibenden Masse befriedigt (§ 53 InsO). Zu den Masseverbindlichkeiten gehören auch Prozesskosten, die der Insolvenzverwalter 30 Cheffins, Company Law, S. 75–78; Prentice, 10 OJLS 1990, 265; Mokal, 59 CLJ 2000, 335; Milman, JBL 2004, 493; Gower/Davies, 7. Aufl., S. 198 ff.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (178); Schall, ZIP 2005, 965 (970); Schön, ZHR 2004, 268 (289). 31 § 5 E. II. 4. und § 5 F. II. 4., 5. 32 § 5 E. II. 4. 33 Buchler v Talbot [2004] 1 BCLC 281. 34 Der Sicherungseigentümer ist absonderungsberechtigt, § 51 Nr. 1 InsO. Sicherungsübereignete Sachen sind zwar Teil der Insolvenzmasse, aber es besteht ein Verwertungsvorrang für diese Gläubiger, §§ 49–52 InsO.

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zur Durchsetzung von Ansprüchen zur Vergrößerung der Insolvenzmasse verursacht (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).35 Damit werden analog zu s. 175 (2) (a) IA 1986 i. V. m. r. 4.218 (1) (a) IR 1986 auch die Kosten, welche bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus common law entstehen, als vorrangige Masseverbindlichkeiten ersetzt. Insofern ist die deutsche Rechtslage mit der englischen identisch. Dort ist aber die Durchsetzung problematisch, weil die dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehende Insolvenzmasse oftmals wegen der all umfassenden floating charges gegen Null tendiert.36 Für die Durchsetzungseffektivität der Ansprüche aus common law im deutschen Insolvenzverfahren kommt es also entscheidend darauf an, ob es zulässig ist, eine floating charge an einer englischen Kapitalgesellschaft mit hiesigem Verwaltungssitz zu bestellen. Die charge ist sachenrechtlich zu qualifizieren37 und es gilt die lex rei sitae (Art. 43 Abs. 1 EGBGB). Weil das deutsche Sachenrecht aber die Bestellung einer floating charge als besitzloses Pfandrecht38 nicht kennt und ferner Typenzwang besteht (numerus clausus der Sachenrechte)39 ist die Bestellung einer floating charge unzulässig, solange die Gesellschaft ihre Niederlassung in Deutschland hat. Auch aus der EuInsVO folgt nichts anderes, da Art. 5 Abs. 1 EuInsVO explizit an der gesonderten Anknüpfung des Statuts der dinglichen Rechte von Gläubigern festhält40 Es spricht daher einiges dafür, dass die Haftung aus common law im deutschen Insolvenzverfahren leichter durchgesetzt werden kann als unter Geltung des englischen Rechts. c) Tatbestandliche Schwächen der englischen Haftungstatbestände Neben dem Durchsetzungsdefizit wurden allerdings auch tatbestandliche Schwächen der englischen Haftungstatbestände ausgemacht. Insbesondere 35 Uhlenbruck/Berscheid, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 15. Die Entscheidung, einen Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig zu machen, bedarf der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Was im Einzelfall ein „erheblicher Streitwert“ ist, richtet sich nach Umfang des Insolvenzverfahrens, der vorhandenen Masse und dem Risiko, denn der Insolvenzverwalter eines massearmen Verfahrens darf keine Prozesse auf sich nehmen, die mangels Kostendeckung der Masse ausschließlich der Gegenpartei das Prozessrisiko aufbürden, Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 160 Rn. 23. 36 Mokal LMCLQ 2004, 387 (401); Armour/Walters, Funding Insolvency: A Functional View, S. 36–38. 37 Höfling, Das englisches internationale Gesellschaftsrecht, S. 165. 38 Goode, Legal Problems of Credit and Security, 4. Kapitel; Nolan, 120 LQR 2004, 108 (120–123). 39 Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 3. 40 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, kommentierter Auszug zur EuInsVO, Art. 5 Rn. 1.

256 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

wegen der unbestimmten Weite der common law Haftung gestaltet es sich häufig schwierig, die Grenzen zwischen erlaubtem und verbotenem gläubigergefährdendem Handeln zu bestimmen. Deswegen wurde bislang eine Haftung nur bei individualisierbaren Vermögensverschiebungen angenommen.41 Unklar ist auch, ob die Doktrin im Falle sublimer Einflussnahmen, wie etwa Transferpreismanipulationen, überhaupt greift.42 Ferner setzt die englische Haftung später ein als die Existenzvernichtungshaftung, ist doch letztere tatbestandlich nicht auf den Eintritt der Krise beschränkt, sondern erfasst alle Maßnahmen, die ursächlich für die Insolvenz der Gesellschaft waren bzw. die Insolvenz vertieft haben.43 Dies wird noch durch die Tendenz der englischen Gerichte verstärkt, den haftungsauslösenden Zeitpunkt möglichst spät anzunehmen.44 Wegen der engen Verknüpfung des moment of truth mit der Kapitalisierungsfreiheit ist diese Tatsache auch von den deutschen Gerichten bei der Anwendung des englischen Haftungstatbestands zu berücksichtigen. Zwar ist den Geschäftsleitern auch außerhalb der Krise eine Befolgung nachteiliger Weisungen untersagt, allerdings läuft dieser auf die Eigeninteressen der Gesellschaft bezogene Schutzmechanismus in der Praxis fast vollständig leer.45 Damit können Transaktionen, die zu einer Zeit durchgeführt wurden, zu der die Gesellschaft noch finanziell gesund bzw. die Insolvenz noch nicht unvermeidbar war, nach englischem Recht nicht effektiv sanktioniert werden. Schließlich ist auf die erheblichen Beweisschwierigkeiten hinzuweisen, eine Muttergesellschaft als shadow director ihrer Tochter haftbar zu machen.46 Die Beziehungen zwischen Mutter und Tochter können so gestaltet werden, dass einerseits das Risiko der Mutter als shadow director der Tochter qualifiziert zu werden, verschwindend gering ist, andererseits die Konzernstruktur aber eng genug ist, um alle Synergieeffekte nutzen zu können.47 Unabhängig von einem Durchsetzungsdefizit muss deshalb gefolgert werden, dass die common law Haftung wegen erheblicher tatbestandlicher Schwächen keinen angemessenen Gläubigerschutz im Konzern gewährleisten kann.48 Die Rechtstatsachen zum englischen Konzernrecht sprechen für sich: Bislang wurde weder unter der Doktrin noch unter s. 214 IA 1986 je41

Muscat, Holding Company Liability, S. 253. Siehe § 5 E. II. 4. 43 Röhricht, ZIP 2005, 505 (514); Nassall, ZIP 2003, 969 (973 ff.); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1483); zurückhaltender Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). 44 § 5 E. II. 4. und § 5 F. II. 1. c). 45 § 5 E. I. 46 Ausführlich dazu unter § 5 F. II. 4. c). 47 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 31. 48 Vgl. die Ergebnisse in § 5 E. II. 4.; § 5 F. II. 4. b) und c). 42

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mals eine Konzernhaftung festgestellt, während in Deutschland seit der Grundlagenentscheidung „Bremer Vulkan“ im Jahre 2001 eine Haftung wegen Existenzvernichtung bereits in acht weiteren letztinstanzlichen Entscheidungen bejaht wurde.49 Die zusätzlich anwendbaren ss. 320–322 CA 1985 über „substantial property transactions“50 sind ebenfalls lückenhaft, laufen sie doch bei Einpersonengesellschaften und bei Bestandsvernichtung der Gesellschaft durch den Entzug von Geschäftschancen51 weitestgehend leer. d) Insolvenzrechtliches Anfechtungsinstrumentarium Möglicherweise könnte die Lücke des englischen Rechts aber über die gem. Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 2 lit. m) EuInsVO anwendbaren deutschen Insolvenzanfechtungsregeln (§§ 129 ff. InsO) geschlossen werden.52 Die Anfechtungstatbestände erfassen Rechtshandlungen und Realakte jeglicher Art, auch Unterlassungen (§ 129 Abs. 2 InsO, § 1 Abs. 2 AnfG).53 Allerdings erfordert § 133 Abs. 1 InsO bzw. § 3 AnfG den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung und Kenntnis des Anfechtungsgegners davon. Obgleich die Rechtsprechung die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand gelockert hat54 und das Gesetz für den Nachweis der Kenntnis unterschiedliche Beweiserleichterungen gewährt55, gestaltet sich die Begründung einer Haftung nach wie vor schwierig. Demgegenüber erfordert die Existenzvernichtungs49 BGHZ 150, 61 („L-Kosmetik“); BGHZ 151, 181 („KBV“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 206/02, GmbHR 2005, 225 („Autohaus“); BGH v. 13.12.2005 – II ZR 256/02, GmbHR 2005, 299 („Kofferfall“); BGH v. 20.9.2004 – II ZR 302/02, NZG 2004, 1107; OLG Rostock v. 10.12.2003, ZIP 2004, 118; OLG Hamm v. 4.12.2003, NZG 2004, 289; LAG Köln v. 20.6.2003, ZIP 2003, 1893; eine Juris-Abfrage vom 16.12.2005 ergab, dass sich seit der Grundlagenentscheidung des BGH vom 16.9.1985 – BGHZ 95, 330 („Autokran“) 70 Gerichtsentscheidungen mit der „Haftung im qualifiziert faktischen“ Konzern befasst haben. 50 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 200 f. 51 Dazu Fleischer, Festschrift Kilian, S. 645 ff. 52 Ähnlich Nassall, ZIP 2003, 969 (976 f.), der die Existenzvernichtungshaftung auch bei rein nationalen Sachverhalten wegen des insolvenzrechtlichen Anfechtungsinstrumentariums für überflüssig hält. 53 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 62. 54 Der vorausgesetzte Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erfordert das Wissen und das Wollen des Handelnden, dass seine Rechtshandlung masseschädigende Wirkung haben könnte. Hat er diese Wirkung erkannt und billigend in Kauf genommen, kann ein Benachteiligungsvorsatz nur noch ausgeschlossen werden, wenn er davon aufgrund konkreter Anhaltspunkte überzeugt war, die Insolvenz zu vermeiden, vgl. BGH NJW 1997, 3175. 55 Die Kenntnis wird gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass Zahlungsunfähigkeit drohte und die Gläubiger benachteiligte. Ferner hat eine inkongruente Leistung Indizwirkung sowohl für den Benachteiligungsvorsatz als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners, BGH

258 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

haftung keinen Verschuldensnachweis56, was eine Durchsetzung der Gläubigeransprüche gerade in Konzernsachverhalten erheblich erleichtern dürfte. Ferner setzen die jeweiligen Anfechtungstatbestände zwingend eine Individualisierung und Bewertung der einzelnen Rechtshandlungen voraus, so dass sie bei sog. „qualifizierten“ Nachteilszufügungen oftmals drohen, leer zu laufen.57 Auch die Rechtsfolge der Anfechtungstatbestände ist schwach ausgestaltet, weil diese nur auf Wiederherstellung des status quo ante gerichtet sind (§ 143 Abs. 1 S. 1 InsO). Schäden, die der Gesellschaft über den bloßen Vermögensabzug hinaus entstanden sind, können daher nicht ersetzt werden. Vor allem aber sind die Gläubiger zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter angewiesen. Bei massearmen Insolvenzen wird es dem Insolvenzverwalter aber regelmäßig an den erforderlichen Mitteln zur Finanzierung des Prozesses fehlen.58 Demgegenüber steht die Durchsetzung der Existenzvernichtungshaftung unmittelbar den geschädigten Gläubigern zu. Nur falls ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, geht die Aktivlegitimation auf den Insolvenzverwalter (§ 93 InsO) über.59 Zwar sind die Gläubiger nach §§ 1, 2 AnfG außerhalb eines Insolvenzverfahrens ebenfalls anfechtungsberechtigt, aber auch hier besteht das Problem der Prozesskostenfinanzierung, zumal das Prozesskostenrisiko eines Gläubigers, der eine Anfechtung nach § 3 AnfG durchsetzen will, wegen der subjektiven Voraussetzungen wesentlich höher sein dürfte, als bei einer Klage wegen existenzvernichtenden Eingriffs. Damit kann das insolvenzrechtliche Anfechtungsinstrumentarium der §§ 129 ff. InsO, §§ 3 f. AnfG die Lücken des englischen Rechts nicht effektiv schließen. e) Ergebnis Wegen der tatbestandlichen Lücken im englischen Recht bedarf es zum Schutz der Konzerngläubiger als zwingendem Allgemeinwohlbelang60 einer ZIP 2002, 85 (86). Die Weggabe eines wertvollen Gegenstandes ohne Gegenleistung hat ebenfalls Indizwirkung, vgl. BGH ZIP 2002, 85 (87). 56 BGHZ 151, 181 (187); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 25a; Ulmer, JZ 2002, 1049; a. A. K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3579); Altmeppen, ZIP 2002, 961 (966). 57 Deswegen ist die Behauptung von Nassall, ZIP 2003, 969 (976 f.), dass es der Existenzvernichtungshaftung wegen des insolvenzrechtlichen Instrumentariums nicht bedürfe, unrichtig. 58 Dies gesteht auch Nassall, ZIP 2003, 969 (977) zu, der allerdings auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe verweist. 59 BGHZ 151, 181; BAG GmbHR 2005, 988 (989) mit zustimmender Anm. von Schröder, GmbHR 2005, 988 (990).

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Anwendung der deutschen Existenzvernichtungshaftung, um insbesondere die im Konzern häufig vorkommenden „qualifizierten“ Nachteilszufügungen effektiv sanktionieren zu können. Ein Verweis auf die Möglichkeit der privatautonomen Risikoabsicherung – wie in Centros61 und Inspire Art 62 – verfängt bei Konzernsachverhalten häufig schon deswegen nicht, weil im Rechtsverkehr die generelle Tendenz besteht, den Konzern als wirtschaftliche Einheit wahrzunehmen (Konzernvertrauensproblem)63 oder die Gläubiger gar nicht von der Gruppenzugehörigkeit ihres Vertragspartners wissen (Transparenzproblem)64, von der Schwäche des Informationsmodells bei gesetzlichen und verhandlungsschwachen Gläubigern ganz zu schweigen.65 Ein solcher Eingriff in die Niederlassungsfreiheit der abhängigen englischen Auslandsgesellschaft ist auch verhältnismäßig, weil im Sinne einer „Wechselwirkungslehre“ der Marktzugang durch eine solche „Ausgangshaftung“ nicht allzu schwerwiegend beeinträchtigt wird66, während dadurch aber eine andernfalls bestehende erhebliche Schutzlücke für inländische Gläubiger von englischen Tochtergesellschaften geschlossen wird. Interessanterweise führt eine Anwendung der Existenzvernichtungshaftung bei gleichzeitiger Geltung der common law-Regeln zu einer Sanktionierung aller Spekulationsgeschäfte, gleich ob die Erträge bei der Gesellschaft verbleiben (dann greift die Haftung aus common law, nicht aber die Existenzvernichtungshaftung) oder nicht (dann greifen beide Haftungsinstitute). Dies könnte für die Implementierung einer parallelen Haftung wegen wrongful trading auf europäischer Ebene sprechen.67

B. Vermögensvermischung I. Qualifikation Die Haftung wegen Vermögensvermischung ist als klassische Durchgriffshaftung als eindeutig gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren68, wenn auch die Rechtsprechung nicht immer klar zwischen der echten Durchgriffs60

EuGH vom 5.1.2002 – Rs. C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, I-1919 Tz. 92. EuGH vom 9.3.1999 – Rs. C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, I-1459 Tz. 36. 62 EuGH vom 30.9.2003 – Rs. C-167/01 („Inspire Art“), Tz. 135. 63 Posner, Economic Analysis of Law, S. 450 f. und die Ausführungen unter § 7 E. III. 64 Siehe dazu Einl. B. III. 65 Allgemein dazu § 5 B. 66 Zu dem abgeschwächten Rechtfertigungserfordernis bei gründungsferneren Vorgängen vgl. oben und ausführlich Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 206 ff. 67 Zu den Vorschlägen siehe Europäische Kommission, Aktionsplan, Ziff. 3.1.3; High Level Group, S. 73 f., 86, 97. 61

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haftung und einer Haftung gemäß § 826 BGB unterscheidet.69 Üblicherweise stützt sich der BGH aber auf ein gesellschaftsrechtliches Begründungsmuster, wenn er betont, dass bei einer Vermögensvermischung die Kapitalerhaltungsregeln, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die beschränkte Haftung sei, nicht funktionieren könnten.70 Sofern in diesen Fällen auch ein Vorsatz bejaht werden kann, ist gleichzeitig § 826 BGB einschlägig.71 Insbesondere wegen der Nähe zu § 826 BGB neigen die meisten Autoren zu einer Anwendbarkeit der nationalen Durchgriffshaftung auf Auslandsgesellschaften72, andere möchten nur eine Verschuldenshaftung im Rahmen von § 826 BGB bejahen.73 II. Eingriff in die Niederlassungsfreiheit Weil die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung auf gesellschaftsrechtlichen Strukturelementen aufbaut, muss richtigerweise von einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit ausgegangen werden.74 Deswegen ist im nächsten Schritt zu fragen, ob ein solcher Eingriff in die Niederlassungsfreiheit rechtfertigungsfähig ist. Nimmt man gemäß des Erforderlichkeitskriteriums nach Gebhard 75 das englische Gründungsrecht in den Blick, so muss festgestellt werden, dass die Haftung aus common law zwar Abhilfe gegen eine masseschmälernde Krisenverschleppung schafft, aber keinen Schutz vor Vermögensverschleierung und Beweisschwierigkeiten infolge undurchsichtiger Buchführung bewirkt.76 Das Kriterium der Vermögensvermischung spielt als Fallgruppe des piercing the corporate veil ebenfalls 68 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (81 f.); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 736 ff. m. w. N. 69 Bitter, WM 2004, 2190 (2196); ders., Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 104 f. m. w. N. 70 BGHZ 95, 330 (334). 71 Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 15. 72 Bitter, WM 2004, 2190 (2196); Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (121 ff.); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.); Schön, ZHR 2004, 268 (294) mit europarechtlichen Erwägungen. 73 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669); Weller, DStR 2003, 1800 (1804); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Europäische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 27. 74 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (122); Bitter, WM 2004, 2190 (2196); Schön, ZHR 2004, 268 (293 ff.); Schanze/ Jüttner, AG 2003, 661 (669). 75 EuGH vom 30.11.1995 – Rs. C-55/94 („Gebhard“), Slg. 1995, I-4165, Tz. 37. 76 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (122).

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keine Rolle.77 Dennoch belegt die Existenz der ss. 238, 239 IA 1986, dass die englische Rechtsordnung die Problematik von gruppeninternen Transaktionen, die nicht at arm’s length durchgeführt wurden, erkannt hat. Bei krassen Fällen der Vermögensvermischung laufen diese aber gerade mangels Individualisierbarkeit der Rechtsgeschäfte leer und sind ohnehin gemäß Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 2 lit. m) EuInsVO auf Auslandsgesellschaften nicht anwendbar. Zwar können die Vorschriften des Company Directors Disqualification Act 1986 theoretisch bei Vermögensvermischungen eingreifen.78 Diese wirken aber nur für die Zukunft und können keine persönliche Haftung für die Vergangenheit anordnen.79 Damit besteht bei sog. „Waschkorblagen“ eine erhebliche Schutzlücke im englischen Gründungsrecht. Eine Anwendung der deutschen Haftungstatbestände wegen Vermögensvermischung erscheint daher geboten. Dieses Ergebnis wird durch die europarechtlichen Erwägungen Schöns noch untermauert.80 Nach der hier vertretenen Auffassung kann aus der Publizitätsrichtlinie zwar nicht auf eine europarechtliche Durchgriffshaftung geschlossen werden81, dennoch liegt ihr zumindest implizit das Gebot der Trennung der Haftungsmassen (asset partitioning) zugrunde.82 Denn der durch die Publizitätsrichtlinie bezweckte Schutz der Gläubiger, denen nur ein beschränkter Haftungsfond zur Verfügung steht83, setzt voraus, dass die Sphären von Gesellschaft und Gesellschaftern getrennt voneinander bestehen. Zumindest bei Nachweis einer Betrugsabsicht muss daher eine Haftung wegen Vermögensvermischung gerechtfertigt sein, weil dies auch dem nicht anwendbaren s. 213 IA 1986 im englischen Recht entspricht.

C. Materielle Unterkapitalisierung Nach verbreiteter Auffassung sollen die Haftungsgrundsätze wegen materieller Unterkapitalisierung im Wege einer Sonderanknüpfung auch auf 77 So auch Wolf, Konzernhaftung in Frankreich und England, S. 166; etwas optimistischer Schall, ZIP 2005, 965 (971), der aber seine Behauptung, dass Vermögensvermischungen auch von der „fraud exception“ erfasst sein sollen, nicht belegen kann. 78 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 212 ff.; Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, S. 181 ff., 196; Fleischer, WM 2004, 157 (160 f.). 79 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (122). 80 Schön, ZHR 2004, 268 (293 ff.). 81 Siehe oben § 12 A. II. 2. 82 So auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (122). 83 3. Erwägungsgrund der Richtlinie.

262 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

Auslandsgesellschaften übertragbar sein.84 Die Gegenmeinung lehnt dies ab, weil einige Auslandsgesellschaften, wie etwa die englische Ltd., nach ihrem Gründungsrecht ohne Vermögen rechtmäßig errichtet werden können und deswegen schon nicht „unterkapitalisiert“ seien.85 Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung bislang von der Rechtsprechung nicht als Fallgruppe der Durchgriffshaftung anerkannt wurde.86 Will man allerdings mit Teilen der Literatur eine solche Haftung im Grundsatz bejahen, so ist sie gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren, weil es darum geht, unter welchen Voraussetzungen das „Privileg“ der beschränkten Haftung erworben bzw. wieder aufgehoben werden kann. Damit läge ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vor, der rechtfertigungsbedürftig wäre. Eine Anwendung der deutschen Durchgriffshaftung müsste aber an dem Erforderlichkeitskriterium scheitern. Wie oben dargestellt, regelt das englische Recht die angemessene Verteilung des Unternehmensrisikos durch spezifische Geschäftsleiterpflichten (Haftung aus common law und s. 214 IA 1986).87 Wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht ist dabei, dass sich die Haftung primär an die Geschäftsleiter richtet, auch wenn sie über den shadow director auch Gesellschafter erfasst. Ferner genügt die Tatsache der überwiegenden Fremdfinanzierung allein noch nicht zur Annahme einer unangemessenen Externalisierung des Unternehmensrisikos88, während in Deutschland dies schon als Indiz für die materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft gewertet wird.89 Hieran wird deutlich, dass die europäischen Gesellschaftsrechte die Frage der angemessenen Kapitalisierung unterschiedlich regeln. Eine Anwendung der deutschen Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung würde daher zu 84 Bitter, WM 2004, 2190 (2197 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (742); W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125); Ulmer, JZ 1999, 662 (664); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.); siehe auch AG Hamburg, NZI 2003, 442 (443); LG Stuttgart, NZG 2002, 240 (243). 85 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Europäische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 4 Rn. 27; Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (118 ff.); Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 (930); Meilicke, GmbHR 2003, 793 (805); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669); Wachter, GmbHR, 88 (91); Weller, Rechtsformenwahlfreiheit, S. 91; Behrens, IPRax 2004, 20 (25); siehe auch AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 (885) = NZI 2005, 411 (412). 86 BGHZ 68, 312 (319) („Fertighaus“); BGHZ 90, 381 (388 f.) („BuM“). 87 § 5 E. II. 1. 88 Siehe § 5 E. II. 4., § 5 F. II. 1. c). 89 Vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 290: „Statten die Gesellschafter die Gesellschaft mit völlig unzureichenden Mitteln aus (. . .)“; ähnlich Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 83.

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strukturellen Verwerfungen in der Organisationsverfassung der englischen Kapitalgesellschaft führen. Eines solchen tief greifenden Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit bedarf es aber nicht, weil die auf englische Auslandsgesellschaften anwendbare Haftung aus common law bereits vor einem opportunistischen Abwälzen des Unternehmensrisikos auf die Gläubiger schützt. Zugegebenermaßen wurden tatbestandliche Schwächen bei dem englischen Haftungstatbestand festgestellt und auch die Durchsetzung ist schwierig, aber erstens gelten für englische Gesellschaft mit Sitz in Deutschland die deutschen Durchsetzungsmechanismen90 und zweitens ist zu berücksichtigen, dass nach der hier vertretenen Ansicht, auch die deutsche Existenzvernichtungshaftung auf englische Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland Anwendung findet.91 Zusammen mit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung, der noch weitergehenden Haftung aus common law 92 und der Möglichkeit des vertraglichen Selbstschutzes dürfte damit ein Schutzstandard erreicht sein, der ausreichend ist, um eine angemessene Verteilung des Unternehmensrisikos zu gewährleisten. Insbesondere werden bei einer parallelen Anwendung von englischer common law-Haftung und deutscher Existenzvernichtungshaftung theoretisch alle „Spekulationen auf Kosten der Gläubiger“ erfasst, auch solche bei denen Risiko und Ertrag bei der Gesellschaft verbleiben.93 Zumindest in diesen Situation ist deswegen eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung nicht mehr erforderlich erscheint. Selbst wenn im Einzelfall die hier vorgestellten Schutzmechanismen hinter einer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung zurückbleiben, sind doch leichte Detailunterschiede wegen des Prinzips der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen hinzunehmen.94 Deswegen muss eine Anwendung der Haftung auf englische Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland abgelehnt werden. Nur bei Überschreiten der Betrugsgrenze kommt eine Verantwortlichkeit der Handelnden nach §§ 826, 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB in Betracht (Art. 40 EGBGB).95 Eine solche Haftung knüpft dann nicht mehr an ein spezifisches gesellschaftsrechtliches Fehlverhalten an, sondern sanktioniert 90

Siehe oben. Oben § 11 A. II. 2. e). 92 Zur parallelen Anwendung beider Haftungsinstitute im Sinne einer sachrechtlichen Anpassung oben § 9 B. II. 2. b). 93 Vgl. oben § 11 A. II. 2. e). 94 Forsthoff, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 2 Rn. 62 f.; Forsthoff/Schulz, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 15 Rn. 15 ff.; Behrens, IPRax 2004, 20 (25); und oben § 3 C. II. 2. 95 Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (121). 91

264 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

allgemeine und von jedermann zu beachtende vorsätzliche sittenwidrige Gläubigerbenachteiligungen.96 In diesem Falle handelt es sich um eine bloß tätigkeitsbezogene, also nicht rechtfertigungsbedürftige Beschränkung (Keck).97

96 Borges, ZIP 2004, 733 (741); Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2260); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1204); wohl auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 49 (121); siehe auch AG Bad Segeberg v. 24.3.2005 – 17 C 289/04, GmbHR 2005, 884 (886) mit zustimmendem Kommentar von Dichtl = NZI 2005, 411 (413) ebenfalls mit zustimmendem Kommentar von Pannen/ Riedemann. 97 Nach Bayer, BB 2003, 2357 (2364); Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 (930); Meilicke, GmbHR 2003, 793 (806) ist eine Anwendung der Deliktsnormen zumindest gerechtfertigt, weil s. 213 IA 1986 keine Anwendung findet.

§ 12 Anwendbarkeit spezifischer Konzernhaftungstatbestände A. Der konzernrechtliche Verlustausgleich (§ 302 AktG analog) Abschließend kann noch gefragt werden, ob der Schutz inländischer Konzerngläubiger eine Anwendung spezifischer konzernrechtlicher Haftungstatbestände erforderlich macht. Zunächst kann dabei an eine analoge Anwendung des § 302 AktG gedacht werden. § 302 AktG setzt aber den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages voraus. Diese sind nach englischem Konzernrecht unzulässig.1 Teilweise wird jedoch (immer noch) vertreten, § 302 AktG analog auch auf den faktischen AG- bzw. GmbH-Konzern anzuwenden, falls das einzelgesetzliche Ausgleichsystem wegen „qualifizierter“ Nachteilszufügungen versagt.2 Entsprechend könnte argumentiert werden, in diesen Fällen die Analogie auch auf die faktisch abhängige englische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland auszudehnen. Die Argumentation überzeugt aber schon zum deutschen Recht nicht.3 Hinzukommt, dass nach englischen Recht eine koordinierte Konzernpolitik gerade nicht durchgeführt werden darf.4 Rechtfertigt sich die umfassende Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG aber vor allem aus einer Ausrichtung auf das Konzerninteresse5, so fehlt es an einer für die Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Es kann auch nicht argumentiert werden, dass es keinen Unterschied mache, ob eine Ausrichtung am Konzerninteresse zulässig sei oder die Beteiligten ein diesbezüglich bestehendes Verbot in der Praxis ignorierten. Denn eine analoge Anwendung des § 302 AktG würde die in diesem Fall eingreifenden englischen Haftungstatbestände samt ihrer spezifischen Tatbestandsvoraussetzungen vollständig 1

Siehe § 4 B. I. 1. Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 16; Cahn, ZIP 2001, 2159 (2160) (nur Randnotizen); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 380 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 960; Eberl-Borges, Jura 2002, 761 (764); dies., WM 2003, 105 ff. 3 Siehe dazu § 6 D. I. 3. 4 § 5 E. I. 5 Wiedemann, ZGR 1986, 656 (667); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 52 ff.; Sonnenschein/Holzdorf, JZ 1992, 715 (719 f.); Kleindiek, GmbHR 1992, 574 (582 f.); wohl auch BGH WM 2001, 77 (78). 2

266 3. Teil: Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft

unterlaufen. Hier erscheint es überzeugender, die Schutzlücken der englischen Haftungstatbestände durch eine punktgenaue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auszufüllen, welche die auf das Eigeninteresse der Gesellschaft bezogenen englischen Rechtsregeln unberührt lässt. Im Ergebnis ist daher eine analoge Anwendung des § 302 AktG auf Konzernauslandsgesellschaften abzulehnen.

B. Die konzernrechtliche Nachteilsausgleichs- und Schadensersatzpflicht (§§ 311, 317 AktG) Habersack möchte allerdings die §§ 311, 317 AktG analog auf „abhängige ausländische Aktiengesellschaften“ mit Sitz in Deutschland anwenden, um inländische Gläubiger vor den Gefahren einer faktischen Konzernierung zu schützen.6 Eine analoge Anwendung der §§ 311, 317 AktG hätte aber einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit zur Folge. Denn bei den §§ 311, 317 AktG handelt es sich nicht um eine „jedermann“ treffende allgemeine deliktische Haftung wegen zu missbilligendem Verhaltens7, sondern sie knüpfen an eine gesellschaftsspezifische Pflichtverletzung des herrschenden Unternehmens an.8 Insbesondere wenn man die §§ 311, 317 AktG richtigerweise als Ausprägung von konzernspezifischen Treuepflichten interpretiert9 wird deutlich, dass die §§ 311, 317 AktG die „Subjektseigenschaften“ der abhängigen Gesellschaft im Verhältnis zu ihrem Mehrheitsgesellschafter betreffen. Im Rahmen einer Erforderlichkeitsprüfung sind aber die englischen Haftungstatbestände in den Blick zu nehmen. Dabei fällt auf, dass die auf englische Auslandsgesellschaften anwendbare Haftung aus common law tatbestandlich sämtliche unter die §§ 311, 317 AktG subsumierbaren Fälle erfasst, sofern sich die Gesellschaft bereits in einer finanziellen Krise befindet.10 Zwar wurden im Zusammenhang mit der englischen Haftung Tatbestands- und Durchsetzungsdefizite festgestellt11, jedoch gestalten sich Beweisführung und Durchsetzung auch im Rahmen der §§ 311, 317 AktG als schwierig.12 Besondere Probleme bereitet in diesem Zusammenhang der 6 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 3. Aufl., § 311, Rn. 21; dieser Hinweis findet sich allerdings nicht mehr in der nachfolgenden 4. Auflage aus dem Jahre 2005. 7 So aber Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129 (173). 8 Siehe oben § 4 A. II. 3. 9 Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 89 und Rn. 4; WimmerLeonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 138 ff. 10 Siehe bereits oben § 11 A. II. 2. a). 11 § 5 E. II. 4. und § 5 F. II. 4. 12 Siehe oben § 6 D. I. 2.

§ 12 Anwendbarkeit spezifischer Konzernhaftungstatbestände

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Nachweis der Nachteiligkeit einer Maßnahme und ihrer Veranlassung. Ersteres erfordert eine Angemessenheitsprüfung, was wegen der verschiedenartigen Interdependenzen nur schwer zu bewerkstelligen ist, letzteres erfordert die Abgrenzung zwischen bloß beratenden und lenkenden Einflussnahmen. Hier stellen sich also ganz ähnliche Probleme wie bei dem Nachweis der shadow director Eigenschaft im englischen Recht. Insofern scheint durch eine Anwendung des deutschen Rechts nur marginal zusätzlicher Schutz im Krisenfalle gewährleistet zu werden. Außerhalb einer konkreten Unternehmenskrise ist der englische Haftungstatbestand allerdings nicht anwendbar, während die §§ 311, 317 AktG krisenunabhängig wirken. Zwar verbietet das englische Gesellschaftsrecht grundsätzlich konzernintegrative Maßnahmen, wenn sie nicht zumindest mittelbar einen Vorteil für die abhängige Gesellschaft begründen, allerdings läuft dieser auf die Eigeninteressen der Gesellschaft bezogene Schutzmechanismus in der Praxis fast vollständig leer.13 Diese Schutzlücke wurde aber bereits durch eine Anwendung der deutschen Existenzvernichtungshaftung geschlossen.14 Damit sind zumindest alle nachteiligen Maßnahmen erfasst, die infolge eines Vermögensabzugs die Insolvenz der Gesellschaft herbeigeführt haben, ohne dass auf die konkreten finanzielle Situation der Gesellschaft ankommt. Allerdings versagt der Haftungstatbestand bei existenzgefährdenden Maßnahmen oder Maßnahmen, die keinen Vermögensabzug zum Gegenstand haben – wie etwa „Spekulationsgeschäfte auf Kosten der Gläubiger“ oder die Aufgabe von Geschäftsfeldern. In diese Lücke könnte daher eine Haftung nach §§ 311, 317 AktG stoßen. Eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG ist jedoch nicht verhältnismäßig, wenn man den Gewinn an Gläubigerschutz seinerseits im Lichte des mit ihm verbundenen Verlusts an Niederlassungsfreiheit betrachtet („Wechselwirkungslehre“)15. Denn obgleich die §§ 311 ff. AktG keine rechtlich abgesicherte Konzernleitungsmacht begründen, hätte eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG doch einen erhebliche Eingriff in das Organisationsstatut der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft zur Folge. Zwar bleibt es im „faktischen AG-Konzern“ grundsätzlich bei dem Prinzip der eigenverantwortlichen Leitung, dennoch darf der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft wegen der §§ 311 ff. AktG nachteilige Maßnahmen ausführen, wenn diese im Konzerninteresse liegen, der Nachteil ausgleichsfähig ist und das herrschende Unternehmen zum Ausgleich bereit und imstande ist.16 Eine solche mögliche Ausrichtung auf Konzerninteressen ist dem eng13 14 15 16

§ 5 E. I. So bereits die Schlussfolgerung in § 11 A. II. 2. c) und e). Dazu § 9 B. II. 2. b) und § 11 A. II. 2. e). Habersack, in: Emmerich/Habersack, 4. Aufl., § 311 Rn. 78.

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lischen Gesellschaftsrecht aber fremd und würde den auf die Eigeninteressen der Gesellschaft bezogenen englischen Bestandsschutz aushebeln. Gleichzeitig würde ein solch schwerwiegender Eingriff nur in Randbereichen zusätzlichen Gläubigerschutz schaffen, zumal diesbezüglich schon die deutschen Regeln zur Insolvenzanfechtung (§§ 29 ff. InsO) Abhilfe schaffen können. Im Lichte dessen ist eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG neben der deutschen Existenzvernichtungshaftung abzulehnen.

C. Konzernrechtliche Treuepflichten Im letzten Schritt kann gefragt werden, ob die für das GmbH-Recht entwickelten konzernrechtlichen Treuepflichten mit ihren Haftungsfolgen17 auf die abhängige englische Ltd. übertragen werden können. Dagegen spricht aber erstens, dass die Mitgliedschaft in England primär als Recht und nicht als Verpflichtung wahrgenommen wird. Nach klassischer Vorstellung des englischen Gesellschaftsrechts haben Gesellschafter, auch wenn sie die Gesellschaft kontrollieren, keine18 oder kaum19 Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern. Deswegen sind sie auch grundsätzlich berechtigt, bei Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung eigene Interessen zu verfolgen.20 Zweitens sind die Treuepflichten des Mehrheitsgesellschafters als reflexiver Gläubigerschutzmechanismus im GmbH-Konzernrecht vor allem deshalb entwickelt worden, weil die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung weisungsgebunden sind (§§ 37 Abs. 1, 45, 46 GmbHG). Im englischen Gesellschaftsrecht dürfen die Gesellschafter dagegen grundsätzlich 17

Siehe dazu § 6 D. II. Pender v Lushington (1877) Ch. D 70 (75); Northern Counties Securities Ltd v. Jackson and Steeple Ltd [1974] 1 WLR 1133 (1144); Estmanco (Kilner House) Ltd v Greater London Council [1982] 1 All ER 437 (444); Re Swindon Town Football Club Ltd [1990] BCLC 467; Ex parte Floods Ltd [1998] 1 WLR 1496 (1500 f.). 19 Bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages sind die Gesellschafter allerdings verpflichtet, gutgläubig im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, Allen v Gold Reefs of West Africa Ltd [1990] 1 Ch. 656. Mit diesem Test wird der Fokus primär auf die subjektiven Vorstellungen der Gesellschafter gelegt, so dass bei Bestehen von vernünftigen Gründen die Gerichte nicht einschreiten werden, vgl. Shuttleworth v Cox Bros & Co. [1927] 2 KB 9; Greenhalgh v Ardene Cinemas Ltd [1951] Ch. 286; Ebrahimi v Westbourne Galleries [1973] AC 360 (381): „[the test is] little more than an alibi for a refusal to consider the merits of the case“. Im Übrigen wird Minderheitenschutz über s. 459 CA 1985 verwirklicht, vgl. zum ganzen Lower, JBL 2000, 232 ff. 20 Northern Counties Securities Ltd v. Jackson and Steeple Ltd [1974] 1 WLR 1133. 18

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nicht in die Geschäftsführung hinein regieren21, es sei denn die Satzung (articles of association) weist ihnen abweichend zur Mustersatzung (Table A, art. 80) eindeutig Geschäftsführungskompetenzen zu oder die Anweisung erfolgt im Wege einer special resolution.22 Drittens besteht nach der hier befürworteten Anwendung der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gar keine Notwendigkeit, den Mehrheitsgesellschafter daneben auch noch durch Treuepflichten zu binden. Deswegen sind auch die konzernspezifischen Treuepflichten nicht auf die abhängige englische Kapitalgesellschaft anwendbar.

21 Automatic Self Cleansing Filters Syndicate Co Ltd v Cunninghame [1906] 2 Ch. 34. 22 Gower/Davies, 7. Aufl., S. 299 ff. Die Verabschiedung einer special resolution stellt sich als ein sehr förmliches Verfahren dar. Zum einen bedarf es einer ¾ Mehrheit und zum anderen muss allen Gesellschaftern eine Benachrichtigung 21 Tage vor Beginn der Gesellschafterversammlung zugestellt werden, in der die Gründe für die special resolution genau spezifiziert sind, s. 378 (2) CA 1985.

Zusammenfassung der Ergebnisse A. Ergebnisse des ersten Teils 1. Die Art. 43, 48 EG gewähren Gesellschaften, die in einem europäischen Mitgliedstaat wirksam gegründet sind, das Recht, ihren Verwaltungssitz identitäts- und rechtsformwahrend in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, sofern der Gründungsstaat dies gestattet. Die bei Verlegung des Verwaltungssitzes unternommene Gründungsanknüpfung ist umfassend, so dass sich Gründung, Organisations- und Haftungsverfassung, sowie Beendigung und nicht insolvenzbedingte Liquidation einheitlich nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht bestimmt (gesellschaftsrechtliche Herkunftslandanknüpfung). 2. Damit nicht jede nationale Rechtsnorm, die sich potentiell beschränkend auf die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft auswirken kann, dem strengen Rechtfertigungsvorbehalt des Europarechts unterfällt, ist analog zur Keck-Rechtsprechung der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit auf solche Maßnahmen zu reduzieren, die den Marktzugang für ausländische Gesellschaften beschränken. Eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Maßnahme ist nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz vor Missbrauch und Betrug oder zum Schutz zwingender Allgemeininteressen geeignet und erforderlich ist (Gebhard-Formel). Dabei ist der Schutzgewinn seinerseits im Lichte des mit ihm verbundenen Verlusts an Niederlassungsfreiheit zu sehen und umgekehrt („Wechselwirkungslehre“). 3. Für das internationale Konzernrecht bedeutet die gesellschaftsrechtliche Herkunftslandanknüpfung, dass auch der „Konzernkonflikt“ grundsätzlich durch das ausländische Gründungsrecht bewältigt werden muss. Eine vom Gesellschaftsstatut losgelöste Sonderanknüpfung des deutschen Konzernrechts vermag weder kollisionsrechtlich noch europarechtlich zu überzeugen. 4. Die insolvenzrechtliche Anknüpfung an den „Mittelpunkt der tatsächlichen Interessen“ (Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuInsVO) hat eine Aufrechterhaltung der Sitztheorie für das internationale Insolvenzrecht zur Folge. Bei Konzerngesellschaften wird zwar teilweise vertreten, dass deren Interessenschwerpunkt am Verwaltungssitz der Muttergesellschaft

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läge, nach geltender Rechtslage kommt es aber auf den Verwaltungssitz der abhängigen Gesellschaft an (Eurofood/Parmalat). 5. Damit wird insolvenzrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz bei Auslandsgesellschaften auseinander gerissen. Normenhäufung und Normenmangel sind die Folge. Die hierzulande vorgenommene Lösung einer teleologischen Normenqualifikation greift zu kurz, weil insolvenzrechtlicher- und gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz gar nicht sinnvoll von einander getrennt werden kann. Beide Rechtsmaterien bilden in den jeweiligen europäischen Rechtsordnungen eine funktionale Einheit und sind deswegen isoliert mit Einzelregelungen anderer Mitgliedstaaten nicht kompatibel. 6. De lege ferenda ist somit zu fordern, auch im europäischen Insolvenzrecht eine Gründungsanknüpfung vorzunehmen. Dadurch wäre eine klare und transparente Zuständigkeitsregel geschaffen, welche gleichzeitig ein insolvenzrechtliches forum shopping vermeiden würde. Zudem wäre zumindest bei „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaften“ ein einheitliches Insolvenzverfahren von Mutter- und Tochtergesellschaft gewährleistet. Auch inländische Gläubiger hätten prozessual keine Schlechterstellung zu befürchten, steht ihnen doch auch nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens jederzeit die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 3 EuInsVO im Verwaltungssitzstaat offen. Konsequenterweise müsste sich aber auch hier das materielle Insolvenzrecht nach dem Gründungsstatut der Gesellschaft richten. Dies hätte also zumindest eine teilweise Abkehr von dem lex fori Prinzip zur Folge, entspricht aber der Rechtslage bei der Durchsetzung gesellschaftsbezogener Ansprüche außerhalb der Insolvenz (Art. 2, 60 EuGVVO).

B. Ergebnisse des zweiten Teils 1. Das englische Recht zieht die privatautonome Risikoabsicherung, abgestützt durch strenge Publizitätspflichten, einer gesetzgeberischen Intervention zum Schutze der Gläubiger vor. Bei näherer Betrachtung scheint die Favorisierung des „Informationsmodells“ aber weniger auf dessen Überlegenheit gegenüber institutionellen Gläubigerschutzmechanismen, sondern eher auf einer Akzentverschiebung vom Gläubigerschutz hin zum Schutz des Kapitalmarkts und seiner Anleger zu beruhen. Für den Konzernsachverhalt jedenfalls greift der bloße Verweis auf die Möglichkeit des vertraglichen Selbstschutzes zu kurz. Denn zum einen sind die für einen Konzern bestehenden Publizitätspflichten lückenhaft. Zum anderen besteht eine generelle Tendenz im Rechtsver-

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kehr, die Unternehmensgruppe nicht in ihrer rechtlichen Vielheit, sondern als wirtschaftliche Einheit wahrzunehmen. 2. Zweite Säule des englischen Gläubigerschutzrechts bildet der gesetzliche Kapitalschutz. Dieser entfaltet Konzerndimension, indem er ähnlich wie das deutsche Recht auch Ausschüttungen an Schwestergesellschaften erfasst. Nicht erfasst sind hingegen sog. „qualifizierte Nachteilszufügungen“, wie etwa die Aufgabe von Geschäftsfeldern zugunsten der Mutter oder Spekulationsgeschäfte auf Kosten der Gläubiger. Im Gegensatz zum deutschen Recht greift hier allerdings keine Durchgriffshaftung ( piercing the corporate veil) ein, um die Lücke im Kapitalschutzsystem zu schließen. 3. Stattdessen vertraut das englische Recht auf die Treuepflichten der Geschäftsleiter, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln ( fiduciary duty to act in the best interest of the company). Dieser auf die Eigeninteressen der Gesellschaft bezogene Schutz läuft in der Praxis aber fast vollständig leer. Anders verhält es sich erst, wenn die Gesellschaft auf die Insolvenz zusteuert. Dann müssen die Geschäftsleiter materielle Gläubigerinteressen bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen (Haftung aus common law und s. 214 IA 1986), wobei sich die Verpflichtung auch auf den herrschenden Gesellschafter als shadow director erstrecken kann. Dennoch können die Haftungstatbestände keinen angemessenen Gläubigerschutz im Konzern bewirken, weil deren Durchsetzung nach wie vor schwierig ist und die Hürden zur Annahme der shadow director-Eigenschaft zu hoch sind. Bislang wurde jedenfalls in noch keinem veröffentlichten Fall eine Haftung der Muttergesellschaft für konzernintegrative Maßnahmen festgestellt. Auch tatbestandlich sind die Haftungsinstitute schwach ausgestaltet. So ist die Haftung auf Maßnahmen in der Krise der Gesellschaft beschränkt. „Qualifizierte Nachteilszufügungen“ außerhalb der Unternehmenskrise können damit nicht sanktioniert werden. Diese Schutzlücke wird noch durch die generelle Tendenz der englischen Gerichte verschärft, den haftungsauslösenden moment of truth möglichst spät anzunehmen. 4. Vierte Säule des englischen Konzernrechts bilden die insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln (ss. 238, 239 IA 1986). Diese sollen gruppeninterne Transaktionen verhindern, die nicht at arm’s lenght durchgeführt wurden. Aber auch hier offenbaren sich Schutzlücken, insbesondere weil die Tatbestände nur auf Wiederherstellung des status quo ante gerichtet sind und eine Individualisierung der einzelnen Transaktionen voraussetzen. Nur ergänzende Wirkung haben schließlich die Vorschriften über die Disqualifizierung von directors und die öffentlich-rechtliche Staatsaufsicht.

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5. Trotz der engmaschigen Regelung des deutschen Aktienkonzernrechts offenbaren sich Gläubigerschutzlücken. Im Vertragskonzern besteht nach wie vor das ungelöste Problem, wie mit Existenzvernichtungen der Tochtergesellschaft nach Beendigung des Unternehmensvertrages umzugehen ist. Zentrale Schwäche der §§ 311 ff. AktG ist, dass der einzelgesetzliche Nachteilsausgleich nach §§ 311 Abs. 2, 317 AktG nicht sog. „qualifizierte Nachteilszufügungen“ erfasst. In diesen Fällen befürworten einige Autoren nach wie vor eine konzernrechtliche Haftung der Muttergesellschaft nach § 302 AktG analog. Überzeugender ist es jedoch, die Problematik über die von der Rechtsprechung zur GmbH entwickelte Existenzvernichtungshaftung zu lösen. 6. Für die häufiger genutzte Gesellschaftsform der GmbH hat sich ein eigenständiges Fallrecht zu Unternehmensverbindungen entwickelt, wobei Gläubigerschutz primär über die Treuepflichten und die Kapitalschutzvorschriften verwirklicht wird. Zentrale Schwäche ist aber auch hier, dass das einzelgesetzliche Ausgleichssystem bei nicht individualisierbaren Vermögensverschiebungen versagt. Bilanzielle nicht erfassbare Vorgänge (wie z. B. die Aufgabe wichtiger Geschäftsfelder und Spekulationen auf Kosten der Gläubiger) werden ebenso wenig von den §§ 30 ff. GmbHG sanktioniert wie Vermögensabzüge oberhalb des Stammkapitals. Auch hier werden im Wesentlichen alle Lücken durch die Existenzvernichtungshaftung ausgefüllt. Alleine bei der schwierigen Fallgruppe „Spekulationen auf Kosten der Gläubiger“ bestehen noch Schutzlücken, wenn Chancen und Risiken aus den Spekulationsgeschäften bei der Tochtergesellschaft konzentriert sind. 7. Die Analyse des gesetzlichen Kapitalschutzes ergab, dass die neuere Rechtsprechung des BGH zu Gesellschafterdarlehen und zum existenzvernichtenden Eingriff den üblichen Konzernfinanzierungsstrategien enge Grenzen gesetzt hat. Zweifelhaft bleibt in diesem Zusammenhang, unter welchen Voraussetzungen ein zentrales Cash-Pooling System zulässig sein kann. 8. Das gesetzlich vorgeschriebene Mindeststammkapital bei der GmbH ist abzuschaffen. Es spiegelt nur eine finanzielle Ausstattungsgröße wider, welche nach kurzer Zeit verloren sein kann. Gleichzeitig bedeutet es eine erhebliche Kostenbürde für kleine risikoarme Unternehmen. Wie die Erfahrungen in England und den USA belegen, können Banken im Wege der Kreditkontrolle viel eher eine angemessene Eigenkapitalausstattung gewährleisten als eine abstrakte gesetzliche Mindestkapitalziffer. An dem gesetzlichen Kapitalschutzsystem ist dagegen festzuhalten. Es ist einem bilanzrechtlichem Ausschüttungsschutz (Solvenztest und Nettovermögenstest) überlegen.

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9. Das deutsche Eigenkapitalersatzrecht ist ebenfalls reformierungsbedürftig. Die Begründungsversuche, warum Fremdkapital in Eigenkapital „umqualifiziert“ werden müsse, vermögen nicht zu überzeugen. Die Rechtsprechungsregeln sind daher restlos aufzugeben. Das insolvenzrechtliche Regelungssystem (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Nr. 2 InsO, § 6 AnfG) stellt zusammen mit der Insolvenzverschleppungshaftung ein ausreichendes Instrumentarium bereit, um die Geschäftsfortführung unrentabler Unternehmen zu verhindern. Etwaige Schutzlücken sind de lege ferenda durch eine Verlängerung der Anfechtungsfrist auf zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag zu schließen. 10. Muttergesellschaften bedienen sich gezielt sog. „weicher“ Patronatserklärungen oder comfort letters, um die Gläubiger zur Aufnahme oder Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit mit einer kriselnden Tochtergesellschaft zu bewegen, ohne dafür rechtliche Verantwortung übernehmen zu wollen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die wirtschaftliche Ausnahmestellung des Konzerns zu einer rechtsgeschäftlichen Fremdbestimmung im Sinne von Konzerninteressen führt. Dennoch ist eine konzernspezifische Auslegungsregel in der Grauzone zwischen „harten“ und „weichen Patronatserklärungen“ abzulehnen. Die Problematik lässt sich angemessener im Rahmen der allgemeinen Vertrauenshaftung lösen. Bislang hat sich eine solche „Konzernvertrauenshaftung“ in Deutschland zwar nicht durchsetzen können, jedoch kann mit dem schweizerischen Bundesgericht1 argumentiert werden, dass ein Schuldverhältnis mit gesetzlichen Schutz- und Aufklärungspflichten entsteht, wenn Erklärungen der Muttergesellschaft bei Geschäftspartnern der Tochtergesellschaft Vertrauen in die Integrität und Kreditwürdigkeit des Konzerns hervorrufen. § 311 Abs. 3 BGB stellt dann eine solide dogmatische Grundlage für eine solche Haftung dar. 11. Eine Haftung der Muttergesellschaft als „faktischer Geschäftsführer“ ihrer Tochtergesellschaft kommt entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen anderen Ansicht nicht in Betracht, weil juristische Personen nach geltendem deutschen Recht nicht wirksam zu Geschäftsleitern bestellt werden können. Damit ist im Hinblick auf die Vereinheitlichungsbestrebungen in der EU zu konstatieren, dass der Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ im deutschen Recht nicht die konzernspezifischen Entwicklungsmöglichkeiten des französischen dirigeant de fait und des englischen shadow director Konzepts offen stehen. 12. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs sowohl auf die mehrgliedrige Gesellschaft als auch 1

BGE 120 II 331, 335 f.; fortgeführt in BGE 124 III 297, 303 f.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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auf die Aktiengesellschaft übertragbar. Als Haftungsadressaten kommen neben dem unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter auch Schwestergesellschaften in Betracht (sog. horizontaler Durchgriff). Zwar fehlt es der Schwestergesellschaft an einer gesellschaftsrechtlichen Beziehung, allerdings lässt sich der horizontale Durchgriff dogmatisch auf den engen Zusammenhang der Existenzvernichtungshaftung mit den Kapitalerhaltungsvorschriften stützen. Denn dort verpflichtet der BGH in ständiger Rechtsprechung nicht nur Gesellschafter sondern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einheitlichkeit der Unternehmensgruppe auch Schwestergesellschaften zur Rückgewähr empfangener Leistungen. Andernfalls wären einer Umgehung der Kapitalerhaltungsregeln Tür und Tor geöffnet. Gleiches muss konsequenterweise auch für die als Lücken füllend konzipierte Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gelten. Lehnt man eine solche Haftungserstreckung ab und verweist die Gläubiger stattdessen allein auf die Möglichkeit, eine Schwestergesellschaft nach § 826 BGB haftbar zu machen, so kann dies im Einzelfall eine erhebliche Schutzlücke bedeuten. Denn zum einen muss im Rahmen des § 826 BGB eine vorsätzliche Schädigungsabsicht der Schwester festgestellt werden. Zum andern ist die Schadensersatzpflicht auf individualisierbare Schädigungen der Gesellschaft beschränkt, greift also gerade bei sog. „qualifizierten“ Nachteilszufügungen nicht ein. Damit könnte der herrschende Gesellschafter eine Haftung umgehen, wenn er zielgerichtet Vermögen auf die Schwestergesellschaft in einer Weise verlagert, dass eine Individualisierung der Transaktionen ausgeschlossen ist. Um eine solche Schutzlücke zu vermeiden, ist hier ein horizontaler Haftungsdurchgriff angebracht. 13. An dem Haftungstatbestand der Vermögensvermischung ist als eigenständigem Haftungsgrund neben der Existenzvernichtungshaftung festzuhalten. 14. Aus der Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff kann nicht auf eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung geschlossen werden, weil einem Vermögensabzug in Umgehung der Liquidationsvorschriften nicht eine anfängliche Ressourcenverwehrung oder ein Unterlassen der notwendigen Kapitalzufuhr gleichgesetzt werden kann. Eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist auch nicht erforderlich, um anstelle des gesetzlichen Mindestkapitals eine angemessene Verteilung des Unternehmensrisikos zu gewährleisten. Nach aktuellem Stand der Rechtswissenschaft stehen mit der Existenzvernichtungshaftung, der Insolvenzverschleppungshaftung und der Möglichkeit einer privatautonomen Risikoabsicherung ausreichende Mechanismen bereit, um einem opportunistischen Verhalten der Gesellschafter vorzubeugen.

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C. Ergebnisse des dritten Teils 1. Die Publizitätsregeln sind bei der „grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft“ lückenhaft, weil die englischen und deutschen Vorschriften nicht aufeinander abgestimmt sind. Zudem ergibt sich weder aus dem Handelsregister noch aus der Firma die Gruppenzugehörigkeit der Gesellschaft. De lege ferenda ist daher die Eintragung der Konzernzugehörigkeit im Handelsregister zu fordern, um den Gläubigern eine privatautonome Risikoabsicherung zu erleichtern. 2. Das Konzernvertrauensproblem wird im englischen Recht nicht angemessen gelöst. Diese Schutzlücke kann in aller Regel auch nicht durch eine Anwendung der deutschen „Konzernvertrauenshaftung“ geschlossen werden. Eine solche „Konzernvertrauenshaftung“ wäre vertraglich zu qualifizieren und damit nur auf solche Muttergesellschaften anwendbar, die ihren Hauptverwaltungssitz in Deutschland haben (Art. 28 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 EGBGB, Art. 4 Abs. 2 EVÜ). 3. Bei der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland wird Gläubigerschutz vornehmlich durch die englischen Kapitalschutzregeln, die englischen Geschäftsführerpflichten und die englische Durchgriffshaftung ( piercing the corporate veil) bewerkstelligt. Eine analoge Anwendung der deutschen Kapitalerhaltungsregeln ist europarechtlich nicht zulässig. Allerdings können bei Umgehung der inländischen Tätigkeitsverbote diese wegen Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit analog angewendet werden. Eine europäische Initiative zur gemeinschaftsweiten Anerkennung von Tätigkeitsverboten wäre im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert. 4. Die ss. 213, 214 IA 1986 sind wegen insolvenzrechtlicher Qualifikation nicht auf englische Auslandsgesellschaften anwendbar. Anwendbar ist aber die gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Haftung aus common law. Denn obwohl die Haftung funktional s. 214 IA 1986 entspricht, setzt sie kein Insolvenzverfahren voraus und ist auch nicht auf die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter beschränkt. Dogmatisch ist sie in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Geschäftsführer verankert. 5. Gleichzeitig sind die deutschen Insolvenzantragspflichten und die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 EuInsVO analog anwendbar. Bedingt durch die unterschiedliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht liegt damit eine internationalprivatrechtlich problematische Normenhäufung vor. Die Geschäftsleiter englischer Auslandsgesellschaften sehen sich dadurch einem konfligierenden Pflichtenprogramm ausgesetzt: Das deutsche Recht er-

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legt ihnen die Pflicht auf, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Gesellschaft zur Insolvenz anzumelden (statisches Modell), das englische Recht kann demgegenüber zur Fortführung der Geschäfte auch über die drei Wochenfrist hinaus verpflichten (dynamisches Modell). Die Tatsache, dass beide Rechtsordnungen funktionsäquivalente Gläubigerschutzmechanismen einmal dem Insolvenzrecht, ein anderes Mal dem Gesellschaftsrecht zuweisen, spricht erneut eindringlich für eine einheitliche Anknüpfung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut de lege ferenda. 6. Zur Auflösung der Normenhäufung wurde hier die Methode der sachrechtlichen Anpassung unter besonderer Berücksichtigung des Europarechts bemüht. Dabei stellte sich die Frage, ob der Verweis auf die lex fori concursus analog Art. 4 EuInsVO einen Rückgriff auf die primärrechtlich gewährte gesellschaftsrechtliche Herkunftslandanknüpfung sperren kann. Rechtsdogmatisch geht das einschlägige primärrechtskonforme Sekundärrecht den Grundfreiheiten nur dann vor, wenn es eine abschließende Regelung trifft. Hier wurde für den abschließenden Charakter der EuInsVO gegenüber der Niederlassungsfreiheit plädiert. Damit genießen die deutschen Mechanismen Vorrang vor der englischen Haftung aus common law. Andererseits scheint eine vollständige Verdrängung des englischen Haftungstatbestands über das eigentliche Ziel, einen Interessenausgleich zwischen Niederlassungsfreiheit und den Rechten Dritter zu schaffen, hinauszugehen. Aus dem Zusammenspiel zwischen Niederlassungsfreiheit, EuInsVO und nationalem Kollisionsrecht ergibt sich vielmehr, dass die englische common law Haftung neben der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung anwendbar bleibt, im Sinne einer sachrechtlichen Anpassung aber nicht die starre drei Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG aushebeln darf. Als gesellschaftsrechtliches Gläubigerschutzinstrument kann es allerdings durchaus schärfer wirken, etwa indem die Haftung sich auch auf den de facto und shadow director erstreckt und gegebenenfalls früher eingreift. 7. Die deutschen Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz sind auf englische Auslandsgesellschaften nicht anwendbar. Hingegen folgt die Anwendbarkeit der deutschen Novellenregeln (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO) bereits aus Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 lit. i) und m) EuInsVO. Selbst wenn man darin einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit sähe, wäre eine Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO zum Schutz inländischer Konzerngläubiger gerechtfertigt, weil das englische Gründungsrecht keine angemessene Regelung zum Schutz vor nominell unterkapitalisierten Gesellschaften enthält.

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8. Die Existenzvernichtungshaftung ist gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und nur im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Sonderanknüpfung auf europäische Auslandsgesellschaften anwendbar. Bei der Prüfung, ob eine solche Haftung einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit zur Folge haben würde, muss zwischen der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung und der oftmals gleichzeitig gegebenen deliktischen Haftung aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263, 266 StGB differenziert werden. Letztere ist über Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB (lex delicti commissi) grundsätzlich auf Auslandsgesellschaften anwendbar. Eine solche deliktische Haftung stellt aber nicht automatisch eine reine tätigkeitsbezogene Beschränkung dar, welche dann analog zur KeckRechtsprechung nicht an der Niederlassungsfreiheit zu messen wäre. Denn sobald im Rahmen des Sittenwidrigkeitsverdikts oder der Vermögensbetreuungspflicht auf gesellschaftsrechtliche Strukturprinzipien Bezug genommen wird, entfaltet auch eine deliktische Haftung marktaufsplitternde Wirkung. Erst wenn es um eindeutig vorsätzliche und sittenwidrige Gläubigerschädigungen geht, die auch natürlichen Personen verboten sind und damit „jedermann“ treffen, kann eine solche Haftung als tätigkeitsbezogene Beschränkung qualifiziert werden. 9. Die gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung greift wegen Überlagerung des Gründungsstatuts in die Niederlassungsfreiheit der Auslandsgesellschaft ein. Der Haftungstatbestand ist aber bei abhängigen englischen Kapitalgesellschaften zum Schutz der inländischen Gläubiger erforderlich. Theoretisch können zwar alle Fallgruppen, die in Deutschland der Existenzvernichtungshaftung zugewiesen werden, auch unter die englische Haftung aus common law subsumiert werden, jedoch sind bei dieser sowohl tatbestandliche als auch prozessuale Mängel festzustellen.2 Insbesondere ist die Haftung auf Maßnahmen in der Krise der Gesellschaft beschränkt. Diese Schwäche wird noch durch die generelle Tendenz der englischen Gerichte verstärkt, den haftungsauslösenden Zeitpunkt möglichst spät anzunehmen. Wegen der engen Verknüpfung des moment of truth mit der Kapitalisierungsfreiheit ist diese Tatsache auch von deutschen Gerichten zu berücksichtigen. Auch gestaltet sich der Nachweis der shadow director-Eigenschaft als schwierig. Die zusätzlich anwendbaren ss. 320–322 CA 1985 über „substantial property transactions“ sind ebenfalls lückenhaft. Ebenso wenig können die gem. Art. 4 Abs. 2 lit. m) EuInsVO anwendbaren deutschen Insolvenzanfechtungsregeln effektiv vor „qualifizierten Nachteilszufügungen“ schützen. 2 Letztere bestehen aber wegen Geltung der deutschen Durchsetzungsmechanismen nur in eingeschränkter Form. Zudem ist nach deutschem Sachrecht die Bestellung allumfassender floating charges unzulässig.

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Im Ergebnis bedarf es daher einer Anwendung der deutschen Existenzvernichtungshaftung. 10. Zumindest bei Nachweis einer Betrugsabsicht muss auch eine Haftung wegen Vermögensvermischung gerechtfertigt sein. Denn dies entspricht der englischen Rechtsposition in s. 213 IA 1986, welcher auf Auslandsgesellschaften keine Anwendung findet. 11. Hingegen kann eine Anwendung der Haftungsgrundsätze wegen materieller Unterkapitalisierung nicht zum Schutz zwingender Allgemeininteressen gerechtfertigt werden. Denn nimmt man gemäß des Erforderlichkeitskriteriums nach Gebhard das englische Gründungsrecht in den Blick, so muss festgestellt werden, dass die englische Haftung aus common law bereits vor einem opportunistischen Abwälzen des Unternehmensrisikos auf die Gläubiger schützt. Auch wenn dieser tatbestandliche Schwächen aufweist, dürfte jedoch zusammen mit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung, der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs und der Möglichkeit privatautonomer Risikoabsicherung ein Schutzstandard erreicht sein, der ausreichend ist, um eine angemessene Verteilung des Unternehmensrisikos zu gewährleisten. 12. Die spezifischen Haftungstatbestände des deutschen Konzernrechts sind ebenfalls nicht auf abhängige englische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar. Eine analoge Anwendung des § 302 AktG muss schon an dem generellen Verbot im englischen Recht scheitern, einen Beherrschungsvertrags abzuschließen. Eine „doppelt“ analoge Anwendung auf „qualifiziert faktische Konzerne“ ist bereits nach deutschem Recht unzulässig und muss erst Recht für Auslandsgesellschaften gelten. Ebenso wenig sind die §§ 311, 317 AktG zum Schutz der inländischen Gläubiger erforderlich. In der Krise der Gesellschaft werden alle gläubigergefährdenden Maßnahmen bereits von der englischen Haftung aus common law erfasst. Deren Tatbestandslücken, welche insbesondere im Hinblick auf „qualifizierte Nachteilszufügungen“ bestehen, werden durch die deutsche Existenzvernichtungshaftung ausgefüllt. Allerdings können bei konzernintegrativen Maßnahmen, die sich außerhalb der Krise der Gesellschaft ereignet haben, im Einzelfall noch Schutzlücken auftreten, etwa bei „Spekulationsgeschäften auf Kosten der Gläubiger“ oder bei der Aufgabe von Geschäftsfeldern. Hier greifen jedoch die deutschen Regeln zur Insolvenzanfechtung (§§ 29 ff. InsO) ein, so dass der Gewinn an Gläubigerschutz durch eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG marginal sein wird, der mit ihm verbundenen Verlust an Niederlassungsfreiheit aber enorm („Wechselwirkungslehre“). Deswegen scheint eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG nicht verhältnismäßig. Schließlich können auch die für den fak-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

tischen GmbH-Konzern entwickelten konzernrechtlichen Treuepflichten nicht auf abhängige englische private limited companies übertragen werden, weil die Mitgliedschaft in England primär als Recht und nicht als Verpflichtung wahrgenommen wird.

Ausblick Die Untersuchung zeigte, wie ein angemessener Gläubigerschutz in der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland bewerkstelligt werden kann. Im Wesentlichen wurde ein solcher über das allgemeine Gesellschafts- und Insolvenzrecht erreicht, insbesondere durch ein Ineinandergreifen der deutschen Existenzvernichtungshaftung und der englischen Haftung aus common law. Auf dieser Grundlage kann die Frage aufgeworfen werden, ob es eines konzernspezifischen Schutzes für die Gläubiger überhaupt noch bedarf. Denn sollte es auf europäischer Ebene zu einer Haftung wegen wrongful trading unter Berücksichtigung des shadow director-Konzepts kommen, würde diese mit einer Reihe konzernrechtlicher Haftungstatbestände konkurrieren, namentlich mit den Treuepflichten des GmbH-Mehrheitsgesellschafters und im Aktienrecht mit den §§ 311 ff. AktG. Auch zur deutschen Existenzvernichtungshaftung bestünde insofern ein Konkurrenzverhältnis. Die Existenzvernichtungshaftung setzt aber anders an und sanktioniert nicht wie das shadow director-Konzept oder die §§ 311 ff. AktG die Veranlassung zu nachteiligen Maßnahmen kraft beherrschenden Einflusses, sondern verbietet in Verlängerung der Kapitalerhaltungsvorschriften einen Vermögensabzug in „kalter Liquidation“. Dieser vermögensbezogene Schutzmechanismus ist zwar tatbestandlich enger, dürfte aber insgesamt leichter beweisen zu sein als eine Haftung aufgrund materieller Beherrschungskriterien. Denn auffällig ist, dass weder die shadow director-Haftung noch die §§ 311 ff. AktG bislang effektiv zum Schutz der Gläubiger durchgesetzt werden konnten. Durch ein Ineinandergreifen von Existenzvernichtungshaftung und wrongful trading würde die Durchsetzungseffektivität des einen Haftungstatbestandes mit der tatbestandlichen Weite des anderen vereint werden. Damit könnten alle gläubigergefährdenden Maßnahmen in der Krise der Gesellschaft effektiv sanktioniert werden; einer parallelen Anwendung der §§ 311 ff. AktG oder der konzernrechtlichen Treuepflichten bedürfte es insofern nicht mehr. Deren Existenz ließe sich daher nur noch mit der Erwägung rechtfertigen, dass sie Gläubigerschutz auch außerhalb der Krise gewährleisten. Hier wäre eine Haftung wegen wrongful trading nicht einschlägig. Die Haftung wegen Existenzvernichtungshaftung wirkt zwar ebenfalls krisenunabhängig, erfasst aber nicht existenzgefährdende Maßnahmen oder Maßnahmen, die keinen

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Ausblick

Vermögensabzug zum Gegenstand haben. In diese Lücke könnten in der Tat die §§ 311 ff. AktG bzw. die konzernspezifischen Treuepflichten stoßen. Hierbei ist aber erneut auf die weit zurückwirkenden insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln (§§ 129 ff. InsO, §§ 3 ff. AnfG) zu verweisen, die zumindest die meisten der unter §§ 311 ff. AktG subsumierbaren Fälle erfassen dürften. Wird darüber hinaus noch die Effektivität der privatautonomen Risikoabsicherung durch eine „Konzernvertrauenshaftung“ und verbesserte Publizitätsvorschriften gesteigert, so scheint kein zwingendes Bedürfnis mehr für die Existenz der §§ 311 ff. AktG zu bestehen. Auch wirtschaftspolitisch spricht einiges dafür, die Notwendigkeit der aktienkonzernrechtlichen Regelungen neu zu überdenken. Im europäischen Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen wird das als äußerst restriktiv empfundene deutsche Konzernrecht bereits als Standortnachteil wahrgenommen. So scheint beispielsweise der deutsche Wirtschaftsraum für europaweit agierende Societates Europaeae als Hauptverwaltungssitz wenig attraktiv, wenn das deutsche Aktienkonzernrecht über den Verweis in Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO Geltung beansprucht. Auch im Wettbewerb der Gesellschaftsformen ist die deutsche AG als „grenzüberschreitende Konzerngesellschaft“ anderen Gesellschaftsformen unterlegen. Wenn also die Bundesregierung die Attraktivität der deutschen Gesellschaftsformen angesichts der ausländischen Konkurrenz erhöhen will1, ist eine Modernisierung und Deregulierung des deutschen Aktienkonzern- und GmbH-Konzernrechts nur der nächste logische Schritt.

1 Begründung des Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), S. 37; Presseerklärung des Bundesjustizministiums vom 29.5.2006, „Zeit für Gründer – die GmbHReform“; beides abrufbar unter www.bmj.de.

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Sachverzeichnis Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut 26, 47, 51, 57–59, 226–227, 237–238, 240, 242 Aktionsplan 20, 88, 120–121, 189, 213, 225, 242, 259 Annual accounts siehe Publizitätsvorschriften im englischen Recht 86 Annual return siehe Publizitätspflichten im englischen Recht 87 Aufrechnungsverbot 164 Auseinanderfallen von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut 49 Ausfallrisiko 22, 70, 216, 218–219 Auswirkungsprinzip 76 Authorised minimum share capital siehe Kapitalschutz im englischen Recht 90 Beherrschungsvertrag – Zulässigkeit im deutschen Recht siehe Vertragskonzern 147 – Zulässigkeit im englischen Recht 81 Betrug 46, 64, 67 Cash-Pool siehe Kapitalschutz im deutschen Recht 173 Charterbridge-Test 107 Comfort letters siehe Konzernvertrauen 89 Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004 siehe Publizitätspflichten im englischen Recht 86 Company Directors Disqualification Act 111, 126, 129, 137, 224, 261 Consideration doctrine 222 Constructive trust 94, 223

Deliktsrechtliche Haftungstatbestände 187, 251 Director – Corporate director 112 – De facto director 111–112, 126, 189 – Non-executive director 123 – Shadow director 112–113, 121, 126–129, 132–133, 138, 188, 190, 208, 219, 245, 256 Directors’ duties – Common law rule 92, 109, 115–117, 236–238, 242 – Sorgfaltspflichten 106 – Treuepflichten 106 Directors’ report siehe Publizitätsvorschriften im englischen Recht 86 Eingliederungskonzern 153 Eingriffsnormen siehe Internationales Konzernrecht 73 Ermessensspielraum der Geschäftsführer 55, 237 Europäische Insolvenzverordnung 47 – Einheitstheorie 45, 51, 53 – Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen 47–48, 58, 233 – Normenkollision 49–51, 58, 237–238, 240 – Trennungstheorie 51 – Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit 58, 240–242 Existenzvernichtungshaftung – Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften 248, 250–251, 253, 259 – Beendigung von Vertragskonzernen 152

Sachverzeichnis – – – – – –

Fallgruppen 192 Materielle Unterkapitalisierung 205 Rechtsfolge 196 Schwestergesellschaft 198–203 Tatbestandsvoraussetzungen 191 Übertragbarkeit auf AG-Konzern 162–163

Faktischer Geschäftsführer 188–190, 250 Faktischer Konzern – Haftung im AG-Konzern 156 – Haftung im GmbH-Konzern 165 Financial assistance siehe Kapitalschutz im englischen Recht 92 Financial covenants 86, 89 Finanzierungsfolgeverantwortung 175, 177, 182 Floating charge 115–116, 130, 136, 255 Fortführungsprognose – Negative siehe Insolvenzverschleppungshaftung 237 – Positive siehe Wrongful trading 237 Fraudulent trading 117 – Konzernrechtspraxis 119 – Sunshine doctrine 118 – Tatbestand 117 Geschäftsführerpflichten siehe Directors’ duties 106 Gesellschafterdarlehen siehe Kapitalschutz im deutschen Recht 175 Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) 32, 169, 174, 183, 232, 244, 282 Gleichordnungskonzern 200 Grenzüberschreitende Konzerngesellschaft 21, 23, 25, 27–28, 282 – Abhängigkeitsbegriff 207 – Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffstatbestände 248, 252, 259, 261

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– Anwendbarkeit der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung 226, 229 – Anwendbarkeit des deutschen Eigenkapitalersatzrechts 243–244 – Anwendbarkeit spezifischer Konzernhaftungstatbestände 265 – Begriff und Bedeutung 20, 23 – Eintragung im deutschen Handelsregister 210 – Firma 210 – Haftung aus Konzernvertrauen 216–217, 219–220 – Insolvenzverschleppungshaftung 229 – Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung 221–223 – Kollisionsrechtliche Prämissen 209 – Mitbestimmung 24, 82 – Mitteilungspflichten 212 – Organisationsverfassung 224–225 – Publizität 213 – Rechnungslegung 211 Grenzüberschreitende Sitzverlegung 23–24, 28, 33, 35–36 Grenzüberschreitende Verschmelzung 24 Haftung im „qualifiziert faktischen Konzern“ 161, 200 Horizontaler Durchgriff siehe Existenzvernichtungshaftung 198 Insolvenzanfechtung 54, 176, 184, 257–258 Insolvenzrechtliches forum shopping 57–58, 240 Insolvenzverschleppungshaftung – Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften 229–234 – Beschränkung der Niederlassungsfreiheit? 234–235, 239 – Dynamisches und statisches Modell 238–240

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Sachverzeichnis

– Kollision mit der englischen Haftung aus common law 235–238, 242 – Negative Fortführungsprognose 123, 153, 237–238 – Quotenschaden 219 Internationales Gesellschaftsrecht – Begriff und Funktion 28 – Differenzierungslehre 31 – Gesellschaftsstatut 21, 28, 30, 40, 46, 51, 67, 69, 71–72, 78–79, 221, 224, 227 – Gründungsanknüpfung 21, 26, 45–46, 56, 236–237 – Gründungstheorie 30 – Kombinationstheorie 31 – Schwerpunktlehre 31 – Sitztheorie 28–29, 31, 43, 71 – Sonderanknüpfungslehre 30 – Überlagerungslehre 31 Internationales Konzernrecht – Begriff und Funktion 71 – Deliktsrechtliche Qualifikation 75 – Eingriffsnormen 73 – Ergebnisorientierte Qualifikation 77 – Gesellschaftsrechtliche Anknüpfung 79 – Ordnungspolitische Zielsetzung 74 – Theorie vom „Sitz der Rechtsverhältnisse“ 78 – Versteckte Kollisionsnormen 72 – Vertragliche Qualifikation 74 – Wirtschaftsrechtliche Qualifikation 76 Investigations 136, 138–140, 225 Issued capital siehe Kapitalschutz im englischen Recht 91 Kapitalschutz im deutschen Recht – Bilanzieller Ausschüttungsbegriff 172 – Cash-Pool 173 – Eigenkapitalersatz 54, 173, 175–176, 179–180, 182–184, 244–246

– Kapitalerhaltung im Konzern 154–155, 158, 165, 168, 171, 177 – Kapitalerhaltung und Existenzvernichtungshaftung 175 – Mindestkapital 168 – Sicherheitenbestellung 178 – Verdeckte Gewinnausschüttung 177–178 – Würdigung 180, 182 Kapitalschutz im englischen Recht 90 – Authorised minimum share capital 90 – Begriff des Grundkapitals 91 – Financial assistance 92 – Group relief 91 – Issued capital 91 – Kapitalaufbringung und -erhaltungsvorschriften 91 – Merger relief 91 – Nominal capital 91 – Redeemable preference shares 92 – Share premium 91 – Tatbestandliche Schwächen 94, 253 Konzernbegriff 142 Konzernfinanzierung 171–172, 174–175 Konzernfirma 214 Konzernkonflikt 19–21, 79 Konzernrechtliche Treuepflichten 165–166, 268 Konzernvertrauen 22, 158, 207, 213 – C. i. c. 147, 185, 217, 219 – Comfort letters 23, 89, 102, 187, 215, 217, 219 – Patronatserklärungen 23, 90, 103, 184, 187, 214–217, 220 Lex fori-Prinzip 47, 50, 59, 231, 239, 249 Liquidationsaufwendungen 130 Materielle Unterkapitalisierung 205, 261, 263

Sachverzeichnis Mindestkapital – Begriff und Funktion 168 – im deutschen Recht 168 – im englischen Recht 90 Misrepresentation 90, 103, 217–218 Mitbestimmung in Scheinauslandsgesellschaften 24, 83 Mitteilungspflichten 143 Nennkapitalsystem 169, 180–181 Nettovermögenstest 181 Niederlassungsfreiheit – Erforderlichkeitskriterium 68 – Gebhard-Formel 68 – Missbrauch 37, 40, 65–66, 248 – Primäre Niederlassungsfreiheit 35–37 – Prinzip der gegenseitigen Anerkennung 69–70 – Rechtfertigung von Beschränkungen 63 – Sekundäre Niederlassungsfreiheit 35–36 – Tätigkeitsbezogene Beschränkung 234, 239, 251–252 – Teologische Beschränkung des Schutzbereichs 60 – Wegzugsfreiheit 21, 32, 35, 40 – Zuzugsfreiheit 33, 38, 40, 70, 222 – Zweigniederlassung 23, 35–37, 210 – Zweigniederlassungsrichtlinie 39 Nominal capital siehe Kapitalschutz im englischen Recht 91 Normenhäufung 49–51, 59, 79, 226, 237–238 Normenmangel 49–51 Ökonomische Analyse des Rechts 70, 86, 147, 198 Patronatserklärungen siehe Konzernvertrauen 90 Personalstatut siehe Gesellschaftsstatut 44

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Piercing the corporate veil 95, 100, 102, 131, 219, 221, 224, 227, 260 – Mere façade or sham 98 – Separate legal entity doctrine 96, 103 – Single economic unit approach 96–97 Privatautonome Risikoabsicherung 70, 147, 186, 206, 216, 259 Publizitätsvorschriften im englischen Recht – Accounting records 86 – Annual accounts 86–87, 119, 211 – Annual return 86–87, 211 – Companies (Audit, Investigation and Community Enterprise) Act 2004 86 – Directors’ report 86 Qualifizierte Nachteilszufügungen 161, 163–164, 192, 202, 223, 250, 253, 258–259 Quotenschaden siehe Insolvenzverschleppungshaftung 219 Race to the bottom siehe Wettbewerb der Rechtsordnungen 21 Rechnungslegung – Abschlussprüfung 144 – IFRS 145, 181 – Jahresabschluss 144 – Konzernabschluss 145 – Lagebericht 144 Redeemable preference shares siehe Kapitalschutz im englischen Recht 92 Result selective approach siehe Internationales Konzernrecht 77 Separate legal entity doctrine siehe Piercing the corporate veil 96 Share premium siehe Kapitalschutz im englischen Recht 91 Sicherheiten, Normativer Wert 89

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Sachverzeichnis

Sitzverlegungsrichtlinie 33–34 Societas Europaea 23–24 Solvenztest 181–182 Spekulation auf Kosten der Gläubiger 195 Stare decisis-Doktrin 100–101 Substantial property transactions 257

– Existenzvernichtung 152 – Gewinnabführungsvertrag 148 – Haftung im AG-Konzern 147 – Haftung im GmbH-Konzern 153 – Verlustausgleichspflicht 150, 265 Vertragsstatut 74–75 Vicarious liability 104

Tätigkeitsverbot 65, 225 Tort 103 Tranactions at an undervalue 134 Transparenz der Konzernverhältnisse 22, 127, 186, 207, 213 Two funds theory 116, 130

Warenverkehrsfreiheit 60, 62, 70, 241 Waschkorblage 161, 192–193 Wechselwirkungslehre 241, 247, 259, 267 Wettbewerb der Rechtsordnungen 21, 24 Wrongful trading 120 – Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften 227–228 – Durchsetzungsdefizit 129, 254 – Europäische Haftung 20, 189, 259, 281 – Every step defence 125 – Moment of truth 55, 122–125, 133, 227, 237–238, 246, 256 – Normadressatenkreis 126 – Rechtsfolge 125 – Sorgfaltsmaßstab 121 – Tatbestandliche Schwächen 132, 255

Unlawful preferences 135 Unternehmensgruppe – Begriff im deutschen Recht 141 – Begriff im englischen Recht 84 Vermögensentzug 22, 192, 201, 204, 207 Vermögenstrennungstheorie 102, 261 Vermögensvermischung 22, 66, 202, 204, 207, 259–261 Vertragskonzern – Beendigung 151 – Beherrschungsvertrag 148