Globalisierung pädagogischer Theorien: Didaktik nach Herbart in den USA um 1900 [1. Aufl.] 9783658314576, 9783658314583

​Marcel Scholz rekonstruiert am historischen Beispiel des Transfers der pädagogischen Theorie des Herbartianismus in die

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Globalisierung pädagogischer Theorien: Didaktik nach Herbart in den USA um 1900 [1. Aufl.]
 9783658314576, 9783658314583

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-X
Einleitung (Marcel Scholz)....Pages 11-28
Analyse Erstkontext (Marcel Scholz)....Pages 29-109
Analyse Zweitkontext (Marcel Scholz)....Pages 111-228
Komparation (Marcel Scholz)....Pages 229-246
Befunde und Ergebnisse (Marcel Scholz)....Pages 247-266
Fazit und Schlussbetrachtung (Marcel Scholz)....Pages 267-270
Back Matter ....Pages 271-299

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Marcel Scholz

Globalisierung pädagogischer Theorien Didaktik nach Herbart in den USA um 1900

Globalisierung pädagogischer Theorien

Marcel Scholz

Globalisierung pädagogischer Theorien Didaktik nach Herbart in den USA um 1900

Marcel Scholz Bamberg, Deutschland Dissertation Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2019 u.d.T.: Marcel Scholz: „Globalisierung pädagogischer Theorien im 19. Jahrhundert. Der Jenaer Herbartianismus im Erziehungsdenken der USA – Eine Studie zu interkulturellen Transfer- und Transformationsprozessen“. Inauguraldissertation eingereicht an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswis­ senschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Erlangung des akademischen Grades Dr. phil.

ISBN 978-3-658-31457-6 ISBN 978-3-658-31458-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Für Maria

Danksagung Die hier vorliegende Arbeit wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Personen, denen ich an dieser Stelle danken möchte, nicht zustande gekommen. Meinen besonderen Dank möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz aussprechen. Als Erstbetreuer dieser Arbeit unterstützte er meine wissenschaftliche und persönliche Weiterentwicklung in jeglicher Form. Er hat mir von Beginn an das Gefühl gegeben, sowohl an mein Projekt als auch an mich als Person zu glauben. Nicht zuletzt hat er mich mit seinem Denken und Wissenschaftsverständnis sehr geprägt. Seine Forschungskolloquien waren hierbei ein überaus hilfreicher Kontext, der für mich und mein Projekt stets eine bedeutsame Hilfestellung waren. Ich danke auch Dr. Sebastian Engelmann, Dr. Annika Blichmann und Dr. Alexandra Schotte für den persönlichen und fachlichen Austausch. Prof. Dr. Rotraud Coriand danke ich für Übernahme der Zweitbetreuung meiner Arbeit und ihre sehr konstruktiven Anmerkungen zu meiner Studie. Ein Großteil der Untersuchung entstand während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der mir ein überaus hilfreiches und anregendes Umfeld war und ist. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Lehrstuhlinhaberin Frau Prof. Dr. Annette Scheunpflug. Sie bot mir die Möglichkeit an ihrem Doktoranden- und Habilitandenkolloquium teilzunehmen, das mir zahlreiche Impulse lieferte. Zugleich unterstützte sie durch den beständigen persönlichen und fachlichen Austausch meine wissenschaftliche und persönliche Weiterentwicklung in besonderem Maße. Unterstützt haben mich darüber hinaus in ganz unterschiedlicher Hinsicht Dr. Caroline Rau, Evi Plötz, Dr. Martin Nugel, Dr. Marina Wagener, Dr. Nikolaus Schröck, Anja Klein, Martina Scholz, Dr. Mark Wenz, Dr. Susanne Timm, Dr. Monika Rapold und Dr. Stephanie Welser. Meinen allerherzlichsten Dank möchte ich meiner Familie aussprechen, die mir immer ein großer Halt war und an mich geglaubt hat. Allen voran danke ich von ganzem Herzen meiner Frau Maria, die mir im Großen, aber vor allem auch in unzähligen kleinen Dingen, zur Seite stand und mein größter Rückhalt war. Ihnen allen sei herzlich gedankt!

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Theoretische Verortung und begriffliche Vorüberlegungen. . . . . . . . . . . . . 1.2 Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Fragestellung, Methodik und Gliederung der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 14 20 24

2. Analyse Erstkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1 Die Pädagogik Johann Friedrich Herbarts in ihren Grundzügen. . . . . . . . . . 29 2.1.1 Grundlegung pädagogischer Möglichkeit: Über die ästhetische Darstellung der Welt als Hauptgeschäft der Erziehung. . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.2 Herbarts System pädagogischen Denkens und Wirkens: Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet. . . . . . . . 37 2.1.2.1 Kinderregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.1.2.2 Die Theorie des Unterrichts als Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.1.2.3 Die Theorie der Zucht als Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.2.1 Auswertung der Dissertationsschrift Wilhelm Reins – Herbarts Regierung, Unterricht und Zucht dargestellt und in ihrem Verhältnis zu einander besprochen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.2.2 Theoretische Pädagogik – Das Erziehungsziel oder von der Teleologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.2.3 Die Unterrichtslehre in der Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach Herbartischen Grundsätzen. . . . . . . 71 3. Analyse Zweitkontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Amerikanisches Erziehungsdenken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg unter Einbezug des historischen Kontextes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Realgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Pädagogische Ideengeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.2 Zur Dokumentation des Transfers und der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys. . . . . . . . . . . . . 3.3.1 The Chief Aim of Education . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Nature of Interest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Lehrplantheorie – Relative Value of Studies, Concentration und Culture Epochs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.1 Relative Value of Studies. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.2 Concentration und Culture Epochs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Formalstufentheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Type Studies und Teaching by Projects. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 140 140 149

4. Komparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Komparation Topos Erziehungsziel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Komparation Topos Interesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Komparation Topos Lehrplantheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Komparation Topos Formalstufentheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Befunde und Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Topos Erziehungsziel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Topos Interesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Topos Lehrplantheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Topos Formalstufentheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die Sonderstellung der type studies und des Projects. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Transferdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Modi der Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 248 251 254 256 259 261 263

161 162 179 193 222

6. Fazit und Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literatur- und Quellenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Einleitung Die vorliegende Arbeit beleuchtet eine Phase der Wissenschaftsgeschichte, die in zunehmendem Maße von einer Wissenschaftsrezeption im internationalen Kontext gekennzeichnet ist. Diese seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert einsetzende Progression erfasste auch den Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. In diesem Zusammenhang kann im Bereich der Pädagogik ebenfalls von einer Globalisierung verschiedener Theorien und Modelle gesprochen werden (vgl. Fuchs 2006a, S. 7-8). Diese Entwicklung soll in der vorliegenden Arbeit beispielhaft am Herbartianismus und im Speziellen am Herbartianismus, wie er in Jena von Wilhelm Rein vertreten und gelehrt wurde, und seinem Transfer in den amerikanischen Bildungskontext exemplarisch am pädagogischen Denken Charles und Frank McMurrys untersucht werden. Die analytische Rechtfertigung ergibt sich für mich daraus, dass der besagte Zeitraum denjenigen darstellt, in dem die Pädagogik verstärkt Einzug in den wissenschaftlichen Kontext der Universitäten hielt und sich als akademische Disziplin profilierte. Somit ist ein besonderer Grad an Varianz infrage kommender Entwicklungsparameter gewährleistet, wobei die spezifischen Transformationsprozesse als Ausdruck der verschiedenen Entwicklungsvoraussetzungen in Gesellschaft, Erziehungs- und Bildungswesen und dem Wissenschaftssystem zu verstehen sind. Diese aufzudecken, stellt das erkenntnisleitende Hauptinteresse der Arbeit dar. Denn es ist zu konstatieren, dass zwar der Einfluss der pädagogischen Strömung des Herbartianismus in den USA untersucht wurde, jedoch nicht im Hinblick auf Komparatistik und Transformation innerhalb dieses kulturell-ideengeschichtlichen Transfers pädagogischer Theorien. Die Arbeit versteht sich in diesem Sinne in erster Linie als eine ideengeschichtliche bzw. als eine Studie im übergeordneten Kontext einer globalen Intellektual- oder Wissenschaftsgeschichte (vgl. Bayly 2004) unter der Perspektive der Forschungsprogrammatik der Kulturtransferforschung. Damit erklärt sich die Perspektivität, der eine Geschichtsschreibung insgesamt und somit auch eine historische Pädagogik in ihrer Selektivität und ihrem Konstruktionscharakter unterliegt (vgl. u.a. Koerrenz et al. 2017; Treml 2005). In dieser Perspektivität auf den Gegenstand des Herbartianismus in den USA liegt die Innovation der vorliegenden Arbeit begründet. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_1

12 Einleitung

Der (pädagogische)1 Herbartianismus, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Personen wie Tuiskon Ziller, Karl Volkmar Stoy, Otto Frick, Karl Lange und Wilhelm Rein entwickelte und verbreitet wurde, war der Versuch, die pädagogischen Ideen des Philosophen Johann F. Herbart fruchtbar für die Ausformung und Profilierung einer wissenschaftlichen Pädagogik zu machen. Die von Ziller in Leipzig und Stoy in Jena ins Leben gerufenen Pädagogischen Seminare hatten sich internationales Renommee erworben, denn diese beiden Seminare waren die einzigen, die eine Verbindung von Theorie und Praxis gewährleistet hatten, da ihnen eine Übungsschule angeschlossen war. Rein als Schüler Stoys und Zillers übernahm in Jena nach dem Tode Stoys das ab 1886 einzige Seminar dieser Art. Jena nimmt ebenso hinsichtlich der internationalen Rezeption eine Sonderrolle ein, da nicht nur im Pädagogischen Universitäts-Seminar zu Jena, sondern auch in den jährlich stattfindenden Ferienkursen sich nachweislich eine Vielzahl ausländischer Studierender2 aus-- und weiterbilden ließ (vgl. Graff/Schotte 2009, S. 155-168). Die Vereinigten Staaten von Amerika als junge Nation befanden sich nach dem Bürgerkrieg, der sie in ihren Grundfesten erschütterte, vor enormen Herausforderungen. Diese Phase der Reconstruction fand in allen Lebensbereichen der USA ihren Niederschlag. Im Zuge dessen entstanden auch eine große Reihe von Bewegungen, die eine Reformierung von Schule, Unterricht und Erziehung zum Ziel hatten. 1 Johann Friedrich Herbart war Philosoph und Pädagoge. Laut Natorp sei er „unter den Pädagogen der beste Philosoph – und vielleicht mehr noch – unter den Philosophen der beste Pädagog“ (Natorp 1907, S. 210) gewesen. Zudem leistete er einen Beitrag zur Entwicklung einer wissenschaftlichen Psychologie. Über einen pädagogischen Herbartianismus hinaus kann daneben von einem philosophischen und einem psychologischen Herbartianismus gesprochen werden (vgl. Blichmann 2013, S. 5). Es wäre daher irreführend, die sich an Herbarts Lehre anschließende pädagogische Strömung verkürzt als Herbartianismus zu bestimmen. Das heißt, dass sie konkret als pädagogischer Herbartianismus bestimmt werden muss. Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf diesem pädagogischen Herbartianismus liegt, wird in der Folge bei der Verwendung des Begriffs Herbartianismus der pädagogische Herbartianismus gemeint sein, der jedoch in enger Verbindung zum philosophischen- und psychologischen Herbartianismus steht. Darüber hinaus ist die Vorstellung eines Herbartianismus als homogene pädagogische Theorie ebenso irreführend (vgl. Dollinger et al. 2010, S. 11). Die Bezeichnung pädagogischer Herbartianismus muss ebenfalls als Sammelbegriff verstanden werden, da er für eine Vielzahl heterogener pädagogischer Theorien und Praxen steht, die sich zwar mehr oder weniger frei an Herbarts pädagogischer Lehre orientierten, dennoch kann nicht von einer konsistenten pädagogischen Schule gesprochen werden (vgl. Oelkers 1998, S. 141). 2 Die männliche bzw. weibliche Schreibweise verwende ich im Folgenden uneinheitlich, entsprechend der Tatsache, dass uns auch im Alltagsleben regelmäßig Menschen unterschiedlichen Geschlechts begegnen.

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Hauptkritikpunkt an diesen Reformbewegungen war das Fehlen von allgemeinen Prinzipien und praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Genau in diese Lücke sollte der aus Deutschland importierte Herbartianismus stoßen. Denn auch in den Vereinigten Staaten waren die pädagogischen Ideen Herbarts nicht unbeachtet geblieben, so dass die Brüder Charles und Frank McMurry im Wintersemester 1887/88 als erste Amerikaner am Seminar unter Rein teilnahmen und tief beeindruckt in die Vereinigten Staaten zurückkehrten. Auf diese Weise hielten die Ideen, Theorien und Konzeptionen des Herbartianismus Einzug in den pädagogischen Diskurs der USA. Sie wurden verbreitet sowie den Entwicklungsvoraussetzungen angepasst. Die Bedeutsamkeit der pädagogischen Strömung sollte ihren Ausdruck in der Gründung des Herbart Clubs finden, der 1892 ins Leben gerufen wurde und 1895 zur National Herbart Society for the Scientific Study of Teaching und schlussendlich zur National Society for the Scientific Study of Education wurde. Besondere Bedeutung sollte der Herbartianismus für die Entwicklung der Normal Schools als Lehrerausbildungsstätten erlangen. Dass ein signifikanter nachweisbarer Einfluss deutscher Ideengeschichte besonders im pädagogischen Bereich in den USA stattgefunden hat, ist ohnehin unbestreitbar nachgewiesen (vgl. Goldschmidt 1991a, S. 139-187). Die Auswahl der Protagonisten und ihrer Lehren als Untersuchungsgegenstand ergibt sich im Falle Wilhelm Reins als Vertreter des Herbartianismus zum einen daraus, dass Forschungen im US-amerikanischen Kontext die These belegen, „for America particularly, Herbartianism is Reinism“ (Dunkel 1970, S. 229). Zum anderen stellen sich Charles und Frank McMurry als US-amerikanische herbartianische Exponenten dar, da beide nachweislich bei ihm in Jena studierten. In diesem Zusammenhang ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Auswahl Frank McMurrys ausschließlich darin begründet liegt, dass er mit seinem Bruder Charles das zentrale Werk der Method of Recitation verfasst und veröffentlicht hat. In der Hauptsache wird für den US-amerikanischen Kontext jedoch die Lehre Charles McMurrys als Untersuchungsgegenstand dienen. Die Auswahl Charles McMurrys gründet sich dabei darauf, dass er, im Gegensatz zu seinem Bruder Frank oder anderen US-amerikanischen Herbartianern wie Charles De Garmo oder Charles C. van Liew, die sich später gänzlich von der herbartianischen Lehre abwendeten und sich den Positionen G. Stanley Halls bzw. John Deweys zuwandten (vgl. Cruikshank/Knoll 1994, S. 163), zeitlebens an den grundlegenden Ideen festhielt.

14 Einleitung

Er versuchte diese weiterzuentwickeln und den US-amerikanischen Verhältnissen anzupassen; zudem war er in besonderem Maße in die akademische Lehre eingebunden (vgl. Cruikshank/Knoll 1994, S. 164). Daher lassen sich in seinem Fall Prozesse der (notwendigen) Transformation innerhalb der „Verpflanzung“ eine hohe Varianz an infrage kommender Einflüsse und Modalitäten aufzeigen.

1.1 Theoretische Verortung und begriffliche Vorüberlegungen Um der Perspektivität Rechnung zu tragen, ist es für die vorliegende Arbeit fruchtbar, sich der Konzeptionen der Kulturtransferforschung3 zuzuwenden. Zu verstehen ist sie als eigenständiges Phänomen der Kulturwissenschaften, als eine Version des cultural turn (vgl. Keller 2006, S. 102). Das Konzept des Kulturtransfers wurde maßgeblich von Historikerinnen und Historikern geprägt, deren Forschungskontext sich im Bereich der deutsch-französischen Beziehungen in Neuzeit und Zeitgeschichte verorten lässt. Stark vereinfachend kann ein Kulturtransfer als komplexe Sequenz ineinandergreifender Einzelprozesse bestimmt werden, deren Anfang und Ende sowohl räumlich als auch zeitlich nur schwer zu bestimmen sind. Das Konzept des Kulturtransfers bildet damit einen Gegenentwurf zu einer mehrheitlich betriebenen Geschichtsforschung, die ausschließlich die nationale bzw. regionale Eigenstaatlichkeit betont und dabei die Elemente des Fremden in der eigenen Kultur ignoriert. Der Transferforschung hingegen geht es um den Nachweis von zahlreichen Verknüpfungen und Übergangserscheinungen zwischen Kulturbereichen (vgl. Keller 2006, S. 102). Im Mittelpunkt des Konzepts steht dabei die Darstellung der vielgestaltigen Durchdringungs- und Rezeptionsvorgänge im Kontext eines interkulturellen Austauschs. Hierbei gilt es sowohl die konkrete Interaktion zwischen sozialen Gruppen und ihren jeweiligen kulturellen Praktiken als auch die Dynamiken und Modalitäten geistiger und kultureller Austauschprozesse in den Blick zu nehmen, diese zu analysieren und zu beschreiben 3 Zur grundlegenden Programmatik: vgl. u.a. Espagne 1992, S. 100-121; 1994, S. 112–121; 1997, S. 309-329; 1999, 2003, S. 63-75; Espagne/Greiling 1996; Espagne/Werner 1986; Espagne/Werner 1988; Espagne/Middell 1999; Lüsebrink/Reichardt 1997a, S. 9-26; Lüsebrink/Reichardt 1997b; Middell/Middell 1994; Middell 2000, S. 7-41; 2007a, S. 49-72; Middell 2007b; Middell 2008, S. 1-11 ; Muhs/Paulmann/Steinmetz 1998.

1.1 Theoretische Verortung und begriffliche Vorüberlegungen

15

(vgl. Middell/Middell 1994, S. 108-109). Den Gegenstand der Analyse einer Kulturtransferforschung bilden die Übertragung und der Austausch von Denkweisen, Wissen und Ideen, Methoden, Technologien und Verfahren sowie Gütern, Produkten und Personen (vgl. Keller 2006, S. 102). Dabei werden die Wege und Medien sowie die sprachlichen Bedingungen für die Vermittlung von Kenntnissen über das jeweils andere Land in den Blick genommen. Der Ansatz thematisiert, aus welchen Motiven heraus ‚fremdes‘ Wissen erworben, nach welchen Kriterien es ausgewählt und zu welchen Zwecken die erworbenen Informationen verwendet wurden (vgl. Paulmann 1998, S. 31). Die Transferforschung nimmt die spezifische Konstellation der Ausgangs- und der Rezeptionskultur in den Blick. Dabei wird die traditionelle Perspektive des Kulturvergleichs umgekehrt. Die Einführung eines Kulturguts in einen anderen Kontext – so die Annahme – hänge nicht etwa mit gezielten Expansionsbestrebungen der Ausgangskultur zusammen, sondern mit einer Nachfrage im Aufnahmeland. In diesem Verständnis ist kultureller Transfer ein aktiver Aneignungsprozess, der von der jeweiligen Aufnahmekultur gesteuert wird (vgl. Middell/Middell 1994, S. 110). Diese Annahme soll auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden und als These gelten. Der Ausgangspunkt der Transfertheorie besteht in der Beobachtung, dass sich Gedankenkonstellationen und Praxiszusammenhänge nicht aus eigenem Antrieb verbreiten, sondern dass sie von Vermittlungsinstanzen, von konkreten Gruppen und Personen sowie ihren Netzwerken getragen werden (vgl. Keller 2006, S. 102). Zudem gilt der Fokus bestimmten Transfermedien, wie Zeitschriften, Korrespondenzen, Enzyklopädien und anderen gedruckten Quellen. Das Ergebnis eines Transfers kann jedoch sehr verschieden ausfallen, von der Annahme fremder Verhaltens- und Deutungsmuster über die Auswahl einzelner Elemente und ihrer Umdeutung bis hin zur bewussten Zurückweisung (vgl. Paulmann 1998, S. 39). Daher gewährleistet die Transferforschung mit ihrer begrifflichen Bestimmung des Transfers, dass Einzelpersonen unter Berücksichtigung ihres biografischen Kontextes sowie deren Texte als auch ihre Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. In der vorliegenden Arbeit erfolgt daher eine Kontextualisierung hinsichtlich des Erst- und Zweitkontextes, wobei der Fokus auf den Transfermedien, dem Transferkanal sowie den diskursiven Prozessen im Aufnahmesystem liegt. Im Zusammenhang mit den diskursiven Prozessen innerhalb des Aufnahmesystems rekurriert die Transferforschung auf den Begriff der Akkultu-

16 Einleitung

ration im Sinne einer Kulturvermischung. Unter Akkulturation versteht man grundsätzlich die wechselseitige Annahme und Assimilation von Elementen einer Kultur durch Individuen oder Gruppen einer anderen Kultur und vice versa. Akkulturation bezeichnet damit die gegenseitige Anpassung ursprünglich unterschiedlicher kultureller Gruppen aneinander. Zu unterscheiden ist der Begriff Akkulturation wiederum von dem der Inkulturation, der das Eindringen einer Kultur in eine andere beschreibt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich der Akkulturationsbegriff in und außerhalb der Wissenschaft als gängiger, wenn auch unspezifischer Begriff zur Bezeichnung kultureller Wechselwirkung etabliert. In zeitgenössischen Konzeptualisierungen wird innerhalb des Akkulturationsprozesses zum einen zwischen einer unilateralen und einer reziproken Akkulturation und zum anderen zwischen einer partiellen und einer vollständigen Akkulturation unterschieden (vgl. Esser 2010, S. 9). Im Kontext einer partiellen Akkulturation vollzieht sich entweder eine Kompartmentalisation, das heißt eine Übernahme nur bestimmter Elemente, oder aber es kommt zu einem Synkretismus infolge einer reziproken Akkulturation, der ein neues kulturelles Gebilde entstehen lässt (vgl. Esser 2010, S. 10). Im Falle einer vollständigen Akkulturation kann von einer Assimilation gesprochen werden, wobei zu beachten bleibt, dass in diesem Falle nur von einer Assimilation im Bereich der kulturellen, sozialen und identifikativen Dimension und nicht im Hinblick auf eine strukturelle Assimilation gesprochen werden kann (vgl. Esser 2010, S. 10). Da dies die leitende Perspektive der vorliegenden Arbeit darstellen soll, ist das wissenschaftliche Paradigma der Transferforschung ein fruchtbares Konzept und kann im Rahmen der Fragen nach den Modifikationen der pädagogischen Theorien innerhalb eines transnationalen und transkulturellen deutsch-amerikanischen Kulturtransfers als methodische Herangehensweise dienen. Darüber hinaus kann in diesem Zusammenhang die Perspektive von Jürgen Schriewer, der auf die Funktionen von Bildungstransfers aufmerksam gemacht hat, als fruchtbar erachtet werden. Darin gelingt es Schriewer, eine begrifflich adäquate Beschreibung von Transferprozessen durch die Anwendung der Theorie über Reflexionsprobleme von Systemen (vgl. Luhmann/Schorr 1979) und insbesondere des Prinzips der Selbstreferenz von Systemen anzubieten, indem er diese Theorieofferte auf Fragen der international vergleichenden Erziehungswissenschaft anwendet (vgl. Schriewer 1992, S. 38-41). Schriewer weist dabei in Anlehnung an Luhmann und Schorr auf drei verschiedene Modi von Externalisierung zur Generierung von Zusatzsinn hin: die Bezugnahme

1.1 Theoretische Verortung und begriffliche Vorüberlegungen

17

auf 1. Wissenschaftlichkeit; 2. Werte und Tradition und 3. Organisation (vgl. Schriewer 1992, S. 40). Durch die Anwendung des Externalisierungskonzepts der Theorie selbstreferentieller Systeme kann Schriewer eine überzeugende Erklärung für Phänomene liefern, die innerhalb einer Transferforschung untersucht werden. Er kann damit deutlich machen, wann und warum Bildungssysteme auf externalisierte Bezüge und Referenzen zurückgreifen, um eine eigene Entwicklung anzustoßen und zu forcieren. Gita Steiner-Khamsi unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen den Phasen der Implementation oder Rekontextualisierung und einer Phase der Internalisierung des Transfers (vgl. Steiner-Khamsi 2003, S. 381-383). Diese Phaseneinteilung legt die vorliegende Arbeit sowohl analytisch als auch systematisch der Auswertung des pädagogischen Denkens der US-amerikanischen Protagonisten zugrunde. Eine weitere Begrifflichkeit oder Theorieperspektive, die für die Arbeit als dienlich erachtet wird, ist der Begriff der Transkulturalität, die eine intensive kulturelle Mischung beschreibt und dabei den Blick auf den Zustand und den Prozess der Verwobenheit unterschiedlicher kultureller Traditionen im sozialen Raum richtet und damit auf gesellschaftliche Verhältnisse, Situationen, Prozesse, Praktiken und Artefakte von großer Komplexität abhebt. Als theoretisches Konzept beinhaltet Transkulturalität die Prämisse, dass Kulturen nicht in homogenen, fest definierten, etwa ethnisch, sprachlich oder territorial bestimmten Einheiten bestehen, sondern sich vielmehr „über Beziehungsprozesse erschließen lassen und sich im stetigen Prozess des Werdens befinden.“ (Eibach/Opitz-Belakhal/Juneja 2012, Abs. 4.) Dieses dynamische Verständnis von Kultur führt zu einer verstärkten Fokussierung von Zusammenhängen und Wechselwirkungen und erfordert immer wieder neue Konstituierungen der Forschungsobjekte, da nicht gegebene Einheiten, sondern Prozesse und Beziehungen Gegenstand der Analyse sind. Die Entwicklung des wissenschaftstheoretischen Ansatzes der Transkulturalität wurde ursprünglich von dem Anthropologen Fernando Ortiz angestoßen, der die Prozesshaftigkeit von Transkulturalität hervob.4 4 Er entwickelte diese Perspektive, um die Vermischung verschiedener kultureller Elemente in seiner Heimat Kuba zu beschreiben und somit den dortigen gesellschaftlichen Verhältnissen analytisch besser gerecht zu werden als es das bis dahin präferierte Konzept der Akkulturation ermöglichte. Mit dem Begriff transculturación bezeichnete er die in der kubanischen Geschichte beobachteten Prozesse, bei denen Kontakte, Kommunikationen, Transfers zwischen diversen, in unterschiedlichem Maße indigene, europäische, afrikanische Gruppen in neuen kulturellen Phänomenen und Identitäten sowie aus veränderten gesellschaftlichen Strukturen resultierten (vgl. Ortiz 1940).

18 Einleitung

In den 1990er Jahren arbeitete der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch das Konzept der Transkulturalität aus, um „den heutigen kulturellen Verhältnissen gerecht zu werden“ (Welsch 2010, S. 39), auf die nach seiner Auffassung das alte Modell monolithischer, klar gegeneinander abgegrenzter Kulturen nicht mehr passte. Freilich wird in dieser Formulierung sogleich deutlich, dass Welsch Transkulturalität für ein genuines Phänomen der globalisierten Moderne hält. So sucht er einen „Kulturbegriff, der deskriptiv der Verfassung unserer heutigen Kulturen angemessen ist und darüber hinaus auch den normativen Erfordernissen der Gegenwart Rechnung zu tragen vermag“ (Welsch 1994, S. 1)5. Zwar hat Welsch die Fixierung auf die globalisierte Gegenwart nachträglich abgeschwächt, indem er konstatierte, dass Transkulturalität historisch nicht neu, sondern geschichtlich eher die Regel gewesen sei. Er besteht jedoch weiterhin auf einer Sonderrolle der Gegenwart, da „die kulturellen Durchdringungen heute weltweit stärker [sind, M.S.], als sie je zuvor waren“ (Welsch 2010, S. 52). Welsch entwickelte seinen Kultur- und Transkulturalitätsbegriff in Abgrenzung zu den Konzepten von Interkulturalität und Multikulturalität. Welsch geht davon aus, dass letztere noch immer auf den Herderschen Kulturvorstellungen des 18. Jahrhunderts basieren, die spätestens in Folge der Globalisierung obsolet geworden seien. Entgegen ihrer mutmaßlichen Intention überwänden die Vertreter der Inter- und Multikulturalität das Weltbild der separatistischen Kulturen nicht, sondern versuchten nur, seine problematischen Aspekte zu begrenzen, indem sie, von der Gleichwertigkeit der Kulturen ausgehend, mehr oder weniger intensive Beziehungen zwischen den immer noch als abgegrenzte Einheiten gedachten Kulturen postulierten. Im Gegenzug schlägt Welsch sein Konzept der Transkulturalität vor. Dieses Modell soll die Analyse und Beschreibung der Komplexität moderner globalisierter Kulturen als Kulturen, die Grenzen überschreiten, unterschiedliche Lebensweisen oder auch multiple Identitäten ermöglichen und durch permanente Austauschprozesse, Verquickungen und Durchdringungen gekennzeichnet sind, was zur Folge hat, dass es „nicht nur kein strikt Fremdes, sondern auch kein strikt Eigenes mehr“ (Welsch 1994, S. 11) gibt. Damit will Welsch zum einen der inneren Komplexität moderner Gesellschaften 5 Welsch glaubte zunächst, mit ‚Transkulturalität‘ einen neuen Begriff erfunden zu haben, bevor er entsprechende ältere ethnologische Forschungen wahrnahm (vgl. Welsch 1999, S. 206, Anm. 15).

1.1 Theoretische Verortung und begriffliche Vorüberlegungen

19

gerecht werden und zum anderen auf die äußere Vernetzung von Kulturen verweisen. Darüber hinaus vollzieht sich nach Welsch Transkulturalität nicht nur auf der Ebene der Kulturen, sondern ebenso auf individueller Ebene der Identitätsstrukturen, wobei er hierbei auf das kulturwissenschaftliche Konzept der Hybridität6 Bezug nimmt. Darunter versteht er, dass „für jede Kultur […] heute tendenziell alle anderen Kulturen zu Binnengehalten oder Trabanten geworden [sind, M.S.].“ (Welsch 1994, S. 11) Für die historischen Wissenschaften kann der Begriff der Transkulturalität insoweit eine bedeutsame Rolle als Theorieperspektive spielen, wenn Phänomene der Kulturvermischung, des kulturellen Austauschs und der wechselseitigen Einflussnahme nicht als ausschließlich konstitutiv für (post-) moderne Gesellschaften betrachtet, sondern aus historisch-kulturvergleichender Perspektive als universale Phänomene aufgefasst werden (vgl. Gippert 2011, S. 17). Das heißt zusammenfassend, dass die Perspektivität der vorliegenden Arbeit folgendermaßen konstituiert ist. Allgemein ist sie in die Forschungs6 Seine ursprüngliche Verwendung hatte der Begriff hybrid in der Biologie des 19. Jahrhunderts, wo er zur Beschreibung von Kreuzzüchtungen verschiedener Pflanzen- oder Tierarten benutzt wurde (vgl. Broca 1860). Teilweise mit negativer Konnotation wurde der Begriff dann in der Evolutionsund Kulturtheorie aufgegriffen (vgl. Grasserie 1911) und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Termini wie Eugenie oder Rassenhygiene in den nationalsozialistischen Begriffsapparat übernommen (vgl. Said 2003, S. 348). Eine Aufwertung fand der Begriff erst in der u. a. von Edward Said begründeten kritischen Analyse des kolonialen Diskurses (vgl. Said 2003). In Auseinandersetzung mit Saids Theorie und in Bezugnahme auf die Dialogtheorie von Michael Bachtin (vgl. Bachtin 1986, insbes. S. 24-44) hat Homi Bhabha Hybridität zu einem Leitbegriff der Postcolonial Studies sowie der Literaturwissenschaften gemacht und insbesondere zu einem Konzept fortentwickelt, das eine Theorie und Praxis des Widerstands gegen den Kolonialismus ermöglichen sollte (vgl. Bhabha 1994). Im Anschluss an die postkoloniale Theorie wurde und wird der Terminus vermehrt zur Bezeichnung eines weiten Spektrums an Eigenschaften in der Diskussion kultureller Dynamiken durch Kulturkontakt verwendet. Hybridität als Phänomen wird dabei in Situationen kultureller Überschneidung beobachtet, in denen Denkinhalte und Logiken aus unterschiedlichen kulturellen, sozialen oder religiösen Lebenswelten zu neuen Handlungs- und Denkmustern zusammengesetzt werden (vgl. Ette/Wirth 2014a, S. 7.) Eine aktuelle gesellschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema liefert Peter Burke unter dem Titel ‚Cultural Hybridity‘ (vgl. Burke 2009). Er unterscheidet dabei zwischen hybriden Artefakten, Texten, Praktiken und Menschen und stellt das Konzept der Hybridität neben andere, letztlich gleichwertig behandelte Begriffe, die dem allgemeinen Phänomen der kulturellen Hybridisierung weitere Nuancen verleihen (vgl. Burke 2009, S. 34-66). Burke setzt sich mit der Entstehung von Hybridphänomenen in unterschiedlichen Kontexten auseinander und betont dabei, dass Machtverhältnisse, Traditionen der Appropriation, das Verhältnis von Zentren und Peripherien sowie soziale Gegensätze eine wichtige Rolle spielen und zur Entstehung von Hybridität auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Gewichtung der ursprünglichen Elemente führen (vgl. Burke 2009, S. 66-115).

20 Einleitung

programmatik der Kulturtransferforschung einzuordnen, wobei der Versuch unternommen wird, die transkulturelle Perspektive in diesem Kontext zu integrieren. Es soll nicht darum gehen, eine „deutsche Pädagogik“ einer „US-amerikanischen“ Pädagogik gegenüberzustellen und damit zwei autonome, klar definierte Einheiten festzulegen. Vielmehr steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit, die Untersuchungseinheiten entsprechend der Logik der verschiedenen involvierten Akteure und der von ihnen generierten pädagogischen Theorie als solche in Abhängigkeit von und mit wechselseitiger Beeinflussung durch äußere Faktoren zu konstituieren. Den Schwerpunkt bildet dabei eine ideengeschichtliche Perspektive auf einen Transfer pädagogischer Theorien, wobei auf die Begriffe der Akkulturation und Transkulturalität rekurriert und hierfür die Globalisierungsthese in den Kontext der Rezeptionsgeschichte übertragen und pädagogische Theoriebildung als globales Phänomen aufgefasst wird (vgl. Koerrenz et al. 2017; vgl. Oelkers 2006, S. 29-43). Der Ansicht, dass es gilt, eine „intensive Aufarbeitung der Bildungsgeschichte – als Ideen-, Real- und Sozialgeschichte – unter dem Aspekt der Globalisierung“ (Scheunpflug 2003, S. 163) weiter voranzutreiben, wird sich hierbei vollends angeschlossen.

1.2 Forschungsstand Nachdem gegen Ende des 20. Jahrhunderts konstatiert wurde, dass der Herbartianismus als Forschungsgegenstand eine „Vergessene Wissenschaftsgeschichte“ (vgl. Coriand/Winkler 1998) darstellt, kann dies zehn Jahre später wieder revidiert werden. Der pädagogische Herbartianismus erfährt Eingang in die aktuelle pädagogische Grundlagenforschung. So lassen sich explizit zum Herbartianismus am Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts einige Untersuchungen finden (vgl. u.a. Coriand 2000; Müller 2000; Hopfner/ Németh 2008; Anhalt 2009; Schotte 2010, Dollinger et al. 2010, Henkel 2010). Hierbei können neben der Grundlagenforschung noch zwei weitere Problemfelder konstatiert werden. Zum einen ist dies die Widerlegung der seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschenden komparativen Charakterisierung

1.2 Forschungsstand

21

des Verhältnisses von Herbartianismus und Reformpädagogik.7 Zum anderen lässt die historiographische Forschung zur Wissenschaftsgeschichte durchaus erkennen, dass im Bereich der historischen Entwicklung und Verbreitung des Herbartianismus Lücken vorhanden bzw. Ergänzungen erforderlich sind. Diese Notwendigkeit führt zum Thema der vorliegenden Arbeit. Das Themenfeld der amerikanischen studentischen Migration nach Deutschland bietet eine nur sehr spärliche Auswahl an Untersuchungen (vgl. Diehl 1978; Drewek 1999, S. 197-224; Tröhler 2014, S. 253-263). Eingehende Studien zu verschiedenen deutschen Universitäten im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind nur für Göttingen (vgl. Jarausch 1995, S. 195-211), Tübingen (vgl. Baur 1976, S. 44-56), Giessen (vgl. Siebe 2000) und Jena vorhanden (vgl. Hänel 2005, S. 489-517; 2009). Im Hinblick auf Jena als Ziel amerikanischer Studierender lässt sich feststellen, dass die Pädagogik besonders zu Beginn der 1890er Jahre einen signifikanten Anteil an amerikanischen Immatrikulierten aufweist (vgl. Reich, 1888, S. 22; Scholz 1891, S. 24; Scholz 1892, S. 37; Ohne Autor 1892, S. 183-189; Scholz 1894, S. 36-37). Der Erste, der sich mit dem Herbartianismus und dessen Ideen in den Vereinigten Staaten beschäftigte, war gleichzeitig einer seiner Hauptvertreter: Charles DeGarmo. Er widmete sich in seinem 1895 erschienen Buch Herbart and the Herbartians dem Thema und versuchte im dritten Teil seiner Arbeit einen Überblick über die pädagogische Strömung des Herbartianismus und ihren Einfluss in den USA zu geben (vgl. DeGarmo 1895, insbesondere S. 205-256). Eine weitere zeitgenössische umfassendere Auseinandersetzung wurde nur noch in der Dissertationsschrift von Georg B. Randels geleistet (vgl. Randels 1909). Nachdem sich Mitte des 20. Jahrhunderts mit einzelnen pädagogischen Ideen des Herbartianismus in der amerikanischen Historiographie beschäftigt wurde (vgl. u.a. McMurry, D. 1946; 7 Dass der pädagogische Herbartianismus durchaus einen reformpädagogischen Charakter aufweist, kann insbesondere mit dem praktischen pädagogischen Wirken von Herbartianern wie Karl Volkmar Stoy, Wilhelm Rein oder Johannes Trüper (vgl. Coriand 2000, S. 25; Schotte 2010, S. 10) begründet werden, insbsondere hinsichtlich ihrer pädagogischen Positionen, die sie zur Unterrichtsführung und vor allem zur Gestaltung des Schullebens vertraten, die zumeist irreführender Weise ausschließlich den sogenannten Reformpädagogen zugeschrieben werden und dem Herbartianismus das Prädikat der Reformresistenz angeheftet wurde (vgl. Coriand 2010, S. 8). Allgemein zu Reformpädagogik: vgl. Koerrenz 2014; zum Verhältnis von Herbartianismus und Reformpädagogik siehe: Koerrenz 1993, S. 133-152; Koerrenz 2006a, S. 5-7; Oelkers 1998, S. 129-153; Coriand 2000; Heinze 2003, S. 65-78; Martens 2003, S. 41-54; Henkel 2010, S. 12-13; entsprechende reformerische pädagogische Ansätze lassen sich z.B. auch bei Rein 1912, S. 317-335 belegen.

22 Einleitung

Liebmann 1948; Prewett 1950), war es Harold B. Dunkel, der sich dem Thema in einem umfassenderen Rahmen annahm. Zuerst veröffentlichte er 1967 in der Zeitschrift History of Education Quarterly einen Artikel zur Thematik (vgl. Dunkel 1967, S. 93-101). Im Jahre 1969 ließ er die Monografie Herbart and Education folgen (vgl. Dunkel 1969a), um dann noch im selben Jahr zwei recht ausführliche Artikel beizusteuern (vgl. Dunkel 1969b, S. 203-233; 1969c, S. 376-390). In der später erschienenen Schrift Herbart and Herbartianism: An educational Ghost Story von Harold B. Dunkel wird der Weg des Herbartianismus von der „alten Welt“ in die „neue Welt“ detailreicher und ausführlicher beschrieben (vgl. Dunkel 1970). Zwei weitere erwähnenswerte Abhandlungen sind die Arbeiten von Larry Cuban und John Goodland, die sich zumindest teilweise mit dem Herbartianismus und seinem Einfluss insbesondere auf die Unterrichtspraxis in den USA beschäftigen (vgl. Goodlad 1974; Cuban 1993). Des Weiteren ist die Dissertationsschrift von Barry H. Westfall zu nennen, in der er sich explizit den Werken und dem Wirken der drei Hauptprotagonisten der Bewegung Charles DeGarmo und den McMurry Brüdern widmet und die Bedeutung der Arbeiten dieser drei für die Lehrerausbildung in den USA herausarbeitet (vgl. Westfall 1975). Die umfangreichste Studie zum Herbartianismus in den Vereinigten Staaten lieferte ohne Zweifel Kathleen Cruikshank in ihrer Dissertation (vgl. Cruikshank 1993). Sie verfasste auf Grundlage ihrer Dissertationsschrift zwei weitere aufschlussreiche Artikel (vgl. Cruikshank/ Knoll 1994, vgl. Cruikshank 1998). In der Sekundärliteratur, die sich dezidiert mit den in der vorliegenden Arbeit besprochenen Personen auseinandersetzt, liegen nur wenige brauchbare Untersuchungen zu deren Leben, Werk und Wirken vor.8 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich die historische Forschung sowohl im Allgemeinen als auch speziell die der historischen Pädagogik im Bereich des Herbartianismus in den USA ausschließlich Fragestellungen nach dem Grad der Einflussnahme auf und der Bedeutung für das amerikanische Erziehungs- und Bildungswesen sowie dessen Verhältnis zu anderen pädagogischen Strömungen widmet. Dabei wird eine komparatistisch ausgerichtete Perspektive zwischen amerikanischen Vertretern und der ursprünglichen Lehre Herbarts und der Herbartianer lediglich am Rande eingenommen und nur mit wenig tiefgreifender und systematischer Analyse durchgeführt. 8 zu Rein: vgl. u.a. Scholz 1914; Hofmann 1917; Meyer 1917; Pohl 1972; Wittenbruch 1972; zu Charles McMurry: vgl. Tyler 1982; zu Frank McMurry gibt es derartige Untersuchungen überhaupt nicht.

1.2 Forschungsstand

23

In Bezug auf eine dezidiert transnationale bzw. transkulturelle historische Bildungsforschung lässt sich festhalten, dass sich diese erst noch in der Entstehung und Etablierung befindet. Für die – zumindest deutschsprachige – historische Bildungsforschung galt bis noch vor wenigen Jahren, dass sie sich zumeist als nationale Bildungsgeschichte dargestellt hat und sich weiter orientierte Perspektiven in internationalen Vergleichen erschöpften (vgl. Fuchs 2004, S. 242). Erste Pionierstudien, die sich einer internationalen bzw. transnationalen Perspektive zuordnen lassen, entstanden zwar schon in 1970er und 1980er Jahren (vgl. u.a. Zymek 1975; Jacobi-Dittrich 1988), jedoch erst in den 1990er Jahren war es insbesondere Jürgen Schriewer zu verdanken, dass internationale und transnationale Perspektiven und deren methodische und theoretische Grundlagen größere Aufmerksamkeit in der historischen Bildungsforschung zuteil wurden. Mittlerweile lässt sich eine Vielzahl an Studien, die sich diesem Forschungskontext widmen, auffinden.9 Dabei befassen sich viele der bisherigen Studien mit dem Phänomen der Konvergenz der Bildungssysteme im internationalen Vergleich. Als hierfür relevante Prozesse verweisen die bisherigen Studien auf Rezeption (enducational borrowing) und Diffusion (educational lending) als Vehikel für etwaige zunehmende Annäherungen und Übereinstimmungen (vgl. Steiner-Khamsi/Quist 2007, S. 191). Dabei sind die verschiedenen Adaptionsformen von besonderem Interesse, da sich anhand derer Rückschlüsse auf die Konstitution des jeweiligen Aufnahmekontextes ziehen lassen. So scheinen insbesondere von spezifischen Akteuren wahrgenommene individuelle und gesellschaftliche Umbruchsituation, denen mit den eigenen kulturellen Ressourcen nicht adäquat begegnet werden konnte, als Katalysator für ein Interesse an fremden Ideen ursächlich gewesen zu sein (vgl. Oelsner/Schulte 2006, S. 61). Ein weiterer überaus interessanter Befund ist, dass die Funktion eines Bildungstransfers dergestalt sein kann, dass er zur Überwindung eines faktischen bzw. antizipierten Legitimationsnotstandes beiträgt, indem die Externalisierung auf eine ausländische Referenz als Lösung präsentiert wird, um Reformen durchführen zu können. Hierbei scheint insbesondere die diskursive Dimension der Referenz von Bedeutung zu sein, da die Lösungsansätze, auf die verwiesen wird, nicht notwendigerweise tatsächlich eine funktionale Problemlösung bereithalten, sondern als solche nur über9 Überblick über die jüngsten Forschungsaktivitäten und -erträge bieten folgende Artikel und Sammelbände: Caruso/Tenorth 2002; Caruso et al. 2014, Fuchs 2006b; Fuchs/Lüth 2008, S. 1-9; Schriewer 2007; Schriewer/Caruso 2005, S. 7-30.

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zeugend dargestellt werden müssen. Bildungstransfer kann in diesem Sinne als Legitimationsstrategie aufgefasst und beschrieben werden (vgl. Steiner-Khamsi/Quist 2007, S. 194). Auch wenn sich eine Zunahme an Forschungsprojekten in diesem Kontext innerhalb der historischen Bildungsforschung feststellen lässt, so sind sie dennoch weiterhin randständig (vgl. Gippert 2011, S. 22). Mit Bezug auf das Transkulturalitätskonzept Wolfgang Welschs lassen sich nach Gippert zukünftige Forschungsfragen und –felder aus einer bildungshistorischen Perspektive wie folgt systematisieren: Zum einen wären Untersuchungen zur transkulturellen Konstitution nationaler Gesellschaften und zum anderen Studien zur Transkulturalität individueller Identitäten denkbare Ansätze (vgl. Gippert 2011, S. 24).

1.3 Fragestellung, Methodik und Gliederung der Arbeit Das erkenntnisleitende Interesse der Arbeit liegt in dem unschätzbaren Wert begründet, Prozesse des Kulturtransfers zu analysieren, um sich damit der Beantwortung von Fragen nach Funktion und Wert, Funktionsweisen und Modalitäten innerhalb eines Kulturtransfers pädagogischer Theorien und der damit einhergehenden spezifischen Transformationsprozesse und deren Modalitäten zu nähern. Zu diesen Herausforderungen, die sich daraus ergeben, möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Das Anliegen und die Aufgabe des Dissertationsprojekts ist es dabei, am Beispiel des Jenaer Herbartianismus10 und seinen für die Wahrnehmung des Herbartianismus in den Vereinigten Staaten entscheidenden Exponenten, namentlich Wilhelm Rein und den Brüdern Charles und Frank McMurry, im Sinne eines auf einem Wissenschaftleraustausch beruhenden, transatlantischen akademischen Transfers, die sich daraus ergebenden Transferleistungen sowie die damit einhergehenden Transformationsprozesse zu beleuchten. Die zentrale Fragestellung bezieht sich demnach zum einen darauf, wie die am Pädagogischen Seminar zu Jena kennengelernten Theorien und Konzepte, wobei 10 Der Begriff Jenaer Herbartianismus wird in der vorliegenden Arbeit explizit mit dem pädagogischen Denken Wilhelm Reins assoziiert und nicht, wie es ebenfalls möglich wäre, mit dem Denken und Wirken Karl Volkmar Stoys. Das trotz allem der Begriff Jenaer Herbartianismus Verwendung findet, liegt darin begründet, dass hiermit, zusätzlich zur personalen Dimension, die lokale Dimension eines Kulturtransferprozesses (vgl. Steiner-Khamsi 2004a, S. 5) hervorgehoben werden soll und damit auf den Begriff der Glokalität rekurriert wird (vgl. Robertson 1998, S. 192-220).

1.3 Fragestellung, Methodik und Gliederung der Arbeit

25

hierfür das pädagogische Denken Johann Friedrich Herbarts und der (pädagogische) Herbartianismus Reins die inhaltlichen Referenzpunkte liefern, sich spezifisch im Werk der für den US-amerikanischen Herbartianismus bedeutsamen Persönlichkeiten Charles und Frank McMurry niederschlugen. Zum anderen stellen sich die Fragen: Was wurde aus dem herbartschen Denken bzw. der herbartianischen Lehre Wilhelm Reins übernommen? Was wurde sofort oder im Laufe der Zeit als entbehrlich betrachtet bzw. modifiziert? Dabei werden nur die theoretischen Arbeiten zur Analyse herangezogen, da es in der vorliegenden Arbeit dezidiert um den Transfer pädagogischer Theorien gehen soll. Auf Grundlage dieser Analyse wird sowohl der Frage nach den Ursachen und Gründen der Modifikationen und Aussparungen nachgegangen als auch allgemein nach den Modalitäten des Transfers und der damit einhergehenden Transformationsprozesse dieses deutsch-amerikanischen Kulturtransfers im Sinne eines inter- bzw. transnationalen und inter- bzw. transkulturellen Austauschs pädagogischer Theorien gefragt. Hierfür wird die Globalisierungsthese, dass sich pädagogische Theoriebildung zum einen als globales Phänomen verstehen lässt und zum anderen pädagogische Kulturen wechselseitig beeinflussen, in den Kontext der Rezeptionsgeschichte übertragen. Dass sich hierfür der Herbartianismus als Untersuchungsgenstand anbietet, ist mehr als evident, da er als pädagogische Theorie nachweislich in einer Vielzahl von Ländern seine Spuren hinterlassen hat.11 Die verschiedenen Dimensionen der Fragestellung erfordern eine unterschiedliche methodische Herangehensweise. Grundlage bildet die inhaltliche, qualitative Analyse der Schriften der Protagonisten im Sinne der Geschichtswissenschaft inhärenten Quellenarbeit und -kritik. Dabei wird sich einer subjektorientierten Methodik als Reflexionsebene bedient, die wiederum einer textbasierten hermeneutischen Erkenntnislogik folgt. Dabei ist es allerdings nicht das vordergründige Anliegen der Arbeit, die jeweiligen Theorien einer Binnenkritik zu unterziehen und sie hinsichtlich ihrer Konsistenz und Kohärenz zu analysieren. Es werden le11 Zum Themenfeld der internationalen Dimension des Herbartianismus und dessen Rezeption in unterschiedlichen Ländern gilt es auf folgende Publikationen hinzuweisen: Metz 1992; Coriand/ Winkler 1998 (hier besonders Cruikshank 1998, S. 99-108 Kiuchi/Ohto 1998, S. 109-113; Metz 1998, S. 43-56; Németh 1998, S. 57-63; Rawnsley/Robertson 1998, S. 65-85; Tschavdarova 1998, S. 87-97); Brezinka 2003a, S. 1-123; Coriand 2003 (hier besonders Adam 2003, S. 181-203; Németh 2003, S. 225-243; Rýdl 2003, S. 55-61; Zajakin 2003, S. 245-255); Zajakin 2004; Hopfner/Németh 2008 (hier besonders Gerdenitsch/Hopfner 2008, S. 89-101; Prodner 2008, S. 103-121; Vincze 2008, S. 123-134); Adam/Grimm 2009; Graff /Schotte 2009, S. 155-168; Martens 2009, S. 135-148.

26 Einleitung

diglich die jeweils spezifischen Standpunkte bezüglich der Theorieelemente bzw. der Topoi, die im Anschluss die Analyse des Zweitkontextes leiten, herausgearbeitet. Des Weiteren wird es für den Fortgang der Arbeit vonnöten sein, eine komparatistische Perspektive zwischen den Lehren der zwei amerikanischen Protagonisten und der Wilhelm Reins als dem deutschen Exponenten des Herbartianismus einzunehmen. Infolge dessen bilden das pädagogische Denken Johann Friedrich Herbarts sowie die sich daran anschließende pädagogische Theorie Wilhelm Reins den Erstkontext. Die beiden Amerikaner stellen im übertragenen Sinne einen personifizierten Transferkanal dar, über den der Austausch bzw. die „Verpflanzung“ erfolgt. Zu beachten ist hierbei, dass die beiden US-amerikanischen Pädagogen gleichzeitig das Medium darstellen, in dem sich die Transformationsprozesse in einer jeweils individuellen Bestimmtheit durch äußere Faktoren abspielen. In einem ersten Schritt gilt es, die begrifflichen Grundlagen zu legen und dabei die von Herbart entwickelten pädagogischen Ideen und seine pädagogische Lehre in konziser Form voranzustellen. Hierbei gilt es darauf hinzuweisen, dass der (pädagogische) Herbartianismus als eine sich an die Theorie Herbarts als dem „Original“ mehr oder weniger frei anschließende Theorie gleichfalls schon mit Transformationsprozessen einherging, die allerdings nicht das erkenntnisleitende Interesse der Arbeit darstellen sollen, da das Erkenntnisinteresse sich auf eine interkulturelle bzw. transkulturelle Perspektive innerhalb des Kulturtransfers bezieht. In einem zweiten Schritt wird eine Analyse der Pädagogik Wilhelm Reins erfolgen, um im Zuge dessen einen Ausgangspunkt für einen Vergleich mit den Schriften und dem Wirken der zwei US-amerikanischen Pädagogen zu bestimmen, wobei die Analyse hinsichtlich des Zeitraums der untersuchten Publizistik Wilhelm Reins nur bis zum Jahre 1890 erfolgt und mit der Pädagogik im Grundriss abschließt. Die Legitimation hierfür ergibt sich daraus, dass nach dem kompletten Überblick der Primärliteratur deutlich wurde, dass sich der Einfluss der Rein’schen Publizistik auf die beiden Brüder bis einschließlich diesem Werk erschöpft. Auf Basis der Analyse des pädagogischen Denkens wurden Topoi von konstitutiven Theorielementen des pädagogischen Denkens Wilhelm Reins herausgearbeitet, welche die leitende Fragestellung durch folgende Fragen explizieren. Die darin aufgeworfenen Topoi, anhand derer im Anschluss sowohl die Analyse der theoretischen Position Charles und Frank McMurrys als auch der Vergleich vorgenommen wird, dienen dabei als tertium comparationis:

1.3 Fragestellung, Methodik und Gliederung der Arbeit

27

1. Welches erste Erziehungsziel wird formuliert und welche grundlegende Bedeutung hat es für das pädagogische Denken der Protagonisten? 2. Welches Verständnis des Begriffs des Interesses wird vertreten und wie wird er didaktisch-methodisch implementiert? 3. Wie wird sich zur Lehrplantheorie und den darin enthaltenen Theorieelementen der Wertigkeit der einzelnen Studien, der Konzentrationsidee und Kulturstufentheorie geäußert? 4. Wie schlägt sich die Auffassung Reins über die Theorie der Formalstufen bei den US-amerikanischen Pädagogen nieder? Die Auswahl der Topoi orientiert sich dabei weniger an der Materialität der publizistischen Werke, sondern an der Logik der pädagogischen Theorie und bezieht sich daher auf die konstitutiven Theorieelemente des (pädagogischen) Herbartianismus sensu Wilhelm Rein, wie er im Anschluss an Herbart, aber auch an Ziller, Stoy und Dörpfeld von ihm entwickelt wurde. Die Auswahl basiert auf einem hermeneutischen Prozess der Analyse des pädagogischen Denkens sowohl Johann Friedrich Herbarts, dem pädagogischen Herbartianismus sensu Wilhelm Rein, als auch auf der Schriften Charles und Frank McMurrys, anhand derer sich die aufgeworfenen Topoi ergaben. Das heißt, dass konstitutive Theorieelemente im sogenannten Erstkontext identifiziert wurden, die dann wiederum im sogenannten Zweitkontext aufgesucht wurden und die Auswahl der gegenübergestellten Topoi sich dann auf diejenigen beschränkt, die sowohl im Erstkontext als auch im Zweitkontext aufgefunden werden konnten. So wären aus der Analyse des Erstkontextes durchaus auch weitere Topoi, wie die Begriffe der Regierung und der Zucht mögliche Vergleichshorizonte gewesen. Da diese allerdings im pädagogischen Denken der Brüder Charles und Frank McMurry keine Berücksichtigung fanden, finden sie auch keinen Eingang in den Vergleich. Diese Nichtberücksichtigung stellt allerdings auch schon einen Erkenntnisgewinn dar, auf den an späterer Stelle noch eingegangen wird. Der Aufbau und die Gliederung der Arbeit spiegeln somit gleichzeitig den Forschungsprozess als solchen wider. In einem dritten Schritt soll anhand dieser Fragen und der darin aufgeworfenen Topoi eine beispielhafte Analyse an den beiden amerikanischen Protagonisten Charles und Frank McMurry durchgeführt werden. Aufbauend auf dieser Analyse wird in einem vierten Schritt eine komparatistische Perspektive eingenommen und ein Vergleich hinsichtlich der verschiedenen Topoi durchgeführt.

28 Einleitung

In einem fünften Schritt setzt sich die Dissertation zum Ziel, aus einer Perspektive der Transformation, die spezifischen Modifikationen der in Jena vorgefundenen Ideen und Konzeptionen zu identifizieren. Dabei wird zwischen einer Phase der Externalisierung, die die Ergebnisse und Befunde hinsichtlich der Transferdimension belegt, die sich wiederum aus dem historischen Nachvollzug des konkreten Transfers und seiner verschiedenen Modalitäten ergeben, einer Phase der ‚Erstmaterialisierung‘ bzw. Implementation oder Rekontextualisierung und einer Phase der Internalisierung unterschieden (vgl. Steiner-Khamsi 2003, S. 381-383). Darauf aufbauend soll es möglich sein, Verallgemeinerungen in Bezug auf die Modalitäten eines Transfers pädagogischer Theorie und der damit einhergehenden Transformationsprozesse zu formulieren.

2. Analyse Erstkontext Dieser erste Abschnitt der vorliegenden Arbeit hat zum Ziel, den sogenannten Erstkontext einer gründlichen Analyse zu unterziehen. Um eine umfassende Untersuchung dieses Erstkontextes zu gewährleisten und die Theorieelemente herauszuarbeiten, die für den Vergleich als tertium comparationis leitend werden, wird eine Erläuterung des pädagogischen Denkens Johann Friedrich Herbarts als ideengeschichtlicher Basis vorgeschaltet und im Anschluss daran das pädagogische Denken Wilhelm Reins in den Mittelpunkt gerückt.

2.1 Die Pädagogik Johann Friedrich Herbarts in ihren Grundzügen Wilhelm Rein schildert in einem späten Aufsatz von 1926 mit eindringlichen Worten seinen Zugang zu Herbarts Pädagogik und die Gründe für seinen Verbleib bei eben dieser (vgl. Rein 1926b, S. 262-265). Darin heißt es: „Persönliche Beziehungen waren es, die mich zu Herbart führten, sachliche Gründe bestimmten mich, bei ihm zu bleiben.“ (Rein 1926b, S. 262)12 Da diese beiden Punkte wesentlich dafür stehen, ein Verständnis von Reins Werk zu erlangen, muss an dieser Stelle eine Darstellung der oben genannten sachlichen Gründe erfolgen, die Rein dazu veranlassten, sich sein Leben lang als Herbartianer zu sehen. Es soll hierbei nicht um eine kritische Betrachtung der Pädagogik Herbarts gehen, sondern dieses Kapitel dient ausschließlich dem besseren Verständnis der Grundlagen, insbesondere der begrifflichen, auf denen die pädagogische Konzeption und Lehre Wilhelm Reins fußen. Dazu wird sich hauptsächlich zwei Schriften Herbarts gewidmet, die sein System in der Gesamtheit seiner Anlagen ausführen, um an ihnen einen Einblick in die herbartsche Erziehungslehre zu gewinnen. Dies sind zum einen die Abhandlung Über die ästhetische Darstellung der Welt als das Hauptgeschäft der Er12 Anmerkung zur Zitierweise: Originalzitate werden ohne Rücksicht auf veraltete Schreib- und Ausdrucksweise verwendet.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_2

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2. Analyse Erstkontext

ziehung von 1804 und zum anderen Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet von 1806. 2.1.1 Grundlegung pädagogischer Möglichkeit: Über die ästhetische Darstellung der Welt als Hauptgeschäft der Erziehung Herbarts frühe Abhandlung Über die ästhetische Darstellung der Welt als das Hauptgeschäft der Erziehung von 1804 genießt in diesem Zusammenhang besonderes Interesse, da sie „alle entscheidenden Motive der Herbartschen Pädagogik in außerordentlicher Dichte [enthält, M.S.]13; das spätere System ist fast in allem nur noch eine ausführliche Ausarbeitung dessen, was hier bereits angelegt ist“ (Döpp-Vorwald 1962, S. 5). In dieser Schrift versucht Herbart den Zusammenhang zwischen der „ästhetischen Darstellung der Welt“ und der Intention der Erziehung zu verdeutlichen (vgl. Döpp-Vorwald, S. 5). Daher soll in einem ersten Schritt ein konziser Überblick über die darin entwickelten Gedanken gegeben werden. Das Programm dieser Abhandlung steht unter der grundsätzlichen Prämisse, die Herbarts Wissenschaftsverständnis mit sich bringt. Dies äußert sich im sogenannten Systemgedanken. Herbart steht dabei in der Tradition der formalen Grundsätze der Wissenschaftslehre Kants, wie er sie in der Kritik der reinen Vernunft dargelegt hat (vgl. Kant 1781/1974, S. 695-696). Es gilt für Herbart diesen Maßstab formaler Grundsätze auch an die Begründung einer wissenschaftlichen Erziehungslehre anzulegen und somit „die vielen Einzelansichten über Ziel und Weg der Erziehung nicht zusammenhangslos nebeneinander stehen bleiben [zu lassen, M.S.], […], sondern daß sie eine innere Einheit bilden sollen“ (Döpp-Vorwald 1962, S. 7). Das heißt, dass er in der Entwicklung und Begründung eines pädagogischen Systems streng deduktiv vorgehen und alle pädagogische Erkenntnis aus einer einheitsstiftenden Idee ableiten will (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 7). In der genannten Abhandlung bestimmt Herbart sogleich im ersten Satz, dass „die eine und ganze Aufgabe der Erziehung in den Begriff: Moralität [zu, M.S.] fassen [ist, M.S.]“ (Herbart 1804/1880, S. 271). Dieser Begriff ist für ihn gleich13 Ergänzungen in Originalzitaten erfolgen durch eckige Klammer und werden mit meinen Initialen gezeichnet. Auf Hervorhebungen im Original wird ebenfalls in eckigen Klammern hingewiesen und zusätzlich mit meinen Initialen versehen, wobei bei mehreren Hervorhebungen in einem Zitat der Hinweis hinter der letzten Hervorhebung im Plural erfolgt.

2.1 Die Pädagogik Johann Friedrich Herbarts in ihren Grundzügen

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bedeutend mit dem höchsten Zweck des Menschen allgemein und daher auch mit dem der Erziehung. Wenn es nach Herbart möglich werden soll „das Geschäft der Pädagogik als ein einziges Ganzes durchgreifend richtig zu durchdenken und planmäßig auszuführen, so muss es vorher möglich sein, die Aufgabe [Hervorhebungen im Original, M.S.] der Erziehung als eine einzige aufzufassen“ (Herbart 1804/1880, S. 271). Das heißt, um eine systematische Grundlegung des Geschäfts der Pädagogik leisten zu können, ist es erforderlich, die Moralität nicht nur als höchsten, sondern als ganzen Zweck aufzufassen, da es sonst nicht möglich wäre, dass die restlichen voneinander verschiedenen Teile des Geschäfts nicht ausschließlich aus dem Begriff der Moralität stammen könnten. Was zur Folge hätte, dass es so viele Aufgaben für das Geschäft der Pädagogik gebe, wie es erlaubte Zwecke für den Menschen gibt (vgl. Herbart 1804/1880, S. 271). Das heißt, dass die Moralität als einheitsstiftende Idee in ihrer systembildenden Funktion eine doppelte Forderung einlösen muss. Als ganzer Zweck soll sie der umfassenden Darstellungsform dienen und als höchster Zweck die wissenschaftliche Systembildung hervorbringen (vgl. Blaß 1976, S. 68). Die Konsequenz aus der Forderung danach, die Moralität als ganzen Zweck aufzustellen, lässt sich veranschaulichen, wenn man sie zu Kants kategorischem Imperativ in seiner Selbstzweckformel in Beziehung setzt (vgl. Kant 1788/2000, S. 61). Herbart stimmt mit Kant darin überein, dass sich die handelnden Subjekte gegenseitig zwar als Mittel zum Erreichen ihrer Zwecke gebrauchen können, jedoch sie sich zugleich als Personen anerkennen und einander zum Selbstzweck erheben sollen. Der entscheidende Punkt, den Herbart mit seiner Unterscheidung der Moralität als höchstem und als ganzen Zweck herausstellt, ist nun das Verhältnis der Akte, in denen sich Subjekte als Mittel gebrauchen, und denjenigen, in denen sie sich und die anderen Subjekte als Selbstzweck betrachten und anerkennen. Für Herbart kann die Forderung nach der gegenseitigen Erhebung zum Zwecke des anderen Subjekts nur in die Wirklichkeit überführt werden, indem man diesen Anspruch auf alle Handlungen überträgt und damit Moralität als ganzen und nicht nur als höchsten Zweck auffasst. In der weiteren Analyse des Begriffs der Sittlichkeit in seiner Abhandlung wendet sich Herbart dem guten Willen zu: „Der gute Wille, – der stete Entschluss [ist, M.S.], sich, als Individuum, unter dem Gesetz zu denken, das allgemein verpflichtet: - dies ist der gewöhnliche,

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2. Analyse Erstkontext

und mit Recht der nächste [Hervorhebungen im Original, M.S.] Gedanke an den uns das Wort Sittlichkeit erinnert.“ (Herbart 1804/1880, S. 272) Davon ausgehend entwickelt Herbart im folgenden Absatz eine Systematisierung des Begriffs der Sittlichkeit. Der Begriff gliedert sich wie folgt auf: zu Beginn ist die Sittlichkeit eine Eigenschaft bzw. Bestimmung des Willens. Wenn nun aber zu diesem sein Wirken und die Kraft bzw. die daraus resultierende Tat, die er den sich widerstrebenden Gemütsbewegungen entgegensetzt, hinzugedacht wird, so resultiert daraus Tugend (vgl. Herbart 1804/1880, S. 272). Der durch Sittlichkeit bestimmte Wille wird in seiner Wirksamkeit und seiner realen Möglichkeit zur Tugend. Hinzu kommt der von der Tugend und der Sittlichkeit zu unterscheidende Begriff der Legalität, der bestimmt ist durch die rechte Erkenntnis des moralischen Gesetzes (vgl. Herbart 1804/1880, S. 272). Das ist der Grund dafür, dass Herbart streng die theoretische und praktische Aufgabe des Denkens voneinander unterscheidet. Da die praktische Aufgabe darin besteht, dem Begriff des Sollens Ausdruck zu verleihen, heißt das, dass das Denken innerhalb dieser Aufgabe nicht das schlechthin Gegebene zum Gegenstand hat, sondern „es soll aussprechen, was dem menschlichen Tun einen Wert gibt; im Denken soll ein Maßstab geschaffen werden, an dem das Handeln gemessen werden kann“ (Brückmann 1961, S. 121). In diesem Ausdruck des Begriffs des Sollens wiederum liegt die Quelle der Charakterbildung, indem es gilt, den Zögling bei der richtigen Erkenntnis dieses moralischen Gesetzes zu unterstützen und ihn in die Lage zu versetzen, adäquate Wertbestimmung und Entscheidung einer spezifischen konkreten Situation zu treffen. Oder wie Herbart es selbst ausdrückt: „Machen, dass der Zögling sich selbst finde, als wählend das Gute, als verwerfend das Böse.“ (Herbart 1804/1880, S. 275) Diese entwickelte Fähigkeit ist für Herbart ein Ausdruck der Freiheit des Menschen, womit er in dieser Hinsicht wiederum eindeutig der kantischen Denktradition zugeordnet werden kann, da für Kant die Einsicht und die Unterordnung unter das selbstgegebene moralische Gesetz die Autonomie der reinen praktischen Vernunft nachweist und damit Freiheit bedeutet (vgl. Kant 1788/2000, S. 144). Bei aller Anlehnung an Kant bleibt allerdings zu beachten, dass Herbart auf dem Felde der

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Pädagogik von einem transzendentalen Begriff der Freiheit nach idealistischem Muster Abstand nimmt, da dieser in seiner Konzeption der geistigen Struktur des Menschen keinen Platz findet (vgl. Brückmann 1961, S. 162). Der von Herbart vertretene Freiheitsbegriff ist direkt bezogen auf seine Auffassung und Verwirklichung wirksamer pädagogischer Praxis. Denn wird der transzendentale Freiheitsbegriff konsequent zu Ende gedacht, würde jegliche erzieherischen Ambitionen, wie sie Herbart vorschweben, das heißt im Zögling die Moralität zur Entfaltung zu bringen und seine Charakterbildung im oben genannten Sinne zu vervollkommnen, überflüssig, ja unmöglich gemacht werden. Für Herbart aber steht fest, dass Erziehung möglich sein muss und stattet dieses Postulat sogleich mit einem rechtlichen Titel aus (vgl. Herbart 1804/1880, S. 273). Entscheidend dabei ist seine Ansicht, dass, wenn durch die Existenz des Sittengesetzes sich die Freiheit als Ursache der selbigen in der Welt der Erscheinungen zu erkennen gibt, so muss es dem Erzieher möglich sein, die Welt der Sinne derart zu ordnen und zu arrangieren, dass er mithin vermittelt auf die Freiheit des Zöglings augenscheinlich einwirken kann (vgl. Herbart 1804/1880, S. 273). An dieser Stelle wird Herbarts Auffassung von Erkenntnis nun tragend. Das Ziel jeden Erkennens ist für Herbart, die Welt der Erscheinungen und damit die Gegenstände unserer Wahrnehmung mithilfe des Denkens geistig zu repräsentieren und somit ihrer bewusst und habhaft zu werden (vgl. Brückmann 1961, S. 16). Allerdings besteht eine Diskrepanz zwischen diesen Repräsentationen und dem tatsächlich Realen. Die Wahrnehmung bildet dabei den Berührungspunkt zwischen Realem und der geistigen Repräsentation. Zum rein rezeptiven Akt der Wahrnehmung tritt nun beim Erkennen eine geistige Tätigkeit hinzu, die zum Ziel hat, den Gegenstand der Wahrnehmung und seiner Ursache, abstrahiert von der Empfindung, die er im Erkennenden hervorruft, adäquat abzubilden. Es gilt für Herbart dieses Verständnis von Erkenntnis ebenso im Bereich der Pädagogik anzuwenden, um eine Grundlage für Maßnahmen sowie Verfahrens- und Vorgehensweisen zu schaffen, eben durch Beobachtung und Schlussfolgerung die Gesetzmäßigkeiten geistiger Wirkung, die jedoch in keiner Weise mit den materiellen Gesetzen zu vergleichen sind, zu entschlüsseln (vgl. Herbart 1804/1880, S. 273-274). Dies bildet ebenso die Grundlage für die Möglichkeit der Beobachtung als auch für seinen Versuch der Überwindung der kantischen Unterscheidung und Trennung

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2. Analyse Erstkontext

von empirischem und intelligiblem Charakter des Menschen. Herbart versucht, die Charakterbildung sowohl vor der rein mechanischen Naturkausalität als auch der intelligiblen Spontankausalität zu retten und sie als möglich darzustellen. Die erforderliche Einführung dieser dritten Kausalität ergibt sich daraus, dass eine rein mechanische Entwicklung des empirischen Charakters nicht zu Freiheit und Moralität führen kann, ebenso wie eine rein intelligible Selbstbildung, die sich außerhalb der Zeit in Form von aufeinanderfolgenden Akten reiner Spontanität bewegen und sich damit aller Einflussnahme entziehen und alle Anliegen einer Erziehung ins Leere laufen lassen würde. Das bedeutet, dass in diese realistische Betrachtungsweise laut Herbart „kein leisester Wind transscendentaler Freiheit [Hervorhebung im Original, M.S.]“ (Herbart 1804/1880, S. 274) wehen darf, da sie nicht im Bewusstsein als innere Erscheinung anzutreffen ist, sondern Teil des intelligiblen Charakters des Menschen ist, der dem handelnden Subjekt nur als Ding an sich zukommt und somit außerhalb aller Erfahrung liegt (vgl. Herbart 1804/1880, S. 274). Für Herbart ist im Bereich der Erziehung diejenige Freiheit von Bedeutung, die uns offenkundig zur Wahl befähigt und ein jeder von uns in sich selbst findet. An dieser Stelle sind wir wieder bei der weiter oben schon angeführten Formulierung der Aufgabe des Erziehers, die darin besteht, dass sich der Zögling in der rechten Wahl zwischen Gut und Böse selbst findet (Herbart 1804/1880, S. 275). Diese Entwicklung zu einer selbstbewussten Persönlichkeit kann und sollte nach Herbart der Zögling selbst, freilich durch die Unterstützung des Erziehers, herbeiführen (vgl. Herbart 1804/1880, S. 275). Schauen wir uns im Folgenden nun näher an, warum es für Herbart gerade die ästhetische Darstellung der Welt ist, die das Hauptgeschäft der Erziehung in seiner Konzeption kennzeichnet. Was ist darunter zu verstehen, dass die ursprünglichen Wertbestimmungen einer ästhetischen Betrachtung unterzogen werden? Den Nachweis versucht Herbart zu erbringen, indem er den Begriff der Sittlichkeit einer eingehenderen Untersuchung unterzieht. Hier kommt Herbart auf den guten Willen zurück. Er bezeichnet in diesem Zusammenhang den Gehorsam als dessen erstes Prädikat (vgl. Herbart 1804/1880, S. 275). Der Gehorsam wiederum hat einen Befehl zum Gegenstand, ohne den es keinen Gehorsam geben kann. Ob nun dieser Gehorsam als sittlich bezeichnet werden kann, hängt nicht allein vom Gehorsam selbst ab, sondern davon, ob der Gehorchende den Willen, auf dem der Befehl beruht, einer eingehenden Überprüfung unterzogen hat und ihm einen sol-

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chen Wert zuschreibt, dass es sich gebietet, ihm zu gehorchen. Das heißt, dass der Sittliche sich selbst den Befehl auferlegt (vgl. Herbart 1804/1880, S. 275). Die real wirksame Sittlichkeit ist für Herbart erst vorhanden, wenn es eine Synthese aus dem einsichtigen Willen und dem Gehorsam im Handeln, eben diesem einsichtigen Willen gegenüber, gibt. Woher kommt diese Einsicht? Welche Notwendigkeit bzw. welche Kausalität steckt hinter dem Urteil über den Willen, das dann in der Verbindung mit dem Gehorsam reale Sittlichkeit bewirkt? Hierbei führt Herbart die ästhetische Kausalität ein. Er fasst sie in folgende Worte: „Diese charakterisirt sich dadurch, dass sie in lauter absoluten Urtheilen, ganz ohne Beweis, spricht, ohne übrigens Gewalt in ihre Forderung zu legen. Auf die Neigung nimmt sie gar keine Rücksicht; sie begünstigt und bestreitet sie nicht. Sie entsteht beim vollendeten Vorstellen ihres Gegenstandes. […] Besonders wichtig ist es, dass die ästhetischen Urtheile niemals die Wirklichkeit ihres Gegenstandes fordern. Nur wenn er einmal ist, und wenn er bleibt, so beharrt auch das Urtheil, welches angiebt, wie er sein sollte [Hervorhebung im Original, M.S.]! Und durch dies Beharren gilt es dem Menschen, der ihm nicht entfliehen kann, endlich für die strengste Nöthigung.“ (Herbart 1804/1880, S. 278) Herbart kennzeichnet mit diesen Worten die ästhetischen Urteile als formale Vernunfturteile. Dies rekurriert zum einen darauf, dass sie ein rein schauendes Vernehmen als Erfahrungsweise beinhalten, die unmittelbar ist und eine mit besonderem Wahrheitsanspruch versehene unbezweifelbare Einsicht darstellt, die wiederum keines weiteren Beweises bedarf sowie darauf, dass sie absolut gegenüber sinnlicher Bestimmtheit auftritt (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 26). Diese Vernunfturteile werden als ästhetische Urteile bestimmt, da auf dem Felde der Ästhetik eben diese am unmittelbarsten und im wesentlichsten Sinne anzutreffen sind (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 26). Wie lässt sich nun Herbarts Begriff der ästhetischen Notwendigkeit fassen, der nach Herbart auch in der Vernunftgrundlage der Sittlichkeit wirksam ist? Hierfür müssen wir auf die schon weiter oben eingegangene, von Herbart geforderte und herbeigeführte, Erweiterung des Begriffs der Moralität zurückkommen und diesen Begriff mit dem der ästhetischen Notwendigkeit in Beziehung setzen. Die ästhetische Notwendigkeit soll das Programm sein, mit dem dieser erweiterte Be-

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2. Analyse Erstkontext

griff der Moralität in die Wirklichkeit vermittelt werden soll. In gleicher Weise, in der Herbart den Begriff der Moralität in einem erweiterten Sinn begreift, fasst er den Begriff der Ästhetik in einem weiteren Sinne, nämlich nach dem seines griechischen Ursprungs der „aisthesis“, der über das sinnlich – empirische Wahrnehmen hinaus auf das geistige Wahrnehmen referiert (vgl. Benner 1993, S. 76). Der Begriff der ästhetischen Notwendigkeit bildet das zentrale Programm sowohl für Herbarts spätere Pädagogik als auch für seine Ethik in Form der ästhetischen Darstellung der Welt (vgl. Benner 1993, S. 77). Damit ist die angestrebte Erweiterung des Begriffs der Moralität mit der Analyse der notwendigen Voraussetzungen der Sittlichkeit in Bezug auf ihren Ursprung in der Vernunft im Sinne Herbarts geleistet. Dies führt uns auf direktem Weg in die herbartsche Pädagogik, denn deren Anliegen war es, aufbauend auf der Analyse der notwendigen Voraussetzungen der Sittlichkeit, die Bedingungen ihrer realen Möglichkeit zu erforschen und sich der Frage zu widmen, wie es möglich sein kann, den Menschen in die Lage zu versetzen, dass der sittliche Wille sich im Handeln des jeweiligen manifestiert und real bestimmt (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 31). Um diesen Übergang verstehen zu können, ist es notwendig, das Feld der Ethik als reine Vernunftwissenschaft zu verlassen und sich der Psychologie und damit den „empirischen Entwicklungsbedingungen des sittlichen Willens“ (Döpp-Vorwald 1962, S. 32) zuzuwenden. Hierbei geht Herbart zweistufig vor und kommt von einer allgemeineren Betrachtung, wie die Entstehung eines freien Willens überhaupt möglich ist, hin zu der darauf aufbauenden spezifischeren Betrachtung, wie die Bildung eines freien und sittlichen Willens ermöglicht werden kann.14 Weiter oben wurde im Sinne Herbarts konstatiert, dass der engere Bereich des Begriffs der Sittlichkeit derjenige ist, bei dem die ästhetischen Urteile die menschlichen Willens- und Handelnsverhältnisse zu ihrem Gegenstand haben. Dieser Gegenstandsbereich kann unter dem Begriff des Gewissens subsumiert werden. Mit der Bestimmung des Begriffs des Gewissens ist es damit möglich geworden, die Bildung einer sittlichen Gesinnung als einen realen Vorgang in der Zeit begreiflich 14 Wille ist hierbei für Herbart ein Verlangen, das fest und überdauernd geworden ist. Dieses kontinuierliche Verlangen ist ein reflektiertes, das sich zu einem Grundsatz entwickelt hat, nach dem der Wollende handelt. Das bedeutet eben gerade, dass er nicht einem Begehren blind folgt, sondern, dass er es geprüft hat und ebenso einem anderen Begehren nachgehen könnte. Er ergreift das Gewollte in freier Wahl und folgt aufgrund dieser Wahl bestimmten Grundsätzen.

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zu machen (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 34). Dieser soll bei Herbart durch Gewöhnung und Übung ermöglicht werden. Hiermit ist es Herbart nicht nur gelungen, den Dualismus, der sich aus der Konzeption der transzendentalen Freiheit ergab, zu überwinden, sondern die Kausalfaktoren ersichtlich zu machen, nach denen die Bildung eines sittlichen Willens erfolgt (vgl. Döpp-Vorwald 1962, S. 35). Von hier aus lässt sich der Weg verfolgen, den Herbart nun einschlägt, um dem Erzieher die rechten Mittel an die Hand zu geben, die es ermöglichen, nicht nur eine allgemeine formale Willensbildung als freie Entscheidungsmöglichkeit zu kräftigen, sondern insbesondere darauf aufbauend den sittlichen Willen zu bilden. Dieser Weg führt zum einen, was die allgemeine Willensbildung angeht, zum Begriff der Zucht und zum anderen zur Bildung des sittlichen Willens durch die ästhetische Darstellung der Welt als Hauptgeschäft der Erziehung. Diese Gedanken, wie sie hier ausgebreitet sind, finden ihre systematische Zusammenfassung und Fortsetzung in Herbarts Werk Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet (vgl. Herbart 1806/1880, S. 331-525.). Der in diesem Werk ausgearbeiteten Systematik soll sich nun im Anschluss eingehender gewidmet werden. 2.1.2 Herbarts System pädagogischen Denkens und Wirkens: Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet Weiter oben wurde bereits festgestellt, dass in der kleinen Abhandlung „Über die ästhetische Darstellung der Welt als Hauptgeschäft der Erziehung“ Herbarts gesamtes Konzept einer Erziehungslehre angelegt ist. Ebenso wurde im vorangegangenen Abschnitt deutlich, dass Herbart versucht, seine Pädagogik in doppelter Hinsicht systematisch zu begründen. Dies erfolgt einerseits durch die Erweiterung des Begriffs der Moralität, um diesen zum ganzen Zweck der Erziehung zu machen; andererseits durch die Bestimmung der spezifischen Kausalität pädagogischen Handelns im Begriff der ästhetischen Notwendigkeit (vgl. Benner 1993, S. 83). Diesen Begründungszusammenhang zwischen Pädagogik als Wissenschaft, der praktischen Philosophie und der besonderen Kausalität pädagogischen Wirkens hat Herbart an späterer Stelle im Umriss pädagogischer Vorlesungen von 1841 wie folgt beschrieben: „Pädagogik als Wissenschaft hängt ab von der praktischen Philosophie und Psychologie. Jene zeigt das Ziel der Bildung, diese den Weg, die Mittel und die Hindernisse.“ (Herbart 1841/1880, S. 508)

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2. Analyse Erstkontext

Hierbei sollte aber unmittelbar darauf hingewiesen werden, dass Herbart, auch wenn es hier den Anschein macht, die Pädagogik nicht als eine reine, aus den beiden Begriffen zu deduzierende „Kunstlehre“ aufgefasst hat, sondern ihre Eigenständigkeit fordert, wie er in der Einleitung seiner Allgemeinen Pädagogik wie folgt zum Ausdruck bringt: „Es dürfte wohl besser sein, wenn die Pädagogik sich so genau als möglich auf ihre einheimischen Begriffe besinnen, und ein selbständiges Denken mehr cultiviren möchte; wodurch sie zum Mittelpunkte eines Forschungskreises würde, und nicht mehr Gefahr liefe, als entfernte, eroberte Provinz von einem Fremden aus regiert zu werden.“ (Herbart 1806/1880, S. 339) Herbart hatte, indem er einen erweiterten Begriff der Moralität seiner Erziehungslehre zugrunde legt, den er systematisch in der Allgemeinen praktischen Philosophie von 1808 ausarbeitet, die menschliche Freiheit als Freiheit des Willens bestimmt, die wiederum auf zwei Bedingungen beruht, die die Sittlichkeit erst real möglich machen. Diese beiden Bedingungen waren der einsichtige und geprüfte Wille sowie der Gehorsam gegenüber diesem derart beurteilten Willen (vgl. Herbart 1808). Davon ausgehend arbeitet Herbart in der Allgemeinen Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet die Thematik durch. Der Untertitel hebt zwar den Zusammenhang zwischen seiner Theorie einer Allgemeinen Pädagogik und der praktischen Philosophie hervor, da die allgemeine Pädagogik eben aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet werden soll und nicht aus der spezifischen Kausalität pädagogischen Wirkens, jedoch beinhaltet Herbarts Allgemeine Pädagogik ebenso „einen differenzierten Begriff pädagogischen Wirkens, welcher die Mittel und Maßnahmen pädagogischen Handelns grundlegt“ (Benner 1993, S. 84). Dies lässt schon der Aufbau des Werkes deutlich werden. So beschäftigt sich das erste Buch mit dem Zweck der Erziehung und zeigt, dass Moralität ein zusammengesetztes Ziel ist, das die antizipierte Selbstbestimmung an die zu fördernden Persönlichkeitseigenschaften der Vielseitigkeit des Interesses und der Charakterstärke der Sittlichkeit bindet. Dieser Zweiteilung entsprechend werden zwei Erziehungsmittel, die des Unterrichts und der Zucht geschlussfolgert und gefordert. Diesen beiden Erziehungsmitteln wird sich im zweiten Buch und im dritten Buch gewidmet. Im Hinblick auf die Interpretation der Gesamtsystematik und insbesondere

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den Begriff des (erziehenden) Unterrichts lassen sich in der Herbart-Forschung unterschiedliche Rezeptionslinien konstatieren. Rotraud Coriand vertritt die Position, dass Herbart mit Unterricht nur einen systematischen Aspekt und nicht das reale Phänomen Unterricht beschreibt und die Herauslösung der Didaktik aus der Systematik der Allgemeinen Pädagogik die logisch-kombinatorische Denkart Herbarts verkennt, die Josef. L. Blaß (vgl. 1969, 1972) und Gerhard Müßener (vgl. 1989, S. 177-199) dargestellt haben. In dieser Lesart kann der Begriff des Unterrichts erst in der Kombination mit dem anderen Grundbegriff der Erziehungslehre Herbarts, der Zucht praktisch bedeutsam werden, weshalb die Didaktik ein notwendiges Element der Gesamtsystematik der herbartschen Erziehungstheorie darstellt und somit nicht isoliert betrachtet werden kann (vgl. Coriand 2013, S. 18). Dietrich Benner hingegen erkennt in der Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses, die Herbart im zweiten Buch seiner Allgemeinen Pädagogik darlegt, aufgrund des dort zentralen Begriffes des Unterrichts den systematischen Ort der Didaktik und deutet diese im Sinne Herbarts als die Theorie des erziehenden Unterrichts, da Herbart seiner Lesart nach mit dem Begriff des Unterrichts das reale Phänomen Unterricht analysiert (vgl. 1993, S. 98-118). Auch Lothar Klingberg trifft die Unterscheidung in „Erziehenden Unterricht und Zucht“ (1997, S. 258; vgl. 1998, S. 119). Diese unterschiedlichen Rezeptionslinien begründen sich vor allem in der doppeldeutigen Verwendung des Begriffs des Unterrichts bei Herbart selbst. Zum einen erscheint der Begriff bei Herbart als systematisches Konstrukt in der Anwendung der logischen Kombinatorik in der Systembildung seiner Erziehungstheorie als Ganzes, aber auch als ein gegebenes reales Phänomen. Daher scheinen beide Interpretationen möglich, wenngleich der Autor der vorliegenden Studie der erstgenannten Lesart eine höhere Plausibilität zuspricht15. Gleichwohl ist es nicht das Ziel der vorliegenden Studie eine dahingehende Untersuchung und Positionierung vorzunehmen. Die Lesart für den Fortgang der vorliegenden Studie zu präferieren, die den Unterrichtsbegriff Herbarts als Analyse des realen Phänomens interpretiert und es damit möglich macht die Didaktik Herbarts als die Theorie des Erziehenden Unterrichts zu verstehen, liegt in der komparatistischen Logik 15 Diese höhere Plausibilität ergibt sich für den Autor aus den Schriften Herbarts selbst, da er bspw. davon spricht, dass „die bisher entwickelten Begriffe […] lediglich formal [sind, M.S.]“ und es darauf ankommt, „das Reelle dafür zu finden“ (Herbart 1806/1880, S. 467) oder, dass „in der wissenschaftlichen Betrachtung […] Begriffe getrennt [werden, M.S.], die in der Praxis stets verbunden bleiben müssen“ (Herbart 1841/1880, S. 511).

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der vorliegenden Studie begründet, da sowohl Wilhelm Rein als auch Charles und Frank McMurry Herbart dahingehend interpretieren und von da aus für ihre eigene Theoriebildung nutzen. Der Begriff der Zucht spielt bei Wilhelm Rein eine nachgeordnete und bei Charles und Frank McMurry überhaupt keine Rolle. 2.1.2.1 Kinderregierung Im ersten Buch der Allgemeinen Pädagogik bearbeitet Herbart das Erziehungsmittel der sogenannten Kinderregierung. Den Zweck der Kinderregierung, der die darin inbegriffenen Maßnahmen rechtfertigen soll, gründet sich für Herbart auf der Tatsache, dass es für die grundsätzliche Ermöglichung von Erziehung eines geordneten Rahmens bedarf. Dass das Kind seiner Auffassung nach willenlos und unfähig sich in ein sittliches Verhältnis zu setzen, zur Welt kommt, rechtfertigt die Tatsache, dass die Eltern sich seiner wie einer Sache bemächtigen können und dürfen (vgl. Herbart 1806/1880, S. 351). Die Sinnhaftigkeit der Kinderregierung ergibt sich für Herbart daraus, dass sie der „Vermeidung des Schadens, für Andre und für das Kind selbst, sowohl jetzt als künftig; theils Vermeidung des Streits, als Missverhältniss an sich; theils endlich Vermeidung der Collision, in welcher die Gesellschaft zum Streit, ohne vollkommen befugt zu sein, sich genöthigt finden“ (Herbart 1806/1880, S. 352) Sorge tragen soll. Wobei es ihr nicht zukommt, einen Zweck im Gemüt des Kindes zu verfolgen, sondern ausschließlich Ordnung zu schaffen, weshalb sie auch nach Herbart nicht zur eigentlichen Erziehung zu zählen ist (vgl. Herbart 1806/1880, S. 352). Die allgemeine Legitimierung etwaiger Gewaltausübung liegt für Herbart, seinen eigenen Worten nach, in den Grundsätzen der praktischen Philosophie begründet. Der entscheidende Begriff ist also der der Ordnung, denn nur die Herstellung bzw. Sicherung dieser als Zweck rechtfertigt die Gewaltausübung und zwar nur an den Stellen, an denen das Kind nicht in der Lage ist, die Ordnung selber herzustellen und noch nicht in seine eigenen Lernprozesse selbsttätig involviert ist. Nachdem Herbart den Zweck bzw. die Voraussetzungen der Legitimität der Regierung über Kinder bestimmt hat, kennzeichnet er die Maßnahmen selbiger: Drohung und Aufsicht bzw. Autorität und Liebe sind die Kennzeichen der Maßnahmen der Regierung über die Kinder (vgl. Herbart 1806/1880, S. 357). Es ist durchaus eine paradoxe Struktur, die aber auch zu erwarten war, da es um die Verbindung von Zwang und Freiheit geht. Denn Maßnahmen der Regierung sind in der pädagogi-

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schen Praxis notwendig, aber doch sollen sie, sobald wie möglich, eine nachgeordnete Rolle spielen, damit eine Erziehung zur Freiheit oder, wie Herbart auch sagt, ächten Erziehung wirksam werden kann, die wiederum insofern vom Lernenden abhängt, als dass er aktiv in den Lernprozess involviert ist (vgl. Benner 1993, S. 96). 2.1.2.2 Die Theorie des Unterrichts als Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses Nähern wir uns nun im Folgenden dem, was für Herbart die eigentliche Erziehung bedeutet. Das zweite Kapitel des ersten Buches innerhalb der Allgemeinen Pädagogik, das mit Eigentliche Erziehung betitelt ist, dient als Einleitung zu dieser Abhandlung. Daraus lässt sich ein weiteres Mal deutlich erkennen, dass Herbart die Regierung zwar als notwendig, sie jedoch keinesfalls als hinreichende Maßnahme einer Erziehung erachtet. Der Zweck der Erziehung, die Moralität, spaltet sich für Herbart auf in die Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses, die „das Reich der künftigen Zwecke des Zöglings in die Provinz der bloss möglichen [Hervorhebung im Original, M.S.] Zwecke, die er vielleicht einmal ergreifen, und in beliebiger Ausdehnung verfolgen möchte“ (Herbart 1806/1880, S. 362) Rechnung trägt und der Charakterstärke der Sittlichkeit, die „die davon völlig abgetrennte Provinz der nothwendigen Zwecke“ (Herbart 1806/1880, S. 362), die aus der Sittlichkeit folgt und eine „Festigkeit des Charakters“ (Herbart 1806/1880, S. 459) darstellt. An diese beiden Teilzwecke der Erziehung schließen sich die entsprechenden Erziehungsmittel des Unterrichts, der für die Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses Sorge zu tragen hat und die Zucht, der die Aufgabe der Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit zukommt. Das Interesse gilt es für Herbart so vielseitig wie möglich auszubilden, allerdings sollte dabei „die Fülle nicht Schwäche werden durch zu weit fortgesetzte Zerstreuung in Vielerlei“ (Herbart 1806/1880, S. 364). Für Herbart stellt das Interesse den Anfangspunkt eines Strebens dar, der die bloß möglichen Zwecke, die im Zögling vorhanden sind, ermöglicht und ihm damit gleichsam den Weg zu seiner Individualität und Identität ebnet (vgl. Brückmann 1961, S. 186). Für die weitere Erläuterung ist es erhellend darauf hinzuweisen, dass die Ausbildung der Vielseitigkeit des Interesses als pädagogisches Korrelat zum bereits weiter oben eingeführten Begriff des einsichtigen Willens als erste Bedingung der Möglichkeit realer Sittlichkeit zu verstehen ist (vgl. Benner 1993, S. 106). Welche Bestimmungen haben nun die Vielseitigkeit des Interesses als pädagogi-

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sche Entsprechung des einsichtigen Willens in ihrer zeitlichen Genese innerhalb des pädagogischen Wirkens? Hierzu ist es fruchtbar diese Bestimmungen in drei Kategorien zu unterteilen, die in ihrer Gesamtheit den genetischen Teil der Allgemeinen Pädagogik Herbarts ausmachen. Namentlich sind das ein formaler, ein materialer sowie ein interaktiver Teil (vgl. Benner 1993, S. 106). In formaler Hinsicht bedeutet dies, dass Herbart seinen Begriff der ästhetischen Kausalität, in Bezug auf das menschliche Lernen, als Entwicklung der Vielseitigkeit des Interesses als ein „Verhältnis zu sich selbst und zum jeweiligen Lerngegenstand definiert“ (Benner 1993, S. 106). Dabei unterscheidet er die zeitliche Genese der Vielseitigkeit, die sich erwartungsgemäß von Einseitigkeit zu Vielseitigkeit entwickelt, sowie des Interesses, das sich vom interessenlosen Interesse hin zum interessierten Interesse entwickelt. Im Rahmen der Vielseitigkeit kommt es zu der weiteren Unterteilung in Vertiefung als erster Stufe und der Besinnung als zweiter Stufe. Diese beiden sind wiederum untergliedert. Im Falle der Vertiefung differenziert er die Unterstufen der Klarheit und der Assoziation sowie im Falle der Besinnung in System und Methode (vgl. Herbart 1806/1880, S. 383-386). Im Bereich des Interesses unterteilt Herbart wiederum in einen Teil des Interesses und einen der Begehrung. Dabei ist der Teil des Interesses in die Unterstufen Merken und Erwarten und der der Begehrung in die Unterstufen Fordern und Handeln gegliedert (vgl. Herbart 1806/1880, S. 389-390). Innerhalb beider zeitlichen Genesen der Vielseitigkeit als auch des Interesses bildet die jeweils erste Stufe, das heißt im Rahmen der Vielseitigkeit, die Stufe der Vertiefung sowie im Rahmen des Interesses die des Systems, eine Stufe, die das Verhältnis des Lernenden zum Lerngegenstand beschreibt. Die jeweils zweite Stufe, Besinnung und Methode, beschreibt das Verhältnis des Lernenden zu sich selbst (vgl. Benner 1993, S. 106-107). Dieser Prozess, den Herbart hierbei aufführt, ist die Vertiefung des Lernenden in den Gegenstand. In der ruhenden Vertiefung sieht der Lernende den Gegenstand zuerst einmal klar vor sich. Der Fortgang besteht nun darin, dass die einzelnen Vorstellungen, die aus der Klarheit entstehen, miteinander assoziiert werden. Auf der Stufe der Besinnung erfolgt nun eine Strukturierung und Systematisierung der eigenen Erfahrung. Es ist somit eine Selbstreflexion des Lernenden in Bezug auf das Gelernte (vgl. Benner 1993, S. 107). Das Verhältnis zwischen System und Methode beschreibt Herbart wie folgt:

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„Der Fortschritt der Besinnung ist Methode. Sie durchläuft das System; producirt neue Glieder desselben, und wacht über die Consequenz in seiner Anwendung.“ (Herbart 1806/1880, S. 386) In Bezug auf die beiden Unterstufen der Besinnung ist es entscheidend zu beachten, dass „die Unterstufe der Systematisierung derjenigen der Methode vorausgeht und nicht etwa folgt. Die methodische Offenheit, neue Vorstellungen mit schon angeeigneten zu verknüpfen (Assoziation) und zu systematisieren (System), führt im Lernen nicht zu einem geschlossenen Gedankenkreis, sondern bleibt offen für neue Erfahrungen. Solche Offenheit zeichnet den Vielseitigen gegenüber dem Einseitigen aus“ (Benner 1993, S. 107-108). Unter Gedankenkreis versteht Herbart die Gesamtheit der Vorstellungsmassen und ihre Organisation. Der Begriff ergibt sich aus der intellektualistischen Annahme, dass das menschliche Seelenleben aus einem mehr oder weniger geordneten Komplex von Vorstellungen besteht. Der eine Teil ist also der, der die Ausbildung der Vielseitigkeit betrifft und dieser steht für Herbart naturgemäß in enger Beziehung zur Ausbildung des Interesses. Die Entwicklung dieses in der Zeit bezieht sich zunächst einmal „nicht auf das Verhältnis zwischen Lernenden und Lerngegenstand und zu sich angesichts des Gelernten, sondern auf die Intentionalität des Lernenden, die ihn mit sich und anderen verbindet“ (Benner 1993, S. 108). Wie weiter oben schon erwähnt, gliedert sich die Entwicklung des Interesses in die Stufen des Interesses und die Stufe der Begehrung. Zur Unterscheidung zwischen beidem ist bei Herbart nachzulesen: „Das Interesse, welches, mit der Begehrung, dem Wollen, und dem Geschmacksurteil gemeinschaftlich, der Gleichgültigkeit entgegensteht, unterscheidet sich dadurch von jenen dreien, daß es nicht über seinen Gegenstand disponiert, sondern an ihm hängt [Hervorhebungen im Original, M.S.]. Wir sind zwar innerlich aktiv, indem wir uns interessieren, aber äußerlich solange müßig, bis das Interesse in Begierde und Wille übergeht. Dasselbe steht in der Mitte zwischen dem blossen Zuschauen und dem Zugreifen.“ (Herbart 1806/1880, S. 389)

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2. Analyse Erstkontext

Nun gilt es noch zwischen den Unterstufen und deren Verhältnis in der zeitlichen Genese des Interesses im Speziellen zu unterscheiden. Zur ersten dieser Unterstufen schreibt Herbart: „Die erste Causalität, welche eine Vorstellung, die vor andern hervorragt, über sie ausübt, ist, dass sie (unwillkürlich) dieselben zurückdrängt und verdunkelt. Indem sie nun ihre Kraft anwendet, um das zu bereiten, was wir oben Vertiefung nannten, können wir den Zustand des so beschäftigten Gemüths durch das Wort Merken [Hervorhebungen im Original, M.S.] bezeichnen.“ (Herbart 1806/1880, S. 389) An dieser Stelle wird durch die Beschreibung dieses Prozesses die Verschränkung zwischen Vertiefung als Unterstufe der Entwicklung der Vielseitigkeit und des Interesses als Unterstufe der Entwicklung des eigentlichen Interesses deutlich. Herbart beschreibt hier, wie es dazu kommt, dass innerhalb der Vertiefung bestimmte Vorstellungen, die andere wiederum in den Hintergrund treten lassen, vom lernenden Subjekt gemerkt werden. Der Umstand, dass er dabei von einem beschäftigten Gemüt spricht, betont den Prozesscharakter. Im weiteren Verlauf ist es nun möglich, dass es entweder aus der Vertiefung heraus zu einem neuen Merken kommt oder durch eine Assoziation, die allerdings noch nicht durch etwas Wirkliches für den Lernenden bestätigt ist, zu dem kommt, was Herbart Erwartung nennt. Diese Stelle ist es, die Herbart meint, wenn er weiter oben davon spricht, dass das Interesse zwischen dem Zuschauen und dem Zugreifen liegt (vgl. Herbart 1806/1880, S. 389). An dieser Stelle nun kann die Erwartung zur Begehrung werden, wenn sich das Interesse in Folge einer Assoziation auf ein künftiges richtet. Die Begehrung, die sich durch ein Fordern des künftigen Gegenstandes ankündigt, kann sich dann in einem nächsten Schritt als Handeln äußerlich manifestieren (vgl. (Herbart 1806/1880, S. 389). Die erste Stufe und ihre Unterstufen des Merkens und Erwartens stehen dabei für „das interessenlose Interesse des Lernenden in der Vertiefung in einen Lerngegenstand […]. Die zweite Stufe der Entwicklung des Interesses […] meint das interessierte Interesse des Lernenden in der Besinnung auf zurückliegende Erfahrung oder im Entwurf künftiger Lernprozesse; sie gliedert sich in die beiden Unterstufen des Forderns und Handelns“ (Benner 1993, S. 108). Hieran wird schon

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die Verschränkung der zeitlichen Entwicklung der Vielseitigkeit und des Interesses und seiner beiden jeweiligen Stufen deutlich, wenn Benner schreibt, dass mit der ersten Stufe ein interessenloses Interesse in der Vertiefung und mit der zweiten Stufe ein interessiertes Interesse in der Besinnung gemeint ist (vgl. Benner 1993, S. 109). Das heißt also, dass der Prozess der Entwicklung und der Fortgang der beschriebenen Stufen in ihrem Verhältnis zueinander als derart gestaltet verstanden werden muss, dass die Entwicklung durch ein permanentes reziprokes Verhältnis, da das Gemüt ständig in Bewegung ist (vgl. Herbart 1806/1880, S. 385), in der Zeit gekennzeichnet ist. Es ist also ebenfalls Aufgabe des Unterrichts, im Zögling nicht nur Interesse auszubilden, sondern darauf zu achten, dass dieses Interesse ein geduldiges ist und sich nicht nach Maßgaben eines egoistischen Strebens organisiert. Herbart hat daher nicht im Sinn, dass das Interesse im Unterricht unmittelbar praktisch wird. Vielmehr ist das Handeln ein Bereich der Begehrung und liegt außerhalb der Sphäre des Unterrichts in den alltäglichen Situationen, wie er es in seiner Systematik beschreibt. Die hierfür erforderlichen Handlungskompetenzen kann der Unterricht nur fördern und nicht direkt hervorbringen (vgl. Benner 1993, S. 115). Es soll also nicht die Tat sein, die im Unterricht angestrebt wird, sondern, wie er sagt, eine andere Art von Tätigkeit, die eher im Bereich der Erwartung zu finden ist, nämlich das Versuchen, das das Interesse der Kinder bereichern kann. Nachdem nun die Formstruktur erörtert wurde, sollen jetzt die Charakteristika der Vielseitigkeit des Interesses in materialer Hinsicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Diesen Bereich benennt Herbart mit den Gegenständen des Interesses und bearbeitet das pädagogische Problem des Curricularen. Es ist die Frage nach den Lerninhalten. Herbart geht es eben darum, dass diese Lerninhalte nicht nach Gegenständen klassifiziert werden und zu einem „Katalog nützlicher Lektionen“ verkommen, der wiederum die Identität des zur Vielseitigkeit interessierten Herangebildeten gefährden würde, da sie sich in Einseitigkeiten verliert. Daraus lässt sich erkennen, dass Herbart im Allgemeinen eine Abneigung gegenüber Lehrplänen hat, die festlegen, welcher Stoff zu welcher Zeit den Zöglingen nähergebracht werden soll, ohne dabei die jeweiligen individuellen Situationen und Konditionen der Lehr-Lern-Situation und insbesondere der Individualität, die den Ansatzpunkt von Erziehung und Unterricht bildet, zu berücksichtigen (vgl. Weiss 1928, S. 183). Darüber hinaus bleibt zu beachten, dass Herbart unter Gemüt die Identität des lernenden Subjekts in Bezug auf alle möglichen weltlichen Inhalte versteht und für

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2. Analyse Erstkontext

ihn das Interesse ebenso einen Gemütszustand darstellt (vgl. Benner 1993, S. 111). Daher ist es für ihn zwangsläufig erforderlich, eben nicht Gegenstände, sondern Gemütszustände zu klassifizieren. Dabei unterscheidet Herbart zwei Gemütszustände: zum einen den der Erkenntnis, zum anderen den der Teilnahme (vgl. Benner 1993, S. 111). Der Gemütszustand der Erkenntnis erstreckt sich dabei auf das Gebiet der Natur sowie der Menschheit und die Teilnahme auf den zwischenmenschlichen Umgang (vgl. Benner 1993, S. 111). Im Falle der Erkenntnis, die sich aus der alltäglichen Erfahrung speist, bedeutet dies, dass sie sich von eben dieser Erfahrung aufspaltet in die Bereiche der Mannigfaltigkeit der Dinge und ihrer Gesetzmäßigkeiten sowie ihrer ästhetischen Verhältnisse (vgl. Herbart 1806/1880, S. 393). Im Falle der Teilnahme spaltet es sich in die Bereiche der Gesellschaft und des Verhältnisses der Menschen zum höchsten Wesen auf (vgl. Herbart 1806/1880, S. 393). Den Unterricht betrachtet Herbart dabei als sinnvolle Ergänzung zu diesen „natürlichen“ oder „nicht planvollen“ Quellen der Beeinflussung des Gedankenkreises des Zöglings, indem er gezielt und geplant die aus diesen Quellen gewonnen Vorstellungen ordnet. Dies ist als Aufgabe des analytischen Unterrichts zu verstehen und wird durch den synthetischen Unterricht ergänzt und erweitert (vgl. Herbart 1806/1880, S. 398-400). Im Verhältnis zur formalen Bestimmung muss beachtet werden, dass es sich zwar ebenso um die Beschreibung der Entwicklung in der Zeit handelt, es jedoch nur eine Kategorisierung von Gleichzeitigem darstellt, wohingegen die formale Bestimmung eine zeitliche Struktur im Sinne einer Stufenfolge offenbart (vgl. Herbart 1806/1880, S. 405). Mit dieser Erweiterung und näheren Beschreibung des Geschäfts des Unterrichts verbindet Herbart eine gewisse Stufenfolge desselbigen. Er will dies allerdings nicht als ein rigides Nacheinander verstanden wissen, sondern eher als eine Folge gekennzeichnet von Abhängigkeit (vgl. Herbart 1806/1880, S. 404). Hierbei tritt ein weiteres Merkmal einer Erziehung durch Unterricht in Erscheinung. Es ist das Merkmal seines interaktiven Charakters. Dieses Merkmal kennzeichnet Unterricht als einen interaktiven Prozess, der in der Auseinandersetzung mit Lerngegenständen stattfindet. Der Lernende eignet sich sie jedoch dabei in der Art an, dass er nicht nur eine Urteilskompetenz über den jeweiligen Gegenstand erwirbt, sondern gleichwohl die Tendenz entwi-

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ckelt, das Erlernte über den Unterricht hinaus anzuwenden (vgl. Benner 1993, S. 115). Das heißt, dass die, von Herbart der formalen Struktur der Entwicklung des vielseitigen Interesses beigefügten unterrichtlichen Aktivitäten nicht als alleinige Betätigung bzw. Bezeichnung dieser Betätigung des Lehrers zu verstehen sind, sondern einen interaktiven Charakter des Zusammenspiels von Lehrer- und Schüleraktivität innerhalb der Beschäftigung mit einem Lerngegenstand darstellen (vgl. Benner 1993, S. 114). Abschließend soll nun noch eine kurze Erläuterung zu dem von Herbart konzipierten Gang des Unterrichts erfolgen. Dieser kann wiederum durch eine Dreiteilung beschrieben werden. Für Herbart gibt es den bloß darstellenden, den analytischen und den synthetischen Unterricht. Für Herbart ist klar, dass der Ansatzpunkt immer die schon vorhandenen Vorstellungen des Zöglings sind, die sich aus der jeweiligen alltäglichen Erfahrung sowie dem alltäglichen Umgang ergeben (vgl. (Herbart 1806/1880, S. 416). Hierbei kommt der bloß darstellende Unterricht ins Spiel. Der bloß darstellende Unterricht hat auf Gegenstände zurückzugreifen, die dem Erfahrungskreis des Zöglings nicht allzu fernliegen und denen eine hinreichende Ähnlichkeit innewohnt (vgl. Herbart 1806/1880, S. 417). Die Erweiterung des Vorstellungskreises durch diese Lehrart geschieht dabei sozusagen durch „den Erwerb von Phantasievorstellungen, zu denen der individuelle Lebenskreis die Elemente geliefert hat“ (Weiss 1928, S. 206). Der analytische Unterricht beschäftigt sich mit den schon vorhandenen Vorstellungen und deren inneren Struktur innerhalb des Gedankenkreises des Zöglings. Er hat zur Aufgabe, diese zu zerlegen und zu voller Klarheit zu bringen, sie zu ordnen, sie gegebenenfalls zu berichtigen und zu vervollständigen (vgl. Herbart 1806/1880, S. 418-420). Es bleibt dabei, daran zu erinnern, wie schon weiter oben festgestellt wurde, dass dieser hier beschriebene Prozess keine reine Lehrertätigkeit darstellt, sondern immer auch eine gehörige Eigenaktivität des Zöglings voraussetzt und erwartet. Dies wird an verschiedener Stelle deutlich. Allein vom logischen Standpunkt her ist klar, dass sich der Erzieher nur den bereits vorhandenen Gedankenkreis der Zöglinge in der Interaktion mit ihnen erschließen kann. Ferner wird deutlich, wenn Herbart davon spricht, dass die Analyse des Gedankenkreises eine Systematisierung leisten kann, die jedoch nur gelingt, wenn sie denkend begleitet wird. Dieses begleitende

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2. Analyse Erstkontext

Denken zielt auf zweierlei: zum einen soll der Zögling seinen Gedankenkreis geistig begehen und dies denkend begleiten, zum anderen soll der Erzieher den Zögling bei diesem Prozess ebenso denkend begleiten. Weiterhin bleibt darauf hinzuweisen, dass der von Herbart verwendete Begriff der Assoziation nicht in der Form verstanden werden darf, dass die einzelnen Merkmale zusammengeführt werden, sondern dass sich im Gegenteil in die Einzelheiten und ihren Spezifikationen vertieft wird. Es geht darum, dass man sich ihrer Differenzen klar wird und in diesem Sinne analysiert und zerlegt (vgl. Geissler 1970, S. 163). Der analytische Unterricht beschränkt sich auf das, was er im Zögling bereits vorfindet und ist in seiner Auswahl des Stoffes an diese Beschränkung gebunden. Unterricht soll aber natürlich darüber hinaus nicht nur die schon vorhandenen Vorstellungen bearbeiten, sondern neue in den Gedankenkreis der Zöglinge integrieren. An dieser Stelle kommt der umfassendste, schwierigste, aber auch ertragreichste Teil des Unterrichts zu seiner Entfaltung, namentlich der synthetische Unterricht, welchem Herbart die größte Bedeutung beimisst. Die grundlegende Vorgehensweise im Kontext des synthetischen Unterrichts ist die Synthese in Form der Kombination (vgl. Herbart 1806/1880, S. 422-423). Das heißt, es werden Merkmale zu Begriffen zusammengeführt und abstrahiert. Abgesehen davon gibt es eine zweite Tendenz des synthetischen Unterrichts. Diese bezeichnet Herbart mit dem Begriff der Spekulation, diese spekulative Synthesis ist „gänzlich verschieden von der logisch-combinatorischen [und, M.S.] beruht auf den Beziehungen [Hervorhebung im Original, M.S.]“ (Herbart 1806/1880, S. 423). Es geht also im Wesentlichen beim synthetischen Unterricht darum, in der Besinnung Merkmale zu Begriffen zusammenzusetzen und diese Begriffe wiederum zu Systemen zu arrangieren. Darüber hinaus soll er, im Sinne der weiter oben beschriebenen Stufe der Methode, die erarbeiteten Systeme in Anwendung bringen und dabei das Bewusstsein der methodischen Offenheit kultivieren und die Anschlusspunkte für neue Vertiefungen ermöglichen (vgl. Herbart 1806/1880, S. 423-424). 2.1.2.3 Die Theorie der Zucht als Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit In diesem Abschnitt wird der zweite Teil von dem, was Herbart als eigentliche Erziehung betrachtet, thematisiert. Namentlich ist es die Zucht, die den Gehorsam gegenüber einem einsichtigen Willen hervorbringen soll. Diesen Gehorsam bezeichnet Herbart als die Charakterstärke der Sittlichkeit. Nachdem es sich im

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Vorangegangenen um die bloß möglichen Zwecke des Zöglings handelte, sollen nun die für Herbart notwendigen Zwecke im Mittelpunkt stehen. Die notwendigen Zwecke stellen hierbei die Zwecke der Sittlichkeit dar und sind, wie weiter oben schon erwähnt, von denen der bloß möglichen zukünftigen Zwecke des Zöglings streng zu unterscheiden. Die Charakterbildung zielt also auf die zweite Bestimmung eines guten Willens, als Gegenstand der individuellen Sittlichkeit als dem Gehorsam dem einsichtigen Willen gegenüber, ab. Dies betrachtet Herbart als die notwendigen Zwecke des Zöglings, die zwingend in den Erziehungsprozess zu integrieren sind (vgl. Herbart 1806/1880, S. 366). Im diesem Zusammenhang lehnt Herbart für den Bereich der Zucht, als Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit, jegliche hedonistische Lehre ab und bestimmt die Ideen des Rechten und Guten16 als Gegenstände des Willens zu den Zielen der Charakterbildung (vgl. Herbart 1806/1880, S. 368). Der Ansatzpunkt für die Ausbildung der Charakterstärke der Sittlichkeit ist naturgemäß die Individualität des Zöglings, wobei „die Individualität wie in einem flüssigen Elemente, das nach den Umständen ihr widersteht oder sie begünstigt […] eingetaucht erhalten werden [muss, M.S.]“ (Herbart 1806/1880, S. 375). Den hierfür erforderlichen Modus des Charakters stellt die Zucht dar (vgl. Herbart 1806/1880, S. 375). Den Beginn der Erarbeitung der Theorie einer Ausbildung der Charakterstärke der Sittlichkeit stellt bei Herbart eine begriffliche Auseinandersetzung dar und nimmt ihren Ausgang bei einer formalen Bestimmung des Begriffs des Charakters, der „nicht die wandelbaren Wünsche und Launen, sondern das Gleichförmige und Feste des Willens; das, wodurch er bestimmt dieser und kein andrer ist, [darstellt, M.S.]“ (Herbart 1806/1880, S. 457). Dies stellt die grundlegende Bestimmung dar, die im Laufe der weiteren begrifflichen Bestimmung analysiert und in Folge dessen in einen objektiven und einen subjektiven Teil des Charakters unterteilt wird (vgl. Herbart 1806/1880, S. 457). 16 Herbarts Ideenlehre umfasst außerdem die Idee der inneren Freiheit, nach der der Wille der Einsicht entsprechen soll, die Idee der Vollkommenheit, die die Beziehung der verschiedenen Begehrungen innerhalb des Vorstellungskreises des Individuums behandelt, die Idee des Wohlwollens, die das Verhältnis der Willen zweier Individuen zum Gegenstand hat und die Idee der Billigkeit, die das Verhältnis zweier Willen verschiedener Personen anbelangt, das sich aus einer absichtlichen Tat ergibt, weshalb ein Wille dem anderen zu- oder abgeneigt ist, die allesamt die möglichen einfachen Willensverhältnisse beschreiben (vgl. Brückmann, A. 1961, S. 126-128).

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Hierbei kommt er zurück auf seine kritische Auseinandersetzung mit der kantischen Unterscheidung zwischen empirischem und intelligiblem Charakter, indem er versucht zu zeigen, dass die Bildung des Charakters durch eine ästhetisch-interaktive Kausalität erfolgt. Hierfür zerlegt Herbart den Begriff des Charakters in einen objektiven und einen subjektiven Teil und diese beiden wiederum, im Falle des objektiven Teils, in die Unterbegriffe Gedächtnis des Willens und Wahl und im Falle des subjektiven Teils in die Unterbegriffe Grundsatz und Kampf (vgl. Herbart 1806/1880, S. 459-461). Unter dem objektiven Teil des Charakters versteht Herbart den Teil, den ein jeder schon aufgrund seiner vorangegangenen Handlungen erworben hat und als subjektiven Teil denjenigen, der den objektiven beschaut und reflektiert (vgl. Herbart 1806/1880, S. 457-458). Es gilt allerdings unbedingt zu beachten, dass der objektive Charakter nicht die Instanz ist, die unmittelbar die Wahl vornimmt, sondern er engt die Auswahlmöglichkeiten ein und wirkt somit mittelbar auf die in einer speziellen Situation ausgewählte Handlungsoption ein (vgl. Benner 1993, S. 121). Das Verhältnis dieser beiden Teile des Charakters überhaupt ist dadurch gekennzeichnet, dass der objektive Teil, der durch die vorangehenden Entscheidungen hinsichtlich verschiedener Handlungsmöglichkeiten, ebenso die zukünftige Entscheidungsgrundlage prädisponiert. Der subjektive Teil, zu verstehen als Selbstreflexion des eigenen Charakters, besitzt zwar keine unmittelbare Verfügungsgewalt über den objektiven Teil, entwickelt jedoch in seiner Selbstbeschau Maxime für zukünftiges Handeln und beeinflusst darüber die Richtung der Entwicklung des objektiven Charakters (vgl. Benner 1993, S. 121). Dabei sind die dem objektiven Teil zugeordneten Unterbegriffe, im Falle des Gedächtnisses des Willens, zu verstehen als Inzidenzpunkt aller vorangegangener Handlungen und ihrer Wirkung auf den Charakter und die Wahl als Charakteristikum der äußeren Manifestation im Handeln des objektiven Charakters. Im Bereich des subjektiven Teils des Charakters waren die Unterbegriffe, wie weiter oben schon erwähnt, die des Grundsatzes und des Kampfes. Der Unterbegriff des Grundsatzes ist zu verstehen als die Tätigkeit des subjektiven Charakters in der Reflexion des objektiven Teils und seiner Tendenzen im Handeln, um dabei zukünftige Grundsätze zu entwickeln und vorausgesetzt, dass sie nicht mit denen des objektiven Teils konform sind, tritt der Fall des Kampfes ein (vgl. Herbart 1806/1880, S. 460-461). Weiter oben wurde festgestellt, dass Herbart bei der Bestimmung des Charakters auf seine Auseinandersetzung mit der kantischen

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Unterscheidung des empirischen und des intelligiblen Charakters zurückkommt und die Kritik daran hierbei nutzbringend einsetzt. Die bisher dargelegte Bestimmung des Charakters und der Beziehung zwischen objektivem und subjektivem Teil des Charakters beziehen sich dabei auf den empirischen Charakter, da sie den Charakter in seiner zeitlichen Bedingtheit und nicht wie bei Kant als mechanisches Verhältnis von Ursache und Wirkung beschreibt. Zu verstehen ist die Wechselwirkung zwischen subjektiven und objektiven Teil des Charakters daher als eine Neubestimmung des kantischen empirischen Charakters, als eine Beziehung (vgl. Benner 1993, S. 122). Nachdem die formale Bestimmung des Begriffs des Charakters als solcher erfolgt ist, bleibt nun noch die Bestimmung des Begriffs des sittlichen Charakters. Diese Bestimmung stellt, um im Bild der kantischen Unterteilung in empirischen und intelligiblen Charakter zu bleiben, eine konstruktive Wendung der Kritik Herbarts am Begriff des intelligiblen Charakters dar, die zu einer Neufassung selbiger führt. Wobei Herbart diesem Begriff, im Unterschied zu Kant, bekanntlich ebenso wie dem Charakter als solchem eine Temporalität zuschreibt. Es geht nun im Folgenden für Herbart darum, die Entwicklung des Charakters als solchen in der Zeit mit dem sittlichen Charakter in eine Wechselbeziehung zu bringen, aus der die Charakterstärke der Sittlichkeit entstehen kann (vgl. Herbart 1806/1880, S. 462). Daher unternimmt Herbart einen Rekurs auf den Begriff der Sittlichkeit und unterteilt diesen, analog zur Unterteilung des Charakters als solchen, in einen objektiven und einen subjektiven, in einen positiven und einen negativen Teil. Das Verhältnis dieser beiden Teile ist dadurch kennzeichnet, dass „das Censiren selbst […] positiv [ist, M.S.]; aber die Censur […] negativ für [Hervorhebung im Original, M.S.] den, ihren Forderungen nicht angemessenen Charakter, wie er in dem Objectiven der Persönlichkeit gegründet vorliegt, [ist]“ (Herbart 1806/1880, S. 463-464). Es wird anhand dieser ersten Bestimmung deutlich, dass Herbart zwar in beiden Teilen, sowohl dem positiven als auch dem negativen, eine Tätigkeit sieht. Allerdings beschränkt sich diese im positiven Teil nur auf eine passive Beschau. Der negative Teil hingegen, im Falle dessen, dass die Beschau des positiven Teils ergeben hat, dass der objektive Teil einer sittlichen Beurteilung nicht gemäß ausfällt, stellt ein aktives Eingreifen in die Konstitution des Charakters dar, die sich, im Falle des Entschlusses zum Gehorsam gegenüber dieser Einsicht, in einer aufrichtigen Arbeit am eigenen Charakter der Person widerspiegelt (vgl. Herbart 1806/1880, S. 465).

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2. Analyse Erstkontext

Die Begrifflichkeiten, die hierbei eine besondere Rolle spielen, sind die der Beurteilung und der Wärme, die für Herbart den positiven Teil der Sittlichkeit ausmachen. Die Beurteilung an sich hat eine sittliche zu sein und kann als solche zu einer Wärme für das Gute werden. Der objektive Charakter muss einer sittlichen Beurteilung, was weiter oben als Zensur bezeichnet wurde, unterzogen werden, die das Gedächtnis des Willens und seiner Motive hinterfragt und dabei ein Urteil über diese fällt. Dieses Urteil wiederum muss getragen sein von sittlicher Wärme, denn „schon in dem Objectiven des Charakters müssen sich die Auffassungen des Guten und Rechten mit den andern Auffassungen des Geschmacks, und mit denen der Klugheit, zusammenfinden; und, dreist durch ihre Klarheit, bei der allgemeinen Wahl [Hervorhebung im Original, M.S.] den Vorrang einnehmen, welcher ihnen vor allen Regungen des Verlangens gebührt“ (Herbart 1806/1880, S. 466). Diesen Bestimmungen des positiven Teils, die sich auf den objektiven Charakter beziehen, steht der negative Teil, der sich an den subjektiven Charakter wendet, gegenüber. Ebenso wie er den beiden Unterbegriffen des objektiven Charakters die Begriffe der sittlichen Beurteilung und der Wärme der positiven Sittlichkeit beiordnet, vollzieht er dies analog im Verhältnis von subjektivem Charakter mit seinen Unterbegriffen und dem negativen Teil der Sittlichkeit. Das heißt im Einzelnen, dass dem Grundsatz die Entschließung, sittlich zu handeln, und dem Kampf die Selbstnötigung zur Sittlichkeit entspricht. Entschließung meint, einen Grundsatz aufzustellen, der sittlichen Ansprüchen genügt. Dies ist in dem Fall, dass Zensur und Zensiertes übereinstimmen, also, dass die Wahl des objektiven Charakters im Sinne der gefassten Einsichten ausfällt, unproblematisch und kann leicht vermittelt werden. Im Fall der Divergenz von Zensur und Zensiertem allerdings, das heißt im Fall des Kampfes zwischen sich widersprechenden Motiven und Grundsätzen, ist eine Selbstnötigung zum sittlichen Handeln nötig. Dann tritt die Entschließung dem objektiven Charakter negierend entgegen. Das Zensierte, das vorgegebene Objektive, das dem Grundsatz entgegensteht, kann also durch den subjektiven Teil des Charakters verändert werden, sofern dessen Entschließung dem jeweiligen Grundsatz der Zensur nachkommt (vgl. Herbart 1806/1880, S. 466). Diese Ausführungen beschreiben den formalen Begriff der Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit in ihrer zeitlichen Genese. Es bleibt jedoch zu bestimmen, wie die Grundlegung in pädagogischer Hinsicht mit entsprechenden Maßnahmen auszusehen hat. Hierbei ist es von grundlegender Bedeutung zu be-

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achten, dass die Bestimmung des formalen Begriffs der Entwicklung der Charakterstärke der Sittlichkeit durch ein Verständnis vom systematischen Zusammenhang von Allgemeiner Pädagogik und praktischer Philosophie im herbart’schen Sinne vermittelt ist (vgl. Benner 1993, S. 123). Es ist die vornehmliche Aufgabe der Pädagogik, sich an den objektiven Charakter zu wenden und die Aufgabe der Ethik, sich an den subjektiven Charakter zu richten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Herbart ausdrücklich die Autonomie des Individuums in Fragen der sittlichen Beurteilung des eigenen Motivationshorizonts anerkennt. Die Erziehung mit ihrer Einflussnahme auf den objektiven Charakter hat der sittlichen Entwicklung der Charakterstärke, die vom Individuum jedoch selbst zu leisten ist, den Weg zu bereiten und ihr einen festen Boden zu schaffen, auf dem sie wachsen kann (vgl. Herbart 1806/1880, S. 458). Wie lassen sich nun dieser objektive Charakter und der damit verbundene Motivationshorizont durch entsprechende Maßnahmen beeinflussen? Im Unterschied zum Unterricht, bei dem Schüler und Lehrer sich mit etwas Drittem, namentlich dem Lerngegenstand, beschäftigen, und ihre Interaktion darüber vermittelt ist, ist es im Bereich der Zucht das unmittelbare Handeln im Zwischenmenschlichen, eben zwischen Schüler und Lehrer (vgl. Benner 1993, S. 125). Die Maßnahmen des erziehenden Unterrichts können also nicht das angebrachte Mittel sein. Noch weniger kommen die Maßnahmen der Regierung in Frage, da es bei der Entwicklung der Charakterstärke nicht ausschließlich darum geht, wie es der Legitimität der Maßnahmen der Regierung entspricht, am Handeln zu hindern und keine Zwecke beim Zögling zu verfolgen, „sondern [sie, M.S.] sollen gerade gemäß eigener, sittlicher Beurteilung der Beweggründe zum Handeln auffordern, damit sich im Heranwachsenden ein sittlicher Charakter bilde“ (Benner 1993, S. 125). Diese beiden Säulen des pädagogischen Handelns stellen sich dementsprechend als untauglich heraus. Die Maßnahmen der Charakterbildung innerhalb der Zucht müssen also anders geartet sein als die der Regierung wie auch des Unterrichts. Die Zucht soll ihrerseits zum Handeln auffordern, das gemäß eigener sittlicher Beurteilung angemessen ist, mit dem Zweck der Bestimmung des Charakters in Folge dieses Handelns, gemäß eigener Einsicht. In Folge dieser beiden Bestimmungen zur Einflussnahme untergliedert Herbart die Maßnahmen der Zucht in vier Teilbereiche und setzt sie analog zur Struktur der zeitlichen Genese der Charakterstärke der Sittlichkeit. Die vier Teilbereiche sind begrifflich gefasst in der

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2. Analyse Erstkontext

haltenden Zucht, der bestimmenden Zucht, der regelnden Zucht sowie der unterstützenden Zucht. Im Bereich der haltenden Zucht gilt es, den Heranwachsenden vor seinem Leichtsinn und allzu großer Spontanität zu schützen und ihn beständig zur Konsequenz in seinem Handeln wie auch zur immerwährenden kritischen Selbstreflexion zu ermutigen und anzuhalten (vgl. Herbart 1806/1880, S. 496-497). Zwei Mittel, die sich unmittelbar der haltenden Zucht dienbar machen können, sind dabei der interessante Unterricht, welcher ausdauernde Konzentration und Reflexion habituell werden lassen kann sowie ständige Ermutigung, Beistand und positive Verstärkung innerhalb des Bereichs der Erfahrung wie auch der Teilnahme (vgl. Geissler 1970, S. 214). Ebenso wie die haltende hat die bestimmende Zucht einen auffordernden Charakter. Sie richtet sich an den Heranwachsenden mit der Aufforderung zur Selbsterziehung als ihrem Zweck. Das heißt, sie dient als Hilfestellung bei der beginnenden Selbstbestimmung des Zöglings und bezieht sich auf seine Wahl des jeweiligen Handelns zwischen verschieden Alternativen. Die Wahl muss auf ihre Nähe zur Wärme für das Gute untersucht und geprüft werden. Die bestimmende Zucht ist zu verstehen als eine anerkennende bzw. nicht–anerkennende Reaktion auf die Wahl zwischen Handlungsalternativen und deren Vollzug bzw. Nichtvollzug. Sie kann die jeweilige spezielle Wahl nicht negieren (vgl. Herbart 1806/1880, S. 497-498). Als Mittel bleibt ihr, den Zögling mit den Folgen seiner Wahl zu konfrontieren und damit den Heranwachsenden dazu zu bringen, seine Motive des Handelns selbst in Beziehung zu bereits bekannten Grundsätzen sowie vorherigen Erfahrungen zu setzen und diese an jenen zu prüfen (vgl. Geissler 1970, S. 215). Diese Aufgabe muss der Erzieher in einer helfenden und distanzierten mit „gut gemeinten Warnungen“ versehenen und nicht in einer reglementierenden Funktion wahrnehmen, um ihm den Weg zu Selbstbestimmung zu erleichtern. Die regelnde Zucht betrifft den Bereich, in dem der Heranwachsende schon über verschiedene Grundsätze und Handlungsmotive verfügt. Diese haben sich bereits in einer bis zu einem gewissen Grad ausgebildeten Selbstständigkeit verfestigt und bestimmen den Habitus des Zöglings (vgl. Geissler 1970, S. 216). Die regelnde Zucht hat dabei den Zweck, „daß Grundsätze und Motive dem Schüler möglichst ständig vor Augen stehen“ (Geissler 1970, S. 216). Die Maßnahmen der regelnden Zucht beziehen sich also auf die Grundsätze des subjektiven Charakters, mit deren Hilfe der

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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Heranwachsende seinen objektiven Charakter prüft und bewertet. Es gilt, ihn auf Grundsätze hinzuweisen, die einer sittlichen Beurteilung nicht standhalten, damit er weitere Grundsätze entwickelt, mit denen er seinen objektiven Charakter beurteilt. Tritt nun der Fall ein, dass sich beim Heranwachsenden ebenso Grundsätze, die seine Wahl zwischen verschiedenen Handlungsoptionen bestimmen, finden lassen, die einer sittlichen Beurteilung standhalten, wie auch solche, die dies nicht tun, befinden wir uns im Bereich der Maßnahmen der unterstützenden Zucht. Die unterstützenden Zucht soll den Heranwachsende in den zwangsläufigen Konflikten, dem Kampf der Grundsätze, in der Art unterstützen, dass der Heranwachsende sich selbst nötigt, den Grundsätzen, die der sittlichen Beurteilung entsprechen, zu folgen und damit gemäß der eigenen Einsicht zu handeln (vgl. Herbart 1806/1880, S. 500-501). Der Erzieher nimmt dabei eine beobachtende Rolle ein, indem er sich ein genaues Bild darüber macht, wie es um die spezifischen Gemütszustände des Heranwachsenden bestellt ist. Gleichzeitig spielt er eine aktive Rolle, in der es gilt, mit Bestimmtheit den schon vorhandenen sittlichen Grundsätzen zur Geltung zu verhelfen. Abschließend ist es m.E. von Bedeutung, nicht nur in Bezug auf die Systematik der Zucht und ihrer vier verschiedenen Maßnahmen, sondern im Hinblick auf die gesamte Konzeption des pädagogischen Wirkens, wie schon weiter oben mehrfach angedeutet, zu konstatieren, dass es sich bei der vorgestellten Systematik keinesfalls um Realdistinktionen der verschiedenen Formen in der pädagogischen Praxis handelt. Innerhalb der Systematik bestehen Überlappungen verschiedener Maßnahmen, die wiederum von Verhältnissen und Beziehungen durchaus reziproker Art gekennzeichnet sind.

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins Wie weiter oben schon erwähnt, ist die Auswahl an Sekundärliteratur, die sich mit der Gesamtkonzeption des pädagogischen Systems Wilhelm Reins, unter Berücksichtigung seiner Biographie, seines organisatorischen Wirkens und seiner Tätigkeit als Hochschullehrer beschäftigt, und sich damit seiner Person als Ganzes versucht zu nähern, eher dürftig. Da Rein selbst in den Abhandlungen, in denen er Bezug auf sein eigenes Leben und seinen Werdegang nimmt (vgl. u.a. Rein 1926a),

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2. Analyse Erstkontext

einer exakten Chronologie keinen besonderen Stellenwert einräumt, war es der Forschung für lange Zeit nicht möglich, seine Lebensdaten fundiert nachzuweisen. Erst Horst-Erich Pohl gelang es durch eingehende Nachforschungen im Rein-Heerwart’schen Familienarchiv unter Mitarbeit des Sohnes Wilhelm Reins, die wesentlichen Punkte seines Lebens zusammenzutragen und in eine konsistente Darstellung zu bringen (vgl. Pohl 1972, S. 15). Eine weitere umfangreiche und detaillierte Auseinandersetzung mit dem Werk Reins lieferte Wilhelm Wittenbruch mit seiner 1972 erschienenen Dissertation (vgl. Wittenbruch 1972). Weiterhin einzubeziehen sind eher zeitgenössische Werke, die sich mit seinem Leben und Wirken auseinandersetzen und es darzustellen versuchen (vgl. Scholz 1914; Meyer 1917). Daneben bleibt es natürlich unerlässlich, sich der Primärliteratur zu widmen und damit Rein selbst zu Wort kommen zu lassen. Zur Primärliteratur lässt sich vorab bemerken, dass Rein eminent fleißig war, wenn es darum ging, sich in den zeitgenössischen Diskurs einzubringen und immer auf der Höhe desselbigen zu sein. Er tat sich sowohl durch eine Vielzahl veröffentlichter Artikel und Aufsätze als auch Rezensionen hervor und war in dieser Tätigkeit ein sehr streitbarer Fachmann im Rahmen der von ihm vehement verteidigten herbartischen Lehre. Seine Hauptmotivation bestand darin, diese auszubauen und hinsichtlich der pädagogischen Realität zu modifizieren. Darüber hinaus war er als Herausgeber mehrerer Schriften17 aktiv und beteiligte sich an verschiedenen Projekten. Er genoss Anerkennung in seiner Funktion als Wissenschaftsmanager, nicht zuletzt durch die Wiederbelebung des Pädagogischen Universitätsseminars zu Jena und der Etablierung der Jenaer Ferienkurse, was sich in seiner häufigen Rednerschaft auf Kongressen widerspiegelt. In einem ersten Schritt wird sich dem Gesamtwerk Wilhelm Reins über die Analyse und Auswertung seiner Dissertationsschrift genähert. In einem zweiten Schritt werden seine Überlegungen zum obersten Erziehungsziel, wie er sie in der 17 Seine Herausgeberschaft umfasste u.a.: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik. Langensalza: Hermann Beyer und Söhne, 1. Auflage 1895-1899, 7 Bände; 2. Auflage 1903-1910, 10 Bände und ein Registerband. Die Bände umfassen Artikel von ca. 300 Autoren, Rein selbst verfasst 40 Beiträge und überarbeitet 20 weitere für die zweite Auflage; Pädagogische Studien. Alte Folge. In zwanglosen Heften, Drei Bände, 1875–1879, Band 1 und 2, Wien: Pichlers Witwe und Sohn, Band 3: Dresden: Bleyl & Kaemmerer.; Pädagogische Studien. Neue Folge, (1879-1926). Dresden: Bleyl & Kaemmerer, bis 1893 von Rein herausgegeben.; mit Otto Flügel und ab 1907 auch mit Karl Just: Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik (1894-1914). Langensalza, Hermann Beyer & Söhne.; Jahrbuch des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik (1869-1917). Dresden: Bleyl & Kaemmerer, von 1908 bis 1916 von Rein herausgegeben; Vierteljahresschrift für philosophische Pädagogik (1917-1927),bis 1922 von Rein herausgegeben.

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Pädagogik im Grundriß formuliert, zum Gegenstand gemacht. Daran schließen sich Analyse und Auswertung des bis 1886 von ihm verfassten Werks Die Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach Herbartischen Grundsätzen an. Diese Schrift publizierte Rein während seiner Tätigkeit als Seminaroberlehrer in Eisenach unter Mitarbeit seiner beiden Seminarlehrer Pickel und Scheller. Daneben werden auch seine sonstigen publizistischen Texte in etwaigen Zeitschriften und Jahrbüchern in die Auswertung einbezogen. 2.2.1 Auswertung der Dissertationsschrift Wilhelm Reins – Herbarts Regierung, Unterricht und Zucht dargestellt und in ihrem Verhältnis zu einander besprochen In diesem Teil der vorliegenden Arbeit soll sich der pädagogischen Lehre Reins ihres Inhaltes nach gewidmet werden. Für einen entsprechenden Einstieg bietet sich hierbei seine Dissertationsschrift an. Sie stellt eine seiner ersten veröffentlichten Schriften dar und bietet einen unmittelbaren Einblick in sein Verständnis der Auslegung der Lehre Herbarts zu einem entscheidenden Punkt im Hinblick auf das pädagogische Denken und Handeln, so wie es von Herbart konzipiert wurde. Der Titel der Arbeit gibt sofortigen Aufschluss darüber, welche Begrifflichkeiten aus der Lehre Herbarts vorgestellt und reflektiert werden sollen. Zum Aufbau der Arbeit lässt sich konstatieren, dass sie sich in einen rein deskriptiven Teil und einen sich daran anschließenden Teil der Besprechung gliedert. Da im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die Dreiteilung Regierung, Unterricht und Zucht bei Herbart schon dargelegt wurde, sollen an dieser Stelle keine weiteren Erläuterungen zum deskriptiven Abschnitt in Reins Arbeit erfolgen. Wenden wir uns nun im Folgenden dem Abschnitt der Besprechung zu, in dem Rein zu Beginn sein erkenntnisleitendes Hauptinteresse in die 1) Untersuchung über das Verhältnis der Regierung zur Zucht und 2) in die Untersuchung über das Verhältnis des Unterrichts zur Zucht eingrenzt (vgl. Rein 1881, S. 29). Zunächst fasst Rein im ersten Teil seiner Untersuchung den Hauptunterschied, der bei Herbart die Differenzierung zwischen der Regierung und der Zucht rechtfertigt, wie folgt zusammen: „Fassen wir nun den Hauptunterschied, der die Trennung zwischen Regierung und Zucht veranlaßte, dahin zusammen: Die Regierung geht auf die Gegenwart; sie ist nicht eigentlich bildend, die Zucht sorgt für die Zukunft;

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2. Analyse Erstkontext

sie ist wesentlich bildend, so wird man diese begriffliche Scheidung gewiß billigen, wenn in der Praxis sich Maßregeln finden, die auf die Bildung des Zöglings, auf eine Erziehung gar keine Auswirkung ausüben und daher in der Pädagogik eine Stelle für sich beanspruchen, gegenüber denen, welche die Bildung des Zöglings bezwecken.“ (Rein 1881, S. 36) Hierbei klingt schon ein grundlegender Kritikpunkt Reins an der Konzeption der intentionalen Strukturdifferenzierungen der herbartischen Erziehungswirklichkeit hinsichtlich der Dreiteilung und Anordnung innerhalb derselbigen an. Rein kritisiert an dieser Stelle und in der Folge im Speziellen Rolle und Charakterisierung der Regierung sowohl in formaler als auch materialer Hinsicht. Er beanstandet ihre im Grunde erziehungslosen Absichten und Motive in Herbarts Konzeption und zieht in Zweifel, ob es ein solches Handeln, das keine Zwecke verfolgt, innerhalb der Erziehung geben kann (vgl. Rein 1881, S. 34-35). Seine Anmerkung, dass die begriffliche Differenzierung sich nur billigen lässt, wenn sich in der Praxis Maßregeln finden lassen, die diese rechtfertigen, und damit die pädagogische Praxis zum Prüfstein erhebt, deutet ein konstitutives Moment im Denken Reins an. Seine Argumentationen weisen einen starken Realbezug auf. Pohl stellt hinsichtlich dieses Punktes bezüglich Reins Kritik am Grundschema Herbarts fest, dass Rein der grundlegenden Auffassung ist, dass „nämlich die pädagogische Intention in theoretischer und praktischer Hinsicht nicht von herrschenden psychologischen oder ethischen Zielaspekten, sondern mittels genuin pädagogischer Kriterien zu begründen ist […], [jedoch, M.S.] konstruiert Rein in seiner Dissertation den für ihn typischen erziehungstheoretischen Kompromiß, indem er das Erziehungshandeln sowohl durch sittliche Zweckvorstellungen wie durch psychologische Gesetzmäßigkeiten normiert sieht“ (Pohl 1972, S. 183). Schauen wir uns an, was Rein im Einzelnen an der Konzeption Herbarts kritisiert, wie er diese Kritik begründet und seinen eigenen Standpunkt entwickelt. Zunächst konzentriert sich seine Kritik auf das Formale in der Konzeption: „Auf die Stelle selbst kommt es nun zunächst nicht an. Herbart gab der Regierung die erste Stelle, weil sie das Nächste und Dringendste sei, was bei dem Kinde geschehen müsse. Die Zucht nimmt die dritte Stelle ein, gleich als ob er auch äußerlich hätte zeigen wollen, daß mit der Regierung die Zucht

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nichts gemein habe. Der Einwand aber, daß die Regierung deshalb vorangestellt sei, weil beide, Unterricht und Zucht, ihrer bedürfen, erledigt sich dadurch, daß die Begriffe Regierung, Unterricht und Zucht nebengeordnet, nicht letztere dem ersteren untergeordnet und daß die Regierung ebensogut die letzte Stelle einzunehmen berechtigt ist; da wir einen einheitlichen Einteilungsgrund, der uns zwänge, so und nicht anders zu verfahren, bei Herbart nicht entdecken können. Wir kommen bereits hier zu dem Resultat, daß in der Herbartischen Einteilung ein logischer Fehler stecken muß. Zu dem Begriff der Erziehung sollen gehören als Merkmale Regierung, Unterricht und Zucht. Als den Inhalt des Begriffes bestimmend sind es disparate Begriffe. Diese können aber niemals einen Gegensatz bilden. Folglich ist es logisch falsch, von einem Gegensatz zwischen Regierung und Zucht zu sprechen.“ (Rein 1881, S. 36-37) Rein kritisiert also augenscheinlich die Differenzierung der drei zueinander disparaten Begrifflichkeiten bei gleichzeitiger Gleichwertigkeit und daraus resultierender Nebenordnung (vgl. Pohl 1972, S. 186). Auch in materialer Hinsicht identifiziert Rein Angriffspunkte auf die Theorie Herbarts. Diese Kritik zielt darauf ab, die Schwäche hinsichtlich der Einteilung Herbarts in Regierung als uneigentliche sowie Unterricht und Zucht als eigentliche Erziehung aufzuzeigen. Dazu schreibt er: „Zunächst fällt uns dieser Widerspruch ins Auge: Ist Erziehung Bildung zur Tugend und will die Regierung an sich nicht bilden, so steht sie in contradiktorischem Gegensatz zur Erziehung. […] Ist es nun schon ganz richtig, daß eine Menge von Maßregeln, die sich namentlich auf äußere Ordnung erstrecken, der unmittelbar erziehenden Absicht entbehren, ist es auch gewiß häufig genug der Fall, daß der Erzieher, obgleich er im letzten Grunde von der Absicht geleitet wird, den Geist des Kindes zu heben und zu veredeln, doch bei der Anwendung nicht das mindeste hervortreten läßt von dieser Absicht, ist es sogar nicht zu bezweifeln, daß Erwachsenen ebenso wie Kinder durch Mittel geleitet und bestimmt werden können, welche auf ihre Erziehung nicht berechnet sind und nicht zur Förderung derselben dienen, so kann man doch darum nicht behaupten, daß diese Maßregeln von aller Erzie-

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hung so losgelöst wären, daß sie für die Pädagogik eine derartige begriffliche Scheidung veranlassen müßten, wie sie Herbart für nötig hielt. Denn selbst zugegeben, daß sie einzeln durchaus nicht die moralische Hebung der Kinder bezwecken, so kann sich doch niemand der Überzeugung verschließen, daß alle diese äußeren Maßregeln, wie das Ordnung halten, das Abrichten, das Gewöhnen an pünktlichen Gehorsam, an Thätigkeit und die Befolgung der unentbehrlichen Regeln des geselligen Lebens, in ihrer Gesamtheit von ganz außerordentlicher Wirkung auf die sittliche Haltung der Kinder sind, nicht bloß eine wesentliche Bedingung für das Entstehen der Sittlichkeit im Zögling.“ (Rein 1881, S. 37-38) Im Erziehungsverständnis Reins kann es keine Tätigkeit geben, welche man zwar zum Inhalt der Erziehung rechnet, die jedoch keine bildenden Absichten hat.18 Hierbei deutet sich an, welche konzeptionelle Auslegung Rein zwischen den Begrifflichkeiten Bildung und Erziehung für seine Lehre zugrunde legt, da er keine Erziehungstätigkeit anzuerkennen scheint, die an sich nicht bildet und auch gar nicht bilden will. Bildung und Erziehung sind offensichtlich auf das engste verknüpft. Das lässt sich klar an der Auffassung erkennen, dass Erziehung Bildung zur Tugend darstellt. Dieser Punkt soll an späterer Stelle wieder aufgegriffen und vertieft werden. Um nun seine eigene Position zu entwickeln, kommt Rein auf die Standpunkte verschiedener Herbartianer zu diesem Thema zu sprechen. Da er diesen Punkt, die Unterscheidung von Regierung und Zucht, als einen allgemein „dunklen Punkt“ innerhalb der herbartschen Lehre bezeichnet, der Anlass zu verschiedenen Interpretationen und Auslegungen gibt (vgl. Rein 1881, S. 39). Es sollte die Position Stoys sein, der er sich annähert. Allerdings entdeckt er auch bei ihm, der den Begriff der Regierung gänzlich ausschließt und stattdessen innerhalb der Lehre von den Mitteln der Erziehung, der Methodologie, nur die Teile der Führung bzw. Hodegetik und des Unterrichts bzw. der Didaktik kennt, Schwächen, die es zu beheben 18 Diese Kritik ergibt sich aus der begrifflichen Diskrepanz der Regierung in der Gesamtkonzeption der Herbart’schen Pädagogik und ihrer Charakterisierung zum einen als pädagogische Vorform und zum anderen als pädagogische Frühform. Diese Kritik ist vom formalen Standpunkt durchaus vertretbar und angebracht, zielt jedoch an der Intention der herbart’schen Konzeption vorbei, da diese nicht zum Ziel hat, eine Differenzierung des praktischen Tuns des Erziehers und seiner Maßregeln zu liefern, sondern einer rein theoretischen Einteilung, an der der Erzieher sein praktisches Handeln vergleichen und als Maßstab für das selbige heranziehen kann. (Vgl. Pohl 1972, S. 186).

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gilt. Daher strebt er eine Verbindung von Herbarts und Stoys Standpunkt an. Zu Stoy schreibt er in diesem Zusammenhang: „Aus dem vorhergehenden könnte geschlossen werden, daß die Einteilung von Stoy das Richtige träfe. Er hat die absolute Trennung der Regierungsmaßregeln von denen der Zucht oder Führung vermieden und ist dadurch dem Widerspruch von erziehungsloser Thätigkeit innerhalb der Erziehung aus dem Wege gegangen. Indem er aber die Regierung oder Polizei unter die Führung subsumierte, fiel er in einen anderen Fehler, der auch seine Einteilung nicht als unanfechtbar hinstellt. Denn es ist klar, daß die Maßregeln der Regierung ebenso dem Unterricht wie der Führung dienen. Nichts destoweniger behandelt sie Stoy unter dem sonst sehr annehmbaren Namen der Haus- und Schulpolizei, den auch Herbart schon gebraucht hat, nur innerhalb der Führung, gleich als ob sie nicht ebensogut zum Unterricht gehörten.“ (Rein 1881, S. 40) Rein bejaht also die Abkehr von der Dreiteilung und stimmt mit Stoy darin überein, die Maßregeln der Regierung nicht absolut getrennt von denen der Führung zu betrachten und damit den bei Herbart diagnostizierten Fehler einer nicht bildenden Tätigkeit innerhalb der Erziehung zu umgehen. Allerdings kann Rein in seinem Verständnis in dem Punkt, die Regierung dem Begriff der Führung zuzuordnen, Stoy nicht folgen, da für ihn dabei die Rolle der Regierung hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Unterricht unbeachtet bleibt. Es gilt für Rein, die beiden Konzeptionen Stoys und Herbarts, die ihm nichtsdestotrotz als Vorlagen dienen, so zu verbinden, dass die von ihm identifizierten Fehler vermieden werden. Wie versucht nun Rein die beiden Konzeptionen zu vereinen und dabei deren Schwächen zu vermeiden? Für ihn beginnt dieser Weg mit der Unterscheidung eines negativen und eines positiven Teils der erzieherischen Tätigkeit. Dazu schreibt er in seiner Dissertation: „Wollen wir Herbart und Stoy vereinen und beider Fehler vermeiden, so könnten wir diesen Weg einschlagen: Die ganze erziehende Thätigkeit zerfällt zunächst in einen negativen und in einen positiven Teil. Der negative Teil umfaßt alle die Betrachtungen, welche Herbart unter dem Namen der Regierung, […], Stoy unter dem der Polizei zusammengefaßt hat.“ (Rein 1881, S. 41)

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2. Analyse Erstkontext

Der positive Teil würde in diesem Fall den Begriff des Unterrichts und der Zucht subsumieren. Dies ist jedoch für Rein nur die erste Stufe seiner Überlegungen hin zu einer eigenständigen Auffassung. Denn im Folgenden bringt er Einwände, die gegen eben diese sprechen, hervor. Eine derartige Einteilung würde es zwar vermeiden, von eigentlicher und uneigentlicher Erziehung sprechen zu müssen, jedoch im Grunde nur aufgrund einer anders gearteten Terminologie. Die Gründe für eine Abkehr liegen für ihn dabei auf der Hand, denn ein negativer Teil der erziehenden Tätigkeit wäre nicht deckungsgleich mit dem Begriff der Regierung bei Herbart, da dieser auch Aspekte des positiven Teils des pädagogischen Handelns beinhaltet. Des Weiteren gibt er zu bedenken, dass ebenso innerhalb des Unterrichts und der Zucht Maßregeln anzutreffen sind, die man dem negativen Teil der Erziehung zurechnen müsste. Es ist für ihn zwar nicht falsch, von negativen Maßregeln innerhalb des pädagogischen Handelns zu sprechen, dies wiederum aber nur in Bezug auf einen bestimmten Zweck, wie das Vermeiden von Fehlern. Jedoch ist diese Terminologie für die Erarbeitung einer theoretischen Systematik der erzieherischen Tätigkeit nicht zielführend (vgl. Rein 1881, S. 41). Aufgrund dessen favorisiert er und, wie er hofft, auch die meisten anderen Pädagogen seiner Zeit folgende Systematik: „Die meisten Freunde wird immerhin finden die Einteilung der Pädagogik in Unterricht und Zucht, welche wiederum in zwei Teile zerfällt, nämlich in einen engeren Teil, welcher auf das Vorübergehende und in einen weiteren, welcher auf das bleibende gerichtet ist: der eigentlichen Erziehung und Charakterbildung.“ (Rein 1881, S. 42) Um diese Bezeichnungen des engeren und des weiteren Sinnes der Zucht zu veranschaulichen, ordnet er dem engeren Sinn die Begriffe der Regierung bzw. Polizei und dem weiteren Sinn den Begriff der Führung zu. Die Vorteile dieser Systematik bestehen für Rein darin, dass hiermit die scharfe Differenzierung von Regierung und Zucht überwunden wird, die irreführende Terminologie von eigentlicher und uneigentlicher Erziehung beseitigt und die Verflechtung von regierenden und erziehenden Maßregeln gebührend berücksichtigt wird und zum Ausdruck bringt.

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Abschließend soll an dieser Stelle ein kurzer Exkurs hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur Reins und ihres Einflusses auf seine Berufsgesinnung als Pädagoge und seine Auseinandersetzung mit dem pädagogischen Diskurs jener Zeit folgen, da sich das in Anbetracht einer Formulierung aus obigem Zitat anbietet. Hierbei handelt es sich um die Aussage: „Die meisten Freunde wird immerhin finden die Einteilung […]“. Dabei tritt das konstitutive Moment seiner Kompromissbereitschaft hervor, worin allerdings auch die Polarität seiner Persönlichkeitsstruktur ihren Niederschlag findet. Pohl formuliert dazu folgende, zwar in ihrem Duktus etwas pathetisch klingenden, aber durchaus treffenden Sätze: „Das Bemerkenswerte dieser Persönlichkeit ist es ja gerade, daß Rein im Wissen um letzte Verantwortlichkeiten dem Ideal suchend dient und als Volkserzieher mitten in der Not dieses Suchens steht. […] Im Grunde seines impulsiven Wesens konservativ, sucht er in den Wogen des ihn umdrängenden Lebens immer Halt am Gesicherten, am Bewährten. Doch eine überwache Aufgeschlossenheit für neue Lebensäußerungen treibt ihn stets wieder davon weg, hin zur Auseinandersetzung mit dem noch unwägbarem Neuen. Dieses sich eben erst Konturierende zu durchschauen, nach idealen Gesichtspunkten zu ordnen, den ewigen Sinn in ihm zu entdecken, seine unvergänglichen Werte zum Wohle des Volksganzen freizulegen, das ist ihm Inbegriff seines Berufs als Volkserzieher“ (Pohl 1972, S. 69). Kompromissbereitschaft darf hierbei allerdings, wie auch schon in den Zeilen bei Pohl anklingt, nicht damit verwechselt werden, dass Rein nicht streitbar gewesen wäre. Seine Rezensionen, auch in frühen Jahren schon, legen davon Zeugnis ab, dass er teilweise sehr polemisch und emotional für die herbartische Sache eintrat, besonders, wenn es um den, ihm am Herzen liegenden, Zeichenunterricht ging (vgl. u.a. Rein 1874c, S. 90-93; 1878a, S. 256-257; 1878b, S. 309-312; 1884, S. 5558). Jedoch, und da macht sich der Einfluss Dörpfelds geltend, war er immer darum bemüht, Strömungen innerhalb der herbartischen Schule auszugleichen und einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Doch nun zurück zur Dissertationsschrift und ihrem inhaltlichen Fortgang. In seiner Darstellung des Verhältnisses von Regierung und Zucht lässt er den Begriff der Regierung in seiner herbart’schen Form und damit die Dreiteilung und strenge Differenzierung von Regierung und Zucht fallen. Er spricht von Zucht im engeren und weiteren Sinne, wobei er die Regierung unter die Zucht im weiteren Sinne subsumiert. Aufgrund dessen bleibt für ihn nur noch das Verhältnis von Unterricht und Zucht zu besprechen.

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Ausgangspunkt seiner Besprechung ist für ihn die Feststellung, dass Herbart aufgrund seiner psychologischen Grundlegung dem Unterricht das Ziel der Entwicklung eines vielseitigen Interesses zuweisen musste (vgl. Rein 1881, S. 46). Rein stellt ebenso wie Herbart, der den Unterricht zwischen Regierung und Zucht setzte, den Unterricht der Zucht voran und behandelt jenen daher auch zuerst. Dazu schreibt er: „Es sei sogar bequem für die Darstellung der Pädagogik, die Unterrichtslehre voranzustellen und die unmittelbaren Rücksichten auf die Charakterbildung nachfolgen zu lassen. Denn die Verwickelung der letzteren werde zu groß und zu schwer zu überschauen, wenn man nicht hierbei aus der Unterrichtslehre manches als bekannt voraussetzen könne. Die Lehre von der sittlichen Charakterbildung müsse noch einmal das Ganze des Erziehungsproblems behandeln, nachdem der schwerste und weitläufigste Teil schon fertig sei. Will man die Pädagogik auf den Begriff der Sittlichkeit gründen, so muss man von da aus zuerst den Unterricht bestimmen, dann die Zucht als Gehülfin hinzusetzen.“ (Rein 1881, S. 48) Es klingt augenscheinlich an, dass Rein dem Unterricht, ebenso wie Herbart, für den es keine Erziehung ohne Unterricht geben konnte, die zentrale Rolle im Erziehungsgeschäft zuweist, die sich in der Bearbeitung des Gedankenkreises äußert, der wiederum Grundlage und Ausgangspunkt für Versittlichung, in der der Zweck und das Ziel der ganzen Erziehung steckt, des Zöglings bildet. Dies zeigt sich ganz konkret darin, dass Rein die Zucht als Gehilfin des Unterrichts bezeichnet. Die Aufgabe der Zucht ist es daher zunächst, ausgehend von den obigen Bestimmungen, den Zögling in die für den Unterricht, entsprechende Gemütsstimmung zu bringen und gleichzeitig diese habituell werden zu lassen, was ihre Rolle als Gehilfin des Unterrichts unterstreicht (vgl. Rein 1881, S. 48). Ihre umfassendere Aufgabe aber besteht darin, die Festigkeit des Charakters zu besorgen, indem sie direkt auf den Willen des Zöglings einwirkt. Diese Maßnahmen sind zumeist von einem negativen Charakter gekennzeichnet, verfolgen sie doch das Ziel, den Zögling vor verderblichen Affekten und fehlgeleiteten Begierden zu beschützen (vgl. Rein 1881, S. 48). Rein schließt sich außerdem der von Herbart in dem Umriss pädagogischer Vorlesungen, hinzugefügten Betonung und Ergänzung der ästhetischen Auffassung durch die Zucht an (vgl. Rein 1881, S. 49).

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Zum Abschluss seiner Dissertation wendet er sich Ziller zu, bei dem er die Ideen Herbarts zum erziehenden Unterricht am besten bearbeitet und in seinem Seminar mit angeschlossener Übungsschule verwirklicht sieht. Dies realisiert Ziller damit, dass er sowohl die Auswahl als auch die Durcharbeitung der Stoffe den Zwecken der Erziehung unterordnet und daran ausrichtet (vgl. Rein 1881, S. 50). Er schließt sich voll und ganz der Herangehensweise und der dabei entwickelten Auffassung und Umsetzung der herbartischen Ideen zum Unterricht an, wie sie bei Ziller zu finden sind, die er wie folgt zusammenfasst: „Er [gemeint ist Ziller, M.S.] kennt keine selbstständigen in sich abgeschlossenen Lehrfächer, wie sie der Fachunterricht verfolgt. Alle Lehrfächer stehen bei ihm ununterbrochen im Dienste der sittlich-religiösen Charakterbildung des Zöglings und sind dadurch sowohl gleichzeitigen als auch in der Aufeinanderfolge des Unterrichts concentriert, außerdem aber durch die culturgeschichtliche Entwicklung des Menschengeschlechts eingeführt und genötigt wird, dem nachzudenken, was man von Stufe zu Stufe gewollt und wie man es erreicht oder nicht erreicht hat. In den Entwicklungsstufen der Menschheit sind somit die Hauptstationen für den gesetzmäßigen Aufbau auch des Einzelgeistes angedeutet, was um so zweckmäßiger sei, da die bis jetzt abgelaufenen Entwicklungsstufen solche seien, die auch der einzelne immer wieder durchmachen müsse, um an der gegenwärtigen Bildung der Menschheit mit voller Kraft Teil nehmen und in ihre Arbeit von seinem Standpunkt aus auf rechte Weise eingreifen zu können. Die Culturgeschichte tritt so bei dem Unterricht als das beherrschende Fach hervor, allerdings in der Beschränkung auf diejenigen ihrer Entwicklungen, die gerade für die Entwicklung des Einzelnen maßgebend sind. Sie ist also von anderen Fächern nicht bloß hier und da einmal zu berücksichtigen, vielmehr erhalten diese von ihr, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, eine Richtung, in der sie sich dem Ganzen des Unterrichts einzufügen und in der sie fortzuschreiten haben. Es steht also in der Mitte des Unterrichts jeder Zeit ein concentrirender Gesinnungsstoff, an den alle anderen Unterrichtsfächer angeschlossen werden.“ (Rein 1881, S. 50-51) In diesem Zitat werden zwei der wesentlichen Punkte der Unterrichtslehre, wie sie Rein insbesondere in seinen Schuljahren vertritt und ausbaut, angesprochen. Namentlich sind das die Idee der Auswahl und der Anordnung des Stoffes nach

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Kulturhistorischen Stufen und die Konzentrationsidee hinsichtlich der Verbindung der einzelnen Lehrfächer. Daher kennzeichnet er in den Schuljahren seine Unterrichtslehre als eine Lehre Herbart-Ziller’scher Prägung (vgl. Rein et al. 1882, S. 1). Die nähere Erläuterung hierüber soll jedoch erst an späterer Stelle erfolgen. 2.2.1 Theoretische Pädagogik – Das Erziehungsziel oder von der Teleologie Dieser Abschnitt, der sich auf einen Ausschnitt aus der Pädagogik im Grundriss19 bezieht, dient der Analyse des Denkens Reins bezüglich der Formulierung eines obersten Erziehungszieles. Rein unterscheidet in seiner Pädagogik im Grundriss den Bereich der praktischen Pädagogik, worunter er die verschiedenen Formen der Erziehung und Lehre auf organisationaler und institutioneller Ebene, sprich der Schulverwaltung, versteht und der theoretischen Pädagogik. Diese differenziert sich in die Teleologie, also der Zielsetzung der Erziehung allgemein und deren Herleitung und Begründung, und in die Methodologie als die Lehre von den Mitteln der Erziehung. Für die Analyse wird nur der Teil zur Teleologie herangezogen, da die Analyse und Darstellung der Methodologie und insbesondere das Teilgebiet der Allgemeinen Didaktik anhand der Acht Schuljahre durchgeführt wird. Gleichsam der praktischen Pädagogik verweist die theoretische Pädagogik auf zwei Grundwissenschaften. Im Falle der erstgenannten waren dies die Sozialethik und Sozialpsychologie. Für die theoretische Pädagogik sind dies wiederum die Ethik und die Psychologie, jedoch in ihrer Ausprägung als Individualethik und Individualpsychologie (vgl. Rein 1890, S. 62). Das Ziel der Erziehung ergibt sich als Ableitung aus der Ethik und wird im Bereich der Teleologie verortet. Ausgangspunkt für Reins Überlegungen ist eine Bestimmung des Begriffs der Erziehung. Rein konstatiert, dass diese Untersuchung jedoch wenig ertragreich ist und bezieht sich hierbei auf zeitgenössische Definitionen, die allesamt einen formalen Charakter aufweisen. Die inhaltlichen Seite, welche für die Bestimmung der Erziehung entscheidend ist, gibt jedoch keine befriedigende Ableitung eines konkreten Ziels ab (vgl. Rein 1890, S. 63). An den Erziehungsidealen, wie sie bei Rousseau, Locke, Basedow oder Francke und Palmer zu finden sind, kritisiert er dahingehend ihre inhaltliche Bestimmung, weshalb 19 Verwendet wird die erste Auflage von 1890.

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sie ebenfalls keine geeignete Grundlage für die Formulierung eines Erziehungsziels bieten, da sie zu einseitig sind bzw. für Rein als bloß mögliche Zwecke gelten können. Rousseaus Vorstellung wird dabei mit den folgenden Worten abgelehnt: „Soll der Erzieher Rousseau folgen und mitten unter Kulturmenschen einen Naturmenschen erziehen? Damit würden wir aber, wie Herbart darlegt, nur die Reihe aller überstandenen Übel womöglich von vorn wiederholen. Überdies würde es dem Erzieher eben soviel Mühe machen, als es nachher dem Erzogenen Mühe kosten möchte, unter so heterogener Gesellschaft fortzuleben.“ (Rein 1890, S. 64) Im Falle Pestalozzis bezieht sich Rein auf dessen Motiv der harmonischen Ausbildung aller Kräfte, das hinsichtlich der Begriffe der verschiedenen „Kräfte“ und deren „Harmonie“ als unterbestimmt zu gelten hat und daher keine ausreichend elaborierte Zielvorstellung abgeben kann (vgl. Rein 1890, S. 65). Franckes und Palmers Auffassungen hingegen weisen eine zu starke religiöse Akzentuierung auf, was für Rein eine unzulässige Einseitigkeit darstellt. Zumal es für ihn die Bestimmung des Ziels auf dem Felde der ethischen Reflexion zu finden gilt (vgl. Rein 1890, S. 66). Interessant ist in diesem Kontext Reins Begründung für die Ablehnung der Position Basedows, die sich stark an der Vorstellung Lockes orientiert, und zwar nicht nur hinsichtlich seiner allgemeinen Auffassung von Erziehung, sondern auch speziell im Hinblick auf sein Verständnis des Verhältnisses von Erziehung und gesellschaftlichen Verhältnissen und deren Entwicklung. Hierzu schreibt Rein: „Dann kämen wir leicht auf den Standpunkt Basedows, den Zögling zu einem recht brauchbaren Mitglied der menschlichen Gesellschaft erziehen zu wollen. Freilich würden wir im Stillen dabei immer gepeinigt werden, ob dies denn ein idealer Zweck sei – und ob es nicht geradezu zuweilen geboten erscheine, den Zögling mit dem Gebrauch der Welt und ihrer Handlungsweise in Widerspruch zu setzen.“ (Rein 1890, S. 64) Die Funktion der Erziehung stellt sich hierbei nicht als eine funktionale Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse dar, sondern konstatiert ein Potential, das ihr hinsichtlich einer Veränderung dieser Verhältnisse innewohnt und welches es darü-

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ber hinaus gegebenenfalls zu nutzen gilt. Um dieses Potential nutzen zu können, bedarf es jedoch einer Referenz, eines fixen Punktes, der als Vergleichshorizont dient, um Erziehung adäquat zu den gesellschaftlichen Gegebenheiten ins Verhältnis setzen zu können. Es braucht also ein ideales Ziel, dem jegliche erzieherische Handlung unterzuordnen ist. Daher lehnt Rein eine rein formale Bestimmung des Erziehungsbegriffes bezüglich einer adäquaten Ableitung eines Erziehungszieles ab und konstatiert: „Soll der Erziehungszweck wirklichen Wert haben, so muß er vor allen Dingen sachlicher Art sein; er muß eine Bestimmung enthalten über den Inhalt der geistigen Ausbildung.“ (Rein 1890, S. 65) Eine Einheit des Plans ist ohne eine Einheit des Zwecks für Rein undenkbar, weshalb es ebenso nicht zielführend sein kann, aus den verschiedenen genannten Positionen in eklektischer Weise ein Konglomerat an Erziehungszwecken zu generieren. Vielmehr gilt es, ein Erziehungsziel sachlicher bzw. inhaltlicher Art zu formulieren, das alle anderen Bestimmungen unter sich subsumiert. Hierzu schreibt Rein: „Soll es möglich sein, das Geschäft der Erziehung durchgehends als ein einziges, geschlossenes Ganzes richtig zu durchdenken, so muß es möglich sein, die Aufgabe der Erziehung als eine einzige aufzufassen.“ (Rein 1890, S. 67) Dieser Argumentationsgang unterliegt einer Denkfigur, die sich dezidiert als herbartisch bezeichnen lässt. Nur durch die systematisierende Kraft eines einheitlichen Zwecks lässt sich die Einheitlichkeit des pädagogischen Denkens und Handelns herbeiführen. Dieser einheitliche Zweck muss auf dem Felde der ethischen Reflexion gefunden werden. Doch welcher Ethik soll sich dabei zugewandt werden? Für Rein kann dies nur ein ethisches System darstellen, das jegliches eudämonistisches Denken ablehnt (vgl. Rein 1890, S. 69). Die Begründung hierfür lautet bei Rein wie folgt: „Denn der Eudämonismus, in welcher Gestalt er auch auftreten mag, birgt große Gefahren in sich. […] Ist doch mit dem Eudämonismus ein platter Utilitarismus verbunden, der mit souveräner Verachtung alles verurteilt, was

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nicht unmittelbar anwendbar und nützlich erscheint. Dadurch wird aber die Gefahr heraufbeschworen, daß nach und nach alle idealen Bestrebungen in den Hintergrund gedrängt werden, daß eine allgemeine moralische Erschlaffung eintritt, welche die Gesellschaft wie den einzelnen unfähig macht zu jeder höheren Begeisterung die jede Möglichkeit abschneidet zur Bildung reiner sittlicher Charaktere, die den Blick für die Ideale des Schönen und Guten vollständig trübt.“ (Rein 1890, S. 69) An dieser Stelle bezieht sich Rein auf die Ethik, wie sie von Herbart auf der Grundlage der kantischen ausgearbeitet wurde, die sich nicht auf den Gegenstand des Wollens, sondern auf die Gesinnung bzw. das Wollen selbst richtet (vgl. Rein 1890, S. 69). Er führt die fünf sittlichen Ideen Herbarts an, die in ihrer Gesamtheit das Ideal der Persönlichkeit ausmachen. Die Durchdringung der Persönlichkeit durch diese Ideen bildet eine ideale Persönlichkeit ab. Das heißt, dass sich in jeder Äußerung eine stete Übereinstimmung mit den sittlichen Ideen erkennen lässt. Diese stete Übereinstimmung wird als Charakterstärke der Sittlichkeit bestimmt, die es zu verwirklichen gilt. Rein beschreibt dieses Ideal in folgenden Worten: „Wenn das Geistesleben des Menschen sich zu einer charaktervollen Persönlichkeit ausgestaltet, in der das Vernünftige, Edle, Schöne und Sittliche, überhaupt die logische, ästhetische und sittliche Wirksamkeit über die bloß mechanischen Vorgänge in der Seele des Menschen triumphiert, da offenbart sich die bedeutsamste und höchste Stufe menschlicher Bildsamkeit.“ (Rein 1890, S. 71) Der Gegenstand aller ethischen Relevanz bildet das Wollen bzw. der Wille eines jeden Einzelnen. Aus dieser idealistischen Ethik leitet sich für Rein unmittelbar ein absolut wertvolles Ziel der Erziehung ab. Indem sie eine allgemeine Bestimmung des menschlichen Daseins liefert, kann daher aus ihr gleichsam das Ziel der Erziehung abgleitet werden. Das Ziel jeglicher Erziehung kann daher laut Rein nur wie folgt bestimmt werden: „Der Erzieher hat seinen Zögling so zu bilden, daß seine zukünftige Persönlichkeit dem Ideal der menschlichen Persönlichkeit entspricht.“ (Rein 1890, S. 72)

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Daraus lässt sich ein konkretes, allumfassendes und vor allem inhaltliches Ziel der Erziehung bestimmen. Alle möglichen Zwecke der Erziehung haben sich diesem Ziel unterzuordnen und sind auf dieses gerichtet. Es gilt, eine Übereinstimmung des tatsächlichen Wollens mit dem idealen Wollen herbeizuführen (vgl. Rein 1890, S. 72). In dieser Bestimmung sieht Rein die Einheit des Erziehungszweckes und damit eine Einheit des pädagogischen Handelns als gesichert. Das ethische Ideal bildet demnach das Ideal der Erziehung und somit ihr Ziel ab. Hiermit ist für Rein gleichsam die Dimension der Erziehung des Zöglings aus individueller Perspektive und seiner Erziehung in Bezug auf die Gesellschaft bearbeitet. An dieser Stelle kommt die aufklärerische Denkfigur der Bildung des Einzelnen und der damit einhergehenden Höherbildung des gesamten Menschengeschlechts zum Ausdruck. Rein drückt dies wie folgt aus: „Denn jedes Individuum, welches durch die planvollen Bemühungen des Erziehers dem Ideal der Persönlichkeit nahe gebracht wird, das die praktischen Ideen als Normen anerkennen gelernt hat, die seine Gesinnung und sein Handeln bestimmen sollen, wird so vorbereitet am besten an der Verwirklichung der sittlichen Zwecke, welche den weiteren Kreisen der Gesellschaft gesteckt sind, mitarbeiten können.“ (Rein 1890, S. 73) In diesem Kontext wird die Potentialität in Reins gesellschaftskritischem Denken ein weiteres Mal offensichtlich, wenn er bemerkt: „Das nach ethischen Normen erzogene Kind wird allerdings, in den Kreis der Erwachsenen eintretend, vielfach in Widerspruch geraten mit den Anschauungen, die daselbst vorherrschen. Denn nur zu oft wird der engere oder weitere Kreis nicht von idealen, sondern von sehr materiellen Gesichtspunkten bestimmt. Wäre dies aber ein Nachteil, wenn der Zögling solchen egoistischen Strömungen mit der Kraft der besseren Einsicht und dem Mut der besseren Überzeugung entgegentritt? Wie anders soll die Gesellschaft höheren Zielen zugeführt werden, als dadurch, daß die Zahl der einzelnen gemehrt werde, die sich nicht ohne weiteres der Masse vorherrschenden Strömungen beugen und dienstbar werden, sondern vielmehr unterdrücken, wo sie auf unsittlichen Motiven beruhen?“ (Rein 1890, S. 73)

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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An dieser Stelle wird Reins Denkfigur der Relativität der bestehenden Verhältnisse in Bezug auf ein gesetztes Ideal deutlich. Dieses bildet den Referenzhorizont für die Analyse und Bewertung dieser Verhältnisse, die er als Durchgangsstadium bestimmt (vgl. Rein 1890, S. 74). Die Funktion des Ideals ergibt sich aus seiner Bestimmung als Ziel und Grundlage, um diese wiederum als absolute Norm gegenüber den relativen, zeitgenössischen Vorstellungen als Setzung gegenüberzustellen (vgl. Rein 1890, S. 74). Die Zielsetzung jeglicher Erziehung muss es daher sein, den gravitätischen Mittelpunkt sowohl des Einzelnen als auch der Gesamtheit als ein höchstes Ziel zu bestimmen, welches darin besteht, den Einzelnen und damit mittelbar die Gesellschaft auf das Ideal der sittlichen Bestimmung im Geiste der sittlichen Ideen auszurichten. Die Erziehung bildet hierbei einen entscheidenden Faktor auf dieses Ideal hinzuwirken. Rein generiert damit einen systematischen, auf der Ethik Kants und Herbarts beruhenden Gedankengang, der der Erziehung ein einheitliches Ziel vorgibt, auf welchem die Didaktik und Methodologie der Erziehung beruhen und ein Fundament finden. 2.2.3 Die Unterrichtslehre in der Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach Herbartischen Grundsätzen Auf welchem theoretischen Fundament die Konzeption des Werkes liegt, daran lassen Rein und seine Mitstreiter keinen Zweifel. So heißt es gleich im Vorwort des Ersten Schuljahres, dem ersten Band des Gesamtwerkes: „Aus dem Ganzen aber werden einsichtige Leser leicht die Überzeugung gewinnen, dass die Verfasser einen möglichst engen Anschluss an die Arbeit des Zillerschen Seminars in Leipzig zu gewinnen suchten. Denn sie sind davon überzeugt, dass die Zillersche Weiterbildung der herbartischen Grundideen eine wahrhaft reformatorische und vorzüglich geeignete ist, unser gesamtes Schul- und Erziehungswesen umzugestalten und neu zu beleben.“ (Rein/Pickel/Scheller 1882, S. VIII) Rein nennt gleich zu Beginn der Schrift zum ersten Schuljahr in der Grundlegung derselbigen die drei wesentlichen Ideen, welche das Zentrum seiner Konzeption

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2. Analyse Erstkontext

des Gesamtwerks der Schuljahre20 bilden und unmittelbar auf der Herbart-Ziller’schen Unterrichtslehre beruhen.21 Diese drei Ideen sind die Idee der kulturhistorischen Stufen, die Konzentrationsidee und die Idee der formalen Stufen. Die erste hat die Auswahl und Anordnung des Lehrstoffes, die zweite die Verbindung der einzelnen Lehrfächer untereinander und die dritte die formale Durcharbeitung des Lehrstoffs zum Gegenstand (vgl. Rein et al. 1882, S. 1). In der Folge erläutert Rein in drei Kapiteln auf Grundlage der Herbartischen Psychologie und Pädagogik diese zentralen Ideen, um dem praktischen Teil einen theoretischen Überbau zu geben. Die Stoßrichtung dieser drei Ideen im Kontext der zeitgeschichtlichen Kontroversen über die zu vertretende Unterrichtslehre fasst Rein wie folgt zusammen: „Das erste dieser drei Kapitel richtet sich gegen die Auswahl und Anordnung des Stoffes nach konzentrischen Kreisen; das zweite gegen die Anarchie, welche unter den Lehrstoffen an der Tagesordnung ist, wobei jeder herrschen, keiner dienen will; das dritte gegen die Unnatur und Oberflächlichkeit, mit welcher das Neue an die Kinder herangebracht wird, so dass es kein bleibendes geistiges Eigentum der Kinder wird und keine geistige Kraft aus sich erzeugen kann. Zusammengenommen aber ziehen diese drei Kapitel gegen den ‚didaktischen Materialismus‘ zu Felde, dessen Herrschaft die Gesundheit unserer Schulen und unserer Erziehung zu vernichten droht.“ (Rein et al. 1888, S. 1) Daran lassen sich nicht nur die zentralen Punkte der theoretischen Grundlage des Werkes, sondern es lässt sich auch Reins Einstellung zur üblichen zeitgenössischen Unterrichtslehre klar und deutlich ablesen. Dieser selbst gegebene Auftrag zieht sich durch das gesamte Werk und wird von ihm immer wieder in den Mittelpunkt gestellt. Hierbei tritt deutlich zutage, wie sehr sich Rein für die aktuellen Tagesfragen der damaligen Erziehung interessiert sowie sein Selbstverständnis als Prak20 In der Folge wird, wenn es sich um die „Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach Herbartischen Grundsätzen“ handelt, von den Schuljahren gesprochen, da sich auch in der zeitgenössischen Rezeption diese Bezeichnung und Verkürzung des Titel eingebürgert hatte. 21 Das, was hier als eine rein theoretische und didaktische Begründung des Unterrichtswerks auftritt, hat allerdings gleichzeitig einen nicht explizierten kultur- bzw. sozialgeschichtlichen Begründungszusammenhang, der den Konstruktionsmaßstab bestimmt, der besonders ab der zweiten Auflage deutlich wird (vgl. Kaneko 1984, S. 25; Koerrenz 1998, S. 196-197).

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tiker und das eines reformorientierten Erziehungswissenschaftlers. In den oben zitierten Zeilen ist ebenfalls der Begriff des didaktischen Materialismus enthalten, der sich für Rein aus der zunehmenden fachwissenschaftlichen Ausrichtung der Volksschule ergibt und den er als ein zu überwindendes Übel jener Schulform und ihres Unterrichts sowie Lehrplansystems erachtet. Gleich zu Beginn der Grundlegung im ersten Schuljahr der Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts benennt Rein ganz konkret das Ziel, das es für ihn in der derartigen Schulform zu erreichen gilt, „nämlich [eine, M.S.] feste unerschütterliche Grundlage zur Bildung eines sittlich religiösen Charakters in die Herzen unserer Zöglinge hineinzulegen […]. Unsere Volksschule soll eine Erziehungsschule sein, keine Lese-, Schreib- und Rechenschule“ (Rein et al. 1888, S. 2). Doch wie soll dieses Ziel erreicht werden? Es ist der bei Herbart entlehnte Begriff des erziehenden Unterrichts in Verbindung mit der rechten Zucht (vgl. Rein et al. 1888, S. 3). Wenn Rein an dieser Stelle nur von Unterricht und Zucht spricht und die Regierung außer Acht lässt, dann ist dies, wie weiter oben gezeigt, den Ausführungen und der darin entwickelten Konzeption in seiner Dissertationsschrift geschuldet. Im Mittelpunkt dieses erziehenden Unterrichts steht wiederum die Anbahnung eines freien und vielseitigen Interesses (vgl. Rein et al. 1888, S. 4). Dies ist der maßgebende Begriff für die Unterrichtslehre Reins. Er ist ebenso das grundlegende Prinzip bei der Auswahl und Anordnung des Stoffes (vgl. Rein et al. 1888, S. 4). Der Aufbau der ersten Kapitel der Grundlegung lässt deutlich erkennen, wie groß einerseits Reins Selbstverständnis als Anhänger Herbarts und seiner pädagogischen Konzeption war, da er jedes der ersten drei Kapitel, die sich mit den oben genannten Ideen beschäftigen, mit Zitaten aus Herbarts Werken einleitet und zum anderen, in welchem hohen Maße Rein sich bei eben dieser Grundlegung in Bezug auf Auswahl und Anordnung des Stoffes an seinem Leipziger Lehrer Tuskion Ziller orientiert, wenn man sich die von ihm für dieses erste Kapitel ausgewählte Literatur vergegenwärtigt.22 Er beginnt jedes der einführenden Kapitel mit einer Zitatsammlung aus Herbarts Werken und weist sie damit eindeutig als konzeptionelle Grundlage für die 22 Die dabei u.a. von Rein verwendete Literatur: Ziller, T. (1864): Eine Skizze der pädagogischen Reformbestrebungen in der Gegenwart, nach Herbartischen Grundsätzen. Zeitschrift für exakte Philosophie. Jhg. 4, S. 1-25.; Ziller, T. (1865): Grundlegung zur Lehre vom erziehenden Unterricht. Leipzig: Pernitzsch.; Ziller, T. (1876): Vorlesungen über allgemeine Pädagogik. Leipzig: H.Matthes.

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2. Analyse Erstkontext

folgenden acht Bände aus. So auch das erste Kapitel zur Auswahl des Stoffes nach den kulturhistorischen Stufen, wie sie Herbart in seiner weiter oben besprochenen Frühschrift Über die ästhetische Darstellung der Welt als Hauptgeschäft der Erziehung dargelegt hat. Anschließend wendet sich Rein der Bearbeitung dieser grundlegenden Ausführungen durch Ziller zu und favorisiert für seine eigenen Überlegungen dieses Prinzip zur Entwicklung eines Lehrplansystems, wenn er schreibt: „Das Lehrplansystem Zillers will auf Grund solcher Übereinstimmung [gemeint ist die Übereinstimmung der Entwicklung des Einzelgeistes mit denen der Hauptkulturepochen, M.S.] das der Volksschule gesteckte Ziel in dem ihr zugesicherten Rahmen erreichen. Es setzt dasselbe zwei Arbeiten voraus: zunächst eine psychologische, insofern es gilt, die Entwicklungsstufen des Einzelgeistes genau darzulegen; sodann eine geschichts-philosophische, insofern es gilt, die Hauptkulturepochen, welche die Menschheit bez. das eigene Volk durchlaufen hat, festzusetzen. Sind beide Arbeiten gethan, dann hat der Pädagog dafür zu sorgen, wie beide Reihen je nach dem einzelnen Schulorganismus im engeren oder weiteren Rahmen in Übereinstimmung zu bringen sind. Dies ist das Programm für die Aufstellung des Lehrplans.“ (Rein et al. 1888, S. 8-9) Hervorgehoben werden muss an dieser Stelle, dass Rein zwar im Allgemeinen die grundlegende Entwicklung der Menschheit im Blick hat, jedoch im Speziellen die Entwicklung des deutschen Volkes in den Fokus rückt. Damit favorisiert er eine national-pädagogische Absicht innerhalb des Volksschulwesens, die an späteren Stellen immer wieder hervortritt. Rein verfolgt in Übereinstimmung mit Ziller einen Lehrplan, der im Groben den Lauf der Menschheit und ihrer kulturgeschichtlichen Entwicklung beginnend mit der des jüdischen Volkes und im weiteren Verlauf der des eigenen deutschen Volkes in den Blick nimmt (vgl. Rein et al. 1888, S. 10). Im Einzelnen bedeutet dies für Rein, wiederum in Kongruenz mit Ziller, „dass der für unsere evangelische Volksschule nötige engere Rahmen ausgefüllt werden muss durch die kulturgeschichtliche Entwicklung des jüdischen und dann unseres eigenen Volkes; dass die ethisch-religiöse Reihe mit den jüdischen Patriarchen anheben, durch die Richter-

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und Königszeit hindurch zu Jesus Christus, von hier zu den Aposteln fortschreiten muss, um endlich mit dem System unserer evangelischen Kirche, dem Katechismus abzuschliessen“ (Rein et al. 1888, S. 10-11). Die Bedeutung, welche Rein der evangelischen Konfession einräumt, ist unschwer zu erkennen, wenn er Luther quasi als Krönung der in der Volksschule zur betrachtenden Kulturgeschichte darstellt. Kurz vor der hier zitierten Stelle spricht er diese Auffassung ganz konkret an, wenn er den Lehrplan, der hier entwickelt werden soll, den einer evangelischen Volksschule nennt (vgl. Rein et al. 1888, S. 11). Im weiteren Verlauf der Betrachtung gibt er zu bedenken, dass dieser Plan für ihn jedoch den Kursus vom dritten bis zum achten Schuljahr bestimmen soll. Hierin schließt er sich wiederum der Auffassung Zillers an, da er in den ersten beiden Schuljahren die Vorbereitung dieses Vorhabens ansiedelt. Die dabei als Gesinnungsstoff dienenden Sachverhalte bilden die epischen Märchen im ersten und die Erzählung des Robinsons im zweiten Schuljahr (vgl. Rein et al. 1888, S. 11). In diesem Zusammenhang tritt er Bedenken gegenüber seiner Konzeption entgegen, dass hierbei in den ersten beiden Schuljahren eventuell die religiöse Bildung nicht im Anschluss an den häuslichen Bereich weitergeführt wird und eine störende Unterbrechung erfährt. Er wendet ein, womit er gleichzeitig einen Einblick in seine Vorstellung hinsichtlich des Schullebens gibt, dass dieser Bereich in den ersten Schuljahren durch einen konzeptionellen Schulgottesdienst Beachtung erfährt, der für den gesamten achtjährigen Zeitraum des Besuchs der Volksschule vorgesehen ist (vgl. Rein et al. 1888, S. 11). Er begründet dies mit dem Hinweis darauf, dass ein solcher als Einrichtung für die Pflege des christlichen Sinnes der Schüler angemessener wäre, da eine unterrichtliche Bearbeitung der religiösen Sachverhalte die Fähigkeit der Schüler zur Apperzeption des Stoffes, zumindest in diesem Alter, noch übersteigt (vgl. Rein et al. 1888, S. 11). Bis hierhin bewegt sich Rein in seinen Überlegungen zu einem Lehrplan in völliger Übereinstimmung mit Ziller. Nur in einem Punkt geht er nicht konform mit ihm. Dieser Aspekt betrifft die zeitliche Konzeption im Hinblick auf die Bearbeitung der alt- und neutestamentarischen Stoffe. Im Gegensatz zu Ziller, der den alttestamentarischen Stoffen drei Jahre zubilligt und den neutestamentarischen nur ein Jahr, soll bei Rein die Bearbeitung in jeweils zwei Jahren erfolgen (vgl. Rein et al. 1888, S. 11). Die Begründung für seine Aufstellung der jeweiligen zweijährigen Behandlung führt Rein in der Schrift zum vierten Schuljahr aus:

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2. Analyse Erstkontext

„Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass diese Verteilung [gemeint ist die ziller’sche, M.S.] ein entschiedenes Missverhältnis in sich schliesst. Bei dem Leben unseres Herrn soll das Kind nur ein Jahr, bei den Vorstufen aber, die im Vergleich zu ihm doch nur sekundäre Bedeutung haben können, soll es drei volle Schuljahre verweilen. Man wird uns hier einwenden, Patriarchen-, Richter- und Königszeit seien drei scharf abgrenzbare Stufen in der Entwicklung des jüdischen Volkes, denen drei abgegrenzte Zeiträume in der Entwicklung des Kindes entsprächen, darum dürfe keine Stufe übersprungen oder verkürzt werden. Dies dürfte schwer zu beweisen sein. Man könnte ferner einwenden, das Leben Jesu sei zu schwer, als dass es im fünften Schuljahr schon eintreten könne. Wir bestreiten dies in der Voraussetzung, dass man die schwierigeren Partieen der Lehre (Bergpredigt, Gleichnisse etc.) auf das sechste Schuljahr verschiebt. Unsere Anordnung vermeidet vielmehr den Vorwurf, dass das Leben unseres Heilandes zu spät den Kindern dargeboten werde. Denn wenn dasselbe auch den Kindern der Erziehungsschule durchaus nicht fremd bleibt, indem die fortlaufenden sonntäglichen Erbauungsstunden für die Erfassung desselben Sorge tragen, so dürfte doch zu bezweifeln sein, ob es möglich sei, ob eine so lange Verschiebung der unterrichtlichen Behandlung zu Gunsten des alten Testaments sich rechtfertigen lässt, ferner auch, ob es möglich sei, innerhalb eines Jahres das Leben und die Lehre unseres Herrn mit den Kindern gründlich und umfassend durchzuarbeiten.“ (Rein et al. 1881, S. 2) Wir halten also fest, dass Rein, außer in diesem Punkt von Ziller abweichend, dessen Systematik hinsichtlich des Lehrplans und der Auswahl des Gesinnungsstoffes für den achtjährigen Kursus der Volksschule folgende Stoffe vorsieht: 1. Schuljahr: Märchen 2. Schuljahr: Erzählung des Robinson 3. Schuljahr: Patriarchen, inklusive Moses 4. Schuljahr: Richter und Könige 5. und 6. Schuljahr: Jesus Christus 7. Schuljahr: Paulus 8. Schuljahr: Luther (Katechismus) (vgl. Rein et al. 1888, S. 11).

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Diese Gesinnungsstoffe und ihre Anordnung sind für Rein im Anschluss an die herbart’sche Idee der Parallelisierung von Phylogenese und Ontogenese und deren Ausarbeitung durch Ziller in der Idee der kulturhistorischen Stufen die zwangsläufige Folgerung. Dies bekräftigt er mit den Worten, mit denen er den Kern der Idee, die hinter der Auswahl und Anordnung des Lehrstoffes steckt, klar formuliert: „Wir richten uns also hierbei danach, dass die naturkundlichen Lehrstoffe dem Entwicklungsgange des Zöglings angemessen sind auf Grund des Gedankens, dass dieser Entwicklungsgang mit dem kulturgeschichtlichen Fortgang der Menschheit im grossen und ganzen übereinstimmt, dass die Jugend – nach dem Worte Goethes – immer wieder von vorn angegangen und als Individuum die Epochen der Weltkultur durchmachen muss. An der Hand dieses Ganges soll der Einzelgeist nochmals die Gesamtentwicklung in zusammengedrängter Weise durchlaufen bis zu den verwickelten Verhältnissen der Gegenwart, damit er diese verstehen und an ihren Aufgaben sich beteiligen lerne.“ (Rein et al. 1888, S. 12) Entscheidend ist hierbei, dass durch dieses Prinzip das Werden der Schüler im Mittelpunkt steht und zwar in erster Linie das Werden im Sinne der Bildung eines sittlich-religiösen Charakters, der durch die Auswahl der entsprechenden historischen Lehrstoffe, die als Gesinnungsstoffe dienen, unterstützt werden soll. Wenden wir uns im Folgenden der Konzentrationsidee zu, die die Verbindung der einzelnen Lehrfächer untereinander zum Gegenstand hat, so wie sie Rein in der Konzeption seiner Unterrichtslehre entwirft. Rein entwickelt natürlich auch hier seine Position, aufbauend auf den ethischen und psychologischen Forderungen Herbarts, wie der sie an den Unterricht gerichtet hat. Die ethische Forderung bezieht sich auf die Bildung einer tugendhaften Persönlichkeit im Kinde und rekurriert auf die Idee der Vollkommenheit. Diese wiederum stellt für den gelingenden Unterricht den Anspruch auf, dass dieser klare Vorstellungen herbeizuführen, tiefe Gefühle hervorzurufen und für die Entwicklung eines vielseitigen Interesses zu sorgen hat. An dieser Stelle tritt nun die Konzentrationsidee hervor, die die Einheit dieser Bewusstseinsinhalte gewährleisten soll, da ohne diese Einheit die Bildung der Persönlichkeit des Zöglings nicht möglich wäre und einer Zergliederung selbiger zuvorzukom-

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2. Analyse Erstkontext

men ist. Dies stellt also die ethische Seite der Konzentrationsidee dar (vgl. Rein et al. 1888, S. 17). Ihre psychologischen Implikationen beziehen sich auf den Aufbau des Ichs und dessen Hervorgehen aus dem Zusammenspiel verschiedener Vorstellungskreise. Auch hier ist es die zu erhaltende Einheit bei gleichzeitiger mannigfaltiger Wechselwirkung verschiedener Vorstellungen, die gefordert wird und die der Unterricht erfüllen soll (vgl. Rein et al. 1888, S. 17-18). Rein drückt es mit kurzen Worten wie folgt aus: „Die werdende Person des Zöglings ist also das Zentrum, worauf das Viele der Interessen immer wieder zurückbezogen werden muss, die Konzentration aber die Vereinigung des Vielen, was der Unterricht darbietet, in der werdenden Person des Zöglings.“ (Rein et al. 1888, S. 18) Um die Frage danach beantworten zu können, wie denn das Ganze innerhalb des Unterrichts möglich sei, verweist Rein zunächst einmal auf die Auswahl und insbesondere auf die Anordnung der Lehrstoffe nach den kulturhistorischen Stoffen, die einer Zerstreuung durch ihr Prinzip, welches auf der These der Parallele der Einzelentwicklung mit der Gesamtentwicklung der Menschheit beruht, entgegentritt (vgl. Rein et al. 1888, S. 18). Damit ist gemeint, dass die Einheit durch die Festlegung auf einen einheitlichen Stoff für jedes Schuljahr sichergestellt werden soll. Ausgehend von diesem einheitlichen Lehrgegenstand wird der übrige Unterrichtsstoff aus den verschiedenen Fächern mit eben diesem auf das Innigste verknüpft und ihm angegliedert (vgl. Rein et al. 1888, S. 18). Ziel dieses Vorgehens ist der in sich geschlossene Gedankenkreis der Schüler, den so ein jedes Schuljahr hervorbringen soll: „So ordnet sich der höheren Konzentration, welche ihr Zentrum in der werdenden Persönlichkeit des Zöglings sieht, die Konzentration der Lehrfächer unter, in welcher den Mittelpunkt alles Unterrichts einheitlich bedeutsame Gesinnungs-Stoffe bilden, die als Repräsentanten einer einzelnen Kulturstufe, jedes einzelne Schuljahr beherrschen. Hierdurch wird in erster Linie einer Zersplitterung des Gedankenkreises vorgebeugt.“ (Rein et al. 1888, S. 19)

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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Der Kern der Konzentrationsidee ist also in erster Linie derjenige der Konzentration auf einen, für jedes Schuljahr, entsprechenden Gesinnungsstoff (vgl. Rein et al. 1888, S. 19). Darüber hinaus ist es in zweiter Linie natürlich, wie weiter oben schon angemerkt, im Sinne der Konzentrationsidee notwendig, den übrigen Stoff in entsprechend zweckmäßiger Form diesem Gesinnungsstoff zuzuordnen und in nachvollziehbarer Weise zu einem System auszubauen. Bei dieser Aufgabe sucht Rein wieder engen Anschluss an Ziller. Die Verwirklichung der Konzentrationsidee in dieser Hinsicht erstreckt sich darauf, dass sich die Anordnung, ausgehend vom Gesinnungsstoff, der übrigen Disziplinen nicht rein logisch vollzieht, sondern nach den psychologischen Maßgaben eines Unterrichts, der in allererster Linie erziehen will (vgl. Rein et al. 1888, S. 22). Das heißt, dass sich der Inhalt der einzelnen Disziplinen nicht grundlegend ändert, sondern nur dessen Anordnung und Lehrgang dem jeweiligen Gesinnungsstoff angepasst werden muss und Auswahl, Anordnung und Bearbeitung der jeweiligen Disziplin in innigstem Anschluss an den Gesinnungsstoff erfolgt (vgl. Rein et al. 1888, S. 22). Bei Rein selbst heißt es dazu: „Wird in dieser Weise das Verhältnis der einzelnen Unterrichtsfächer zu einander vollständig durchgeführt, so erreicht man eine Konzentration des Unterrichts und damit eine Konzentration des kindlichen Geistes, bei welcher Gesinnungsverhältnisse das Maßgebende bilden. An diese konzentrierenden Gesinnungsstoffe, die für sich schon das ganze Reich der Gesinnungen umfassen und das Denken auf den verschiedensten Gebieten anzuregen vermögen, wird nun alles das zu bearbeitende Viele der einzelnen Fächer angeschlossen, welches mit dem Gesinnungsstoff jeder bestimmten Kulturstufe in Zusammenhang steht, und zwar in unmittelbarer und mittelbarer Weise. Wenn man nämlich den kulturgeschichtlichen Gesinnungsstoff zerlegt, so zeigt sich, dass damit zugleich Stoff für die anderen Fächer gegeben ist. So wie jede Kulturstufe die verschiedenen Thätigkeiten der Menschen in Religion, Wissenschaft, Kunst und Natur abspiegelt, so verlangt auch jedes Kulturbild, das im Unterricht mit den Schülern entworfen wird, eine vielseitige Betrachtung nach der Seite der Gesinnung, der Kunstbestrebungen, der materiellen Leistungen u.s.w. Selbstverständlich bleibt das, was die Gesinnungen ausmacht, das Bestimmende. Sie schließen sich teils unmittelbar,

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2. Analyse Erstkontext

teils mittelbar an letztere an. Die notwendige Folge aber dieses grundlegenden Satzes wird die sein, dass der Stoff in den einzelnen Fächern nicht mehr, wie bisher, nach dem fachwissenschaftlichen Gang angeordnet wird, sondern nach der Überlegung, wie derselbe und welche Teile von ihm mit dem betr. Kulturstufe, bezüglich mit den dieser Kulturstufe entsprechenden Gesinnungsstoffen in Verbindung stehen.“ (Rein et al. 1888, S. 21-22) Halten wir also fest, dass die Idee der kulturhistorischen Stufen, welche die Auswahl und die Anordnung des Gesinnungsstoffes betrifft und sich auf die These von der Parallelität von Ontogenese und Phylogenese stützt, auf das Engste mit der Konzentrationsidee verbunden ist, die sich der zweckmäßigen Verbindung der einzelnen Gesinnungsstoffe widmet; nämlich in der Weise, dass der entsprechend ausgewählte Gesinnungsstoff in seiner Zergliederung Anschlussmöglichkeiten aus den fachwissenschaftlichen Inhalten bereithält, die es aufzuspüren und in ein zweckmäßiges Verhältnis hinsichtlich Anordnung und Durcharbeitung zu setzen gilt. Diese Auffassung darf allerdings nicht in der Art verstanden werden, dass nur Inhalte aus den fachwissenschaftlichen Lehrgängen herangezogen werden, die schon im Gesinnungsstoff enthalten sind. Denn unabhängig davon, wie vielseitig und mannigfaltig der Gesinnungsstoff sein mag, er kann es nicht in dem Ausmaß sein, dass es bei diesem Vorgehen zu einer Verkürzung der übrigen Lehrfächer kommen würde. Die Betonung muss hierbei darauf liegen, dass Anschlussmöglichkeiten gesucht werden. Das heißt, dass der thematische Aufbau des Fachunterrichts, der psychologisch zweckmäßig aufgebaut sein soll, nicht in jeglicher Hinsicht dem Konzentrationsstoff angepasst werden muss, sondern „er kann auch durch die eigne Triebkraft der Gedanken, die bereits ausgebildet sind, ohne besondere Anstösse von Seiten des Konzentrationsstoffes weiter geführt werden, und nicht auf alles, was der Konzentrationsstoff enthält, müssen die auf die Fortführung der Gedankenfäden berechneten Ziele sich beziehen“ (Rein et al. 1888, S. 22). Das liegt daran, dass die Konzentrationsidee trotz allem den Zögling und dessen Individualität im Blick hat, die für sich wiederum durch die unmittelbare Lebenswelt der Zöglinge bestimmt ist, und sich als eine Konzentration des Geistes versteht (vgl. Rein et al. 1888, S. 22). Die Konsequenzen für die Stoffauswahl fasst Rein dann in den folgenden Forderungen, die sich eng an den im ziller’schen Seminar formulierten anschließen, zusammen:

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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„Daher wurde bereits in dem ‚Seminarbuch‘ die Heranziehung von Stoffen gefordert, welche a) für das genaue Verständnis des Konzentrationsinhalts unmittelbar nötig oder doch für eine scharfe Charakterisierung erforderlich sind, oder zu seiner Ergänzung und näheren Ausführung dienen, aber z. B. auch ein Gegenbild liefern können; b) welche den Zusammenhang des in der Konzentrationsreihe enthaltenen Kulturfortschritts nebst seiner Verzweigungen genauer darstellen und den gleichfalls in jener Reiher enthaltenen ethischen Zusammenhang deutlicher ausprägen; c) welche die Konzentrationsstoffe vom Individualitätskreise aus vorbereiten, verdeutlichen oder von diesem zu ihnen hinführen sollen; d) welche sie von demselben Kreise aus eindringlicher und zugänglicher machen oder die zur Verschmelzung der Gedankenkreise notwendige Rückbeziehung auf denselben vermitteln; e) welche das durch die Konzentrationsstoffe angeregte Interesse fortleiten und in die Stimmung desselben hineinpassen; f) welche vereinzelte Betrachtungen der Konzentrationsstoffe zum Abschluss bringen; g) welche einen ähnlichen oder stufenweisen sich aufbauenden, in die Konzentrationsreihe eingreifenden Inhalt und verschiedene Seiten desselben Gegenstandes enthalten und nach allgemeinen psychologisch-pädagogischen Gesichtspunkten auf die verschiedenen Lehrstufen verteilt werden.“ (Rein et al. 1888, S. 23) Es wird ersichtlich, dass die Konzentrationsidee ein Prinzip darstellt, das in erster Linie ein formales ist und erst in zweiter Linie ein materiales darstellt. Ebenso augenscheinlich ist, dass Auswahl und Anordnung der Stoffe aus den Fachdisziplinen nach diesem Prinzip kein einseitig auf den Konzentrationsstoff bezogenes ist, sondern vielmehr ein Lehrplansystem generieren soll, das durch reziproke Verhältnisse der Unterrichtsstoffe zueinander und insbesondere der übrigen Stoffe zum Konzentrationsstoff gekennzeichnet ist. Zum Verhältnis der Fächer untereinander und der Anordnung innerhalb derselbigen schreibt Rein an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Erläuterung des Begriffes der methodischen Einheit folgende aufschlussreiche Zeilen:

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2. Analyse Erstkontext

„Der gesamte Lehrstoff zerfällt aber in Fächer, die den Forderungen der Konzentration gemäss stets Anknüpfungen aneinander suchen, Anregungen und Weisungen von einander zu empfangen haben, von denen aber doch jedes derselben seiner eigenen Natur nach im Unterrichte sich entfalten muss. Denn jedes Fach fordert seine eigentümliche Behandlung, in jedem findet eine eigentümliche Gruppierung seiner Interessen und infolgedessen auch eine eigentümliche Art der Gedankenbewegung statt, jedem entspricht eine eigentümliche Gefühlsstimmung. Eine Vermischung der Fächer in der Art, dass Geschichtsunterricht in Sprachunterricht, Naturkunde in Geographie, der Unterricht im Zeichnen in Sprach- und Rechenunterricht übergeht, ist als eine verkehrte und falsche Art der Konzentration völlig unzulässig.“ (Rein et al. 1888, S. 24) Jedes Fach behält also seine Eigenständigkeit, auch wenn die einzelnen Fächer in eine wechselseitige Bezogenheit zueinander gesetzt werden. Darüber hinaus bleibt zu beachten, dass Stoffe, die dem Individualitätskreis, d.h. der unmittelbaren Lebenswelt, der Heimat und dem Schulleben entnommen werden bzw. Anschluss daran finden, ebenfalls in Betracht kommen, auch wenn sie nicht im jeweiligen Gesinnungsstoff wiederzufinden sind, da sie der Konzentration der Persönlichkeit dienlich sind und daher ihren Weg in den Unterricht finden sollen (vgl. Rein et al. 1888, S. 24). Die dritte grundlegende Idee ist, wie weiter oben schon bemerkt, die der Formalstufen und betrifft die methodische Durcharbeitung der Stoffe. Das basale Vokabular, auf das sich Rein hier stützt, stammt direkt aus der Theorie Herbarts, wie er sie in der „Allgemeinen Pädagogik“ entwickelt hat. Da dies schon im vorhergehenden Kapitel besprochen wurde, sollen an dieser Stelle nur noch einmal die wesentlichen Begrifflichkeiten wiederholt werden. Namentlich wären das die Vielseitigkeit des Interesses; Vertiefung und Besinnung, Klarheit und Assoziation, System und Methode; Interesse und Begehrung, Merken und Erwarten, Fordern und Handeln; des Weiteren hinsichtlich des Ganges des Unterrichts der bloß darstellende, der analytische und der synthetische Unterricht. Davon ausgehend beruft sich Rein wiederum auf die Ausarbeitungen Zillers zur methodischen Durcharbeitung und unterteilt seine Darstellung in eine Betrachtung zum a) Lernprozess an sich und b) zum Stufengang des Unterrichts (vgl. Rein et al. 1888, S. 32). In Bezug auf die Me-

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thodik muss festgehalten werden, dass Rein sich hier auf das Engste an die Grundlagen der Unterrichtsmethodik ziller’scher Prägung anschließt und sich damit in diesem Bereich am deutlichsten als Herbartianer zeigt (vgl. Pohl 1972, S. 211).23 Ausgangspunkt für jegliche Konzeption eines gelingenden Unterrichts ist der Lernende und sein Lernprozess, der für Rein in strengen methodischen Reihen verlaufen muss, damit er der Naturgesetzlichkeit dieses Prozesses gerecht wird. Es gilt, die Natur des Prozesses zu entschlüsseln, um darauf aufbauend ein Unterrichtsverfahren zu entwickeln, das diesem Lernprozess in seiner Regelhaftigkeit entspricht (vgl. Rein et al. 1888, S. 32). In diesem Fall könnte von einem natürlichen Lehrverfahren die Rede sein, das allerdings ein Ideal darstellt, da nur in Folge der umfassenden Kenntnis aller psychischen Prozesse zu realisieren wäre. Für Rein ist der Lernprozess grundlegend, ganz in herbartischer Tradition, geteilt in einen Apperzeptionsprozess und in einen Abstraktionsprozess (vgl. Rein et al. 1888, S. 32). Zur Analyse des Apperzeptionsprozesses und deren Ergebnisse ist bei Rein nachzulesen: „Durch die Darbietung eines Unterrichtsstoffes wird eine Mannigfaltigkeit von Eindrücken auf den Schüler hervorgebracht, die ihn bestimmen, auf den Gegenstand zu achten, sich in denselben zu vertiefen. In diesem Zustande perzipiert die Seele die empfangenen Eindrücke, d.h. sie nimmt dieselben wahr, fasst sie auf; es entstehen Wahrnehmungen, Vorstellungen, verschieden von denen, die bis dahin in dem erleuchteten Bewusstsein vorhanden waren. Aber schon im Entstehen bewirken die neuen Gebilde auch in dem bereits vorhandenen Vorstellungskreise eine eigentümliche Reaktion, die sich dadurch zu erkennen gibt, dass die zu den neuen in Beziehung stehenden älteren Vorstel23 Nachdem sich Rein zu Beginn seiner publizistischen Tätigkeit, abgesehen von seiner Dissertationsschrift, eher mit speziellen Fragen der Methodik, insbesondere hinsichtlich des Zeichenunterrichts sowie anderen Themen auseinandersetzte, äußert er sich das erste Mal dezidiert zu Problemen der Unterrichtsmethodik im Allgemeinen in einem Aufsatz von 1876 (vgl. Rein 1876, S. 1-30). Schon in diesem Aufsatz entwickelt er ein grundlegendes Muster für die Lösung der Problematik der Unterrichtsmethodik, das sich im Laufe der Zeit kaum verändert. Im engen Anschluss an Ziller schreibt er da, dass „die Methodik des Unterrichts, als Ganzes aufgefasst, die Lehre von den psychologischen Gesetzen [ist, M.S.], nach denen die Unterweisung sowohl im allgemeinen als mit Rücksicht auf die einzelnen Objekte des Unterrichts in Angemessenheit zu den pädagogischen Prinzipien fortzuschreiten hat, und die Methoden selbst sind nichts anderes als konkrete Formen für die unwandelbaren Gesetze des menschlichen Geistes und werden durch diese Gesetze vorgezeichnet.“ (Rein 1876, S. 12-13)

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2. Analyse Erstkontext

lungen […] an sich ziehen und in die Gedankenkreise mit einführen, denen die älteren angehören. Trifft es sich, dass das gebotene Neue Verwandtes in der Seele nicht vorfindet, […], so bleibt dasselbe unklar, unverstanden, […]. Ruft das neue dagegen einen Reichtum älterer Vorstellungen wach, die alle mit Leichtigkeit ins Bewusstsein vordringen, so werden diese zu eben so vielen Kräften, welche den neuen Vorstellungen zu voller Klarheit, Stärke und Sicherheit verhelfen; […]. Den wichtigen Vorgang, bei welchem nach psychologischer Vorstellungsweise das Neue dem bekannten Alten sich assimiliert und dadurch selbst in den Gedankenkreis mit eingeht, bezeichnet die Psychologie mit dem Namen Apperzeption. Geht diese in voller Lebendigkeit vor sich, so fühlt sich der Schüler selbsttätig, geistig angeregt, gehoben, wachsend an innerem Leben: der Unterricht wirkt bildend.“ (Rein et al. 1888, S. 33) Es gilt also die Apperzeption in ihrem Prozesscharakter in erster Linie durch eine zweckmäßige Auswahl der Lehrinhalte zu unterstützen. Das setzt jedoch wiederum voraus, dass vorab klar ist, auf welchen Wissensstand, aber auch vor allem in welchem Gemütszustand sich der Zögling befindet. Dies rückt den Schüler in das Zentrum der Überlegungen, indem zum einen die Gesetzmäßigkeiten seines Lernprozesses analysiert und beschrieben sein müssen und zum anderen seine jeweilige Verfasstheit hinsichtlich seines Wissens und seines Gemüts offenliegen muss. Nur so kann ein Unterricht von Anfang an dem Anspruch gerecht werden, bildend zu sein und nicht bloß eine Anhäufung sogenannten toten Wissens, das bestenfalls ein Wortwissen sein kann (vgl. Rein et al. 1888, S. 34). Außerdem darf es gleichfalls nie nur um Wissen gehen und dessen größtmögliche Akkumulation, sondern die Gemütszustände des Zöglings sind mindestens von gleich großer Bedeutung. Denn bei all diesen Überlegungen muss sich immer vor Augen gehalten werden, dass das schlussendliche und alles überragende Ziel des Unterrichts die Bildung eines sittlich-religiösen Charakters darstellt und es darum gilt, immer den ganzen Gedankenkreis der Schüler zu bilden. Der Abstraktionsprozess bildet die Fortsetzung dessen, was der Apperzeptionsprozess vorbereitet hat. Dieser Prozess ist grundlegend und unerlässlich, da die Stufe bzw. der Prozess der Apperzeption nur empirisches Wissen sein kann. Das begriffliche Wissen, das Rein als das wahrhaft menschliche bezeichnet, und die dazu nötige Abstraktion haben der Apperzeption zu folgen, damit das Wissen zu

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einem solchen werden kann, das wiederum direkten Einfluss auf den menschlichen Willen gewinnen kann (vgl. Rein et al. 1888, S. 35). Dieser Prozess ist für Rein als solcher ein wesentlich menschlicher. Dazu schreibt er: „Einzig durch die Weiterbildung unserer elementaren Grundvorstellungen bis zum wohlgeordneten begrifflichen Erkennen kann aus einer Mehrheit von konkreten Einzelvorstellungen Intelligenz, Sittlichkeit und Religion hervorgehen.“ (Rein et al. 1888, S. 35) Diese Worte verdeutlichen die Bedeutung, die dieser Prozess in der menschlichen Einzelentwicklung, aber auch in der Entwicklung der gesamten Menschheit einnimmt. Der Prozess der Abstraktion, das heißt die Begriffsbildung, ist hierbei durch eine Stufenfolge differenziert und unterteilt sich daher in einen niederen psychologischen Begriff sowie in einen höheren logischen Begriff (vgl. Rein et al. 1888, S. 35). Unter diesen beiden Begriffsarten versteht Rein im Falle des psychologischen Begriffs das Vorhandensein einer richtigen Allgemeinvorstellung. Dabei ist das Individuum jedoch noch nicht im Besitz eines ausdifferenzierten logisch geordneten Begriffs, der alle Momente der Vorstellung beinhaltet. Im Falle des logischen Begriffs bewegen wir uns auf einer definitorischen Ebene. Das heißt, eine Definition ist aufgestellt und verinnerlicht (vgl. Rein et al. 1888, S. 35). Rein bemerkt, dass der Unterricht mit Kindern jedoch nicht immer, ja in den seltensten Fällen bis zum logischen Begriff oder sogar zum wissenschaftlichen System, das Rein ganz nach Kant als ein System wohlgeordneter logisch durchgebildeter Begriffe betrachtet, vordringt und sich zumeist mit dem psychologischen Begriff zufrieden geben muss (vgl. Rein et al. 1888, S. 35-36). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang ebenfalls die Frage danach, ob der Gang der Schüler von den Einzelvorstellungen zu den begrifflich durchgebildeten allgemein gültigen Resultaten ein geführter, von Selbsttätigkeit des Schülers gekennzeichneter sein soll oder ob es ratsam ist, dem Schüler als auch der Lehrkraft diesen langen Weg zu ersparen und dem Schüler die logischen Begriffe als Endprodukte mundgerecht vorzusetzen. Diese Frage beantwortet Rein eindeutig und entschieden. Der Schüler hat sich in jedem Fall seine eigene Begriffswelt selbsttätig zu erarbeiten, wobei er aus einer vitalen und dynamischen Anschauung schöpfen muss, die er selbst durch seine Sinne wahrgenommen hat. Denn „nur durch die Vollkraft eigener sinnlicher Wahrnehmung er-

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hält unser begriffliches Wissen das Leben, die Frische, die es zu einem Motor für unser Denken und Thun machen“ (Rein et al. 1888, S. 36). Dies gilt für Rein für die ethische als auch für die theoretische Erkenntnis (vgl. Rein et al. 1888, S. 36). Erkenntnistheoretisch bewegt sich Rein ganz auf einer Linie mit Herbart, da dieser die Grundlage aller Erkenntnis ebenfalls in der Erfahrung sieht, die das Material für die Tätigkeit des Geistes liefert, die als notwendige Voraussetzung und Ergänzung hinzutritt. Diese Bestimmungen haben gleichfalls weitreichende Konsequenzen für den Unterricht und die Art und Weise der Durcharbeitung und des Ablaufs desselbigen. Denn der Unterricht kann deshalb nur ein induktives Vorgehen vom Besonderen zum Allgemeinen beinhalten, zumindest auf den unteren Stufen, und sein Ablauf hat sich danach zu richten Dazu aber an anderer Stelle weiter unten mehr. Aus all diesen Überlegungen folgt für Rein zusammenfassend: „Jeder echte Lernprozess im erziehenden Unterricht hat unter stetem Wechsel von Vertiefung und Besinnung mit der Auffassung und Aneignung eines Mannigfachen von konkretem Vorstellungsmateriale zu beginnen, und sodann durch verschiedene Mittelstufen und innere Prozesse hindurch zur Ableitung und zur Anwendung des in demselben zugleich mit enthaltene Allgemeingültigen fortzuschreiten. Der erste Akt führt das wertvolle Rohmaterial herbei; der zweite verarbeitet dasselbe zu den feineren Geistesprodukten, zu Begriffen, Regeln, Gesetzen, Maximen, Grundsätzen, in welchen wir die Blüte unseres gesamten Geisteslebens zu suchen haben. Der stoffliche Inhalt jedes Lehrpensums muss vom Lehrer dargeboten, vom Schüler angeeignet werden; den begrifflichen Inhalt hat sich der Schüler selbst zu abstrahieren; wobei der Unterricht nur die Ziele vor Augen zu stellen, die Wege dahin zu weisen, die Hindernisse zu beseitigen hat. Alles Lernen ist darum an die einfachen Gesetze der Aneignung (Apperzeption) und der Abstraktion gebunden, und der erziehliche Unterricht, der dieses Lernen zu leiten hat, hat sich diesen Gesetzen gemäss einzurichten.“ (Rein et al. 1888, S. 37) Hier treten ein grundlegendes Moment und ein grundlegender Anspruch herbartischer Pädagogik ganz deutlich zum Vorschein. Es ist die Gesetzmäßigkeit innerhalb einer Konzeption, die eine Wissenschaftlichkeit garantieren soll und

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Ordnung in das schwierige Ganze der Erziehung bringen will, indem sie auf einer ethisch bestimmten Zielsetzung und einer psychologisch fundierten Vorgehensweise beruht. Um Ordnung und Wissenschaftlichkeit in der Vorgehensweise des Unterrichts zu generieren, bedient sich Rein der Herbart-Ziller’schen Theorie von der Durchbildung des Unterrichts anhand der Formalstufen. In ihren Grundzügen bezieht sich die rein’sche Formalstufentheorie auf die Ausarbeitungen Zillers. Damit nähern wir uns dem konkreten Unterrichtsgeschehen und der Herleitung und Begründung der Verfahrensweise an. Zentraler und grundlegender Bestandteil der dazugehörigen Theorie von den Formalstufen bildet der bei Ziller entlehnte Begriff der methodischen Einheit. Dem Unterricht vorausgegangen sein muss die Unterteilung des Lehrstoffes in differenziertere Abschnitte. Rein begründet dies mit folgenden Worten: „Das ist notwendig, weil ein Reichtum von Wissensmaterial, wie ein solcher bei noch so grosser Stoffbeschränkung in jedem der Lehrfächer vorliegt, sich nur nach und nach und in mässigen Abschnitten bewältigen und aneignen lässt. Werden dem Schüler grosse Stoffmengen in langen Reihen ohne Unterbrechungen und Ruhepunkte dargeboten, so stossen immer die härtesten Gegensätze aufeinander und drohen Gefahr; er kann das massenhaft zusammengekommene Material nicht durchdringen, nicht beherrschen. Das ist ihm nur möglich, wenn der Unterricht Abschnitt für Abschnitt gründlich durcharbeitet und dadurch der Betrachtung Zeit gewährt, sich auf einmal immer nur auf ein verhältnismässig Weniges zu beschränken.“ (Rein et al. 1888, S. 38) Dies muss also sowohl im Hinblick auf einen Lehrplan für ein gesamtes Schuljahr als auch auf thematische Einheiten innerhalb dieses Lehrplans für die einzelnen Fächer vollzogen werden, denn nur die Durcharbeitung des Einzelnen kann zum Verständnis des Ganzen führen. Ausgehend vom Prinzip der Auswahl und Anordnung der Lehrstoffe nach den kulturhistorischen Stufen lässt sich der Begriff der methodischen Einheit näher bestimmen. Unter den Begriff der methodischen Einheit fallen demnach nur die für ein Schuljahr bzw. Schulhalbjahr festgelegten Konzentrationsstoffe und die diesen zugewiesenen theoretischen Lehrstoffe, die für die verschiedenen Fächer vorgesehen sind. Die Gliederung der Lehrstoffe darf

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demnach keinesfalls willkürlich sein (vgl. Rein et al. 1888, S. 38). Die entsprechende Summe der Lehrstoffe in den Fächern wiederum zerfällt ebenso in verschiedene Teile, bei denen das Hauptaugenmerk darauf zu richten ist, „dass jeder der Abschnitte schon einen Teil des Allgemeinen, Allgemeingültigen, Begrifflichen mit enthält, in dessen Besitz die Schüler durch den Unterricht gelangen sollen, und dass sich folgeweise innerhalb eines jeden Stoffabschnitts bei der unterrichtlichen Behandlung desselben zur Gewinnung des in ihm enthaltenen Begrifflichen ein vollständiger Lern, bezüglich Apperzeptions- und Abstraktionsprozess vollziehen kann“ (Rein et al. 1888, S. 38). Der den methodischen Einheiten inhärente Hauptzweck liegt also im begrifflichen Bildungsgewinn (vgl. Rein et al. 1888, S. 38). Als eine Art Definition präsentiert Rein Folgendes: „Die methodischen Einheiten können hiernach erklärt werden als die organischen Glieder der Lehrstoffreihen der einzelnen Unterrichtsfächer, die schon je einen Teil des an die Schüler zu übermittelnden Begriffsmaterials enthalten, und bei deren unterrichtlicher Behandlung zur Gewinnung dieses Begrifflichen ein vollständiger Lernprozess mit der ganzen Mannigfaltigkeit seiner Gedankenarbeit und veranlasst durch die ganze Reihe der hierzu erforderlichen Lehrtätigkeit […] zum Ablauf gelangt. Die Einheiten in ihrer Gesamtheit stellen den Aufbau des kindlichen Gedankenkreises durch den Unterricht dar.“ (Rein et al. 1888, S. 39) Das Kriterium dafür, dass ein Lehrstoff als methodische Einheit betrachtet wird, ist also der konkrete Bezug des Stoffes auf dasselbe Novum als Bildungsresultat, das für den jeweiligen Kursus vorgesehen ist. Dies kennzeichnet die, von Rein als unterrichtliche Hauptreihen bezeichneten Richtungen der thematischen Durcharbeitung als methodische Einheiten. Parallel dazu etablieren sich im Verlauf eines Kursus gleichfalls Lehrstoffe, die im Anschluss an die Bezeichnung der Hauptreihen als Nebenreihen gekennzeichnet werden und „die, hervorgerufen durch ein augenblickliches Bedürfnis, oder dargebracht durch die Gunst zufälliger Umstände, sich in die Hauptreihen einschieben oder kleine Strecken neben denselben herlaufen“ (Rein et al. 1888, S. 39). Diese unwesentlichen Stoffe stellen jene dar, die innerhalb einer der Stufen der Vorbereitung bearbeitet werden können oder als Ergänzung dienen und daher keine selbstständige Einheit darstellen, da sie für sich

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genommen auf begrifflicher bzw. allgemeingültiger Ebene nichts Zusätzliches beinhalten, das nicht schon in den Stoffen der Hauptreihe enthalten ist. Sie dienen einzig und allein der Unterstützung (vgl. Rein et al. 1888, S. 39). Damit sind konkret Stoffe gemeint, die nur bis zur zweiten Stufe bearbeitet werden, da sie zwar dem kulturhistorischen oder naturkundlichen Unterricht in unterstützender Funktion beistehen, jedoch in der weiteren Verarbeitung in der methodischen Einheit des Sachunterrichtes aufgehen, in dessen Inhalt sie gehören (vgl. Rein et al. 1888, S. 39). Ein zweiter Fall sind begriffliche Elemente, zum Beispiel ein Aphorismus, die für sich genommen die vierte Stufe darstellen und in der Einheit aufgehen, „in welcher dieser begriffliche Inhalt gegeben ist und entwickelt werden soll“ (Rein et al. 1888, S. 39). Die Bestimmung des Umfangs einer solchen methodischen Einheit lässt sich in allgemeingültiger Form nicht festlegen, sondern wird per se durch die methodische Einheit bestimmt und ist sowohl von der Art des Stoffes, der in der methodischen Einheit durchgearbeitet wird, als auch vom Entwicklungsstand der Schüler abhängig. Das heißt, es ist durchaus möglich, dass innerhalb einer Unterrichtsstunde eine Einheit und damit die formalen Stufen durchlaufen werden, sich jedoch die Durcharbeitung durchaus auf eine Mehrzahl bzw. Vielzahl von Unterrichtsstunden erstrecken kann (vgl. Rein et al. 1888, S. 40). An späterer Stelle fügt Rein, nach Bezugnahme auf Ausführungen von Herbart und Ziller bezüglich des Umfanges der Bearbeitung der einzelnen Stufen und damit auch des Umfanges etwaiger methodischer Einheit, hinsichtlich dieser Problematik hinzu: „Damit [gemeint sind die Ausführungen Herbart und Zillers, M.S.] ist allerdings immer noch nicht bestimmt, welchen Umfang die methodische Einheit haben müsse und haben dürfe. Es ist dies im Allgemeinen auch gar nicht für alle Fälle zutreffend zu bestimmen. Die Abgrenzung der Pensen hängt von der Natur des Lehrstoffs und von dem Grade der bereits erlangten Geistesentwicklung des Kindes ab, und muss im Ganzen dem pädagogischen Takte des Lehrers überlassen werden. Nur ist so viel über allen Zweifel erhaben, dass aus den angegebenen Gründen die Stufen nicht auf halbe oder ganze Jahreskurse, noch überhaupt auf ähnlich umfängliche Unterrichtsgebiete verteilt werden dürfen, […] sondern dass dieselben auf wesentlich kleinere, ja kleinste Teile bezogen werden müssen.“ (Rein et al. 1888, S. 64)

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2. Analyse Erstkontext

Interessant ist diese Bemerkung besonders dahingehend, dass Rein hierbei dem einzelnen Lehrer Handlungs- bzw. Spielraum bei der Konzeption seines Unterrichts, in Form des pädagogischen Taktes, auf den weiter unten noch einzugehen gilt, einräumt. Auch wenn die Betonung darauf liegt, die methodischen Einheiten streng nach den formalen Stufen zu bearbeiten, spricht vieles dafür, die Lehrer nicht in ein vollkommen starres Unterrichtskonzept zu sperren und ihnen damit jegliche Eigenständigkeit abzusprechen, wie es oftmals dem angeblichen allzu beschränkenden Schematismus des Herbartianismus vorgeworfen wurde. Diese Kritik vorausschauend schreibt Rein am Ende seiner Grundlegung zusätzlich folgende Bemerkung: „Es ist eine vollständige Verkennung der Sache, zu meinen, dass die Herbart-Ziller’sche Methode der Unterrichtsthätigkeit einen unerträglichen Zwang auflege, den Unterricht in steife Formen presse und überdies eine Menge Zeit in Anspruch nehme. Im Anfang und so lange nicht eine gewisse Beherrschung des Verfahrens vorhanden ist, werden allerdings die Versuche, in dieser Form den Lehrstoff zu verarbeiten, ungelenk ausfallen und Zeit kosten; man kann sich nicht gleich in den neuen Formen geschickt bewegen. Aber werden die Anfangsversuche nicht auch in jeder andern Form an einer gewissen Steifheit leiden? Man lasse sich nicht durch einige kleine Schwierigkeiten, die am Anfang liegen, abschrecken. Wer der Form einmal mächtig ist, bewegt sich in derselben mit der gleichen Freiheit, Sicherheit und Schnelligkeit, wie in jeder andern, nur dass die freudige Hingabe an den Unterricht von Seiten des Lehrers wie des Schülers eine viel erhöhtere und der Unterrichtserfolg ein viel gesicherterer ist.“ (Rein et al. 1888, S. 65) Nachdem nun klar ist, was Rein unter einer methodischen Einheit versteht und was dieses Verständnis für seine Konzeption bedeutet, wird sich im Folgenden den formalen Stufen, das heißt dem unterrichtlichen Gang im Speziellen, gewidmet. Welches Aufgabengebiet Rein dem Lernprozess zuteilt und was dies für selbigen bedeutet, wird in folgenden Worten deutlich: „Der Unterricht kann nicht geben, er kann nur veranlassen, zu erwerben. Er hat die mannigfache Gedankenarbeit im Schüler anzuregen und zu leiten,

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aus der das Wissen, die Einsicht erwächst, und die man, […], unter dem Namen ´Lernen´ zusammenfasst. Der regelgerechte Verlauf der Lernprozesse innerhalb der methodischen Lehreinheit ist daher in erster Linie bestimmend für Art und Gang der Lehrthätigkeit, des Unterrichts bei der methodischen Durcharbeitung der Lehreinheit.“ (Rein et al. 1888, S. 40) Weiter oben war konstatiert worden, dass der Lernprozess in zwei Phasen unterteilt werden kann, und zwar den der Apperzeption und den der Abstraktion. Was verkürzt bedeutet, dass sich innerhalb der Apperzeption eine Anschauung anhand des konkreten Vorstellungsmaterials herausbilden sollte und innerhalb der Abstraktion sich die begriffliche Arbeit anhand dieser Anschauung vollziehen soll. Wie aus den oben zitierten Zeilen deutlich wird, ist der Unterricht in seinem Gange durch diese Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Das heißt, dass der Unterricht zwei Hauptaufgaben zu bewältigen hat, wenn er das Lernen veranlassen und unterstützen will. Rein schreibt dazu: „Daher hat auch der Unterricht dem entsprechend zwei Hauptaufgaben: erstens dem Zögling den konkreten Stoff der Lehreinheit vorzulegen, darzubieten, und zweitens für die Entnahme des Begrifflichen aus demselben durch geeignete unterrichtliche Maßnahmen zu sorgen.“ (Rein et al. 1888, S. 40) Sowohl der erste Teil des Lernprozesses, die Gewinnung einer Anschauung als auch der zweite der begrifflichen Bildung kann jedoch nur erreicht werden, wenn jedem der beiden eine Vorstufe anbei gestellt wird (vgl. Rein et al. 1888, S. 40). Das bedeutet im Einzelnen, dass der Darbietung des neuen konkreten Vorstellungsmaterials eine Stufe der Vorbereitung vorausgehen muss. Dieser obliegt, dass „das dem Neuen verwandte Alte […] in einer Vorbereitung geradezu zur völligen Sicherheit einmal aus den verschiedenen Teilen des Gedankenkreises ausgehoben und im Bewusstsein zusammengestellt, […] werden [muss, M.S.], um zu erfahren, ob alles in Ordnung und für die Aufnahme des Neuen bereit ist, damit, wenn dieses alsdann selbst dargeboten wird, die verständnisvolle Aufnahme desselben hemmungslos vor sich geht“ (Rein et al. 1888, S. 40-41). Im Falle der Wegbereitung der begrifflichen Auffassung des Neuen bedarf es einer Vergleichung oder, wie Rein es nennt, Verknüpfung des Neuen mit dem Alten, womit das durch die Vorbereitung aktivierte ältere Gedankenmaterial der Schüler gemeint ist (vgl. Rein

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2. Analyse Erstkontext

et al. 1888, S. 41). Diesem hier beschriebenen Aufgabenkomplex des Unterrichts hat nun aber gleichfalls etwas voranzugehen und etwas nachzufolgen. Dies sind zum einen die Zielangabe und zum anderen die Anwendung. Jenes ergibt sich für Rein daraus, dass es gilt, den Schüler dahin zu bringen, selbsttätig, willentlich und gewissenhaft am Erreichen des Bildungsziels mitzuarbeiten, wofür die Angabe des Ziels unerlässlich ist. Des Weiteren soll dem Schüler bewusst werden, dass der Bildungsgewinn immer auf das Leben und das Handeln gerichtet ist, das von den sittlichen Ideen durchdrungen sein soll. Dafür ist es nötig, das Gelernte anzuwenden und damit „dem Wissen die Kraft und die stete Bereitschaft, in Wollen überzugehen, zu verleihen“ (Rein et al. 1888, S. 41). Es wird ersichtlich, dass sich diese Erfordernisse und die daraus resultierenden Aufgaben der einzelnen Stufen den vorangegangenen Überlegungen und Ausführungen zum Lernprozess anschließen und darauf aufbauen. Zusammenfassend zu den grundlegenden Aufgaben der formalen Stufen, die für jede methodische Einheit durchlaufen werden müssen, schreibt Rein: „Hiernach nimmt der Unterricht in jeder methodischen Einheit folgenden Verlauf. Er hat zunächst das Ziel anzugeben und sodann: 1. durch eine Vorbesprechung das neue Pensum einzuleiten und vorzubereiten, 2. das Neue selbst darzubieten, 3. dasselbe unter sich und mit Älterem zu vergleichen und zu verknüpfen, 4. die begrifflichen Resultate abzuleiten und in systematischer Ordnung zusammenzustellen und 5. das erlangte Wissen in den Gebrauch überzuführen.“ (Rein et al. 1888, S. 41) An dieser Stelle kommt es bei Rein zu einer offenkundigen Abweichung von der Herbart-Ziller’schen Lehrmeinung. Schon Ziller war von Herbarts vier Stufen der Klarheit, Assoziation, System und Methode abgewichen, indem er die Stufe der Klarheit weiter in die Stufen Analyse und Synthese ausdifferenziert hatte und somit fünf Stufen in seiner Konzeption vorsah. Rein weicht insoweit ab, als er zwar die Anzahl von fünf Stufen beibehält, sie jedoch mit anderen Bezeichnungen ausstattet, die er für treffender hält. Die Bezeichnungen, die Rein für seine Konzeption vorsieht, sind:

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„1. Vorbereitung oder Vorbesprechung, 2. Darbietung (des Neuen), 3. Verknüpfung (des Gelernten unter sich und mit Anderem), 4. Zusammenfassung (des Begrifflichen) und 5. Anwendung (des gewonnenen Allgemeinen).“ (Rein et al. 1888, S. 41) Die Durcharbeitung des Stoffes anhand dieser fünf formalen Stufen bezeichnet Rein als die Artikulation des Unterrichts. Bei der inhaltlichen Begründung der Stufen bleibt er nah bei Herbart und im Grunde ist es eine vorrangig formale Abweichung, die allerdings wie schon bei Ziller der herbartianischen Transformation, dem herbart’schen Verständnis der Stufen des Unterrichts zum Konzept der Formalenstufen unterliegt. Schauen wir uns im Folgenden die Begrifflichkeiten, mit denen Rein in seiner Konzeption der Formalstufentheorie operiert, genauer an. An den Anfang einer solchen Einheit gehört in jedem Falle die Offenlegung des Zieles, das am Ende der Durcharbeitung stehen soll. Dies geschieht unabhängig von der Masse der methodischen Einheit. Das heißt, dass für jede getroffene Unterteilung des Gesamtstoffes und die abermalige Unterteilung in noch kleinere methodische Einheiten am Anfang eine Zielbestimmung den Schülern gegenüber zu erfolgen hat (vgl. Rein et al. 1888, S. 42). Diese Vorgehensweise hat für Rein größte Bedeutung, was er durch die folgenden Worte begründet wissen will: „Diese Zielangabe ist von grosser Wichtigkeit. Sie wird im Unterrichte geradezu zu einer psychologisch-methodischen Notwendigkeit. a) Sie verdrängt die bis dahin in dem erleuchteten Bewusstsein vorhandenen Vorstellungen und macht den auszubildenden neuen Vorstellungen Platz. b) Sie versetzt den Schüler in den Gedankenkreis, in dem er sich nun bewegen soll, und befördert dadurch das freie Steigen von älteren Vorstellungen, die bei der Erarbeitung des Neuen die willkommensten Hülfen sind. c) Sie erregt die Erwartung, und das ist die günstigste Stimmung für den beginnenden Unterricht. d) Sie ruft in dem Schüler die strebenden und wollenden Kräfte der Seele wach und giebt ihm einen kräftigen Antrieb zur selbsttätigen Mitarbeit bei Lösung der Unterrichtsaufgabe.“ (Rein et al. 1888, S. 42)

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Denn für Rein steht fest, dass es ohne Ziel keinen Willen geben kann, da erst dann ein Objekt generiert wird, auf das der Wille sein Streben und seine Begehrung richten kann (vgl. Rein et al. 1888, S. 43). Diese Zielbestimmung soll in ihrer letztendlichen Bestimmun, an den Beginn jeder Stunde gesetzt werden (vgl. Rein et al. 1888, S. 44). Die Charakteristika der Zielangabe werden dadurch präzisiert, dass ihnen eine klare Vorgabe zugedacht wird. So kann sie zwar in verschiedene Formen gekleidet sein, etwa als Satz, Orientierungsfrage oder konkrete Aufgabe, doch sie darf der Sachlichkeit nicht entbehren und sie hat immer die Aspekte der Gewinnung des Interesses der Schüler zu beachten (vgl. Rein et al. 1888, S. 43). Unabhängig von der Form der Zielangabe hat sie verschiedene Anforderungen zu erfüllen. Diese fasst Rein wie folgt zusammen: „a) Die Zielangabe muss einfach, fasslich und verständlich sein; sie darf keine Ausdrücke und Begriffe enthalten, die den Schülern noch unbekannt sind. […] b) Das Ziel muss einen konkreten Inhalt haben; es darf nicht formell, es muss sachlich gefasst sein. […] c) Das Ziel darf weder einen zu dürftigen, noch einen zu reichen Inhalt haben. Im ersten Fall lässt es die Kinder kalt, gleichgültig, regt ihre Erwartung nicht an; im letzteren Falle verwirrt es leicht, erschwert die Auffassung und lässt die Hauptpunkte nicht bestimmt genug hervortreten. […] d) das Ziel muss schon durch die Art der Fassung imstande sein, Erwartungsvorstellungen im Schüler wachzurufen, Interesse für den Gegenstand anzuregen. […] e) Endlich muss dasjenige Ziel, welches an der Spitze der methodischen Einheit steht, so gefasst sein, dass es einen leichten und bequemen Anschluss der nachfolgenden Vorbesprechung an dasselbe möglich macht.“ (Rein et al. 1888, S. 43-44) Wie weiter oben schon angemerkt, hat die Zielangabe an den Anfang jeder Stunde gesetzt zu werden. Das zieht natürlich eine hierarchische Ordnung der Zielangaben nach sich, da ein Hauptziel bestimmt ist, das den gesamten Bildungsinhalt der methodischen Einheit betrifft. Im Laufe der Bearbeitung dieser jeweiligen methodischen Einheit liegt es in der Natur der Sache, dass sich Spezialziele ergeben, die sich in die hierarchische Ordnung einzufügen haben. Wichtig ist hierbei, dass Rein im Zusammenhang mit den Spezialzielen anmerkt, dass „das Hauptziel in

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der Regel vom Lehrer aufzustellen ist, […] bei regelrechtem Forstschritt des Unterrichts infolge der realen und logischen Notwendigkeit in demselben die Spezialziele meist von den Schülern selbst angegeben werden [können, M.S.]“ (Rein et al. 1888, S. 44).24 Den Schülern soll dies ohne Einschränkung zugemutet werden, da die Bewältigung bzw. das selbständige Aufkommen von Zielfragen als Zeichen für einen gelingenden Unterricht, der Interesse erzeugt, gewertet werden kann (vgl. Rein et al. 1888, S. 44). Das Hauptziel hat für Rein nicht nur Zielcharakter, sondern bildet zunächst einen Ausgangspunkt, da es unter allen Umständen an den Beginn sowohl einer methodischen Einheit als auch an jede Unterrichtsstunde gesetzt werden muss und gleichsam den roten Faden des Unterrichts bildet. Das jeweilige Ziel muss mit jeder unterrichtlichen Tätigkeit in Beziehung stehen und verbindet die einzelnen Teile dieser Beschäftigung auf organische Art und Weise. Damit bildet eine methodische Einheit oder eine einzelne Unterrichtsstunde ein einheitliches Ganzes (vgl. Rein et al. 1888, S. 45). Besondere Bedeutung schreibt Rein der Zielangabe im Zusammenhang mit der im Unterricht stattfindenden Wiederholung zu. Denn nur, wenn vorab eine Zielbestimmung vorgegeben ist, kann auch die Wiederholung eine direkte Verbindung zum Neuen aufbauen und den Schüler den Wert der Wiederholung erkennen lassen. Dies steigert ihre Effizienz, im Gegensatz zu einer bloßen Repetition von schon Gelerntem (vgl. Rein et al. 1888, S. 46). Zusammenfassend schreibt Rein zur Bewandtnis der Zielangabe im Unterricht Folgendes: „Das Ergebnis dieser Überlegungen ist: Die Lehrstunde hat mit der Aufstellung des Ziels zu beginnen, zur Besprechung der für die Stunde gegebenen mündlichen Aufgaben und schriftlichen Arbeiten, sowie zur Repetition fortzuschreiten, und nach Wiederholung des Ziels zu dem Neuen überzugehen; wobei allerdings der Unterricht dafür zu sorgen hat, dass dem Schüler das Ziel nicht aus dem Auge verschwinde, sondern ihm bleibend in einer Deutlichkeit vorschwebe, die ihn befähigt, es in jedem Augenblick genau wieder anzugeben.“ (Rein et al. 1888, S. 46) 24 Besonders interessant ist diese Aussage abermals im Hinblick auf die Kritik, besonders aus dem reformpädagogischen Lager, das dem Herbartianismus nur allzu gern ein Übermaß an Lehrerzentriertheit bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Einbezugs und der Selbsttätigkeit der Schüler vorwirft.

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Die Vorbereitung als erste Stufe begründet sich für Rein grundsätzlich darin, dass ohne einen Anschluss an die älteren Vorstellungen des Schülers kein Interesse beim Schüler generiert werden kann. Dies soll durch die Vorbereitung gewährleistet werden, indem sie „die in Beziehung zu dem Neuen stehenden ältern Vorstellungen im Geiste des Schülers aufsucht, und zur Aufnahme des Neuen im Bewusstsein“ (Rein et al. 1888, S. 47) aktiviert. Ausgehend von der Frage, ob denn das bloß dargebotene Neue nicht schon in der Lage sei, eine Verbindung zu den bereits vorhandenen Vorstellungen herzustellen und diese damit ins Bewusstsein zu bringen, wie es beim erwachsenen Menschen durchaus geschieht, und damit die Notwendigkeit einer Stufe der Vorbereitung in Zweifel ziehen würde, führt Rein einen Katalog an Aspekten an, der die Relevanz einer vorbereitenden Stufe beim Jugendunterricht als unerlässlich aufzeigt (vgl. Rein et al. 1888, S. 48). Zu diesen Perspektiven schreibt Rein selbst: „a) Es ist zweifellos für die Aneignung von Neuem günstiger, wenn die apperzipierenden Vorstellungen beim Eintritt des Neuen zur Aufnahme des Neuen bereits vorhanden sind, […]; die Aneignung kann viel hemmungsloser von statten gehen. b) Allen Zöglingen wird wohl bei der unvermittelten Darbietung des Neuen irgend etwas einfallen; aber ob allen auch gerade das Beste, Klärendste, Wichtigste einfällt? Die Erfahrung spricht nicht für die Bejahung dieser Frage, und der Unterricht darf seine Erfolge nicht vom Zufall abhängig sein lassen. c) Gerade bei den schwierigsten Stellen des Neuen, in denen nicht schon durch blosse Perzeption ein gewisser Grad von Klarheit erzeugt worden ist, würde es bei dem Mangel an Klarheit den neuen Vorstellungen an Kraft fehlen, in die alten Gedankenkreise einzudringen und sich selbst die nötigen Anknüpfungen zu suchen; […]. d) Vielfach sind die ältern, apperzipierenden Vorstellungen im Gedankenkreis der Schüler selbst noch unklar, […]; und sie bedürfen noch, […], der Berichtigung, die ihnen am geeignetsten in der Vorbesprechung zuteil werden kann. e) Dem tiefen Erfassen, dem gründlichen Verständnis des Neuen ist ein möglichst reicher Hintergrund von ältern Gedanken besonders günstig, […], an welchem es aber da immer fehlen wird, wo man den Zufall die Geschäfte besorgen lässt.“ (Rein et al. 1888, S. 48)

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Besonders der letzte Punkt spricht einen Gesichtspunkt an, der sich durch die gesamte Unterrichtskonzeption zieht und dafür bestimmend ist. Es soll erreicht werden, dass dem Zufall weitestgehend der Boden entzogen werden soll und sowohl dem Lehrer als auch dem Schüler ein Gerüst anbei gestellt wird, das den Gang des Unterrichts bestimmt und den Bildungsgewinn garantieren soll. Gleichzeitig fällt auf, dass Rein hier eindeutig vom Kinde aus argumentiert und dessen Bedürfnisse und Besonderheiten hinsichtlich des Lernprozesses in den Mittelpunkt stellt. Bei der weiteren Spezifizierung der Stufe der Vorbereitung rekurriert Rein auf die Begriffe des analytischen und synthetischen Unterrichts bei Herbart und ordnet die Vorbereitung dem rein analytischen Unterricht zu. Das heißt, die Vorbereitung beinhaltet, dass keine Einzelbetrachtungen im Zusammenhangslosen verbleiben, sondern die Zusammenhänge klar herauszuarbeiten sind und im Falle des Nichtvorhandenseins eines objektiven Bezugs die gedankliche Verbindung durch einen subjektiven Einschub seitens des Lehrers herbeizuführen ist (vgl. Rein et al. 1888, S. 49). Dabei hat die Vorbereitung strengstes Augenmerk darauf zu legen, dass sie sich thematisch auf die gesamte methodische Einheit bezieht. Sie bereitet demnach die Stufe der Darbietung in der Art vor, dass sie das vorhandene Gedankenmaterial der Schüler aufnimmt und für die Darbietung des Neuen präpariert. So entsteht eine Verbindung zwischen Bekanntem und Neuem im synthetischen Unterricht, der so ungehindert vonstattengehen kann. Dabei gilt es, die strikte Trennung dieser beiden Stufen strengstens zu beachten, „da eine Vermengung derselben immer Hemmungen und Störungen in die Gedankenbewegung bringt, die der Klarheit der Auffassung hinderlich sind“ (Rein et al. 1888, S. 49). Wo die Vorbereitung im Hinblick auf die Verbindung von Altem und Neuen zu viel Mühe bereitet, ist höchstwahrscheinlich der Lehrstoff falsch gewählt oder angeordnet (vgl. Rein et al. 1888, S. 50). Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist es elementar, dass die Vorbereitung, auch wenn sie immer auf die nächste Stufe und die Darbietung des Neuen bezogen ist und sich daraus ableitet, „keineswegs dieses Neue selbst schon zum Teil in die Vorbereitung hineingezogen werden [darf, M.S.], weil durch die Erwartung, und damit das Interesse für das Neue eine Abschwächung erfahren würde“ (Rein et al. 1888, S. 50). Der Einbezug des Schülers und die Betonung und Förderung der Selbsttätigkeit der Schüler, so wie es auch Herbart gefordert hat, wird augenscheinlich, wenn Rein in diesem Zusammenhang schreibt:

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2. Analyse Erstkontext

„Wohl aber ist dem Schüler zu gestatten, an passenden Stellen mit seinen Gedanken vorauszueilen und das Nachfolgende in seinem Geiste versuchsweise frei vorauszukonstruieren. Denn mag das Erwartete in dem nachfolgenden Neuen bestätigt werden oder nicht, Beides, die Übereinstimmungen wie der Kontrast, sind der Aneignung günstig.“ (Rein et al. 1888, S. 50)25 Zum anderen ist es erforderlich, im Rahmen der Vorbereitung Betrachtungen großzügigen Umfang einzuräumen und nicht allzu schnell die Stufe abschließen zu wollen und damit sich dem Neuen zu schnell zuzuwenden, sodass der Übergang für den Schüler nicht mehr nachvollziehbar ist oder gar sein Interesse abtötet, da es ihn überfordert. Dabei ist es durchaus gestattet, sich Nebensächlichkeiten zu widmen und das freie, geistig anregende Durchwandern der Gedankenwelt zu fördern (vgl. Rein et al. 1888, S. 50). Es gilt, laut Rein in dieser Phase und auf dieser Stufe die Einstimmung und Förderung der geistigen Regsamkeit der Schüler „durch die Form des Unterrichts noch zu erhöhen, die sich durchweg im Tone der Unterhalten zu bewegen [hat, M.S.], und den reinen Examinationston und die reine Examinationsfrage fern zu halten hat“ (Rein et al. 1888, S. 50-51). Am Ende dieser Stufe ist es natürlich unerlässlich, all dies in geordnete Reihen zu bringen. Es werden auch hierbei das grundlegende Moment und der grundlegende Anspruch an den Unterricht wie die gesamte Theorie einer Erziehung deutlich, die nach Einheit, Nachvollziehbarkeit und Stringenz streben und im Schüler einen weitestgehend kohärenten Gedankenkreis generieren wollen, der wiederum die Identität und Festigkeit des zu bildenden sittlich-religiösen Charakters gewährleistet. Die Darbietung hat dafür Sorge zu tragen, dass der präsentierte Stoff in Verbindung mit Übungen nicht bloß momentan verstanden wird, sondern gleichfalls eine stabile Aneignung erfährt. Die Formen der Darbietung haben dabei in Bezug auf das Unterrichtsfach und den jeweiligen zu bearbeitenden Unterrichtsstoff zweckmäßig zu sein. Das heißt: „Ein Märchen in der Unterklasse wird erzählt, bezüglich durch darstellenden Unterricht gewonnen, ein sprachlicher Abschnitt mit ältern Schülern gelesen, ein geographischer Gegenstand sprechend und zeichnend, 25 Diese Worte wollen so gar nicht zu dem späteren Urteil aus dem vornehmlich reformpädagogischen Lager passen, die Rein, aber auch Ziller, auf den die Kritik, wenn überhaupt, eher passt, den Vorwurf machen sowohl den Unterricht zu formalisieren und ihm ein starres Gepräge zu geben als auch damit die Selbsttätigkeit der Schüler nicht ausreichend zu fördern und ihnen genau dies zu verwehren, was Rein an dieser Stelle doch ausdrücklich fordert.

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ein physikalischer Vorgang experimentierend [Hervorhebungen im Original, M.S.] und sprechend vom Lehrer an die Schüler herangebracht“ (Rein et al. 1888, S. 51). In Bezug auf die Darbietung sind für Rein elf Kriterien vordergründig, die es zu erfüllen gilt. Der erste Punkt bezieht sich dabei auf die wohlabgestimmte Gliederung des Stoffes, basierend auf dem Gesetz der sukzessiven Klarheit. Das heißt, dass „das Stoffpensum meist nochmals durch einzelne passende Halt- und Ruhepunkte zu gliedern [ist, M.S.], in welchen immer wieder auf eine Vertiefung eine Besinnung folgen kann, und in denen vom Bekannten Vorblicke auf das Unbekannte geworfen werden können. Immer aber muss auch der kleinste Absatz doch ein kleines Ganzes ausmachen“ (Rein et al. 1888, S. 51). Also auch im differenziertesten Teil des Stoffes gilt es, die Einheit zu bewahren und eine Gliederung muss erkennbar bleiben. Ist diese wohlabgestimmte Einteilung einer Stoffeinheit gewährleistet, so soll jeder einzelne Abschnitt für sich selbst dargeboten werden. Im Falle dessen, dass das Neue in Form der Erzählung gekleidet werden kann, gilt es für den Lehrer darauf zu achten, dass er seinen Vortrag frei hält und diesen so lebendig wie möglich gestaltet und dem Wortschatz sowie der Gefühlswelt der Schüler gerecht wird. Anschließend hat jeweils eine erste zusammenhängende Darstellung des Gebotenen zu erfolgen (vgl. Rein et al. 1888, S. 51). Den weiteren Verlauf beschreibt Rein mit den Worten: „An diese erste zusammenhängende Wiedergabe des Inhalts (rohe Totalauffassung) schliesst sich in der Form der Unterhaltung, eine Besprechung an, in welcher von den Mitschülern Fehlerhaftes berichtigt, Unvollständiges ergänzt, vom Lehrer aber Unklares aufgehellt und klar gestellt wird, worauf für den Abschnitt eine Überschrift auszubilden ist und eine nochmalige berichtigte Zusammenfassung stattzufinden hat. So wird jeder Abschnitt erst für sich und sodann an den vorhergehenden angeschlossen. Nachdem alle Abschnitte dargeboten, wiedergegeben, mit einer Überschrift versehen sind, folgt eine Totalauffassung des Ganzen seitens eines Schülers, zunächst an der Hand der Überschriften, dann ohne dieselben, und zwar zuerst von den besseren und hernach auch von den schwächern Schülern.“ (Rein et al. 1888, S. 51-52) Dieser Schritt kann als die Erarbeitung des rein Gegenständlichen bezeichnet werden, innerhalb derer die Stoffe bzw. ihre Gegenstände für sich genommen noch

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2. Analyse Erstkontext

keine weitere Bewertung erfahren, sondern nur dazu dienen, bei den Schülern klare Vorstellungen des Stoffes entstehen zu lassen. Hervorgehoben werden muss, dass auch auf dieser Stufe, auch wenn es sich Darbietung nennt, die Schüler von Anfang an in den Prozess einbezogen und nicht auf die Rolle reiner Rezipienten beschränkt werden. Handelt es sich beim Lehrstoff um einen Gesinnungsstoff, sieht Rein vor, sich als nächstes der sittlichen Willensverhältnisse, die im Stoff aufzufinden sind, zuzuwenden und diese durch sogenannte Haupt- bzw. Konzentrationsfragen dazu zu veranlassen, diese, für den erziehenden Unterricht bedeutsamen Hauptgedanken, zu erschließen und zu beurteilen. Hinsichtlich dazu bemerkt er: „Diese ethische Beurteilung geht am sichersten von statten, wenn vorher das äusserliche völlig sichergestellt ist, weshalb die reinliche Auseinanderhaltung beider Schritte auf der zweiten Stufe als Regel festgehalten werden muss.“ (Rein et al. 1888, S. 52) Falls es als notwendig erachtet wird, kann diese ethische Vertiefung des Stoffes durch eine psychologische Betrachtung der im Stoff vorzufindenden Personen und Charaktere und ihrer Gefühlsregungen sowie deren Auswirkungen auf den Gang der Geschichte unterstützt werden (vgl. Rein et al. 1888, S. 52). Die Darbietung darf dabei keinesfalls als eine einseitige Überlieferung seitens des Lehrers missverstanden werden. Es fällt ihr nur die Aufgabe zu, „die realen Stoffe […] (die naturkundlichen Gegenstände und Erscheinungen, die sprachlichen Formen, die arithmetischen und geometrischen Aufgaben) [aufzustellen M.S.] und veranlasst und leitet die geistige Thätigkeit der Zöglinge zur Bearbeitung derselben“ (Rein et al. 1888, S. 52). In diesem Zusammenhang kommt Rein auf den darstellenden Unterricht zu sprechen. Er hält diesen für jeglichen naturkundlichen Stoff oder auch für jeden historischen, der sich nicht aus klassischer Lektüre erschließen lässt, für die geeignetste Unterrichtsform auf der Stufe der Darbietung (vgl. Rein et al. 1888, S. 52). Bei der Beschreibung und den einzuhaltenden Kriterien des bloß darstellenden Unterrichts sucht Rein engen Anschluss an die Überlegungen Herbarts, zumindest was seinen Grundcharakter angeht. Davon ausgehend wendet er sich der Weiterbildung dieses Begriffs durch Ziller zu, die er für gänzlich gelungen hält und diese daher für seine Konzeption

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des Unterrichts übernimmt. Das heißt, dass „das Wesen des darstellenden Unterrichts darin [besteht, M.S.], dass das in Naturkunde, Geographie und Geschichte darzubietende Neue vorteilhaft in das Licht gestellt werde, welches von Erfahrung und Umgang ausgeht; dass dasselbe nicht nur im allgemeinen, sondern im Einzelnen, Zug für Zug mit dem im Gedankenkreis vorhandenen Ähnlichen und Verwandten sorgfältig zusammengestellt, und dass das Neue alsdann aus diesen, den lebendigsten Teilen des Gedankenkreises entlehnten Zügen zusammengesetzt werde, […], als ob das Gedachte ein Selbsterlebtes, ein Angeschautes, Erfahrenes sei“ (Rein et al. 1888, S. 54). Das heißt also, dass es bei dieser Unterrichtsform grundsätzlich darum geht, das Neue mit dem in Verbindung zu bringen, das im Gedankenkreis der Schüler schon vorhanden und vor allem hinreichend ähnlich zu eben diesem ist. Dabei sind es Zweck und Ziel, eine Versinnlichung des Neuen beim Schüler zu erreichen. Dies wiederum bedeutet, dass es die Anschaulichkeit ist, die bei dieser Unterrichtsform das entscheidende Kriterium darstellt. Dies soll bei der Darbietung des Neuen erreicht werden, indem der Anschluss an die schon vorhandenen Vorstellungen der Schüler so eng wie möglich zu sein hat. Die Selbsttätigkeit der Schüler soll dabei keinesfalls zu kurz kommen, wie folgende Worte zeigen: „Bei dieser Arbeit ist der Zögling vielfach imstande, ganze Strecken des Weges ohne weitere Hülfe seitens des Lehrers selbstständig zurückzulegen, indem er von den ihm gebotenen Grundlagen aus das Nachfolgende im Geiste voraus konstruiert, ohne dass deshalb seitens des Lehrers gerade das Absehen darauf gerichtet ist, den Schüler, im Notfall durch eine Reihe künstlicher katechetisch-entwickelnder Fragen, alles und jedes selbst finden zu lassen.“ (Rein et al. 1888, S. 55)26 Dabei darf allerdings nicht vernachlässigt werden, dass der Lehrstoff durch die Schüler „in geordneten Reihen aufgefasst […] werde“ (Rein et al. 1888, S. 57). 26 Hierbei geht Rein über Herbart hinaus, für den der bloß darstellende Unterricht in erster Linie seitens des Lehrers beschreibend stattfindet bzw. an anschaulichem Material vollzogen werden soll und sich damit die Selbsttätigkeit des Schülers in Grenzen hält bzw. im geistigen Nachvollziehen und Verknüpfen besteht. Rein will den Schülern hier augenscheinlich, ganz im Sinne Zillers, mehr Raum geben und sie dazu ermutigen, ihren Erfindungsgeist und ihre Phantasie zu gebrauchen, um sich diese Verknüpfungen selbst zu erarbeiten.

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2. Analyse Erstkontext

Auch bei der Darstellung dieses geistigen Nachvollzugs bzw. der selbsttätigen Erarbeitung seitens der Schüler soll ihnen viel Raum gestattet werden und sie in ihren Erläuterungen, insofern sie nicht mit zu großen Abweichungen oder sprachlichen Mängeln behaftet sind, nicht zu unterbrechen, da es gilt, den Lehrstoff im Zusammenhang vorzutragen (vgl. Rein et al. 1888, S. 57). Rein geht dabei, wie er selbst anmerkt, zur gängigen Praxis, die im Anschluss an die Darbietung eine Besprechung treten lässt, bevor sie das Neue in seiner Gesamtheit zusammenfasst, in Opposition. Er hält es aus psychologischen Erwägungen heraus für geeigneter, das Neue noch vor einer erklärenden Besprechung in einer zusammenhängenden Totalauffassung von Seiten der Schüler zu formulieren (vgl. Rein et al. 1888, S. 57). Die psychologisch fundierte Begründung liest sich bei ihm wie folgt: „Denn erst aus der zusammenhängenden Wiedergabe wird ersichtlich, wie der Schüler die Sache aufgefasst hat; hier erst treten die dunkeln Stellen zu Tage, auf welche die Einzelbesprechung sich einlassen muss.“ (Rein et al. 1888, S. 57) Bei dieser Erarbeitung des Neuen und seiner Darstellung, abgesehen von den Stellen, bei denen es um die ausschließliche Wiedergabe des rein Gegenständlichen geht, soll es der Fall sein, dass der Lehrer niemanden bestimmen muss, der seine Darstellung des Neuen vorzutragen hat. Vielmehr ist es der Unterricht an sich, der dafür Sorge zu tragen hat, dass immer genügend Interesse vorhanden ist, sodass eine rege Mitarbeit seitens der Schüler gewährleistet ist (vgl. Rein et al. 1888, S. 57). Hierbei sind wiederum der Individualität des Schülers und seinem sprachlichen Ausdruck, insofern dieser nachvollziehbar bleibt, Raum zu gestatten, um den Zögling möglichst nicht zu beschränken (vgl. Rein et al. 1888, S. 57-58). Abschließend sind sowohl jeder Abschnitt als auch die gesamte Einheit im Sinne „der Einprägung und innigen Verschmelzung der Vorstellungen in mannigfacher Abänderung ohne Hast und Übereilung vielfach zu wiederholen“ (Rein et al. 1888, S. 58). Schlussendlich weist Rein darauf hin: „Gegenstände, die sich zeichnen lassen, sind auf der Stufe der Darbietung von Lehrer und Schülern auch zeichnend, in der Elementarklasse durch malendes Zeichnen, darzustellen. In den mittlern und obern Schulklassen hat auf

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dieser Stufe, wie auf allen übrigen, die zusammenfassende Wiedergabe des Inhalts nach stattgehabter mündlicher Vorbereitung teilweise oder ganz auch schriftlich zu erfolgen.“ (Rein et al. 1888, S. 58)27 Im Folgenden werden die Ausführungen Reins zur Stufe der Verknüpfung betrachtet. Grundlegend soll sich die Stufe der Verknüpfung damit auseinandersetzen: „Die Verknüpfung schliesst sich an eine Wiederholung des synthetischen Materials an, zu welchem sie alsdann die ältern Gedankenkreise in Beziehung treten lässt, in die das synthetisch Neue hineinreicht, mögen dieselben früherem Unterrichte oder der eigenen Erfahrung des Zöglings angehören; mögen in ihnen dem Neuen gleichartige oder entgegengesetzte Erscheinungen zu Tage treten. Die Verknüpfung darf jedoch nicht planlos auf alles ausgedehnt werden, was überhaupt eine solche zulässt. Es soll vielmehr das Absehen stets nur auf wertvolle Gedankenverbindungen gerichtet sein. Wertlose Assoziationen sind Spielerei, Zeitvergeudung ohne Zweck.“ (Rein et al. 1888, S. 58) Was macht diese wertvollen Gedankenverbindungen aus und wie lassen sie sich demnach von den überflüssigen scheiden? Es sind die Gedankenverbindungen auszuwählen, „welche die Aussonderung des begrifflichen Materials bezwecken“ (Rein et al. 1888, S. 59). Die Stufe der Verknüpfung leitet damit schon die nächste, die der Zusammenfassung ein bzw. bereitet sie vor. Aber auch bei der Aussonderung soll es bestimmte Grenzen geben und zwar in der Form, dass der Stoff, welcher der jeweiligen Verknüpfung dienen soll, ein für die Schüler bereits bekannter sein muss. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Ressort er stammt, ob nun aus parallelen Stoffen der synthetischen Darbietung des Neuen, aus der 27 An dieser Stelle kommt das erste Mal seine Vorliebe für den Zeichenunterricht und generell das Zeichnen zum Vorschein. Es kann sogar konstatiert werden, dass es sich beim Großteil seiner Publizistik bis zur Erstveröffentlichung des Ersten Schuljahres 1878, aber auch in den darauffolgenden Jahren bis 1886 und der Übernahme des Pädagogischen Universitätsseminars zu Jena um das Feld des Zeichenunterrichts dreht. So bestand seine hauptsächliche publizistische Tätigkeit darin, im zeitgenössischen Diskurs zum pädagogischen Zeichenunterricht Stellung zu beziehen (vgl. Rein 1871, 1873, 1874a, 1874b, 1874c, 1875, 1878a, 1878b, 1878c). Von 28 bis 1878 erschienen Artikeln bearbeiten demnach neun das Gebiet des Zeichenunterrichts. Diese Fokussierung auf das Zeichnen im Unterricht, besonders zu Beginn seiner akademischen und publizistischen Laufbahn, lässt sich wohl durch die prädisponierenden Faktoren seines Elternhauses, insbesondere hierbei durch seinen Vater, und seiner Schulzeit erklären.

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2. Analyse Erstkontext

Vorbereitung oder aus den schon vorhandenen Gedankenkreisen der Schüler (vgl. Rein et al. 1888, S. 59). Besonderes Augenmerk dabei soll dem bereits bestehenden Erfahrungsschatz bei der Auswahl der Assoziation dienenden Stoffe der Schüler geschenkt werden. Rein bestimmt in diesem Zusammenhang eine grundlegende Regel für den Unterricht und insbesondere für die Stufe der Verknüpfung: „Der Schüler muss den Eindruck bekommen, dass das Wissen, welches der Unterricht giebt, kein unfruchtbares isoliertes, sondern ein mit dem Leben verbundenes, dem Leben dienendes fruchtbares Wissen ist.“ (Rein et al. 1888, S. 59) Damit ist der Abstraktionsprozess eingeleitet. Er muss nun fortgesetzt und zum Abschluss gebracht werden, wofür die Stufe der Zusammenfassung vorgesehen ist. Sie soll die vorhandenen Allgemeingültigkeiten aus dem Verknüpften stärker herausarbeiten und gänzlich vom Konkreten sondieren. Dazu wurde im allgemeinen Teil schon konstatiert, dass Rein darunter versteht, die begrifflichen Resultate abzuleiten und in eine systematische Ordnung zu bringen. Die Aufgaben, die diese Stufe mit sich bringt, und die Ziele, die es zu erreichen gilt, fasst Rein in folgendem kleinen Katalog zusammen: „Zu dem Ende muss auf ihr ein Vierfaches bewirkt werden: 1. die reinliche und saubere Aussonderung des Begrifflichen aus dem Konkreten; 2. die Formulierung des sprachlichen Ausdrucks für das Neue Begriffliche durch die Kinder unter Beihülfe des Lehrers; 3. die Einordnung des Begrifflichen in die bereits ausgebildeten systematischen Reihen und die Wiederholung und sichere Einprägung dieser Reihen mit dem hinzugekommenen Neuen; 4. die Fixierung des Begrifflichen durch Eintragung desselben in der Form von Stichwörtern, Regelbeispielen, Mustersätzen ins Systemheft als Stütze des Inhalts.“ (Rein et al. 1888, S. 59)

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Das heißt, dass sich auf dieser Stufe dem durch Zusammenfassung und Verallgemeinerung schon weiter oben erläuterten wesentlich menschlichen Prozess der Begriffsbildung aus einer Mehrheit von Einzelvorstellungen gewidmet wird. Die Verbundenheit des Konkreten vom Allgemeinen ist dabei immer noch vorhanden und sollte auch gar nicht im Bewusstsein vollkommen gelöst werden, „denn nur durch diesen Zusammenhang in der Tiefe der Seele kann dem begrifflichen Allgemeinen die belebende Kraft aus dem Konkreten, sowie sein Einfluss auf dieses und auf unser Wollen und Thun gewahrt bleiben“ (Rein et al. 1888, S. 59-60). Die Ergebnissicherung hat in diesem Bereich einer klaren Vorgabe zu folgen und muss definierte Kriterien erfüllen. Beim Vorgang des Memorierens wird auf die Wiederholung zurückgegriffen, bei der es keine Rückbesinnung auf das Konkrete geben darf. Jedoch sollte den Schülern erlaubt werden, nach Wiedergabe des Begrifflichen ein passendes, sich anschließendes Beispiel zu nennen. Im Falle der naturkundlichen und geographischen Unterrichtsgegenstände kann und soll deren begriffliche Darstellung aus kurzen Merksätzen, die alles Wesentliche des Gegenstandes beinhalten, bestehen (vgl. Rein et al. 1888, S. 60). In diesem Zusammenhang soll an die Unterscheidung von psychologischem und logischem Begriff erinnert werden sowie an die Ergänzung Reins dazu, im Hinblick auf den Unterricht mit Kindern, dass sich in diesem unterrichtlichen Rahmen zumeist mit dem psychologischen Begriff zufriedengegeben werden muss. Das heißt, dass es Ziel sein sollte, bei den Schülern zumindest eine richtige Allgemeinvorstellung des im Neuen enthaltenen begrifflichen Materials zu bilden. Rein rekurriert an dieser Stelle ebenfalls darauf und spricht den hier beschriebenen ergebnissichernden Merksätzen die Erfüllung der Bedingungen zur rechtmäßigen Bezeichnung als Begriff an sich nur bedingt zu, wenn er diesbezüglich schreibt: „Begriffe im strengen Sinne des Wortes sind das freilich nicht; denn die in solchen Darstellungen zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen sind nicht Allgemein-, sondern Einzelvorstellungen. […] Wenn sonach auch die Vorstellungen dieser Art sich allerdings nur auf einzelne wirkliche Gegenstände (Sinnendinge) beziehen, so werden diese in ihnen doch nur in ihren wesentlichen Merkmalen, gewissermaßen in ihrer Idee gedacht, befreit von allen den nicht zu ihrem eigentlichen Wesen gehörigen, wechselnden Nebenbestimmungen, die bei der Verkörperung der Idee sich ihnen angeschlossen haben.

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2. Analyse Erstkontext

Jedenfalls haben wir daran festzuhalten, dass es Abstraktionen höhern und niedern Grades giebt, von denen die erstern die Begriffe im strengern Wortsinn, die letztern aber begriffsartige Vorstellungen von Einzeldingen nach ihren wesentlichen Merkmalen (wie die Charakteristik eines Mannes) enthalten.“ (Rein et al. 1888, S. 60) Er unternimmt also an dieser Stelle eine weitere Differenzierung des Abstraktionsprozesses innerhalb des Lernprozesses, indem er eine Abstraktion höheren und niederen Grades unterscheidet. Das heißt, dass die Ergebnisse eines Abstraktionsprozesses oder gewissermaßen seine Stufen unterteilt sind in niedere und höhere Abstraktion, wobei die höhere wiederum, wie weiter oben gezeigt, in psychologische Begriffe und logische Begriffe zerfällt, was schlussendlich eine dreiteilige Stufung des Abstraktionsprozesses darstellt. Diese äußert sich als aufsteigend von Abstraktion niederen Grades oder wie Rein sie nennt: „begriffsartige Vorstellungen von Einzeldingen nach ihren wesentlichen Merkmalen“ (Rein et al.1888, S. 60) zum psychologischen Begriff und weiter zum logischen Begriff, wobei die letzteren beiden zu den höheren Abstraktionen zählen. Interessant ist dies deshalb, da Rein angemerkt hatte, dass der Unterricht sich zumeist mit dem psychologischen Begriff zufriedengeben muss. Nun fügt er dieser Konzeption des Lernprozesses im Rahmen der Abstraktion eine weitere Unterteilung hinzu, die auf der Stufe der Zusammenfassung ihre Berechtigung haben soll und auf dieser als zufriedenstellendes Ergebnis gelten darf (vgl. Rein et al. 1888, S. 60). Zu beachten bleibt allerdings, dass sich diese Ausführungen Reins nur auf die naturkundlichen und geographischen Stoffe beziehen. In Bezug auf den sprachlichen Ausdruck der Ergebnisse der begrifflichen Arbeit stellt Rein fest, dass die Form dieser Ausdrücke den Schülern nur bedingt vorzugeben ist. Das heißt, sie sind in der gemeinsamen Arbeit der Schüler untereinander unter minimalem Einfluss des Lehrers zu erarbeiten und festzuhalten (vgl. Rein et al. 1888, S. 60). Im Falle der sprachlichen Fixierung der Resultate auf normativ-sittlichem Feld kann diese durchaus in Form von Aphorismen oder Liedstrophen erfolgen, jedoch sollten sie, wenn dies der Fall ist, ebenso vorab in den eigens erarbeiteten sprachlichen Ausdruck der Schüler festgehalten werden, damit sie vor reinem Wortwissen, welches keinen nachhaltigen Niederschlag im Gedankenkreis der Zöglinge erfährt, bewahrt werden (vgl. Rein et al. 1888, S. 60). Die Einordnung

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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der Ergebnisse der begrifflichen Arbeit in die größeren begrifflichen Reihen, die zumeist mündlich erfolgt, hat sich der früheren Ergebnisse zu bedienen und diese dadurch nicht nur zu wiederholen, sondern gleichfalls das System der begrifflichen Reihen dem Schüler klar vor Augen zu stellen. Damit kann es mit großer Sicherheit gedanklich nachvollzogen werden, um den Gedankenkreis der Schüler tiefgreifend zu verändern und zu bilden (vgl. Rein et al. 1888, S. 61). Schlussendlich hat die Zusammenfassung der schriftlichen Darstellung das sogenannte Systemheft in Form von Stichwörtern, Regelbeispielen und Mustersätzen zu erfüllen. Zu diesen Eintragungen und ihrer Bedeutung bezüglich des Bildungsprozesses der Schüler schreibt Rein: „Die schriftliche Darstellung der Begriffe und Gesetze erfolgt in der Form von Stichwörtern und Beispielen, die aber bei den Wiederholungen in der Form der Sätze gelesen werden. Diese Art der Eintragung hat den Vorzug der grösseren Übersichtlichkeit, und – was die Hauptsache ist – sie thut hinsichtlich des sprachlichen Ausdrucks und des allmählichen Werdens der Begriffe dem Schüler keinen Zwang an. Auch der Begriff und sein Ausdruck haben eine Reihe von Entwickelungen zu durchlaufen. Die schärfere Ausgestaltung des Begriffs auf einer höhern Stufe verlangt auch eine schärfere Fassung des Ausdrucks, als auf einer früheren Stufe nötig war. Unsere Eintragung ermöglicht es dem Schüler, je nach dem Stande seiner Begriffsbildung und seiner sprachlichen Gestaltungskraft den sprachlichen Ausdruck für seine begrifflichen Erwerbungen zu formulieren, […], während eine vorzeitige, feste schriftliche Definition den Begriffsbildungsprozess unterbricht und einem verderblichen Verbalismus in die Hände arbeitet.“ (Rein et al. 1888, S. 61) Der Abstraktionsprozess ist damit an sich beendet. Allerdings haben sich die Resultate dieser begrifflichen Arbeit, um einen Wert für das tatsächliche Leben, das Handeln und Tun der Schüler zu erlangen, in der Anwendung zu bewähren. Im letzten Schritt befinden wir uns also auf der Stufe der Anwendung, die bei Herbart und Ziller unter der Bezeichnung Methode geführt wird. Den Prozess auf der Stufe der Anwendung teilt Rein in zwei aufeinanderfolgende Vorgänge ein:

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2. Analyse Erstkontext

„Erstens muss dem Wissen ein Grad von Sicherheit und Beweglichkeit gegeben werden, der es dem Geiste möglich macht, in jedem gegebenen Falle völlig frei über das Gelernte zu disponieren; und zweitens ist dasselbe fleissig durch Anwendung auf praktische Fragen in Gebrauch zu nehmen. Das erstere ist die Voraussetzung des zweiten. Die Stufe der Anwendung ist in der Schule noch vorzugweise die Stufe der anwendenden Übung.“ (Rein et al. 1888, S. 62) An dieser Stelle muss kurz auf die weiter oben formulierte Feststellung, dass der Unterricht für Rein ein, zumindest auf den unteren Stufen ausgewiesen, induktiver ist, rekurriert werden. Denn auf der Stufe der Anwendung ist es durchaus ein bipolarer Prozess, welcher der geistigen Flexibilität der Schüler gilt, um sich innerhalb ihres Gedankenkreises mühelos zu bewegen, und dafür zwischen allgemeinen Vorstellungen begrifflicher Natur zu Konkretem wechseln zu können – was im weiter unten angeführten Zitat unter dem Punkt b) noch expliziter deutlich wird – und der Stufe der Anwendung liegt es dabei anheim, diese Flexibilität zu erreichen (vgl. Rein et al. 1888, S. 62). Erst wenn diese erreicht ist, kann sich das Wissen in praktischen Fragen bewähren. Die Art der Übungen hierbei können die verschiedensten Formen haben. Welche Form dabei die zweckmäßigste darstellt, hängt natürlich vom Unterrichtsfach und vom Stoff desselbigen ab. Reins Ausführungen dazu: „Die Übungen dieser Stufe sind sehr mannigfacher Art. Einzelne derselben sind folgende: a) Durchlaufen der systematischen Begriffsreihe in den verschiedensten Richtungen, vorwärts, rückwärts, nach gegebenen andern Gesichtspunkten hin; b) Niedersteigen von dem Begriff zu den Einzelfällen und umgekehrt […]. Bei Gesinnungsstoffen: c) Zusammenstellung von Beispielen aus Geschichte und Leben, in welchen einer ethischen Forderung genügt oder nicht genügt worden ist, und Angabe, wie im letztern Falle hätte gehandelt werden sollen; d) Einführung der Kinder in gedachte Lagen und Angaben ihrerseits, wie sie in denselben zu handeln haben würden. In den sprachlichen Fächern: e) Aufsuchen von Beispielen zu einer sprachlichen Regel, und umgekehrt Beurteilung nach welchen Regeln vorgelegte Formen gebildet sind; f) Durcharbeitung eines behandelten Sprachstücks nach den Satzformen, die in demselben zur Anwendung gekommen sind etc.; g) Anfer-

2.2 Die Pädagogik Wilhelm Reins

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tigung freierer Arbeiten innerhalb der methodischen Einheit. In Mathematik und Naturkunde: h) Anwendung der geometrischen, arithmetischen und physikalischen Gesetze zur Lösung praktischer Fragen und Aufgaben; i) Zeichnung eines physikalischen Gerätes nach eigener Erfindung, welches gegebenen Anforderungen entsprechen soll. In der Geographie: k) Schlusszeichnung einer Übersichtskarte zu dem behandelten Gebiete und zwar aus dem Kopf etc. In der Geschichte: l) Charakterschilderung geschichtlicher Personen, Charakterisierung historischer Zeiträume usw.“ (Rein et al. 1888, S. 62-63) Es wird ersichtlich, dass zur Stufe der Anwendung in der Schule Übungen gehören, die versuchen, sich in enge Beziehung zu den tatsächlichen Herausforderungen des momentanen und vor allem späteren Lebens der Zöglinge zu setzen. Dabei sollen sie nicht nur das Potential des Wissens, das in den begrifflichen Reihen gebündelt ist, und des Könnens, das in dem jeweiligen Stoffen der Fächer liegt, sichern und fördern, sondern in erster Linie ethisch-sittliche Urteile einüben, um damit die Grundlage für einen sittlich-religiösen Charakter zu legen und damit dem Selbstanspruch einer Schule, die eine Erziehungsschule sein will, und eines Unterrichts, der erziehen will, gerecht zu werden.

3. Analyse Zweitkontext Im folgenden Teil der Arbeit wird nun anhand der weiter oben formulierten Fragen und der darin aufgeworfenen Topoi, die sich aus der Analyse der Erstkontextes ergeben haben, eine beispielhafte Analyse an den zwei US-amerikanischen Protagonisten Charles und Frank McMurry durchgeführt. Vorangestellt wird eine sowohl realgeschichtliche als auch pädagogisch-ideengeschichtliche Erläuterung des US-amerikanischen Kontextes, um die Verfasstheit des Kontextes, in den die „Verpflanzung“ erfolgt, darzustellen und zu erläutern.

3.1 Amerikanisches Erziehungsdenken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg unter Einbezug des historischen Kontextes Dieser in den Zweitkontext einführende Abschnitt soll einen konzisen Überblick über das Erziehungsdenken in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg generieren und dies aus einer ideengeschichtlichen Perspektive heraus. Jedoch wird eine realgeschichtliche Perspektive vorgeschaltet, um den allgemeinen historisch-gesellschaftlichen Bezugsrahmen abzustecken, in dem sich pädagogische Theoriebildung vollzieht und auf den sie verwiesen ist. Größeres Augenmerk wird allerdings die ideengeschichtliche Perspektive einnehmen, was in der Anlage der vorliegenden Arbeit, die sich einer Komparatistik hinsichtlich Betrachtungen einer bestimmten theoretischen pädagogischen Konzeption widmet, begründet liegt. 3.1.1 Realgeschichte In Bezug auf den historischen Kontext soll im Folgenden kurz auf die realgeschichtliche Entwicklung eingegangen werden, wobei der Fokus auf die kulturellen und ideengeschichtlichen Aspekte des betrachteten Zeitraums gelegt wird. Bei der Betrachtung dieses Zeitfensters kommt man nicht umhin, sich mit den Folgen des alles erschütternden Bürgerkriegs auseinanderzusetzen. Daran schloss sich die Phase der Reconstruction an, die bis 1877 andauerte und deren Zweck es war, die Reintegration der Südstaaten in die Union zu bewerkstelligen. Diese Periode ist © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_3

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3. Analyse Zweitkontext

für die Entwicklung der modernen USA und ihrer Identität von essentieller Bedeutung, da sie ihr einen Anfangs- und Ausgangspunkt setzte (vgl. Burton/Herr/ Cheney 2005, S. 299). Der Zeitraum der Reconstruction lässt sich im Nachhinein in drei Phasen einteilen. Zu Beginn war die politische Agenda Andrew Johnsons, dem Nachfolger Lincolns, vorherrschend. Wie schon sein Vorgänger stellte Johnson minimale Anforderungen an die Südstaaten zur Wiederaufnahme, Diese Periode ist durch den Begriff der Presidential Reconstruction bestimmt. Die zweite Phase ab 1866 war durch die Dominanz der radikalen Republikaner im Kongress gekennzeichnet und wird daher als Congressional Reconstruction bezeichnet. Zu Beginn der 1870er Jahre zeichnete sich eine dritte Phase ab, die von den weißen Südstaatlern als Redemption bezeichnet wurde und durch die Rückgewinnung der Macht durch die alten Eliten charakterisiert werden kann. Eine zentrale Rolle über den gesamten Zeitraum hinweg nimmt die Frage nach dem Status der durch den Bürgerkrieg befreiten Sklaven, der sogenannten Freedmen, ein. Diese Fragestellung führte immer wieder zu kontroversen Diskussionen und politischen Auseinandersetzungen (vgl. Berg 2013, S. 41-44). In der ersten Phase sollte die Reintegration der ehemaligen Konföderierten dadurch gelingen, dass minimale Bedingungen zur Wiederaufnahme an sie gestellt wurden. Diese beschränkten sich darauf, dass sie im Grunde nur die Sezession widerrufen und die Befreiung der Sklaven, welche im 13. Zusatzartikel der Verfassung verankert wurde, anerkennen sollten. Im Falle dessen, dass ein Südstaatler einen Loyalitätseid auf die Union ablegte, durfte er mit einer sehr milden Amnestiepraxis rechnen. Auch wenn dieses Angebot von den meisten Südstaatlern bereitwillig angenommen wurde, zeigten die Wahlen von 1865, bei denen in den Südstaaten zumeist ehemalige Militärs und Führer der Sezession gewählt wurden, dass dies in den meisten Fällen wohl eher Lippenbekenntnisse waren und eine echte Treue gegenüber der Union noch längst nicht wiederhergestellt war. Innerhalb dieser ersten Phase regte sich großer Widerstand auf Seiten der republikanischen Abgeordneten und Senatoren des Kongresses. Ihnen war es ein Anliegen, die ehemaligen Sezessionisten komplett aus dem Kongress auszuschließen und auf eine Allianz mit unionstreuen Südstaatlern sowie den Freedmen zu setzen, um ein zukünftiges Wiederaufleben sezessionistischer Strömungen zu unterbinden (vgl. Berg 2013, S. 42). Zentral für dieses Anliegen und dessen Umsetzung wurde

3.1 Amerikanisches Erziehungsdenken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ...

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die Ratifizierung des 14. Zusatzartikels, welcher alle in den USA Geborenen zu Bürgern mit dem gleichen Recht vor dem Gesetz erhob. Darin inbegriffen waren dementsprechend auch alle ehemaligen Sklaven. Im Verlauf dieser Phase wurden die Südstaaten in fünf Militärbezirke eingeteilt, die jeweils von einem sogenannten Militärgouverneur solange regiert wurden, bis alle Bedingungen, unter anderem die Ratifizierung des oben erwähnten 14. Zusatzartikels, sowie die Formulierung einer Verfassung, die das Wahlrecht für alle Schwarzen vorsehen sollte, was ab 1870 durch den 15. Zusatzartikel für alle Staaten verbindlich war, für die Wiederaufnahme erbracht waren (vgl. Berg 2013, S. 42). Die Rückkehr aller ehemals konförderierten Staaten war bis zu diesem Jahr abgeschlossen. Am Umgang der Republikaner mit der so genannten „Negerfrage“ müssen zwei Momente hervorgehoben werden. Zwar wurden, wie oben erwähnt, auf Gesetzesebene Voraussetzungen für eine Gleichstellung der nun befreiten Sklaven geschaffen, jedoch wurde dem Wunsch nach nationaler Versöhnung die soziale Dimension dieser Problematik geopfert. Es kam zu keiner Bodenreform zu Gunsten der ehemaligen Sklaven, weil die überwiegende Zahl der Republikaner das Privateigentum unangetastet lassen wollte. Dies wiederum hebt das ideengeschichtliche Motiv der Hochschätzung des Privateigentums deutlich hervor. Diese Tendenzen mündeten in die weiter oben erwähnte Phase der Redemption. In der neueren amerikanischen Historiographie hat sich das Urteil zur Periode der Reconstruction durchgesetzt, dass es sich „bei Bürgerkrieg und Reconstruction […] um eine ‚unvollendete Revolution‘ (vgl. Foner 1988) gehandelt [habe, M.S.], deren zentrales Projekt, der Aufbau einer farbenblinden Demokratie, am tief verwurzelten Rassismus der amerikanischen Gesellschaft gescheitert sei“ (Berg 2013, S. 44). Dies wird beispielhaft illustriert durch die Gründung des Freedmen’s Bureau, das Anfang 1866 sogar gesetzlich verankert wurde und die erste Wohlfahrtsorganisation auf Bundesebene war. Diese Organisation wurde jedoch schon im Jahre 1872 wieder aufgelöst; stattdessen gründete sich der Ku Klux Klan und sein Terror gegen die befreite schwarze Bevölkerung nahm seinen Lauf (vgl. Schmidt 2004, S. 50). In der Tat gelang es dem weißen Süden zwischen 1877 und 1900 die bürgerlichen und politischen Rechte der Afroamerikaner drastisch zu beschneiden, wobei der „Oberste Gerichtshof bereitwillig assistierte, indem er die US-Bundesverfassung extrem restriktiv auslegte“ (Berg 2013, S. 44). Die Perversion der Befreiung gelangte dann mit dem Urteil des Obersten Gerichtshof im Präzedenzfall Plessy

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vs. Fergueson zu ihrem vorläufigen Höhepunkt, welches die gesetzlich verankerte Segregation in Louisiana und im Speziellen die Trennung in verschiedenen Eisenbahnabteilungen zum Gegenstand hatte, als erklärt wurde, dass die gesetzlich anerkannte Segregation nicht im Widerspruch zum Inhalt des 14. Zusatzartikels stände, solange besagte Eisenbahnabteile für die Schwarzen von gleicher Qualität waren. Nach diesem Urteil waren Tür und Tor geöffnet für die lange bestehende: seperate but equal-Doktrin (vgl. Berg 2013, S. 44). Diese Entwicklung lässt sich ebenfalls im Bereich der Erziehung und des Bildungswesens, insbesondere in den Südstaaten, feststellen. Hierbei gelang es ebenfalls nicht, ein koedukatives Bildungswesen, das die gemeinsame Beschulung von weißen und schwarzen Kindern vorsah, zu verwirklichen (vgl. McPherson/Hogue 2009, 623-635). An die Phase der Reconstruction schloss sich eine Ära an, die vor allem von den Faktoren der Industrialisierung, Urbanisierung, der massenhaften Einwanderung und des damit einhergehenden explosiven Bevölkerungswachstums, dem Ausbau der Infrastruktur und die voranschreitende Besiedelung des Westens unter dem Stichwort der Frontier gekennzeichnet war. Aus dem enormen Anstieg der Bevölkerungszahlen erwuchsen Spannungen, die sich im Phänomen des Nativismus niederschlugen. Diese Faktoren stehen in einem engen Zusammenhang und zugleich reziproken Verhältnissen zueinander und liefen parallel ab. Die mit großen Schritten voranschreitende Industrialisierung ist wahrscheinlich der entscheidende Faktor in der Gesamtentwicklung der USA (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 167). Die Besonderheiten im internationalen Vergleich sind zweierlei Art: zum einen „vollzog sich die forcierte Industrialisierung in den USA dezentraler und weniger staatlich reguliert als in fast allen anderen Ländern; es entstand deshalb auch kein bürokratischer ‚Leviathan‘ in Gestalt eines übermächtigen Zentralstaates, der die Freiheit der Bürger bedrohen konnte. Zweitens gab es zwischen kapitalistischer Marktwirtschaft und politischer Demokratie zwar erhebliche Spannung, aber keinen unüberwindlichen Gegensatz. Obwohl die Interessenkonflikte an Zahl und Härte zunahmen, blieb eine Spaltung der Gesellschaft in klar unterscheidbare, sich prinzipiell bekämpfende Klassen aus“ (Heideking/ Mauch 2008, S. 167). Sozialistische Strömungen konnten in den USA nie wirklich Fuß fassen, was zumeist damit erklärt wurde, dass die USA infolge der stetigen Einwanderung im-

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merfort ihren pluralistischen Charakter beibehielt sowie durch die von Max Weber postulierte These der engen Verbindung zwischen der Wirtschaftsordnung und dem puritanisch-protestantischen Erbe als religiös-kulturellem Ursprung der USA (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 167). Des Weiteren kann als Grund hierfür die Konzeption der amerikanischen Verfassung gesehen werden, die suggerierte, dass alle nötigen Anpassungen an die jeweiligen Zeiten einzig und allein auf Grundlage der Verfassung geschehen könnten und damit revolutionäre Umstürze obsolet wären (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 167-168). Darüber hinaus kann ebenfalls festgestellt werden, dass der hohe Stellenwert sowohl des Bildungswesens als auch der praxisorientierten Forschung stark an den ökonomischen Bedürfnissen ausgerichtet war (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 171). Die nach dem Bürgerkrieg wieder sprunghaft anwachsende Einwanderung war ihrem Gepräge nach, was die Herkunftsländer betraf, im Grunde deckungsgleich mit denen vor dem Bürgerkrieg. Der Unterschied lag darin, dass die zahlenmäßige Einwanderung der Deutschen nun die anderen klassischen Einwanderer aus Irland, Britannien und Skandinavien übertraf (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 170). Was die Siedlungsgebiete der verschiedenen Ethnien betrifft, kann festgehalten werden, dass die irisch stämmigen Einwanderer eher in den urbanen Gebieten an der Ostküste verblieben und sich in der aufstrebenden Industrie verdingten, wohingegen die Deutschen und Skandinavier weiter in den mittleren Westen zogen und sich da als Handwerker und Farmer niederließen (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 170). Nicht zu vernachlässigen ist auch die Einwanderung aus dem asiatischen Raum, vor allem aus China und Japan an der Westküste, wobei die Chinesen zumeist als billige Arbeitskräfte im Eisenbahnbau unterkamen (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 159). Die Einwanderung förderte dabei vor allem zwei Faktoren: Zum einen die Industrialisierung, da die Einwanderer als billige Arbeitskräfte den Bedarf des industriellen Wachstums abdeckten, und zum anderen die Urbanisierung, da sie sich zu einem großen Teil in den Städten niederließen. Hinzu kam eine verhältnismäßig hohe Geburtenrate, die in Kombination mit den enorm hohen Einwanderungszahlen dazu führte, dass die USA einen hohen Bevölkerungsanteil junger Menschen hatte (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 170). Diese Entwicklung wurde noch weiter genährt durch die nach 1890 emporschnellende Einwanderung aus Ost- und Südosteuropa. Dabei ist es erhellend, sich den auf Mark Twain zurückgehenden Begriff des Gilded Age zu vergegenwärtigen, der darauf rekurriert, dass

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es eben bloß ein vergoldetes Zeitalter und nicht etwa ein goldenes Zeitalter (vgl. Twain/Warner 1873/1915) darstellt. Diese Bezeichnung gründet darauf, dass diese Zeit zwar den wirtschaftlichen Aufstieg zur führenden Industriemacht abbildet, jedoch ebenfalls von vielen krisenhaften Phänomenen geprägt war. In diesen Zeitraum fallen wiederkehrende Wirtschaftskrisen, die soziale Spannungen hervorriefen. Darüber hinaus hatte die Einwanderung ebenfalls nicht nur positive Aspekte. Kennzeichnend hierfür war das immer wieder aufflammende Phänomen des Nativismus. Diese fremdenfeindliche Bewegung zeigte sich im hier dargestellten Raum insbesondere in den 1880er Jahren und um die Jahrhundertwende, als viele Italiener und aus Osteuropa stammende Juden einwanderten (vgl. Schmidt 2004, S. 53). Dies hatte zur Folge, dass mit dem 1890 gegründeten Bureau of Immigration, das 1892 auf Ellis Island seine Arbeit aufnahm, der Staat die Administration der Einwanderung über den Hafen New Yorks übernahm (vgl. Schmidt 2004, S. 53). Ein weiteres konstitutives Moment für die Entwicklung einer spezifisch amerikanischen kulturellen Identität ist eng verknüpft mit der Metapher der Frontier. Hier hat die Version von Frederick J. Turner eine besondere Wirkungsmacht entfaltet. Auch wenn die moderne amerikanische Geschichtswissenschaft ihm viele Fehlinterpretation und Nachlässigkeiten in der historischen Beschreibung und Bewertung nachweisen konnte, so sind seine Beschwörungen des Mythos der Frontier in den Mainstream übergegangen. Für Turner stellte die in der Geschichte der USA immer weiter nach Westen verschiebende Besiedlungsgrenze nicht ein bloßes Ventil für soziale Spannungen dar, sondern „als Quelle der Erneuerung traditioneller Werte und Ort der ständigen Bewährung für das Individuum. Den nach Westen vordringenden Pionier verstand Turner – ganz im Sinne Thomas Jeffersons – als den eigentlichen Träger demokratischer Ideale, und die Frontier erschien ihm als Inbegriff dessen, was die Vereinigten Staaten von Europa unterschied und was sie zum Fortschritt der Menschheit beitrugen“ (Heideking/Mauch 2008, S. 158). Dieser Frontier-Mythos verselbstständigte sich in der Folge. Er grub sich tief in das kollektive Bewusstsein der amerikanischen Nation ein und wirkt bis in die Gegenwart fort (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 158). Mit dem klaren Wahlsieg der Republikaner bei der Wahl von 1896 trat die USA in die nächste Phase ein, die gekennzeichnet war vom Imperialismus, das heißt von einer aktiven und expansiven Außenpolitik und einer progressiven Reformbewegung. Getragen wurde dieser erwachende imperialistische Gestus der USA

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durch wachsende nationalistische Tendenzen sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik. Diese Tendenzen sind ambivalent zu bewerten. Zum einen ließen sie die Wunden, die der Bürgerkrieg der Nation zugefügt hat, vernarben. Jedoch gingen damit auch die weiter oben schon erwähnten nativistischen Strömungen einher, die zersetzende Kräfte entwickelten und Spannungen zwischen den „Alteingesessenen“ und den Zuwanderern (foreign-born) zur Folge hatte (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 191). Die außenpolitischen Ambitionen waren vor allem dadurch motiviert, die Seewege für amerikanische Importe und Exporte zu sichern, womit der Aufbau einer starken Seeflotte einherging, den Einflussbereich der europäischen Mächte auf dem amerikanischen Kontinent zurückzudrängen und im Gegensatz zu den europäischen Kontinentalmächten, die auf Kolonialisierung setzten, die Strategie des sogenannten Handels- und Dollarimperialismus zum Aufbau und zur Sicherung ihrer Einflusssphären zu verfolgen. Dies geschah besonders über das Mittel der Direktinvestitionen im Wirtschaftsraum Nord- und Südamerikas vor Ort (vgl. Schmidt 2004, S. 70). Die progressiven Strömungen waren in ihrer sozialen Zusammensetzung geprägt durch die Bevölkerungsschichten der städtischen Mittel- und Oberschicht und ihrer angestammten Bürger. Sie war getragen von der zunehmenden Professionalisierung und Akademisierung der Gesellschaft, die die Entstehung der sogenannten new middle class vorantrieb und einer erwachenden sich emanzipierenden Frauengeneration, welche sich vornehmlich dem Gesundheits- und Bildungswesen widmete (vgl. Heideking/Mauch 2008, S. 208).28 Zusammenfassend lässt sich besonders in ideengeschichtlicher Hinsicht konstatieren, dass die Gesamtentwicklung der USA in dem hier betrachteten Zeitraum auf einem fast religiösen Glauben an den Fortschritt basierte, der sich auf die „modernen Evolutionstheorien, wie sie die Engländer Charles Darwin und Herbert Spencer vertraten“ (Heideking/Mauch 2008, S. 172) gründete. Darauf aufbauend entwickelte sich in den USA die Idee des sogenannten Sozialdarwinismus, die auch in großen Teilen der Bevölkerung sehr populär wurde. Insbesondere der Yale-Professor William G. Sumner war ein Repräsentant dieser Ideen. Er war der Ansicht, dass „dem Wohl der Zivilisation am besten gedient [sei, M.S.], wenn der Staat die starken, zur Machtausübung und zur Übernahme von Verantwortung befähigten 28 Besonders auf das Wirken dieser Kreise lässt sich das spätere child-study-movement zurückführen.

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Individuen gewähren ließ und ihre Rechte, speziell das Eigentumsrecht, schützte“ (Heideking/Mauch 2008, S. 172). Diese Haltung und insbesondere der Glaube an die Evolutionstheorie und ihrer Übertragbarkeit sowohl auf den gesellschaftlichen als auch auf den grundlegend menschlichen und zivilisatorischen Fortschritt zeitigte auch im Bereich des Erziehungsdenken seine Wirkung, wie im weiteren Verlauf deutlich sichtbar wird. Eine der meist zitierten Stellen im historischen pädagogischen Diskurs der USA ist die Aussage Lawrence Cremins, dass „the word progressive [Hervorhebung im Original, M.S.) provides the clue to what it really was: the educational phase of American Progressivism writ large“ (Cremin 1969, S. VIII). Mit Progressivism meint Cremin die breite Reformbewegung, die die amerikanische Gesellschaft vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg erfasste, wie auch deren politischer Ausdruck. Um ein klareres Verständnis dieser Periode und ihrer Etikettierung zu bekommen, soll auf die Periodisierung eingegangen werden: politische Historiker setzen die breite amerikanische Reformbewegung an den Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. In den Augen der meisten Erziehungshistoriker beginnt die pädagogische Reformbewegung jedoch früher und dauert weitaus länger an. In einer einflussreichen Studie benennt Cremin diesen Zeitraum konkret von 1876 bis 1955. Der pädagogische Reformgedanke hat zwar nie im amerikanischen Erziehungswesen dominiert und ist in organisierter Form mit dem Zerfall der Vereinigung für Reformpädagogik (Progressive Education Association, PEA) 1955 zu einem Ende gekommen, bestand jedoch auf anderen Ebenen weiter. Er wurde in den freien und Alternativschulen der sechziger und siebziger Jahre neu belebt. Folgt man Cremins Klassifizierung der US-amerikanischen Reformbewegung in New Education und Progressiv Education (vgl. Cremin 1969), so wäre der US-amerikanische Herbartianismus der New Education zuzuordnen. 3.1.2 Pädagogische Ideengeschichte Im Folgenden sollen die verschiedenen mehr oder weniger bedeutsamen pädagogischen Strömungen in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts skizziert werden. Dazu muss grundlegend konstatiert werden, dass dieses Denken wesentlich durch die Hinwendung zu einem auf Empirie basierenden, sich an den Naturwissenschaften und ihren vornehmlich induktiven Verfahren orientierenden, erziehungswissenschaftlichen Ansatz beruht, um den Wissenschaftscharakter

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der Erziehungswissenschaft als solchen herauszustreichen und die Pädagogik als Wissenschaft zu etablieren. Dies basiert zum einen auf dem Einfluss der darwin’schen Evolutionstheorie, die allerdings verschieden interpretiert wird. Die Bedeutung dieser Theorie für das Erziehungsdenken in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschreibt Knight mit den Worten: „Probably the most powerful influence on education in the United States in recent years [1860er Jahre, M.S.] arose out of the work of Charles Darwin.” (Knight 1969 S. 510) Zum anderen erwächst diese Hinwendung zur Empirie aus einem Denken, „das einerseits vom Darwin’schen Evolutionsbegriff inspiriert worden ist, andererseits über diesen insofern hinausgeht, als es die Evolutionsbiologie auf menschliche Gedanken anwendet und sich dem Studium dieser Gedanken als Instrumente des Organismus widmet“ (Krenzer 1984, S. 93). Grundlegend ist also allen Sichtweisen, dass der Mensch in seiner Diesseitigkeit und seiner Verortung in der Natur wahrgenommen und als Teil der empirischen und damit messbaren Welt bestimmt wird (vgl. Krenzer 1984, S. 93). Dieses Denken schlug sich in der Hinwendung zur sogenannten Methode der Educational Measurement nieder, die eine rein quantitative Methode darstellt und die geistigen Prozesse auf das empirisch Messbare verengt, die insbesondere von Edward L. Thorndike, einem Begründer des Behaviorismus, in die Erziehungswissenschaft eingebracht wurde. Er versuchte mit dieser Methode, die Lernentwicklung zu untersuchen (vgl. Krenzer 1984, S. 100). An anderer Stelle spitzt er dieses Denken bis zu dem Punkt zu, indem er sagt: „Whatever exists at all exists in some amount. To know it thoroughly involves knowing its quantity as well as its quality. Education is concerned with changes in human beings; a change is a difference between two conditions; each of these conditions is known to us only by the products produced by it – things made, words spoken, acts performed, and the like. To measure any of these products means to define its amount in some way so that competent persons will know how large it is, better than they would without measurement. To measure a product well means so to define its amount that

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competent persons will know how large it is, with some precision, and that this knowledge may be conveniently reorded and used. This is the general Credo of those who, in the last decade, have been busy trying to extend and improve measurements of educational problems.” (Thorndike 1918, S. 16) Diese Zeilen können als Zusammenfassung der Sichtweise einer empirisch-quantitativ fundierten Methode hinsichtlich einer Untersuchung von Lernprozessen und sich daraus ergebenden erziehungswissenschaftlicher Implikationen gesehen werden. Für dieses Verständnis ist es also charakteristisch, dass es das Wesen der Messung im Bereich der Erziehung und Bildung dem Wesen jeder anderen naturwissenschaftlichen Messung gleichsetzt, was sich auch in der Auffassung, den Geist der Physiologie des Hirns gleichzusetzen, widerspiegelt. Eine weitere Richtung bzw. Sichtweise, die sich aus dem Einfluss der darwin’schen Theorie heraus entwickelt hat, lässt sich beim schon weiter oben erwähnten Herbert Spencer finden. Der von ihm begründete Evolutionismus, der oftmals als der Vorläufer des Sozialdarwinismus betrachtet wird, übertrug die Theorie der Evolution auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Seine Definition des Begriffs Evolution liest sich wie folgt: „Evolution is an integration of matter and concomitant dissipation of motion; during which the matter passes from indefinite, incoherent homogeneity to a definite, coherent heterogeneity; and during which the retained motion undergoes a parallel transformation.” (Spencer 1915, S. 321) Spencer wandte diese Definition in doppelter Weise auf den Begriff des Organismus in der Weise an, dass er sie sowohl auf den individuellen Organismus eines jeden Menschen als auch auf den sich aus den einzelnen Individuen konstituierenden Organismus der Gesellschaft bezog. Die Konsequenz aus dieser Anwendung bedeutet für den jeweiligen Organismus jedoch diametral Gegensätzliches. Für den individuellen menschlichen Organismus bedeutet sie den zunehmenden Verfall im Laufe eines Lebens, für die Gesellschaft jedoch lässt sich die Konsequenz konstatieren, dass diese zwangsläufig auf ihre logische, kohärente Konzeption hinausläuft. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass man nichts Besseres tun kann, als die Gesellschaft nicht in ihrem evolutionären Fortschritt zu behindern (vgl. Kren-

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zer 1984, S. 103). Auch bei Spencer lässt sich also der Einfluss Darwins unschwer erkennen. Die gesellschaftliche Entwicklung hat sich seinem Verständnis nach durch naturwissenschaftliche Gesetze der Entwicklung entfaltet und strebt quasi auf eine evolvierte strukturelle Kohärenz zu. Dieser Prozess geschieht unabhängig von dem, was Spencer „künstliche Zivilisation“ nennt. Darunter versteht er, dass ein gesellschaftlicher Fortschritt nicht sprunghaft etwa durch legislative Bestimmungen erreichbar ist, da dies nur zu eben dieser „künstlichen Zivilisation“ führt. Dagegen ist der gesellschaftliche Fortschritt quasi naturgemäß determiniert. Die Implikationen für die Aufgabe der Erziehung und Bildung der Individuen kann es daher nur sein, „dem Menschen zu helfen, sich im ‚intellektuellen‘, im ‚moralischen‘ und im ‚physischen‘ Bereich seines Lebens unter dieses naturwissenschaftliche – ‚logische‘, ‚klare‘, ‚verständliche‘ – Denken zu stellen: den ‚social progress‘, ungehindert von ‚künstlicher Zivilisation‘, aus diesem Denken heraus voranschreiten zu lassen; gleichsam diesen Fortschritt an naturwissenschaftlich ermittelten und ermittelbaren Fakten zu orientieren und zu messen“ (Krenzer 1984, S. 104). Eine weitere bedeutsame pädagogische Strömung, das child-study-movement, ist eng verknüpft mit dem Namen G. Stanley Hall, der wiederum Studienerfahrung in Deutschland sammelte und sich dazu von 1868 bis 1871 sowie von 1878 bis 1880, als er u.a. bei Wilhelm Wundt in Leipzig arbeitete, in Deutschland aufhielt. Er selbst schreibt zu Beginn der Bewegung: „The history of the scientific study of children began in this country in 1879, when four kindergartners in Boston, acting under Mrs. Quincy Shaw’s lead, took three or four children at a time aside and endeavored to find the contents of their minds. The results of this work were published in the Princeton Review in 1880. The work showed great gaps, so great that it was dubbed ‘a study of ignorance of children.’ It came out that the primers were made for country children, while the great bulk of children are city born.” (Hall 1895, S. 357) Die Auffassung Halls soll hier in der Folge exemplarisch angelegt reichen, um diese Strömung kurz zu erläutern. Auch Hall war inspiriert von der darwin’schen Theorie, welche er auf die Entwicklung von Kindern anwendete und versuchte, die daraus erwachsenden pädagogischen Implikationen zu identifizieren. Für ihn

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waren die psychische Aktivität und ihre Konstitution ebenso ein Produkt evolutionärer Entwicklung wie die physische Verfasstheit des Menschen. Hall war stark beeinflusst von den Gedanken Hegels der inneren Notwendigkeit, dass sich alles Werdende aus dem entwickelt, was ihm vorangeht. Er war zu der Erkenntnis gelangt, dass der Geist eine Art vitalisierter Materie darstellt (vgl. Krenzer 1984, S. 106). Über diese Gedanken der evolutionären Entwicklung des psychischen Apparats eines jeden menschlichen Individuums hinausgehend postuliert Hall: „Yet the more we know the child, the more clearly do we see the germs of many atavistic tendencies nipped in the bud, though many of them have so long been. There can no longer be any doubt that the human infant not only tends to be occasionally does develop real words that are its own original creation, products of the rudiment of the same instinct in which language took the first rise. This vestige is thus not completely eliminated by the early, mimetic adotion of the speech of the environment. […] The child is not so much the father of the man as venerable and, in his early stages, half-anthropoid ancestor. […] Perhaps, in general, the traces of the psychic recapitulation of the history of the race are most traceable and most unbroken, faint as some of the traces are.” (Hall 1909, S. 260-262)29 Aus dieser Perspektive verschiebt Hall den Fokus sowohl auf die naturgeschichtliche Entwicklung des Menschen als auch auf die psychische Entwicklung des Individuums. Gleichwohl räumt er der triebhaften und instinkthaften Verfasstheit mehr Raum im Studium des Kindes ein, da diese für die ganzheitliche Betrachtung der Entwicklung des Kindes für ihn einen größeren Stellenwert einnehmen als der Intellekt (vgl. Krenzer 1984, S. 107). Seiner Meinung nach muss, wenn man anerkennt, dass auch die psychischen Aktivitäten des Individuums auf evolutionärer Entwicklung beruhen, um der Seele des Menschen gerecht zu werden, diese als vielschichtiger als bisher in der wissenschaftlichen Betrachtung des Menschen angesehen werden (vgl. Krenzer 1984, S. 107). Da sowohl Hall als auch das 29 Hierin kann durchaus eine gewisse Analogie zur Theorie der kulturhistorischen Stufen konstatiert werden, mit dem Unterschied, dass die Ausführungen und der Entwicklungsgedanke bei Hall ein naturwissenschaftlich-evolutionäres und die bei Rein vorzufindende Parallelität zwischen der Entwicklung des Individuums und der Entwicklung der Menschheit ein geistes- bzw. kulturwissenschaftliches Gepräge aufweist.

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child-study-movement im Allgemeinen eine holistische Perspektive auf das Studium der Seele und der Entwicklung eines Kindes vertritt, hat das weitreichende Implikationen für die methodischen Ansätze dieser Strömung. Es gibt nicht die eine Methode, sondern es gilt die verschiedensten wissenschaftlichen Bereiche und die damit einhergehenden Methoden miteinander zu verbinden, die fruchtbar für den Erkenntnisgewinn über die menschliche im Allgemeinen und im Besonderen über die kindliche Entwicklung gemacht werden können (vgl. Hall 1900, S. 690). Dies bezieht sich auch auf den Kreis der involvierten Personen in diesem Prozess. Das heißt, dass nicht nur Experten hier tätig sind, sondern auch auf Beobachtungen von Laien, wie den Eltern, zurückgegriffen werden soll und diese dann in wissenschaftlicher Weise aufbereitet werden sollen (vgl. Hall 1900, S. 691). Des Weiteren ist es ein wesentliches Ziel der child-study, Interesse hinsichtlich Altersphasen zu kategorisieren und zu periodisieren, um darauf basierend die Lehrfächer und ihre Inhalte entsprechend anzuordnen (vgl. Hall 1900, S. 699). Abschließend kann gesagt werden, dass die grundlegenden Tendenzen, Aspekte und Vorgehensweisen im unspezifischen Begriff des child-study-movement durchaus erkennbar werden. Es versucht die verschiedensten Bereiche und Herangehensweisen miteinander zu kombinieren, um einen holistischen Blick auf das Studium der Entwicklung eines Kindes zu ermöglichen und bedient sich dabei jeder möglichen Quelle und Methode zum Erkenntnisgewinn, an dem jeder teilnehmen kann. Eine fraglos in ihrer Wirkmächtigkeit nicht überschätzbare Strömung stellt der Pragmatismus30 dar, der eher als eine philosophische Methode als eine philosophische Theorie charakterisiert werden kann und eine pluralistische Ausprägung hat. Diese philosophische Schule und ihre Entstehung sind auf das Engste mit den Namen Charles S. Peirce, William James wie auch mit John Deweys und Georg H. Mead verbunden. Wobei Peirce als eigentlicher Begründer angesehen werden kann und seine Ideen wurden von James und Dewey weiterentwickelt (vgl. Krenzer 1984, S. 109). An dieser Stelle soll keine eingehende Einführung in die philosophische Konzeption erfolgen, da diese darüber hinaus verschiedenste Ausprägungen erfahren hat. Im Wesentlichen soll ihre pädagogischen Implikationen veranschaulicht werden. Die grundlegenden Ideen des amerikanischen Pragmatis30 Von besonderem Interesse ist der Pragmatismus in dem Sinne, dass er die erste eigenständig nordamerikanische Denkschule darstellt, die versucht, sich weitestgehend von den europäischen philosophischen Strömungen zu emanzipieren.

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mus beinhalten dabei, „all jene Konzepte, die wir üblicherweise mit dem Begriff der Wahrheit verbinden [und, M.S.] haben einen Bezug zu Wirkung und Nutzen, sind prozedural und experimentell bestimmt (‚dynamic philosophy‘) und unterliegen immer potenziell der empirischen Verifikation bzw. Falsifikation“ (Ramharter 2011, S. 646). Da sich bei John Dewey hierbei sowohl die explizitesten Konsequenzen des Pragmatismus in Bezug auf das Erziehungsdenken auffinden lassen als auch in ihrer Wirkmächtigkeit im Bereich der Pädagogik am weitreichendsten sind, soll er an dieser Stelle exemplarisch herausgehoben werden. Dewey kennzeichnet seinen Pragmatismus als einen Instrumentalismus, worauf in der Folge noch näher einzugehen sein wird. Für die vorliegende Arbeit ist Dewey von besonderem Interesse, da er erst in der Auseinandersetzung und kritischen Betrachtung mit den Erziehungstheorien von Pestalozzi, Fröbel und vor allem Herbart seine eigene Position entwickelte (vgl. Suhr 1994, S. 33). Besonders interessant und von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang seine Schrift Interest as Related to Will von 1895 (vgl. Dewey 1895, S. 5-35), die darüber hinaus bezeichnenderweise im Jahrbuch der frisch gegründeten National Herbart Society erschien. In diesem Essay und den darin ausgeführten Gedanken lassen sich unschwer die Einflüsse der darwin’schen Theorie nachweisen. Dewey bezog sich zwar eher auf William James, dessen Ideen sich seinerseits jedoch explizit auf Darwin zurückführen lassen. Konkret heißt das, dass Dewey aufbauend auf einer biologistischen Psychologie die Auffassung des Kindes als Organismus vertritt, der um sein Dasein aufrechterhalten zu können, zwangsläufig in ständigem Austausch mit der Umwelt steht (vgl. Suhr 1994, S. 33). Aber ebenso lassen sich Anleihen bei Hegel feststellen, indem Dewey die Ichheit des Kindes, das jedoch gleichwohl eine natürliche Anlage darstellt, hervorhebt und es damit qua menschliches Wesen mehr ist als nur ein intelligentes Tier (vgl. Suhr 1994, S. 34). In der Vermittlung von tierischen Impulsen durch die menschliche Intelligenz zur Ausbildung bestimmter, bewusster Absichten unter Einbezug der dafür notwendigen Mittel mit Blick auf die zu erwartenden Konsequenzen sieht Dewey die Lösung für die Diskrepanz zwischen Interesse und Anstrengung. Das Kind steht immer schon in ständiger Interaktion mit der Umwelt. Dabei ist für Dewey das Interesse die Innenseite des Kindes, aus welchem sich die Identifizierung mit einem Ziel als sein eigenes ergibt. Daraus resultiert Handlung und in der Außenbetrachtung entsteht der Eindruck der Anstrengung. Daher stehen

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für Dewey Interesse und Anstrengung in einem konstanten Verhältnis zueinander und stellen dieselbe Regung aus unterschiedlicher Perspektive dar (vgl. Suhr 1994, S. 34-35). Entscheidend für Deweys Erziehungsdenken wurde seine Theorie der instrumentellen Vernunft, die der Denkfigur folgte, alles Trennende innerhalb und untereinander der menschlichen Phänomene wie Kunst, Politik, Religion usw. zu überwinden. Grundlage für die Entwicklung seiner eigenen Position sollte das Studium Hegels bei George S. Morris werden. Hierbei war es der Kontinuitätsbegriff des fundamentalen Bewusstseins, der Dewey eine Orientierung gab, wonach er zu suchen hatte (vgl. Krenzer 1984, S. 134). Diese Kontinuität fand er schlussendlich in der Theorie der Evolution. Dazu schrieb er: “In the theory of evolution this unity of process has ceased to be either a supernatural datum or a merely philosophic speculation. It has assumed the proportions of fact.” (Dewey 1892, S. 611) Und an anderer Stelle: “Science has discovered the law of evolution; this law shows the universe making towards a certain end. What higher object, indeed, what other object of human action can be conceived than conformity with the law of all existence? Furthermore, there is no longer a sanction needed; it becomes lost in the motive to right action. Teach man the unity of his nature with that of the world, make him realize that he is an outgrowth of its development, show him, in particular, his oneness with the social organism, foster in him the idea and the feeling that his good is the good of this larger whole and its detriment his loss, — and all this not as a matter of speculation but of scientific fact, — and what more is demanded? Thus the scientific men insist upon the certainty of their ethics as contrasted with the insecurity and arbitrariness of theological morals; they emphasize its reality, as put side by side with the artificial and factitious atmosphere of unsecularized morals; they extol its lofty ideals towering over the personal and even selfish character of the ethics of ‘other-worldliness’.” (Dewey 1887, S. 576)

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Diese Denkweise hat weitreichende Konsequenzen, denn indem Dewey die evolutionistische Kontinuität zu einem fundamentalen Gesetz erhebt, wird sie zum Gesetz eines jeden Menschen. Der Mensch ist nicht mehr von der Natur zu trennen und darüber hinaus sind die ethische und die soziale Wissenschaft in ihren Begriffen und Methoden nicht von denen der physikalischen Wissenschaft verschieden (vgl. Krenzer 1984, S. 136). In Bezug auf Begriffe und Methoden im Allgemeinen lässt sich bei Dewey nachlesen: “The contents of the propositions framed about matters of fact and about alternative courses of action (including the one adopted) are neither self-determined nor self-sufficient. They are determined with reference to an intended future issue and hence are instrumental and intermediate. They are not valid in and of themselves, for their validity depends upon the consequences which ensue from acting upon them - as far as these consequences actually ensue from the operations the propositions dictate and are not accidental accretions.” (Dewey 1938, S. 164) In diesen Zeilen kommt das Wesentliche seiner Theorie des instrumentellen Handelns zum Ausdruck. Dewey erweitert diese Ansicht über die Methoden und Begriffe hinaus auf jedes Ding, indem er postuliert, dass jedes Ding nur als handelndes Ding existiert und dies nicht als isoliert handelndes, sondern immer in Beziehung mit anderen Dingen (vgl. Krenzer 1984, S. 137). Entscheidend ist dabei für sein Erziehungsdenken, dass er diese Idee auch auf den Menschen und seine Daseinsformen überträgt. Das bedeutet wiederum, dass der Mensch als handelndes Wesen in ständiger Interaktion mit seiner Umwelt in einer bestimmten Situation aufzufassen ist. Die vornehmliche Form dieser Wechselwirkung basiert auf Kommunikation, wobei das Wesentliche der Kommunikation für Dewey die Ermöglichung von Kooperation ist, die Individuen zu Partnern im Handeln werden lässt (vgl. Dewey 1929, S. 166). Bei Dewey selbst heißt es dazu: “The heart of language is not ‘expression’ of something antecedent, much less expression of antecedent thought. It is communication; the establishment of

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cooperation in an activity in which there are partners, and in which the activity of each is modified and regulated by partnership.” (Dewey 1929, S. 179) In dieser Kommunikation vollzieht sich für Dewey darüber hinaus auch Erfahrung, indem dem Kind die Bedeutung dessen, was es tut und wie es handelt, von anderen durch Sprache reflektiert bekommt und verinnerlicht darüber die Moral, die in seiner sozialen Gruppe vertreten wird. Dewey schreibt: „An individual usually acquires the morality as he inherits the speech of his social group.” (Dewey 1922, S. 58) Innerhalb dieser kontinuierlichen Begegnung und Interaktion ist das Individuum in einem beständigen Prozess des Wachsens bzw. Abnehmens, wobei das Wachsen für Dewey die dem Menschsein gemäße Veränderung darstellt. Das Wachsen ist also gleichbedeutend mit der Menschwerdung (vgl. Krenzer 1984, S. 139-140). Vor dem Hintergrund dieser Ideen des instrumentellen Handelns und den Begriffen der Erfahrung und des Wachsens ist Deweys Erziehungsdenken zu betrachten und zu verstehen. Erziehung ist für Dewey grundlegend eine Entwicklung durch und von Erfahrung, die wiederum neuen Erfahrungen dienlich ist (vgl. Dewey 1938, S. 10). Im Einzelnen bedeutet das für Deweys Erziehungsdenken zum einen, dass Erziehung die Fähigkeit zur kontinuierlichen Wechselwirkung in Form von Kommunikation ist und zum anderen, dass Erziehung Entwicklung durch diese Fähigkeit darstellt, die mit Wachsen einhergeht und die Empfänglichkeit für neue Erfahrungen bereitstellt, sodass der Edukand offen für den wechselseitigen Prozess der Kommunikation ist und damit in die Gemeinschaft hineinwächst (vgl. Krenzer 1984, S. 141-142). Zusammenfassend heißt das, dass Erziehung „also ein Vorgang [ist, M.S.], in dem der Mensch immer fähiger wird, an kontinuierlichen Wechselwirkungen teilzunehmen.“ (Krenzer 1984, S. 142) Diese kontinuierliche Wechselwirkung stellt für Dewey ein Tun dar, weshalb die Erziehung ebenfalls im Tun geschieht. Für die institutionalisierte Erziehung in der Schule bemisst sich deren Qualität daher danach, inwieweit sie das Streben der Edukanden nach diesem kontinuierlichen Prozess und der Fähigkeit dazu heben kann und damit die Menschwerdung

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unterstützt (vgl. Krenzer 1984, S. 142). Daher geht es für Dewey auch nicht vorrangig darum, in der Schule Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern die Möglichkeit bereitzustellen, Erfahrungen mit besonderem Fokus auf den sozialen und emphatischen Erlebnissen in der Gemeinschaft zu machen. Sowohl die Unterrichtsfächer als auch deren Inhalte werden dabei natürlich nicht obsolet, sondern sollen sich in den Dienst der Ermöglichung von Erfahrung stellen (vgl. Krenzer 1984, S. 143). Hinsichtlich der Erziehung als sozialem Prozess stellt Dewey fest: „The conception of education as a social process and function has no definite meaning until we define the kind of society we have in mind.” (Dewey 1916, S. 122) An dieser Stelle wird auf das Werk Deweys rekurriert, das wohl einen großen Teil seiner Berühmtheit besonders auf dem Felde der Pädagogik begründet hat. Democracy and Education erschien 1916. In diesem Werk führt Dewey aus, dass auf Grundlage seines Erziehungsverständnisses die Staatsform der Demokratie am kompatibelsten mit dem Prozess der Erziehung und seiner Ziele ist. Eine gesellschaftliche Ordnung muss für Dewey so konzipiert sein, dass sie jedem Mitglied der Gesellschaft eine umfassende Entfaltung gewährleistet. Dieses Anliegen sieht Dewey in der Demokratie verwirklicht, wobei er sie nicht primär als Staatsform auffasst, sondern als eine Art des zwischenmenschlichen Umgangs versteht und sie als Idee des Gemeinschaftslebens an und für sich bezeichnet (vgl. Dewey 1927, S. 148). Das macht ihn in der Geschichte der Erziehung zu einem der Väter eines radikaldemokratischen Erziehungsverständnisses (vgl. Neubert 2008, S. 221). In Bezug auf den Begriff des Lernens lässt sich im Sinne Deweys konstatieren, dass die wichtigste Einstellung, die das Lernen dem Edukanden vermitteln kann, der Wunsch ist, weiter zu lernen. Lernen ist dabei die Art und Weise sich innerhalb des Prozesses der Erziehung zu verhalten. Diese Verbindung von Lernen und Erziehung bringt es in seiner Konzeption mit sich, dass Dewey Lernen primär als Tun begreift, da er auch den Prozess der Erziehung als solchen ansieht. Das heißt also zusammenfassend, dass für Dewey Lernen durch Tun geschieht. Dies beinhaltet aber wiederum, wie auch schon beim Erziehungsbegriff, eine über die umgangssprachliche Bedeutung des Tuns hinausgehende Definition. Es ist mehr

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als nur Schaffen, Arbeiten und den Prozess der kontinuierlichen antizipierenden Wechselwirkung darstellen; es ist vielmehr Lernen durch und im Tun (vgl. Krenzer 1984, S. 144). Das heißt, dass der Lern- und Erziehungsprozess sich in einer Aktivität vollziehen sollte, der durch deren Bedingungen und Ansprüche an den Edukanden entspringt (vgl. Neubert 2008, S. 227). Jedoch schwebt Dewey dabei keine willkürlich ausgewählte und gestellte Aufgabe vor, „sondern […] eine gemeinsam mit anderen ausgeführte Tätigkeit, die aus sich heraus für die Lerner als hinreichend bedeutsam erscheint, dass sie selbst ihren Wert erkennen und ein lebendiges Interesse daran entwickeln können“ (Neubert 2008, S. 227). Das heißt jedoch nicht, dass Dewey ausschließlich auf diesen Handlungsbezug referiert, sondern dass konkrete Situationen und abstrakte Konzepte in einem genuinen Verhältnis zueinander stehen. Jedoch sollte die intellektuelle Erweiterung des Horizonts der Schüler immer auf die Bedingungen und Ansprüche dieser kooperativen Aktivitäten referieren. Aus diesem Begriffsverständnis entwickelt Dewey das didaktische Konzept der Occupations, das später von Deweys Schüler William H. Kilpatrick zu einer Form der Projektmethode umgeformt wurde. Dieses Konzept basiert darauf, dass die ausgeführten Tätigkeiten und die damit verbundenen Anforderungen an die Schüler ausreichend komplex, vielschichtig und herausfordernd sind, wodurch sich bei der Beschäftigung mit den Herausforderungen und deren Lösung der Lernprozess quasi implizit vollzieht, zumal die ausgeführte Tätigkeit für die Schüler eine Relevanz außerhalb des schulischen Kontextes haben sollen (vgl. Neubert 2008, S. 227). Mit diesem Konzept will Dewey hinsichtlich zweier habitueller Dimensionen die Lernenden beeinflussen. Zum einen geht es ihm darum, dass die Schüler durch ihre Eigenaktivität im Ausprobieren und Erforschen eine Grundeinstellung entwickeln und verinnerlichen: „Ideen, Theorien und Prinzipien als ‚Arbeitshypothese‘ zur Lösung von Problemen zu behandeln und nicht als dogmatische Wahrheiten, deren Wert abschließend feststeht und die fraglos von höheren Autoritäten übernommen werden müssen“ (Neubert 2008, S. 228). Hierin schlägt sich Deweys grundlegende philosophische Sichtweise des Pragmatismus nieder. Zum anderen würde dieses Konzept nach Deweys Ansicht auch in sozialer Hinsicht das schulische Leben positiv beeinflussen, nämlich dahingehend, dass die Schule sich in ein mittelbares Verhältnis unerwünschter gesellschaftlicher Bedingungen wie überbordendem Egoismus, Konkurrenzdenken und der Aufrechterhaltung tradierter gesellschaftlicher Schranken setzt, um sie mit Hilfe dieses

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3. Analyse Zweitkontext

im wesentlichen auf Kooperation gründenden Konzeptes abzubauen (vgl. Neubert 2008, S. 228). Hierin kommt Deweys pädagogisches Anliegen der Erziehung durch Demokratieerfahrungen zur Demokratiebefähigung zum Ausdruck. Ein zentrales Konzept, das im Erziehungsdenken der USA im hier betrachteten Zeitraum seine Spuren hinterlassen hat, ist das der Projektmethode. Dabei lassen sich drei grundlegende Modelle unterscheiden: das lineare Modell, das holistische Modell und das universelle Modell. Wobei beachtet werden muss, dass die beiden ersten Modelle sich auf eine praktische und theoretische Ausbildung im handwerklichen Bereich beschränkten bzw. aus Überlegungen hinsichtlich einer verbessernden Ausbildung in diesem Bereich entwickelten. Das lineare Modell, das auf Calvin M. Woodward zurückgeht, kann insofern charakterisiert werden, als es von der grundlegenden didaktischen Auffassung ‚vom Einfachen zum Komplizierten‘ ausgeht. Aufbauend auf der Vermittlung von theoretischem Wissen werden die Schüler in einen spezifischen praxisorientierten Kontext gestellt und sollen unter Anwendung ihres theoretischen Vorwissens etwas praktisch herstellen. Woodward bezeichnete diese Form der Projektmethode als synthetic exercise. Es war im Sinne Woodwards, sie in die zwei aufeinanderfolgenden Blöcke instruction und construction zu untergliedern (vgl. Knoll 2014, S. 666). Das holistische Modell, das von Charles R. Richards um die Jahrhundertwende etabliert wurde, und von Gedanken Fröbels und Deweys und durch sein weiter oben schon thematisiertes Konzept der Occupations beeinflusst war, versuchte die eindimensionale Struktur der Vorgehensweise des linearen Modells zu überwinden, indem es die Schüler bzw. Studenten in den Planungsprozess aktiv einbezog und ein integratives Modell von natural wholes vorsah. Das heißt, dass die theoretische und praktische Ausbildung und Betätigung nicht linear aufeinanderfolgen, sondern Hand in Hand parallel ablaufen. Der bei Woodward vorgesehene Teil der instruction sollte im Teil der construction aufgehen und einen sich organisch entwickelnden Lernprozess darstellen (vgl. Knoll 2014, S. 667). William H. Kilpatrick ging über beide Modelle weit hinaus und erhob die Projektmethode zu einer generellen Methode, die sich auf alle Lernprozesse anwenden ließ, solange die Schüler eine zielgerichtete Tätigkeit ausführten (vgl. Knoll 2014, S. 667). Kilpatrick selbst schrieb zu seinem Begriffsverständnis von Projekt:

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„It is indeed entirely possible that some other term, as ‚purposeful act‘, for example, would call attention to a more important element in the concept, and, if so, might prove superior as a term to the word ‘project’.” (Kilpatrick 1918, S. 319) Zusätzlich zu dem zentralen Moment der zielgerichteten Tätigkeit in seinem Konzept der Projektmethode betont Kilpatrick die emotionale Verbundenheit zu dieser Tätigkeit und die soziale Einbettung desselbigen, wenn er schreibt: „Suppose a girl has made a dress. If she did in hearty fashion purpose to make the dress, if she planned it, if she made it herself, then I should say the instance is that of a typical project. We have in it a wholehearted purposeful act carried on amid social surroundings.” (Kilpatrick 1918, S. 321) Kilpatrick erhob diese Form der Tätigkeit im Sinne eines Projekts zur typischen Einheit wertvollen Lebens. Auch wenn nicht jede zielgerichtete Tätigkeit als wertvoll erscheinen mag, so bestehen wertvolle Tätigkeiten für ihn immer aus zielgerichteter Aktivität und nicht einem sich ziellos treiben lassen. Einen starken Bezug weist sein Konzept zu den Erfordernissen einer demokratischen Gesellschaft auf, denn ein Mensch, der sein Leben planvoll und zielgerichtet selbst in die Hand nimmt und dabei sozial wertvollen Zielen Rechnung trägt, stellt für ihn das Ideal einer demokratischen Staatsbürgerschaft dar (vgl. Kilpatrick 1918, S. 322-323). Dabei versteht Kilpatrick unter zielgerichteter Tätigkeit nicht ausschließlich eine aktive Betätigung, sondern darüber hinaus auch passiv-rezeptive Formen der Auseinandersetzung mit vorgeschriebenen Inhalten eines Curriculums. In seinem Verständnis kann somit die Rezeption eines Theaterstücks ebenfalls als eine Form der Projektmethode gelten (vgl. Knoll 2014, S. 667). Kilpatricks Konzeption wurde sehr ambivalent rezipiert und reichte dabei von großer Begeisterung bis hin zu scharfer Kritik. Besonders schmerzhaft war für Kilpatrick sicherlich das vernichtende Urteil, das sein Lehrer und Vorbild John Dewey über seine Konzeption

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3. Analyse Zweitkontext

fällte31. Diesem Urteil nahm er sich sehr an und gestand ein, einen Fehler begannen zu haben (vgl. Knoll 2010, S. 45-60). In den späten 1920er Jahren unterließ es Kilpatrick, den Begriff zu benutzen, zumal einige Anwendungen seines Konzeptes an der Praxis gescheitert waren. Eine weitere pädagogische Strömung wurde insbesondere von der Autorität William T. Harris, dem späteren US–Commissioner of Education, getragen. Sie bezog sich vorrangig auf Georg Wilhelm Friedrich Hegels idealistische Strömung, die ein humanistisches Bildungsverständnis vertrat und auch als St. Louis–Movement bezeichnet wird (vgl. Krenzer 1984, S. 125). Die Schule wurde innerhalb dieser Strömung als Agent der „objektiven“ Kultur betrachtet, der die Schüler von ihrem „subjektiven“ Denken und Handeln befreit. Harris und die Hegelianer waren Vertreter der humanistischen Bildung und scharfe Gegner von Rousseau und der „natürlichen“ Erziehung. Zwei Pädagogen aus der „alten Welt“ erfuhren neben Herbart und den Herbartianern eine besonders aufmerksame Rezeption in den USA und fanden damit Eingang in das Erziehungsdenken der USA. Namentlich sind dies Johann H. Pestalozzi und Friedrich Fröbel. Die Anfänge der Rezeption, insbesondere bei Pestalozzi32, lassen sich weit zurückverfolgen (vgl. u.a. Neef 1808, 1813; Barnard 1859). Die pestalozzianische Lehre hat dabei insbesondere in der Oswego-Bewegung ihren Niederschlag gefunden. Diese Bewegung ist eng verknüpft mit dem Namen Edward A. Sheldon. Er selbst schrieb 1864 zur Charakteristik seines Erziehungsdenkens: 31 Seiner Methode wurde im Allgemeinen an vier Stellen entscheidende Nachlässigkeiten vorgeworfen: 1. Seine Konzeption berücksichtigt nur momentane Interessen der Schüler und geht darüber hinaus davon aus, dass einzig und allein intrinsische Motivation zu erwünschten Lernerfolgen führt. 2. Dass seine Methode sehr unspezifisch und vage bleibt, daher inflationär verwendet werden kann und sich keine konkreten Handlungsanweisungen für den alltäglich Unterricht daraus ableiten lassen, obwohl er sie doch als Methode deklarierte. 3. Im Gegensatz zu seiner Intention, hierdurch die Schüler zum Leben und der Teilnahme in bzw. an einer demokratischen Gesellschaft zu befähigen, wurde ihm vorgeworfen, aufgrund der individualistischen Perspektive eher den Egoismus der Schüler zu kultivieren. 4. Seine Konzeption war eher eine philosophische Reflexion der Erziehung als eine bestimmte Methode, was sich schon daran zeigt, dass sie Kilpatrick im Grunde auf jede Tätigkeit des Schülers bezog, wenn sie sozial eingebettet ein „herzhaft absichtsvolles Tun“ darstellte (vgl. Knoll 2014, S. 667). 32 Interessant an der Rezeption, besonders zu Beginn, ist, dass sie auf einen personalen Transferkanal zurückgeführt werden kann. So war zum Beispiel Joseph Neef ein Franzose, der mit Pestalozzi persönlich bekannt war und dessen Lehren in den USA bekannt machte und Wurzeln schlagen ließ, aus denen sich verschiedenste Interpretationen der Lehre Pestalozzis ergaben. Dabei wurde hier ebenso wie im Falle des Herbartianismus versucht, sie für die amerikanischen Verhältnisse fruchtbar zu machen.

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„We assume first that education should embrace the united, harmonious development of the whole being, the moral, the physical, and the intellectual [Hervorhebungen im Original, M.S.]; and that no one of these should be urged forward to the neglect or at the expense or the other. We likewise assume that there is a natural order in evolution of human faculties, and also of appliances for their development, a knowledge of which is essential to the highest success in education; that the perceptive faculties are the first and most strongly developed and upon them are based all future acquirements; that just in proportion as they are quick and accurate in receiving impressions, will all the future processes of education and outgrowing attainments be easy and rapid, and over prove unfailing sources of delight; and hence they should be the first to receive distinctive and special culture.” (Sheldon 1864, S. 93) Es lässt sich in diesen Worten augenscheinlich pestalozzianisches Gedankengut finden. Bei der Verarbeitung und „Brauchbarmachung“ dieses Gedankenguts kam jedoch das amerikanische Moment der pragmatistischen Orientierung auf Nützlichkeit und praktischem Erfolg zum Tragen und jegliche metaphysischen Einschläge der Lehre Pestalozzis in der Form, dass die Bildung der Subjektivität als eine Anschauung einer äußeren Ordnung bestimmt wird, die wiederum eine universalistische Ordnung mit Anspruch auf Absolutheit darstellt, wurden abgelehnt. Damit nahm man dieser Lehre ihr Eigentümliches und aufgrund dessen stellten die übrig gebliebenen Elemente auch kein Novum für das Erziehungsdenken in den USA dar. Die Modifizierung bzw. Reduktion der Lehre Pestalozzis lässt sich also auf die vorherrschende grundlegende Perspektive der empirisch begründeten Wissenschaften sowohl vom Menschen als auch seiner Erziehung zurückführen (vgl. Krenzer 1984, S. 165). Dass insgesamt ein reger Kulturaustausch im Kontext des Erziehungsdenkens zwischen den USA und dem deutschsprachigen europäischen Ausland bestanden hat, ist hinreichend nachgewiesen (vgl. u.a. Füssl 2004; Geitz/Heideking/Herbst 1995; Herbst 1965). So lassen sich insbesondere im Mittleren Westen dezidiert deutsch-amerikanische Schulen (vgl. Goldberg 1995), aber auch in Pennsylvania, getragen von pietistischen Reformern, die entweder selbst deutsche Auswanderer waren oder US-Amerikaner, die an deutschen Universitäten studiert hatten, von

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3. Analyse Zweitkontext

deutschem Erziehungsdenken beeinflusste Bildungsbewegungen ausmachen. Insbesondere die Kindergartenbewegung ist, neben dem Herbartianismus und dem Pestalozzianismus, ein herausragendes Beispiel, das als eines der wenigen Modelle deutscher Herkunft über den Ersten Weltkrieg hinaus bedeutsam blieb (vgl. Füssl 2004, S. 24). Darüber hinaus waren es weitere bedeutende Persönlichkeiten, etwa William James, der vom Denken deutschsprachiger Psychologen, wie Wilhelm Wundt, Ernst Mach und Gustav Theodor Fechner beeinflusst wurde (vgl. James 1890), oder G. Stanley Hall, der bei Wilhelm Wundt in Leipzig studiert hatte. Sie wurden entschieden von deutschsprachiger Psychologie, Philosophie und deutschsprachigen Erziehungsdenken geprägt (vgl. Füssl 2004, S. 23-57).

3.2 Zur Dokumentation des Transfers und der Rezeption Dieser Teil dient der Darstellung und Dokumentation der Transferdimension und ihrer Strukturen und Abläufe. Das heißt, es soll nachvollzogen werden, wie der Transfer angebahnt, initiiert und vollzogen wurde und welche Personen bzw. personalen und universitären Strukturen hierfür bedeutsam waren. Einige Fakten sind schon an anderer Stelle weiter oben benannt worden, die jedoch in diesem Abschnitt in eine systematische Form hinsichtlich des zu beschreibenden Transfers gebracht werden. Im Kontext der Darstellung wird darüber hinaus der Werdegang der beiden Hauptprotagonisten Frank und Charles McMurry eingepflegt und beleuchtet, weshalb dieser nicht noch einmal explizit in einem gesonderten Abschnitt aufgegriffen wird. Der Beginn der US-amerikanischen Herbartrezeption kann auf die Jahre zwischen 1876 und 1878 datiert werden. In diesem Zeitraum war es Hugo Haanel, ein aus Preußen stammender Einwanderer, der Lehrer in St Louis Missouri gewesen war. Er übersetzte und publizierte drei Texte, nämlich das Kapitel Rationale Psychologie (vgl. Haanel 1874, S. 261-267) aus Herbarts Lehrbuch der Psychologie (vgl. Herbart 1816), den Aufsatz Über die Möglichkeit und Notwendigkeit, Mathematik auf Psychologie anzuwenden (vgl. Haanel 1877, S. 251-264) und das Kapitel über Herbart aus Karl Schmidts Die Geschichte der Pädagogik (vgl. Schmidt 1867) ergänzt durch einen Lebenslauf Herbarts (vgl. Haanel 1876, S. 166-194) in der, von

3.2 Zur Dokumentation des Transfers und der Rezeption

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William T. Harris herausgegebenen, renommierten Fachzeitschrift Journal of Speculative Philosophy. Damit schuf er eine rezeptionsgeschichtliche Basis (vgl. Cruikshank/Knoll 1994, S. 154). Der Transfer dezidiert herbartianischer Ideen ist auf das engste mit fünf Namen verknüpft: Edmund J. James, Charles de Garmo und den Brüdern Charles und Frank McMurry sowie J. W. Cook, die alle fünf eine enge Verbindung zur Illinois State Normal University33 aufweisen und von zentraler Bedeutung hinsichtlich der Etablierung der herbartianischen Ideen an der ISNU waren. Der Transfer lässt sich inhaltlich und zeitlich in drei Phasen einteilen und veranschaulichen. Im Kontext der ersten Phase war Edmund J. James die zentrale Figur, ein Ökonom und früher Absolvent des Highschool Programms der ISNU. Er ging 1875 nach Deutschland, um Ökonomie an der Universität in Halle a.d. Saale zu studieren und 1877 zu promovieren. Er heiratete eine Deutsche, was an dieser Stelle die Bedeutsamkeit personaler Beziehung im Prozess eines interkulturellen Transfers herausstreichen soll. Zurück in den USA unterrichtete James zunächst an der Evanston High School und wurde im Jahre 1879 Direktor der High School der ISNU. In diesem Zusammenhang lernte er Charles DeGarmo kennen, ebenfalls ein Absolvent der ISNU und zu diesem Zeitpunkt Assistent im Training Department der ISNU. Die beiden gaben ab 1881 das neugegründete Illinois School Journal heraus (vgl. Dunkel 1969b, S. 203). Als James im März 1883 nach Deutschland zurückkehrte, übergab DeGarmo die Leitung des Illinois School Journal an J. W. Cook und begab sich Mitte Juli eben33 In der Folge abgekürzt mit ISNU. Im Jahre 1855 war im US-amerikanischen Bundesstaat Illinois nach einer dreißigjährigen Kampagne die Direktive des Senats ergangen, ein öffentliches Schulsystem zu etablieren. Im Kontext dieses Ausbaus stieg entsprechend der Bedarf an professioneller Lehrerausbildung, dem durch die Gründung der ISNU im Jahre 1857 in North Bloomington Rechnung getragen werden sollte (vgl. Freed 2009, S. 22). Die Stadt identifizierte sich derart stark mit der ISNU, dass sie sich 1865 in „Normal“ umbenannte (vgl. Harper 1935, S. 29). Dieser Umstand wird an dieser Stelle hervorgehoben, da er, rekurrierend auf ein Verständnis von Bildung und deren Organisation als ein regionales Projekt, getragen von kommunalen Strukturen, eine kulturelle Besonderheit darstellt. Um in die Ausbildung für zukünftige Lehrer eine praktische Komponente zu integrieren, verfügte die ISNU von Beginn an über eine angeschlossene Laborschule (vgl. Freed 2009, S. 35). Fünf Jahre später wurde diese um eine Highschool erweitert, um Studenten in den Klassen 9 bis 12 auszubilden (vgl. Freed 2009, S 89). Im Jahre 1874 wurde darüber hinaus ein Training Department für angehende Lehrkräfte gegründet (vgl. Freed 2009, S. 35). Die erste Fakultätsleitung wurde an der Bridgewater University in Massachusetts ausgebildet. Daher ist es nachvollziehbar, dass man sich anfänglich an deren Strukturen orientiert hat. In Bezug auf das Curriculum orientierte man sich an der Connecticut State Normal School in New Britain unter der Leitung von Henry Barnard, der zusammen mit Horace Mann eine führende Figur auf dem Felde der „public education“ darstellte. (vgl. Freed 2009, S. 44.)

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3. Analyse Zweitkontext

falls nach Deutschland. Währenddessen hatte der schon vor Ort weilende James für seinen Freund die pädagogische Universitätslandschaft recherchiert und seine Empfehlung für DeGarmo fiel auf Jena und das dortige Pädagogische Universitäts-Seminar unter Karl Volkmar Stoy. Es sollte die Wissenschaftlichkeit der dortigen Studien sein, die James überzeugte und die er in dieser Qualität nirgendwo antraf (vgl. Dunkel 1969b, S. 205). Die Aufnahme seiner Studien in Jena stellt den Beginn der zweiten Phase des im vorliegenden Beitrag betrachteten Transfers dar, da an dieser Stelle die Rezeption des Herbartianismus jenaischer Prägung ihren Beginn findet. DeGarmo blieb etwa ein Jahr in Jena, besuchte Stoys Vorträge und die der Philosophen Haeckel, Liebmann und Eucken und veröffentlichte in der Zeit mehrere Artikel im Journal of Education und im Illinois School Journal (vgl. DeGarmo 1884, S. 355-356; 1887, S. 80-82, S. 121-123, S. 166-168, S. 210-213, S. 261-263, S. 312-314, S. 405-407), in denen er über seine Erfahrungen berichtete. In einer Fußnote nannte er seinen amerikanischen Lesern die Adresse in Leipzig, wo Willmanns Ausgabe von Herbarts Pädagogischen Schriften für acht Mark erstanden werden könne. Er merkte an, dass die Bücher auch über amerikanische Händler bestellt werden könnten (vgl. Dunkel 1969b, S. 206). Er schien also recht schnell die Überzeugung entwickelt zu haben, dass Herbarts Schriften einen Mehrwert für den US-amerikanischen Bildungsdiskurs haben könnten. Ende 1884 verließ DeGarmo Jena, um sich an der Universität in Halle a.d. Saale einzuschreiben und 1886 an selbiger mit der Arbeit Beitrag zur Beantwortung der Frage über die Pflicht zur Unterstützung der Grundschulen (vgl. DeGarmo 1886, S. 1-99) promoviert zu werden. Im September 1886 kehrte er in die USA zurück und übernahm den Lehrstuhl für Moderne Sprachen an der ISNU (vgl. Dunkel 1969b, S. 207). DeGarmo tat sich hinsichtlich des Transfers in erster Linie durch seine publizistische Tätigkeit hervor. Er war der Erste, der in den USA eine Monographie zu Herbart und dem Herbartianismus (vgl. DeGarmo 1895) veröffentlichte. DeGarmo verließ 1891 die ISNU und wurde der erste Professor für Pädagogik und Psychologie an der Universität von Illinois in Urbana. Jedoch nahm er schon nach kurzer Zeit das Angebot der Präsidentschaft des Swarthmore College an und verließ Urbana nach nur acht Monaten. Seine Beweggründe hingen wohl eng damit zusammen, dass das Aufgabenprofil seines Lehrstuhls ständig erweitert wurde und für ihn nicht mehr tragbar war (vgl. Cruikshank 1998, S. 101).

3.2 Zur Dokumentation des Transfers und der Rezeption

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Die zentralen Figuren für die dritte Phase, welche durch die Rezeption des Herbartianismus so wie er von Wilhelm Rein gelehrt wurde gekennzeichnet ist, stellen Charles McMurry und sein Bruder Frank McMurry dar. Charles war ein Absolvent der High-School der ISNU, der im Anschluss einen Abschluss in klassischen Studien der University of Michigan erwarb. Er lehrte daraufhin zwei Jahre lang in Illinois Country Schools und ebenso lang in Colorado. Nachdem er 1882 nach Illinois zurückgekehrt war, wurde er von einem Kollegen überzeugt, nach Halle zu gehen, um dort Ökonomie und Theologie zu studieren (vgl. Dunkel 1969b, S. 208). Durch Gespräche mit Charles DeGarmo interessierte er sich darüber hinaus für die pädagogischen Ideen der Herbartianer. Charles McMurry studierte drei Jahre in Halle und schloss seine Studien mit einer Promotion im Jahre 1888 ab (vgl. McMurry, C. 1888). Frank McMurry, der fünf Jahre jüngere Bruder und ebenfalls Absolvent des Highschool Programms der ISNU, entschied sich 1886, nach Europa zu gehen und Pädagogik zu studieren. Das erste Jahr verbrachte er zusammen mit seinem Bruder in Halle, bevor sie 1887 beide nach Jena gingen und das Pädagogische-Universitäts-Seminar unter Rein besuchten. Frank McMurry promovierte zudem bei Rein (vgl. McMurry, F. 1890; Dunkel 1969b, S. 209). Es war die Erfahrung der dortigen Integration von Theorie und Praxis, die die Brüder dazu veranlasste, den Herbartianismus in den 1890er Jahren in den amerikanischen Diskurs einzubringen. Beide kehrten dann in die USA zurück. Charles nahm eine Stelle für zwei Jahre an der Winona Normal School in Minnesota an. Er sollte 1892 seinen Bruder Frank als Principal der Practice School an der ISNU ersetzen, der für einen zweiten Studienaufenthalt nach Europa ging. So sollte Charles von 1892 bis 1899 in Normal sein (vgl. Dunkel 1969b, S. 210). Dieser Zeitraum sollte zur aktivsten Periode der Rezeption des Herbartianismus in den USA werden. Charles folgte schließlich 1899 James W. Cook an die Northern Illinois State Normal School in DeKalb, Illinois. Eine weitere Person, die in dem gesamten Prozess eine bedeutsame Rolle spielt, stellt James W. Cook dar, der in den Jahren von 1890 bis 1899 der Präsident der ISNU gewesen ist.34 Er sah das Potential des Herbartianismus insbesondere für die Lehrerbildung und stellte eine Anzahl von Herbartianern als Mitarbeiter ein. Die 34 Im Jahr 1899 verließ Cook die Illinois State Normal University, um der erste Präsident der Northern Illinois State Normal School in Dekalb, Illinois, zu werden. Er blieb in dieser Position bis zum Herbst 1919, ging in den Ruhestand und starb 1922.

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3. Analyse Zweitkontext

Bedeutung dokumentiert sich des Weiteren in der Korrespondenz mit Professor Rein in Jena, in dessen Zuge er Collegekataloge und andere Materialien von Normal an Rein sandte (vgl. Dunkel 1969b, S. 219). Er ermutigte auch einige der talentierten Absolventen der ISNU, ihre Ausbildung in Europa fortzusetzen und unterstütze sie hierfür auch in finanzieller Hinsicht. Harper berichtete, dass zwischen 1887 und 1900 21 Studenten oder Dozenten der ISNU an deutschen Universitäten im pädagogischen Bereich arbeiteten und forschten (vgl. Harper 1935, S. 219). Die erste Phase bzw. die Anbahnung des Transfers dokumentiert sich also in der Person Edmund James. Dieser stellte die Verbindung nach Deutschland her, schlug damit eine metaphorische Brücke und identifizierte gleichzeitig Jena als bedeutsamen Ort für pädagogische Studien. Die zweite Phase wurde von Charles DeGarmo getragen, der als erster nach Jena ging, um am Pädagogischen-Universitäts-Seminar unter Stoy teilzunehmen. Damit stellte er die Verbindung nach Jena her. Auf dieser Basis kam es zur Rezeption des Herbartianismus rein’scher Prägung durch die McMurry Brüder. Die dritte Phase repräsentieren die McMurry Brüder, die unter Wilhelm Rein am Pädagogischen-Universitäts-Seminar ihre pädagogischen Studien betrieben und für die Rezeption des Herbartianismus rein’scher Prägung in den USA, neben Charles DeGarmo, am wirkmächtigsten waren (vgl. Hauer 2018, S. 171-172). Im Folgenden soll die publizistische Tätigkeit der Protagonisten in den Blick genommen werden, die den Herbartianismus in einen nationalen Bildungsdiskurs eingebracht und sichtbar gemacht haben. Die ersten Arbeiten, die hier größere Beachtung fanden, waren die Publikationen Charles DeGarmos: The Essential of Method (vgl. DeGarmo 1892), seine Übersetzung des Lehrbuchs Empirische Psychologie von Gustav Lindner35 und eine Artikelserie mit dem Titel The Herbartian System of Pedagogics (vgl. DeGarmo 1891, S. 33-45, S. 244-252, S. 453-462). Besonders die Artikelserie erhielt große Resonanz, da sie in den Zeitraum von DeGarmos Stellung als erster Professor für Pädagogik und Psychologie an der Universität von Illinois fiel. Die Werke, die besonders hervorgehoben werden sollen, sind das, von Charles McMurry verfasste, The Elements of General Methods Based on the 35 Lindner gilt als einer der bedeutendsten Pädagogen der böhmisch-österreichischen Bildungsgeschichte. Mit seinem praktischen und theoretischen Wirken hat er einen wesentlichen Beitrag zur Ausbreitung und Fortbildung des pädagogischen Gedankenguts Herbarts in Österreich geleistet. Übersetzt wurde es von DeGarmo und erschien 1890 (vgl. Lindner 1890).

3.2 Zur Dokumentation des Transfers und der Rezeption

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Principles of Herbart (vgl. McMurry, C. 1892) von 1892, das mit beeindruckenden Zahlen aufwarten kann. So wurde es laut Verlagsberichten in den folgenden 30 Jahren mindestens 117.000 Mal verkauft, was für die damaligen Verhältnisse eine hohe Reichweite signalisiert (vgl. Cruikshank 1998, S.102). Des Weiteren sind A Course of Study for the Eight Grades of the Common-Schools (vgl. McMurry, C. 1895b) von 1895, das nicht ohne Grund schon dem Titel nach an die Acht Schuljahre der Theorie und Praxis des Volksschulunterrichts nach Herbartischen Grundsätzen von Wilhelm Rein erinnert sowie das von den McMurry Brüdern gemeinsam verfasste Method of the Recitation (vgl. McMurry, C. /McMurry, F. 1897) von 1897 zu nennen, das im Hinblick auf die Präsentation der Unterrichtsstoffe auf einer begrifflichen Ebene an das Gedankengut Reins anknüpft. Darüber hinaus veröffentlichte Charles McMurry im Verlaufe der Jahre eine Vielzahl an Publikationen zu Fragen der besonderen Methoden in den verschiedenen Schulfächern. Im Hinblick auf Verbreitung und Etablierung herbartianischen Gedankenguts ist die von Charles McMurry initiierte Gründung eines Herbart-Klubs, der sich am ziller’schen Verein für wissenschaftliche Pädagogik orientierte, von Bedeutung. Die Umsetzung dieser Idee erfolgte 1892 auf der Versammlung des Nationalen Erziehungsverbands mit Charles McMurry als Sekretär und DeGarmo als Präsident. Dieser Klub erwarb sich über Tagungen, Herausgeberschaften und Übersetzungen ein solches Renommee, dass er 1895 in die National Herbart Society for the Scientific Study of Teaching umbenannt wurde. Auch John Dewey zählt zu den Vorsitzenden dieser Gesellschaft. Innerhalb des Diskurses in Herbart Society galten Herbart und seine Ideen immer nur als Ausgangspunkt und nie als Endpunkt dergroßen Debatten und Diskussionen, die im Rahmen der von der National Educational Association veranstalteten Jahresversammlung stattfanden und bei denen bei aller Herbart Befürwortung das kritische Moment niemals zu kurz kam (vgl. Lorenz 2006, S. 19-38). Jedoch muss angemerkt werden, dass schon im Jahre 1901 das Wort ‚Herbart‘ aus dem Titel verschwand. Dies stellt auch den Zeitpunkt dar, an dem der Herbartianismus, zumindest auf nationaler Ebene, zusehends an Bedeutung verlor (vgl. Cruikshank/Knoll 1994, S. 163).

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3. Analyse Zweitkontext

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys Im folgenden Teil der Arbeit wird nun, anhand der auf Basis eines hermeneutischen Zugangs gewonnenen Topoi als zentrale Theorieelemente, eine Analyse des pädagogischen Denkens Charles und Frank McMurrys vorgenommen, um eine Grundlage für den darauffolgenden Vergleich hinsichtlich dieser Topoi zu legen. Es muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass innerhalb der Analyse und der darin verwendeten Art und Weise der Zitate, um die zeitliche Dimension und die diachrone Perspektive der Analyse zu markieren, bei verschiedenen Auflagen desselben Werkes die entsprechende Jahreszahl der Auflage angegeben wird. Wie bereits erwähnt steht in der Hauptsache das Denken Charles McMurrys im Mittelpunkt und Frank McMurry erfährt nur im Kontext der Analyse der Formalstufentheorie eingehendere Aufmerksamkeit. 3.3.1 The Chief Aim of Education In diesem Abschnitt sollen die Vorstellungen und Überlegungen Charles McMurrys hinsichtlich der Formulierung eines höchsten Erziehungsziels untersucht werden, wie er sie in seinem 1892, also vier Jahre nach seiner Rückkehr aus Deutschland, erschienenen Werk The Elements of General Method based on the Principles of Herbart (vgl. McMurry, C. 1892)36 ausgearbeitet und in den amerikanischen Bildungsdiskurs eingebracht hat. Darüber hinaus findet die zehnte Auflage dieses Werks, die 1903 erschien, Berücksichtigung (vgl. McMurry, C. 1903a). Die Auswahl dieser beiden Auflagen liegt darin begründet, dass es zwischen der ersten und der achten Auflage sowie nach der zehnten Auflage zu keiner Modifizierung des Kapitels zum Erziehungsziel gekommen ist. Ein weiteres Werk, das Eingang in diese Untersuchung findet, ist das 1914 erschiene Conflicting Principles in Teaching and how to adjust them (vgl. McMurry, C. 1914), da hier eine Akzentverschiebung hin zu einer soziologisch orientierten Bestimmung des Erziehungsziels erfolgt. Verschiedene Auflagen heranzuziehen folgt der Logik einer Transformationsperspektive, um etwaige Veränderungen innerhalb des Standpunktes von McMurry aufzudecken und auf mögliche Gründe hin zu reflektieren. Seine Überlegungen nehmen ihren Ausgangspunkt bei der Frage nach dem Zweck der Erziehung, wobei er gleichzeitig die Richtung und das Ziel seiner Argumentation bestimmt: 36 In der Folge wird dieses Werk nur noch mit den General Methods benannt werden.

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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„What is the central purpose of education? […] We are in search not so much of a comprehensive definition as of a central truth, a key to the situation, an aim that will simplify and brighten all the work of teachers.” (McMurry, C. 1892, S. 5) Es geht ihm also um die Bestimmung eines Zwecks, der als Zielsetzung fungiert und damit gleichzeitig die Funktion als ein alles durchdringendes und organisierendes Prinzip erfüllen soll. Dieses Ziel soll Erziehung im Allgemeinen als auch im Besonderen in der Schule strukturieren und für pädagogisches Handeln handlungsleitend sein (vgl. McMurry, C. 1892, S. 5). McMurry bemüht für den weiteren Gang seiner Argumentation verschiedene Positionen und Formulierungen auf die Frage hin, was denn der Zweck von Erziehung sei, um diese dann zu widerlegen. Zunächst nimmt er Bezug auf ein alltägliches Verständnis, repräsentiert durch die Wunschvorstellungen von Eltern, was Erziehung ihren Kindern ermöglichen soll: „A farmer wishes his boy to read, write, and cipher, so as to meet successfully the needs of a famer´s life.” (McMurry, C. 1892, S. 6) Dieses Verständnis bezeichnet er als ein utilitaristisches, das den Erfolg im Leben fokussiert und die Aufgabe der Erziehung dahingehend bestimmt. Diese, für McMurry durchaus verständliche Position, ist allerdings als Zielsetzung zu banal, willkürlich und besonders hinsichtlich eines ethischen Anspruches nicht zielführend und damit gleichsam eines allumfassenden Erziehungsziels nicht würdig (vgl. McMurry, C. 1892, S. 6). In einem nächsten Schritt führt McMurry die erzieherischen Positionen der Jesuiten, Humanisten und Naturwissenschaften an und wirft ihnen vor, zu einseitige und unvollkommene Vorstellungen von Erziehung zu formulieren: „The Training of the Jesuits was linguistic and rhetorical, and almost entirely apart from our present notion of human development. The Humanists or Classicists, […], belonged to the past with its glories rather than to the age in which they really lived. Though standing in a modern age, they were almost blind to the great problems and opportunities it offered. […] The modern

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3. Analyse Zweitkontext

school of Natural Scientists is just as one-sided as the Humanists in supposing that human nature is narrow enough to be compressed within the bounds of natural science studies, however broad their field may be.” (McMurry, C. 1892, S. 6-7) Die Auswahl der Positionen lässt sich wohl darauf zurückführen, als sie McMurry erlaubt, die Humanisten und Jesuiten und ihre Präferierung der formalen Seite der Ausbildung als einseitig zu kritisieren und sie als überkommen und nicht mehr zeitgemäß darzustellen sowie sich, im Falle der naturwissenschaftlichen Perspektive, auf ein einflussreiches Paradigma im damaligen US-amerikanischen Erziehungsdenken zu beziehen (vgl. Krenzer 1984, S. 93-109). In einem dritten Schritt beschaut sich McMurry die großen Reformer der Erziehung. Lobende und anerkennende Worte findet er insbesondere für Comenius. Auch Lockes Vorstellung des „Gentlemens“ sind für ihn zwar ein nobles Ideal, das Lehrkräfte beeindrucken darf, jedoch als allgemeines Ziel der Erziehung ist es für McMurry unbrauchbar, da es zu aristokratisch ist und er seine und die zeitgenössischen US-amerikanischen Vorstellungen von Erziehung als dezidiert demokratische bestimmt. Ebenfalls Rousseau und Pestalozzi finden Anerkennung, da sie hochgesteckte Ziele formulieren. Insbesondere Pestalozzi gelang dies in McMurrys Augen besonders feinsinnig: „Pestalozzi touched the hearts of even the weakest and morally frailest children, and tried to make improved physical conditions and intellectual culture, or rather to combine the two in strong moral character. He came close upon the highest aim of education and was able to illustrate his doctrine in practice.” (McMurry, C. 1892, S. 8) Es ist offensichtlich, worauf sich seine Wertschätzung des pädagogischen Denkens Pestalozzis richtet. Es ist die Zielsetzung der Entwicklung eines starken, an Moralität orientierten Charakters. Aber auch bei Pestalozzi erkennt McMurry nicht das höchste aller Ziele der Erziehung. Es bleibt anzumerken, dass McMurry im Falle von Locke und Rousseau deren Vorstellungen verwirft, da er sie schlichtweg als die falschen oder nicht angemessenen Erziehungsideale betrachtet. Bei Comenius und Pestalozzi scheinen es weniger die gesetzten bzw. erkennbaren Ziele zu sein,

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als vielmehr das Fehlen der expliziten Setzung der Moralität als zentralem und höchstem Bezugspunkt, der als strukturierendes und organisierendes Prinzip fungiert. Der in der Folge angeführten konkreten Definition des Begriffs der Erziehung, wie sie sich zum Beispiel bei Platon, John Stuart Mill oder Herbert Spencer finden lässt, wirft Charles McMurry eine rein formale Bestimmung des Begriffs vor. Hierzu schreibt er: „These attempts to bring the task of education into a comprehensive, scientific formula are interesting and yet disappointing. They agree in giving great breadth to education. But in the attempt to be comprehensive, to omit nothing, they fail to specify that wherein the true worth [Hervorhebung im Original, M.S.] of man consist, they fail to bring out into relief the highest aim as an organizing idea in the complicated work of education and its relation to secondary aims.” (McMurry, C. 1892, S. 9) Es fehlt die inhaltliche Bestimmung, da nur diese den einheitlichen Zweck, das einheitliche und konsistente Durchdenken des Geschäfts der Erziehung ermöglicht. Was also ist dieses höchste Ziel? Interessanterweise greift McMurry für die Beantwortung jener Frage nicht auf eine allgemeine ethische Reflexion zurück, sondern wählt die öffentliche Schule und ihre Ziele in Bezug auf die Ausbildung der Schüler und Schülerinnen als Reflexionshorizont. Er konstatiert, dass die Schule in erster Linie die Ausbildung hinsichtlich Wissensinhalten und intellektuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Blick hat, was für ihn durchaus Berechtigung hat. Jedoch ist dies nicht das höchste Ziel von Erziehung und kann es daher auch nicht für die Schule sein. Hinter diesem Argumentationsgang versteckt sich die Intention, einen dezidiert schulpädagogischen Beitrag zu leisten. Das zeigt sich auch darin, dass er sich an Lehrkräfte und an deren impliziten Vorstellungen eines höchsten Erziehungsziels wendet. McMurry schreibt: „All good schoolmasters know that behind school studies and cares is the still greater task of developing manly and womanly character. […] Admitting that strong moral character is the noblest result of right training, is it not still incidental to the regular school work? Perhaps it lies in the teacher and his

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3. Analyse Zweitkontext

manner of teaching, and not in the subject-matter itself nor in any course of study.” (McMurry, C. 1892, S. 10) Mit einer solchen verkürzten Vorstellung der strukturellen Verortung der moralischen Charakterbildung für die Schule, bei der die gesamte Aufgabe derselbigen in die Hände der Lehrer gelegt wird, die dies durch ihre Art zu unterrichten leisten sollen, will McMurry aufräumen: „This is exactly the point at which we wish to apply the lever and lift into prominence the moral character-building aim [Hervorhebung im Original, M.S.] as the central one in education. This aim should be like a loadstone, attracting and subordinating all other purposes to itself. It should dominate in the choice, arrangement, and method of studies.” (McMurry, C. 1892, S. 10) Auffällig ist an dieser Stelle wiederum, dass McMurry im Kontext der Einführung des höchsten Erziehungsziels, dieses zwar als allgemeines Ziel formuliert, jedoch im gleichen Atemzug seinen Mehrwert für den schulpädagogischen Kontext herausstreicht. Es scheint offensichtlich zu sein, dass es vor allem das Anliegen McMurrys ist, im schulpädagogischen Diskurs die Idee der moralischen Charakterbildung einzubringen und ihr strukturierendes und handlungsleitendes Potential zu nutzen. Dies wird an anderer Stelle ebenfalls deutlich, wenn er schreibt: „It [moral character-building aim, M.S.] will be a great stimulus to thousands of teachers to discover that this is the real purpose of school work, and that there are abundant means not yet used of realizing it. […] It will put a substantial foundation under educational labors, both theoretical and practical, which will make them the noblest of enterprises.” (McMurry, C. 1892, S. 12) Es bleibt jedoch anzumerken, dass McMurry ebenfalls die Bedeutsamkeit der moralischen Charakterbildung für den gesamtgesellschaftlichen Kontext betont. Er konstatiert, dass die Vereinigten Staaten zwar unglaubliches Potential besitzen, insbesondere hinsichtlich ihrer unermesslichen natürlichen Ressourcen, die selbstredend erst durch angemessene schulisch und beruflich ausgebildete Bürger und Bürgerinnen entsprechend genutzt werden können. Schlussendlich

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kommt es jedoch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die moralische Qualität echter Patrioten an. Aus diesem Grund stellt Erziehung und ihr derart bestimmtes Ziel die bedeutsamste Angelegenheit der Gesellschaft dar (vgl. McMurry, C. 1892, S. 10). Sein Hauptaugenmerk liegt allerdings in der Nutzung des Potentials dieses höchsten Erziehungsziels für den schulischen Kontext. Es gilt also, das in der Schule nur implizit und beiläufig verfolgte Ziel der moralischen Charakterbildung zum Mittelpunkt aller didaktisch-methodischen Überlegungen im schulischen Kontext zu machen. Die bisherigen Ausführungen bezogen sich nur auf die erste Auflage. In der Folge soll die veränderte Auflage von 1903 konzise in Bezug zur ersten gesetzt werden. Wie bereits weiter oben erwähnt, ist die zehnte Auflage die erste, in der hinsichtlich dieses Kapitels etwas verändert wurde. Hierfür kann es mehrere Gründe geben, doch zunächst zu den vorzufindenden Veränderungen. Auf formaler Ebene lässt sich feststellen, dass die vorgenommenen Veränderungen bzw. Erweiterungen, die McMurry in der zehnten Auflage vornimmt, einen zusammenhängenden Textabschnitt betreffen. Das heißt, dass das Kapitel weder komplett neu geschrieben, noch strukturell an verschiedenen Stellen umgearbeitet wurde. Diese Erweiterung verlängert das Kapitel um fast das Doppelte. Dies lässt darauf schließen, dass ihm die Ausführungen an dieser Stelle von großer Bedeutung erschienen. Inhaltlich beziehen sich diese hauptsächlich auf im Diskurs hervorgebrachte Argumente gegen Moralität als höchstes Erziehungsziel, das als höchster Zweck der Erziehung fungiert. Hierzu lässt sich bei ihm nachlesen: „Some have the feeling that morality is not broad enough concept to cover the whole scheme of education. To bring all the aims into subordination to this one aim would limit its freedom and scope. We may state briefly, therefore, some of the reasons why the moral aim should be put forward as the controlling one in education.” (McMurry, C. 1903a, S. 8) In der Folge führt er sechs Gründe an, weshalb Moralität als oberstes Prinzip und höchstem Zweck fungieren kann und soll. Die Gründe fasst er am Ende des Textabschnittes wie folgt zusammen:

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3. Analyse Zweitkontext

„To summarize: 1. The attainment of moral excellence in conduct is the perfection of the individual. 2. Ability to fulfill the moral law in the social relations is the chief demand that society makes upon the individual. 3. Moral enlightenment and growth toward moral conduct are subject to the same laws as other forms of mental culture. 4. Several of the most important studies furnish peculiarly strong and appropriate material for moral instruction. 5. The school not narrowed to ethical theory. As a social organization, through its activities and discipline, it furnishes also the transition from theory to practice or conduct. 6. A fairly complete and practical scheme of moral education on the basis of ethics and pedagogy is within the reach of teachers.” (McMurry, C. 1903a, S. 12-13) Diese Ausführungen sind in doppelter Hinsicht interessant. Denn zum einen erlauben sie einen tieferen Einblick in das Verständnis McMurrys und zum anderen lässt sich aus ihnen indirekt die zeitgenössische Kritik an der Idee ablesen. Die Gründe, die McMurry anführt, basieren dabei auf einer Logik, die darin besteht, dass das Ziel der Perfektion des Einzelnen sich darin verwirklicht, dass er sein Handeln stetig an moralischen Prinzipien ausrichtet. Er beruft sich dabei auf die kantische Denkfigur, dass in der Welt nichts als uneingeschränkt gut zu denken ist, außer einem guten Willen. Wobei der Wille Gegenstand der Moralität bzw. der moralischen Prinzipien ist. Es ist somit erforderlich, die Erziehung des Menschen auf Moralität als oberstes Ziel auszurichten, wenn man die Perfektion des Einzelnen anstrebt (vgl. McMurry, C. 1903a, S. 9). Darauf aufbauend begründet er die Gültigkeit der Zielstellung für den schulischen Kontext damit, dass es die Gesellschaft ist, die eben diesen Anspruch der Perfektion des Einzelnen erhebt und damit die Schule als gesellschaftliche Institution und Erfüllungsgehilfe dieses Anspruches einen Beitrag hierfür zu leisten hat und in ihrem Wirken darauf auszurichten ist. Denn Moral bzw. ein guter Wille muss entwickelt werden und folgt denselben Gesetzen wie die intellektuelle Ausbildung. Da die Schule sich Studien widmet, denen ein großes Potential hinsichtlich moralischer Erziehung innewohnt, gilt es diese auch zu nutzen. Darüber hinaus kann eine elaborierte Konzeption moralischer Erziehung funktionales und adäquates Orientierungswissen für Lehrkräfte generieren. Diese Denkungsart einer systematischen Entfaltung des Geschäfts der Erziehung wurde im Diskurs

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offensichtlich dahingehend kritisiert, dass entweder diesem Prinzip nicht das Potential innewohnt, alle erzieherischen Zwecke zu subordinieren bzw. es im Falle eines solchen Versuchs zu einer Dekapitation der anderen Zwecke kommt, denen dann keine angemessene Aufmerksamkeit zukommen würde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass McMurrys Argumentation hinsichtlich der Setzung der Moralität als oberstem Erziehungsziel kaum auf ethischen Reflexionen beruht, wodurch er einer näheren inhaltlichen Bestimmung dieses Ziels weitestgehend schuldig bleibt, wohingegen er die Operationalisierung der Idee im schulpädagogischen Kontext und deren Mehrwert prominent herausstellt. Eine zu verzeichnende Akzentverschiebung, die dem Modus der diskurs-orientierten Transformation zuzurechnen ist, erfolgt in Conflicting Principles in Teaching and how to adjust them von 1914. Bei Charles McMurry heißt es hierzu: “Social adjustment has been set up as the chief aim of the school. The older definition of education emphasized, rather, the complete, all-round moral development of the individual. Each of these points of view, when emphasized, tends toward one-sidedness and antagonism against the other.” (McMurry, C. 1914, S. 37) McMurry verschließt sich also einerseits nicht der neuen Interpretation des Erziehungsziels als der Entwicklung eines social spirit, will jedoch gleichzeitig nicht vom auf das Individuum fokussierenden, moralisch verfassten Erziehungsziel abrücken und sieht hier eine Antinomie, die es zu beachten gilt.37 Das Problem jedoch ist, dass McMurry an dieser Stelle vage bleibt und diese Thematik sehr unterkomplex behandelt. Folgendes Zitat veranschaulicht dies: “The educator should find a way to combine the varieties of individual spirit with social spirit and progress. After all, individual traits furnish the source 37 Diese Auffassung ist allerdings nicht zu verwechseln mit der eines John Deweys, der im Zusammenhang mit der Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft, die an dieser Stelle von McMurry thematisiert wird, den Dualismus von Individuum und Gesellschaft für generell fragwürdig, verstanden als eine Trennung zwischen Individuum auf der einen und Gesellschaft auf der anderen Seite, ansieht. Für Dewey ist Gesellschaft kein »Ding« gegenüber dem Individuum, sondern komplexe Wechselwirkung zwischen Individuen und Gruppen. (vgl. Oelkers 2009, S. 85)

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3. Analyse Zweitkontext

from which all social organization develops. In the evolution of society individual peculiarity and freedom are quite as important as the social type. Personal initiative, freedom of judgment, and independence of action are the essential bases for a large part of the progress of society.” (McMurry, C. 1914, S. 38) Hier wird deutlich, dass McMurry zum einen keine konkrete Lösung des Problems anbieten kann, sondern nur die Antinomie der Gleichzeitigkeit von der Entfaltung des Individuums und seinem Recht darauf und den begrenzenden Ansprüchen der Gesellschaft hervorhebt. Jedoch wird implizit an einer auf das Individuum fokussierenden Zielsetzung festgehalten, da es letztendlich das Individuum ist, das sozialen Fortschritt bewirken kann. Dass er im Grunde an seiner ursprünglichen Position festhält, wird deutlich, wenn er schreibt: „The unmistakable aim of all this [educational, M.S.] labor with rich culture material is to get into close contact with a child’s heart, with his aesthetic, emotional, and moral nature.” (McMurry, C. 1914, S. 137) Dass die soziale Dimension und deren explizite Beachtung sowohl in der pädagogischen Theorie als auch Praxis ihre Bedeutsamkeit besitzt, wird mit der Referenz auf den wissenschaftlichen Begründungszusammenhang herausgestellt und die Rolle der Schule als sozialem Agenten betont: “So far as a science of school and class management is concerned, teachers have been left to work out this problem pretty much for themselves. It is a difficult social art, that should be based upon social science. But social science is not yet very clearly and definitely developed. A practical sociology would be more helpful to a teacher than psychology, because it would explain social spirit in its origin and growth, while psychology deals mainly with individual spirit. Sociology itself is a rapidly developing science, and more recently the aim of education and the function of the school have been set forth as fundamentally and chiefly social, i.e., in terms of social science.” (McMurry, C. 1914, S. 199)

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War es zu Beginn seines pädagogischen Denkens insbesondere die Psychologie, die die Wissenschaftlichkeit sichern sollte, tritt also an späterer Stelle die Soziologie hinzu. Diese Entwicklung der Etablierung der Soziologie als Bezugsdisziplin wurde insbesondere durch das Werk von Edward A. Ross (vgl. Ross 1901) initiiert und im Anschluss durch US-amerikanische educational sociologists wie David Snedden, Ross Finney, Charles Ellwood und auch John Dewey (vgl. Dewey 1897, S. 7-33) aufgenommen und in den Bildungsdiskurs eingebracht (vgl. Kliebard 2004, S. 76-80). In dieser Erweiterung bei gleichzeitiger impliziter Beibehaltung der ursprünglichen Position dokumentiert sich der Modus der diskurs-orientierten Transformation, die zumindest eine Akzentverschiebung erkennen lässt. 3.3.2 Nature of Interest Im Folgenden sollen die Gedanken Charles McMurrys in Bezug auf den Begriff des Interesses dargestellt werden. Hierzu wird sich auf seine Ausführungen in seinem Werk „The Elements of General Method“ konzentriert und dessen erste sowie zehnte Auflage herangezogen, um durch die Kontrastierung die Modifikationen, die sich im Laufe der Zeit in seinen Ausführungen und Gedanke nachweisen lassen, aufzudecken. Dies wiederum folgt der Logik einer Transformationsperspektive. Schon bei oberflächlicher Betrachtung der beiden Auflagen lässt sich feststellen, dass McMurry innerhalb der Betrachtung dieses Begriffs Veränderungen bzw. Erweiterungen vornimmt. Während der Umfang des Kapitels zum Begriff des Interesses in der ersten Auflage 24 Seiten umfasst, wächst dieser in der zehnten Auflage sprunghaft auf 78 Seiten an. In den sieben Auflagen, welche der ersten folgen, bleibt der Umfang dieses Kapitels gleich. Die Seitenanzahl als Vergleichsreferenz heranzuziehen, lässt sich damit rechtfertigen, dass das Format und damit die Seiten- und Zeichengröße in den verschiedenen aufeinanderfolgenden Auflagen unverändert bleibt. Der Modus der Darstellung ist derart gestaltet, dass die grundlegenden Ausführungen sich auf die erste Auflage beziehen und die Modifikationen der zehnten Auflage anschließend kontrastierend ausgeführt werden, um Veränderungen in ihrer zeitlichen und inhaltlichen Dimension konzentriert deutlich zu machen. Das heißt, dass im Folgenden nur auf die zehnte Auflage Bezug genommen wird, wenn sich Unterschiede zeigen. Grundlegend ist vorab festzuhalten, dass McMurry an dieser Stelle die Darstellung des Begriffs des Interesses, oder wie er es überschreibt, der Natur des In-

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3. Analyse Zweitkontext

teresses isoliert auf die Kernelemente der begrifflichen Bestimmung beschränkt und nur ansatzweise andeutet, dass die Elemente der Bestimmung wiederum in eine umfassendere Systematik, namentlich die des erziehenden Unterrichts, implementiert sind. Diese Vorgehensweise, dass Theorieelemente getrennt eingeführt werden und die übergeordnete Systematik nur stellenweise angedeutet wird, ist kennzeichnend für das gesamte Werk. Für das theoretische Element des Interesses in Bezug auf seine psychologische Dimension und Relationierung zu anderen Begriffen wie Gefühl, Wissen und Wille greift McMurry dezidiert auf die Theorie des Interesses nach Herbart zurück. McMurry bestimmt zu Beginn den Begriff des Interesses wie folgt: „By interest we mean the natural bent or inclination of the mind to find satisfaction in a subject when it is properly presented. It is the natural attractiveness of the subject that draws and holds the attention. Interest belongs to the feelings but differs from the other feelings, such as desire or longing for an object, since it is satisfied with the simple contemplation without asking for possession. […] A proper interest in a subject leads to a quite, steady absorption of the mind with it, but does not imply an impetuous, passionate, and one-sided devotion to one thing.” (McMurry, C. 1892, S. 49) Interesse stellt für McMurry demnach eine natürliche, stetige Verbindung des Geistes mit einem bestimmten Thema bzw. einem bestimmten Gegenstand, womit der Geist mit einer gewissen Befriedigung erfüllt ist, dar. Ein weiteres Momentum, das deutlich wird, ist die Zuschreibung, dass das Interesse zwar ein Gefühl darstellt, jedoch sich von anderen Arten von Gefühlen, wie dem der Begierde oder des Verlangens, unterscheidet. Hierbei ist bedeutsam, dass McMurry im Kontext der Unterscheidung zwischen verschiedenen Gefühlen im Falle des Interesses und seines Bezugspunktes von einem subject spricht, während er in Bezug auf die anderen genannten Gefühle den Begriff object gebraucht. Hierin drückt sich das unterschiedliche Verhältnis des Geistes zum Gegenstand aus. Das Verhältnis von Geist zum object basiert auf einem Verlangen und gipfelt in der Inbesitznahme; das Verhältnis, das als Interesse bezeichnet wird, zu einem Gegenstand ist dadurch geprägt, dass es zu einer Relationierung des Geistes auf den Gegenstand in Form eines ruhigen und stetigen in Bezug setzens zum Gegenstand führt. Interesse wird

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hier als ein ganz bestimmter Modus der Zuwendung zum Gegenstand verstanden, der weder als einseitig noch als unbeweglich statisch auf einen bestimmten Gegenstand schaut, sondern gleichzeitig dessen Eingebundenheit in ein größeres Ganzes mitdenkt und dadurch als einen Modus der Vielseitigkeit darstellt. Die Hervorbringung eines solchen Interesses sollte der Anspruch aller Studien und Unterrichtseinheiten sein (vgl. McMurry, C. 1892, S. 49). Welches Potential der Verwirklichung dieses Anspruches innewohnt, wird deutlich, wenn McMurry schreibt: „Knowledge would then consist not merely in a mastery of certain facts and formula coldly turned over to the memory machine. At every step the life experience and sympathy of a child would be interwoven with the facts acquired, and eventually there would be no distinction between home knowledge and school knowledge. All would be woven together and permeated by feeling.” (McMurry, C. 1892, S. 49) Mit modernen Begrifflichkeiten gesprochen deutet sich hier der Anspruch einer Harmonisierung von formalen und non-formalen Bildungsorten an. Diese Harmonisierung strebt die Verbindung zweier Bildungsorte in einem Lernprozess an: Zum einen das alltägliche Erleben der Kinder im häuslichen Umfeld und zum anderen der formalisierte Bildungsort Schule. Dieser Lernprozess wird seinerseits als normativer Anspruch formuliert, der durch eine Konzentration auf die Generierung eines derartigen Interesses eingelöst werden kann. Die höchste Form eines solchen Interesses äußert sich für McMurry in Anlehnung an Ziller in einer nachhaltigen willentlichen Anstrengung im Angesicht von Problemlösung, die die Anstrengung nicht als Bürde betrachtet, sondern als eine Herausforderung, deren Überwindung sowohl im Prozess als auch im Ergebnis Befriedigung verschafft (McMurry, C. 1892, S. 50). Allerdings sollte die Konzeptualisierung der Anbahnung einer solchen willentlichen Bereitschaft ein Interesse nicht präsupponieren, sondern als Bedingung der Möglichkeit handlungsorientierter willentlicher Umsetzung sich an dessen Generierung orientieren. Bei McMurry heißt es hierzu: „Knowledge, feelings and will-incentives of every sort must be first planted in the mind, before a proper will-energy can be expected. In teaching we

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3. Analyse Zweitkontext

should aim to develop will power, not to take it for granted as a ready product.” (McMurry, C. 1892, S. 51) Dabei greift für Charles McMurry die Auffassung zu kurz, es käme hierbei allein auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lehrkraft an, von der erwartet wird, dass sie weiß, wie etwas interessant und unabhängig von Art und Inhalt des Gegenstandes aufbereitet werden muss, um Interesse hervorzubringen. Diese Auffassung verschiebt die Verantwortlichkeit allein in die Performanz der Lehrkraft und behauptet, dass grundsätzlich jeglicher Gegenstand für die Zöglinge interessant sein kann. Für Charles McMurry allerdings muss dem Gegenstand selbst das Potential einer dem Zögling innewohnendes Interesse hervorrufen. Diese entgegengesetzte Vorstellung entlastet zugleich die Lehrkraft, indem sie den Blick auf die didaktischen Auswahlkriterien richtet und den Erfolg hinsichtlich der Hervorbringung des Interesses nicht allein von der methodischen Kompetenz der Lehrkraft abhängig macht (vgl. McMurry, C. 1892, S. 52). Eine bedeutsame Unterscheidung in der Ausbuchstabierung einer systematischen Konzeption des Interesses liegt darin, zwischen einem direkten und einem indirekten Interesse zu differenzieren. Direktes Interesse bezieht sich auf den Gegenstand selbst, das heißt als ein Interesse an ihm um seiner selbst willen. Indirektes Interesse ist durch ein Interesse am Gegenstand als Mittel zum Zweck bestimmt. In Bezug auf Erziehung können die Folgen der Missachtung dieser Unterscheidung verheerend sein. Denn indirektes Interesse zu kultivieren, wäre für die moralische Entwicklung der Zöglinge kontraproduktiv, da sich aus der Kultivierung eines indirekten Interesses an den Dingen und schlimmstenfalls an den Mitmenschen Charaktereigenschaften wie Egoismus und Eitelkeit entwickeln, die für das soziale Leben höchst problematische Folgen haben können und dem Erziehungsziel der Moralität zuwider laufen. In Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts ist es für McMurry mit Bezug auf seine Ausführungen zur Wertigkeit der verschiedenen Studien evident, dass Geschichte und Naturwissenschaften den größten Fundus an zielführenden Wissensbeständen beinhalten, wenn es darum geht, direktes Interesse hervorzubringen. In Bezug auf die Systematik hinsichtlich der unterschiedlichen Quellen des Interesses verweist McMurry auf die Systematik der materialen Bestimmung des Interesses innerhalb der Konzeption des Vielseitigen Interesses in

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der Theorie des Erziehenden Unterrichts nach Herbart. Das heißt, er unterscheidet ebenfalls den Bereich der Erfahrung und den Bereich der Teilnahme und weist dem Bereich der Erfahrung die Formen der empirischen (Erfahrung), spekulativen (Wissenschaft) und ästhetischen (Kunst) Interessen und dem Bereich des Umgangs die Formen des sympathetischen (Umgang), des sozialen (Politik) und des religiösen (Religion) Interesses zu (vgl. McMurry, C. 1892, S. 56-58). Interesse soll für McMurry den Prüfstein für die Auswahl der Gegenstände darstellen, wobei es das Alter des Zöglings zu beachten gilt. Ausgehend davon, stellt McMurry die Frage nach den konkreten Auswahlkriterien, basierend auf dem Begriff des Interesses und seiner verschiedenen Quellen und beantwortet diese wie folgt: „The main interest of children must be attracted by what we may call real knowledge [Hervorhebung im Original, M.S.] subjects, that is, those treating of people (history stories, etc.) and those treating of plants, animals and other natural objects (natural science topic). Grammar, arithmetic and spelling are chiefly form studies and have less native attraction for children. Secondly, it may be laid down as a fact of experience that children will be more touched and stimulated by particular persons and objects in nature than by any general propositions, or laws, or classifications. […] They feel a natural drawing toward real, definite persons and an indifference or repulsion toward generalities. They prefer the story to the moral. […] But while dealing with things of sense and with particulars, it is necessary in teaching children, to keep an eye directed toward general classes and toward those laws and principles that will be fully appreciated later.” (McMurry, C. 1892, S. 59-60) Für McMurry ist es unmittelbar einsichtig, dass Kinder den konkreten Gegenständen, ob diese nun in Form von Personen oder Dingen auftreten, ein natürliches Interesse entgegenbringen und den daraus abstrahierten Wissensbeständen ein ebenso natürliches Desinteresse. Hierbei greift er, wenn auch nicht expliziert, auf die Systematik zurück, die er im Kontext seiner Überlegungen zu den unterschiedlichen Studien und ihrer Wertigkeit entworfen hat. Er trennt zwischen historischen Studien, die sich in der Hauptsache mit Personen in ihrer sozialen Eingebundenheit beschäftigen sollen, naturwissenschaftlichen Studien, die sich mit den Dingen und ihrem Verhältnis zueinander beschäftigen, und den formalen

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3. Analyse Zweitkontext

Studien, denen er auch in diesem Kontext der Hervorbringungen von Interesse das geringste Potential zuspricht. Dass jedoch allein die Fokussierung auf interessante Gegenstände ohne deren Verbindung zu allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und abstrakten Wissensbeständen und Reflexionen vonstatten gehen kann, ist ebenso selbstverständlich wie die Einschätzung, „children are little materialists“ (McMurry, C. 1892, S. 60). Dass an dieser Stelle eine bedachte, an Grundlegung und darauf basierende Weiterentwicklung orientierte Auswahl getroffen werden muss, untermauert Charles McMurry durch die Referenz auf Pestalozzi, der darauf hingewiesen hat, dass diese grundlegenden Prinzipien, die jedem Wissensgebiet zugrunde liegen, anhand von konkreten, anschaulichen Gegenständen und Personen herausgearbeitet und veranschaulicht werden, wobei der Abstraktheitsgrad mit zunehmendem Alter erhöht werden sollte (vgl. McMurry, C. 1892, S. 60). In einer weiteren Bezugnahme verweist er auf Rousseau und seine pädagogische Aufforderung zur Rollenübernahme der Lehrkraft bzw. des Erziehers, sich in das Kind und seine individuellen Bedürfnisse hineinzuversetzen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 58). Ausgehend davon markiert McMurry die didaktische Herausforderung in diesem Kontext, die typischen Formen der jeweiligen Wissensgebiete zu identifizieren und diese in einen lebendigen Bezug zueinander zu setzen. Dazu stellen der Begriff des Interesses und seine Prinzipien ein geeignetes Werkzeug dar (vgl. McMurry, C. 1892, S. 60). In diesem Zusammenhang schreibt er in Bezug auf die vorhergehenden Überlegungen zu den unterschiedlichen Studien: „If we speak of history and nature as the two chief subjects of study, the simple, fundamental relations of persons to each other in society, and the simple, typical objects, forces and laws of nature constitute the basis of all knowledge. These elements we desire to master. But to make them attractive to children, they should not be presented in bald and sterile outlines, but in typical forms.” (McMurry, C. 1892, S. 60) An dieser Stelle führt McMurry die Theorie der kulturhistorischen Stufen als didaktisches Auswahlprinzip der konkreten Gegenstände und Personen ein. Hierzu schreibt er:

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„The periods of child life are so similar to the epochs of history, that a child finds its proper mental food [Hervorhebung im Original, M.S.] in the study of the materials furnished by these epochs.” (McMurry, C. 1892, S. 62) Augenscheinlich wird hierbei, dass McMurry diese Denkfigur in vollständiger Übereinstimmung zur von Rein vertretenen Auffassung übernimmt, aber diese nicht als einzelnen Punkt bearbeitet, sondern in den Kontext der Einführung und Entfaltung des Begriffs des Interesses implementiert. Er weist darauf hin, dass nicht jedes Zeitalter bzw. jede kulturelle Epoche geeignetes Material zur exemplarischen Bearbeitung bereithält, „but those epochs which have been typical of great experiences, landmarks of progress, have also found poets and historians to describe them“ (McMurry, C. 1892, S. 62). Die Auswahl richtet sich insbesondere auf Personen, die beispielhaft die kulturellen Errungenschaften repräsentieren und als Identifikationsfiguren für die Zöglinge fungieren können und sollen. In diesem Zusammenhang weist McMurry darauf hin, dass die Zielsetzung der Kultivierung eines vielseitigen Interesses nicht mit einem enzyklopädischen Verständnis von Wissensanhäufung zu verwechseln ist (McMurry, C. 1892, S. 64). Hierzu lässt sich bei McMurry nachlesen: „The solution of this great problem does not consist in identifying many-sided interest with encyclopedic knowledge, but in such a detailed study of typical [Hervorhebung im Original, M.S.] forms in each case as will give insight into that branch without any pretension to exhaustive knowledge.” (McMurry, C. 1892, S. 64) Durch die Bearbeitung typischer Formen der jeweiligen Wissensbestände soll nicht nur ein vielseitiges Interesse hervorgebracht werden, sondern darüber hinaus mittelbar die gesamte geistige Entwicklung positiv beeinflussen und weitere Lernprozesse ermöglichen. Die Förderung der geistigen Gesamtentwicklung muss dabei drei Dimensionen in den Blick nehmen: „Perfect vigor of thought which we aim at in education, is marked by strength along three lines, the vigor of the individual ideas, the extent and variety of

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3. Analyse Zweitkontext

ideas under control, and the connection and harmony of ideas.“ (McMurry, C. 1892, S. 65) Was McMurry hier als die drei Linien bezeichnet, anhand derer die geistigen Kräfte entfaltet werden sollen, liest sich eher als ein gestuftes Modell der abstrakten Begriffsbildung. Es gilt, die Kräfte anhand von individuellen Ideen und deren Inhalt zu entwickeln, diese in Umfang und Vielfältigkeit genau zu bestimmen, somit Inhalt und Umfang terminologisch sauber in Bezug zu setzen und in ein umfangreicheres Begriffsgebilde zu implementieren. Interessant ist dies in der Hinsicht, als hier eine Denkfigur des Lernprozesses entwickelt wird, die sich leicht dem Vorwurf des Intellektualismus aussetzt, auch wenn der Ausgangspunkt für die Erarbeitung des Abstraktums immer das Konkretum als typische Form des erstgenannten dient. Implizit nimmt McMurry hierbei Bezug auf die herbart’sche Denkfigur des aus Vorstellungen bestehenden Gedankenkreises, den es durch Unterricht zu bearbeiten gilt. Genau dies sollte einer der Kritikpunkte gegenüber dem Herbartianismus innerhalb des US-amerikanischen Bildungsdiskurses sein, der insbesondere seitens John Deweys, William T. Harris, G. Stanley Hall und den Kinderforschern vorgetragen wurde, wobei die herbartianische Theorie auch in ihrer Gesamtheit als intellektualistisch, individualistisch und lehrerzentriert kritisiert wurde.38 Abschließend schreibt McMurry zusammenfassend zur Bewandtnis des Interesses im Hinblick auf seine Potentialität als Auswahlkriterium für bestimmte Gegenstände und Personen und damit seiner sowohl didaktischen als auch insbesondere lerntheoretischen Bedeutung Folgendes: 38 Eine weitere Kritik, die in diesem Zusammenhang gegen die herbartianische Position bzw. die herbart’sche Psychologie hervorgebracht wurde, bezog sich auf den Begriff des Interesses und seines Bezugs zum Willen und der Auffassung Handlung bringe Willen hervor. Dewey kritisierte hierbei, dass „according to this psychological view, interest is not psychical activity, but is a product of the actions and reactions of ideas. Interest is simply one case of feeling, and all the feeling depends upon the mechanism of ideas. In his desire to get rid of the ‘faculty’ psychology, Herbart denies any original or primitive character to either impulse or feeling. Interest from this point of view is an outcome, a result only. It may be said to be the end of education, but it cannot possibly be a means, a motive. Instead of directing ideas, it is their passive reflex. […]In other words, interest is attached in no sense to the content of the ideas, aiming at appreciating their intrinsic values, but depends wholly on the formal interaction of the ideas; it accompanies the apperceptive process as such, independently of the particular set of ideas apperceived. The weakness both of Herbartian psychology and pedagogy seems to me to lie just here—in giving the idea a sort of external existence, a ready-made character, an existence and a content not dependent upon previous individual activity.” (Dewey 1895, S. 2829)

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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„Finally, the unity and harmony of the varied kinds of knowledge are a great source of interest. The tracing of connections between different studies and the insight that comes from proper associations are among the highest delights of learning.” (McMurry, C. 1892, S. 65) Die verschiedenen Arten des Interesses sollen dabei in gleichförmiger Weise bzw. parallel zueinander ausgebildet werden und die Grundlage für vielseitiges Interesse und damit auch einer allseitigen Ausbildung aller geistigen Kräfte schaffen. In Bezug auf die dezidiert pädagogische bzw. erziehungstheoretische Dimension des Interesses verweist McMurry darauf, dass die eben beschriebene, am Begriff des Interesses orientierte, didaktische und lerntheoretische Konzeption gleichfalls eine starke Wirkung auf Verhaltensdispositionen und emotionale Grundstimmungen entfaltet. Diese Wirkung äußert sich in der Fähigkeit, seine Begierden zu kontrollieren und zu regulieren. Hierzu lässt sich bei McMurry nachlesen: „It is also true that a proper interest is a protection against the desires, disorderly impulses and passions. One of the chief ends of education is to bring the inclinations and importunate desires under mastery, to establish a counterpoise to them by the steady and persistent forces of education. A many-sided interest cultivated along the chief paths of knowledge, implies such mental vigor and such preoccupation with worthy subjects as naturally to discourage unworthy desires.” (McMurry, C. 1892, S.66) An dieser Stelle offenbart sich zumindest implizit, dass bei aller kognitiver Schwerpunktsetzung in diesem Kontext die Überlegungen in eine Erziehungslehre eingebettet sind, die als Ausgangspunkt und Zweck aller pädagogischer Bestrebungen die moralische Ausbildung und Formung des Individuums fokussiert. Interesse gilt hierbei zum einen als Stimulus der Lernbereitschaft und der Neugierde und zum anderen mittelbar für einen auf Moralität gerichteten Willen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 67). Zusammenfassend zum Begriff bzw. der Natur des Interesses schreibt McMurry in Anlehnung an Herbart: „With Herbart, therefore, a many-sided, harmonious interest promotes will-energy through all the efforts of learning from childhood up, and when

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3. Analyse Zweitkontext

the work of general education has been completed, the youth is ready to launch out into the world with a strong, healthy appetite for information in many directions.” (McMurry, C. 1892, S. 68) Interessant und bemerkenswert ist hierbei die Charakterisierung der schulischen Ausbildung als eine Art der allgemeinen Bildung ohne konkreten Handlungsbezug, die hauptsächlich auf Dispositionen fokussiert und die unmittelbare Begegnung mit Welt und ihren konkreten Erfordernissen aus dem Schulsystem auslagert. Dies ist insoweit von Bedeutung, da die allgemeine Entwicklung der pädagogischen Theoriebildung im US-amerikanischen Kontext genau diese Grenzziehung konzeptionell, insbesondere in Form des projektorientierten Unterrichts sensu Dewey und im Anschluss an ihn der Projektunterricht als universale Didaktik und Methodik nach Kilpatrick, überwinden wollte und die Welt in die Schule bringen bzw. die Schule der Welt öffnen wollte. Beschaut man sich die Ausführungen der zehnten Auflage von 1903, so ist zu konstatieren, dass sich an der inhaltlichen Position, die McMurry in Bezug auf die Theorie des Interesses vertritt, kaum etwas ändert. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass das Interesse zu den Gefühlen gehört, das sich aber von anderen Gefühlen, wie der Begierde, unterscheidet. Eine Erweiterung erfahren seine Ausführungen in dem Zusammenhang insoweit, dass er das Interesse in seinem Sinne zwischen dem emotionalen und dem geistigen Leben verortet. Hierbei greift er auf die Fremdreferenz Wilhelm Ostermann (vgl. Ostermann 1887, 1895, 1899) zurück, der in kritischer Auseinandersetzung mit Herbart genau diesen Aspekt des Interesses stärker betont. Keine Veränderungen des Standpunktes lassen sich darüber hinaus hinsichtlich der Auffassung des anzustrebenden Interesses als eines intrinsischen und direkten festhalten, das zu einer ruhigen, stetigen Bezogenheit des Geistes auf einen Gegenstand gekennzeichnet ist, in keinem Falle utilitaristische Tendenzen kennt und sich als ein vielseitiges Interesse darstellt. Auch die sich an Herbart orientierende systematische Ausbuchstabierung des Begriffs in Bezug auf die verschiedenen Arten und deren Bezug auf die unterschiedlichen Studien sowie die Charakterisierung des Interesses als Prüfstein für die Auswahl konkreter Unterrichtsinhalte, die sich in typischen Formen der jeweiligen Studieninhalte materialisieren sollen, bleibt erhalten. Interesse in seiner erziehungstheoretischen Ausformung erfährt ebenfalls keine Modifikationen.

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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Die inhaltlichen Veränderungen lassen sich als Erweiterung der bestehenden Position beschreiben. So wird im Gegensatz zur ersten Auflage etwa die Bedeutung der körperlichen Verfasstheit herausgehoben und explizit herausgestellt: „First, we may mention the healthy, wholesome bodily condition. Physical health and vigor have often been emphasized as a condition preceding all forms of smooth mental action, but perhaps, in considering the emotional life, we may find it more directly conditioned by healthy bodily state than the intellectual activities.” (McMurry, C. 1903a, S. 127) Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass sich McMurry in der zehnten Auflage stärker mit dem Zusammenhang des Interesses, des Willens und der Aufmerksamkeit auseinandersetzt als noch in den vorhergehenden Auflagen. Ausgangspunkt seiner Ausführungen stellt die Feststellung der allgemeinen Meinung dar, dass Interesse auf dem Willen basiert. Hierzu schreibt er: “It is commonly stated that interest is dependent upon the will. When by a distinct exercise of will power we fix the attention upon some topic, even though at first it be uninteresting, the mind becomes preoccupied with it and interest is awakened. Even in a difficult problem in arithmetic, which the boy approaches with evident dislike, as soon as his mind becomes involved in its particulars, he acquires a certain degree of interest. The desire to solve its difficulties is awakened, and by the time he has worked out a correct result, he attains to a distinct feeling of gratification. This form of will effort by which the mind is turned, directed, and concentrated upon some new object of thought, whether it be interesting or not, gives us the well-known voluntary attention.” (McMurry, C. 1903a, S. 136) Das Problem, das McMurry hierbei sieht, ist, dass diese freiwillige Aufmerksamkeit keine stetige ist, sondern unstet und in Schüben auftritt. Die Fokussierung auf freiwillige Aufmerksamkeit kann also keine adäquate Zielsetzung darstellen und darf nicht mit dem echten, intrinsischen und stetigen Interesse verwechselt werden. Zur Untermauerung seiner Position greift er hierfür auf die Gedanken William

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3. Analyse Zweitkontext

James (vgl. James 1899) zurück. Das Ziel der gesamten Argumentation wird an folgenden Worten ersichtlich: „But if the mental machinery described above is correct, if the continued process of learning, both in the voluntary attention and in the involuntary, demands the steady support of interest, if James is right in saying that voluntary attention is only instantaneous, then the learning of a thing by sheer will power unattended by interest is impossible.” (McMurry, C. 1903a, S. 141-142) McMurry geht es also darum aufzuzeigen, dass ohne Interesse keine nachhaltigen Lernprozesse möglich sind und die Konzentration darauf, den Willen zu trainieren, eine fehlgeleitete Denkweise darstellt. Eine weitere Erweiterung der Überlegung stellt die stärkere Auseinandersetzung mit der Idee der Apperzeption in diesem Kontext dar. Er weist darauf hin, dass der Lernprozess von Assoziationen und der Apperzeption neuer Lerninhalte abhängt und in diesem Prozess der Wille eine untergeordnete Rolle spielt. Insgesamt lässt sich hinsichtlich dieser inhaltlichen Erweiterungen festhalten, dass es hierbei ganz offensichtlich darum geht, die Bedeutsamkeit des Interesses herauszustellen und das Interesse als das übergeordnete Motiv für Unterricht und moralische Erziehung zu untermauern. In einer anderen, eher formalen Hinsicht bieten die Ausführungen erhellende Erkenntnisse. So lässt sich konstatieren, dass sich die Erhöhung des Umfanges des Kapitels zum allergrößten Teil darauf gründet, dass McMurry seine Argumentation durch eine Vielzahl an Zitaten und Fremdreferenzen anreichert. Auch die Auswahl dieser Fremdreferenzen ist dabei überaus interessant. Hauptsächlich nämlich bezieht sich McMurry hierbei, abgesehen von Verweisen auf Herbart und Ziller, die allerdings in keinem Verhältnis zu den zusätzlich ausgewählten stehen, auf drei Autoren. Namentlich sind das: Wilhelm Ostermann, John Dewey und vor allem William James. Im Falle Wilhelm Ostermanns ist anzunehmen, dass dieser ausgewählt wurde, da er im Kontext einer psychologischen Theorie des Interesses stark auf dessen gefühlsmäßige Seite hinweist, um dem Vorwurf des Intellektualismus, der Herbart und dem Herbartianismus im US-amerikanischen Diskurs anhaftete, zu begegnen. Mit dem Rückgriff auf die Positionen Deweys und James, an den Stellen wo sie für die eigene Position unterstützende Gedanken äußern, greift McMurry auf zum damaligen Zeitpunkt anerkannte, breit rezipierte dezi-

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diert US-amerikanische Standpunkte zurück. Daraus kann er einen Zusatzsinn für die eigene Theorie generieren, der sich nicht auf externalisierte Referenz beziehen muss und sich damit einer Binnenlogik US-amerikanischer psychologischer und pädagogischer Theorie bedient. Abschließend bleibt anzumerken, dass McMurry den Begriff des Interesses, so wie er in diesen Ausführungen bestimmt wird, seinen weiteren Werken zugrunde legt. Dazu zählen insbesondere jene, die sich mit fachdidaktischen Fragen der einzelnen Studien und Fächern beschäftigen (vgl. McMurry, C. 1893b, 1893c, 1893d, 1894a, 1894b, 1894c, 1895b, 1896, 1903b, 1904a, 1904b, 1904c, 1904d, 1904e), aber auch den größeren Monografien (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 8-25; McMurry, C. 1920, S. 95-97). 3.3.3 Lehrplantheorie – Relative Value of Studies, Concentration und Culture Epochs Dieses Kapitel widmet sich der Lehrplantheorie Charles McMurrys und der Entwicklung seines Denkens im zeitlichen Verlauf seiner Publizistik hinsichtlich dieser Thematik. Hierbei werden verschiedene Topoi von Interesse und Gegenstand der Analyse sein und ihre semantische und systematische Transformation werden analysiert. Neben verschiedenen Quellen und Schriften stützt sich die Darlegung in der Hauptsache auf das zentrale Werk Charles McMurrys, die General Methods, wobei weitere relevante Publizistik ihre Berücksichtigung finden wird. Dieses Hauptwerk, hinsichtlich der allgemeinen theoretischen Grundlegung seines gesamten erziehungstheoretischen Denkens, stellt also den zentralen Quellenkorpus der folgenden Ausführungen dar, um die sich kleinere Schriften und Artikel zur Thematik gruppieren. Dabei werden, um Transformationsprozesse sichtbar machen zu können, die verschiedenen Auflagen des Werkes ebenfalls zum Gegenstand der Analyse gemacht. Die Lehrplantheorie stellte für McMurry zeitlebens einen bedeutsamen Forschungsgegenstand dar. Ausgangspunkt für die folgende Betrachtung ist die Auseinandersetzung zur Werthaftigkeit und Relationierung, der Relative Value of Studies, der schulischen Studien, wie er sie in seinen General Methods entwirft. Des Weiteren werden seine Auseinandersetzungen mit der Konzentrationsidee, in die er die Kulturstufentheorie implementiert, von Belang sein und in diesem Zusammenhang insbesondere seine Fokussierung auf object lessons.

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3. Analyse Zweitkontext

3.3.3.1 Relative Value of Studies Im Folgenden wird seine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Studien den größten Wert für die Entwicklung der Schüler haben, im Mittelpunkt stehen. Für den Einstieg in diese Thematik nutzt McMurry einen Verweis auf Herbert Spencer, der die Funktion eines Problemaufrisses erfüllt. Die Zeilen, auf die er sich dabei konkret bezieht, stammen aus Spencers Werk Education. Intellectual, moral and physical. Spencer kritisiert darin die Vernachlässigung der methodischen Überlegungen hinsichtlich der Relationierung der Fachstudien innerhalb eines Diskurses. Es gilt für ihn einen Standard bezüglich dieser Thematik auszuarbeiten und zu setzen. Entscheidend dabei ist, dass Spencer fordert, die einzelnen Studien und ihren relativen Wert, basierend auf rationalen Erwägungen, zu standardisieren und eine letztgültige Regelhaftigkeit zu bestimmen, anhand derer Inhalte ausgewählt werden sollen (vgl. Spencer 1861, S. 7).39 Interessant dabei ist, dass McMurry unmittelbar an diese Bezugnahme feststellt, dass es Spencer nicht gelungen ist, dieses Problem zu lösen. Er konstatiert, dass bis dato kein Engländer oder US-Amerikaner sich ernsthaft mit dieser Thematik beschäftigt, geschweige denn eine zufriedenstellende Lösung bzw. einen Lösungsansatz geliefert habe (McMurry, C. 1892, S. 15). In der zweiten Auflage der General Methods führt McMurry die Kritik an Spencer detaillierter aus, wenn er schreibt: „Spencer sees clearly the importance of this problem and gives it a vigorous discussion in the first chapter, ‘What knowledge is of most worth?’ But the question is a broad and fundamental one and in his preference for the natural sciences he seem to us not to have maintained a just balance of educational forces in preparing a child for ‘complete living’. His theory need also to be worked out into greater detail and applied to school conditions before it can be much value to teachers.” (McMurry, C. 1893a, S. 16)

39 David Hamilton hält hinsichtlich der Signifikanz der spencer’schen Gedanken für den US-amerikanischen Diskurs zur Curriculumtheorie drei Konsequenzen fest: Erstens, dass nach Spencer die Vorstellung aufkam, dass das Curriculum eine Auswahl an verfügbarem Wissen darstellen soll. Zweitens, dass die Referenzpunkte für ein Curriculum säkularer und weniger spiritueller Art sein sollten. Drittens, dass ein wohlgeordnetes Curriculum zu sozialem Fortschritt der Gesellschaft beiträgt (vgl. Hamilton 1990, S. 38).

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Seine Kritik richtet sich hierbei dezidiert auf die Präferierung der naturwissenschaftlichen Studien und die daraus erwachsende einseitige Auflösung der Problemstellung durch Spencer und das Elaborationsniveau hinsichtlich der Nutzbarkeit im schulpädagogischen Kontext. An den Beginn seiner eigenen Ausführungen setzt McMurry eine Analyse des zeitgenössischen theoretischen Diskurses und der realen Verhältnisse hinsichtlich der Frage nach dem relativen Wert der einzelnen Fachstudien. Hierzu schreibt er: „In the first place the old classical monopoly is finally and completely broken […]. The natural sciences, modern history and literature have assumed an equal place with the old classical studies in college courses. Freed from old traditions and prejudice our common school is now grounded in the vernacular, in the national history and literature, and in home geography and natural science. […] Secondly, the door of the common school has been thrown open to the new studies and they have entered in a troop. History, drawing, natural science, modern literature, and physical culture have been to the old reading, writing and arithmetic. […] There is no one in high authority to check the reform spirit and even local boards are often among the advocates of change. In the third place, by multiplying studies the common school course has grown more complex and heterogeneous. The old reading, writing, arithmetic and grammar could not be shelved for the sake of the new studies and the same amount of time must be divided now among many branches. […] Our common school course has become a batch of miscellanies. We are in danger of overloading pupils, as well as of making a superficial hodge-podge of all branches. There is imperative need for sifting the studies according to their value, as well as for bringing them into right connexion and dependence upon one another. Fourthly, since we are in the midst of such a breaking-up period, we need to take our bearings. In order to avoid mistakes and excesses there is a call for deep, impartial and many-sided thinking on educational problems.” (McMurry, C. 1892, S. 16-17) In diesen Ausführungen werden drei Punkte erkennbar. Es wird deutlich, dass McMurry die allgemeine Entwicklung hinsichtlich der curricularen Erweiterung

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3. Analyse Zweitkontext

auf die genannten Fächer als eine zeitgemäße, zielführende und adäquate bestimmt. Er begrüßt die reformorientierten Bestrebungen, die offenbar auch von administrativer Seite unterstützt bzw. zumindest nicht behindert werden. Ein sich daran anschließendes Motiv ist gleichzeitig ein daraus geschlussfolgertes, wenn McMurry auf die Gefahren oder zumindest auf die sich aus dieser begrüßenswerten Entwicklung ergebenden Herausforderungen verweist. Diesen Herausforderungen gilt es durch eine generelle, vertiefte und vielseitige Reflexion erzieherischer Probleme zu begegnen. McMurry behauptet nicht, eine Lösung oder Antwort auf diese Herausforderung in ihrer Gänze zu besitzen, jedoch nimmt er für sich in Anspruch, einen Ansatz bzw. eine Theorieofferte für weitere Überlegungen bereitstellen zu können. Die Stärke sieht er in der systematischen Entfaltung einer Beantwortung dieser drängenden Probleme, der er durch die Bestimmung eines höchsten Erziehungsziels, der Moralität, ein Anfangspunkt bzw. Prinzip gesetzt hat, von dem aus anschließende Überlegungen angestellt werden können. Das heißt, es besteht ein unmittelbarer Nexus zwischen der Setzung und den Überlegungen hinsichtlich einer Systematik der Relationierung der einzelnen Fachstudien zueinander. Diese Theorieofferte stellt die der herbartianischen Pädagogik dar. Infolgedessen besteht seine Systematisierung in der Klassifizierung der Fachstudien nach herbartischem Muster: „Instead of discussing the many branches of study one after another, it will be well to make a broad division of them into three classes and observe the marked features and value of each. First, history, including the subject matter of reading, history, story and other parts of literature. Second, the natural sciences. Third, the formal studies, grammar, writing, much of arithmetic and the symbols used in reading.” (McMurry, C. 1892, S. 18) Diese Einteilung fungiert in der Folge als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung der Einzelstudien, die sich einem der Bereiche zuordnen lassen; ihrer Inhalte, ihrer Beziehung zueinander und vor allem ihres relativen Bildungswertes. Die Referenz für diesen Bildungswert stellt hierbei, wie sich zeigen wird, das vorab herausgearbeitete oberste Erziehungsziel, die Moralität, dar. Eine erste nähere Bestimmung der einzelnen Bereiche gibt McMurry, wenn er schreibt:

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„The first two open up the great fields of real knowledge and experience, the world of man and of external nature, the two great reservoirs of interesting facts.” (McMurry, C. 1892, S. 18) In der Folge bestimmt McMurry zunächst die inhaltlichen Facetten des Bereichs der Geschichte näher und führt hierzu aus: „History, in our present sense, includes what we usually understand by it, as American history, modern and ancient history, also biography, tradition, fiction as expressing human life and the novel or romance, and historical and literary masterpieces of all sorts, as the drama and the epic poem, so far as they delineate man´s experience and character. In a still broader sense, history includes language as the expression of men´s thoughts and feelings. But this is the formal side of history with which we are not at present concerned. History deals with men´s motives and actions as individuals or in society, with their dispositions, habits and institutions, and with the monuments and literature they have left.” (McMurry, C. 1892, S. 18) Entscheidend hierbei ist, dass McMurry auf formaler Ebene dem Oberbegriff „Geschichte“ die herkömmlichen Einzelstudien unterordnet, jedoch ein neues Verständnis der Funktion bzw. des Wertes dieser Studien herausstellt. Im Gegensatz zum damaligen Verständnis dieser Studien, sie als eine Ansammlung interessanter Fakten zu betrachten, gilt es, ihren Wert hinsichtlich der Entwicklung von Moralität in den Blick zu nehmen und ihr diesbezüglich inhärentes Potential in den Vordergrund zu rücken. An dieser Stelle wird ein weiteres Mal deutlich, wie McMurry systematisch mit Blick auf das oberste Erziehungsziel seine Überlegungen anstellt und die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus zieht. Die Begründung des Potentials der oben genannten Studien sieht McMurry augenscheinlich darin, dass im Kontext dieser Gegenstände bzw. Inhalte, Motive und Handlungen Einzelner im sozialen Kontext deutlich gemacht und beispielhaft, hinsichtlich ihrer moralischen Qualität, betrachtet werden können. Hierzu heißt es:

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3. Analyse Zweitkontext

„The relations of men to each other and to society give rise to morals. Whether in the life of David or of Shylock, or of the people they represent, the study of men is primarily a study of morals. It is in the hardships, struggles and mutual contact of men that motives and moral impulses are observed and judged. […] It will strike most teachers as a surprise to say that the chief use history study is to form moral notions in children.” (McMurry, C. 1892, S. 18-19) Im Zusammenspiel innerhalb der Systematik aus Moralität als oberstem Erziehungsziel und dem Potential, welchem McMurry historischen Stoffe bzw. Gegenstände, in welcher Form auch immer sie vorliegen, zuweist, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass diese Studien in jeder Klassenstufe nicht nur behandelt werden, sondern das Zentrum aller Lehrplankonzeption darstellen sollen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 19).40 Dieses Prinzip soll darüber hinaus die Lehrkraft, der bis dato die Funktion der moralischen Referenz und Orientierung zukam, entlasten bzw. stellt eine Notwendigkeit dar, wenn es gilt, Moralität in den Zöglingen heranzubilden, da für McMurry die Lehrkraft auf eine moralisierende Kraft außerhalb seiner eigenen Persönlichkeit angewiesen ist. Denn selbst wenn sie bemüht ist, diese Ideale in ihrem Verhalten manifest werden zu lassen, ist es im alltäglichen Vollzug nur annähernd möglich, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Bearbeitung historischer Stoffe aus der Perspektive ihrer moralischen Qualität hat für McMurry also in mehrfacher Hinsicht ihre Berechtigung. Zum einen werden trotz alledem interessante und wissenswerte Kulturgüter weitergegeben, zum anderen erleichtert es die Beantwortung der Frage, welche Stoffe ausgewählt werden sollen, nämlich die, an denen sich moralische Qualität beispielhaft zeigen lässt. Darüber hinaus entlastet es die Lehrkraft bzw. unterstützt sie in ihren Bemühungen, Moralität in den Zöglingen anzubahnen. Diese Perspektive ergibt sich aus der systematischen Betrachtung der Erziehung als Gesamtphänomen, ihrer Bestimmung im obersten Erziehungsziel und der Rückkopplung an dieses. Die Methode, die McMurry hierfür präferiert und aus seiner Argumentation förmlich zwangsläufig folgt, ist die 40 Welchen Stellenwert die historischen Studien haben, spiegelt sich auch in der Publizistik McMurrys wider. Der Anzahl und des Umfangs nach nehmen die Schriften zu den fachdidaktischen Fragen der historischen Studien nach den geographischen den größten Raum ein (vgl. McMurry, C. 1891b, 1893b, 1893c, 1904a, 1904b).

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des Anschauungsunterrichts, denn „a little reflection will show, that we are only demanding object lessons [Hervorhebung im Original, M.S.] in the field of moral education, extensive, systematic, all-pervading object lessons, choice experiences and episodes from human life, painted in natural colors as shown by our best history and literature” (McMurry, C. 1892, S. 21).41 Im Kontext eines solchen Anschauungsunterrichts gilt es in Kontakt zu kommen mit beispielhaften Handlungen, um anhand deren Betrachtung die zugrunde liegenden abstrakten moralischen Konzepte herauszuarbeiten. Beispielhaft heißt in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur darum geht, im moralischen Sinne positive Beispiele, sondern ebenfalls abzulehnende Verhaltensweisen zu präsentieren, um anhand derer moralische Urteile und deren originäre Grundlagen zu durchschauen und nachvollziehbar zu machen. Der einzig gangbare Weg für McMurry, in den Zöglingen die Fähigkeit zum moralischen Urteilen anzubahnen, führt über beispielhafte Bearbeitung solcher moralischer Urteile und ihrer Konsequenzen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 22). Einen weiteren Begründungszusammenhang, den McMurry in diesem Kontext in der zweiten Auflage ausführt, bezieht sich auf die Widerlegung der Sinnhaftigkeit und der Erfolgschancen eines kondensierten moralischen Lernens in Form der abstrakten Auseinandersetzung mit Moralität. Hierzu schreibt er: „To begin with abstract moral teaching, or to put faith in it, is to misunderstand children. In morals as in other form of knowledge, children are overwhelmingly interested in personal and individual examples, things which have form, color, action. The attempt to sum up the important truths of a subject and present them as abstractions to children is almost certain to be a failure, pedagogically considered. […] We must get at morals without moralizing and drink in moral convictions without resorting to moral platitudes.” (McMurry, C. 1893a, S. 26-27) 41 Die Akzentuierung auf diesen Anschauungsunterricht und der Prominenz im Denken McMurrys lässt sich nach Dunkel auch damit erklären, dass das Object-Teaching im Rahmen der Oswego-Bewegung und deren unmittelbaren Bezug auf das Denken Pestalozzis einen festen Platz im Bildungsdiskurs der USA zur damaligen Zeit hatte. Dunkel schreibt hierzu: „There was still enough of Pestallozzi in object-teaching and enough of Herbart in American Herbartianism for the same relation to prevail; as result, herbartianism could appear as a supplement to object-teaching.” (Dunkel 1969b, S. 378.)

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Interessant ist die Argumentation in der Hinsicht, dass McMurry die Methode dezidiert mit dem Wesen der Kinder begründet und sich darin eine kindzentrierte Perspektive zeigt, die in der ersten Auflage in dieser expliziten Form noch nicht vorhanden war. Hierbei hat die Schule nicht nur ihren Beitrag zu leisten, sondern sie stellt für McMurry darüber hinaus den diesem Anspruch im Allgemeinen am adäquatesten entsprechenden Ort dar: die Schule. Da hier die Arbeit der Familie aufgenommen, ergänzt oder gegebenenfalls korrigiert wird, wobei er die Rechte und Pflichten der Familie in Bezug auf die Erziehung unangetastet lassen will (vgl. McMurry, C. 1893a, S. 23). Er begründet diese Ansicht mit Bezugnahme auf Herbart und den Kontext der Ausarbeitung seiner Theorie, die in eben einem häuslichen Umfeld geschah. Dazu schreibt er: „The moral atmosphere of a good home will remain the ideal for the school. In fact Herbart´s plan of education originated not in school room, but in an excellent home in Switzerland, where he spent three years in the private instruction of three boys. […] The common notion of intellectual growth and strength which rules in such cases was at once subordinated to character development [Hervorhebung im Original, M.S.] in the moral sense.” (McMurry, C. 1892, S. 24) Besonderen Wert legt McMurry an dieser Stelle darauf, herauszustellen, dass die Idee der intellektuellen und der moralischen Entwicklung in ihrem systematischen Bezug aufeinander keineswegs widerstreitende Ziele sind, sondern sich gegenseitig bedingen. Wobei die moralische Entwicklung die größere Bedeutsamkeit genießt und daher die intellektuelle Entwicklung der moralischen dienstbar gemacht werden muss. Seine Untersuchung der entsprechenden Inhalte, die diesen Zielen entsprechen, führen McMurry zu den Zeiten der Gründung der Vereinigten Staaten und insbesondere zu den Gründungsvätern, in denen er moralische Heroen erkennt, die es in den Lehrplan aufzunehmen gilt. Die Begründung hierfür liest sich wie folgt: „And where was given a better opportunity for the display of personal virtues than by the leaders of these little danger-encircled communities? The leaven of purity, piety and manly independence which they brought with

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them and illustrated has never ceased to work powerfully among our people.” (McMurry, C. 1892, S. 26) Interessant ist hierbei, welche Werte McMurry besonders hervorhebt, namentlich die puritanischen, pietistischen und den der freiheitlichen Unabhängigkeit, die wiederum als Wertekanon der ersten Siedler bezeichnet werden können und Einzug in die Schule und als Momentum der Anbahnung moralischer Urteilsfähigkeit der Zöglinge Eingang finden sollen. Doch nicht nur historische Figuren stellen einen reichen Fundus dar, sondern es gilt ebenso literarische Figuren in die Auswahl einzubeziehen. Dabei sollten es klassisch gewordene Werke sein, welche die nobelsten Charaktere entwickeln und beschreiben. In diesem Zusammenhang benennt McMurry die Werke US-amerikanischer Autoren, aber auch Daniel Defoes Klassiker „Robinson Crusoe“, der ebenfalls im Lehrplan Wilhelm Reins seinen festen Platz hat (vgl. McMurry, C. 1892, S. 27). In diesem Zusammenhang kritisiert er die zeitgenössischen Verhältnisse mit folgenden Worten: „The chief aim of our schools all along has been an appreciation of literary masterpieces either in their moral or art value, but to acquire skill in reading, fluency and naturalness of expression. Our schools have been almost completely absorbed in the purely formal [Hervorhebung im Original, M.S.] use of our literary materials, learning to read in the earlier grades, and learning to read with rhetorical expression and confidence in the later ones.” (McMurry, C. 1892, S. 28) Diese Vorgehensweise und Akzentuierung gilt es zu überwinden. Bei alledem will McMurry die formale Ausbildung nicht vernachlässigt wissen, jedoch soll sie in den Dienst der moralischen Ausbildung der Zöglinge gestellt werden. Auf Basis seiner Überlegungen kommt McMurry zu einem Zwischenfazit seiner Gesamtuntersuchung hinsichtlich der Frage des relativen Werts der einzelnen Fachstudien, indem er schreibt: „The first question, preliminary to all others in the common school course, ‘What is the most important study?’ is answered by putting history [Hervorhebung im Original, M.S.] at the head of the list.” (McMurry, C. 1892, S. 29)

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Im weiteren Verlauf wendet sich McMurry den in ihrer Wertigkeit den historischen Studien untergeordneten naturwissenschaftlichen Studien zu, obwohl er unmittelbar hinzufügt, dass sie in einigen Punkten mit ihnen zu koordinieren sind (vgl. McMurry, C. 1892, S. 29). Die generelle Bedeutsamkeit dieser Studien steht für ihn außer Frage, wenn er schreibt: „The object world, which is so interesting, so informing, and so intimately interwoven with the needs, labors and progress of men, furnishes the second great constituent of education for all children. […] It is one of the imperative needs of all human minds, that have retained their childlike thoughtfulness and spirit of inquiry, to desire to understand nature, to classify the variety of objects and appearances, to trace the chain of causes and to search out the simple laws of nature’s operations.” (McMurry, C. 1892, S. 29) Um ihren erzieherischen Wert herauszuarbeiten, beruft sich McMurry auf mehrere Ausführungen von bemerkenswerterweise ausschließlich deutschsprachigen Autoren, worunter sich auch Herbart, Ziller und Rein befinden sowie darüber hinaus Theodor Waitz und Adolph Diesterweg. Der Verweis auf Herbart, Ziller und Rein in diesem Zusammenhang ist unmittelbar einsichtig. Dass Theodor Waitz in dieser Reihe auftritt, dürfte wohl darin begründet liegen, dass er als Anthropologe durch seine Untersuchung zu den nordamerikanischen Ureinwohnern einem amerikanischen Publikum nicht nur bekannt ist, sondern international be- und geachtet wurde (vgl. Waitz 1862, 1864, 1865). Die Referenz auf Diesterweg basiert auf seiner naturalistisch geprägten Pädagogik, welche für den weiteren Argumentationsgang hinsichtlich der erzieherischen Bedeutsamkeit und Wertigkeit naturwissenschaftlicher Studien fruchtbar gemacht werden kann. Der Tenor dieser Zitate verdichtet sich dahingehend, dass für die ganzheitliche Verständigung darüber, was Leben ist und welche Stellung und Möglichkeiten der Mensch in diesem Leben hat, eine Auseinandersetzung mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis über die sowohl organische als auch anorganische Natur unersetzlich ist (vgl. McMurry, C. 1892, S. 30). Ein weiterer Bedeutungszusammenhang der naturwissenschaftlichen Studien ist ihre unbestreitbare Nützlichkeit für das menschliche Leben. Darüber hinaus wird ihr Wert für die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten, insbesondere des auf Beobachtung gründenden induktiven

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Schließens und systematischen Denkens, hervorgehoben (vgl. McMurry, C. 1892, S. 31). McMurry erweitert diesen Katalog mit dem Hinweis, welch stimulierendes Potential für Bildungsprozesse darin liegt, die kausalen Zusammenhänge der Umwelt, die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des Organischen von einfachen zu komplexeren Formen bzw. die Relationen des Organischen zur anorganischen Welt zu entschlüsseln. Diese Gesetzmäßigkeiten an bestimmten Beispielen aus der Lebenswelt der Zöglinge sichtbar zu machen, schafft ein tieferes Verständnis des Individuums zu seiner Umwelt und die komplexen Verhältnisse und Wechselwirkungen innerhalb der Natur (vgl. McMurry, C. 1892, S. 34). McMurry ist der Meinung, dass das wahre erzieherische Potential der naturwissenschaftlichen Studien nicht darin liegen kann, die einzelnen Gebiete wie Botanik, Zoologie oder Physik separat und unabhängig voneinander zu bearbeiten, sondern gerade in ihrer Verwobenheit und Ganzheitlichkeit für den Zögling sichtbar zu machen. Dies wird deutlich, wenn er schreibt: „In nature as it shows itself in the woods or in the pond, there is such a mingling and interdependence of the natural science upon each other that the book of natureseems totally different from books of botany, physics and zoology as made by men. […] A forest is a life society consisting of mutually dependent parts. How nature disregards our conventional distinction between the natural sciences. We need no better proof than this that they should not be taught chiefly from books. A child might learn a myriad of things in the woods and gain much insight into nature’s ways without making any clear distinction between botany, zoology and geology. Herein is also the proof that text-books are needed as a guide in nature`s labyrinth. If the frequency and intimacy of mutual relations are any proof of unity, the natural sciences are a unit and have a right to be called by one name, nature study [Hervorhebungen im Original, M.S.].” (McMurry, C. 1892, S. 34) Auffallend ist hierbei zum einen, dass McMurry für die Darlegung der grundlegenden Relevanz und Bedeutsamkeit naturwissenschaftlicher Studien insgesamt auf Referenzen zurückgreift; zum anderen lässt er in seinen eigenen Ausführungen in die übergeordneten didaktischen Überlegungen, die naturwissenschaftlichen Studien als „Studium der Natur“ aufzufassen, gleichzeitig methodische einfließen,

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3. Analyse Zweitkontext

indem er für diesen Bereich augenscheinlich einen Anschauungsunterricht als Ausgangspunkt für die systematische und abstrakte Betrachtung präferiert. Die systematische Implementierung des Studiums der Natur in den Lehrplan soll nach McMurry zwei Ziele vor Augen haben. Erstens soll im Zögling ein tieferes, rationales und intelligentes Verständnis seiner unmittelbaren Umwelt, aber gleichfalls, ausgehend davon von der Welt insgesamt generiert werden. Zweitens soll die pragmatisch orientierte Zielsetzung verfolgt werden, die Einsicht in die Nützlichkeit der Naturwissenschaften hinsichtlich des darauf beruhenden technologischen Fortschritts, der industriellen Weiterentwicklung der Gesellschaft und damit einhergehenden Erleichterungen des alltäglichen Lebens und Vergrößerung des Wohlstandes herbeigeführt werden (vgl. McMurry, C. 1892, S. 36). Die Betonung dieses Aspekts, auf welchen die Bedeutsamkeit naturwissenschaftlicher Studien insgesamt und für den schulischen Kontext herausgehoben wird, wird ab der zweiten Auflage zusätzlich durch ein längeres Zitat von Herbert Spencer unterstützt, was die Relevanz der spencer’schen Gedanken unterstreicht, zumal es in den weiteren Auflagen weiter Verwendung findet (vgl. McMurry, C. 1892, S. 47-48). McMurry fasst die hohe Gewichtigkeit besagter Studien in folgende eigene Worte: „Without natural science we should understand neither nature nor society.” (McMurry, C. 1892, S. 36) Die sich für McMurry daran anschließende Frage ist die nach dem disziplinären Wert des Studiums der Natur. An dieser Stelle erfolgt der Rückbezug auf die Nützlichkeit dieser Studien für die Entwicklung eines induktiven Denkens, eines Entdeckergeistes und die Fähigkeit, akkurat und systematisch zu denken. All dies kann durch das Studium der Natur angebahnt werden (vgl. McMurry, C. 1892, S. 37). Entscheidend an dieser Stelle ist allerdings, dass McMurry diese Perspektive zwar nicht verwirft, ihr jedoch vorwirft, die eigentliche Problematik zu verkennen. Die vorgeordnete Frage sollte stets jene sein, welche moralische Qualität und geistige Gesundheit für das Denken des Zöglings besitzt. Dies negiert eine formale Ausbildung keinesfalls, sondern versteht sie aus einer systematischen Perspektive als der Erziehung inhärent. Jedoch nicht als primäres Ziel, sondern in einem funktionalistischen Sinne, als Werkzeuge auf dem Weg der Ausbildung eines moralisch integren Charakters (vgl. McMurry, C. 1892, S. 38).

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Die Schlussfolgerung aus den vorangegangen Überlegungen fasst McMurry wie folgt zusammen: „The educational question of the future is not whether historical or natural or formal studies are to monopolize the school course, but rather how these three indispensable elements of every child´s education may be best harmonized and wrought into a unit.” (McMurry, C. 1892, S. 40-41) Das bedeutet, dass er zwar eine unterschiedliche Wertigkeit der drei Elemente, bezogen auf das höchste Erziehungsziel, formuliert, indem er den historischen Studien die höchste Bedeutsamkeit beimisst und diesen die naturwissenschaftlichen und formalen Studien nachordnet. Die grundsätzliche Bedeutsamkeit aller drei steht jedoch außer Frage. Das Desiderat besteht darin, wie sie in eine harmonische Ordnung gebracht werden können. Diese Problematik sollte, so lautet der Vorschlag McMurrys, von der Frage aus gedacht werden, welche Anforderungen das Leben an den Zögling als Bürger, der ein selbstbestimmtes Leben führen soll, richtet. Für McMurry bestehen diese Herausforderungen aus folgenden Aspekten: „He is asked to vote intelligently on social, political, sanitary and economic questions, to judge of men’s motives, opinions and character […]. These are not professional matters alone, they are common duties of all citizens of a sound mind. These things each person should know how to judge, whether he be a blacksmith, a merchant or a housekeeper. In all such matters he must be not only a judge of others but an actor under the guidance of right motives and information.” (McMurry, C. 1892, S. 42) Die schulische Ausbildung soll also dezidiert auf das Leben als Bürger vorbereiten. Dieses Dasein wiederum äußert sich darin, dass auf Basis der richtigen Motive und wertvoller Informationen gewertet und vor allem auch agiert wird, um ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein. In dieser Bestimmung der Anforderungen eines gesellschaftlichen Lebens an jeden Einzelnen spiegeln sich seine Überlegungen zur Wertigkeit der drei Elemente einer allgemeinen Bildung insoweit wider, dass es bestimmter Fähigkeiten und Wissensbeständen bedarf, die

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3. Analyse Zweitkontext

jedoch nur einen Wert haben, wenn sie im Sinne der richtigen Motive und psychischen Dispositionen eingesetzt werden. An dieser Stelle setzt McMurry mit seiner Kritik am bestehenden Schulwesen an, denn seiner Auffassung nach wird den Bereichen der historischen und naturwissenschaftlichen Studien weder die ihnen entsprechende Bedeutsamkeit beigemessen noch die angemessene konzeptionelle Verortung innerhalb einer didaktischen Theorie zuteil (vgl. McMurry, C. 1892, S. 43). Das grundsätzliche Problem identifiziert er in der didaktischen Vorstellung, dass zu Beginn eines jeden schulischen Lernprozesses die formalen Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens, als Basis allen weiteren schulischen Lernens stehen müssen und erst diese Fähigkeiten und Fertigkeiten die Auseinandersetzung mit und Aneignung von Wissensbeständen möglich machen. Für McMurry gilt es, dieses Denken zu überwinden und diese Fähigkeiten, deren Bedeutsamkeit für ihn außer Frage stehen, in der Beschäftigung mit interessanten, realen Objekten zu entwickeln und damit ihr natürliches Interesse an den Dingen ihrer Umwelt zu erhalten und fruchtbar für den Lernprozess zu machen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 43-44). Den zweiten didaktischen Grundsatz, den er kritisiert, ist die Vorstellung des Selbstzwecks dieser formalen Studien zur Disziplinierung der mentalen Fähigkeiten und Fertigkeiten, ohne ihren praktischen Nutzen zu berücksichtigen. Er richtet sich damit gegen ein Denken, dass sich die Wertigkeit des Lernens darin äußert, dass der Zögling den eigenen Widerwillen und das Desinteresse an einer bestimmten Tätigkeit überwindet und damit seinen Willen stärkt. Dieser Auffassung möchte McMurry nicht in seiner Zielsetzung, sondern dem didaktisch-methodischen Weg zu diesem Ziel, widersprechen. Es sind nicht die Tätigkeiten und Stoffe, die das größte Missfallen und den größten Widerstand hervorrufen oder die das größte Potential haben, den Willen zu trainieren. Sondern es ist die Anbahnung von Interesse am Lernen selbst, das die Bereitschaft zur Überwindung sich stellender Probleme generiert und den Willen stärkt (vgl. McMurry, C. 1892, S. 45). Dass das Lernen immer problembehaftet ist und Anstrengungen vom Zögling abverlangt, möchte er nicht bestreiten. Jedoch sollte die vorrangige Frage sein, wie es möglich ist, die Zöglinge dazu zu motivieren, sich diesen Problemen zu stellen und sie zu meistern. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass das erfolgreiche schulische Lernen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, die außerhalb der Verfügungsgewalt der Institution selbst liegen. Die Schule sollte jedoch den Ver-

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such unternehmen, Interesse zu entwickeln und ein Bedürfnis an weiteren Lernprozessen bei Zöglingen zu kultivieren (vgl. McMurry, C. 1892, S. 46). Zusammenfassend schließt McMurry seine Überlegungen mit folgenden Worten: „History in the liberal sense surveys the field of human life in its typical forms and furnishes the best illustrative moral materials. Nature study opens the door to the real world in all its beauty, variety and law. The formal studies constitute an indispensable part of useful and disciplinary knowledge, but they should occupy a secondary place in courses of study because they deal with the form rather than with the content [Hervorhebungen im Original, M.S.] of the sciences. It is a fundamental error to place formal studies in the centre of the school course and to subordinate everything to their mastery. History and natural science, on the contrary, having the richest knowledge content, constitute a natural centre for all educative efforts. They make possible a strong development of will-energy because their interesting materials furnish strong and legitimate incentives to mental activity and an enlarged field and opportunity to voluntary effort in pursuit of clear and attractive aims.” (McMurry, C. 1892, S. 47-48) Die grundlegende Position, die McMurry vertritt, bestimmt sich also dadurch, dass er dem Inhalt das Primat zuschreibt, welcher sich in den historischen und naturwissenschaftlichen Studien materialisiert, wobei den historischen Stoffen aufgrund ihres größeren Potentials hinsichtlich der Charakterbildung wiederum die Vorrangstellung zukommt. Die formalen Studien, wenn auch unerlässlich, sollen in ihrer Funktionalität für die beiden erstgenannten fruchtbar gemacht werden und als Mittel zum Zweck und keinesfalls als Selbstzweck in die didaktische Konzeption und Lehrplantheorie einfließen. Beschaut man sich die folgenden neun Auflagen, so kann konstatiert werden, dass sich der Umfang des Kapitels zwar stark erhöht, der Argumentationsgang mit zusätzlichen Beispielen und weiterführenden Erläuterungen ausgestattet wird, sich an den inhaltlichen Positionen jedoch nichts ändert. Interessant sind jedoch zwei Aspekte, die sich in der zehnten Auflage finden lassen. Zum einen ist das im Kontext der Ausführungen der formalen Studien und ihres Wertes die Erwähnung der

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3. Analyse Zweitkontext

doctrine of incidental teaching sowie eine offenbare Reaktion auf den Einzug des Werk- und Kunstunterrichts als eigenständige Fächer in den Lehrplan der Schulen. Zum erstgenannten Aspekt lässt sich bei McMurry nachlesen: „This inversion of the old order so that the content studies are put foremost and the formal or symbolic studies into a secondary role, suggests that incidental acquisition of symbols which has been urged so much of late by progressive teachers. It is well known that children will greatly increase their mastery of a reading vocabulary by voluntarily reading stories or books which they enjoy. In such cases the children are not consciously trying to master the symbols and vocabularies; but this result is attained incidentally, as a natural by-product of a healthy, energetic interest. This hint has led teachers throughout the grades to put more interesting and valuable reading matter, suited to the age, in each grade, so that children may master the formal difficulties with greater spontaneous energy and ease. The doctrine of incidental teaching has gained such foothold, that it has led, in some schools, to the extinction of certain studies, like language, drawing, and arithmetic, as independent studies in some of the grades (vgl. McMurry, C. 1903a, S. 71). Zum zweiten Aspekt schreibt McMurry Folgendes: „There are two important elements of culture, which have been working their way into our schools in recent years, suggested by the terms manual training and art studies [Hervorhebungen im Original, M.S.]. They have brought us to the point where we can see two comprehensive and difficult problems, toward the solution of which only the beginnings have been made in the common school.” (McMurry, C. 1903a, S. 79) Diese beiden bedeutsamen kulturellen Elemente, die einen unbestreitbaren Wert und daher auch für McMurry ein unbestreitbares Recht auf Aufnahme in den Lehrplan haben, stellen jedoch bei genauerer Betrachtung die Theorie eines Lehrplans vor zwei an ihnen gut sichtbar werdenden zeitgenössische Probleme. Die Problemhaftigkeit im Kontext der Implementierung des Werkunterrichts in den Lehrplan ergibt sich für McMurry aus dem folgenden Umstand:

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„Manual training has come to include not only the shop work, but all forms of industrial effort, the making, moulding, and construction exercises of primary children, domestic science, and the fashioning of materials into useful constructions in geography, history, and physical science. This notion of giving scope to the motor and constructive activities of children has far outrun the original meaning of manual training. It has developed into the conception of reorganizing the school course around the spontaneous activities of children, and of turning these activities into social and industrial channels.” (McMurry, C. 1903a, S. 80) Die Problematik ist für McMurry interessanterweise weder, dass diese Implementierung stattgefunden hat, noch, dass sich daraus ein leitendes Prinzip ergeben hat, das die selbsttätigen Aktivitäten der Kinder in den Mittelpunkt stellt und diese auf die sozialen und industriellen Bedürfnisse ausrichtet. Vielmehr ergibt sich die Problematik hinsichtlich einer systematischen Verbindung der einzelnen Aktivitäten und der Inbezugsetzung zu den anderen Studien, die im Lehrplan verankert sind. Die zunehmende Orientierung pädagogischen Denkens wird von McMurry begrüßt, wenn er schreibt: „The growing conception of the educational importance of the outgoing energies of children threatens to transfer the centre of gravity from the present studies to the child, and to demand a reorganization of educative materials and activities around this new centre. This step seems to be the final one in a long series of historical changes in education.” (McMurry, C. 1903a, S. 81) An dieser Stelle wird eine am Diskurs orientierte Transformation hinsichtlich der zunehmenden Kindzentrierung und der Betonung des praktischen Lernens sichtbar, die als eine Reaktion auf die insbesondere von Dewey, Harris, G. Stanley Hall und den Kinderforschern vorgetragene Kritik, der herbartianische Ansatz sei intellektualistisch, individualistisch und lehrerzentriert, interpretiert werden kann. Dies kann an folgenden Zeilen besonders deutlich gemacht werden: „Now at last we are summoned by some of our foremost thinkers to make the finals leap away from verbalism, even beyond manual training as an in-

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3. Analyse Zweitkontext

strument of culture, into the spontaneous energies and impulses of the child. Henceforth, we are to survey the studies from the standpoint of the child and his impulses, and no longer behold the child, at a distance, from the standpoint of the studies.” (McMurry, C. 1903a, S. 81) Der Charakter dieser Transformation, wie an späterer Stelle noch aufgezeigt wird, besteht jedoch nicht darin, die eigene Position aufzugeben, sondern die Kritik, die im zeitgenössischen Bildungsdiskurs von verschiedener Seite formuliert wird, in die eigene Konzeption aufzunehmen. Hier vollzieht sich Transformation also nicht bruchhaft, sondern es werden Variationen, die sich im Diskurs ergeben, selektiv wahrgenommen und es wird versucht, diese für die eigene Theorie fruchtbar zu machen bzw. sie daran anzupassen. Selbiges gilt, wenn McMurry sich mit dem zweiten Element, den künstlerischen Studien, auseinandersetzt: „The value of art studies, including music, drawing, painting, sculpture, architecture and literature, is obtaining more and more recognition. Not that our school programme is to be loaded with additional art studies, but the artistic sense, the appreciation of the forms of art, and the enrichment of school topics in all studies by seeing them from the artist’s point of view, will follow. Just as the best elements of history, science and literature are being slowly selected, as to their fitness and incorporated into the school course, so the artistic products of the best art periods of the world are being selected and brought to the attention of teachers and gradually absorbed into the life of the school.” (McMurry, C. 1903a, S. 82) Die Werthaftigkeit dieser Studien ist für McMurry ebenfalls evident. Ziel muss es sein, einen künstlerischen Sinn bei den Schülern zu entwickeln und diese Kompetenz des Perspektivwechsels für andere Inhalte fruchtbar zu machen, indem es möglich wird, diese von einem künstlerisch-ästhetischen Standpunkt aus thematisieren zu können. Die Aufgabe, die sich dabei stellt, ist die Frage nach der Auswahl der Stoffe.

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3.3.3.2 Concentration und Culture Epochs Diese Überlegungen und Schlussfolgerungen dienen als Fundament für seine Position hinsichtlich des Begriffs der Concentration, der im US-amerikanischen Bildungsdiskurs, hier allerdings zumeist unter dem Begriff der Correlation, ein stark umkämpftes Feld darstellt und in den verschiedensten Facetten durch die einzelnen Lager interpretiert und verfochten wurde. Selbst unter den US-amerikanischen Herbartianern fand er unterschiedliche Verwendung und Ausbuchstabierung. In der Folge soll zunächst das Theorieelement der Konzentrationsidee bzw. der Concentration im Mittelpunkt stehen, bei dem es ganz allgemein um die Frage der horizontalen Relationierung der einzelnen Unterrichtsstoffe oder, wie Rein es ausdrückt, um das Nebeneinander der Stoffe (vgl. Rein et al. 1888, S. 1) geht bzw. um das Organisationsprinzip des Nebeneinanders der Stoffe. Dieses Prinzip stellt eines der drei grundlegenden didaktischen Prinzipien nach Rein dar und wird von McMurry in seinem Werk The Elements of General Method based on the Principles of Herbart im vierten Kapitel näher ausgeführt und an anderen Stellen und in anderen Werken diesen zugrunde gelegt (vgl. McMurry, C. 1894a, 1894b, 1895b, 1895c, 1895d, 1895e, 1914). Der Modus der Darstellung und Analyse folgt der bisherigen Herangehensweise und widmet sich zunächst den Ausführungen der ersten Auflage, um im Anschluss durch die Kontrastierung hinsichtlich der Veränderungen der folgenden Auflagen die Modifikationen, die sich im Laufe der Zeit in seinen Ausführungen und Gedanke nachweisen lassen, aufzudecken. Dies wiederum folgt der Logik einer Transformationsperspektive. Vorab ist anzumerken, dass McMurry in die Ausführungen zu diesem Topos einen weiteren einflechtet, namentlich das didaktische Prinzip der Kulturstufentheorie, welches sowohl im Kontext der Untersuchung zu den Wertigkeiten der einzelnen Studien als auch im Zuge der Betrachtungen des Begriffes des Interesses angeklungen ist. Zu Beginn expliziert McMurry den Begriff wie folgt: „By concentration is meant such a connexion between the parts of each study and such a spinning of relations and connecting links between different sciences that unity may spring out of the variety of knowledge.“ (McMurry, C. 1892, S. 69)

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3. Analyse Zweitkontext

Diese begriffliche Bestimmung beschreibt die grundlegende Idee der Konzentration, auf der McMurrys Überlegungen basiert. Er legt hierbei augenscheinlich den Schwerpunkt auf die Verbindung der einzelnen Wissensbestände, die sich aus den Wissenschaften ergeben. Diese Verbindung setzt sich zum Ziel, diese miteinander so zu arrangieren, dass aus den verschiedenen Formen und Arten der Wissensbestände eine Einheit entspringt, die sich in einem harmonisierten Lehrplan materialisiert. Die dahinterliegende Idee, die dazu in mittelbaren Zusammenhang gebracht wird, ist die der Charakterbildung. Hierbei betont er, dass die Idee der Konzentration nicht nur den Bereich der schulischen Ausbildung umfassen sollte, sondern ebenfalls die Verbindung zwischen der unmittelbaren Lebenswelt der Zöglinge, wie sie sich in der Familie bzw. generell im Leben außerhalb der Schule gestaltet und innerhalb der Schule als Institution gestaltet. Hierzu schreibt McMurry: „Concentration is so bound up with the idea of character forming [Hervorhebung im Original, M.S.] that it includes more than school studies. It lays hold of home influences and all the experiences of the life outside the school and brings them into the daily service of school studies. […] In the end, all the knowledge and experience gained by a person at home, at school and elsewhere should be classified and related, each part brought into its right associations with other parts.” (McMurry, C. 1892, S. 69) Hier entfaltet McMurry eine sehr umfassende Vorstellung von Konzentration, die alle Wissensbestände und Erfahrungsräume der Zöglinge beachten und die informellen Seite und die non-formalen Orte des Lernens zur Geltung bringen will mit dem Anspruch, diese miteinander zu harmonisieren. Die Bedeutsamkeit der Konzentrationsidee im Hinblick auf die Charakterbildung wird an folgender Stelle überaus deutlich, wenn McMurry schreibt: „Concentration draws the feelings and the will [Hervorhebungen im Original, M.S.] equally into circle of operation. To imagine a character without feeling and will would be like thinking a watch without a mainspring. All knowledge properly taught generates feeling. The will is steadily laying out, during the formative period of education, the highways of its future ambitions and

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activities. Habit of willing are formed along the lines of associated thought and feeling. The more feeling and will are enlisted through all the avenues of study and experience, the more permanent will be their influence upon character.” (McMurry, C. 1892, S. 70) Hierbei werden verschiedene Aspekte im Denken McMurrys deutlich. Zunächst die Verbindung der Konzentrationsidee, der ein direktes Potential innewohnt, die Gefühlswelt und den Willen der Zöglinge in Bewegung zu versetzen und dadurch den Charakter mittelbar zu beeinflussen. Dies bedeutet darüber hinaus, dass McMurry dem Begriff des Charakters die Begriffe des Gefühls und des Willens subordiniert. Des Weiteren ist es die Vorstellung, dass alles Wissen, das präsentiert wird, Gefühle hervorruft. Dies gilt es zu beachten und zu nutzen, um die Bestimmung des Willens als die Kraft und Quelle der weiteren Entwicklung, modern mit dem Begriff der Bildungsaspiration zu bezeichnen. Auf deren Ausbildung soll insbesondere in der Kindheit und Jugend das Augenmerk gerichtet sein. In einem weiteren Schritt wendet sich McMurry der Frage zu, ob es im Sinne der Konzentration notwendig ist, einem Fach bzw. eine Studie ins Zentrum zu stellen, worauf die anderen durchgängig relationiert und bezogen werden. Oder sollte es darum gehen, alle Richtungen gleichberechtigt nebeneinander in ein harmonisches, organisches Verhältnis zu setzen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 70). Zu dieser Frage und deren Lösung nimmt er auf seine Ausführungen im Kapitel zu den Relative Values of Studies Bezug. Hierzu schreibt er: „It is evident that history and natural science at least hold a leading place among studies and determine to some extent the selection of materials in reading and language lessons. Accepting therefore the results of the two preceding chapters that history (in the broad sense) is the study which best cultivates moral dispositions; secondly, that natural science furnishes the indispensable insight into the external world, man’s physical environment, and, thirdly, that language, mathematics and drawing are but the formal side and expression of the two realms of real knowledge, we have the broad outlines of any true course of education.” (McMurry, C. 1892, S. 70-71)

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3. Analyse Zweitkontext

Dies stellt gleichsam das erste Ergebnis der Anwendung, basierend auf den Überlegungen der Wertigkeit der einzelnen Wissensgebiete, der Konzentrationsidee, dar. Die zwei großen Linien bilden dabei die historischen und die naturwissenschaftlichen Studien, denen die formalen Studien gleichsam beigeordnet und in direkter Abhängigkeit von beiden erstgenannten gedacht werden, was sich darin zeigt, dass sie nach McMurry in einem gewissen Maß die Inhalte und Gegenstände der formalen Studien determinieren. In einem zweiten Schritt gilt es nun im Sinne der Konzentrationsidee für McMurry, die Bezüge zu fixieren und genau festzulegen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 71). McMurry lässt keinen Zweifel daran, dass Gelerntes nur nachhaltig in den Wissensbestand der Zöglinge übergeht, wenn es zu einer Gefühlsregung führt und sich mit anderem Verknüpfen lässt (vgl. McMurry, C. 1892, S. 71). Diese Überzeugungen, besonders der zweite Aspekt, rekurrieren ganz eindeutig auf die Vorstellungen einer von Herbart und den Herbartianern vertretenen Assoziationspsychologie, die wiederum den psychologischen Begründungszusammenhang der Konzentrationsidee darstellt. In diesem Zusammenhang nimmt er Bezug auf eine Abhandlung seines Bruders, die sich ebenfalls mit der Konzentrationsidee bzw. mit dem Verhältnis der naturwissenschaftlichen zu anderen Studien beschäftigt. Darin heißt es: „The very important principle here involved is that the value of knowledge depends not only upon the distinctness and accuracy of the ideas, but also upon the closeness and extent of the relations into which they enter. This is a fundamental principle of education. It was Herbart who said, ‘Only those thoughts come and frequently to the mind which have at some time made a strong impression and which possess numerous connexions which other thoughts.’ And psychology teaches that those ideas which take an isolated station in the mind are usually weak in the impression they make and are easily forgotten. […] For the reproduction of ideas is largely governed by the law of association.” (McMurry, F. 1891, S. 51) Diese Bezugnahme auf die Assoziationspsychologie erfolgt hierbei mit einem direkten Verweis auf Herbart und dessen psychologische Grundlegung, die von den Herbartianern in der Konzeption der Konzentrationsidee zusammen gefasst

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wurde. Interessant und von Bedeutsamkeit ist dies insoweit, dass dieses psychologische Fundament, auf dem die Konzentrationsidee beruhte einen weiteren Aspekt darstellte, dem im US-amerikanischen Diskurs, besonders von Seiten der Pragmatisten, kritisch bis ablehnend gegenübergestanden und eine physiologische Psychologie favorisiert wurde (vgl. Anacker 2018, S. 207). Für McMurry stellt die Konzentrationsidee nicht nur ein Organisationsprinzip für Lehrstoffe dar, sondern sie zielt dezidiert auf die Charakterbildung und Geistesentwicklung der Zöglinge ab. Dies wird deutlich, wenn er schreibt: „The centre for concentrating efforts in education is not so much the knowledge given in any school course as the child´s mind itself. […] We have in mind not the objective unity of different studies considered as complete and related sciences, nor any general model to which each mind is to be conformed but the practical union of all the experiences and knowledge that find entrance into particular mind. The unity of the personality as gradually developed in a child by wise education is essential to strength of character.” (McMurry, C. 1892, S. 75.) Mit einem Verweis auf den Herbartianer Eduard Ackermann (vgl. Ackermann 1879) weist McMurry darauf hin, dass es an sich eine natürliche Tendenz des Geistes und der Personalität gebe, Vorstellungen, Ideen und Gefühlsregungen zusammenzuführen und ins Verhältnis zu setzen. Daraus ergibt sich das Ganze der Persönlichkeit, wobei dies in ständiger Bewegung ist. Diese Sichtweise auf Persönlichkeit, Charakter und Individualität ist in der Denkfigur des herbart’schen Gedankenkreises ausgedrückt, der durch Unterricht zielgerichtet bearbeitet werden soll. Denn „the knowledge and experience of life are so varied and seemingly contradictory that a young person, if left to himself or if subjected to a wrong schooling, will seldom work his way to harmony and unity” (McMurry, C. 1892, S. 76). Hierbei betont McMurry an dieser Stelle ein weiteres Mal, wie wichtig die harmonische Abstimmung zwischen Schule und Elternhaus ist: „How to unify home and school influences is one of those true and abiding problems of education that appeals strongly and sympathetically to parents and teachers.“ (McMurry, C. 1892, S. 77)

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3. Analyse Zweitkontext

Für den Bereich der schulischen Erziehung und Ausbildung sieht er zwei große Probleme, denen mit der Konzentrationsidee adäquat begegnet werden kann. Zum einen erkennt er die Gefahr eines unzusammenhängenden, oberflächlichen Wissensbestands und zum anderen die Gefahr eines enzyklopädischen Anhäufens von Wissen, welches durch die zunehmende Ausdifferenzierung und Hinzunahme weiterer Fächer noch verschärft wird (vgl. McMurry, C. 1892, S. 83). Die Lösung dieser Problematik macht er in der Konzentrationsidee aus, auf deren Basis es möglich wird, den Lehrplan unter Berücksichtigung der Relationierung der Fächer und Unterrichtsstoffe, die sich aufgrund dessen nicht nur ergänzen, sondern wodurch gleichsam der Lehrplan effizienter gestaltet werden kann und unnötige Redundanzen vermieden werden sollen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 84).42 Hierfür gilt es, die Studien in Form ihrer typischen Wesenheiten auszuwählen und in den Lehrplan aufzunehmen. Zudem ist eine falsch verstandene Konzentration im Sinne der Anordnung der Lehrstoffe nach konzentrischen Kreisen abzulehnen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 85). Interessanterweise hebt McMurry immer wieder, neben den historischen und naturwissenschaftlichen Studien als Quelle des real knowledge, ein bestimmtes Fach, nämlich die Geographie hervor, die er als Bindeglied und Ausgangspunkt für die Bearbeitung von verschiedenen Stoffen sieht. Hierzu schreibt er: „Geography especially serves to establish a network of connexions between other kinds of knowledge. It is a very important supplement to history. In fact history cannot dispense with its help. Geography lessons are full of natural science, as with plants, animals, rocks, climate, inventions, machines and races. Indeed there are few if any school studies which should not be brought into close and important relations to geography.” (McMurry, C. 1892, S. 88)

42 Dass sich die Funktionalität dieses Prinzips bereits vielfach bewährt hat, unterstreicht McMurry mit seinem Verweis auf den Engländer Joseph Payne, der zu Beginn des Jahrhunderts auf die Arbeiten von Joseph Jacotot, einem französischen Lateinprofessor, hingewiesen hat. Payne betonte, dass es bei der Wissensaneignung darum gehen muss, einen einzelnen Wissensbestand in seiner Wesenheit klar herauszuarbeiten und auf andere Wissensbestände zu beziehen. McMurry schreibt, dass Jacotot mit diesem Prinzip durchschlagenden Erfolg in Frankreich hatte. Bemerkenswert ist dies, da McMurry an dieser Stelle das Ausland als Argument (vgl. Zymek 1975) ganz explizit verwendet, zumal in doppelter Form, indem er sich auf die Ausführungen eines Engländers über einen Franzosen bezieht (vgl. McMurry, C. 1892, S. 84).

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Diese Vorliebe bzw. die Überzeugung hinsichtlich des Potentials geographischer Studien und Stoffe schlägt sich in einer Vielzahl seiner Werke direkt oder indirekt nieder (vgl. u.a. McMurry, C. 1891a, 1893d, 1898a, 1903b, 1904e, 1906, 1907). Abschließend schreibt McMurry zur Konzentrationsidee: „Concentration on a large scale and with consistent thoroughness has been attempted in recent years by the scholars and teachers of the Herbart school. It is based upon moral character as the highest aim, and upon a correlation of studies which attributes a high moral value to historical materials in the centre of the school course. The ability of the school to affect moral character is not limited to the personal influence of the teacher and to the discipline and daily conduct of the children, but instruction itself by illustrating and implanting moral ideas, and by closely relating all other kinds of knowledge to the historical series, can powerfully affect moral tendency and strength. If historical matter of the most interesting and valuable kind be selected for the central series, and the natural sciences and formal studies be closely associated with it, there will be harmony and union between the culture elements of the school course.” (McMurry, C. 1892, S. 90) Diese abschließenden Worte sind in mehrfacher Hinsicht bedeutsam für die Analyse, denn an dieser Stelle positioniert sich McMurry in Bezug auf die Wertigkeit der Studien ganz eindeutig und setzt die historischen endgültig an die erste Stelle. Dies hatte er in seinen Ausführungen zu den verschiedenen Wertigkeiten der Studien nicht in dieser eindeutigen und expliziten Art und Weise getan. Vielmehr hatte er, wenn er diese Setzung vornahm, dies postwendend relativiert und die naturwissenschaftlichen Studien koordiniert. Zum anderen ist diese eindeutige Positionierung in der Hinsicht von hoher Relevanz, da damit das Element der sogenannten Gesinnungsstoffe der Konzeption Reins, in enger Anlehnung an die ziller’schen, in vollständiger Übereinstimmung folgt. Wobei zu bemerken gilt, dass McMurry nie von Gesinnungstoffen spricht bzw. diesen Begriff nicht adäquat übersetzt, sondern immer nur von historischen Stoffen, die in das Zentrum gesetzt werden sollen. In diesem Zusammenhang nun kommt McMurry explizit auf das Theorieelement der Kulturhistorischen Stufen als Auswahlprinzip der moraledukativen Stoffe zu sprechen. Dieses Theorieelement bearbeitet McMurry nicht als

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eigenes Kapitel, sondern im Kontext der Konzentrationsidee als Unterpunkt bzw. schließt es an seine Überlegung zu selbigem an. Eingeführt und expliziert hatte er es schon an früherer Stelle im Zusammenhang mit dem Begriff des Interesses. Dass McMurry dieses Theorieelement nur als Unterpunkt bearbeitet, deutet daraufhin, dass er das eine dem anderen unterordnet, in dem Sinne, dass die Theorie der kulturhistorischen Stufen nur im Kontext der Konzentrationsidee Relevanz hat und ihre Funktion als pragmatisches Mittel erfüllt. Von größerem Interesse scheint daher die Idee der Konzentration gewesen zu sein, zumal die explizite Betrachtung der Kulturstufentheorie in der letzten Auflage der General Methods 1903 wegfällt und nur noch implizit erfolgt. Kulturelle Epochen fasst er wie folgt auf: „The culture epochs are those representative periods in history which are supposed to embody the elements of culture suited to train the young upon.” (McMurry, C. 1892, S. 91) In diesem Zusammenhang macht McMurry ein Momentum stark, das sich schon im Kontext seiner Untersuchung zu den Relative Value of Studies gezeigt hat, nämlich die Betonung der Bedeutsamkeit sowohl der historischen als auch der naturwissenschaftlichen Studien, wenn er schreibt: „The culture epochs imply an intimate union between history and natural science, the two main branches of knowledge, at every step. […] Men at all times have had physical nature in and around them. Every child is an intimate blending of historical and physical (natural science) elements. The culture epochs illustrate a constant change and expansion of history and natural science [Hervorhebungen im Original, M.S.] together and in harmony. As men have progressed historically and socially from age to age their interpretation of nature has been modified with growing discovery, insight, invention and utilization of her ressources.” (McMurry, C. 1892, S. 92) Dieses Momentum kennzeichnet sein gesamtes Denken hinsichtlich einer Lehrplantheorie. Es zeigt sich, dass er auf der einen Seite Rein in seinem Lehrplan und dessen zugrundeliegenden Prinzipien folgen will. Er relativiert diese jedoch insoweit, als er die Verbundenheit bedeutsamer kultureller Epochen zwar in his-

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torischen Stoffen und Personen repräsentiert sieht, allerdings diesen Epochen gleichwohl ihre Bedeutsamkeit aufgrund des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts, auf Basis der naturwissenschaftlichen Studien, zuschreibt. Dass McMurry die Theorie der kulturhistorischen Stufen eher in einem pragmatischen Sinne verwendet, wird an folgenden Worten deutlich: „As a theory the culture epochs may seem too loose and substantial to serve as the basis for such a serious undertaking as the education of children to moral character. The real test, fortunately, of the value of this theory is not so much in a general argument as in the application of the materials selected by it to school problems.” (McMurry, C. 1892, S. 93) McMurry will also die Theorie nicht als ein geschichtsphilosophisches Argument verstanden wissen und sich mit ihr als solcher auseinandersetzen, sondern versteht sie als ein adäquates Werkzeug oder Prinzip, um geeignetes Material für einen Lehrplan in chronologischer Reihenfolge auszuwählen. Die Theorie als zielführendes Instrumentarium setzend, wendet McMurry nun diese auf den amerikanischen Kontext an. Hierfür lehnt er sich stark an die Überlegungen Zillers und Reins an, indem er postuliert, dass die ersten beiden Stufen, repräsentiert in den Märchen und der Geschichte von Robinson Crusoe, als generelle Stufen der kulturellen Entwicklung der Menschheit angesehen werden können und es im Anschluss darum gehen sollte, die kulturellen Epochen einer Nation herauszuarbeiten, die es dann gilt, in den Mittelpunkt des Lehrplans zu setzen. Er grenzt sich insoweit von Ziller und Rein ab, indem er festhält, dass „the Jewish and German historical materials, which are made the moral-educative basis of the common school by the Herbartians, can be of no service to us except by way of example” (McMurry, C. 1892, S. 95). Zu den Gründen hierfür schreibt er: “Neither sacred nor German history can form any important part of an American [Hervorhebung im Original, M.S.] course of study. Religious instruction has been delegated to the church and German history touches us indirectly if at all. The epochs of history from which American schools must draw are chiefly those of the United States and Great Britain.” (McMurry, C. 1892, S. 95)

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3. Analyse Zweitkontext

Es sollen also keine sakralen bzw. religiösen Stoffe Eingang in den Lehrplan finden, da dies im US-amerikanischen Schulsystem strukturell nicht vorgesehen ist und den Kirchen obliegt. Die historisch und kulturell bedeutsamen Elemente gilt es zum einen in der Geschichte Großbritanniens und zum anderen in der dezidiert US-amerikanischen aufzusuchen und zu entnehmen. Die Logik des Prinzips bleibt also erhalten, jedoch weicht die materiale Ausgestaltung in hohem Maße ab. Die Problematik, die McMurry in diesem Kontext festhält, ist der, im Vergleich zu Europa, kurze Zeitraum einer eigenen Geschichte. Diese profitiert allerdings aufgrund der engen Verbindung von deren Errungenschaften direkt von der europäischen und knüpft an diese an, so dass die älteren Stufen der historischen Entwicklung in der US-amerikanischen Geschichte nicht repräsentiert sind. Deshalb scheint ein Rückgriff auf deren Geschichte unvermeidlich (vgl. McMurry, C. 1892, S. 96). Dass die US-amerikanische Nation und Gesellschaft ihre kulturelle Entwicklung vollständig hinsichtlich ihrer sozialen, politischen, religiösen und materiellen Aspekte durchlaufen hat, ist für ihn allerdings evident (vgl. McMurry, C. 1892, S. 96). Zu seinen Schlussfolgerungen hieraus lässt sich bei ihm nachlesen: „There is little in our history to appeal to children below the fourth grade, that is, below ten years; but from the beginning of the fourth grade on American history is rich in moral-educative materials of the best Quality and suited to children. We are able to distinguish for principle epochs: 1. The age of pioneers, the ocean navigators like Columbus, Drake and Magellan, and the explorers of the continent like Smith, LaSalle and Fremont. 2. The period of settlements, of colonial history and of French and Indian wars. 3. The Revolution and life under the Articles of Confederation till the adoption of the Constitution. 4. Self-government under the Union and the growth and strengthening of the federal idea.” (McMurry, C. 1892, S. 97) Aus diesen Epochen gilt es nun passende, moral-edukativ wirksame biografische und literarische Stoffe auszuwählen. In Bezug auf die ausgewählten Stoffe merkt McMurry im gleichen Zuge Verbindungen zu anderen Wissensgebieten an, insbesondere zu denen der naturwissenschaftlichen Studien und der Geographie sowie die Nutzung dieser Stoffe für

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den formalen Sprachunterricht (vgl. McMurry, C. 1892, S. 99). Die Verbindung von historischen mit geographischen Stoffen bietet sich besonders in der vierten und fünften Schulstufe an, in der die Pioniergeschichte im Mittelpunkt steht. Für McMurry lässt sich dies gut veranschaulichen, da die Geschichte der USA eine Geschichte der Entdeckung ist, die damit automatisch immer auch einen geographischen Bezug hat, die wiederum einen reichhaltigen Fundus an naturwissenschaftlichen Stoffen bereithält (vgl. McMurry, C. 1892, S. 100-105). In Bezug auf die Auflage von 1903 der General Methods und der Modifikationen hinsichtlich des Topos der Konzentrationsidee lässt sich die entscheidende Veränderung gleich zu Beginn feststellen, wenn man sich die Bezeichnung des Kapitels beschaut. Denn in dieser Auflage wechselt die Bezeichnung im Vergleich zu den vorherigen. Es wird nicht mehr von Concentration gesprochen, sondern der Begriff der Correlation eingeführt bzw. in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Interessant ist hierbei gleich zu Beginn, dass McMurry in der eingangs angeführten Explikation des Begriffs die Begrifflichkeiten einfach austauscht. Das heißt, dass die Explikation des Begriffes Concentration nun für den Begriff der Correlation gebraucht wird, also die semantische Bestimmung übertragen wird (vgl. McMurry, C. 1903a, S. 162). Dieser Modus der Substitution zieht sich mehr oder weniger durch das gesamte Kapitel. So schreibt McMurry beispielsweise: „Correlation is so bound up with the idea of character-forming that it includes more than school studies.” (McMurry, C. 1903a, S. 162) Augenscheinlich ist, dass dies derselbe Wortlaut wie weiter oben ist, außer, dass es statt Concentration nun Correlation heißt. Doch was bedeutet dies nun für seine inhaltliche Position? Interessanterweise bleibt diese bestehen. Es ändert sich jedoch der Modus der Darstellung. Ein entscheidender Hinweis auf die Motivation dieser Vorgehensweise gibt die folgende Formulierung: „In the discussion of this subject different terms have been employed to express different degrees of emphasis upon the idea of relations, such as coordination, correlation, and concentration.” (McMurry, C. 1903a, S. 164)

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3. Analyse Zweitkontext

Hier offenbart sich der Bezugszusammenhang, auf dessen Grundlage sich die veränderte Auseinandersetzung offenlegt. McMurry bezieht sich hier eindeutig auf den Diskurs zu dieser Thematik, wie er sich in den Jahren zwischen den verschiedenen Auflagen entwickelt hat. Augenscheinlich wird dies, wenn McMurry sich auf die Ergebnisse des Commitee of the fifteen43 bezieht. In diesem Report wird Correlation wie folgt begrifflich bestimmt: „Fourth and chiefly, our Committee understands by correlation of studies the selection and arrangement in orderly sequence of such objects of study as shall give the child an insight into the world that he lives in, and commands over its resources such as is obtained by a helpful co-operation with one´s fellows. In a word, the chief consideration to which all others are to be subordinated, in the opinion of our Committee, is this requirement of the civilization into which the child is born, as determining not only what shall study in school, but what habits and customs he shall be taught in the family before the school age arrives; as well as that he shall acquire a skilled acquaintance with some one of a definite series of trades, professions, or vocations in the years that follow school; and furthermore, that this question of the relation of the pupil to his civilization determines what political duties he shall assume and what religious faith and spiritual aspirations shall be adopted for the conduct of his life.” (Harris 1895a, S. 4) In einem Aufsatz schreibt Herman T. Lukens44, ebenfalls ein US-amerikanischer Herbartianer, rückblickend auf die Konferenz des besagten Komitees in Cleveland zu Beginn des Jahres 1895, und zitiert dabei William T. Harris45 mit folgenden Worten: 43 1893 kam es auf Initiative der „National Educational Association“ zur Gründung eines „Committee of the Fifteen“, das sich in drei Sub-Komitees unterteilte, von denen das eine über Lehrerausbildung beriet, das zweite über die „Correlation“ der Lehrfächer in der elementary-education und das dritte über die Organisation des City-Schulsystems. Leiter des zweiten Sub-Komitees war William T. Harris (vgl. Harris 1895a). 44 Lukens war vom Sommersemester 1889 bis Wintersemester 1891/92 ebenfalls ein Teilnehmer des Universitätsseminars in Jena unter Wilhelm Rein und sollte darüber hinaus bei Rein promovieren (vgl. Rein 1892b, S. 185-190). 45 Harris stellt generell einen großen und einflussreichen Kritiker der herbart’schen und herbartianischen Idee dar. So äußerte er sich ebenfalls gegenüber dem Begriff des Interesses, so wie er von Herbart und den Herbartianern vertreten wurde, sehr kritisch und führt hierfür insbesondere Hegel als Begründung an und greift die herbart’sche Position mit dem Argument an, dass „Herbart and his disciples […] have in their Psychology no space for the will as the free self-determination of the soul.“ (Harris 1895b, S. 73)

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„He [W. Harris, M.S.] said at Cleveland that ‘the word correlation had no business to mean what the Herbartians make it mean’, and asked ‘Why should they spring this use upon me?’” (Lukens 1895, S. 364) Daraus wird ersichtlich, dass der Begriff der Correlation nicht nur ein Begriff war, der von verschiedenen Autoren reklamiert wurde, sondern gleichfalls ein umkämpfter Terminus, der verschiedentlichste Ausprägungen aufwies. Selbst die US-amerikanischen Herbartianer untereinander vertraten hinsichtlich dieses Topos unterschiedliche Standpunkte.46 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass McMurry seine Position, wie er sie in der ersten Auflage der General Methods entwickelt und vertritt, über die Jahre nicht verändert, sondern die Darstellung und begriffliche Bestimmung dem Diskurs anpasst, um anschlussfähig für die wissenschaftliche Kommunikation im selbigen zu bleiben. Das heißt, dass die Umbenennung und abweichende Denomination daraus resultiert, dass im Diskurs, wenn es die Thematik der Relationierung der einzelnen Studien betraf, von Correlation gesprochen wurde und McMurry sein Verständnis von Correlation darlegte. Dies entsprach jedoch voll und ganz einer Concentration, wie er sie schon 1892 in der ersten Auflage der General Methods dargelegt hatte. Darüber hinaus fällt auf, dass McMurry einige seiner ausländischen Referenzen ausspart, die er in der ersten Auflage noch benutzt hatte. So finden sowohl Eduard Ackermann als auch Joseph Jacotot und mit ihm Joseph Payne keine Erwähnung mehr. Ein weiterer interessanter Befund im Vergleich der Auflagen stellt die stärkere Betonung der Bewandtnis eines Lehrplans, basierend auf der Konzentrationsidee und der Art zu denken, die durch einen solchen hervorgebracht werden kann, für das Leben außerhalb der Schule dar. Hierzu lässt sich bei McMurry nachlesen: “The failure to acquire proper habits of thinking is also exposed by the experience of practical life. In life we are compelled to see and respect the causal relations between events. We must calculate the influences of the stubborn 46 Charles DeGarmo beispielsweise vertrat eine von den McMurry Brüdern abweichende Position und eine Auffassung, die unter Correlation eine Koordinierung der Unterrichtsstoffe nach drei Gruppen vorsah und eine Konzentration im ziller-rein’schen Sinne ablehnte (vgl. DeGarmo, C. 1893, S. 455-468).

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3. Analyse Zweitkontext

forces and facts around us. But in school we often have so many things to learn that we have no time to think. At least half the meaning of things lies not in themselves, but in their relations and effects.” (McMurry, C. 1903a, S. 188) Hierbei sind die Argumente, die McMurry verwendet, relevant. Zum einen betont er wiederum die Bedeutsamkeit und Funktionalität für das Leben neben und nach der schulischen Ausbildung; zum anderen erinnert die Formulierung „calculate the influences of the stubborn forces and facts around us“ stark an pragmatistisches Denken47, das gegen Ende der 1890er Jahre in den Diskurs drängte (vgl. Krenzer 1984, S. 109). Eine weitere bedeutsame Änderung besteht darin, dass in der Bearbeitung dieses Topos die Theorie der Kulturstufen keine explizite Erwähnung findet bzw. gänzlich fehlt. Dieses Fehlen lässt sich damit erklären, dass die Theorie der Parallelität von Phylogenese und Ontogenese zu diesem Zeitpunkt weithin anerkannt war und im Diskurs als selbstverständliche und valide Denkfigur angesehen wurde. Sie entsprach einem evolutionistischen Denken, das im US-amerikanischen Erziehungsdenken seit Darwin einen festen Platz hatte. So schrieb zum Beispiel der einflussreiche Vertreter des child-study-movement G. Stanley Hall: „The principle that the child and the early history of human race are each keys to unlock the nature of the other applies to almost everything in feeling, will and intellect. […] The child relives the history of the race in his acts, just as the scores of rudimentary organs in his body tell the story of its evolution from the lower forms of animal life. […] The all dominant, but of course mainly unconscious, will of the child is to relive this past, as if his early ancestors were struggling in his should and body to make their influences and their voice heard.” (vgl. Hall 1904, S. 443-444)

47 Die Gedanken Peirce’ erlangten bezeichnenderweise Ende der 1890er Jahre Verbreitung und Anerkennung, als William James 1898 in einem Vortrag an der Universität von Kalifornien auf sie hinwies. Neben James sollte es vor allem John Dewey sein, der die Ideen von Peirce aufgriff und weiterentwickelte und vor allem auch in den Bildungsdiskurs einbrachte (vgl. Krenzer 1984, S. 109). Peirce publizierte seine grundlegenden Gedanken zu seinem pragmatistischen Denken erstmals Ende der 1870er Jahre (vgl. Peirce 1877, S. 1-15; 1878, S. 286-305).

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Selbst Dewey lässt erkennen, dass er von dieser Idee direkt in seinem Denken beeinflusst wurde, wenn er 1936 rückblickend über den ersten Lehrplan seiner 1896 gegründeten Laboratory School schreibt: „Superficially, there was a similarity to the ‘recapitulation’ theory in this method of enlarging the intrinsic experience of the children by means of subject-matter drawn from the development of the culture of mankind.” (Dewey 1936, S. 472)48 Auch an dieser Stelle kann die Veränderung der Darstellungsweise bzw. der konzeptionellen Ausgestaltung der Publizistik Charles McMurrys durch den Verweis auf den übergeordneten Diskurs verstanden und erklärt werden. 3.3.4 Formalstufentheorie Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels steht die Analyse des Topos der Formalstufentheorie. Die Interpretation derselbigen vollzieht sich am elaboriertesten in dem von den Brüdern Charles und Frank McMurry 1897 gemeinsam verfassten Werk, der Method of Recitation49. Die Grundlegung zu diesem Theorieelement 48 In einem Artikel von 1896 erkennt McMurry Deweys Sichtweise zur Theorie der Kulturstufen an, dass in einem erzieherischen Sinne im Kontext dieser Theorie die Entwicklungsstufe der Kinder in den Mittelpunkt gestellt werden sollte und als Ausgangspunkt für das Auffinden entsprechender Inhalte zu setzen sei. Er widerspricht im selben Artikel allerdings Deweys Ansicht, dass aktuelle gesellschaftlich bedeutsame Aspekte als konzentrierende Inhalte genutzt werden sollten. Hierzu schreibt er: „First, the critics of the culture epochs´ theory insists that we shall not impose that theory and its products upon the child, but examine the child´s activities and needs at any age and make this the basis of all experiment with educative materials. I accept this proposition. A second set of critics of the culture epochs´ theory come in and demand that present society shall determine their value for the child. I reply ‘Hands off!’ […] It is not denied in the least that present society must exert an enormous influence upon the child. It is only claimed that the past with its beginnings and simple typical forms of all our elements of culture may, after all, supply many of the best products suited to the child´s instincts and needs and adapted to best prepare him for his activities in society.” (Dewey 1896, S. 297). Hier tritt bei aller Annäherung eine grundlegend verschiedene Denkfigur der Rolle der Schule zu Tage. Während Dewey die Schule schon immer als Teil der Gesellschaft und der gesellschaftlichen bzw. geteilten Erfahrung (vgl. Dewey 1897) betrachtet, wird bei McMurry das Verständnis der Schule als eine auf die Gesellschaft vorbereitende Institution deutlich. 49 Bezüglich dieses Werks gilt es darauf hinzuweisen, dass die Brüder die Einleitung (S. 4-5) zusammen verfasst haben und die weiteren Kapitel untereinander aufteilten. So wurden von Charles McMurry die Kapitel I (S. 7-17), II (S. 18-38), VIII (S. 188-213), XI (S. 233-260), XII (S. 261-279), XIII (S. 280-291), XIV (S. 292-304) und XV (S. 305-319) und von Frank McMurry die Kapitel III (S. 39-46), IV (S. 47-57), V (S. 58-66), VI (S. 67-169), VII (S. 170-187), IX (S. 214-220) und X (S. 221-232) verfasst.

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3. Analyse Zweitkontext

vollzieht sich jedoch schon in der ersten Auflage der General Methods, wenn sich Charles McMurry mit den Begriffen der Induction und der Apperception auseinandersetzt, die in direktem Zusammenhang mit dem Lernprozess und der Methodik des Lehrgangs stehen und einen kurzen Überblick über die formalen Stufen gibt, den er zuvor an anderer Stelle schon veröffentlicht hatte (vgl. McMurry, C. 1890). Das Kapitel zu den Formalstufen wird nach der erstmaligen Veröffentlichung der Method of Recitation im Jahre 1897 in den weiteren Auflagen der General Methods gestrichen. Daher wird die Analyse der beiden Begriffe der Induction und Apperception im Kontext des Topos der Formalstufentheorie vorgeschaltet, da sich auf Basis dieser Auseinandersetzung die spezifische Interpretation der Formalstufentheorie der McMurrys herleitet. McMurry kennzeichnet die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Induction wie folgt: „Induction, or the concept-bearing process [Hervorhebung im Original, M.S.], shows the tendency of our minds to advance from the inspection of particular objects and actions to the understanding of general notions or concepts. The study and analysis of this process casts us forthwith into the midst of psychology, and calls for a knowledge of the succession and network of mental activities discussed in all the psychologies; sensation, comparison, judgment, generalization or concept, reasoning. An inquiry into these mental activities, which are among the most important in psychology, is necessary as a basis of induction and general method.” (McMurry, C. 1892, S. 122) Das heißt, dass diese Untersuchung und Bestimmung des Inhalts des Begriffs der Induction für McMurry eine unweigerlich psychologische Untersuchung darstellt, bei der es verschiedene Begrifflichkeiten aus dem Felde der Psychologie einzubeziehen gilt. Innerhalb der Analyse soll der natürliche Lernprozess bestimmt werden, wobei die Untersuchung der Prozesse des kindlichen Geistes in den Mittelpunkt zu stellen sind (vgl. McMurry, C. 1892, S. 123). Als grundlegende Operationen innerhalb der kindlichen Lernprozesse identifiziert McMurry die unaufhörliche Betrachtung der kindlichen Umwelt, den Vergleich verschiedener Objekte und Personen miteinander und die darauf basierende Klassifizierung dieser Objekte und Personen unter allgemeine Regeln und Konzepte (vgl. McMurry, C. 1892, S.

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124). Es deutet sich also gleich zu Beginn an, dass er den allgemeinen Verlauf des kindlichen Lernens als einen induktiv-deduktiven Prozess interpretiert und bestimmt, der von der Betrachtung konkreter Gegenstände und Personen über den Vergleich dieser zur Abstraktion führt. Die Rolle bzw. der Mehrwert in Bezug auf den Lernprozess, der sich aus einer induktiven Vorgehensweise ergibt, kennzeichnet McMurry mit folgenden Worten: „In acquiring knowledge along the line of induction, we are on the road to the solution of the puzzle [Hervorhebung im Original, M.S.] that nature puts to every child. To every infant indeed the world is an enormous riddle or puzzle whose parts lie in fragments about him waiting the operation of his curious and intentive mind toward the reconstruction of the whole.” (McMurry, C. 1892, S. 125) Dieser Prozess bildet für ihn zugleich den allgemeinen Erkenntnisprozess wissenschaftlichen Wissens. Für diesen Prozess gilt es nun durch den Unterricht eine solide Basis für das kindliche Lernen zu bereiten (vgl. McMurry, C. 1892, S. 126). Hier deutet sich bereits eine Denkfigur an, die an späterer Stelle noch deutlicher hervortritt. Es ist die Verknüpfung des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses als induktiver Prozess, der vom Besonderen auf das Allgemeine schließt sowie des Lernprozesses und die sich daran anschließende Unterrichtsmethodik, die sich in den Formalstufen methodisch abbilden lässt. Damit soll der Nachweis der Wissenschaftlichkeit der Methode abgesichert werden, wobei sich hierbei auffallend an der Vorgehensweise der Naturwissenschaften orientiert wird und sich darin die große Bedeutsamkeit naturwissenschaftlicher Studien dokumentiert. In der Method of Recitation wird sich in diesem Kontext interessanterweise auf den englischen Biologen und einflussreichen Unterstützer sowohl des Empirismus nach Hume als auch der darwin´schen Evolutionstheorie Henry T. Huxley berufen, der den induktiven Erkenntnisprozess als den allgemeinen Erkenntnisprozess der Naturwissenschaften bezeichnete (vgl. Huxley 1880) und propagierte (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 214). Diese Art des Prozesses der Erkenntnisgenerierung wird von den McMurrys für alle Studien postuliert:

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3. Analyse Zweitkontext

„In short the inductive process is a natural highway of human thought in every line of study bringing all the mental forces into orderly, successive, healthful activity.“ (McMurry, C. 1892, S. 127) Der induktive Prozess lässt sich laut McMurry deshalb unterrichtsmethodisch übersetzen, da es als methodisches Prinzip für alle Studien Gültigkeit besitzt. Als Ganzes betrachtet ist der induktive Prozess gekennzeichnet von absorption und reflection, die den natürlichen Rhythmus des Geistes im Kontext der Aneignung und Elaboration von Wissensbeständen innerhalb des Lernprozesses darstellen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 127). Der Effekt, der sich innerhalb dieses Prozesses einstellt, ist der des Aufbaus von abstrakten mentalen Konzepten, die das Wissen organisieren. Auch hier weist McMurry explizit auf die Verwandtschaft eines solchen allgemeinen Prozesses mit dem der Naturwissenschaften hin (vgl. McMurry, C. 1892, S. 134). Aus der spezifischeren Analyse des induktiven Prozesses und seines Verlaufs ergeben sich zwei Stufen, die er als observation oder intuition50, als direkte Perzeption der Realitäten der Umwelt durch die Sinne oder das Bewusstsein bestimmt (vgl. McMurry, C. 1892, S. 135). Der zweite Schritt bestimmt sich durch das Vergleichen und in Bezug setzen der einzelnen Elemente und daraus abgeleiteten allgemeinen Konzepten, wobei den object-lessons eine besondere Bedeutung zukommt. Zu den object-lessons schreibt McMurry in diesem Zusammenhang Folgendes: „Object lessons in this liberal sense point to the direct exercise of the senses and intuitions in the acquisition of experiences of all [Hervorhebung im 50 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass McMurry ab der vierten Auflage der General Methods an dieser Stelle selbst auf einen, für die Kulturtransferforschung generell virulenten Aspekt der Analyse hinweist, nämlich die Problematik der Übersetzung und die damit zusammenhängende Problematik der semantischen Umwertung von Begrifflichkeiten. Ein bedeutsamer Modus innerhalb der Transformation von, in diesem Falle pädagogischer, Theorie stellen also allein die sprachliche Übersetzung und die damit einhergehende Reformulierung der Semantik dar, die die Rezeption im Aufnahmekontext erschwert und potentiell zu Missverständnissen führt (vgl. Shimada 1997, S. 260-274; Röttger-Rössler 1998, S. 255-315). McMurry schreibt in einer späteren Auflage hierzu: „Intuition is popularly used in a sense different from the above. We are in need of a word which has the same meaning as the German word Anschauung [Hervorhebung im Original, M.S.], for which there is no popular equivalent in English.” (McMurry, C. 1895a, S. 160) Dies stellt eine der wenigen Stellen dar, an der McMurry eine Metaperspektive auf das eigene Denken in Bezug die Entwicklung seines pädagogischen Denkens, basierend auf einem interkulturellen Transfer und dem damit einhergehenden transnationalen und transkulturellen Charakter seiner Theoriebildung, einnimmt.

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Original, M.S.] sorts. They include the objects, persons and events that we see around us and our own experiences in ordinary life.” (McMurry, C. 1892, S. 135) McMurry legt also einen sehr abstrakten Begriff der object-lessons vor und deutet den universellen Charakter des Lernprozesses anhand von Erfahrungen mit Objekten, mit Personen oder Geschehnissen an. Object-lessons materialisieren sich also in einer grundlegenden Form der Begegnung mit der Welt, was ihre didaktische Bedeutsamkeit für McMurry evident macht. Ein weiterer Begründungszusammenhang für die Evidenz der Wirksamkeit der object-lessons ergibt sich aus ihrem Bezug zum Interesse, das sich in der direkten Bezugnahme auf das Leben und der daraus resultierenden Anschaulichkeit erwecken lässt. Kindliches Denken interessiert sich für das Konkrete und erst im späteren Lern- und Entwicklungsprozess für abstrakte Wissensbestände (vgl. McMurry, C. 1892, S. 137). Diesen Hinweis hatte er schon im Kontext des Interesses geäußert, wenn er Kinder als kleine Materialisten bezeichnete (vgl. McMurry, C. 1892, S. 59). Auch, wenn jedes Wissensgebiet vor allem durch seine abstrakten Regeln und Gesetzte gekennzeichnet ist und es diese auch ohne Einschränkung als Zielstellung im Lernprozess anzuvisieren gilt, so ist es für McMurry grundlegend falsch, an ihnen anzusetzen und durch sie den Lernprozess initiieren zu wollen (vgl. McMurry, C. 1892, S. 138). Als Referenzen und Autoritäten, die diese Position entwickelt und vertreten haben, verweist McMurry insbesondere auf Comenius und vor allem auf Pestalozzi, die diese Art des Lehrgangs als Anschauungsunterricht herausgearbeitet und seine Wirksamkeit und Evidenz nachgewiesen haben. Hier zeigt sich zum wiederholten Male, dass McMurry in seinem Denken eklektizistische Züge erkennen lässt, wenn er unterschiedliche pädagogisch-ideengeschichtliche Anleihen für seine eigene Position und Argumentation heranzieht. Die zweite Stufe in diesem induktiven Prozess, die reflection, umfasst dann den Vergleich, die Klassifizierung und die Abstraktion. McMurry diskutiert diese Prozesse vom Standpunkt der „association of ideas“ (McMurry, C. 1892, S. 141). Das heißt, ernährt sich ihr vom Standpunkt der Assoziationspsychologie, wie sie von Herbart vertreten wurde, die wiederum in direktem Zusammenhang mit der Konzentrationsidee steht, da sie einerseits die Verknüpfung der Wissensinhalte und zum anderen die Konsistenz der Bewusstseinsinhalte anbahnt. Sie geht über

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das übliche Verständnis des Wissenserwerbs hinaus und manifestiert sich in der Elaboration und Assimilation der Wissensinhalte, was zu einem tieferen Verständnis führen soll und den weiteren Lernprozess unterstützt (vgl. McMurry, C. 1892, S. 141). Assimilation und Elaboration stehen dabei in einer wechselseitigen Abhängigkeit, da die Elaboration von Wissensinhalten auf der Assimilation neuer Ideen und Inhalte beruht und das Elaborationsniveau wiederum die Assimilation begünstigt. Was McMurry hier diskutiert, lässt sich als Kritik an der Praxis der reinen Wissensvermittlung lesen, da sie dem Edukanden keine Zeit der Besinnung, der Reflexion über die ihm präsentierten Unterrichtsgegenstände einräumt. Beide Prozesse basieren dabei auf der bereits oben genannten Denkfigur der Assoziation von Ideen, die in einem engen Verhältnis zum Theorieelement der Apperception steht. Zum allgemeinen Begriffsverständnis der Appercetion schreibt Charles McMurry: „Apperception may be roughly defined at first as the process of acquiring new ideas by the aid of old ideas already in the mind.” (McMurry, C. 1892, S. 106) Diese psychologische Denkfigur stellt für McMurry eine bedeutsame Gesetzmäßigkeit des Lernprozesses dar und wird dadurch zu einem Prinzip, das es sowohl bei der Auswahl als auch in der Unterrichtsmethodik und dem Ablauf des Lehrgangs zu beachten gilt, da es vor dem Hintergrund dieses Prinzips für McMurry unerlässlich ist, Vorwissen zu aktivieren. Der Modus der Apperzeption ist dabei dergestalt, dass er die Transformation eines neueren und damit auch schwächeren geistigen Konzepts durch ein älteres, das durch ein höheres Elaborationsniveau gekennzeichnet ist und es damit an innerer Organisation übertrifft, darstellt. Darin zeigt sich sein Prozesscharakter, der von der Verschiedenartigkeit der bereits vorhanden Vorstellungskomplexe und dem Neuen in Gang gesetzt wird. Apperzeption ist damit die Reaktion des Alten auf das Neue, wobei sich in ihr das Übergewicht der älteren, festeren und in sich geschlossenen Konzeptgruppen im Gegensatz zu den Begriffen, die gerade in das Bewusstsein getreten sind, zeigt (vgl. McMurry, C. 1892, S. 262-263). An späterer Stelle, in der Method of Recitation, beruft er sich dabei als Referenz für dieses Verständnis auf William T. Harris (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 216). Die Ausnahme bilden vollkommen neue Wissensbestände, die zunächst durch perception bzw. intuition handhabbar gemacht werden müssen. Der große Er-

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trag innerhalb des Lernprozesses unter der Beachtung dieses psychologischen Konzepts ergibt sich für McMurry daraus, dass „apperception, therefore, hast he same final tendency that will be observed in the inductive process [Hervorhebung im Original, M.S.], the unification of knowledge, the concentration of all experience by uniting its parts into groups and series.“ (McMurry, C. 1892, S. 116) Daher muss dies ein universelles Prinzip für McMurry darstellen und als ein abstraktes Organisationsprinzip für alle Studien gelten: „The general plan of all studies [Hervorhebung im Original, M.S.] is based upon this notion of acquiring knowledge by the assistance of accumulated funds.“ (McMurry, C. 1892, S. 112) In diesem Kontext nimmt McMurry in seinen General Methods wiederholt zum einen auf die Überlegungen Gustav Lindners (vgl. Lindner 1868, 1890) und zum anderen auf Karl Lange (vgl. Lange 1879, 1892) Bezug. Zu diesen beiden Autoren ist festzuhalten, dass Karl Lange ebenfalls bei Rein und seinen Ausführungen zu den Formalstufen mit demselben Werk in der Literaturliste nachzuweisen ist (vgl. Rein et al. 1888, S. 27). Gustav Lindner findet sich in den Angaben bei Rein allerdings an keiner Stelle. Vor dem Hintergrund der Klassifikation, die Louis Gockler (vgl. Gockler 1905) vornahm, auch wenn diese durchaus kritisch zu betrachten ist (vgl. Oelkers 1998, S. 141), dass Gustav Lindner in einem weiten Verständnis dem unabhängigen bzw. sehr frei an Herbart anschließenden Herbartianismus zuzuordnen ist, ist es ein interessanter Befund, dass McMurry ihn zur Darlegung seiner eigenen Position so prominent heraushebt. Dies lässt sich damit begründen, dass zum einen, ganz pragmatisch, Linders Werk in englischer Sprache vorlag und zum anderen in theoretischer Hinsicht, dass Lindner die Psychologie als eine eindeutig induktiv verfasste Wissenschaft betrachtete, was wiederum zur Position und zum Verständnis der Theorie der Formalstufen als eine schlussendlich induktive Methode von Charles und Frank McMurry nur allzu gut passte. In den weiteren Auflagen der General Methods, insbesondere ab der vierten von 1895, erfährt der Begriff eine systematischere Einbettung in den Zusammenhang zu den anderen Topoi, die in den General Methods bearbeitet werden, was eine generelle Tendenz des Werkes und seiner Neuauflagen darstellt. Dies soll exemplarisch an folgendem Zitat deutlich werden:

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3. Analyse Zweitkontext

„We observe in passing that the important principles already discussed stand in close mutual relation and dependence. Interest aids concentration by bringing all kinds of knowledge into close touch with the feelings. Interest puts incentives into every kind of information so as to arouse the will, which, in turn, unifies and controls the mental actions. But concentration has a reflex influence upon interest, because unity and conscious mastery give added pleasure to knowledge. The culture epochs are expected to contribute powerfully to both concentration and interest; to the former by supplying a series of rallying-points for educative effort, to the latter by furnishing matter suited to interest children. Induction is a natural method of acquiring and unifying knowledge in an interesting way. Apperception, in turn, is a principle of mental action which puts life and interest into inductive and concentrating processes.” (McMurry, C. 1895a, S. 175-176) McMurry gelingt es zunehmend, seine Lehre systematischer auszugestalten und die Interdependenzen, die zwischen den einzelnen Theorieelementen bestehen, herauszuarbeiten. Aufschlussreich ist an dieser Stelle ein weiteres Mal, wie stark die Koppelung von Interesse und Gefühl in McMurrys Verständnis des Interesses zunehmend herausgestellt wird und die intellektuelle Dimension des Interesses als reines Produkt der formalen Interaktion von Vorstellungen keine Erwähnung findet. Zum anderen lässt sich zum wiederholten Male das Motiv der unity of influence herauslesen, wobei die Idee der Apperception ein aktivierendes und interessierendes Moment darstellt, auf dem die Generierung von Interesse beruht (vgl. McMurry, C. 1895a, S. 191). Eine erweiterte Systematisierung des Begriffs der Apperception selbst erfolgt ebenfalls ab diesem Zeitpunkt, wenn McMurry schreibt: „Apperception, however, is not limited to the effects of external objects upon us, to the influence of ideas coming from without upon our old stores of knowledge. Old ideas, long since stored in the mind, may be freshly called up and brought into such contact with each other that new results follow, new apperceptions take place. In moments of reflection we are often surprised by conclusions that had not presented to us before. […] This inner apperception [Hervorhebungen im Original, M.S.], as it has been sometimes

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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called, takes place constantly when we are occupied with our own thoughts, rather than with external impressions.” (McMurry, C. 1895a, S. 191) Die daraus abgeleitete didaktisch-methodische Schlussfolgerung ist für McMurry, solche Prozesse vor allem dahingehend zu ermöglichen, dass es darauf zu achten gilt, den induktiven Prozess nicht zu schnell zu vollziehen und den Schülern genügend Zeit und Raum zur Besinnung zu geben (vgl. McMurry, C. 1895a, S. 192). Darüber hinaus gilt für die Darstellung des Verständnisses von Apperception, dass sich McMurry weiterhin auf die Referenzen von Karl Lange und Gustav Lindner beruft, allerdings Lange in den folgenden Auflagen ungleich mehr Raum eingeräumt wird (vgl. McMurry, C. 1895a, S. 192-204), was McMurry folgendermaßen begründet: „The freedom with which we qoute extensively from Lange is an acknowledgement of the importance of his treatise [gemeint ist Langes Schrift Über Apperzeption, M.S.]. We are indebted to it throughout for many of the ideas treated.” (McMurry, C. 1895a, S. 204) Bedeutsam ist dies vor dem Hintergrund, da Lange zu den weniger beachteten Herbartianer im deutschsprachigen Diskurs zählt. Zumal man, wenn man sich die Literaturangaben in Reins Acht Schuljahre betrachtet, den Eindruck gewinnen kann, dass die genannten Autoren nach Relevanz und weniger nach Jahreszahlen oder alphabetisch aufgelistet sind, da Herbart und Ziller immer zuerst genannt werden und die Abhandlung Langes, auf die sich auch McMurry beruft, an letzter Stelle genannt wird. Rein selbst hat sie zwar für seine Position genutzt hat, ihr allerdings offenbar nachgeordnete Bedeutsamkeit einräumt. Die Übersetzung besagten Werks von Karl Lange war allerdings eines der ersten Projekte, das der neugegründete Herbart Club 1892 in Angriff nahm. Vor diesem Hintergrund lässt sich schlussfolgern, dass der Topos Apperception zum einen per se ein für die US-amerikanischen Herbartianer und vor allem für Charles McMurry ein bedeutsames Theorieelement darstellt und die Ausführungen und Gedanken Langes eine passende Grundlage hierfür liefern. Daran wird ein weiteres Mal ersichtlich, wie vielschichtig die inhaltlichen Bezugspunkte dieses Kulturtransfers des pädagogischen Herbartianismus in den US-amerikanischen Kontext verfasst waren und keine

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3. Analyse Zweitkontext

eindeutige Linie von Rein zu McMurry gezogen werden kann und die Komplexität dieses Transfers pädagogischer Theorie andeutet. Zumindest kann in diesem Falle festgehalten werden, dass Charles McMurry kontinuierlich im Kontext dieses Topos an der Referenz aus dem deutschsprachigen Raum und damit am Modus des „Auslands als Argument“ (vgl. Zymek 1975) festhält, was nicht verwundert, auch wenn sich US-amerikanische Autoren, zum Beispiel William James, der dem Begriff zumindest für die Pädagogik Bewandtnis zusprach, ihn für die Psychologie allerdings für unbrauchbar hielt (vgl. James 1899, S. 155-168). Auch Josiah Royce (vgl. Royce 1901, S. 1-108, S. 205-242, S. 279-332) sah ihn im Verständnis Herbarts sehr kritisch und fand ihn zu rationalistisch. Diese Autoren haben sich zu dieser Thematik geäußert und nahmen eine in der herbartschen Prägung im US-amerikanischen Diskurs ablehnende Haltung ein (vgl. Saettler 1990, S. 46). Die finale Stufe des induktiven Prozesses stellt für McMurry die Formulierung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten dar. Hierzu schreibt er: „The final stage of induction is the formulation of the general truths, the concepts, principles and laws which constitute the science of any branch of knowledge. […] Moreover the results reached, when reduced to the strict scientific form are the same in the inductive methods as in the deductive or common text-book method. Not that the effect on the mind of the learner is the same but the body of truth is unaltered. The general truths of every subject can easily found well arranged in text-books. But we are more anxious to know how the youth may best approach and appreciate these truths than simply to see them stored in the mind in a well-classified form.” (McMurry, C. 1892, S. 143-144) Was McMurry in seiner Analyse und Bestimmung generell verkennt und damit den Lernprozess stark verkürzt und vereinfacht analysiert, ist, dass Lernprozesse, sobald es darum geht, abstrakte Wissensbestände auf neue Inhalte anzuwenden, notwendig deduktiv ablaufen und Lernen als Prozess, wie auch die Begegnung mit der Welt allgemein, sich als ein Wechselspiel von Induktion und Deduktion gestaltet. Seine bis dato zu konstatierende Fokussierung auf den Lernprozess als einen induktiven lässt sich damit erklären, dass er die Wissenschaftlichkeit seiner

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Methode damit validieren wollte und dies mit dem Verweis auf naturwissenschaftliches Vorgehen, das er aus einer empiristischen Denkfigur heraus als ein rein induktives bestimmt und zugleich dieses wiederum zum generellen menschlichen Prinzip der Erkenntnis erhob, absichern und belegen zu können glaubte, was am Beginn der Einführung seiner herbartianischen Position von großer Bedeutsamkeit war, um dieser Theorie Anerkennung zu verschaffen. Erst später in der Method of Recitation wird diese Verkürzung revidiert und vom Lern- und Lehrprozess als einem induktiv-deduktiven Prozess gesprochen, wobei dem induktiven Moment zwar weiterhin der Vorrang eingeräumt wird, jedoch die deduktiven Anteile des Erkenntnis- und Lernprozesses Berücksichtigung finden. Dies lässt sich auch für die General Methods in der 10. Auflage von 1903 nachweisen. Dieser Befund spricht für das oben genannte Argument, dass es zu Beginn seines publizistischen Wirkens und der Einführung herbartianischer Positionen zu vorderst darum ging, die Wissenschaftlichkeit der Theorie herauszustreichen, um sich im Diskurs behaupten zu können bzw. Gehör zu verschaffen und die eigene pädagogische Theorie als Variation der bisherigen durch die Referenz auf eine allgemein anerkannte Position, in diesem Falle die Wissenschaftlichkeit der Methodik der Naturwissenschaften als einer empirischen Wissenschaft, zu unterfüttern und damit die Wahrscheinlichkeit der Selektion bzw. Rezeption der eigenen Position zu erhöhen. Zumal dieser Diskursstrang, die Frage nach dem Wissenschaftscharakter der Education, spätestens seit den 1870er Jahren im US-amerikanischen Bildungsdiskurs ein virulenter war. Diese begrifflichen Vorüberlegungen, wie sie hauptsächlich in den General Methods angestellt werden, dienen als Grundlage für die Ausbuchstabierung der Formalstufentheorie, wie sie in der Method of Recitation erfolgt. Diese beiden Werke stehen in engem Zusammenhang, da die General Methods den ersten und die Method of Recitation den zweiten Teil des Unterfangens einer umfassenden Methodenlehre darstellen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 5). In diesem Zusammenhang sind verschiedene generelle Hinweise von Bedeutung, wobei sich der eine auf den Entstehungszusammenhang des Werkes, ein anderer auf die Verwendung des Terminus Recitation und ein weiterer auf den Diskursstrang zur Frage nach dem Wissenschaftscharakter der Pädagogik bezieht. Zum ersten schreiben die McMurrys selbst Folgendes:

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3. Analyse Zweitkontext

„The Method of Recitation has sprung out of school-room work, and is designed to be a practical application of the principles of Method to the various problems of class-room instruction. It is an effort to bring together and to organize the various principles that control skillful teaching. It is based fundamentally upon the inductive-deductive thought movement in acquiring and using knowledge. […] The Method of Recitation is based upon the principles of teaching which were expounded and illustrated in the work of Herbart, Rein and Ziller. At the same time, the authors hope to have shown in the body of the work that we have to do here with principles recognized by teachers in every land, and that there is no thoughtless imitation of foreign methods and devices. While our debt to German thinkers for an organization of fundamental ideas is great, the entire discussion, as here presented, springs out of American conditions; its illustrative materials are drawn exclusively from lessons commonly taught in our schools. In fact, the whole book, while strongly influenced by Herbart´s principles, is the outgrowth of several years´ continuous work with classes of children in all the grades of the common school.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 4-5) Diese Stelle ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen werden die Parallelen zwischen den verschiedenen Modi der Explikation der eigenen Position deutlich. Es wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sich auf eine ausländische bzw. kulturfremde Position als Basis der eigenen bezogen wird, was die Strategie des Auslands als Argument (vgl. Zymek 1975) repräsentiert und zum anderen wird die darauf aufbauende Genese der eigenen Position aus inländischen Dispositionen und binnenlogischen Erfordernissen herausgestrichen. Schließlich tritt die eklektizistische und damit auch unscharfe Bezugnahme auf verschiedene Autoren und Positionen hervor, die schlussendlich als herbart’sche Prinzipien vereinheitlicht werden. Bei dieser Vorgehensweise wird an keiner weiteren Stelle eine Metaperspektive auf die Ausbuchstabierung und ihre Verwobenheit mit den verschiedenen Positionen eingenommen. Das heißt, dass mit dem Momentum der kulturell bedingten Transformation von den Autoren nicht reflexiv und explizit umgegangen wird und die transferierten Theorien ausschließlich im Modus der Akkulturation in den eigenen kulturellen Kontext implementiert werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Modus der Akkulturation im vorliegenden

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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Fall stark praxeologisch orientiert ist, das heißt, die Transformation erfolgt nicht wissenschaftlich-experimentell, sondern aus der praktischen schulpädagogischen Arbeit heraus. Es tritt also zum weiter oben schon herausgearbeiteten Modus der diskurs-orientierten Transformation der Modus der praxeologisch-orientierten Transformation hinzu. In Bezug auf den Terminus Recitation ist es zunächst dessen Verwendung, die irritiert. Die naheliegende Übersetzung wäre „Rezitation“. Zumal sich die McMurrys entschieden gegen die Praxis der Rezitation als Unterrichtsmethodik aussprachen und die von Lehrbüchern unabhängige Kompetenz des Lehrers entwickeln wollten. Warum nicht der Terminus Instruction oder einfach Teaching? An dieser Stelle wird die Problematik der bilingualen textbasierten Analyse innerhalb eines Kulturtransfers deutlich. Denn Recitation kann an dieser Stelle keineswegs in der Bedeutung „Rezitieren“ übersetzt werden, sondern kennzeichnet die Kombination aus induktiven und deduktiven Schritten als einer auf Konversation beruhenden Unterrichtsmethodik, die am besten mit „fragend-entwickelnder Unterricht“ übersetzt werden kann, was weiter unten, wenn die developing method besprochen wird, noch von besonderer Bedeutsamkeit sein wird. Die Wahl dieser Terminologie ist also ganz bewusst gesetzt und gibt schon die allgemeine Denkrichtung hinsichtlich der methodischen Gestaltung des Unterrichts vor. Der dritte Aspekt, die Bezugnahme auf den Diskursstrang der Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Pädagogik, wird von den McMurrys mit den folgenden Worten aufgegriffen: „There has been a long-standing dispute among teachers wether or not the processes of instruction must conform to any fixed and uniform regulatives. Among scholars, and even teachers, many have been skeptical of anything like a definite science of education. This tendency to discredit a science of education is indicated by our use of the term method [Hervorhebung im Original, M.S.]. There is scarcely a more common word in the teaching profession, and it is frequently employed in the plural form, a practical admission not of one and only one right method, but their number is legion. […] Pedagogy likewise is in search of universal principles of method in learning, based not upon the subjective whim of the teacher, but upon the common law of mental action which is universal with all children and students.” (McMurry, C./McMurry F. 1897, S. 8)

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3. Analyse Zweitkontext

Die McMurrys wenden sich also ganz konkret und explizit gegen die Meinung, dass die Pädagogik keine Wissenschaft sein kann und wollen dies damit beweisen, dass es universelle methodische Prinzipien gibt, die die Basis für die science of education darstellen. Dies impliziert im Falle der Brüder McMurry eine starke Orientierung an der Bezugsdisziplin der Psychologie, die die Gesetze des Lernprozesses untersucht und damit die Grundlage für die Unterrichtsmethodik liefert. Damit soll es möglich werden, den Zufall weitestgehend auszuschließen und das pädagogische und unterrichtliche Handeln planbar zu machen, wobei die Gesetzmäßigkeiten des kindlichen Lernprozesses grundlegend sind und in den Mittelpunkt der Methodenlehre gerückt werden sollen. Des Weiteren wird hieran ein Umstand deutlich, der unbedingt Beachtung finden muss. Zunächst könnte der Titel besagten Werkes suggerieren, es würde in diesem Buch eine Methode dargestellt, die als die universelle zu gelten hat. Dass dies nicht der Fall ist, wird hier deutlich gemacht, da die Verwendung des Begriffs method zum einen mit seinem Abstraktheitsgrad begründet wird, der per se einen Plural impliziert. Darüber hinaus muss dies im Kontext der Formalstufentheorie beachtet werden, da diese weder von Herbart noch von Ziller oder Rein als Methode bezeichnet wurde, sondern als Stufen. Zumal Herbart seine Unterrichtsstufen weder als Methode noch als formale Stufen betrachtet, sondern sie gemäß der Zustände des Interesses bzw. der Gemütszustände des Zöglings als Stufen des Unterrichts entwickelt; also als Erkenntnisstufen, die auch wiederkehren können und deren klare schematische Folge in der theoretischen Aufschlüsselung in der Praxis auch durchbrochen werden kann und soll. Die Herbartianer Ziller und Rein leiteten aus dieser Vorlage das Konzept der Formalstufen ab, deren Abfolge durchaus als praktische Anleitung für die Unterrichtsführung verstanden werden konnte. Das Konzept der Formalstufen legt dabei, anders als es bei Herbarts Stufen des Unterrichts der Fall ist, das Augenmerk nicht vordergründig auf das Lernen, sondern auf das Lehren. Nach Ziller und Rein war der Begriff der Methode in seiner umfassenden Definition vielmehr als „sämtliche psychologisch begründete Maßnahmen, die der Erzieher anwenden muß, um das Erziehungsziel zu erreichen“ (Rein 1906a, S. 846) bestimmt. Wie wir sehen werden, übernehmen die McMurrys diese herbartianische Transformation der herbart’schen Stufenfolge des Lernprozesses als Entwicklung der Vielseitigkeit in der Übertragung dieser in eine formalisierte Stufenfolge des Lehrprozesses. Wie nun formulieren die McMurrys ihre Position zur Unterrichtsmethodik? Weiter oben wurde schon geklärt, dass sie den Lernprozess als einen induktiven

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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Prozess verstehen, der auf intuition und der association of ideas beruht, den es unter der Berücksichtigung des Gesetzes Apperception zu unterstützen gilt. Als zentrale Zielstellung gilt für die McMurrys: „The mastery of the central truths of a study must remain the direct purpose of instruction in each branch of knowledge. These truths are what are known in psychology as general notions or concepts. They are the centers around which the knowledge of any subject is grouped and classified. It is the mastery of these rules and principles and the ability to apply them that are constantly aimed at in all the best school work.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 16) Die Begründung hierfür liest sich wie folgt: „From an examination of our psychologies we shall detect that the percept and the concept (the particular and the general notion) find a universal recognition. Inductive and deductive thinking, as recognized in all the philosophies, have set the general notion at the center of all thinking as the thing aimed at in induction and as the starting point in deduction. We find, therefore, that general notion is a pivotal center both in psychology and in pedagogy.” (McMurry, C. /McMurry, F. 1897, S. 16) Der Begründungszusammenhang ergibt sich demzufolge also daraus, dass die Psychologie sich mit dem Zusammenhang von Konkretem und Abstraktem in Bezug auf das menschliche Denken auseinandersetzt und sowohl induktives als auch deduktives Denken in der Philosophie das Allgemeine in den Mittelpunkt rückt und die Erkenntnis darauf ausrichtet. Vor diesem Hintergrund bzw. von diesem Ausgangspunkt aus entwickeln die McMurrys ihre inductive and developing method. Hierfür wird zunächst die Unterscheidung von individual notions und general notions eingeführt. Erstgenannte sind dabei die Vorstellungen eines Bestimmten, eines Konkreten und letztgenannte die vom Konkreten abstrahierten allgemeinen Vorstellungen. Innerhalb der general notions gilt es weiterhin zwischen psychical notions und logical notions zu unterscheiden (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 43-44). Psychical notions bezeichnen dabei die subjektiven an das Individuum

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3. Analyse Zweitkontext

gebundene Vorstellungen bzw. Konzepte, die zumeist durch Unschärfe gekennzeichnet sind und logical notions, die objektive abstrakte Vorstellungen bzw. Konzepte darstellen. Hierzu schreibt Frank McMurry Folgendes: „The difference lies in the degree to which accidental qualities are distinguished from essential ones. For a clear understanding of general notions it is necessary to realize that there are two kinds, namely, the crude and the pure [Hervorhebungen im Original, M.S.].” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 43) Es sind Abstraktheitsgrad und Objektivität, die diese beiden Arten allgemeiner Vorstellungen voneinander unterscheiden und der Fortschritt im Lernprozess wird an das Aufsteigen von psychical zu logical notions gekoppelt und vollzieht sich in diesem Aufsteigen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 44). Die lerntheoretische Begründung dafür, dass general notions die Zielsetzung darstellen, liest sich wie folgt: „Four reasons have been assigned for laying great stress upon generalizations: (1) they secure unlimited application or universality, to knowledge; (2) they are necessary both to free thinking and to free expression of thought; (3) they signify proper classification of knowledge; (4) they are the means of apperceiving new experiences readily and correctly.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 58) Es fällt auf, dass bei dieser Zielbestimmung zunächst die Anwendung der general notions bzw. general truths bis hierin keine Erwähnung findet. Für die McMurrys, basierend auf ihrem Verständnis des Lernprozesses als eines induktiven Prozesses, ist es zwangsläufig so, dass es zunächst gilt, individual notions von Wissensbeständen aufzubauen, bevor diese zu generalisieren und in general notions einzuführen sind (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 58-66). Dies stellt das erste Gesetz jeglicher Unterrichtsmethodik dar und wird mit einem Verweis auf Herbert Spencer versehen, der die induktive Methode als die generelle Methode der menschlichen Erkenntnis bezeichnet (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 59-60). Die sich daran anschließenden Fragen, die es dabei zu bearbeiten gilt, sind die folgenden:

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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„And since all mistakes in method of teaching can be made in only in one of these three fields, there are naturally three leading questions in method: 1. How should individual notions be acquired? 2. How should the progress be made from individual to general notions? 3. How should general notions be applied?” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 66) Dies stellt die Programmatik dar, in der die Brüder ihre Position zur Unterrichtsmethodik entwickeln.51 Für den ersten Komplex, der Frage nach der Erarbeitung der individual notions, ist das Gesetz der Apperzeption von entscheidender Bedeutung. Das heißt, dass das neue Wissen an das bereits bestehende anschlussfähig sein muss (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 73). Der Prozess der Erarbeitung klarer individual notions ist dabei folgendermaßen zu systematisieren: „This being true, it is evident that there are two distinct and important steps to be taken in the mastery of individual notions; first, the teacher should be employed with the related past experiences, preparing them for the reception of the new; second, the new facts should be presented. The first may well be called the step of preparation (of the pupils mind); the second, the step of presentation.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 83) An dieser Stelle werden die ersten beiden Stufen des Unterrichts in klarer Übereinstimmung mit Rein als die Vorbereitung, als Aktivierung des Vorwissens und die zweite Stufe als die der Darbietung bestimmt. Die Stufe der preparation bzw. Vorbereitung hat dabei mehrere Aspekte zu beachten: „First, the teacher should endeavor to call up as many related ideas as possible [Hervorhebung im Original, M. H.], especially those which are closely welded to the personality of the child. These latter are the strongest apperceiving notions. Being the ones that are most vivid and active, they can best establish a feeling of kinship towards what is studied.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 92) 51 Ab der Auflage aus dem Jahre 1903 wird die erste Frage differenziert in: „How individual notions should be prepared for or approached, second, how they should presented.” (McMurry, C./McMurry, F. 1903, S. 73)

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3. Analyse Zweitkontext

Es gilt also das Vorwissen so umfangreich wie möglich zu aktivieren und dabei die Bedeutsamkeit der Gefühle für die kognitive Aktivierung ins Kalkül zu ziehen und die emotionale Verbindung mit einem Wissensbestand in der Subjektivität des Kindes aufzuspüren und zu nutzen. Ferner muss beachtet werden, innerhalb dieser Aktivierung nicht zu schnell den Brückenschlag zum Neuen zu vollziehen, sondern sicher zu gehen, dass die beabsichtigten Wissensbestände vollständig ins Bewusstsein getreten sind (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 94-95). Des Weiteren ist die Differenzierung zwischen bereits bestehenden Wissensbeständen und den neuen klar zu vollziehen, da „whenever one sees definitely where his knowledge leaves off, a feeling of need arises, an appetite is generated for more; that is, a receptive frame of mind is produced, and one knows where new instruction should begin” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 95). Darüber hinaus gilt es, die Aufmerksamkeit in dieser Phase bzw. auf dieser Stufe grundlegend zu kanalisieren und auf den zu behandelnden Stoff einzustimmen. Dabei sollte das methodische Mittel der Zielsetzung bzw. statement of the aim genutzt werden. Das verbalisierte Ziel muss simpel und attraktiv sein und ist weiterhin festgelegt als es konkret und eindeutig formuliert und innerhalb einer methodischen Einheit zu erreichen ist (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 100-102.). Hierfür bedarf es weitreichender Kompetenzen seitens der Lehrkraft: „The Teacher must comprehend clearly the study she52 is teaching; also, in planning each lesson, she must distinguish the essential facts from those that are comparatively trivial. The aim that is stated should direct attention to the central idea in a concrete way; such an aim cannot be conceived until the relative value of thoughts is determined and the real gist of the lesson perceived.“ (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 104) Was hierbei implizit deutlich wird, ist der hohe Anspruch, der bei diesem zunächst trivial klingenden methodischen Mittel mitschwingt und worin sich im Umkehrschluss die Bedeutsamkeit, welche die McMurrys der fachwissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte beimessen, dokumentiert. Die zentrale Bedeutung dieses Mittels wird weiterhin ersichtlich, wenn McMurry darauf hinweist, dass „without 52 Interessanterweise spricht Frank McMurry ab dieser Stelle von der Lehrkraft konsequent in der weiblichen Form. Dies ändert sich auch in den weiteren Auflagen nicht mehr.

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aim, [there will be, M.S.] no will.“ (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 105) Dies tut er mit dem Verweis darauf, dass dies ein Diktum der „Deutschen“ darstellen würde, womit wohl die Herbartianer, besonders Ziller und Rein, gemeint sein dürften, die die Zielsetzung und die Verknüpfung mit dem Willen herausstreichen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 105). Dies wird an späterer Stelle noch validiert, wenn Rein im Zusammenhang mit der Zielangabe als eines der Gesetze, die dem Unterrichten zugrunde liegen, zitiert wird (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 216-217). Die Stufe der Vorbereitung hat darüber hinaus Relevanz hinsichtlich der Wiederholung und Festigung bereits vorhandener Wissensbestände, allerdings nicht in erster Linie um ihrer selbst willen, sondern in der Gleichzeitigkeit von Wiederholung und Vorbereitung oder Hinführung zu neuen Wissensbeständen. Zur Art und Weise der methodischen Ausgestaltung dieser Stufe schreibt McMurry: „The method here is entirely conversational; it could not be otherwise, since each child is merely offering whatever he can bring to bear. It is well to arrange the thoughts given under headings, and frequently at the close of the step, to recapitulate, in order that the exact amount accomplished may stand out and the pupils may thus keep their bearings.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 108-109) Hierbei wird die enge Kopplung der Ausbuchstabierung der ersten Stufe mit dem Gesetz der Apperzeption bzw. der apperzeptiven Prozesse hervorgehoben, die hierdurch angebahnt werden sollen. Abschließend kennzeichnet McMurry diese Stufe als „often called the step of analysis as well as the first or preparatory [Hervorhebungen im Original, M.S.] step” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 109). Erwähnung finden diese Worte, da hier der gleichzeitige Bezug auf die ziller’sche Bezeichnung der ersten Stufe mit der Benennung der ersten Stufe durch Rein erfolgt. Wie wir sehen werden, benutzen die McMurrys hinsichtlich der Bezeichnung der Stufen sowohl die Terminologie Zillers als auch die Reins und kennzeichnen dies nicht explizit. Dies wird deutlich, wenn man sich die Ausführungen zur zweiten Stufe beschaut, wenn die McMurrys diese als die Stufe der Synthese bezeichnen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 109). Der Zusammenhang und die Aufgabe der zweiten Stufe werden wie folgt veranschaulicht:

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3. Analyse Zweitkontext

„The first [step, M.S.] prepares the foundation; the second adds the superstructure. In the first, those thoughts that bear on a certain topic are separated from the other contents of the mind, hence this is called the step of analysis: in the second the new thoughts are united with the old, hence it is called the step of synthesis.” (McMurry, C,/McMurry, F. 1897, S. 109) Auf der zweiten Stufe geht es darum, den apperzeptiven Prozess einzuleiten und bestmöglich zu unterstützen. Dabei kann innerhalb der Stufe die methodische Ausgestaltung sehr variabel sein. So kann sie darin bestehen, eine Geschichte zu lesen, eine Karte zu studieren, etwas zu zeichnen oder ein kleines Experiment durchzuführen, unter der Prämisse, dass sie sich mit einem neuen konkreten Lerngegenstand auseinandersetzen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 110). In diesem Zusammenhang wird nun das eingeführt, was die McMurrys als developing method bezeichnen und von der vortragenden- und der Lehrbuch- bzw. textbasierten Methode abgrenzen: „The developing plan of teaching is one radically different from the lecture and the text-book methods. The teacher who employs it lectures but little to her class, although it is important to remember that she does tell some things outright; neither does she allow the facts that are to be learned to be first presented through a text-book; she prefers to develop facts and conclusions by conversation with the pupils.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 112) Diese propagierte Methode steht in engem Zusammenhang mit der Denkfigur des Lernprozesses als eines induktiven Prozesses, der darauf ausgerichtet ist, schlussendlich general notions bzw. die general truths der jeweiligen Studie, basierend auf der self-activity der Schüler, herauszuarbeiten. Die Bedeutsamkeit dieser self-activity als kognitive Aktivierung und die Eigenkonstruktion von Wissensbeständen wird durch die Referenz auf Herbert Spencer untermauert (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 217). Die Rechtfertigung der developing method als funktionalste zur Erreichung dieses übergeordneten Lernziels ergibt sich aus der Funktionalität hinsichtlich der kriterialen Bezugsnormen, durch die dieses Lernziel operationalisiert wird. Sie bestehen darin, dass „interest is aroused, the minds of the pupils are active in producing thought, they themselves even have questions to ask in class, and in expressing

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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thought they use their own words rather than those of the teacher or of the text-book“ (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 117-118). Das bedeutet, dass die Antworten, auf die der Unterricht abzielt, Antworten auf Fragen sein müssen, die die Schüler sich selbst stellen. Nur so kann eine Verbindung des bereits vorhandenen Wissens mit dem neuen Lerngegenstand erfolgen, da das Kind wie auch der Erwachsene von Natur aus ein Gedanken entwickelndes Subjekt und ein Entdecker seiner Umwelt ist und vor allem sein muss (vgl.McMurry, C./ McMurry, F. 1897, S. 123-125). Nur hierdurch lässt sich das Zwischenziel des Lernprozesses, die Entwicklung von klaren individual notions, erreichen. Die Ursprünge dieser Art des Lehrens und Lernens identifizieren die McMurrys in der sokratischen Methode der Mäeutik (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 130).53 In der ersten Auflage der Method of Recitation wird der sokratischen Methode sogar ein gesamtes Kapitel gewidmet, das in den weiteren Auflagen zwar wieder verschwindet, jedoch die Bezugnahme weiterhin erfolgt. Die Analogie, die die McMurrys dabei zwischen ihrer developing method und der sokratischen Methode sehen, liegt darin, dass der Edukand durch Fragen und nicht durch Antworten zu einer klareren Vorstellung seiner individual notions gelangt. Die sokratische Methode, was die explizite Widmung eines gesamten Kapitels andeutet, war bis dahin im US-amerikanischen Diskurs eine unbekannte oder zumindest nicht beachtete Methode, die erst später explizit zum Beispiel von Morris R. Cohen und seinem Schüler Sidney Hook aufgegriffen wurde (vgl. Hook 1987, S. 54-55). Die Denkfigur, dass alles Lernen mit selbstgestellten Fragen beginnt und fortschreitet, lässt sich allerdings auch bei Dewey nachweisen, wenn er schreibt, dass alles Denken mit einer Schwierigkeit bzw. Frage oder einem Problem beginnt (vgl. Dewey 1910, S. 75-76). Die einseitige Fixierung auf die developing method wird allerdings mit folgenden Worten abgelehnt: „In the first place, not everything can be developed. Beyond much doubt there are many facts in every study that should be reached through discussion rather than told outright. But there are also many in some studies that could not possibly be so reached; and there are others that, although they can 53 Interessanterweise berichtet der französische Philosoph Gabriel Séailles, der sich 1881 in Leipzig aufhielt, von Exkursionen des Leipziger pädagogischen Seminars an Vorschulen und Schulen der Stadt, dass an all diesen Schulen nach denselben Unterrichtsmethoden gelehrt werde und bezeichnete diese ebenfalls als sokratische Methode, wobei zumindest fraglich ist, ob sich diese methodische Gleichförmigkeit auf das Wirken Zillers und seines pädagogischen Seminars zurückführen lässt (vgl. Grundig De Vazquez 2015, S. 251-252).

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3. Analyse Zweitkontext

be developed by considerable ingenuity, are better told outright. Hence, any one [sic!] who makes exclusive use of this method has become an extremist. In the second place, this is an extremely difficult method to follow. […] On that account inexperienced teachers should not attempt to make use of it exclusively, or even mainly; […] Thirdly, the intellectual treasures of the past lie looked up in books. Proper school training unlocks this storehouse by accustoming one to their intelligent use. Hence, books must be constant use in the schoolroom, and even text-books must occupy a prominent place there.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 130-131) Das heißt, dass die McMurrys sowohl die vortragenden als auch die Lehrbuch basierten Methoden nicht ablehnen, wobei dies insbesondere auf die Lehrbuch basierten Methoden zutrifft, allerdings der developing method den klaren Vorrang einräumen. Die Kombination von developing method und Lehrbuch basierten Methoden ist dabei insgesamt ein zentraler Punkt. Allerdings sollte, wenn überhaupt, der Einsatz von Lehrbüchern und der darin zusammengefassten Wissensbestände nur am Schluss bzw. nie zu Beginn der beiden ersten Stufen erfolgen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 131-132). Damit es innerhalb der Konversation nicht zu Abschweifungen kommt, gilt es für die McMurrys zu beachten, dass „a clearly fixed aim [was set up; M. H.], an outline of topics in form of questions [was prepared, M.S.] and a close sequence among the questions [was noticed, M.S.].“ (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 139) Die didaktisch-methodischen Vorüberlegungen, die für das Gelingen der beiden Stufen angestellt werden müssen, umfassen also die konkrete Zielstellung und deren funktionale Formulierung, die vorab festgelegte Verbindung von Inhalten und dazu passenden Fragen zu deren Entwicklung sowie diese Verbindung als ein Kontinuum zu entwerfen. Im Zusammenhang mit diesem letzten Aspekt wird in einem weiteren Sinne auf die grundlegende Idee der Correlation hingewiesen, die diesen methodischen Überlegungen zugrunde liegt und mit der Denkfigur der unity of influence zusammenfällt, womit deutlich wird, dass diese sowohl die methodischen Überlegungen in der alltäglichen Praxis als auch die lehrplantheoretischen durchdringt und ein abstraktes Leitmotiv darstellt. Ein weiterer Aspekt, der in diesem Kontext aufgeworfen wird, ist die Frage bzw. die Notwendigkeit der Rekapitulation der bereits erreichten Fortschritte. Frank McMurry schreibt hierzu:

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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„In addition to these three means of protection it is advisable to require frequent recapitulations. […] Such recapitulations or summaries call for reflection in regard to the ground that has been covered, and, if the conversation has been wandering, many are likely to be made conscious of the fact. […] A very important principle of teaching is involved in such recapitulations, […]. This principle is sometimes known as the law of absorption and reflection. […] The student employs the first when he becomes absorbed in the study of individual facts. […] He employs the second when he withdraws his attention from these individual facts and directs it to a much wider range of thought; when he rises high enough to take a broad survey of the field that he is studying and to see the relationship of topics to one another.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 139-140) Hier offenbart sich zumindest implizit ein grundlegender Aspekt, der weiter oben schon einmal zur Sprache kam, namentlich die Übersetzung des herbart’schen Verständnisses der Stufen des Unterrichts als Entwicklung der Vielseitigkeit, basierend auf dem Lernprozess bzw. der Erkenntnisstufen zu den Formalstufen des Unterrichts nach Ziller und Rein, zumal Herbart als Referenz für dieses Gesetz angeführt wird (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 218). Dies wird daran deutlich, wenn er zum einen von dem Gesetz von Vertiefung und Besinnung als einem Gesetz des Lehrens spricht, zum anderen aber auch, repräsentiert von den darauf- folgenden Formulierungen, welches das herbart’sche Verständnis der Vertiefung und Besinnung als Lern- bzw. Erkenntnisprozess zugrunde legt. Wie so oft wird auch hierbei keine Metaperspektive eingenommen. Grundsätzlich lässt sich dieses Fehlen wohl darauf zurückführen, dass sowohl die General Methods als auch die Method of Recitation Werke darstellen, die nicht ausschließlich als wissenschaftliche Abhandlungen, sondern auch als Handreichungen für Lehrkräfte verfasst wurden. Abschließend zu den ersten beiden Stufen schreibt Frank McMurry: „The original question was, How [sic!] should individual notions be acquired? In answer, the first prominent conclusion reached was that the past experiences related closely to a given topic should be called to mind in abundance; […]. After a foundation for the new concrete facts was thus laid, the new individual notions were to be prepared; […]. Owing to the length of the discus-

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3. Analyse Zweitkontext

sion there is possibly some danger to forgetting the simple question involved, […] the presentation of individual notions, but the summary of it all is that there are two steps in the mastery of percepts, the step in which the mind is prepared for the new concrete matter, and the step in which the latter is presented. These will often be referred to in the future as the first and second formal steps of instruction.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 168-169) Hier zeigt sich ganz klar das Bekennen zu den formalen Stufen des Unterrichts und der Lehrprozesse, wie sie von Ziller und Rein entworfen wurden. Bis hierhin lässt sich für die weiteren Auflagen auch keine Veränderung feststellen. Im Anschluss an die beiden ersten Stufen steht nun die Frage, nachdem die individual notions im Bewusstsein der Schüler entwickelt wurden, wie von diesen individual notions zu den general notions fortzuschreiten ist. Das heißt, wie schließt sich nun an den Apperzeptionsprozess der Abstraktionsprozess an und wie ist der eine mit dem anderen zu verknüpfen. Dieser Prozess gliedert sich wie folgt: „Hence there may be said to be two stages in proceeding from individual to general notions, one the stage of comparison and abstraction, the other of definition; the former would then be the third, the latter the fourth step in the mastery of general notions, since shown above, two are necessary in acquiring the concrete data.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 170) Im Sinne des induktiven Verständnisses gilt es also, den Prozess der Abstraktion einzuleiten und den Gang von den besonderen individual notions zu den abstrakten general notions, die sich in Form von Definitionen materialisieren und sich durch die Zwischenstufe der Abstraktion auf Basis des Vergleichs der individual notions vollziehen, zu unterstützen. In Bezug auf einen kompletten induktiven Prozess im wissenschaftlichen Sinne muss in der pädagogischen Praxis dieser an der Stelle des Vergleichs, der comparison und abstraction, abgekürzt werden, da er sonst den zeitlichen Rahmen sprengen würde, der strukturell im schulischen Kontext gegeben ist. Hierzu wird auf den weiter oben schon eingeführten Begriff der types zurückgegriffen und damit ein Element aus der Lehrplantheorie für die Unterrichtsmethodik fruchtbar gemacht (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 177-178). Abgesehen

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davon, dass diese types54 stellvertretend für die general truths der jeweiligen Studie stehen, die ihnen inhärent ist, bezieht sich der Mehrwert im Kontext der dritten Stufe weiterhin darauf, dass der Vergleich sich an ihnen effektiv vollziehen kann. Sie können aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden und damit entziehen sie sich der Gefahr, zu viele einzelne Gegenstände und Personen miteinander vergleichen zu müssen und damit die Einheit des Bewusstsein zu gefährden. Ferner sollen sie weiteres Interesse generieren (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 178). Der Vergleich derartiger types kann dann den Prozess der Abstraktion schnell und effektiv voranbringen. Der Prozess als solcher, der Vergleich und die daraus gewonnene Abstraktion wird als ein genereller Erkenntnisprozess aufgefasst, der quasi natürlich abläuft und damit formal für alle Studien Gültigkeit besitzt, jedoch durch die Lehrkraft, wenn er zielführend geschehen soll, im Sinne eines Lernbegleiters geführt und abgesichert werden muss (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 180). Im Zusammenhang mit der darauffolgenden Stufe schreibt McMurry: „After separating essentials from non-essentials it remains to collect the former and word clearly and accuratley the result reached; […]. This is not an easy matter; […]. Some of the most common ideas are defined in words with the greatest difficulty. […] What is the cause of the difficulty? Beyond question in most cases it is not first of all a lack of words, but of clearness of ideas; when one knows exactly what his thought is, he can usually give expression to it; hesitation is due to vagueness. It means a decided advance in thinking to state a conclusion tersely in words; it is an advance, too, for the final utility of the three preceding steps in instruction is dependent on the clearness and accuracy with which generalizations are reached; their purpose is to lead to generals, and nothing is clinched until these latter are fully expressed.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 181-182) Hier treten zum einen wiederum das Verständnis des Lernprozesses als ein induktiver Prozess zum Vorschein und zum anderen die starke Formalisierung dieses Verständ54 Beispielhaft genannt wird hier die Stadt Missouri als type eines trade-centers, die dann wiederum mit einer anderen Stadt, die ein Handelszentrum darstellt, verglichen wird. Innerhalb dieses Vergleichs werden die abstrakten Elemente des Begriffes Handelszentrum herausgearbeitet und diese general notion können dann auf andere Städte und Orte angewendet werden, um sie als Handelszentrum zu identifizieren.

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3. Analyse Zweitkontext

nisses in der Ausbuchstabierung der Stufen als Instruktion sowie die klare Setzung der abstrakten Wissensbestände als Ziel. Das induktive Verständnis wird sichtbar, wenn hervorgehoben wird, dass die vollständige Erfassung des Konkreten das unverzichtbare Fundament darstellt, auf dessen Grundlage erst alles Weitere erfolgen kann und die Unfähigkeit, Ideen bzw. Begrifflichkeiten explizieren zu können, nicht auf eine etwaig fehlende sprachliche Kompetenz zurückzuführen ist, sondern die fehlende Klarheit der jeweiligen Vorstellung kausal dafür verantwortlich ist. Die Formalisierung des Lehrprozesses wird deutlich, wenn dezidiert von vorhergehenden steps of instruction gesprochen wird. Dabei sollte die vierte Stufe der Formulierung der Definition, des Gesetzes oder allgemeiner Regeln das unmittelbare Ergebnis des vorhergehenden eigenen Denkens der Kinder darstellen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 182). In diesem Zusammenhang ist es zielführender, die zumindest inhaltlich treffenden Formulierungen der Schüler zuzulassen, da sie einen Indikator für die kognitive self-activity darstellen, anstatt auf vorgegebene Formulierungen der Lehrbücher oder der Lehrkraft zurückzugreifen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 183). Hierbei sollte die Lehrkraft die Kompetenz haben, sich im Spannungsfeld der Antinomie zwischen Kritik und Ermutigung die Balance zu wahren (vgl. McMurry, C. 1914, S. 25). Das bedeutet wiederum nicht, dass Lehrbücher oder Formulierungen seitens der Lehrkraft keine Verwendung finden sollen. Dies soll allerdings erst dann in Kraft treten, wenn offenbar ist, dass die Schüler, die semantisch treffende Vorstellung der general notion haben, um zusammenzufassen und sich einen abschließenden Überblick zu verschaffen. An dieser Stelle wird eine (altersspezifische) Einschränkung angeführt, wobei Friedrich Froebel als Referenz dient: „Sometimes, especially with young children, it seems advisable not to teach the rule at all, relying upon the concrete facts – whatever their nature – to suggest it of themselves. […] Froebel emphasizes it strongly in the kindergarten. Little people who cannot appreciate the statement of an abstract rule may remember how a typical example was worked and solve another in the same way; or in literature they may recall a story together with the feeling it produced, thus receiving some benefit from it, while a full statement might prove too abstract, or on other accounts, unwholesome. It requires much delicacy on the part of the teacher, especially when teaching morals, to distinguish what is best to be done.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 186)

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Abgesehen davon, dass hier auf einen Grundsatz aus der Kindergartenpädagogik sensu Froebel Bezug genommen und die eigene Argumentation stützt, fallen zwei Aspekte ins Auge. Zum einen lässt sich eine potentielle Abschwächung der Zielsetzung der general notions feststellen, die im Umkehrschluss die Bedeutsamkeit der ersten Stufen für die McMurrys, hinsichtlich der Generierung der klaren individual notions als Grundlage des induktiven Prozesses, herausstreicht. Zum anderen wird hier eine, zumindest oberflächlich, gewisse Entformalisierung vorgenommen, indem die vierte Stufe als optional dargestellt wird. Schlussendlich bleibt jedoch der formale Charakter bestehen, da der Ablauf auf diachroner Ebene trotz allem erhalten bleibt. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass: „Among some teachers, especially in Germany, it is the custom to require pupils to enter their generalizations or main outlines of facts in small blank books, with proper headings; one book is kept for each study and, as soon as an important topic has been finished, it is written in its proper place.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 186) Diese Anmerkung rekurriert auf ein didaktisches Mittel, das in der Art von Rein in Form seiner sogenannten Systemhefte eingesetzt wird (vgl. Rein et al. 1888, S. 59). Die vierte Stufe wird wie folgt zusammengefasst: „Summing up: inability to state the generalization reached is due primarily to vagueness of thought; such a statement, then is an essential part of instruction. The wording for the same should come from the child himself, being an immediate outgrowth from the data that he has at hand; […].” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 187) Bei der Zusammenfassung der vierten Stufe fällt auf, dass McMurry auch diesem Zusammenhang die Bedeutsamkeit der ersten Stufen und Fundierung der individual notions herausstreicht, ohne die das Erreichen dieser vierten Stufe unmöglich ist und die Unfähigkeit der Formulierung von Generalisierungen durch die Schüler in eigenen Worten auf die fehlende Entwicklung dieser individual notions und nicht auf fehlende sprachliche Kompetenz zurückzuführen ist. Bei aller Betonung der schlussendlichen Zielsetzung der Entwicklung der general notions wird

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3. Analyse Zweitkontext

also wiederum auf die Bedeutsamkeit des strikt induktiven Prozesses hingewiesen. Dies liegt darin begründet, dass die Brüder McMurry zum einen es für einen grundlegenden, dem Lernprozess diametral entgegenstehenden, Fehler ansehen, Lerngegenstände bzw. Wissensinhalte deduktiv zu entwickeln und zum anderen damit auch die Lehrbuchfixierung bzw. Gebundenheit der bisherigen Unterrichtspraxis in US-amerikanischen Schulen durchbrechen wollen (vgl. McMurry, C./ McMurry, F. 1897, S. 187). Die letzte Frage und die damit verbundene letzte Stufe behandelt die Frage nach der Anwendung der general notions, die an dieser Stelle als die größte Schwierigkeit im Lernprozess bestimmt wird und die als Bestandteil des Lern- und damit auch des Lehrprozesses unverzichtbar ist (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 188). Diese Stufe und der darin vollzogene Lernprozess werden als dezidiert deduktiv bezeichnet (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 199). Die Bewältigung und das tiefere Verständnis der general notions wird an deren Anwendung unweigerlich gekoppelt und mit Bezug auf John Locke55 als notwendigen Schritt dargestellt, da nur Wissen, das auch angewendet wird und werden kann, als „echtes“ und wirksames Wissen gelten darf (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 192). Diese Bedeutsamkeit wird in einen engen gesellschaftlichen außer- bzw. post-schulischen Kontext und die Funktion des volksschulischen Kontextes gerückt: „The old question of the relation between theory and practice is here at issue. The prevailing question in school is, What do you know? But life insistently demands,What can you do?’ and since school prepares for life it should meet this demand. In the case of many reputedly well-educated, there is a wide breach between their knowledge and their power to do. It is the duty of the school to make the ability to do a part of the knowing.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 192) In diesem Zusammenhang ist es für die McMurrys die Aufgabe der common-schools eine allgemeinbildende Funktion zu übernehmen. Diese allgemeinbildende Aufgabe erfüllt sich dabei in der charakterlichen Ausbildung und deren Materialisierung im Verhalten: 55 Zitiert wird hierbei die Stelle aus John Lockes Some Thoughts on Education: „For from repeated cautions and rules, never so often inculcated, you are not to expect anything either in this or any other case, further than practice has established them into habits.” (Locke 1693/1824, S. 10)

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„Character is the union of theory with practice; it is the incorporation of knowledge into habit. If character is being formed in school years, just to that extent knowledge of some sort is being converted into use, changed into habit.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 194) Hier findet ein Rückbezug auf das Prinzip der Charakterbildung als grundlegende Denkfigur sowohl der pädagogischen Theorie als auch ihrer Praxis statt. Nur wenn die pädagogische Praxis als Operationalisierung der Theorie diese Charakterbildung betreibt, kann Verknüpfung von Theorie und Praxis gelingen und anders herum braucht die Charakterbildung eben diese Anwendung des Wissens, um dessen Nutzen zu demonstrieren und sinnstiftend zu wirken. Eine besondere Bewandtnis hat dies im Kontext der moral education, denn „efficient morality always finds an expression in conduct, in the application of moral principles to behavior. In this respect there is no study or phase of school life that does not need to be, in its entire inception an progress, moral” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 207). Moralische Instruktion allein ist für die McMurrys kaum wirksam. Die moralischen Prinzipien, die insbesondere durch das Studium der Geschichte und Literatur erarbeitet werden, müssen in allen anderen Studien wieder aufgegriffen und vor allem im schulischen Alltag und Miteinander praktiziert werden (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 207). Die konkrete Ausgestaltung ist dabei grundlegend auf die geistige Bewegung zwischen Abstraktem und Konkretem zu wechseln und dabei zum einen die induktiv gewonnene general notion nun deduktiv auf diesen Erkenntnisweg rückzubeziehen und zum anderen das abstrakte Wissen auf neue Probleme, aber auch andere Lerngegenstände, auch aus anderen Studien, zu beziehen und für die Lösung der Problemstellungen bzw. der Erschließung anderer Lerngegenstände einzusetzen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 190). Die Stufe der Anwendung offeriert damit nicht nur ein Feld der kognitiven self-activity, sondern ebenfalls die Möglichkeit der Verknüpfung verschiedener Studien miteinander im Sinne der Correlation und die Förderung des apperzeptiven Prozesses (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 208). Diese fünf Stufen gelten den McMurrys universell und invariabel, denn „since these steps are passed through in this invariable order without reference to the nature of the subject matter presented, they are rightly called the Formal Steps of Instruction” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 214).

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3. Analyse Zweitkontext

3.3.5 Type Studies und Teaching by Projects Der Gedanke der type studies und seine theoretische Grundlegung zeichnet sich schon sehr früh in Charles McMurrys Werk ab. Der Begriff der type studies nimmt in der vorliegenden Analyse des Werkes Charles McMurrys eine Sonderstellung ein, weshalb er auch gesondert betrachtet wird, da seine Ausbuchstabierung zwar zunächst im Kontext der allgemeinen Auseinandersetzung mit der Lehrplantheorie ihren Platz hat, aber zugleich aus den Überlegungen zur Unterrichtsmethodik, der Formalstufentheorie und der darin so prominent gemachten developing method stammt und seinen Begründungszusammenhang findet. Das zentrale Motiv des Denkens, besonders im Falle Charles McMurrys, dessen Grundlage der Verwirklichung er in den herbar’tschen und herbartianischen Prinzipien gefunden zu haben glaubte, kann in diesem Zusammenhang als die Bestimmung der Bedingung der Möglichkeit der unity of influence56 identifiziert werden. Deutlich wird dies an folgenden Worten, die aus der Inhaltsangabe eines Vortrags von ihm über den Einfluss der herbart’schen Theorie auf das Curriculum der Volksschulen aus dem Jahre 1895 stammen: „This educational doctrine [gemeint ist der Herbartianismus, M.S.] includes the effort to grasp all the studies and influences of the school course in one organized unit of influence [Hervorhebung im Original, M.S.], to so relate and combine the different forms of school discipline as to centralize and strengthen their combined effect.” (McMurry, C. 1895f, S. 476) Die type studies sollten in diesem Sinne eine Weiterentwicklung des herbartianischen Gedankenguts darstellen, um genau diese unity of influence noch wahrscheinlicher zu machen und damit auch, vermittelt über die Unterrichtsinhalte und ihre Bezogenheit aufeinander, die Einheit der Bewusstseinsinhalte der Kinder herbeizuführen. Eingeführt hat Charles McMurry den Begriff im Kontext seiner fachdidaktischen Überlegungen zum Geographieunterricht (vgl. McMurry, C. 1894c). Der Begriff wird von McMurry dann erstmals näher in seiner mit seinem 56 Die Fokussierung auf diesen Anspruch, dessen theoretische Ausbuchstabierung und konzeptionelle Umsetzung, ergibt sich aus der Wahrnehmung, dass es bis dato in den USA keine pädagogische Theorie gab, die die Grundlage für eine Vereinheitlichung des Curriculums und der Unterrichtsmethodik bereitstellte (vgl. Tanner/Tanner 1990, S. 57; Glanz 1990, S. 150).

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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Bruder Frank gemeinsam verfassten Schrift von Method of Recitation bestimmt. Auf Basis der Interpretation der Formalstufentheorie als ein induktiv-deduktives Vorgehen, das als development method bezeichnet wird, stellten die McMurrys als Zielsetzung des Unterrichts die Herausarbeitung der general truths (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 47-57) eines jeden Unterrichtsfaches in den Mittelpunkt. Die Begründung hierfür liest sich wie folgt: „Concrete facts in all subjects of study are at least comparatively worthless, unless they are recognized as instances of general truths. […] Even when, through proper correlation of studies, the answer to problems are in themselves valuable facts and, hence, worth finding out, the value of process lies in the rule that is discovered. […] Everywhere general notions are of especial value because they find a broader application than individual notions; they possess universality.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 51-52) Hieran wird zugleich ersichtlich, welchen Wert die McMurrys dem Lehrgang als einem induktiv-deduktiven Vorgang beimessen und weshalb es notwendig ist, von individuellen Fakten und deren Verbindung zueinander zu abstrakten Begriffen und Konzepten fortzuschreiten. Es ist zum einen der Lern- und Erkenntnisprozess selbst, der durch diese Vorgehensweise initiiert wird. Indem er von konkreten Objekten und Personen ausgeht und damit das Interesse der Kinder weckt und gleichzeitig ihre kognitiven Kapazitäten nicht überfordert, denselbigen in seinem Verlauf ausreichend unterstützt und vor allem die Übertragbarkeit der abstrakten Wissensbestände ermöglicht, die sich wiederum auf die Apperzeption neuer Wissensbestände positiv auswirkt. Die Frage, die sich im Kontext der Lehrplantheorie stellt, ist nun, welche Stoffe es sind, die den Prozess des induktiv-deduktiven Lehrganges und Lernprozesses ausreichend unterstützen, anbahnen und die Kluft zwischen dem Besonderem und dem Allgemeinen überbrücken können. An dieser Stelle wird der Begriff Type eingeführt: „The very word type seems to bridge the chasm between truth, the particular and the general. The type itself is always an object, a particular thing, action, or process; but in so far as it is a type, it is a representative object, it stands for a whole class, the features of a general truth shine out more distinctly through

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3. Analyse Zweitkontext

it than through other objects of the same class.” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 262) Ein Objekt oder ein Unterrichtsgegenstand, der als Type bezeichnet werden kann, zeichnet dementsprechend die Inhärenz und Beispielhaftigkeit einer generellen Wahrheit aus, für die er exemplarisch steht, die sich in ihm kondensiert, aber auch wieder extrahieren lässt. Er bildet daher einen geeigneten Unterrichtsgegenstand in einem induktiv-deduktiven Lehrgang, da er gleichsam konkret ist und eine general truth enthält, die das Zentrum und das Ziel einer jeden Unterrichtseinheit darstellt. Er kann damit gleichfalls die unity of influence sowohl des Lehrganges als auch des Lernprozesses sichern und damit zur Einheit der Bewusstseinsinhalte der Kinder beitragen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 261). Die sowohl pädagogische als auch didaktisch-methodische Relevanz der type studies wird in der Method of Recitation wie folgt zusammengefasst: „In summarizing the points of value in type studies we may note: 1. The type furnishes us a center around which to collect the materials for induction in the first four steps. 2. The type is extremely concrete while strikingly characteristic in its exhibition of generic qualities. 3. The deepening of the type study uncovers those radical relations between studies which give a real meaning to the term correlation. 4. The general classes and truths, which the types prefigure, constitute the scientific framework of the study and at the same time furnish the nuclei for lesson unities capable of treatment according to the five steps of instruction.” (McMurry, C./McMurry F. 1897, S. 279) Ein Momentum, das sich hier hinsichtlich der Konzeptionalität und der Generierung dieses Theorieelements zeigt, ist, dass die beiden Bezugspunkte hierfür sowohl curriculumtheoretischer als auch konkret methodischer Natur sind. Zum einen wird ihre Funktion im Anschluss an das Theorieelement der correlation herausgehoben und zum anderen ihre Funktionalität im Kontext der Anwendung der Formalstufentheorie als zu durchlaufende Stufen des Unterrichts betont, was schlussendlich vor dem Hintergrund der Denkfigur der unity of influence als Zielsetzung aller didaktisch-methodisch Überlegungen zu verstehen ist.

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Die Idee der type studies arbeitete Charles McMurry in den folgenden Jahren didaktisch-methodisch zunächst für das Fach Geographie (vgl. McMurry, C. 1904e, 1907) genauer aus, bevor er sie in den 1910er Jahren zu seinem Projektbegriff weiterentwickeln sollte. Diese Entwicklung setzte ein, als McMurry 1915 eine Stelle an dem neuorganisierten Peabody College of Education der Vanderbuilt University antrat. Unmittelbar nachdem er seinen neuen Posten am Peabody College of Education angenommen hatte, begann McMurry Pamphlete zu konkreten type studies zu veröffentlichen (vgl. Tyler 1982, S. 187). Erste Drucke und Ausgaben erschienen von 1915 bis 1919. Viele dieser Pamphlete oder Einheiten wurden später wiederholt nachgedruckt, was ein Indiz für ihren breiten Einfluss auf Lehrkräfte ist. Unter diesen zweimonatlichen Broschüren erschienen 1917 drei Bände mit Kommentaren und Leitlinien. In der Nummer eins des zweiten Bandes erklärte er, wie man mit der Einheit The Salt River Project (vgl. McMurry, C. 1917a, S. 1-53) umgeht und besprach die Organisation des Unterrichts anhand von large units im Allgemeinen. In Nummer fünf des gleichen Bandes präsentierte er einen Kurs von Studien und erklärte die Ideen dahinter. In Nummer eins des dritten Bandes sortierte er die allgemeine Diskussion über large units. Diese Erklärungen wurden 1920 mit Ergänzungen als Teaching by Projects veröffentlicht. In einer dieser Broschüren definierte McMurry Types als strategische Zentren des Denkens und schrieb, dass large units sowohl als Lehrplan-, Unterrichts- als auch Lernprinzip gelten können (vgl. McMurry, C. 1917c, S. 8). Mit anderen Worten, Inhalt und Methode waren untrennbar miteinander verbunden, und wie gut das Kind lerne, hing davon ab, welches Wissen wie präsentiert wurde. Darüber hinaus konstatierte er, dass Einheiten, die spezifisch, objektiv und organisch waren, bereits geübt worden seien und in vielen Schulen erfolgreich getestet wurden. Er merkte an, dass das Studium des Prozesses eines großen Infrastrukturprojekts wie das des Panamakanals intellektuell stimulierend war und dass Schulkinder allgemein von großen Unternehmen, d. h. Projekten, fasziniert waren wie Kleinkinder von den Legenden der Giganten (vgl. McMurry, C. 1917c, S. 12). Interessant ist hierbei, was er zum Zusammenhang zwischen Projekt, Problemen und Fragen schreibt: „A project that opens into a succession of problems is just a series of main questions; for each problem may be put in the form of a question.” (McMurry, C. 1917a, S. 41).

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3. Analyse Zweitkontext

Hierin zeigt sich kondensiert sein Verständnis eines Projektes, das sich problemorientiert einem für das jeweilige Fachgebiet typischen Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven nähert und sah darin ein organisch, sich selbst ausdehnendes Element unter dieser dreidimensionalen Struktur. Später wird McMurry dies konkretisieren, wenn er schreibt: „The important project is always a problem and a mother of problems.“ (McMurry, C. 1920, S. 12) Seiner Ansicht nach konnte damit, trotz der nicht zu vermeidenden Statik des Lehrplans, eine Dynamik in den Lernprozess implementiert werden. An anderer Stelle heißt es hierzu: „Standing out prominently, almost objectively, as a clearly thought plan to be converted into reality, the project contains the most important elements of a standard unit of mental effort. First, it is an important whole. Secondly, it is dynamic in its essential forward movement. Thirdly, it organizes and uses knowledge on the basis of a definite purpose. Fourthly, it sets up a series of problems requiring continuous, rational effort. Fifthly, it works out a practical result which is embodied in a concrete object or situation in real life. Sixthly, as an end result of the whole movement, from original conception to final objective realization, it leaves in the mind a knowledge product which serves to introduce and explain other kindred projects. It has a future as well as a past and connects up between the two. This contributes to the continuous organization of knowledge.” (McMurry, C. 1920, S. 13-14) Die Elemente, die das Projekt zu einem zielführenden didaktisch-methodischen Setting machen, umfassen für McMurry seine Gleichzeitigkeit von Abgeschlossenheit und Offenheit für andere Projekte und damit für andere Wissensbestände und Unterrichtsgegenstände, was durch seine Prozesshaftigkeit, Zweckhaftigkeit, Problemorientierung, die eine kognitive Aktivierung nach sich ziehen, Eingebundenheit und Bezogenheit auf konkrete Lebensumstände ergänzt wird. Außerdem organisiert solch ein Setting letztendlich das Wissen als Ganzes und weitet dabei den Vorteil des types als logisches Bindeglied zwischen dem Konkre-

3.3 Das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys

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ten und dem Allgemeinen aus auf die zeitliche Perspektive der Zukunfts- und Vergangenheitsbezogenheit, die ihm als Unterrichtsgegenstand inhärent sind. Schlussendlich verweist diese semantische Bestimmung des Begriffs auf den Anspruch der unity of influence und lässt sich aus ihm heraus verstehen. Ein Momentum, auf das es in diesem Kontext besonders hinzuweisen gilt, ist die sich im Laufe des pädagogischen Werkes McMurrys allgemein immer stärker herauskristallisierende Akzentuierung der Implementierung von Unterrichtsinhalten, die sich aus der momentanen Verfasstheit der Gesellschaft und ihrer Erfordernisse ergibt. Hierzu schreibt McMurry: „The term project [Hervorhebung im Original, M.S.] suggests a return to life, to business, to applied science, to daily duties and common human needs, to forces operative in the concrete world. The school is absorbing into itself as fast as it can the big things of life, the schemes that men and women are chiefly concerned about, and these are becoming our school topics. The project accentuates this demand for the practical and demonstrable.” (McMurry, C. 1920, S. 11) In Bezug auf den zeitgenössischen Bildungsdiskurs lässt sich festhalten, dass von vielen Seiten versucht wurde, die Projektmethode zu kategorisieren und einige diskutierten hierbei auch McMurry‘s Projektkonzept. Ein Zeitgenosse schrieb rückblickend: “The recent attention given to method of teaching through use of problems and projects can be traced back directly to the Herbartians. The project is but the evolution of the type study.” (Robbins 1924, S. 238) Ein Student McMurrys schrieb ebenfalls retrospektiv, dass McMurry sich zwar ein Vierteljahrhundert lang der Entwicklung der type studies gewidmet habe, jedoch ohne große Resonanz (vgl. Mitchell 1926, S. 3). Der Projektbegriff steht bei McMurry also in einer klaren Entwicklungslinie über die object lessons als Ausgangspunkt über die type studies, als deren Ausformung in large units of study, die dann wiederum als Projekt bezeichnet werden. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass das Projekt bei McMurry als strategisches Zentrum des Denkens sowohl als

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3. Analyse Zweitkontext

Lehrplan- als auch als Unterrichts- und Lernprinzip gelten kann und sich darin die unity of influence verwirklichen lässt. McMurry sprach auch an keiner Stelle von einem Projekt als allein methodischem Prinzip. Er sprach immer von einem teaching by projects, jedoch erwächst der Projektbegriff ebenfalls aus methodischen Reflexionen. Das zeigt sich darin, dass McMurry, wenn er im Kontext der Bearbeitung eines Projekts von der Prozesshaftigkeit des Lehrgangs, des Lernprozesses, aufbauend auf einem induktiv-deduktiven Vorgehen spricht, das sich aus seiner Interpretation der Formalstufentheorie ergibt und der darin so prominent verankerten development method. Das heißt, auch wenn das Projekt als large units of type studies zuvorderst ein Prinzip der Lehrplantheorie darstellt, ergibt sich seine pädagogische und lerntheoretische Relevanz ebenfalls aus dem sich darin so ausgezeichnet verwirklichbaren methodischen Gang des Unterrichts, basierend auf einem induktiv-deduktiven Lehrgang, der sich aus der rein’schen Auslegung der herbart-ziller‘schen Formalstufentheorie ergibt. Vor dem Hintergrund, dass der Projektbegriff bzw. die Projektmethode, wie sie vor allem im Anschluss an John Dewey und seinem didaktischen Prinzip der Occupations von William H. Kilpatrick (vgl. Kilpatrick 1918) entwickelt wurde, für das US-amerikanische Erziehungsdenken in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unzweifelhaft eine der wirkmächtigsten Ideen war (vgl. Kliebard 2004, S. 135), stellt dieses Urteil einen überaus interessanten Befund dar und unterstreicht die These, dass der Herbartianismus hier, besonders repräsentiert von Charles McMurry, einen unglaublich reichhaltigen Fundus für das sich weiterentwickelnde US-amerikanische Erziehungsdenken, insbesondere im Bereich der Lehrplantheorie und der Unterrichtsmethodik, bereitstellte (vgl. Dunkel 1970, S. 241-283).

4. Komparation In folgenden Teil der Arbeit soll nun auf Grundlage der aus der Analyse und Auswertung des Erstkontextes gewonnen Topoi, die der Analyse des pädagogischen Denkens der Brüder McMurry dienten, ein Vergleich bezüglich dieser Topoi durchgeführt werden. Dabei wird, innerhalb der komparatistischen Perspektive, gleichzeitig der Blick auf Transformationsprozesse an gegebener Stelle eingenommen. Eine Bündelung der Transformationsperspektive und ihrer Ergebnisse erfolgt jedoch erst an späterer Stelle.

4.1 Komparation Topos Erziehungsziel Für die Komparation hinsichtlich des Erziehungszieles dienen die Auswertungen bezüglich dieses Topos, wie sie für Rein innerhalb der Analyse seiner Pädagogik im Grundriß und wie sie für Charles McMurry in seinem Werk The Elements of General Method based on the Principles of Herbart durchgeführt wurden, als Grundlage. Die Begründung der Gegenüberstellung dieser beiden Werke ergibt sich aus dem Umstand, dass Rein zwar schon an früherer Stelle diese Thematik in seinen Schriften bearbeitet hat, jedoch dies bloß implizit. In der Pädagogik im Grundriß widmet er dieser Problematik explizit ein Kapitel. Der Text erschien erstmals 1890, also zwei Jahre vor der Schrift von McMurry, die dieser 1892 fertig stellte, und sie lag dem amerikanischen Autor nur in englischer Übersetzung vor (vgl. Rein 1892a). Für die Komparatistik zu diesem Topos wird ausschließlich auf die Ausführung Charles McMurrys zurückgegriffen, da sich sein Bruder Frank McMurry in keiner seiner Veröffentlichungen dezidiert zu dieser Thematik geäußert hat, weshalb in der Folge auf Vornamen verzichtet werden kann. Der Vergleich soll gleichermaßen die formale Seite der Argumentationen als auch die inhaltliche Formulierung und Ausbuchstabierung des favorisierten Erziehungszieles berücksichtigen. Es ist an dieser Stelle notwendig, auf die grundlegende Problematik der Bilingualität hinzuweisen. Im Zusammenhang der Zielvorstellungen jedoch kann der Begriff der Education durchgehend als Äquivalent © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_4

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4. Komparation

zum deutschsprachige Begriff der Erziehung verstanden werden, weshalb in der Folge auch dieser zumeist Verwendung findet und der Begriff der Bildung vernachlässigt wird. Zu Beginn gilt es hierbei die Werke, auf Grundlage derer die Analysen vorgenommen wurden, in ihrer Gesamtheit im Kontext dieses Vergleichs in den Blick zu nehmen. Reins Pädagogik im Grundriß stellt seine erste und für die vorliegende Arbeit, aus weiter oben dargelegten Gründen, für den Vergleich relevante Zusammenfassung seines grundlegenden pädagogischen Denkens dar. Der Aufbau folgt einer basalen Unterscheidung von praktischer und theoretischer Pädagogik, wobei die praktische Pädagogik die verschiedenen Formen der Erziehung, die Thematik der Schulverwaltung und die theoretische Pädagogik, die Teleologie und die Methodologie umfasst. Für den hier angestellten Vergleich ist hinsichtlich der Struktur festzuhalten, dass die Teleologie der Methodologie vorangestellt wird, da diese auf jener aufbaut und sich an ihr ausrichtet. Im Falle der Schrift Charles McMurrys bleibt festzuhalten, dass diese ebenfalls eine erste Bündelung seines Denkens darstellt, das sich ausschließlich einer begrifflichen, sprich einer theoretischen Auseinandersetzung mit zentralen Thematiken und Begrifflichkeiten, wie des Erziehungszieles oder des Interesses der herbart’schen bzw. herbartianischen Lehre widmet, die in Bezug auf allgemeine didaktisch-methodische Prinzipien hin entwickelt und ausbuchstabiert werden. Das heißt, dass diese Überlegungen im Sinne Reins im Bereich der theoretischen Pädagogik zu verorten sind. Ebenso wie bei Rein folgt Charles McMurry der Systematik, zu Beginn ein allgemeines Ziel der Erziehung zu formulieren, das den weiteren Überlegungen hinsichtlich der Didaktik und Methodik als strukturierendes Prinzip zugrunde gelegt wird. Beschaut man sich die unterschiedlichen Ausführungen zur Thematik im Einzelnen, lässt sich grundlegend feststellen, dass McMurry in formaler Hinsicht einen sehr stark an Rein orientierten Argumentationsgang wählt. Das bedeutet, dass er als Ausgangspunkt für seine Ausführungen die begriffliche Bestimmung der Erziehung setzt, um in der Folge festzustellen, dass diese Auseinandersetzung für die Formulierung eines obersten Erziehungszieles wenig ertragreich ist. Es werden also bei beiden verschiedene Positionen eingeführt, die hinsichtlich ihrer Funktionalität der Bestimmung eines Erziehungsziels hin befragt und in der Folge jedoch verworfen werden. Die Begründung dieses Verwerfens ist wiederum nahezu identisch. Die rein begriffliche Auseinandersetzung, das heißt die Bestimmung,

4.1 Komparation Topos Erziehungsziel 231

was denn Erziehung überhaupt sei, führt zu einer rein formalen Bestimmung des Begriffs, weshalb sie für die Bestimmung des Ziels untauglich sei. Daraus wird geschlussfolgert, dass es einer inhaltlichen Bestimmung bedarf. In Bezug auf die inhaltliche Seite der Argumentation lassen sich jedoch Unterschiede feststellen. Die einzige Übereinstimmung findet sich in der Heranziehung der Positionen, wie sie bei Rousseau, Locke und Pestalozzi gefunden werden können, die jedoch gerade wegen ihrer Zielvorstellungen und inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der Erziehung verworfen werden. Des Weiteren fällt ins Auge, dass McMurry, in Übereinstimmung mit Rein, indem er der Frage nachgeht, welche Vorstellungen Eltern hinsichtlich der Erziehungsziele ihrer Kinder haben, sich dezidiert gegen eine utilitaristische Herangehensweise wendet, wenn es darum geht, ein oberstes Erziehungsziel in den Blick zu nehmen. Diese Denkweise hat für ihn zwar in gewisser Weise eine natürliche Berechtigung, ist jedoch als oberstes Ziel zu profan und vernachlässigt die ideelle ethische Dimension. Wie bei Rein führen diese Reflexionen unumwunden auf die Notwendigkeit der Bestimmung eines obersten Zwecks der Erziehung und ihrer inhaltlichen Zielstellung, wodurch gleichermaßen ein alles durchdringendes und organisierendes Prinzip gefunden werden kann. Diese Zielstellung wird von McMurry gleichfalls durch den Begriff der Moralität bestimmt und gleichsam in ihrer Bedeutsamkeit sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft herausgestellt. Interessanter ist es, sich jedoch den Unterschieden zuzuwenden. Hierbei fällt zunächst auf, dass McMurry einige Namen und deren Positionen, die sich bei Rein finden lassen, wie die von Basedow, Francke und Palmer, ausspart. Es lässt sich vermuten, dass sich dies in der angestrebten Leserschaft begründen lässt, welcher diese Namen höchstwahrscheinlich unbekannt gewesen wären und die deshalb vernachlässigt wurden. Dies legt wiederum den Schluss nahe, dass die von McMurry genannten Comenius, Rousseau, Locke und Pestalozzi einem breiteren Publikum in den USA vertraut waren. Interessant sind hierbei die Gründe der Ablehnung im Falle der sowohl bei Rein als auch bei McMurry herangezogenen Positionen von Rousseau, Locke und Pestalozzi. Wird Locke bei Rein in Bezugnahme auf Basedow aufgrund des fehlenden gesellschaftskritischen Moments abgelehnt, so geschieht das bei McMurry mit dem lapidaren Hinweis auf den aristokratischen Charakter dieses Erziehungsideals, das nicht mit der US-amerikanischen demokratischen Erziehung in Übereinstimmung gebracht werden kann. Lehnt Rein

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4. Komparation

Rousseaus Vorstellung mit der Bezugnahme auf Herbart dahingehend ab, dass mit diesem Erziehungsziel des Naturmenschen gleichsam die Intention der Überwindung aller gesellschaftlichen Übel nicht verwirklicht werden kann und es überaus fraglich ist, ob der so Erzogene sich in einer heterogenen Gesellschaft zurechtfinden kann, so geschieht das bei Charles McMurry wiederum vollends lapidar, wenn er konstatiert, dass noch der nobelste Naturmensch in vielfältiger Weise defizitär erscheint und nähere Erläuterungen hierzu vermissen lässt. Dies wiederholt sich im Falle Pestalozzis ein weiteres Mal, wenn Rein durch eine begriffliche Auseinandersetzung mit dem pestalozzianischen Motiv der harmonischen Ausbildung aller Kräfte zu seiner Ablehnung kommt. McMurry bescheinigt Pestalozzi, dass er zwar dem höchsten Erziehungsziel nahe kam, es gleichwohl nicht erfasste. In diesem Kontext muss darüber hinaus die Ablehnung einer jesuitischen und humanistischen Position erwähnt werden, die McMurry hauptsächlich hinsichtlich des Präferierens der formalen Seite der Ausbildung kritisiert und sie deshalb verworfen werden muss. Rein hingegen erwähnt die jesuitische Position überhaupt nicht; die humanistische nur im Kontext von Pestalozzi und dies in Bezug auf ihre pädagogische Anthropologie. Bei McMurry fällt auf, dass er innerhalb der Begründung der Ablehnung augenscheinlich anthropologische und schulpädagogische Perspektiven vermengt, wenn er einerseits, im Falle der Jesuiten und Humanisten auf deren didaktisch-methodische Vorstellungen hinweist, und andererseits das Menschenbild des Humanismus und der Naturwissenschaften als ein einseitiges brandmarkt. Besonders erwähnenswert sind die Bezugnahme und Kritik auf die Position und das Verständnis der Naturwissenschaften. Wenn für das Erziehungsdenken in den USA im Allgemeinen eine breite Rezeption eines naturwissenschaftlich-evolutionären Denkens im Kontext von Erziehung konstatiert werden kann (vgl. Krenzer 1984, S. 93), dann scheint es von besonderer Bedeutsamkeit, dass sich Charles McMurry gegen dieses wendet und damit eine Kontraposition zum vorherrschenden Paradigma im Bildungsdiskurs einnimmt, da er hinsichtlich der anderen Topoi teilweise einen anderen Modus wählt, was an späterer Stelle noch gezeigt wird. Ein weiterer interessanter Punkt und ein Unterscheidungsmerkmal ist bei McMurry in diesem Zusammenhang die, im Gegensatz zu Rein, starke Betonung und Bezugnahme auf einen schulpädagogischen Kontext und die Relevanz der Formulierung eines obersten Erziehungszieles für diesen. McMurry scheint sich hinsichtlich dieser Thematik nicht lange an ethi-

4.1 Komparation Topos Erziehungsziel 233

schen und allgemeinpädagogischen Reflexionen aufzuhalten bzw. herausstellen zu wollen, welchen Nutzen oder welche Funktionalität diese Zielformulierung oder inhaltliche Bestimmung des Begriffs der Erziehung und ihre Operationalisierung für schulpädagogische Überlegungen bereithält. Er lässt zwar keinen Zweifel daran, dass die Zielbestimmung im Begriff der Moralität an und für sich Wert hat, jedoch wird innerhalb der Auseinandersetzung und Bestimmung, im Gegensatz zu Rein, unmittelbar auf einen schulpädagogischen Kontext verwiesen, was insgesamt begrifflich als ein Modus gesellschaftsstrukturell-orientierter Transformation bestimmt wird. In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, dass Argumentation und Begründung der Moralität als Erziehungsziel von Rein in ungleich stärkerer Bezugnahme auf Herbart und seiner sittlichen Ideen vorgenommen wird, die sich bei McMurry überhaupt nicht finden lässt. Rein argumentiert nach der Setzung des Ziels, im Kontext seiner Begründung, stärker auf ethische Reflexionen beruhend, was sich schon daran zeigt, dass er der Meinung ist, dass die Teleologie innerhalb der Erziehungslehre als Bezugswissenschaft auf die Ethik in ihrer Form als Individualethik zurückgreifen muss. Interessant ist, dass sich ein solches Vorgehen der Argumentation auf Grundlage vertiefter ethischer Reflexion bei McMurry in seiner überarbeiteten Auflage von 1903, also elf Jahre nach der Ersterscheinung, durchaus feststellen lässt, wenn er auf die kantische Bestimmung des Begriffs des Willens Bezug nimmt und dieser Begriff als Argumentationsgrundlage dient. Wie weiter oben schon erläutert, kann die inhaltliche Überarbeitung in dieser Auflage als Reaktion auf den Diskurs gedeutet werden und ist dahingehend überaus interessant, da er nicht auf Herbart zurückgreift, sondern sich auf Kant bezieht. Eine Erklärung hierfür könnte darin gefunden werden, dass es für McMurry der Sache dienlich erschien. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein genereller Bedeutungsverlust der herbartischen bzw. herbartianischen Erziehungslehre im US-amerikanischen Bildungsdiskurs eingesetzt (vgl. Cruikshank/Knoll 1994, S. 164). So wurde der Name Herbarts vermieden, wenngleich diese Bezugnahme seine eigene Verbundenheit zu dieser Lehre durchaus ausdrückt, da Herbarts Ethik stark auf der kantischen aufbaute. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich hinsichtlich der allgemeinen Argumentationsstruktur augenscheinliche Parallelen feststellen lassen, jedoch bei der inhaltlichen Ausbuchstabierung auf andere Referenzpunkte verwiesen wird, um die Argumentation zu stützen. Abgelehnt werden beiderseits rein formale Bestimmungen des Begriffs der Erziehung. Inhaltlich wird das oberste Erziehungs-

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4. Komparation

ziel übereinstimmend als das der Moralität formuliert und als strukturierendes Prinzip bestimmt. Es lässt sich dabei also die Übereinstimmung hinsichtlich der grundlegenden Denkfigur, der Setzung der Moralität als oberstem Zweck und inhaltlicher Bestimmung der Erziehung, das nur durch die systematisierende Kraft eines einheitlichen Zwecks die Einheitlichkeit des pädagogischen Denkens und Handelns sichern lässt, erkennen. Bei Rein wird der Zusammenhang zwischen einer Erziehung, die auf Moralität als oberstes Ziel verwiesen ist und ihrer Wirkung auf das Individuum und die Gesellschaft, auf welche das so erzogene Individuum trifft, in einem viel stärkeren Maße hervorgehoben und reflektiert, als dies bei McMurry der Fall ist. McMurry setzt den Fokus anders und streicht die Bedeutsamkeit der Moralität als oberstes Ziel und Zweck der Erziehung auf die Institution der Schule heraus. Zugespitzt könnte man den Schluss formulieren, dass Reins Reflexionshorizont ein dezidiert ethischer und allgemeinpädagogischer ist, während McMurry, auch wenn er diese Perspektiven grundlegend einnimmt, doch eher ein augenscheinlich schulpädagogischer ist. Erst als im Diskurs der Mehrwert der Idee für den schulischen Kontext infrage gestellt wird, greift er auf eine, auf ethischer Reflexion basierenden, allgemeinpädagogische Argumentation zurück. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass Rein den Begriff der Moralität inhaltlich bestimmt, indem er auf die sittlichen Ideen Herbarts Bezug nimmt, während McMurry den Begriff verwendet, ohne ihn näher zu bestimmen und inhaltlich zu füllen und erst in der überarbeiteten Auflage dies überhaupt für nötig erachtet, wenngleich dies wiederum in einer wenig elaborierten Art und Weise. Darüber hinaus bleibt eine Akzentverschiebung bzw. die Aufnahme einer soziologisch orientierten Formulierung des Erziehungszieles festzuhalten, die sich im Modus der diskurs-orientierten Transformation zeigt und sich spätestens im Werk der Conflicting Principles dokumentiert, wobei die Position bzw. das Verständnis des Verhältnisses der Triangulation von Individuum, Gesellschaft und deren Veränderung bzw. Fortschritt hin zum Individuum aufgelöst wird. Das heißt, dass gesellschaftliche Veränderung oder Fortschritt über und durch Individuen geschieht und nicht umgekehrt. Das Erziehungsziel hat sich also zuvorderst am Individuum zu orientieren und ein solches für das Individuum zu formulieren und über die Erreichung dieses Erziehungszieles wird mittelbar gesellschaftlicher Fortschritt vorangetrieben. Dieses Verständnis lässt sich so auch bei Rein nachweisen (vgl. Koerrenz 2012, S. 11).

4.2 Komparation Topos Interesse 235

4.2 Komparation Topos Interesse Hinsichtlich dieser Komparation ergibt sich insoweit eine Besonderheit, dass Wilhelm Rein explizite eigene Ausführungen zum Topos Interesse erst sehr spät in seinem publizistischen Werk vorlegt (vgl. Rein 1915) und bis dahin den Interessebegriff Herbarts in seinen Werken, insbesondere in seiner Unterrichtslehre, präsupponiert und implizit zugrunde legt. In Charles McMurrys Ausführungen wird allein der herbart’sche Interessebegriff als Grundlage für die Darstellung genutzt und die darin enthaltene Formalstufentheorie sowie die daraus abgeleitete Theorie der kulturhistorischen Stufen und die Konzentrationsidee rein’scher Prägung werden nur am Rande erwähnt. Eine weitere Rechtfertigung für das folgende Vorgehen innerhalb des Vergleichs ergibt sich daraus, dass McMurry in seinen Überlegungen und Darstellungen seines Verständnisses des Begriffs zwar gelegentlich Ziller, jedoch Rein an keiner Stelle erwähnt bzw. als Referenz auf ihn zurückgreift. Das heißt, dass in der folgenden Gegenüberstellung der Erstkontext allein von Herbart repräsentiert wird und daher seine Konzeption und Ausführungen für den Vergleich zugrunde gelegt werden. Zu Beginn gilt grundlegend in Erinnerung zu rufen, dass zum einen nach Herbart Interesse immer eine Art der Selbsttätigkeit darstellt, die der Unterricht veranlassen soll und zum anderen, dass der Begriff des Interesses stark gekoppelt an den der Vielseitigkeit ist und ein Theorieelement in der Systematik des Erziehenden Unterrichts darstellt. Das Verständnis des Interesses als eine Art der Selbsttätigkeit, gebunden an einen Gegenstand, das als gleichschwebend und vielseitig sich auszubilden habe, wurde in der Art grundlegend von McMurry übernommen. Auch der Grundtenor der Interessenlehre Herbarts, dass das Werden des Zöglings im Mittelpunkt steht, lässt sich in Bezug darauf feststellen, dass Interesse nicht Mittel zum Zweck ist und vorausgesetzt werden kann, sondern durch die Beschäftigung mit geeigneten Stoffen hervorgebracht bzw. angebahnt werden soll. Das Interesse, basierend auf der induktiven Lehrmethode, das heißt ausgehend von konkreten Gegenständen herbeizuführen bzw. anzubahnen, kann als weitere Gleichförmigkeit des Verständnisses festgehalten werden. Hierbei wird, in Übereinstimmung mit Herbart, allerdings unter Verweis auf Ziller, auf die Verbindung und Relationierung des Interesses und des Willens hingewiesen. Erst das entwickelte Interesse in seiner höchsten Form

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4. Komparation

kann zu einer nachhaltigen willentlichen Anstrengung führen, weshalb es gilt, die Anbahnung des Interesses als zentrale Forderung an den Unterricht zu bestimmen. Allerdings nimmt McMurry in diesem Kontext keinen Bezug auf die Stufen der Entwicklung des Vielseitigen Interesses, zumal Herbart hier zwischen den Stufen der Entwicklung der Vielseitigkeit und des Interesses differenziert, so wie sie von ihm in diesem Zusammenhang entwickelt worden sind. McMurry widmet sich dieser Thematik, ganz im Sinne herbartianischer Tradition, separat in seinen Ausführungen zur Formalstufentheorie (vgl. McMurry C./McMurry, F. 1897). Darüber hinaus greift Charles McMurry dezidiert auf die Systematik der verschiedenen Quellen des Interesses, so wie sie von Herbart formuliert wurden, zurück. Hierbei nimmt er allerdings nicht auf den übergeordneten, abstrakteren Begriff der Gemütszustände als Ausgangspunkt der materialen Bestimmung des Vielseitigen Interesses und den diesen untergeordneten Begrifflichkeiten der Erkenntnis und Teilnahme Bezug, sondern stellt die gesamte Systematik stark verkürzt dar. So wird in seinen Ausführungen nicht ersichtlich, dass die beiden Formen des spekulativen und des ästhetischen Interesses bei Herbart dem empirischen Interesse subordiniert werden und sich erst aus letzterem ergeben. Dies gilt ebenfalls für den Bereich der Teilnahme, bei dem wiederum die Subordinierung des sozialen und religiösen Interesses unter das sympathetische Interesse, das Herbart als Umgang und Ausgangspunkt aller Teilnahme bezeichnet, keinen Ausdruck findet. Offenbar ist McMurry zwar an den Begrifflichkeiten interessiert, allerdings nicht so sehr am theoretischen Mehrwert der Relationierung der Begriffe innerhalb der Systematik. Darüber hinaus wird die Implementierung des Begriffes in das Gesamtkonzept des erziehenden Unterrichts vernachlässigt, was wiederum unterstreicht, dass nicht das abstrakte Gesamtsystem in seiner systematischen Ausbuchstabierung im Mittelpunkt des Interesses steht, sondern einzelne Theorieelemente, die als nützlich für eine, im Vergleich zur Systematik Herbarts stark verkürzte, Klassifizierung des Begriffs und der Bestimmung seines Inhalts und Umfangs betrachtet wird. Des Weiteren vernachlässigt McMurry im Kontext des Begriffs des Interesses in hohem Maße die Koppelung von Interesse und Vielseitigkeit. Auch wenn er an einigen Stellen von einem „many-sided Interest“ spricht (vgl. McMurry, C. 1892, S. 63-68; 1903a, S. 119-126), wird dieses Verhältnis als erziehungstheoretische Zielsetzung der Verwirklichung des Erziehenden Unterrichts nicht in den Gedankengang und in die Darstellung eingebaut. An genau diesem Punkt, die Einbettung

4.2 Komparation Topos Interesse 237

des Begriffes in die Gesamtsystematik der Konzeption des Erziehenden Unterrichts, lässt sich der Hauptunterschied und die zentrale Abweichung in der Darstellung und Ausführung des Begriffes identifizieren. McMurry betrachtet und entwickelt den Begriff in einer ungleich weniger systematischen Art und Weise und widmet sich ganz der Propagierung der Doctrine of Interest als alleinigem Grundmotiv für Unterricht und moralische Erziehung. In diesem Zusammenhang lassen sich weitere Unterschiede identifizieren. Eine erste augenscheinliche ist die Einführung der Unterscheidung von direktem bzw. intrinsischem und indirektem Interesse. Herbart hatte eine ähnliche sinnverwandte, wenn auch nicht deckungsgleiche Unterscheidung getroffen, nämlich eine nach egoistischem und geduldigem Interesse (vgl. Herbart 1806/1880, S. 42-43), gleichbedeutend mit der Unterscheidung zwischen Begehren und vielseitigem Interesse (vgl. Herbart 1806/1880, S. 42-43). Herbartianische Pädagogen wie Karl Volkmar Stoy oder Tuiskon Ziller arbeiteten später mit einer Unterscheidung nach mittelbarem und unmittelbarem Interesse, die terminologisch und sinnhaft (vgl. u.a. Ziller 1884, § 14, 357-373) an McMurrys Unterscheidung von direktem und indirektem Interesse erinnern. Hierbei wird ein Momentum virulent, welches es im Hinterkopf zu behalten gilt. Denn es kann für den gesamten Herbartianismus in USA als ein klassisches Transferphänomen identifiziert werden. Es besteht eine Verquickung verschiedener konzeptioneller Akzentuierungen herbart’scher und herbartianischer Elemente und es erfolgt auch hier keine Differenzierung zwischen den einzelnen Vertretern und Standpunkten. Diese Vorgehensweise wird weder metasprachlich gerahmt noch explizit reflektiert. McMurry spricht in diesem Zusammenhang immer übergreifend und undifferenziert von Herbart and his school (vgl. bspw. McMurry, C. 1903a, S. 119). Des Weiteren wird eine von Herbart unterschiedene Auffassung deutlich, wenn McMurry das Interesse ganz eindeutig den Gefühlen zuschreibt. Herbart hatte zwar in seiner Konzeption des Erziehenden Unterrichts die Entwicklung des Interesses in die Stufen des Interesses und in die Stufe der Begehrung unterteilt, wobei allerdings das bloße Interesse eine reine Tätigkeit des Geistes darstellt und damit dem intellektuellen Leben angehört. Darin weicht McMurry ganz klar ab, wenn er Interesse als „feeling and therefore belongs rather to the emotional as to the intellectual life“ (McMurry, C. 1903a, S. 85) bestimmt. Eine weitere Übereinstimmung ergibt sich allerdings in der Auflage von 1903, wenn McMurry die körperliche Verfasstheit und deren Bedeutung für Lernprozesse

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4. Komparation

und die Entwicklung von Interesse hervorhebt. Diese Elemente ließen sich sowohl bei Herbart (vgl. Herbart 1841/1880, S. 532) als auch bei Rein (vgl. Rein 1890, S. 138-140) nachweisen. In Bezug auf die Auflage von 1903 gilt es, auf eine zusätzliche Parallelität hinzuweisen, wenn McMurry heraushebt, dass der Lernprozess von Assoziationen und der Apperzeption neuer Lerninhalte abhängt und in diesem Prozess der Wille eine untergeordnete Rolle spielt. Abschließend lässt sich festhalten, dass McMurry viele inhaltliche Momente herbart’scher und herbartianischer Gedanken zum Begriff des Interesses aufgreift und diese in Übereinstimmung mit jenen übernimmt. Jedoch geschieht dies in einer eklektischen, unsystematischen, ja sezierenden Art und Weise, wobei weitestgehend offen bleibt, auf wessen Ausführungen und Überlegungen er sich wann und wie bezieht. Symptomatisch für dieses Vorgehen ist es, wenn McMurry als inhaltlichen Bezugspunkt von „Herbart and his school“ spricht und sich darüber hinaus in der im Verhältnis massiv erweiterten zehnten Auflage, etwas mehr als zehn Jahre später, um seinen Standpunkt mit „Zusatzsinn“ auszustatten, hauptsächlich auf US-amerikanische Exponenten aus dem pädagogischen und psychologischen Diskurs, allen voran William James und John Dewey, bezieht.

4.3 Komparation Topos Lehrplantheorie Grundsätzlich lässt sich hinsichtlich des Vergleichs in Bezug auf den Topos Lehrplantheorie, der sich wiederum aus den beiden Theorieelementen der Konzentrationsidee und der Theorie der kulturhistorischen Stufen speist, konstatieren, dass hierbei eine Übereinstimmung in den grundlegenden Denkfiguren und deren Anwendung in Bezug auf die Generierung eines Lehrplans festzustellen ist. Diese Übereinstimmung zeigt sich im Einzelnen darin, dass sowohl Charles als auch Frank McMurry in ihren Ausführungen dazu den Standpunkt vertreten, dass in das Zentrum des Lehrplans historische Stoffe zu setzen sind, die wiederum durch Anwendung der Theorie der Kulturstufen ausgewählt werden und die anderen Studien sich in ihrer Inhaltlichkeit auf jene beziehen. Dabei wird besonders den naturwissenschaftlichen Studien und der Geographie eine hohe Bedeutsamkeit beigemessen. Im Fall der formalen Studien werden die ausgewählten Inhalte zum Gegenstand gemach, wobei jedoch die Eigenständigkeit eines jeden Faches erhalten bleiben und die Bearbeitung in seiner jeweiligen Eigenart und seinem fachwis-

4.3 Komparation Topos Lehrplantheorie 239

senschaftlichen Profil erfolgen soll. Das heißt, dass in den fachwissenschaftlichen Studien nicht ausschließlich Inhalte besprochen werden sollen, die im Konzentrationsstoff der jeweiligen Stufe enthalten sind. Vielmehr soll es darum gehen, Anschlussmöglichkeiten aufzugreifen. Das Prinzip ist also in beiden Fällen ein formales Prinzip, bei dem die reziproken Verhältnisse der Unterrichtsstoffe zueinander und insbesondere der übrigen Stoffe zum Konzentrationsstoff in den Fokus rücken. Hierbei wird übereinstimmend darauf hingewiesen, dass die Individualität und unmittelbare Lebenswelt in diese Überlegungen einbezogen werden müssen und das Werden des Zöglings im Mittelpunkt stehen soll. Dabei wird des Weiteren in Übereinstimmung mit Rein darauf hingewiesen, dass die beiden Theorieelemente auf das Engste mit der Charakterbildung verknüpft sind und sowohl aus psychologischen, durch die Bezugnahme auf die Assoziationspsychologie und die zielgerichtete Bearbeitung des Gedankenkreises im Unterricht, als auch aus ethischen Begründungszusammenhängen her als evident betrachtet werden können. Konzentration innerhalb des Lehrplans fördert demnach die Konzentration der Persönlichkeit des Zöglings, indem sie sowohl die Gefühlswelt und die Willensbildung berührt und positiv beeinflusst als auch die intellektuelle Entwicklung fördert. Es wurde aus der Analyse ersichtlich, dass die Überlegungen zur Lehrplantheorie der beiden US-amerikanischen Protagonisten nicht nur in formaler Hinsicht den beiden rein’schen Denkfiguren, besonders im Falle von Charles McMurry, dem Lehrplan nach Rein in einem gewissen Maße sogar in seiner materialen Ausgestaltung, namentlich die Geschichte Robinson Crusoes für die Klassenstufe zwei, folgen. Abgelehnt wird in diesem Zusammenhang in Übereinstimmung mit Rein die Konzeption eines Lehrplans nach konzentrischen Kreisen als eine falsch verstandene Art der Konzentration. Es lassen sich bei genauerer Betrachtung allerdings Abweichungen feststellen. Zum einen betont McMurry in einem viel stärkeren Maße die Verbindung von Schule und außerschulischem Bereich. Dass die Familie eine bedeutsame Erziehungsinstitution darstellt, wird auch von Rein anerkannt, jedoch geht er weniger als McMurry auf die Harmonisierung von Schule und Familie und deren Zusammenarbeit ein. Generell erhält der außerschulische Bereich als Ort des Lernens und der Erziehung bei McMurry eine viel größere Aufmerksamkeit. Zum anderen betont McMurry die Relevanz und Bedeutsamkeit der naturwissenschaftlichen und geographischen Studien in höherem Maße als Rein. Besonders hinsichtlich der Verbindung von historischen und geogra-

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4. Komparation

phischen Stoffen hebt er deren innige Bezogenheit aufeinander heraus, was in der Spezifität der US-amerikanischen Geschichte als einer Geschichte der Entdeckung und dem Frontier-Mythos (vgl. Ambrose 1997, Heideking/Mauch 2008, S. 158) begründet liegen könnte. Dies ist auch die Stelle an der McMurry selbst auf die begrenzte Anwendbarkeit des rein’schen Lehrplans auf die US-amerikanischen Verhältnisse hinweist und feststellt, dass insbesondere seine religiöse Akzentuierung nicht übernommen werden kann, da die religiöse Bildung in den USA im kirchlichen Kontext verortet ist. Das heißt, dass also die Logik des Prinzips erhalten bleibt, jedoch die materiale Ausgestaltung abweicht. Dies bedeutet, dass McMurrys Lehrplan für die Schuljahre insgesamt eine kategoriale Kongruenz bei den historischen Stoffen (Märchen, Robinson Crusoe, Mythen, nationale Geschichte) aufweist, aber die konkrete Auswahl bzw. der Ausschluss, im Falle der religiösen Stoffe, der in den Mittelpunkt zu stellenden Stoffe, auf einer kulturellen Binnenlogik heraus erfolgt. Dies ist besonders beachtenswert, da im Falle Reins als auch Zillers den religiösen Stoffen eine hohe Bedeutsamkeit zukommt. Das zeigt sich grundsätzlich schon darin, dass sie im Bereich der Charakterbildung von einem sittlich-religiösen Charakter sprechen, den es zu entwickeln gilt. Bei Charles McMurry wird sie aus dem schulpädagogischen Kontext insoweit ausgeschlossen, dass sie der kirchlichen Autorität obliegt, was wiederum ein Indiz für die besondere Stellung der Kirche als Bildungs-institution) in den USA darstellt. Zumal die Etablierung schulischer Ausbildung und der Schule als Institution allgemein aus religiös motivierten Bestrebungen aus einem kirchlichen Kontext heraus entstanden ist, die wiederum an lokale Initiativen gebunden war und erst im 19. Jahrhundert die public education als säkulare Schule etabliert wurde (vgl. Cubberley 1918). Insgesamt kann hinsichtlich dieses Topos konstatiert werden, dass sich hierbei eine große Kongruenz der theoretischen Perspektiven und Positionen feststellen lässt, welche sich nicht änderten und an denen festgehalten wurde. Es wird auch im Laufe der Zeit und der Weiterentwicklung des Diskurses, der in den USA unter dem Begriff der Correlation geführt wurde, lange Zeit auf der Position der Concentration beharrt. Sie wurde besonders von Charles McMurry zur Doktrin erhoben, welche die Effizienz des Unterrichts steigert, die Kompetenz des Lehrers erhöht und die Autonomie des Schülers stärkt und der Lehrplantheorie ein festes Fundament gibt. Erst spät in seinem pädagogischen Denken, repräsentiert durch die Hinwendung zu den type studies und dem Projektbegriff, wird das Beharren auf dieser Doktrin aufgeweicht und anders akzentuiert.

4.4 Komparation Topos Formalstufentheorie 241

4.4 Komparation Topos Formalstufentheorie Hinsichtlich dieses Topos gilt es gleich zu Beginn darauf hinzuweisen, dass zumindest oberflächlich betrachtet eine erstaunliche Kongruenz festzustellen ist. Zumal die Brüder McMurry in der Method of Recitation gleich zu Beginn noch darauf verweisen, dass „there is no thoughtless imitation of foreign methods and devices. While our debt to German thinkers for an organization of fundamental ideas is great, the entire discussion, as here presented, springs out of American conditions; its illustrative materials are drawn exclusively from lessons commonly taught in our schools” (McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 5). Hierin steckt aber auch schon, was die McMurrys als Negierung der Imitation der Theorie bezeichnen. Sie erstreckt sich nämlich in der Hauptsache auf die Materialität der behandelten Stoffe. Die Unterschiede liegen, wie noch gezeigt wird, in der Interpretation der formalen Stufe und ihrem wissenschaftstheoretischen Begründungszusammenhang. In formaler bzw. theoretischer Hinsicht wird sich in außerordentlicher Übereinstimmung an die Formalstufentheorie, wie sie von Rein im Anschluss an Ziller ausbuchstabiert wurde, angeschlossen. Dies zeigt sich zugleich in der Darstellung der ersten Stufe, wenn ihr die Funktion der Aktivierung bereits bestehender Vorstellungen zugeschrieben wird, die so viele mit dem zu erarbeitenden Stoff verbundene Vorstellungen ins Bewusstsein heben soll wie möglich. Dabei wird darauf hingewiesen, dass auf dieser Stufe der Brückenschlag zu den neuen Stoffen nicht vollzogen werden darf, sondern es zunächst gilt, das Alte vom Neuen zu separieren, weil durch die Erwartung und damit das Interesse für das Neue eine Abschwächung erfahren würde. Die McMurrys begründen dies inhaltlich übereinstimmend, nur aus der entgegensetzten Richtung, wenn Frank McMurry schreibt, dass „whenever one sees definitely where his knowledge leaves off, a feeling of need arises, an appetite is generated for more; that is, a receptive frame of mind is produced, and one knows where new instruction should begin” (McMurry, C./ McMurry, F. 1897, S. 95). Eine Einschränkung, die von Rein gemacht wird, wenn er schreibt, dass es „aber […] dem Schüler zu gestatten [ist, M.S.], an passenden Stellen mit seinen Gedanken vorauszueilen und das Nachfolgende in seinem Geiste versuchsweise frei vorauszukonstruieren“ (Rein et al. 1888, S. 50), findet sich so bei den McMurrys nicht. Die Zielsetzung gilt es dabei innerhalb dieser Stufe notwendigerweise gegenüber den Schülern transparent zu machen und an den

242

4. Komparation

Beginn zu stellen. Diese Zielangabe und ihre Verfasstheit werden fast wörtlich von Rein übernommen, wenn es heißt, dass das Ziel als ein konkretes und eindeutiges zu formulieren und innerhalb einer methodischen Einheit zu erreichen ist und es zudem simpel und attraktiv sein muss. Auch bei der Begründung der Relevanz wird auf eine Denkfigur verwiesen, die sich so bei Rein auffinden lässt. Er wird hierfür zitiert, dass ohne Zielangabe kein Objekt generiert wird, auf das der Wille sein Streben und sein Begehren richten kann. Ein Unterschied lässt sich hinsichtlich dessen feststellen, wenn Rein von Zwischenzielen spricht, die aus der realen und logischen Notwendigkeit folgen, welche die Schüler selbst im Laufe des Unterrichts formulieren können. Die Koppelung bzw. die Begründung der Notwendigkeit der Vorbereitung als erster Stufe wird ebenfalls in Übereinstimmung mit Rein in der psychologischen Denkfigur der Apperzeption als ein Gesetz des Lernprozesses bestimmt, wobei darüber hinaus auch das Verständnis dieses Begriffes deckungsgleich ist. Allerdings fehlt die grundlegende Unterscheidung, die Rein in Bezug auf Herbart in seine Überlegungen explizit einbezieht, zwischen analytischem und synthetischem Unterricht. Die Begriffe analytisch und synthetisch werden zwar benutzt, aber nur im Kontext der Stufenbezeichnungen nach Ziller. Die Begründung hierfür liegt wohl in der schon oben angedeuteten grundlegenden, von Rein abweichenden wissenschaftstheoretischen Einbettung der Formalstufentheorie, worauf es weiter unten noch explizit einzugehen gilt. Diese Stufe soll ebenso wie bei Rein auf Konversation beruhen und genügend Raum einnehmen. Hinsichtlich der zweiten Stufe findet sich eine in Bezug auf die methodische Ausgestaltung fast wörtliche Übernahme der McMurrys zu den Formulierungen, wie sie bei Rein zu finden sind. Es wird darauf verwiesen, dass die methodische Ausgestaltung sich am (fachwissenschaftlichen) Stoff zu orientieren hat und darin bestehen kann, eine Geschichte zu lesen, eine Karte zu studieren, etwas zu zeichnen oder ein kleines Experiment durchzuführen. Unter der Prämisse, dass sich die Schüler mit einem neuen konkreten Lerngegenstand auseinandersetzen, wodurch der apperzeptive Prozess unterstützt werden soll. Es wird sowohl von Rein als auch von den McMurrys die Bedeutsamkeit der Eigenaktivität bzw. self-activity der Schüler auf dieser Stufe betont. Die McMurrys bezeichnen dies als die developing method, die in dieser Formulierung als entwickelnde Methode, so zwar nicht bei Rein zu finden, jedoch konzeptionell durchaus so angelegt ist und durch die McMurrys in Anlehnung an die sokratische Methode ausbuchstabiert wird.

4.4 Komparation Topos Formalstufentheorie 243

In dieser developing method wird stark auf eine von Konversation geprägte fragend-entwickelnde Methode rekurriert, die in dieser Form bei Rein nicht explizit formuliert wird. Rein sieht nur für den Notfall vor, „durch eine Reihe künstlicher katechetisch-entwickelnder Fragen, [die Schüler, M.S.] alles und jedes selbst finden zu lassen“ (Rein et al. 1888, S. 55), was in dieser Form zumindest in der grundlegendsten Denkfigur an die sokratische Methode erinnert. Dabei hat der Prozess sequentiell zu erfolgen und die stoffliche Erschließung ein Kontinuum darzustellen. Das heißt, dass es auch im differenziertesten Teil des Stoffes gilt, die Einheit zu bewahren und eine Gliederung erkennbar bleiben muss. Im engen Anschluss an Rein ist es für die McMurrys wiederum notwendig, dass, bevor das Neue von Seiten der Lehrkraft benannt bzw. artikuliert wird, es den Schülern obliegt, es in ihren eigenen Worten zu bestimmen. Dass es auf dieser Stufe zuvorderst darum geht, klare Vorstellungen entstehen zu lassen, ist auf beiden Seiten augenscheinlich. Dass diese Stufe bei den McMurrys gleichfalls weiterhin die Funktion, mit dem Verweis auf die herbart’sche Unterscheidung von Vertiefung und Besinnung innerhalb des Lernprozesses, der Rekapitulation erfüllt und damit gleichzeitig in den Kontext der Correlation, also der horizontalen Verknüpfung, gestellt werden kann, weicht insoweit ab, als bei Rein hierbei nicht nur ein Überblick, sondern gleichfalls ein Vorausdenken möglich sein sollte, da „auf eine Vertiefung eine Besinnung folgen kann, […] in denen vom Bekannten Vorblicke auf das Unbekannte geworfen werden können“ (Rein et al. 1888, S. 51). Eine weitaus elaboriertere Auseinandersetzung erfährt bei den McMurrys die Verbindung der formalen Stufen mit etwaigen Lehrbüchern und wie sie einzusetzen sind. Auch wenn die von ihnen propagierte developing method die zu bevorzugende Methode darstellt, ist es keinesfalls erlässlich, sich auch auf dieser Stufe der Lehrbücher zu bedienen und sie vor allem zur Ergebnissicherung einzusetzen. Dass die Auseinandersetzung mit dieser Thematik in diesem Kontext so dezidiert geschieht, liegt wohl darin begründet, dass die Lehrerschaft gegen Ende des 19. Jahrhundert in den US-amerikanischen Schulen immer noch stark von Lehrbüchern abhängig war (vgl. Cruikshank 1998, S. 102) und sie einen überaus relevanten Gegenstand darstellten, den es im Zusammenhang mit unterrichtsmethodischen Überlegungen unbedingt einzubeziehen galt. Die dritte Stufe dient bei den McMurrys, ebenso wie bei Rein, der Verknüpfung, basierend auf einem Vergleich, der den Abstraktionsprozess einleitet. Für Rein gilt

244

4. Komparation

es dabei, die wertvollen Gedankenverbindungen herzustellen, was die McMurrys durch ihren Begriff der types absichern wollen, die den Vergleich schneller und effektiver im Sinne der wertvollen Verbindungen, wie Rein sie nennt, extrahieren und ins Bewusstsein heben können. Hier deutet sich ein weiteres Mal die Sonderstellung des Theorieelements der types und des sich später daran anschließenden Begriffes des Projekts an, auf den an späterer Stelle noch dezidiert eingegangen wird. Der vierten Stufe obliegt es nun, worin eine Übereinstimmung festzustellen ist, die begrifflichen Resultate abzuleiten und in eine systematische Ordnung zu bringen, das heißt, den Abstraktionsprozess zu vollenden und die vorhandenen Allgemeingültigkeiten aus dem Verknüpften stärker herauszuarbeiten und gänzlich vom Konkreten zu sondieren. Die McMurrys bezeichnen dies mit dem Übergang von den individual notions zu den general notions, was bei Rein begrifflich übereinstimmend als Übergang von Einzelvorstellungen hin zu Allgemeinvorstellungen bezeichnet wird. Rein nimmt in diesem Zusammenhang eine weitere Differenzierung des Abstraktionsprozesses innerhalb des Lernprozesses vor, indem er eine Abstraktion höheren und niederen Grades unterscheidet. Das bedeutet, dass die Ergebnisse eines Abstraktionsprozess oder gewissermaßen seine Stufen unterteilt sind in niedere und höhere Abstraktion. Dabei zerfällt die höhere Stufe wiederum in psychologische und logische Begriffe, was schlussendlich eine dreiteilige Stufung des Abstraktionsprozesses darstellt. Es liegt hier eine weitere Kongruenz der Denkfigur vor, da die McMurrys in ihrer Auseinandersetzung mit dem Erkenntnisprozess als eines induktiven Prozesses ebenfalls eine derart gelagerte Unterscheidung in individual notions, als die der Vorstellungen eines Bestimmten, eines Konkreten und auf der Ebene der general notions zwischen psychical notions und logical notions vornehmen (vgl. McMurry, C./McMurry, F. 1897, S. 43-44). Psychical notions bezeichnen dabei die subjektiven, an das Individuum gebundene Vorstellungen bzw. Konzepte, die zumeist durch Unschärfe gekennzeichnet sind und logical notions, die objektiven abstrakten Vorstellungen bzw. Konzepte darstellen. Auch dass sich der Unterricht zumeist mit dem psychologischen Begriff zufriedengeben muss, übernehmen die Brüder in ihre Konzeption. Die Stufe der Anwendung der Resultate dieser begrifflichen Arbeit hat bei den McMurrys, wiederum in Übereinstimmung mit Rein, nun die Funktion, offen zu legen, dass diese Arbeit einen Wert für das tatsächliche Leben, das Handeln und Tun der Schüler hat. Das heißt, dass sowohl bei Rein als auch bei den McMurrys

4.4 Komparation Topos Formalstufentheorie 245

die konkrete Ausgestaltung dabei grundlegend auf die geistige Bewegung zwischen Abstraktem und Konkretem ausgerichtet sein muss und dabei zum einen die induktiv gewonnenen general notion deduktiv auf den vorangegangenen Erkenntnisweg zurück zu beziehen sind und zum anderen das abstrakte Wissen auf neue Probleme, aber auch andere Lerngegenstände auch aus anderen Studien zu beziehen sind und für die Lösung der Problemstellungen bzw. der Erschließung anderer Lerngegenstände einzusetzen sind. In diesem Zusammenhang kommen die McMurrys das einzige Mal auf die Relevanz der Stufen für die moralische Entwicklung der Schüler zu sprechen. Wohingegen diese Implementierung und Bezugnahme bei Rein kontinuierlich geschehen. Das bedeutet, dass bei den McMurrys keine tiefgreifende Reflexion der Bedeutsamkeit der formalen Stufen insgesamt in die Programmatik eines erziehenden Unterrichts gestellt wird, sondern diese nur im Kontext der Anwendung des erworbenen Wissens und der Fähigkeit korrekt, das heißt in ihrem Falle konkret induktiv-deduktiv, Denken zu können und diese Anwendung sich damit im Verhalten materialisiert und der Charakter sich genau in dieser Einheit von Denken und Handeln äußert. Damit ist ein grundlegender Aspekt angesprochen, der weiter oben schon erwähnt wurde und den es zu explizieren gilt. Es geht um die grundlegende (psychologische) Interpretation des menschlichen Erkenntnisprozesses, der von den McMurrys in der wissenschaftstheoretischen Verortung innerhalb des naturwissenschaftlichen Paradigmas als ein dezidiert induktiver Prozess bestimmt wird und dieses Verständnis auf die Unterrichtsmethodik angewandt wird.57 Obgleich Reins Verständnis ebenfalls als durchaus induktiv bezeichnet werden kann und die unteren Stufen dieser Erkenntnislogik folgen, indem er das Ziel des Unterrichts im Erwerb abstrakter Begriffe bestimmt und der Weg dahin ein induktiver ist, kann bei ihm keine Referenz auf naturwissenschaftliche Methoden in diesem Kontext festgestellt werden. Die McMurrys positionieren sich in ihrer Interpretation der formalen 57 Hinsichtlich der Lehrmethode, in Anlehnung an die herbartianische Position eines Zillers oder Reins, wurde von anderen US-amerikanischen Herbartianern, zum Beispiel Charles De Garmo, eine ähnliche, aber in der konkreten Ausbuchstabierung abweichende Position vertreten. Bei Charles De Garmo heißt es bezüglich der Lehrmethode: „In accordance with this idea, individual facts must be made to yield their rational content in the form of definitions, rules, principles, maxims, etc., which must in turn have a wide application to the whole field of new individual facts to which they are appropriate.” (De Garmo 1892, S. 92) Die Interpretation der formalen Stufen als induktivem Prozess, der von einzelnen Fakten abstrahierend zu allgemeinen Definitionen fortzuschreiten hat, ist also auch bei ihm grundlegend. Jedoch reduzierte er die Anzahl der fünf Stufen auf drei und bestimmt dabei die ersten beiden als dezidiert induktiv (vgl. De Garmo 1892, S. 97).

246

4. Komparation

Stufen als einem induktiven Prozess, der auf dem universellen Verständnis menschlicher Erkenntnisprozesse als einem solchen beruht, ganz klar und fundieren die Unterrichtsmethodik in diesem Paradigma. Am offensichtlichsten wird dies, wenn sie sich auf den englischen Biologen, Empiristen und Evolutionstheoretiker Henry T. Huxley berufen, der den induktiven Erkenntnisprozess als den allgemeinen Erkenntnisprozess der Naturwissenschaften bezeichnete und diesen als universellen für alle Studien postulieren und ihn unterrichtsmethodisch übersetzen wollte, wobei sie wiederum stark auf psychologische Forschung rekurrieren. Besonders deutlich wird dies in der Begründung der general notions als Ziel des Unterrichts. Die Erklärung hierfür ist eine doppelte. Zum einen ist mit Berufung auf dieses Gedankengut eine Möglichkeit der kommunikativen Anschlussfähigkeit im Diskurs und damit die Generierung von kommunikativer Resonanz (vgl. Treml 1997) gegeben, da gerade vor und um die Jahrhundertwende im US-amerikanischen Erziehungsdenken eine dezidierte Hinwendung und Bevorzugung empirisch und evolutionstheoretisch begründeter wissenschaftlicher Sichtweisen auf den Menschen und seine Erziehung zu verzeichnen ist (vgl. Krenzer 1984, S. 93-117). Zum anderen sind es offensichtlich das Anliegen und die Strategie der McMurrys, mit ihrer Theorie die Wissenschaftlichkeit der Pädagogik zu fundieren und damit gleichfalls darüber hinaus die Lehrerschaft für ihre Position zu gewinnen. Die Denkfigur des induktiven Lern- und Lehrprozesses ist bei Rein angelegt, wird jedoch von den McMurrys in einem diskurs-orientierten Modus in einen anderen Begründungszusammenhang gestellt. Betrachtet man die Referenz im Allgemeinen, die für die Untermauerung der eigenen Position angeführt werden, so wird die transkulturelle ideengeschichtliche Dimension der Ausbuchstabierung derselbigen deutlich. So finden sich neben deutschsprachigen Autoren wie Karl Lange, Gustav Lindner, aber auch Herbart, Ziller und Rein selbst ebenso englische Theoretiker wie der bereits erwähnte Huxley und der oft zitierte Herbert Spencer. Darüber hinaus sogar Sokrates, aber auch dezidiert US-amerikanische Diskursbeteiligte, allen voran der überaus einflussreiche William T. Harris, der in vielen Punkten gegen die herbart’schen und herbartianischen Positionen und Theorieelemente opponierte. Dieser Modus der transkulturellen verfassten Argumentation folgt dabei der Logik, die eigene Position durch Fremdreferenz mit Zusatzsinn anzureichern, der eigenen Position Autorität zu verleihen und die Chance auf Nobilitierung im Diskurs zu erhöhen.

5. Befunde und Ergebnisse Der folgende Teil soll die Befunde und die Ergebnisse, die sich zum einen aus dem Nachvollzug des konkreten Transfers sowie der Analyse des pädagogischen Denkens und des darauf basierenden Vergleichs hinsichtlich der aufgeworfenen Topoi, die sowohl die Analyse des Zweitkontextes als auch den Vergleich der pädagogischen Lehren von Wilhelm Rein und Charles und Frank McMurry geleitet haben, zusammenfassen und kondensiert darstellen sowie Antworten auf die zugrundeliegende Fragestellung der Arbeit liefern. Dabei werden gleichbedeutend die Transformationen hinsichtlich der einzelnen Topoi offengelegt und veranschaulicht. Dabei gilt es, auf bestimmte Spezifika dieser Auswertung in analytischer und systematischer Hinsicht hinzuweisen. Wie weiter oben schon erläutert, wird zwischen einer Externalisierungsphase, die die Befunde und Ergebnisse hinsichtlich der Transferdimension, die sich aus dem historischen Nachvollzug des konkreten Transfers und seiner verschiedenen Modalitäten, die hierbei zutage traten, einer Phase der „Erstmaterialisierung“ bzw. Implementation oder Rekontextualisierung und einer Phase der Internalisierung unterschieden (vgl. Steiner-Khamsi 2003, S. 381-382). Die Phase der „Erstmaterialisierung“ beleuchtete das pädagogische Denken Charles und Frank McMurrys, das sich auf den Zeitraum von 1892, der Ersterscheinung der General Methods, und 1897, der Ersterscheinung der Method of Recitation, erstreckt. Die Phase der Internalisierung, die sich dezidiert auf die Weiterentwicklung bzw. Modifikation der zunächst vertretenen Positionen hinsichtlich der aufgeworfenen Topoi, welche sich insbesondere ab 1903 im publizistischen Wirken der beiden Brüder nachweisen lassen und in dem Werk Teaching by Projects von Charles McMurry einen Abschluss finden, bezog, beruhte auf einer diachronen Perspektive, um Modalitäten der Transformation zu identifizieren und zu beschreiben. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, Modalitäten eines Transfers und der damit einhergehenden und sich anschließenden Transformation besser offenzulegen und zu verstehen sowie darüber hinaus aufschlussreiche Erkenntnisse über den Aufnahmekontext generieren zu können. Zum Aufbau des Kapitels bleibt anzumerken, dass sich die Punkte 5.1 bis 5.5 auf die inhaltliche Dimension des Transfers und der Transformation beziehen und die Punkte 5.6 und 5.7 abstrakte Ergebnisse hinsichtlich der Transfer- und Transformationsdimension, die in der inhaltlichen Auseinandersetzung aufgeworfen werden, erläutern und diskutieren. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_5

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5. Befunde und Ergebnisse

5.1 Topos Erziehungsziel In Bezug auf den Topos des Erziehungsziels lässt sich auf Grundlage der Textanalyse und deren Komparation feststellen, dass McMurry in formaler Hinsicht einen sehr stark an Rein orientierten Argumentationsgang wählte und verschiedene Positionen einführte, um zu veranschaulichen, dass eine rein formale Bestimmung des Begriffs der Erziehung und daraus eine Ableitung eines Erziehungszieles nicht möglich sei. Daraus wurde geschlussfolgert, dass es einer inhaltlichen Bestimmung bedürfe. Eine weitere Übereinstimmung mit Rein ergab sich, wenn McMurry sich dezidiert gegen eine utilitaristische Herangehensweise wendet, wenn es darum geht, ein oberstes Erziehungsziel in den Blick zu nehmen. Wie bei Rein führen diese Reflexionen zu einer zwangsläufigen Notwendigkeit der inhaltlichen Bestimmung eines obersten Zwecks der Erziehung, wodurch gleichermaßen ein alles durchdringendes und organisierendes Prinzip gewonnen werden kann. Diese Zielstellung wurde von McMurry gleichfalls durch den Begriff der Moralität bestimmt und gleichsam in ihrer Bedeutsamkeit sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft herausgestrichen. Ein bedeutsamer Punkt, der ein gewichtiges Unterscheidungsmerkmal darstellt und sich schon in der Phase der „Erstmaterialisierung“ des Vergleichs zeigt, war der Befund, dass McMurry in diesem Zusammenhang, im Gegensatz zu Rein, eine starke Betonung und Bezugnahme auf einen schulpädagogischen Kontext und die Relevanz der Formulierung eines obersten Erziehungszieles für diesen herausstrich. McMurry hielt sich hinsichtlich dieser Thematik nicht lange an ethischen und allgemeinpädagogischen Reflexionen auf, sondern stellte dezidiert den Nutzen bzw. die Funktionalität dieser Zielformulierung oder inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der Erziehung und ihrer Operationalisierung für schulpädagogische Überlegungen heraus. Darüber hinaus ließ sich feststellen, dass Argumentation und Begründung der Moralität als Erziehungsziel von Rein in ungleich stärkerer Bezugnahme auf Herbart und seiner sittlichen Ideen vorgenommen wurden, die sich so bei McMurry nicht finden lassen. Jedoch ließ sich bei McMurry eine Akzentverschiebung hin zu vertiefter ethischer Reflexion im Kontext der Setzung und deren Begründung der Moralität als erstem Erziehungsziel, in seiner überarbeiteten Auflage von 1903 durchaus feststellen, wenn er auf die kantische Bestimmung des Begriffs des Willens Bezug nahm und ihm diese als Argumentationsgrundlage

5.1 Topos Erziehungsziel 249

diente. Diese inhaltliche Überarbeitung konnte als Reaktion auf den Diskurs gedeutet werden und folgte dem Modus der diskurs-orientierten Transformation, wobei zu bemerken war, dass McMurry an dieser Stelle nicht auf Herbart zurückgreift, sondern sich auf Kant bezieht. Als Erklärung hierfür konnte formuliert werden, dass es für McMurry der Sache dienlich erschien, da zu diesem Zeitpunkt ein genereller Bedeutungsverlust der herbartischen bzw. herbartianischen Erziehungslehre im US-amerikanischen Bildungsdiskurs eingesetzt hatte (vgl. Cruikshank/ Knoll 1994, S. 164), den Namen Herbarts zu vermeiden, wenngleich auch durch die Bezugnahme auf Kant die eigene Verbundenheit zur Lehre Herbarts zumindest mittelbar erhalten blieb, da Herbarts Ethik stark auf der kantischen aufbaute. Zusammenfassend ließ sich also festhalten, dass hinsichtlich der allgemeinen Argumentationsstruktur augenscheinliche Parallelen festzustellen waren, die jedoch in Bezug auf die inhaltliche Ausbuchstabierung auf andere Referenzpunkte zurückgriff, um die eigene Argumentation zu stützen. Abgelehnt wurden beiderseits rein formale Bestimmungen des Begriffs der Erziehung, wobei die inhaltliche Bestimmung des obersten Erziehungsziels übereinstimmend als das der Moralität formuliert und als strukturierendes Prinzip bestimmt wurde. Die grundlegende Denkfigur der Setzung der Moralität als obersten Zweck und der inhaltlichen Bestimmung der Erziehung, das sich nur durch die systematisierende Kraft eines einheitlichen Zwecks die Einheitlichkeit des pädagogischen Denkens und Handelns sichern lässt, blieb also erhalten. Dabei wird bei Rein jedoch der Zusammenhang zwischen einer Erziehung und ihrem obersten Ziel der Moralität in ihrer Bedeutsamkeit für das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft in einem höheren Maße hervorgehoben und reflektiert, als dies bei Charles McMurry der Fall ist. McMurry hingegen akzentuiert seine Argumentation und deren Zielsetzung anders und streicht die Bedeutsamkeit der Moralität als oberstes Ziel und Zweck der Erziehung auf die Funktionalität hinsichtlich der Ausgestaltung der Institution der Schule heraus. Der abstrakte Schluss, der sich hierbei aus diesem Vergleich ergab, konnte dahingehend formuliert werden, dass Rein einen dezidiert ethischen und allgemeinpädagogischen Reflexionshorizont wählte, während McMurry, auch wenn er diese Perspektiven grundlegend einnimmt, doch eher ein augenscheinlich schulpädagogischer ist. Als Erklärung für diesen Befund kann in Anlehnung an Schriewer (vgl. Schriewer 1992) auf die Funktion des hier vorliegenden Transfers verwiesen werden, der

250

5. Befunde und Ergebnisse

in diesem Falle dem Externalisierungsmodus zur Generierung von Zusatzsinn in Bezug auf Wissenschaftlichkeit und Organisation folgt. Die abweichende Akzentuierung der Argumentationsfigur und deren stärkere schulpädagogische Fokussierung liegt hintergründig darin begründet, dass es für McMurry galt, eine Theorieofferte vor dem Hintergrund der Entwicklung der public-education bzw. dem Schulwesen in den sogenannten common-schools und den damit verbunden Herausforderungen, die eine zufriedenstellende theoretische und wissenschaftliche Fundierung der Schule als Erziehungsschule als ein ordnendes Prinzip darstellte, anbieten zu können. Das heißt, dass das Theorieelement des Erziehungszieles in seiner inhaltlichen und säkularen Bestimmung und vor allem die Funktionalität desselbigen genau deshalb schulpädagogisch akzentuiert war, weil dies den Herausforderungen des Bildungssystems entsprach. Es folgt damit nicht einem Modus der Referenz reiner Wissenschaft, sondern dokumentiert hier die Verschränkung von wissenschaftlicher Theoriebildung und Bildungssystem und kann abstrakt als Modus der gesellschaftsstrukturell-orientierten Transformation bestimmt werden. Dies ändert sich erst an späterer Stelle, das heißt in der diachronen Dimension, als im Diskurs der Mehrwert der Idee für den schulischen Kontext infrage gestellt wird, wenn er auf eine auf ethischer Reflexion basierende, allgemeinpädagogische Argumentation zurückgreift. Diese Anpassung bzw. Modifizierung der eigenen Position und der Argumentationsfigur folgt hierbei dem Modus der diskurs-orientierten Transformation. Genau dieser Modus tritt ein weiteres Mal zutage, wenn McMurry eine weitere Akzentverschiebung vornimmt bzw. die Aufnahme einer soziologisch orientierten Formulierung des Erziehungszieles aufgreift, die sich im Modus der diskurs-orientierten Transformation zeigt und sich spätestens im Werk der Conflicting Principles (McMurry, C. 1914) dokumentiert. Die Moral, die zunächst individualistisch definiert wurde, begann soziale Konnotationen anzunehmen. Hervorzuheben gilt allerdings hierbei, dass die Position bzw. das Verständnis des Verhältnisses der Triangulation von Individuum, Gesellschaft und deren Veränderung bzw. Fortschritt, die McMurry vertritt, darin besteht, dieses Verhältnis zum Individuum hin aufzulösen. Das heißt, dass der Ausgangspunkt gesellschaftlicher Veränderung oder gesellschaftlichen Fortschritts die Entwicklung und das Wirken der Individuen abbildet, weshalb sich das Erziehungsziel am Individuum zu orientieren hat. Dieses Verständnis lässt sich in der Form auch bei Rein nachweisen (vgl. Koerrenz 2012, S. 11). Inwieweit diese Kongruenz auf den Einfluss

5.2 Topos Interesse 251

Reins zurückzuführen ist, bleibt allerdings ungewiss, da sich Rein zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der McMurrys publizistisch dazu noch nicht geäußert hatte. Es erscheint aber zumindest möglich.

5.2 Topos Interesse Hinsichtlich dieses Topos ergab sich die Besonderheit, dass Wilhelm Rein explizite eigene Ausführungen zum Topos Interesse erst sehr spät in seinem publizistischen Werk vorlegt (vgl. Rein 1915) und bis dahin den Interessebegriff Herbarts in seinen Werken, insbesondere seiner Unterrichtslehre, präsupponiert und implizit zugrunde legt, weshalb in der Komparation allein der herbart’sche Interessebegriff als Referenz herangezogen wurde. In Bezug auf das Verständnis des Interesses als eine Art der Selbsttätigkeit, gebunden an einen Gegenstand, das als gleichschwebend und vielseitig sich auszubilden habe, konnte festgestellt werden, dass dies in der Art grundlegend von McMurry übernommen wurde. Dass das Interesse nicht Mittel zum Zweck ist und vorausgesetzt werden kann, sondern durch die Beschäftigung mit geeigneten Stoffen hervorgebracht bzw. angebahnt werden soll, ließ sich in der Form ebenfalls in den Schriften Charles McMurrys nachweisen, wie gleichfalls das Interesse, basierend auf der induktiven Lehrmethode, das heißt, ausgehend von konkreten Gegenständen, herbeizuführen bzw. anzubahnen sei. Erst das entwickelte Interesse in seiner höchsten Form kann zu einer nachhaltigen willentlichen Anstrengung führen, weshalb es gilt, die Anbahnung des Interesses als zentrale Forderung an Unterricht zu bestimmen. Darüber hinaus greift McMurry dezidiert auf die Systematik der verschiedenen Quellen des Interesses, so wie sie von Herbart formuliert wurden, zurück. Hierbei nimmt er allerdings nicht auf den übergeordneten, abstrakteren Begriff der Gemütszustände, als Ausgangspunkt der materialen Bestimmung des vielseitigen Interesses und den diesen untergeordneten Begrifflichkeiten der Erkenntnis und Teilnahme Bezug und stellt die gesamte Systematik, wie sie Herbart entwickelte, stark verkürzt dar. Offenbar ist McMurry zwar an den Begrifflichkeiten interessiert, allerdings nicht so sehr am theoretischen Mehrwert der Relationierung der Begriffe inner-

252

5. Befunde und Ergebnisse

halb der Systematik. Darüber hinaus wird die Implementierung des Begriffs in das Gesamtkonzept des erziehenden Unterrichts vernachlässigt, was wiederum unterstreicht, dass nicht das abstrakte Gesamtsystem in seiner systematischen Ausbuchstabierung im Mittelpunkt des Interesses steht, sondern einzelne Theorieelemente, die als nützlich für eine, im Vergleich zur Systematik Herbarts stark verkürzte, Klassifizierung des Begriffs und der Bestimmung seines Inhalts und Umfangs betrachtet wird. Des Weiteren vernachlässigt McMurry im Kontext des Begriffs des Interesses in hohem Maße die Koppelung von Interesse und Vielseitigkeit. Dieses geringere Interesse an einer Gesamtsystematik zeigt sich auch darin, dass die McMurrys an keiner Stelle in ihren Schriften auf die grundsätzliche Ausbuchstabierung des Begriffs Erziehung, wie sie von Herbart in der Differenzierung zwischen Regierung, Unterricht und Zucht unternommen wurde, eingehen. Dennoch nehmen sie Bezug auf Herbart und bestimmen den Unterricht und die Zucht als eigentliche Erziehung. Mit diesen Begrifflichkieten hatte sich Rein noch kritisch auseinandergesetzt (vgl. Rein 1881). An genau diesem Punkt, also der Einbettung des Begriffs in die Gesamtsystematik der Konzeption des Erziehenden Unterrichts, lassen sich der Hauptunterschied und die zentrale Abweichung in der Darstellung und Ausführung des Begriffs identifizieren und dies sowohl in Hinsicht auf die Phase der „Erstmaterialisierung“ als auch im Hinblick auf eine diachrone Perspektive. Im Kontext der Unterscheidung von direktem bzw. intrinsischem und indirektem Interesse konnte ein Momentum offengelegt werden, das für den gesamten Herbartianismus in den USA Gültigkeit besitzt (vgl. Krenzer 1984, S. 189). Nämlich die Verquickung verschiedener konzeptioneller Akzentuierungen herbart’scher und herbartianischer Elemente, wobei keine Differenzierung zwischen den einzelnen Vertretern und Standpunkten erfolgt und diese Vorgehensweise weder metasprachlich gerahmt noch explizit reflektiert wird. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Charles McMurry in Abweichung zu Herbart das Interesse ganz eindeutig den Gefühlen zuschreibt. Herbart verstand das bloße Interesse im Gegensatz zur Begehrung als eine reine Tätigkeit des Geistes (vgl. Herbart 1841/1880, S. 533), welches damit dem intellektuellen Leben angehört. Darin weicht McMurry ganz klar ab, wenn er Interesse als „feeling and therefore belongs rather to the emotional as to the intellectual life“ (McMurry, C. 1903a, S. 85) bestimmt. Hierbei griff McMurry auf die Fremdreferenz Wilhelm

5.2 Topos Interesse 253

Ostermanns zurück, der die intellektualistische Auffassung Herbarts kritisiert (vgl. Ostermann 1887, 1895), um dem Vorwurf der intellektualistischen Psychologie, wie sie im US-amerikanischen Diskurs unter anderem von John Dewey (vgl. Dewey 1895, 1897)58, Herbart und dem Herbartianismus entgegengehalten wurde, zu begegnen. Dieses Vorgehen lässt sich ein weiteres Mal als diskurs-orientierte Transformation beschreiben und erklären. Eine Übereinstimmung ergab sich in der diachronen Dimension, wenn McMurry die körperliche Verfasstheit und deren Bedeutung für gelingende Lernprozesse und die Entwicklung von Interesse hervorhebt. Diese Elemente lassen sich sowohl bei Herbart (vgl. Herbart 1841/1880, S. 532; hier sogar der von McMurry mit Verweis auf Ostermann verwendete Sinnspruch Mens sana in sano corpore) als auch bei Rein (vgl. Rein 1890, S. 138-140) nachweisen. Eine weitere Übereinstimmung aus diachroner Perspektive ergab sich, wenn McMurry heraushob, dass der Lernprozess von Assoziationen und der Apperzeption neuer Lerninhalte abhängt und erst das dadurch hervortretende Interesse den Willen hervorbringt. McMurry griff also in seiner Position zum Begriff des Interesses auf viele inhaltliche Momente herbart’scher und herbartianischer Gedanken zurück, jedoch in einer als eklektisch und unsystematisch zu bezeichnenden Art und Weise, wobei wiederum eine metasprachliche Rahmung, auf wessen Ausführungen und Überlegungen er sich bezieht, ausbleibt. Darüber hinaus fiel auf, dass sich McMurry, um seinen Standpunkt mit „Zusatzsinn“ auszustatten, in diachroner Perspektive hauptsächlich auf US-amerikanische Exponenten aus dem pädagogischen und psychologischen Diskurs und damit auf eine psychologische Binnenlogik, allen voran auf die von William James und John Dewey, bezieht.

58 Die Schwäche der herbart’schen Psychologie und Pädagogik sah Dewey grundlegend darin, “[that it is the, M.S.] natural expression of a nation laying great emphasis upon authority and upon the formation of individual character in distinct and recognized subordination to the ethical demands made in war and in civil administration by that authority. It is not the psychology of a nation which professes to believe that every individual has within him the principle of authority, and that order means coordination, not subordination. It would be folly not to recognize to the full all the Herbartians say about the moral importance of forming certain ideas and certain relationships among ideas, and the extent to which character may be formed or disintegrated through the right and wrong use of the intellectual side of instruction in both its form and content.” (Dewey 1895, S. 29)

254

5. Befunde und Ergebnisse

5.3 Topos Lehrplantheorie Hinsichtlich der Lehrplantheorie konnte im Allgemeinen eine Übereinstimmung in den grundlegenden Denkfiguren und deren Anwendung in Bezug auf die Generierung eines Lehrplans festgestellt werden. In das Zentrum des Lehrplans sind historische Stoffe zu setzen, deren Inhalte wiederum durch Anwendung der Theorie der Kulturstufen ausgewählt werden. Hohe Bedeutsamkeit kam daneben besonders den naturwissenschaftlichen Studien und der Geographie zu. Die Betonung der Relevanz geographischer Studien ist hierbei insbesondere bei Charles McMurry augenscheinlich geworden und ist in dieser Prägnanz so bei Wilhelm Rein nicht zu finden. Diese besondere Hervorhebung der Bedeutsamkeit dieser Studien lässt sich womöglich durch den Einfluss Francis W. Parker auf Charles McMurrys Denken erklären, auf den er häufig Bezug nimmt. Parker postulierte in seinem publizistischen Werk die Geographie als die zentrale Disziplin und berief sich im Bereich der Lehrplantheorie auf die herbartianische Konzentrationsidee (vgl. Parker 1889, 1894). Trotz der engen Verknüpfung der einzelnen Studien wird jedoch auf die Eigenständigkeit eines jeden Fachs insistiert, das es nach seiner fachlichen Eigenlogik zu entwickeln gilt. Es wurde übereinstimmend darauf hingewiesen, dass Individualität und unmittelbare Lebenswelt in diese Überlegungen einzubeziehen seien und das Werden des Zöglings im Mittelpunkt stehen soll. Außerdem wurde die enge Verknüpfung der beiden Theorieelemente der Concentration und Culture epochs mit der Charakterbildung betont. Sowohl aus psychologischen, durch die Bezugnahme auf die Assoziationspsychologie, als auch aus ethischen Begründungszusammenhängen müssen diese beiden als evident betrachtet werden. Allerdings konnte bei Charles McMurry eine stärkere Betonung der Einbeziehung der außerschulischen Erfahrungswelt und die darauf basierenden Lernprozesse der Schüler nachgewiesen werden. Diese wurden insbesondere von US-amerikanischen Protagonisten der sogenannten Progressive Education vertreten. Dazu zählt John Dewey, der in seinem Hauptwerk Democracy and Education schreibt, dass „hence one of the weightiest problems with which the philosophy of education has to cope is the method of keeping a proper balance between the informal and the formal, the incidental and the intentional, modes of education.” (Dewey 1916, S. 10)

5.3 Topos Lehrplantheorie 255

Aus der Analyse und der Komparation wurde ersichtlich, dass die Überlegungen zur Lehrplantheorie der beiden US-amerikanischen Protagonisten nicht nur in formaler Hinsicht den beiden rein’schen Denkfiguren, besonders im Falle von Charles McMurry, dem Lehrplan nach Rein, sondern in einem gewissen Maße sogar in seiner inhaltlichen Ausgestaltung, folgen. Abgelehnt wurde in diesem Zusammenhang in Übereinstimmung mit Rein die Konzeption eines Lehrplans nach konzentrischen Kreisen, als eine falsch verstandene Art der Konzentration. McMurry betont jedoch im Gegensatz zu Rein in einem viel stärkeren Maße die Verbindung von Schule und außerschulischem Bereich. Die Familie als eine bedeutsame Erziehungsinstitution wird auch von Rein anerkannt und hervorgehoben, jedoch geht er zumindest weniger als Charles McMurry auf die Harmonisierung von Schule und Familie und deren Zusammenarbeit ein. Generell erhält der außerschulische Bereich als Ort des Lernens und der Erziehung bei Charles McMurry eine viel größere Aufmerksamkeit. Zum anderen betont Charles McMurry die Relevanz und Bedeutsamkeit der naturwissenschaftlichen und geographischen Studien in höherem Maße als Rein. Besonders hinsichtlich der Verbindung von historischen und geographischen Stoffen hebt er deren innige Bezogenheit aufeinander heraus, was in der Spezifität des Narrativs der US-amerikanischen Geschichte als einer Geschichte der Entdeckung und dem Frontier-Mythos (vgl. Ambrose 1997, Heideking/ Mauch 2008, S. 158) begründet liegen könnte. Dies ist auch die Stelle, an der Charles McMurry selbst auf die begrenzte Anwendbarkeit des rein’schen Lehrplans auf die US-amerikanischen Verhältnisse hinweist und feststellt, dass insbesondere seine religiöse Akzentuierung nicht übernommen werden kann, da die religiöse Bildung in den USA im kirchlichen Kontext verortet ist. Das heißt, dass also die Logik des Prinzips erhalten bleibt, jedoch die materiale Ausgestaltung abweicht, was als Prozess der Akkulturation interpretiert werden kann. Dies ist besonders beachtenswert, da im Falle Reins als auch Zillers den religiösen Stoffen eine hohe Bedeutsamkeit zukommt. Dies zeigt sich grundsätzlich darin, dass sie im Bereich der Charakterbildung von einem sittlich-religiösen Charakter sprechen, den es zu entwickeln gilt. Nicht, dass McMurry die religiöse Dimension des Charakters und dessen Anbahnung durch Erziehung nicht beachtet, jedoch wird sie aus dem schulpädagogischen Kontext insoweit ausgeschlossen, als sie der kirchlichen Autorität obliegt. Darin zeigt sich ein Indiz für die besondere Stellung der Kirche als (Bildungs-)Institution in den USA, zumal die Etablierung schulischer Ausbildung und der Schule als Insti-

256

5. Befunde und Ergebnisse

tution allgemein aus religiös motivierten Bestrebungen aus einem kirchlichen Kontext heraus entstanden ist, der wiederum an lokale Initiativen gebunden war und erst im 19. Jahrhundert eine public education und damit als eine säkulare Schule etabliert wurde (vgl. Cubberley 1918). Die hier offensichtliche Transformation geht also nicht mit der Referenz reiner Wissenschaft einher, sondern hier verweisen Theorie und Gesellschaftsstruktur direkt aufeinander. Insgesamt konnte hinsichtlich dieses Topos konstatiert werden, dass sich hierbei eine große Kongruenz der theoretischen Perspektiven und Positionen feststellen lässt, welche sich darüber hinaus über die Zeit nicht änderten und an denen festgehalten wurde. Es wird auch im Laufe der Zeit und der Weiterentwicklung des Diskurses, der in den USA unter dem Begriff der Correlation geführt wurde, lange auf der Position der Concentration beharrt. Es darf durchaus behauptet werden, dass diese von Charles McMurry zur Doktrin erhoben wurde. Sie steigert die Effizienz des Unterrichts, erhöht die Kompetenz des Lehrers und stärkt die Autonomie des Schülers. Nicht zuletzt gibt sie der Lehrplantheorie ein festes Fundament. Erst spät in seinem pädagogischen Denken, repräsentiert durch die Hinwendung zu den type studies und dem Projektbegriff, wird dies aufgeweicht und anders akzentuiert.

5.4 Topos Formalstufentheorie Durch die Analyse und Komparation des Topos der Formalstufentheorie ergab sich ein weiterer Modus der Transformation, der von den Brüdern McMurry dadurch gekennzeichnet wurde, dass das Werk der „Method of Recitation […] sprung out of school-room work, and is designed to be a practical application of the principles of Method to the various problems of class-room instruction“ (McMurry, C./ McMurry, F. 1897, S. 4), der als praxeologisch-orientierter Modus bestimmt wurde und sich in Form einer Akkulturation niederschlug. Das schlug sich dahingehend nieder, als die Formalstufen anhand von Unterrichtsinhalten eines US-amerikanischen Lehrplans erprobt und weiterentwickelt wurden. In formaler bzw. theoretischer Hinsicht konnte gezeigt werden, dass die McMurrys sich in außerordentlicher Übereinstimmung an die Formalstufentheorie, wie sie von Rein im Anschluss an Ziller ausbuchstabiert wurde, anschlossen. Es fanden

5.4 Topos Formalstufentheorie 257

Übereinstimmungen in der Definition des Elements der Zielangabe, das in Verfasstheit und Begründung fast wörtlich von Rein übernommen wurde und in der Koppelung bzw. Der Begründung der Notwendigkeit der Vorbereitung als erster Stufe in der psychologischen Denkfigur der Apperzeption als ein Gesetz des Lernprozesses. Allerdings fehlte die grundlegende Unterscheidung, die Rein in Bezug auf Herbart in seine Überlegungen explizit einbezieht, zwischen analytischem und synthetischem Unterricht, wobei die Begrifflichkeiten durchaus verwendet werden, allerdings nur im Anschluss der Stufenbezeichnungen nach Ziller. Ein besonderes Augenmerk richteten die McMurrys auf die developing method, die in dieser Formulierung als entwickelnde Methode so zwar nicht bei Rein zu finden, jedoch konzeptionell als ein „fragend-entwickelnder“ Unterricht angelegt ist und durch die McMurrys in Anlehnung an die sokratische Methode und nicht durch Bezug auf Rein ausbuchstabiert wird. Das liegt wohl darin begründet, dass die McMurrys in dieser Fremdreferenz die größere Autorität sahen und glaubten, dadurch wiederum größeren Zusatzsinn für die Selbstreferenz generieren zu können. Bei den McMurrys ließ sich gleichfalls der Verweis auf die herbart’sche Unterscheidung von Vertiefung und Besinnung innerhalb des Lernprozesses finden und deren didaktisch-methodische Einbettung. Eine weitaus elaboriertere Auseinandersetzung erfuhr bei den McMurrys die Verbindung der formalen Stufen mit etwaigen Lehrbüchern. Auch wenn die von ihnen propagierte developing method die zu bevorzugende Methode darstellt, ist es keinesfalls erlässlich, sich allein auf Lehrbücher zu stützen und sie vor allem zur Ergebnissicherung einzusetzen. Diese umfangreiche Auseinandersetzung mit dieser Thematik konnte damit begründet werden, dass die Lehrerschaft gegen Ende des 19. Jahrhundert in den US-amerikanischen Schulen immer noch stark von Lehrbüchern abhängig war (vgl. Cruikshank 1998, S. 102) und sie einen überaus relevanten Gegenstand darstellten, den es im Zusammenhang mit unterrichtsmethodischen Überlegungen unbedingt einzubeziehen galt. Diese Akzentuierung und die wahrgenommene Relevanz dieser Thematik folgen damit also einer praxeologisch-orientierten Logik. Eine weitere Übereinstimmung ließ sich in der grundlegenden Denkfigur des durch Unterricht angestrebten Lernprozesses von den individual notions zu den general notions, was bei Rein begrifflich übereinstimmend als Übergang von Einzelvorstellungen hin zu Allgemeinvorstellungen bezeichnet wird, feststellen. Auch

258

5. Befunde und Ergebnisse

die von Rein in diesem Zusammenhang weitere Differenzierung des Abstraktionsprozesses innerhalb des Lernprozesses in Abstraktionen höheren und niederen Grades, wobei die höheren Grades wiederum in psychologische Begriffe und logische Begriffe zerfällt, was bei den McMurrys im Kontext ihrer Auseinandersetzung mit dem Erkenntnisprozess als eines induktiven Prozesses in Form der Unterscheidung der general notions in psychical notions und logical notions nachgewiesen werden konnte. Hingegen ließ sich hinsichtlich der Relevanz der Stufen für die moralische Entwicklung der Schüler feststellen, dass diese nur punktuell thematisiert wurde, wohingegen sich diese Implementierung und Bezugnahme bei Rein kontinuierlich entwickelte. Ein besonders interessanter Befund stellte die Interpretation der menschlichen Erkenntnisprozesse und dem sich daran anschließenden Verständnis der formalen Stufen durch die McMurrys dar, die durch die wissenschaftstheoretische Verortung innerhalb des naturwissenschaftlichen Paradigmas gekennzeichnet war. Dabei stellten die McMurrys die Parallele zwischen den Schritten der naturwissenschaftlichen Verfahrensweise und den formalen Unterrichtsstufen heraus, womit der Unterricht zu einer (natur-) wissenschaftlichen Lektion wurde. Diese Interpretation ließ sich in doppelter Hinsicht erklären. Zum einen war mit Berufung auf dieses Gedankengut eine Möglichkeit der kommunikativen Anschlussfähigkeit im Diskurs und damit die Generierung von kommunikativer Resonanz (vgl. Treml 1997) gegeben, da gerade in der Zeit vor und um die Jahrhundertwende im US-amerikanischen Erziehungsdenken eine grundlegende Hinwendung und Bevorzugung empirisch und evolutionstheoretisch begründeter wissenschaftlicher Sichtweisen auf den Menschen und seine Erziehung zu verzeichnen ist (vgl. Krenzer 1984, S. 93-117). Zum anderen war es augenscheinlich für die McMurrys eine funktionale Strategie die Wissenschaftlichkeit der Pädagogik zu fundieren und damit gleichfalls ein überzeugendes Argument für ihre Position und die Anreicherung ihrer Selbstreferenz mit Zusatzsinn zu finden. Hier wird ein transkulturelles Moment sichtbar, da auf eine Binnenlogik des US-amerikanischen Erziehungsdenkens zurückgegriffen wird. Die transkulturelle ideengeschichtliche Dimension wird besonders deutlich, wenn man sich die Referenzen im Allgemeinen, die für die Untermauerung der eigenen Position angeführt werden bzw. der Ausbuchstabierung derselbigen herangezogen werden, deutlich macht. So fanden sowohl deutschsprachige Autoren als auch englische Theoretiker wie Huxley und der oft zitierte Herbert Spencer und darüber hinaus sogar Sokrates,

5.5 Die Sonderstellung der type studies und des Projects 259

aber auch dezidiert US-amerikanische Diskursbeteiligte, allen voran der überaus einflussreiche William T. Harris, Berücksichtigung. Dieser Modus der transkulturellen verfassten Argumentation konnte dabei auf eine Logik zurückgeführt werden, die dadurch gekennzeichnet war, durch Fremdreferenz die Selbstreferenz mit Zusatzsinn anzureichern und der eigenen Position Autorität zu verleihen und die Chance auf Nobilitierung im Diskurs zu erhöhen, wobei sowohl auf das „internationale Argument“ (vgl. Gonon 1998) bzw. das „Ausland als Argument“ (vgl. Zymek 1975) als auch auf dezidiert US-amerikanische Positionen und damit auf eine Binnenlogik zurückgegriffen wurde.

5.5 Die Sonderstellung der type studies und des Projects Eine Sonderstellung nahmen die von McMurry entwickelten type studies und seine Hinwendung zum Begriff und Theorieelement des Projects ein. In diesen zeigte sich am deutlichsten die transkulturelle Dimension, die sich sowohl in ihrer Prozesshaftigkeit, nämlich in der Entwicklung seines Projektbegriffs, ausgehend von den object lessons und deren Weiterentwicklung in den type studies sowie deren Ausformung als large units of study, quasi als Zwischenschritte, dokumentiert als auch in der Deskription des Theorieelements des Projects selbst. Types bezeichnete McMurry dabei als strategische Zentren des Denkens und schrieb, dass large units sowohl als Lehrplan-, Unterrichts- als auch Lernprinzip gelten können (vgl. McMurry, C. 1917b). Sein Verständnis eines Projektes bestand dabei darin, dass sich problemorientiert einem für das jeweilige Fachgebiet typischen Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven genähert wurde, worin sich ein organisch, sich selbst ausdehnendes Element entfaltete, das durch Probleme und daraus resultierende Fragen strukturiert wurde. Die Edukanden machen sich dies in einer sozialen Einbettung zu eigen. Dabei erinnert es stark an das didaktische Prinzip der Occupations, wie es von John Dewey formuliert und von Kilpatrick in der Projektmethode weiterentwickelt wurde. Besonders fiel hierbei die stärkere Problemorientierung und die damit einhergehende Abkehr von einem sogenannten direkten Unterrichtsmodell zu einem problemorientierten Unterrichtsmodell ins Auge, die jedoch als Genese des Letzteren aus dem Erstgenannten verstanden werden konnte. Hier zeigt sich ein Modus der Transfor-

260

5. Befunde und Ergebnisse

mation, der sich als Hybridisierung beschreiben lässt, da die grundlegenden theoretischen Referenzpunkte im ‚Neuen‘ zwar in der Tiefenstruktur erhalten und quasi als Wurzel dem Denken inhärent bleiben, sich jedoch in ganz bestimmter Art und Weise transformieren. Diese Art und Weise ergibt sich zum einen durch Einflüsse außerhalb des Wissenschaftssystems aus gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen, wobei hierbei die zunehmende Industrialisierung eine herausragende Stellung einnimmt, die auf die Struktur und Ausgestaltung des Schulsystems einwirken und von Charles McMurry wahrgenommen, anerkannt und erziehungstheoretisch übersetzt werden (vgl. u.a. McMurry, C. 1906, S. 11-19); zum anderen bestehen Einflüsse innerhalb des Wissenschaftssystems, die diskursorientierter Natur sind. So war der Projektbegriff auch im US-amerikanischen Bildungsdiskurs zu diesem Zeitpunkt kein unbekannter und erreichte besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen unvergleichlichen Einfluss innerhalb des US-amerikanischen Erziehungsdenken (vgl. Kliebard 2004, S. 135).59 Bemerkenswert ist die Idee der type studies und der sich daran anschließenden Idee des Projects. Darüber hinaus vor allem die Fragen der Lehrplantheorie als auch die unterrichtsmethodischen Überlegungen, die sich daraus entwickelt haben. Denn zum einen stammt die Entwicklung dieser Theorieelemente direkt aus den Überlegungen in Bezug auf die Konzentrationsidee und der Kulturstufentheorie, also der Frage nach Auswahl und Anordnung der Stoffe und zum anderen aus methodischen Fragen des Lehrgangs, wie sie in der Formalstufentheorie aufgegriffen und ausbuchstabiert werden. Diese beiden Entwicklungslinien, die sich gleichsam aus herbartianischem Gedankengut speisen, werden an dieser Stelle im Modus der Hybridisierung und zu einem neuen Theorieelement vereinigt. Noch deutlicher zeigt sich dies beim Projektbegriff, wie er von Charles McMurry ausgearbeitet wurde. Die grundlegende Denkfigur, die dabei sowohl McMurrys gesamtes erziehungstheoretisches als auch didaktisch-methodisches Denken stets inhärent war und leitete, kann dabei als Idee 59 Interessanterweise ist auch dieser Begriff ein Transferobjekt gewesen und wurde insbesondere durch William B. Rogers, dem Gründer des Massachusetts Institute of Technology (MIT), der die pädagogischen Praktiken und das „Projekt“ in Karlsruhe und Zürich entdeckte und es 1865 als erster als neues Lehrmittel in die Vereinigten Staaten verpflanzte. 1876 bemerkte sein Nachfolger als Präsident des MIT, John D. Runkle, ein beunruhigendes Fehlen von manuellen Fähigkeiten unter seinen Ingenieursschülern und gründete eine Schule für mechanische Künste, um dieses Defizit zu beheben. Noch wichtiger ist, dass er die Einführung der manuellen Ausbildung als einen wichtigen Zweig des gemeinsamen Lehrplans propagiert und damit gleichzeitig den Weg für die Verbreitung der Projektmethode von der Hochschule und schließlich auch der Schule geebnet hat (vgl. Knoll, M. 2014, S. 665-667).

5.6 Transferdimension

261

der unity of influence bestimmt werden. Diese Denkfigur machte die herbartianische Lehre für ihn so attraktiv und trieb die Entwicklung seines eigenen pädagogischen Denkens an, was sich innerhalb der aufgeworfenen Modi vollzieht.

5.6 Transferdimension In Bezug auf den konkreten Transfer lassen sich abschließend folgende Ergebnisse formulieren: im hier betrachteten Fall liegen die Initiative und die Ambitionen des Transfers bei konkreten einzelnen Akteuren. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es über die einzelnen Akteure hinaus auf einer zweiten Ebene ihre Beziehungen und personalen Verflechtungen waren, die wiederum ein personales Netzwerk und damit einhergehende Strukturen generiert haben, die für einen gelingenden Transfer höchst nützlich wurden. Ein weiterer konstitutiver Faktor kann innerhalb einer institutionellen Ebene verortet werden. Sie stellt die Strukturen hinsichtlich einer ideellen und materiellen Förderung bereit, wobei es allerdings wiederum auf die Akteure ankommt, welche die Strukturen nutzten und der Förderung dienlich machen. Im hier betrachteten Beispiel insbesondere verkörpert in der Person des Universitätspräsidenten J. W. Cook. Strukturen werden also erst durch die Aktivierung durch bestimmte Akteure nützlich. Des Weiteren bedarf es wissenschaftlicher Kommunikationsmedien, welche Verbreitung, aber auch Auseinandersetzung und damit verbundene Transformation gewährleisten. Dass es einer gewissen Zeitspanne zwischen Rückkehr der Protagonisten und dem Niederschlag bedarf, betont des Weiteren die Bedeutsamkeit der Publikationen als Materialisierung des Gedankenguts, damit dieses wirksam werden kann, Verbreitung findet und damit Einzug in den Diskurs hält. Welche Relevanz und Nachhaltigkeit der Rezeption auf Grundlage der Lehre und Ausbildung Studierender herbeigeführt werden kann, lässt sich kaum abschätzen und kann im Kontext einer historischen Bildungsforschung meines Erachtens nur schwer geleistet werden60, da hierfür, im Gegensatz zum Bereich der Forschung und deren dokumentierten Diskursen (Fachzeitschriften, Tagungsprotokelle, Sammelbände usw.), nur wenige auswertbare Quellen vorliegen. Sicherlich kann man Kurskataloge und Studienmaterialien heranziehen, die einen Eindruck 60 Ein höchst fruchtbarer Beitrag, der sich dieser Problematik annimmt, stellt die Dissertationsschrift von Katja Grundig de Vazquez dar (vgl. Grundig de Vazquez, K. 2015, bes. S. 15-18).

262

5. Befunde und Ergebnisse

vermitteln können, inwieweit der Transfer Einfluss auf die Lehre nimmt. Allerdings bleibt die Frage offen, ob die Vermittlung der Inhalte der dementsprechenden auf Basis des ideengeschichtlichen Transfers nachhaltig ist und inwieweit sie von Studierenden verinnerlicht und in die konkrete Praxis implementiert wird. Für die vorliegende Studie kann hinsichtlich einer Theorie des Transfers die These vertreten werden, dass es für eine adäquate Beschreibung eines inter- bzw. transkulturellen ideengeschichtlichen Transfers zunächst gilt, individuelle Akteure, im Sinne der Kulturtransferforschung, verstanden als Transmitter bzw. Transferkanal und ihre personalen Verflechtungen, den Strukturen als kollektive bzw. korporative Akteure, in den Blick zu nehmen. Sie greifen in der Folge auf institutionalisierte Strukturen zurück, schaffen diese oder modifizieren sie auf ihre Bedürfnisse. Dem akademischen und wissenschaftlichen Diskurs kommt dabei eine bedeutsame Rolle zu. Dieser Befund lässt sich für den Transfer herbartianischer pädagogischer Theorie in den US-amerikanischen Kontext insbesondere nachweisen, wenn man die Institution der Illinois State Normal University und die Rezeption herbartianischer Ideen im Kontext dieser Institution näher betrachtet (vgl. Hauer 2018, S. 165-178). Interpretiert werden kann dabei die Initiierung des Transfers beruhend auf von spezifischen Akteuren wahrgenommenen individuellen und gesellschaftlichen Umbruchssituationen, denen mit den eigenen kulturellen Ressourcen nicht adäquat begegnet werden kann, was dann als Katalysator für ein Interesse an fremden Ideen ursächlich gewesen ist. Das heißt, dass es, basierend auf einer Defizitwahrnehmung, bis dato vorhandener theoretischer Perspektiven wie sie von der Oswego–Bewegung von Edward A. Sheldon in Anlehnung an Pestalozzi, den Hegelianern unter William T. Harris oder der Kindergartenbewegung, basierend auf den Ideen Fröbels, repräsentiert wurden, die als inadäquate Theorieofferten61 in Bezug auf die gesellschaftlichen Herausforderungen und ihre Rückwirkungen auf den Erziehungs- und Bil61 Allgemeine Kritikpunkte waren dabei, dass Fröbels Beschäftigungen zwar sinnvoll für den Kindergarten seien, jedoch wenig geeignet für die schulische Praxis. Der Hegelianismus, wie er von William T. Harris propagiert wurde, fordere Disziplin und vernachlässige dabei die Erziehung. Pestalozzis Anschauungsunterricht biete zwar eine vielversprechende Methode, aber keine Grundlage für eine Allgemeine Didaktik und das child-study-movement sammle Daten, ohne Kriterien zu entwickeln, wie diese konkret für die Gestaltung von Unterricht und Lehrplänen fruchtbar gemacht werden können. Die allgemeine Defizitwahrnehmung bezog sich also darauf, dass diese Reformansätze für die Instruktion, Erziehung und Lehrerbildung zwar wichtige Anregungen, aber keine Basis für allgemeine Prinzipien und praktischen Anwendungen lieferten. Das heißt im Umkehrschluss, dass es einen wahrgenommenen Bedarf nach Theorieofferten gab, die allgemeine, wissenschaftliche Prinzipien für die Praxis bereitstellen konnten (vgl. Cruikshank 1993, S. 192-213).

5.7 Modi der Transformation

263

dungsbereich in personae von Charles und Frank McMurrys angesehen wurden, zu dieser (erneuten) Externalisierung kam und der Blick ins Ausland gerichtet wurde. Für die vorliegende Studie kann also in Bezug auf die Transferdimension die Externalisierungsthese, das heißt, die „Wahl externer Bezugspunkte und die Anreicherung mit von ihnen her beziehbarem ‚Zusatzsinn‘“ (Schriewer et al. 1998, S. 163) als bestätigt angesehen werden. Es zeigt sich, dass die „selektive Öffnung für Umweltbezüge“ (Schriewer et al. 1998, S. 163), repräsentiert durch das Handeln und Wirken der für den Transfer hauptverantwortlichen Protagonisten, durch die Frage nach Reformimpulsen durch andere pädagogische Kulturen (vgl. Tenorth 1997, S. 209-229) geleitet war, die nach Meinung der Brüder Charles und Frank McMurry im Herbartianismus gefunden werden konnte und damit das „Ausland als Argument“ (vgl. Zymek 1975) bzw. der Herbartianismus, insbesondere mit dem Verweis auf seine Wissenschaftlichkeit als „internationales Argument“ (vgl. Gonon 1998) dienen konnte. Dabei waren es die Momente der Professionalität, der Wissenschaftlichkeit und damit einer gelingenden Organisation, die der Herbartianismus in den Augen Charles McMurrys, aber auch anderer späterer US-amerikanischer Herbartianer bereithielt. Er konnte ein Muster bzw. eine Handlungsanleitung für Lehrerausbildung und konkrete Vorstellungen von Konzepten guten Unterrichts und einer Schule als Erziehungsschule und damit sozialen Agenten bereitstellen.

5.7 Modi der Transformation Es ließen sich auf Grundlage der Analyse und des Vergleichs sowie unter Berücksichtigung einer diachronen Perspektive vier idealtypische62 Modi der Transformationsprozesse identifizieren. Ein erster idealtypischer Modus, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er sich nicht primär in der Referenz reiner Wissenschaft vollzieht, sondern dass pädagogische Theoriebildung und Gesellschaftsstruktur aufeinander verweisen, ließ sich als Modus der gesellschaftsstrukturell-orientierten Transformation bestimmen und ergibt gleichzeitig die Logik der Übernahme, 62 Idealtypisch soll hierbei kennzeichnen, dass diese Modi als Abstraktum zu verstehen sind, die in dieser Idealtypik als Einzelprozesse nicht alleinig für etwaige Transformationsprozesse verantwortlich, sondern in der Realität miteinander verschränkt sind und an dieser Stelle die Funktion der Kontrastierung verschiedener Modi übernehmen.

264

5. Befunde und Ergebnisse

nämlich die eklektische Aneignung einzelner Theorieelemente, die als funktionale Antwort auf die Herausforderung wahrgenommen werden und sich damit als partielle Akkulturation in Form einer Kompartmentalisation vollziehen. Das heißt, es findet eine Übernahme nur bestimmter Elemente statt. So wäre die Übernahme weiterer herbar’tscher bzw. herbartianischer Theorieelemente, insbesondere allgemeinpädagogischer Provenienz, wie die grundlegende Differnzierung des Erziehungsbegriffs in Regierung, Unterricht und Zucht möglich gewesen, die allerdings nicht nachweisbar war. Die Auswahl dezidiert didaktisch-methodischer Theorieelemente lässt sich also auf die wahrgenommenen Defizite und Herausforderungen innerhalb des Bildungssystems zurückführen. Dies bedeutet, dass in diesem Modus pädagogische Theoriebildung im Erziehungssystem als gesellschaftlichem Teilsystem selbst stattfindet und in dieser Selbstreferenz sich selbst als Teilsystem dieses Bezugssystems thematisiert sowie darauf aufbaut bzw. in Wechselwirkung Theoriebildung betreibt. Ein zweiter Modus, der sich aus der Analyse und Komparation ergab, konnte als Modus der praxeologisch-orientierten Transformation bestimmt werden. Dieser Modus zeichnete sich dadurch aus, dass er sich aus der Logik der Praxis ergab und sich in bzw. aus diesem Kontext des praktischen Wirkens als Lehrende der Brüder Charles und Frank McMurry besonders in der Lehrerbildung und in diesem Zusammenhang auch in Übungsschulen vollzog bzw. entstammte, der wiederum mit dem Begriff der Akkulturation als Adaption in Verbindung gebracht werden kann. Dieser ergab sich darüber hinaus im vorliegenden Fall des Denkens Charles und Frank McMurrys in der angestrebten Leserschaft. Das heißt, es war neben der wissenschaftlichen Referenz eine dezidiert praktisch orientierte, die Konzepte und Handlungsmuster für die praktische Tätigkeit der Lehrerschaft generieren und präsentieren wollte und damit über reine Anregungspotentiale für die Praxis hinausging. Ein dritter Modus ließ sich als Modus der diskurs-orientierten Transformation bestimmen, der primär in der Referenz der Wissenschaft selbst verortet war. Das heißt, dass hierbei eine Strategie der kommunikativen Anschlussfähigkeit im Diskurs und damit die Generierung von kommunikativer Resonanz (vgl. Treml 1997) verfolgt wurde, indem sich auf konkrete Entwicklungen im Wissenschaftsdiskurs bezogen, diese für die eigene Position fruchtbar gemacht und in die eigenen Argumentationen eingebaut wurde. Darin dokumentierte sich das diskursive

5.7 Modi der Transformation

265

Machtpotential. Es zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass eine Vielzahl der Transformationen sich innerhalb dieses Modus bewegen. Aus einer diachronen Perspektive konnte gezeigt werden, dass zunehmend sowohl auf Positionen und Theorieperspektiven als auch auf damit verbundene Akteure Bezug genommen wurde, denen im Diskurs das Machtpotential der Glaubwürdigkeit zukam. Diese Theorien wurden hier insbesondere durch Herbert Spencer repräsentiert oder durch den aufkommenden Pragmatismus und die Exponenten William James und John Dewey. Ferner wurde Bezug genommen auf konkrete Diskursteilnehmer, denen strukturelles Machtpotential auf Grund ihrer gesellschaftlichen Position zukam. Im vorliegenden Fall war dies William T. Harris. Er war der United States Commissioner of Education von 1889 bis 1906 und einer der Hauptautoren des Berichts des Committee of Fifteen aus dem Jahre 1895. Hierbei trat, wenn es auch nicht verschwand, das Moment des „internationale Arguments“ (vgl. Gonon 1998) bzw. das „Ausland als Argument“ (vgl. Zymek 1975) durchaus in den Hintergrund bzw. es wurden zunehmend binnenlogische Theorieofferten vorgestellt. Wobei die herbartianischen Entlehnungen teilweise semantisch nicht modifiziert, sondern nur mit inländischen, passenden Argumenten versehen wurden, was besonders sichtbar im Falle des Begriffs des Interesses war. Dies könnte im Allgemeinen für eine Erhöhung des Grades an Selbstreferenzialität des US-amerikanischen wissenschaftlichen Diskurses in betrachtetem Zeitraum sprechen.63 In diesem Kontext muss allerdings auch darauf verwiesen werden, dass nicht der Eindruck entstehen sollte, dass nur der US-amerikanische Herbartianismus von anderen Theorien beeinflusst wurde, sondern ebenso auf andere Positionen und Theorien seinen Einfluss entfaltete (vgl. Cruikshank 1993, S. 426-436).64 Ein vierter Modus, der identifiziert werden konnte, war der Modus der Hybridisierung, in dem sich die transkulturelle Dimension am deutlichsten offenbarte. Dieser Modus der Verschmelzung verschiedener, auch dezidiert nicht-herbart63 Es könnte für eine Kulturtransferforschung, insbesondere im Bereich der Wissenschaftsgeschichte, womöglich ertragreich sein, diskursanalytische Perspektiven zu integrieren bzw. Forschungsprojekte der Kulturtransferforschung als eine besondere Form der historischen Diskursanalyse (vgl. Landwehr 2008) zu konstituieren und auszurichten oder Forschungsprojekte anzustrengen, die explizit auf die Funktion und Relevanz diskursiver Formationen im Kontext von Kulturtransfer abheben. 64 Dem Verkennen dieses Momentums ist es wohl zuzuschreiben, dass der Herbartianismus in der US-amerikanischen Bildungsgeschichte lange Zeit zur Fußnote degradiert wurde (vgl. Cremin 1969) und kann generell auf die methodologischen Verkürzungen einer reinen Rezeptionsgeschichte zurückgeführt werden.

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5. Befunde und Ergebnisse

ianischer pädagogischer Ideen aus verschiedenen Denktradition sowohl inländischer als auch ausländischer Provenienz und Theorieelemente zu einem neuen Konstrukt, das sich in der vorliegenden Studie in den type studies und dem Project dokumentierte, basierte in seiner Gesamtheit auf den weiter oben beschriebenen Modi und wurde erst aus einer diachronen Perspektive deutlich. Die aufgeworfenen Modi gilt es allerdings in einer ganz bestimmten Systematik in Bezug zu setzten. Innerhalb einer solchen Systematik muss der Modus der gesellschaftsstrukturell-orientierten Transformation als ein übergeordneter aufgefasst werden, der den höchsten Abstraktheitsgrad aufweist. Das heißt, dass er sich entweder unmittelbar äußert und sich in etwaigen Transformationen zeigt oder mittelbar in und durch die anderen drei ihm untergeordneten Modi vollzieht. Die Modi der praxeologisch-orientierten Transformation und der diskurs-orientierten Transformation können horizontal zueinander angeordnet werden und laufen parallel ab. Sie ergeben in ihrer reziproken Verwiesenheit aufeinander den Modus der Hybridisierung, der sich im Falle Charles McMurrys entlang seiner Denkfigur der unity of influence entfaltet, worin sich das Individuum als Faktor der pädagogischen Theoriebildung explizit zeigt. Abschließend kann in diesem Zusammenhang noch der Befund formuliert werden, dass kein Diskurs über den Anpassungsprozess, nur über den Anpassungsbedarf bei den Brüdern McMurry nachzuweisen ist, was sich grundsätzlich in der Verquickung verschiedener konzeptioneller Akzentuierungen herbart’scher und herbartianischer Elemente, ohne Differenzierung zwischen den einzelnen Vertretern und Standpunkten, zeigte und diese Verquickung weder metasprachlich gerahmt noch explizit reflektiert wird.

6. Fazit und Schlussbetrachtung Da sich die vorliegende Studie als Einzelfallstudie versteht, ist sie sich ihrer Begrenztheit in Bezug auf Verallgemeinerung ihrer Ergebnisse bewusst. Deshalb gilt es, diese Verallgemeinerungen als Hypothesen zu verstehen. Des Weiteren gilt es zu beachten, dass sich die Studie auf die publizistischen Werke der Protagonisten beschränkt und damit der Faktor des mündlichen, persönlichen Austauschs während des Aufenthalts der McMurrys am Pädagogischen Universitäts-Seminar in Jena nicht Gegenstand der Analyse war und sein konnte. Dies gilt es im Kontext einer Kulturtransferforschung generell zu beachten. Diese Leerstelle bzw. dieser ‚blinde Fleck‘ ist methodisch nicht zu kompensieren, da hierfür keine auswertbaren Quellen vorhanden sind. Jener Faktor sollte dennoch reflektiert werden und es sollte von einem mündliche Austausch und dessen Wirkung ausgegangen werden. Eine erste Frage, die in der vorliegenden Studie gestellt wurde, war die Frage nach der Begründung bzw. möglichen Erklärung für den konkreten Transfer, dessen Initiierung und die ‚Verpflanzung‘ der pädagogischen Theorie als Rückgriff auf (ausländische) Fremdreferenz. Diese Frage konnte aus einer wissenssoziologischen Perspektive durch das Auseinandertreten von semantischer Entwicklung im Wissenschaftssystem und strukturellen Entwicklungen in gesellschaftlichen Handlungs- und Kommunikationsbereichen, im vorliegenden Fall das Erziehungs- bzw. Schulsystem, das im betrachteten Zeitraum durch einen expansiven Ausbau, darauf gründenden Lehrerbedarf und einem Bedarf nach deren (wissenschaftlich fundierten) Ausbildung gekennzeichnet war, beantwortet werden (vgl. Luhmann 1981). Der Herbartianismus sensu Rein konnte daher erfolgreich implementiert werden, da er eine Theorie zu gutem Unterricht und ein tragfähiges Konzept einer professionellen Lehrerbildung und damit eine Passung zwischen Semantik der Theorie und den wahrgenommenen Herausforderungen struktureller Gesellschaftsveränderung lieferte. Daraus ergibt sich gleichzeitig die Logik der Übernahme, nämlich eine eklektische Aneignung einzelner Theorieelemente. Es hat sich innerhalb der vorliegenden Studie also bestätigt, dass die Einführung eines Kulturguts in einen anderen Kontext nicht mit gezielten Expansionsbestrebungen der Ausgangskultur zusammenhängt, sondern mit einer Nachfrage im Aufnahmeland. In diesem Verständnis © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Scholz, Globalisierung pädagogischer Theorien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31458-3_6

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6. Fazit und Schlussbetrachtung

konnte der in der vorliegenden Studie analysierte kulturelle Transfer als ein aktiver Aneignungsprozess, der von der jeweiligen Aufnahmekultur gesteuert wird, nachgewiesen werden, wobei in Bezug auf die verschiedenen Modi von Externalisierung zur Generierung von Zusatzsinn (vgl. Schriewer et al. 1998, S. 163) insbesondere die Bezugnahme auf Wissenschaftlichkeit hervorstach. Hierbei hat es sich als überaus fruchtbar erwiesen, zwischen einer Externalisierungsphase, die die Transferdimension dezidiert in den Blick nimmt, einer Phase der „Erstmaterialisierung“ bzw. Implementation oder Rekontextualisierung und einer Phase der Internalisierung zu unterscheiden (vgl. Steiner-Khamsi 2003, S. 381-383). Allerdings muss in diesem Zusammenhang auf den Faktor der Immigration aufmerksam gemacht werden, der für den US-amerikanischen Kontext besondere Relevanz besitzt. So ließ sich zumindest für die Rezeption Herbarts feststellen, dass dieser Faktor eine Rolle gespielt hat. Weil es ein deutscher Einwanderer war, der durch seine Übersetzungen eine rezeptionsgeschichtliche Basis geschaffen hatte. Jedoch ist der dezidierte Transfer herbart’scher und besonders herbartianischer Ideen durch die gezielte Migration und der damit einhergehenden Entlehnung dieses Gedankenguts auf eine Externalisierung, in Form des Rückgriffs auf Fremdreferenz und der temporären Aufhebung des Selbstbezugs, zurückzuführen.65 Das heißt, dass trotz dieser auf Immigration zustande gekommenen rezeptionsgeschichtlichen Basis konstatiert werden kann, dass herbart’sche und herbartianische Ideen in die allgemeine pädagogische Diskussion erst Eingang fanden als die nach Amerika heimgekehrten Studenten begannen, über ihre in Halle, Leipzig und Jena gemachten Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse zu berichten (vgl. Cruikshank 1993). In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass es individuelle Akteure sind, im Sinne der Kulturtransferforschung 65 Für den US-amerikanischen Kontext lässt sich dahingehend die Kindergartenbewegung, basierend auf der pädagogischen Theorie Friedrich Fröbels, mit einem Sonderstatus versehen, denn hierbei wurde das Gedankengut dezidiert durch Immigration eingeführt und hielt nicht auf Basis von Externalisierung Einzug in das Erziehungsdenken der USA (vgl. Krenzer 1984, S. 175-186; Allen 1995, S. 85-102). Die Kindergartenbewegung als solche kann daher als ein überaus interessanter Untersuchungsgegenstand innerhalb einer Kulturtransferforschung angesehen werden, denn „german and american kindergarten activists stayed in contact, visited each other, and often used the differences in their situations and ideas as a basis for cross-cultural dialogue.“ (Allen 1995, S. 85) Es könnten daher eine Entwicklung pädagogischer Theorie, basierend auf direkten Interdependenzen zwischen verschiedenen Kulturräumen, untersucht werden und die Transnationalität und Transkulturalität einer pädagogischen Theorie und ihrer Entwicklung in den Blick genommen werden.

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als Transmitter bzw. Transferkanal verstanden, und ihre personalen Verflechtungen, die den Transfer erst durch persönliche Netzwerke möglich machen.66 Eine zweite Frage, die sich stellte, war die nach den verschiedenen Modalitäten der Transformationsprozesse auf Basis des Transfers der pädagogischen Theorie des Herbartianismus sensu Wilhelm Rein. Die vier verschiedenen idealtypischen Modi ergaben sich insbesondere aus der Analyse des Zweitkontextes und konnten innerhalb derselbigen im Wechselspiel von Inhalt und Kontext als induktiv generierte Hypothesen formuliert werden und könnten sich für weitere Forschungsprojekte der Kulturtransferforschung als ein Instrumentarium bzw. abstraktes Ordnungsprinzip der Analyse als fruchtbar erweisen, wenn sie in ihrer systematischen Verweisenheit aufeinander Berücksichtigung finden. Hierbei zeigt sich, dass verschiedene Parameter innerhalb des Aufnahmekontextes und vor allem unterschiedliche Logiken und Strategien, die es sowohl in ihrer Unterscheidung als auch in ihrer wechselseitigen Bezogenheit und Systematik zu beachten gilt, Relevanz besitzen und die als Katalysator der bestimmten Transformationsprozesse wirksam wurden. Besonders aufschlussreich hinsichtlich der Transformationsdimension und der transkulturellen Verfasstheit ihrer Prozesshaftigkeit waren dabei die Theorieelemente der type studies und des Projects, nämlich die Entwicklung des Projektbegriffs bei Charles McMurry. Hierbei blieben die grundlegenden theoretischen Referenzpunkte im „Neuen“ zwar in der Tiefenstruktur erhalten. Sie transformierten sich jedoch in ganz bestimmter Art und Weise, woran die Komplexität solcher Prozesse und der hierfür verantwortlichen Parameter augenscheinlich wurde. Dabei zeigte sich in der vorliegenden Arbeit, dass es neben dem Inhalt der Lehre als solche den individuellen Akteur, seine grundlegenden Denkfiguren und seine professionelle Selbstwahrnehmung in die Analyse einzubeziehen und eine transkulturelle Verfasstheit individueller Identitäten anzunehmen gilt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass es hierbei keinen Diskurs über den Anpassungsprozess, sondern nur über den Anpassungsbedarf gab und das Moment der sprachlichen Übersetzung und damit einhergehenden potentiellen semantischen 66 Weiterführende Forschungsprojekte im Bereich des Transfers herbartianischer Ideen im globalen Kontext könnten und sollten auf den Fundus der Arbeitsstelle für Internationale Herbartianismusforschung der Universität Duisburg/Essen zurückgreifen. Nähere Informationen unter: https:// www.uni-due.de/herbartianismus-forschungsstelle/

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6. Fazit und Schlussbetrachtung

Umwertung kaum reflektiert wurde. Berücksichtigung finden sollte innerhalb einer Kulturtransferforschung das Momentum der sprachlichen Übersetzung als kulturellem Prozess innerhalb der Rezeption und Konstruktion des Fremden (vgl. Bachmann-Medick 1997a, S. 1-18; Krapoth 1998, S. 1-10). Dass diese Problematik von den Protagonisten eines Kulturtransfers zumeist nicht reflektiert wird, kann zumindest für die vorliegende Studie bestätigt werden. In Bezug auf das theoretische Konzept der Transkulturalität, dem die Prämisse, dass Kulturen nicht in homogenen, fest definierten, etwa ethnisch, sprachlich oder territorial bestimmten Einheiten bestehen, zugrunde liegt, sondern sich vielmehr über Beziehungsprozesse erschließen lassen und sich im stetigen Prozess des Werdens befinden, was sowohl für die Ausgangskultur als auch für die Rezeptionskultur vorauszusetzen ist, kann konstatiert werden, dass dies als methodisches Herangehen, die komplexere Vielfalt von Differenzkonstruktionen und Aushandlungsstrategien zu untersuchen möglich macht. Gleichfalls wurde dabei ersichtlich, dass der Begriff der Akkulturation keineswegs als obsolet betrachtet werden sollte und in seiner Semantik für die Analyse von Transferprozessen relevant bleibt. Die dabei zugrunde gelegte Prämisse könnte sich für die Weiterentwicklung einer Kulturtransferforschung als überaus fruchtbar erweisen, da es damit möglich ist, den Kulturbegriff von einer ethnisch, religiös oder sprachlich bedingten Geschlossenheit zu befreien und die Prozesshaftigkeit und die Beziehungsprozesse in den Mittelpunkt zu stellen, indem die Prämisse der transkulturellen Verfasstheit unterschiedlicher kultureller Kontexte zugrunde gelegt wird. Diese Perspektive hat sich als besonders fruchtbar im Kontext der Identifizierung des Modus der Hybridität innerhalb der Transformationsprozesse gezeigt. Abschließend kann die zugrunde gelegte These der Globalisierung pädagogischer Theorien bzw. des Phänomens der pädagogischen Theoriebildung, ihrer globalen Dimension und der komplexen Wechselwirkung unterschiedlicher Denktraditionen und semantischen Ausformungen als bestätigt angesehen werden.

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