Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen [1 ed.] 9783428585076, 9783428185078

Bei Bauverträgen besteht aufgrund wiederkehrender Insolvenzwellen und der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers ein bei

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Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen [1 ed.]
 9783428585076, 9783428185078

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 542

Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen Von

Nils Heuser

Duncker & Humblot · Berlin

NILS HEUSER

Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 542

Gesetzliche Sicherheiten und formularvertragliche Sicherungsabreden bei Bauverträgen

Von

Nils Heuser

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18507-8 (Print) ISBN 978-3-428-58507-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Philipps-Universität Marburg. Sie lag im Sommersemester 2021 der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Dissertation vor. Die mündliche Prüfung fand am 19. 10. 2021 statt. Für die Veröffentlichung konnten Gesetzesänderungen, Literatur und Rechtsprechung bis April 2021 berücksichtigt werden. Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Tobias Helms, der bei mir das Interesse am privaten Baurecht geweckt und mir die Anregung zu diesem Thema gegeben hat. Ich bedanke mich für die schönen gemeinsamen Jahre am Lehrstuhl und die Zeit, in der er mir als kritischer Gesprächspartner und Ratgeber zur Verfügung stand. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Voit danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Johannes Wertenbruch für die Übernahme des Vorsitzes in der Prüfungskommission. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Lukas Friedrich und Dr. Marco Förderer sowie meinen zahlreichen Gesprächspartnern aus der Baupraxis, die immer ein offenes Ohr für mich hatten. Besonderer Dank gilt meiner Verlobten Sabrina Hadenfeldt für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens und ihre liebevolle Unterstützung während des Promotionsvorhabens. Nicht unerwähnt bleiben sollen meine Schwester, meine Freunde und die Jungs des Tennisvereins 1965 Marburg, die sich um das abwechslungsreiche Freizeitprogramm gekümmert haben. Schließlich möchte ich mich besonders bei meinen Eltern bedanken, die mir das Studium ermöglicht und mich stets in all meinen Entscheidungen bestärkt haben. Marburg, im April 2021

Nils Heuser

Inhaltsverzeichnis Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Erstes Kapitel Rechtsgrundlagen – Von der Schaffung des BGB zum gesetzlichen Bauvertragsrecht

16

A. Die Grundkonzeption des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Die Wesensmerkmale von Bauverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Die VOB/B als faktische Ersatzrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. Bedürfnis für die Schaffung eines gesetzlichen Bauvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 21 E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Der Bauvertrag, § 650a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Der Verbraucherbauvertrag, § 650i BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Überblick über die Eckpfeiler der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 F. Bewertung der Neuregelung und Zukunft der VOB/B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 G. Auswirkungen der Neuregelung auf formularvertragliche Sicherungsabreden . . . . . . . 31

Zweites Kapitel Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

32

A. Die Abnahme als Dreh- und Angelpunkt der bauvertraglichen Risikoverteilung . . . . 32 I. Die dogmatische Struktur der Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Risikoverteilung vor und nach der Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I.

Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente zugunsten des Auftragnehmers 36 1. Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Die dogmatische Struktur von Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Entwicklung und Bewertung des gesetzlichen Abschlagszahlungsanspruchs 41

8

Inhaltsverzeichnis 2. Sicherungshypothek des Bauunternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Die dogmatische Struktur des § 650e BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Sicherungsfähige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Sicherungsobjekt: Grundstück des Bestellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 d) Vorrangige Grundpfandrechte fremdfinanzierender Banken . . . . . . . . . . . . . 48 e) Verbliebene Praxisrelevanz des § 650e BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Bauhandwerkersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Kreis der geschützten Bauunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Sicherungsfähige Forderungen, Höhe der Sicherheitsleistung und Geltendmachung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Das gängigste Sicherungsmittel: Die Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Die Rechtsverhältnisse im Rahmen von Bankbürgschaften . . . . . . . . . . 59 bb) Anforderungen an den Bürgen im Rahmen von § 650f BGB . . . . . . . . . 61 cc) Anforderungen an die Ausgestaltung der Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . 63 dd) Inanspruchnahme der Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee) Rückgewähr der Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Enthaftung des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Rückgabe der Bürgschaftsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (3) Abweichende Rechtslage bei Vereinbarung einer Rückgabeklausel? 72 d) Die Handlungsmöglichkeiten des Auftragnehmers im Rahmen von § 650f BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Die gerichtliche Geltendmachung des Sicherungsanspruchs . . . . . . . . . 73 (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06. 03. 2014 . . . . . . 74 (2) Die Entscheidung des Kammergerichts vom 15. 06. 2018 . . . . . . . . . 75 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (4) Folgerungen für die Behandlung von Einheitspreisverträgen und Nachtragsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Das Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Das Verhältnis zwischen den beiden Handlungsmöglichkeiten . . . . 81 (2) Das Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (3) Das Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 e) Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 f) Der zwingende Charakter des § 650f BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 g) Das Verhältnis von § 650f BGB zu § 650e BGB und vertraglichen Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente zugunsten des Auftraggebers . . . 105 1. Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Das Aufrechnungsrecht gemäß §§ 387 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 650m Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Die Rechtsnatur des Sicherungsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Inhaltsverzeichnis

9

b) Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 d) Verwertung und Rückgewähr der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 C. Verbliebenes Sicherungsbedürfnis von Auftraggeber und Auftragnehmer . . . . . . . . . . 117

Drittes Kapitel Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

119

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I.

Das Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Akzessorietät in der Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Akzessorietät im Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Akzessorietät in der Rechtszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Akzessorietät im Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5. Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6. Die Funktionen des Akzessorietätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

II. Das Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Die Einrede der Vorausklage, § 771 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Die Einrede der Aufrechenbarkeit, § 770 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten . . . . 131 I. Die Bankgarantie (auf erstes Anfordern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Viertes Kapitel Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers mittels Bankbürgschaft

145

A. Einleitender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I.

Sicherungszweck einer Vertragserfüllungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Aus § 14 S. 1 AEntG und verwandten Vorschriften folgende Regressansprüche 148 3. Haftung für Forderungen aus Nachträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Ansprüche auf Rückgewähr von Überzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5. Mängelansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II. Sicherungszweck einer Gewährleistungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

10

Inhaltsverzeichnis III. Lösung: Klare Festlegung des Sicherungszwecks in der Sicherungsabrede . . . . . . 169

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Sicherungsabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Sicherungsabrede . . . . . . . . . . 172 2. Stellen der Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Nicht im Einzelnen ausgehandelte Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

4. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Zweck, Maßstab und Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Sinn und Zweck der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen 176 2. Maßstab der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Folgen einer unwirksamen Sicherungsabrede für den Auftraggeber . . . . . . . . . . . 182 1. Rechtslage aus Sicht des Auftragnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Rechtslage aus Sicht der bürgenden Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Fazit und Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Analyse der Rechtsprechung zu den häufigsten Unwirksamkeitsgründen . . . . . . . 194 1. Verknüpfung von Bürgschaft und Sicherheitseinbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Übersicherung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Zulässige Obergrenze für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Übersicherung durch Kumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Vertragserfüllungsbürgschaft und nachteilige Abschlagszahlungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09. 12. 2010 . . . . . . 210 (2) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. 06. 2016 . . . . . . 213 bb) Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. 03. 2004 . . . . . . 216 (2) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05. 05. 2011 . . . . . . 220 (3) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. 03. 2014 . . . . . . 223 (4) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01. 10. 2014 . . . . . . 224 (5) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. 01. 2015 . . . . . . 226 (6) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. 07. 2020 . . . . . . 226 (7) Abschließende Folgerungen aus den Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Abbedingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 05. 06. 1997 – ein Flächenbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Keine Aufrechterhaltung der zuvor dargestellten Sicherungsabrede durch Klauselteilung und ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . 231

Inhaltsverzeichnis cc) Das zweite Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 18. 04. 2002

11 233

dd) Verhinderung eines zweiten Flächenbrands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 ee) Zulässigkeit der Ablösung eines Gewährleistungseinbehalts durch selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 ff) Auch keine Bürgschaften auf erstes Anfordern in formularvertraglichen Sicherungsabreden der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 gg) Keine ergänzende Vertragsauslegung bei alleiniger Ablösungsmöglichkeit des Gewährleistungseinbehalts durch Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 hh) Weitere Konkretisierungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . 242 ii) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Ausschluss der abgeleiteten Einreden des Bürgen, § 768 Abs. 1 S. 1 BGB 244 aa) Das Urteil vom 12. 02. 2009 – Vertragserfüllungsbürgschaft unter Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Die Urteile vom 16. 06. 2009 und 28. 07. 2011 – Gewährleistungseinbehalt, ablösbar durch Gewährleistungsbürgschaft unter Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 cc) Kritische Würdigung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 c) Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, § 770 Abs. 2 BGB . . . . . . . . 251 aa) Die Entscheidungen vom 24. 10. 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Kritische Würdigung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit, § 770 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . 256 4. Blockade des Austauschrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 V. Zusammenfassung und Folgerungen aus der Rechtsprechungsentwicklung . . . . . 260 VI. Bisherige Reformvorschläge und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Die Reformvorschläge des 3. und 6. Deutschen Baugerichtstags . . . . . . . . . . . 262 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Fünftes Kapitel Die gesetzliche und vertragliche Absicherung des Auftragnehmers im Rahmen von Verbraucherbauverträgen

266

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 B. Gesetzliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Ursprung und Entwicklung des Privilegierungstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Ratio legis des Privilegierungstatbestandes und bisherige Kritik . . . . . . . . . . . . . . 267 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C. Vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I.

Die Rechtslage bis zum 31. 12. 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

12

Inhaltsverzeichnis II. Die Rechtslage ab dem 01. 01. 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 III. Bisherige Kritik an § 650m Abs. 4 BGB und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Sechstes Kapitel Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick

274

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Vorschläge zur zukünftigen Absicherung des Auftragnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Vorschläge zur zukünftigen Absicherung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 B. Ausblick – Neue Versicherungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Problemstellung und Gang der Untersuchung Vertragsschlüsse werden meist vom Vertrauen der vertragsgemäßen Erfüllung aller vereinbarten Ansprüche getragen. Im Falle einer insolvenzbedingten Leistungsunfähigkeit oder eines mangelnden Leistungswillens entlarvt sich dieses Vertrauen jedoch als Illusion. Gesetzliche und vertragliche Sicherheiten begegnen diesem Risiko, indem sie die Nichterfüllung des gesicherten Anspruchs finanziell ausgleichen.1 Beim Abschluss eines Bauvertrags fällt die Zuversicht in puncto Vertragserfüllung berechtigterweise nicht allzu groß aus. Dies hängt auf Auftraggeberseite vor allem mit den immer wiederkehrenden Insolvenzwellen im Baugewerbe zusammen.2 Auf Seiten des Auftragnehmers ist demgegenüber seine mit der Vorleistungspflicht verbundene finanzielle Durststrecke als Ursache anzuführen. Der Werklohnanspruch des Bauunternehmers wird gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 650g Abs. 4 BGB erst mit Abnahme und Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung fällig. In der Realität erfolgt die Zahlung hingegen meist erst sehr viel später.3 Durch diese rechtlichen und tatsächlichen Umstände wird der Bauunternehmer über eine äußerst lange Zeitspanne – vom Vertragsschluss bis zur letztendlichen Bezahlung der vollen Werklohnforderung – dem Insolvenzrisiko seines Auftraggebers ausgesetzt. Dem daraus resultierenden Sicherungsbedürfnis beider Vertragsparteien wird das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner derzeitigen Fassung nicht gerecht. Lediglich der Auftragnehmer wird durch die §§ 650e, 650f BGB – allerdings nicht immer ausreichend – geschützt. Für Auftraggeber besteht hingegen nur im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags ein Sicherungsinstrument nach § 650m Abs. 2 BGB. Angesichts der bestehenden Schutzlücken ist die vertragliche Vereinbarung von Sicherheiten durch sog. Sicherungsabreden in der Baubranche „gewerbeüblich“4. 1

Weise, Sicherheiten, Rn. 1. Vgl. Nossek, NJW 2015, 1985, der die „traditionell hohe Anzahl von Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe“ hervorhebt; Zander/Wittler, NJW 2020, 1927, 1929 Rn. 19 attestieren, dass das Sicherungsinteresse auf Auftraggeberseite trotz der zurückgegangenen Insolvenzen im Baugewerbe ungebrochen ist. 3 Die schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber – vor allem in der Bauwirtschaft – war unter anderem der Hauptgrund für zahlreiche Novellierungen durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen und das Forderungssicherungsgesetz, vgl. BT-Drs. 14/1246, S. 4 und BT-Drs. 16/511, S. 1. 4 Kleine-Möller, NZBau 2002, 585; Thode, ZfBR 2002, 4 bezeichnet Sicherungsabreden als „Standard der Bauverträge“; Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65 sprechen von einer „übliche[n] Praxis“; nach Hildebrandt, BauR 2007, 203 gehören Sicherungsabreden „zur täglichen Praxis“ der Bauvertragsparteien. 2

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Problemstellung und Gang der Untersuchung

Zur Durchsetzung vertraglicher Sicherheiten ist üblicherweise nur die Vertragspartei mit der größeren Verhandlungsmacht in der Lage. Gewöhnlich ist dies der gewerbliche Auftraggeber.5 Der private „Häuslebauer“ wird demgegenüber neben seiner fehlenden Verhandlungsmacht oftmals nicht einmal Kenntnis von seinen Sicherungsmöglichkeiten haben.6 Daher wird in diesem Verhältnis regelmäßig einzig der Auftragnehmer auf Sicherheiten bestehen. Sicherungsabreden leiden in der Praxis oftmals an unklaren oder unvollständigen Formulierungen. Darüber hinaus sind sie aufgrund der strengen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 305 Abs. 1 BGB nahezu ausschließlich als formularvertragliche Abreden zu qualifizieren.7 Dies zieht zwangsläufig die Inhaltskontrolle derartiger Bestimmungen gemäß § 307 BGB nach sich. Vor diesem Hintergrund sind in der Vergangenheit unzählige Sicherungsabreden von der Rechtsprechung als unwirksam angesehen worden.8 Die Auswirkungen einer unwirksamen Sicherungsabrede sind für den jeweiligen Sicherungsnehmer verheerend und bedeuten nicht selten seinen wirtschaftlichen Ruin.9 Eine wesentliche Aufgabe dieser Arbeit wird daher darin bestehen, die bisherige Rechtsprechung zu den Unwirksamkeitsgründen formularmäßiger Sicherungsabreden vollständig zu durchdringen und kritisch zu analysieren. Das Hauptaugenmerk soll hierbei – aufgrund ihrer weitaus größeren Praxisrelevanz – auf den vom gewerblichen Auftraggeber gestellten Sicherungsabreden liegen. Zudem wird sich die Betrachtung auf das häufigste und wichtigste Sicherungsmittel des nationalen Bauvertragsrechts – die Bankbürgschaft10 – konzentrieren. Der ebenfalls bedeutsame Sicherheitseinbehalt wird lediglich en passant behandelt. Bevor auf diesen für die Arbeit zentralen Themenkomplex eingegangen wird, soll die strukturelle Risikoverteilung bei Bauverträgen und die Reichweite der bestehenden gesetzlichen Sicherheiten analysiert werden, um auf dieser Basis das verbleibende Sicherungsbedürfnis der Vertragsparteien herausarbeiten zu können (2. Kapitel). In diesem Rahmen werden zunächst die gesetzlichen Sicherungsinstrumente ausführlich dargestellt und insofern auch Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Hierin liegt zugleich der erste Schwerpunkt der Abhandlung. Sodann folgen im 3. Kapitel allgemeine Ausführungen zur Dogmatik des Bürgschaftsrechts. Dieser relativ kurze Abschnitt ist erforderlich, um ein Grundverständnis für die Vorschriften der §§ 765 ff. BGB zu vermitteln. Anschließend (4. Kapitel) wird der zweite Schwerpunkt auf die vertragliche Absicherung des gewerblichen Auftraggebers gelegt. An dieser Stelle erfolgt insbesondere eine eingehende Auseinander5

Glöckner, VuR 2016, 163, 164; Glöckner, JZ 2020, 63, 66; Windorfer, NZBau 2017, 460. Pause, BauR 2009, 898, 904; Glöckner, JZ 2020, 63, 71. 7 Hierzu ausführlich unten, S. 172 ff. 8 Hierzu ausführlich unten, S. 194 ff. 9 Hierzu ausführlich unten, S. 182 ff. 10 Vereinzelt wird auch auf die verwandten Bürgschaften von Versicherungsgesellschaften eingegangen. 6

Problemstellung und Gang der Untersuchung

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setzung mit der oben beschriebenen Problematik der unwirksamen Sicherungsabreden. Hiernach widmet sich das 5. Kapitel speziell den gesetzlichen und vertraglichen Absicherungsmöglichkeiten des Auftragnehmers im Rahmen von Verbraucherbauverträgen. Abschließend werden im 6. Kapitel die Kernaussagen der Arbeit zusammengefasst. Zudem wird ein Blick auf künftige Rechtsentwicklungen geworfen. Begonnen werden soll angesichts des recht neuen gesetzlichen Bauvertragsrechts jedoch mit einem kurzen historischen Rückblick (1. Kapitel). In diesem Rahmen wird dem Leser auch ein Überblick über die gesetzlichen Neuregelungen gegeben. Zudem erfolgt eine nähere Bestimmung der zentralen Begriffe des Bauund Verbraucherbauvertrags. Sämtliche Ausführungen dieser Arbeit beziehen sich ausschließlich auf nationale Bau- und Verbraucherbauverträge, die dem deutschen Recht nach §§ 650a und 650i BGB unterliegen. Der Bauträgervertrag (§ 650u BGB) ist nicht Gegenstand der folgenden Abhandlung, da sich bei diesem Vertragstyp gesonderte Absicherungsfragen stellen, die von der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) geregelt werden.11

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Hierzu vertiefend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 83 ff.

Erstes Kapitel

Rechtsgrundlagen – Von der Schaffung des BGB zum gesetzlichen Bauvertragsrecht A. Die Grundkonzeption des historischen Gesetzgebers Obwohl der Bausektor einen der relevantesten Wirtschaftszweige verkörpert,1 fehlte bis zum 01. 01. 2018 eine spezielle Normierung des Bauvertrags. Der historische Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches entschied sich vielmehr dafür, sämtliche Werkvertragstypen einheitlich in den abstrakt gehaltenen §§ 631 ff. BGB zusammenzuführen.2 Kennzeichnendes Merkmal des Werkvertrags ist seine Erfolgsbezogenheit: Geschuldet wird stets ein Ergebnis und nicht das Tätigwerden als solches.3 Die Arbeiten zur Erzielung des vertraglich geschuldeten Erfolgs stellen aus dieser Perspektive betrachtet daher unerhebliche Vorbereitungshandlungen dar.4 Spiegelbildlich steht die Vergütung nach der Grundkonzeption des historischen Gesetzgebers nicht den Vorbereitungshandlungen, sondern ausschließlich dem Erfolg gegenüber.5 Der Werkunternehmer hat das Werk auf seine Kosten zu errichten. Er ist seit jeher gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB vorleistungspflichtig.6 Erst wenn das Resultat der Vorbereitungshandlungen vorliegt, erfolgt die Verschaffung des Werkerfolgs im Zeitpunkt 1

BeckOGK BGB/Merkle, § 650a Rn. 2. Bei dieser Konzeption orientierte sich der Gesetzgeber im Ausgangspunkt an der Herstellung und Bearbeitung von Sachen und übertrug dieses System sodann auf unkörperliche Werke, vgl. Mugdan, Motive II, S. 470, 506 f.; Beispiele für typische Werkverträge aus der Zeit um 1900 – zu denen auch schon damals der Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks gehörte – sind in der älteren Literatur zu finden, vgl. statt aller Dernburg, Bürgerliches Recht, Bd. II Abt. 2, S. 527. 3 Mugdan, Motive II, S. 471; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II Teil 1, S. 355; Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 527. 4 Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II Teil 1, S. 355, 362; Voit, in: FS Koeble 2010, S. 225, 226. 5 Mugdan, Motive II, S. 471; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II Teil 1, S. 355. 6 Zur gesetzgeberischen Konzeption der Vorleistungspflicht Mugdan, Motive II, S. 492; die Vorleistungspflicht des Werkunternehmers wird in Rechtsprechung und Literatur zu Recht als gegeben angesehen, vgl. BGH NJW 1973, 1792 f.; BGH NJW-RR 1993, 1461, 1462; BGH NJW 2002, 2640; BGH NZBau 2002, 499, 500; BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 25; Messerschmidt/ Voit/Messerschmidt, § 641 Rn. 1; Locher, Baurecht, Rn. 106; nur Sienz, BauR 2004, 10 ff. spricht sich gegen die in seinen Augen unzutreffende Verwendung des Begriffs aus. 2

B. Die Wesensmerkmale von Bauverträgen

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der Abnahme Zug-um-Zug gegen Erbringung der Vergütung.7 Dogmatisch stellt der Werkvertrag damit einen punktuellen Austauschvertrag dar.8 Die Verortung des Leistungsaustauschs allein im Zeitpunkt der Abnahme geht mit einer Vernachlässigung der Herstellungsphase einher.9 Dies erscheint bei überschaubaren handwerklichen Verträgen sachgerecht. Den Wesensmerkmalen umfangreicher Bauverträge, die den „Prototyp des Werkvertrags“10 verkörpern, konnte die ausschließliche Geltung dieses Vertragsmodells jedoch nicht gerecht werden.

B. Die Wesensmerkmale von Bauverträgen Bauvorhaben können sich über Wochen, Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte erstrecken. Bauverträge werden daher in erster Linie durch ihren Langzeitcharakter geprägt.11 Im Gegensatz zu den Verträgen des Schusters und des Schneiders kommt der zeit- und kostenintensiven Herstellungsphase eine überragende Bedeutung zu. Mit zunehmender Größe und Dauer des Bauvorhabens steigt die Vorleistungs- und die damit einhergehende Vorfinanzierungspflicht des Bauunternehmers.12 Aus der langen und komplexen Schöpfungsphase folgt zugleich der Rahmencharakter des Bauvertrags.13 Kaum ein Bauwerk wird so errichtet, wie es ursprünglich in Auftrag gegeben wurde.14 Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist es daher nahezu unmöglich, die zu erbringenden Bauleistungen und spiegelbildlich die Vergütung abschließend zu vereinbaren. Dem Bauvertrag sind folglich kontinuierliche Änderungen und Konkretisierungen immanent.15 Diese dynamischen Prozesse können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Vielzahl der am Bauprojekt Beteiligten eine vertrauensvolle Zusammen7

Grundlegend Mugdan, Motive II, S. 492. Voit, in: FS Koeble 2010, S. 225, 226 unter Bezugnahme auf die Motive zum BGB; Kniffka ibrOK/Kniffka, Einf. vor § 631 BGB Rn. 3; Kniffka, BauR 2020, 404, 406; Sonntag/ Birkenkämper/Rütten, Baurecht, § 1 Rn. 2; zum Gegenbegriff des Dauerschuldverhältnisses Palandt/Grüneberg, § 314 Rn. 2. 9 Kniffka ibrOK/Kniffka, Einf. vor § 631 BGB Rn. 3; Kniffka, BauR 2020, 404, 406; Nicklisch, JZ 1984, 757, 760; Nicklisch, NJW 1985, 2361, 2362. 10 So die Bezeichnung von Staudinger/Peters, § 650a Rn. 14. 11 Nicklisch, JZ 1984, 757, 762; Nicklisch, NJW 1985, 2361, 2362; Sonntag/Birkenkämper/ Rütten, Baurecht, § 1 Rn. 2 ff.; BGH NJW 2016, 1945, 1950 Rn. 52 definiert den Bauvertrag als einen auf Kooperation der Vertragspartner angelegten Langzeitvertrag. 12 Leineweber, BauR 2000, 159 und Scherzer, Sicherung von Forderungen, S. 16 bezeichnen den Bauunternehmer aufgrund seiner Vorleistungspflicht zutreffend als faktischen Kreditgeber. 13 Nicklisch, JZ 1984, 757, 762 f.; Nicklisch, NJW 1985, 2361, 2362 f.; Sonntag/Birkenkämper/Rütten, Baurecht, § 1 Rn. 4; in diesem Sinne auch BGH NJW 1996, 1346, 1347. 14 Jagenburg, in: FS v. Craushaar 1997, S. 117, 122. 15 Nicklisch, JZ 1984, 757, 762 f.; Nicklisch, NJW 1985, 2361, 2362 f. 8

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

arbeit pflegen (sog. Kooperationscharakter).16 Aufgrund dieser vom Gesetzgeber unberücksichtigten Charakteristika klaffte zwischen der historischen Konzeption der §§ 631 ff. BGB und der Realität des Bauvertrags eine große Lücke.17

C. Die VOB/B als faktische Ersatzrechtsordnung Aus dem Schatten dieses Regelungsdefizits ist die Verdingungsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B) im Jahr 1926 als faktische „Ersatzrechtsordnung“18 hervorgetreten. Ziel der VOB war es, allgemeingültige Regelungen für die Vergabe und Durchführung von Bauleistungen der öffentlichen Hand zu schaffen.19 Darüber hinaus sollte sie die Missstände vorheriger Verdingungsordnungen umfassend beheben.20 Das Vergabewesen des 19. Jahrhunderts wurde im Zuge des wirtschaftsliberalen Leitgedankens maßgeblich von fiskalischen Gesichtspunkten geprägt.21 Dies war vor allem bei den Vergabeentscheidungen erkennbar, die sich ausschließlich am niedrigsten Preis und nicht an der gebotenen Qualität orientierten.22 Zudem spiegelte sich jener Leitgedanke in der Vertragsgestaltung wider, bei der die öffentlichen Auftraggeber ihre Machtposition ausnutzten, um den Auftragnehmern schwerwiegende Nachteile aufzubürden.23 Die Folgen dieses „freien Kräftespiels“24 waren Qualitätsdefizite,25 unausgewogene Verträge und „Preisunterbietungen bis zum Ruin“26. 16

Nicklisch, JZ 1984, 757, 763; Nicklisch, NJW 1985, 2361, 2363; Sonntag/Birkenkämper/ Rütten, Baurecht, § 1 Rn. 5; grundlegend aus der Rechtsprechung BGH NJW 1996, 2158 f.; BGH NJW 2000, 807, 808. 17 Der historische Gesetzgeber nahm lediglich in § 638 BGB a. F. (fünfjährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche) und § 648 BGB a. F. (Sicherungshypothek des Bauunternehmers) auf Bauvorhaben Rücksicht. 18 Diese Bezeichnung verwenden beispielsweise Lang, NJW 1995, 2063, 2065 ff.; Geck, ZfBR 2008, 436, 445; Glöckner, VuR 2016, 123. 19 Ingenstau/Korbion/Leupertz/v. Wietersheim, Einl. Rn. 7. 20 Staudinger/Peters, § 650a Rn. 15; Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 23; ausführlich zu den vorherrschenden Missständen Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389 ff. m. w. N. 21 Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 392 f.; Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 23. 22 Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 393. 23 Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 392 f.; Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 23. 24 Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 23. 25 Vgl. hierzu die abgedruckten Zitate bei Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389 und 393 f. 26 Jagenburg, BauR 1987, 17; der Reichstagsabgeordnete Eduard Isenmann (Mitglied der Zentrumspartei) konstatierte, dass der zügellose Wettbewerb des öffentlichen Submissionswesens tausende Handwerksbetriebe vernichtet habe, Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 347, S. 2431.

C. Die VOB/B als faktische Ersatzrechtsordnung

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Im März 1914 entstand daraufhin auf Initiative der Wirtschaft ein reichseinheitlicher Gesetzesentwurf, der nicht nur das Vergabeverfahren, sondern auch die vertraglichen Beziehungen zwischen Staat und Unternehmern reglementierte.27 Die nähere sachliche Auseinandersetzung mit dem Entwurf wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 01. 08. 1914 verhindert.28 Nach Kriegsende entfachte allen voran der Mittelstand das Feuer um eine reichseinheitliche Regelung von neuem.29 Dennoch entschied sich der Reichstag Anfang 1921, gegen den Antrag der Deutschnationalen Volkspartei, die Reichsregierung zur Einbringung eines Reichsverdingungsgesetzes zu veranlassen.30 Stattdessen folgte das Parlament mit großer Mehrheit31 dem Gegenantrag der Zentrumspartei, die Reichsregierung mit der Bildung eines Sachverständigenausschusses zu beauftragen, um einheitliche Vergabegrundsätze für Reich und Länder hervorzubringen.32 Dieser außergewöhnliche Entschluss ist zum einen auf föderalistische Bedenken gegen eine reichsgesetzliche Regelung zurückzuführen.33 Zum anderen sollten neben Arbeitgeberorganisationen auch Arbeitnehmerverbände an der Lösung der Verdingungsfrage beteiligt werden,34 weil der Arbeitslohn als wesentlicher Kostenfaktor im bisherigen Preisunterbietungskampf missbraucht wurde.35 Der infolgedessen einberufene Reichsverdingungsausschuss bestand vornehmlich aus Interessenvertretern der beteiligten Reichsressorts, der öffentlichen Auftraggeber, der Bauwirtschaft, des Handwerks, der Gewerkschaften sowie der Architekten- und Ingenieurverbände.36 Am 6. Mai 1926 beschloss die Vollversammlung des Reichsverdingungsausschusses nach schwierigen Verhandlungen die definitive Fassung der VOB, die schon damals aus den Teilen A, B und C bestand.37 Dieser von Baufachleuten erzielte Kompromiss38 27 Maas, in: FS Thode 2005, S. 371, 381 f.; zur Entstehungsgeschichte umfassend Schoenmaker, Entwicklung des Vergabeverfahrens, S. 374 ff. 28 Maas, in: FS Thode 2005, S. 371, 382; Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 396. 29 Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 396; Maas, in: FS Thode 2005, S. 371, 382. 30 Aktenstück des Reichtags Nr. 1573 (7. 3. 1921), Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 365, S. 1088. 31 Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 348, S. 2760. 32 Aktenstück des Reichtags Nr. 1619 (9. 3. 1921), Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 365, S. 1173. 33 Vgl. die Äußerungen des Antragstellers Herrmann Lange-Hegermann (Mitglied der Zentrumspartei), Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 348, S. 2757; dieses Motiv wird zutreffend auch von Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 24 angeführt. 34 Vgl. die Äußerungen des Antragstellers Herrmann Lange-Hegermann (Mitglied der Zentrumspartei), Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 348, S. 2757; dieses Motiv wird zutreffend auch von Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 24 angeführt. 35 Dieser Schluss wird aus den kurz zuvor getätigten Äußerungen des Antragstellers Herrmann Lange-Hegermann (Mitglied der Zentrumspartei) gezogen, Verhandlungen des Reichtags, I. Wahlperiode, Bd. 347, S. 2401. 36 Vgl. Vorwort zur VOB von 1926. 37 Vgl. Vorwort zur VOB von 1926. 38 Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 409 f.

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

bewerkstelligte die weitgehende Abkehr vom rücksichtslosen Fiskalismus des 19. Jahrhunderts.39 Bei der Vergabe von Aufträgen wurden nunmehr solche Angebote ausgeschlossen, deren Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung standen (§ 26 Nr. 2 S. 2 VOB/A 1926). Darüber hinaus war gem. § 26 Nr. 2 S. 3 VOB/A 1926 nicht mehr das niedrigste, sondern das unter Berücksichtigung aller wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkte annehmbarste Gebot entscheidend. Mit der VOB/B wurde ein ausgewogener Musterbauvertrag geschaffen, der die Wesensmerkmale umfangreicher Bauverträge aufgriff. Dem Langzeitcharakter des Bauvertrags wurde insbesondere mit der Regelung von Abschlagszahlungen (§ 16 Nr. 1 VOB/B 1926) Rechnung getragen. In dem einseitigen Anordnungsrecht des Auftraggebers (§ 1 Abs. 3 VOB/B 1926) und der damit korrespondierenden Regelung zur Vergütungsanpassung (§ 2 Abs. 3 VOB/B 1926) kam der Rahmencharakter des Bauvertrags zum Ausdruck. Der Kooperationscharakter wurde unter anderem mit der Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers (§ 4 Nr. 3 VOB/B 1926) verwirklicht.40 Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen als Nachfolgeorganisation des Reichsverdingungsausschusses die fortlaufende Aktualisierung der VOB.41 Unter ihm festigte die VOB/ B ihre Position als „marktbeherrschendes Regelwerk“42. Dieser Siegeszug ist auf die bis 2018 anhaltende Abstinenz eines gesetzlichen Bauvertragsrechts zurückzuführen. In den vergangenen Jahrzehnten beschränkte sich der Gesetzgeber auf punktuelle Neuregelungen, zu denen im Wesentlichen die Bauhandwerkersicherung (§ 648a BGB a. F.)43 und der Anspruch auf Abschlagszahlungen (§ 632a BGB a. F.)44 zählen. Vor diesem Hintergrund ist das Hervortreten der VOB/B als de facto Ersatzrechtsordnung wenig verwunderlich. 39 Die Abkehr vom Fiskalismus zeigte sich bereits deutlich in den „Allgemeinen Bestimmungen, betreffend die Vergebung von Leistungen und Lieferungen“ des preußischen Arbeitsministeriums vom 17. 07. 1885, zu denen die VOB deutliche Parallelen aufweist, vgl. Nicklisch/Weick/Nicklisch/Weick, Einl. Rn. 24; Maas, in: FS Thode 2005, S. 371, 381; Schubert, in: FS Korbion 1986, S. 389, 394 f., 405. 40 Nach h. M. ist die Bedenkenhinweispflicht Ausdruck des kooperativen Bauens, vgl. Kniffka/Quack, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 17, 29 f.; Ingenstau/Korbion/Oppler, § 4 Abs. 3 VOB/B Rn. 2; BeckVOB/B/Ganten, § 4 Abs. 3 Rn. 7; Staudinger/Peters, § 631 Rn. 66; Fuchs, Kooperationspflichten, S. 187; Sonntag/Birkenkämper/Rütten, Baurecht, § 1 Rn. 5 m. Fn. 3; a. A. Messerschmidt/Voit/v. Rintelen, § 631 Rn. 116. 41 Ursprünglich trug der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen den Namen Deutscher Verdingungsausschuss für Bauleistungen. Im Jahr 2000 erfolgte die Umbenennung. Dementsprechend trägt die VOB seit der Ausgabe des Jahres 2002 die Bezeichnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. 42 Koenen, BauR 2018, 1033, 1036. 43 Siehe hierzu ausführlich unten, S. 55 ff. 44 Siehe hierzu ausführlich unten, S. 37 ff.

E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht

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D. Bedürfnis für die Schaffung eines gesetzlichen Bauvertragsrechts Das Bedürfnis für die Schaffung eines gesetzlichen Bauvertragsrechts resultierte maßgeblich aus der Rechtsnatur der VOB/B. Bei ihr handelt es sich, ihrer Entstehungsgeschichte entsprechend, weder um ein Gesetz, noch um Gewohnheitsrecht, sondern ausschließlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB.45 Sie gilt daher nur dann, wenn sie wirksam in den Vertrag zwischen den Bauvertragsparteien einbezogen wird.46 Aus diesem Grund ist die VOB/B trotz ihrer praktischen Relevanz nicht dazu in der Lage, das gesetzliche Leitbild des Bauvertrags zu prägen.47 Die Bestimmungen der VOB/B unterliegen vielmehr selbst – abseits des in § 310 Abs. 1 S. 3 BGB verankerten Privilegierungstatbestandes48 – einer Inhaltskontrolle. Dadurch waren und sind auch nach Inkrafttreten des gesetzlichen Bauvertragsrechts selbst zentrale VOB/B-Bestimmungen ständig vom „Schleier der Unwirksamkeit“ umgeben. Angesichts dieser schwachen Rechtsstellung und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit konnte die VOB/B die Rolle einer dauerhaften Ersatzrechtsordnung nicht befriedigend ausfüllen. Hinzu kommt, dass die Einbeziehung der VOB/B im Rahmen von Verbraucherverträgen in Verruf geraten ist.49

E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht Mit der Kodifizierung des Bauvertragsrechts50 hat der Gesetzgeber zum 01. 01. 2018 (endlich) das demokratische Legitimationsdefizit im privaten Baurecht geschlossen.51 45 Das ist heute unumstritten. Statt aller Ingenstau/Korbion/Leupertz/v. Wietersheim, Einl. Rn. 59 m. w. N. 46 Zur wirksamen Einbeziehung der VOB/B Ingenstau/Korbion/Leupertz/v. Wietersheim, Einl. Rn. 63. 47 Voit, in: FS Ganten 2007, S. 261, 268; Leupertz, DRiZ 2017, 244. 48 § 310 Abs. 1 S. 3 BGB sieht eine Privilegierung bei Verwendung der VOB/B gegenüber einem Unternehmer und diesen gleichgestellten Personen vor, sofern die VOB/B als Ganzes einbezogen wurde. In diesem Fall findet keine isolierte Inhaltskontrolle einzelner Klauseln statt. Dennoch kann die VOB/B in ihrer Gesamtheit auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Vgl. hierzu ausführlich Kapellmann/Messerschmidt/v. Rintelen, VOB/B Einl. Rn. 55 ff. 49 Vgl. hierzu den erfolgreichen Feldzug des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände gegen die VOB/B (BGH NZBau 2008, 640) und die Ausführungen von Geck, ZfBR 2008, 436 ff. zur Intransparenz der VOB/B für Verbraucher. 50 Eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren, BGBl. 2017 I, 969; zur Entstehungsgeschichte ausführlich Leupertz, in: FS Messerschmidt 2018, S. 163 ff.; prägnanter Leupertz, PiG 106 (2018), 1 ff.

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

I. Der Bauvertrag, § 650a BGB Der Bauvertrag wurde in § 650a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB legaldefiniert und stellt, seiner systematischen Stellung entsprechend, (weiterhin) eine spezielle Ausprägung des Werkvertrags dar. Neben den allgemeinen Vorschriften der §§ 631 ff. BGB finden gem. § 650a Abs. 1 S. 2 BGB auf Bauverträge ergänzend die §§ 650a – 650h BGB Anwendung. Vertragsgegenstand ist gem. § 650a Abs. 1 S. 1 BGB die Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder der Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Für den Bauwerksbegriff soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf die bisherige Rechtsprechung und Literatur zu § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB zurückgegriffen werden.52 Ein Bauwerk ist demnach eine unbewegliche Sache, die fest mit dem Erdboden verbunden ist und durch den Einsatz von Arbeit und Material hergestellt wird.53 Erfasst werden sowohl Hoch- als auch Tiefbauten.54 Vor diesem Hintergrund können nicht nur Gebäude, sondern auch Rohrbrunnen, Hofpflasterungen, Gleisanlagen und Förderanlagen in der Automobilherstellung dem Bauwerksbegriff unterfallen.55 Bei Außenanlagen bezieht sich die zu erbringende Leistung in Abgrenzung zu Bauwerken nicht auf eine fest mit dem Erdboden verbundene unbewegliche Sache, sondern auf das Grundstück als solches.56 Damit unterliegen auch Verträge im Bereich des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus der Bauvertragsdefinition des § 650a Abs. 1 S. 1 BGB.57 Ausreichend ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass sich die Tätigkeit des Bauunternehmers nur „auf Teile“ des Bauwerks oder der Außenanlage bezieht. Bei einer weiten Auslegung dieses Begriffs würde sich sogar die Reparatur einer Haustür als Wiederherstellung eines Teils des Bauwerks darstellen. Ein so uferloses Verständnis würde die Abgrenzung zwischen allgemeinem Werkvertragsrecht und Bauvertragsrecht konturenlos erscheinen lassen. Mit den §§ 650a ff. BGB wollte der Gesetzgeber sachgerechte Regelungen für längerfristige und komplexe Bauvorhaben schaffen.58 Wegen dieser Zielsetzung ist eine restriktive Auslegung des Begriffs

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Das demokratische Legitimationsdefizit wurde zuvor von Voit, jM 2015, 402, 404 als Argument für ein gesetzliches Bauvertragsrecht angeführt; vgl. hierzu auch Koenen, BauR 2018, 1033, 1034 ff. 52 BT-Drs. 18/8486, S. 53. 53 BGH NJW 2016, 2645, 2648 Rn. 44; BGH NJW 2013, 601, 602 Rn. 17 m. w. N. 54 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 11 in Anlehnung an BGH NJW 1971, 2219. 55 BGH NJW 1971, 2219 (Rohrbrunnen); BGH NJW-RR 1992, 849 (Hofpflasterung); BGH MDR 1972, 410 (Gleisanlage); BGH NJW 1999, 2434 (Förderanlage in Automobilherstellung). 56 Kniffka ibrOK/Kniffka, BGB § 650a Rn. 17. 57 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 13 in Anlehnung an BT-Drs. 12/4526, S. 10 f. 58 BT-Drs. 18/8486, S. 24, 53.

E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht

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„eines Teils“ geboten. Erfasst werden demnach nur erhebliche Teile eines Bauwerks oder einer Außenanlage wie etwa der Flügel eines größeren Gebäudes.59 Mit Herstellung ist die Neuerrichtung eines Bauwerks oder einer Außenanlage gemeint.60 Erfasst werden nicht nur Generalunternehmer-61 und Generalübernehmerverträge62, bei denen sämtliche Bauleistungen aus einer Hand erbracht werden, sondern auch Verträge mit Fachunternehmern, die nur einen Teil der Errichtung des Neubaus zum Gegenstand haben.63 Unter Wiederherstellung ist der vollständige oder teilweise Wiederaufbau aufgrund von Zerstörung oder Beschädigung zu verstehen.64 Umbauten sind demgegenüber Umgestaltungen an einem bestehenden Objekt mit wesentlichen Eingriffen in Konstruktion oder Bestand.65 Durch die Variante der Beseitigung werden auch Rückbau- und Abbrucharbeiten von der Bauvertragsdefinition erfasst.66 Schließlich unterfallen gem. § 650a Abs. 2 BGB auch Instandhaltungsarbeiten an Bauwerken den bauvertraglichen Normen, wenn sie für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind. Nur unter diesen einschränkenden Voraussetzungen sei von einem auf längerfristige Zusammenarbeit ausgelegten Vertrag auszugehen, der die Anwendung der §§ 650a ff. rechtfertige.67 Nach der Gesetzesbegründung sind Instandhaltungen in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 9 HOAI alle Maßnahmen zur Erhaltung des SollZustandes.68 Instandhaltungsmaßnahmen sind nicht mit dem in § 2 Abs. 8 HOAI verankerten Begriff der Instandsetzung zu verwechseln. Bei dieser steht gerade nicht die präventive Erhaltung, sondern die Wiederherstellung des beeinträchtigten SollZustandes im Vordergrund.69 Instandsetzungsmaßnahmen unterliegen daher ausschließlich dem Wiederherstellungsbegriff des § 650a Abs. 1 S. 1 BGB, sofern sie 59 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650a Rn. 4; über die Begrenzung des Anwendungsbereichs herrscht weitgehend Einigkeit. Umstritten ist lediglich die dogmatische Umsetzung. Vgl. hierzu die unterschiedlichen Ansätze von Motzke, NZBau 2017, 515, 518; Wellensiek, BauR 2018, 314, 322 ff.; Kniffka ibrOK/Kniffka, BGB § 650a Rn. 28 ff. 60 Kniffka ibrOK/Kniffka, BGB § 650a Rn. 20. 61 Im Rahmen des Generalunternehmervertrags schuldet der Auftragnehmer als einzige Vertragspartei des Bestellers sämtliche Bauleistungen. Diese erbringt er zum Teil persönlich. Daneben setzt er Subunternehmer ein, um seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen nachzukommen. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 598. Beim Nachunternehmereinsatz ist bei Einbeziehung der VOB/B § 4 Abs. 8 VOB/B zu beachten. 62 Auch der Generalübernehmer verpflichtet sich zur Erbringung sämtlicher Bauleistungen. Im Unterschied zum Generalunternehmer beauftragt er jedoch ausschließlich Subunternehmer und führt keine Bauleistungen selbst aus. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 599. 63 Kniffka ibrOK/Kniffka, BGB § 650a Rn. 20. 64 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 19. 65 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 21; Kniffka ibrOK/Kniffka, BGB § 650a Rn. 23. 66 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 20. 67 BT-Drs. 18/8486, S. 53. 68 BT-Drs. 18/8486, S. 53. 69 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1782.

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

einen erheblichen Teil des Bauwerks oder der Außenanlage betreffen.70 Von § 650a Abs. 2 BGB werden etwa Pflege- und Wartungsarbeiten an tragenden Bauteilen erfasst.71 Da sich § 650a Abs. 2 BGB ausdrücklich nur auf Bauwerke bezieht, unterfallen sämtliche Instandhaltungsarbeiten an Außenanlagen – beispielsweise die Pflege eines Sportplatzes – lediglich den allgemeinen Regelungen der §§ 631 ff. BGB.

II. Der Verbraucherbauvertrag, § 650i BGB Dem besonderen Anliegen des Verbraucherschutzes wurde mit der Einführung des Verbraucherbauvertrags und den damit zusammenhängenden besonderen Vorschriften Rechnung getragen (§§ 650i ff. BGB). Die Legaldefinition des Verbraucherbauvertrags ist deutlich enger als die des Bauvertrags. Nicht jeder Bauvertrag, der zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) geschlossen wird, ist zugleich ein Verbraucherbauvertrag. In sachlicher Hinsicht erfasst § 650i Abs. 1 BGB nur Verträge, in denen der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Diese deutlich von § 650a Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Formulierung beruht auf einer unionsrechtlichen Besonderheit. Nach bisher geltendem Recht wurde der Verbraucherschutz beim Bauen ausschließlich durch die allgemeinen Regelungen zu Verbraucherverträgen (§§ 312 ff. BGB) verwirklicht. Vorbild und Ursprung dieser Vorschriften ist die EUVerbraucherrechterichtlinie vom 25. 10. 2011 (im Folgenden: VRRL).72 In Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 3 f VRRL sah § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. eine Bereichsausnahme für Verträge über den Bau von neuen Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden vor. Dadurch wurde der Verbraucher nur bei kleineren Bauvorhaben geschützt, während ihm bei risikoreichen und wirtschaftlich bedeutenden Bauvorhaben jeglicher Schutz verwehrt blieb. Dieser Wertungswiderspruch wurde durch die Einführung des Verbraucherbauvertrags beseitigt.73 Sprachlich ist die Legaldefinition des § 650i Abs. 1 BGB ein Spiegelbild der Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 3 f VRRL. Dementsprechend beginnt die Reichweite des Verbraucherbauvertrags dort, wo der Anwendungsbereich des Verbrauchervertrags im Baubereich endet. Schnittmengen zwischen Verbraucherbauund Verbrauchervertrag sind vor diesem Hintergrund ausgeschlossen. Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht auf dem in Art. 4 VRRL verankerten Prinzip der Vollharmonisierung, wonach den Mitgliedsstaaten der Erlass von abweichenden 70 71 72 73

BeckOK BGB/Voit, BGB § 650a Rn. 9. BT-Drs. 18/8486, S. 53. RL 2011/83/EU. Vgl. BT-Drs. 18/8486, S. 61.

E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht

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Normen im Bereich der Richtlinie verwehrt ist.74 Durch die messerscharfe Abgrenzung zwischen Verbraucherbau- und Verbrauchervertrag wollte der Gesetzgeber einen Verstoß gegen Unionsrecht vermeiden.75 Daher sind im Rahmen der Auslegung von § 650i Abs. 1 BGB die Erwägungsgründe der Verbraucherrechterichtlinie und die hierzu ergangene Rechtsprechung und Literatur zu berücksichtigen.76 Erhebliche Umbaumaßnahmen i. S. v. § 650i Abs. 1 BGB sind daher in Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 26 VRRL solche, die mit dem Neubau eines Gebäudes vergleichbar sind. Neubauten zeichnen sich wiederum durch eine erhebliche finanzielle Investition, eine funktionale Eigenständigkeit und eine gewisse bautechnische Komplexität aus.77 Folglich unterfallen beispielsweise Umbauten an Gebäuden, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt, dem neuen § 650i Abs. 1 BGB.78 Verträge über die Errichtung von Anbauten (z. B. Garage oder Wintergarten) sowie kleinere Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten unterfallen demgegenüber dem Regelungsregime der §§ 312 ff. BGB und können folglich nicht Gegenstand eines Verbraucherbauvertrags sein.79 Ebenso wenig werden Abbrucharbeiten an bestehenden Gebäuden von der Legaldefinition des § 650i Abs. 1 BGB erfasst. Objekte eines Verbraucherbauvertrags werden weit überwiegend Wohngebäude sein. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht80 kommen jedoch auch andere Nutzungsarten wie die Errichtung eines Bürogebäudes zu Kapitalanlagezwecken in Betracht.81 Eine Beschränkung auf Wohngebäude kann weder dem Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB, der Gesetzesbegründung noch der Verbraucherrechterichtlinie entnommen werden.82 Der jeweilige Nutzungszweck ist daher ausschließlich im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs bei der Verbraucherqualifikation des Bestellers zu berücksichtigen. Außenanlagen und anderweitige Bauwerke sind hingegen vom Anwendungsbereich des § 650i Abs. 1 BGB ausgenommen. Trotz der exakten Grenzziehung zwischen Verbraucherbau- und Verbrauchervertrag ist eine entscheidende Abgrenzungsfrage offengeblieben. Nach alter Rechtslage wurde die auf Art. 3 Abs. 3 f VRRL basierende Bereichsausnahme des 74

Glöckner, VuR 2016, 123, 126; Omlor, NJW 2018, 817 f. Glöckner, VuR 2016, 123, 126. 76 BT-Drs. 18/8486, S. 61. 77 Omlor, NJW 2018, 817, 818. 78 Vgl. Erwägungsgrund 26 VRRL. 79 Vgl. Erwägungsgrund 26 VRRL. 80 BeckOGK BGB/Merkle, § 650i Rn. 34; Erman/Schwenker/Rodemann, § 650i Rn. 3; Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218, 1219. 81 Omlor, NJW 2018, 817, 819; Pause, BauR 2017, 430, 431; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 26; Busche, ZfPW 2018, 285, 296 f.; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 83. 82 Omlor, NJW 2018, 817, 819; Busche, ZfPW 2018, 285, 296 f.; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 83. 75

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

§ 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. restriktiv ausgelegt, um einen möglichst weitgehenden Verbraucherschutz zu gewährleisten.83 Vor diesem Hintergrund sollte es sich nur dann um den Bau eines neuen Gebäudes i. S. v. § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. handeln, wenn die vollständige Errichtung aus einer Hand erbracht wurde.84 Damit wurden von der Ausnahme nur Generalunternehmer-, Generalübernehmer- und Fertighausverträge mit Errichtungsverpflichtung erfasst.85 Für die Errichtung eines Gebäudes im Wege der Einzelvergabe konnte dadurch der Verbraucherschutz nach §§ 312 ff. BGB aufrechterhalten werden. Überträgt man diese restriktive Auslegung auf den mit § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. wortlautidentischen § 650i Abs. 1 BGB, wird der ursprüngliche Schutzgedanke in sein Gegenteil verkehrt. Der durch §§ 650i ff. BGB gewährleistete Verbraucherschutz geht weit über die allgemeinen Vorschriften der §§ 312 ff. BGB hinaus. Dies zeigt sich vor allem an § 650l BGB, der im Vergleich zu § 312g Abs. 1 BGB ein situationsunabhängiges Widerrufsrecht vorsieht. Darüber hinaus sind die in § 650j BGB i. V. m. Art. 249 EGBGB niedergelegten Informationspflichten des Unternehmers spezifischer und detaillierter ausgestaltet als ihr Pendant in § 312a Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 EGBGB bzw. § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB. Hinzu kommen beim Verbraucherbauvertrag die zahlreichen weiteren Schutzinstrumente aus §§ 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2, 650k, 650m und 650n BGB. Angesichts dieser veränderten Rechtslage erscheint es aus Verbraucherschutzgesichtspunkten sachgerecht, zu einer eher extensiven Auslegung des Terminus „Bau eines neuen Gebäudes“ überzugehen und damit auch die Gebäudeerrichtung im Wege der Einzelvergabe der Legaldefinition des § 650i Abs. 1 BGB zu unterstellen. Dennoch klammert sich die weit überwiegende Auffassung in der Literatur eisern an den Wortlaut des auf Art. 3 Abs. 3 f VRRL beruhenden § 650i Abs. 1 BGB, wonach sich die Herstellungsverpflichtung des Unternehmers auf den „Bau eines neuen Gebäudes“ und nicht nur auf einen Teil davon erstrecken müsse.86 Diese enge Auslegung ist wiederum auf die Angst vor einem Verstoß gegen das in Art. 4 VRRL

83

143. 84

Glöckner, BauR 2014, 411, 415; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 35; OLG Köln BauR 2018, 142,

Glöckner, BauR 2014, 411, 415; OLG Köln BauR 2018, 142. Glöckner, BauR 2014, 411, 415. 86 Omlor, NJW 2018, 817, 818 f.; Glöckner, VuR 2016, 123, 126; Glöckner, JZ 2020, 63, 71 f.; Pause, BauR 2017, 430, 431; Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218, 1219; Kniffka/ Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1782, 1831; Leupertz, DRiZ 2017, 244, 247; Ehrl, DStR 2017, 2395, 2398; Orlowski, BauR 2017, 1470, 1472; Busche, ZfPW 2018, 285, 297; Magnus, JZ 2019, 224, 227; Vogel, BauR 2020, 388, 391 f.; Erman/Schwenker/Rodemann, § 650i Rn. 3; PWW/Leupertz/Halfmeier, §§ 650i – 650n Rn. 4; Kniffka ibrOK/Retzlaff, BGB § 650i Rn. 8 f.; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 19; Schmitz, in: Bayer/Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 63, 66 f. 85

E. Das gesetzliche Bauvertragsrecht

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verankerte Prinzip der Vollharmonisierung zurückzuführen.87 Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Furcht jedoch als unbegründet. Aus Erwägungsgrund 26 der VRRL geht hervor, dass Verträge über den Bau von neuen Gebäuden und über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden nur deshalb von der Richtlinie ausgenommen wurden, weil sie nationalen Schutzbestimmungen unterliegen sollten. Diese nationalen Schutzbestimmungen müssen sich unter teleologischen Gesichtspunkten auch auf die Einzelvergabe von Bauleistungen beziehen können. Hierfür spricht zunächst der Gedanke eines möglichst hohen Verbraucherschutzniveaus.88 Darüber hinaus stellt der Bau eines Gebäudes für private Bauherren in aller Regel eine einmalige und äußerst risikoreiche Investition dar. Unabhängig von der Errichtungsform wird der private Bauherr dem Unternehmer dabei meist in puncto bauspezifischer Sachkunde und wirtschaftlicher Erfahrung unterlegen sein.89 Vor dem Hintergrund dieser vergleichbaren Risikolage erscheint es paradox, die Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 3 f VRRL an eine vollständige Herstellungsverpflichtung zu koppeln. Eine unterschiedliche Behandlung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich die Insolvenz-, Verzögerungs- und Mängelrisiken bei der Beauftragung eines Generalunternehmers auf einen einzelnen Vertragspartner konzentrieren (sog. Klumpenrisiko).90 Einerseits kann der Verbraucher bei der Verwirklichung seines Lebensprojekts auch durch die Insolvenz eines einzigen Fachunternehmers in finanzielle Bedrängnis geraten. Andererseits erwachsen dem Verbraucher bei der Einzelvergabe andere Unwägbarkeiten, die im Rahmen der Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen sind. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem die Koordination der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Gewerken und damit verbundene Beweisprobleme bei der Durchsetzung von Mängelansprüchen.91 Maßgeblich kann somit im Endeffekt nur sein, dass aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Fachunternehmer im Wege der Einzelvergabe das gleiche Resultat – der Bau eines neuen Gebäudes – hervorgeht. Auch der deutsche Gesetzgeber ist augenscheinlich von einem Regelungsgleichlauf ausgegangen. Dies zeigt vor allem ein Vergleich zwischen § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB und dessen Vorgängernorm § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. Nach der Ausnahmevorschrift des § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. stand dem Unternehmer kein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung zu, sofern der Besteller eine natürliche Person war und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses ausgeführt wurden. Gerechtfertigt wurde 87 Vgl. Omlor, NJW 2018, 817, 818 ff.; Glöckner, VuR 2016, 123, 126; Glöckner, JZ 2020, 63, 71 f.; Leupertz, DRiZ 2017, 244, 247; Vogel, BauR 2020, 388, 391 f. 88 jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650i Rn. 18; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650i Rn. 24; BeckOGK BGB/Merkle, § 650i Rn. 37; Reiter, JA 2018, 241, 242; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 37. 89 Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650i Rn. 23. 90 So aber Magnus, JZ 2019, 224, 227; Glöckner, JZ 2020, 63, 73. 91 jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650i Rn. 20; allgemein hierzu Leineweber, PiG 89 (2011), 15, 20, 23.

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

dieses sog. Verbraucherprivileg damit, dass die finanzierende Bank die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor und während der Verwirklichung des Bauvorhabens hinlänglich prüfe.92 Vor diesem Hintergrund sei die Finanzierung des Bauprojekts in der Regel gesichert.93 Da diese ratio legis nicht von der Errichtungsform abhängt, wurde § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. auch auf die Einzelvergabe von Bauleistungen angewendet.94 Nunmehr sieht die Nachfolgeregelung des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB eine Privilegierung für Verbraucherbauverträge vor. Eine restriktive Auslegung der Legaldefinition des § 650i Abs. 1 BGB würde daher dem Verbraucherschutzgedanken der Neuregelung und der ratio legis der Ausnahmevorschrift widersprechen.95 In Anbetracht dieser Tatsache muss § 650i Abs. 1 BGB auch solche Verträge erfassen, bei denen der Verbraucher Neubauten oder erhebliche Umbaumaßnahmen im Wege der Einzelvergabe realisiert.96

III. Überblick über die Eckpfeiler der Neuregelung Neben den bereits erwähnten Verbraucherschutzinstrumenten steht das Anordnungsrecht des Bestellers (§ 650b BGB) und die hiermit korrespondierende Regelung zur Vergütungsanpassung (§ 650c BGB) im Zentrum der Reform. Im Gegensatz zu seinem Pendant aus § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B ist das Anordnungsrecht nach § 650b BGB subsidiär ausgestaltet. Es greift erst dann ein, wenn innerhalb von 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine einvernehmliche Lösung – in Form eines Änderungsvertrags – gefunden werden konnte. Dieses zweistufige Verfahren betont den Rahmencharakter des Bauvertrags und stellt mit dem vorrangigen Einigungsmodell die Kooperation zwischen den Bauvertragsparteien in den Mittelpunkt. Flankiert werden die §§ 650b, 650c BGB von § 650d BGB. Dieser erleichtert einstweilige Verfügungen im Rahmen von Streitigkeiten über das Anordnungsrecht oder die Vergütungsanpassung, indem auf die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes verzichtet wird. Durch dieses rasche Streitbeilegungsverfahren sollen Liquiditätsengpässe und Baustillstände vermieden werden.97 92

BT-Drs. 18/8486, S. 59. BT-Drs. 18/8486, S. 59. 94 Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650i Rn. 24; Erman/Schwenker/Rodemann, § 650f Rn. 1. 95 Kritisch hierzu auch Omlor, NJW 2018, 817, 822; Glöckner, VuR 2016, 163, 167; Vogel, BauR 2020, 388, 394 f.; Orlowski, BauR 2017, 1470, 1472; Schmitz, in: Bayer/Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 63, 67 f., 73 f.; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 105 f. 96 Ebenso BeckOK BGB/Voit, BGB § 650i Rn. 4; jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650i Rn. 18 ff.; Motzke, NZBau 2017, 515, 520; in diese Richtung auch BeckOGK BGB/Merkle, § 650i Rn. 37, 48; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650i Rn. 23 ff.; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 84; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 35 ff. 97 DLOPS/Oberhauser, § 2 Rn. 132. 93

F. Bewertung der Neuregelung und Zukunft der VOB/B

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Mit § 648a BGB hat der Gesetzgeber erstmals ausdrücklich das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund für das gesamte Werkvertragsrecht normiert.98 Zudem bedürfen nach § 650h BGB nunmehr sämtliche Kündigungen eines Bauvertrags der Schriftform. Darüber hinaus wurde die fiktive Abnahme (§ 640 Abs. 2 BGB) reformiert und die damit zusammenhängende Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme (§ 650g Abs. 1 bis 3 BGB) eingeführt. Für die Fälligkeit des Werklohnanspruchs genügt nicht mehr die Abnahme. Zusätzliches Erfordernis im Rahmen eines Bauvertrags ist gem. § 650g Abs. 4 BGB die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung durch den Bauunternehmer. Der Anspruch auf Abschlagszahlungen (§ 632a BGB) wurde signifikant zugunsten des Auftragnehmers verändert.99 Die Sicherungsinstrumente – Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 650e BGB), Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB) und Vertragserfüllungssicherheit des Verbrauchers (§ 650m Abs. 2 BGB) – wurden hingegen lediglich systematisch neu verortet und kleineren redaktionellen Änderungen unterzogen.100

F. Bewertung der Neuregelung und Zukunft der VOB/B Bei Bau- und Verbraucherbauverträgen handelt es sich im Kern nach wie vor um „normale“ Werkverträge. Die Risikoverteilung zwischen den Bauvertragsparteien wird daher weiterhin durch den punktuellen Leistungsaustausch im Zeitpunkt der Abnahme geprägt. Diese dogmatische Konstruktion ist eine notwendige Folge der Erfolgsbezogenheit von Bau- und Werkverträgen.101 Zusätzlich zu dem bestehenden Grundgerüst des allgemeinen Werkvertragsrechts greifen die neuen §§ 650a ff. BGB jedoch den Langzeit-, Rahmen-, und Kooperationscharakter von Bauverträgen auf. Dadurch gelingt es dem Gesetzgeber – trotz berechtigter Kritik an einzelnen Vorschriften102 – die Lücke zwischen der historischen Konzeption des allgemeinen Werkvertragsrechts und der Realität des Bauvertrags zu verkleinern. Darüber hinaus 98

Für die auf längere Zeit angelegten Bauverträge wurde dieses Recht schon bisher in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Uneinigkeit bestand lediglich hinsichtlich der dogmatischen Herleitung. Vgl. zum Streitstand Hebel, BauR 2011, 330, 331 f. m. w. N. und die Entscheidung BGH NJW 2016, 1945, 1949 Rn. 40 (Ableitung aus dem Rechtsgedanken des § 314 BGB). 99 Siehe hierzu ausführlich unten, S. 41 ff. 100 Siehe zu den einzelnen Sicherheiten in entsprechender Reihenfolge unten, S. 43 ff., 55 ff. und 107 ff. 101 Vgl. Voit, in: FS Koeble 2010, S. 225, 226; Voit, BauR 2011, 1063, 1065. 102 Insbesondere die 30-tägige Einigungsfrist des § 650b BGB erscheint problematisch; Ehrl, DStR 2017, 2395, 2397 beschreibt sie als „Folterwerkzeug“ des Bauunternehmers; kritisch auch Leinemann, NJW 2017, 3113, 3116; Weise, NJW-Spezial 2017, 492.

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1. Kap.: Rechtsgrundlagen

tragen die §§ 650i ff. BGB erstmals dem berechtigten Schutzbedürfnis privater Bauherren ausreichend Rechnung. Dies gilt jedenfalls, wenn man der hier vertretenen weiten Auslegung des Verbraucherbauvertrags folgt. Neben diesen Errungenschaften stellt die Reform einen Durchbruch für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bauwesen dar. Mit den Regelungen zum Bau- und Verbraucherbauvertrag hat der Gesetzgeber erstmals ein präzises und fest umrissenes gesetzliches Leitbild geschaffen, mit dem zukünftige Formularverträge in Einklang zu bringen sind.103 Deshalb sind bestehende Vertragsmuster – zu denen auch die VOB/B gehört – auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls der neuen Rechtslage anzupassen. Kurz- und mittelfristig wird hierdurch Rechtsunsicherheit entstehen. Trotz oder gerade wegen dieser unklaren Rechtslage hat der Hauptausschuss Allgemeines im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen zunächst entschieden, dass die VOB/B unverändert bleiben soll, bis verlässliche Rechtsprechung und Literatur zum neuen Bauvertragsrecht vorliegen.104 Seit Ende 2020 liegt zumindest der erste Entwurf einer überarbeiteten VOB/B vor.105 Insbesondere öffentliche Auftraggeber, die vergaberechtlich zur Einbeziehung der VOB/B verpflichtet sind, stellt die anhaltende Rechtsunsicherheit vor eine harte Zerreißprobe. Vorerst bleibt ihnen nichts anderes übrig, „als jedes Risiko der Abweichung von der VOB/B zu vermeiden“106, um einer Inhaltskontrolle gemäß § 310 Abs. 1 S. 3 BGB zu entgehen. Selbiges gilt für private und gewerbliche Besteller, die gegenüber dem Auftragnehmer auf die bewährten Regelungen der VOB/B zurückgreifen möchten.107 Gegenüber einem Verbraucher ist hingegen von jeglicher Verwendung der VOB/B abzuraten. Zum einen bezieht sich die Privilegierung des § 310 Abs. 1 S. 3 BGB nur auf die Verwendung der VOB/B gegenüber einem Unternehmer. Zum anderen ist äußerst fraglich, ob die VOB/B in ihrer gegenwärtigen Fassung mit den neuen Verbraucherschutzinstrumenten der §§ 650i ff. BGB zu vereinbaren ist. Wegen der unklaren Rechtslage soll die Vereinbarkeit der VOB/B mit dem neuen gesetzlichen Leitbild für den weiteren Verlauf der Arbeit unterstellt werden. Auf Bestimmungen der VOB/B wird zudem nur Bezug genommen, soweit dies für das vorliegende Thema von Relevanz ist. 103 Vor der Reform war hingegen unklar, inwieweit bauvertragsspezifische Besonderheiten dazu geeignet sind, das gesetzliche Leitbild der allgemein gehaltenen §§ 631 ff. BGB zu modifizieren. Vgl. hierzu Voit, in: FS Ganten 2007, S. 261 ff.; auf diesen bezugnehmend Leupertz/ Vygen, in: FS Franke 2009, S. 229 ff. 104 Kritisch hierzu Weise, NJW-Spezial 2018, 300 f.; Dreher/Fuchs, NZBau 2019, 1; R. Janssen, NZBau 2019, 481 unterstützt hingegen die Entscheidung des Ausschusses; Beschluss abrufbar unter http://www.forumvergabe.de/fileadmin/user_upload/Downloads/201 80118_Beschluss_VOB_B.pdf. 105 Siehe hierzu Janssen/Fischer, NZBau 2021, 219. 106 Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit v. 08. 12. 2017, S. 4, abrufbar unter https://www.vob-online.de/blob/257344/67051cae8f799d74 b77108671303bc92/erlass-vhb-2017-data.pdf. 107 Zur zunehmenden Bedeutung von § 310 Abs. 1 S. 3 BGB Ryll, NZBau 2018, 187.

G. Auswirkungen der Neuregelung auf formularvertragliche Sicherungsabreden

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Mit der VOB/B wurde der Grundstein für die Ausgestaltung des heutigen Bauvertragsrechts gelegt. Langfristig wird das gesetzliche Bauvertragsrecht seinen „Entwicklungshelfer“ nicht vollständig verdrängen können. Zukünftig werden die §§ 650a ff. BGB vielmehr als gesetzliches Leitbild dienen und auf diese Weise das sichere Fundament für die detaillierteren Regelungen der VOB/B bilden.108

G. Auswirkungen der Neuregelung auf formularvertragliche Sicherungsabreden Von diesem sicheren Fundament wird vor allem der gewerbliche Auftraggeber bei der Absicherung seiner Ansprüche nicht profitieren können. Nach wie vor sieht das Gesetz abseits der Spezialregelung des § 650m Abs. 2 BGB keine Sicherheiten zugunsten des Auftraggebers vor. Damit stehen ihm auch zukünftig keine Leitlinien für die Gestaltung seiner formularvertraglichen Sicherheiten zur Verfügung.109 Die Kautelarpraxis wird sich daher kaum ändern. Maßgeblich sind weiterhin die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeit formularmäßiger Sicherungsabreden. Ob es sich hierbei – vor allem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit – um einen hinnehmbaren Zustand handelt, wird am Ende des vierten Kapitels geklärt.110 Bauunternehmen haben bei der Absicherung ihres Vergütungsanspruchs im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags zukünftig § 650m Abs. 4 BGB zu beachten. Dieser normiert einen relativ komplizierten Unwirksamkeitsgrund für Sicherungsabreden, auf den ausführlich im fünften Kapitel eingegangen wird.111 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts auf das Recht der Sicherheiten recht überschaubar sind.

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Zutreffend Ingenstau/Korbion/Leupertz/v. Wietersheim, Einl. Rn. 64. Kritisch hierzu Kniffka/Retzlaff/Kniffka, BauR 2017, 1747, 1751. Siehe hierzu unten, S. 260 ff. Siehe hierzu unten, S. 271 f.

Zweites Kapitel

Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten A. Die Abnahme als Dreh- und Angelpunkt der bauvertraglichen Risikoverteilung Für die Risikoverteilung des Bauvertrags kann wegen der Verweisung des § 650a Abs. 1 S. 2 BGB auf das allgemeine Werkvertragsrecht zum Teil auf die obigen Ausführungen zur Grundkonzeption des historischen Gesetzgebers verwiesen werden.1 „Dreh- und Angelpunkt“2 für die Risikoverteilung ist daher nach wie vor der Zeitpunkt der Abnahme.

I. Die dogmatische Struktur der Abnahme Die werkvertragliche Abnahme (§ 640 Abs. 1 BGB) ist wegen ihrer weitreichenden Rechtsfolgen eine einklagbare Hauptleistungspflicht des Bestellers.3 Während die Abnahme im Kaufvertragsrecht nach § 433 Abs. 2 BGB lediglich den Besitzübergang an der Kaufsache bezeichnet,4 wird die Abnahme im Werkvertragsrecht nach herrschender Meinung zweigliedrig definiert. Demnach setzt die Abnahme nach § 640 Abs. 1 BGB nicht nur die körperliche Entgegennahme, sondern darüber hinaus auch die Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung voraus.5 Die Billigung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, 1

Hierzu bereits oben, S. 16 f. Die allgemeine Bezeichnung der Abnahme als Dreh- und Angelpunkt des Werkvertragsrechts hat sich in der Literatur aufgrund ihrer zahlreichen Rechtsfolgen durchgesetzt, vgl. grundlegend Jagenburg, NJW 1974, 2264, 2265; auf diesen Bezug nehmend etwa Meier, BauR 2016, 565 m. Fn. 9; Zander, Versicherung, S. 49 m. Fn. 164; Schlier, Mängelrechte, S. 20 m. Fn. 16; Hartung, NJW 2007, 1099 m. Fn. 3; Bachem/Bürger, NJW 2018, 118 m. Fn. 1; Wittler/ Zander, NJW 2020, 1927, 1928 Rn. 6 m. Fn. 6; Messerschmidt/Voit/Messerschmidt, § 640 Rn. 1 m. Fn. 3. 3 BGH NJW 1981, 1448, 1449; BGH NJW 1996, 1749. 4 RGZ 53, 161, 162 f.; Palandt/Weidenkaff, § 433 Rn. 43; MüKoBGB/Busche, § 640 Rn. 2. 5 RGZ 57, 337, 339; RGZ 64, 236, 240; RGZ 110, 404, 406 f.; RGZ 171, 297, 300; BGH NJW 1967, 2259, 2260; BGH NJW-RR 1996, 883, 884; BGH NJW 1996, 1749; MüKoBGB/ Busche, § 640 Rn. 2; Palandt/Retzlaff, § 640 Rn. 5; Ingenstau/Korbion/Oppler, § 12 VOB/B Rn. 7; ausführlich und letztlich der h. M. zustimmend Temming, AcP 215 (2015), 17 ff.; a. A. 2

A. Die Abnahme als Dreh- und Angelpunkt der bauvertraglichen Risikoverteilung

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sofern die Vertragsparteien keine förmliche Abnahme (vgl. § 12 Abs. 4 Nr. 1 S. 1 VOB/B, wonach auf Verlangen einer Partei eine förmliche Abnahme vorzunehmen ist) vereinbart haben.6 Die vom Kaufrecht abweichende Definition der Abnahme ist auf die Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags zurückzuführen. Anders als beim Kaufvertrag existiert der Vertragsgegenstand beim Werkvertrag zunächst nur in den Köpfen der Vertragsparteien. Die Leistungspflicht des (Bau-)unternehmers bezieht sich gerade nicht auf eine real existierende Sache, sondern auf eine zukünftige Schöpfung. Der Besteller hat daher ein besonderes Interesse an einem Abgleich zwischen geschuldeter und erbrachter Leistung. Aus diesem Überprüfungsinteresse muss notwendigerweise ein willensgesteuerter Mitwirkungsakt des Bestellers – die Billigung – hervorgehen.7 Eine darüber hinausgehende Untersuchungspflicht des Bestellers auf Mangelfreiheit des Werks wird mit diesem Erfordernis hingegen nicht statuiert.8 Dogmatisch handelt es sich bei der Billigung um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung und nicht um eine Willenserklärung, da die mit ihr verbundenen Rechtsfolgen kraft Gesetzes und nicht kraft Parteiwillens eintreten.9 Das Billigungselement ist das Herzstück der werkvertraglichen Abnahmedefinition. Dies zeigt sich besonders am Beispiel des Bauvertrags. Da sich das fertiggestellte Werk hier regelmäßig schon im Besitz des Bestellers – der zugleich Grundstückseigentümer ist – befinden wird, entfällt das Erfordernis einer Besitzübertragung zwangsläufig.10 Vor diesem Hintergrund wird teilweise vorgeschlagen, die Abnahme auf das Billigungserfordernis zu beschränken (sog. eingliedriger Abnahmebegriff) und dem Realakt der körperlichen Entgegennahme nur indizielle Bedeutung für die Frage der Billigung beizumessen.11 Dies erscheint jedoch zu weitgehend. Das Werkvertragsrecht umfasst weit über 100 verschiedene Vertragstypen12 und regelt damit von allen Verträgen des Bürgerlichen Gesetzbuchs die größte Vielfalt an Lebenssachverhalten.13 Vor diesem Hintergrund bedarf es eines typisierenden und zugleich flexiblen immer noch Peters, BauR 2013, 381 ff. m. w. N. aus der älteren Literatur in Fn. 5, der eine körperliche Entgegennahme genügen lässt; a. A. auch Böggering, JuS 1978, 512, 515 ff., 519, der einen funktionalen Abnahmebegriff vertritt. 6 Zur konkludenten Abnahme vertiefend Meier, BauR 2016, 565 ff. 7 Ingenstau/Korbion/Oppler, § 12 VOB/B Rn. 1; MüKoBGB/Busche, § 640 Rn. 2; zum Überprüfungsinteresse des Bestellers auch Temming, AcP 215 (2015), 17, 20, 50, 55, 69. 8 Temming, AcP 215 (2015), 17, 22. 9 Die Einordnung als Willenserklärung oder als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist streitig. Letztlich hat der Streit über die dogmatische Einordnung keine Auswirkungen, da auf geschäftsähnliche Handlungen die Regelungen über Willenserklärungen entsprechende Anwendung finden. Hierzu und zum Streitstand Messerschmidt/Voit/Messerschmidt, § 640 Rn. 19. 10 RGZ 110, 404, 406 f.; Palandt/Retzlaff, § 640 Rn. 5. 11 BeckOK BGB/Voit, BGB § 640 Rn. 18; Messerschmidt/Voit/Messerschmidt, § 640 Rn. 17 f.; Jakobs, AcP 183 (1983), 145, 158 f. 12 Weyers, AcP 182 (1982), 61 f. 13 MüKoBGB/Busche, § 631 Rn. 2.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Abnahmebegriffs.14 Da die ausreichende Prüfungsmöglichkeit des Bestellers im allgemeinen Werkvertragsrecht in der Regel mit dem Realakt der körperlichen Entgegennahme einhergeht,15 ist der zweigliedrige Abnahmebegriff daher aufrechtzuerhalten, auch wenn er in manchen Konstellationen an die konkreten Gegebenheiten angepasst werden muss. Der Abnahme steht die in § 640 Abs. 2 BGB geregelte Abnahmefiktion gleich, dessen formularvertragliches Pendant sich in § 12 Abs. 5 Nr. 1 und 2 VOB/B wiederfindet.

II. Risikoverteilung vor und nach der Abnahme Mit der Abnahme ist eine Zäsur verbunden: Die Leistungsverpflichtung des Bauunternehmers konkretisiert sich auf das hergestellte Werk und die vertraglichen Beziehungen werden vom Erfüllungs- ins Gewährleistungsstadium überführt.16 Dieser Vorgang ist gemäß §§ 640 Abs. 1, 644 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Übergang der Leistungs- und Vergütungsgefahr vom Bauunternehmer auf den Besteller verzahnt. Bis zur Abnahme schuldet der Bauunternehmer aufgrund seiner Erfolgsverpflichtung bei einer zufälligen Beschädigung oder Zerstörung des Werks die erneute Herstellung (sog. Leistungsgefahr).17 Auch dann, wenn ihm infolge der zufälligen Verschlechterung die Ausführung seiner Herstellungsverpflichtung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich wird, steht ihm für seine bis dahin erbrachten Leistungen kein Vergütungsanspruch zu (sog. Vergütungsgefahr).18 Mit der Abnahme wird er von diesen Risiken befreit. Zusätzlich trägt ab diesem Zeitpunkt gemäß § 363 BGB der Besteller die Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Werks und nicht mehr der Bauunternehmer die Beweislast für die Vertragsgemäßheit der Leistung.19 Nur hinsichtlich vorbehaltener Mängel (§ 640 Abs. 3 BGB) ändert sich nichts an der Beweislastverteilung.20 Neben diesen einschneidenden Rechtsfolgen bestimmt die Abnahme die Risikoverteilung zwischen den Bauvertragsparteien vor allem aufgrund des nun fällig werdenden Vergütungsanspruchs des Bauunternehmers gemäß § 641 Abs. 1

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Temming, AcP 215 (2015), 17, 45. MüKoBGB/Busche, § 640 Rn. 2. 16 So ausdrücklich die Grundsatzentscheidung BGH NJW 2017, 1604, 1606 Rn. 31 ff. zu Mängelrechten vor der Abnahme; hierzu Voit, NZBau 2017, 521; zuvor schon Voit, BauR 2011, 1063, 1071. 17 Hartung, NJW 2007, 1099, 1103. 18 Hartung, NJW 2007, 1099, 1103. 19 BGH NJW 2009, 360, 361 Rn. 15; Hartung, NJW 2007, 1099, 1103. 20 BGH NJW-RR 1997, 339; BGH NJW 2009, 360, 361 Rn. 15. 15

A. Die Abnahme als Dreh- und Angelpunkt der bauvertraglichen Risikoverteilung

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S. 1 BGB.21 Zusätzliche Voraussetzung hierfür ist nach neuer Rechtslage stets die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung, § 650g Abs. 4 S. 1 BGB. Da die Erfüllung dieser Fälligkeitsvoraussetzung im Machtbereich des Auftragnehmers liegt, bildet die Abnahme allerdings weiterhin das maßgebende Nadelöhr für den punktuellen Leistungsaustausch. Zugleich ist hiermit für den Bauunternehmer das Ende seiner Vorleistungspflicht verknüpft.22 Seine bis dahin bestehende Vorfinanzierungspflicht trifft den Bauunternehmer nicht nur wegen des Langzeitcharakters von Bauverträgen besonders hart.23 Zusätzlich wird seine Rechtsposition durch den ipso iure eintretenden Eigentumsverlust an seinen eingebrachten Baumaterialien geschwächt (§ 946 BGB). Darüber hinaus wird der Besteller im Zeitpunkt der Abnahme meist schon alleiniger Besitzer des Bauwerks sein. In diesem Fall fehlt dem Bauunternehmer das wichtige Druckmittel des § 320 BGB, weil er die Verschaffung des Werks de facto nicht mehr von der Zahlung der Vergütung abhängig machen kann.24 Der Bauunternehmer ist folglich der Gefahr ausgesetzt, dass der Auftraggeber seine Vergütungspflicht nicht erfüllen kann (fehlende Leistungsfähigkeit) oder nicht erfüllen will (fehlender Leistungswille). Er ist daher bis zur endgültigen Werklohnzahlung besonders schützenswert. Erst mit der Abnahme verlagert sich das mit der Vorleistungspflicht verbundene Insolvenzrisiko nach der gesetzgeberischen Konzeption vom Bauunternehmer auf den Besteller. Nun trägt der Auftraggeber das Insolvenzrisiko seines Bauunternehmers bis zum Zeitpunkt der Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche. Dieser Zeitraum umfasst bei Bauverträgen in der Regel fünf (vgl. § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB) bzw. vier (vgl. § 13 Abs. 4 Nr. 1 S. 1, Nr. 3 VOB/B) Jahre ab Abnahme des Werks. Da nahezu kein Bauwerk mangelfrei errichtet wird,25 ist dieses Insolvenzrisiko allgegenwärtig. Neben der fehlenden Leistungsfähigkeit ist die Gefahr des mangelnden Leistungswillens in dieser Phase besonders hoch, da der Bauunternehmer nach Erhalt seiner Vergütung keinen Anreiz mehr zur Nacherfüllung hat.26 Vor diesem Hintergrund ist der Besteller im Gewährleistungsstadium besonders schützenswert. Darüber hinaus hat der Besteller trotz der bestehenden Vorleistungspflicht des Bauunternehmers auch ein erhebliches Sicherungsbedürfnis im Erfüllungsstadium, da insbesondere der insolvenzbedingte Ausfall des Bauunternehmers in dieser Phase einen wirtschaftlichen Totalschaden anrichten kann. Dies gilt angesichts des höheren Vertragsvolumens vor allem im Falle der Insolvenz eines Generalunternehmers oder 21 Seit der Grundsatzentscheidung BGH NJW 2006, 2475 wird die Werklohnforderung selbst im Falle einer Kündigung grundsätzlich erst mit Abnahme der bis dahin erbrachten Bauleistungen fällig. 22 BGH NJW 1973, 1792, 1793. 23 Hierzu bereits oben, S. 17. 24 Insoweit zutreffend Sienz, BauR 2004, 10, 13. 25 BGH NJW 1997, 2598, 2599; Kuffer, BauR 2003, 155, 157. 26 Weise, Sicherheiten, Rn. 34; Schwab, JuS 2018, 172, 173.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Generalübernehmers.27 Wird das begonnene Bauvorhaben nicht abgeschlossen, muss der Auftraggeber einen anderen Auftragnehmer mit der Fertigstellung beauftragen. Dieser wird nicht nahtlos an die bereits erbrachten Bauleistungen anknüpfen können. Die Baustelle muss erneut eingerichtet werden, und es hat eine qualitative Überprüfung des vorgefundenen Baufortschritts stattzufinden, damit der neue Bauunternehmer sachgerecht daran anknüpfen kann.28 Aufgrund des bestehenden Zeitdrucks wird es zudem kaum möglich sein, die ausstehenden Leistungen zu marktüblichen Preisen zu beziehen.29 Weiterhin hat eine aufwendige Dokumentation des erzielten Leistungsstands zu erfolgen, damit der Besteller die Abrechnungen von altem und neuem Bauunternehmer nachvollziehen kann.30 Die hierdurch gewöhnlich entstehenden Kostensteigerungen werden von der Rechtsprechung auf 10 – 30 % und mehr geschätzt.31 Sie lassen sich unter dem Oberbegriff der (Rest-)Fertigstellungsmehrkosten zusammenfassen.32 Hinzutreten können weitere (Folge-)Schäden, die aus einer verzögerten Fertigstellung resultieren.33

B. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente Den jeweiligen Schutzbedürfnissen von Besteller und Bauunternehmer hat der Gesetzgeber lediglich partiell Rechnung getragen. Bei der folgenden Gegenüberstellung sollen neben den gesetzlichen Sicherungsinstrumenten weitere Schutzvorschriften ins Auge gefasst werden, welche die Risikolage zugunsten der einen oder der anderen Vertragspartei wesentlich beeinflussen.

I. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente zugunsten des Auftragnehmers Als Schutzinstrument zugunsten des Bauunternehmers ist der Anspruch auf Abschlagszahlungen anzuführen. Die Sicherung seiner Ansprüche erfolgt hingegen durch die Sicherungshypothek des Bauunternehmers und die Bauhandwerkersicherung. 27

Fuchs, NZBau 2014, 409, 414; Leineweber, PiG 89 (2011), 15, 22 f. OLG München BauR 2010, 1230, 1231 f. 29 OLG München BauR 2010, 1230, 1231. 30 OLG München BauR 2010, 1230, 1231. 31 Der BGH beziffert die Kostensteigerungen auf 10 % und mehr, vgl. BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 19; BGH NJW 2014, 1725, 1726 Rn. 15. Das OLG München geht demgegenüber von 30 % und mehr aus, vgl. OLG München BauR 2010, 1230, 1232. 32 Voit, BauR 2007, 235, 236. 33 Siehe hierzu auch Voit, BauR 2007, 235, 236 f., der weitere potenzielle Kostenfaktoren aufzählt. 28

B. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente

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1. Abschlagszahlungen Abschlagszahlungen verringern im Unterschied zu Sicherheiten nicht nur das vom Bauunternehmer zu tragende Insolvenzrisiko. Sie verschaffen ihm darüber hinaus auch frühzeitig Liquidität. Daher sind sie besonders geeignet, den mit der Vorleistungspflicht verbundenen Nachteilen entgegenzuwirken. a) Die dogmatische Struktur von Abschlagszahlungen Allgemein werden unter Abschlagszahlungen bereits vor Abnahme fällig werdende Anzahlungen auf den endgültigen Vergütungsanspruch für bereits erbrachte Teilleistungen verstanden.34 Trotz der engen Verknüpfung zum Werklohnanspruch handelt es sich bei Abschlagszahlungen nach herrschender Meinung um eigenständige Forderungen i. S. d. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB und nicht um Bestandteile des endgültigen Vergütungsanspruchs.35 Sie sind daher selbstständig einklagbar und unterliegen einer separaten Verjährung.36 Naturgemäß können gezahlte Abschläge – beispielsweise aufgrund einer nur überschlägigen Berechnung – die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers über- oder unterschreiten. Eine abschließende Feststellung der Höhe des Vergütungsanspruchs erfolgt erst im Rahmen der vom Auftraggeber zu prüfenden Schlussrechnung (vgl. § 650g Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB bzw. §§ 14, 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B).37 Daher handelt es sich bei Abschlägen nicht um irreversible, sondern lediglich um vorläufige Zahlungen.38 Anerkannt ist, dass (fällige) Abschlagszahlungen nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn das Bauwerk abgenommen wurde und der Bauunternehmer eine Schlussrechnung erteilt hat.39 Offene und erbrachte Abschlagszahlungen sind ab diesem Zeitpunkt nur noch als unselbstständige Rechnungsposten im Rahmen der Schlussabrechnung zu berücksichtigen.40 Ihrem vorläufigen Charakter entsprechend, gehen sie im endgültigen Vergütungsanspruch auf.

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Palandt/Retzlaff, § 632a Rn. 3 und 5. BGH NJW 1999, 713; BGH NJW-RR 2004, 957, 958; BGH NJW 2010, 227, 229 Rn. 42; Gothe, NZBau 2014, 270, 273 f.; Weise, NJW-Spezial 2005, 309; Otto, BauR 2000, 350, 353; Thode, ZfBR 1999, 116, 124; BeckOGK BGB/Mundt, BGB § 632a Rn. 68; a. A. jüngst Brunstamp, der Abschlagszahlungsanspruch; ähnlich bereits v. Rintelen, Jahrbuch Baurecht 2001, 25 ff. 36 BGH NJW 1999, 713; BGH NJW-RR 2004, 957, 958. 37 BGH NJW 1986, 1681, 1684; BGH NJW 2002, 2640, 2641; BGH NJW-RR 2004, 957, 958. 38 BGH NJW 1986, 1681, 1684; BGH NJW 1999, 1867, 1869; BGH NJW 2002, 2640, 2641; BGH NJW-RR 2004, 957, 958; BGH NJW 2010, 227, 229 Rn. 44. 39 BGH NJW-RR 2004, 957, 958; BGH NJW 2010, 227, 229 Rn. 42. 40 BGH NJW 1997, 1444; BGH NJW 1999, 417, 418; BGH NJW 1999, 1867, 1869; BGH NJW 2002, 2640, 2641; BGH NJW-RR 2004, 957, 958; BGH NJW 2010, 227, 229 Rn. 45. 35

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Vor dem Hintergrund dieser Absorption ist verständlich, dass die Rechtsprechung Abschlagszahlungen nicht nur als eigenständige Forderungen, sondern auch als „modifizierte Form des einheitlichen Werklohnanspruchs“41 betrachtet. Die Modifikation besteht darin, dass Abschlagszahlungen sich nicht von Anfang an, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in den bereits mit Abschluss des Bauvertrags existierenden Werklohnanspruch42 eingliedern.43 Hierbei wechseln sie ihr rechtliches Gewand: Sie verwandeln sich von eigenständigen Forderungen in unselbstständige Rechnungsposten. Mit der doppelten Rechtsnatur von Abschlagszahlungsforderungen gehen zugleich zahlreiche Rechtsfolgen einher. Einerseits endet der Verzug mit der Bezahlung einer Abschlagsforderung spätestens mit dem Verlust ihrer Selbstständigkeit durch Abnahme und Schlussrechnungserteilung.44 Andererseits kann sogar der Betrag einer verjährten Abschlagszahlungsforderung im Rahmen der Schlussrechnung als unselbstständiger Rechnungsposten eingefordert werden.45 Darüber hinaus besteht aufgrund der engen Verzahnung zum Vergütungsanspruch auch eine synallagmatische Verknüpfung i. S. d. § 320 BGB zwischen Abschlagszahlungsforderungen und den vom Bauunternehmer zu erbringenden Bauleistungen.46 Durch dieses Druckmittel wird die praktische Wirksamkeit von vertraglichen und gesetzlichen Abschlagszahlungsansprüchen gewährleistet.47 Schließlich bewirkt die Begleichung einer Abschlagszahlungsforderung in ihrer Funktion als Anzahlung auf den endgültigen Vergütungsanspruch ebenfalls dessen vorläufige Teilerfüllung (§ 362 BGB).48 Die Erstellung der Schlussrechnung ist nicht nur für den Auftragnehmer, sondern auch für den Auftraggeber, der schnellstmöglich Klarheit über die Höhe der ausstehenden Restzahlung oder einer etwaigen Überzahlung haben möchte, von essenzieller Bedeutung.49 Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 VOB/B eine explizite Nebenleistungspflicht des Auftragnehmers zur Schlussrechnungserstellung.50 Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält demgegenüber 41

BGH NJW-RR 2006, 390; BGH NJW-RR 2005, 318, 322. BGH NJW 1984, 1557 f. 43 Es kommt daher entgegen Otto, BauR 2000, 350, 353 nicht zu einer Novation, bei der ein altes Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt wird. Stattdessen werden die Abschlagszahlungsforderungen in den endgültigen Vergütungsanspruch eingebettet. 44 BGH NJW-RR 2004, 957, 958; Palandt/Grüneberg, § 286 Rn. 38. 45 BGH NJW 1999, 713; Staudinger/Peters, § 632a Rn. 11. 46 Staudinger/Peters, § 632a Rn. 3. 47 Staudinger/Peters, § 632a Rn. 3. 48 In diesem Sinne wohl auch Kapellmann/Messerschmidt/Messerschmidt, VOB/B § 16 Rn. 170. 49 BGH NJW 2010, 227, 229 Rn. 46. 50 BGH NJW 2010, 227, 229 f. Rn. 46 stellt klar, dass der Auftraggeber einen Anspruch auf Erstellung der Schlussrechnung hat; die Literatur (BeckVOB/B/Voit, Vor § 14 Rn. 9; BeckOK VOB/B/Jansen/Cramer, § 14 Abs. 1 Rn. 1; Ingenstau/Korbion/U. Locher, § 14 Abs. 1 VOB/B Rn. 2; Weise, Sicherheiten, Rn. 68) spricht in Zusammenhang mit § 14 Abs. 1 S. 1 VOB/B von einer selbstständigen bzw. einklagbaren Nebenpflicht. Gebräuchlicher dürfte allerdings der 42

B. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente

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keine spezielle Bestimmung. Es regelt lediglich in § 650g Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB, dass die Fälligkeit des Werklohnanspruchs von der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung abhängt. Angesichts dieser Formulierung könnte man an einer (selbständigen) Verpflichtung des Auftragnehmers zur Schlussrechnungserstellung zweifeln und hierin eine bloße Obliegenheit erblicken.51 Dies greift jedoch zu kurz: Aus der vorläufigen Natur von Abschlagszahlungsforderungen folgt als notwendiges Gegenstück stets eine einklagbare Pflicht des Auftragnehmers zur endgültigen Abrechnung. Bei einer vertraglichen Vereinbarung von Abschlagszahlungen entspricht dies der allgemeinen Auffassung.52 Für den gesetzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen kann daher, sofern dieser geltend gemacht wird, nichts anderes gelten.53 Gleichermaßen hat der Auftraggeber sowohl bei Einbeziehung der VOB/B als auch bei einem reinen BGB-Bauvertrag einen vertraglichen und keinen bereicherungsrechtlichen Auskehrungsanspruch, sofern sich eine Überzahlung aus der Schlussrechnung ergibt.54 Dies gilt jedenfalls prinzipiell, weil moderate Abweichungen zwischen dem Leistungsstand und der Abschlagszahlung von vornherein einkalkuliert sind und eine endgültige Abrechnung erst im Rahmen der Schlussrechnung erfolgen soll. Kommt es demgegenüber zu einer atypischen Überzahlung, beispielsweise weil der Besteller eine Abschlagsrechnung versehentlich doppelt bezahlt hat, ist er ausnahmsweise dazu berechtigt, sofortige Rückforderung über § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) zu verlangen.55 In diesem Fall wäre Terminus Nebenleistungspflicht sein (vgl. zur heutzutage üblichen Unterteilung in HauptNebenleistungs- und Nebenpflichten Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 6 ff.). 51 So Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 75. 52 BGH NJW 1999, 1867, 1869; BGH NJW 2002, 1567, 1568; BGH NJW-RR 2004, 957, 958; BGH NJW-RR 2005, 129, 130; BGH NJW-RR 2008, 328, 329 Rn. 16; BGH NJW-RR 2015, 469, 470 Rn. 14. 53 Gothe, NZBau 2014, 270, 272 f.; Manteufel, in: HdpB, § 12 Rn. 158, 160; MüKoBGB/ Busche, § 641 Rn. 8; Erman/Schwenker/Rodemann, § 632a Rn. 5; Staudinger/Peters, § 641 Rn. 27; BeckOGK/Mundt, § 632a Rn. 69; Brunstamp, der Abschlagszahlungsanspruch, S. 96; für die Einordnung als bloße Nebenpflicht hingegen A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 38, 54 f. 54 Zu einer vertraglichen Abschlagszahlungsvereinbarung BGH NJW 1999, 1867, 1869; BGH NJW 2002, 1567, 1568; BGH NJW-RR 2005, 129, 130; BGH NJW-RR 2008, 328, 329 Rn. 16; BGH NJW 2012, 3569, 3570 Rn. 17; BGH NJW-RR 2015, 469, 470 Rn. 13; für einen vertraglichen Auskehrungsanspruch im Rahmen von § 632a BGB auch Gothe, NZBau 2014, 270, 272; Brunstamp, der Abschlagszahlungsanspruch, S. 139 ff.; A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 60 ff.; BeckVOB/B/Kandel, Vor § 16 Rn. 48; BeckOK BGB/Voit, BGB § 632a Rn. 27; MüKoBGB/Busche, § 632a Rn. 15; Kniffka ibrOK/v. Rintelen, § 632a BGB Rn. 94 f.; für einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch hingegen Ingenstau/Korbion/U. Locher, § 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 40. 55 BeckVOB/B/Kandel, Vor § 16 Rn. 49; Gothe, NZBau 2014, 270, 275; BeckOK BGB/ Voit, BGB § 632a Rn. 27; BeckOGK/Mundt, § 632a Rn. 75; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/ Kniffka, Kompendium, Teil 4 Rn. 663; Brunstamp, der Abschlagszahlungsanspruch, S. 146; Ingenstau/Korbion/U. Locher, § 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 42; a. A. jedoch BGH NJW 2002, 2640, 2641; OLG Bremen NJW 2014, 944, 945.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

es nicht sachgerecht, den Auftraggeber auf eine Anrechnung mit zukünftigen Abschlagszahlungsforderungen oder einen Ausgleich im Rahmen der Schlussrechnung zu verweisen. Hierdurch würde er ungerechtfertigterweise mit dem Insolvenzrisiko seines Vertragspartners belastet werden. Dogmatisch ist dieses Ergebnis ebenfalls einleuchtend. Es wird durch die rechtliche Eigenständigkeit des Abschlagzahlungsanspruchs gestützt. Bereits die erste Leistung des Auftraggebers auf die Abschlagsforderung bewirkt deren Erfüllung. Für die versehentliche zweite Bezahlung ein und derselben Forderung kann es daher keinen rechtlichen Grund mehr geben.56 Entsprechend ist der Fall zu behandeln, in dem der Auftragnehmer größere Bauleistungen abrechnet, die er tatsächlich noch nicht erbracht hat.57 Hier fehlt es bereits an den Voraussetzungen für die Entstehung eines Abschlagszahlungsanspruchs. Mangels bestehenden Rechtsgrunds kann der Auftraggeber daher auch solche unberechtigt erfolgten Zahlungen nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückfordern. Abzugrenzen sind Abschlagszahlungsansprüche von den gesetzlich nicht geregelten Vorauszahlungsansprüchen. Bei Vorauszahlungen handelt es sich ebenfalls um vorläufige Anzahlungen auf den endgültigen Vergütungsanspruch.58 Im Unterschied zu Abschlagszahlungen stehen Vorauszahlungen jedoch gerade noch keine ausgeführten Leistungen des Bauunternehmers gegenüber.59 Damit verkehren Vorauszahlungen die Risikoverteilung beim Bauvertrag – in Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des vorleistungspflichtigen Werkunternehmers – in ihr Gegenteil. Vor diesem Hintergrund ist ihre formularvertragliche Vereinbarung in Werkverträgen grundsätzlich ausgeschlossen.60 Individualvertraglich ist eine solche Vereinbarung hingegen selbstverständlich möglich. In der Praxis finden sich Vorauszahlungsvereinbarungen vor allem in Bauverträgen, bei denen für den Bauunternehmer zu Beginn der Vertragserfüllung hohe Initialkosten anfallen, bevor er eine mittels Abschlagszahlung abrechenbare Leistung erbracht hat.61 Am besten lassen sich Vorauszahlungen daher mit dem Begriff der „Anschubfinanzierung“62 umschreiben. Die Vereinbarung von Vorauszahlungen stellt für den Besteller ein beträchtliches Risiko dar, weil er insoweit das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners übernimmt. Ist der Auftragnehmer ganz oder teilweise nicht dazu in der Lage, die zugesagten Arbeiten auszuführen, drohen die Rückforderungsansprüche des Bestellers hinsichtlich der zu viel geleisteten Zahlungen ins Leere zu laufen. Aus diesem Grund besteht im Fall von Vorauszahlungen ein immenses Sicherungsbedürfnis. Gleich56

BeckVOB/B/Kandel, Vor § 16 Rn. 49; Gothe, NZBau 2014, 270, 275. Gothe, NZBau 2014, 270, 274. 58 MüKoBGB/Busche, § 632a Rn. 4. 59 BGH NJW 1986, 1681, 1682; Palandt/Retzlaff, § 632a Rn. 4; Staudinger/Peters, § 632a Rn. 5; MüKoBGB/Busche, § 632a Rn. 4. 60 BGH NJW 1985, 855, 857; BGH NJW 1986, 3199, 3200 f.; BGH NJW 2013, 1431, 1432 Rn. 24 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Messerschmidt, VOB/B § 16 Rn. 258. 61 Brunstamp, der Abschlagszahlungsanspruch, S. 37; Weise, in: FS Thode 2005, S. 573. 62 So die treffende Bezeichnung von Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65, 67. 57

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wohl wird der Absicherung dieser speziellen Risiken keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, weil sich die vorliegende Abhandlung am gesetzlichen Grundtypus des Bauvertrags orientiert. Abschlagszahlungen sind demgegenüber weit weniger risikobehaftet, weil sie im Idealfall für eine gleichwertige Gegenleistung erbracht werden. Bei ihnen besteht jedoch die Gefahr, dass sich die erbrachten Zahlungen ex post als zu hoch erweisen. Die aus einer Überzahlung resultierenden Rückforderungsansprüche sind ebenfalls mit dem Insolvenzrisiko des Auftragnehmers belastet. Der Auftraggeber hat daher auch diesbezüglich ein nicht unerhebliches Sicherungsinteresse. b) Entwicklung und Bewertung des gesetzlichen Abschlagszahlungsanspruchs Der gesetzliche Abschlagszahlungsanspruch (§ 632a BGB a. F.) wurde erst durch das am 01. 05. 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen63 eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte ein Anspruch auf Abschlagszahlungen bei fehlender vertraglicher Vereinbarung nur in begrenzten Ausnahmefällen aus Treu und Glauben abgeleitet werden.64 Mit der Vorschrift wollte der Gesetzgeber vor allem bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten in der Bauwirtschaft und dem damit verbundenen Insolvenzstrudel begegnen.65 Obwohl die Situation im Baugewerbe Anlass für das gesetzgeberische Tätigwerden war, entschied man sich nicht für einen spezifischen bauvertraglichen Abschlagszahlungsanspruch, sondern für eine allgemeingültige werkvertragliche Normierung. Vor diesem Hintergrund wurde der gesetzliche Anspruch entgegen seinem formularvertraglichen Vorbild aus § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B a. F. (entspricht heute § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B) nur für „in sich abgeschlossene Teile des Werks“ gewährt. Auf diese Weise sollte der Besteller vor Abschlagszahlungen für (noch) wertlose Teilleistungen geschützt werden.66 In der Baupraxis führte diese Beschränkung aufgrund von komplizierten Auslegungsfragen67 und Abgrenzungsschwierigkeiten zu Rechtsunsicherheit. Zudem verkannte die Restriktion die Realität eines aufeinander aufbauenden und ineinandergreifenden Bauprozesses: Restleistungen eines Teilabschnitts können oftmals schlichtweg nicht erbracht werden, weil zunächst nachfolgende Leistungen durch Dritte erbracht werden müssen.68 Darüber hinaus sollten Abschlagszahlungen nur für „vertragsmäßig erbrachte Leistungen“ verlangt werden können. Auch hier war unklar, ob wesentliche und selbst unwe63

BGBl. 2000 I, 330. BGH NJW 1985, 855, 857; BGH NJW 1988, 55, 57; Kirberger, BauR 2001, 492, 498; Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229; Ingenstau/Korbion/U. Locher, § 16 Abs. 1 VOB/B Rn. 3. 65 Böhme, BauR 2001, 525; Kiesel, NJW 2000, 1673. 66 BT-Drs. 14/1246 S. 6. 67 Zum Streitstand bzgl. der Auslegung des Terminus A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 114 m. w. N. 68 Liegmann, GewArch 2003, 274. 64

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sentliche Mängel zur kompletten Versagung des Abschlagszahlungsanspruchs führen oder ob diese lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB in Höhe der Mängelbeseitigungskosten zuzüglich Druckzuschlag begründen sollten.69 Durch ihre restriktive Formulierung fristete die Regelung trotz der gutgemeinten Intention des Gesetzgebers ein Schattendasein.70 Daher sah sich der Gesetzgeber im Zuge des am 01. 01. 2009 in Kraft getretenen Forderungssicherungsgesetzes71 zu einer Novellierung der Norm veranlasst. Die Fälligkeit des Abschlagszahlungsanspruchs wurde nach der Neufassung an das Fehlen wesentlicher Mängel geknüpft.72 Bei unwesentlichen Mängeln stand dem Besteller demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB in Höhe der Mängelbeseitigungskosten zuzüglich eines Druckzuschlags zu. Die Höhe der Abschlagszahlung sollte sich nunmehr nach dem leistungsbedingten Wertzuwachs des Bestellers richten. Letzten Endes wurde auch die völlig verfehlte Beschränkung von Abschlagszahlungen für „in sich abgeschlossene Teile“ aufgegeben. Trotz dieser Verbesserung vermochte auch die Neufassung des § 632a BGB nicht zu überzeugen. Durch das Wesentlichkeitskriterium wurden die Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten der Vorgängernorm in abgewandelter Form perpetuiert. Besteller hatten nunmehr die Möglichkeit, den Abschlagszahlungsanspruch mit der Behauptung, es lägen wesentliche Mängel vor, zu torpedieren.73 Darüber hinaus wurde das Tatbestandsmerkmal des Wertzuwachses aufgrund seiner sprachlichen Ungenauigkeit zu Recht scharf kritisiert. Infrage gestellt wurde vor allem, ob auch Aushub- oder Abbrucharbeiten – bei denen streng genommen gerade keine Werterhöhung auf Seiten des Bestellers eintritt – unter den Begriff gefasst werden können.74 Abhilfe für diesen rechtsunsicheren und impraktikablen Zustand wurde letztlich durch die am 01. 01. 2018 in Kraft getretene Neuregelung des § 632a BGB geschaffen. In der aktuellen Fassung wird die Höhe des Abschlagszahlungsanspruchs nach „den erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen“ und nicht mehr durch den leistungsbezogenen Wertzuwachs bestimmt. Maßgeblich ist damit 69 Für eine Versagung des Anspruchs selbst bei unwesentlichen Mängeln BT-Drs. 14/1246 S. 6; Kiesel, NJW 2000, 1673, 1675; Kirberger, BauR 2001, 492, 499; Rodemann, BauR 2002, 863, 866; die Rechtsprechung (OLG Schleswig NJOZ 2007, 5309, 5310) hat den Anspruch jedenfalls beim Vorliegen wesentlicher Mängel abgelehnt; für ein Leistungsverweigerungsrecht hingegen Motzke, NZBau 2000, 489, 491 f.; wohl auch Kniffka, ZfBR 2000, 227, 229. 70 A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 117, 131. 71 BGBl. 2008 I, 2022. 72 Das ergab sich nach ganz herrschender Meinung aus dem Umkehrschluss von § 632a Abs. 1 S. 2 BGB a. F., vgl. OLG Koblenz BauR 2017, 2178, 2183; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354, 356; v. Gehlen, NZBau 2008, 612, 614; Hildebrandt, BauR 2009, 4, 7; Pause, BauR 2009, 898, 899; Ingenstau/Korbion/U. Locher, § 16 Abs. 1 VOB/B Rn. 6; a. A. Leinemann, NJW 2008, 3745, 3747. 73 v. Gehlen, NZBau 2008, 612, 614; Leinemann, NJW 2008, 3745, 3746 f.; Hildebrandt, BauR 2009, 4, 7; Pause, BauR 2009, 898, 899; Stangl, IBR 2008, 1301 Nr. 38. 74 Hildebrandt, BauR 2009, 4, 6.

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eindeutig der durch die Vertragsparteien beigemessene Wert der Leistung (sog. subjektiver Wertbegriff).75 Eine objektive Verkehrswertsteigerung ist gerade nicht (mehr) erforderlich.76 Hierdurch wird klargestellt, dass selbst (potenziell) wertmindernde Aushub- und Abbrucharbeiten der Regelung unterfallen. Den Kern der Novellierung stellt jedoch der Verzicht auf das unpraktische Wesentlichkeitskriterium dar. Hierdurch wird eine rechtssichere und praxistaugliche Handhabung des § 632a BGB gewährleistet. Abschlagszahlungen sind nunmehr in jedem Fall zu leisten. Selbst wesentliche Mängel begründen nach geltender Rechtslage nur noch das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB in Höhe der Mängelbeseitigungskosten zuzüglich eines Druckzuschlags. Hierin liegt eine enorme Stärkung der Rechtsposition des Bauunternehmers. Mit der Neuregelung wurde erstmals ein praktisch gut handhabbarer Abschlagszahlungsanspruch geschaffen und damit ein Stück weit auch das Leitbild des Werk- und damit auch des Bauvertrags modifiziert. Die Kehrseite dieser „rechtspolitischen Verschiebung im Werkvertragssystem“77 ist notwendigerweise eine Schwächung der Rechtsposition des Bestellers. Diese Risikoverlagerung ist jedoch aufgrund der wesentlich einfacheren Berechnung und Durchsetzbarkeit von Abschlagsforderungen hinzunehmen. Nicht umsonst wird der Liquiditätsfluss als „Lebensader der Bauwirtschaft“78 bezeichnet. Zudem finden sich im Verbraucherbauvertragsrecht gesetzliche Schutzinstrumente, die den Verbraucher vor einer unverhältnismäßigen Risikoverlagerung bewahren, worauf noch ausführlich einzugehen sein wird.79 2. Sicherungshypothek des Bauunternehmers Seit jeher enthält das Gesetz als Kompensation für die Vorleistungspflicht und das damit verbundene Insolvenzrisiko die Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 650e BGB, entspricht weitestgehend § 648 BGB a. F.).80 Die Praxisrelevanz dieser Vorschrift als Sicherungsmittel ist allerdings aufgrund ihrer zahlreichen Defizite äußerst gering. In der baurechtlichen Literatur wird das Sicherungsinstrument daher auch als „stumpfe Waffe“81 oder „Pseudo-Sicherheit“82 bezeichnet. Da sich 75

Pionteck, jM 2018, 403, 406. Pionteck, jM 2018, 403, 406. 77 Pionteck, jM 2018, 403, 407. 78 Sinngemäße Übersetzung der vom englischen Juristen Lord Alfred Thompson Denning (1899 – 1999), Master of the Rolls (M.R.) des britischen Court of Appeal geprägten Feststellung „There must be a ,cash flow‘ in the building trade. It is the very lifeblood of the enterprise.“, Modern Engineering (Bristol) Ltd. v. Gilbert-Ash (Northern) Ltd. (1973) 71 L.G.R. 162, 167. 79 Siehe hierzu unten, S. 105 f. 80 Zur historischen Entwicklung Motzke, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 1 ff. und Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 6 ff. 81 Schulze-Hagen, NJW 1986, 2403. 82 Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2904. 76

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bereits etliche Monographien83 mit der Sicherungshypothek des Bauunternehmers befasst haben, soll sich die folgende Darstellung auf die Schwachpunkte der Regelung und ihre verbliebene Praxisrelevanz konzentrieren. a) Die dogmatische Struktur des § 650e BGB Der erste Schwachpunkt der Norm liegt in ihrem konzeptionellen Ansatz begründet. Im Gegensatz zum allgemeinen Werkunternehmerpfandrecht aus § 647 BGB entsteht die Sicherungshypothek nicht ipso iure. Stattdessen gewährt § 650e BGB dem Bauunternehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Bestellung einer Hypothek. Dieser fehlende „Sicherungsautomatismus“ erzeugt auf Seiten des Bauunternehmers eine psychologische Hemmschwelle: Da er das Vertragsklima nicht belasten und sich für etwaige Folgeaufträge empfehlen möchte, wird er bis zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses von der Geltendmachung seines gesetzlichen Anspruchs absehen.84 Praktische Relevanz erlangt der Anspruch daher regelmäßig erst dann, wenn Zahlungsschwierigkeiten des Bestellers offenbar werden.85 Sollte der Besteller dem geltend gemachten Anspruch nicht nachkommen (was in der Praxis der Regelfall zu sein scheint), bleibt dem Bauunternehmer nichts anderes übrig, als auf Bewilligung der Eintragung zu klagen.86 Die Zustimmung des Bestellers wird dann im Rahmen der Zwangsvollstreckung mit Rechtskraft des Urteils gemäß § 894 ZPO fingiert.87 Da dieser Umweg sehr zeitraubend ist, wird sich der eilbedürftige Bauunternehmer für seinen Anspruch aus § 650e BGB darüber hinaus um die Eintragung einer Vormerkung im Wege einer einstweiligen Verfügung bemühen (§§ 883 Abs. 1 S. 1, 885 Abs. 1 S. 1 Var. 1, S. 2 BGB).88 Auf diese Weise wird insbesondere die Rangstelle der späteren Sicherungshypothek gewahrt, § 883 Abs. 3 BGB.89 Außerdem kann er hierdurch (in der Theorie) seine Rechtsposition im Fall einer zwischenzeitlichen Insolvenz des Bestellers konservieren: Nach § 106 Abs. 1 S. 1 InsO kann der Besteller auch im Insolvenzfahren die Bewilligung der Sicherungshypothek verlangen, sofern die Eintragung der Vormerkung dem Zeit-

83 H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek; Motzke, Bauhandwerkersicherungshypothek; Siegburg, Bauwerksicherungshypothek; im weiteren Sinne auch Mergel, Sicherung der Bauforderungen und Henkel, Bauhandwerkersicherung. 84 Vgl. Vowinckel, NZBau 2017, 14, 15; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 14. 85 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 480. 86 Lüdtke-Handjery, DB 1972, 2193, 2197; Weise, Sicherheiten, Rn. 552. 87 Palandt/Retzlaff, § 650e Rn. 7; Lüdtke-Handjery, DB 1972, 2193, 2197; Weise, Sicherheiten, Rn. 552. 88 Lüdtke-Handjery, DB 1972, 2193, 2197; Vowinckel, NZBau 2017, 14; Weise, Sicherheiten, Rn. 554; MüKoBGB/Busche, § 650e Rn. 39; Siegburg, Bauwerksicherung, S. 290 f. 89 Weise, Rn. 554; MüKoBGB/Busche, § 650e Rn. 39.

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punkt der Insolvenzeröffnung vorausgeht.90 In der Praxis wird die Aufrechterhaltung seiner Rechtsposition hingegen neben der Anfechtungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters (§§ 129 ff. InsO) vor allem durch die sog. Rückschlagsperre91 (§ 88 InsO) relativiert.92 Nach § 88 InsO wird eine durch einstweilige Verfügung erlangte Vormerkung93 im Interesse des Grundsatzes par conditio creditorum kraft Gesetzes unwirksam, wenn ihre Eintragung nicht lange vor Insolvenzantragstellung erfolgt ist.94 Trotz der aufgezeigten konzeptionellen Nachteile bietet es sich nicht an, die Vorschrift nach dem Vorbild des § 647 BGB neu zu konzipieren, denn für die Entstehung einer Hypothek sollte weiterhin die Eintragung im Grundbuch erforderlich bleiben.95 Dingliche Rechte wirken absolut gegenüber jedermann (sog. Absolutheitsprinzip).96 Vor diesem Hintergrund muss die bestehende Rechtslage für Dritte aus Gründen der Rechtssicherheit offenkundig sein (sog. Publizitätsprinzip).97 Diese Funktion erfüllt im Immobiliarsachenrecht das Grundbuch.98 Würde die Hypothek ipso iure mit Abschluss des Bauvertrags – also (zunächst) ohne die erforderliche Eintragung im Grundbuch – entstehen, läge darin eine Durchbrechung des Publizitätsprinzips. Erwerber des Grundstücks hätten dadurch keine Möglichkeit mehr, sich zuverlässig über etwaige Belastungen zu informieren. Bei mehreren Grundpfandrechten wäre zudem keine rechtssichere Rangzuordnung mehr möglich.99 Des Weiteren wäre auch die Höhe der jeweiligen Hypothek bei fehlender Grundbucheintragung zu unbestimmt.100 Folglich lässt sich die Sicherung aus Gründen des Verkehrsschutzes nur mittelbar über einen schuldrechtlichen Anspruch konstruieren. 90

Umstritten ist, ob im Rahmen von § 106 InsO der Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung entscheidend ist oder ob auch der Eingang des Antrags auf Eintragung der Vormerkung vor Insolvenzeröffnung analog § 140 Abs. 2 S. 2 InsO ausreicht. Hierzu Ingenstau/ Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 122 m. w. N. 91 Uhlenbruck/Mock, § 88 InsO Rn. 1. 92 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650e BGB Rn. 9. 93 Eine durch einstweilige Verfügung erlangte Vormerkung im Rahmen von § 650e BGB ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme i. S. v. § 88 InsO, vgl. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 494 m. w. N.; Uhlenbruck/Wegener, § 106 InsO Rn. 17. 94 Auch hier ist wiederum umstritten, ob der Zeitpunkt der Eintragung maßgeblich ist oder ob es entsprechend § 140 Abs. 2 S. 2 InsO auf den Eingang des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt ankommt. Hierzu ebenfalls Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 122 m. w. N. 95 So auch H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 105; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 4; a. A. Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 392 – 398, der sich für die Einführung einer Legalhypothek ausspricht, die mit Abschluss des Bauvertrags ohne vorherige Grundbucheintragung entsteht. 96 Prütting, Sachenrecht, § 3 Rn. 18; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 6. 97 Prütting, Sachenrecht, § 3 Rn. 38; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 9. 98 Prütting, Sachenrecht, § 3 Rn. 38; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 9. 99 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 4. 100 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 4.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

b) Sicherungsfähige Forderungen Sicherungsfähig sind gemäß § 650e S. 1 BGB grundsätzlich alle offenen Forderungen des Bauunternehmers aus dem zugrunde liegenden Bauvertrag.101 Hierzu zählen neben dem besonders relevanten Vergütungsanspruch beispielsweise auch alle vertraglichen Schadensersatzansprüche sowie der Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB.102 Die zu sichernde Forderung braucht nicht fällig zu sein.103 Prinzipiell genügt ihre Entstehung.104 Für den essenziellen Vergütungsanspruch – der bereits mit Abschluss des Bauvertrags entsteht – gilt jedoch eine von diesem Grundsatz deutlich abweichende Restriktion. Nach § 650e S. 2 BGB kann der Bauunternehmer erst mit Vollendung des Bauwerks Sicherheit in Höhe des vollständigen Vergütungsanspruchs verlangen. In der Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Vollendung richtet sich der Umfang seines sicherbaren Vergütungsanspruchs hingegen nach dem jeweils erzielten Leistungsstand, dessen Höhe durch den vertraglich beigemessenen Wert der Leistungen ermittelt wird.105 Der Maßstab für die Sicherungshöhe ist demnach der erzielte Baufortschritt. Dabei ist zu beachten, dass Mängel des Werks – unabhängig davon, ob diese vor oder nach der Abnahme auftreten – den Sicherungsanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten schmälern, weil der Bauunternehmer in dieser Konstellation gerade keine vollwertige (Teil-)Leistung erbracht hat.106 Darüber hinaus führt auch die berechtigte Baueinstellung aufgrund eines Leistungsverweigerungsrechts zu einer Limitierung der Sicherungshöhe, da insoweit kein weiterer Baufortschritt erzielt wird.107 Zudem kommt die Eintragung einer Vormerkung für den künftigen Vergütungsanspruch nicht in Betracht, weil § 883 Abs. 1 S. 2 BGB durch den spezielleren § 648 Abs. 1 S. 2 BGB verdrängt wird.108 Infolge dieser schwerwiegenden Beeinträchtigungen verwehrt die in § 650e

101 Palandt/Retzlaff, § 650e Rn. 6; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 25; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 34 – 40; a. A. Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 208 ff.: nur der Vergütungsanspruch für bereits geleistete Arbeit. 102 Anschauliche Übersicht über die sicherungsfähigen Forderungen bei Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 44 ff. m. w. N.; ausdrücklich zum Schadensersatz wegen Verzugs BGH NJW 1974, 1761, 1762; a. A. bzgl. des Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB MüKoBGB/ Busche, § 650e Rn. 22. 103 Palandt/Retzlaff, § 650e Rn. 6; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Sacher, Kompendium, Teil 12 Rn. 38; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 44. 104 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 44. 105 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 29; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann, S. 217. 106 BGH NJW 1977, 947 f.; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann, S. 221; BeckOK BGB/Voit, § 650e Rn. 19 m. w. N. 107 RGZ 58, 301, 302 f.; BGH NJW 1997, 947; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 32. 108 BGH NJW 1977, 947; RGZ 58, 301, 302 f.; H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 38 f.; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 29; Erman/Schwenker/Rodemann, § 650e Rn. 13; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650e Rn. 27; a. A. Motzke, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 264; Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 296 ff.; Mergel, Sicherung der Bauforderungen, S. 61 f.

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S. 2 BGB enthaltene Restriktion dem Bauunternehmer eine frühzeitige und effektive Sicherung seines Vergütungsanspruchs. Hinzu kommt, dass die Beschränkung zwangsläufig eine willkürliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Bauunternehmer nach sich zieht.109 Weil der Rohbau nun einmal vor dem Innenausbau zu erfolgen hat, kann der früher tätig werdende Bauunternehmer auch als erster die Eintragung einer Sicherungshypothek bzw. rangsichernden Vormerkung erzielen. Er erhält dadurch gegenüber den nachfolgenden Bauunternehmern die vorrangige Grundbuchposition „geschenkt“ (vgl. § 879 Abs. 1 S. 1 BGB). c) Sicherungsobjekt: Grundstück des Bestellers Pfandgegenstand der Sicherungshypothek ist „das Baugrundstück des Bestellers“. Die Geltendmachung des Anspruchs aus § 650e BGB ist folglich bei Personenverschiedenheit von Besteller und Grundstückseigentümer ausgeschlossen. Das Identitätserfordernis ist formaljuristisch zu bestimmen.110 Wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Besteller und Grundstückseigentümer können nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu einer Durchbrechung dieses Prinzips nach § 242 BGB führen.111 Hierdurch wird der Kreis der geschützten Bauunternehmer enorm verkleinert. Vor allem Subunternehmer, die in einer Vertragskette für einen anderen Bauunternehmer tätig werden, fallen aus dem Anwendungsbereich der Norm heraus.112 Darüber hinaus fehlt es etwa an dem Identitätserfordernis, wenn eine vermögende Frau die Bauleistungen auf dem Grundstück ihres Ehemannes in Auftrag gibt. Selbiges gilt, wenn ein GmbH-Gesellschafter den Bauunternehmer mit der Errichtung des Bauwerks auf dem Grundstück der juristischen Person beauftragt. Schließlich muss das Eigentum des Bestellers auch noch bis zur Eintragung der Sicherungshypothek bzw. deren Vormerkung fortbestehen.113 Vor einer zwischenzeitlichen Weiterveräußerung des Grundstücks wird der Bauunternehmer durch § 650e BGB grundsätzlich nicht geschützt.114 Der Sicherungsanspruch ist damit in vielen Fallgestaltungen von vornherein nicht einschlägig. Wenn überhaupt wird das erste Glied der Vertragskette geschützt.

109

S. 32.

Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 333; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer,

110 BGH NJW 1988, 255; BGH NJW 2015, 552; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Sacher, Kompendium, Teil 12 Rn. 29. 111 Grundlegend BGH NJW 1988, 255, 257; siehe hierzu mit Beispielen aus der Rechtsprechung Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Sacher, Kompendium, Teil 12 Rn. 30. 112 Werner/Pastor/Werner, Bauprozess, Rn. 184; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 19; MüKoBGB/Busche, § 650e Rn. 11 m. w. N.; Jagenburg, in: FS v. Craushaar 1997, S. 117, 119. 113 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 19. 114 BGH NJW 2015, 552 Rn. 11.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

d) Vorrangige Grundpfandrechte fremdfinanzierender Banken Neben diesen dogmatischen und tatbestandlichen Restriktionen des Sicherungsanspruchs beruht die strukturelle Hauptschwäche der Norm auf dem gewählten Sicherungsmittel. In der Insolvenz gibt die eingetragene Sicherungshypothek dem Bauunternehmer ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO. Die Verwertung des Grundstücks und die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger richten sich hierbei nach den Vorschriften des ZVG. In der Zwangsversteigerung des Grundstücks bestimmt sich die Befriedigungsreihenfolge der Grundpfandgläubiger folglich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 11 Abs. 1 ZVG i. V. m. § 879 Abs. 1 S. 1 BGB nach dem Prioritätsprinzip. Hinsichtlich des begehrten Sicherungsobjekts – dem Grundstück des Bestellers – konkurrieren die Bauunternehmer in der Praxis mit den Realkreditgebern.115 Da die Finanzierung des Bauvorhabens vor dem eigentlichen Baubeginn stattfindet, haben die Realkreditgeber den primären Zugriff auf das Grundstück.116 Daher ist das Grundstück regelmäßig schon bei Baubeginn bis an die Grenze der Beleihungsfähigkeit belastet.117 Die nachrangigen und damit wirtschaftlich wertlosen Sicherungshypotheken der Bauunternehmer werden deswegen auch als „Schornsteinhypotheken“118 bezeichnet. Selbst der Bundesgerichtshof konstatiert in Anbetracht der vorrangigen Grundpfandrechte, dass die Sicherungshypothek des Bauunternehmers ein ungeeignetes Sicherungsmittel darstellt.119 Ein gewisses Trostpflaster stellt für den gesicherten Bauunternehmer lediglich die Aussicht auf Zahlung einer sog. „Lästigkeitsprämie“ dar. Die Zwangsversteigerung des Grundstücks ist sowohl für die Realkreditgeber als auch für den Insolvenzverwalter meist nur die zweitbeste Verwertungsmöglichkeit.120 Zeitsparender, kostenschonender und wirtschaftlich vorteilhafter ist eine freihändige Verwertung durch den Insolvenzverwalter.121 Die Veräußerung des Grundstücks kann jedoch nur dann 115

Zur Konkurrenzproblematik anschaulich Henkel, S. 81 f. Henkel, S. 81. 117 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 5. 118 Woher der Begriff stammt, ist nicht ganz klar. Einerseits könnte der Begriff auf die Tatsache, dass das Grundstück „bis unter die letzte Dachpfanne“ mit vorrangigen Grundpfandrechten belastet ist, zurückzuführen sein (Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 291). Andererseits könnte der Ausdruck auf dem Umstand beruhen, dass das Geld, welches der nachrangige Gläubiger aus der Verwertung erwarten kann, sprichwörtlich „durch den Schornstein“ geht (Wipperfürth, ZInsO 2014, 1263, 1264). Schließlich wird auch die Binsenweisheit „Was man an die Innenwand eines Schornsteins schreibt, wird alsbald von Ruß zugedeckt und ist dann nicht mehr lesbar“ herangezogen (Lieder, NZI 2016, 105). 119 BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 26: „Das […] Sicherungsinstrument [des § 650e BGB] ist nur unzureichend geeignet, das Sicherungsbedürfnis [des Auftragnehmers] zu erfüllen. Denn regelmäßig wird das Baugrundstück bereits bei Baubeginn bis an die Grenze der Beleihungsfähigkeit belastet sein.“ 120 Tetzlaff, ZfIR 2005, 179. 121 Lwowski/Tetzlaff, WM 1999, 2336, 2337; Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 528 f.; Tetzlaff, ZfIR 2005, 179, 180; Lange, NZI 2014, 451, 452; Eckardt, EWiR 2015, 383. 116

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Erfolg haben, wenn keine Grundpfandrechte im Grundbuch eingetragen sind. Andernfalls wird sich – da die im Grundbuch eingetragenen Belastungen in der Regel den Wert des Grundstücks bei Weitem übersteigen – kein Erwerber für die Immobilie finden lassen.122 Vor diesem Hintergrund ist eine enge Kooperation zwischen dem Insolvenzverwalter und den Grundpfandgläubigern für den Veräußerungserfolg entscheidend.123 Im Rahmen einer Verwertungsvereinbarung wird den Grundpfandgläubigern im Gegenzug für die Erteilung der notwendigen Löschungsbewilligungen vom Insolvenzverwalter eine Partizipation am erzielten Veräußerungserlös zugestanden.124 Die Verteilung des Erlöses richtet sich hierbei, entsprechend den Regelungen des ZVG zur Zwangsversteigerung, nach dem Rang der Grundpfandrechte.125 Hiernach müsste der nachrangig gesicherte Bauunternehmer eigentlich leer ausgehen. Würden aber nur die vorrangig gesicherten Grundpfandgläubiger Verzichtserklärungen abgeben, hätte dies zur Folge, dass der nachrangige Grundpfandgläubiger automatisch im Rang aufrückt126 und unverhofft eine werthaltige Rechtsposition erhält. Der durch eine „Schornsteinhypothek“ gesicherte Bauunternehmer kann daher seine Blockadeposition nutzen, um die Aufgabe seiner wirtschaftlich wertlosen Sicherheit von der Zahlung eines bestimmten Geldbetrages – der sog. „Lästigkeitsprämie“ – abhängig zu machen.127 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die Zahlung der „Lästigkeitsprämie“ nicht zu Lasten der Insolvenzmasse auswirken darf.128 Ansonsten ist die Vereinbarung aufgrund ihrer Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig.129 Um dies zu vermeiden, müssen die vorrangigen Grundpfandgläubiger zu Gunsten des Bauunternehmers auf einen der „Lästigkeitsprämie“ entsprechenden Betrag ihres Veräußerungserlöses verzichten.130 Aufgrund der genannten Vorteile einer freihändigen Veräußerung werden sich die Kreditinstitute hierzu jedoch in der Regel bereit erklären.131 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob sich der Insolvenzverwalter und die vorrangigen Grundpfandgläubiger unweigerlich auf die Zahlung einer „Lästigkeitsprämie“ einlassen müssen. Nach der unterinstanzlichen Rechtsprechung132 und 122

Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529 Fn. 76; Oster/Steinwachs, ZInsO 2011, 1638, 1639. Tetzlaff, ZInsO 2004, 521, 529; Oster/Steinwachs, ZInsO 2011, 1638, 1639; MüKoInsO/ Kern, § 165 Rn. 176. 124 MüKoInsO/Kern, § 165 Rn. 177; eine Auflistung der Bestandteile, die eine Verwertungsvereinbarung enthalten sollte, findet sich bei Tetzlaff, ZfIR 2005, 179, 180. 125 Oster/Steinwachs, ZInsO 2011, 1638, 1639; MüKoInsO/Kern, § 165 Rn. 177. 126 Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 13 Rn. 69. 127 Eckardt, EWiR 2015, 383. 128 BGH NZI 2008, 365; BGH NZI 2015, 550, 551 Rn. 12. 129 BGH NZI 2008, 365; BGH NZI 2015, 550, 551 Rn. 12. 130 BGH NZI 2014, 450 f.; BGH NZI 2015, 550, 551 Rn. 12. 131 Lange, NZI 2014, 451, 452. 132 OLG Schleswig WM 2011, 1128, 1130; LG Regensburg WM 2010, 316, 317; LG Leipzig ZInsO 2014, 100, 101 f. 123

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

vereinzelten Stimmen in der Literatur133 ist der Inhaber einer „Schornsteinhypothek“ gegenüber dem Insolvenzverwalter regelmäßig zur entgeltfreien Erteilung der Löschungsbewilligung nach § 242 BGB verpflichtet. Wenn feststehe, dass eine wertausschöpfende Belastung mit vorrangigen Grundpfandrechten gegeben sei, müsse der nachrangig gesicherte Gläubiger unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auf seine formale Rechtsstellung verzichten, um einen freihändigen Verkauf zu ermöglichen.134 Vereitelt der Inhaber einer „Schornsteinhypothek“ eine lukrative Veräußerungsmöglichkeit, mache er sich demzufolge nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig.135 Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber – zumindest in Bezug auf nachrangige Zwangssicherungshypotheken (§§ 866 Abs. 1 Var. 1 und Abs. 3, 867 ZPO) – einem generellen Anspruch aus § 242 BGB eine Absage erteilt.136 Für den vergleichbaren Fall, dass ein Bauunternehmer die in § 650e BGB vorgesehene Sicherungshypothek im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt (§ 894 ZPO), kann demzufolge nichts anderes gelten. Im Übrigen hat sich der Bundesgerichtshof neben vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten größtenteils auf allgemeingültige Erwägungen gestützt. Es macht daher in Einklang mit der herrschenden Meinung in der Literatur137 auch keinen Unterschied, ob die Eintragung der nachrangigen Sicherungshypothek auf einen Zwangsvollstreckungsakt oder eine rechtsgeschäftliche Bestellung nach §§ 873 Abs. 1 Var. 2, 1184 Abs. 1 BGB zurückzuführen ist. Entscheidend für die prinzipielle Ablehnung einer aus § 242 BGB abgeleiteten Verpflichtung zur unentgeltlichen Aufgabe von „Schornsteinhypotheken“ sprechen zwei Gesichtspunkte. Zunächst ist zu beachten, dass Grundpfandrechte – unabhängig von ihrer Rangstelle und wirtschaftlichen Wertschwankungen des Grundstücks – eine absolute Wirkung entfalten.138 Aus diesem sachenrechtlichen Prinzip folgt zwangsläufig, dass der Inhaber einer Hypothek dem Eigentümer bei der Veräußerung seines Grundstücks stets in gewisser Weise lästig wird, weil auch der Erwerber an das beschränkt dingliche Recht gebunden ist.139 Da diese Blockadeposition dem Wesen eines absoluten Rechts entspricht, wird man dem Inhaber eines nachrangigen Grundpfandrechts kein rechtsmissbräuchliches Verhalten unterstellen können.140 Es 133

Wipperfürth, ZInsO 2014, 1263, 1266; Stapper/Böhme, ZInsO 2014, 102, 103 sprechen sich sogar für die Einführung eines gesetzlichen Löschungsanspruchs von „Schornsteinhypotheken“ aus. 134 OLG Schleswig WM 2011, 1128, 1130; LG Regensburg WM 2010, 316, 317; LG Leipzig ZInsO 2014, 100, 101 f. 135 OLG Schleswig WM 2011, 1128, 1129 f. 136 BGH NZI 2015, 550 f. 137 Eckardt, EWiR 2015, 383, 384; Wenzel, DZWIR 2015, 395, 397 ff.; Lieder, NZI 2016, 105, 107; MüKoInsO/Kern, § 165 Rn. 180 f. 138 Frege/Keller, NZI 2009, 11 f. 139 Daher zurecht kritisch zum Begriff der „Lästigkeitsprämie“ Frege/Keller, NZI 2009, 11, 12. 140 Frege/Keller, NZI 2009, 11, 12.

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erscheint vielmehr legitim, dass er die Aufgabe seines Grundpfandrechts von der Zahlung eines Geldbetrags abhängig macht. Aus dieser Schlussfolgerung folgt zugleich, dass auch dem Insolvenzverwalter kein Anspruch auf entgeltfreie Aufgabe des Sicherungsrechts gemäß § 242 BGB zustehen kann. Der Insolvenzverwalter tritt gemäß § 80 Abs. 1 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Rechtsstellung des Insolvenzschuldners ein. Ihm können daher nicht mehr Rechte zustehen als einem solventen Grundstückseigentümer, der sein Grundstück veräußern will.141 Hinzu kommt, dass im Insolvenzverfahren eine andere Interessenlage besteht. In erster Linie haben die Inhaber der vorrangigen Grundpfandrechte und nicht der Insolvenzverwalter ein Interesse an einer freihändigen lastenfreien Veräußerung des Grundstücks. Die Blockadehaltung des nachrangigen Pfandgläubigers kann daher allenfalls ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gegenüber den vorrangigen Pfandgläubigern darstellen. Zwischen diesen Parteien besteht jedoch keine rechtsgeschäftliche Sonderverbindung. Wegen der Relativität der Schuldverhältnisse ist der nachrangige Pfandgläubiger somit nicht dazu verpflichtet, auf die wirtschaftlichen Interessen der vorrangigen Pfandgläubiger Rücksicht zu nehmen.142 Soll es zu einer freihändigen Veräußerung kommen, werden die vorrangigen Grundpfandgläubiger dem Inhaber einer „Schornsteinhypothek“ daher im Wege eines Interessenausgleichs für die Aufgabe seiner Rechtsposition eine „Lästigkeitsprämie“ zahlen müssen. e) Verbliebene Praxisrelevanz des § 650e BGB Trotz der soeben beschriebenen Defizite kommt der Regelung des § 650e BGB eine nicht unerhebliche Praxisrelevanz zu. Entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung wird sie jedoch meist nicht als Sicherungsanspruch, sondern als Druckmittel im Rahmen von Vertragsverhandlungen verwendet.143 Kommt es zu Zahlungsausfällen, kann der Bauunternehmer mittels einstweiliger Verfügung die Eintragung einer Vormerkung für seinen aus § 650e BGB folgenden Sicherungsanspruch durchsetzen.144 Auch wenn der wirtschaftliche Wert dieser Vormerkung aufgrund vorrangiger Grundpfandrechte und der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre regelmäßig gering ausfällt, erhält der Bauunternehmer durch die Eintragung eine stärkere Verhandlungsposition, um zahlungsunwillige – aber noch zahlungsfähige – Besteller zum Einlenken zu bewegen.145 Die Blockade der verbliebenen Beleihungsreserven schneidet dem Besteller die Belastungsmöglichkeit zur weiteren 141

107.

Frege/Keller, NZI 2009, 11, 12; Wenzel, DZWIR 2015, 395, 397; Lieder, NZI 2016, 105,

142 Lieder, NZI 2016, 105, 106 f.; Wenzel, DZWIR 2015, 395, 398; BGH NZI 2015, 550, 551 Rn. 11. 143 H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 7; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 481; Vowinckel, NZBau 2017, 14, 16; Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 291; Bollenbach/ Jahn, NZBau 2020, 691. 144 Siehe hierzu oben, S. 44 f. 145 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 481.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Baufinanzierung ab.146 Darüber hinaus verhindert die dauerhafte Belastung für potenzielle Käufer einen lastenfreien Erwerb, woraus eine praktische Unverkäuflichkeit des Grundstücks resultiert.147 Durch diese faktische Grundbuchsperre soll der Besteller zur Zahlung angehalten werden.148 Dieses an sich geeignete Druckmittel kann sich für den Bauunternehmer allerdings auch als Bumerang erweisen, da er mit seinem Vorgehen die Geldquelle des Bestellers versiegen lässt.149 Hinzu kommt, dass der Bauunternehmer, angesichts der verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO, unkalkulierbaren Haftungsrisiken ausgesetzt ist.150 Bei Bauträgerverträgen bestehen zudem meist vorrangige Auflassungsvormerkungen zugunsten der Erwerber.151 Daher ist das Druck- und Sicherungsmittel für den Bauunternehmer gegenüber zahlreichen Wohnungsbauunternehmen wirkungslos. Des Weiteren kann der Besteller die einmal eingetragene Vormerkung durch anderweitige Sicherheitsleistung wieder beseitigen. Materiell-rechtlich steht dem Besteller ein solches Austauschrecht nicht zu. Es ist vielmehr der Bauunternehmer, dem gemäß § 650f Abs. 4 BGB ein Wahlrecht zwischen dinglicher und obligatorischer Sicherheit eingeräumt wird.152 Prozessrechtlich kann der Besteller einen solchen Austausch allerdings über § 939 ZPO erzielen. Hiernach kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom Gericht unter besonderen Umständen gegen Sicherheitsleistung gestattet werden. Nach allgemeiner Auffassung kommt eine solche Aufhebung nur dann in Betracht, wenn der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens ausnahmsweise auch durch Leistung einer Austauschsicherheit gewährleistet werden kann.153 Vor diesem Hintergrund könnte man prima facie daran zweifeln, ob § 939 ZPO auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Die einstweilige Verfügung auf Eintragung der Vormerkung sichert formal den Individualanspruch aus § 650e BGB und nicht den Vergütungsanspruch des Bauunternehmers. In Betracht kommende Austauschsicherheiten wie Bürgschaft oder Hinterlegung beziehen sich demgegenüber auf die Sicherung des Vergütungsanspruchs. Sie sind daher streng genommen nicht dazu in der Lage, den Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens – die Sicherung des Anspruchs aus

146

H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 7. H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 7. 148 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 6; MüKoBGB/Busche, § 650e Rn. 2. 149 Schulze-Hagen, NJW 1986, 2403; Werner/Pastor/Werner, Bauprozess, Rn. 172. 150 Staudinger/Peters, § 650e Rn. 7; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650e Rn. 26. 151 Kniffka/Koeble/Koeble, Kompendium, Teil 10 Rn. 23. 152 Insoweit durchaus zutreffend Klein, ZfIR 2009, 208, 209. 153 OLG Köln NJW 1975, 454; OLG Saarland BauR 1993, 348; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1238 Rn. 18; KG ZfIR 2009, 202, 205; LG Aachen, VersR 1992, 338; LG Hamburg MDR 1971, 851; Zöller/Vollkommer, § 939 Rn. 1; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 111; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650e BGB Rn. 51. 147

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§ 650e BGB – zu gewährleisten.154 Eine solch penible Betrachtungsweise würde allerdings den Anwendungsbereich von § 939 ZPO faktisch ins Leere laufen lassen. Maßgeblich kann daher nur sein, dass das einstweilige Verfügungsverfahren aus wirtschaftlicher Sicht (mittelbar) die Sicherung des Vergütungsanspruchs bezweckt.155 Dies gilt selbst dann, wenn der Bauunternehmer die Erlangung der Sicherheit aufgrund ihres Druckpotentials anstrebt, weil dies kein schützenswertes Interesse ist.156 § 650e BGB verfolgt nicht die erzwungene Befriedigung des Vergütungsanspruchs, sondern lediglich dessen Sicherung. Daher kann die Vormerkung stets durch eine Sicherung für den Vergütungsanspruch nach § 939 ZPO ersetzt werden. Hierfür ist jedenfalls erforderlich, dass dem Bauunternehmer eine in qualitativer und quantitativer Hinsicht gleichwertige Sicherheit dargeboten wird.157 Als solche kommen richtigerweise die insolvenzfeste Hinterlegung der Vergütungsforderung158 sowie die Stellung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft159 in Betracht.160 Teilweise wird darüber hinaus für die Annahme besonderer Umstände gefordert, dass die Eintragung der Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Bauunternehmers nach § 242 BGB darstellen muss.161 Auf eine solche zusätzliche Voraussetzung kann es jedoch angesichts des Normzwecks von § 939 ZPO nicht ankommen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren unterteilt sich in Arrest (§§ 916 ff. ZPO) und einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO). Der Arrest bezieht sich hierbei auf Geldforderungen oder Ansprüche, die in Geldforderungen übergehen können.162 Die einstweilige Verfügung dient demgegenüber vornehmlich der Sicherung eines Individualanspruchs, der auf

154 Aus diesem Grund spricht sich das LG Hamburg MDR 1971, 851 gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung nach § 939 ZPO aus; so auch Bronsch, BauR 1983, 517 ff. 155 Grundlegend OLG Köln NJW 1975, 454 f.; sich dieser Sichtweise anschließend OLG Saarland BauR 1993, 348; LG Aachen VersR 1992, 338, 339. 156 OLG Saarland BauR 1993, 348; KG ZfIR 2009, 202, 206; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1239 Rn. 21; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650e BGB Rn. 55; Vowinckel, NZBau 2017, 14, 17. 157 OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1238 Rn. 18; LG Hamburg BeckRS 2010, 23358; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Sacher, Kompendium, Teil 12 Rn. 68; Vowinckel, NZBau 2017, 14, 17. 158 Hierzu aus der Rechtsprechung RGZ 55, 140, 142 ff.; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1239 Rn. 19. 159 Hierzu aus der Rechtsprechung OLG Köln NJW 1975, 454, 455; OLG Saarland BauR 1993, 348; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1239 Rn. 20 f.; LG Aachen VersR 1992, 338, 339; KG ZfIR 2009, 202, 205; LG Hamburg BeckRS 2010, 23358. 160 A. A. jedoch LG München IBRRS 2002, 1640. 161 Klein, ZfIR 2009, 208 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 111. 162 Musielak/Voit/Huber, § 916 Rn. 2; MüKoZPO/Drescher, § 916 Rn. 1.

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Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist.163 Gemäß § 936 ZPO finden auf das einstweilige Verfügungsverfahren die Arrestvorschriften entsprechend Anwendung, sofern sich aus den nachfolgenden Regelungen nichts anderes ergibt. Im Unterschied zum Arrestverfahren kann eine Sicherheitsleistung im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Regel nicht die Realisierung des Individualanspruchs gewährleisten.164 Daher bestimmt § 939 ZPO in Abweichung von §§ 923, 934 Abs. 1 ZPO als lex specialis, dass eine Sicherheitsleistung nicht generell, sondern eben nur unter besonderen Umständen möglich sein soll.165 In dieser Abweichung von den ansonsten zur Anwendung gelangenden Arrestvorschriften erschöpft sich die Bedeutung der besonderen Umstände.166 Ein weitergehender Ausnahmecharakter kann ihnen gerade nicht entnommen werden. Vor diesem Hintergrund liegen besondere Umstände schon dann vor, wenn – wie hier – nicht der Individualanspruch, sondern das Vermögensinteresse im Fokus steht.167 Die Statuierung weiterer Anforderungen für das Vorliegen besonderer Umstände ist daher verfehlt. Da das Gericht nach § 939 ZPO nur die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gestattet, muss die Austauschsicherheit im Entscheidungszeitpunkt noch nicht geleistet worden sein.168 Solange die Austauschsicherheit nicht erbracht wird, bleibt es bei der einstweiligen Verfügung.169 Im Leistungszeitpunkt tritt die einstweilige Verfügung auf Eintragung der Vormerkung dann von selbst außer Kraft.170 Prozessual kann der Besteller die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung durch Antragstellung nach § 927 Abs. 1 ZPO oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens (§ 924 ZPO) geltend machen.171 Insgesamt steht dem Besteller damit über § 939 ZPO ein wirksames Instrument zur Bekämpfung des Druckmittels zur Verfügung. Hiervon kann er allerdings nur dann Gebrauch machen, wenn er die notwendige Bonität für eine Hinterlegung oder die Beibringung einer entsprechenden Bürgschaft vorweisen kann. Wird vom Besteller vor Erlass der einstweiligen Verfügung eine gleichwertige Sicherheit gestellt, entfällt nach den soeben getroffenen Feststellungen konsequenterweise das Rechtsschutzbedürfnis.172

163

Musielak/Voit/Huber, § 916 Rn. 2, § 939 Rn. 1; Zöller/Vollkommer, Vorbem. zu §§ 916 – 945b Rn. 1. 164 MüKoZPO/Drescher, § 939 Rn. 1; Musielak/Voit/Huber, § 939 Rn. 1. 165 Musielak/Voit/Huber, § 939 Rn. 1; Zöller/Vollkommer, § 939 Rn. 1. 166 MüKoZPO/Drescher, § 939 Rn. 2; Musielak/Voit/Huber, § 939 Rn. 2. 167 So Zöller/Vollkommer, § 939 Rn. 1. 168 OLG Köln NJW 1975, 454, 455; Werner/Pastor/Pastor, Bauprozess, Rn. 249. 169 OLG Köln NJW 1975, 454, 455; Werner/Pastor/Pastor, Bauprozess, Rn. 249. 170 OLG Köln NJW 1975, 454, 455; Werner/Pastor/Pastor, Bauprozess, Rn. 249. 171 OLG Hamm NJW-RR 2016, 1237, 1238 Rn. 8; Vowinckel, NZBau 2017, 14, 17. 172 So auch Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 89; Weise, Sicherheiten, Rn. 570.

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3. Bauhandwerkersicherung Um die mit § 648 BGB a. F. verbundenen Defizite auszuräumen,173 hat der Gesetzgeber im Zuge des am 01. 05. 1993 in Kraft getretenen sog. Bauhandwerkersicherungsgesetzes174 § 648a BGB a. F. als alternative Sicherungsmöglichkeit für den Bauunternehmer eingeführt.175 Mit dieser Neuschöpfung hat sich der Gesetzgeber gleichzeitig bewusst gegen eine strukturelle Umgestaltung des bereits bestehenden Sicherungsmechanismus aus § 648 BGB a. F. entschieden.176 Im Gegensatz zu ihrer Schwesternorm greift die Bauhandwerkersicherung nicht auf das (meist vollbelastete) Grundstück des Bestellers als Sicherungsobjekt zurück. Stattdessen werden anderweitige Sicherheiten – in der Praxis nahezu ausschließlich Bürgschaften177 – aktiviert. Ursprünglich war § 648a BGB a. F. gar nicht als Sicherungsanspruch konzipiert. Stattdessen gewährte die Norm dem Bauunternehmer lediglich ein unabdingbares Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrecht für den Fall, dass die Sicherheitsleistung auch nach Ablauf einer fruchtlosen Frist- bzw. Nachfrist unterblieb. Nachdem die Regelung im Rahmen des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen nur marginal geändert worden war, wurde sie durch das Forderungssicherungsgesetz mit Wirkung zum 01. 01. 2009 als einklagbarer Sicherungsanspruch ausgestaltet. In dieser Gestalt besteht die Regelung seit dem 01. 01. 2018 weitgehend unverändert unter dem neuen § 650f BGB fort. a) Kreis der geschützten Bauunternehmer Der Anspruch auf Sicherheitsleistung richtet sich grundsätzlich gegen jeden Besteller eines Bauvertrags. Im Unterschied zu § 650e BGB können daher auch in der Vertragskette tätige Subunternehmer von ihrem jeweiligen Auftraggeber Sicherheit verlangen.178 Zwei Ausnahmen von diesem weiten Anwendungsbereich sind allerdings in § 650f Abs. 6 BGB verankert. Demnach sind zum einen gemäß § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 1 BGB insolvenzunfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtliche Sondervermögen von der Stellung einer Bauhandwerkersicherung befreit.179 Hierzu zählen klassischerweise der Bund, die 173

BT-Drs. 12/1836, S. 1. BGBl. 1993 I, 509. 175 Zur Entstehungsgeschichte Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 46 ff. 176 Im Raum stand damals auch eine Novellierung des § 648 BGB a. F. nach schweizerischem Vorbild, vgl. hierzu Zweiter Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (1986), S. 199 ff. 177 BeckOGK BGB/Molt, § 650f Rn. 73. 178 BT-Drs. 12/1836, S. 8; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 7. 179 Die alte Fassung der Ausnahmeregelung wurde kritisiert, weil sie sich auf sämtliche öffentliche Auftraggeber, unabhängig von ihrer Insolvenzfähigkeit, bezog. Vgl. hierzu Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2907; Scorl, in: FS v. Craushaar 1997, S. 317, 318; Hogenschurz, NJW 1999, 2576; Betzner, Bauhandwerkersicherungsgesetz, S. 52 f. Mit der Novellierung im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes hat der Gesetzgeber die geäußerte 174

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Länder sowie die Gemeinden und Landkreise.180 Zum anderen steht dem Bauunternehmer gemäß § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB kein Sicherungsanspruch gegen einen Verbraucher im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags zu. Beide Ausnahmen können faktisch nur auf der Ebene der primären Vertragsbeziehung zum Endkunden anwendbar sein und sich nicht auf Bauverträge in der Nachunternehmerkette beziehen.181 Im Rahmen von § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB ist zudem zu beachten, dass sich die Privilegierung nach hier vertretener Ansicht nicht auf das Bauen aus einer Hand beschränkt.182 Die Ausnahme des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 1 BGB wird vom Gesetzgeber zutreffend mit dem fehlenden Insolvenzrisiko der öffentlichen Auftraggeber begründet.183 Es wäre unbillig und nicht gerechtfertigt, das Bauvorhaben in solchen Fällen mit zusätzlichen Kosten für die Sicherheit zu belasten. Der dem § 650f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB zugrunde liegende Gedanke des fehlenden Sicherungsbedürfnisses lässt sich daher verallgemeinern und auf die Schwestervorschrift des § 650e BGB übertragen, deren Anwendungsbereich nach herrschender Meinung im Wege teleologischer Reduktion entsprechend zu beschränken ist.184 Die Privilegierung von Verbraucherbauverträgen stützt der Gesetzgeber hingegen primär auf die Annahme, dass solche Bauvorhaben prinzipiell auf einem solideren wirtschaftlichen Fundament stehen, weil die fremdfinanzierenden Banken zur Prüfung der Kreditwürdigkeit ihres Kunden angehalten sind.185 Diese Annahme erscheint gewagt. Der Frage, ob der Privilegierungstatbestand des § 650f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB de lege ferenda aufgegeben werden sollte, wird daher ausführlich im 5. Kapitel nachgegangen.186 Kritik verstummen lassen. Seitdem gilt die Privilegierung nur, sofern das Insolvenzverfahren über das Vermögen des öffentlichen Auftraggebers unzulässig ist. 180 Eine beispielhafte Auflistung zu den insolvenzunfähigen und insolvenzfähigen öffentlichen Auftraggebern findet sich bei BeckOGK/Molt, § 650f Rn. 23 f.; Kirchen und deren Untergliederungen sind nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV juristische Personen des öffentlichen Rechts in Form von Körperschaften. Sie sind nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 1984, 2401) aufgrund ihres in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV verbürgten Selbstbestimmungsrechts insolvenzunfähig. Folglich unterfallen sie nach ganz h. M. der Privilegierung, vgl. stellvertretend V. Schmidt, NJW 2013, 497, 498. Hiergegen jüngst A. Janssen, BauR 2019, 168 ff. m. w. N. zur h. M. 181 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 250. 182 Hierzu bereits oben, S. 24 ff. 183 BT-Drs. 12/1836, S. 8. Die Begründung ist jedenfalls seit der Novellierung durch das Forderungssicherungsgesetz stimmig. 184 OLG Köln NZI 2019, 687, 688 Rn. 3 ff.; OLG Koblenz NZBau 2011, 34 f.; OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 469; MüKoBGB/Busche, § 650e Rn. 9; Messerschmidt/Voit/ Hildebrandt, § 650e Rn. 8; Werner/Pastor/Werner, Bauprozess, Rn. 180; erstmals Hogenschurz, NJW 1999, 2576 (Lösung über Analogie zu § 648 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 BGB a. F.); a. A. Staudinger/Peters, § 650e Rn. 21; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 42; BeckOK BGB/ Voit, BGB § 650e Rn. 9; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650e BGB Rn. 41; BeckOGK/Molt, § 650e Rn. 84. 185 BT-Drs. 18/8486, S. 59. 186 Siehe hierzu unten, S. 266 ff.

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b) Sicherungsfähige Forderungen, Höhe der Sicherheitsleistung und Geltendmachung des Anspruchs Sicherungsfähig sind gemäß § 650f Abs. 1 S. 1 BGB der vereinbarte ausstehende Vergütungsanspruch für zukünftige oder bereits erbrachte Leistungen des Bauunternehmers sowie sämtliche Ansprüche, die als Äquivalent an die Stelle des Vergütungsanspruchs treten187 (§ 650f Abs. 1 S. 2 BGB), wobei etwaige Nebenforderungen wie Zinsen188 bei der Sicherungshöhe pauschal mit 10 % der abzusichernden Forderung bedacht werden. Gleiches gilt für unbeglichene Vergütungsforderungen aus Zusatzaufträgen infolge von geänderten oder zusätzlichen Leistungen (vgl. insbesondere § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sowie § 650c Abs. 1 und 2 BGB). Mängel am Bauwerk und ein darauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht führen nur zu einer berechtigten Vorenthaltung und gerade nicht zu einer Schmälerung des vertraglichen Vergütungsanspruchs.189 Sie können daher keinen Einfluss auf die Berechnung der Sicherheitsleistung haben.190 Das bloße Bestehen von Abschlagsund Vorauszahlungsansprüchen des Bauunternehmers vermag die Höhe des Sicherungsanspruchs ebenfalls nicht zu begrenzen.191 Erst durch die tatsächliche Zahlung von Abschlägen oder Vorauszahlungen wird die Vergütungsforderung – und damit einhergehend die Sicherungshöhe – reduziert,192 weil sich das vom Bauunternehmer zu tragende Insolvenzrisiko insoweit verringert. Der Sicherungsanspruch besteht auch nach einer Kündigung des Bauvertrags fort.193 Selbiges gilt für die erfolgte Abnahme des Bauwerks (§ 650f Abs. 1 S. 3 Var. 2 BGB).194 Dies ist sachgerecht, weil das berechtigte Sicherungsbedürfnis des Bauunternehmers – unabhängig vom Ende seiner rechtlichen Vorleistungspflicht – bis zur endgültigen Zahlung des ihm zustehenden Vergütungsanspruchs fortbesteht. § 650f Abs. 1 S. 4 BGB bestimmt, dass selbst eine vom Besteller erklärte Aufrechnung die Höhe des Sicherungsanspruchs unberührt lässt, außer die in Rede stehende Gegenforderung ist unstreitig oder rechtskräftig festgestellt.195 Dies er-

187 Hierunter fällt klassischerweise der Schadensersatzanspruch statt der Leistung, BTDrs. 16/511, S. 17. 188 So explizit BT-Drs. 14/1246, S. 10. 189 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 10. 190 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 10. 191 Das ist in der heute geltenden Fassung unstrittig. Vgl. vor der Klarstellung durch das Forderungssicherungsgesetz bereits BGH NJW 2001, 822, 823 f. 192 BGH NJW 2001, 822, 824; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 175. 193 Statt aller BGH NJW 2014, 2186, 2187 Rn. 14. 194 So auch schon BGH NZBau 2004, 259 f. vor der Klarstellung durch das Forderungssicherungsgesetz. 195 Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung ist missverständlich. Es sollen nach der Intention des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/511, S. 17) nicht nur solche Gegenforderungen unberücksichtigt bleiben, mit denen der Besteller aufrechnen kann, sondern auch solche, mit

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scheint prima facie nicht stringent, weil die Aufrechnung (teilweise) zum Erlöschen der Vergütungsforderung des Bauunternehmers führt (§ 389 BGB) und sich sein Sicherungsbedürfnis daher de facto um diesen Betrag verringert. Dennoch ist die Vorschrift erforderlich, um die Sicherungsmöglichkeit des Auftragnehmers effektiv auszugestalten. Ansonsten würden langanhaltende Feststellungen über die Berechtigung der Gegenforderung die schnelle Durchsetzbarkeit des Sicherungsanspruchs vereiteln.196 Diese vom Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung kann auch auf das Minderungsrecht nach § 634 Nr. 3 i. V. m. § 638 BGB übertragen werden.197 Insoweit ist eine analoge Anwendung des § 650f Abs. 1 S. 4 BGB auf dieses Gestaltungsrecht geboten. Insgesamt ist der Sicherungsanspruch damit – obwohl er sich nicht auf alle Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Bauvertrag bezieht – viel wirksamer als jener aus § 650e BGB ausgestaltet. Etwaige Mängel führen im Gegensatz zu § 650e BGB zu keiner Verringerung des Sicherungsanspruchs. Die vorherige Erbringung von Bauleistungen ist gerade keine Voraussetzung für die Geltendmachung des Sicherungsanspruchs aus § 650f BGB. Auch ist der Bauunternehmer nicht darauf angewiesen, die Sicherheit dem jeweiligen Leistungsstand anzupassen. Stattdessen kann er sein Sicherungsbedürfnis (zumindest in der Theorie) frühzeitig – schon unmittelbar nach Vertragsschluss – und (vorbehaltlich etwaiger Nachtragsforderungen) in voller Höhe geltend machen. Dieser unkomplizierte Weg macht den Sicherungsanspruch gegenüber der schwerfälligen Regelung des § 650e S. 2 BGB deutlich attraktiver. c) Das gängigste Sicherungsmittel: Die Bankbürgschaft § 650f Abs. 1 BGB gibt kein bestimmtes Sicherungsmittel vor, sondern nimmt mit seiner offenen Formulierung auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 232 ff. BGB Bezug.198 Auf Wahl des Bestellers199 kann daher beispielsweise Sicherheit durch Hinterlegung oder Verpfändung beweglicher Sachen geleistet werden.200 Weil dem Besteller diese Sicherungsinstrumente jedoch in aller Regel nicht

denen er bereits aufgerechnet hat. Dies entspricht der herrschenden Auffassung. Statt aller Fuchs, BauR 2012, 326, 338 f. m. w. N. in Fn. 92. 196 BT-Drs. 16/511, S. 17. 197 So auch BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 10; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 86; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 178; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann/ Hofmann, S. 153; Leinemann NJW 2008, 3745, 3749; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354, 360 f.; vgl. auch die allgemeingültigen Aussagen in BGH NJW 2014, 2186, 2187 Rn. 19, 2188 Rn. 26 ff.; a. A. Fuchs, BauR 2012, 326, 339. 198 BT-Drs. 12/1836, S. 7, 9. 199 MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 17; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 96; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 17. 200 Vgl. zu den weiteren Auswahlmöglichkeiten § 232 Abs. 1 BGB.

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zur Verfügung stehen werden,201 kommt darüber hinaus gemäß § 650f Abs. 2 S. 1 BGB eine Garantie und entgegen § 232 Abs. 2 BGB, der ihr nur eine subsidiäre Stellung einräumt, stets eine Bürgschaft202 eines Kreditinstituts oder eines Kreditversicherers als Sicherungsmittel in Betracht. In der Praxis hat sich die Bürgschaft auf nationaler Ebene gegenüber der Garantie wohl vor allem aus der Macht der Gewohnheit als favorisiertes Sicherungsmittel durchgesetzt. Dem nationalen Rechtskreis sind die klaren Strukturen der §§ 765 ff. BGB schlichtweg vertrauter als der gesetzlich nicht normierte selbstständige Garantievertrag. Darüber hinaus ist die Garantie im Gegensatz zur Bankbürgschaft nicht akzessorisch. Hieraus folgen für die Bank oder den Kreditversicherer weitreichende Haftungsrisiken, die sich entsprechend im Preis für das Sicherungsmittel niederschlagen. Der Preisunterschied ist nach Rücksprache mit Bankpraktikern jedoch marginal, sodass er eigentlich keine Auswirkungen auf die Wahl des Sicherungsmittels haben dürfte. Banken begrenzen ihre Haftung aus der Bürgschaft meist summenmäßig durch die Vereinbarung eines Höchstbetrags (sog. Höchstbetragsbürgschaften). Dies ist legitim, da § 650f Abs. 1 S. 1 BGB mit dem offenen Vergütungsanspruch samt der Pauschale für die Nebenforderungen ein klar umrissenes Haftungsspektrum vorgibt. Der Bauunternehmer ist folglich nicht dazu berechtigt, vom Besteller eine unbegrenzte Sicherheitsleistung zu verlangen. Begehrt der Bauunternehmer vom Besteller beispielsweise Sicherheit in Höhe von 55.000 E für seinen offenen Vergütungsanspruch einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, ist die Bank folglich dazu berechtigt, ihre maximale Einstandspflicht auf diesen Betrag zu beschränken. Die Vorteile, die sich hieraus für die Bank ergeben, werden an späterer Stelle in Zusammenhang mit dem Akzessorietätsprinzip dargestellt.203 aa) Die Rechtsverhältnisse im Rahmen von Bankbürgschaften Bei der vertraglichen Absicherung bauvertraglicher Risiken mittels Bankbürgschaft existieren immer drei verschiedene Rechtsgeschäfte, die strikt voneinander zu trennen sind. Beruht das Sicherungsverlangen demgegenüber auf dem hier in Rede stehenden Sicherungsanspruch aus § 650f BGB oder auf dem noch zu besprechenden § 650m Abs. 2 BGB, so ist nur zwischen zwei Rechtsgeschäften zu differenzieren. Ausgangspunkt der vertraglichen Absicherung ist immer eine zwischen den Bauvertragsparteien geschlossene Sicherungsabrede. Diese gibt der einen Bauvertragspartei gegenüber der anderen einen Anspruch auf Beibringung einer Sicherheit für bestimmte Forderungen aus dem zugrunde liegenden Bauvertrag. Sie kann 201

BT-Drs. 12/1836, S. 7, 9. Die Bürgschaft unterfällt dem Begriff des sonstigen Zahlungsversprechens in § 650f Abs. 2 S. 1 BGB. 203 Siehe hierzu unten, S. 121. 202

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zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowohl bei Abschluss des Bauvertrags als auch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden.204 Für gewöhnlich bildet sie eine Komponente des Bauvertrags.205 Dennoch handelt es sich bei ihr stets um ein vom Hauptvertrag losgelöstes und damit eigenständiges Rechtsgeschäft.206 In der Sicherungsabrede werden die mehr oder minder detaillierten Modalitäten bezüglich der zu stellenden Sicherheit festgelegt. Zu den Kernbestandteilen gehören neben der Festlegung des Sicherungsmittels vor allem Ausführungen zur Sicherungshöhe und zum Sicherungszweck.207 Der Sicherungszweck umschreibt hierbei, welche Ansprüche das jeweilige Sicherungsmittel nach der vertraglichen Vereinbarung erfassen muss.208 Von elementarer Bedeutung ist darüber hinaus der in der Praxis oftmals nicht ausdrücklich oder nur unzureichend geregelte Sicherungsfall.209 Dieser legt fest, ab welchem Zeitpunkt der Sicherungsnehmer berechtigt ist, sich aus der Sicherheit zu befriedigen.210 Er ist daher in den meisten Fällen durch Auslegung zu ermitteln. Empfehlenswert sind außerdem Absprachen zum Rückgewährzeitpunkt der jeweiligen Bürgschaft. Schließlich kann die Sicherungsabrede auch ein Austauschrecht vorsehen. Dieses vertragliche Gestaltungsrecht ermöglicht es der zur Sicherheitsleistung verpflichteten Vertragspartei, eine Sicherheit durch eine andere zu ersetzen.211 Bei den Sicherungsmechanismen aus § 650f BGB und § 650m Abs. 2 BGB ist eine rechtsgeschäftliche Sicherungsabrede demgegenüber obsolet, da beiden Vorschriften bereits eine „gesetzliche Sicherungsabrede“212 innewohnt. Die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen ersetzen folglich das vertragliche Verpflichtungsgeschäft. Anlässlich ihrer vertraglich oder gesetzlich bestehenden Verpflichtung sucht die jeweils betroffene Bauvertragspartei sodann in der Regel ihre Hausbank als potenziellen Sicherungsgeber auf, um den Vorgaben des jeweiligen Sicherungsanspruchs gerecht zu werden. Zwischen der Bank und ihrem Kunden wird daraufhin ein sog. Avalkreditvertrag geschlossen. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter gemäß §§ 675, 631 BGB.213 In diesem verpflichtet sich die Bank zur Stellung einer Bürgschaft für die in Rede stehenden Forderungen der sicherungsberechtigten Bauvertragspartei. Die Übernahme des Haftungsrisikos lässt sich die Bank von ihrem Kunden durch die Zahlung einer sog. Avalprovision vergüten. Die Höhe der Avalprovision bestimmt 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

Weise, Sicherheiten, Rn. 17. Thode, ZfBR 2002, 4; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 5. Thode, ZfBR 2002, 4. BGH NJW 2001, 3629, 3630; Weise, Sicherheiten, Rn. 9. Weise, Sicherheiten, Rn. 32. Quack, BauR 1997, 754, 755; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 176. BGH NJW 2001, 3629, 3630; Quack, BauR 1997, 754, 755. Siehe hierzu näher unten, S. 195 ff. So die treffende Formulierung von Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,3 und 378. Siehe statt aller nur Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2906.

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sich insbesondere aus der Risikogeneigtheit der gewählten Bürgschaftsart, ihrer voraussichtlichen Laufzeit, der Bonität des Kunden und den Kapitalbindungskosten der Bank.214 Schlussendlich kommt es dann zum Abschluss des Bürgschaftsvertrags zwischen der vertraglich oder gesetzlich sicherungsberechtigten Bauvertragspartei als Sicherungsnehmer und der Bank als Sicherungsgeber. Erst hierdurch wird die eigentliche Personalsicherheit nach den Vorschriften der §§ 765 ff. BGB begründet. bb) Anforderungen an den Bürgen im Rahmen von § 650f BGB § 650f Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt lediglich, dass das bürgende Kreditinstitut bzw. der bürgende Kreditversicherer in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugt sein muss. Diese Voraussetzung erfüllen sämtliche Kreditinstitute und Kreditversicherer, die in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums zum Geschäftsbetrieb zugelassen sind.215 Eine (nochmalige) deutsche Zulassung ist gerade nicht erforderlich.216 Die allgemeine Vorschrift des § 239 BGB ist demgegenüber deutlich enger gefasst. Tauglicher Bürge kann gemäß § 239 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur sein, wer seinen allgemeinen Gerichtsstand (zusätzlich) in Deutschland hat. Darüber hinaus muss der Bürge ein für die Höhe der Sicherheit angemessenes Vermögen besitzen (§ 239 Abs. 1 Alt. 1 BGB) und auf die Einrede der Vorausklage217 verzichten (§ 239 Abs. 2 BGB). Die an den Bürgen zu stellenden Anforderungen hängen also vom Konkurrenzverhältnis zwischen § 650f Abs. 2 S. 1 BGB und § 239 BGB ab. Teilweise wird vertreten, dass § 239 BGB als „vor die Klammer gezogene Regel“218 des allgemeinen Teils neben § 650f Abs. 2 S. 1 BGB anzuwenden ist.219 Hiervon geht – was der Begründung zur Neufassung des an § 650f Abs. 2 S. 1 BGB angelehnten § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO entnommen werden kann220 – augenscheinlich auch der Gesetzgeber aus. Andererseits könnte es sich bei § 650f Abs. 2 S. 1 BGB

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Blesch/Meyer/Steinwachs, Rn. 298. Ausführlich Petry, BauR 2015, 575 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 190; Betzner, Bauhandwerkersicherungsgesetz, S. 69; Staudinger/Peters, § 650e Rn. 14; so nunmehr auch Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Koeble, Kompendium, Teil 9 Rn. 148; a. A. ohne stichhaltige Begründung Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 61 (Beschränkung auf im Inland zugelassene Kreditinstitute und Kreditversicherer). 216 Petry, BauR 2015, 575, 577; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 190. 217 Siehe zur Einrede der Vorausklage näher unten, S. 127. 218 Petry, BauR 2015, 575, 577. 219 So Petry, BauR 2015, 575, 577; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 191; offensichtlich auch OLG Dresden NJW 2015, 2817, 2819 Rn. 20. 220 BT-Drs. 14/4722, S. 75. 215

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jedoch auch um eine Spezialregelung handeln, die den allgemein gehaltenen § 239 BGB verdrängt.221 Dogmatisch überzeugender ist die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses. Die von § 239 Abs. 1 Alt. 1 BGB statuierten Tauglichkeitskriterien gelten ausdrücklich nur für Bürgen. § 650f Abs. 2 S. 1 BGB bezieht sich demgegenüber auch auf Garantien. Es wäre paradox, an den Bürgen höhere Tauglichkeitsanforderungen als an den Garantiegeber zu stellen. Dies gilt erst recht, weil es sich bei der Garantie wegen der fehlenden Akzessorietät um die Personalsicherheit mit dem höheren Haftungsrisiko handelt. Darüber hinaus erscheint es äußerst widersprüchlich, die bewusst weit gefasste Formulierung des § 650f Abs. 2 S. 1 BGB durch das Erfordernis des allgemeinen Gerichtsstands im Inland zu untergraben. Unabhängig von der hier präferierten Auffassung kommen beide Ansichten jedoch im Endeffekt zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Aus der hier vertretenen Verdrängung von § 239 Abs. 2 BGB entstehen für den Sicherungsnehmer keine Nachteile, da Banken und Kreditversicherern aufgrund ihrer Kaufmannseigenschaft die Berufung auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 349 S. 1 HGB ohnehin verwehrt ist.222 Auch wenn man § 239 Abs. 1 Alt. 1 BGB neben § 650f Abs. 2 S. 1 BGB anwenden würde, dürften hinsichtlich der finanziellen Tauglichkeit von Banken und Kreditversicherern regelmäßig keine Bedenken bestehen.223 Selbst die Anwendung von § 239 Abs. 1 Alt. 2 BGB führt nicht zu einer Einschränkung von § 650f Abs. 2 S. 1 BGB, weil die Restriktion auf einen allgemeinen inländischen Gerichtsstand nach herrschender Ansicht224 nicht mit den europäischen Grundfreiheiten in Einklang zu bringen ist. In Übereinstimmung mit dem geltenden Primärrecht darf sich der allgemeine Gerichtsstand des zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers daher, entgegen dem eindeutigen Wortlaut von § 239 Abs. 1 Alt. 2 BGB, auch im europäischen Ausland befinden.225 Trotz des nahezu identischen Ergebnisses ist der Meinungsstreit nicht nur dogmatischer Natur, sondern durchaus auch von praktischer Relevanz. Bejaht man die kumulative Anwendung von § 650f Abs. 2 S. 1 BGB und § 239 Abs. 2 BGB, hat die Bürgschaftsurkunde zwangsläufig den (klarstellenden) Verzicht auf die Einrede der Vorausklage zu enthalten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gericht – bei engherziger Aus-

221 So Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 97; siehe auch L/B/D/Rückert, § 650m Rn. 9 und DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 265 zum gleichlautenden § 650m Abs. 3. 222 So auch die zutreffenden Aussagen des Gesetzgebers in BT-Drs. 14/4722, S. 75. 223 Vgl. hierzu Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 191, der dem Tatbestandsmerkmal keine eigenständige Bedeutung beimisst. 224 OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1667 f.; Petry, BauR 2015, 575, 578 ff.; Ingenstau/Korbion/ Joussen, Anh. 1 Rn. 191 m. w. N. 225 Dogmatisch wird dieses Ergebnis teilweise auf eine europarechtskonforme Auslegung der Norm gestützt (so Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 191). Vorzugswürdig erscheint hingegen aufgrund des unzweideutigen Wortlauts eine Derogation (so auch Petry, BauR 2015, 575, 579 f.).

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legung der Vorschriften – die Sicherheit als untauglich einstuft.226 Dies kann für den Auftraggeber schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Im schlimmsten Szenario droht ihm wegen der unzureichenden Sicherheitsleistung die Kündigung des Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 4 S. 1 BGB. Empfehlenswert ist deshalb, dass der Besteller in jedem Fall auf die selbstschuldnerische Ausgestaltung der Bürgschaftsurkunde besteht. cc) Anforderungen an die Ausgestaltung der Bankbürgschaft Das nach § 766 BGB prinzipiell vorgesehene Schriftformerfordernis für die Bürgschaftserklärung entfällt bei Banken gemäß § 350 HGB. Zu beachten ist allerdings, dass Bürgschaftsurkunden von Banken und Kreditversicherern in aller Regel eine sog. Rückgabeklausel enthalten, wonach ihre Haftungsverpflichtung (spätestens) mit Rückgabe der Originalurkunde erlischt.227 Einer solchen Klausel ist zugleich der Wille zu entnehmen, dass der Bürgschaftsvertrag nur unter Einhaltung der Schriftform gemäß §§ 127 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB geschlossen werden soll.228 Unter diesen Umständen hat demnach trotz § 350 HGB eine Übergabe der Originalbürgschaftsurkunde stattzufinden. Andernfalls ist der Sicherungsanspruch aus § 650f Abs. 1 S. 1 BGB als nicht erfüllt anzusehen. Des Weiteren ist die Bürgschaft zeitlich unbefristet zu stellen.229 Diese Voraussetzung kann zwar nicht dem Wortlaut der gesetzlichen Sicherungsabrede entnommen werden; Sinn und Zweck des Sicherungsanspruchs gebieten jedoch ein solches Erfordernis.230 Ansonsten läuft der Auftragnehmer Gefahr, dass seine Bürgschaft selbst bei von ihm nicht zu vertretenden Verzögerungen des Bauablaufs wegen eines späteren Fälligkeitstermins seiner gesicherten Forderung gegenstandslos wird.231 Darüber hinaus muss die Bürgschaft grundsätzlich unwiderruflich ausgestaltet werden. Eine Ausnahme hiervon sieht allerdings § 650f Abs. 1 S. 5 BGB vor. Demnach kann sich der Bürge für den Fall den Widerruf vorbehalten, dass sich die Vermögensverhältnisse des Bestellers wesentlich verschlechtern. Dieser vom Gesetzgeber zugelassene Widerrufsvorbehalt mutet auf den ersten Blick äußerst kurios 226 Vgl. hierzu die fragwürdigen Ausführungen des OLG Dresden NJW 2015, 2817, 2819 Rn. 20. 227 Zur rechtlichen Würdigung einer solchen Rückgabeklausel ausführlich unten, S. 72 f. 228 OLG Bremen BeckRS 2013, 17628; OLG Dresden NJW 2015, 2817, 2819 Rn. 19. 229 OLG Oldenburg MDR 1999, 89; OLG Frankfurt a. M. BauR 2003, 412 f.; Buscher, BauR 2001, 159, 162; Palandt/Retzlaff, § 650f Rn. 11; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 15; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 368; ähnliche Auffassung Zimdars, DB 1997, 614, 616 und BeckOK BGB/ Voit, BGB § 650f Rn. 17 (Befristung zwar zulässig, jedoch nur, wenn sämtliche daraus folgenden Risiken für den Auftragnehmer ausgeschlossen sind). 230 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 368. 231 OLG Frankfurt a. M. BauR 2003, 412; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 368; Buscher, BauR 2001, 159, 161.

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an, weil die Bürgschaft gerade das unvorhersehbare Szenario eines (drohenden) Zahlungsausfalls kompensieren soll.232 Die durch einen solchen Widerruf bewirkte Rückverlagerung des Insolvenzrisikos auf den Auftragnehmer steht daher prima facie in einem eklatanten Widerspruch zu der vom Bürgen erklärten Risikoübernahme. Allerdings ist zu beachten, dass der Widerruf nur hinsichtlich solcher Bauleistungen Wirkung entfaltet, die der Bauunternehmer nach Zugang des Widerrufs noch erbringt (§ 650f Abs. 1 S. 5 BGB). Für seinen bis dahin bereits verdienten Vergütungsanspruch bleibt die Sicherheit demgegenüber bestehen. Darüber hinaus kann der Auftragnehmer für den nunmehr ungesicherten Teil seines Vergütungsanspruchs erneut Sicherheit beanspruchen und bis dahin die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB erheben.233 Sollte der Auftraggeber diesem Sicherungsverlangen aufgrund seiner verschlechterten Vermögensverhältnisse nicht mehr nachkommen können, steht dem Auftragnehmer nach fruchtlosem Fristablauf das Recht zur Kündigung zu (§ 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB). Die Risiken des Widerrufs sind daher für den Auftragnehmer überschaubar. Zudem geht mit dem Widerrufsvorbehalt eine finanzielle Entlastung des Auftraggebers einher. Die Übernahme der Bürgschaft erfolgt oft durch die das Bauvorhaben finanzierende Hausbank des Bestellers. Diese nimmt demnach eine Doppelrolle als Geld- und Sicherungsgeber ein. In ihrer Rolle als Geldgeber steht der Bank bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Bestellers regelmäßig ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB234 zu. Hierdurch soll die Bank bei einer feststehenden Gefährdung ihrer Rückzahlungsansprüche vor der (weiteren) Darlehensauszahlung bewahrt werden.235 Ohne den durch § 650f Abs. 1 S. 5 BGB gewährten Gleichlauf im Bürgschaftsverhältnis würde § 490 Abs. 1 BGB faktisch ins Leere laufen: Die Bank wäre trotz des gekündigten Darlehensvertrags in ihrer Rolle als Bürgin weiterhin zur Zahlung an den Unternehmer verpflichtet, obwohl ersichtlich ist, dass ihre Rückgriffsansprüche gegen den Besteller gefährdet sind.236 Im Endeffekt sollen durch § 650f Abs. 1 S. 5 BGB also die Haftungsrisiken im Bürgschaftsverhältnis an das Darlehensverhältnis angeglichen werden. Mittelbar kommt dies vor allem dem Besteller zugute, 232

Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 183. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 371 leitet das Leistungsverweigerungsrecht sogar unmittelbar aus § 648a BGB a. F. bzw. § 650f BGB ab, weil der Widerruf einem fruchtlosen Fristablauf gleichstehe. Diese weitgehende Interpretation erscheint jedoch nicht mit dem Wortlaut vereinbar. Vorzugswürdig ist, in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Vorschrift des § 321 BGB abzustellen. So auch BT-Drs. 12/1836, S. 9; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 82 f.; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 122 f. 234 BT-Drs. 12/1836, S. 9 nimmt auf die Vorgängerregelung des § 610 BGB a. F. Bezug. 235 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 175 zu § 610 BGB a. F. 236 Siehe zur alten Rechtslage BT-Drs. 12/1836, S. 9; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 162; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 175, 185; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 82. 233

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weil er vor höheren Avalkosten und einer stärkeren Belastung seiner Kreditlinie bewahrt wird.237 Unter diesen pragmatischen Gesichtspunkten lässt sich der – dem Wesen des Bürgschaftsrechts eigentlich entgegenstehende – Widerrufsvorbehalt durchaus rechtfertigen. dd) Inanspruchnahme der Bankbürgschaft Bei der Inanspruchnahme der Bankbürgschaft ist schließlich § 650f Abs. 2 S. 2 BGB zu beachten. Bereits erwähnt wurde, dass dem bürgenden Kreditinstitut oder Kreditversicherer jedenfalls gemäß § 349 S. 1 HGB die Einrede der Vorausklage verwehrt bleibt. Im Zeitpunkt der Fälligkeit seines gesicherten Anspruchs kann sich der Auftragnehmer daher grundsätzlich unmittelbar an den Bürgen wenden. Dessen ungeachtet trifft § 650f Abs. 2 S. 2 BGB eine gegensätzliche Bestimmung: Danach darf die Zahlung des Bürgen nur erfolgen, soweit der Besteller den Vergütungsanspruch anerkennt oder durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zwangsvollstreckung begonnen werden darf. De facto wird hierdurch wieder eine der Einrede der Vorausklage vergleichbare Hürde geschaffen. Zu beachten ist allerdings, dass § 650f Abs. 2 S. 2 BGB keine unmittelbaren Wirkungen zugunsten des Bürgen entfaltet.238 Primär regelt die Vorschrift, wann die Bank im Innenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber nicht zur Auszahlung der Bürgschaftssumme berechtigt ist.239 Hierauf deutet der Wortlaut „darf“ hin.240 Hierdurch wird die Bank mittelbar dazu befugt und gedrängt, die Einschränkung des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB in den Bürgschaftstext aufzunehmen. Andernfalls geht sie das Risiko ein, ihre Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber zu verletzen. Die Bankenpraxis hat sich auf die Integration entsprechender Textpassagen eingestellt.241 Da es sich bei § 650f Abs. 2 S. 2 BGB gemäß § 650f Abs. 7 BGB um zwingendes Recht handelt, kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber auch keine für ihn günstigere Sicherheit fordern.242

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Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 162. Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 260 ff.; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 149; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 271; vgl. BT-Drs. 12/1836, S. 10; im Ergebnis auch Schmitz, BauR 2006, 430. 239 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 260. 240 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 261. 241 A. Weber, WM 1994, 725, 728; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 149; Schmitz, BauR 2006, 430. 242 Sollte die Bank die Bürgschaft ausnahmsweise entgegen § 650f Abs. 2 S. 2 BGB ausgestellt haben, lässt dies die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags nach h. M. jedoch unberührt, weil sich die zwingende Wirkung des § 650f Abs. 7 BGB nicht auf das Sicherungsrecht als solches bezieht, vgl. BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 21; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 271, 273; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 149. 238

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Nach der Gesetzesbegründung soll § 650f Abs. 2 S. 2 BGB den Interessen des Bestellers und des bürgenden Kreditinstituts bzw. Kreditversicherers Rechnung tragen. Der Besteller soll davor geschützt werden, dass der Sicherungsgeber Zahlungen auf eine bestrittene Forderung erbringt und ihm hierdurch Mängeleinreden verloren gehen.243 Der Sicherungsgeber soll demgegenüber davor bewahrt werden, über die Berechtigung des (vermeintlichen) Vergütungsanspruchs entscheiden zu müssen.244 Diese vom Gesetzgeber vorgebrachte Begründung wird von der Literatur relativ kritiklos hingenommen.245 Das ist verwunderlich, weil die Sicherheit des Auftragnehmers durch die in § 650f Abs. 2 S. 2 BGB enthaltene Restriktion eine enorme Entwertung erfährt. Eine selbstschuldnerische Bürgschaft wird aufgrund ihrer Akzessorietät normalerweise mit der ihr zugrunde liegenden Hauptforderung fällig.246 Die Einbeziehung einer dem § 650f Abs. 2 S. 2 BGB entsprechenden Formulierung in den Bürgschaftstext statuiert demgegenüber eine Anspruchsvoraussetzung.247 Hierdurch wird die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung an die zusätzlichen Voraussetzungen des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB geknüpft.248 Die Fälligkeit der beiden Forderungen wird also unter Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips voneinander entkoppelt.249 Dies wirkt sich vor allem auf einen etwaigen Verzug des Bürgen aus.250 Sollte der Besteller die gesicherte Forderung nicht anerkennen, kommt ein Rückgriff auf den Bürgen nicht infrage, vielmehr muss der Auftragnehmer die Forderung zunächst im Prozesswege durchsetzen. Während dieses gegebenenfalls mehrjährigen Verfahrens wird der Auftragnehmer mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten belastet. Im Falle seines Obsiegens wird der (inzwischen häufig insolvente) Besteller oftmals nicht mehr dazu in der Lage sein, die eingeklagte Forderung, die Rechtsverfolgungskosten sowie den angefallenen Verzugsschaden zu begleichen. Der Auftragnehmer wird sich sodann an den Sicherungsgeber wenden. Dessen Haftung ist jedoch in der Praxis durch einen Höchstbetrag begrenzt.251 Der Bürge hat daher gemäß § 767 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Alt. 2 BGB nur im Rahmen der summenmäßigen Beschränkung für die angefallenen Rechtsverfolgungskosten und Verzugsschäden aufzukommen.252 Durch die pauschalisierte 10 %-Regelung des § 650f Abs. 1 S. 1 BGB werden gerade 243

BT-Drs. 12/1836, S. 10. BT-Drs. 12/1836, S. 10. 245 Kritisch soweit ersichtlich nur Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 202; Schmitz, BauR 2006, 430 ff.; Kniffka, BauR 2007, 246, 253; Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2909; Peters, NZBau 2011, 129, 130; jurisPK-BGB/Leicht, § 650f Rn. 8. 246 Hierzu statt aller grundlegend BGH NJW 2008, 1729, 1731 Rn. 24. 247 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 268; Schmitz, BauR 2006, 430, 431 unter Bezugnahme auf BGH NJW 2001, 3616, 3617. 248 Schmitz, BauR 2006, 430 f. 249 Schulze-Hagen, BauR 2016, 384, 399. 250 Anschaulich hierzu Schmitz, BauR 2006, 430, 431 f. 251 Siehe zu Höchstbetragsbürgschaften näher unten, S. 121. 252 Schmitz, BauR 2006, 430, 432. 244

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einmal die nach § 288 Abs. 2 BGB angefallenen Verzugszinsen für etwas über ein Jahr abgedeckt.253 Eine darüber hinausgehende selbstständige Verzugshaftung des Bürgen (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) scheidet demgegenüber aufgrund der nicht vorher fällig werdenden Bürgschaftsforderung aus.254 Hinzu kommt, dass der Sicherungsgeber an die zuvor ergangene Entscheidung nicht gebunden ist – das Urteil entfaltet ihm gegenüber keinerlei Rechtskraft.255 Dabei scheidet auch eine Streitverkündung aus, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 72 Abs. 1 ZPO ersichtlich nicht gegeben sind: Bei einem ungünstigen Ausgang des Vergütungsprozesses steht dem Bauunternehmer nämlich gerade kein Anspruch auf Schadloshaltung gegen den Bürgen zu.256 Schlimmstenfalls hat der Auftragnehmer also erneut den Klageweg zu beschreiten. Die Sicherheit wird hierdurch für den Auftragnehmer zu einem stumpfen Schwert. Ohne die Vorschrift könnte der Auftragnehmer (zusätzlich) sofort gegen den Bürgen vorgehen, Rechtsverfolgungskosten sparen, dessen Verzug begründen und den Sachverhalt abschließend klären lassen. Die Rechtsposition von Besteller und Sicherungsgeber wird demgegenüber – entgegen der gesetzgeberischen Intention – durch § 650f Abs. 2 S. 2 BGB nicht entscheidend verbessert. Auch bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft laufen die Einreden des Bestellers keineswegs ins Leere: Zahlt der Sicherungsgeber an den Auftragnehmer, kann dieser primär über §§ 675 Abs. 1, 670 BGB beim Auftraggeber Regress nehmen. Dies setzt allerdings voraus, dass er die Zahlung den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, hat der Bürge die Berechtigung des Gläubigers hinsichtlich der gesicherten Forderung sorgfältig zu überprüfen.257 Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs sind strenge Anforderungen zu stellen, da Kreditinstitute gewerbsmäßig mit der Übernahme von Bürgschaften betraut sind.258 Ausreichend ist demnach nicht die eigenmächtige Ermittlung des Sachverhalts anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen.259 Zusätzlich hat die Bank durch gezieltes Nachfragen eine Stellungnahme des Auftraggebers bezüglich potenzieller Einwendungen und Einreden einzuholen und

253

Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 202. Schmitz, BauR 2006, 430, 432. 255 Schmitz, BauR 2006, 430, 433 f.; vgl. allgemein BGH WM 1971, 614; BGH NJW 1980, 1460, 1461; BGH NJW 1987, 2076, 2077; BGH NJW 1989, 1276 f.; BGH NJW 1993, 1594, 1595; an diesem Dogma hält der BGH auch in der bedenkenswerten Entscheidung BGH NJW 2016, 3158 ff. fest. Faktisch nimmt er dort jedoch eine Rechtskrafterstreckung bezüglich der dem Bürgen nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB gebührenden Einreden vor. Die Entscheidung ist in der Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen. Vgl. hierzu MüKoBGB/Habersack, § 768 Rn. 18; Leitmeier, NJW 2017, 1273 ff.; Mayer, JZ 2017, 317 ff; Gröschler, WuB 2017, 16 ff. 256 Zöller/Althammer, § 72 Rn. 8; weiterführend Schmitz, BauR 2006, 430, 435 ff. 257 BGH NJW 1986, 310, 313; OLG Hamm NJW-RR 1997, 307, 308; OLG Celle BauR 2000, 1356. 258 Vgl. BGH NJW 1986, 310, 313. 259 BGH NJW 1986, 310, 313. 254

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entsprechenden Anhaltspunkten und Informationen gewissenhaft nachzugehen.260 Anhand dieser Erkenntnisse muss sie sich ein eigenes Urteil bilden.261 Den Auftraggeber trifft insoweit auch eine Mitwirkungspflicht.262 Durch dieses den Bürgen treffende Unterrichtungserfordernis kann der Auftraggeber seine Gegenrechte gegen den geltend gemachten Anspruch vorbringen. Freilich wird der Auftraggeber hierdurch mit einem Restrisiko belastet: Erfüllt die Bank ihre Sorgfaltspflichten, obwohl tatsächlich Einwendungen bestehen, wird der Auftraggeber mit dem Regressanspruch aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB belastet. Andererseits läuft auch der Sicherungsgeber Gefahr, seinen Regressanspruch zu verlieren, wenn er dem Vorbringen des Auftraggebers nicht ausreichend Rechnung trägt. Beide Seiten haben daher ein Interesse daran, ihre Risiken durch einen substantiierten Dialog zu minimieren. Dies ist entgegen dem ersten Eindruck äußerst positiv zu beurteilen, weil auf diese Weise ein frühzeitiger Informationsaustausch gewährleistet wird. Hingewiesen sei an dieser Stelle vor allem darauf, dass es für die Bank in der Insolvenz des Auftraggebers regelmäßig äußerst schwierig wird, an valide Informationen zu gelangen, da mit dem Sachverhalt befasste Ansprechpartner das Unternehmen oftmals schon verlassen haben.263 Das komplizierte Konstrukt des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB sollte daher aufgrund der überwiegenden Interessen des sicherungsbedürftigen Auftragnehmers aufgegeben werden.264 Auf die anfallende Avalprovision sollte dies keine nennenswerten Auswirkungen haben.265 Zudem wird hierdurch ein sich aufdrängender Wertungswiderspruch beseitigt. Nach seinem ausdrücklichen Wortlaut bezieht sich die Beschränkung des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB nur auf Kreditinstitute und Kreditversicherer. Theoretisch kann die Bürgschaft jedoch auch von einem tauglichen Dritten i. S. v. §§ 232 Abs. 2, 239 BGB – beispielsweise einem solventen Privatmann – gestellt werden.266 Dieser unterfällt ausdrücklich nicht dem Privilegierungstatbestand. Er hat daher gemäß § 239 Abs. 2 BGB eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen. Rechtfertigen lässt sich diese Differenzierung nur damit, dass unkundige Dritte im Gegensatz zu Banken in aller Regel nicht mit dem Mechanismus der Bauhandwerkersicherung vertraut sind. Sie sind daher mit der oben beschriebenen notwendigen Einbeziehung von § 650f Abs. 2 S. 2 BGB in den Bürgschaftsvertrag überfordert. Dies kann jedoch kein ernsthaftes Argument für eine ausschließliche Haftungsprivilegierung gewerbsmäßiger Bürgen sein. Vor diesem Hintergrund

260 BGH NJW 1986, 310, 313 f.; OLG Hamm NJW-RR 1997, 307, 308; OLG Celle BauR 2000, 1356. 261 OLG Hamm NJW-RR 1997, 307, 308. 262 OLG Celle BauR 2000, 1356. 263 Schmitz, BauR 2006, 430, 439. 264 So auch Schmitz, BauR 2006, 430, 440. 265 So jedenfalls Schmitz, BauR 2006, 430, 439 f. 266 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 187.

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verdient die in § 650f Abs. 2 S. 2 BGB enthaltene Restriktion des Sicherungsanspruchs die unrühmliche Bezeichnung „Bankenprivileg“. Schließlich kommt entscheidend hinzu, dass gewerbliche Auftraggeber zur Absicherung ihrer eigenen Risiken stets auf selbstschuldnerische Bürgschaften beharren. Dann sollte auch den Auftragnehmern – die eine solche Sicherheit aufgrund ihrer unterlegenen Verhandlungsposition regelmäßig nicht durchsetzen können – ein äquivalentes Sicherungsmittel zugestanden werden.267 ee) Rückgewähr der Bankbürgschaft Kann der Sicherungsfall nicht mehr eintreten, weil die gesicherte Hauptforderung vollständig erloschen oder dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist, steht dem Auftraggeber gegen seinen Auftragnehmer ein Anspruch auf Rückgewähr der Bürgschaft zu.268 Dogmatisch kann ein solcher Rückgewähranspruch unmittelbar auf die gesetzliche Sicherungsabrede des § 650f BGB gestützt werden: Nach Fortfall des Sicherungszwecks ist der ursprüngliche Rechtszustand wiederherzustellen.269 Im Fall der Bankbürgschaft besteht die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands grundsätzlich aus zwei Komponenten. Zum einen ist eine Enthaftung des Bürgen herbeizuführen.270 Zum anderen ist die Bürgschaftsurkunde zurückzugeben.271 (1) Enthaftung des Bürgen Primär ist der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, bei vollständigem oder teilweisem Fortfall des Sicherungszwecks, in entsprechendem Umfang die Bürgschaftsverpflichtung zum Erlöschen zu bringen. Der Auftragnehmer ist demnach dazu angehalten, der Bank einen Antrag auf Abschluss eines Erlassvertrags gemäß § 397 BGB zu unterbreiten.272 Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Abgabe solcher (Teil-)Enthaftungserklärungen erscheint prima facie 267

So zutreffend Schmitz, BauR 2006, 430, 438. Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 278; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 204. 269 Im Fall einer vertraglichen Sicherungsabrede folgt eine solche Rückgewährverpflichtung bei einer fehlenden oder unwirksamen Regelung aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1954 f. Rn. 46 ff.). Daher ist es nur konsequent, die Verpflichtung zur Rückgewähr bei einem normierten Anspruch auf die gesetzliche Sicherungsabrede zu stützen. 270 BGH NJW 2009, 218, 219 Rn. 11; BGH NJW 2011, 1282, 1283 Rn. 12, 1284 Rn. 25. 271 BGH NJW 2009, 218, 219 Rn. 11; BGH NJW 2011, 1282, 1284 Rn. 12, 1284 Rn. 25. 272 Der Abschluss eines Erlassvertrags ist erforderlich, weil schuldrechtliche Forderungen nicht durch einseitigen Verzicht zum Erlöschen gebracht werden können (BGH NJW 1987, 3203; BGH DNotZ 2016, 265, 268 Rn. 24). In der Praxis nimmt die Bank den Antrag des Sicherungsnehmers konkludent an. Der Zugang ihrer Annahmeerklärung ist gemäß § 151 S. 1 Alt. 1 BGB entbehrlich (vgl. BGH NJW 2013, 3102, 3104 Rn. 18; Staudinger/Bork, § 151 Rn. 8). 268

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überflüssig, weil sich die Enthaftung des Bürgen ipso iure vollzieht:273 Aufgrund des in § 767 Abs. 1 S. 1 BGB verankerten Akzessorietätsprinzips endet die Bürgschaftsverpflichtung mit dem Erlöschen der Hauptforderung. Eine Verringerung des gesicherten Vergütungsanspruchs – etwa infolge zwischenzeitlich erbrachter Abschlagszahlungen – wirkt sich demnach automatisch in entsprechendem Umfang auf die Bürgschaftsverpflichtung aus. Deshalb kann es auch, anders als bei nichtakzessorischen Sicherheiten, niemals zu einer nachträglichen Übersicherung im klassischen Sinne kommen.274 Der Erlassvertrag führt deshalb lediglich zur Konsolidierung der tatsächlich bestehenden Rechtslage. Seine Existenzberechtigung ergibt sich erst aus der rechtlichen Ausgestaltung des Avalkreditvertrags.275 Die Bank hat im Zweifel keine gesicherten Erkenntnisse vom teilweisen oder vollständigen Erlöschen der Hauptschuld. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist für sie deshalb einzig und allein der Höchstbetrag maßgeblich, für den sie sich ursprünglich verbürgt hat. In dieser Höhe besteht ihr theoretisches Haftungsrisiko.276 Vor diesem Hintergrund führen vom Auftraggeber zwischenzeitlich erbrachte Abschlags- und Schlussrechnungszahlungen, im Gegensatz zu korrespondierenden (Teil-)Enthaftungserklärungen, nicht zur Entlastung seiner Kreditlinie, zur Freigabe etwaiger Rückgriffssicherheiten und zur Reduzierung bzw. zum Wegfall der Avalprovision.277 Aus diesem Grund ist der formale Enthaftungsanspruch für den Besteller unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von enormer Bedeutung. Die stufenweise Enthaftung kann alternativ auch vollzogen werden, indem die ursprüngliche Bürgschaftsurkunde stetig gegen eine Bürgschaftsurkunde mit angepasstem Höchstbetrag ausgetauscht wird. In der Praxis ist ein so umständliches Vorgehen allerdings eher die Ausnahme. Kommt der Auftragnehmer seiner sukzessiven Enthaftungsverpflichtung nicht nach, ist der Auftraggeber berechtigt, weitere Abschlagszahlungen gemäß § 273 Abs. 1 BGB zurückzuhalten.278 Darüber hinaus wird die Abgabe von Enthaftungserklärungen über die Regelung zur Kostentragung nach § 650f Abs. 3 S. 1 BGB, die noch näher erläutert wird279, sichergestellt. 273 Vgl. hierzu BGH NJW 2015, 1952, 1955 Rn. 49: „Wegen der Akzessorietät der Bürgschaft bedarf es einer Rückgewähr der Sicherheit selbst im engeren Sinne nach dem (teilweisen) Wegfall des Sicherungszwecks nicht.“ 274 Banzhaf/Buchinger, NZBau 2010, 539, 541. 275 Vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1954 Rn. 40, 1955 Rn. 49; Banzhaf/Buchinger, NZBau 2010, 539, 541. 276 Vgl. auch Blesch/Meyer/Steinwachs, Rn. 88: „Das sich […] für die Praxis ergebende Problem besteht darin, dass der Bürge das Grundgeschäft in aller Regel nicht aus eigener Kenntnis beurteilen, sich im Außenverhältnis also so lange nicht aus der Haftung befreit ansehen kann, als er nicht zweifelsfrei vom Bürgschaftsnehmer aus dieser entlassen wurde.“ 277 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 287; Banzhaf/Buchinger, NZBau 2010, 539, 540. 278 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 14 und Staudinger/Peters, § 650f Rn. 11, jeweils ohne explizite Nennung des § 273 Abs. 1 BGB. 279 Hierzu ausführlich unten, S. 87 ff.

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(2) Rückgabe der Bürgschaftsurkunde Die Bürgschaftsurkunde ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Bürgen.280 Ebenso wenig führt ihre Rückgabe – im Gegensatz zum ausdrücklich geschlossenen Erlassvertrag – zwangsläufig zum Erlöschen der Bürgschaftsforderung.281 Dogmatisch handelt es sich bei ihr um einen Schuldschein.282 Die im Besitz des Gläubigers befindliche Urkunde stellt daher, im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO, ein signifikantes Beweisanzeichen dafür dar, dass die Bürgschaftsforderung entstanden ist und auch noch fortbesteht.283 Durch die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und den damit verbundenen Besitzwechsel wird demgegenüber das Erlöschen der Bürgschaftsforderung indiziert.284 Zwar erscheint es naheliegend, dass mit der Rückgabe darüber hinaus ein konkludenter Antrag auf Abschluss eines Erlassvertrags verbunden ist, zwingend ist dies jedoch keineswegs. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Verzichtswillens.285 Letztlich sind deshalb stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend.286 Um eine missbräuchliche Verwendung der Beweisposition auszuschließen, kann die Bank vom Auftragnehmer bei Fortfall des Sicherungszwecks gemäß § 371 S. 1 BGB die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde verlangen.287 Daneben kann auch der Auftraggeber auf Grundlage der gesetzlichen Sicherungsabrede Rückgabe an den Bürgen oder an sich selbst verlangen.288 Zu beachten ist allerdings, dass es sich hierbei nach der Rechtsprechung um eine Hol- und keine Schickschuld handelt.289 280

Banzhaf/Buchinger, NZBau 2010, 539, 540. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 293. 282 BGH NJW 2009, 218, 219 Rn. 11. 283 BGH NJW 2009, 218, 219 Rn. 11; BeckOGK BGB/Looschelders, § 371 Rn. 2. 284 Palandt/Grüneberg, § 371 Rn. 2. 285 Vgl. BGH NJW 2006, 1511, 1512 Rn. 10; BGH NJW 2008, 2842, 2843 Rn. 20. 286 Vgl. hierzu die Auslegung des OLG Dresden BB 1999, 497. 287 § 371 S. 1 BGB nimmt auf die Erteilung einer Quittung Bezug (§ 368 BGB) und steht systematisch im Zusammenhang mit den Erfüllungsvorschriften. Dies deutet darauf hin, dass der Anspruch nur in den Fällen der §§ 362 Abs. 1, 364 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommt. Der Sinn und Zweck des § 371 BGB ist jedoch nicht mit dem des § 368 BGB vergleichbar. § 368 BGB soll dem Schuldner den Beweis über die erbrachte Leistung ermöglichen. Demgegenüber verfolgt § 371 BGB das Ziel, einer missbräuchlichen Verwendung von Beweismitteln entgegenzutreten. Dieses Missbrauchsrisiko besteht jedoch auch dann, wenn die Forderung nie entstanden, anderweitig erloschen oder dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist. Deshalb ist § 371 BGB nach herrschender Meinung auf diese Fälle entsprechend anzuwenden. Vgl. hierzu statt aller BeckOGK BGB/Looschelders, § 371 Rn. 6 ff., 19, 22 und MüKoBGB/ Fetzer, § 371 Rn. 5, jeweils m. w. N.; zur Anwendung des § 371 BGB bei erfolgreicher Aufrechnung explizit BGH NJW-RR 2008, 1512, 1513 Rn. 17; zur Anwendung des § 371 BGB bei begründeter Erhebung der Verjährungseinrede ausdrücklich OLG Karlsruhe IBRRS 2009, 3959; OLG Schleswig BeckRS 2011, 17638; OLG Köln NJW-RR 2015, 793. 288 Vgl. hierzu die verallgemeinerungsfähigen Ausführungen von BGH NJW 2009, 218, 219 Rn. 12 ff. 281

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(3) Abweichende Rechtslage bei Vereinbarung einer Rückgabeklausel? Weiter oben wurde bereits aufgezeigt, dass Bankbürgschaften nahezu immer eine sog. Rückgabeklausel enthalten, wonach die Haftungsverpflichtung der bürgenden Bank (spätestens) mit Rückgabe der Originalurkunde erlischt.290 Eine solche Klausel kann – in Abhängigkeit von ihrer Auslegung – auch Einfluss auf die Enthaftung des Bürgen nehmen. Teilweise wird vertreten, dass eine solche Klausel eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) enthält.291 Bei Zugrundelegung eines solchen Verständnisses würde bereits die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde die vollständige Enthaftung des Bürgen bewirken. Der Abschluss eines zusätzlichen Erlassvertrags zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer wäre damit bei vollständigem Fortfall des Sicherungszwecks obsolet. Nach Auffassung anderer dienen Rückgabeklauseln hingegen lediglich der Beweiserleichterung.292 Der Gehalt einer solchen Klausel erschöpfe sich darin, dass mit Rückgabe der Bürgschaftsurkunde zugunsten des Sicherungsgebers vermutet wird, der Sicherungsnehmer habe ihm einen Antrag auf Abschluss eines Erlassvertrags hinsichtlich der Bürgschaftsforderung unterbreitet.293 Nach dieser Auffassung ist die Bank aus Gründen der Rechtssicherheit auch bei Vereinbarung einer Rückgabeklausel auf den ausdrücklichen Abschluss eines Erlassvertrags angewiesen, da dem Sicherungsnehmer andernfalls die Erbringung des Gegenbeweises offensteht. Die von der zweiten Auffassung vertretene Auslegung wirkt zunächst äußerst fernliegend und konstruiert. Aus der Rückgabeklausel geht eindeutig hervor, dass die Bürgschaft mit Wiedererlangung der Bürgschaftsurkunde und gerade nicht erst mit Abschluss eines Erlassvertrags erlöschen soll. Darüber hinaus besteht das Ziel von Rückgabeklauseln darin, abschließende Gewissheit über das Erlöschen der Bürgschaftsforderung zu erhalten. Mit dieser Zwecksetzung ist die Annahme einer bloßen Beweiserleichterung unvereinbar. Die Vertreter der zweiten Auffassung begründen ihre Sichtweise maßgeblich mit den schutzwürdigen Interessen des Sicherungsnehmers. Bei einer anderweitigen Auslegung führe bereits die vom natürlichen Willen getragene Besitzänderung zu einem Erlöschen der Bürgschaftsforderung.294 289 OLG Celle BauR 2010, 1079, 1080; LG Berlin BeckRS 2013, 13568; LG Karlsruhe NJOZ 2008, 1164, 1165 f. 290 Zu den Auswirkungen einer solchen Rückgabeklausel auf die einzuhaltende Form des Bürgschaftsvertrags bereits oben, S. 63. 291 OLG Dresden NJW 2015, 2817, 2819 Rn. 19; KG NJW 1963, 661, 663; OLG München MDR 1979, 1029; AG Gütersloh ZIP 1982, 1250; Schröter, WuB I K 3. – 2.86; diese Auffassung muss im Ergebnis auch BGH NJW 1971, 701, 702 zugrunde liegen, weil hiernach der Bürge bei Vereinbarung einer Rückgabeklausel nicht zusätzlich durch besondere Erklärung aus der Haftung entlassen werden muss. 292 OLG Hamburg NJW 1986, 1691 f.; OLG München DNotZ 2004, 52, 53 f.; v. Stebut, EWiR 1986, 779, 780. 293 So ausdrücklich OLG München DNotZ 2004, 52, 54. 294 OLG Hamburg NJW 1986, 1691, 1692; OLG München DNotZ 2004, 52, 54.

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Da es sich hierbei um einen rein tatsächlichen Vorgang handle, komme eine Anfechtung gemäß §§ 119 f. BGB nicht in Betracht.295 Dies führe zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Sicherungsnehmers, weil er bei einer versehentlichen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde seine Personalsicherheit ohne Anfechtungsmöglichkeit verliere.296 Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Sieht man in der Rückgabeklausel eine auflösende Bedingung, geht mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde nicht nur die bloße Besitzübertragung, sondern auch das Erlöschen der Bürgschaftsforderung einher. Folglich handelt es sich gerade nicht nur um einen tatsächlichen, sondern um einen rechtsgeschäftsähnlichen Vorgang, auf den §§ 119 f. BGB entsprechend angewendet werden können.297 Hierdurch wird der Sicherungsnehmer vor einer unverhältnismäßigen Belastung bei einer versehentlichen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde geschützt.298 Zugleich wird durch eine solche Auslegung dem Wortlaut und der Intention der Rückgabeklausel Rechnung getragen. Folglich ist der ersten Auffassung zu folgen. Dennoch sollte aus rechtspraktischer Sicht bis zur abschließenden höchstrichterlichen Klärung der Streitfrage, neben der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde, stets auf die Abgabe einer zusätzlichen Enthaftungserklärung bestanden werden.299 d) Die Handlungsmöglichkeiten des Auftragnehmers im Rahmen von § 650f BGB Sollte der Auftraggeber die Sicherheit nicht leisten, kann der Bauunternehmer seinen Sicherungsanspruch klageweise geltend machen. Darüber hinaus steht ihm nach fruchtlosem Fristablauf ein Leistungsverweigerungs- oder Kündigungsrecht zu (§ 650f Abs. 5 S. 1 BGB). aa) Die gerichtliche Geltendmachung des Sicherungsanspruchs Bei der gerichtlichen Geltendmachung des in § 650f Abs. 1 S. 1 BGB normierten Anspruchs ist strikt zwischen dem Vergütungs- und dem Sicherungsprozess zu differenzieren. Der Vergütungsprozess dient der endgültigen Befriedigung des Bauunternehmers und der genauen Ermittlung der ihm zustehenden Vergütungshöhe. Demgegenüber hat der im Rahmen von § 650f BGB geführte Sicherungsprozess 295

OLG Hamburg NJW 1986, 1691, 1692; OLG München DNotZ 2004, 52, 54. Mit einer versehentlichen Rückgabe hatte sich das OLG Hamburg NJW 1986, 1691 f. zu befassen. 297 So zutreffend Schröter, WuB I K 3. – 2.86. 298 Im Fall des OLG München DNotZ 2004, 52 ging es hingegen um die Sonderkonstellation eines die Bürgschaftsurkunde verwahrenden Notars. Gibt der verwahrende Notar die Bürgschaftsurkunde vorzeitig heraus, begeht er eine Amtspflichtverletzung. In diesem Fall wird der Sicherungsnehmer ausreichend über den ihm gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 BnotO zustehenden Schadensersatzanspruch geschützt. 299 Diese Empfehlung wird auch von Blesch/Meyer/Steinwachs, Rn. 318 ausgesprochen. 296

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lediglich den vorläufigen Schutz des Vergütungsanspruchs zum Gegenstand. Prozessual muss der Anspruch auf Sicherheitsleistung demzufolge schneller durchsetzbar sein als der zugrunde liegende Vergütungsanspruch.300 Andernfalls wäre der Sicherungsanspruch nicht dazu in der Lage, den von ihm verfolgten Zweck zu erfüllen.301 Ein Beweisverfahren zur exakten Feststellung der Vergütungs- und der damit einhergehenden Sicherungshöhe hat daher zu unterbleiben. Diese Sichtweise liegt auch den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 06. 03. 2014302 und des Kammergerichts vom 15. 06. 2018303 zugrunde. Dennoch kommen die beiden Urteile in einem entscheidenden prozessrechtlichen Punkt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher ist eine nähere Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Entscheidungen erforderlich. (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06. 03. 2014 In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt forderte ein Bauunternehmer von seinem Besteller Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 S. 1 BGB für die vereinbarte und noch nicht bezahlte Vergütung einschließlich der gesetzlichen Pauschale für Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 97.866,66 E. Vorausgegangen war dem Sicherungsverlangen eine freie Kündigung des Bestellers. Im Kern stellte sich also die Frage, ob die nahezu immer gegebene Reduzierung des ursprünglichen Vergütungsanspruchs infolge der freien Kündigung (vgl. § 648 S. 2 BGB bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B) auf die Sicherungshöhe durchschlägt. Die bis dahin überwiegende Instanzrechtsprechung sprach sich im Unterschied zur Literatur gegen eine Anpassung der Sicherungshöhe aus.304 Der Bundesgerichtshof wählte hingegen eine differenzierende Betrachtungsweise. Den Bauunternehmer treffe die Verpflichtung, seinen Vergütungsanspruch in der Höhe schlüssig darzulegen, wie er sich im Zeitpunkt des Sicherungsverlangens darstelle.305 Im Falle einer freien Kündigung habe er daher nicht nur den ursprünglich vereinbarten Vergütungsanspruch, sondern auch seine ersparten Kosten und einen anrechenbaren anderweitigen Erwerb schlüssig darzulegen.306 Gelinge ihm dies, habe das Gericht dem Sicherungsbegehren des Bauunternehmers stattzugeben. Eine Klärung von Streitfragen bezüglich der Vergütungshöhe habe im Sicherungsprozess generell zu unterbleiben.307 Dies könne sowohl dem Sinn und Zweck als auch dem Wortlaut von § 650f BGB entnommen werden.308 Zum einen hätten selbst berechtigte Män300 301 302 303 304 305 306 307 308

Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1188. Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1188. BGH NJW 2014, 2186. KG NJW 2019, 683. Zum damaligen Streitstand BGH NJW 2014, 2186, 2187 Rn. 17 f. m. w. N. BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 24. BGH NJW 2014, 2186, 2187 f. Rn. 21, 23; siehe hierzu näher unten, S. 86 f. BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 26. BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 26.

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gelrügen keinerlei Auswirkungen auf die Höhe des Sicherungsanspruchs.309 Zum anderen blieben bei der Bestimmung der Sicherungshöhe grundsätzlich Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller aufrechnen könne (§ 650f Abs. 1 S. 4 BGB).310 Der Gesetzgeber habe sich dementsprechend bewusst dafür entschieden, dass es ex post zu einer Übersicherung des Bauunternehmers kommen könne.311 Daher könne der Besteller beispielsweise auch nicht mit der bestrittenen Behauptung gehört werden, dass der Bauvertrag außerordentlich gekündigt worden sei und dem Bauunternehmer infolgedessen für seine entfallenen Leistungen kein Vergütungsanspruch mehr zustehe.312 Der Bundesgerichtshof ist sich hierbei bewusst, dass die von ihm vertretene Auffassung zu einer erheblichen Mehrbelastung der Kreditlinie des Bestellers führen kann.313 Letztlich habe der Gesetzgeber jedoch das Interesse des Bauunternehmers an einer umfassenden Sicherung seines Vergütungsanspruchs über die Interessen des Bestellers gestellt.314 Dies sei zu respektieren. (2) Die Entscheidung des Kammergerichts vom 15. 06. 2018 Das Kammergericht hatte sich wenige Jahre später mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu beschäftigen. Auch hier forderte ein Bauunternehmer vom Besteller eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f Abs. 1 BGB. Daraufhin erklärte der Besteller dem Bauunternehmer die außerordentliche Kündigung des Bauvertrags. Nachdem der Besteller die Sicherheit nach fruchtlosem Fristablauf nicht geleistet hatte, erklärte der Auftragnehmer seinerseits die Kündigung des Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB. Danach legte er dem Besteller die Schlussrechnung über die Kündigungsvergütung in Höhe von 557.131,85 E vor.315 Diese wurde vom Besteller nicht beglichen. Deshalb verlangte der Bauunternehmer vom Besteller erneut Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe des ausstehenden Schlussrechnungsbetrags. Auch dem kam der Besteller nicht nach, was letztlich zur gerichtlichen Geltendmachung des Sicherungsanspruchs führte. Das Landgericht Berlin gab der Klage vollumfänglich statt. Das Kammergericht kürzte den Sicherungsanspruch hingegen auf 291.714,37 E, obwohl der Bauunternehmer seine Kündigungsvergütung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schlüssig dargelegt hatte und ein Beweisverfahren über Streitfragen bezüglich der Vergütungshöhe unterblieben war. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Kammergericht, anders als der Bundesgerichtshof, die schlüssige Darlegung des Vergütungsanspruchs lediglich als Basis 309

BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 28. BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 28. 311 BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 28. 312 BGH NJW 2014, 2186, 2188 Rn. 29. 313 BGH NJW 2014, 2186, 2189 Rn. 30. 314 BGH NJW 2014, 2186, 2189 Rn. 30. 315 Die Kündigungsvergütung nach § 650f Abs. 5 S. 2 BGB entspricht derjenigen einer freien Kündigung i. S. v. § 648 S. 2 BGB bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. 310

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für die Bemessung der Sicherungshöhe betrachtet.316 Hierauf aufbauend stehe es dem Gericht frei, die endgültige Sicherungshöhe nach freier Überzeugung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen.317 Das Gericht könne dem Bauunternehmer demzufolge auch eine Sicherheitsleistung zusprechen, die geringer sei als die von ihm schlüssig dargelegte Vergütungsforderung.318 Eine solche Herabsetzung komme unter Würdigung der beiderseitigen Prozessrisiken insbesondere dann in Betracht, wenn die schlüssige Darlegung des Vergütungsanspruchs vom Besteller bestritten werde und es nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass der Bauunternehmer im Vergütungsprozess vollständig obsiege.319 (3) Stellungnahme Das Kammergericht stützt seine abweichende Auffassung im Wesentlichen auf drei Gesichtspunkte. In erster Linie würden systematische Gründe für die Heranziehung des § 287 Abs. 2 ZPO sprechen. Die Zivilprozessordnung kenne abseits der §§ 287, 598 ZPO keine Möglichkeit, ein Urteil ohne erschöpfende Beweisaufnahme auf der Basis des schlüssigen Klägervortrags zu erlassen, obwohl dieser von der Gegenseite bestritten wird.320 Zwar diene das Prozessrecht der Durchsetzung des materiellen Rechts.321 Doch könne daraus nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass § 650f Abs. 1 BGB einen einzigartigen Sondertatbestand enthalte.322 Maßgeblicher Orientierungspunkt sei daher § 287 Abs. 2 ZPO: Da die Aufklärung der Forderungshöhe im Sicherungsprozess wegen der aus dem Sicherungsinteresse des Unternehmers resultierenden Eilbedürftigkeit zu unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führe, habe eine vollständige Beweisaufnahme über diese Streitfrage zu unterbleiben.323 Das Gericht müsse die Forderungshöhe folglich durch Schätzung und nicht ausschließlich anhand des schlüssigen Klägervortrags feststellen. Dies sei auch angemessen, um einen fairen Ausgleich zwischen dem Interesse des Auftragnehmers an einem zügigen Prozess und dem Interesse des Auftraggebers an einem Schutz vor Übersicherung zu gewährleisten.324 Dem Eilbedürfnis des Auftragnehmers werde bereits durch die unterbliebene Beweisaufnahme über Gegenrechte des Bestellers Rechnung getragen.325 Wäre darüber hinaus einzig und allein sein schlüssiger Vortrag für die Sicherungshöhe entscheidend, käme es zu einer

316 317 318 319 320 321 322 323 324 325

KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 25. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 25; so auch schon Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1187 ff. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 25. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 26. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 28. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 28. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 28. KG NJW 2019, 683, 684 Rn. 28 f. KG NJW 2019, 683, 684 f. Rn. 30. KG NJW 2019, 683, 684 f. Rn. 30.

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weiteren Benachteiligung des Auftraggebers.326 Die Korrekturmöglichkeit der richterlichen Schätzung vermeide dieses unbillige Ergebnis.327 Zwar räumt das Kammergericht ein, dass die richterliche Schätzung zu unscharfen Ergebnissen führen könne. Diese Ungenauigkeit beruhe jedoch nicht auf der Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO, sondern auf den faktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Kündigungsvergütung.328 Da die Abrechnung des Auftragnehmers auf zahlreichen Hypothesen beruhe, müsse es dem Gericht möglich sein, Korrekturen vorzunehmen.329 Pauschalierungen seien in diesem Zusammenhang unvermeidbar.330 Zuzugestehen ist dem Kammergericht, dass es nicht unproblematisch erscheint, den Justizgewährungsanspruch des Bestellers aus Art. 20 Abs. 3 GG unter Berufung auf den bloßen Wortlaut und Telos des § 650f BGB einzuschränken.331 Prima facie erscheint es daher durchaus nachvollziehbar, auf den ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestand des § 287 Abs. 2 ZPO abzustellen. Bei näherer Betrachtung wird hierdurch jedoch der Grundsatz, wonach das Prozessrecht dem materiellen Recht zu dienen hat, in sein Gegenteil verkehrt.332 Durch das Einfallstor der richterlichen Schätzung wird letztlich entgegen der materiellrechtlichen gesetzgeberischen Wertung den Gegenrechten des Bestellers Rechnung getragen.333 Durch die hiermit regelmäßig einhergehende Kürzung seines Vergütungsanspruchs wird dem Unternehmer auf unsicherer Tatsachengrundlage die Möglichkeit genommen, seinen vollen Vergütungsanspruch abzusichern. Ein solches Vorgehen ist nicht mit dem Charakter eines Sicherungsanspruchs, der den Bauunternehmer vor der Insolvenz seines Vertragspartners schützen soll, vereinbar. Aus diesem Grund bildet § 650f BGB trotz der nachvollziehbaren Bedenken des Kammergerichts einen Sondertatbestand. Vor diesem Hintergrund können auch die übrigen Argumente des Kammergerichts nicht überzeugen: Die Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hat gerade keinen angemessenen Interessenausgleich zur Folge. Das Kammergericht hat in seinem Urteil aufgrund von hypothetischen Annahmen bzw. gerichtlicher Erfahrung eine Kürzung der Kündigungsvergütung um nahezu 50 % vorgenommen. Statt der ursprünglich geforderten 557.131,85 E wurde dem Bauunternehmer lediglich eine Sicherheit in Höhe von 291.714,37 E zugesprochen. Die Schätzung des Gerichts im Sicherungsprozess mag sich im Vergütungsprozess als zutreffend erweisen. Doch besteht auch eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit für eine (absolute) Fehlein326 327 328 329 330 331 332 333

KG NJW 2019, 683, 684 f. Rn. 30. KG NJW 2019, 683, 684 f. Rn. 30. KG NJW 2019, 683, 685 Rn. 33. KG NJW 2019, 683, 685 Rn. 33. KG NJW 2019, 683, 685 Rn. 32. So die Bedenken von Schwenker, NJW 2014, 2189, 2190. Joussen, NJW 2019, 636, 638. Joussen, NJW 2019, 636, 638.

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schätzung des Gerichts. Eine hierdurch verursachte Untersicherung des Bauunternehmers hätte weit gravierendere Folgen als eine eventuelle Übersicherung. Kommt das Gericht im Vergütungsprozess entgegen seiner ursprünglichen Erwartung zu dem Ergebnis, dass die dem Auftragnehmer tatsächlich zustehende Kündigungsvergütung nicht nur 291.714,37 E, sondern beispielsweise 350.000 E beträgt, wäre der Bauunternehmer in Höhe des Differenzbetrags dem zwischenzeitlichen Insolvenzrisiko seines Auftraggebers ausgesetzt. Dieses Resultat steht dem Charakter des Sicherungsanspruchs aus § 650f BGB diametral entgegen. Es sei an dieser Stelle nochmals betont, dass auch eine Übersicherung des Bestellers zu einer erheblichen Belastung seiner Kreditlinie führen kann. Letztlich darf diese Erwägung jedoch nicht – entgegen der gesetzlichen Wertung des § 650f BGB – zu einer unverhältnismäßigen Risikoverlagerung auf den Auftragnehmer führen. Insoweit ist die vom Bauunternehmer schlüssig dargelegte Höhe des Vergütungsanspruchs im Rahmen der richterlichen Entscheidung hinzunehmen. Die Berechnung der Kündigungsvergütung beruht zwar in der Regel auf einem nicht ganz so sicheren Zahlenwerk. Daraus folgt jedoch nicht das Recht des Gerichts, eine pauschale Korrektur vorzunehmen. Ein Sicherungsanspruch kann seinen Zweck nur dann erfüllen, wenn das Insolvenzrisiko des Bestellers bis zur endgültigen Klärung der Vergütungshöhe im Vergütungsprozess vollumfänglich ausgeschlossen wird. Dieser Zielsetzung wird die Auffassung des Kammergerichts nicht gerecht. Ihr kann daher nicht gefolgt werden.334 (4) Folgerungen für die Behandlung von Einheitspreisverträgen und Nachtragsforderungen Aus den soeben gezogenen Schlussfolgerungen lassen sich weitergehende Konsequenzen für Einheitspreisverträge und Nachtragsforderungen ziehen. Bei Pauschalpreisverträgen steht die endgültig zu bezahlende Vergütung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fest.335 Spätere Über- oder Unterschreitungen des vertraglich festgesetzten Mengenansatzes lassen die ursprünglich vereinbarte Pauschalsumme dementsprechend unberührt.336 Daher bereitet die Feststellung der abzusichernden Vergütungshöhe keine Probleme.337 Beim Einheitspreisvertrag sind hingegen die tatsächlich erbrachten Leistungen für die endgültige Vergütungshöhe maßgeblich.338 Im Vertrag selbst werden nur die Einheitspreise für die verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses fixiert.339 Aus diesem Grund bereitet die Bestimmung der endgültigen Vergütungshöhe vor allem im Anfangsstadium eines 334 So auch Joussen, NJW 2019, 636, 637 f.; Reichelt/Lye, ZfIR 2018, 788, 789; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 28 m. Fn. 112. 335 MüKoBGB/Busche, § 631 Rn. 92. 336 MüKoBGB/Busche, § 631 Rn. 92. 337 Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 55. 338 Locher, Baurecht, Rn. 295. 339 Locher, Baurecht, Rn. 295.

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Bauvorhabens besondere Schwierigkeiten.340 Für das Anfordern der Sicherheit und deren gerichtliche Durchsetzung hat jedoch auch hier aus den oben genannten Gründen die schlüssige Darlegung der Vergütungshöhe durch den Auftragnehmer zu genügen.341 Vergleichbare Probleme können auch bei der Absicherung von Nachtragsforderungen auftreten. Besteht zwischen den Bauvertragsparteien hinsichtlich der Nachtragsforderung dem Grunde und der Höhe nach Einigkeit, bereitet die Geltendmachung des Sicherungsanspruchs und die Berechnung der Sicherungshöhe keinerlei Schwierigkeiten. Diese treten hingegen dann auf, wenn zwischen den Bauvertragsparteien Streit über die Höhe der Nachtragsvergütung herrscht. Darüber hinaus kann auch schon das Bestehen der Nachtragsforderung dem Grunde nach streitig sein, weil der Besteller den Standpunkt vertritt, dass die vermeintlichen Zusatzleistungen bereits vom ursprünglichen Vertrag abgedeckt sind. Fraglich erscheint, wie diese beiden Fallkonstellationen – Streit dem Grunde nach und Streit der Höhe nach – rechtlich zu beurteilen sind. Hierzu findet sich in der Rechtsprechung und im Schrifttum ein breites Meinungsspektrum. Einige vertreten die Auffassung, dass Nachtragsforderungen nur im Falle einer zwischen den Bauvertragsparteien getroffenen Preisabrede sicherungsfähig seien.342 Begründet wird diese Sichtweise mit dem Wortlaut des § 650f Abs. 1 S. 1 BGB, der von „in Zusatzaufträgen vereinbarter Vergütung“ spricht. Eine so eindeutige Formulierung lasse keinen Interpretationsspielraum zu.343 Sicherungsfähig sind nach dieser Ansicht also nur dem Grunde und der Höhe nach unstreitige Nachtragsforderungen. Diese Sichtweise ist mit der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum344 abzulehnen. Eine so spitzfindige Auslegung ist nicht mit dem bauvertraglichen Kooperationsgebot und dem Sinn und Zweck der Bauhandwerkersicherung in Einklang zu bringen. Hätte die Mindermeinung Recht, könnte der Auftraggeber den Sicherungsanspruch für Zusatzaufträge einseitig zu Fall bringen, indem er sich einer

340

Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 57. So zutreffend Schmitz, NZBau 2014, 484, 485; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 57; Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1190 befürwortet hingegen auch in diesem Fall eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO. Diese Auffassung ist aus den oben bereits genannten Gründen abzulehnen. 342 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 166 f.; Joussen, NZBau 2018, 105; LG Berlin BeckRS 2017, 111329 Rn. 36; so im Ergebnis auch V. Schmidt, NJW 2013, 497, 501; LG Halle BauR 2016, 1057; OLG Brandenburg BauR 2016, 866, 874. 343 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 166; LG Berlin BeckRS 2017, 111329 Rn. 36. 344 Rodemann/Bschorr, BauR 2013, 845 ff.; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 567; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 47; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 49; Fuchs, BauR 2012, 326, 337; Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1190; Mayr/v. Berg, BauR 2019, 1027, 1030; Hilgers, BauR 2016, 315, 319; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann/Hofmann, S. 140. 341

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Preisvereinbarung entzieht.345 Dieses Ergebnis ist untragbar. Es läuft der gesetzgeberischen Zielsetzung entgegen, dem Bauunternehmer einen effektiven Sicherungsanspruch für seine auch aus Zusatzaufträgen resultierende Vergütung zu gewähren und ermutigt den Auftraggeber zu einem unkooperativen Verhalten. Unter der „vereinbarten Vergütung“ i. S. v. § 650f Abs. 1 S. 1 BGB ist demgemäß nicht die exakte Festlegung der Vergütungshöhe, sondern das bloße Bestehen des Vergütungsanspruchs zu verstehen. Nachtragsforderungen entstehen als „Rechtsreflex“346 bereits automatisch mit der Ausübung des einseitigen Anordnungsrechts aus § 650b Abs. 2 S. 1 BGB bzw. § 1 Abs. 3 oder 4 S. 1 VOB/B.347 Eine explizite Preisvereinbarung ist demnach keine konstitutive Voraussetzung für die Sicherungsfähigkeit von Nachtragsforderungen. Die Gegenstimmen wollen dem Auftragnehmer hingegen schon dann eine Absicherung seines Mehrvergütungsanspruchs gewähren, wenn es ihm gelingt, die Nachtragsforderung dem Grunde und der Höhe nach schlüssig darzulegen.348 Nach dieser Auffassung hat der Bauunternehmer daher im Streitfall weder die Höhe noch das Zustandekommen der Nachtragsforderung zu beweisen. Dies erscheint allerdings zu weitgehend. Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06. 03. 2014 kann nicht entnommen werden, dass der Auftraggeber im Sicherungsprozess nicht mit Einwendungen gegen die Entstehung des (Mehr-)Vergütungsanspruchs gehört wird. Seine Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Berechnung der gesicherten Forderung. Daraus, dass der Besteller im Sicherungsprozess nicht mit der Behauptung gehört wird, der Bauvertrag sei durch außerordentliche Kündigung beendet worden, folgt nichts anderes.349 Die außerordentliche Kündigung führt nur zu einer Reduzierung des ursprünglichen Vergütungsanspruchs. Sie lässt die Frage, ob der Vergütungsanspruch im Ausgangspunkt wirksam entstanden ist, unberührt.350 Auch dem Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut von § 650f BGB kann nichts anderes entnommen werden. Nach § 650f Abs. 1 S. 4 BGB sind im Sicherungsprozess lediglich streitige Gegenforderungen unbeachtlich, die zu einer Verringerung des (Mehr-)Vergütungsanspruchs führen. Über das Zustandekommen der (Nachtrags-) Forderung wird hingegen keine Aussage getroffen. Vor diesem Hintergrund hat der Bauunternehmer auf Bestreiten des Bestellers den Anspruchsgrund voll zu beweisen; nur hinsichtlich der Höhe genügt eine schlüssige 345 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 167 erkennt, dass es hierdurch zu einer Aushöhlung des Sicherungsanspruchs für Nachtragsforderungen kommt. Nach geltender Rechtslage sei dieser Missstand jedoch hinzunehmen. 346 So die Formulierung von Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 567. 347 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 47; BGH NJW-RR 2012, 981, 982 Rn. 6 zur VOB/B. 348 Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 567 f.; Mayr/v. Berg, BauR 2019, 1027, 1029 f.; Hilgers, BauR 2016, 315, 319; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 49. 349 So aber Mayr/v. Berg, BauR 2019, 1027, 1029 f. 350 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 70.

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Darlegung des (Mehr-)Vergütungsanspruchs.351 Diese differenzierte Betrachtungsweise führt auch zu sachgerechten Ergebnissen. Auf der einen Seite lässt sich die Anspruchsberechtigung im Gegensatz zur Anspruchshöhe relativ einfach durch Urkunden oder Zeugenvernehmung beweisen.352 Ein zeitaufwendiges Sachverständigengutachten ist hierfür in der Regel nicht erforderlich.353 Daher bleibt die gesetzgeberische Zielsetzung eines schnellen Sicherungsprozesses gewahrt. Auf der anderen Seite wird der Besteller vor einer unverhältnismäßigen Einschränkung seines Justizgewährungsanspruchs geschützt. Insbesondere hat er keine Missbräuche zu befürchten, die auf unrichtigen Angaben des Bauunternehmers zum Zustandekommen des Mehrvergütungsanspruchs beruhen.354 bb) Das Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrecht Darüber hinaus kann der Auftragnehmer gem. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen.355 (1) Das Verhältnis zwischen den beiden Handlungsmöglichkeiten Dem eindeutigen Wortlaut „oder“ ist zu entnehmen, dass beide Handlungsmöglichkeiten nur alternativ und nicht nebeneinander geltend gemacht werden können. Andernfalls hätte der Gesetzgeber das Wort „und“ verwendet. Der Auftragnehmer muss sich daher nach fruchtlosem Fristablauf zwischen dem Leistungsverweigerungs- und dem Kündigungsrecht entscheiden. Umstritten ist allerdings, ob ihm die Option zusteht, sein Leistungsverweigerungsrecht auszuüben und anschließend ohne weitere Fristsetzung zur Kündigung überzugehen. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass der Auftragnehmer an seine getroffene Wahl gebunden ist.356 Entscheide er sich nach fruchtlosem Fristablauf für das 351 So auch OLG Stuttgart NJW 2018, 472, 474 Rn. 49 ff.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2018, 1292, 1293 Rn. 19; Schmitz, NZBau 2014, 484, 485; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 70 f.; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 15; fernliegend Schwarz, BauR 2017, 1, 4 f., der im Sicherungsprozess keine Beweisaufnahme über das Zustandekommen von Mehrvergütungsansprüchen zulassen will und deshalb dem Grunde nach streitige Nachträge von § 650f BGB ausnimmt. 352 OLG Stuttgart NJW 2018, 472, 474 Rn. 54. 353 OLG Stuttgart NJW 2018, 472, 474 Rn. 54. 354 OLG Stuttgart NJW 2018, 472, 474 Rn. 53; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 70. 355 Ob die Frist angemessen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Gesetzgeber sieht eine Frist von sieben bis zehn Tagen in der Regel als ausreichend an (BTDrs. 12/1836, S. 9). Eine gute Zusammenstellung für die im Einzelfall maßgeblichen Kriterien findet sich bei Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 139 – 141, der als Faustregel 14 Kalendertage für eine angemessene Frist angibt; vgl. auch Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 207, der andere Maßstäbe anlegt und 1 – 3 Wochen für angemessen hält, je nachdem, ob die Sicherheit von einem Großauftraggeber oder einem Kleingewerbetreibenden verlangt wird. 356 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 217.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Leistungsverweigerungsrecht, sei die Fristsetzung verbraucht.357 Die Kündigungsmöglichkeit stehe ihm in diesem Falle erst mit dem fruchtlosen Ablauf einer zweiten Frist zu.358 Das zuvor begründete Leistungsverweigerungsrecht bleibe allerdings auch nach der Kündigung bestehen.359 Diese Auffassung ist aus zwei Gründen abzulehnen.360 Zum einen begründet eine solche Sichtweise über den Umweg der zweiten Fristsetzung doch wieder ein Nebeneinander von Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrecht, was nach dem Wortlaut des Gesetzes gerade ausgeschlossen sein soll. Zum anderen hat eine zweite Fristsetzung schlichtweg keine Daseinsberechtigung. Dem Auftraggeber müssen die Konsequenzen seines pflichtwidrigen Verhaltens bereits mit der ersten Fristsetzung bekannt sein. Er hat ab diesem Augenblick sowohl mit einer Leistungsverweigerung des Auftragnehmers als auch mit einer unmittelbaren Kündigung des Bauvertrags zu rechnen.361 Beschafft er die Sicherheit bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wird er dies höchstwahrscheinlich auch später nicht mehr tun.362 Daher besitzt eine zweite Fristsetzung auch keinen erkennbaren Mehrwert. Vor diesem Hintergrund hat die Entscheidung des Auftragnehmers keine Bindungswirkung. Dem Auftragnehmer steht dementsprechend das Recht zu, von der zunächst gewählten (bloßen) Leistungsverweigerung zur Kündigung überzugehen. Abschließend sei klarstellend erwähnt, dass der Auftragnehmer umgekehrt nicht dazu berechtigt ist, von der einmal erklärten Kündigung wieder Abstand zu nehmen und zur (bloßen) Leistungsverweigerung zu wechseln. Die Kündigung hat Gestaltungswirkung. Mit dem Zugang der Kündigungserklärung beim Besteller können ihre Rechtsfolgen nicht mehr durch einseitige Erklärung des Auftragnehmers rückgängig gemacht werden.363 Diesbezüglich ist die Wahl des Auftragnehmers also notwendigerweise bindend. (2) Das Leistungsverweigerungsrecht Durch das Leistungsverweigerungsrecht kann der Auftragnehmer sich wirksam vor ungesicherten Vorleistungen schützen. Je nachdem, ob sich der Bauvertrag im Erfüllungs- oder Gewährleistungsstadium befindet, ist der Auftragnehmer dazu berechtigt, den Baubeginn zu verwehren, die ausstehenden Arbeiten einzustellen oder die Mängelbeseitigung zu verweigern. Kommt der Bauunternehmer dem Sicherungsverlangen nur teilweise – also nicht in voller Höhe – nach, führt dies ent357

Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 217. Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 217. 359 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 217. 360 So auch KG NJW 2018, 3721, 3725 Rn. 51 – 54. 361 KG NJW 2018, 3721, 3725 Rn. 54. 362 KG NJW 2018, 3721, 3725 Rn. 54. 363 Vogel, BauR 2011, 313, 314; vgl. aus dem Arbeitsrecht BAG NJW 2014, 1032, 1035 Rn. 32. 358

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gegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung364 nicht zu einer entsprechenden Begrenzung des Leistungsverweigerungsrechts.365 Das Leistungsverweigerungsrecht gibt dem Auftragnehmer ein legitimes Druckmittel an die Hand, um seinen Sicherungsanspruch bis zur ausstehenden Vergütungshöhe außergerichtlich durchsetzen zu können.366 Hätte die Gegenauffassung Recht, könnte der Auftraggeber dieses Druckmittel durch die Stellung einer geringen Teilsicherheit entwerten und den Auftragnehmer hinsichtlich des offengebliebenen Betrages auf den Klageweg verweisen.367 Dies läuft ersichtlich dem Sinn und Zweck des § 650f Abs. 5 S. 1 BGB entgegen. Ist das Leistungsverweigerungsrecht entstanden, führt dies dazu, dass der fällige Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers nicht mehr durchsetzbar ist. Eine ggf. vom Besteller parallel gesetzte Frist zur Leistungserbringung bzw. Nacherfüllung läuft demnach ins Leere. Folglich kann der (modifizierte) Erfüllungsanspruch des Auftraggebers auch nicht mehr in einen geldwerten Anspruch übergehen.368 Darüber hinaus kann der Auftragnehmer nicht mehr in Verzug geraten.369 Allerdings kann der Auftraggeber seinerseits im Falle einer mangelhaften Leistung gegenüber dem Abschlagszahlungs- bzw. Vergütungsanspruch des Auftragnehmers ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB geltend machen.370 Im Erfüllungsstadium führt die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 1 BGB zu folgender Situation: Der Auftragnehmer muss zwar mangels Sicherheit keine weiteren Leistungen erbringen, andererseits ist er jedoch auch nicht dazu in der Lage, die Abnahmereife herbeizuführen und seinen Vergütungsanspruch fällig zu stellen. Diese Schwebelage kann aufgelöst werden, indem der Auftraggeber die Sicherheit stellt oder indem der Auftragnehmer die Sicherheitsleistung einklagt. Darüber hinaus kann der Auftragnehmer nach § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB den Bauvertrag kündigen.

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So Soergel, in: FS v. Craushaar 1997 S. 179, 184; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 35. So auch OLG Jena IBRRS 2014, 0498; Schulze-Hagen, BauR 2000, 28, 36; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 28; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 88; Ingenstau/ Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 209; Erman/Schwenker/Rodemann, § 650f Rn. 19; Oberhauser, BauR 2008, 421, 424 f. 366 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 28; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 88. 367 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 28; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 88. 368 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 209. 369 BGH NJW-RR 2008, 31, 34 Rn. 46; BGH NJW-RR 2009, 892, 893 Rn. 15. 370 Die unterlassene Stellung der vom Auftragnehmer begehrten Sicherheit führt nicht zum Wegfall seines eigenen Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 BGB. Dies hat die Rechtsprechung bereits zur alten Rechtslage zutreffend entschieden (BGH NJW 2004, 1525, 1527; BGH NJW-RR 2005, 457 f.). Umstritten ist jedoch, ob die unterbliebene Sicherheitsleistung zum Wegfall des Druckzuschlags führt. Vgl. zu den entgegenstehenden Positionen Ingenstau/ Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 256 und BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 15. 365

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Hierdurch wird der Vertrag allerdings nur ex nunc beendet und auf die bis dahin erbrachten Bauleistungen beschränkt.371 Der Auftragnehmer bleibt demnach zur vertragsgemäßen Herstellung des Teilwerks verpflichtet – für die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs ist daher nach wie vor die Abnahme erforderlich.372 Folglich ist der Auftraggeber im Falle von wesentlichen Mängeln immer noch zur Abnahmeverweigerung berechtigt (vgl. § 640 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Auftragnehmer hat demgegenüber nach hier vertretener Auffassung mit dem Übergang zur Kündigung sein ursprünglich begründetes Leistungsverweigerungsrecht verloren. Er kann dem Auftraggeber jedoch eine erneute Frist setzen und sich nach deren erfolglosem Ablauf wiederum auf das Leistungsverweigerungsrecht aus § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 1 BGB berufen.373 Auch wenn der Auftragnehmer hierdurch zwischenzeitlich zur ungesicherten Mängelbeseitigung gezwungen wird, ist dieses Ergebnis interessengerecht. Einerseits ist ein Auftragnehmer, der schwerwiegende Mängel verursacht, nicht besonders schützenswert.374 Andererseits führt die Kündigung regelmäßig zu einer (enormen) Reduzierung des ursprünglichen Vergütungsanspruchs. Diese Reduzierung wirkt sich mithin auch auf die Höhe des Sicherungsanspruchs aus. Es ist daher nicht mehr ausgeschlossen, dass der Besteller der erneuten Frist zur Sicherheitsleistung nachkommen wird.375 Ihm ist dementsprechend eine erneute Chance einzuräumen, die Sicherheit zu stellen. Nur falls er dies nicht rechtzeitig schafft, entsteht das Leistungsverweigerungsrecht von neuem. Dadurch wird dann 371 BGH NJW 2006, 2475, 2476 Rn. 23; BGH NJW 2003, 1450, 1452; BGH NJW 1993, 1972, 1973. 372 Vgl. die Grundsatzentscheidungen BGH NJW 2006, 2475, 2476 Rn. 19 ff.; BGH NJW 2003, 1450, 1452. Vor Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes führte ein erfolgloses Verstreichen der Nachfristsetzung hingegen zur Vertragsaufhebung nach §§ 648a Abs. 5, 643, 645 Abs. 1 BGB a. F. Dadurch entfiel nicht nur die Fertigstellungsverpflichtung des Bauunternehmers, sondern auch seine Verpflichtung zur Mängelbeseitigung am Teilwerk (BGH NJW 2004, 1525, 1526; BGH NJW 2007, 60 Rn. 9). Dies hatte zur Folge, dass der um den mängelbedingten Minderwert reduzierte Vergütungsanspruch infolge des nunmehr entstandenen Abrechnungsverhältnisses ohne Abnahme fällig wurde (KG BauR 2007, 1746, 1747). Teilweise (KG Berlin NJW 2018, 3721, 3729 Rn. 86; OLG München BeckRS 2012, 211667; Oberhauser, BauR 2012, 1543, 1548 f.; Retzlaff, BauR 2016, 733, 737 f.) wird versucht, diese zum alten Recht entwickelten Grundsätze auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen. Das ist allerdings nicht überzeugend. Bei einem so zentralen Rechtsinstitut wie der Kündigung ist eine einheitliche Lesart geboten. Daher haben die von der Rechtsprechung hervorgebrachten Leitentscheidungen zur Kündigung mit der h. M. auch für § 650f Abs. 5 S. 1 BGB zu gelten (Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 166 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 228; Schmitz, BauR 2009, 714, 719; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354, 363 f.; Vogel, BauR 2011, 313, 318, 328; Fuchs, BauR 2012, 326, 340; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 572). 373 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 33 erwägt hingegen, auf das Erfordernis einer zweiten Fristsetzung zu verzichten, um dem Auftragnehmer ein unmittelbares Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen. Dem kann nicht gefolgt werden. Ein Verzicht auf ein zweites Fristsetzungserfordernis kommt mit der zutreffenden Auffassung von Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 176 nach allgemeinen Grundsätzen nur bei einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Bestellers in Betracht. 374 Fuchs, BauR 2012, 326, 340. 375 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 176.

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wiederum eine Hängepartie begründet. Sie kann abermals durch die Gewährung einer entsprechenden Sicherheit durch den Auftraggeber oder durch die prozessuale Geltendmachung des Sicherungsanspruchs aufgelöst werden. Ferner kann sich der Auftragnehmer mit der in der Literatur vorherrschenden Auffassung analog § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB durch einseitige Erklärung von seiner Mängelbeseitigungspflicht befreien und auf diese Weise die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs herbeiführen.376 Nur so erhält das in § 650f Abs. 5 S. 1 BGB verkörperte Wahl- und Gestaltungsrecht im Kündigungsstadium eine eigenständige Bedeutung. Die vorstehenden Überlegungen lassen sich auch auf das mit der Abnahme begründete Gewährleistungsstadium übertragen.377 Selbst in diesem Stadium kann es im Falle einer mangelhaften Leistung, trotz des nunmehr fälligen Vergütungsanspruchs (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB), zu einer Pattsituation kommen. Diese entsteht durch die sich gegenüberstehenden Leistungsverweigerungsrechte von Auftraggeber und Auftragnehmer. Der Auftraggeber kann wegen Mängeln die (teilweise) Auszahlung des restlichen Vergütungsanspruchs nach § 320 BGB zurückweisen. Demgegenüber kann der Auftragnehmer nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Sicherheitsleistung die Mängelbeseitigung gem. § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 1 BGB verweigern. Alternativ hierzu kann der Auftragnehmer von seinem in § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB verankerten Gestaltungsrecht Gebrauch machen. Es liegt zwar in der Natur der Sache, dass die Kündigung mit Erklärung der Abnahme ausgeschlossen ist.378 Aus dem Rechtsgedanken des § 650f Abs. 5 S. 1 Alt. 2 BGB folgt jedoch auch in diesem Vertragsstadium, dass sich der Auftragnehmer durch einseitige Erklärung von den verbliebenen Mängelbeseitigungspflichten lösen können muss. Wenn der Gesetzgeber eine Sicherheit sowohl für das Erfüllungs- als auch für das Kündigungs- und Gewährleistungsstadium vorsieht, müssen die in § 650f Abs. 5 S. 1 BGB vorgesehenen Sanktionen in jeder Phase der Vertragsabwicklung uneingeschränkt zum Tragen kommen. Macht der Auftragnehmer von der soeben dargestellten Möglichkeit im Kündigungs- oder Gewährleistungsstadium Gebrauch, ist sein ersparter Mängelbeseitigungsaufwand entsprechend § 650f Abs. 5 S. 2 BGB von seinem Vergütungsanspruch abzuziehen.379 376

Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 175; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 260; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 33; Schmitz, BauR 2009, 714, 721 f.; Fuchs, BauR 2012, 326, 341; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354, 364; Vogel, BauR 2011, 313, 328; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 572. 377 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 155; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 258; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 34; Fuchs, BauR 2012, 326, 341; Kimmich/ Friedrich, BauR 2015, 565, 571. 378 Statt aller grundlegend BGH NJW 1975, 825, 826. 379 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 177 ff.; Schmitz, BauR 2009, 714, 722 f.; Fuchs, BauR 2012, 326, 341; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354, 364; Vogel, BauR 2011, 313, 328; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 571; der Gegenauffassung von BeckOK BGB/

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

(3) Das Kündigungsrecht Alternativ zum Leistungsverweigerungsrecht gewährt § 650f Abs. 1 S. 1 BGB dem Auftragnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht. Die allgemeinen Wirkungen der Kündigung wurden bereits aufgezeigt. Darüber hinaus wurde soeben klargestellt, dass sich das Gestaltungsrecht aufgrund seines Sanktionscharakters nicht nur auf das Erfüllungs-, sondern auch auf das Kündigungs- und Gewährleistungsstadium bezieht. Im Übrigen besteht auf Rechtsfolgenseite ein Regelungsgleichlauf mit dem freien Kündigungsrecht des Bestellers aus § 648 BGB. Macht der Auftragnehmer von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch, ist das erbrachte Teilwerk nach den vertraglichen Grundsätzen abzurechnen. Für die infolge der Kündigung nicht mehr zu erbringenden Restleistungen kann der Auftragnehmer darüber hinaus die anteilige Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen und des anderweitig erzielten oder böswillig unterlassenen Erwerbs fordern (§ 650f Abs. 5 S. 2 BGB entspricht § 648 S. 2 BGB). Hierzu hat der Auftragnehmer darzulegen, welcher Teil der Werklohnforderung auf die offengebliebenen Bauleistungen entfällt. Die Darlegungs- und Beweislast für die genannten Abzugsposten ist hingegen vom Besteller zu tragen.380 Dies ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes, wonach im Grundsatz vom vollen Fortbestehen des Vergütungsanspruchs auszugehen ist.381 Zu beachten ist allerdings, dass der Besteller keinen Einblick in die betriebsinternen Abläufe des Auftragnehmers hat. Ihm wird die Erbringung des Beweises daher in aller Regel nicht möglich sein. Deshalb hat die Rechtsprechung über die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eine Erstdarlegungsverpflichtung des Bauunternehmers statuiert.382 Der Auftragnehmer hat folglich darzulegen, welche Kosten er erspart und welchen anderweitigen Erlös er verdient hat. Anhand dieser bereitgestellten Abrechnung hat der Besteller sodann darzulegen und zu beweisen, dass der Auftragnehmer höhere Ersparnisse bzw. einen darüber hinausgehenden Erwerb erzielt hat. Der soeben dargestellte Mechanismus erklärt auch, warum der Bauunternehmer bei der Geltendmachung des Sicherungsanspruchs aus § 650f Abs. 1 BGB nach einer vorherigen Kündigung gem. § 648 S. 1 BGB oder § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nicht nur zur schlüssigen Darlegung der vereinbarten Vergütung, sondern auch zur schlüssigen Darlegung der Abzugsposten verpflichtet bleibt.383

Voit, BGB § 650f Rn. 34 und Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 258 (Berücksichtigung des mangelbedingten Minderwerts) fehlt eine hinreichende Stütze im Gesetz. 380 Ausdrücklich klargestellt durch BGH NJW-RR 2001, 385, 386. 381 Insoweit zutreffend Staudinger/Peters, § 648 Rn. 46. 382 BGH NJW 1996, 1282; BGH NJW, 1997, 733, 734; BGH NJW 1999, 1867, 1868; Vogel, BauR 2011, 313, 324; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 60. 383 Siehe hierzu oben, S. 74.

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An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hat auch die Einführung des § 650f Abs. 5 S. 3 BGB (entspricht § 648 S. 3 BGB) im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes nichts geändert.384 Diese Vorschrift enthält die widerlegliche Vermutung, dass dem Auftragnehmer von dem Vergütungsanteil, der auf die infolge der Kündigung entfallenen Bauleistungen entfällt, 5 % zustehen. Anders ausgedrückt wird also unterstellt, dass die ersparten Kosten und der anderweitig erzielte oder böswillig unterlassene Erwerb 95 % der für die Restleistungen offengebliebenen Vergütungsforderung ausmachen.385 Ihr Regelungsgehalt ist nicht dahingehend zu verstehen, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast tragen soll, der einen von der gesetzlichen Vermutung zu seinen Gunsten abweichenden Betrag behauptet.386 Der Sinn und Zweck der Norm besteht gerade nicht darin, die soeben dargestellte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aus § 650f Abs. 5 S. 2 BGB zugunsten des Bestellers zu verschieben, sondern dem Auftragnehmer die Abrechnung des gekündigten Vertrags zu erleichtern.387 Aus diesem Grund ist die Norm dahingehend zu verstehen, dass der Auftragnehmer bis zur Höhe des pauschalisierten Betrags von seiner Erstdarlegungsverpflichtung und der damit einhergehenden Detailabrechnung bezüglich seiner ersparten Kosten und seines anderweitigen Erwerbs befreit ist.388 Zur Darlegung des auf die offenen Restleistungen entfallenden Vergütungsanteils bleibt der Auftragnehmer hingegen auch im Fall des § 650f Abs. 5 S. 3 BGB verpflichtet.389 Der Anspruch auf die Kündigungsvergütung wird wie bereits dargelegt nicht mit der Kündigung als solches, sondern erst mit der Abnahme des Teilwerks fällig. Für den ursprünglichen Vergütungsanspruch gewährte Sicherheiten bleiben auch nach der Kündigung bestehen. Sie gelten für beide Teile des einheitlichen Kündigungsvergütungsanspruchs fort.390 e) Kostentragung Sicherheiten sind meist mit Kosten verbunden. Bei der Bankbürgschaft entstehen diese primär in Form der vom Auftraggeber an das Kreditinstitut zu zahlenden 384 BGH NJW 2011, 1954, 1956 Rn. 29; KG BauR 2014, 1523 f.; KG NJW 2018, 3721, 3726 Rn. 59; Vogel, BauR 2011, 313, 324 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 87; BeckOGK BGB/Reiter, § 648 Rn. 174. 385 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 648 Rn. 69. 386 Diese Annahme liegt aber den abweichenden Ausführungen von Kniffka ibrOK/Schmitz, § 648 Rn. 84; Staudinger/Peters, § 648 Rn. 45 und BeckOK BGB/Voit, BGB § 648 Rn. 18 zugrunde. 387 BT-Drs. 16/511, S. 17 f.; BGH NJW 2011, 1954, 1956 Rn. 29: „Die Pauschalierung erleichtert nicht die Beweislast [des Bestellers], sondern die sekundäre Darlegungslast des Unternehmers.“ 388 Vogel, BauR 2011, 313, 324 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 87; BeckOGK BGB/Reiter, § 648 Rn. 174. 389 Ausdrücklich klargestellt durch BGH NJW-RR 2011, 1588, 1589 Rn. 15. 390 BeckOK BGB/Voit, BGB § 648 Rn. 11; BeckOGK BGB/Reiter, § 648 Rn. 82.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Avalprovision. In Abhängigkeit von der Bonität des Auftraggebers beträgt diese für gewöhnlich zwischen 0,5 und 2 % der Sicherungssumme pro Jahr.391 Zu beachten ist allerdings, dass die Sicherheit ausschließlich den Interessen des Auftragnehmers dient. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber dem Auftraggeber gemäß § 650f Abs. 3 S. 1 BGB einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Auftragnehmer eingeräumt.392 Dieser Anspruch ersetzt die angefallenen Kosten jedoch nicht unbedingt in voller Höhe. Zum einen hat die Höhe der angefallenen Kosten der Üblichkeit zu entsprechen.393 Darüber hinausgehende Mehrkosten – etwa infolge einer unterdurchschnittlichen Bonität des Bestellers – sind demnach nicht zu erstatten.394 Zum anderen kann der Besteller Rückzahlung der Avalkosten maximal in Höhe von 2 % der Sicherungssumme pro Jahr verlangen. Durch diese Obergrenze wird eine faktische Aushöhlung des Sicherungsanspruchs verhindert. Der Wortlaut „erstatten“ spricht unzweideutig für eine Vorfinanzierungspflicht des Auftraggebers hinsichtlich der Avalprovision. Dies wird vereinzelt als unbillig empfunden, weil der Auftraggeber insoweit mit dem Ausfallrisiko seines Auftragnehmers belastet werde.395 Die ratio legis des § 650f Abs. 3 S. 1 BGB bestehe zudem in einer weitgehenden Entlastung des Bestellers.396 Eine Vorfinanzierungspflicht sei daher nicht mit der gesetzgeberischen Intention in Einklang zu bringen.397 Vor diesem Hintergrund könne der Auftraggeber seinerseits – entgegen dem eindeutigen Wortlaut – die Beibringung der Bürgschaft von einer Sicherheitsleistung des Auftragnehmers für die voraussichtlich anfallende Avalprovision abhängig machen.398 Dieses Recht könne der Besteller vor allem durch einen entsprechenden Einbehalt von den ersten Abschlagszahlungsforderungen realisieren.399 Alternativ käme auch eine antizipierte Vereinbarung zwischen den Bauvertragsparteien in Betracht, wonach der Auftragnehmer von vornherein sämtliche Zahlungen an die Bank zu erbringen hat.400 391

BT-Drs. 12/1836, S. 8 und 10; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 43. BT-Drs. 12/1836, S. 10. 393 Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung in § 650f Abs. 3 S. 1 BGB ist missverständlich. Es soll im Ausgangspunkt nicht auf die üblichen, sondern auf die tatsächlichen Kosten ankommen. Bei einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung könnte der Auftraggeber bei einer überdurchschnittlichen Bonität vom Bauunternehmer mehr verlangen, als er selbst verauslagt hat. Dies ist nicht mit dem Sinn und Zweck des Erstattungsanspruchs vereinbar. Die üblichen Kosten sollen den Erstattungsanspruch nach der Gesetzesbegründung (BTDrs. 12/1836, S. 10) lediglich der Höhe nach begrenzen. Vgl. hierzu auch Kniffka ibrOK/ Schmitz, BGB § 650f Rn. 126 und Staudinger/Peters, § 650f Rn. 16. 394 BT-Drs. 12/1836, S. 10. 395 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18. 396 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18. 397 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18. 398 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18; zustimmend Betzner, Bauhandwerkersicherungsgesetz, S. 124 ff. 399 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18. 400 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 18. 392

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Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.401 Sie verkehrt den Wortlaut des Gesetzes in sein Gegenteil und nimmt auf diese Weise eine Auslegung contra legem vor.402 Der Auftraggeber ist zudem gerade nicht besonders schützenswert, weil er in aller Regel mit seinem Kostenerstattungsanspruch gegen die weitaus höheren Abschlags- oder Vergütungsansprüche des Auftragnehmers aufrechnen kann. Das vom Auftraggeber zu tragende Ausfallrisiko ist daher überschaubar.403 Die Mindermeinung birgt weiterhin die Gefahr, dass im Vorhinein über die Kostenhöhe der Sicherheit gestritten wird.404 Dieses Konfliktpotential widerspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, dem Auftragnehmer mit § 650f BGB ein rasches und unkompliziertes Sicherungsinstrument an die Hand zu geben. Insofern begegnet die rechtliche Ausgestaltung als (reiner) Kostenerstattungsanspruch keinerlei Bedenken – sie entspricht dem Wesen eines möglichst effektiven Sicherungsanspruchs. Im Übrigen handelt es sich bei § 650f Abs. 3 S. 1 BGB insgesamt um eine gelungene Regelung, weil die Kostentragungsregel den rationalen und verantwortungsbewussten Umgang mit dem Sicherungsanspruch gewährleistet. Der Auftragnehmer ist gehalten, über den Zeitpunkt seines Sicherungsbegehrens und die Sicherungshöhe, anhand einer Kosten-Nutzen-Relation, zu entscheiden.405 Auf diese Weise kommt der Sicherungsanspruch nur bei begründeten Zweifeln hinsichtlich der Leistungsfähigkeit oder des Leistungswillens seines Vertragspartners zum Einsatz.406 In den restlichen Fällen wird demgegenüber eine unverhältnismäßige Belastung der Kreditlinie des Auftraggebers verhindert. Macht der Auftragnehmer von seinem Sicherungsanspruch Gebrauch, entfaltet der Erstattungsanspruch darüber hinaus eine Anreizwirkung: Bei zwischenzeitlich vom Auftraggeber erhaltenen Zahlungen wird der Auftragnehmer zur Abgabe entsprechender (Teil-)Enthaftungserklärungen motiviert, um seine eigenen Kosten zu senken. Mittelbar kommt dies wiederum vor allem dem Auftraggeber und dessen Kreditlinie zugute.407 Abschließend sei der Vollständigkeit halber auf die Ausnahmeregelung des § 650f Abs. 3 S. 2 BGB hingewiesen. Hiernach entfällt der Kostenerstattungsanspruch, soweit die Sicherheit wegen unbegründeter Einwendungen des Auftraggebers gegen den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers länger als nötig aufrecht-

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So auch die ganz h. M.: OLG Dresden BauR 2006, 1318, 1319; LG Bonn NJW-RR 1998, 530, 532; Stammkötter, ZfBR 1998, 225 f.; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 49; BeckOK BGB/ Voit, BGB § 650f Rn. 24; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 199; Kniffka ibrOK/ Schmitz, BGB § 650f Rn. 129; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 191; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 130 f. 402 Stammkötter, ZfBR 1998, 225; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 24. 403 So auch Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 191 und Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 131. 404 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 199. 405 Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 120. 406 Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 120. 407 Zu der Bedeutung von (Teil-)Enthaftungserklärungen ausführlich oben, S. 69 f.

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erhalten werden muss. Ein Verschulden ist nicht erforderlich.408 Bei grundloser Zahlungsverweigerung ist der Rechtsgedanke des § 650f Abs. 3 S. 2 BGB erst recht heranzuziehen.409 f) Der zwingende Charakter des § 650f BGB Im Gegensatz zu § 650e BGB wurde die Bauhandwerkersicherung vom Gesetzgeber als zwingende Regelung ausgestaltet (§ 650f Abs. 7 BGB). Individualund formularvertragliche Abweichungen zulasten des Auftragnehmers sind demnach nicht möglich. Ebenso wenig sind Umgehungsgeschäfte zulässig, die den Unternehmer aufgrund von mittelbarem Zwang von der Geltendmachung seines Sicherungsanspruchs abhalten können.410 Unwirksam ist daher beispielsweise eine Vereinbarung, wonach der Auftragnehmer im Falle eines Sicherungsverlangens nach § 650f BGB seinerseits zur Stellung einer Vertragserfüllungssicherheit verpflichtet wird.411 Umstritten ist allerdings, ob § 650f Abs. 7 BGB auch Abänderungen zugunsten des Auftragnehmers entgegensteht. Denkbar wäre beispielsweise eine Vereinbarung, wonach der Auftraggeber auf den Widerrufsvorbehalt (§ 650f Abs. 1 S. 5 BGB) oder seinen Kostenerstattungsanspruch (§ 650f Abs. 3 S. 1 BGB) verzichtet. Der Wortlaut des § 650f Abs. 7 BGB differenziert nicht danach, ob vertragliche Absprachen zugunsten oder zulasten des Auftragnehmers getroffen werden. Dies deutet auf einen beidseitig zwingenden Charakter der Bauhandwerkersicherung hin. Untermauert wird diese Auffassung durch einen systematischen Vergleich mit den mietrechtlichen Parallelvorschriften der §§ 536 Abs. 4, 547 Abs. 2, 551 Abs. 4, 553 Abs. 3, 554a Abs. 3, 555a Abs. 4, 555c Abs. 5, 555d Abs. 7, 555e Abs. 3, 556 Abs. 4, 556a Abs. 3, 556b Abs. 2 S. 2, 556c Abs. 4, 557 Abs. 4, 557a Abs. 5, 557b Abs. 5, 558 Abs. 6, 558a Abs. 5, 558b Abs. 4, 559 Abs. 6, 559a Abs. 5, 559b Abs. 3, 560 Abs. 6, 561 Abs. 2 BGB. In allen diesen Fällen hat der Gesetzgeber den einseitig zwingenden Charakter der jeweiligen Vorschrift expressis verbis festgelegt. Vor diesem Hintergrund scheint der Wortlaut des § 650f Abs. 7 BGB bewusst gewählt worden zu sein.412 Dennoch ist eine solche Auslegung prima facie befremdlich, weil § 650f BGB ausschließlich den Schutz des Auftragnehmers bezweckt. Deswegen wird die Auffassung vertreten, dass § 650f Abs. 7 BGB (im Zuge einer teleologischen Reduktion) 408

Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 200. Staudinger/Peters, § 650f Rn. 17. 410 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 192; Vogel, ZfIR 2005, 285, 286; Kniffka, BauR 2007, 246, 252. 411 Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 192; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 273; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 32; Oberhauser, BauR 2004, 1864, 1865 f.; Vogel, ZfIR 2005, 285, 286; Hofmann, BauR 2006, 763, 766; Kniffka, BauR 2007, 246, 252; a. A. Jagenburg, Jahrbuch Baurecht 2002, 1, 17 f. 412 Weise, Sicherheiten, Rn. 616. 409

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vertragliche Abweichungen zu Gunsten des Auftragnehmers gestattet.413 Eine solche Sichtweise verkennt jedoch die schutzwürdigen Interessen des Auftraggebers. Gerade weil die Bauhandwerkersicherung den Auftragnehmer einseitig begünstigt, muss eine uferlose Ausweitung zum Nachteil des Auftraggebers unterbunden werden.414 Verbliebene Schutzmechanismen wie der Kostenerstattungsanspruch dürfen dem Auftraggeber unter keinen Umständen genommen werden.415 § 650f Abs. 7 BGB übernimmt insoweit eine Doppelrolle. Primär soll er den Auftragnehmer vor der Entwertung bzw. Abbedingung seines Sicherungsanspruchs schützen. Daneben wird durch den beidseitig zwingenden Charakter ein Gegenpol für das exklusiv Auftragnehmern zustehende Rechtsinstitut geschaffen. Des Weiteren darf nicht übersehen werden, dass es sich bei der Bauhandwerkersicherung um eine fein austarierte Regelung handelt.416 Nur ein beidseitig zwingendes Verständnis von § 650f Abs. 7 BGB gewährleistet, dass die einzelnen Zahnräder des Sicherungsmechanismus bestimmungsgemäß ineinandergreifen. Abschließend bleibt damit festzuhalten, dass § 650f Abs. 7 BGB auch Abweichungen zugunsten des Auftragnehmers untersagt.417 Darüber hinaus wird diskutiert, ob sich § 650f Abs. 7 BGB nur auf den gesetzlichen Sicherungsanspruch oder auch auf vertraglich vereinbarte Sicherheiten erstreckt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage sowohl vor als auch nach der grundlegenden Novellierung der Bauhandwerkersicherung durch das Forderungssicherungsgesetz auseinandergesetzt. Der Bundesgerichtshof ist hierbei mit divergierenden Begründungsmustern zu demselben Ergebnis gekommen: § 650f Abs. 7 BGB steht der Vereinbarung von vertraglichen Sicherheiten nicht entgegen.418 Maßgebend ist für den Bundesgerichtshof in beiden Fällen zunächst, dass § 650f BGB nur ein Sicherungsverlangen nach Vertragsschluss erfasse.419 413 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 446; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 160 ff.; Leinemann/ Klaft, NJW 1995, 2521, 2525; Schulze-Hagen, BauR 2000, 28, 37; Vogel, ZfIR 2005, 285 f. 414 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 276. 415 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 23 vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Kostenerstattungsanspruch disponibel sei, weil er nicht die Sicherheitsleistung selbst betreffe. Dem kann aufgrund des hier dargelegten Verständnisses nicht gefolgt werden. 416 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 299; BeckOGK BGB/Molt, § 650f Rn. 128. 417 So im Ergebnis auch BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 20; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 276; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 9; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 32; BeckOGK BGB/Molt, § 650f Rn. 125; Weise, Sicherheiten, Rn. 616; Kniffka, BauR 2007, 246, 251 f.; Sturmberg, BauR 1994, 57, 66; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 297 ff. 418 BGH NJW 2006, 2475 f. Rn. 13 – 15; BGH NJW 2010, 2272, 2273 f. Rn. 15 – 20; so auch BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 37; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 10 f.; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 188; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann/Hofmann, S. 131; Kniffka, BauR 2007, 246, 251 f.; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 299 f.; Leinemann/Sterner, BauR 2000, 1414, 1415 f.; a. A. Joussen, BauR 2010, 1655 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 277; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 32a; Peters, NZBau 2011, 129, 130; Pauly, BauR 2011, 910, 913 f.; Sturmberg, BauR 1994, 57, 66. 419 BGH NJW 2006, 2475 Rn. 13; BGH NJW 2010, 2272, 2273 f. Rn. 16, 20.

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Deswegen lasse § 650f Abs. 7 BGB bereits im Bauvertrag getroffene Sicherungsabreden unberührt.420 Einige Stimmen in der Literatur sehen hierin eine unzulässige Umgehung der beidseitig zwingenden Vorgaben des § 650f BGB.421 Zunächst wird vorgebracht, dass die Argumentation des Bundesgerichtshofs nicht stichhaltig sei, weil auch der vertragliche Sicherungsanspruch erst nach Vertragsschluss zum Tragen komme.422 Des Weiteren gebe es keine plausible Rechtfertigung dafür, die an die Sicherheit zu stellenden Anforderungen vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses abhängig zu machen.423 Warum § 650f Abs. 7 BGB erst eine juristische Sekunde nach Vertragsschluss greifen solle, sei schlichtweg nicht begründbar.424 Anzumerken ist, dass die Argumentation der Rechtsprechung unglücklich aber keineswegs unplausibel ist. Der vertragliche Sicherungsanspruch kann naturgemäß auch erst nach Abschluss des Bauvertrags geltend gemacht werden. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Maßgeblich kann nur sein, dass der vertragliche Sicherungsanspruch auf ein vorgelagertes Sicherungsbegehren des Auftragnehmers zurückzuführen ist. § 650f Abs. 1 S. 1 BGB gilt demgegenüber unabhängig von einer vorherigen Abrede für jeden Bauvertrag. Bei der Einbeziehung vertraglicher Sicherheiten steht dem Auftraggeber also eine Dispositions- und Verhandlungsmöglichkeit zu, die ihm im Falle des § 650f BGB verwehrt bleibt.425 Hierin liegt der entscheidende Unterschied. Der Zeitpunkt der vertraglichen Sicherungsabrede kann demgegenüber – auch wenn dies den einschlägigen Urteilen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist426 – keine ausschlaggebende Rolle spielen. Für eine Ungleichbehandlung zwischen nachträglichen und anfänglichen Sicherungsabreden kann es keine inhaltliche Rechtfertigung geben. Selbst im Verlauf des Bauvorhabens geschlossene Sicherungsabreden bleiben demnach von § 650f Abs. 7 BGB unberührt.427 Der Anwendungsbereich des § 650f Abs. 7 BGB ist demzufolge erst dann eröffnet, wenn die Bauvertragsparteien das einseitig vom Gesetzgeber vorgegebene Sicherungssystem der Bauhandwerkersicherung modifizieren. Eine so enge Lesart 420

BGH NJW 2006, 2475 Rn. 13; BGH NJW 2010, 2272, 2273 Rn. 16. Joussen, BauR 2010, 1655, 1656; Peters, NZBau 2011, 129, 130; Pauly, BauR 2011, 910, 914. 422 Joussen, BauR 2010, 1655, 1656; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 277. 423 Peters, NZBau 2011, 129, 130. 424 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 32a. 425 BGH NJW 2010, 2272, 2273 Rn. 17. 426 Einerseits betont der BGH immer wieder den Zeitmoment des ursprünglichen Vertragsschlusses (BGH NJW 2006, 2475 Rn. 13; BGH NJW 2010, 2272, 2273 f. Rn. 16, 17, 18, 19, 20). Andererseits unterstreicht er, dass der Auftraggeber bei § 650f BGB anders als bei vertraglichen Sicherheiten keine Einflussmöglichkeiten auf die Einbeziehung in den Bauvertrag hat (BGH NJW 2010, 2272, 2273 Rn. 17). Konsequenterweise müsste der BGH auch nachträgliche Sicherungsabreden zulassen, weil sich der zweite Gedankengang nicht zum Zeitmoment verhält. 427 So auch Leinemann/Sterner, BauR 2000, 1414, 1416. 421

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entspricht dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte die Rechtslage der Auftragnehmer mit der Bauhandwerkersicherung durch eine fest umrissene „Allzweckwaffe“ verbessern. Das Ziel bestand hingegen nicht darin, den Auftragnehmer in eine „Zwangsjacke“ zu stecken, die ihm jeglichen privatautonomen Entscheidungsspielraum raubt. Ein solches Verständnis liegt jedoch der Gegenauffassung zugrunde. Ihr kann daher nicht gefolgt werden.428 Unzulässig ist damit nach hier vertretener Auffassung beispielsweise die Abbedingung des Widerrufsvorbehalts nach § 650f Abs. 1 S. 5 BGB. Zulässig ist demgegenüber stets die Vereinbarung einer separaten Sicherheit. Praktisch ist eine solche Differenzierung insbesondere auch deshalb gerechtfertigt, weil der Besteller mit der Bitte des Bauunternehmers nach einer separaten Sicherheit direkt konfrontiert wird. Der (beiläufigen) Modifizierung des § 650f Abs. 1 S. 5 BGB durch den Auftragnehmer wird er beim Abschluss des Bauvertrags hingegen weit weniger Aufmerksamkeit schenken. Daher erfüllt § 650f Abs. 7 BGB für den Besteller in der zuletzt genannten Konstellation durchaus eine nicht unerhebliche Schutzfunktion. Vor Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes hat sich der Bundesgerichtshof darüber hinaus auf das unterschiedliche rechtliche Gepräge von Bauhandwerkersicherung und vertraglichen Sicherheiten berufen.429 Ausschlaggebend war für ihn insoweit, dass die Bauhandwerkersicherung in ihrer bis dahin geltenden Fassung, im Gegensatz zu vertraglichen Sicherungsabreden, noch keine Anspruchsqualität besaß.430 Mit Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes ist dieses Argument entfallen. Durch die angepasste Rechtslage könnte man sogar auf die Idee kommen, die ursprüngliche Argumentationslinie des Bundesgerichtshofs in ihr Gegenteil zu verkehren: Da nunmehr ein ebenbürtiger gesetzlicher Sicherungsanspruch vorliege, müsse sich § 650f Abs. 7 BGB jetzt auch auf vertragliche Sicherungsabreden erstrecken.431 Ein solcher Umkehrschluss widerspricht jedoch nach den zutreffenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 27. 5. 2010 dem Sinn und Zweck der Neuregelung.432 Diese sollte die Rechtsposition des Auftragnehmers weiter stärken.433 Eine gleichzeitige Beschneidung vertraglicher Sicherungsmöglichkeiten ist mit diesem gesetzgeberischen Ziel nicht in Einklang zu bringen.434 Wenn die Vereinbarung von vertraglichen Sicherheiten nach alter Rechtslage zulässig war, hat dies erst recht für die neue Rechtslage zu gelten.

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Auch die Gegenauffassung räumt ein, dass das Ergebnis der Rechtsprechung aus pragmatischer, rechtspolitischer und wirtschaftlicher Perspektive durchaus überzeugen kann, vgl. Joussen, BauR 2010, 1655, 1658; Peters, NZBau 2011, 129, 130; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 32a; Pauly, BauR 2011, 910, 913. 429 BGH NJW 2006, 2475 Rn. 14. 430 BGH NJW 2006, 2475 Rn. 14; hierzu bereits oben, S. 55. 431 Joussen, BauR 2010, 1655 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 277. 432 BGH NJW 2010, 2272, 2273 f. Rn. 19 f. 433 Vgl. BT-Drs. 16/511, S. 16 – 18. 434 BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 20.

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Alles in allem handelt es sich bei § 650f Abs. 7 BGB also um eine beidseitig zwingende Norm, die der Vereinbarung vertraglicher Sicherheiten (nach wie vor) nicht im Wege steht. Bildlich muss man sich § 650f Abs. 7 BGB als Glasglocke vorstellen, deren Umfang sich ihrem Wortlaut entsprechend nur auf die Abs. 1 – 5 erstreckt. g) Das Verhältnis von § 650f BGB zu § 650e BGB und vertraglichen Sicherheiten § 650f Abs. 4 BGB bestimmt, dass der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek i. S. v. § 650e BGB entfällt, soweit der Bauunternehmer für seinen Vergütungsanspruch eine Sicherheit gemäß § 650f BGB erhalten hat. Primär wird hierdurch dem Gedanken der Übersicherung Rechnung getragen.435 Nebenbei wird klargestellt, dass dem Auftragnehmer ein Wahlrecht zwischen den beiden grundverschiedenen Sicherungsinstrumenten zusteht.436 Dieses bleibt angesichts des Wortlauts solange erhalten, bis der Auftragnehmer die Bankbürgschaft oder ein anderweitiges Sicherungsmittel aus § 650f BGB in den Händen hält. Daher ist es zulässig, wenn der Auftragnehmer die Rechte aus § 650e BGB und § 650f BGB vorerst nebeneinander verfolgt.437 Das Wort „soweit“ verdeutlicht zudem, dass auch ein Nebeneinander von Sicherheiten aus § 650e BGB und § 650f BGB in Betracht kommt: Der Auftragnehmer kann beispielsweise hinsichtlich seines Vergütungsanspruchs für bereits erbrachte Teilleistungen eine Sicherungshypothek beanspruchen und im Übrigen nach § 650f BGB vorgehen.438 Zu beachten ist, dass die Vorschrift des § 650f Abs. 4 BGB vom Gesetzgeber bewusst439 als „Einbahnstraße“ ausgestaltet wurde. Normiert wird nur eine etwaige Sperrung von § 650e BGB, falls eine Sicherheit nach § 650f BGB erlangt wurde. Nicht geregelt ist hingegen, wie mit dem Anspruch aus § 650f BGB zu verfahren ist, wenn der Auftragnehmer bereits eine Sicherungshypothek nach § 650e BGB erlangt hat. Der Grund für diesen fehlenden Regelungsgleichlauf ist darin zu sehen, dass die Werthaltigkeit der Sicherungshypothek in aller Regel nicht derjenigen der im Rahmen von § 650f BGB bevorzugten Bankbürgschaften entspricht.440

435 Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 202; Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2908 und Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 156 heben insoweit zutreffend hervor, dass die Regelung des § 650f Abs. 4 BGB als spezielle Ausprägung der Übersicherungsgrundsätze aus §§ 138, 242 BGB lediglich Klarstellungsfunktion besitzt. 436 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 31; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 202. 437 Staudinger/Peters, § 650f Rn. 31; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 202; Werner/ Pastor/Werner, Bauprozess, Rn. 277; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 25; a. A. zur alten Rechtslage noch Siegburg, BauR 1997, 40, 48. 438 BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 25. 439 Der Gesetzgeber hatte auch den umgekehrten Fall vor Augen, vgl. BT-Drs. 12/1836, S. 10 f. 440 Vgl. BT-Drs. 12/1836, S. 10 f.; hierzu auch Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 156 f.

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Eine bestehende Sicherheit nach § 650f BGB lässt das Sicherungsbedürfnis vollständig entfallen. Dies gilt selbst dann, wenn der Anspruch durch die äußerst fernliegende Gewährung einer Hypothek erfüllt wird, weil diese nach §§ 650f Abs. 1 S. 1, 232 Abs. 1, 238 Abs. 1, 1807 Abs. 1 Nr. 1 BGB mündelsicher zu sein hat. Umgekehrt ist eine Sicherungshypothek nach § 650e BGB in aller Regel nicht dazu in der Lage, das Sicherungsbedürfnis des Auftragnehmers zu stillen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Sicherungshypothek ihrerseits mündelsicher ist.441 In diesem außergewöhnlichen Fall wäre die Geltendmachung eines Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), da der Auftragnehmer bereits eine nach den Maßstäben des § 650f BGB ausreichende Sicherheit besitzt. Demgegenüber ist selbst eine Vormerkung, die auf Eintragung einer mündelsicheren Sicherungshypothek abzielt, nicht dazu in der Lage, den Anspruch aus § 650f BGB auszuschließen.442 Auch wenn eine im einstweiligen Verfügungsverfahren erlangte Vormerkung die Rangstelle sichert (§ 883 Abs. 3 BGB)443 und möglicherweise die Bonität des Bestellers beeinträchtigt,444 geht mit ihr noch keine Verwertungsbefugnis einher. Entscheidend ist, dass es sich bei der Vormerkung nur um eine Momentaufnahme handelt. Erst im Hauptsacheverfahren wird endgültig über den Umfang des bereits verdienten Vergütungsanspruchs und damit auch über die Höhe der Sicherungshypothek entschieden.445 Aufgrund dieser ungewissen Rechtslage kann noch nicht von einer mit § 650f BGB gleichwertigen Sicherheit gesprochen werden. Der Auftragnehmer kann daher weiterhin die Bauhandwerkersicherung beanspruchen. Hat der Bauunternehmer eine nicht mündelsichere Sicherungshypothek oder eine (mündelsichere) Vormerkung erlangt, kann er nach dem soeben Gesagten weiterhin aus § 650f BGB vorgehen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein Nebeneinander von Sicherungshypothek bzw. Vormerkung und Bankbürgschaft eine Übersicherung begründen würde.446 Da der Auftragnehmer in einem solchen Fall kein schützenswertes Interesse mehr an seiner Buchposition hat, steht dem Auftraggeber 441 So ausdrücklich BT-Drs. 12/1836, S. 10 f.; Sturmberg, BauR 1994, 57, 66; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 305 f. m. w. N.; ähnlich OLG Dresden BauR 2008, 1161, 1162; Werner/Pastor/Werner, Bauprozess, Rn. 277; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 203, die allerdings entgegen der Gesetzesbegründung die Bauhandwerkersicherung auch schon dann sperren wollen, wenn die Sicherungshypothek von der Rangstelle her einer Sicherheit nach § 650f BGB gleichwertig oder annähernd gleichwertig ist. 442 Sturmberg, BauR 1994, 57, 66; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 158 f.; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 307 ff.; Hofmann/Koppmann/Zenetti/Koppmann/Hofmann, S. 159; Kniffka ibrOK/Schmitz, BGB § 650f Rn. 95; a. A. Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 203; Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2908. 443 So die Argumentation von Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 203. 444 So die Argumentation von Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2908. 445 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 308 f. 446 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 309.

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über § 242 BGB ein entsprechender Löschungsanspruch zu,447 den er dem Sicherungsanspruch des Bauunternehmers über § 273 Abs. 1 BGB entgegenhalten kann.448 Schließlich enthält § 650f Abs. 4 BGB auch keine Regelung zum Konkurrenzverhältnis zwischen Bauhandwerkersicherung und vertraglichen Sicherheiten. Auch hier ist jedoch auf die allgemeinen Grundsätze zur Übersicherung zurückzugreifen.449 Selbstverständlich kann der Bauunternehmer nicht den Anspruch aus § 650f geltend machen, wenn er vollständig über eine vertraglich vereinbarte Zahlungsbürgschaft abgesichert ist. Ein solches Verlangen stellt ein widersprüchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB dar. Sichert die vertragliche Sicherheit demgegenüber nur einen Bruchteil des Vergütungsanspruchs ab, steht dem Auftragnehmer für den restlichen Betrag wiederum der Sicherungsanspruch aus § 650f BGB zur Verfügung. 4. Abschließende Würdigung Mit Einführung der Bauhandwerkersicherung im Jahr 1993 hat der Gesetzgeber einen völlig neuartigen Sicherungsmechanismus aus der Taufe gehoben. Gleichzeitig hat er an der seit Schaffung des BGB nahezu unverändert bestehenden Sicherungshypothek des Bauunternehmers festgehalten. Hierdurch ist ein im Deutschen Zivilrecht einmaliger „Sicherungsdualismus“ entstanden. Das hierdurch entstandene Konkurrenzverhältnis konnte die Bauhandwerkersicherung klar für sich entscheiden. Bei der Sicherungshypothek des Bauhandwerkers handelt es sich aufgrund der aufgezeigten Nachteile um einen bloßen „Papiertiger“, der nur im Ausnahme- und nicht im Regelfall dem Sicherungsbedürfnis des vorleistungspflichtigen Auftragnehmers gerecht wird. Mit § 650f BGB hat der Gesetzgeber demgegenüber ein äußerst effektives und flexibles Sicherungsinstrument geschaffen, von dem, im Gegensatz zur Sicherungshypothek, vorbehaltlich der Sachbereichsausnahmen in Abs. 6 sämtliche Bauunternehmer profitieren können. Mit den im Rahmen von § 650f BGB gewährten Bankbürgschaften steht den Auftragnehmern im Unterschied zur Sicherungshypothek ein werthaltiges Sicherungsmittel zur Verfügung, das in einem zügigen und unkomplizierten Anforderungsprozess geltend gemacht werden kann. Die Sanktionswirkungen des § 650f Abs. 5 S. 1 BGB geben dem Bauunternehmer darüber hinaus die Möglichkeit, sich vor ungesicherten Vorleistungen zu schützen oder sich rechtssicher vom bestehenden Vertrag zu lösen. 447 Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 309 f. konstruiert hingegen einen Rückgewähranspruch über § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB, indem er den Anspruch aus § 650e BGB analog § 650f Abs. 4 BGB nachträglich entfallen lässt. 448 So im Ergebnis auch Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 310 und Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 155 f. 449 So auch Hofmann/Koppmann, BauR 1994, 305, 314 m. Fn. 45.

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Angesichts dieser zahlreichen Vorteile wirkt die Sicherungshypothek des Bauhandwerkers wie ein verstaubtes Relikt aus längst vergangenen Tagen. Diese Annahme spiegelt sich auch in den gesetzgeberischen Aktivitäten wider. Die Sicherungshypothek wurde vom Gesetzgeber bewusst stiefmütterlich behandelt. Sie hat trotz ihrer zahlreichen bekannten Schwachpunkte und trotz vielfacher Reformvorschläge aus der (älteren) Literatur450 keine nennenswerte Überarbeitung erfahren. Ihr Regelungsgehalt wurde seit Schaffung des BGB nicht verändert. Die Bauhandwerkersicherung wurde demgegenüber seit ihrer Einführung stetig ausgebaut und verfeinert. An dieser Marschrichtung sollte der Gesetzgeber festhalten. Insgesamt hat sich der durchdachte Sicherungsmechanismus des § 650f BGB trotz seiner noch aufzuzeigenden Nachteile in der baurechtlichen Praxis etabliert. Die Regelung des § 650e BGB sollte demgegenüber aufgegeben werden.451 Die gravierenden rechtlichen und praktischen Hürden, die ihrer effektiven Nutzung entgegenstehen, wurden in der vorliegenden Arbeit bereits ausgiebig dargestellt.452 Die Sicherungshypothek ist generell nicht dazu geeignet, das Sicherungsbedürfnis des Bauunternehmers zu befriedigen, da das Grundstück in der Regel „bis unter die letzte Dachpfanne“453 mit vorrangigen Grundpfandrechten fremdfinanzierender Banken belastet ist. Der Sinn und Zweck der Regelung kann nicht ausschließlich darin bestehen, über eine (wirtschaftlich wertlose) Vormerkung Druck auf den Auftraggeber auszuüben oder die freihändige Veräußerung des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter zu blockieren, um die Aussicht auf eine „Lästigkeitsprämie“ zu wahren. Auch wenn diese Verhaltensweisen des Bauunternehmers keinen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB darstellen, muss sich der Gesetzgeber ernsthaft fragen, ob die faktische – und nicht die intendierte – Bedeutung von § 650e BGB die weitere Geltung der Norm rechtfertigt. Hierbei sollte auch berücksichtigt werden, dass durch die Bauhandwerkersicherung zusammen mit dem nunmehr erstarkten Abschlagszahlungsanspruch ein angemessener Ausgleich für die Vorleistungsverpflichtung des Auftragnehmers erzielt wird. Vor diesem Hintergrund besteht kein anzuerkennendes Bedürfnis für die weitere Aufrechterhaltung eines zweiten Sicherungsanspruchs. Mit der Streichung der Sicherungshypothek hat auch § 650f Abs. 4 BGB zu entfallen. Darüber hinaus sind § 650f Abs. 6 S. 1 und Abs. 7 BGB redaktionell anzupassen. Die Abkehr von dem vorherrschenden dualen Sicherungssystem dient nicht zuletzt dem Ziel der Rechtsklarheit. Trotz dieser Vorschusslorbeeren ist auch der Sicherungsmechanismus des § 650f BGB kein Allheilmittel. Im Schrifttum ist die Bauhandwerkersicherung 450 Vgl. statt aller die Reformvorschläge von H. Groß, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 105 ff.; Motzke, Bauhandwerkersicherungshypothek, S. 275 ff.; Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 392 ff.; Mergel, Sicherung der Bauforderungen, S. 234 ff.; eine umfassende und prägnante Darstellung sämtlicher damaliger Reformvorschläge findet sich bei Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 62 ff. 451 So auch schon Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2909. 452 Siehe hier oben, S. 43 ff. 453 Siegburg, Bauwerksicherungshypothek, S. 291.

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

vielfach auf Kritik gestoßen. Vereinzelte Stimmen in der Literatur sprechen sich sogar, entgegen der hier vertretenen Bewertung, für eine Abschaffung des Regelungsmechanismus aus.454 Die Kritik konzentriert sich hierbei im Kern auf drei verschiedene Aspekte. Zuzugestehen ist zunächst, dass § 650f BGB zu gewaltigen Kostensteigerungen führen könnte, wenn jeder Auftragnehmer in den mitunter mehrgliedrigen Bauvertragsketten von seinem Sicherungsrecht Gebrauch machen würde.455 Das ist allerdings der Preis, der für ein umfassendes und gleichzeitig einfach handhabbares Sicherungsinstrument zu zahlen ist. Des Weiteren ist dieser Nachteil nur theoretischer Natur, weil in der Praxis weit überwiegend auf eine (anfängliche und vollumfängliche) Geltendmachung des Sicherungsanspruchs verzichtet wird, um das Vertragsverhältnis zum Besteller nicht zu belasten. Ein Sicherungsverlangen wird vom Auftraggeber in der Regel als Misstrauensvotum gegen seine Zahlungsfähigkeit aufgefasst. Auftragnehmer laufen dementsprechend Gefahr, bei Folgeaufträgen nicht mehr berücksichtigt zu werden, wenn sie ihren Sicherungswunsch geltend machen. Aus diesem Grund wird von dem Sicherungsanspruch häufig erst dann Gebrauch gemacht, wenn das Vertragsverhältnis bereits zerrüttet ist.456 In dieser unterlassenen oder verspäteten Geltendmachung sehen viele Autoren den zentralen Schwachpunkt der Regelung.457 Behoben werden könnte dieses Defizit allerdings nur durch Einführung eines Sicherungsautomatismus. Im Rahmen von § 650e BGB wurde ein solcher bereits aufgrund der damit verbundenen Durchbrechung sachenrechtlicher Grundprinzipien abgelehnt.458 Auch im Hinblick auf § 650f BGB ist die Schaffung eines Sicherungsautomatismus abzulehnen.459 Zum einen würde eine lückenlose Absicherung der Auftragnehmer zu einem rasanten Anstieg der Baukosten führen. Zum anderen ist eine so weitgehende Bevormundung nur schwerlich mit dem Grundsatz der Privatautonomie in Einklang zu bringen. Im 454

So Quack, BauR 1995, 319 ff.; Peters, NZBau 2005, 270, 273. So überspitzt Quack, IBR 2006, 1630; siehe auch Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 236. 456 Meyer, ZfIR 2014, 376, 377 hebt vor diesem Hintergrund besonders die praktische Bedeutung der Bauhandwerkersicherung in Kündigungsfällen hervor. 457 Vgl. etwa Quack, BauR 1995, 319 f.; Peters, NZBau 2005, 270, 273; Kniffka, BauR 2007, 246, 247; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 237; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 196 f.; BeckOK BGB/Voit, BGB § 650f Rn. 2; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 7. 458 Siehe hierzu oben, S. 45. 459 So im Ergebnis auch Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 237 und Meyer, ZfIR 2014, 376, 377; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 198 und Scherzer, Sicherung von Forderungen, S. 59 sprechen sich hingegen für eine gesetzlich zwingende Absicherung aus; auch der 3. Deutsche Baugerichtstag (BauR 2010, 1313, 1328 – 1332, 1342 f.) hat sich mit einer knappen Mehrheit dafür ausgesprochen, die Bauhandwerkersicherung im unternehmerischen Geschäftsverkehr zumindest in mäßiger Höhe als Sicherungsautomatismus auszugestalten. Die Kosten einer solchen Grundabsicherung sollen nach diesem Vorschlag vom Besteller getragen werden. 455

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Übrigen entspricht ein solcher Ansatz oftmals auch nicht den Interessen der Bauvertragsparteien. In der Praxis sind häufig langjährige Geschäftsbeziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern anzutreffen. Es erscheint aus wirtschaftlicher und bürokratischer Perspektive widersinnig, diese Vertrauensverhältnisse mit einem Sicherungsautomatismus zu belasten. Dies gilt erst recht in Phasen einer starken Auftragslage. Ein Sicherungsautomatismus ist nicht dazu in der Lage, auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Er hilft den Auftragnehmern zwar in stürmischen Zeiten. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs führt er jedoch zu einem unverhältnismäßigen Anstieg der Baukosten. Insgesamt ist damit an der vom Gesetzgeber gewählten Anspruchslösung festzuhalten. Auftragnehmer mit geringer Marktmacht haben dementsprechend sorgsam die Gefährdung der Geschäftsbeziehung gegen das Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners abzuwägen. Sicherungsbedürftige Bauunternehmer sollten ihr Sicherungsbegehren frühzeitig, offen und nachvollziehbar kommunizieren, um einer Verärgerung des Auftraggebers vorzubeugen. Eine unangemessene Reaktion des Auftraggebers lässt nicht zuletzt Rückschlüsse auf eine ungenügende Finanzierung des Bauvorhabens zu. Sie ist daher als deutliches Warnsignal zu werten. Im Zentrum der Kritik steht zu guter Letzt die Missbrauchsanfälligkeit der Bauhandwerkersicherung.460 Das Sicherungsverlangen werde häufig in einem engen Zusammenhang mit einem Mängelbeseitigungs- oder Restfertigstellungsverlangen des Bestellers oder im Streit um ausgebliebene Zahlungen geltend gemacht.461 Das Kündigungsrecht des § 650f Abs. 5 S. 1 BGB biete dem Auftragnehmer in diesem Falle einen „komfortablen Königsweg“, um sich von einem unliebsam gewordenen Vertrag ohne nennenswerte Vermögenseinbußen zu lösen.462 Der Besteller sei oftmals aus praktischen, wirtschaftlichen oder zeitlichen Gründen nicht dazu in der Lage, die Sicherheit zu stellen.463 Durch die Fertigstellungsmehrkosten, die Kosten für die Bauverzögerung und den Anspruch auf die restliche Vergütung nach § 650f Abs. 5 S. 2 BGB werde der Auftraggeber je nach Vertragsstadium schnell in eine existenzgefährdende Lage gebracht.464 Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, dem Auftragnehmer den Anreiz zur Kündigung zu nehmen, indem er auf die unattraktivere Abrechnungsvariante des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB verwiesen wird.465 Hiermit geht vor allem der Verlust des Vergütungsanspruchs für die nicht erbrachten Bauleistungen einher. Durch diese Maßnahme könne der durch § 650f Abs. 5

460 Hierzu umfassend Schlie, BauR 2016, 1076 ff., der den Sicherungsanspruch aus § 650f BGB allerdings nicht grundlegend infrage stellt. 461 Schlie, BauR 2016, 1076, 1078. 462 Schlie, BauR 2016, 1076, 1077 f. 463 Schlie, BauR 2016, 1076, 1080. 464 Schlie, BauR 2016, 1076, 1080 f. 465 Schlie, BauR 2016, 1076, 1082.

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S. 2 BGB gesetzte Fehlanreiz zur Kündigung abgeschwächt und eine Existenzbedrohung des Bestellers verhindert werden.466 Diese Einschätzung ist meines Erachtens nur teilweise zutreffend. Nicht widersprochen werden soll der Grundannahme, dass ein Sicherungsverlangen nach § 650f BGB häufig auch auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Bauhandwerkersicherung stellt in der Praxis nicht nur ein taugliches Sicherungs-, sondern auch ein effektives Druckmittel dar. Sie wird des Öfteren benutzt, um einen „Stellvertreterkrieg“ über Mängelansprüche, strittige Nachträge oder ausgebliebene Zahlungen zu führen. Der Sicherungsgedanke tritt hierbei in den Hintergrund. Vordergründig geht es dem Auftragnehmer darum, dem Auftraggeber die „Zähne zu zeigen“ und seine Verhandlungsposition zu verbessern. Für den Besteller kann ein auf § 650f BGB gestütztes Sicherungsbegehren äußerst unangenehm sein. Zum einen wird er gegenüber seiner das Bauvorhaben finanzierenden Hausbank in Erklärungsnot gebracht. Zum anderen entsteht für ihn ein nicht zu unterschätzender bürokratischer Aufwand. Klarzustellen ist jedoch, dass die soeben skizierte Vorgehensweise des Auftragnehmers keinen Missbrauch im rechtlichen Sinne darstellt.467 Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt weder ein Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsverbot noch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB vor, falls dem Sicherungsbegehren zusätzlich andere Beweggründe als der bloße Sicherungsgedanke zugrunde liegen.468 Wenn ein Auftragnehmer über § 650f BGB die Gelegenheit hat, den Sicherungsanspruch in vollem Umfang unmittelbar nach Vertragsschluss geltend zu machen, muss ihm dieses Recht auch uneingeschränkt in einer Phase strittiger Auseinandersetzungen zustehen. Dieses Ergebnis mag ein gewisses Unbehagen auslösen. Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch, dass der Auftragnehmer über § 650f BGB in jedem Falle auch eine werthaltige Sicherheit und nicht nur ein Druckmittel erhält. Hierin unterscheidet sich der Sicherungsmechanismus der Bauhandwerkersicherung im entscheidenden Punkt von der verfehlten Regelung des § 650e BGB. Die Hürden für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sind daher zu Recht äußerst hoch anzusetzen. Dennoch bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass es sich bei der Bauhandwerkersicherung um ein zweischneidiges Schwert handelt. Widersprochen werden soll jedoch der pauschalen Einschätzung, wonach die Bauhandwerkersicherung dem Auftragnehmer einen „komfortablen Königsweg“ aus dem Vertrag biete. In Einzelfällen, etwa dann, wenn der Auftragnehmer einer Vertragsstrafe oder einer Verzugshaftung entgehen will, mag dies zutreffen. In aller Regel scheuen Auftragnehmer jedoch die aufwendige und komplizierte Abrechnung des gekündigten Bauvertrags sowie den nachfolgenden Prozess über die Berechti466

Schlie, BauR 2016, 1076, 1082 f. Auch Schlie, BauR 2016, 1076, 1078 f. konstatiert, dass die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs in den wenigsten Fällen gegeben sein dürften. 468 BGH NJW 2018, 549, 550 Rn. 28. 467

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gung der Kündigung und die Höhe der Kündigungsvergütung. Die Kündigung des Bauvertrags stellt vor diesem Hintergrund für den Auftragnehmer in aller Regel die ultima ratio und nicht den „komfortablen Königsweg“ aus dem Vertrag dar. Dementsprechend sollte an der ihn begünstigenden Abrechnungsvariante festgehalten werden. Ein seriöser gewerblicher Besteller hat ein Sicherungsverlangen nach § 650f BGB bei seiner Finanzierung zu berücksichtigen und für einen ausreichenden Avalrahmen Sorge zu tragen. Kommt er diesen Anforderungen nicht nach und kann er infolge dessen den Sicherungsanspruch des Auftragnehmers nicht oder nicht rechtzeitig erfüllen, begeht er nach der gesetzgeberischen Konzeption eine schwerwiegende Pflichtverletzung.469 Dass er hierdurch in eine existenzgefährdende Lage gerät, ist ihm selbst anzulasten. Dies gilt jedenfalls für große gewerbliche Besteller mit eigener Rechtsabteilung. Kleine und mittelständische Unternehmen sind demgegenüber oftmals nicht mit den schwerwiegenden Rechtsfolgen des § 650f Abs. 5 BGB vertraut. Zu beachten ist zudem, dass auch bei Bauverträgen mit Verbrauchern, die nicht als Verbraucherbauvertrag i. S. v. § 650i BGB zu qualifizieren sind, der Sicherungsanspruch nach § 650f BGB geltend gemacht werden kann. Diese Bauherren werden gewiss keine Kenntnis von der Existenz der Bauhandwerkersicherung haben.470 Bei Bestehen eines solchen Informationsdefizits erscheint es unangebracht, dem Auftragnehmer das Recht zuzugestehen, das Vertragsverhältnis ohne Vorankündigung durch die Hintertür des § 650f Abs. 5 BGB zu verlassen. Um dieses unangemessene Ergebnis zu korrigieren, schlage ich vor, an das Fristsetzungserfordernis ein generelles Aufklärungserfordernis hinsichtlich der drohenden Rechtsfolgen zu koppeln. Gesetzgebungstechnisch lässt sich dies recht einfach durch folgende Ergänzung von § 650f Abs. 5 S. 1 BGB verwirklichen: „Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit nach Absatz 1 bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen, wenn er den Besteller im Zusammenhang mit der Fristsetzung auf die möglichen Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs hingewiesen hat.“ Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine entsprechende Leistungsverweigerungs- und Kündigungsandrohung in der alten Fassung der Bauhandwerkersicherung – bevor die Regelung zum 01. 01. 2009 von einer Obliegenheit in einen einklagbaren Anspruch umgestaltet wurde – noch vorgesehen war. Nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a. F. konnte der Bauunternehmer die Leistung nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist verweigern, wenn er den Besteller auf diese Rechtsfolge hingewiesen hatte. Sodann konnte er dem Besteller eine zweite Frist samt Kündigungsandrohung setzen. Nach Ablauf dieser Nachfrist galt der Vertrag als aufgehoben (vgl. § 648a Abs. 5 i. V. m. §§ 643, 645 Abs. 1 BGB a. F.). 469

BT-Drs. 16/511, S. 17. Kritisch hierzu auch Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 26; Schmitz, in: Bayer/ Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 63, 75. 470

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Nach heutiger Rechtslage kann der Bauunternehmer hingegen nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist (ohne entsprechenden Hinweis) die Leistung verweigern oder den Vertrag direkt kündigen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, dass der Gesetzgeber den Hinweis auf das entstehende Leistungsverweigerungsrecht aus Vereinfachungsgründen gestrichen hat.471 Weshalb die Androhung der Kündigung entfallen ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien hingegen nicht eindeutig entnehmen. Der Gesetzgeber könnte die Androhung der Kündigung nicht mehr für erforderlich gehalten haben, da die Nichtleistung der Sicherheit wegen der nunmehr gegebenen Anspruchsqualität von § 648a BGB n. F. eine Vertragsverletzung des Bestellers darstelle, die ohnehin eine außerordentliche Kündigung des Bauunternehmers ohne entsprechende Vorwarnung rechtfertige.472 Naheliegender erscheint demgegenüber, dass die Kündigungsandrohung ohne näheren Grund mit dem Wegfall des Verweises auf § 643 S. 1 BGB, in dem diese Anforderung enthalten war, entfallen ist. Insgesamt ist die Aufgabe des Hinweiserfordernisses bedenklich. In der damaligen Literatur zum reformierten § 648a Abs. 5 S. 1 BGB n. F. wurde sogar noch die Vermutung geäußert, dass die Rechtsprechung aufgrund der weitreichenden Rechtsfolgen der Norm – entgegen dem eindeutigen Wortlaut – ein Hinweiserfordernis als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal fordern könnte.473 Auch wenn sich diese Prognose nicht bestätigt hat, zeigt sie die fehlende Plausibilität der gesetzgeberischen Erwägungen auf. Die Neufassung der Bauhandwerkersicherung zum 01. 01. 2009 hat die Rechtsposition des Bauunternehmers durch die Einklagbarkeit des Sicherungsanspruchs und das vereinfachte Kündigungsrecht enorm gestärkt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die mit dem Hinweis verbundene Warnfunktion abgeschafft und die Rechtsposition des Bestellers dadurch weiter abgeschwächt. Wenn der Gesetzgeber nach alter Rechtslage einen Hinweis auf die drohenden Konsequenzen eines fruchtlosen Fristablaufs für erforderlich hielt, hätte diese Regelung erst recht in der Neufassung als ausgleichendes Korrektiv für den Besteller beibehalten werden müssen. Dass der Besteller nunmehr statt zwei Warnungen keinerlei ausdrückliche Vorankündigung mehr erhält, erscheint vor diesem Hintergrund unverständlich. Insoweit handelt es sich um eine gesetzgeberische Fehlentwicklung, die durch den oben unterbreiteten Vorschlag behoben werden sollte. Die Wiedereinführung des Hinweiserfordernisses ist auch geeignet, das mit der Bauhandwerkersicherung verbundene Konfliktpotenzial in Einzelfällen zu entschärfen. Diese erfreuliche Nebenwirkung fördert nicht zuletzt das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel des kooperativen Bauens. Mag man dem hier unterbreiteten umfassenden Lösungsvorschlag – der sich am Konzept des § 648a BGB a. F. orientiert – nicht Folge leisten, ist 471

BT-Drs. 16/511, S. 17. Vgl. BT-Drs. 16/511, S. 17. 473 Hildebrandt, BauR 2009, 4, 12; Stangl, IBR 2008, 1301 Nr. 63; Messerschmidt/Voit/ Cramer, 2. Aufl. 2012, § 648a a. F. Rn. 33. 472

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jedenfalls eine entsprechende Aufklärungspflicht im Hinblick auf Verbraucherverträge geboten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Bauhandwerkersicherung um keine „Patentlösung“ handelt. Ihre Schwachpunkte werden jedoch von den aufgezeigten Vorteilen mehr als aufgewogen. Nach meiner Überzeugung hat der Gesetzgeber mit Schaffung und Fortentwicklung des § 650f BGB den richtigen Weg beschritten. De lege ferenda sollte er das soeben erläuterte Hinweiserfordernis im Rahmen der Fristsetzung (wieder) einführen. Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber zugunsten einer selbstschuldnerischen Bürgschaft auf die erhöhten Inanspruchnahmevoraussetzungen des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB verzichten. Da die Vorschrift eine Fälligkeitsregelung enthält, unterbindet sie eine frühzeitige Inanspruchnahme des Bürgen und eine damit verbundene selbstständige Verzugshaftung. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde,474 kann dieser Umstand bei einem mehrjährigen Prozess gegen den mittlerweile insolventen Hauptschuldner wegen der zwischenzeitlich angefallenen Zinsen und Rechtsverfolgungskosten zu einer Aushöhlung der Höchstbetragsbürgschaft führen. Daher stellt § 650f Abs. 2 S. 2 BGB eine „strukturelle Schwäche“475 der Bauhandwerkersicherung dar, die beseitigt werden sollte. Schließlich wurde in der Vergangenheit in Erwägung gezogen, den Sicherungsanspruch aus § 650f BGB der Höhe nach zu begrenzen.476 Der Forderung nach einer Limitierung der Sicherungshöhe liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die Vorleistungspflicht des Bauunternehmers durch Abschlagszahlungen abgemildert wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es prinzipiell denkbar, den Sicherungsanspruch nicht für den gesamten ausstehenden Werklohn, sondern nur für das Liquiditätsdefizit, das sich bis zur jeweils nächsten fälligen Abschlagszahlung aufbaut, zu gewähren. Vor diesem Hintergrund hat sich der 3. Deutsche Baugerichtstag im Jahr 2010 für eine grundsätzliche Beschränkung der Sicherungshöhe auf 40 % des vereinbarten und noch nicht bezahlten Werklohns ausgesprochen.477 Demgegenüber wurde im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Reform des Bauvertragsrechts für den Fall, dass der Bauunternehmer Abschlagszahlungen nach § 632a BGB verlangt bzw. diese vertraglich vereinbart sind, eine pauschale Begrenzung der Sicherungshöhe auf 20 % der vereinbarten Vergütung für ausreichend erachtet.478

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Siehe oben, S. 66 ff. jurisPK-BGB/Leicht, § 650f Rn. 8. 476 Hierfür soweit ersichtlich erstmals Oberhauser, BauR 2004, 1864, 1869; die Überlegungen von Ganten, ZfBR 2006, 203, 207 f. zielen ebenfalls auf eine Begrenzung der Sicherungshöhe ab. 477 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1331. 478 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Reform des Bauvertragsrechts, S. 14 und 60 f. 475

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Die Stellungnahme des Deutschen Baugerichtstags zur Halbierung der von ihm in den Raum gestellten Höchstgrenze ließ nicht lange auf sich warten. Bemängelt wurde zum einen, dass der Referentenentwurf bei der Bemessung der 20 %-Grenze stillschweigend von einer unmittelbaren Leistungsverweigerung des Bauunternehmers bei einer ausbleibenden Abschlagszahlung ausgegangen sei.479 Diese Annahme sei in vielen Fällen jedoch unzutreffend. In der Praxis entstehe oftmals Streit darüber, ob der Leistungsstand dem geltend gemachten Abschlagszahlungsanspruch entspreche.480 Ein Unternehmer, der auf seiner Forderung beharre, gehe daher ein erhebliches Schadensersatzrisiko ein.481 Zudem könne der Bauunternehmer nicht sicher sein, ob er die erheblichen Stillstandskosten, die aus der fehlenden Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes von Maschinen und Personal entstünden, vom Besteller ersetzt bekommt.482 Diese Unsicherheiten würden dazu führen, dass oftmals trotz ausbleibender Zahlungen weitergearbeitet werde, was das Sicherungsbedürfnis des Bauunternehmers wiederum signifikant erhöhe.483 Abgesehen hiervon sei bereits die Grundannahme des Referentenentwurfes, dass einzelne Abschlagszahlungen in aller Regel unter 20 % der vereinbarten Gesamtvergütung liegen, stark anzuzweifeln.484 Insbesondere bestehe das Risiko, die Bauhandwerkersicherung durch eine entsprechende Gestaltung von Zahlungsplänen zu umgehen.485 Die Bedenken des Deutschen Baugerichtstags gegen den Referentenentwurf erscheinen überzeugend. Eine drastische Begrenzung der Sicherheitsleistung auf 20 % der vereinbarten Gesamtvergütung würde zwar das oben geschilderte Druckpotenzial der Bauhandwerkersicherung relativieren. Doch darf die Rechtsstellung des Bauunternehmers durch die Höchstgrenze nicht über Gebühr beeinträchtigt werden. Da in vielen Fällen die ernsthafte Sorge einer Untersicherung des Bauunternehmers bestand, ist die Entscheidung des Gesetzgebers, den Vorschlag aus dem Referentenentwurf nicht umzusetzen, zu begrüßen. Ob eine höhenmäßige Begrenzung der Sicherheit auf 40 % der vereinbarten Gesamtvergütung notwendig ist, darf zumindest bezweifelt werden, da die Kostentragungsregel des § 650f Abs. 3 S. 1 BGB bereits einen nicht zu vernachlässigenden Anreiz für einen verantwortungsvollen Umgang 479

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S. 20. 481

S. 20. 482

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Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015, Stellungnahme des Baugerichtstags zum Referentenentwurf des BMJV vom 20.11. 2015,

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mit dem Sicherungsanspruch setzt. Mit der Ablehnung des Referentenentwurfs ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Thematik ad acta gelegt hat.

II. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente zugunsten des Auftraggebers Der Schutz des Auftraggebers wird vor allem durch die Einrede des nichterfüllten Vertrags aus § 320 BGB und das Aufrechnungsrecht nach §§ 387 ff. BGB bewirkt. Eine spezielle Vertragserfüllungssicherheit wird dem Besteller hingegen nur im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags über § 650m Abs. 2 BGB gewährt. 1. Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB Die Regelung des § 320 BGB bringt die funktionell synallagmatische Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung bei gegenseitigen Verträgen, zu denen ohne Weiteres auch der Bauvertrag (§ 650a BGB) gehört, zum Ausdruck.486 Das in § 320 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Leistungsverweigerungsrecht verfolgt vor allem zwei Zielsetzungen. Einerseits schützt die Einrede die Parteien davor, in Vorleistung zu treten und das damit verbundene Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners zu übernehmen (sog. Schutzfunktion).487 Andererseits gibt das Leistungsverweigerungsrecht dem in Anspruch genommenen Schuldner ein Mittel zur außergerichtlichen Durchsetzung seiner eigenen Forderung (sog. Druckfunktion).488 Verstärkt wird dieser Effekt durch § 320 Abs. 1 S. 3 BGB, wonach der Gläubiger die Einrede des nichterfüllten Vertrags – im Gegensatz zum allgemeinen Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB – nicht durch Sicherheitsleistung abwehren kann.489 Mithin ist das Leistungsverweigerungsrecht besonders gut dazu geeignet, den mangelnden Leistungswillen eines an sich leistungsfähigen Auftragnehmers zu bekämpfen. Das Leistungsverweigerungsrecht verschafft dem Auftraggeber jedoch, im Gegensatz zur Aufrechnung und zu vertraglichen oder gesetzlichen Sicherheiten, keine direkte Befriedigungsmöglichkeit. Bedeutung erlangt § 320 BGB für den Auftraggeber sowohl im Erfüllungs- als auch im Gewährleistungsstadium. Vor der Abnahme kann der Besteller im Falle von Mängeln einen gewissen Betrag von einer fälligen Abschlagsforderung des Auf486

Soergel/Gsell, § 320 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 320 Rn. 1. BeckOGK BGB/Rüfner, § 320 Rn. 2; Soergel/Gsell, § 320 Rn. 3 und Staudinger/ Schwarze, § 320 Rn. 3 sprechen in diesem Zusammenhang von einer Sicherungsfunktion. 488 Soergel/Gsell, § 320 Rn. 4; BeckOGK BGB/Rüfner, § 320 Rn. 2; Staudinger/Schwarze, § 320 Rn. 3 spricht in diesem Zusammenhang von einer Durchsetzungsfunktion. 489 Staudinger/Schwarze, § 320 Rn. 48. 487

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

tragnehmers einbehalten (§§ 632a Abs. 1 S. 4, 641 Abs. 3 BGB). Angemessen ist hierbei nach § 641 Abs. 3 Hs. 2 BGB in der Regel das Doppelte der Mängelbeseitigungskosten (sog. Druckzuschlag). Nach der Abnahme kann der Auftraggeber im gleichen Umfang von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn er den nunmehr fälligen Werklohnanspruch des Auftragnehmers noch nicht vollständig beglichen hat (§ 641 Abs. 3 BGB). Zu beachten ist allerdings, dass er sich die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen vorbehalten muss, falls ihm der Mangel bereits im Zeitpunkt der Abnahme bekannt war (§ 640 Abs. 3 BGB). In engem Zusammenhang mit dem Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers steht die neu geschaffene Regelung des § 650m Abs. 1 BGB. Diese begrenzt den Gesamtbetrag von Abschlagszahlungen nach § 632a BGB im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags auf 90 % der endgültigen Werklohnforderung. Durch diese Obergrenze soll – jedenfalls soweit das Bauwerk nicht mit einer besonderen Vielzahl von Mängeln behaftet ist – eine Überzahlung in der Endphase des Bauvertrags ausgeschlossen werden.490 Hierdurch wird nämlich sichergestellt, dass dem unerfahrenen Auftraggeber noch „Munition“491 für sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 320, 641 Abs. 3 BGB zur Verfügung steht.492 Daneben verbessert der Einbehalt auch die Aufrechnungsmöglichkeit des Bestellers mit etwaigen Gegenforderungen.493 Zwischenzeitliche Überzahlungen während des Bauverlaufs werden durch den Regelungsmechanismus hingegen nicht verhindert.494 Um einer formularvertraglichen Abbedingung oder wesentlichen Einschränkung der Schutzvorschrift zu begegnen, hat der Gesetzgeber vorsorglich das Klauselverbot des § 309 Nr. 15 lit. a BGB aufgestellt. Eine individualvertragliche Abbedingung ist demgegenüber uneingeschränkt möglich. Das ergibt der Umkehrschluss aus § 650o S. 1 BGB.495 2. Das Aufrechnungsrecht gemäß §§ 387 ff. BGB Die Aufrechnung hat nach der heute herrschenden Kombinationstheorie496 eine zweifache Funktionsweise. Einerseits wird der Aufrechnende unter Preisgabe seiner 490

Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1843. So die treffende Formulierung von Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1843. 492 BT-Drs. 18/8486, S. 64. 493 Pause, BauR 2017, 430, 437. 494 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1843. 495 So zutreffend BeckOGK/Mundt, § 650m Rn. 21; Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1846; Palandt/Retzlaff, § 650m Rn. 1; fernliegende a. A. soweit ersichtlich nur BeckOK BGB/Becker, BGB § 309 Nr. 15 Rn. 5 f., der in der Regelung des § 650m Abs. 1 BGB ungeachtet von § 650o BGB eine zwingende Obergrenze sieht und das Klauselverbot des § 309 Nr. 15 lit. a BGB insoweit als überflüssig betrachtet. 496 Siehe hierzu statt aller nur Staudinger/Gursky, Vorbem zu §§ 387 ff Rn. 7 m. w. N. 491

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Gegenforderung von einer Verbindlichkeit befreit (sog. Befreiungsfunktion).497 Gleichzeitig setzt er hierdurch seine eigene Forderung durch, ohne ein vorheriges Klage- und Vollstreckungsverfahren betreiben zu müssen (sog. Befriedigungsfunktion).498 Daher ist der Auftraggeber in dem Umfang der bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit nicht auf anderweitige Sicherungsinstrumente angewiesen.499 Auf die insolvenzrechtlichen Einzelheiten der Aufrechnungsmöglichkeit (vgl. §§ 94 – 96 InsO) soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.500 Entscheidend ist nur, dass das Aufrechnungsrecht des Auftraggebers sein Sicherungsbedürfnis nur quantitativ, nicht aber qualitativ beeinflusst.501 Voraussetzung für eine wirksame Absicherung ist nämlich immer, dass ein offener Restvergütungsanspruch in Höhe der Gegenforderung besteht. Hieran wird es in der weit überwiegenden Anzahl an Fällen fehlen. Tritt die Insolvenz des Auftragnehmers im Erfüllungsstadium ein, werden in aller Regel allein die Fertigstellungsmehrkosten den restlichen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers übersteigen.502 Dies ist insbesondere auch darauf zurückzuführen, dass ein in Liquiditätsschwierigkeiten befindlicher Bauunternehmer versuchen wird, überhöhte Abschlagsforderungen geltend zu machen.503 Im Gewährleistungsstadium wird der Auftraggeber demgegenüber – sollte kein Sicherheitseinbehalt vereinbart worden sein – oftmals schon den vollständigen Werklohn bezahlt haben. In dieser Situation erweist sich das Rechtsinstitut der Aufrechnung daher als wirkungslos. 3. Die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 650m Abs. 2 BGB Abgesehen von § 650m Abs. 1 BGB trägt auch § 650m Abs. 2 BGB dem berechtigten Schutzbedürfnis des Verbrauchers Rechnung. Beide Regelungen finden nebeneinander Anwendung.504 Ursprünglich wurde die Bestimmung des § 650m Abs. 2 BGB im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes als § 632a Abs. 3 BGB a. F. eingeführt. Eine individualvertragliche Abbedingung des Sicherungsinstruments ist möglich (vgl. § 650o S. 1 BGB). Ein formularvertraglicher Ausschluss des Sicherungsmechanismus ist demgegenüber gemäß § 309 Nr. 15 lit. b BGB unwirksam. Der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass ein unerfahrener Verbraucher im Gegensatz zu einem gewerblichen Besteller in aller Regel nicht zur Vereinbarung 497 498 499 500 501 502 503 504

v. Wilmowsky, NZG 1998, 481; Habermeier, JuS 1997, 1057, 1058. v. Wilmowsky, NZG 1998, 481, 482; Habermeier, JuS 1997, 1057, 1058. Voit, BauR 2007, 235, 237. Hierzu vertiefend Zander, Versicherung, S. 134 ff. Voit, BauR 2007, 235, 238. Voit, BauR 2007, 235, 237. Voit, BauR 2007, 235, 238. BT-Drs. 18/8486, S. 64; Pause, BauR 2017, 430, 437.

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von Sicherheiten in der Lage ist.505 Deswegen gibt § 650m Abs. 2 BGB dem Verbraucher zumindest eine gesetzliche Vertragserfüllungssicherheit an die Hand. Diese steht ihm allerdings nur zu, sofern der Auftragnehmer Abschlagszahlungen beansprucht. Entscheidet er sich hierfür, hat der Bauunternehmer dem Verbraucher für die vertragsgemäße und rechtzeitige Herstellung des Werks eine Sicherheit in Höhe von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung bei der ersten Abschlagsforderung zu leisten. Hat der Besteller die erste Abschlagsforderung vollständig beglichen, ohne eine entsprechende Sicherheit erhalten zu haben, kann er sie auch noch zu einem späteren Zeitpunkt verlangen.506 Erhöht sich der Vergütungsanspruch infolge von Änderungen oder Ergänzungen des Bauvertrags um mehr als 10 %, ist die Sicherheit bei der nächsten Abschlagszahlung entsprechend anzupassen (§ 650m Abs. 2 S. 2 BGB).507 Nicht geregelt ist hingegen der umgekehrte Fall, also was geschieht, wenn sich die Gesamtvergütung infolge von Änderungen um mehr als 10 % verringert. Vereinzelte Stimmen im Schrifttum plädieren in diesem Zusammenhang für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift.508 Auch wenn ich einer so weitgehenden Analogie zulasten des Verbrauchers skeptisch gegenüberstehe, erscheint es nur billig, beide Situationen gleich zu behandeln. Daher sollte der Gesetzgeber auch den umgekehrten Fall ausdrücklich regeln.509 a) Die Rechtsnatur des Sicherungsinstruments Bevor auf die Einzelheiten des Sicherungsmechanismus eingegangen wird, ist seine Rechtsnatur zu klären. Anders als die Bauhandwerkersicherung setzt die Regelung des § 650m Abs. 2 BGB kein Sicherungsverlangen des Verbrauchers voraus. Stattdessen ist die Sicherheit dem Verbraucher ohne vorherige Aufforderung bei der ersten Abschlagszahlung zu stellen. Daher wird vertreten, dass die Nichtstellung der Sicherheit lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers gemäß § 320 BGB bzw. ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gegenüber dem Anspruch des Bauunternehmers auf Abschlagszahlungen begründet.510 Zum Teil wird in 505

MüKoBGB/Busche, § 650m Rn. 4; BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 22. Pause, BauR 2009, 898, 907. 507 Kritisch hierzu Ganten, ZfBR 2006, 203, 205, der die Vorschrift als wenig praktikabel und zu detailliert bezeichnet. Er möchte den Kern ihres Regelungsgehalts jedoch in vereinfachter Form beibehalten. 508 A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 275 f.; BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 41. 509 Vgl. hierzu (allerdings noch zur alten Rechtslage) den prägnanten Reformvorschlag von A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 327 f. Dieser sieht darüber hinaus vor, dass die Erhöhung bzw. Reduzierung unmittelbar und nicht erst im Rahmen der nächsten Abschlagszahlung geltend gemacht werden kann. Eine solche Vereinfachung des ohnehin überfrachteten Normtextes ist zu begrüßen. 510 Für ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 23 ff.; Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 134; für ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB hingegen BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 25, 32; 506

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diesem Zusammenhang auch von einer bloßen Obliegenheit des Auftragnehmers gesprochen.511 Andere legen die Regelung des § 650m Abs. 2 BGB hingegen als einklagbaren Sicherungsanspruch aus.512 Schließlich könnte man – was vom Schrifttum bisher wohl noch nicht in Betracht gezogen wurde – auch davon ausgehen, dass § 650m Abs. 2 BGB selbst ein originäres Leistungsverweigerungsrecht zugunsten des Bestellers enthält und dieses daher nicht aus den §§ 273, 320 BGB abgeleitet werden muss. In diesem Fall wäre die Annahme einer einklagbaren Forderung von vornherein ausgeschlossen, weil ein und dieselbe Formulierung nicht gleichzeitig einen isolierten Anspruch und eine Einrede zum Ausdruck bringen kann. Entschieden gegen die zuletzt genannte Auslegung spricht aber ein Wortlautvergleich mit der Vorschrift des § 410 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei dieser Norm handelt es sich – ihrer Formulierung entsprechend – nur um eine Einrede und nicht um einen Anspruch.513 Im Rahmen von § 650m Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber demgegenüber eine befehlende – auf einen Anspruch hindeutende – Fassung gewählt. Andernfalls hätte er die Vorschrift in Anlehnung an § 410 Abs. 1 S. 1 BGB wie folgt ausgestaltet: „Der Besteller ist dem Unternehmer gegenüber zur Leistung von Abschlagszahlungen nur gegen Beibringung einer Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel in Höhe von 5 Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung verpflichtet.“

Daher kann sich ein Leistungsverweigerungs- bzw. Zurückbehaltungsrecht mit der einhelligen Auffassung in der Literatur nur aus § 320 BGB oder § 273 BGB ergeben. Beide Einreden setzen allerdings das Bestehen wechselseitiger bzw. gegenseitiger Forderungen voraus. Folglich muss § 650m Abs. 2 BGB – was sich im Übrigen auch aus der Gesetzesbegründung ergibt514 – einen selbstständigen Sicherungsanspruch MüKoBGB/Busche, § 650m Rn. 7; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 270 spricht zwar von einem Leistungsverweigerungsrecht, nimmt aber mit Fn. 283 auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB Bezug. 511 So L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 23a; BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 22. 512 Pause, BauR 2009, 896, 905, 907; Glöckner/v. Berg/Dören, 632a a. F. Rn. 48; L/B/D/ Rückert, § 650m Rn. 10; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 22; Zander, Versicherung S. 48 m. Fn. 158; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 93 m. Fn. 102; A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 268; offengelassen von BGH NJW 2013, 219, 220 Rn. 22; unter den Vertretern dieser Auffassung herrscht allerdings ebenfalls Uneinigkeit darüber, ob sich der Besteller im Falle einer ausgebliebenen Sicherheitsleistung gegenüber dem Abschlagszahlungsanspruch des Bauunternehmers auf die Einrede aus § 320 BGB oder § 273 BGB stützen kann. 513 BGH NJW 2012, 3426, 3427; Palandt/Grüneberg, § 410 Rn. 1. 514 BT-Drs. 16/511, S. 15 spricht davon, dass es angebracht sei, in § 632a BGB festzulegen, „[…] dass und in welchem Umfang der Besteller einen gesetzlichen Anspruch auf Absicherung seines Erfüllungsanspruchs hat […].“ Auf der gleichen Seite steht sinngemäß, dass der Besteller eine Erfüllungssicherheit beanspruchen kann und dass der Auftragnehmer die Sicherheit schulde. Auf die Gesetzesbegründung stützt sich auch die Argumentation von Glöckner/v. Berg/ Dören, 632a a. F. Rn. 48.

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gewähren.515 Andernfalls wäre der Besteller nicht dazu in der Lage, die Zahlung einer Abschlagsforderung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Die Annahme einer bloßen Obliegenheit erscheint vor diesem Hintergrund paradox. Die Kopplung der Sicherheit an die Geltendmachung der ersten Abschlagszahlungsforderung dürfte aus meiner Sicht unter anderem deshalb erfolgt sein, weil der Verbraucher in der Regel keine Kenntnis von dem ihm zustehenden Sicherungsmechanismus hat. Aus diesem Grund spricht der Verzicht des Gesetzgebers auf ein explizites Sicherungsverlangen gerade nicht gegen den Charakter eines Sicherungsanspruchs, sondern nur für eine Stärkung der Rechtsposition des Verbrauchers. Die Gegenauffassung wird der Zielsetzung eines effektiven Verbraucherschutzes hingegen nicht ausreichend gerecht. Nach ihr hat der Verbraucher nämlich keine Möglichkeit mehr, eine Vertragserfüllungssicherheit zu erhalten, wenn er bereits sämtliche Abschlagszahlungen bis zur Obergrenze aus § 650m Abs. 1 BGB erbracht hat. Auch wegen dieser Schutzlücke ist die Annahme eines einklagbaren Sicherungsanspruchs vorzugswürdig. Des Weiteren ist zu klären, ob die geschilderte Einredemöglichkeit des Verbrauchers aus § 320 BGB oder § 273 BGB resultiert. Diese Frage ist nicht nur von dogmatischer, sondern auch von praktischer Relevanz: Im Gegensatz zum allgemeinen Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB muss der Schuldner sich nämlich im Falle des § 320 BGB nicht auf das Zurückbehaltungsrecht berufen, um einen Verzugseintritt zu verhindern – die Einrede des nicht erfüllten Vertrags wirkt insoweit ipso iure.516 Daher erscheint die Anwendung von § 320 BGB aus Verbraucherschutzgesichtspunkten wünschenswert und angebracht. Fraglich erscheint jedoch, ob die dafür notwendige synallagmatische Verknüpfung gegeben ist. Hierfür spricht entschieden, dass der Gesetzgeber eine enge Verzahnung zwischen Abschlagszahlungsanspruch und Sicherheitsleistung geschaffen hat.517 Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst der Werklohnanspruch des Bauunternehmers und der Löschungsanspruch des Bestellers hinsichtlich einer im Rahmen von § 650e BGB gewährten Vormerkung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.518 Dann muss eine solche Verbindung erst recht zwischen den ausdrücklich aneinander gekoppelten Ansprüchen aus § 650m Abs. 2 BGB angenommen werden.519

515

Vgl. hierzu BeckOK BGB/Lorenz, BGB § 273 Rn. 13. So die ganz h. M., vgl. statt aller nur BeckOGK/Dornis, § 286 Rn. 120, 124 m. w. N. 517 Vgl. auch BGH NJW 2013, 219, 220 Rn. 22, der von einer „untrennbare[n] Verknüpfung“ spricht. 518 RGZ 56, 251, 252. 519 A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 267 f. zieht ebenfalls einen solchen Vergleich heran, um die Gegenseitigkeit zwischen Abschlagszahlungsanspruch und Sicherheitsleistung zu begründen. 516

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Das Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB besteht schließlich, entgegen der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum520, in voller Höhe und nicht nur im Umfang der vom Unternehmer zu erbringenden Sicherheit. Der Wortlaut des Gesetzes sieht insofern schlichtweg keine Einschränkung vor. Außerdem hat der Bauunternehmer die Option, eine Reduktion des einbehaltenen Betrags zu erreichen, indem er sich gemäß § 650m Abs. 2 S. 3 BGB für einen Sicherheitseinbehalt entscheidet, oder die vollständige Auszahlung zu veranlassen, indem er eine anderweitige Sicherheit nach §§ 232 ff., 650m Abs. 3 stellt. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, hat dies für den Verbraucher den entscheidenden Vorteil, dass der Verzugseintritt bis zur Gewährung der Sicherheit vollständig und nicht nur in Höhe von fünf Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung verhindert wird. b) Sicherungsmittel Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Sicherungsmittel herrscht ein Regelungsgleichlauf mit § 650f BGB. Der Auftragnehmer hat demnach die Wahl zwischen den in §§ 232 ff. BGB geregelten Sicherheiten. Zudem kann er sich gemäß § 650m Abs. 3 BGB auch für eine Garantie und entgegen § 232 Abs. 2 BGB stets für eine Bürgschaft eines Kreditinstituts oder eines Kreditversicherers entscheiden. Die allgemeine Regelung des § 239 BGB wird, wie auch schon durch § 650f Abs. 2 S. 1 BGB, von dem spezielleren § 650m Abs. 3 BGB verdrängt.521 Dass die in der Praxis besonders etablierten Bankbürgschaften nicht mit der Einrede der Vorausklage behaftet sind, ergibt sich insoweit bereits aus § 349 S. 1 HGB. Hervorgehoben werden soll in diesem Zusammenhang, dass für diese Personalsicherheiten – anders als im Rahmen von § 650f BGB – keine erhöhten Inanspruchnahmevoraussetzungen gelten. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollte der Gesetzgeber auf den verfehlten Regelungsmechanismus des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB verzichten.522 Angemerkt sei des Weiteren, dass die Kosten der Sicherheitsleistung vom Auftragnehmer zu tragen sind. Ein dem § 650f Abs. 3 BGB entsprechender Kostenerstattungsanspruch ist gerade nicht vorgesehen. Dies ist allerdings auch sachgerecht, weil der Auftragnehmer die Kosten der Sicherheit bei Vertragsschluss einpreisen kann. Auf Verlangen des Auftragnehmers kann die Sicherheit auch durch die Gewährung eines Bareinbehalts von den Abschlagszahlungen erbracht werden (§ 650m Abs. 2 S. 3 BGB).523 Hierdurch verzichtet der Auftragnehmer zwar vorübergehend 520

Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 134; Messerschmidt/Voit/ Lenkeit, § 650m Rn. 22; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 93; vgl. auch die entsprechenden Ausführungen von BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 33 und DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 272 in Bezug auf § 273 BGB. 521 § 650m Abs. 3 BGB entspricht wortwörtlich § 650f Abs. 2 S. 1 BGB. Die Frage des Konkurrenzverhältnisses wurde bereits abschließend im Rahmen der Bauhandwerkersicherung beantwortet. Siehe hierzu oben, S. 61 f. 522 Hierzu bereits umfassend oben, S. 68. 523 Zum Sicherheitseinbehalt näher unten, S. 195 ff.

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auf ihm zustehende Liquidität. Andererseits erspart er sich jedoch den mit der Bankbürgschaft verbundenen Kosten- und Organisationsaufwand.524 Entscheidet sich der Bauunternehmer gemäß § 650m Abs. 2 S. 3 BGB für einen Bareinbehalt, ist er aufgrund des Zusammenspiels mit § 650m Abs. 1 BGB insgesamt nur dazu berechtigt, Abschlagszahlungen in Höhe von 85 % der vereinbarten Gesamtvergütung geltend zu machen.525 c) Sicherungszweck Der Sicherungsweck erstreckt sich allgemein auf alle Ansprüche, die aus der Pflicht zur rechtzeitigen und im Wesentlichen mangelfreien Herstellung des Werks resultieren können. Freilich ist hiermit nicht gemeint, dass die Bank anstatt des Bauunternehmers auf Erbringung der Bauleistungen in Anspruch genommen werden kann. Da es sich bei ihnen um Geldhäuser handelt, haben sie auch nur für geldwerte Forderungen einzustehen. Erfasst werden daher zum einen Schadensersatzansprüche statt der Leistung für Fertigstellungsmehrkosten im Zuge einer unterbliebenen Vollendung. Zum anderen erstreckt sich der Sicherungszweck auf Verzugsschäden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB, die aus einer verspäteten Fertigstellung hervorgehen. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang auch etwaige Vertragsstrafen abgesichert, die für den Fall der nicht rechtzeitigen Fertigstellung vereinbart wurden.526 Schadensersatzansprüche für eine nicht ordnungsgemäße Fertigstellung werden demgegenüber nach dem eindeutigen Wortlaut nur dann erfasst, wenn es sich um wesentliche Mängel handelt.527 Dies erscheint äußerst bedenklich.528 Einerseits entstehen hierdurch streitanfällige Abgrenzungsschwierigkeiten.529 Andererseits können auch mehrere unwesentliche Mängel in der Summe zu erheblichen Mängelbeseitigungskosten führen.530 Darüber hinaus ist die Gesetzesbegründung zu 524 525

Rn. 2. 526

BT-Drs. 16/511, S. 15. BT-Drs. 18/8486, S. 64; L/B/D/Rückert, § 650m Rn. 11; MüKoBGB/Busche, § 650m

BeckOGK/Mundt, § 650m Rn. 45; vertiefend A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 255 f. So auch die ganz h. M.: zur alten Rechtslage Glöckner/v. Berg/Dören, 632a a. F. Rn. 50 f.; Schütz, MittBayNot 2016, 211, 215; A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 260; Pause, BauR 2009, 898, 907; Ganten, ZfBR 203, 205; Zander, Versicherung, S. 131 Fn. 595; Kniffka/ Koeble/Jurgeleit/Sacher/Kniffka, Kompendium, Teil 4 Rn. 663; zur neuen Rechtslage BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 45.1; MüKoBGB/Busche, § 650m Rn. 9; L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 33 f.; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 269; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,91. 528 Unter den Vertretern der h. M. ist die Differenzierung überwiegend auf scharfe Kritik gestoßen. Vgl. stellvertretend Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,91, der die Unterscheidung zu Recht als absurd bezeichnet. 529 BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 45.1; L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 33. 530 So Pause, BauR 2009, 898, 907, einschränkend muss jedoch beachtet werden, dass viele für sich genommen unwesentliche Mängel in ihrer Gesamtheit die Wesentlichkeitsschwelle überschreiten können (vgl. hierzu KG BauR 1984, 527; OLG München IBRRS 2008, 2386; 527

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§ 632a Abs. 3 BGB a. F. an dieser Stelle wenig stringent.531 Auf der einen Seite betont der Gesetzgeber, dass die Wesentlichkeit des Mangels eine zentrale Tatbestandsvoraussetzung ist.532 Auf der anderen Seite soll die Sicherheit alle Ansprüche erfassen, die ihren Ursprung in einer Unternehmerleistung haben, die hinter der vertraglich geschuldeten Tauglichkeit oder Werthaltigkeit zurückbleibt.533 Deswegen wurde die Formulierung in § 632a Abs. 3 BGB a. F. im Schrifttum teilweise sogar als Redaktionsversehen betrachtet.534 Mit der Überführung der Textpassage in § 650m Abs. 2 BGB ist diese Auffassung meines Erachtens allerdings nur noch schwerlich aufrechtzuerhalten.535 De lege ferenda sollte der Gesetzgeber daher auf die unbillige Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln verzichten. Der Sicherungszweck hat sich unterschiedslos auf die rechtzeitige und vertragsgemäße Herstellung des Werks zu erstrecken.536 Klarheit besteht demgegenüber darin, dass nach der Abnahme entstehende Mängelansprüche nicht von der Vertragserfüllungssicherheit erfasst werden.537 Eine Ausnahme besteht jedoch nach allgemeiner Auffassung für bereits im Erfüllungsstadium entdeckte wesentliche Mängel, deren Geltendmachung sich der Besteller gemäß § 640 Abs. 3 BGB vorbehalten hat.538 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass sich der eindeutige Wortlaut von § 640 Abs. 3 BGB nur auf Gewährleistungsansprüche gemäß § 634 Nr. 1 bis 3 BGB bezieht. Demzufolge führt eine vorbehaltlose Abnahme nach herrschender Meinung nicht zum Verlust von Schadensersatzansprüchen für Mängelbeseitigungskosten gemäß § 634 Nr. 4 BGB.539 KonsequenStaudinger/Peters, § 640 Rn. 61). Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallbeurteilung. Sollte dieser Fall gegeben sein, muss die Sicherheit auch schon nach geltender Rechtslage für sich genommen unwesentliche Mängel erfassen (a. A. offenbar Pause, BauR 2017, 430, 437). 531 DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 269. 532 BT-Drs. 16/511, S. 15. 533 BT-Drs. 16/511, S. 15. 534 So Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 141 f. und Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 31; Basty, DNotZ 2008, 891, 895 und Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,6 sprechen sich zur alten Rechtslage im Ergebnis ebenfalls entgegen dem Wortlaut für eine Absicherung unwesentlicher Mängel aus. 535 So auch Pause, BauR 2017, 430, 437; DLOPS/Stretz, § 5 Rn. 269; BeckOGK BGB/ Mundt, § 650m Rn. 45.1; L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 34; L/B/D/Rückert, § 650m Rn. 14; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,91 hat sich infolgedessen der herrschenden Meinung angeschlossen; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 32; Lenkeit, PiG 106 (2018), 81, 93 hält hingegen weiterhin an seinem Standpunkt fest. 536 Ein entsprechender Reformvorschlag wurde auch schon von A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 324 – 326 zur Vorgängerregelung unterbreitet. 537 BT-Drs. 16/511, S. 15. 538 BT-Drs. 16/511, S. 15; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,6; BeckOGK BGB/Mundt, § 650m Rn. 46. 539 BGH NJW 1980, 1952 f.; BGH NJW 1995, 392, 393; BeckOK BGB/Voit, BGB § 640 Rn. 44; MüKoBGB/Busche, § 640 Rn. 39; Kniffka ibrOK/Pause/Vogel, § 640 Rn. 87; Jansen, NZBau 2016, 688, 689; Schwenker, NJW 2016, 1746 f.; a. A. OLG Schleswig NJW 2016, 1744, 1745 Rn. 47 ff.; Buchwitz, NJW 2017, 1777, 1779; Schwab, JuS 2016, 1126, 1127.

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terweise müssen daher auch solche Schadensersatzansprüche von einer Vertragserfüllungssicherheit erfasst sein.540 Strenggenommen kommt es also für die Abgrenzung des Sicherungszwecks nur darauf an, ob der wesentliche Mangel vom Besteller schon im Erfüllungs- oder erst im Gewährleistungsstadium entdeckt wurde. Schließlich werden von § 650m Abs. 2 S. 1 BGB auch keine Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter Abschlags- oder Vorauszahlungen erfasst, da diese in keinerlei Beziehung zur vertragsgemäßen Herstellung des Bauwerks stehen. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die generelle Rückforderung von erbrachten Vorausoder Abschlagszahlungen auf Basis eines Schadensersatzanspruchs statt der ganzen Leistung. Verwiesen wird insoweit auf die Ausführungen zur Auslegung einer auf vertraglicher Sicherungsabrede beruhenden Vertragserfüllungsbürgschaft.541 d) Verwertung und Rückgewähr der Sicherheit Der Auftraggeber kann den Bürgen in Anspruch nehmen, wenn der sog. Sicherungsfall (auch Verwertungsreife genannt)542 eingetreten ist. Dies ist bei der selbstschuldnerischen Bankbürgschaft der Fall, wenn eine geldwerte Forderung fällig ist, die vom Sicherungszweck erfasst wird.543 Unterstellt werden soll in diesem Zusammenhang, dass die ausgestellte Bürgschaft den gesetzlich festgelegten Anforderungen entspricht. Zu beachten ist, dass der Sicherungsfall auch noch nach der Abnahme eintreten kann. Dies gilt nach der hier vertretenen Auffassung selbst dann, wenn der Besteller sich die Geltendmachung von ihm bekannten wesentlichen Mängeln nicht vorbehalten hat. Kann der Sicherungsfall demgegenüber aufgrund einer rechtzeitigen und im Wesentlichen mangelfreien Leistung nicht mehr eintreten, ist die Bankbürgschaft zurück zu gewähren. Der genaue Zeitpunkt für die Rückgewähr fällt in diesem Fall, entgegen einer starken Auffassung in der Literatur544, nicht auf die Abnahmereife, sondern auf die Abnahme.545 Der Grund hierfür liegt darin, dass das Bauwerk – obwohl der Auftragnehmer durch die rechtzeitige und abnahmereife Herstellung die 540 So zutreffend nur Schütz, MittBayNot 2016, 211, 213 und A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 283 f., der allerdings einschränkend verlangt, dass dem Besteller der Schadensersatzanspruch im Zeitpunkt der Abnahme zusteht. Hierbei handelt es sich wohl um eine sprachliche Ungenauigkeit. Der Anspruch aus § 634 Nr. 4 BGB kann erst nach der Abnahme entstehen. Maßgeblich ist nur, dass im Zeitpunkt der Abnahme ein vom Besteller erkannter wesentlicher Mangel vorliegt und dieser nach der Abnahme Gegenstand eines Schadensersatzanspruchs wird. 541 Siehe hierzu unten, S. 163. 542 Weise, Sicherheiten, Rn. 37; Thode, ZfIR 2000, 165, 171. 543 Siehe hierzu allgemein Schmitz, Sicherheiten, Rn. 176. 544 Palandt/Retzlaff, § 650m Rn. 6; Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 143; Basty, DNotZ 2008, 891, 894 f. 545 So auch Schütz, MittBayNot 2016, 211, 213; A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 280; Pause, BauR 2009, 898, 908; BeckOGK/Mundt, § 650m Rn. 50.

B. Gesetzliche Schutz- und Sicherungsinstrumente

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ihm obliegende Leistungspflicht erbracht hat – erst durch die Billigung des Bestellers als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung konkretisiert wird.546 Die dogmatische Grundlage des Rückgewähranspruchs bildet die gesetzliche Sicherungsabrede des § 650m Abs. 2 BGB. Die Rückgewähr setzt sich zum einen aus der körperlichen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und zum anderen aus einer Enthaftung des Bürgen zusammen. Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Bauhandwerkersicherung verwiesen.547Angemerkt sei an dieser Stelle des Weiteren, dass eine pauschale zeitliche Befristung der Personalsicherheit nicht mit dem Schutzzweck von § 650m Abs. 2 BGB in Einklang zu bringen ist.548 Schließlich kann der Besteller die Rückgewähr der Bürgschaft nicht nach § 273 BGB von der Erfüllung ungesicherter Gewährleistungsansprüche abhängig machen.549 Ein solches Vorgehen ist nicht mit dem gesetzlichen Sicherungsmechanismus des § 650m Abs. 2 BGB vereinbar. Andernfalls wäre der Auftraggeber faktisch dazu in der Lage, den Sicherungszweck einseitig auf sämtliche Gewährleistungsansprüche auszudehnen.550 4. Abschließende Würdigung Mit § 650m Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber für den in aller Regel unerfahrenen „Häuslebauer“ einen über die allgemeinen Schutzinstrumente aus § 320 BGB und §§ 387 ff. BGB hinausgehenden Sicherungsmechanismus geschaffen. Dies ist bemerkenswert, weil dem Verbraucher im Zusammenhang mit anderen Vertragstypen keine entsprechende Sicherheitsleistung zugestanden wird. Die Rechtfertigung für den gesetzlichen Sicherungsmechanismus resultiert nach meiner Einschätzung vor allem aus der langen und komplexen Herstellungsphase eines Bauwerks. Hierauf sind im Wesentlichen auch die hohen Fertigstellungsmehrkosten im Falle einer Insolvenz des Bauunternehmers zurückzuführen. Vor diesen potenziellen Kosten möchte der Gesetzgeber den Verbraucher, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ohnehin durch die Finanzierung des Bauvorhabens immens eingeschränkt ist, zumindest teilweise bewahren. Dies ist ein anerkennenswertes Ziel, weil der Verbraucher im Rahmen eines so bedeutenden Lebensprojekts vor einer wirtschaftlichen Überforderung geschützt werden muss.

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Vgl. Schütz, MittBayNot 2016, 211, 213. Siehe hierzu oben, S. 69 ff. 548 Schütz, MittBayNot 2016, 211, 212; Basty, DNotZ 2008, 891, 894. 549 So ausdrücklich BT-Drs. 16/511, S. 15; Palandt/Retzlaff, § 650m Rn. 6; L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 49; Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 144; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 33; a. A. nur Basty, DNotZ 2008, 891, 896. 550 L/P/S/Wellensiek, § 650m Rn. 49; Kniffka ibrOK/v. Rintelen, Stand 21. 08. 2017, § 632a a. F. Rn. 144. 547

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Verwunderlich ist jedoch, warum dem Verbraucher nur fünf Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung als Sicherheitsleistung zugebilligt werden.551 Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sich – worauf später noch genauer einzugehen ist552 – in der Kautelarpraxis im gewerblichen Bereich eine doppelt so hohe Absicherung etabliert hat. In seiner momentanen Fassung ist die Sicherheit daher nur unzureichend dazu geeignet, die Folgen einer Insolvenz des Auftragnehmers abzufedern. An dieser Beurteilung ändert auch der neu eingeführte § 650m Abs. 1 BGB nichts, weil dieser dem Verbraucher lediglich einen zehnprozentigen Einbehalt in der Endphase des Bauvertrags zugesteht. Deshalb sollte der Gesetzgeber einen Gleichlauf mit der im gewerblichen Bereich vorherrschenden Kautelarpraxis erzielen und die Sicherheit auf zehn Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung erhöhen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass mit der Verdopplung der Sicherungshöhe eine unverhältnismäßige Steigerung der Baupreise oder eine unzumutbare Belastung der Unternehmer einhergehe. Bei einem Bauvorhaben in der Größenordnung von 350.000 E, einer angenommenen Bauzeit von sechs Monaten und einer jährlichen Avalprovision in Höhe von 2 % der Bürgschaftssumme entstehen für eine 5 %-ige Vertragserfüllungsbürgschaft Kosten in Höhe von 175 E. Bei ansonsten gleichbleibenden Parametern werden für eine 10 %-ige Vertragserfüllungsbürgschaft demnach 350 E fällig. Damit wird in dem Beispiel durch den hier unterbreiteten Vorschlag für den geringfügigen Aufpreis von 175 E eine zusätzliche Absicherung des Verbrauchers in Höhe von 17.500 E erzielt. Aus dem gleichen Grund befürworte ich prinzipiell – obwohl diese Maßnahme auf Seiten der Bauunternehmer zu einem gesteigerten Verwaltungsaufwand und einer höheren Belastung ihrer Kreditlinie führen wird553 – die Schaffung einer Gewährleistungssicherheit, welche sich an den in der Vertragspraxis üblichen Betrag von fünf Prozent der Gesamtvergütung anlehnt.554 Die Einführung einer solchen Sicherheit ist für die Bauunternehmer auch nicht ausschließlich nachteilhaft, da sie die Zahlungs- und Abnahmebereitschaft ihres jeweiligen Bestellers positiv beeinflussen kann.555 551 Kritisch zur geringen Sicherungshöhe nach alter Rechtslage auch Kniffka, in: FS Franke 2009, S. 185, 188; v. Gehlen, NZBau 2008, 612, 614; Zander, Versicherung, S. 132. 552 Siehe hierzu unten, S. 200 ff. 553 A. Schmidt, Abschlagszahlungen, S. 262 f. spricht sich unter anderem wegen diesen nicht zu unterschätzenden Belastungen der Bauunternehmer gegen die Schaffung einer Gewährleistungssicherheit aus; kritisch auch Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz vom 18. Juni 2013, S. 35. 554 Für die Einführung einer Gewährleistungssicherheit auch Pause, BauR 2009, 898, 907 und v. Gehlen, NZBau 2008, 612, 614; der 3. Deutsche Baugerichtstag (BauR 2010, 1313, 1332 f., 1343) hat sich dafür ausgesprochen, Verbrauchern im Rahmen von größeren Bauverträgen einen zwingenden Anspruch auf eine durchlaufende Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit einzuräumen. 555 Pause, BauR 2009, 898, 907; v. Gehlen, NZBau 2008, 612, 614.

C. Verbliebenes Sicherungsbedürfnis von Auftraggeber und Auftragnehmer

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Zu beachten ist allerdings, dass eine gesetzliche Gewährleistungssicherheit durchaus erhebliche Kostensteigerungen zur Folge hätte. Im Gegensatz zu einer Vertragserfüllungsbürgschaft muss sie nämlich über den recht langen Zeitraum von fünf Jahren (vgl. § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB) aufrechterhalten werden. In dem oben genannten Beispiel würden demnach zusätzliche Kosten in Höhe von 1.750 E für eine 5 %-ige Gewährleistungsbürgschaft anfallen. Hieraus wird deutlich, dass die Schaffung von Sicherheiten in erster Linie keine juristische, sondern eine politische und vor allem ökonomische Entscheidung ist. Der Gesetzgeber hat eine Abwägung zwischen dem Schutz des Einzelnen, der pekuniären Belastung aller „Häuslebauer“ und den berechtigten Interessen der Bauunternehmer vorzunehmen. Bei einem so einmaligen und risikoreichen Vorhaben wie dem „Bau der eigenen vier Wände“, bei dem der Verbraucher in aller Regel einen Großteil seiner wirtschaftlichen Ressourcen aufwendet, ist nach meiner Überzeugung dem individuellen Sicherungsbedürfnis – jedenfalls bis zur Höhe des im gewerblichen Bereich vertraglich etablierten Sicherungsumfangs – der Vorrang einzuräumen.

C. Verbliebenes Sicherungsbedürfnis von Auftraggeber und Auftragnehmer Dem Sicherungsbedürfnis des Auftragnehmers wurde mit der Bauhandwerkersicherung, trotz der gewissen mit § 650f BGB verbundenen Schwächen, bereits weitgehend Rechnung getragen. Zwar sind Randkorrekturen noch denkbar, wie sie hier vorgeschlagen worden sind, doch wird der Gesetzgeber sicherlich in diesem Bereich keinen Bedarf für fundamentale Reformen mehr sehen. Privatautonom vereinbarte Sicherheiten, die über § 650f BGB hinausgehen, wird der Auftragnehmer aufgrund seiner typischerweise unterlegenen Verhandlungsposition in aller Regel nicht gegenüber einem gewerblichen Besteller durchsetzen können. Im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags ist er hingegen, aufgrund der Ausnahmeregelung des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB und der hier vorgeschlagenen Streichung von § 650e BGB, auf die Vereinbarung von vertraglichen Sicherheiten angewiesen. Seinen diesbezüglichen Sicherungsmöglichkeiten soll am Ende der Arbeit nachgegangen werden. Insbesondere wird zu diskutieren sein, ob die Privilegierung des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB aufgegeben werden sollte. Zuvor soll der Schwerpunkt der Arbeit jedoch auf die vertragliche Absicherung des unternehmerisch tätig werdenden Auftraggebers gerichtet werden. Gewerblichen Bestellern steht kein gesetzlicher Sicherungsanspruch zur Verfügung. Sie sind daher besonders daran interessiert, ihre Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche mittels Bürgschaften abzusichern. Die diesen Sicherheiten zugrunde liegenden formularvertraglichen Sicherungsabreden haben die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Vergangenheit unzählige Male beschäftigt. Ihnen, ihren

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2. Kap.: Bauvertragliche Risikoverteilung und gesetzliche Sicherheiten

Unwirksamkeitsgründen und deren Folgen soll daher nach einer allgemeinen Einführung zu Bürgschaften im 3. Kapitel die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf dem Damoklesschwert der AGBrechtlichen Unwirksamkeit, welches über den vertraglichen Sicherungsabreden schwebt. Der Verbraucher erfährt demgegenüber im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags nach den hier unterbreiteten Änderungsvorschlägen eine angemessene – wenn auch nicht immer ausreichende – Absicherung für seine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche. Zur Vereinbarung anderweitiger Sicherheiten ist er in aller Regel aufgrund seiner mangelnden Kenntnis und Erfahrung nicht imstande.

Drittes Kapitel

Die dogmatische Struktur der Bürgschaft A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip Die dogmatische Struktur der Bürgschaft wird vor allem durch das Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip geprägt. Beide Maximen sind in den bürgschaftsrechtlichen Vorschriften verankert.

I. Das Akzessorietätsprinzip Obwohl es sich bei der Bürgschaft um eine selbstständige Verbindlichkeit handelt, ist sie in ihrer Entstehung, ihrem Erlöschen, ihrer Rechtszuordnung, ihrem Umfang und ihrer Durchsetzbarkeit unmittelbar und einseitig von der gesicherten Hauptschuld abhängig.1 Das Akzessorietätsprinzip prägt die Bürgschaft demnach in ihrem gesamten „Lebenszyklus“. 1. Akzessorietät in der Entstehung Die Inanspruchnahme des Bürgen ist zunächst an das Bestehen einer gesicherten Hauptschuld geknüpft. Dies ergibt sich, entgegen einer weit verbreiteten Auffassung2, nicht aus § 765 Abs. 1 BGB selbst, sondern aus § 767 Abs. 1 S. 1 BGB.3 § 765 Abs. 1 BGB umschreibt lediglich den Inhalt des Bürgschaftsvertrags. Aus der Formulierung ergibt sich nur, dass der Bürge für die Verbindlichkeit eines Dritten (des Hauptschuldners) einzustehen hat. Die Existenz der Hauptschuld wird hingegen nicht zur Voraussetzung der Bürgschaftshaftung erhoben.4 Dies geht erst aus § 767 1 Zu dieser Unterteilung des Akzessorietätsprinzips grundlegend Medicus, JuS 1971, 497, 498 ff. 2 So etwa Medicus, JuS 1971, 497, 498; Lettl, WM 2000, 1316, 1317; Lettl, JA 2004, 238; Alexander, JuS 2012, 481, 483; Tiedtke, JZ 2006, 940; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 103; Soergel/Gröschler, vor § 765 Rn. 5, 12, der sich jedoch unter § 765 Rn. 7 auch auf § 767 Abs. 1 S. 1 BGB stützt; beiläufig auch BGH NJW 1986, 43, 45. 3 In diesem Sinne ohne nähere Begründung auch Staudinger/Stürner, § 767 Rn. 1, 9; Hansjörg Weber, JuS 1971, 553, 556; Weitzel, JuS 1981, 112, 115; Schreiber, JURA 2007, 730. 4 So auch C. Schmidt, sogenannte Akzessorietät, S. 31, der einen (gewagten) Vergleich mit § 433 Abs. 1 BGB ins Feld führt: Weil die Verpflichtung des Verkäufers zur Übergabe und

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

Abs. 1 S. 1 BGB hervor, wonach sich die Verpflichtung des Bürgen nach dem jeweiligen Bestand – und damit auch nach dem Bestehen – der Hauptverbindlichkeit richtet. Kommt es nicht zum Entstehen der gesicherten Forderung, führt das nicht zur Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit, sondern nur zur Gegenstands- bzw. Wirkungslosigkeit der Bürgschaft.5 Durch diese begriffliche Differenzierung wird die rechtliche Selbstständigkeit von Bürgschaftsvertrag und gesicherter Hauptschuld hervorgehoben, indem klargestellt wird, dass beide Rechtsverhältnisse an voneinander unabhängigen Unwirksamkeitsgründen leiden können.6 2. Akzessorietät im Erlöschen Des Weiteren erlischt die Bürgschaft gemäß § 767 Abs. 1 S. 1 BGB in dem Maße, in dem die zugrunde liegende Hauptforderung untergeht.7 Als besonders praxisrelevante Erlöschensgründe sind in diesem Zusammenhang die Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) und die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) zu nennen. 3. Akzessorietät in der Rechtszuordnung Geht die Hauptverbindlichkeit demgegenüber infolge einer Abtretung oder einer cessio legis auf einen neuen Gläubiger über, erwirbt dieser gleichzeitig die Bürgschaftsforderung gemäß §§ 398, 401 Abs. 1 BGB bzw. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB. Plastisch gesprochen klebt die Bürgschaftsforderung folglich an der wegweisenden Hauptverbindlichkeit. Auf nähere Ausführungen zur Akzessorietät in der Rechtszuordnung wird verzichtet, da das Prinzip in der weiteren Abhandlung nur von untergeordneter Bedeutung ist. 4. Akzessorietät im Umfang Neben der Akzessorietät im Bestehen und Erlöschen normiert § 767 Abs. 1 S. 1 BGB auch die Akzessorietät im Umfang. Hervorgehoben wurde bereits, dass Übereignung nach unumstrittener Auffassung nicht von der Existenz der Kaufsache abhänge, könne man der Regelung des § 765 Abs. 1 S. 1 BGB auch nicht entnehmen, dass die Bürgschaftsverpflichtung das Bestehen einer Forderung voraussetze. 5 Dies ist inzwischen anerkannt, siehe MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 14, 66; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 104; Staudinger/Stürner, § 765 Rn. 91; vgl. auch BGH NJW 2000, 1563: „Das Zustandekommen eines Bürgschaftsvertrags ist nicht von Inhalt und Wirksamkeit der Hauptschuld abhängig.“ 6 Staudinger/Stürner, § 765 Rn. 91. 7 Selbst die Vertreter der unter Fn. 2 geschilderten Gegenauffassung stützen sich bei der Akzessorietät im Erlöschen nicht (primär) auf § 765 BGB, sondern auf § 767 Abs. 1 S. 1 BGB, vgl. Medicus, JuS 1971, 497, 501; Lettl, JA 2004, 238, 242; Tiedtke, JZ 2006, 940; Alexander, JuS 2012, 481, 485; BeckOGK/Madaus, § 767 Rn. 9; Soergel/Gröschler, § 767 Rn. 5.

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip

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sich jede (teilweise) Reduktion der Hauptschuld in entsprechender Weise auf die Bürgschaftsforderung auswirkt. § 767 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 BGB legen indessen die Ausmaße fest, in denen der Bürge für eine Erweiterung der Hauptverbindlichkeit einzustehen hat. Dadurch trägt die Norm sowohl der bürgschaftsimmanenten Sicherungsfunktion als auch den Interessen des Bürgen an einer fest umrissenen Begrenzung seines Haftungsrisikos Rechnung.8 Aus § 767 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BGB lässt sich zunächst der verallgemeinerungsfähige Gedanke ableiten, dass der Bürge vor allem für solche Erweiterungen der Hauptschuld einzustehen hat, die auf der Insolvenz oder einem mangelnden Leistungswillen des Hauptschuldners beruhen.9 Diese für den Bürgen nachteilhaften Rechtsfolgen des Akzessorietätsprinzips sind sachgerecht, weil sich in solchen Fällen das typische Bürgschaftsrisiko verwirklicht. Im Übrigen begegnen Banken einer potenziellen Ausuferung ihrer Einstandspflicht mit Höchstbetragsbürgschaften. Derartige Bürgschaften enthalten nach ihrem Sinn und Zweck eine summenmäßig absolut wirkende Haftungsbegrenzung.10 Der Bürge kann folglich aus der Personalsicherheit – auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Haftungserweiterungen nach § 767 BGB – maximal bis zur vertraglich festgelegten Obergrenze in Anspruch genommen werden.11 Dadurch wird der Sicherungsgeber letztlich vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken geschützt. Zu beachten ist allerdings, dass sich eine über den Höchstbetrag hinausgehende Haftung weiterhin aus dem allgemeinem Leistungsstörungsrecht ergeben kann. Der Bürge haftet beispielsweise für Verzugsschäden12 und Prozesszinsen (§ 291 BGB)13, die auf eigener Säumnis beruhen. Hierauf hat die Haftungsbegrenzung, welche nur die Einstandspflicht aus der Personalsicherheit abschließend festlegt, logischerweise keinerlei Auswirkungen. Ihre gesetzliche Schranke findet die haftungserweiternde Akzessorietät demgegenüber in dem sog. Verbot der Fremddisposition aus § 767 Abs. 1 S. 3 BGB.14 Nach dieser Vorschrift wirken sich nachträgliche Rechtsgeschäfte zwischen Hauptschuldner und Gläubiger nicht zu Lasten des Bürgen aus. Dahinter steht der Gedanke, dass durch eine haftungserweiternde Abrede „im rechtlichen Effekte eine neue Verbindlichkeit geschaffen [wird], für welche einzustehen der Bürge nicht versprochen hat“15. Der Bürge soll demzufolge prinzipiell nur für das Haftungsrisiko

8

MüKoBGB/Habersack, § 767 Rn. 1; BeckOK BGB/Rohe, § 767 Rn. 1. BGH NJW 1998, 2972, 2973; MüKoBGB/Habersack, § 767 Rn. 1; Soergel/Gröschler, § 767 Rn. 1. 10 BGH NJW 2002, 3167, 3169. 11 Eine dementsprechende Auslegung lag bereits OLG Hamburg OLGE 28, 223 f. zugrunde. 12 So auch exemplarisch BGH NJW 2002, 3167, 3169. 13 Um diese Position ging es im Urteil des OLG Hamburg OLGE 28, 223 f. 14 Siehe zu den damit verbundenen Problemstellungen näher unten, S. 157 ff. 15 Mugdan, Motive II, S. 665. 9

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

einstehen, welches er im Rahmen seiner privatautonomen Entscheidung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses übernommen hat und überschauen konnte. 5. Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit Schließlich äußert sich das Akzessorietätsprinzip auch in der Durchsetzbarkeit der Bürgschaftsforderung. Da es sich bei der Bürgschaft um eine selbstständige Forderung handelt, kann der Sicherungsgeber natürlich eigene Einreden vorbringen. Darüber hinaus gibt § 768 Abs. 1 S. 1 BGB dem Bürgen das Recht, sich auf alle Einreden zu berufen, die dem Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger zustehen. Ergänzend hierzu normiert § 768 Abs. 2 BGB in Übereinstimmung mit dem Verbot der Fremddisposition aus § 767 Abs. 1 S. 3 BGB, dass der Bürge die Einrede nicht durch einen Verzicht des Hauptschuldners verliert. Umstritten ist allerdings die genaue Reichweite von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB in Abgrenzung zu § 767 Abs. 1 S. 1 BGB. Einige Stimmen in der Literatur und der Rechtsprechung sind der Auffassung, dass der Regelungsgehalt des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB nur solche Einreden erfasst, auf die sich der Schuldner noch nicht berufen hat.16 Vom Hauptschuldner ausgeübte Einreden würden schon den Bestand der Hauptschuld betreffen und daher bereits § 767 Abs. 1 S. 1 BGB unterfallen.17 Die herrschende Meinung nimmt eine solche Differenzierung hingegen nicht vor. Nach ihr unterfallen sämtliche Einreden – unabhängig von ihrer Geltendmachung durch den Hauptschuldner – der Regelung des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB.18 Um eine fundierte Beurteilung abgeben zu können, müssen zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von § 767 Abs. 1 S. 1 BGB unterfallenden Einwendungen und jedenfalls im Kern § 768 Abs. 1 S. 1 BGB zugeordneten Einreden dargestellt werden. Einwendungen können entweder der Entstehung eines Anspruchs entgegenstehen oder dessen nachträglichen Untergang begründen.19 Sie entfalten daher immer eine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Wirkung.20 Erhobene Einreden haben demgegenüber keinen direkten Effekt auf die zugrunde liegende Forderung. Sie hindern den Gläubiger lediglich vorübergehend (dilatorische Einrede) oder dauerhaft (peremptorische Einrede) an der Realisierung des ihm zustehenden Anspruchs.21 Beide Gegenrechte unterscheiden sich demnach grund16

KG IBRRS 2008, 1754; BeckOGK/Madaus, § 768 Rn. 2, 4, 8; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 980; Mayer, JZ 2017, 317, 319 f.; Abu-Saris, Gewährleistungsbürgschaften, S. 83. 17 BeckOGK/Madaus, § 768 Rn. 2, 4, 8; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 980; Mayer, JZ 2017, 317, 319; Abu-Saris, Gewährleistungsbürgschaften, S. 83 f.; in diesem Sinne wohl auch KG IBRRS 2008, 1754. 18 BGH NJW 2016, 3158, 3160 Rn. 24 – 26; BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 27; Weber, JuS 1971, 553, 556; Soergel/Gröschler, § 768 Rn. 1; MüKoBGB/Habersack, § 768 Rn. 3; jurisPK-BGB/Prütting, § 768 Rn. 1, 4. 19 Gröschler, AcP 201 (2001), 48, 49. 20 Gröschler, AcP 201 (2001), 48, 49. 21 Gröschler, AcP 201 (2001), 48, 49 f.

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip

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legend in ihrer rechtlichen Wirkungsweise. Allerdings führen sowohl Einwendungen als auch Einreden zu einer Veränderung der materiellen Rechtslage. Aus dieser Gemeinsamkeit lässt sich jedoch keineswegs schließen, dass vom Hauptschuldner ausgeübte Einreden der Regelung des § 767 Abs. 1 S. 1 BGB unterfallen.22 Nach der in Rede stehenden Norm genügt nämlich gerade nicht jede Veränderung der Hauptschuld. Das Gesetz setzt vielmehr eine Einwirkung auf deren Bestand voraus. Entscheidend ist daher, wie dieser Begriff auszulegen ist. Ausgehend vom natürlichen Sprachgebrauch versteht man unter dem Bestand die Existenz und Fortdauer der zugrunde liegenden Forderung. Darüber hinaus spricht § 767 Abs. 1 S. 1 BGB vom jeweiligen Bestand. Die in § 767 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck kommende Akzessorietät der Bürgschaftsschuld bezieht sich demnach nicht auf eine starre, sondern auf eine variable Hauptforderung. Die wörtliche Auslegung indiziert demnach, dass nur solche Gegenrechte Berücksichtigung finden sollen, die eine Verringerung der Hauptforderung bewirken. Hierfür spricht auch die amtliche Überschrift von § 767 BGB. Der Umfang der Bürgschaftsschuld kann sich nach meinem Verständnis eben nur durch eine Dezimierung und nicht durch eine bloße Hemmung der Hauptverbindlichkeit verändern. Gegen eine so restriktive Auslegung könnten jedoch systematische Gesichtspunkte sprechen. Einerseits ließe sich die Vorschrift des § 770 BGB ins Feld führen. § 770 Abs. 1 BGB gibt dem Bürgen die Befugnis, die Leistung zu verweigern, solange dem Hauptschuldner ein Anfechtungsrecht zusteht. § 770 Abs. 2 BGB gibt dem Bürgen das gleiche Recht, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Hauptforderung des Hauptschuldners befriedigen kann. Eine wirksame Anfechtung oder Aufrechnung wirkt sich demgegenüber bereits über § 767 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Bürgschaftsschuld aus. Überträgt man diesen Gedankengang auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB, ließe sich folgern, dass nicht nur ausgeübte Gestaltungsrechte, sondern auch erhobene Einreden von § 767 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst sein sollen. Beide Fälle sind jedoch nicht miteinander vergleichbar.23 Die erklärte Anfechtung steht aufgrund ihrer ex tunc Wirkung bereits dem Entstehen der Forderung entgegen. Durch die Aufrechnung kommt es hingegen zur Verringerung bzw. zum vollständigen Erlöschen der gesicherten Hauptforderung. Die Ausübung der beiden Gestaltungsrechte unterfällt daher bereits dem eindeutigen Wortlaut von § 767 Abs. 1 S. 1 BGB. Aus dem angestellten Vergleich lassen sich daher keine Argumente für eine weite Auslegung des Bestandsbegriffs ableiten. Andererseits ist es auch nicht zielführend, einen systematischen Vergleich mit § 767 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB heranzuziehen. Hierin ist zwar geregelt, dass der Bürge für Ergänzungen der Hauptschuld einzustehen hat. Rückschlüsse darauf, ob erhobene Einreden den Bestand der Hauptschuld

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In diesem Sinne aber BeckOGK/Madaus, § 768 Rn. 4; Mayer, JZ 2017, 317, 319. Vgl. BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 28.

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

ebenfalls tangieren, können hieraus meines Erachtens jedoch nicht gezogen werden.24 Es bleibt daher bei dem zuvor gefundenen Ergebnis: Einwendungen und ausgeübte Gestaltungsrechte werden von § 767 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst, Einreden unterfallen demgegenüber unterschiedslos § 768 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Sicherungsgeber muss sich daher selbst auf bereits erhobene Einreden des Hauptschuldners berufen, um die Durchsetzbarkeit der Bürgschaftsforderung zu hemmen. Eine automatische Anpassung findet insoweit nicht statt. Neben § 768 Abs. 1 S. 1 BGB kommt die Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit auch in dem bereits erwähnten § 770 Abs. 1 BGB zum Ausdruck. Der Regelungsmechanismus trägt dem Umstand Rechnung, „daß der Bürge an Stelle des Schuldners diejenigen Dispositionen über den Inhalt der Schuld nicht ausüben kann, welche von einer einseitigen Erklärung des Schuldners abhängen“25. Demzufolge wird dem Sicherungsgeber über § 770 Abs. 1 BGB nicht das Anfechtungsrecht des Hauptschuldners zugewiesen. Stattdessen ist er jedoch dazu berechtigt, sich während der Schwebelange mit einem eigenen Leistungsverweigerungsrecht gegen die Inanspruchnahme des Gläubigers zu wehren. Der Regelungsgedanke von § 770 Abs. 1 BGB, den Bürgen vor einer Leistung zu bewahren, die er retrospektiv nicht hätte erbringen müssen,26 ist prinzipiell verallgemeinerungsfähig. Die herrschende Meinung wendet die Norm deshalb analog auf andere schuldbefreiende Gestaltungsrechte wie Rücktritt, Minderung oder Verbraucherwiderruf an.27

24

Abu-Saris, Gewährleistungsbürgschaften, S. 56 – 59 differenziert zwischen dem Bestand der Forderung im engeren Sinne und dem Umfang der Forderung im weiteren Sinne. Der Bestand der Forderung im engeren Sinne soll den Kern der Forderung umschreiben. Unter dem Umfang im engeren Sinne soll hingegen die äußere Sphäre eines Rechts verstanden werden. Zu ihm sollen etwa Einreden und Ergänzungen gehören, die keinen unmittelbaren Bezug zur Hauptforderung haben. Nach ihrer Auffassung ist mit dem Bestand im Sinne von § 767 Abs. 1 S. 1 BGB sowohl der Bestand im engeren Sinne als auch der Umfang im engeren Sinne gemeint. Dies leitet sie maßgeblich aus § 767 Abs. 1 S. 2 BGB (siehe hierzu S. 62 f.) und § 767 Abs. 2 BGB (siehe hierzu S. 66) ab. Da diese Vorschriften Ergänzungen der Hauptschuld regeln würden, könne § 767 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur den Bestand im engeren Sinne meinen. Folglich seien von der Norm auch erhobene Einreden des Hauptschuldners erfasst. Bei dieser Argumentation handelt es sich jedoch um einen Zirkelschluss. Das erzielte Ergebnis kommt nur durch die zuvor festgelegte Definition des Umfangs im engeren Sinne zustande. 25 Mugdan, Motive II, S. 663. 26 Vgl. Mugdan, Denkschrift II, S. 89 f. 27 MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 6; Staudinger/Stürner, § 770 Rn. 20; PWW/Brödermann, § 770 Rn. 3; jurisPK-BGB/Prütting, § 770 Rn. 3; Erman/Zetzsche, § 770 Rn. 7; BeckOK BGB/Rohe, BGB § 770 Rn. 5; Oetker/Maultzsch, SR, § 13 Rn. 78; siehe zur alten Rechtslage bereits RGZ 66, 332, 333 f.; der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2006, 845, 846) hat die Analogie jedenfalls im Hinblick auf das Verbraucherwiderrufsrecht bejaht; zu der Frage, ob § 770 Abs. 1 BGB entsprechend auf die Aufrechnung anzuwenden ist siehe unten, S. 130.

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip

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Gegen eine pauschale Analogie spricht jedoch entschieden der Wille des historischen Gesetzgebers. Dieser hat sich bewusst dafür ausgesprochen, den Regelungsgehalt von § 770 Abs. 1 BGB nicht auf das Rücktrittsrecht zu erstrecken, weil er befürchtete, dass die Rechtsstellung des Gläubigers andernfalls zu stark beeinträchtigt wäre.28 Dies ist auch nachvollziehbar, weil bei der Irrtumsanfechtung wegen dem Erfordernis der unverzüglichen Geltendmachung (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) im Unterschied zum Rücktritt eine zeitlich überschaubare Schwebelage besteht.29 Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass die Anfechtungsfrist bei einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung ein Jahr (§ 124 Abs. 1 BGB) beträgt. In den Fällen des § 123 BGB verdient der Gläubiger nämlich gerade keinen rechtlichen Schutz.30 Insgesamt muss § 770 Abs. 1 BGB daher als Ausnahme- und nicht als Grundsatzregelung verstanden werden. Eine analoge Anwendung in Bezug auf Rücktrittsund Minderungsrecht hat demnach unter historischen Gesichtspunkten mangels planwidriger Regelungslücke auszuscheiden. Etwas anderes gilt jedoch in Bezug auf das Widerrufsrecht des Hauptschuldners nach § 355 BGB.31 Zum einen war dieses Gestaltungsrecht dem historischen Gesetzgeber noch gar nicht bekannt. Zum anderen ist es in Bezug auf § 770 Abs. 1 BGB eher mit dem Anfechtungs- als mit dem Rücktrittsrecht des Hauptschuldners vergleichbar.32 Bekanntlich muss nämlich auch das Widerrufsrecht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums – grundsätzlich 14 Tage ab Vertragsschluss (§ 355 Abs. 2 BGB) – ausgeübt werden. Damit besteht eine Verwandtschaft zur Irrtumsanfechtung.33 Bei einer unterbliebenen oder nicht ordnungsgemäßen Belehrung des Verbrauchers fängt die Widerrufsfrist hingegen nicht an zu laufen. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch unter diesen Umständen in aller Regel spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem hypothetisch fristauslösenden Ereignis. In diesem Fall fehlt dem Gläubiger mithin ähnlich wie bei einer Anfechtung nach § 123 BGB die Schutzwürdigkeit.34 Eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage ist damit gegeben. Die Analogie ist 28 Mugdan, Protokolle II, S. 2509; aus diesem Grund sprechen sich aus der jüngeren Literatur unter anderem BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 8; Nazari-Khanachayi/Höhne, RT 45 (2014), 79, 82 ff.; Schreiber, JURA 2007, 730, 733; Graf Lambsdorff/Skora, HdB, Rn. 265 gegen eine Analogie aus; so auch schon Kreß, SR BT, S. 265; differenzierend Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5, der nur eine Analogie im Hinblick auf das Widerrufsrecht befürwortet; hierzu sogleich. 29 Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5. 30 Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5. 31 Zutreffend nur Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5. 32 Nazari-Khanachayi/Höhne, RT 45 (2014), 79, 96 unterstellen dem Widerrufsrecht hingegen aufgrund seiner systematischen Stellung und seinen Rechtsfolgen eine größere Nähe zum Rücktrittsrecht. Dies ist generell zutreffend, in Bezug auf § 770 Abs. 1 BGB jedoch nicht überzeugend. Dort müssen, wie bereits aufgezeigt, in erster Linie die überschaubare Länge des Schwebezustands und – falls diese nicht gegeben ist – die Schutzwürdigkeit des Gläubigers als maßgebliche Vergleichskriterien herangezogen werden. 33 Ablehnend Nazari-Khanachayi/Höhne, RT 45 (2014), 79, 96. 34 Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5.

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

daher nur in Bezug auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers gerechtfertigt. Das gefundene Ergebnis ist auch nicht sonderlich unbillig, weil dem Hauptschuldner bei einem gesetzlichen Rücktritts- oder Minderungsrecht regelmäßig schon ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zusteht, welches der Bürge dem Gläubiger bereits über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB entgegenhalten kann.35 Eine mit § 770 Abs. 1 BGB begriffsverwandte aber gleichzeitig grundverschiedene Regelung trifft § 770 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Aufrechnung. Bei dieser Norm handelt es sich nach zutreffendem Verständnis nicht um eine Ausprägung des Akzessorietäts-, sondern des Subsidiaritätsprinzips.36 Eine Auseinandersetzung mit § 770 Abs. 2 BGB soll daher an dieser Stelle unterbleiben und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. 6. Die Funktionen des Akzessorietätsprinzips Die unterschiedlichen Ausprägungen des Akzessorietätsprinzips führen in ihrer Gesamtheit zu einem automatischen Gleichklang zwischen Bürgschaft und gesicherter Hauptforderung.37 Hierdurch werden Rechtsgeschäfte, die das Sicherungsan das Hauptrecht anpassen, obsolet. Primär bewirkt das Akzessorietätsprinzip daher eine „rechtstechnische Vereinfachung“38, die den Sicherungscharakter der Bürgschaft besonders effektiv zur Geltung bringt.39 Darüber hinaus wird speziell durch die Vorschriften der §§ 767, 768 BGB gewährleistet, dass der Gläubiger vom Bürgen nicht mehr verlangen kann als vom Hauptschuldner.40 Die Abhängigkeit dient demzufolge auch dem Schutz des Bürgen.41 Schließlich erfüllt das Akzessorietätsprinzip durch den gemeinschaftlichen Übergang von Haupt- und Nebenrecht eine Ordnungsfunktion.42 Dieser Zweck kann allerdings auch als untergeordneter Bestandteil der rechtstechnischen Vereinfachung angesehen werden.

35

Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 10. Siehe hierzu unten, S. 128 ff. 37 Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 61; Habersack, JZ 1997, 857, 862. 38 Medicus, JuS 1971, 497, 498. 39 Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 60; Schmidt, sogenannte Akzessorietät, S. 53 ff. 40 Hierzu aus der Rechtsprechung BGH NJW 1980, 1460, 1461; BGH NJW 1984, 1622, 1623; BGH NJW 1989, 1853 f.; BGH NJW 1996, 1341, 1342; BGH NJW 1998, 2972, 2973; BGH NJW 2000, 1563, 1564; BGH NJW 2003, 59, 60; im Ersten Entwurf zum BGB war dies sogar noch explizit geregelt, vgl. Mugdan, Motive II, S. 660 und S. CXIV. 41 Habersack, JZ 1997, 857, 862 f.; Lettl, WM 2000, 1316 f.; Lettl, JA 2004, 238, 246; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 64; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 25; Heyers, JA 2012, 81, 82; ablehnend aus der jüngeren Literatur Schmidt, sogenannte Akzessorietät, S. 49 ff., der die Akzessorietät als bloße Technik zur möglichst effektiven Verwirklichung des Sicherungszwecks begreift. 42 Habersack, JZ 1997, 857, 863; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 64. 36

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip

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II. Das Subsidiaritätsprinzip Das Subsidiaritätsprinzip, welches die nachrangige Haftung des Bürgen im Außenverhältnis beschreibt, kommt primär in der Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zum Ausdruck. Darüber hinaus „versteckt“ es sich in der Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß § 770 Abs. 2 BGB. 1. Die Einrede der Vorausklage, § 771 BGB § 771 S. 1 BGB bestimmt, dass der Bürge seine Inanspruchnahme solange verweigern kann, bis der Gläubiger einen erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuch gegen den Hauptschuldner unternommen hat. Der Bürge haftet dementsprechend nicht gleichranging, sondern subsidiär. Die gesetzliche Bezeichnung als Einrede der Vorausklage kann aus heutiger Sicht allerdings leicht missverstanden werden. Einerseits beseitigt die bloße Klage noch nicht die Einrede des Bürgen. Andererseits sind eine vorherige Klage und ein nachfolgendes Urteil keine zwingende Voraussetzung, um die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Als Titel kommt nämlich beispielsweise auch eine vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) in Betracht. Dennoch hat der historische Gesetzgeber keine unpräzise Terminologie gewählt, geschweige denn einen Formulierungsfehler begangen. Historisch betrachtet stammt der Ausdruck „Vorausklage“ entgegen der ersten Vermutung nicht von „Klage“, sondern von „Ausklagung“ ab.43 Dieser altertümliche Begriff war wiederum kein einheitlicher Fachbegriff, weil er sowohl die prozessrechtliche Klage als auch die Zwangsvollstreckung bezeichnete.44 Bezüglich § 771 BGB wollte der Gesetzgeber ihn jedoch ausschließlich in letzterem Sinne verstanden wissen. Im ersten Entwurf zum BGB heißt es hierzu: „Der Bürge ist berechtigt, die Erfüllung seiner Verbindlichkeit so lange zu verweigern, bis der Hauptschuldner von dem Gläubiger ausgeklagt worden ist (Einrede der Vorausklage). Die Ausklagung ist als erfolgt anzusehen, wenn wegen des Anspruches eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg stattgefunden hat.“45 Demnach sollte die Einrede der Vorausklage nach der Konzeption des historischen Gesetzgebers – auch wenn die Zwangsvollstreckung typischerweise auf einem vollstreckbaren Urteil beruht (§§ 704 ff. ZPO) – nicht mit einer vorausgehenden Klage gegen den Hauptschuldner in Verbindung gebracht werden.46 Abseits dieser interessanten Anekdote soll den Vorschriften der §§ 771 – 773 BGB keine weitere Bedeutung beigemessen werden, weil sich die bürgenden 43

Instruktiv hierzu Duckstein/G. Pfeiffer, JR 2010, 231 ff.; Kiehnle, JR 2017, 135 ff. Siehe hierzu die überzeugenden Ausführungen von Kiehnle, JR 2017, 135, 136 ff.; insoweit unzutreffend Duckstein/G. Pfeiffer, JR 2010, 231, 232, die den Begriff Ausklagung als alten Terminus technicus für die Zwangsvollstreckung begreifen. 45 Abgedruckt bei Mugdan, Motive II, S. CXIV f. 46 Dies geht nochmals explizit aus Mugdan, Motive II, S. 669 hervor. 44

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

Kreditinstitute aufgrund von § 349 S. 1 HGB ohnehin nicht auf die Einrede der Vorausklage berufen können. 2. Die Einrede der Aufrechenbarkeit, § 770 Abs. 2 BGB Stattdessen wird der Fokus im Folgenden auf die Vorschrift des § 770 Abs. 2 BGB gelegt. Mit dieser Norm sind seit jeher zahlreiche Auslegungs- und Anwendungsfragen verknüpft, deren abschließende Erörterung eine eigenständige monografische Abhandlung erfordern würde. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich daher auf das Wesentliche beschränken und ein holzschnittartiges Grundverständnis der Rechtsnatur von § 770 Abs. 2 BGB schaffen. Die systematische Stellung von § 770 Abs. 2 BGB könnte zunächst den naheliegenden Schluss zulassen, dass die Vorschrift – wie dies bei § 770 Abs. 1 BGB der Fall ist – eine Ausprägung der Durchsetzungsakzessorietät enthält. Im Unterschied zu § 770 Abs. 1 BGB stellt der Wortlaut von § 770 Abs. 2 BGB jedoch auf die Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers und nicht des Hauptschuldners ab. In den meisten Fällen hat dies keine Auswirkungen, weil in aller Regel beide Vertragsparteien zur Aufrechnung berechtigt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn entweder zulasten des Hauptschuldners oder des Gläubigers ein Aufrechnungsverbot wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung (§ 393 BGB) besteht. Wirkt sich das gesetzliche Aufrechnungsverbot einzig und allein zulasten des Gläubigers aus, ist der Bürge nach dem klaren Wortlaut von § 770 Abs. 2 BGB nicht berechtigt, die Leistung zu verweigern, obwohl der Hauptschuldner die Aufrechnung wirksam erklären kann. Dieses Ergebnis mutet auf den ersten Blick äußerst unstimmig an, weil es keinen (modifizierten) Gleichlauf zwischen Hauptschuld und Bürgschaftsforderung herbeiführt. Es verwundert daher nicht, dass viele Stimmen im Schrifttum dem Bürgen in dieser Situation analog § 770 Abs. 2 BGB oder § 770 Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zusprechen wollen.47 Vereinzelt wird sogar unter Bezugnahme auf das Akzessorietätsprinzip eine Korrektur des Normwortlauts gefordert, wonach es für § 770 BGB nur auf die Aufrechnungsbefugnis des 47 Für eine analoge Anwendung von § 770 Abs. 2 BGB Blomeyer, JZ 1957, 509; Medicus, JuS 1971, 497, 501 m. Fn. 26; ähnlich RGRK/Mormann, § 770 Rn. 4, der dem Bürgen die Einrede im Rahmen einer berichtigenden Auslegung auch dann gewähren will, wenn nur der Hauptschuldner aufrechnungsbefugt ist; für eine analoge Anwendung von § 770 Abs. 1 BGB MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 10; Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848; Tiedtke, JZ 2006, 940, 947; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 302; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 991; Oetker/Maultzsch, SR, § 13 Rn. 78; Enneccerus/Lehmann, SR, S. 797 spricht sich sowohl für die Analogie zu § 770 Abs. 2 BGB, als auch zu § 770 Abs. 1 BGB aus; gegen eine analoge Anwendung von § 770 Abs. 1 BGB und § 770 Abs. 2 BGB hingegen Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5, 9; Palandt/Sprau, § 770 Rn. 3; Staudinger/Stürner, § 770 Rn. 9; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 11; Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 522; Westermann, Jura 1991, 449, 452; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, S. 13; Primaczenko, JA 2007, 173, 174 f.; Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 651 ff.; implizit auch RGZ 137, 34, 36 ff.; der BGH hatte einen solchen Fall noch nicht zu entscheiden.

A. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip

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Hauptschuldners ankomme.48 Diesbezüglich wird auch auf einen vermeintlichen Wertungswiderspruch verwiesen: es dürfe nicht sein, dass ein Gläubiger, der eine vorsätzlich unerlaubte Handlung gegenüber dem Hauptschuldner begangen habe, den Bürgen in Anspruch nehmen könne, während sich ein Gläubiger, der dem Hauptschuldner aus einem anderweitigen Rechtsgrund zur Leistung verpflichtet sei, die Einrede aus § 770 Abs. 2 BGB gefallen lassen müsse.49 Das Reichsgericht schenkte diesen Billigkeitserwägungen jedoch zurecht keine weitere Aufmerksamkeit, weil das Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB nur dazu bestimmt ist, den geschädigten Hauptschuldner und nicht den außenstehenden Bürgen zu schützen.50 Davon abgesehen verfolgt die Einrede der Aufrechenbarkeit einen gänzlich anderen Zweck als die Einrede der Anfechtbarkeit. Hierauf deutet bereits die unterschiedlich gewählte Formulierung in den beiden Absätzen des § 770 BGB hin. Wenn der Gesetzgeber einmal auf ein Gestaltungsrecht des Hauptschuldners und ein anderes Mal auf ein Gestaltungsrecht des Gläubigers abstellt, spricht dies für eine bewusste Differenzierung.51 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch.52 Auch wenn diese in Bezug auf § 770 Abs. 2 BGB vereinzelt den Akzessorietätsgedanken durchschimmern lassen,53 sprechen die entscheidenden Passagen unmissverständlich für ein wortlautgetreues Verständnis der Norm.54 Allein die Tatsache, dass die Einrede der Aufrechenbarkeit ursprünglich als Ergänzung der Einrede der Vorausklage gedacht war und mit dieser in ein und derselben Norm untergebracht werden sollte,55 lässt eine akzessorische Deutung von § 770 Abs. 2 BGB wenig überzeugend erscheinen. Darüber hinaus wurde die Einrede der Aufrechenbarkeit in der damaligen Diskussion eng mit dem Regelungszweck des heutigen § 771 Abs. 2 BGB in Verbindung gebracht.56 In dieser Norm ist unter anderem geregelt, dass sich der Gläubiger einer Geldforderung vorrangig aus einem ihm gegenüber dem Hauptschuldner zustehenden Pfandrecht befriedigen muss. Vor diesem Hintergrund wird auch der Wortlaut von § 770 Abs. 2 BGB verständlich. Die Norm bringt gerade nicht die Akzessorietät, sondern die Nachran48

Zimmermann, JR 1979, 495, 498. Zimmermann, JR 1979, 495, 496. 50 RGZ 137, 34, 37. 51 RGZ 137, 34, 36; Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 512 f. 52 Siehe zur Entstehungsgeschichte der Norm ausführlich Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 513 ff.; Zimmermann, JR 1979, 495, 497 f.; Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 640 ff. 53 Vgl. hierzu Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 516; Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 648 f.; zu weitgehend Zimmermann, JR 1979, 495, 497 f., der hieraus ableiten will, dass die auf Akzessorietätsgesichtspunkten beruhende Kompensationseinrede des Bürgen aus dem Gemeinen Recht mit § 770 Abs. 2 BGB ins Bürgerliche Gesetzbuch überführt werden sollte. 54 Zutreffend Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 515 ff.; Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 647 ff. 55 Mugdan, Protokolle, S. 2513 ff. 56 Mugdan, Protokolle, S. 2517 f. 49

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

gigkeit der Bürgschaftsschuld zum Ausdruck: Solange sich der Gläubiger durch den einfachen Weg der Aufrechnung aus der Hauptschuld befriedigen kann, soll er keinen Zugriff auf den Bürgen haben.57 Letztlich handelt es sich bei § 770 Abs. 2 BGB also mit der inzwischen ganz herrschenden Auffassung um eine Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips.58 Folglich ist wegen des unterschiedlichen Regelungszwecks sowohl eine Korrektur des Normwortlauts als auch eine analoge Anwendung von § 770 Abs. 2 BGB abzulehnen. Unter Akzessorietätsgesichtspunkten kommt damit nur noch eine Analogie zur Einrede der Anfechtbarkeit (§ 770 Abs. 1 BGB) in Betracht. Wie oben bereits dargelegt wurde, hat sich der historische Gesetzgeber allerdings bewusst dafür entschieden, den Regelungsgedanken der Norm nicht auf anderweitige Gestaltungsrechte wie den Rücktritt zu erstrecken.59 Dies ist zu respektieren und im Interesse des Gläubigerschutzes auch nachvollziehbar, da das Anfechtungsrecht in aller Regel nur eine überschaubare Schwebelage begründet. Das Aufrechnungsrecht weist demgegenüber keinerlei zeitliche Begrenzung auf. Deshalb hat auch eine Analogie zu § 770 Abs. 1 BGB auszuscheiden. Als „Notnagel“ verbleibt dem Bürgen allerdings nach nahezu einhelliger Auffassung die Einrede aus §§ 768 Abs. 1 S. 1, 273 BGB, sofern die wechselseitigen Forderungen von Gläubiger und Hauptschuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen (sog. Konnexität).60 Zwar kann der Hauptschuldner von seinem Zurückbehaltungsrecht bei gleichartigen Leistungen – typischerweise Geld – grundsätzlich keinen Gebrauch machen, weil eine Zug um Zug Verurteilung un57 Dies gilt gemäß § 770 Abs. 2 BGB allerdings nur, wenn auch die Forderung des Hauptschuldners gegen den Gläubiger fällig – und nicht lediglich erfüllbar (§ 389 BGB) – ist. Einzig und allein in diesem Fall sind die zwei Befriedigungsarten des Gläubigers (Aufrechnung gegenüber dem Hauptschuldner und Inanspruchnahme des Bürgen) wirtschaftlich gleichwertig. Ist die Forderung des Hauptschuldners noch nicht fällig, soll der Gläubiger nicht zur Aufrechnung und damit zur Preisgabe seiner fälligen Forderung gedrängt werden. Stattdessen soll er auf Zahlung des Bürgen bestehen können. Bei pünktlicher Zahlung des Bürgen kann der Gläubiger nämlich Zinserträge erwirtschaften, auf die er im Falle der Aufrechnung gegen eine noch nicht fällige Forderung verzichten müsste. Vgl. grundlegend Schulz, Gruchot 50 (1906), 269, 270 f.; siehe auch Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 516; Kiehnle, AcP 208 (2008), 635, 648. 58 BGH NJW 1986, 43; BGH NJW 2003, 1521, 1522 f.; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 32; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 21; Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 1, 8; MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 2, 10; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 1, 30; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, S. 13; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 989; Oetker/Maultzsch, SR, § 13 Rn. 78 m. Fn. 177; Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 517; Westermann, Jura 1991, 449, 452; Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848; Primaczenko, JA 2007, 173, 174; Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 649; Förster, WM 2010, 1677, 1680. 59 Siehe hierzu oben, S. 125 f. 60 RGZ 137, 34, 37 f.; Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5; Staudinger/Stürner, § 770 Rn. 10; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 11; Palandt/Sprau, § 770 Rn. 3; Primaczenko, JA 2007, 173, 174; hierfür sprechen sich hilfsweise auch MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 10; Habersack/ Schürnbrand, JZ 2003, 848; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 991 aus.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 131

zweckmäßig erscheint.61 Dies hat, entgegen einer im Schrifttum vertretenen Mindermeinung62, jedoch keine Auswirkungen auf die Geltendmachung der Einrede durch den Bürgen.63 Der Grund hierfür ist in der unterschiedlichen Ausgangssituation zu sehen: Beruft sich der Bürge auf das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 768 Abs. 1 S. 1, 273 BGB, ist er zur Zahlung an den Gläubiger Zug um Zug gegen Zahlung des Gläubigers an den Hauptschuldner zu verurteilen – es kommt also gerade nicht zum parteiinternen Austausch gleichartiger Leistungen.64 Darüber hinaus würde es ausgesprochen paradox erscheinen, den Bürgen im Fall gleichartiger Leistungen schlechter zu stellen als im Fall ungleichartiger Leistungen.65 Ist in der umgekehrten Konstellation einzig und allein dem Hauptschuldner gem. § 393 BGB die Aufrechnung verwehrt, bleibt der Bürge, entsprechend den vorstehenden Ausführungen, in Übereinstimmung mit dem unzweideutigen Wortlaut von § 770 Abs. 1 BGB und dem zugrunde liegenden Subsidiaritätsgedanken, zur Erhebung der Einrede befugt. Die Einrede der Aufrechenbarkeit steht dem Bürgen schlichtweg unabhängig von einer Aufrechnungsbefugnis des Hauptschuldners zur Verfügung.66

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten Anhand der soeben dargestellten Prinzipien lässt sich die Bankbürgschaft von der Bankgarantie (auf erstes Anfordern) – die vor allem bei internationalen und weniger bei rein nationalen Bauprojekten anzutreffen ist67 – abgrenzen. Im Anschluss hieran werden die Besonderheiten einer Bankbürgschaft auf erstes Anfordern aufgezeigt. Bei dieser handelt es sich um einen Hybrid aus Bürgschaft und Garantie.

61

BGH NJW 2000, 278, 279. Kiehnle, AcP 208 (2008), 636, 669 f.; zweifelnd auch MüKoBGB/Schlüter, § 387 Rn. 8, der sich zuvor (siehe Schlüter, in: FS Westermann 1974, S. 509, 522) noch bedenkenlos für die Geltendmachung der Einrede durch den Bürgen ausgesprochen hat. 63 Auch BGH NJW 1957, 986 hat dem Bürgen das Leistungsverweigerungsrecht zugesprochen, obwohl sich im Verhältnis Hauptschuldner – Gläubiger gleichartige Leistungen gegenüberstanden. 64 Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5. 65 Soergel/Gröschler, § 770 Rn. 5. 66 Statt aller nur BGH NJW 2003, 1521, 1523; zuvor offengelassen von BGH NJW 1957, 986. 67 Weise, Sicherheiten, Rn. 295. 62

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

I. Die Bankgarantie (auf erstes Anfordern) Begrifflich ist die Bankgarantie nichts anderes als ein selbstständiger Garantievertrag, bei dem die Bank als Garant auftritt. Selbstständige Garantieverträge zeichnen sich wiederum allgemein dadurch aus, dass der Garant dem begünstigten Gläubiger verspricht, ihn verschuldensunabhängig vor den negativen Auswirkungen eines möglicherweise eintretenden oder ausbleibenden Ereignisses zu bewahren.68 Die Bank hat den garantierten Erfolg demnach nicht selbst herbeizuführen.69 Sie hat nur dafür zu sorgen, dass der begünstigte Gläubiger bei Ausbleiben des garantierten Erfolgs einen wirtschaftlichen Ausgleich bis zum garantievertraglich festgelegten Höchstbetrag erhält. Die Zahlung des Garanten versteht sich folglich als Kompensationsleistung.70 Da die Übernahme der Bankgarantie im Endeffekt die Absicherung einer vom Hauptschuldner zu erbringenden Leistung bezweckt (Sicherungsfunktion), handelt es sich bei ihr um eine sog. Forderungsgarantie.71 Bei der Bankgarantie besteht genauso wie bei der Bankbürgschaft72 ein Dreipersonenverhältnis.73 Der (Haupt-)Schuldner wird im Rahmen des Bauvertrags durch eine Sicherungsabrede zur Beibringung der Bankgarantie verpflichtet. Daraufhin tritt der Hauptschuldner (auch Garantieauftraggeber genannt) an seine Bank heran, um die begehrte Personalsicherheit zu erhalten. In diesem Verhältnis wird sodann der Avalkreditvertrag – bei dem sich die Bank gegen Zahlung der Avalprovision zum Abschluss des Garantievertrags mit dem begünstigten Gläubiger verpflichtet – geschlossen. Rechtlich stellt dieser einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter dar. Zwischen Bank und begünstigtem Gläubiger (auch Garantienehmer genannt) wird schließlich die eigentliche Personalsicherheit begründet. Der historische Gesetzgeber hat wegen der Typenvielfalt von Garantieverträgen bewusst auf eine gesetzliche Regelung verzichtet.74 Bis heute handelt es sich daher um einen Vertrag sui generis im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB.75 Kennzeichnend für die Bankgarantie ist ihre fehlende Akzessorietät.76 Einwendungen und Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haftung des Garanten. Dem Garanten stehen demnach ausschließlich die Einwendungen und Einreden aus dem selbstständigen Garantievertrag zur Verfügung. 68 Statt aller Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 683; MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 18. 69 MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 18. 70 Panagiotopoulos, S. 25. 71 Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 698. 72 Siehe hierzu oben, S. 59 ff. 73 Auf die indirekte Bankgarantie, bei der ein Vierpersonenverhältnis besteht, wird nicht eingegangen. 74 Mugdan, Motive II, S. 658. 75 Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 683. 76 Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 710.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 133

Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Garanten ist der Eintritt des (formellen) Garantiefalls. Begrifflich muss hierbei strikt zwischen dem formellen und dem materiellen Garantiefall differenziert werden.77 Das Begriffspaar hat einen besonderen Stellenwert bei der im Anschluss zu besprechenden Garantie auf erstes Anfordern erlangt. Entgegen der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung78 ist die Unterscheidung jedoch auch im Rahmen der einfachen Garantie von elementarer Bedeutung. Das Kernproblem besteht meines Erachtens darin, dass man sich zwar über die allgemeine, nicht aber über die konkrete Definition der Fachbegriffe im Klaren ist.79 Die folgenden Ausführungen sollen daher Aufschluss geben. Der materielle Garantiefall betrifft das Innenverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner. Allgemein anerkannt ist, dass er die Umstände definiert, unter denen der Gläubiger gegenüber dem Hauptschuldner dazu berechtigt ist, die Garantie in Anspruch zu nehmen.80 Maßgeblich für den Eintritt des materiellen Garantiefalls ist demnach die Auslegung der konkreten Sicherungsabrede.81 Zu beachten ist insoweit, dass die Forderungsgarantie – wie auch die Bankbürgschaft und alle anderen Sicherheiten – eine dienende Hilfsverpflichtung darstellt.82 Vor dem Hintergrund dieser Sicherungsfunktion darf der begünstigte Gläubiger im Innenverhältnis über die Hilfsverpflichtung nicht mehr erlangen, als ihm nach der Hauptverbindlichkeit zusteht. Bei einer fehlenden ausdrücklichen Vereinbarung in der Sicherungsabrede ist der materielle Garantiefall demnach gegeben, wenn die gesicherte Geldforderung fällig ist83 und ihr darüber hinaus keine Einwendungen und Einreden entgegenstehen.84 Nur in diesem Fall steht dem Gläubiger das Recht zu, endgültig auf die Ga77 Kritisch Schröder, S. 76 ff., 108 ff., der die tradierte Terminologie ablehnt und stattdessen die Begriffe Garantiefall i. e. S. und Verwertungsbefugnis i. w. S. einführt. 78 Plakativ Canaris, ZIP 1998, 493, 501, der die Differenzierung bei der einfachen Garantie als funktionslos und widersinnig bezeichnet; in diesem Sinne auch Schröder, S. 29 f. Fn. 96, der bei der einfachen Garantie Identität zwischen formellem und materiellem Garantiefall annimmt und infolgedessen keine Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen vornehmen will. 79 So auch Panagiotopoulos, S. 2, 54 ff.; BuB/Piekenbrock/Ludwig, Rn. 4/1352 ff. bemerken ebenfalls, dass unterschiedliche Vorstellungen mit den Fachausdrücken verbunden werden. Erstaunlich ist, dass dies soweit ersichtlich keinem anderen aufzufallen scheint. 80 Grundlegend Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 718 Fn. 806; auf diese allgemeine Definition bezieht sich die Rechtsprechung seit BGH NJW 1984, 2030, 2031. 81 Dies geht auch aus BGH NJW 1997, 461, 462 hervor. 82 Verallgemeinerungsfähig Quack, BauR 1997, 754, 755. 83 Quack, BauR 1997, 754, 756. 84 So im Ergebnis auch BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 539; ähnlich Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1561a, der jedoch bloß auf rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen Bezug nimmt; a. A. ausdrücklich Panagiotopoulos, S. 62 ff., der sich explizit nur auf Einwendungen und nicht auf Einreden bezieht. Der Grund hierfür liegt darin, dass er dem Garantieauftraggeber bei einer fehlenden materiellen Berechtigung des begünstigten Gläubigers nur einen Bereicherungsausgleich und keinen originären Rückforderungsanspruch aus der Sicherungsabrede (hierzu unten, S. 139) gewähren will. Aus § 813 BGB ergebe sich, dass die peremptorische Verjährungseinrede und dilatorische Einreden den Garantieauftraggeber nicht zu einer Rückforderung berechtigen würden. Folglich könne der begünstigte Gläubiger, sofern

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

rantiesumme zuzugreifen. Die Rechtsprechung scheint die soeben hergeleitete Sichtweise im Ergebnis zu teilen. Sie verlangt für das Vorliegen des materiellen Garantiefalls ebenfalls, dass dem Gläubiger gegen den Hauptschuldner „ein [einwendungs- und einredefreier] Anspruch“85 auf die gesicherte Leistung zusteht. Nicht deckungsgleich mit der hier vorgenommenen Konkretisierung ist die in der Literatur verbreitete Sichtweise, wonach der materielle Garantiefall unter Bezugnahme auf die allgemein anerkannte Definition (!) gegeben sei, wenn sich das von der Garantie abgedeckte Risiko verwirklicht habe.86 Diese nicht näher begründete Behauptung greift zu kurz.87 Wie den folgenden Ausführungen näher entnommen werden kann, verwirklicht sich das von der Garantie abgedeckte Risiko in aller Regel bereits dann, wenn ein tatsächliches Ereignis (zum Beispiel die Leistung zu einem bestimmten Termin) ausbleibt. In diesem Moment kann der Gläubiger den Garanten im Außenverhältnis unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Hauptforderung besteht oder durchsetzbar ist, in Anspruch nehmen. Dieser Umstand ist auf die fehlende Akzessorietät der Garantie zurückzuführen. Für den materiellen Garantiefall – also die Frage, ob der Gläubiger gegenüber dem Hauptschuldner im Innenverhältnis dazu berechtigt war, die Garantie in Anspruch zu nehmen – ist das rechtliche Schicksal der Hauptforderung hingegen von entscheidender Bedeutung. Wie oben bereits dargelegt wurde, ergibt die für das Innenverhältnis maßgebliche Auslegung der Sicherungsabrede nämlich, dass der Gläubiger über die dienende Sicherheit nicht mehr erlangen soll, als ihm nach der Hauptforderung zusteht. Diese Bedeutung und Funktion der zwischen Gläubiger und Hauptschuldner geschlossenen Sicherungsabrede blendet die Gegenauffassung aus. Da sie für den Eintritt des materiellen Garantiefalls nur die Verwirklichung des von der Garantie abgedeckten Risikos fordert, wäre der Gläubiger im Innenverhältnis gegenüber dem Hauptschuldner selbst dann zur Inanspruchnahme der Garantie berechtigt, wenn die gesicherte Forderung nie entstanden ist. An diesem Beispiel wird deutlich, dass das das Hauptschuldverhältnis nur mit Einreden behaftet sei, endgültig auf die Garantiesumme zugreifen. 85 BGH NJW 1999, 570, 571; vgl. ferner BGH NJW 1984, 2030, 2031, wonach der materielle Garantiefall gegeben ist, wenn die Hauptschuld entstanden und nicht erloschen ist; siehe zur Bürgschaft auf erstes Anfordern BGH NJW-RR 2001, 307, 308; BGH NJW 2003, 352, 353. 86 So Staudinger/Stürner, Vorbem zu §§ 765 – 778, Rn. 228; Horn, in: FS Brandner 1996, S. 623, 626; dieses Verständnis vom materiellen Garantiefall liegt beispielsweise auch den Ausführungen von Canaris, ZIP 1998, 493 ff.; Einsele, JZ 1999, 466, 468; MüKoHGB/Samhat, Rn. J 61, 105 und der Monografie von Schröder zugrunde; die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen; im Endeffekt schließen sich auch BuB/Piekenbrock/Ludwig, Rn. 4/1353 f. dieser Sichtweise an. 87 Insoweit zutreffend Panagiotopoulos, S. 57, der darauf hinweist, dass die Verwirklichung des abgesicherten Risikos nur die Mindestvoraussetzung für die Frage, ob der begünstigte Gläubiger gegenüber dem Hauptschuldner zur Inanspruchnahme der Garantie berechtigt war, darstellt; auch Schröder, S. 78 f., 83 f., 109 erkennt, dass die geschilderte Sichtweise zu eindimensional ist; im Ergebnis ebenso Canaris, ZIP 1998, 493, 495, 499, der das Ausbleiben des von der Garantie abgedeckten Risikos und das Nichtbestehen der gesicherten Forderung unter dem Oberbegriff „Mängel im Valutaverhältnis“ zusammenfasst.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 135

rechtliche Können des Gläubigers im Außenverhältnis mit dem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis nach der Gegenauffassung zusammenfällt. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb die Vertreter dieser Auffassung bei der einfachen Garantie keine Differenzierung zwischen formellem und materiellem Garantiefall vornehmen. Nach zutreffendem Verständnis ist die Frage, ob sich das von der Garantie abgedeckte Risiko verwirklicht hat, hingegen dem formellen Garantiefall zuzuordnen. Der formelle Garantiefall betrifft das Außenverhältnis zwischen Garanten und dem begünstigten Gläubiger. Er umschreibt die Bedingungen, unter denen die Bank nach den in der Garantieurkunde getroffenen Absprachen zur Auszahlung der Garantiesumme verpflichtet ist.88 In Abgrenzung zum materiellen Garantiefall wollen Garant und begünstigter Gläubiger die Inanspruchnahme aus der einfachen Garantie typischerweise bloß vom Nachweis tatsächlicher Voraussetzungen – beispielsweise einer zum vereinbarten Zeitpunkt ausgebliebenen Zahlung oder einer nicht ordnungsgemäßen Leistung des Hauptschuldners – und nicht von darüber hinausgehenden Rechtsfragen aus dem Hauptschuldverhältnis wie dem Bestand und der Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung abhängig machen. In dieser fehlenden rechtlichen Verknüpfung zum Hauptschuldverhältnis liegt gerade der Vorzug der einfachen Garantie gegenüber der selbstschuldnerischen Bürgschaft. Der Gläubiger möchte durch den Abschluss des Garantievertrags im Vergleich zum Bürgschaftsvertrag eine leichter durchsetzbare Sicherheit erlangen. Zwar handelt es sich bei der einfachen Garantie immer noch um ein vergleichsweise schwerfälliges Sicherungsmittel, weil die Bank den Eintritt des tatsächlichen Ereignisses bestreiten, den begünstigten Gläubiger auf den Prozessweg verweisen und ihn auf diese Weise an der zügigen Durchsetzung seiner Rechtsposition hindern kann.89 Der Vorteil der einfachen Garantie besteht nichtsdestotrotz darin, dass alle Rechtsfragen, die den Bestand oder die Durchsetzbarkeit der Hauptforderung betreffen, bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs (siehe hierzu weiter unten) ausgeblendet werden. Dies ist grundsätzlich auch im Interesse der Bank, die als außenstehende Dritte gegenüber ihrem Kunden aus dem Avalkreditvertrag möglichst geringe Prüfungspflichten hinsichtlich der Frage, ob sie zur Auszahlung der Garantiesumme verpflichtet ist, übernehmen will. Relativierend muss jedoch auch an dieser Stelle klargestellt werden, dass die Bank bei der einfachen Garantie immer noch in Streitigkeiten über das Hauptschuldverhältnis hineingezogen wird, weil sie beispielsweise darüber entscheiden muss, ob (wie vom begünstigten Gläubiger behauptet) eine nicht ordnungsgemäße Leistung des Hauptschuldners erbracht wurde. 88

Grundlegend Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 718 Fn. 806. Zu weitgehend erscheint vor diesem Hintergrund die von Schröder, S. 14 f. getätigte Äußerung, wonach bereits der einfachen Garantie und nicht erst der Garantie auf erstes Anfordern eine Liquiditätsfunktion (siehe hierzu unten, S. 138) innewohnt; gegen diese Sichtweise wenden sich richtigerweise auch BGH NJW 2002, 3627; Panagiotopoulos, S. 29 Fn. 146; MüKoHGB/Samhat, Rn. J 62. 89

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

Von dieser unerwünschten „Schiedsrichterrolle“90 ist sie nur bei Vereinbarung einer Garantie auf erstes Anfordern vollends befreit. Im Gegensatz zur Bürgschaft muss sie sich jedoch bei der einfachen Garantie – wiederum vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs – zumindest keine Gedanken über das rechtliche Schicksal der Hauptschuld machen. Summa summarum folgt aus der Auslegung des einfachen Garantievertrags daher in aller Regel, dass das rechtliche Können des begünstigten Gläubigers im Außenverhältnis über sein rechtliches Dürfen im Innenverhältnis hinausgeht. Anders gewendet bekommt der Gläubiger gezielt mehr Rechtsmacht, als er nach der Sicherungsfunktion benötigt. Richtigerweise handelt es sich bei der Garantie wegen dieser „überschießende[n] Sicherungstendenz“91 auch um eine fiduziarische bzw. treuhänderische Sicherheit.92 Sofern sich das abgedeckte Risiko verwirklicht hat, kann der begünstigte Gläubiger die Garantie, im Gegensatz zur Bürgschaft, selbst dann in Anspruch nehmen, wenn die zugrunde liegende Hauptschuld nie entstanden oder später erloschen ist.93 Vereinzelt – wenn sich der formelle Garantiefall durch eine starke Bezugnahme der Garantieurkunde auf die gesicherte Forderung dem materiellen Garantiefall annähert – kann sich allerdings eine mit der Bürgschaft vergleichbare Abhängigkeit von der gesicherten Hauptschuld ergeben.94 Einwendungen und Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis wirken sich in diesem Fall zwar nicht unmittelbar auf die Garantie aus, sie können allerdings, da ihr Fehlen im Verhältnis zwischen Garantiegeber und Garantienehmer in den Rang einer Tatbestandsvoraussetzung erhoben wird, der Geltendmachung der Garantieforderung entgegenstehen. Teilweise wird sogar vertreten, ein solcher faktischer Einwendungsdurchgriff stelle bei der Garantie nicht den Ausnahme-, sondern den Regelfall dar.95 Diese Sichtweise ist jedoch abzulehnen.96 Zum einen verkennt sie die soeben geschilderte Interessenlage zwischen Garanten und begünstigtem Gläubiger. Zum anderen lässt sie die Grenzen zwischen Garantie und selbstschuldnerischer Bürgschaft vollends verschwimmen. In aller Regel kann sich der Garant demnach nicht auf Einwendungen und Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis berufen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offenkundig oder liquide (d. h. insbesondere durch Urkunden) beweisbar ist, dass der materielle Ga90 91

84 f.

Pleyer, WM 1973, Sonderbeilage Nr. 2, 9; so auch schon Finger, BB 1969, 206, 207. Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 718; daran anknüpfend Schröder, S. 23,

92 Allgemein Weise, Sicherheiten, Rn. 296; Schröder, S. 84 ff.; wohl auch Quack, BauR 1997, 754; ausdrücklich zur Garantie auf erstes Anfordern BGH NJW 1997, 461, 463; a. A. vor allem Panagiotopoulos, S. 117 ff., der für die Annahme eines Treuhandverhältnisses neben der schuldrechtlichen Innenbindung als konstitutive Voraussetzung eine Vollrechtsübertragung wie bei der Sicherungsübereignung oder der Sicherungszession fordert. 93 So bereits BGH BB 1954, 1044; BGH WM 1959, 881, 884. 94 Vgl. BGH NJW 1999, 570, 571; BGH NJW 2006, 996, 998 Rn. 28 f. 95 Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 72; Gröschler, JZ 1999, 822, 824 f. 96 So im Ergebnis auch Schröder, S. 70 ff.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 137

rantiefall nicht eingetreten ist und der begünstigte Gläubiger demzufolge seine formale Rechtsstellung ausnutzt.97 Unter diesen Umständen kann der Garant seiner Inanspruchnahme den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegenhalten.98 Besondere Bedeutung im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr hat die Garantie auf erstes Anfordern erlangt. Bei diesem Typus der Bankgarantie ist der formelle Garantiefall im Interesse des begünstigten Gläubigers, der eine möglichst schnell und einfach durchzusetzende Sicherheit begehrt,99 und der Bank, die sich als außenstehende Dritte weder mit rechtlichen noch mit tatsächlichen Fragestellungen aus dem Hauptschuldverhältnis beschäftigen möchte, besonders schwach ausgeprägt.100 Dadurch wird die Garantie auf erstes Anfordern im Gegensatz zur einfachen Garantie den bereits oben angeklungenen Parteiinteressen von begünstigtem Gläubiger und Bank vollumfänglich gerecht. Es ist daher wenig verwunderlich, dass einfache Garantien in der Bankenpraxis nur ein Nischendasein fristen.101 Das von der einfachen Garantie abgedeckte Risiko rückt bei der Garantie auf erstes Anfordern in den Hintergrund. Der begünstigte Gläubiger hat nicht einmal mehr den Eintritt eines tatsächlichen Ereignisses – etwa die nicht oder nicht ordnungsgemäße Leistung des Hauptschuldners – nachzuweisen. Ihrem Namen entsprechend erfolgt die Inanspruchnahme des Garanten durch das schlichte Anfordern der Garantiesumme und der damit einhergehenden Behauptung, das von der Garantie abgedeckte Risiko habe sich verwirklicht.102 Historisch betrachtet hat die Bankgarantie auf erstes Anfordern durch ihre einfach gehaltenen Inanspruchnahmevor97 Siehe hierzu aus der Rechtsprechung ausschließlich zur Garantie auf erstes Anfordern BGH NJW 1984, 2030, 2032; BGH NJW-RR 1987, 115; BGH NJW 1989, 1480, 1481; BGH NJW 1997, 461, 463; BGH NJW 1999, 570, 571; BGH NJW 2001, 282 f.; BGH NJW-RR 2012, 178, 179 Rn. 16. 98 MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 22, 36; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 542 stellen zutreffend klar, dass bei der einfachen Garantie für den Missbrauchstatbestand nichts anderes gelten kann. 99 Nach Pleyer, WM 1973, Sonderbeilage Nr. 2, 10 erfolgt die Zahlungsabwicklung bei einer Garantie auf erstes Anfordern im Allgemeinen innerhalb von zwei bis fünf Tagen. 100 Eingehend zur Interessenlage im Rahmen der Garantie auf erstes Anfordern Panagiotopoulos, S. 25 ff. 101 MüKoHGB/Samhat, Rn. J 62. 102 Zutreffend MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 29; entgegen Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1130 trifft den begünstigten Gläubiger darüber hinaus keine Pflicht, die Gründe für die Inanspruchnahme der Garantie schlüssig und einigermaßen substantiiert darzulegen. Dem ist die Rechtsprechung (BGH NJW 1994, 380, 381) zur verwandten Konstellation bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern entschieden entgegengetreten. Würde man einen Streit über die Schlüssigkeit oder Substantiierung zulassen, stünde dies der schnellen und unkomplizierten Durchsetzbarkeit einer Garantie auf erstes Anfordern entgegen. Der Garant kann sich daher nur mit dem Einwand verteidigen, der vom Gläubiger behauptete Risikoeintritt werde schon gar nicht von der Garantieurkunde erfasst. In diesem Fall hat der begünstigte Gläubiger den Gegenbeweis anzutreten (vgl. ebenfalls zur Bürgschaft auf erstes Anfordern BGH NJW 1996, 717, 718; BGH NJW 1999, 2361 f.).

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3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

aussetzungen das früher übliche Bardepot abgelöst, auf das der Gläubiger ebenfalls nach eigenem Ermessen zugreifen konnte.103 Ihr wirtschaftlicher Vorteil gegenüber diesem besteht darin, dass der Schuldner keinen unmittelbaren Liquiditätsabfluss durch die Hinterlegung von Vermögenswerten erleidet, sondern nur mit der Zahlung einer Avalprovision belastet wird.104 Zu beachten ist bei der Garantie auf erstes Anfordern lediglich, dass die förmliche Zahlungsanforderung nach dem Grundsatz der Garantiestrenge105 exakt so erfolgen muss, wie dies in der Garantieurkunde festgelegt wurde. Andernfalls ist der formelle Garantiefall ausgeblieben und der Garant nicht zur Zahlung verpflichtet. Selbiges gilt, wenn ein Fall des oben geschilderten Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorliegt. Da die Garantie auf erstes Anfordern durch ihre unkomplizierten Inanspruchnahmevoraussetzungen neben der Sicherungsfunktion das Ziel verfolgt, dem Gläubiger umgehend Liquidität zuzuführen (Liquiditätsfunktion106), bedarf die Frage, welche Folgeansprüche aus ihrer unberechtigten Geltendmachung erwachsen können, einer näheren Betrachtung. Nicht umsonst hat die Garantie auf erstes Anfordern den Grundsatz „erst Zahlen, dann prozessieren“107 geprägt. Bei der folgenden Darstellung werden einzelfallabhängige Schadensersatzansprüche, die aus einer schuldhaften (§ 280 Abs. 1 BGB) oder deliktischen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB und § 826 BGB) Vorgehensweise des begünstigten Gläubigers resultieren können, bewusst ausgeklammert. Das Augenmerk liegt ausschließlich auf vertraglichen und bereicherungsrechtlichen Regress- bzw. Rückforderungsansprüchen. Angemerkt sei des Weiteren, dass die nachstehenden Ausführungen auch für die in der Praxis nur selten vorkommende einfache Garantie Geltung beanspruchen, sofern man den oben entwickelten Definitionen von materiellem und formellem Garantiefall – die sich am prägnantesten mit Garantiefall im Innen- und im Außenverhältnis umschreiben lassen – Beachtung schenkt. Wurde der Garant in Anspruch genommen, steht ihm ein Regressanspruch gegen den Garantieauftraggeber über §§ 675 Abs. 1, 670 BGB zu, sofern er die Aufwendungen für erforderlich halten durfte. Die Erforderlichkeit resultiert prinzipiell aus dem Vorliegen des formellen Garantiefalls.108 Auf den materiellen Garantiefall kommt es demgegenüber nur dann an, wenn er ausdrücklich zum Gegenstand des Garantievertrags gemacht wurde oder ein Fall des oben beschriebenen Rechts103 v. Caemmerer, in: FS Riese 1964, S. 295, 298; Liesecke, WM 1968, 22, 26; Pleyer, WM 1973, Sonderbeilage Nr. 2, 7; Nielsen, ZIP 1982, 253, 255; Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 700. 104 Pleyer, WM 1973, Sonderbeilage Nr. 2, 7; Nielsen, ZIP 1982, 253, 255; MüKoHGB/ Samhat, Rn. J 6. 105 BGH NJW 1996, 1052, 1053; BGH NJW 1996, 1673; BGH NJW 2001, 282, 283. 106 Statt aller soweit ersichtlich erstmals ausdrücklich Nielsen, ZIP 1982, 253, 255. 107 Diese Wendung ist auf Liesecke, WM 1968, 22, 26 zurückzuführen. 108 BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 545; anschaulich zu den geringen Prüfungspflichten der Bank bei einer Garantie/Bürgschaft auf erstes Anfordern BGH NJW 1989, 1480, 1481 f.

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missbrauchs vorliegt.109 Leistet die Bank, obwohl sie erkannt hat, dass der begünstigte Gläubiger seine formale Rechtsstellung missbraucht, durfte sie die Aufwendungen selbstverständlich nicht für erforderlich halten.110 Verlangt die Bank berechtigterweise Ersatz ihrer Aufwendungen von ihrem Kunden (dem Garantieauftraggeber bzw. Hauptschuldner), steht diesem wiederum ein Rückgriffsanspruch gegen den begünstigten Gläubiger zu, falls der materielle Garantiefall in Wirklichkeit nicht eingetreten ist. Dieser kann in ergänzender Vertragsauslegung unmittelbar auf die Sicherungsabrede gestützt werden.111 Geht der begünstigte Gläubiger entgegen den im Innenverhältnis (stillschweigend) getroffenen Absprachen aus dem Garantievertrag vor, hat er hierfür demnach ohne ein zusätzliches Verschuldenserfordernis einzustehen. Sollte die Sicherungsabrede – aus welchen Gründen auch immer – unwirksam sein, ergibt sich der Rückgriffsanspruch hingegen aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 Alt. 2 BGB.112 Der Garantieauftraggeber hat dem Begünstigten das Forderungsrecht gegen die Bank zur Erfüllung seiner vermeintlich bestehenden Pflicht aus der Sicherungsabrede geleistet. Vor Auszahlung der Garantiesumme kann er daher vom Begünstigten verlangen, einen Erlassvertrag mit der Bank über die Garantieforderung abzuschließen. Nach der Auszahlung ist ihm dies jedoch nicht mehr möglich. An die Stelle der erlangten Forderung tritt allerdings gemäß § 818 Abs. 1 Alt. 2 BGB dasjenige, was der Empfänger auf Grund des erlangten Rechts erworben hat. Hierbei handelt es sich um die Garantiesumme. Diese kann der Garantieauftraggeber nunmehr vom Begünstigten kondizieren. Hat die Bank an den begünstigten Gläubiger geleistet, obwohl der formelle Garantiefall und damit die Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme nicht gegeben waren, ist sie berechtigt, die Garantiesumme über § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) zurückzufordern.113 Stand der Zahlung der Bank der dauerhafte Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, weil der materielle Garantiefall offensichtlich oder liquide beweisbar nicht gegeben war, ergibt sich der Herausgabean-

109

BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 545. BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 545. 111 Einsele, JZ 1999, 466 ff.; MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 31; Pleyer, WM 1973, Sonderbeilage Nr. 2, 19; ausdrücklich zur vergleichbaren Bürgschaft auf erstes Anfordern BGH NJW 1999, 55, 56 und BGH NJW 2003, 352, 353; lehnt man einen originären Rückforderungsanspruch aus der Sicherungsabrede ab, steht dem Hauptschuldner nach überwiegender Auffassung zumindest ein Bereicherungsanspruch zur Verfügung. Dessen dogmatische Rechtfertigung ist jedoch äußerst umstritten (siehe statt aller umfassend Panagiotopoulos, S. 149 ff.) und wenig überzeugend. Wegen dieser vagen Rechtslage ist es vorzugswürdig, den Rückforderungsanspruch in Übereinstimmung mit den typischen Parteiinteressen unmittelbar auf die Sicherungsabrede zu stützen. 112 Dies verkennt Einsele, JZ 1999, 466, 468. 113 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1145; Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 727. 110

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spruch hingegen aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB.114 Zu beachten ist jedoch in beiden Fällen die Sperrwirkung des § 814 BGB: Hatte die Bank positive Kenntnis davon, dass der formelle Garantiefall nicht gegeben ist oder ihrer Inanspruchnahme der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstand, kann sie keine Rückzahlung verlangen. Ist hingegen einzig und allein der materielle Garantiefall ausgeblieben, nimmt die Garantieurkunde keinen Bezug auf diesen und liegt auch keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des begünstigten Gläubigers vor, scheidet ein Rückforderungsanspruch der Bank nach herrschender Meinung aus.115 Abgesehen von weiterhin streitigen Sonderkonstellationen, auf die hier nicht näher einzugehen ist, vollzieht sich die Rückabwicklung in diesem Fall ausschließlich übers Dreieck nach den oben geschilderten Erstattungsansprüchen. Die Bank kann demnach zunächst vom Hauptschuldner gemäß §§ 675 Abs. 1, 670 BGB Aufwendungsersatz verlangen. Diesem steht es sodann frei, über die Sicherungsabrede gegen den begünstigten Gläubiger vorzugehen.

II. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern Die Bürgschaft auf erstes Anfordern stellt das akzessorische Pendant zur Garantie auf erstes Anfordern dar. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei ihr um eine den Gläubiger besonders privilegierende Bürgschaftsform.116 Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft findet im Gegensatz zur Garantie (auf erstes Anfordern) keine Differenzierung zwischen formellem und materiellem Bürgschaftsfall statt. Dieser Umstand ist auf das Akzessorietätsprinzip zurückzuführen: Der Gläubiger kann den Bürgen im Außenverhältnis – wie ausführlich dargelegt wurde – erst dann in Anspruch nehmen, wenn er im Innenverhältnis gegenüber dem Hauptschuldner mangels entgegenstehender Einwendungen und Einreden aus der gesicherten Forderung zur Inanspruchnahme der Bürgschaft berechtigt ist. Bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern ist dies anders. Hier hat die Bank – wie auch bei der Garantie auf erstes Anfordern – schon dann zu leisten, wenn die vertragskonforme Zahlungsaufforderung (= formeller Bürgschaftsfall) eingegangen 114 BGH NJW 1997, 461, 463; Hadding/Häuser/Welter, BMJ Gutachten, S. 727; Canaris, ZIP 1998, 493, 495 f. und Oepen, NJOZ 2009, 756, 769 f. sind hingegen der Auffassung, dass die Bank selbst dann zur Rückforderung berechtigt ist, wenn keine liquide Beweisbarkeit des Rechtsmissbrauchseinwands gegeben war. 115 Grundlegend BGH NJW 1999, 570, 571; zum umfassenden Streitstand Panagiotopoulos, S. 2 m. w. N. 116 In diesem Sinne bereits grundlegend BGH NJW 1979, 1500 f.; ausdrücklich BGH NJW 1999, 2361, 2363; BGH NJW 2001, 1857, 1859; BGH NJW 2002, 3098, 3099; BGH NJW 2003, 352, 353; BGH NJW 2003, 1805, 1806; BGH NJW 2003, 2231, 2233; BGH NJW 2003, 2605, 2607; BGH NJW-RR 2009, 378, 379 Rn. 22; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 106; Soergel/ Gröschler, Vor § 765 Rn. 19; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 304; Lorenz, JuS 1999, 1145, 1151.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 141

ist.117 Einwendungen, Einreden und das Recht zur Anfechtung aus dem Hauptschuldverhältnis kann sie dem Zahlungsverlangen des Bürgschaftsnehmers demnach entgegen dem in §§ 767, 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 BGB verankerten Akzessorietätsprinzip nicht entgegenhalten. Nur dann, wenn offensichtlich ist, dass der materielle Bürgschaftsfall ausgeblieben ist, weil der zugrunde liegenden Hauptforderung Einwendungen oder Einreden entgegenstehen, ist die Bank in Parallelität zur Garantie (auf erstes Anfordern) nach § 242 BGB zur Zahlungsverweigerung berechtigt.118 Im Übrigen wird erst im Nachhinein geklärt, ob die Inanspruchnahme der Bürgschaft berechtigt war. Es gilt demnach auch bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern der Grundsatz „erst zahlen, dann prozessieren“.119 Neben der Sicherungsfunktion erfüllt die Bürgschaft auf erstes Anfordern damit gleichzeitig eine für das Bürgschaftsrecht atypische Liquiditätsfunktion. Anders als bei der Garantie auf erstes Anfordern steht dem Bürgen jedoch selbst ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) zu, sofern der materielle Bürgschaftsfall ausgeblieben ist.120 Der Grund hierfür ist, dass die Akzessorietät der Bürgschaft auf erstes Anfordern nach Zahlung der Bürgschaftssumme im Rückforderungsprozess wieder auflebt.121 Durch den nur vorläufig ausgeschlossen Akzessorietätsgrundsatz schlägt der materielle Bürgschaftsfall im Rückforderungsprozess auf das Verhältnis zwischen Bürgen und Bürgschaftsnehmer durch. Deshalb ist der begünstigte Gläubiger gegenüber dem Bürgen nicht dazu berechtigt, den ihm zugeflossenen Vorteil zu behalten.122 Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Garantie auf erstes Anfordern. 117 BGH NJW 1984, 923 f.; BGH NJW 1994, 380, 381; BGH NJW 1996, 717 f.; BGH NJW 1997, 255; BGH NJW 1997, 1435, 1437; BGH NJW 1998, 2280, 2281; BGH NJW 199, 2361 f.; BGH NJW 2002, 2388, 2389. 118 BGH NJW 1985, 1694, 1695; BGH NJW 1988, 2610; BGH NJW-RR 1989, 1324, 1325; BGH NJW 1992, 1881, 1883; BGH NJW 1997, 255, 256; BGH NJW 1997, 1435, 1437; BGH NJW 1998, 2280, 2281 f.; BGH NJW 2000, 1563, 1564; BGH NJW 2001, 1857; BGH NJW 2002, 2388, 2389; BGH NJW-RR 2007, 1392, 1393 Rn. 17; konkret bezieht sich die Rechtsprechung sowohl auf die Fallgruppe der Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung als auch auf den Dolo-agit-Einwand. 119 Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 19. 120 In diesem Sinne unter pauschaler Berufung auf § 812 BGB BGH NJW 1979, 1500 f.; BGH NJW 1984, 923, 924; BGH NJW 1988, 2610; BGH NJW 1989, 1606, 1607; BGH NJW 1992, 1881, 1883; BGH NJW 1997, 1435, 1437; ausdrücklich Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 28; ohne explizite Nennung der Anspruchsgrundlage BGH NJW 1999, 2361, 2363; BGH NJW-RR 2001, 307, 308; BGH NJW 2003, 1805, 1806; BGH NJW-RR 2007, 1392 Rn. 14; viele Stimmen in der Literatur (Canaris, ZIP 1998, 493, 499; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 112; Becker-Eberhard, Forderungsgebundenheit, S. 12 Fn. 25; Fischer, in: FS Thode 2005, S. 543, 545; Pioch, JuS 2018, 438, 439) leiten den Rückforderungsanspruch hingegen unmittelbar aus dem Bürgschaftsvertrag ab; dahingehend könnte auch BGH NJW 2003, 352, 353 („originärer Rückforderungsanspruch“) zu verstehen sein. 121 BGH NJW 1999, 570, 571. 122 Da das Akzessorietätsprinzip vollumfänglich wiedererstarkt, verdient die Auffassung von Panagiotopoulos, S. 76 f., wonach sich der Bürge für seinen Rückforderungsanspruch nur auf Einwendungen gemäß § 767 BGB und nicht auf Einreden nach § 768 BGB berufen kann,

142

3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

Neben dem Rückforderungsanspruch gegen den Bürgschaftsnehmer aus ungerechtfertigter Bereicherung steht dem Bürgen alternativ123 ein direkter Aufwendungsersatzanspruch gegen seinen Hauptschuldner aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB zu. Für die Prüfungspflichten der Bank gelten insofern dieselben Grundsätze wie bei der Garantie auf erstes Anfordern.124 Da die Bank auf erstes Anfordern zu zahlen hat, darf sie ihre Aufwendungen, jedenfalls solange kein Fall eines Rechtsmissbrauchs im oben beschriebenen Sinne gegeben ist, unabhängig vom Vorliegen des materiellen Bürgschaftsfalls für erforderlich halten. Ein darüber hinausgehender Regressanspruch aus § 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung erwächst ihr demgegenüber nicht. Soweit der materielle Bürgschaftsfall ausgeblieben ist, führt die Zahlung der Bank nicht zur definitiven Erfüllung der Bürgschaftsschuld bzw. zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers. Somit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des klassischen Rückgriffsanspruchs in dem Umfang, wie der gesicherten Hauptschuld Einwendungen oder Einreden entgegenstehen, nicht gegeben.125 Geht die Bank gegen ihren Kunden (den Hauptschuldner) aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB vor, kann dieser gemäß § 273 BGB die Zahlung von der Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Gläubiger aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB abhängig machen, da es sich hierbei um das aus der Geschäftsführung Erlangte im Sinne von § 667 BGB handelt.126 Im Übrigen lässt sich ein verschuldensunabhängiger Rückgriffsanspruch wieder unmittelbar aus der Sicherungsabrede ableiten.127 Ferner ergibt die Auslegung der Sicherungsabrede, dass es dem begünstigten Gläubiger verwehrt ist, gegenüber dem Erstattungsanspruch des Gläubigers mit streitigen und nicht von der Bürgschaft gesicherten Forderungen die Aufrechnung zu erklären.128 Andernfalls stünde ihm das Sicherungsmittel faktisch für sämtliche Ansprüche gegen den Hauptschuldner zur Verfügung.129 keine Zustimmung. Auch die Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1992, 1446; BGH NJW 1997, 1435, 1437; BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 25) macht richtigerweise keine Unterscheidung zwischen Einreden und Einwendungen. Zuzugestehen ist allerdings, dass entgegenstehende Einreden im Gegensatz zu Einwendungen strenggenommen nicht zum Wegfall des Rechtsgrundes im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB führen. Aus dogmatischen Gesichtspunkten ist es daher vorzugswürdig, den Rückforderungsanspruch mit der in der Literatur vertretenen Auffassung unmittelbar auf den Bürgschaftsvertrag zu stützen. 123 OLG München WM 1988, 1554, 1557; Eleftheriadis, S. 144 f.; dieses Verständnis liegt nach Rücksprache mit dem Autor entgegen der Interpretation von BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 317 auch MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 113 zugrunde. 124 Klargestellt durch BGH NJW 1989, 1480, 1481 f. 125 BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 315, 317; differenzierend MüKoBGB/Habersack, § 774 Rn. 2, der die cessio legis bei entgegenstehenden Einwendungen verneint und bei entgegenstehenden Einreden bejaht. Bei entgegenstehenden Einreden soll der Gläubiger allerdings die Rückzahlung der Bürgschaftssumme von der Rückabtretung der Hauptschuld gemäß § 273 BGB abhängig machen können. Die Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen sind daher gering. 126 BGH NJW 1986, 310, 314; Eleftheriadis, S. 144; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 317. 127 BGH NJW 1999, 55, 56; BGH NJW 2003, 352, 353. 128 BGH NJW 1999, 55, 57.

B. Abgrenzung der Bankbürgschaft zu verwandten und speziellen Rechtsinstituten 143

Angemerkt sei zu guter Letzt, dass bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern für die Rückforderung des Bürgen bzw. des in Regress genommenen Hauptschuldners die Darlegungs- und Beweislastverteilung aus einem gewöhnlichen Bürgschaftsprozess beibehalten wird.130 Der beklagte Gläubiger hat daher entgegen den allgemeinen Grundsätzen weiterhin den Beweis über die Entstehung und Fälligkeit der gesicherten Hauptschuld zu führen,131 während der Kläger Einwendungen und Einreden vorzubringen hat.132 Mit der Vertauschung der Parteirollen im Rückforderungsprozess geht demnach keine Veränderung der Darlegungs- und Beweislast zulasten des Klägers einher. Für die Garantie auf erstes Anfordern hat diese Maxime nach inzwischen überwiegender Auffassung entsprechend zu gelten.133 Insgesamt zeigt sich, dass die Grenzen zwischen Garantie auf erstes Anfordern und Bürgschaft auf erstes Anfordern durch die weitgehende Aushöhlung des Akzessorietätsprinzips134 verschwindend gering sind. Beide Sicherungsformen zeichnen sich durch ihre schnelle und unkomplizierte Durchsetzbarkeit aus. Vor diesem Hintergrund sind Garantie auf erstes Anfordern und Bürgschaft auf erstes Anfordern im Stadium der Inanspruchnahme funktionell austauschbar bzw. wirtschaftlich gleichwertig.135 In der Literatur wird daher entgegen der herrschenden Meinung mit guten Argumenten die Auffassung vertreten, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern in Wirklichkeit eine speziell ausgeformte Forderungsgarantie darstellt.136 Fernliegend erscheint demgegenüber der vereinzelt unternommene Versuch, die Bürgschaft auf erstes Anfordern als Sicherungsmittel eigener Art und damit als eine Art dritte Kategorie zu charakterisieren.137 Unabhängig davon, wie die Bürgschaft auf erstes Anfordern dogmatisch eingeordnet wird, bleibt jedoch festzuhalten, dass sie aufgrund ihrer Liquiditätsfunktion ein enormes Missbrauchspotenzial birgt, das den §§ 765 ff. BGB fremd ist. Der Gläubiger kann sich, da irrelevant ist, ob ihm aus dem zugrunde liegenden Bauvertrag ein Zahlungsanspruch zusteht, auf Kosten des Bürgen und des Haupt129

BGH NJW 1999, 55, 57. BGH NJW 1989, 1606, 1607; BGH NJW-RR 1989, 1324, 1325; BGH NJW 1997, 1435, 1437; BGH NJW 2001, 3549, 3551; BGH NJW 2003, 352, 353; BGH NJW-RR 2007, 1392 Rn. 14. 131 BGH NJW 1988, 906; BGH NJW 1989, 1606, 1607. 132 Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 28. 133 MüKoBGB/Habersack, Vor § 765 Rn. 31; Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 81; Staudinger/Stürner, Vorbem zu §§ 765 – 778 Rn. 393; a. A. noch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1148a; Bydlinski, WM 1990, 1401, 1403 f. 134 Der herabspielenden Aussage von BGH NJW-RR 1987, 683, 685, wonach die Akzessorietät bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern nur „nicht unwesentlich gelockert“ sei, kann nicht gefolgt werden. 135 BGH NJW 2002, 3627, 3628. 136 Hierzu zuletzt Hadding/Welter, WM 2015, 1545, 1547 ff.; siehe ferner Bydlinski, AcP 190 (1990), 165, 170 f.; Eleftheriadis, S. 43. 137 So Kopp, S. 225. 130

144

3. Kap.: Die dogmatische Struktur der Bürgschaft

schuldners zu Unrecht bereichern. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern kann daher zweckentfremdet eingesetzt werden, um vorübergehende Zahlungsengpässe zu überbrücken und Krisen abzuwenden. In der Bauwirtschaft, wo ausstehende Zahlungen und Insolvenzen in Abhängigkeit von der Konjunktur an der Tagesordnung sind, ist dies kein theoretisches, sondern ein reales Szenario. Darüber hinaus kann die ungerechtfertigte Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern auch auf einer bloßen Fehleinschätzung des Gläubigers beruhen. Leidtragender ist neben dem Bürgen vor allem der Hauptschuldner.138 Er hat letztlich, nachdem er von der Bank in Regress genommen wurde, den Erstattungsprozess gegen seinen Vertragspartner zu führen und dessen Insolvenzrisiko zu tragen. Überdies werden ihm zumindest vorübergehend geldwerte Mittel entzogen. Das kann ihn selbst in eine äußerst missliche Lage bringen.

138 Vgl. die übertragbaren Ausführungen von Panagiotopoulos, S. 27 zur Garantie auf erstes Anfordern.

Viertes Kapitel

Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers mittels Bankbürgschaft A. Einleitender Überblick Wie bereits erwähnt, findet sich in den §§ 650a ff. BGB kein gesetzlicher Sicherungsmechanismus zugunsten des gewerblichen Auftraggebers. Die Vorschriften der §§ 232 ff. BGB und des § 17 VOB/B regeln lediglich die Modalitäten einer Sicherheitsleistung. Sie sind daher nur dann anwendbar, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Beibringung einer Sicherheit verpflichtet hat. Der gewerbliche Besteller ist deshalb insbesondere zur Absicherung seiner Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche auf vertragliche Sicherungsabreden angewiesen. Daher soll nunmehr der Frage auf den Grund gegangen werden, warum in der Vergangenheit unzählige Sicherungsabreden an einer Inhaltskontrolle gescheitert sind. Hierzu muss geklärt werden, weshalb Sicherungsabreden nahezu ausschließlich formularvertraglich abgeschlossen werden. Daran anknüpfend sind die von der Rechtsprechung definierten Maßstäbe einer Inhaltskontrolle darzustellen, ehe auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer unwirksamen Klausel einzugehen ist. Abschließend ist die Rechtsprechungsentwicklung auszuwerten und kritisch zu hinterfragen. Bevor auf diese äußerst praxisrelevante Problematik eingegangen wird, müssen jedoch zunächst die beiden geläufigsten Bürgschaftsarten (Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften) anhand ihres jeweiligen Sicherungszwecks erläutert und abgegrenzt werden. Bereits an dieser Stelle wird sich ein erhebliches Konfliktpotenzial zeigen.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften Wenn man den Sicherungszweck von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften betrachtet, muss man sich erneut vor Augen führen, dass bei einer vertraglichen Absicherung mittels Bankbürgschaft neben dem eigentlichen Bürgschaftsvertrag zwei weitere Rechtsgeschäfte – Sicherungsabrede und Avalkredit-

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

vertrag – existieren.1 Letztlich besteht damit immer eine „Dreiecksbeziehung“2 zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und der bürgenden Bank. Welche Rolle Auftraggeber und Auftragnehmer in diesem Dreieck einnehmen, hängt davon ab, wer von den beiden in der Sicherungsabrede zur Beibringung einer Sicherheit verpflichtet wird. Da sich dieses Kapitel ausschließlich mit der vertraglichen Absicherung des Bestellers beschäftigt, übernimmt diesen Part im Folgenden der Auftragnehmer. Zwischen ihm und der Bank wird demnach der Avalkreditvertrag geschlossen. Der Bürgschaftsvertrag kommt folglich zwischen dem Auftraggeber und der Bank, die sich verpflichtet, für die Schuld des Auftragnehmers einzustehen, zustande. Zu beachten ist nunmehr, dass der Sicherungszweck sowohl im Rahmen des Sicherungs- als auch des Bürgschaftsvertrags eine zentrale Rolle spielt.3 In der Sicherungsabrede bestimmt er sämtliche Ansprüche, für die der Auftragnehmer eine Bankbürgschaft zu beschaffen hat. Im Bürgschaftsvertrag definiert er demgegenüber das konkrete Haftungsspektrum der Bank. Die inhaltliche Übereinstimmung der beiden Sicherungszwecke hat für den Besteller daher oberste Priorität. Nur wenn der Umfang der Bürgschaft der in der Sicherungsabrede übernommenen Verpflichtung in nichts nachsteht, weist sie die Werthaltigkeit auf, die ihr nach der getroffenen Sicherungsabrede zukommen soll. Im Widerspruch zu seiner Bedeutung steht allerdings die Tatsache, dass der Sicherungszweck häufig nur unzureichend geregelt wird.4 Es muss daher ermittelt werden, für welche Forderungen die Bank einzustehen hat, wenn im Bürgschaftsvertrag in Übereinstimmung mit der Sicherungsabrede nur von der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung oder von den Mängelansprüchen gesprochen wird. Dies ist eine Frage der Auslegung.

I. Sicherungszweck einer Vertragserfüllungsbürgschaft Der Sicherungszweck einer Vertragserfüllungsbürgschaft (auch Ausführungsbürgschaft genannt5) ist weitaus schwerer zu bestimmen als bei einer Gewährleistungsbürgschaft. Es hat daher eine differenzierende Betrachtung zu erfolgen.

1

Siehe hierzu bereits ausführlich oben, S. 59 ff. So die plastische Bezeichnung von Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 27. 3 Weise, Sicherheiten, Rn. 32 f. 4 Thode, ZfIR 2000, 165, 172 f.; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66, 68; Kuffer, BauR 2003, 155, 156. 5 Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B § 17 Rn. 102; Klepper, NZBau 2009, 636 Fn. 3. 2

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

147

1. Grundsätzliches Verspricht der Bürge unter Bezugnahme auf den zugrunde liegenden Bauvertrag ohne nähere Konkretisierung für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einstehen zu wollen, sichert die Vertragserfüllungsbürgschaft jedenfalls die rechtzeitige, vollständige und vertragsgemäße Fertigstellung des Bauvorhabens ab. Der Grundtypus des Sicherungszwecks ähnelt demnach stark der Vertragserfüllungssicherheit im Rahmen des Verbraucherbauvertrags gemäß § 650m Abs. 2 BGB. Er unterliegt allerdings nicht der Einschränkung aus § 650m Abs. 2 S. 1 BGB, wonach nur die im Wesentlichen vertragsgemäße Herstellung des Bauwerks abzusichern ist. Dies ist ein weiteres Argument dafür, die dort verankerte Restriktion de lege ferenda aufzugeben. Es ist schlichtweg kein Grund dafür ersichtlich, den auf gesetzlicher Grundlage abgesicherten Verbraucher schlechter zu stellen als den vertraglich abgesicherten Unternehmer. Abgesehen von diesem Unterschied kann für den Kernbereich des Sicherungszwecks – auch wenn es hierbei um die Auslegung der gesetzlichen Sicherungsabrede und nicht um die Auslegung einer Bürgschaft ging – auf die obigen Ausführungen zu § 650m Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.6 Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert demnach auf jeden Fall Verzugsschäden, Fertigstellungsmehrkosten und Vertragsstrafen, die für eine nicht rechtzeitige Fertigstellung des Bauvorhabens versprochen wurden, ab. Auf die Erbringung der Bauleistung kann die Bank demgegenüber bei verständiger Auslegung des Bürgschaftsvertrags nicht in Anspruch genommen werden, da es sich bei ihr um ein Geldhaus handelt. Eine in den Bürgschaftsvertrag aufgenommene Vereinbarung, wonach die Bank nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden kann, hat daher lediglich klarstellenden Charakter.7 Zu beachten ist weiterhin, dass der Auftragnehmer sowohl nach § 650g Abs. 4 BGB als auch nach § 14 Abs. 1 S. 1 VOB/B eine prüffähige Schlussrechnung vorzulegen hat. Bei Zugrundelegung der VOB/B steht dem Auftraggeber allerdings im Unterschied zur gesetzlichen Regelung ab Fertigstellung des Bauwerks und nach Ablauf einer fruchtlosen Frist die Möglichkeit offen, die Schlussrechnung selbst auf Kosten des Auftragnehmers zu erstellen (§ 14 Abs. 4 VOB/B). Auch dieser Erstattungsanspruch wird, sofern er Bestandteil des Bauvertrags geworden ist, ohne Weiteres vom Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft erfasst. Ein Indiz hierfür ist bereits, dass es sich bei der Erteilung der Schlussrechnung um eine Nebenleistungspflicht des Auftragnehmers handelt.8 Entscheidender ist meines Erachtens jedoch, dass die Erteilung der Schlussrechnung ein Anhängsel zur den Inhalt des Bauvertrags prägenden Fertigstellungsverpflichtung des Auftragnehmers darstellt. Ohne ihren Zugang beim Auftraggeber kann demzufolge noch nicht von einem 6

Siehe hierzu oben, S. 112 ff. BGH NJW 1989, 1856, 1857. 8 Weise, Sicherheiten, Rn. 68 und Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 75 stellen mit unterschiedlichen Akzentuierungen alleine auf dieses Merkmal ab. 7

148

4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

vollständig erfüllten Bauvertrag gesprochen werden. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, wonach ein Abschlagszahlungsverlangen des Auftragnehmers auch dessen Pflicht zur Schlussrechnungserteilung im Rahmen eines reinen BGB-Bauvertrags begründet,9 kann sich aus deren Verletzung ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB ergeben. Dieser wird demzufolge ebenfalls ohne eine nähere textliche Klarstellung von einer Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert. Hieraus ergibt sich zugleich, dass Schadensersatzansprüche neben der Leistung, die auf der Verletzung einer bloßen Schutz- oder Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB beruhen, nicht von einer schlichten Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert werden. Solche Nebenpflichten haben prinzipiell keinen spezifischen Bezug zur rechtzeitigen und vollständigen Herstellung des Bauwerks.10 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der (wiederholte) Verstoß gegen eine Nebenpflicht so schwerwiegend ist, dass er einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 3, 282 BGB begründet. In diesem Fall hat die Verletzung der Nebenpflicht ausnahmsweise unmittelbare Auswirkungen auf die vertragsgemäße Herstellung des Bauwerks. Schadensersatzansprüche aus den §§ 280 Abs. 3, 282 BGB werden daher stets von einer Vertragserfüllungsbürgschaft erfasst. 2. Aus § 14 S. 1 AEntG und verwandten Vorschriften folgende Regressansprüche Umstritten ist, ob darüber hinaus Regressansprüche gegen den Auftragnehmer, die sich aus einer Haftung des Auftraggebers nach § 14 S. 1 AEntG11 ergeben, von einer einfachen Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert werden.12 Bevor sich diese Frage beantworten lässt, muss zum besseren Verständnis allerdings ein kurzer Überblick zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zu der Haftungsnorm gegeben werden. Ursprünglich diente das im Jahr 1996 aus der Taufe gehobene Gesetz13 dem ausschließlichen Zweck, inländische Bauunternehmen vor Lohnkostenunterschreitungen durch Konkurrenten aus dem europäischen Ausland zu schützen.14 Damals wie heute sind für Arbeitnehmer von europäischen Unternehmen, die ihre Bau9

Siehe oben, S. 38 f. Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 75. 11 Die Vorschrift geht auf den im Jahr 1998 geschaffenen § 1a AEntG a. F. zurück (vgl. BGBl. I 1998, 3843, 3851). Seit 2009 ist die Haftungsregelung in § 14 AEntG niedergelegt (vgl. BGBl. I 2009, 799, 802). 12 Dafür Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 22; Joussen, BauR 2012, 344, 346 f., 349; Maser, in: FS Jagenburg 2002, S. 557, 560; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 77; dagegen Weise, NZBau 2000, 229, 231; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 180 f.; BeckVOB/B/ Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 118; ehebliche Zweifel auch bei Schmitz, Sicherheiten, Rn. 46. 13 BGBl. 1996 I, 227. 14 BT-Drs. 13/2414, S. 6 f. 10

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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leistungen in Deutschland erbringen, im Ausgangspunkt die Arbeitsbedingungen ihres Herkunftslandes maßgeblich (vgl. Art. 30 EGBGB a. F., der heute weitgehend Art. 8 Rom-I – VO entspricht).15 Darüber hinaus unterliegen nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer, sofern die Entsendung voraussichtlich nicht länger als 24 Monate andauert, gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a, 12 Abs. 1 VO [EU] 883/2004 weiterhin ihrem heimischen Sozialversicherungssystem.16 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam man über die zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen Art. 13, 14 Nr. 1 lit. a VO [EWG] 1408/71, wonach der entsandte Arbeitnehmer bis zu einer voraussichtlichen Entsendezeit von 12 Monaten in seinem heimischen Sozialversicherungssystem integriert blieb.17 Unternehmen aus europäischen Ländern mit einem niedrigen Lohnniveau und geringen Sozialabgaben, die über die Dienstleistungsfreiheit Zugang zum deutschen Markt erhielten, waren daher vor Inkrafttreten des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in der Lage, ihren gegenüber deutschen Bauunternehmen bestehenden Wettbewerbsvorteil auszuspielen.18 Deshalb bestand die Furcht vor einer Verdrängung von Klein- und Mittelbetrieben der deutschen Bauwirtschaft und einer damit einhergehenden Erhöhung der Arbeitslosenzahl.19 Daneben drohten wegen der stark abweichenden Entlohnung ausländischer und inländischer Arbeitnehmer soziale Spannungen.20 Schließlich bestand die Sorge, dass durch die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen das deutsche Tarifvertragsrecht in der Baubranche ausgehöhlt wird.21 Vor diesem Hintergrund verabschiedete der Gesetzgeber das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, welches seitdem mehrere Änderungen erfahren hat und seit seiner zweiten Fassung auf der Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG, geändert durch RL 2018/957/EU und ergänzt durch RL 2014/67/EU) beruht. Die Zielsetzung des Gesetzes hat sich hierbei stark gewandelt. In Übereinstimmung mit europäischem Recht22 dient das Gesetz nicht mehr in erster Linie dem

15 Thüsing/Thüsing, AEntG, Vor § 1 Rn. 2; Junker, JZ 2005, 481, 484 f.; Deinert, in: FS Martiny 2014, S. 277, 279 f. 16 Deinert, in: FS Martiny 2014, S. 277, 279. 17 Deinert, in: FS Martiny 2014, S. 277, 280; Junker, JZ 2005, 481, 485. 18 Thüsing/Thüsing, AEntG, Vor § 1 Rn. 3 f. 19 BT-Drs. 13/2414, S. 7. 20 BT-Drs. 13/2414, S. 7. 21 BT-Drs. 13/2414, S. 7. 22 Der Europäische Gerichtshof hat deutlich gemacht, dass eine mit dem ArbeitnehmerEntsendegesetz einhergehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch Gründe des zwingenden Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann. Zu diesen zählt der Arbeitnehmerschutz, aber naturgemäß nicht der Schutz der nationalen Wirtschaft. In Bezug auf die alte Rechtslage war der Europäische Gerichtshof allerdings „gnädig“. Der Gesetzesbegründung komme keine entscheidende Bedeutung bei. Maßgeblich sei, dass die jeweilige Regelung des Arbeitnehmerentsendegesetzes bei objektiver Betrachtung auch dem Schutz des entsandten Arbeitnehmers diene (EuGH NZA 2001, 1377, 1379 – Finalarte; EuGH NZA 2002, 207, 208 – Portugaia Construções; EuGH NZA 2004, 1211, 1213 – Wolf & Müller). Die heutige Ziel-

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Schutz der nationalen (Bau-)Wirtschaft. Stattdessen verfolgt es gemäß § 1 S. 1 AEntG den primären Zweck, bestimmte einheitliche Mindestarbeitsbedingungen für inländische und aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer zu schaffen und durchzusetzen. Rechtstechnisch erfolgt dies, indem bestimmte Arbeitsbedingungen, die in Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie branchenbezogenen Tarifverträgen enthalten sind, zu international zwingenden Bestimmungen erklärt werden.23 Da hierdurch das nach der allgemeinen Kollisionsregel des Art. 8 Rom-I – VO zur Anwendung berufene Arbeitsstatut des Herkunftslandes durchbrochen wird, bezeichnet man solche Vorschriften mit internationalem Geltungsanspruch auch als Eingriffsnormen (vgl. Art. 9 Abs. 1 Rom-I – VO).24 Regelungen diesbezüglicher Art enthalten die §§ 2 Abs. 1, 3 AentG:25 Gemäß dem Katalog des § 2 Abs. 1 AEntG sind alle in deutschen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegten Regelungen über die Entlohnung (siehe hierzu § 2a AentG), den bezahlten Mindesturlaub, die Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten etc. auch auf sämtliche Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und dem von ihm entsendeten Arbeitnehmer zwingend anzuwenden. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist folglich allgemein gehalten und beschränkt sich in seiner heutigen Gestalt nicht mehr auf das Baugewerbe. Tarifverträge werden demgegenüber gemäß § 3 AEntG nicht pauschal, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen, auf Arbeitsverhältnisse zwischen ausländischen Arbeitgebern und entsandten Arbeitnehmern erstreckt. Zum einen muss der branchenbezogene Tarifvertrag (siehe zum Bausektor § 4 Abs. 1 Nr. 1 AEntG) einen von § 5 AEntG erfassten Regelungsgegenstand aufweisen und nach § 3 S. 1 AEntG bundesweite Geltung beanspruchen. Darüber hinaus muss er entweder gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden sein oder von einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG erfasst werden. Im Hinblick auf die Haftung nach § 14 S. 1 AEntG ist nunmehr zweierlei von Relevanz. Zum einen gibt es für das Baugewerbe einen bundesweiten Tarifvertrag, der das branchenbezogene Mindestentgelt (vgl. § 5 S. 1 Nr. 1 AEntG), welches über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, regelt.26 Dieser wurde durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach § 7 Abs. 1 S. 1 AEntG auf alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt.27 Er gilt daher sowohl für inländische als auch für entsandte Arbeitnehmer.

setzung des § 1 AEntG trägt der juristischen Würdigung des Europäischen Gerichtshofs Rechnung. 23 Thüsing/Thüsing, AEntG, Vor § 1 Rn. 11. 24 Junker, JZ 2005, 481, 485. 25 ErfK/Franzen, AEntG, § 2 Rn. 1, § 3 Rn. 1. 26 Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 29. Januar 2021. 27 Zwölfte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe (12. BauArbbV), BAnz AT 30. 04. 2021 V2.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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Zum anderen besteht im Baugewerbe die Besonderheit, dass Bauarbeiter ihren Arbeitgeber öfter wechseln als in anderen Branchen.28 Wegen dieser hohen Fluktuation und der Regelung des § 4 BUrlG, wonach der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird, besteht ein besonderes Bedürfnis dafür, den Arbeitnehmern in der Baubranche einen zusammenhängenden Erholungsurlaub zu sichern.29 Diese sozialpolitische Aufgabe übernehmen die Urlaubskassen des Baugewerbes.30 Bei ihnen handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien im Sinne von § 5 S. 1 Nr. 3 AEntG, die auf der Rechtsgrundlage von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen31 existieren.32 Sie führen für jeden in den Geltungsbereich des Tarifvertrags einbezogenen Arbeitnehmer ein Arbeitnehmerkonto, auf dem die Urlaubsansprüche angespart werden.33 Dem Arbeitnehmer ist es demnach bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb der Baubranche möglich, seinen im alten Arbeitsverhältnis erworbenen Urlaubsanspruch in das neue Arbeitsverhältnis zu überführen.34 Der aktuelle Arbeitgeber hat dem betroffenen Arbeitnehmer folglich den Urlaub und die Urlaubsvergütung auch dann zu gewähren, wenn der Urlaubsanspruch bei einem vorherigen Arbeitgeber aus dem Baugewerbe erworben wurde.35 Er bekommt den gezahlten Betrag jedoch von der Urlaubskasse erstattet.36 Um diese Leistungen zu finanzieren, verlangen die Urlaubskassen wiederum von allen erfassten Arbeitgebern Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme.37 Arbeitgeber mit Sitz im Ausland haben dieser Beitragsverpflichtung für ihre entsendeten Arbeitnehmer gemäß § 5 S. 1 Nr. 3 AEntG allerdings nur dann nachzukommen, wenn hierdurch keine Doppelbelastung wegen eines entsprechenden Verfahrens in ihrem jeweiligen Heimatstaat entsteht.38 Die einheitlichen Mindestarbeitsbedingungen in der Bauwirtschaft werden damit vor allem durch die Zahlung des branchenbezogenen Mindestlohns und der Erbringung der Urlaubskassenbeiträge gewährleistet.

28

Junker, JZ 2005, 481, 487; Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 45. Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 45. 30 Für Betriebe mit Sitz in Berlin führt die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SokaBerlin) das Urlaubskassenverfahren durch, für Betriebe mit Sitz in Bayern die Gemeinnützige Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes e. V. (UKB) und für alle anderen Betriebe die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) mit Sitz in Wiesbaden. 31 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) vom 28. September 2018 und Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 28. September 2018 in der aktuellen Fassung vom 29. Januar 2021. 32 Siehe zum BRTV BAnz AT 17. 05. 2019 B2 und zum VTV BAnz AT 17. 05. 2019 B1. 33 Berndt, DStR 2017, 1166. 34 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 46. 35 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 46; Berndt, DStR 2017, 1166. 36 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 46; Berndt, DStR 2017, 1166. 37 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 5 AEntG a. F. Rn. 46; Junker, JZ 2005, 481, 487. 38 Thüsing/Waas, AEntG, § 5 a. F. Rn. 13. 29

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Die Vorschrift des § 14 S. 1 AEntG dient hierbei der effektiven Durchsetzung dieser beiden Mindeststandards: Nach ihr hat der unternehmerisch tätig werdende Auftraggeber wie ein selbstschuldnerisch haftender Bürge dafür einzustehen, dass sein Auftragnehmer sowie alle weiteren in der Vertragskette vorkommenden Nachunternehmer den durch Rechtsverordnung festgelegten Branchenmindestlohn an ihre Arbeitnehmer zahlen und die Urlaubskassenbeiträge erbringen. Maßgeblich für die Haftung gegenüber den Arbeitnehmern ist hierbei gemäß § 14 S. 2 AEntG nicht der Brutto-, sondern der jeweilige Nettomindestlohn. Die verschuldensunabhängige Durchgriffshaftung für die gesamte Nachunternehmerkette wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß39 und vom Europäischen Gerichtshof für europarechtskonform40 befunden. Darüber hinaus findet sie nunmehr gemäß § 13 MiLoG auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch entsprechende Anwendung. Mangels tatbestandlicher Einschränkungen kommt sie sowohl bei einem mangelnden Leistungswillen als auch bei einer insolvenzbedingten Leistungsunfähigkeit zur Anwendung.41 Zu beachten ist jedoch, dass der Begriff des Unternehmers in § 14 S. 1 AEntG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschränkend auszulegen ist.42 Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber vor allem eine verschuldensunabhängige Generalunternehmerhaftung etablieren.43 In die Haftung sollten dementsprechend lediglich solche Unternehmer einbezogen werden, die gegenüber einem Auftraggeber eingegangene vertragliche Verpflichtungen nicht (ausschließlich) mit eigenem Personal, sondern durch den Einsatz von Nachunternehmern erfüllen.44 Die Einstandspflicht kommt daher erst ab dem zweiten Glied der Vertragskette zum Tragen. Das erste Glied – der Herr des gesamten Baugeschehens (auch Letztbesteller genannt) – wird demgegenüber prinzipiell nicht erfasst. Beauftragt beispielsweise ein Lebensmittel-Discounter ein Bauunternehmen mit der Errichtung einer neuen Filiale, hat dieser nicht nach § 14 S. 1 AEntG für die Zahlung des branchenbezogenen Mindestnettoentgelts und der Urlaubskassenbeiträge seines Auftragnehmers sowie weiterer potenziell eingeschalteter Nachunter39

BVerfG NZA 2007, 609. EuGH NZA 2004, 1211 – Wolf & Müller. 41 BVerfG NZA 2007, 609, 612 Rn. 54 und BAG NZA 2011, 514, 516 Rn. 18 haben bisher allerdings offengelassen, ob die Haftung des Unternehmers in der Insolvenz des Nachunternehmers mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Verfassungsmäßigkeit soll im Folgenden unterstellt werden. 42 BAG NZA 2003, 490, 493; BAG NZA 2005, 627; BAG NJOZ 2005, 2325, 2328 f.; BAG NZA 2007, 613 f. Rn. 12 ff.; BAG NZA 2012, 980 f. Rn. 15 ff.; BAG NZA 2020, 112, 113 ff. Rn. 12 ff.; a. A. jedoch etwa Dörfler, Nettolohnhaftung, S. 22; Koberski/Asshoff/Winkler/ Eustrup, § 14 AEntG Rn. 17 ff. 43 BT-Drs. 14/45, S. 17; BT-Drs. 16/10486, S. 14. 44 BAG NZA 2003, 490, 493; BAG NZA 2005, 627; BAG NJOZ 2005, 2325, 2328 f.; BAG NZA 2007, 613 f. Rn. 12 ff.; BAG NZA 2012, 980 f. Rn. 15 ff.; BAG NZA 2020, 112, 113 Rn. 12. 40

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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nehmer einzustehen, wenngleich es sich bei ihm unstrittig um einen Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB handelt. Selbst ein Unternehmen aus der Baubranche, das ein anderes Unternehmen mit Maurer- und Putzarbeiten an seinem Betriebssitz beauftragt, haftet nicht nach § 14 S. 1 AEntG.45 Selbiges gilt auch für einen Großinvestor, der ein Einkaufszentrum bauen lässt, um dieses zu vermieten und zu verwalten.46 Rechtfertigen lässt sich dies mit dem Sinn und Zweck der verschuldensunabhängigen Durchgriffshaftung: Nur denjenigen, der im Rahmen der Erfüllung seiner eigenen Errichtungsverpflichtung wirtschaftliche Vorteile aus der Beauftragung eines Nachunternehmers zieht und dadurch die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus den Händen gibt, trifft eine Mitverantwortung für die Nettomindestentgelt- und Urlaubskassenbeitragsverpflichtung nachfolgender Auftragnehmer.47 Von der Haftung werden dementsprechend neben Generalunternehmern und Generalübernehmern auch Bauträger erfasst, obwohl diese zugleich als Bauherren anzusehen sind.48 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Bauträger im Zeitpunkt der Auftragsvergabe schon Verpflichtungen gegenüber dem späteren Erwerber eingegangen ist oder ob er dieses Ziel erst während oder nach der Errichtung des Bauwerks verfolgt.49 Entscheidend ist ausschließlich, dass er typischerweise die wirtschaftlichen Vorteile einer Nachunternehmerkette nutzt, um der (gegebenenfalls vorweggenommenen) Errichtungsverpflichtung gegenüber dem späteren Erwerber nachzukommen.50 Vom Sinn und Zweck her muss die Haftung damit letztendlich auch Nachunternehmer treffen, die sich ihrerseits die Leistungen zumindest eines weiteren Nachunternehmers zunutze machen.51 Der von einem Arbeitnehmer oder einer Urlaubskasse in Anspruch genommene Unternehmer kann, da er gemäß § 14 S. 1 AEntG wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftet, nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB Regress beim Hauptschuldner – also dem jeweiligen Arbeitgeber in der Nachunternehmerkette, der nicht zwangsläufig seinem

45

BAG NZA 2007, 613, 614 Rn. 14. BAG NZA 2020, 112, 115 Rn. 27 ff.; zustimmend Lohse/Volmari, DB 2020, 566; Winzer, ArbRAktuell, 2019, 533; Johnson, AuA 2020, 118; ablehnend Stähle, NZA-RR 2019, 462 ff.; Stähle, NZA 2020, 1086 f. 47 BVerfG NZA 2007, 609, 612 Rn. 54; BAG NZA 2003, 490, 493; ErfK/Franzen, AEntG, § 14 Rn. 3. 48 Eingehend BAG NZA 2012, 980, 982 Rn. 19 ff.; kritisch Lohse/Volmari, DB 2020, 566. 49 BAG NZA 2012, 980, 982 Rn. 21 f. 50 BAG NZA 2012, 980, 982 Rn. 21 f. 51 LAG Rheinland-Pfalz AuR 2006, 71; ErfK/Franzen, AEntG, § 14 Rn. 3; beiläufig auch BAG NZA 2003, 490, 495; der Gesetzgeber hat in BT-Drs. 16/10486 klargestellt, dass die Haftung insbesondere und nicht ausschließlich Generalunternehmer (so konnte man noch BTDrs. 14/45, S. 17 verstehen) trifft. Die Einbeziehung von Bauträgern und Nachunternehmern in den Anwendungsbereich der Vorschrift scheint damit in Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen zu stehen; jedenfalls widerspricht sie ihm nicht. 46

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

eigenen Vertragspartner entsprechen muss – fordern.52 Da dieser jedoch häufig insolvent sein wird, ist der Regressanspruch oftmals wertlos. Existieren in einer Beauftragungskette mehrere vorgeschaltete Unternehmer im Sinne von § 14 S. 1 BGB, kann sich der Arbeitnehmer bzw. die Urlaubskasse bei der Geltendmachung der Forderung einen Mitbürgen aussuchen.53 Dem in Anspruch genommenen Unternehmer steht in diesem Fall eine weitere Regressmöglichkeit offen: Er kann, sofern im Innenverhältnis keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, von den anderen Gesamtschuldnern gemäß §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB anteiligen Ausgleich verlangen.54 Nachdem nunmehr das Fundament zur verschuldensunabhängigen Durchgriffshaftung gelegt wurde, soll auf die Ausgangsfrage zurück gekommen werden, ob die damit zusammenhängenden Regressansprüche von einer einfachen Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert werden. Hierzu stellen wir uns eine dreigliedrig gestufte Bauvertragskette, bestehend aus Generalunternehmer, Nachunternehmer eins und Nachunternehmer zwei vor. Zahlen Nachunternehmer eins und Nachunternehmer zwei ihren auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern keinen Lohn, können diese zumindest den Generalunternehmer in Höhe des ihnen zustehenden Mindestnettoentgelts in Anspruch nehmen. Der Generalunternehmer kann jeweils von Nachunternehmer eins und von Nachunternehmer zwei vollen Regress über § 774 Abs. 1 BGB (cessio legis) verlangen. Darüber hinaus kann er hälftigen Regress von Nachunternehmer eins für die ausgebliebenen Zahlungen von Nachunternehmer zwei nach §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB fordern. Hat er mit Nachunternehmer eins im Innenverhältnis eine Freistellungsvereinbarung getroffen, wonach dieser alleine für die Ansprüche der Arbeitnehmer von Nachunternehmer zwei einzustehen hat, kann er bezüglich solcher Forderungen sogar in voller Höhe Rückgriff nehmen. Der Generalunternehmer ist jedoch nach meiner Einschätzung – vorbehaltlich einer in der Sicherungsabrede und Vertragserfüllungsbürgschaft explizit getroffenen Vereinbarung – nicht berechtigt, für seine Regressforderungen gegen Nachunternehmer eins die Bank, die sich für diesen verbürgt hat, in Anspruch zu nehmen. Zwar ist davon auszugehen, dass es zu den Nebenpflichten von Nachunternehmer eins gehört, eine Inanspruchnahme nach § 14 S. 1 AEntG durch seine eigenen sowie durch die Arbeitnehmer weiterer Nachunternehmer zu vermeiden.55 Vor diesem 52

ErfK/Franzen, AEntG, § 14 Rn. 6; Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 14 AEntG Rn. 34. 53 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 14 AEntG Rn. 35. 54 Koberski/Asshoff/Winkler/Eustrup, § 14 AEntG Rn. 35; ErfK/Franzen, AEntG, § 14 Rn. 6. 55 Weise, NZBau 2000, 229, 231; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 181; BeckVOB/B/ Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 118; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 22; widersprüchlich hingegen noch Joussen, BauR 2012, 344, 347, 349 der einerseits von einer Nebenpflicht und andererseits von einer originären Leistungspflicht aus dem Bauvertrag

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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Hintergrund kommt auch ein Regressanspruch des Generalunternehmers gegen Nachunternehmer eins aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Entscheidend ist jedoch, dass dieses Gebot keinen inneren Bezug zur vertraglichen Herstellungsverpflichtung aufweist.56 Die ordnungsgemäße Bezahlung der Arbeitnehmer ist eine originäre Pflicht aus dem Arbeitsvertrag. Die Frage, ob ein Bauwerk vertragsgemäß errichtet wurde, bleibt hiervon unberührt. Aus diesem Grund sichert eine einfache Vertragserfüllungsbürgschaft aus § 14 S. 1 AEntG hervorgehende Regressansprüche selbst dann nicht ab, wenn die Bauvertragsparteien die Einhaltung der Vorschriften aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz in den Rang einer Nebenleistungspflicht gehoben haben.57 Nicht gefolgt werden kann schließlich auch der Auffassung, wonach die Regressansprüche vollkommen unabhängig von der Frage, wie eine pauschale Sicherungsabrede und eine entsprechend pauschale Bürgschaftsverpflichtung auszulegen ist, allein wegen ihrer Entstehung kraft Gesetzes als Erweiterung der Hauptschuld im Sinne von § 767 Abs. 1 S. 1, 2 BGB anzusehen sind, für die der Bürge automatisch einzustehen hat.58 Bei dieser Sichtweise wird verkannt, dass nicht jeder ex lege entstandene Anspruch eine Erweiterung der gesicherten Hauptschuld nach sich zieht. Dies ist nur dann der Fall, wenn er in der ursprünglich gesicherten Schuld wurzelt und diese – bildlich gesprochen – organisch weiterentwickelt.59 In Bezug auf Regressansprüche aus § 774 Abs. 1 BGB, §§ 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sowie § 280 Abs. 1 BGB trifft dies indes nicht zu. Sie wurzeln – wie dargelegt wurde – gerade nicht in der (nicht) vertragsgemäßen Ausführung der Bauleistung und führen dementsprechend auch nicht zu einer automatischen Haftungserweiterung des Bürgen. Die soeben getätigten Ausführungen gelten entsprechend für Regressansprüche, die aus den mit § 14 S. 1 AEntG strukturell vergleichbaren Regelungen der §§ 28e Abs. 3a S. 1 SGB IV, 150 Abs. 3 S. 1 SGB VII resultieren. Nach diesen Vorschriften haftet ein Unternehmer des Baugewerbes wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Abführung des Gesamtsozialversicherungs-60 und Unfallversicherungsbeitrags seines mit Bauleistungen betrauten Auftragnehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers. Das Ziel der Einstandspflicht, die sich gemäß § 28e Abs. 3a S. 3 SGB IV auch auf ausländische Sozialversicherungsbeiträge bezieht, ist die effektive Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in der spricht; zu weitgehend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 77, der von einer Nebenleistungspflicht ausgeht. 56 Ähnlich Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 181; BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 118. 57 Zutreffend Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 181; a. A. Weise, NZBau, 2000, 229, 231. 58 So Maser, in: FS Jagenburg 2002, S. 557, 559 f. 59 Vgl. OLG Düsseldorf WM 2001, 2382, 2384. 60 Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasst gemäß § 28d SGB IV die Summe der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Baubranche.61 Für den Unternehmerbegriff kann auf die obigen Ausführungen zu § 14 AEntG verwiesen werden. Erfasst werden demzufolge Generalunternehmer, Generalübernehmer, Bauträger62 und Nachunternehmer63, aber keine schlichten Bauherren64. Im Gegensatz zu § 14 S. 1 AEntG besteht im Rahmen der §§ 28e Abs. 3a S. 1 SGB IV, 150 Abs. 3 S. 1 SGB VII jedoch ein weitaus geringeres Haftungsrisiko. Einerseits kommt die Haftung gemäß § 28e Abs. 3a S. 2 SGB IV erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000 E zum Tragen.65 Andererseits bezieht sich die Einstandspflicht – vorbehaltlich eines einschlägigen Umgehungstatbestands im Sinne von § 28e Abs. 3e SGB IV – nur auf den unmittelbaren Nachunternehmer und nicht auf die gesamte Nachunternehmerkette. Zudem besteht gemäß § 28e Abs. 3a S. 4 i. V. m. Abs. 2 S. 2 SGB IV lediglich eine subsidiäre Haftung: Die jeweils zuständige Einzugsstelle muss den vorrangig haftenden Arbeitgeber zunächst erfolglos gemahnt haben. Schließlich – und dies dürfte der wichtigste Unterschied zu § 14 S. 1 AEntG sein – handelt es sich bei den §§ 28e Abs. 3a S. 1 SGB IV, 150 Abs. 3 S. 1 SGB VII um eine Haftung für vermutetes Verschulden, von der sich der in Anspruch genommene Unternehmer relativ einfach (vgl. § 28e Abs. 3b und 3f SGB IV, ergänzt durch § 150 Abs. 3 S. 2 SGB VII) exkulpieren kann.

61

BT-Drs. 14/8221, S. 15 f. BSG NZS 2009, 396, 398 f. Rn. 17 ff. 63 Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Roßbach, § 28e SGB IV a. F. Rn. 14; Rixen, SGb 2002, 536, 537; Sasse/Kiel, NZBau 2003, 366, 367. 64 BSG NZS 2009, 396, 399 Rn. 19; BT-Drs. 14/8221, S. 15. 65 Das Bauwerk i. S. v. § 28e Abs. 3a S. 2 SGB IV wird durch die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Bauherrn und seinem Auftragnehmer definiert. Die Wertgrenze wird dann überschritten, wenn der in Anspruch genommene Unternehmer in Bezug auf das Bauwerk insgesamt Bauleistungen von mindestens 275.000 E an Nachunternehmer weitervergeben hat. Maßgeblich für die Berechnung ist demnach das gesamte weitervergebene Auftragsvolumen und nicht nur das einzelne Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Nachunternehmer, für dessen ausgebliebene Zahlungen er einzustehen hat. Wird allerdings ein Generalunternehmer oder ein Bauträger aus § 28e Abs. 3a S. 1 SGB IV in Anspruch genommen, der alle Bauleistungen an mehrere oder einen einzelnen Nachunternehmer vergibt, soll es nach dem Bundessozialgericht für die Bestimmung der Wertgrenze auf den Vertrag zwischen ihm und dem Bauherrn ankommen. Dies wird damit begründet, dass dieser Wert nahezu identisch sei mit dem Wert aller weitervergebenen Aufträge. Bei dieser Berechnungsmethode wird jedoch die Gewinnmarge des in Anspruch genommenen Unternehmers außer Acht gelassen. In den meisten Fällen wirkt sich dies nicht aus. Beauftragt allerdings ein Bauherr einen Generalunternehmer mit der Erstellung eines Bauwerks für 280.000 E und gibt dieser wiederum sämtliche Bauleistungen an Nachunternehmer für 270.000 E weiter, offenbart sich die fehlende Stringenz der Ausführungen des Bundessozialgerichts. Richtigerweise muss auch hier die Summe aller weitervergebenen Aufträge maßgeblich sein. Siehe zum Ganzen BSG NZS 2018, 700, 701 f. Rn. 10 – 15. 62

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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3. Haftung für Forderungen aus Nachträgen Des Weiteren wird kontrovers diskutiert, ob sich Vertragserfüllungsbürgschaften bei einer Bezugnahme auf den Bauvertrag auch ohne ausdrückliche Vereinbarung auf geldwerte Forderungen beziehen, die aus einer nicht vertragsgemäßen oder verzögerten Herstellung einer geänderten oder zusätzlichen Leistung gemäß §§ 1 Abs. 3 und 4 S. 1 VOB/B resultieren. Dieses Problem stellt sich spiegelbildlich bei der gesetzlichen (§ 650f BGB) oder vertraglichen Absicherung des Auftragnehmers mittels Bankbürgschaft. In dieser Konstellation ist fraglich, ob sich die Zahlungsbürgschaft ohne nähere Anhaltspunkte auch auf Vergütungsansprüche aus Nachträgen gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B bezieht. In der baurechtlichen Literatur haben sich zu diesem Problemkreis zwei gleichstarke Lager gebildet.66 Zudem darf nicht verkannt werden, dass die Auseinandersetzung mit Einführung der §§ 650b, 650c BGB auch abseits der VOB/B an Bedeutung gewonnen hat.67 Wie gespalten die Auffassungen zu diesem Themenkomplex sind, verdeutlichen nicht zuletzt zwei divergierende Urteile des Bundesgerichtshofs, die von unterschiedlichen Senaten erlassen wurden. Es gibt keine andere Materie, bei der bau- und bürgschaftsrechtliche Grundsätze in vergleichbarer Weise miteinander kollidieren. Im Zentrum des Streits steht hierbei die bereits oben erläuterte Vorschrift des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB.68 Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass die Bank jedenfalls nicht für Anschlussaufträge gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B einzustehen hat. Der „Bausenat“ hatte sich in seinem Urteil vom 28. 06. 200769 mit einer vertraglich vereinbarten Zahlungsbürgschaft zu befassen. Gesichert werden sollten unter Bezugnahme auf den Bauvertrag die Zahlungsansprüche des Auftragnehmers für erbrachte Leistungen. Der Bauvertrag enthielt eine spezielle Abrede, die eine Vergütungsanpassung im Falle zusätzlicher oder geänderter Leistungen aufgrund schriftlicher Vereinbarung vorsah. In einem obiter dictum wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Bürge für Zahlungsansprüche aus solchen Zusatz-

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Für eine prinzipielle Absicherung geänderter oder zusätzlicher Leistungen Ingenstau/ Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 110 ff., Anh. 1 Rn. 264 f.; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 118 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B § 17 Rn. 64 ff.; Hilgers, BauR 2016, 315 f., 318 f.; Oberhauser, BauR 2016, 332, 336 ff.; Joussen, BauR 2012, 344, 349 ff.; Joussen, PiG 91 (2012), 79, 82 ff.; Lembcke, NZBau 2010, 158 ff.; Hildebrandt, BauR 2007, 1121 ff.; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 182 f.; Weise, NJW-Spezial 2005, 549, 550 f.; Weise, Sicherheiten, Rn. 73; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66, 74 f.; dagegen BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 96 ff.; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 209 ff.; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 516; Vogel, EWiR 2010, 245, 246; Maser, in: FS Jagenburg 2002, S. 557 ff.; Stern, in: FS Quack 2009, S. 235, 236 ff.; Schwenker, BauR 2008, 175, 178 ff.; v. Westphalen, ZfIR 2016, 369, 371; Peters, JR 2011, 155 f.; Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65, 68; Thode, jurisPRPrivBauR 4/2010, Anm. 1; ohne eindeutige Stellungnahme Funke, BauR 2010, 969, 975 f. 67 Hierauf eingehend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 119 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 111 f., 118, Anh. 1 Rn. 264 f. 68 Siehe oben, S. 121 f. 69 BGH NJW-RR 2007, 1392.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

aufträgen einzustehen habe.70 Da der Bauvertrag explizit die Möglichkeit einer Vergütungsanpassung durch schriftliche Vereinbarung für geänderte oder zusätzliche Leistungen ermögliche und die Bürgschaft auf den Bauvertrag verweise, könne eine entsprechende Abrede aller Voraussicht nach nicht als Erweiterung der Einstandspflicht gemäß § 767 Abs. 1 S. 3 BGB anzusehen sein.71 Der Verbürgungswille bezieht sich demzufolge nach Auffassung des „Bausenats“ von Anfang an auch auf die vertraglich vorgesehenen Zahlungsansprüche aus Nachträgen. Nicht zu entscheiden hatte der Bundesgerichtshof, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der in der Bürgschaftsurkunde erwähnte Bauvertrag keine explizite Regelung enthält, sondern nur in äußerlich erkennbarer Weise unter Einbeziehung der §§ 1 Abs. 3 und 4 S. 1, 2 Abs. 5 und 6 VOB/B geschlossen wurde. Konsequenterweise kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob sich das Leistungsänderungsrecht aus dem Bauvertrag selbst oder aus dem Verweis auf die VOB/B ergibt.72 Da es sich bei der VOB/B um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wird sie durch ihre Einbeziehung zum originären Vertragsbestandteil. Folgt man der Auffassung des „Bausenats“ müssen demzufolge beide Fälle gleich behandelt werden. Dem zuvor genannten Urteil des „Bausenats“ ist der „Bürgschaftssenat“ in seiner Entscheidung vom 15. 12. 200973 energisch entgegengetreten. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt übernahm die Bank ebenfalls eine Zahlungsbürgschaft für Vergütungsansprüche aus erbrachten Bauleistungen gegenüber dem Auftragnehmer. Die Bürgschaft sah einen Höchstbetrag vor und beruhte – was für die konkrete Fragestellung allerdings ohne Belang ist – nicht auf einer vertraglichen Sicherungsabrede, sondern auf § 648a BGB a. F. In der Bürgschaftsurkunde wurde abermals auf den Bauvertrag, der unter Geltung der VOB/B geschlossen wurde, Bezug genommen. Erneut fanden sich in der Bürgschaftsurkunde jedoch keine expliziten Feststellungen zur Haftung der Bank für Vergütungsansprüche aus Nachträgen. Aus diesem Grund verneinte der „Bürgschaftssenat“ entgegen dem früheren Hinweis des „Bausenats“ eine diesbezügliche Haftung des Bürgen.74 Der alleinige Umstand, dass der Bauvertrag für den Sicherungsgeber in erkennbarer Weise den Regelungen der VOB/B unterliege, rechtfertige keine gegenteilige Auslegung des Bürgschaftsvertrags. Aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners wolle der Bürge beim Fehlen konkreter Anhaltspunkte keine Haftung für ein von ihm nicht beherrschbares und damit unkalkulierbares Risiko aus zukünftigen Erweiterungen der Hauptschuld übernehmen.75 Hierfür spreche insbesondere das Verbot der Fremddisposition aus § 767 Abs. 1 S. 3 BGB.76 Aus diesem gehe hervor, dass der Bürgschaftsvertrag 70 71 72 73 74 75 76

BGH NJW-RR 2007, 1392, 1393 Rn. 21. BGH NJW-RR 2007, 1392, 1393 Rn. 21. Joussen, BauR 2012, 344, 351. BGH NJW 2010, 1668. BGH NJW 2010, 1668, 1669 Rn. 19. BGH NJW 2010, 1668, 1669 Rn. 20. BGH NJW 2010, 1668, 1669 Rn. 20.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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prinzipiell keine künftigen Forderungen erfasse, deren Ursache und Höhe für den Sicherungsgeber weder absehbar noch beeinflussbar seien.77 Die gegenteilige Auslegung bürde dem Bürgen ohne stichhaltigen Anlass ein unbeherrschbares Risiko auf. Dies widerspreche dem Grundsatz der Privatautonomie.78 Nur dann, wenn eine Teilleistung durch eine gleichwertige Teilleistung ohne Erhöhung des Werklohns ersetzt werde, habe der Bürge grundsätzlich zu haften, weil in diesen Fällen die Regelung des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB regelmäßig keine Anwendung finde.79 Vor und nach dem Urteil des „Bürgschaftssenats“ ist diese Sichtweise in der baurechtlichen Literatur auf mannigfaltige Kritik gestoßen. Die Gegenauffassung betont immer wieder, dass die späteren Erweiterungen des Erfüllungsrahmens schon durch die Einbeziehung der VOB/B im ursprünglichen Bauvertrag angelegt sind. Bereits durch die Bezugnahme der Personalsicherheit auf den Bauvertrag mache der gewerbliche Bürge dieses für ihn auf der Hand liegende Risiko zu seinem eigenen.80 Die Anordnung des Auftraggebers fülle letztlich nur die Hauptschuld aus, für die der Bürge seine Haftungsverpflichtung abgegeben habe.81 Darüber hinaus komme es wegen den in der Praxis vorherrschenden Höchstbetragsbürgschaften nicht zu einer summenmäßigen Haftungserweiterung der Bank.82 Es liege folglich insgesamt kein Verstoß gegen § 767 Abs. 1 S. 3 BGB vor. Dies gelte erst recht für Vertragserfüllungsbürgschaften. Bei diesen finde das Verbot der Fremddisposition ohnehin keine Anwendung, weil § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nach seinem eindeutigen Wortlaut ein Rechtsgeschäft des Hauptschuldners (hier also des Auftragnehmers) voraussetze.83 Die Änderung des ursprünglichen Erfüllungsrahmens geht demgegenüber ausschließlich vom Auftraggeber aus. Deshalb bleibe es gemäß § 767 Abs. 1 S. 1 BGB – unabhängig davon, wie die Bürgschaft im Endeffekt auszulegen ist – bei der umfassend akzessorischen Einstandspflicht der Bank.84 Ferner trenne der „Bürgschaftssenat“ nicht sauber zwischen Leistungsänderungsanordnungen nach § 1 Abs. 3 VOB/B und zusätzlichen Leistungen gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B. Losgelöst von bestehenden Vertragslücken im konkreten Ausgangsvertrag schuldet der Bauunternehmer immer ein funktionstaugliches Werk.85 Zusätzliche Leistungen 77

BGH NJW 2010, 1668, 1669 Rn. 20. BGH NJW 2010, 1668, 1670 Rn. 20. 79 BGH NJW 2010, 1668, 1670 Rn. 27. 80 Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 111, Anh. 1 Rn. 264 f.; Joussen, PiG 91 (2012), 79, 86; Hildebrandt, BauR 2007, 1121, 1128. 81 Oberhauser, BauR 2016, 332, 339. 82 Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B § 17 Rn. 66; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66, 75; Hildebrandt, BauR 2007, 1121, 1128. 83 Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 112; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 119; Hildebrandt, BauR 2007, 1121, 1123; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 182; Joussen, BauR 2012, 344, 352; Joussen, PiG 91 (2012), 79, 89; Oberhauser, BauR 2016, 332, 339; Hilgers, BauR 2016, 315, 316. 84 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 119; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 182. 85 Siehe zum funktionalen Mangelbegriff statt aller BGH NJW 2011, 3780 f. Rn. 11 m. w. N. 78

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

nach § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B seien folglich nur darauf gerichtet, den ursprünglich festgelegten Werkerfolg zu verwirklichen.86 Da die angeordneten Leistungen demgemäß von Anfang an geschuldet seien, könne es in diesen Fällen schon gar nicht zu einer nachträglichen Erweiterung der Hauptschuld kommen.87 Für die Regelungen der §§ 650b, 650c BGB gelte schließlich nichts anderes. Zwar sehe § 650b Abs. 1 BGB aus Kooperationsgesichtspunkten ein Einigungsmodell vor.88 Im Endeffekt könne der Auftraggeber jedoch auch eine inhaltsgleiche Änderungsanordnung nach § 650b Abs. 2 BGB treffen.89 Wegen dieser Wertung könne eine zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer einvernehmlich gefundene Lösung das Verbot der Fremddisposition nicht wieder zur Anwendung bringen.90 Der Charme der soeben geschilderten Gegenauffassung besteht darin, dass sie den Langzeit- und Rahmencharakter des Bauvertrags in den Vordergrund stellt. Nahezu kein Bauvorhaben kommt ohne Leistungsänderungen und zusätzliche Leistungen aus. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dem Bürgen auch ohne gesonderte Vereinbarung eine flexible Haftung aufzubürden. Hierbei rückt jedoch in den Hintergrund, dass es sich beim Bürgschaftsvertrag um ein Risikogeschäft handelt. Kalkulierbarkeit und Beherrschbarkeit des Wagnisses haben für den Bürgen nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) oberste Priorität. Unterstützt wird diese Auslegungsmaxime durch den Rechtsgedanken von § 767 Abs. 1 S. 3 BGB. Eine potenziell uferlose und unkontrollierbare Haftung der Bank muss daher in der Bürgschaftsurkunde eindeutig zum Ausdruck kommen. Die Gegenauffassung verkennt dies. Sie misst dem bloßen Fehlen eines Haftungsausschlusses den Erklärungswert bei, der Bürge wolle für sämtliche Nachträge einstehen. Das ist eine fernliegende Unterstellung, die von baupraktischen Wunschvorstellungen getragen wird. Ein anderes Auslegungsergebnis kann selbst dann nicht angenommen werden, wenn eine Höchstbetragsbürgschaft vereinbart wurde. Auch wenn hierdurch eine summenmäßige Haftungsbegrenzung erzielt wird, ist zu beachten, dass das Risiko einer Inanspruchnahme für den Bürgen bei Nachtragsforderungen, die den ursprünglich solide aufgestellten Finanzierungsrahmen sprengen, signifikant erhöht ist.91 Im Ausgangspunkt hat der Bürge damit keine Einstandspflicht für erkennbare Vertragsmodifikationen übernommen. 86

Oberhauser, BauR 2016, 332, 340. Oberhauser, BauR 2016, 332, 340. 88 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 120. 89 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 120. 90 So Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 120 zur Vertragserfüllungsbürgschaft. Bei der Zahlungsbürgschaft (Rn. 372) sollen Vertragsänderungen gemäß § 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB hingegen dem Verbot der Fremddisposition unterfallen, da der Hauptschuldner die Modifikation vornehme oder sich zumindest an ihr beteilige und das Änderungsrecht trotz Normierung wegen seiner Uferlosigkeit nicht bereits im ursprünglichen Bauvertrag angelegt sei; nach Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 118, Anh. 1 Rn. 265 sollen Zahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften hingegen keine Nachtragsforderungen absichern, die auf einer einvernehmlichen Abrede beruhen. 91 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 211. 87

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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Davon zu trennen ist die Frage, was geschieht, wenn es tatsächlich zu Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen kommt. Erst auf dieser Ebene tritt das Verbot der Fremddisposition unmittelbar in Erscheinung. Die Vorschrift des § 767 Abs. 1 S. 1 BGB normiert, dass sich die Bürgschaftsschuld infolge ihrer Akzessorietät nach dem jeweiligen Bestand der Hauptverbindlichkeit richtet. Nur für solche Erweiterungen, die auf einem nachträglichen Rechtsgeschäft des Hauptschuldners beruhen, trifft den Bürgen gemäß § 767 Abs. 1 S. 3 BGB keine Einstandspflicht. Da die Vorschrift den Bürgen nicht vor einer summenmäßigen Erhöhung seines Risikos, sondern vor einer Haftung für zusätzliche Forderungen schützen will, gilt dies auch für Höchstbetragsbürgschaften.92 Hat die Bank eine Zahlungsbürgschaft übernommen, kommt das Verbot der Fremddisposition jedenfalls für Anordnungen gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B und § 650b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB zur Anwendung. In den Fällen des § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B und § 650b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB lässt sich dies hingegen bezweifeln, da die Zusatzleistung wegen der geschuldeten Funktionstauglichkeit schon Gegenstand des ursprünglichen Bauvertrags ist. Noch schwieriger zu beurteilen ist die Frage, wenn die Bank keine Zahlungs-, sondern eine Vertragserfüllungsbürgschaft übernommen hat. Hier gehen die Anordnungen vom Sicherungsnehmer und nicht vom Hauptschuldner aus. Daher wäre die Haftung des Bürgen genau genommen nur dann begrenzt, wenn die Bauvertragsparteien – wie es nunmehr prinzipiell in § 650b BGB vorgesehen ist – eine einvernehmliche Vertragsänderung erzielen. Im Übrigen bestehen auch hier die zur Zahlungsbürgschaft geäußerten Bedenken bezüglich § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B und § 650b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB. Entscheidend ist, dass der Problemkreis einer einheitlichen und damit handhabbaren Lösung zugeführt wird. Aus praktischen Gesichtspunkten wäre es nicht nachvollziehbar, unterschiedliche Prinzipien für Zahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften zu statuieren. Darüber hinaus würde eine Differenzierung zwischen Änderungen nach § 1 Abs. 3 VOB/B und § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B bzw. § 650b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB und § 650b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Für die entsprechende Anwendung des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB auf Vertragserfüllungsbürgschaften lassen sich gute Gründe anführen. Zunächst dürfte der historische Gesetzgeber – da die VOB/B erst im Jahr 1926 geschaffen wurde – die Bedeutung einseitiger Leistungsänderungsrechte verkannt oder zumindest stark unterschätzt haben.93 Dies spricht dafür, dass keine Feinjustierung zwischen Bau- und Bürgschaftsrecht stattgefunden hat. Sieht man den Zweck von § 767 Abs. 1 S. 3 BGB zutreffend darin, den Bürgen vor einer uferlosen und unkontrollierten Haftung zu schützen, liegt es daher nahe, für eine analoge Anwendung zu plädieren. Hierfür können auch Wertungsgesichtspunkte herangezogen werden.94 Leistungs92 93 94

BGH NJW 2010, 1668, 1671 Rn. 29. Schwenker, BauR 2008, 175, 179; Stern, in: FS Quack 2009, S. 235, 237. Vgl. auch Schmitz, Sicherheiten, Rn. 210.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

änderungsanordnungen bilden in der deutschen Rechtsordnung einen Fremdkörper. Grundtypus einer jeden Modifikation eines bestehenden Vertrags ist der Konsens in Form eines Änderungsvertrags (§ 311 Abs. 1 BGB). Dies spiegelt sich nunmehr auch in dem vorrangigen Einigungsmodell des § 650b Abs. 1 BGB wider. Die oben beschriebene Argumentation, dass ein Änderungsvertrag die Vorschrift des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nicht wieder zur Anwendung bringen könne, weil der Auftraggeber dazu in der Lage sei, eine inhaltsgleiche Änderungsanordnung zu treffen, geht folglich fehl. Richtigerweise müsste es wegen dem in § 650b BGB angelegten Stufenverhältnis heißen, dass das Verbot der Fremddisposition nicht durch eine nachrangige Änderungsanordnung des Auftraggebers umgangen werden kann. Ausgeräumt werden müssen damit nur noch die aufgezeigten Einwände hinsichtlich § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B und § 650b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB. Die Krux besteht darin, dass die zur Erreichung des Werkerfolgs erforderlichen Leistungen strenggenommen schon immer geschuldet waren und nicht durch ein nachträgliches Rechtsgeschäft oder eine nachträgliche Anordnung im Sinne von § 767 Abs. 1 S. 3 BGB (analog) hinzu kommen. Das zeitliche Element des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB ist daher nicht erfüllt. Dennoch müssen auch diese Konstellationen dem Verbot der Fremddisposition unterstellt werden.95 Wenn die von vornherein geschuldeten Leistungen von den Bauvertragsparteien übersehen werden, liegen sie erst recht für den Bürgen im Verborgenen.96 Er hat mangels Sachkenntnis keine Chance, sie zu entdecken. Faktisch stellen die zusätzlichen Leistungen für ihn daher ein nachträgliches Rechtsgeschäft dar. Die § 767 Abs. 1 S. 3 BGB zugrunde liegenden Gedanken der Kontrollierbarkeit und Überschaubarkeit des Haftungsrisikos greifen somit in gleichem Maße. Folglich ist das Verbot der Fremddisposition auch auf diese Fälle zu erstrecken. Abschließend ist damit festzuhalten, dass die Bank, unabhängig davon, ob sie sich für Zahlungsansprüche des Auftragnehmers oder für Vertragserfüllungsansprüche des Auftraggebers verbürgt hat, mangels ausdrücklicher Vereinbarung nicht für Forderungen aus §§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1, 2 Abs. 5 und 6 VOB/B und §§ 650b, 650c BGB einzustehen hat. Es ist kein plausibler Grund dafür ersichtlich, die Bank im Rahmen einer Vertragserfüllungsbürgschaft schlechter zu stellen als im Falle einer Zahlungsbürgschaft. Entscheidend dafür ist, dass man nicht sklavisch am Wortlaut des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB festhält, sondern die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auch auf vergleichbare Fallgestaltungen überträgt.

95 Instruktiv hierzu Peters, JR 2011, 155, 156, der berechtigte Kritik an der Begründung des BGH übt. 96 BGH NJW 2010, 1668, 1670 Rn. 25; Peters, JR 2011, 155, 156.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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4. Ansprüche auf Rückgewähr von Überzahlungen Da es sich bei Abschlags- und Vorauszahlungen nur um vorläufige Zahlungen handelt, ist ihnen das Risiko einer Überzahlung immanent. Wie bereits weiter oben97 dargestellt, sind Rückzahlungsansprüche typischerweise vertraglicher Natur. Vereinzelt kommt jedoch bei geleisteten Abschlagszahlungen auch § 812 Abs. 1 S. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Davon abgesehen erfasst die Vertragserfüllungsbürgschaft jedoch grundsätzlich keine Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter Abschlags- oder Vorauszahlungen, da diese in keinerlei Beziehung zur vertragsgemäßen Herstellung des Bauwerks stehen.98 Dies gilt auch dann, wenn der Rückzahlungsanspruch aus einer erbrachten Abschlagszahlung wegen fahrlässig oder vorsätzlich falscher Berechnung des Auftragnehmers auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt wird.99 Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs statt der ganzen Leistung in Höhe der erbrachten Vorauszahlungen. Eine solche Konstellation ist gegeben, wenn der Auftragnehmer die von ihm zugesagte Leistung überhaupt nicht erbringt, obwohl er eine Vorauszahlung erhalten hat.100 In diesem Fall kann der Auftraggeber wegen der unterbliebenen Leistung die von ihm erbrachte Zahlung unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB als sogenannten „Mindestschaden“101 ersetzt verlangen. Die nutzlos gewordene Vorauszahlung ist zwar dem negativen Interesse zuzuordnen, weil sie ein Vermögensopfer darstellt, das im Vertrauen auf den Erhalt der Gegenleistung erbracht wird.102 Sofern der Auftraggeber kommerzielle Ziele verfolgt, ist jedoch nach der Rentabilitätsvermutung103 davon auszugehen, dass sich die frustrierte Vorleistung bei Durchführung des Vertrags gelohnt hätte. Da die Nutzlosigkeit der Vorauszahlung in diesem Fall auf eine unterbliebene Herstellung des Bauwerks zurückzuführen ist, deckt die Vertragserfüllungsbürgschaft den so entstandenen „Mindestschaden“ auch ohne gesonderte Vereinbarung ab.

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Siehe hierzu ausführlich oben, S. 39 f. Zutreffend Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 Rn. 19; BGH BauR 1980, 574, 575. 99 BGH NJW 1980, 1459; abwegig BeckOGK/Madaus, § 767 Rn. 36, der in diesem Fall wegen der Nebenpflichtverletzung des Auftragnehmers von einer Erweiterung der Hauptschuld gemäß § 767 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeht. 100 Ein solcher Sachverhalt lag BGH NJW 1988, 907 zugrunde. 101 BGH NJW 1988, 907. 102 MüKoBGB/Emmerich, Vor § 281 Rn. 19. 103 Die h. M. hält auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an der Rentabilitätsvermutung fest, vgl. OLG Karlsruhe NJW 2005, 989, 991; LG Bonn NJW 2004, 74, 75; Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 23; MüKoBGB/Emmerich, Vor § 281 Rn. 20 m. w. N. 98

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

5. Mängelansprüche Obwohl es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers um nichts anderes als eine modifizierte Form des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs handelt,104 werden Mängelansprüche nach der Abnahme (§ 634 BGB, § 13 Abs. 5 – 7 VOB/B) grundsätzlich nicht von einer Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert.105 Zum einen ergibt sich dies aus der Zäsurwirkung der Abnahme: Mit ihr geht der Bauvertrag schon begrifflich vom Vertragserfüllungs- ins Gewährleistungsstadium über. Zum anderen spricht für eine enge Auslegung vor allem die im Kontext von Bauverträgen vorherrschende strikte Differenzierung zwischen Vertragserfüllungsund Gewährleistungssicherheiten.106 Ein weites Verständnis des Sicherungszwecks würde vor diesem Hintergrund der verkehrstypischen Erwartungshaltung von gewerblichem Auftraggeber, Auftragnehmer und bürgender Bank widersprechen. Eine Ausnahme besteht nur für solche Mängel, die bereits im Ausführungsstadium erkannt wurden und bloß ins Gewährleistungsstadium überführt werden. Die darauf gestützten Mängelansprüche werden entgegen der Ansicht des LG Hannover107 ohne Weiteres von einer einfachen Vertragserfüllungsbürgschaft erfasst. Da der Bürge vor der Billigung des Werks für erkannte Mängel haftet, ist nicht einzusehen, weshalb er hiervon durch die Abnahme befreit werden sollte. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem die nach § 640 Abs. 3 BGB wegen wesentlicher und unwesentlicher Mängel108 vorbehaltenen Rechte.109 Soweit die Auffassung vertreten wird, dass nur vorbehaltene Ansprüche wegen wesentlicher Mängel eine Haftungspflicht des Bürgen auslösen,110 kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist der Auftraggeber bei unwesentlichen Mängeln nicht dazu berechtigt, die Abnahme zu verweigern (§ 640 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Auftragnehmer von Anfang an ein komplett mangelfreies Werk schuldet. Erkennt der Auftraggeber demnach im Ausführungsstadium geringfügige Mängel, die er sich 104

Siehe statt aller nur MüKoBGB/Busche, § 635 Rn. 2 m. w. N. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 533; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 80; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 42; Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65, 68; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66, 69 ff.; Staudinger/Peters, § 641 Rn. 61; a. A. Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/ B Rn. 20; OLG Hamburg VersR 1984, 48. 106 OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 533; hieran anknüpfend OLG Celle NJW-RR 2005, 969, 970 (allerdings wurde in diesem Fall im Bauvertrag ausdrücklich zwischen Vertragserfüllungsund Gewährleistungsbürgschaft differenziert). 107 LG Hannover IBR 2011, 1234; ebenso BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 146. 108 Nach h. M. bezieht sich § 640 Abs. 3 BGB nicht nur auf wesentliche, sondern auch auf unwesentliche Mängel. Der Auftraggeber hat daher unabhängig von der Qualität des Mangels einen Vorbehalt zu erklären, um die Rechte aus § 634 Nr. 1 bis 3 BGB zu behalten. Vgl. MüKoBGB/Busche, § 640 Rn. 34; BeckOK BGB/Voit, § 640 Rn. 40; Staudinger/Peters, § 640 Rn. 41; a. A. noch Peters, NZBau 2000, 169, 171; zuletzt wieder Hedermann, NJW 2015, 2381, 2382 ff. 109 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 42. 110 So Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 81; Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65, 68. 105

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im Abnahmezeitpunkt vorbehält, trifft die Bank sehr wohl eine Einstandspflicht, da sie sich nicht bloß für eine im Wesentlichen einwandfreie, sondern für eine vertragsgemäße und damit hundertprozentige Ausführung der Bauleistungen verbürgt hat. Für eine anderweitige Auslegung bietet der Bürgschaftstext meines Erachtens keinerlei Anhaltspunkte. Darüber hinaus ist zu beachten, dass dem Besteller nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 640 Abs. 3 BGB trotz eines fehlenden Vorbehalts Ansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB erwachsen können. Auch diese müssen abgesichert sein. Verwiesen wird insofern auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen von § 650m Abs. 2 BGB.111 Des Weiteren ist auf § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B einzugehen. Bei einem reinen BGBBauvertrag hat der Auftraggeber prinzipiell nicht die Rechtsmacht, den Auftragnehmer während der Bauausführung im Rahmen seiner Herstellungsverpflichtung zur (sofortigen) Mängelbeseitigung anzuhalten.112 Die Entscheidungshoheit darüber, wann und wie Korrekturen am bestehenden Bauwerk vorgenommen werden, liegt nach der Konzeption des historischen Gesetzgebers beim Auftragnehmer.113 Wegen der Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags ist der Bauunternehmer erst zum vereinbarten Fertigstellungstermin verpflichtet, ein ordnungsgemäßes Gesamtwerk anzubieten. Vorher ist der vertragliche Erfüllungsanspruch des Auftraggebers auf mangelfreie Herstellung des Bauwerks gemäß § 631 Abs. 1 BGB noch nicht fällig,114 da die Arbeiten zur Erzielung des vertraglich geschuldeten Ergebnisses nur unerhebliche Vorbereitungshandlungen darstellen.115 In Abweichung hiervon hat der Auftragnehmer bei Einbeziehung von § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B während der Bauausführung als vertragswidrig oder mangelhaft erkannte Leistungen umgehend auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen.116 Durch die frühzeitige Mängelbeseitigung sollen höhere Kosten und weitere Schäden vermieden werden.117 Nicht zuletzt wird der Auftraggeber hierdurch vor späteren Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Bauwerks geschützt.118 Hat der Auftragnehmer die Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit zu vertreten, muss er darüber hinaus gemäß § 4 Abs. 7 S. 2 VOB/B für Schadenspositionen aufkommen, die trotz Behebung des 111

Siehe hierzu oben, S. 113 f. Voit, BauR 2011, 1063, 1070; Schlier, S. 23, 50 f. 113 Voit, BauR 2011, 1063, 1065. 114 BGH NJW-RR 1997, 1376, 1377; Messerschmidt/Voit/v. Rintelen, H Rn. 71; Voit, BauR 2011, 1063, 1066; etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise Teilerfolge vereinbart sind, vgl. zum Architektenvertrag BGH NJW-RR 2005, 318, 320. 115 Siehe hierzu bereits oben, S. 16. 116 Abwegig erscheint angesichts des klaren Wortlauts von § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B die These von Voit, BauR 2011, 1063, 1076, wonach der Anspruch nicht einklagbar sein soll. § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B spricht ausdrücklich von einer Pflicht des Auftragnehmers. 117 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB/B § 4 Rn. 161. 118 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB/B § 4 Rn. 161. 112

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Mangels bestehen bleiben.119 Von der Vorschrift werden demnach Mangelfolge-120 und Verzugsschäden121 erfasst. Zudem kann der Auftraggeber nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist den Bauvertrag gemäß §§ 4 Abs. 7 S. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kündigen, sofern er die Ausübung des Gestaltungsrechts angedroht hat. Die Kündigung führt nicht zum Wegfall des Mängelbeseitigungsanspruchs aus § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B.122 Bezüglich der mangelhaften Leistungen, die den Anlass zur Kündigung gegeben haben, muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer jedoch keinen weiteren Erfüllungsversuch mehr zubilligen, da ihm bereits zuvor ausreichend Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben wurde.123 Stattdessen kann er einen Dritten nicht nur mit der Restfertigstellung des Bauwerks, sondern auch mit der Mängelbeseitigung beauftragen und gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB/B verschuldensunabhängig Ersatz bzw. Vorschuss124 der (voraussichtlichen) Kosten verlangen. Da § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B im Gegensatz zu den Mängelrechten aus § 13 Abs. 5 – 7 VOB/B ausschließlich das Ausführungs- und nicht das Gewährleistungsstadium betrifft, sichert eine Vertragserfüllungsbürgschaft nach allgemeiner Auffassung stets die damit in Verbindung stehenden Schadensersatz- und Kostenerstattungs- bzw. Vorschussansprüche.125 Dogmatisch lässt sich das mit der Rechtsnatur von § 4 Abs. 7 VOB/B untermauern. Obwohl der Tatbestand von § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B an das Vorliegen eines Mangels anknüpft, handelt es sich bei ihm nach herrschender Meinung nicht um einen ins Ausführungsstadium vorgezogenen Gewährleistungsanspruch, sondern um einen speziellen Erfüllungsanspruch,126 der den Auftragnehmer zur sofortigen Qualitätssicherung anhält. Hierfür spricht insbesondere die systematische Stellung von § 4 Abs. 7 VOB/B abseits der „echten“ Mängelrechte aus § 13 VOB/B.127 119 BGH NJW 1968, 1524, 1525; BGH NJW 1982, 1524; BGH NJW-RR 2000, 1260; BGH NJW 2010, 3299, 3300 Rn. 13 (obiter dictum); BGH NJW 2012, 1137, 1138 Rn. 9. 120 Siehe hierzu BGH NJW 2012, 1137, 1138 Rn. 9. 121 Siehe hierzu BGH NJW-RR 2000, 1260. 122 BGH NJW 1974, 1707; BGH NJW 1988, 140, 141. 123 Ingenstau/Korbion/Oppler, § 4 Abs. 7 VOB/B Rn. 60. 124 Zumindest für die Mängelbeseitigungskosten hat BGH NJW-RR 1989, 849 den Vorschussanspruch ausdrücklich anerkannt. Die ganz h. M. bezieht den Vorschussanspruch auch auf die Fertigstellungsmehrkosten, vgl. KG BauR 1984, 527, 528; OLG Düsseldorf BeckRS 2009, 86898; OLG Frankfurt BeckRS 2017, 108457 Rn. 45; Ludgen, in: HdpB, § 16 Rn. 182; Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, VOB/B § 8 Rn. 110; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 44; Messerschmidt/Voit/Voit, § 8 VOB/B Rn. 19. 125 Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 18; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 81; Weise, Sicherheiten, Rn. 62; vgl. BGH NJW 1998, 1140, 1141 (keine Haftung des Gewährleistungsbürgen für Ansprüche aus § 4 Abs. 7 VOB/B, ergo Haftung des Vertragserfüllungsbürgen). 126 BGH NJW 1969, 653, 654; BGH NJW 1971, 838, 839; BGH NJW 1982, 1524; BGH NJW 2012, 1137, 1139 Rn. 18; Voit, in: FS Koeble 2010, 225, 235; Voit, BauR 2011, 1063, 1076; Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB/B § 4 Rn. 166; BeckVOB/B/Kohler, § 4 Abs. 7 Rn. 7, 16; Ingenstau/Korbion/Oppler, § 4 Abs. 7 VOB/B Rn. 2. 127 Voit, in: FS Koeble 2010, 225, 235; Voit, BauR 2011, 1063, 1076.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

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Wie beim reinen BGB-Bauvertrag wandeln sich nicht erledigte Erfüllungsansprüche gemäß § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B mit der Abnahme des Bauwerks in Gewährleistungsansprüche gemäß § 13 VOB/B um.128 Aus § 12 Abs. 4 Nr. 1 S. 4 und Abs. 5 Nr. 3 VOB/B geht hervor, dass die allgemeinen Grundsätze des § 640 Abs. 3 BGB auch bei Einbeziehung der VOB/B gelten.129 Die Rechtslage für die Absicherung von im Ausführungsstadium erkannten Mängeln, die ins Gewährleistungsstadium überführt werden, ist daher identisch zum reinen BGB-Bauvertrag. Nach dem hier entwickelten Begründungsansatz werden Mängelansprüche gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 2 und § 13 Abs. 6 VOB/B daher von einer Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert, sofern der Auftraggeber diesbezüglich einen Vorbehalt erklärt hat. Trotz eines fehlenden Vorbehalts abgesichert werden verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche gemäß § 13 Abs. 7 VOB/B, da § 640 Abs. 3 BGB diese explizit ausklammert. Schließlich sei klargestellt, dass ein in Zusammenhang mit Mängeln bestehender Druckzuschlag niemals vom Sicherungszweck einer (Vertragserfüllungs-)Bürgschaft erfasst sein kann. Als ausschlaggebendes Argument wird in diesem Zusammenhang oft vorgetragen, dass die Bürgschaft nur auf Zahlung von Geld gerichtete Sekundäransprüche – also das verbleibende Erfüllungsinteresse – absichert, während der Druckzuschlag den Zweck verfolgt, den Auftragnehmer zur vertragskonformen Errichtung des Bauwerks anzuhalten.130 Bei genauerem Hinsehen kommt es hierauf jedoch gar nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich beim Druckzuschlag nicht um einen Anspruch, sondern um einen Einbehalt infolge eines Zurückbehaltungsrechts nach § 320 BGB handelt.131 Folglich stellt er dogmatisch schon keine sicherungsfähige Forderung im Sinne von § 765 Abs. 1 BGB dar.132

II. Sicherungszweck einer Gewährleistungsbürgschaft Die Gewährleistungsbürgschaft (seit der Schuldrechtsreform und der darauffolgenden redaktionellen Anpassung der VOB/B im Jahr 2002 auch Mängelansprüchebürgschaft genannt133) sichert in erster Linie die nach der Abnahme bestehenden 128

BGH NJW 1982, 1524. BGH NJW 1980, 1952; BeckVOB/B/Bröker, Vor § 12 Rn. 155 m. w. N. 130 Vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1955 f. Rn. 58; OLG Oldenburg BauR 2002, 328, 329; OLG Koblenz BauR 2004, 349, 350; OLG Frankfurt BeckRS 2008, 13122 Rn. 14; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 18. 131 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 81; BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 84. 132 Den aus Billigkeitserwägungen angestellten Überlegungen des OLG Brandenburg NJW 2014, 3793, 3796, die zumindest faktisch auf eine Besicherung des Druckzuschlags hinauslaufen, kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden; siehe hierzu auch die ablehnende Anmerkung von Symosek, NJW 2014, 3752, 3754 f. 133 Da das BGB und die VOB/B den Begriff der Gewährleistung nicht mehr verwenden, erscheint der Begriff „Mängelansprüchebürgschaft“ vorzugswürdig, vgl. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 49. In der Praxis und der Literatur konnte sich diese Bezeichnung jedoch (noch) nicht 129

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Ansprüche aus § 634 BGB bzw. § 13 Abs. 5 – 7 VOB/B ab.134 Erfasst werden demnach insbesondere Ansprüche auf Vorschuss bzw. Erstattung von Mängelbeseitigungskosten im Zuge einer Selbstvornahme, Rückzahlungsansprüche für zu viel geleistete Vergütung infolge einer Minderung und Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz von Mangel- und Mangelfolgeschäden gerichtet sind. Hierbei ist nicht relevant, ob der Mangel vor oder nach der Abnahme aufgetreten ist oder gerügt wurde.135 Entscheidend ist nur, dass der Mangel einen Anspruch des Bestellers aus § 634 BGB bzw. § 13 Abs. 5 – 7 VOB/B begründet. Verbürgt sich die Bank für den vier bis fünf Jahre anhaltenden Gewährleistungszeitraum (vgl. § 13 Abs. 4 Nr. 1 S. 1, Nr. 3 VOB/B, § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB), hat sie in dieser Zeitspanne, mangels anderweitiger Anhaltspunkte in der Bürgschaftsurkunde, für sämtliche Mängelansprüche einzustehen. Entgegen einem obiter dictum des OLG München136 und mit der herrschenden Meinung137 werden demnach auch aus dem Ausführungsstadium stammende Mängelrechte, die sich der Auftraggeber im Abnahmezeitpunkt vorbehalten hat, gesichert. Selbiges gilt hinsichtlich der Schadensersatzansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB bzw. § 13 Abs. 7 VOB/B, auf die sich der Auftraggeber trotz fehlenden Vorbehalts stützen kann (s. o.).138 Es kommt insoweit zu einer Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft.139 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bank ihre Einstandspflicht aus der Gewährleistungsbürgschaft explizit begrenzt. Erklärt der Auftraggeber die Abnahme, obwohl am Bauwerk noch Restfertigstellungsarbeiten zu erbringen sind, und hat er sich diesbezüglich seine Rechte vorbehalten, werden solche Ansprüche nach zutreffender Auffassung ebenfalls von der Gewährleistungsbürgschaft abgesichert.140 Zwar handelt es sich beim Restfertigstellungsanspruch bis zur Abnahme um einen Erfüllungsanspruch. Durch die Abnahme wird das Werk jedoch konkretisiert. Eine unterbliebene Fertigstellung durchsetzen. Der Terminus „Gewährleistungsbürgschaft“ ist nach wie vor gängiger. Er soll daher dieser Arbeit zugrunde gelegt werden. 134 Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 24; vor der Schuldrechtsreform konnten unter den Voraussetzungen des § 634 BGB a. F. Gewährleistungsansprüche auch schon vor der Abnahme entstehen. Diese wurden von einer Gewährleistungsbürgschaft erfasst (BGH NJW 1998, 1140, 1141). Nach neuem Schuldrecht setzt die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen hingegen stets die Abnahme voraus (BGH NJW 2017, 1604, 1606). Die alte Rechtsprechung kann daher nicht auf die neue Rechtslage übertragen werden. 135 BGH NJW 1998, 1140, 1141. 136 OLG München NJW-RR 2009, 670, 671. 137 Klepper, NZBau 2009, 636 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 24; BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 140 ff. 138 BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 151. 139 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 49/1. 140 OLG Hamm NJW-RR 1987, 686; OLG Köln NJW-RR 1998, 1393, 1395; BeckVOB/B/ Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 152 ff.; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 29; a. A. Weise, Sicherheiten, Rn. 46; differenzierend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 330, der Ansprüche auf Restfertigstellung nur dann einer Gewährleistungsbürgschaft zuordnen will, wenn neben ihr keine Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt wurde.

B. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften

169

stellt daher ab diesem Zeitpunkt einen Sachmangel im Sinne von § 633 Abs. 2 S. 1 BGB dar, weil das Bauwerk nicht mit der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit übereinstimmt. Da das Gesetz im Gewährleistungsrecht nicht zwischen einer mangelhaften und einer unfertigen Leistung unterscheidet, müssen folglich beide Konstellationen derselben Sicherheit unterstellt werden.141 Ebenso wenig wie Vertragserfüllungsbürgschaften sichern Gewährleistungsbürgschaften Ansprüche aus Überzahlungen, aus § 14 S. 1 AentG, §§ 28e Abs. 3a S. 1 SGB IV, 150 Abs. 3 S. 1 SGB VII folgende Regressansprüche, Schadensersatzansprüche wegen allgemeiner Nebenpflichtverletzungen sowie Druckzuschläge ab. Ein wichtiger Unterschied besteht jedoch im Hinblick auf § 1 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 VOB/B und § 650b BGB. Da sich Gewährleistungsbürgschaften typischerweise auf ein abgeschlossenes Bauwerk beziehen, sichern sie nach im Grunde einhelliger Auffassung auch ohne explizite Klarstellung in der Bürgschaftsurkunde Gewährleistungsansprüche aus Nachträgen ab.142 Der Auftraggeber hat daher im Gegensatz zur Vertragserfüllungsbürgschaft nicht besonders darauf zu achten, Nachträge von Anfang an in den Sicherungsumfang der Bürgschaft einzubeziehen oder die Sicherheitsleistung nachträglich anzupassen. Insgesamt erweist sich die Gewährleistungsbürgschaft damit in Bezug auf ihren Sicherungszweck handhabbarer als die Vertragserfüllungsbürgschaft.

III. Lösung: Klare Festlegung des Sicherungszwecks in der Sicherungsabrede Bei der vorangegangenen Darstellung hat sich gezeigt, dass der Sicherungszweck von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften einige Lücken aufweist, wenn keine expliziten Regelungen getroffen wurden. Demnach hat der Auftraggeber das von ihm gewünschte Sicherungsprogramm in der Sicherungsabrede klar und verständlich vorzugeben, um sein Sicherungsbedürfnis vollumfänglich zu befriedigen. Nur hierdurch wird gewährleistet, dass die spätere Bürgschaft keine Defizite aufweist. Zusätzlich hat der Auftraggeber einen Abgleich von dem in der Sicherungsabrede geforderten und dem in der Bürgschaft enthaltenen Sicherungszweck vorzunehmen. Am besten lässt sich eine solche Deckungsgleichheit erzielen, indem der Auftraggeber in der Sicherungsabrede auf ein von ihm selbst ausgestelltes Bürgschaftsmuster Bezug nimmt, das der Auftragnehmer zu verwenden hat. 141

Zu einer hiervon abweichenden Sonderkonstellation OLG Karlsruhe BeckRS 2003, 30331232. 142 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 201; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 33; Joussen, BauR 2012, 344, 349; Joussen, PiG 91 (2012), 79, 82; Weise, NJW-Spezial 2005, 549; Oberhauser, BauR 2016, 332, 336; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66, 80; kritisch allerdings May, BauR 2007, 187, 192.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Daneben ist vor allem bei Vertragserfüllungsbürgschaften elementar, dass die Haftung der Bank auch auf geänderte und zusätzliche Leistungen erstreckt wird. Dass die Bank als gewerbliche Bürgin ein solches zukünftiges und unbestimmtes Risiko selbst im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen pauschal übernehmen kann, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich hervorgehoben.143 Hieraus folgt allerdings nicht zwangsläufig – auch wenn dieser Rückschluss nahe zu liegen scheint –, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer auch in formularvertraglichen Sicherungsabreden ohne Weiteres zur Beschaffung einer sämtliche Nachträge umfassenden Bürgschaft verpflichten kann. Dies zeigt ein Vergleich mit der weiter unten ausführlich dargestellten Rechtsprechungsentwicklung zur Bürgschaft auf erstes Anfordern.144 In diesem Kontext hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Banken eine so risikoreiche Bürgschaftsform in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durchaus übernehmen können. Trotzdem ist die Vereinbarung einer Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft in formularvertraglichen Sicherungsabreden aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam. Vor diesem Hintergrund ist für die Kautelarpraxis also prinzipiell Vorsicht geboten. Im schlimmsten Fall droht – worauf im nachfolgenden Abschnitt genauer eingegangen wird – die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede. Richtigerweise sollte eine solche Klauselgestaltung aber als wirksam angesehen werden. Kaum ein Bauvorhaben wird so errichtet, wie es in Auftrag gegeben wurde (Rahmencharakter von Bauverträgen). Der Auftraggeber hat daher von Anfang an ein legitimes Interesse an einer umfassenden Sicherheitsleistung. Auf der anderen Seite weiß auch der Bauunternehmer, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu späteren Leistungsänderungen kommen wird. Wenn die Bank das zukünftige und unbestimmte Risiko von Nachtragsforderungen in der Bürgschaft pauschal übernehmen kann, muss dem Bauunternehmer demnach erst recht eine entsprechende Verpflichtung in der formularvertraglichen Sicherungsabrede auferlegt werden können.145 Möchte der Auftraggeber jegliche Ungewissheit über die Wirksamkeit der Sicherungsabrede ausschließen, hat er die Möglichkeit, dem Auftragnehmer die spätere Anpassung der Sicherheit an zusätzliche oder geänderte Leistungen aufzuerlegen.146 Da in der Baupraxis ständig um Nachträge gestritten wird, ist dieses Vorgehen für den Auftraggeber zwar nicht optimal.147 Gleichwohl bietet nur der stei143

BGH NJW 2010, 1668, 1669 Rn. 13. Siehe hierzu unten, S. 228 ff. 145 Funke, BauR 2010, 969, 974 f. hat vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH zum Bürgschaftsvertrag ebenfalls keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer entsprechenden formularvertraglichen Sicherungsabrede; Restzweifel hingegen bei Schmitz, Sicherheiten, Rn. 222 und v. Hayn-Habermann, NJW-Spezial 2010, 236, 237. 146 Zu weitgehend Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 33, der die Anpassungsverpflichtung schon aus der prozentualen Anlehnung der Sicherheit an die Auftragssumme ableitet. 147 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 222. 144

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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nigere Weg über die schrittweise Anpassung der Sicherheitsleistung absolute Rechtssicherheit.148 Bereits hieran zeigt sich, dass der Teufel im Detail steckt. Alles in allem ist somit festzuhalten, dass der Auftraggeber schon bei der Vorgabe des Sicherungszwecks und seiner anschließenden Einhaltung im Rahmen der später übergebenen Bürgschaftsurkunde größte Sorgfalt walten lassen muss.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden Noch schwerer als eine unzureichende Vorgabe des Sicherungszwecks wiegen Klauseln in einer formularvertraglichen Sicherungsabrede, die zu ihrer vollständigen Unwirksamkeit führen. Im Folgenden soll zunächst aufgezeigt werden, weshalb Sicherungsabreden in der Praxis nahezu ausschließlich formularvertraglich geschlossen werden. Hieran anknüpfend wird kurz auf die Maßstäbe der Inhaltskontrolle, ihren Zweck und ihre rechtlichen Folgen eingegangen. Schließlich werden die Auswirkungen einer unwirksamen Sicherungsabrede für den Auftraggeber und die bürgende Bank dargestellt, bevor abschließend die einzelnen Unwirksamkeitsgründe anhand der Rechtsprechungsentwicklung der letzten 20 Jahre ausführlich dargestellt und gewürdigt werden. Der folgenden Betrachtung wird das deutsche AGB-Recht in der Gestalt zugrunde gelegt, wie es sich aus der gegenwärtigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt. Nur auf diese Weise lassen sich praxisrelevante Aussagen zur rechtssicheren Ausgestaltung von Sicherungsabreden gewinnen. Aktuelle Reformdiskussionen über Lockerungen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den unternehmerischen Rechtsverkehr werden ausgeklammert. Der Grund hierfür liegt zum einen in der kaum überschaubaren Flut an Publikationen, die sich mit dieser Thematik befassen. Eine umfassende Würdigung der bestehenden Meinungsvielfalt würde den bauvertraglichen Fokus dieser Arbeit verlassen. Zum anderen konzentriert sich die derzeitige Reformdebatte – etwa ausweislich des aktuellen Koalitionsvertrags – nicht auf kleine und mittelständische Betriebe, sondern nur auf Großunternehmen im Bereich innovativer Geschäftsmodelle.149 Einen ähnlichen Ansatz verfolgen viele Stimmen in der Literatur, die (unter Bezugnahme auf die ökonomische Analyse des Rechts150) Verträge mit einem bestimmten Vertragswert – die Spannbreite reicht hierbei von 100.000 über 500.000 und 1 Mio. bis 3 Mio. Euro – prinzipiell der Inhaltskontrolle oder den AGB-Regelungen insgesamt entziehen wollen.151 Beachtlich 148

Schmitz, Sicherheiten, Rn. 222; v. Hayn-Habermann, NJW-Spezial 2010, 236, 237. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018, S. 132 f. 150 Siehe hierzu näher unten, S. 177. 151 Leuschner/Meyer, BMJV-Gutachten, S. 10, 290 sprechen sich dafür aus, im unternehmerischen Rechtsverkehr die §§ 307 ff. BGB generell ab einem bestimmten Vertragswert auszusetzen. Zugleich soll es allerdings eine Rückausnahme geben, sofern zwischen den 149

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

ist in diesem Zusammenhang, dass von den in Deutschland registrierten umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen des Baugewerbes 338.921 Betriebe – dies entspricht 88,2 % – zu den Kleinunternehmen (, 1 Mio. Euro Umsatz pro Jahr und , 9 Beschäftigte) zählen.152 Der Großteil der geschlossenen Bauverträge würde daher selbst bei Verwirklichung derartiger Reformideen sehr wahrscheinlich an den gleichen Maßstäben wie bisher gemessen werden. Mit einer umfassenden, grundlegenden Reform des AGB-Rechts ist realistischerweise nicht zu rechnen. Aussage- und Überzeugungskraft hat vor diesem Hintergrund nur eine Analyse, die hypothetische Umschwünge des Gesetzgebers und des Bundesgerichtshofs im Bereich der §§ 305 ff. BGB außer Betracht lässt und sich auf die geltende Rechtslage stützt.

I. Sicherungsabreden als Allgemeine Geschäftsbedingungen Bei Vertragsbedingungen (hier: den einzelnen Klauseln einer Sicherungsabrede) handelt es sich nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 BGB um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sofern sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, von einer Vertragspartei gegenüber der anderen bei Vertragsschluss gestellt und nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden. 1. Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Sicherungsabrede Von einer Vorformulierung ist auszugehen, wenn die Sicherungsabrede zeitlich vor Abschluss des konkreten Bauvertrags und nicht ad hoc während der Vertragsverhandlungen aufgestellt wurde.153 Unerheblich ist insoweit, ob die Vorformulierung direkt auf den Verwender oder auf einen (beliebigen) Dritten – beispielsweise Vertragsparteien ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht existiert.; Leuschner, JZ 2010, 875, 884 will im unternehmerischen Rechtsverkehr Verträge mit einem Vertragsvolumen von 1 Mio. Euro der Inhaltskontrolle entziehen; Drygala, JZ 2012, 983, 988, 992 möchte die Inhaltskontrolle schon bei einem relativ niedrigen Vertragswert von 100.000 Euro aussetzen, wobei er eine Rückausnahme für kleine und mittlere Unternehmen in Betracht zieht; Becker, JZ 2010, 1098, 1104 ff. legt der von ihm im unternehmerischen Rechtsverkehr vorgeschlagenen Bereichsausnahme von den §§ 305 ff. BGB hingegen einen Vertragswert von über 500.000 Euro zugrunde; T. Pfeiffer, ZGS 2004, 401 schlägt vor, Verträge im Unternehmensverkehr, die einen Vertragswert von 3 Mio. Euro überschreiten, von den §§ 305 ff. BGB auszunehmen, sofern sie Gegenstand von Verhandlungen waren; Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658, 2661 f. setzen sich für die Schaffung eines Kriterienkatalogs ein, der im unternehmerischen Rechtsverkehr unter anderem bei einem Vertragswert von 1 Mio. Euro die widerlegbare Vermutung eines Aushandelns (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB) begründet; die hier vorgestellten Reformvorschläge spiegeln nur einen Bruchteil der Diskussion wider. Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem kompletten Meinungsspektrum findet sich in der Habilitation von Wendland, S. 692 ff., der sich letztlich für eine Beibehaltung der geltenden Rechtslage ausspricht. 152 Günterberg, Unternehmensgrößenstatistik 2012, S. 31. 153 MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 13; Staudinger/Mäsch, § 305 Rn. 25.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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einen Rechtsanwalt – zurückzuführen ist.154 Darüber hinaus muss die Sicherungsabrede auch nicht zwangsläufig schriftlich niedergelegt werden: Selbst wenn der Verwender den Text der Sicherungsabrede auswendig lernt und diesen handschriftlich in den Bauvertrag überträgt, sind die Vertragsbedingungen als vorformuliert anzusehen.155 Zudem stellen unselbstständige Ergänzungen und Anpassungen der Sicherungsabrede, die ihren Kerngehalt unberührt lassen, das Kriterium der Vorformulierung nicht infrage.156 Von einer Vorformulierung für eine Vielzahl von (gleichartigen) Verträgen ist ab einer dreimaligen Verwendungsabsicht auszugehen.157 Auf die tatsächliche Mehrfachverwendung kommt es demgegenüber nicht an. Des Weiteren ist irrelevant, ob die vorformulierte Sicherungsabrede gegenüber verschiedenen Vertragsparteien oder gegenüber der gleichen Vertragspartei mehrfach verwendet werden soll.158 Wichtig ist schließlich Folgendes: Geht die vorformulierte Sicherungsabrede nicht auf den Verwender selbst, sondern auf einen Rechtsanwalt, ein Formularhandbuch oder eine elektronische Datenbank etc. zurück, genügt die Mehrfachverwendungsabsicht des Verfassers.159 Will der Verwender in diesen Fällen das für eine Vielzahl von Verträgen konzipierte Muster nur einmalig und nicht mehrfach verwenden, ändert dies folglich nichts an der Bejahung des Tatbestandsmerkmals. Da es sich bei Bauverträgen im hier interessierenden unternehmerischen Geschäftsverkehr um Massengeschäfte des täglichen Lebens handelt, werden Sicherungsabreden nicht jedes Mal von Grund auf neu entwickelt. Bei ihnen handelt es sich daher in aller Regel um vorformulierte Vertragsbedingungen, die auf eine mehrfache Verwendung angelegt sind. 2. Stellen der Sicherungsabrede Durch das Stellen der Sicherungsabrede übernimmt eine der Bauvertragsparteien die Rolle des Verwenders.160 Der Begriff bringt die einseitige Auferlegung der Vertragsbedingungen durch eine der Vertragsparteien zum Ausdruck.161 Verwender ist folglich derjenige, auf dessen Veranlassung die Einbeziehung der Sicherungs154

Ausdrücklich bereits BT-Drs. 7/3919, S. 16. BGH NJW 1988, 410; BGH NJW 1999, 2180, 2181; BGH NJW-RR 2014, 1133, 1134 Rn. 20; BGH NJW-RR 2018, 843, 844 Rn. 12; MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 13; Staudinger/ Mäsch, § 305 Rn. 26. 156 Staudinger/Mäsch, § 305 Rn. 28; MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 15. 157 BGH NJW 2002, 138, 139; BGH NJW 2004, 1454 f.; BGH NJW 2019, 2997, 2999 Rn. 31. 158 BGH NJW 2004, 1454, 1455. 159 BGH NJW 2000, 2988, 2989; BGH BauR 2006, 106; BGH NJW 2010, 1131 Rn. 10; BGH NJW-RR 2017, 137 Rn. 11. 160 BT-Drs. 13/2713, S. 7. 161 BT-Drs. 7/3919, S. 15. 155

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

abrede in den Bauvertrag zurückzuführen ist.162 Auch wenn aus einem begünstigenden Regelungsgehalt keine zwingenden Rückschlüsse auf die Verwendereigenschaft gezogen werden dürfen,163 ist im Hinblick auf Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten zu attestieren, dass diesbezügliche Sicherungsabreden nahezu immer auf Veranlassung des Auftraggebers in den Vertrag einbezogen werden. 3. Nicht im Einzelnen ausgehandelte Sicherungsabrede Selbst wenn die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben sind, würde es sich bei den diversen Bestimmungen der Sicherungsabrede gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, soweit diese im Einzelnen ausgehandelt wurden. Hierdurch wird der Anwendungsbereich der AGBVorschriften von den Individualvereinbarungen abgegrenzt.164 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt der Begriff des Aushandelns mehr als ein bloßes Verhandeln.165 Erforderlich ist vielmehr, dass der Verwender den „gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.“166 Hierzu muss die aufrichtige Änderungsbereitschaft des Verwenders deutlich in Erscheinung treten. Der vom Verwender allgemein kommunizierte Wille, einzelne Klauseln auf Verlangen des Vertragspartners hin abzuändern, genügt hierfür nicht.167 Prinzipiell muss sich die Kompromissbereitschaft des Verwenders in einer Abänderung der Vertragsbedingungen niederschlagen.168 Andernfalls ist nur unter besonderen Umständen von einem Aushandeln auszugehen.169 Bezugspunkt für das Aushandeln ist hierbei jede einzelne Klausel der Sicherungsabrede und nicht die Sicherungsabrede bzw. der Bauvertrag als solches.170 Demgemäß hat eine Abänderung einzelner Klauseln nicht automatisch eine Individualvereinbarung in anderen Punkten zur Folge. Wurden zentrale Stellen des Klauselpakets abgeändert, kann dies allenfalls den Schluss nahe legen, dass auch die damit in Zusammenhang stehenden 162

BGH NJW 2017, 1540, 1541 Rn. 11. BGH NJW 1995, 2034, 2035; BGH NJW 2010, 1131, 1132 Rn. 14; BGH NJW 2014, 1725, 1727 Rn. 24 (widerleglicher Anschein der Verwendereigenschaft). 164 BT-Drs. 7/3919, S. 17. 165 Siehe hierzu statt aller nur BGH NZBau 2016, 213, 215 Rn. 25 m. w. N. 166 Siehe hierzu statt aller nur BGH NZBau 2016, 213, 215 Rn. 25 m. w. N. 167 BGH NJW-RR 2005, 1040, 1041. 168 BGH NJW 2000, 1110, 1111 f.; BGH NJW 2003, 1805, 1807; BGH NJW 2013, 856. 169 BGH NJW 2000, 1110, 1112; BGH NJW 2003, 1805, 1807; BGH NJW 2013, 856. 170 BGH NJW 2019, 2080, 2081 Rn. 15; BAG NJW 2010, 2827, 2829 Rn. 26; BAG NJW 2014, 2138, 2140 Rn. 31. 163

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unverändert gebliebenen Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden.171 Im Übrigen erfüllt selbst die Abschwächung einer Klausel nur dann den Tatbestand des Aushandelns, wenn hierbei zugleich ihr gesetzesfremder Kerngehalt angetastet wird.172 Die quantitative Abmilderung einer Klausel genügt hierfür gerade nicht. Halbiert der Auftraggeber beispielsweise auf Verlangen des Auftragnehmers die in der formularvertraglichen Sicherungsabrede vorgesehene Höhe einer Gewährleistungssicherheit, handelt es sich nach wie vor um Allgemeine Geschäftsbedingungen, weil das Bürgerliche Gesetzbuch eine solche Sicherheit nicht kennt und ihre bloße Reduzierung den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht infrage stellt.173 Faktisch sind die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB daher so gut wie nie gegeben. Die einzelnen Klauseln, die in ihrer Gesamtheit die Sicherungsabrede bilden, sind daher typischerweise als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen. Hieran ändert sich auch nichts, wenn die Vertragsparteien in einer Individualvereinbarung festhalten, dass der zugrunde liegende Bauvertrag keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalte, da über alle Klauseln ernsthaft und ausgiebig verhandelt worden sei.174 Eine solche Bestätigungserklärung ist ein rechtliches Nullum, da sie darauf abzielt, die zwingenden Schutzvorschriften der §§ 305 ff. BGB auszuhebeln.175

4. Darlegungs- und Beweislast Die relativ geringen Anforderungen an das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen setzen sich auch bei der Darlegungs- und Beweislastverteilung fort. Grundsätzlich hat zwar der Vertragspartner des Verwenders die Vorformulierung und die Mehrfachverwendungsabsicht der Vertragsbedingungen darzulegen und zu beweisen. Typischerweise ergibt sich jedoch schon aus der Gestaltung und/oder Formulierung der Sicherungsabrede, dass sie prima facie für eine Vielzahl von Bauverträgen vorformuliert wurde.176 Diesen Anschein zu widerlegen, wird dem Verwender so gut wie nie gelingen. Sodann hat der Verwender – was sich bereits aus der negativen Fassung des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ergibt177 – darzulegen und zu be171

BGH NJW 2013, 2027, 2028 Rn. 20. Die Rechtsprechung verlangt hingegen nicht, dass der gesetzesfremde Kerngehalt komplett beseitigt wird (BGH NJW 1998, 3488, 3489; BGH NJW 2013, 2027 Rn. 20). Oftmals wird es für den Verwender mangels alternativer Gestaltungsmöglichkeiten jedoch genau hierauf hinauslaufen. Vgl. hierzu das folgende Beispiel. 173 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung BGH NZBau 2016, 213, 215 Rn. 26; BGH NJW 2013, 1431, 1432 Rn. 30; BGH NJW 1991, 1678, 1679. 174 BGH NJW 2014, 1725, 1727 f. Rn. 27 ff. 175 BGH NJW 2014, 1725, 1727 f. Rn. 27 ff. 176 BGH NJW-RR 2004, 814, 815; BGH BauR 2006, 106; BGH NJW 2014, 1725, 1727 Rn. 25; BGH NJW 2015, 1952, 1953 Rn. 30; BGH NJW 2017, 265, 266 Rn. 30. 177 MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 49. 172

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weisen, dass die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden. Auch hierbei wird es sich aufgrund der hohen Hürden, die von der Rechtsprechung an das Tatbestandsmerkmal gestellt werden, in aller Regel um ein hoffnungsloses Unterfangen handeln. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass der gut gemeinte Rat, Sicherungsabreden individualvertraglich auszugestalten, aus einem „juristischen Elfenbeinturm“178 stammt.

II. Zweck, Maßstab und Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle Da es sich bei den einzelnen Klauseln der Sicherungsabrede somit typischerweise um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und ihre wirksame Einbeziehung in den Bauvertrag im Folgenden unterstellt wird, unterfallen sie der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. 1. Sinn und Zweck der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Der übergeordnete Sinn und Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle von Formularverträgen besteht – was bereits an der Definition Allgemeiner Geschäftsbedingungen deutlich wird – darin, die durch die einseitig beanspruchte Vertragsgestaltungsmacht des Verwenders gestörte Vertragsgerechtigkeit wiederherzustellen.179 Das vertragliche Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien beruht hierbei maßgeblich auf einer situativen und nicht auf einer gegebenenfalls hinzutretenden wirtschaftlichen, sozialen oder intellektuellen Unterlegenheit des Vertragspartners.180 Dem organisatorischen Vorsprung, den der Verwender durch die sorgfältige Wahl, Ausgestaltung und Formulierung der Klauseln gewinnt, wird sein Vertragspartner unter dem Zeitdruck der konkreten Abschlusssituation regelmäßig nichts entgegensetzen können.181 Oftmals wird er nicht einmal den Bedeutungsgehalt der komplexen Vertragsbedingungen verstehen.182 Aus dieser Überforderungssituation – der Konfrontation mit dem vorformulierten Klauselwerk – entsteht daher ein Informationsgefälle zwischen dem Verwender und seinem Vertragspartner. 178

Reichelt/Kruska, ZfIR 2014, 526, 528. Vgl. BT-Drs. 7/3919, S. 13; BGH NJW 1994, 2825; BGH NJW 2010, 1131 f. Rn. 12; BGH NJW 2017, 2346; MüKoBGB/Basedow, Vor § 305 Rn. 4; umfassend und überzeugend zum Schutzzweck der Inhaltskontrolle jüngst Wendland, S. 467 ff. 180 BT-Drs. 7/3919, S. 13; BGH NJW 2010, 1131 f. Rn. 12; dass die Imparität entscheidend auf der Art und Weise des Vertragsschlusses beruht, erkannte soweit ersichtlich grundlegend Lieb, AcP 178 (1978), 196, 201 f. 181 BT-Drs. 7/3919, S. 13; Wendland, S. 508, 511, 514. 182 Wendland, S. 508. 179

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Der Ausgleich des Informationsdefizits ist zwar möglich, verursacht nach der ökonomischen Analyse des Rechts jedoch in aller Regel prohibitiv hohe Transaktionskosten für den Vertragspartner.183 Hiermit ist gemeint, dass der zeitliche und finanzielle Überprüfungsaufwand der Vertragsbedingungen außer Verhältnis zum damit verbundenen Nutzen steht (negative Kosten-Nutzen-Relation).184 Dadurch findet in Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kein Konditionenwettbewerb statt. Es kommt demnach infolge der „rationalen Ignoranz“185 des Vertragspartners zu einem partiellen Marktversagen, das durch die Inhaltskontrolle ausgeglichen wird.186 Bei diesem theoretischen Ansatz, der im Ausgangspunkt sicherlich zutreffend ist, wird allerdings verkannt, dass der Vertragspartner in der Praxis häufig schon gar keine (überschlägige) Kosten-Nutzen-Relation in Betracht ziehen wird. Einerseits stehen die Hauptleistungspflichten der Bauvertragsparteien und nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Vordergrund der Vertragsverhandlungen.187 Andererseits wird der Vertrag grundsätzlich in der Hoffnung geschlossen, dass das Projekt mehr oder weniger reibungslos realisiert werden kann.188 Zudem darf die „Sog[wirkung] des vorformulierten Gedankens“189 nicht unterschätzt werden: Die professionelle Ausarbeitung eines fertig bereit liegenden Vertragswerks strahlt immerhin den „Anschein der Rechtmäßigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit“190 aus.191 Schließlich wird der Vertragspartner oftmals selbst dann keine Kosten-Nutzen-Relation anstellen, wenn es sich aufgrund des Vertragswerts und des gesteigerten Risikos lohnen würde, da er mit einer Verhandlungsverweigerung des Verwenders zu rechnen hat.192 Gerade bei Sicherungsabreden im Bauvertragsrecht zeigt sich, dass einheitliche Formularwerke existieren, die sich oftmals nur in Nuancen unterscheiden und in ihrer Gesamtheit vom Vertragspartner nicht wegzudiskutieren sind. Der Vertragspartner wird sich diesem Regelungskomplex daher typischerweise auch nicht durch die Wahl eines anderen Geschäftspartners entziehen können. Wegen der heutigen Verbreitung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt auch keine Ab-

183

211 f. 184

Siehe stellvertretend nur MüKoBGB/Basedow, Vor § 305 Rn. 7; Kötz, JuS 2003, 209,

MüKoBGB/Basedow, Vor § 305 Rn. 7; Kötz, JuS 2003, 209, 211 f. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. 186 MüKoBGB/Basedow, Vor § 305 Rn. 6; näher Kötz, JuS 2003, 209, 212 f. 187 Wendland, S. 557 f., 569 f., 578, 582 f., 688. 188 Wendland, S. 570, 578, 583, 688. 189 Grundlegend Wiedemann, in: FS Kummer 1980, S. 175 und 180; bei Wendland, S. 508 f. findet sich eine lesenswerte Ansammlung von weiteren Zitaten mit deckungsgleichem Sinngehalt. 190 BGH NJW 1988, 135; BGH NJW 1989, 2748, 2749. 191 Wendland, S. 574 ff, 582, 688. 192 Wendland, S. 514 ff., 557 f., 573 f., 578 f., 582, 592 ff., 688. 185

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

standnahme vom Vertrag in Betracht, da dies einem Ausschluss vom Rechtsverkehr gleichkäme.193 Dieser Ausschluss der Vertragsgestaltungsfreiheit und die weitgehende Beeinträchtigung der Abschlussfreiheit legitimiert letztlich die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen.194 Hierdurch wird im Unterschied zur Sichtweise der ökonomischen Analyse des Rechts – deren Schwäche darin besteht, dass sie sich aus der Vielzahl der möglichen Gründe, die den Vertragspartner von einer Infragestellung Allgemeiner Geschäftsbedingungen abhalten können, nur einen einzelnen herauspickt195 – auch erklärbar, weshalb nach geltender Rechtslage selbst großvolumige (Bau-)Verträge, bei denen für die Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durchaus eine positive Kosten-Nutzen-Relation bestehen könnte, den Regelungen der §§ 305 ff. BGB unterfallen.196 Folgt man der rein ökonomischen Sichtweise, ist demgegenüber nachvollziehbar, warum die Forderung erhoben wird, dass Verträge im unternehmerischen Rechtsverkehr mit einem hohen Vertragswert de lege ferenda prinzipiell keiner Inhaltskontrolle unterliegen sollten.197 2. Maßstab der Inhaltskontrolle Die Inhaltskontrolle formularvertraglicher Sicherungsabreden des Auftraggebers erfolgt maßgeblich anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Konkretisiert wird diese unbestimmte Vorschrift vor allem durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hiernach ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Vertragsbedingung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dem wohnt der Gedanke inne, dass es sich bei den gesetzlichen Regelungen um „demokratisch legitimierte Gerechtigkeitspostulate“198 handelt, die im Rahmen der Inhaltskontrolle als Prüfungsmaßstab fruchtbar gemacht werden können.199 Die Rechtsprechung hat insoweit schon vor Inkrafttreten des damaligen AGB-Gesetzes von 1977200 den Begriff der Leitbildfunktion des dispositiven Rechts geprägt.201 193

Wendland, S. 612 ff., 689. Wendland, S. 596 ff., 614, 689, 995. 195 Wendland, S. 564, 582; siehe ferner die berechtigte Kritik von Hellwege, AGB, S. 560, der sich allerdings, entgegen der hier vertretenen Auffassung, für ein geteiltes Schutzkonzept der richterlichen Inhaltskontrolle ausspricht. 196 Wendland, S. 564 f. 197 Siehe hierzu bereits oben, S. 171. 198 v. Westphalen, BauR 2012, 699, 700. 199 Staudinger/Wendland, § 307 Rn. 229. 200 BGBl. 1976 I, 3317; zur rechtshistorischen Entwicklung Allgemeiner Geschäftsbedingungen umfassend Hellwege, AGB. 194

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Den Katalogtatbeständen der §§ 308, 309 BGB kommt demgegenüber im hier interessierenden unternehmerischen Rechtsverkehr mit Ausnahme von § 308 Nr. 1a, 1b BGB gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB keine direkte Bedeutung bei. Verstößt eine Allgemeine Geschäftsbedingung gegen eines der nicht unmittelbar anwendbaren Klauselverbote, leitet die Rechtsprechung hieraus allerdings gleichwohl eine Indizwirkung für eine unangemessene Benachteiligung des gewerblichen Vertragspartners im Rahmen der Generalklausel (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) ab.202 Dadurch besteht im Endeffekt ein weitgehender Gleichlauf bei der Inhaltskontrolle von Verbraucher- und Unternehmerverträgen. Hieran ändert auch die Vorschrift des § 310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB, wonach die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen zu berücksichtigen sind, nicht sonderlich viel. Neben § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auch daraus ergeben, dass eine Klausel nicht klar und verständlich formuliert ist. Dieses Transparenzgebot wurde ebenfalls von der Rechtsprechung entwickelt203 und im Zuge der Schuldrechtsreform, die unter anderem auch zur Integration des AGB-Gesetzes ins Bürgerliche Gesetzbuch führte, ausdrücklich normiert.204 Es hält den Verwender dazu an, die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen so durchschaubar wie möglich darzustellen.205 Auf diese Art und Weise sollen einerseits nicht hinnehmbare Beurteilungsspielräume zugunsten des Verwenders – die aus einer vagen Formulierung resultieren können – verhindert werden.206 Andererseits gewährleisten nur auf Anhieb verständliche Klauseln, deren Bedeutungsgehalt sich der Vertragspartner auch ohne fremde Hilfe erschließen kann, dass er nicht an der Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte gehindert wird.207 An diesen Vorgaben muss sich eine Klausel messen lassen, wenn es um die Frage geht, ob sie gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Entscheidend für die Transparenzprüfung sind dabei die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.208 In engem Zusammenhang mit der Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB steht die vorgelagerte Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Sie sieht vor, dass sich 201 Siehe hierzu stellvertretend BGH NJW 1964, 1123; BGH NJW 1970, 1596, 1597 f.; BGH NJW 1973, 1194; an diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber anknüpfen (vgl. BTDrs. 7/3919, S. 23). 202 BGH NJW 2007, 3774, 3775 Rn. 12; BGH NJW 2008, 1148, 1149 Rn. 18; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 32; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 21. 203 BGH NJW 1989, 222, 224; BGH NJW 1989, 582 f.; BGH NJW 1990, 2383 f. 204 Eine inhaltliche Änderung war mit der Kodifizierung nicht verbunden, vgl. BT-Drs. 14/ 6040, S. 153. 205 BGH NJW-RR 2020, 112, 114 Rn. 23. 206 BGH NJW-RR 2020, 112, 114 Rn. 23. 207 BGH NJW-RR 2020, 112, 114 Rn. 23. 208 BGH NJW-RR 2020, 112, 114 Rn. 23.

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Zweifel bei der Auslegung stets zu Lasten des Verwenders auswirken. Für die Behandlung nicht eindeutig gefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen sieht das Gesetz demnach ein dreistufiges Prüfungsschema vor: Zunächst ist die jeweilige Vertragsbedingung auszulegen. Dies geschieht im Gegensatz zu Individualvereinbarungen allerdings nicht anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist vielmehr eine generalisierende Auslegung aus Sicht eines durchschnittlichen – rechtlich nicht vorgebildeten – Vertragspartners, der dem typischen Geschäftskreis des jeweiligen Rechtsgeschäfts (hier der Baubranche) angehört.209 Dieser objektiv-generalisierende Auslegungsmaßstab ist gerechtfertigt, weil der konkrete Vertragspartner auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Einfluss nehmen konnte und sie, losgelöst vom konkreten Rechtsgeschäft, für den Massenverkehr konzipiert wurden.210 Nur in dem seltenen Fall, dass Verwender und Vertragspartner übereinstimmend einer Klausel ein von ihrem objektiven Sinngehalt abweichendes Verständnis beigemessen haben, ist nach wie vor der wirkliche Wille der Vertragsparteien ausschlaggebend.211 Gelangt man im Rahmen der Auslegung zu einem klaren Ergebnis, ist dem Vertragsschluss dieses Verständnis zugrunde zu legen. Verbleiben hingegen mindestens zwei vertretbare Deutungsvarianten, von denen keine den eindeutigen Vorzug verdient, kommt in einem zweiten Schritt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung, wonach sich Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders auswirken. Welche der zwei möglichen Auslegungsvarianten zu bevorzugen ist, richtet sich hierbei nach einer Rechtsfolgenbetrachtung. Die für den Vertragspartner ungünstigere Auslegungsmöglichkeit ist heranzuziehen, sofern sich hieraus die Unwirksamkeit der Vertragsbedingung nach §§ 307 ff. BGB ergibt und sich das an die Stelle der Klausel tretende dispositive Recht oder die ergänzende Vertragsauslegung212 für ihn positiver auswirkt als die günstigere Auslegungsmöglichkeit.213 Sollte sich die günstigere Auslegung hingegen ausnahmsweise vorteilhafter auswirken als die Nichtgeltung der Klausel, bleibt es bei der Geltung dieser Deutungsvariante.214 Erweist sich eine Klausel in allen ihren Lesarten als wirksam, ist die für den Vertragspartner günstigere Deutungsmöglichkeit heranzuziehen.215 Das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kommt folglich nur noch dann zur Anwendung, wenn beide Auslegungsvarianten der vorweggenommenen Inhaltskontrolle im Rahmen von § 305c

209

BGH NJW 2017, 1596, 1599 Rn. 40; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 18; BGH NJW-RR 2019, 1202, 1204 Rn. 20; BGH NJW-RR 2020, 1219, 1221 Rn. 27. 210 BGH NJW 1961, 212, 213; BGH NJOZ 2006, 3019, 3022 Rn. 15. 211 BGH NJOZ 2006, 3019, 3022 Rn. 15; BGH NJW-RR 2019, 1202, 1204 Rn. 20. 212 Siehe hierzu unten, S. 182. 213 Siehe zu dieser mittlerweile ganz herrschenden Meinung statt aller nur Staudinger/ Mäsch, § 305c Rn. 92 ff. und BeckOGK/Bonin, § 305c Rn. 120 m. w. N.; anschaulich aus der Rechtsprechung BGH NJW 2008, 2172, 2173 Rn. 19. 214 Staudinger/Mäsch, § 305c Rn. 93 f.; BeckOGK/Bonin, § 305c Rn. 120. 215 Staudinger/Mäsch, § 305c Rn. 93 f.; BeckOGK/Bonin, § 305c Rn. 121.

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Abs. 2 BGB standgehalten haben.216 In diesem Fall kann die Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingung dennoch aus ihrer bloßen Intransparenz resultieren.217 3. Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle Halten einzelne Klauseln oder die Sicherungsabrede in ihrer Gesamtheit der Inhaltskontrolle nicht stand, bleibt der Bauvertrag gemäß § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion, die den Gehalt einer unwirksamen Klausel eo ipso auf ihr angemessenes oder rechtlich gerade noch zulässiges Maß zurückführt, wird von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum nach wie vor aus Präventionsgründen entschieden abgelehnt.218 Hiermit in Einklang hat der Europäische Gerichtshof einer geltungserhaltenden Reduktion im Anwendungsbereich der sog. Klauselrichtlinie vom 05. 04. 1993, die eine Mindestharmonisierung für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern vorschreibt (vgl. Art. 8 RL 93/13/EWG), ausdrücklich eine Absage erteilt.219 Daraus kann zugleich abgeleitet werden, dass der Bundesgerichtshof auch im Bereich der hier interessierenden Unternehmensverträge, die nicht der Richtlinie unterfallen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion festhalten wird, da ansonsten eine nicht nachvollziehbare Rechtszersplitterung innerhalb einer einheitlich konzipierten Regelungsmaterie entstehen würde.220 Die Lücke, die eine unwirksame Sicherungsabrede in das Vertragswerk reißt, wird demgemäß nach § 306 Abs. 2 BGB stets durch das dispositive Gesetzesrecht geschlossen. Da im gewerblichen Bauvertragsrecht allerdings kein „Füllmaterial“ in Gestalt einer gesetzlichen Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungssicherheit bereit liegt, fällt eine unwirksame Sicherungsabrede prinzipiell ersatzlos weg. Relativiert wird diese Grundaussage allerdings durch zwei weitere Gesichtspunkte. 216

Staudinger/Wendland, § 307 Rn. 172. Staudinger/Wendland, § 307 Rn. 172. 218 Grundlegend BGH NJW 1982, 2309, 2310; seither beispielsweise BGH NJW 1986, 1610, 1612; BGH NJW 1991, 2141, 2142 f.; BGH NJW 1993, 326, 330; BGH NJW 2000, 1110, 1113; BGH NJW 2001, 1419, 1421; BGH NJW 2005, 1275, 1277; BGH NJW 2014, 854, 856 Rn. 18; Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 6; Ulmer/Brandner/Hensen/Harry Schmidt, § 306 Rn. 14 ff.; BeckOK/Hubert Schmidt, § 306 Rn. 20; BeckOGK/Bonin, § 306 Rn. 39 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 595 ff.; namhafte Stimmen in der Literatur haben hingegen immer wieder versucht, das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aufzubrechen, um die Rückführung einer Klausel auf ihr angemessenes Maß zu ermöglichen, vgl. hierzu Canaris, in: FS Steindorff 1990, S. 519, 547 ff.; MüKoBGB/Basedow, § 306 Rn. 16 ff. m. w. N.; umfassend und mit neuen Denkanstößen Uffmann, Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. 219 EuGH NJW 2012, 2257, 2260 Rn. 65, 69, 71, 73 – Banco Español de Crédito; EuGH NJW 2013, 2579, 2582 Rn. 57 f. – Asbeek Brusse u. a./Jahani BV. 220 In diesem Sinne auch BeckOGK/Bonin, § 306 Rn. 39. 217

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Einerseits ist entscheidend, dass eine unwirksame Klausel in der Sicherungsabrede nicht automatisch die komplette Sicherungsabrede „infiziert“. Da die Inhaltskontrolle klauselbezogen erfolgt, hat vielmehr eine Abgrenzung der einzelnen Vertragsbedingungen stattzufinden. Selbst dann, wenn einzelne Bestimmungen äußerlich gesehen in einem sprachlichen Zusammenhang zueinander stehen, muss daher immer geschaut werden, ob sie bei einer inhaltlichen Trennung noch einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweisen.221 Sollte dies so sein, sind sie grundsätzlich separat auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Andererseits zieht die Rechtsprechung dann, wenn das dispositive Recht keine Ersatzregelung für die unwirksame Klausel bereit hält, eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.222 Dies steht, auch ohne gesonderte Normierung, in Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Ursprünglich sollten durch unwirksame AGB entstehende Vertragslücken, auf die das dispositive Recht keine Antwort hat, anhand der Natur des jeweiligen Vertragsverhältnisses geschlossen werden.223 Später entschied man sich jedoch auf Empfehlung des Rechtsausschusses zur Streichung dieser Passage, weil das allgemeine Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung eine hinreichende Ersatzregelbildung ermögliche.224 Beide „Rettungsanker“ – sowohl die Teilbarkeit von Klauseln als auch die ergänzende Vertragsauslegung – haben im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden eine immense Bedeutung erlangt. Sie werden daher im Rahmen der späteren Rechtsprechungsanalyse näher behandelt.

III. Folgen einer unwirksamen Sicherungsabrede für den Auftraggeber Um zu beurteilen, welche Folgen eine unwirksame Sicherungsabrede für den Auftraggeber hat, muss man einen genaueren Blick auf die Leistungsbeziehungen im „bürgschaftsrechtlichen Dreieck“225 werfen. Es bietet sich hierbei an, die Rechtslage jeweils separat aus Sicht des Auftragnehmers und der bürgenden Bank zu betrachten. Zudem müssen drei verschiedene Zeitpunkte ins Auge gefasst werden: Grundsätzlich kann die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede gerügt und vom Gericht festgestellt werden, bevor der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Bürgschaft beschafft hat. Typischerweise wird um die Wirksamkeit der Sicherungsabrede jedoch erst gestritten, nachdem die Bank die Personalsicherheit übernommen oder den jeweiligen Bürgschaftsbetrag schon an den Auftraggeber ausbezahlt hat. Die Rückabwicklung gestaltet sich hierbei deutlich komplizierter, als man es auf den ersten Blick vermuten würde. 221 222 223 224 225

BeckOK/H. Schmidt, § 306 Rn. 21. BGH NJW 2009, 3422, 3425 Rn. 38; BGH NJW 2015, 1952, 1954 Rn. 46. BT-Drs. 7/3919, S. 4, 21. BT-Drs. 7/5422, S. 5. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 5.

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1. Rechtslage aus Sicht des Auftragnehmers Die Sicherungsabrede verpflichtet den Auftragnehmer zur Beibringung einer Bürgschaft. Diese Pflicht erfüllt er, indem er die Bank dazu bewegt, mit dem Auftraggeber einen Bürgschaftsvertrag abzuschließen. Ist die Sicherungsabrede insgesamt unwirksam, kann der Auftragnehmer folglich die Beschaffung der Bürgschaft verweigern. Ihn trifft gegenüber dem Auftraggeber dann auch keine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, nachträglich eine wirksame Sicherungsabrede abzuschließen, weil die Ausgestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen alleine im Verantwortungsbereich des Verwenders liegt.226 Wurde der Bürgschaftsvertrag schon abgeschlossen, kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen, den Untergang der Bürgschaftsforderung – die er dem Auftraggeber in Erfüllung der vermeintlich bestehenden Pflicht aus der Sicherungsabrede geleistet hat – durch Abschluss eines Erlassvertrags mit der Bank herbeizuführen und ihr die Bürgschaftsurkunde zurückzugeben.227 Hat die Bank den in Rede stehenden Geldbetrag hingegen schon ausbezahlt, ist fraglich, worauf der Bereicherungsanspruch nunmehr gerichtet ist. Fest steht, dass ein Erlass der Bürgschaftsforderung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich ist, weil durch die Zahlung der Bank auf den wirksamen Bürgschaftsvertrag Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) eingetreten ist. Denkbar ist demnach einerseits, dass der Auftraggeber statt der ursprünglich erhaltenen Bürgschaftsforderung gemäß § 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB dasjenige, was er aufgrund des erlangten Rechts erworben hat, als Surrogat herauszugeben hat.228 Dies entspricht dem von der Bank ausgezahlten Geldbetrag. Zu dem gleichen Ergebnis gelangen diejenigen Stimmen in der Literatur, die dem Auftragnehmer einen Wertersatzanspruch in Höhe des erhaltenen Geldbetrags gemäß § 818 Abs. 2 BGB gewähren wollen, weil der Auftraggeber nach der Zahlung der Bank nicht mehr zum Erlass der Bürgschaftsforderung in der Lage ist.229 Andererseits könnte man jedoch auch die Auffassung vertreten, dass der Kondiktionsanspruch des Auftragnehmers den Auftraggeber zur Rückzahlung des erhaltenen Geldbetrags an die Bank verpflichtet.230 Meines Erachtens lässt sich ein stringentes Ergebnis nur aus der Kombination der Lösungsvorschläge erzielen. Für die zuletzt genannte Ansicht spricht zunächst, dass sie auf die Wiederherstellung des Status quo ante gerichtet ist und damit Vorrang vor der Herausgabe des Surrogats oder einer Wertersatzpflicht genießt.231 Dies gilt allerdings nur, solange die Bank beim Auftragnehmer noch keinen Rückgriff über 226

Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 907. Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 11; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 8; BeckOGK/ Madaus, § 765 Rn. 13; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 139; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 135; Lorenz, JuS 1999, 1145, 1148; Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 903. 228 MüKoBGB/Schwab, § 821 Rn. 5; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 139. 229 BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14; Lorenz, JuS 1999, 1145, 1148. 230 Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 11; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 8. 231 Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 11. 227

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§§ 675 Abs. 1, 670 BGB oder § 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung genommen hat. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Wiederherstellung des Status quo ante faktisch nicht mehr möglich, weil eine Rückzahlung der Bürgschaftssumme an die Bank diese ungerechtfertigterweise doppelt befriedigen würde. Es ist daher sachgerecht, dem Auftragnehmer nunmehr einen Kondiktionsanspruch zuzubilligen, der auf die Herausgabe der Bürgschaftssumme bzw. deren Wert gerichtet ist. Ob man dieses Ergebnis mit § 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB oder § 812 Abs. 2 BGB begründet, ist im Endeffekt nicht von praktischer Relevanz. Aus dogmatischer Sicht erscheint mir jedoch die Heranziehung von § 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB vorzugswürdig, weil dieser systematisch vor § 818 Abs. 2 BGB steht und die ausgezahlte Garantiesumme das Äquivalent zum untergegangenen Forderungsrecht bildet. Zu beachten ist allerdings, dass die Bank durch die Zahlung auf die Bürgschaftsforderung gemäß § 774 Abs. 1 S. 1 BGB zwischenzeitlich die Hauptforderung des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer erworben hat.232 Indem der Auftragnehmer den Regressanspruch der Bank erfüllt, ist die ursprüngliche Hauptforderung daher gemäß § 362 Abs. 1 BGB untergegangen. Dies ist problematisch, weil der Auftraggeber sich infolge dessen – vorbehaltlich der §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB – gegenüber dem Kondiktionsanspruch des Auftragnehmers aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen kann.233 Um dieses völlig unbillige Ergebnis zu vermeiden, muss die Hauptforderung des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer wieder aufleben.234 Dieses Resultat kann meines Erachtens durch eine teleologische Reduktion von § 774 Abs. 1 S. 1 BGB erzielt werden.235 Die Vorschrift des § 774 Abs. 1 S. 1 BGB dient dem Schutz des Bürgen, indem er ihm, neben seinem regelmäßig bestehenden Aufwendungsersatzanspruch gegen den Hauptschuldner aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB, einen weiteren Regressanspruch verschafft. Im vorliegenden Fall gelangt man hingegen zu der völlig perplexen Situation, dass der Auftraggeber mittelbar durch den mit dem Übergang der Forderung verbundenen Entreicherungseinwand privilegiert wird. Dies ist mit dem Rechtsgedanken von § 774 Abs. 1 S. 1 BGB, der gerade keine Besserstellung des Gläubigers bezweckt, nicht in Einklang zu bringen. Nur durch ein Wiedererstarken der Hauptforderung wird verhindert, dass der Auftraggeber trotz unwirksamer Sicherungsabrede den Bürgschaftsbetrag behalten darf. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, gelangt man zu einem Endergebnis, dass dem Sinn und Zweck der §§ 812 ff. BGB, einen nicht gerechtfertigten Vermögenszuwachs rückgängig zu machen, vollumfänglich gerecht wird: Die Bürgschaftssumme wird beim 232 233 234 235

bildet.

Augenscheinlich verkannt von Lorenz, JuS 1999, 1145, 1148. Zutreffend Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 11; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 8. So auch BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14. Ähnlich BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14, der eine Analogie zu § 774 Abs. 1 S. 1 BGB

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Auftraggeber abgeschöpft, ihm verbleibt jedoch das Recht, aus der nunmehr ungesicherten Hauptforderung gegen den Auftragnehmer vorzugehen. Der Status quo ante ist wiederhergestellt. 2. Rechtslage aus Sicht der bürgenden Bank Auch die Bank kann sich bei einer unwirksamen Sicherungsabrede gegen die Inanspruchnahme des Auftraggebers aus der Bürgschaft wehren. In Betracht kommt zunächst der Arglisteinwand aus § 242 BGB. Wie soeben gezeigt, löst die Zahlung des Bürgen im Fall einer unwirksamen Sicherungsabrede eine Kaskade von Folgeansprüchen aus, an deren Ende alle Parteien (der Auftraggeber, der Auftragnehmer und die Bank) wirtschaftlich genauso stehen, wie am Anfang: Geht die Bank gegen den Auftragnehmer aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB bzw. § 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung vor, kann dieser wiederum die Bürgschaftssumme vom Auftraggeber gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 Alt. 2 BGB kondizieren, wobei hierdurch gleichzeitig die Hauptforderung – wie oben gezeigt wurde – wieder „auflebt“. Ein solcher „Regresskreisel“236 begründet für die Bank grundsätzlich den dolo-agit-Einwand.237 Die Konstruktion des Regresskreisels versagt allerdings, wenn die Bank die Bürgschaftssumme auszahlt, obwohl sie (auf Hinweis des Auftragnehmers) Kenntnis von der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede erlangt. In diesem Fall müsste man unterstellen, dass die Bank die Auszahlung der Bürgschaftssumme im Verhältnis zum Auftragnehmer trotz unwirksamer Sicherungsabrede für erforderlich halten durfte. Nur so ließe sich ein Regressanspruch der Bank nach §§ 675 Abs. 1, 670 BGB, ein darauf aufbauender Regresskreisel und der hieraus resultierende doloagit-Einwand begründen. Dies erscheint jedoch nicht vertretbar: Ist sich die Bank über die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede im Klaren, kann sie nicht das Recht haben, die Bürgschaftssumme an den Gläubiger unbesehen auszuzahlen und sodann beim Auftragnehmer Regress zu fordern. Für die Bank bestünde kein Anreiz, Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zu beachten und unwirksame Sicherungsabreden könnten nicht effektiv bekämpft werden. Kommt aber ein Regresskreisel unter diesen Voraussetzungen nicht infrage, fehlt es an einer Grundlage für den dolo-agit-Einwand und es bedarf einer anderen Begründung, um der Bank eine Einrede zuzusprechen, auf die sie sich berufen kann. Die Recht236

Hierzu allgemein Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 283; BeckOGK/Kähler, § 242 Rn. 1347 ff.; BeckOK/Sutschet, § 242 Rn. 91; anschaulich aus der Rechtsprechung RGZ 161, 94, 98. 237 So MüKoBGB/Schwab, § 821 Rn. 5, der allerdings die oben geschilderte Problematik des Entreicherungseinwands verkennt; auch BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14, § 768 Rn. 16 gewährt dem Bürgen den dolo-agit-Einwand. Es bleibt jedoch unklar, wie er diesen konstruiert; Erman/Zetzsche, § 768 Rn. 4 folgert aus der Sicherungsabrede eine Begrenzung des Sicherungsstatus der Hauptschuld, auf die sich der Bürge nach § 242 BGB berufen könne. Diese Überlegungen sind für mich nicht recht nachvollziehbar.

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sprechung erzielt dieses Resultat, indem sie dem Bürgen bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede über §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt.238 Um diese Konstruktion verstehen zu können, ist allerdings eine etwas nähere Betrachtung geboten. Grundsätzlich hat die Vorschrift des § 821 BGB einen sehr schmalen Anwendungsbereich. In ihr ist geregelt, dass derjenige, der rechtsgrundlos eine Verbindlichkeit eingegangen ist, deren Erfüllung auch dann noch verweigern kann, wenn der bereicherungsrechtliche Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist. Hierdurch wird beispielsweise auf Fälle Bezug genommen, in denen jemand aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis vorgeht, obwohl die zugrunde liegende Forderung (die Causa) niemals entstanden oder später weggefallen ist. In einer solchen Konstellation steht dem Schuldner der Arglisteinwand (§ 242 BGB) zur Verfügung, da er seinerseits das Schuldanerkenntnis gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB kondizieren kann. Sollte der Bereicherungsanspruch allerdings – aus welchen Gründen auch immer – vor dem Anspruch des Gläubigers aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis verjähren, kann sich der Schuldner nicht mehr auf den Arglisteinwand stützen. Jetzt ist die „Sternstunde“ des § 821 BGB gekommen: Trotz der Verjährung des Bereicherungsanspruchs bleibt der Schuldner in der Lage, die Erfüllung des abstrakten Schuldanerkenntnisses zu verweigern. Rechtstechnisch handelt es sich bei § 821 BGB demzufolge um einen verlängerten Arm des dolo-agit-Einwands.239 Die Rechtsprechung zieht die Vorschrift hingegen auch schon vor Verjährung des Bereicherungsanspruchs heran. Sie erblickt in ihr eine eigenständige Bereicherungseinrede, die dem Bereicherungsgläubiger jederzeit das Recht gibt, sämtliche Leistungen zu verweigern, die er sofort wieder kondizieren kann.240 Dogmatisch ist diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer weitgehend bedeutungslosen Vorschrift, die zu einer Überlappung mit § 242 BGB führt, auf Kritik gestoßen.241 Praktisch wird man sich mit dieser Rechtsfortbildung jedoch abfinden können und müssen.242 Dennoch ist das von der Rechtsprechung gefundene Ergebnis für die hier vorliegende Konstellation eines Dreipersonenverhältnisses nur schwer zu durchschauen. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass der Auftragnehmer dem Auftrag238 BGH NJW 2009, 3422 Rn. 12; BGH NJW 2014, 1725, 1728 Rn. 32; BGH NJW 2014, 3642, 3643 Rn. 14; BGH NJW 2015, 856, 857 Rn. 13; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 23 f.; BGH NJW 2018, 857, 858 Rn. 14; dem folgend MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 8, § 768 Rn. 10; Tiedtke, JZ 2006, 940, 942; Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 903; im Ergebnis auch Soergel/Gröschler, § 768 Rn. 13; grundlegend Koppmann, BauR 1992, 234, 240. 239 Ausführlich Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 744 ff., die den Zweck von § 821 BGB auf S. 747 treffend mit der Perpetuierung des dolo-agit-Einwands umschreiben. 240 Siehe hierzu statt aller nur PWW/Prütting, § 821 Rn. 2; BeckOK/Wendehorst, § 821 Rn. 3. 241 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 749; MüKoBGB/Schwab, § 821 Rn. 3 m. w. N. 242 PWW/Prütting, § 821 Rn. 2; BeckOK/Wendehorst, § 821 Rn. 3.

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geber über § 821 BGB einredeweise entgegenhalten könne, die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen. Hierauf könne sich sodann der Bürge über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, weil die Vorschrift der Bank sämtliche Einreden des Hauptschuldners – und nicht nur diejenigen gegen die Hauptschuld – gewähre. Das ergebe sich aus dem Akzessorietätsprinzip, wonach der Bürge nicht weiter haften dürfe als der Hauptschuldner.243 Dieses Argumentationsmuster begegnet Bedenken. Nicht nachvollziehbar ist, welcher Forderung der Auftragnehmer mit der Einrede des § 821 BGB entgegentreten soll. Verlangt der Auftraggeber vom Auftragnehmer auf Grundlage einer unwirksamen Sicherungsabrede die Beschaffung einer Bürgschaft, kann dieser sich bereits mit der Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses verteidigen. Wurde die Bürgschaft trotz unwirksamer Sicherungsabrede gestellt, wird nicht der Hauptschuldner, sondern der Bürge aus dieser in Anspruch genommen. Auch insoweit ist demnach fraglich, wie der Auftragnehmer die Einrede des § 821 BGB jemals vorbringen können soll. Nicht ohne Grund wird vor diesem Hintergrund die Auffassung vertreten, dass man dem Bürgen durch die Erhebung des Einwands aus § 821 BGB eine Einrede zubillige, zu deren Geltendmachung der Hauptschuldner faktisch nicht in der Lage sei.244 Des Weiteren ist nicht recht plausibel, weshalb sich der Bürge unter Akzessorietätsgesichtspunkten gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede berufen können soll.245 Die Akzessorietät beschreibt die einseitige Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der gesicherten Hauptschuld. Richtig ist zwar, dass der Bürge deshalb keiner weitergehenden Haftung als der Hauptschuldner aus der gesicherten Forderung unterliegt. Weshalb sich hieraus eine weitergehende Verknüpfung zur Sicherungsabrede ergeben sollte, erscheint jedoch auf den ersten Blick schleierhaft. Trotz dieser dogmatischen Vorbehalte halte ich die Auffassung der Rechtsprechung im Ergebnis für zutreffend. Dem Auftragnehmer steht, wie oben gezeigt, ein Bereicherungsanspruch zu, der auf den Erlass der Bürgschaftsforderung gerichtet ist. In diesem ist als wesensgleiches Minus ein Unterlassungsanspruch enthalten.246 Dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber dieses Verteidigungsmittel nicht einredeweise entgegenhalten kann, entspricht der Natur des Dreipersonenverhältnisses. Hieraus darf dem Hauptschuldner und dem Bürgen jedoch kein Nachteil erwachsen. Es ist daher nur folgerichtig, wenn die Rechtsprechung den Bereicherungsanspruch des Hauptschuldners unter extensiver Anwendung der §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB in 243 BGH NJW 2000, 1563, 1564; BGH NJW 2003, 1805, 1806; BGH NJW 2009, 1664, 1665 Rn. 9; BGH NJW 2014, 3642, 3643 Rn. 15; BGH NJW 2015, 856, 857 Rn. 14; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 23. 244 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 140. 245 Kritisch hierzu BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14, § 768 Rn. 16; Erman/Zetzsche, § 768 Rn. 4. 246 Zutreffend BGH NJW-RR 1987, 683, 685; kritisch Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 142.

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eine Einrede des Bürgen umwandelt.247 Diese „Konstruktionsjurisprudenz“248 steht auch in Einklang mit dem hinter dem Akzessorietätsprinzip stehenden Schutzgedanken: Der Auftraggeber soll vom Bürgen nicht mehr fordern können, als ihm im Verhältnis zum Hauptschuldner zusteht. Darf der Auftraggeber im Verhältnis zum Auftragnehmer wegen der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede nicht aus der Bürgschaft vorgehen, muss demzufolge auch der Bürge selbst die Leistung verweigern können. Unter teleologischen Gesichtspunkten und Billigkeitserwägungen vermag die herrschende Meinung damit letztlich, trotz ihrer dogmatischen Schwächen, zu überzeugen. Zahlt die Bank den Bürgschaftsbetrag an den Auftraggeber aus, obwohl die Sicherungsabrede unwirksam ist, kann sie das Geleistete über § 813 Abs. 1 S. 1 BGB Zug um Zug gegen Rückabtretung der zwischenzeitlich erworbenen Hauptforderung (§ 774 Abs. 1 S. 1) zurückfordern, da der Auszahlung die peremptorische Einrede aus §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB entgegenstand.249 Sie kann sich daher aussuchen, ob sie vom Auftragnehmer Regress über §§ 675 Abs. 1, 670 BGB bzw. § 774 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt oder gegen den Auftraggeber nach § 813 Abs. 1 S. 1 BGB vorgeht. Auftraggeber und Auftragnehmer haften hierbei, entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung250, nicht als Gesamtschuldner. Zwar sind die erwähnten Rückgriffsansprüche des Bürgen gegen den Auftragnehmer und den Auftraggeber auf dasselbe Leistungsinteresse – den Ausgleich für die Bürgschaftszahlung – gerichtet. Im Innenverhältnis zwischen den Bauvertragsparteien besteht jedoch von Anfang an Klarheit darüber, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer über §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB äußerlich erkennbar als Letztverantwortlicher haftet. Das von der nach wie vor überwiegenden Auffassung für das Vorliegen einer Gesamtschuld geforderte Merkmal der Gleichstufigkeit dürfte daher nicht erfüllt sein.251 Im Schrifttum wurde demgegenüber zum Teil geltend gemacht, dass es wegen der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede nicht zu einer Direktkondiktion des Bürgen über § 813 Abs. 1 S. 1 BGB kommen dürfe.252 Hierfür könnte einerseits sprechen, dass dem Auftraggeber eine doppelte Inanspruchnahme durch die Bank und den Auftragnehmer droht. Andererseits wird in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass die bürgende Bank durch ihr Wahlrecht, entweder beim Auftragnehmer Regress zu verlangen oder den Auftraggeber auf Rückforderung in Anspruch zu nehmen, 247

Vgl. Soergel/Gröschler, § 768 Rn. 13. Treffende Bezeichnung von Schwab, JuS 2018, 172, 174. 249 BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 15; Soergel/Gröschler, Vor § 765 Rn. 11; MüKoBGB/ Habersack, § 765 Rn. 8; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 136; PWW/Brödermann, § 768 Rn. 9; Palandt/Sprau, § 812 Rn. 83; Rohe, NJW 2018, 462. 250 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 905. 251 Siehe hierzu allgemein Staudinger/Looschelders, § 421 Rn. 27. 252 Lorenz, JuS 1999, 1145, 1149; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 262; Tiedtke, JZ 2006, 940, 942; BeckOGK/Madaus, § 765 Rn. 14; kritisch auch Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 248

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unbillig privilegiert werde, weil sie gerade das Insolvenzrisiko des Hauptschuldners übernommen habe.253 Schließlich erfülle der Bürge durch die Auszahlung der Bürgschaftssumme sowohl eine Pflicht aus dem Bürgschafts- als auch aus dem Avalkreditvertrag.254 Sie erbringe daher zwei Leistungen.255 Diese seien allerdings nicht gleichwertig.256 Vorrangig handle der Bürge zur Erfüllung des Avalkreditvertrags, weil er dem Auftragnehmer durch die Auszahlung ein Darlehen im aufsichtsrechtlichen Sinne gewähre.257 Des Weiteren prüfe der Auftraggeber oftmals nicht, ob die Zahlung des Bürgen von dessen Konto oder von einem Konto des Auftragnehmers stamme.258 Regelmäßig könne er dies auch nicht erkennen.259 Nach dem objektiven Empfängerhorizont stelle die Zahlung des Bürgen daher in Wahrheit eine Leistung des Hauptschuldners dar.260 Bei dem Bürgen handle es sich demnach nur um einen Leistungsmittler, weshalb die Kondiktion über das Dreieck zu erfolgen habe.261 Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Der bestehende Kondiktionsanspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB ist die logische und notwendige Folge zur bestehenden peremptorischen Einrede aus §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB. Der Bürge kann nach seiner Zahlung nicht schlechter stehen als vor seiner Zahlung. Eine doppelte Inanspruchnahme des Auftraggebers ist im Übrigen nicht zu befürchten. Verlangt die Bank Rückzahlung vom Auftraggeber über § 813 Abs. 1 S. 1 BGB, erstreckt sich der Kondiktionsanspruch des Auftragnehmers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB vor seiner Regresszahlung an die Bank nicht auf die Bürgschaftssumme selbst, sondern auf die Rückzahlung des Betrags an die Bank. Damit verfolgen die Kondiktion der Bank aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB und die condictio indebiti des Auftragnehmers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB dasselbe Anspruchsziel. Entscheidet sich die Bank demgegenüber dazu, den Auftragnehmer aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB bzw. §§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung zu belangen, hat sie ihren Kondiktionsanspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB Zug um Zug an diesen abzutreten (§ 273 BGB), weil es sich bei diesem um das aus der Geschäftsführung Erlangte im Sinne von § 667 BGB handelt. Kommt es nicht zur Abtretung, hat der Auftragnehmer gegen den Auftraggeber immer noch seinen eigenen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, der nunmehr gemäß § 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf das Surrogat (die ausbezahlte Bürgschaftssumme) 253 Lorenz, JuS 1999, 1145, 1149; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 262; Tiedtke, JZ 2006, 940, 942. 254 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 255 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 256 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 257 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 258 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 259 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 260 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904. 261 Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 904.

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gerichtet ist. Sollte die Bank versuchen, zusätzlich gegen den Auftraggeber aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB vorzugehen, obwohl sie zwischenzeitlich vom Auftragnehmer befriedigt wurde, verhält sie sich treuwidrig (§ 242 BGB). Auch in dieser Konstellation kann der Auftraggeber daher – selbst bei einer unterbliebenen Abtretung – nur einmal in Anspruch genommen werden. Des Weiteren ist das Wahlrecht keine unbillige Privilegierung des Bürgen, sondern die Konsequenz aus der Tatsache, dass die Bank sowohl ein Rechtsverhältnis mit dem Auftraggeber als auch mit dem Auftragnehmer eingegangen ist.262 Der Bürge hat sein Bürgschaftsversprechen einzig und allein für eine berechtigte Inanspruchnahme abgegeben.263 Nur insoweit muss er sich demnach auf den Regress gegenüber dem Auftragnehmer verweisen lassen. Der Auftraggeber hat demgegenüber durch die unwirksame Sicherungsabrede das Risiko der peremptorischen Einrede geschaffen und den Bürgen dennoch in Anspruch genommen.264 Es ist daher nur folgerichtig, ihn dem Rückforderungsanspruch der Bank auszusetzen. Schlussendlich ist es auch widersprüchlich, einerseits davon zu sprechen, dass die Bank durch die Auszahlung der Bürgschaftssumme zwei nicht gleichwertige Leistungen erbringe, und sie andererseits als bloßen Leistungsmittler anzusehen. Der Begriff des Leistungsmittlers wird vor allem in Zusammenhang mit den sog. Anweisungsfällen benutzt. Er beschreibt eine Fallkonstellation, in der die Bank einem Gläubiger die Leistung eines Dritten als Überbringer zuwendet. Ist die Bank als Leistungsmittler anzusehen, kann sie demzufolge schon gar keine zwei (nicht gleichwertige) Leistungen erbringen. In Zusammenhang mit der Bürgschaft ist es jedoch verfehlt, den Begriff des Leistungsmittlers zu verwenden. Die Bank ist mit der Personalsicherheit eine selbstständige Verbindlichkeit eingegangen, die streng von der zugrunde liegenden Hauptschuld zu trennen ist. Die Überweisung der Bürgschaftssumme dient demzufolge zwangsläufig der Tilgung ihrer eigenen Schuld.265 An einer gleichzeitigen Erfüllung der Hauptschuld hat sie in aller Regel kein Interesse, weil sie diese gemäß § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf sich selbst überleiten will.266 Im Gegensatz zu den Anweisungsfällen übermittelt die Bank daher gerade keine Leistung des Auftragnehmers an den Auftraggeber. Die Bürgschaftszahlung ist demnach eine originäre Leistung der Bank. Hierfür spricht auch, dass sie die Bürgschaftszahlung von ihrem eigenen Konto erbringt. Für den Auftraggeber lässt sich dies – nach Rücksprache mit Bankpraktikern – auch ohne Weiteres anhand der angegebenen Kontoverbindung nachverfolgen. Bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt muss der Auftraggeber demzufolge nach dem objektiven Empfängerhorizont, selbst wenn ihm das im ersten Moment nicht bewusst sein sollte, von einer Leistung der Bank ausgehen. Durch die Auszahlung der Bürgschaftssumme an den 262 263 264 265 266

BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 20. BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 21. BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 21. BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 16. BGH NJW 2018, 458, 459 Rn. 16.

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Auftraggeber erbringt die Bank auch keine vorrangige Leistung an den Auftragnehmer aus dem Avalkreditvertrag. Der Avalkreditvertrag verpflichtet die Bank in erster Linie zur Übernahme der Bürgschaft267 und nicht zur Auszahlung der Bürgschaftssumme. Bereits durch die Eingehung des Bürgschaftsverhältnisses und nicht erst durch die Auszahlung der Bürgschaftssumme gewährt sie dem Auftragnehmer einen Kredit im aufsichtsrechtlichen Sinne, da sie schon ab diesem Moment ihre Bonität zur Verfügung stellt (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KWG). Einer Direktkondiktion der Bank über § 813 BGB steht damit nichts im Weg. 3. Fazit und Folgefragen Eine unwirksame Sicherungsabrede lässt den Auftraggeber ohne Sicherheit zurück. Im Ernstfall hat er, entgegen seiner Vorstellung, das uneingeschränkte Insolvenzrisiko des Auftragnehmers zu tragen. Profiteure der unwirksamen Sicherungsabrede sind die Bank und der Auftragnehmer. Die Bank kann ihre Zahlung verweigern. Im Bürgschaftsprozess muss sie sich nicht mit den aufwendigen baurechtlichen Fragen über das einredefreie Bestehen der gesicherten Hauptschuld auseinandersetzen.268 Stattdessen kann sie den Prozess durch das formale Argument einer unwirksamen Sicherungsabrede für sich entscheiden. Hiergegen kann der Auftraggeber auch nicht einwenden, dass die Bank wegen der unterlassenen Überprüfung der Sicherungsabrede ihm gegenüber eine Aufklärungspflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Bürgschaftsrechtsverhältnis verletzt habe.269 Die Bank stellt die Bürgschaftsurkunde zumeist aus, ohne sich den zugrundeliegenden Bauvertrag und die Sicherungsabrede vorlegen zu lassen.270 Sie braucht sich diesbezügliche Informationen auch nicht zu beschaffen, weil sie als außenstehende Dritte ohnehin keinen Einfluss auf den Vertragsschluss nehmen kann. Selbst dann, wenn der Auftraggeber dem Bauvertrag ein vorgefertigtes Bürgschaftsmuster beifügt, welches auf den Bauvertrag und die in ihm enthaltene Sicherungsabrede verweist, trifft den Bürgen keine Überprüfungspflicht.271 Für die Ausgestaltung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist einzig und allein der Auftraggeber verantwortlich. Er trägt daher das alleinige Risiko ihrer Unwirksamkeit. Aus denselben Gründen trifft die Bank prinzipiell keine allgemeine Überprüfungs- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftragnehmer aus dem Avalkreditvertrag. Dies ändert sich jedoch im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft. Nun muss die Bank sich beim Auftragnehmer über die Sicherungsabrede informieren und bei berechtigten Bedenken gegen ihre Wirksamkeit die Auszahlung 267 268 269 270 271

516.

Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 522. Nossek, NJW 2015, 1985. OLG München BauR 2010, 787, 788; zustimmend Nossek, NJW 2015, 1985. OLG München BauR 2010, 787, 788. Zutreffend Hildebrandt, BauR 2007, 203, 215 f.; a. A. Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509,

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

der Bürgschaftssumme verweigern. Andernfalls läuft sie Gefahr, ihre Regressansprüche gegen den Auftragnehmer zu verlieren und sich diesem gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB (wegen Verletzung ihrer im Auszahlungszeitpunkt bestehenden Treuepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB) haftbar zu machen.272 Zudem ist ihr aus § 813 Abs. 1 S. 1 BGB folgender Rückzahlungsanspruch gegen den Auftraggeber bei positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede nach § 814 BGB gesperrt.273 Schließlich darf die Bank auch die vom Auftragnehmer gezahlte Avalprovision trotz der unwirksamen Sicherungsabrede behalten.274 Hiergegen wird zum Teil eingewendet, dass dem Auftragnehmer über §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 275 Abs. 1 BGB oder §§ 313 Abs. 2, 1 und 3 S. 1, 346 Abs. 1 BGB ein Rückforderungsanspruch zustehe.275 Dies ist allerdings nicht überzeugend. Ein Rückforderungsanspruch wegen Unmöglichkeit aus §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1, 275 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Bürge den von ihm geschuldeten Leistungserfolg aus dem Avalkreditvertrag dauerhaft nicht erbringen kann. Zum geschuldeten Leistungserfolg der Bank gehört die Eingehung eines wirksamen Bürgschaftsvertrags. Hierzu ist sie trotz unwirksamer Sicherungsabrede ohne Weiteres in der Lage. Nicht zum geschuldeten Leistungserfolg des Bürgen gehört hingegen – wie von der Gegenauffassung behauptet276 – die potenzielle Verwirklichung des Haftungsrisikos, zu der es, wegen der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede, nicht mehr kommen kann. Der Abschluss des Avalkreditvertrags zielt aus Sicht des Auftragnehmers in erster Linie darauf ab, die Bank zur Eingehung des Bürgschaftsvertrags zu bewegen. Kommt die Bank dieser Verpflichtung nach, erfüllt sie demzufolge, trotz der unwirksamen Sicherungsabrede, ihren Teil des Vertrags. Zudem ergibt sich aus der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede für die Bank lediglich eine Einrede nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist daher auch rechtlich nicht daran gehindert, die Bürgschaftsschuld zu erfüllen.277 Die Fallgruppe der Unmöglichkeit ist daher nicht einschlägig.278 Näher liegt demgegenüber schon eine Störung der Geschäftsgrundlage. Die Wirksamkeit der Sicherungsabrede wird nicht zum Vertragsbestandteil des Avalkreditvertrags gemacht. Dennoch ist der Auftragnehmer in aller Regel nur zur Eingehung des Vertragsverhältnisses mit der Bank bereit, weil er davon ausgeht, hierzu aus der Sicherungsabrede verpflichtet zu sein. Dies ist für einen gewerblichen Bürgen, der sich täglich mit Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auseinandersetzt, auch ohne Weiteres erkennbar. Wird die Unwirksamkeit der Si272 273 274 275 276 277 278

Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 907; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 523. Thelen/Thelen, ZIP 2018, 901, 907. OLG Jena BauR 2012, 1806, 1807; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 43. Hildebrandt, BauR 2007, 203, 219 ff. Hildebrandt, BauR 2007, 203, 219. OLG Jena BauR 2012, 1806, 1807. So im Ergebnis auch BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 73.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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cherungsabrede durch ein Gericht festgestellt, sind die Voraussetzungen von § 313 Abs. 2 BGB folglich gegeben: Wesentliche Vorstellungen, die Grundlage des Avalkreditvertrags geworden sind, haben sich nachträglich als falsch herausgestellt. Hätte der Auftragnehmer dies gewusst, wäre er auch nicht den Avalkreditvertrag eingegangen. Dennoch könnte ihm ein Festhalten am unveränderten Avalkreditvertrag gemäß § 313 Abs. 1 BGB zuzumuten sein. Das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage ist auf besondere Ausnahmefälle beschränkt.279 Eine Anpassung oder Auflösung des Vertrags kann daher nur zur Vermeidung untragbarer Härten herangezogen werden.280 Der Auftragnehmer kann sich deshalb prinzipiell nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen, wenn die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in seine Risikosphäre fällt.281 Dass der Bürge gegenüber dem Auftragnehmer keine allgemeine Überprüfungs- und Aufklärungspflicht bezüglich der Sicherungsabrede hat, wurde oben bereits erwähnt. Nicht die Bank, sondern der Auftragnehmer ist am Abschluss des Bauvertrags beteiligt. Die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ist daher seiner Risikosphäre zuzuordnen. Hiergegen kann man auch nicht einwenden, dass der Auftragnehmer wegen der „Sogwirkung des vorformulierten Gedankens“ und der in Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehenden Transaktionskostenproblematik auf die Wirksamkeit der Sicherungsabrede vertrauen durfte.282 Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen schützt den Auftragnehmer nur im Verhältnis zum Auftraggeber. Es ist demgegenüber nicht gerechtfertigt, hieraus Rückschlüsse für den Avalkreditvertrag zu ziehen. Vor diesem Hintergrund hat eine Anpassung oder ein Rücktritt vom Avalkreditvertrag auszuscheiden. Ohnehin käme über § 313 Abs. 3 S. 2 BGB – sofern man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine Störung der Geschäftsgrundlage annimmt – nur eine Kündigung und kein Rücktritt in Betracht, weil es sich beim Avalkreditvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt.283 Schließlich ist auch eine Rückforderung über die condictio ob rem aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB nicht einschlägig.284 Bei der Avalprovision handelt es sich vorrangig um eine Risikoprämie. Hierüber besteht zwischen der Bank und dem Auftragnehmer Einigkeit. Kann die Bank wegen der unwirksamen Sicherungsabrede ihre Inanspruchnahme verweigern, liegt hierin allerdings keine Zweckverfehlung. Die Bank kann bei Eingehung des Avalkreditvertrags noch nicht abschätzen, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt aus der Personalsicherheit in Anspruch genommen wird bzw. werden kann. Einem Risikogeschäft sind Unklarheiten über die Wahrschein279

BGH NJW 2010, 1874, 1877 Rn. 24. BGH NJW 2010, 1874, 1877 Rn. 24. 281 Siehe hierzu allgemein BGH NJW 2010, 1874, 1877 Rn. 24; BeckOK/Lorenz, § 313 Rn. 25. 282 Vgl. hierzu bereits oben, S. 177. 283 Zutreffend BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 72. 284 So im Ergebnis auch OLG Jena BauR 2012, 1806, 1807. 280

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

lichkeit einer Inanspruchnahme stets immanent, weil den Beteiligten ex ante noch nicht alle Informationen über die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen, die im weiteren Verlauf der Entwicklung offenbar werden. Im Endergebnis hat der Auftragnehmer den Bürgen daher auch dann zu bezahlen, wenn sich das eingegangene Risiko nicht verwirklicht. Ist die Sicherungsabrede unwirksam, kann er allerdings vom Auftraggeber Schadensersatz für die gezahlte Avalprovision über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB fordern, sofern diesen ein Verschulden für die nicht sachgerechte Ausgestaltung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen des Vertragsschlusses trifft (culpa in contrahendo).

IV. Analyse der Rechtsprechung zu den häufigsten Unwirksamkeitsgründen Da nunmehr Klarheit über die Rechtsfolgen einer unwirksamen Sicherungsabrede besteht, kann die Rechtsprechungsentwicklung zu den häufigsten Unwirksamkeitsgründen ins Auge gefasst werden. Diese hat ihren Ursprung im Jahr 1997 und erstreckt sich mittlerweile auf einen Zeitraum von 24 Jahren. Die Bedeutung der Thematik spiegelt sich vor allem in der Anzahl der höchstrichterlichen Entscheidungen wider: Mit der Unwirksamkeit von Sicherungsabreden, die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften zugrunde liegen, hat sich der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit soweit ersichtlich 30-mal befasst.285 Die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede hat er besonders häufig in Bezug auf Gewährleistungsbürgschaften angenommen. Hierbei ist auffällig, dass den Urteilen immer Sicherungsabreden zugrunde lagen, die keine isolierte Vereinbarung einer Bürgschaft, sondern eine Kopplung mit einem Sicherheitseinbehalt vorsahen. Vor diesem Hintergrund werden Ausführungen zu dieser praxisrelevanten Vertragsgestaltung einleitend vorangestellt. Im Anschluss hieran wird sodann auf die häufigsten Unwirksamkeitsgründe eingegangen. Diese lassen sich in drei Fallgruppen unterteilen. Zum einen hat der Bundesgerichtshof Sicherungsabreden wegen einer Übersicherung des Auftraggebers für unwirksam erklärt. Zum anderen kann eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dann bestehen, wenn bürgschaftsrechtliche Schutzvorschriften, die auf dem Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip fußen, abbedungen werden. Im Rahmen dieser Fallgruppe kann auf die allgemeinen Ausführungen zu den §§ 765 ff. BGB aus dem dritten Kapitel der Arbeit zurück285 Vgl. hierzu in chronologischer Reihenfolge BGH NJW 1997, 2598; BGH NJW 2000, 1863; BGH NJW 2001, 1857; BGH NJW 2002, 894; BGH IBRRS 2002, 1988; BGH NJW 2002, 2388; BGH NJW-RR 2002, 1311; BGH NJW 2002, 3098; BGH NJW 2003, 2605; BGH NJW 2004, 443; BGH NJW-RR 2004, 814; BGH NJW-RR 2004, 880; BGH NJW-RR 2005, 458; BGH NJW-RR 2006, 389; BGH NJW-RR 2007, 1319; BGH NJW-RR 2008, 830; BGH NJW 2009, 1664; BGH NJW 2009, 3422; BGH NJW 2011, 2125; BGH NJW 2011, 2195; BGH NJW-RR 2011, 1526; BGH NJW 2014, 1725; BGH NJW 2014, 3642; BGH NJW 2015, 856; BGH NJW 2016, 1945; BGH NJW 2016, 2802; BGH NJW 2017, 1941; BGH NJW 2018, 458; BGH NJW 2018, 857; BGH NJW-RR 2020, 1219.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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gegriffen werden. Schließlich kann die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede aus einer Blockade des Austauschrechts (vgl. § 17 Abs. 3 VOB/B) resultieren. 1. Verknüpfung von Bürgschaft und Sicherheitseinbehalt Oftmals werden Vertragserfüllungs- und vor allem Gewährleistungsbürgschaften nicht isoliert, sondern in Kombination mit einem Sicherheitseinbehalt vereinbart. Die Sicherungsabrede sieht in diesen Fällen zunächst vor, dass der Auftraggeber einen bestimmten Betrag von den Abschlagszahlungen bzw. der Schlussrechnung einbehält und diesen durch eine entsprechende Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft ablösen kann. Bei diesem Austauschrecht handelt es sich um ein vertragliches Gestaltungsrecht des Auftragnehmers.286 Wurde die VOB/B in den Bauvertrag einbezogen, ergibt sich dieses ohne Weiteres aus § 17 Abs. 3 VOB/B. Dogmatisch hat die bisher herrschende Meinung287 dem Sicherheitseinbehalt eine Doppelnatur zugewiesen: Er soll in der vertraglich festgelegten Höhe die Fälligkeit des Abschlagszahlungs- oder Vergütungsanspruchs hinausschieben und dem Auftraggeber darüber hinaus ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht gewähren. Dies erscheint allerdings nicht plausibel. Solange der jeweilige Anspruch noch nicht fällig ist, benötigt der Auftraggeber kein Zurückbehaltungsrecht, um die Auszahlung der ausstehenden Forderung zu verweigern.288 Daher führt der Sicherheitseinbehalt – was auch in neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs deutlich zum Ausdruck kommt289 – rechtstechnisch nur zu einer Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts der jeweiligen Forderung bis zur Erledigung des vertraglich vorgesehenen Sicherungszwecks.290 Aus rechtspraktischer Sicht handelt es sich beim Sicherheitseinbehalt demzufolge um ein Bardepot, das entweder aus den vorläufigen Abschlagszahlungsansprüchen oder dem endgültigen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gespeist wird. Hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer über Abschlagszahlungen mehr bezahlt, als ihm nach der Schlussrechnung zusteht (Überzahlung), droht ein vereinbarter Gewährleistungseinbehalt allerdings ins Leere zu laufen, da dem Auftraggeber bei einer Zahlung auf eine noch nicht fällige Forderung grundsätzlich kein Rückforderungsanspruch zusteht (§ 813 Abs. 2 BGB). Es erscheint jedoch 286

BGH NJW 1997, 2958; BGH NJW 2001, 3629, 3630; BGH NJW 2011, 443, 445 Rn. 20; BGH NJW 2011, 1282, 1283 Rn. 13. 287 BGH BauR 1979, 525, 526; BGH NJW-RR 2008, 401, 402 Rn. 19; Ingenstau/Korbion/ Joussen, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 1 m. w. N.; zu dogmatisch abweichenden Konstruktionen Weise, Sicherheiten, Rn. 160 (alleinige Betonung des Bardepotcharakters); BeckVOB/B/ Moufang/Koos, § 17 Abs. 6 Rn. 6 (Auszahlungsanspruch des Auftragnehmers unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Sicherungszeit ohne Eintritt des Sicherungsfalls abgelaufen ist). 288 Zutreffend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 222. 289 In BGH NJW 2010, 2948, 2949 f. Rn. 14 und BGH NJW 2017, 3437, 3438 Rn. 15, 17 ist nur noch vom Hinausschieben des Fälligkeitszeitpunkts die Rede. 290 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 222.

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naheliegend, aus der Sicherungsabrede – wegen des wirtschaftlichen Sinns und Zwecks des Sicherheitseinbehalts – einen (vorübergehenden) vertraglichen Rückzahlungsanspruch abzuleiten.291 Die Verwertung des Sicherheitseinbehalts erfolgt im Sicherungsfall durch Aufrechnung mit den gesicherten Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsansprüchen gegen die verbliebene Werklohnforderung des Auftragnehmers.292 Entsteht während der vereinbarten Sicherungsdauer keine geldwerte Forderung, auf die sich der Sicherheitseinbehalt bezieht, ist die einbehaltene Summe an den Auftragnehmer auszukehren.293 Wichtig ist, dass der Sicherheitseinbehalt nur für die gesicherten Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsansprüche verwertet werden darf und kann. Mit der Vereinbarung des konkreten Sicherungszwecks geht notwendigerweise ein stillschweigend vereinbartes Aufrechnungsverbot für ungesicherte Ansprüche – etwa aus anderweitigen Bauvorhaben – einher.294 Daraus lässt sich auch folgern, dass der einbehaltene Betrag nach Ablauf der Sicherungsdauer unbedingt an den Auftragnehmer auszukehren ist. Hiermit ist gemeint, dass der Auftraggeber die Auszahlung nicht nach § 320 BGB oder § 273 BGB wegen des Bestehens weiterer ungesicherter Ansprüche verweigern darf. Andernfalls würde der Sicherheitseinbehalt, entgegen seinem Sicherungszweck, im wirtschaftlichen Ergebnis sämtliche Ansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer absichern.295 Durch die Vereinbarung eines Sicherheitseinbehalts wird der Auftraggeber nicht daran gehindert, fällige Abschlags- oder Werklohnansprüche wegen mangelhafter Ausführung des Werks nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB ggf. i. V. m. § 632a Abs. 1 S. 4 BGB zu verweigern.296 Dies lässt sich mit der unterschiedlichen Zielrichtung des Leistungsverweigerungsrechts und des Sicherheitseinbehalts rechtfertigen. Das Leistungsverweigerungsrecht soll in erster Linie Druck auf den Auftragnehmer ausüben, damit dieser seiner Primärleistungspflicht nachkommt. Es hat demzufolge eine Anreizfunktion. Dies kommt vor allem in § 320 Abs. 1 S. 3 BGB zum Ausdruck, der dem Auftragnehmer das Recht verwehrt, das Leistungsverweigerungsrecht durch entsprechende Sicherheitsleistung zu umgehen.297 Der Sicherheitseinbehalt kann diese Wirkung nicht entfalten. Er soll dem Auftraggeber lediglich eine Sicherheit im Hinblick auf seine potenziellen Sekundäransprüche verschaffen. Dies zeigt sich auch, wenn man die jeweiligen Auszahlungsansprüche des Auftragnehmers betrachtet. Behebt der Auftragnehmer einen Mangel, hat er umgehend einen einredefreien Anspruch auf den nach §§ 320, 641 Abs. 3 BGB zurückbehaltenen 291

Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 223. BGH NJW 2017, 3437, 3438 Rn. 15; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 221, 229. 293 Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 230. 294 BGH NJW 2017, 3437 Rn. 12 ff.; vgl. auch schon BGH NJW 2001, 3629, 3630. 295 Zutreffend Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 230; vgl. die Erwägungen von BGH NJW 2017, 3437 Rn. 18 zum Aufrechnungsverbot. 296 BGH NJW 1981, 2801; BGH NJW 1982, 2494; BGH NJW 1984, 725, 726. 297 BGH NJW 1981, 2801; BGH NJW 1982, 2494. 292

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Betrag. Der Sicherheitseinbehalt wird vom Auftraggeber hingegen nicht vor Ablauf der vereinbarten Sicherungszeit ausbezahlt. Zu beachten ist allerdings, dass dem Auftragnehmer durch die gleichzeitige Geltendmachung von Zurückbehaltungsrecht und Sicherheitseinbehalt in erheblichem Ausmaß Liquidität entzogen werden kann. Es erscheint daher angebracht, den Sicherheitseinbehalt zumindest bei der Bemessung der Höhe des Leistungsverweigerungsrechts in gewissem Umfang zu berücksichtigen.298 Bei der Geltendmachung des Austauschrechts differenziert die Rechtsprechung zwischen drei verschiedenen Zeitpunkten: Wurde der Sicherheitseinbehalt schon verwertet, ist das Austauschrecht zwangsläufig gegenstandslos.299 Vor Eintritt des Sicherungsfalls – also dem Zeitpunkt, in dem noch keine geldwerten Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsansprüche entstanden sind – hat der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt unverzüglich auszuzahlen, sobald das Austauschrecht ausgeübt worden ist.300 Ist der Sicherungsfall hingegen schon bei Stellung der Bürgschaft eingetreten, kann sich der Auftraggeber aussuchen, ob er den Sicherheitseinbehalt durch Aufrechnung verwertet oder die Bürgschaft als Austauschsicherheit annimmt.301 Er muss dem Auftragnehmer allerdings unverzüglich mitteilen, für welche der Alternativen er sich entscheidet.302 Kommt er dem nicht nach, bleibt das Austauschrecht des Auftragnehmers bestehen – der Auftragnehmer muss demnach die Bürgschaft als Sicherheit akzeptieren.303 Behält der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt, obwohl ihm im Austausch eine Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft gestellt wurde, steht dem Auftragnehmer aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB (condictio ob causam finitam) ein Bereicherungsanspruch zu, der auf den Erlass der Bürgschaftsforderung und Rückgabe der Bürgschaftsurkunde gerichtet ist.304 Die Sicherungsabrede ist nämlich dahingehend auszulegen, dass die Stellung der Bürgschaft unter der auflösenden Bedingung einer alsbaldigen Auszahlung des Sicherheitseinbehalts steht.305 Für den Auftraggeber ist ein Sicherheitseinbehalt besonders attraktiv, weil er in der Höhe des einbehaltenen Betrags einen Liquiditätsvorteil erzielt. Zudem kann er die Sicherheit unmittelbar durch Aufrechnung verwerten, ohne einen unter Umständen mehrjährigen Prozess gegen den Bürgen zu führen. Außerdem ist die Vorenthaltung eines Teils des Werklohns ein geeignetes Mittel, um die Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers positiv zu beeinflussen.306 Dem Auftragnehmer wird 298 299 300 301 302 303 304 305 306

Hierfür auch BGH NJW 1981, 2801; BGH NJW 1982, 2494; BGH NJW 1984, 725, 727. BGH NJW 2001, 3629, 3630. BGH NJW 2001, 3629, 3630. BGH NJW 2001, 3629, 3630; BGH NJW 2011, 443, 445 Rn. 25. BGH NJW 2001, 3629, 3630; BGH NJW 2011, 443, 445 Rn. 25. BGH NJW 2001, 3629, 3630; BGH NJW 2011, 443, 445 Rn. 25. BGH NJW 1997, 2958; BGH NJW 2011, 1282, 1283 Rn. 12. BGH NJW 1997, 2958; BGH NJW 2011, 1282, 1283 Rn. 12. Zander, Versicherung, S. 148; Schwab, JuS 2018, 172, 173.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

demgegenüber für einen verhältnismäßig langen Zeitraum, der sich in der Gewährleistungsphase auf bis zu fünf Jahre erstreckt, Liquidität entzogen. In der Höhe des einbehaltenen Betrags hat er zudem das Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu tragen. Des Weiteren gehen ihm mögliche Zinserträge aus dem einbehaltenen Betrag verloren. Die beiden zuletzt genannten Nachteile bestehen jedoch nicht, sofern § 17 Abs. 6 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 VOB/B in den Bauvertrag einbezogen wurde. Nach dieser Vorschrift ist der (nichtöffentliche, vgl. § 17 Abs. 6 Nr. 4 VOB/B) Auftraggeber verpflichtet, dem Auftragnehmer den einbehaltenen Betrag mitzuteilen und diesen binnen 18 Werktagen nach der Benachrichtigung auf ein Sperrkonto bei einem Geldinstitut einzuzahlen. Gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 i. V. m. Abs. 5 S. 1 VOB/B muss es sich bei dem Sperrkonto um ein insolvenzfestes „Und-Konto“ handeln, über das Auftraggeber und Auftragnehmer nur gemeinsam verfügen können. Zur Verwertung des Sicherheitseinbehalts durch Aufrechnung ist der Auftraggeber daher auf die Mitwirkung des Auftragnehmers angewiesen.307 Darüber hinaus gebühren die auf dem Sperrkonto anfallenden Zinsen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 i. V. m. Abs. 5 S. 2 VOB/B dem Auftragnehmer. Kommt der Auftraggeber seiner Verpflichtung zur Einzahlung auf das Sperrkonto nicht nach, hat dies für ihn schwerwiegende Konsequenzen. Er macht sich mangels einer gegenüber dem Auftragnehmer bestehenden qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht zwar nicht gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar und haftet demzufolge auch nicht persönlich gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB.308 Allerdings kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist zur Sperrkontoeinzahlung setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf der Auftraggeber nicht nur den Sicherheitseinbehalt umgehend auszubezahlen hat, sondern jeglichen Anspruch auf zukünftige Sicherheitsleistung verliert (§ 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B). Einschränkend wird man allerdings den jeweiligen Sicherungszweck zu berücksichtigen haben. Zahlt der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt für die Vertragserfüllung nicht auf ein Sperrkonto ein, verliert er hierdurch zwar zusätzlich das Recht, eine etwaige Vertragserfüllungsbürgschaft zu fordern. Auf eine Gewährleistungssicherheit wird er aber weiterhin bestehen können, wenn eine davon gesonderte Sicherungsabrede getroffen wurde.309 Dennoch ist § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B für den Auftraggeber eine gefährliche Regelung, die erheblich über die im allgemeinen Schuldrecht vorgesehene Schadensersatzpflicht hinausgeht. Der Bundesgerichtshof geht sogar noch einen Schritt weiter. Er hält den Auftraggeber selbst dann zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf das Sperrkonto verpflichtet, wenn er bereits eine taugliche Bürgschaft als Austauschsicherheit erhalten hat.310 Der 307

Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 229; BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 5 Rn. 14. BGH NJW 2010, 2948 ff. Rn. 7 ff.; ausführlich Greeve, in: FS Hamm 2008, S. 121 ff. 309 Zutreffend BeckVOB/B/Moufang/Koos, § 17 Abs. 6 Rn. 79 m. Fn. 129; a. A. (Verlust aller Sicherheiten) Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B § 17 Rn. 213. 310 BGH NJW 2006, 442 f. Rn. 12 ff. 308

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Auftragnehmer kann dem Auftraggeber daher auch noch in diesem Stadium eine Nachfrist setzen. Sollte diese erfolglos ablaufen, hat der Auftraggeber nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B kein Recht mehr auf die bereits gestellte Bürgschaft – er muss sie daher zurückgewähren.311 In der Literatur ist diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B vereinzelt auf Kritik gestoßen.312 Einerseits spreche die Alternativität von Sicherheitseinbehalt und Bürgschaft dagegen, nach Geltendmachung des Austauschrechts vertragliche Regelungen über den Sicherheitseinbehalt anzuwenden.313 Darüber hinaus sei die Zinsregelung des § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 i. V. m. Abs. 5 VOB/B ab diesem Zeitpunkt obsolet, weil dem Auftragnehmer wegen der unberechtigten Auszahlungsverweigerung des Sicherheitseinbehalts ohnehin ein Anspruch auf Verzugszinsen zustehe.314 Diesen auf den ersten Blick plausiblen Überlegungen kann unter teleologischen Gesichtspunkten und Billigkeitserwägungen nicht gefolgt werden. Der Sicherheitseinbehalt soll die Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers absichern. Die Einzahlung auf das Sperrkonto dient demgegenüber ausschließlich dem Interesse des Auftragnehmers an einer insolvenzunabhängigen Auszahlung des einbehaltenen Betrags. Dies hat umfassend, unabhängig von einer Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs, zu gelten. Vor Geltendmachung des Austauschrechts hat der Auftraggeber den Einbehalt nicht auf ein Sperrkonto einbezahlt, obwohl er hierzu unstrittig verpflichtet war. Behält der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt ein, obwohl er eine Austauschsicherheit erhalten hat, verhält er sich erneut vertragsbrüchig. Eine restriktive Auslegung von § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3, Nr. 3 VOB/B würde demnach zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des zweifach vertragswidrig handelnden Auftraggebers führen und dem Auftragnehmer das Insolvenzrisiko aufbürden.315 Vor diesem Hintergrund ist das scharfe Schwert des § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B erst recht auf den Zeitraum nach Übergabe der Bürgschaftsurkunde anzuwenden. Die Verpflichtung zur Einzahlung auf das Sperrkonto besteht bis zur endgültigen Auszahlung fort. Hiergegen spricht auch nicht, dass der Auftragnehmer wegen der Verzugszinsen nicht auf die etwaigen Zinsen des Sperrkontos nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 i. V. m. Abs. 5 S. 2 VOB/B angewiesen ist. Dieser Regelung kommt im Vergleich zur Insolvenzfestigkeit des „Und-Kontos“ nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Sie ist daher für die vorliegende Fragestellung nicht von ausschlaggebender Relevanz. Abschließend sei auf die Praxisrelevanz des Austauschrechts hingewiesen. Besitzt der Auftragnehmer genügend Bonität, um die Bank zur Stellung einer Bürgschaft zu bewegen, wird er in aller Regel von seinem vertraglichen Austauschrecht 311 312 313 314 315

BGH NJW 2006, 442, 443 Rn. 20. Voit, ZfIR 2006, 407, 409 f. Voit, ZfIR 2006, 407, 409, 410. Voit, ZfIR 2006, 407, 409. Vgl. BGH NJW 2006, 442, 443 Rn. 21.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Gebrauch machen.316 Prinzipiell stellt die mit der Bankbürgschaft einhergehende Belastung seiner Kreditlinie und die anfallende Avalprovision für ihn, im Vergleich zur vorenthaltenen Liquidität sowie der damit zusammenhängenden Übernahme des Insolvenzrisikos und des Zinsverlusts (sofern keine Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein „Und-Konto“ vereinbart wurde), das kleinere Übel dar. Zudem darf nicht unterschätzt werden, dass sich Auftraggeber oftmals nur schwer von einbehaltenen Beträgen, mit denen sie zwischenzeitlich gewirtschaftet haben, wieder lossagen können.317 Vor diesem Hintergrund wird der Auftragnehmer bei Bareinbehalten auch mit einem nicht unerheblichen Prozessrisiko belastet.318 2. Übersicherung des Auftraggebers Häufig scheitern formularmäßige Sicherungsabreden an einer Übersicherung des Auftraggebers. Diese kann einerseits dadurch entstehen, dass sich eine Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungssicherheit isoliert betrachtet als zu hoch erweist. Andererseits kann es jedoch auch aufgrund einer Kumulation von Sicherheiten zu einer Übersicherung und einer damit verbundenen Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede kommen. a) Zulässige Obergrenze für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten In der Praxis haben sich für eine Vertragserfüllungsbürgschaft 10 % und für eine Gewährleistungsbürgschaft 5 % der Auftrags- bzw. Schlussrechnungssumme als Sicherungshöhe durchgesetzt. Die Rechtsprechung hat diese Prozentangaben aufgegriffen und formularmäßige Sicherungsabreden, die sich innerhalb dieser Grenzen bewegen, nicht beanstandet.319 Daran hat auch die Einführung des § 632a Abs. 3 S. 1 BGB. a. F. (nunmehr § 650m Abs. 2 S. 1 BGB) nichts geändert. Die Bestimmung des § 650m Abs. 2 S. 1 BGB gibt dem Verbraucher im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags für die Vertragserfüllungsphase eine fünfprozentige Sicherheit.320 Hierdurch legt sie einen gesetzlichen Mindestschutz für einen Besteller im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags fest.321 Ein Leitbild im Sinne einer gesetzlich 316

Koppmann, BauR 1992, 234; v. Wietersheim, MDR 1998, 630. Bomhard, BauR 1998, 179, 180. 318 Bomhard, BauR 1998, 179, 180. 319 Siehe zu Vertragserfüllungsbürgschaften BGH NJW 2011, 2125, 2126 f. Rn. 19; BGH NJW 2014, 1725, 1726 Rn. 15; BGH NJW 2016, 1945, 1951 Rn. 72; BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 27; siehe zu Gewährleistungsbürgschaften BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28; BGH NJW 2014, 1725, 1727 Rn. 20; BGH NJW 2014, 3642, 3644 Rn. 24; kritisch v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 323 f., der für Gewährleistungsbürgschaften wegen des langen Gewährleistungszeitraums und der damit verbundenen Belastung des Auftragnehmers eine Obergrenze in Höhe von 3 % der Abrechnungssumme vorschlägt. 320 Siehe hierzu ausführlich oben, S. 107 ff. 321 Vgl. zur alten Rechtslage BGH NJW 2016, 1945, 1951 Rn. 71. 317

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festgelegten Höchstgrenze für Vertragserfüllungssicherheiten kann ihr folglich nicht entnommen werden.322 Für Gewährleistungssicherheiten enthalten die Regelungen der §§ 631 ff. BGB ohnehin keinen Anhaltspunkt. Das wesentlich niedrigere Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers im Gewährleistungsstadium ist vor allem auf die Abnahme zurückzuführen.323 Billigt der Auftraggeber das Werk als im wesentlichen vertragsgerechte Leistung, ist er weit weniger schutzwürdig als in der Vertragserfüllungsphase. Die Anknüpfung an die Auftrags- bzw. Schlussrechnungssumme ist für den Auftraggeber mit verschiedenen Vor- und Nachteilen verbunden. Bei der Auftragssumme, die Vertragserfüllungssicherheiten zugrunde gelegt wird, handelt es sich um die im Zeitpunkt des Bauvertragsabschlusses vereinbarte Vergütung.324 Die Abrechnungssumme, die in aller Regel als Anknüpfungspunkt für Gewährleistungssicherheiten gewählt wird, knüpft hingegen an den Betrag der Schlussrechnung an.325 Im Gegensatz zur Auftragssumme, die nur eine vorläufige Größe darstellt, berücksichtigt die Abrechnungssumme daher die bei Bauverträgen infolge von Nachträgen so gut wie immer auftretenden Anpassungen des ursprünglich vereinbarten Vergütungsanspruchs.326 Sie spiegelt somit die Rechtswirklichkeit deutlich besser wider. Problematisch ist jedoch, dass zwischen den Bauvertragsparteien oftmals Streit über die letztendliche Vergütungshöhe entsteht. Sofern die Abrechnungssumme als Bezugsgröße gewählt wird, droht daher gleichzeitig eine hitzige Debatte über die geschuldete Sicherungshöhe. Dieses Szenario wird vermieden, wenn der Auftraggeber die Gewährleistungssicherheit anhand der meist unstreitigen Auftragssumme bemisst.327 Kommt es infolge von Einsparungsmaßnahmen oder einer Kündigung zu einer erheblichen Reduzierung der ursprünglich vereinbarten Vergütung, läuft der Auftraggeber hierdurch jedoch zugleich Gefahr, in die Falle einer nachträglichen Übersicherung zu tappen.328 Für diese Konstellation sollte daher in der Sicherungsabrede ein potenzieller Teilfreigabeanspruch des Auftragnehmers vorgesehen werden. Darauf, dass der Bundesgerichtshof einen solchen Freigabeanspruch auch ohne explizite Vereinbarung unmittelbar aus der Sicherungsabrede ableitet, sollte man sich – auch wenn dies naheliegend erscheint329 – nicht verlassen. 322

BGH NJW 2016, 1945, 1951 Rn. 70. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28; BGH NJW 2014, 3642, 3644 Rn. 24. 324 Dege, NZBau 2019, 157, 158. 325 Dege, NZBau 2019, 157, 158. 326 Dege, NZBau 2019, 157, 158. 327 Dege, NZBau 2019, 157, 158. 328 Dege, NZBau 2019, 157, 158 f.; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 108/1 und Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 45 raten deswegen bei Gewährleistungssicherheiten von einer Anknüpfung an die Auftragssumme ab. 329 Bei einem teilweisen Wegfall des Sicherungszwecks hat der BGH, in Anlehnung an seine Rechtsprechung zur Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten mit revolvierendem Bestand und Globalzessionen (BGH NJW 1998, 671 ff.), eine entsprechende Verpflichtung zur 323

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Als weitere denkbare Bezugsgröße für Gewährleistungssicherheiten hat sich neuerdings im aktuellen Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes auf Formularblatt 214 und im Vergabehandbuch Bayern auf Formblatt 214.H die vorläufige Abrechnungssumme „eingeschlichen“. Es ist anzunehmen, dass diese Berechnungsgrundlage in Zukunft von weiteren öffentlichen und gewerblichen Auftraggebern aufgegriffen wird. Definiert wird die vorläufige Abrechnungssumme an besagten Stellen als „Summe der Abschlagszahlungen zum Zeitpunkt der Abnahme“. Sowohl Abnahmezeitpunkt als auch die Höhe der bis dahin geleisteten Abschlagszahlungen lassen sich relativ leicht ermitteln.330 Hierdurch gewinnen Auftraggeber und Auftragnehmer gegenüber dem Bezugspunkt der endgültigen Abrechnungssumme vor allem Rechtssicherheit.331 Andererseits erlangt der Auftraggeber eine geringere Sicherheit als bei einer Orientierung an der endgültigen Abrechnungssumme, da die ausstehende Schlusszahlung nicht bei der Bestimmung der Sicherungshöhe berücksichtigt wird. Die vorläufige Abrechnungssumme stellt daher einen Kompromiss zwischen den beiden etablierten Bezugsgrößen dar. AGBrechtlich ist sie nicht zu beanstanden.332 Sie bringt ihrerseits jedoch zwei Probleme mit sich. Zum einen wird man davon ausgehen müssen, dass sich Einbehalte von Abschlagszahlungen, die noch nicht an den Auftragnehmer ausgezahlt wurden, negativ auf die Sicherungshöhe der Gewährleistungssicherheit auswirken. Das ist zwar ein höchst unbefriedigendes Ergebnis. Die eindeutige Anknüpfung der vorläufigen Abrechnungssumme an die bereits geleisteten Abschlagszahlungen zum Zeitpunkt der Abnahme lässt meines Erachtens jedoch, entgegen der in der Literatur vertretenen Gegenauffassung333, keine anderweitige Auslegung zu. Zum anderen ist zu beachten, dass es dem Auftragnehmer frei steht, Abschlagszahlungen zu verlangen. Er könnte daher versucht sein, eine möglichst große Lücke zwischen den geltend gemachten Abschlagszahlungen und der Schlussrechnungsforderung zu lassen, um Einfluss auf die Sicherungshöhe zu nehmen.334 Die Verwirklichung eines solchen Manipulationsrisikos dürfte jedoch, abseits von kleineren Bauvorhaben, als relativ gering eingestuft werden, weil die gesparte Avalprovision in aller Regel außer Verhältnis zum damit einhergehenden Liquiditätsverlust des Auftragnehmers steht.335 Insgesamt bleibt abzuwarten, ob sich die vorläufige Abrechnungssumme in der Praxis als dritte Bezugsgröße etablieren wird. Wurde die Berechnungsgrundlage festgelegt, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, ob die Sicherheit brutto (das heißt inklusive der Umsatzsteuer) oder netto Freigabe der Bürgschaft aus den §§ 133, 157 BGB abgeleitet (BGH NJW 2015, 1952, 1954 f. Rn. 48 f.). Hieraus folgt meines Erachtens auch, dass die Bürgschaft in dem Umfang der reduzierten Auftragssumme freizugeben ist. 330 Dege, NZBau 2019, 157, 159. 331 Dege, NZBau 2019, 157, 159. 332 Zu den Einzelheiten Dege, NZBau 2019, 157, 159 ff. 333 Dege, NZBau 2019, 157, 161. 334 Dege, NZBau 2019, 157, 162. 335 Dege, NZBau 2019, 157, 162.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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geschuldet wird. Um diese Frage beantworten zu können, müssen die Grundlagen des deutschen Umsatzsteuerrechts beachtet werden. Die Umsatzsteuer ist eine Steuerschuld, die letztlich einzig und allein vom Endverbraucher zu tragen ist.336 Dennoch wird die Umsatzsteuer in jeder Phase einer unternehmerischen Leistung erhoben.337 Steuerschuldner ist grundsätzlich gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der in der jeweiligen Produktions- oder Handelsstufe leistende Unternehmer. Dieser hat den Steuerbetrag von 19 % (vgl. § 12 Abs. 1 UStG) auf das vom Leistungsempfänger geschuldete Nettoentgelt (= Bemessungsgrundlage, vgl. § 10 Abs. 1 UStG) an das Finanzamt abzuführen. Vor dem Hintergrund, dass Steuerträger (Endverbraucher) und Steuerschuldner (Unternehmer) auseinanderfallen, bezeichnet man die Umsatzsteuer als indirekte Steuer.338 Die intendierte Kostenneutralität im unternehmerischen Bereich wird einerseits dadurch gewährleistet, dass der Leistungserbringer die für seine ausgeführten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer über den Preis an den jeweiligen Leistungsempfänger abwälzt.339 Andererseits ist jedoch zu beachten, dass er im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit meistens auf die Leistungen anderer Unternehmer angewiesen ist. Der Leistungserbringer ist daher auch mit der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer anderer Unternehmer beschwert. Diese bezahlte Fremd-Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen wird als Vorsteuer bezeichnet.340 Der Unternehmer erhält sie in aller Regel im Rahmen des sog. Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1 UStG) vom Finanzamt über einen Abzug von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld zurück.341 Letztlich werden die in der Leistungskette tätigen Unternehmer daher nicht mit der Umsatzsteuer belastet. Der Endverbraucher kann demgegenüber keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Er hat die von seinem Unternehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer somit endgültig zu tragen. Für den Bausektor ist allerdings in Abweichung zu den soeben genannten Grundsätzen § 13b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 7 UStG und § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG zu beachten. Im Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist nicht der Leistungserbringer, sondern der Leistungsempfänger zur Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt verpflichtet. Es kommt demzufolge zu einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft (sog. Reverse-Charge-Verfahren).342 Nach § 13b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 7 UStG schulden Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Werklieferungen von im Ausland ansässigen Unternehmen beziehen, die Umsatzsteuer. Der Begriff der Werklieferung ist in § 3 Abs. 4 UStG legaldefiniert. Er ist nicht mit seinem zi336 337 338 339 340 341 342

Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1635, 1644, 1647. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1635, 1644, 1647. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1620. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1635, 1644, 1647. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1646. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1635, 1644, 1647. Bunjes/Leonard/Korn, § 13b UStG Rn. 1.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

vilrechtlichen Pendant aus § 650 BGB gleichzusetzen. Unter den umsatzsteuerrechtlichen Begriff der Werklieferung fällt klassischerweise auch die Errichtung eines Bauwerks,343 obwohl es sich hierbei zivilrechtlich nicht um einen Werklieferungsvertrag, sondern um einen Werkvertrag in Gestalt eines Bauvertrags handelt. Die Vorschrift des § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ist für das Baugewerbe noch praxisrelevanter. Sie bestimmt, dass ein Leistungsempfänger, der Bauleistungen (zu denen auch Werklieferungen nach § 3 Abs. 4 UStG zählen) von einem inländischen344 Unternehmer erbringen lässt, dann Steuerschuldner ist, wenn es sich bei ihm selbst um einen Bauunternehmer im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG handelt. Beauftragt demzufolge ein Generalunternehmer einen Nachunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen, ist nicht der Auftragnehmer, sondern der Auftraggeber Steuerschuldner. Zu beachten ist jedoch, dass das Reverse-ChargeVerfahren keine Anwendung auf reine Bauträger findet, die ausschließlich Bauwerke auf eigenen Grundstücken zum Zweck des Verkaufs errichten lassen.345 Der Grund hierfür liegt darin, dass reine Bauträger steuerfreie Grundstückslieferungen nach § 4 Nr. 9 lit. a UStG und keine Bauleistungen im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG erbringen.346 Durch § 13b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 7 UStG soll die Steuererhebung bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug vereinfacht und Steuerausfälle verhindert werden.347 Auch § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG verfolgt das Ziel, Steuerausfällen in der besonders betrugsanfälligen Baubranche entgegenzuwirken.348 Aus der Umkehr der Steuerschuldnerschaft folgt keine Benachteiligung des Leistungsempfängers, weil er in Höhe der nunmehr von ihm selbst abzuführenden Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG vorsteuerabzugsberechtigt bleibt. Es handelt sich für ihn daher weiterhin um ein reines Nullsummenspiel. Der leistende Unternehmer wird hingegen begünstigt, weil er die Umsatzsteuer – anders als im gesetzlich vorgesehenen Regelfall – nicht an das Finanzamt abzuführen hat, bevor er die entsprechende Summe vom Auftraggeber erhält.349 Ihn trifft daher insoweit keine Vorfinanzierungspflicht. Dies begründet auf Seiten des Auftragnehmers einen erheblichen Liquiditätsvorteil. Für die Frage, ob eine Sicherheit brutto oder netto geschuldet wird, lassen sich Erkenntnisse aus den umsatzsteuerrechtlichen Ausführungen gewinnen. Verlangt der Auftraggeber eine Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 5 % der nicht näher 343

BFH DStR 2013, 2560, 2562 f. Rn. 36 f.; Bunjes/Leonard/Robisch, § 3 UStG Rn. 181. Handelt es sich um einen ausländischen Bauunternehmer, ist gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 2 UStG die speziellere Regelung des § 13b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 7 UStG einschlägig. 345 BFH DStR 2013, 2560, 2565 Rn. 59; BeckOK UStG/Spilker, § 13b Rn. 208. 346 BFH DStR 2013, 2560, 2565 Rn. 59; BeckOK UStG/Spilker, § 13b Rn. 208. 347 BeckOK UStG/Spilker, § 13b Rn. 16. 348 Näher BeckOK UStG/Spilker, § 13b Rn. 19. 349 E. Groß, BauR 2005, 1084, 1085. 344

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konkretisierten Auftragssumme, kommt es darauf an, ob in dem vertraglichen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers die Umsatzsteuer enthalten ist. Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, hat der Auftragnehmer die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Er wälzt den rechnerischen Umsatzsteuerbetrag daher über den Preis an den Verbraucher ab. Da der Auftragswert sich um den entsprechenden Betrag erhöht, kann der Verbraucher demzufolge eine Bruttosicherheit beanspruchen. Im hier interessierenden unternehmerischen Bereich kommt es demgegenüber in aller Regel nach § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft. Als Paradebeispiel lässt sich an dieser Stelle wieder die Beauftragung eines Nachunternehmers durch einen Generalunternehmer anführen. Da der Generalunternehmer die Umsatzsteuer abführen muss, vereinbaren die Parteien in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage nur die Zahlung eines Nettobetrags. Hiermit in Einklang ordnet § 14a Abs. 5 S. 1 UStG an, dass der Auftragnehmer in seinen Nettorechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen hat. Die Vertragserfüllungssicherheit bemisst sich daher meines Erachtens – ohne jeden Zweifel – anhand der Nettoauftragssumme.350 Dem wurde zum Teil entgegengehalten, dass § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG nichts an der Vergütungsstruktur des Bauvertrags ändere.351 Die Vorschrift diene nur der Vereinfachung der Steuererhebung und der Bekämpfung von Steuerausfällen.352 Wer die Umsatzsteuer letztlich abzuführen habe, sei für die vorliegende Frage ohne Belang. Die Hinweispflicht aus § 14a Abs. 5 S. 1 UStG beweise vielmehr, dass die Umsatzsteuer trotz des Reverse-Charge-Verfahrens zur vertraglich geschuldeten Vergütung gehöre.353 Die Vertragserfüllungssicherheit habe sich demzufolge nach der (hypothetischen) Bruttoauftragssumme zu richten.354 Diese Auffassung überzeugt nicht. Der Verweis auf § 14a Abs. 5 S. 1 UStG ist nicht weiterführend. Bei dem Hinweis des Auftragnehmers handelt es sich lediglich um einen „Service für den Leistungsempfänger“355, der für das zivilrechtliche Auslegungsergebnis ohne Belang ist.356 Entscheidend ist demgegenüber, dass der Auftragnehmer die Umsatzsteuer nicht über den Preis an den Auftraggeber weitergibt, weil er diese wegen § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht an das Fi350 Vgl. hierzu die Ausführungen von Döhler, BauR 2006, 14, 16 f. und Theurer, BauR 2006, 7, 8 ff. zu Gewährleistungssicherheiten, die sich anhand eines Prozentsatzes der nicht näher konkretisierten Abrechnungssumme orientieren. 351 E. Groß, BauR 2005, 1084, 1087; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62. 352 E. Groß, BauR 2005, 1084, 1086 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62. 353 E. Groß, BauR 2005, 1084, 1087; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62. 354 E. Groß, BauR 2005, 1084, 1087; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62. 355 BeckOK UStG/Weymüller, § 14a Rn. 51. 356 Döhler, BauR 2006, 14, 17.

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nanzamt abzuführen hat.357 Es existiert daher bei natürlicher Betrachtung des Sachverhalts überhaupt keine Bruttoauftragssumme. Dieses Auslegungsergebnis kann nicht torpediert werden, indem die nunmehr vom Auftraggeber geschuldete Umsatzsteuer in den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers hineinprojiziert wird. Der Auftraggeber schuldet die Umsatzsteuer dem Finanzamt; er ist wegen § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG gerade nicht dazu verpflichtet, dem Auftragnehmer einen entsprechenden Betrag (zusätzlich) über die Vergütung zukommen zu lassen. Die abzuführende Umsatzsteuer als Bestandteil der Auftragssumme zu betrachten und auf diese Weise eine fiktive Bruttoauftragssumme herzuleiten, ist daher fernliegend. Diese Sichtweise wird auch durch § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 und 2 VOB/B gestützt. Ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 10 % der Auftragssumme kann in der Vertragserfüllungsphase auf zwei verschiedene Arten realisiert werden. Der Auftraggeber kann den vereinbarten Sicherungsbetrag entweder auf einen Schlag von der ersten Abschlagszahlung einbehalten oder ihn sukzessive über einen bestimmten Prozentsatz jeder Abschlagszahlung aufbauen. An die zweite Variante knüpft § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B an. Die Regelung sieht vor, dass bei einem Sicherheitseinbehalt, der über Teilbeträge aufgebaut wird, von jeder einzelnen Zahlung höchstens 10 % einbehalten werden dürfen, bis die vereinbarte Sicherungssumme (in Höhe von 10 % der Auftragssumme) erreicht ist. § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B bestimmt sodann, dass die Umsatzsteuer im Rahmen von § 13b UStG für die Berechnung des Sicherheitseinbehalts keine Rolle spielt. Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen hat mit § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B die Regelungsabsicht verfolgt, Fälle zu unterbinden, in denen der Auftraggeber die fiktive Umsatzsteuer auf die Gesamthöhe des Sicherheitseinbehalts aufschlägt.358 In der Literatur wird demgegenüber zum Teil vertreten, dass die Vorschrift, entgegen ihrer ursprünglichen Intention, keine Aussage zur Gesamthöhe des Sicherheitseinbehalts enthält.359 Aus ihrer systematischen Stellung gehe vielmehr hervor, dass sie nur regle, wie die nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B einbehaltenen Teilbeträge zu bemessen sind.360 Wie hoch der Sicherheitseinbehalt insgesamt zu sein hat, könne hingegen einzig und allein der Sicherungsabrede entnommen werden.361 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Der Wortlaut von § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B stellt explizit nicht auf die Bemessung der einzelnen Teilbeträge, 357

Döhler, BauR 2006, 14, 16 f. Vgl. den entsprechenden Beschluss des Hauptausschusses Allgemeines vom 27. 06. 2006, abrufbar unter https://bremen-handwerk.de/cms_sources/dateien/intern/rundschreiben/ 0634/TOP2_VOB06.pdf. 359 BeckVOB/B/Moufang/Koos, § 17 Abs. 6 Rn. 26; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 9. 360 BeckVOB/B/Moufang/Koos, § 17 Abs. 6 Rn. 26; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 9. 361 BeckVOB/B/Moufang/Koos, § 17 Abs. 6 Rn. 26; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 62, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 9. 358

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sondern auf die Berechnung des Sicherheitseinbehalts in seiner Gesamtheit ab. Demnach hat die Vorschrift trotz ihrer systematisch unglücklichen Stellung eindeutig die endgültige Sicherungshöhe im Blick. Sie legt die Sicherungshöhe zwar nicht abschließend fest. Aus ihr folgt jedoch ausdrücklich, dass sich die Gesamthöhe des Sicherheitseinbehalts für Vertragserfüllungsansprüche im Anwendungsbereich von § 13b UStG mangels abweichender Vereinbarung an der Nettoauftragssumme orientiert. Kann der Auftragnehmer den Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft ablösen, ist für die Personalsicherheit folglich auch die Nettoauftragssumme maßgebend. Selbst wenn man der Gegenauffassung folgt und § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B keine Bedeutung hinsichtlich der Gesamthöhe des Sicherheitseinbehalts beimisst, wäre es fernliegend, dem Auftraggeber im Wege der Auslegung eine Sicherheit anhand der fiktiven Bruttoauftragssumme zuzubilligen, obwohl er von jeder Abschlagszahlung nur einen Nettobetrag einbehalten darf. Es bleibt daher dabei, dass sich die Vertragserfüllungssicherheit im Anwendungsbereich von § 13b UStG bei einer fehlenden ausdrücklichen Vereinbarung anhand der vertraglich festgelegten Nettoauftragssumme orientiert. Dies hat erst recht zu gelten, wenn eine Gewährleistungssicherheit in Höhe eines prozentualen Betrags einer nicht näher konkretisierten Abrechnungssumme zu stellen ist, weil die Schlussrechnungssumme wegen der Umkehr der Steuerschuldnerschaft explizit einen Nettobetrag ausweist.362 Selbiges ist anzunehmen, wenn sich die Gewährleistungssicherheit prozentual an der vorläufigen Abrechnungssumme orientiert.363 Ohne Belang ist insoweit, dass Abschlagszahlungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B einschließlich des auf die vertragsgemäßen Leistungen entfallenden Umsatzsteuerbetrags geschuldet werden, weil die Regelung im Anwendungsbereich von § 13b Abs. 5 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG wirkungslos bleibt.364 Festzuhalten ist damit, dass im unternehmerischen Bereich bei einer fehlenden Klarstellung meistens die jeweilige Nettosumme ausschlaggebend ist. Für einen durchschnittlichen Vertragspartner aus dem Baugewerbe ist meines Erachtens auch eindeutig erkennbar, dass bei einer geschuldeten Vergütung und Abrechnung nach Netto-Beträgen im Rahmen von § 13b UStG keine Brutto-Sicherheit verlangt werden kann. Da die schlichte Anknüpfung an die Auftrags- bzw. Abrechnungssumme folglich nicht mehrdeutig ist, findet die Vorschrift des § 305c Abs. 2 BGB keine Anwendung.365 Wegen der hinreichenden Klarheit scheidet demnach auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB aus. 362

Theurer, BauR 2006, 7, 8 ff.; Döhler, BauR 2006, 14, 16 f.; in dieser Fallgestaltung hält auch Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 63 die Nettoabrechnungssumme für maßgebend; a. A. nur E. Groß, BauR 2005, 1084, 1087. 363 A. A. Dege, NZBau 2019, 157, 159. 364 Dies wird von Dege, NZBau 2019, 157, 159 verkannt. 365 Auch Theurer, BauR 2006, 7, 8, 12 bezweifelt die Mehrdeutigkeit. Sie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass jedenfalls über § 305c Abs. 2 BGB die für den Auftragnehmer günstigere Nettorechnungssumme zum Tragen kommt. Hierauf stützt sich auch Döhler, BauR 2006, 14, 18. Diese Annahme ist allerdings, sofern man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine

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Das Auslegungsergebnis bereitet allerdings Probleme, wenn ein vorsteuerabzugsberechtigter Auftraggeber, der kein Bauunternehmer im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ist, eine Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungssicherheit verlangt, die sich nach einem bestimmten Prozentsatz der nicht näher konkretisierten Auftragsbzw. Abrechnungssumme bemisst. Beauftragt beispielsweise der Inhaber eines Kaufhauses einen Bauunternehmer mit der Erweiterung seines Geschäfts für 100.000 E netto und wurde im Bauvertrag eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit in Höhe von 10 % und 5 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme vereinbart, so wird auf die jeweiligen Bruttosummen Bezug genommen, weil es in dieser Konstellation zu keiner Umkehr der Steuerschuldnerschaft kommt. Für den idealtypischen Fall, dass Auftrags- und Abrechnungssumme übereinstimmen, kann der Kaufhausinhaber folglich eine Vertragserfüllungssicherheit über 11.900 E und eine Gewährleistungssicherheit über 5.950 E beanspruchen. Dies erscheint nicht sachgerecht, weil der Kaufhausinhaber in Höhe von 19.000 E vorsteuerabzugsberechtigt ist. Effektiv erhält er demnach in der Vertragserfüllungsphase eine Sicherheit in Höhe von 11,9 % bzw. in der Gewährleistungsphase eine Sicherheit in Höhe von 5,95 % der für ihn maßgeblichen Nettosumme.366 Hierin ist bei einem starren Verständnis der Höchstgrenzen eine Übersicherung zu erblicken, die zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede führt. Entkräften ließe sich dies jedoch mit dem Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten sollen vor allem Ansprüche statt der (Nach-)Erfüllung absichern. Kommt der Bauunternehmer seiner Verpflichtung zur Erstellung des Bauwerks oder zur Mängelbeseitigung nicht nach, kann der Auftraggeber einen Drittunternehmer mit der Fertigstellung bzw. Mängelbeseitigung beauftragen. Für die angefallenen Kosten367 kann der Auftraggeber sodann unter den jeweils einschlägigen Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz der Selbstvornahmekosten von seinem ursprünglichen Bauunternehmer verlangen. Da der Drittunternehmer dem Kaufhausinhaber Rechnungen inklusive dem von ihm abzuführenden Umsatzsteuerbetrag stellt, ließe sich vertreten, dass der Auftraggeber letztlich doch mit einem Bruttobetrag belastet wird, der von der Sicherheitsleistung kompensiert werden soll. Vor diesem Hintergrund könnte man dazu geneigt sein, dem Auftraggeber doch eine Sicherheit zuzubilligen, die sich anhand der Bruttoauftrags- oder Bruttoabrechnungssumme orientiert. Hierbei wird jedoch verkannt, dass der Kaufhausinhaber auch in Höhe des Umsatzsteuerbetrags, den er an den Drittunternehmer zahlt, vorsteuerabzugsberechtigt Mehrdeutigkeit der Klausel bejaht, keineswegs zwingend. Unter Umständen kann sich durch die Bezugnahme auf die Bruttosumme eine Übersicherung ergeben (siehe hierzu sogleich). In diesem Fall wäre das Abstellen auf die Bruttosumme für den Auftragnehmer vorteilhafter, weil sie zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede führt. 366 Siehe zur Vertragserfüllungssicherheit Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 177 und zur Gewährleistungssicherheit Schmitz, Sicherheiten, Rn. 109. 367 Seit der Rechtsprechungsänderung durch BGH NJW 2018, 1463 sind fiktive Mängelbeseitigungskosten nicht mehr ersatzfähig.

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ist. Diesen Vorteil muss er sich im Rahmen seines geltend gemachten Schadensersatz- bzw. Kostenersatzanspruchs anrechnen lassen.368 Andernfalls würde er zu Unrecht bereichert sein, weil er den gezahlten Betrag sowohl vom Finanzamt als auch von seinem ursprünglichen Bauunternehmer erstattet bekommen würde.369 Festzuhalten bleibt damit, dass der Kaufhausinhaber mit den Sicherheiten in Höhe von 11.900 E und 5.950 E wegen des Vorsteuerabzugs Drittleistungen mit einem Marktwert in Höhe von 14.161 E brutto und 7080,50 E brutto finanzieren kann. Hierdurch wird er unbillig privilegiert. Dies lässt sich nochmals anhand eines Vergleichs mit anderen Fallgruppen illustrieren.370 Beauftragt ein Verbraucher einen Bauunternehmer mit dem Umbau seines Hauses in Höhe von 100.000 E netto, bemisst sich seine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit, sofern im Bauvertrag nur von der nicht näher konkretisierten Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesprochen wird, ebenfalls anhand des Bruttobetrags, weil der Leistungserbringer die Umsatzsteuer abzuführen hat und diese über den Preis an den Auftraggeber abwälzt. Bei gleichbleibenden Prozentangaben steht dem Verbraucher dementsprechend eine Vertragserfüllungssicherheit über 11.900 E und eine Gewährleistungssicherheit über 5.950 E zu. Im Gegensatz zum Kaufhausinhaber ist der Verbraucher jedoch nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Er kann mit den Sicherheiten daher (berechtigterweise) nur Drittleistungen in Höhe ihres jeweiligen Werts von 5.950 E brutto und 11.900 E brutto begleichen. Schließt ein Generalunternehmer hingegen mit einem Nachunternehmer einen Bauvertrag über 100.000 E netto, ist er nach den obigen Auslegungsgrundsätzen wegen der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nur dazu berechtigt, eine Sicherheit zu verlangen, die sich an der Nettoauftrags- bzw. Nettoabrechnungssumme orientiert. Der Generalunternehmer erhält demnach eine Vertragserfüllungssicherheit über 10.000 E und eine Gewährleistungssicherheit über 5.000 E. Mit den Sicherheiten kann der Generalunternehmer jedoch Drittleistungen mit einem Marktwert von 5.950 E brutto und 11.900 E brutto finanzieren, da er in Höhe der von ihm selbst abzuführenden Umsatzsteuer vorsteuerabzugsberechtigt ist. Insgesamt zeigt sich somit, dass der Kaufhausinhaber deutlich besser dasteht, weil er sich bei der Sicherungshöhe auf einen reinen Durchlaufposten stützt, der ihn auch bei der späteren Verwertung nicht tangiert. Wegen der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen dürften seine Sicherheiten – um einen Gleichklang mit den anderen Fallkonstellationen zu erzielen – nur 10.000 E und 5.000 E (= 10 % und 5 % der für ihn maßgebenden Nettosumme) betragen. Das Auslegungsergebnis, wonach es auf die Bruttoauftrags- bzw. Bruttoabrechnungssumme ankommt, ist daher höchst problematisch. Auch wenn die momentane Rechtsprechung nachsichtig ist und 368 BGH NJW 1972, 1460, 1461; BGH NJW 2010, 3085, 3086 Rn. 16; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 498, 499; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 532, 533; OLG Celle NJOZ 2004, 3432 f.; OLG Stuttgart BauR 2008, 2056, 2057; Hänsel/V. Schmidt, NJW-Spezial 2010, 556. 369 BGH NJW 1972, 1460, 1461. 370 Siehe zu dieser Gegenüberstellung grundlegend Döhler, BauR 2006, 14, 17 f., der jedoch nicht auf den Gesichtspunkt der Übersicherung eingeht.

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(noch) nicht auf die Vorsteuerabzugsberechtigung im Zusammenhang mit Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten eingeht, sollte das hierdurch begründete Risiko einer Übersicherung nicht unterschätzt werden. Gerade vor dem Hintergrund der immer kleinlicheren Rechtsprechungslinie zu Sicherheiten im Baugewerbe (hierzu ausführlich im Folgenden) besteht die Gefahr, dass die Gerichte diese naheliegende Differenzierung ebenfalls einfordern werden. Vorsorglich sollten demzufolge alle vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer – unabhängig von einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft – die Nettoauftrags- bzw. Nettoschlussrechnungssumme als Bezugsgröße wählen.371 Nur auf diese Weise wird die Gefahr einer Übersicherung mit absoluter Gewissheit gebannt. b) Übersicherung durch Kumulation Die formularvertraglichen Obergrenzen von 10 % und 5 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten werden auch dann missachtet, wenn mehrere, isoliert betrachtet zulässige Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit die einschlägigen Schwellenwerte überschreiten. Solche Summierungseffekte können vor allem in zwei Szenarien auftreten. Einerseits kann es zu einer Übersicherung kommen, wenn für den Auftragnehmer nachteilige Abschlagszahlungsvereinbarungen mit einer (zusätzlichen) Vertragserfüllungsbürgschaft gepaart werden. Andererseits sind Konstellationen besonders gefährlich, in denen sich die Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit überschneiden. aa) Vertragserfüllungsbürgschaft und nachteilige Abschlagszahlungsvereinbarung Zu der zuerst genannten Fallgruppe hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit in zwei Urteilen Stellung bezogen. (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09. 12. 2010 In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09. 12. 2010372 hatte ein Generalunternehmer, der den Neubau eines Universitätsklinikums ausführte, einen mittlerweile insolventen Nachunternehmer mit Leistungen für raumlufttechnische Anlagen unter Einbeziehung der VOB/B beauftragt. Der Nachunternehmer hatte dem Generalunternehmer nach der Sicherungsabrede eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 10 % der Bruttoauftragssumme373 zu be371 Zutreffend Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 177; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 109; Hildebrandt, BauR 2007, 203, 209; auch BeckVOB/B/Rudolph/Koos, § 17 Abs. 1 Rn. 236 und Weise, NJW-Spezial 2019, 44, 45 empfehlen vorsichtshalber, im unternehmerischen Bereich auf die jeweilige Nettosumme abzustellen. 372 BGH NJW 2011, 2125. 373 Dies geht aus der vorinstanzlichen Entscheidung (OLG München BauR 2010, 1230, 1231) hervor.

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schaffen. Zusätzlich wurde in dem Bauvertrag vereinbart, dass Abschlagszahlungen nur in Höhe von 90 % der jeweiligen Rechnungssumme ausbezahlt werden. Eine volle Auszahlung der Abschlagszahlungen (abzüglich eines 5 %-igen Gewährleistungseinbehalts) konnte vom Auftragnehmer nur unter gleichzeitiger Verlängerung der Prüfungsfrist für die Abschlagsrechnungen von 7 auf 25 Arbeitstage verlangt werden. Dieser Wahlmöglichkeit des Auftragnehmers hat der Bundesgerichtshof jedoch keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Nachdem der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt hatte, wandte er sich wegen der Fertigstellungsmehrkosten und eines Vertragsstrafenanspruchs an den Bürgen. Dieser verweigerte seine Inanspruchnahme jedoch unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede. Anzumerken ist zunächst, dass der Bundesgerichtshof – worauf später genauer einzugehen ist374 – der formularvertraglichen Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in seinen früheren Urteilen vom 18. 04. 2002375 und 04. 07. 2002376 die Wirksamkeit versagt hat. Der Vertrag mit dem Nachunternehmer wurde allerdings am 11. 06. 2001 geschlossen. Für Bauverträge, die vor dem 01. 01. 2003 zustande gekommen sind, hat der Bundesgerichtshof den Auftraggebern Vertrauensschutz gewährt.377 Über das Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Auftragnehmer statt der Bürgschaft auf erstes Anfordern eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet.378 Die vor dem Stichtag geschlossene Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern führt dementsprechend nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.379 Der Auftragnehmer kann vom Auftraggeber lediglich eine schriftliche Erklärung verlangen, in der er sich gegenüber ihm und dem Bürgen dazu verpflichtet, die Bürgschaft auf erstes Anfordern nur als selbstschuldnerische Bürgschaft durchzusetzen.380 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs begegnet eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Bruttoauftragssumme (isoliert betrachtet) keinen Wirksamkeitsbedenken.381 Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zur Vorsteuerabzugsberechtigung sollten Generalunternehmer die Sicherheitsleistung allerdings vorsichtshalber anhand der Nettoauftragssumme bemessen. Eine unangemessene Benachteiligung resultiert jedoch aus dem Zusammenwirken mit der zusätzlich vereinbarten Abschlagszahlungsregelung.382 Die Abrede über 374 375 376 377 378 379 380 381 382

Siehe hierzu ausführlich unten, S. 235 ff. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 3098 f. BGH NJW-RR 2004, 880, 881. BGH NJW 2002, 3098, 3099. BGH NJW 2002, 3098, 3099; BGH NJW-RR 2004, 880, 881. BGH NJW-RR 2004, 880, 881 mit Bezugnahme auf BGH NJW 2003, 2605, 2607. BGH NJW 2011, 2125, 2126 f. Rn. 19. BGH NJW 2011, 2125, 2126 f. Rn. 12 ff.

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die gekürzten Abschlagszahlungen nimmt nämlich keinerlei Bezug auf die Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen. Durch sie wird lediglich geregelt, dass 10 % jeder Abschlagsrechnung einbehalten werden können. Ihr fehlt daher die charakteristische Umschreibung des Sicherungszwecks. Vielfach wird eine solche Regelung in der Literatur deswegen nicht als Sicherheitsleistung, sondern als bloße Zahlungsmodalität383 eingeordnet. Die Rechtsprechung scheint diese Sichtweise zu teilen, da sie im Rahmen ihrer Ausführungen streng zwischen der Sicherungsabrede und der Abschlagszahlungsregelung unterscheidet.384 Dem kann nicht gefolgt werden. Unerheblich ist zunächst der Standort der vertraglichen Regelung. Ob eine Kürzung der Abschlagszahlungen in der Sicherungsabrede oder im übrigen Bauvertrag vereinbart wird, ist rechtlich ohne Belang. Maßgebend ist allein die Wirkungsweise des Einbehalts. Erfolgt ein pauschaler Einbehalt – fehlt es also an einer Konkretisierung des Sicherungszwecks – kann der einbehaltene Betrag zur Aufrechnung mit sämtlichen Ansprüchen des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer verwendet werden.385 Im Unterschied zum Sicherheitseinbehalt für Vertragserfüllungsansprüche fehlt es daher an einem stillschweigend vereinbarten Aufrechnungsverbot.386 Da der Auftraggeber hierdurch eine weitreichendere Aufrechnungsmöglichkeit als bei einer Begrenzung auf Vertragserfüllungsansprüche erhält, handelt es sich demnach erst recht um eine Sicherheitsleistung und nicht nur um eine bloße Zahlungsmodalität. Durch die Kombination der Bürgschaft mit den wiederkehrenden Einbehalten vereinnahmt der Auftraggeber daher eine zweifache Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllungsphase, die weit über die Höchstgrenze von 10 % der Auftragssumme hinausgeht. Der Auftragnehmer wird hierdurch unbillig belastet. Zwar wird der Auftragnehmer – da es sich bei den Einbehalten richtigerweise um eine (versteckte) Sicherheitsleistung handelt – entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs387 durch die Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 VOB/B hinreichend vor dem Insolvenzrisiko seines Auftraggebers geschützt.388 Dennoch erleidet er durch die Einbehalte erhebliche 383 Messerschmidt/Voit/Voit, § 17 VOB/B Rn. 17; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 2; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 171 f.; Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B § 17 Rn. 6 bezeichnet die Unterscheidung zu Recht als spitzfindig; auch Leinemann/ Leinemann/Brauns, § 17 Rn. 20 stellen die Differenzierung infrage. 384 Vgl. BGH NJW 2011, 2125, 2126 f.; BGH NJW 2016, 2802, 2803; zu dieser Einschätzung gelangt auch Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 2. 385 BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 23. 386 Siehe hierzu oben, S. 196. 387 BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 23. 388 Erblickt man in der Regelung eine bloße Zahlungsmodalität, gehen die Auffassungen in der Literatur über die Verpflichtung zur Sperrkontoeinzahlung auseinander. Messerschmidt/ Voit/Voit, § 17 VOB/B Rn. 17 befürwortet eine solche Pflicht des Auftraggebers. Ingenstau/ Korbion/Joussen, § 17 Abs. 6 VOB/B Rn. 2 und Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 172 sprechen sich dagegen aus.

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Liquiditätseinbußen.389 Darüber hinaus hat er bis zur Rückgabe der Bürgschaft Avalzinsen zu zahlen und – sofern er die Bürgschaft bei einer Bank und nicht bei einem Kreditversicherer besorgt – eine entsprechende Beeinträchtigung seiner Kreditlinie hinzunehmen.390 Wegen dieser Gesamtwirkung hat der Bundesgerichtshof die Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft für unwirksam erklärt.391 Hierbei hat er offengelassen, ob die Vereinbarung der Einbehalte für sich genommen schon gegen das gesetzliche Leitbild des § 632a BGB a. F. verstößt.392 Da die Inhaltskontrolle nur den Vertragspartner schützt, kann sich der Verwender nicht auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Klausel berufen.393 Der Auftraggeber kann daher nicht geltend machen, dass die Sicherungsabrede über die Vertragserfüllungsbürgschaft aufrecht erhalten werden kann, weil die Regelung zu den Abschlagszahlungen ohnehin unwirksam sei. Er muss sich vielmehr daran festhalten lassen, dass er sich vertraglich eine kombinierte Sicherheitsleistung von weit über 10 % der Auftragssumme ausbedungen hat. Einer solchen Betrachtungsweise ist uneingeschränkt zuzustimmen. Ein Auftraggeber, der eine der beiden Sicherheitsleistungen zu hoch ansetzt, darf nicht besser stehen als ein Auftraggeber, der zwei isoliert betrachtet zulässige Sicherheiten wählt. Unterstellt man, dass die Regelung zu den Einbehalten wirksam ist, liegt es nicht im Ermessen des Gerichts, eine der beiden für sich genommen wirksamen Sicherheiten zu Lasten der anderen aufrecht zu erhalten.394 Es wäre Sache des Auftraggebers gewesen, sich von vornherein nur für eine der beiden formularvertraglichen Sicherheiten zu entscheiden. Wegen der Kumulation ist er letztlich nicht dazu in der Lage, die Bürgschaft über einen Höchstbetrag von 414.575,91 E in Anspruch zu nehmen. (2) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. 06. 2016 Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. 06. 2016395 betrifft einen ähnlich gelagerten Sachverhalt. Der Auftraggeber beauftragte die Auftragnehmerin (BGmbH) im Jahr 2008 mit der Errichtung von 47 Wohneinheiten inklusive einer Tiefgarage. In den Bauvertrag wurde die VOB/B einbezogen. Nach der formularvertraglichen Sicherungsabrede hatte die Auftragnehmerin eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme zu stellen. Die Bürgschaft hatte unter anderem einen Verzicht auf die Einreden der Aufrechenbarkeit und der Anfechtbarkeit (§ 770 BGB) zu enthalten. Der Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit galt allerdings nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen. Darüber hinaus waren Abschlagszahlungen nach Zah389 390 391 392 393 394 395

BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 23. BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 24. BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 22. BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 22. BGH NJW 2011, 2125, 2127 Rn. 22. BGH NJW 2011, 2125, 2126 Rn. 16. BGH NJW 2016, 2802.

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lungsplänen vereinbart. Hiernach sollte die drittletzte Abschlagszahlung in Höhe von 5 % der vereinbarten Vergütung mit Fertigstellung des Bauwerks und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers fällig werden. Die vorletzte Abschlagszahlung in Höhe von 5 % der vereinbarten Vergütung sollte nach vollständiger Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und Unterschrift der Kunden fällig werden. Die letzte Abschlagszahlung sollte schließlich erst mit Abnahme, Ablösung des Gewährleistungseinbehalts in Höhe von 5 % der Schlussrechnungssumme durch eine Gewährleistungsbürgschaft und Fälligkeit der vorletzten Abschlagszahlung fällig werden. Nach insolvenzbedingter Kündigung nahm der Auftraggeber den Bürgen wegen der ihm entstandenen Fertigstellungsmehrkosten in Anspruch. Der Bürge hielt dem Auftraggeber die Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Sicherungsabrede entgegen. Der Bundesgerichtshof stellt zunächst klar, dass die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Beibringung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme isoliert betrachtet nicht zu beanstanden ist.396 Da es sich beim Auftraggeber nach der Sachverhaltskonstellation um einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Bauträger handelt, ist auch die Anknüpfung an die Bruttoauftragssumme richtig gewählt worden. Die an späterer Stelle zu beantwortende Frage,397 ob der Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit und der Einrede der Anfechtbarkeit wirksam ist, lässt der Bundesgerichtshof offen.398 Jedenfalls seien die Klauseln teilbar, sodass sich hieraus keine Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede ergeben könne.399 Im Fall ihrer Unwirksamkeit bleibe vielmehr die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Beibringung einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft bestehen.400 Die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede könne jedoch aus einer Kumulation mit der getroffenen Abschlagszahlungsregelung resultieren.401 Entscheidend ist insofern, dass die Auszahlung der drei letzten Abschlagszahlungen an Umstände nach der Fertigstellung gekoppelt wurde, auf die der Auftragnehmer keinen Einfluss hat.402 Findet der Auftraggeber keinen Käufer für einzelne Wohneinheiten, wird die drittletzte Abschlagszahlung nicht fällig.403 Entstehen Streitigkeiten zwischen dem Auftraggeber und seinem Kunden über die ordnungsgemäße Mängelbeseitigung am Bauwerk, werden die letzten beiden Abschlagszahlungen

396 397 398 399 400 401 402 403

BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 27. Siehe hierzu unten, S. 251 ff. BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 32. BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 32 ff. BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 34. BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 16 ff. BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 19. BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 19.

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nicht fällig.404 Dem Auftragnehmer wird daher in erheblichem Umfang und auf unbestimmte Dauer Liquidität entzogen.405 Nicht zu folgen ist dem Bundesgerichtshof wiederum in der Einschätzung, dass der Auftragnehmer in Höhe der einbehaltenen Abschlagszahlungen mit dem Insolvenzrisiko des Auftraggebers belastet werde.406 Auch wenn für die einbehaltenen Beträge kein konkreter Sicherungszweck festgelegt wurde, ist der Auftraggeber den obigen Ausführungen entsprechend zur Einzahlung auf ein Sperrkonto nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 VOB/B verpflichtet. Jedenfalls können die Einbehalte in Höhe von insgesamt 15 % der vereinbarten Vergütung zur Aufrechnung mit sämtlichen Ansprüchen des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer (also auch für die Vertragserfüllungsansprüche) verwertet werden.407 Hierdurch erhält der Auftraggeber in Kombination mit der Bürgschaft eine Sicherheit für die Vertragserfüllungsphase in Höhe von 20 %.408 Alles deutet demnach auf eine Übersicherung durch Kumulation hin. Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache allerdings nicht selbst entscheiden, weil aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hervorging, ob die Zahlungspläne, trotz der ungünstigen Fälligkeitsregelung hinsichtlich der letzten drei Abschlagszahlungen, insgesamt eine Privilegierung für den Auftragnehmer gegenüber der Vorschrift des § 632a BGB a. F. darstellen.409 Dieser auf den ersten Blick nicht ganz verständliche Gedankengang dürfte darauf beruhen, dass der frühere gesetzliche Abschlagszahlungsanspruch für den Bauunternehmer wegen seiner einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen keine große Hilfe war.410 Eine Verbesserung der Rechtsstellung des Bauunternehmers durch die Zahlungspläne erschien daher zumindest im Bereich des Möglichen zu liegen. Nichtsdestotrotz dürfte eine Privilegierung des Auftragnehmers mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorgelegen haben. Erweist sich die Regelung zu den Einbehalten dementsprechend als unwirksam, kann sich der Auftraggeber wegen des Schutzzwecks der Inhaltskontrolle nicht auf ihre Nichtigkeit berufen, um die Sicherungsabrede hinsichtlich der isoliert betrachtet wirksam vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft zu retten.411 Wegen der Kumulation wird er daher aller Voraussicht nach nicht dazu in der Lage gewesen sein, die Bürgschaft über den Höchstbetrag von 327.500 E für die ihm entstandenen Fertigstellungsmehrkosten in Anspruch zu nehmen. 404

BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 19. BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 17 f. 406 BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 17 f. 407 BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 17. 408 BGH NJW 2016, 2802, 2803 Rn. 20. 409 BGH NJW 2016, 2802, 2803 f. Rn. 21 ff. 410 Siehe hierzu oben, S. 41 f. 411 Siehe hierzu ausführlich bereits oben, S. 213; dies verkennt Holatka, NZBau 2016, 737, 738 f., wenn er meint, dass die Sicherungsabrede über die Vertragserfüllungsbürgschaft wirksam bleibt, sofern die vertragliche Abschlagszahlungsregelung unwirksam ist. 405

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

bb) Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungsund Gewährleistungsbürgschaft Mit einer Übersicherung, die durch eine Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit hervorgerufen wird, hatte sich der Bundesgerichtshof hingegen häufiger (insgesamt in sechs Entscheidungen) zu befassen. (1) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. 03. 2004 In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. 03. 2004412 beauftragte ein Staatsbauamt den Auftragnehmer im Rahmen eines Neubaus mit landschaftsgärtnerischen Arbeiten. Die VOB/B wurde in den Bauvertrag, der im Jahr 1993 geschlossen wurde, einbezogen. Als Sicherheit für die Vertragserfüllung (inklusive der Nachträge) hatte der Auftragnehmer eine Bürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 3 % der Auftragssumme zu besorgen. Die Vertragserfüllungsbürgschaft hatte sich auf sämtliche Verpflichtungen aus dem Vertrag zu beziehen. Abzusichern waren demnach nicht nur originäre Vertragserfüllungsansprüche, sondern auch Gewährleistungsansprüche und Erstattungsansprüche aus Überzahlungen. Auf Verlangen des Auftragnehmers sollte sich die Vertragserfüllungsbürgschaft nach Empfang der Schlusszahlung und Erfüllung aller bis dahin geltend gemachter Ansprüche in eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 3 % der Abrechnungssumme umwandeln. Darüber hinaus war vereinbart, dass als Sicherheit für die Gewährleistungsansprüche und für Erstattungsansprüche aus Überzahlungen 3 % der Auftragssumme einschließlich der Nachträge einbehalten werden. Nach Ermittlung der endgültigen Abrechnungssumme sollte sich die Bemessung der Sicherheit nach dieser richten. Der Einbehalt konnte vom Auftragnehmer durch sofortige Beibringung einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft in selbiger Höhe abgelöst werden. Anzumerken ist zunächst, dass es sich bei der vom Staatsbauamt verlangten Vertragserfüllungsbürgschaft um eine sog. Kombi-Bürgschaft413 handelt, die sowohl Vertragserfüllungs- als auch Gewährleistungsansprüche absichert. Diese umfassende Sicherheit war in der Vergangenheit besonders häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand anzutreffen.414 Konkret hatte das Staatsbauamt die Vertragsbedingungen dem damals geltenden Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes entnommen.415 Auch in den Vergabehandbüchern des Bundes aus den Jahren 2002416 und 2008417 war eine solche Kombi412 413 414 415 416 417

BGH NJW-RR 2004, 880. Eingehend hierzu v. Kiedrowski, BauR 2016, 320 ff. v. Kiedrowski, BauR 2016, 320. BGH NJW-RR 2004, 880, 881. Muster EFB-Sich 1 323.1 (EFB steht für Einheitliche Formblätter). Formblatt Nr. 421.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Sicherheit noch vorgesehen. Das Vergabehandbuch des Bundes aus dem Jahr 2017 verzichtet demgegenüber in seiner derzeit geltenden Fassung von 2019 auf eine solche Sicherheitsleistung. Stattdessen trennt es strikt zwischen Vertragserfüllungsund Gewährleistungssicherheiten.418 Vor dem Hintergrund dieses Paradigmenwechsels befinden sich Kombi-Bürgschaften in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand auf dem Rückzug. Der Vorteil einer Kombi-Bürgschaft besteht zwar darin, dass der Auftraggeber nach der Abnahme bereits eine Sicherheit für sämtliche Gewährleistungsansprüche in den Händen hält. Er wird somit davor geschützt, dass er vom Auftragnehmer die eigentliche Gewährleistungssicherheit nicht mehr erhält.419 Zudem kann er durch die Vereinbarung einer Kombi-Sicherheit den nicht ganz unkomplizierten und streitanfälligen Sicherheitentausch von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit vermeiden.420 Die gemischte Sicherheitsleistung hat sich dann allerdings an der niedrigeren Obergrenze von 5 % der Auftragssumme zu orientieren, um eine Übersicherung des Auftraggebers im Gewährleistungsstadium und eine damit verbundene Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede zu vermeiden.421 Der große Nachteil einer solchen Einheitslösung besteht demzufolge in der unzureichenden Absicherung des Auftraggebers im Vertragserfüllungsstadium (nur 5 % statt der zulässigen 10 %).422 Zudem ist zu beachten, dass für Gewährleistungssicherheiten vorzugsweise die Abrechnungssumme und nicht die Auftragssumme als Bezugsgröße gewählt werden sollte. Liegt die letztendliche Abrechnungssumme deutlich unterhalb der angenommenen Auftragssumme, besteht die Gefahr einer nachträglichen Übersicherung.423 Auch wenn die Rechtsprechung eine solche über eine entsprechende Freigabeverpflichtung des Auftraggebers abwenden sollte,424 gelangt man zu einer unzureichenden Absicherung des Auftraggebers, wenn die Abrechnungssumme die ursprüngliche Auftragssumme überschreitet.425 Selbst bei einer Kombi-Bürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme steht damit ein Sicherheitentausch gegen eine 418

Vgl. hierzu die aktuellen Formblätter Nr. 421 und Nr. 422. v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327. 420 v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327. 421 v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,21. 422 Trotz dieser erheblichen Schwäche hat der 6. Deutsche Baugerichtstag (BauR 2016, 1570, 1586 ff.) die Normierung einer solchen Kombisicherheit wegen ihrer unkomplizierten Handhabung mit überwältigender Mehrheit empfohlen. Siehe zur Auseinandersetzung mit diesem Vorschlag unten, S. 262 ff. 423 v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327. 424 Vgl. hierzu oben, S. 201; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48/1,21 und der 6. Deutsche Baugerichtstag (BauR 2016, 1570, 1587) halten die Anknüpfung an die Auftragssumme für AGB-rechtlich unbedenklich, weil hierdurch der vereinfachten Abwicklung Rechnung getragen wird und nicht voraussehbar ist, ob sich die Schwankungen zugunsten oder zulasten des Auftragnehmers auswirken werden. 425 v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327. 419

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme im Raum. Ohne in diesem Zusammenhang auf die näheren Details zur hochkomplexen Ausgestaltung einer solchen Sicherungsabrede einzugehen,426 bleibt damit festzuhalten, dass die unbedingte Absicherung der Gewährleistungsansprüche durch eine KombiBürgschaft in keinem Verhältnis zur halbierten Sicherheitsleistung im Vertragserfüllungsstadium steht. Es ist daher wenig verwunderlich, dass gewerbliche Auftraggeber in der Praxis überwiegend eine sukzessive Nacheinanderschaltung von reinen Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten bevorzugen. Nach diesem kurzen Exkurs ist auf die Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofs zurückzukommen. Dieser beanstandet zunächst, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (= Kombi-Sicherheit) nach der Sicherungsabrede auf erstes Anfordern zu stellen war. Da der Vertrag zwischen den Bauvertragsparteien jedoch vor dem bereits oben erwähnten Stichtag des 01. 01. 2003 geschlossen wurde, kommt der Bundesgerichtshof über eine ergänzende Vertragsauslegung zu dem Ergebnis, dass der Auftragnehmer statt der Bürgschaft auf erstes Anfordern nur eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schulde.427 Unter diesem Gesichtspunkt konnte die Sicherungsabrede aufrecht erhalten werden. Dies war keineswegs selbstverständlich. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof nur darüber entschieden, dass ein gewerblicher bzw. privater Auftraggeber keine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern verlangen kann.428 Dass diese Grundsätze auch für einen öffentlichen Auftraggeber gelten, war neu. Ausführungen zu den jeweiligen Argumentationsmustern und den Gründen der Gleichbehandlung von öffentlichen und nicht öffentlichen Auftraggebern finden sich an späterer Stelle, wenn es ganz allgemein um die (Un-)Wirksamkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in formularvertraglichen Sicherungsabreden gehen wird.429 Auch gegen den Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 3 % der Auftragssumme, ablösbar durch eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft in selbiger Höhe, hat der Bundesgerichtshof isoliert betrachtet nichts einzuwenden.430 Problematisch erscheint jedoch, dass der öffentliche Auftraggeber für das Gewährleistungsstadium eine kumulierte Sicherheitsleistung in Höhe von 6 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme statt der nahezu ausnahmslos anerkannten 5 % erhält: Zum einen werden die Gewährleistungsansprüche von der 3 %-igen KombiBürgschaft, die unter bestimmten Voraussetzungen vom Auftragnehmer in eine Gewährleistungsbürgschaft umgewandelt werden kann, abgesichert. Zum anderen wird dasselbe Ziel durch den 3 %-igen Einbehalt, der durch eine eigenständige Gewährleistungsbürgschaft abgelöst werden kann, verfolgt. 426 Siehe hierzu näher v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 327 ff. und zu einem entsprechenden Muster Schmitz, Sicherheiten, Rn. 48. 427 BGH NJW-RR 2004, 880, 881. 428 BGH NJW 2002, 2388, 2389; BGH NJW 2002, 3098 f. 429 Siehe hierzu unten, S. 239 f. 430 BGH NJW-RR 2004, 880, 882.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Nicht eindeutig ist nach der Sachverhaltsdarstellung bzw. dem Klauselinhalt, was mit der Kombi-Bürgschaft für den Fall geschehen soll, dass der Auftraggeber im Zeitpunkt der Umwandlung bereits die eigentliche Gewährleistungssicherheit (in Form des Gewährleistungseinbehalts oder der Gewährleistungsbürgschaft) innehat. Da eine klare Regelung zum Rückgabezeitpunkt der Kombi-Bürgschaft fehlt, erscheint denkbar, dass sie sich nach Empfang der Schlusszahlung und Erfüllung aller bis dahin geltend gemachter Ansprüche auf Verlangen des Auftragnehmers gleichwohl in eine weitere Gewährleistungssicherheit umwandeln soll. Andererseits liegt der Schluss nahe, dass die Kombi-Sicherheit unter diesen Voraussetzungen zurückzugeben ist und durch die eigentliche Gewährleistungssicherheit abgelöst wird. In der ersten Variante gelangt man zu dem Ergebnis, dass eine dauerhafte Gewährleistungssicherheit in kumulierter Höhe von 6 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme geschuldet wird. Bei der zweiten Variante besteht eine kumulierte Absicherung der Gewährleistungsansprüche hingegen nur bis zum Empfang der Schlusszahlung und Erfüllung aller bis dahin geltend gemachter Ansprüche durch den Auftragnehmer. In der zuletzt genannten Alternative ist allerdings zu beachten, dass die Reduzierung der Sicherungshöhe auf 3 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme nicht in den Händen des Auftragnehmers liegt. Der Auftraggeber kann den Zeitpunkt für die Schlusszahlung festlegen.431 Zudem kann er die Rückgabe der Kombi-Bürgschaft durch die Erhebung von Ansprüchen enorm verzögern.432 Selbst nach der zweiten Lesart besteht demzufolge ein großes Zeitfenster, in dem Gewährleistungsansprüche in kumulierter Höhe von 6 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert werden. Der Bundesgerichtshof hat die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Sicherungsabrede dennoch bestätigt.433 Eine Übersicherung könne nicht angenommen werden, da sich die kumulierte Sicherheitsleistung nicht nur auf Gewährleistungs-, sondern auch auf Überzahlungsansprüche beziehe.434 Diese lapidare Begründung erscheint nicht überzeugend. Die Erweiterung des Sicherungszwecks ändert nichts an der Tatsache, dass in Höhe des zusätzlichen Prozentpunkts auch potenzielle Gewährleistungsansprüche abgesichert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Abnahme und Abrechnung meistens in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.435 Der Auftraggeber hat daher kein langfristig anzuerkennendes Sicherungsinteresse hinsichtlich seiner potenziellen Erstattungsansprüche aus Überzahlungen.436 Zudem hat der Bundesgerichtshof an späterer Stelle selbst darauf hin-

431 432 433 434 435 436

Vgl. BGH NJW 2015, 856, 859 Rn. 22. Vgl. BGH NJW 2015, 856, 859 Rn. 22. BGH NJW-RR 2004, 880, 882. BGH NJW-RR 2004, 880, 882. Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 47. Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 1 VOB/B Rn. 47.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

gewiesen, dass der Auftraggeber Überzahlungen größtenteils durch eine gewissenhafte Überprüfung der Bauleistung verhindern kann.437 Es ist anzunehmen, dass der Bundesgerichtshof zum damaligen Zeitpunkt noch ein großzügigeres Verständnis hinsichtlich der Obergrenze formularvertraglicher Sicherheiten hatte. Erst in nachfolgenden Entscheidungen, auf die im weiteren Verlauf noch eingegangen wird, hat er immer wieder die (maximal) zulässige Vereinbarung einer 5 %-igen Gewährleistungssicherheit betont.438 In Einklang hiermit hat der Bundesgerichtshof in seinem späteren Urteil vom 01. 10. 2014 die Frage, ob an der vorliegenden Entscheidung festzuhalten ist, ausdrücklich offengelassen.439 Damit bewegen sich Auftraggeber, die eine isolierte oder summierte Gewährleistungssicherheit von über 5 % der Abrechnungssumme verlangen, auf sehr dünnem Eis. (2) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05. 05. 2011 In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05. 05. 2011440 beauftragte ein öffentlicher Auftraggeber den mittlerweile insolventen Auftragnehmer am 11. 07. 2002, unter Einbeziehung der VOB/B, mit Sanierungsarbeiten. Gemäß der Sicherungsabrede beschaffte der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme, die sich auf sämtliche Verpflichtungen aus dem Vertrag bezog. Abgesichert waren daher neben der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung insbesondere auch Erstattungsansprüche aus Überzahlungen und Gewährleistungsansprüche. Die Vertragserfüllungsbürgschaft war demgemäß (wie in der vorherigen Entscheidung) als Kombi-Sicherheit ausgestaltet. Sie sollte sich auf Verlangen des Auftragnehmers, nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche, in eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 5 % der Bruttoabrechnungssumme umwandeln. Darüber hinaus sah die Sicherungsabrede einen Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme vor, der vom Auftragnehmer durch eine entsprechende Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden konnte. Nach Feststellung der Abrechnungssumme sollte diese maßgebend sein. Durch die Gewährleistungssicherheit waren auch Erstattungsansprüche aus Überzahlungen abzusichern. Im Gegensatz zu der zuvor besprochenen Entscheidung findet sich in der Sachverhaltsdarstellung ein expliziter Rückgabezeitpunkt für die bereits erwähnte Kombi-Bürgschaft. Sie sollte mit vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben werden. Dies galt allerdings nur, soweit der Auftragnehmer die Leistung vertragsgemäß erfüllt, et-

437

BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28; BGH NJW 2014, 1725, 1727 Rn. 20; BGH NJW 2014, 3642, 3644 Rn. 24. 439 BGH NJW 2014, 3642, 3644 Rn. 24. 440 BGH NJW 2011, 2195. 438

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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waige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt und eine vereinbarte Sicherheit für die Gewährleistung geleistet hatte. In der vorliegenden Konstellation besteht die Kombi-Bürgschaft in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme für einen erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus neben dem Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoauftrags- bzw. Bruttoabrechnungssumme. Auf die Problematik, dass die Kombi-Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen ist, geht der Bundesgerichtshof nicht näher ein. Da der Bauvertrag vor dem 01. 01. 2003 geschlossen wurde, hätte die Sicherungsabrede jedoch insoweit über eine ergänzende Vertragsauslegung aufrecht erhalten werden können. Stattdessen konzentriert sich der Bundesgerichtshof auf die komplexen Regelungen zur Umwandlung und Rückgabe der Kombi-Bürgschaft. Die Richter heben hervor, dass die Umwandlungsklausel für den Auftragnehmer günstiger als die Rückgabeklausel sei, weil sie den Austausch der Kombi-Bürgschaft gegen die Gewährleistungsbürgschaft nicht von der zusätzlichen Voraussetzung einer vorbehaltlosen Annahme der Schlussrechnung abhängig mache.441 Die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine kumulierte Gewährleistungssicherheit in Höhe von 10 % der Bruttoauftrags- bzw. Bruttoabrechnungssumme zu stellen, ende daher frühestens im Umwandlungszeitpunkt, da mit dem Austausch der Kombi-Bürgschaft gegen die Gewährleistungsbürgschaft zugleich der Sicherheitseinbehalt abgelöst werde.442 Diese Ablösungsmöglichkeit müsse jedoch für die Frage, wie lange der Auftragnehmer eine kombinierte 10 %-ige Gewährleistungssicherheit zu stellen habe, außer Betracht gelassen werden.443 Die Krux besteht insofern darin, dass eine Halbierung der Sicherheit durch die vorgesehene Umwandlungsklausel nur durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern erzielt werden kann. Klauseln, die vorsehen, dass ein Gewährleistungseinbehalt nur durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, hat der Bundesgerichtshof nachdrücklich die Wirksamkeit versagt.444 Im Unterschied zu Vertragserfüllungsbürgschaften hat er – was unter Gleichbehandlungsaspekten hochproblematisch erscheint445 – auch keine ergänzende Vertragsauslegung für eine Übergangsphase vorgenommen. Jedenfalls ende die kumulierte Sicherheitsleistung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs damit erst im vertraglich vorgesehenen Rückgabezeitpunkt der Kombi-Sicherheit.446 Die 10 %-ige Absicherung der Gewährleistungsansprüche besteht daher mindestens bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlussrechnung fort. Dies ist höchst problematisch, weil zwischen den Bauvertragsparteien ein mehrjähriger Prozess über of-

441 442 443 444 445 446

BGH NJW 2011, 2195, 2196 f. Rn. 25. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 27. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 27. Siehe hierzu unten, S. 240 f. Siehe hierzu unten, S. 241 f. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 27.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

fene Forderungen geführt werden kann.447 Eine summierte 10 %-ige Absicherung der Gewährleistungsansprüche über einen so langen Zeitraum sei auch unter Berücksichtigung der zusätzlich abgedeckten Überzahlungsansprüche nicht mehr hinnehmbar.448 Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Sicherungsabrede – sowohl bezüglich der Kombi-Bürgschaft als auch bezüglich der Gewährleistungssicherheit – unwirksam.449 Unabhängig davon, ob die Regelungen zur Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit für sich genommen wirksam seien, liege es nicht im Ermessen des Gerichts, eine der beiden zu Lasten der anderen aufrecht zu erhalten.450 Wegen des Schutzzwecks der Inhaltskontrolle kann sich der Auftraggeber auch nicht auf die Unwirksamkeit einer der beiden Klauseln berufen, um die andere aufrecht zu erhalten.451 Zudem ist die Klausel über den Sicherungszweck der Kombi-Bürgschaft sprachlich nicht in dem Sinne teilbar, dass sie nur hinsichtlich der Absicherung der Gewährleistungsansprüche verfällt.452 Es ist gerade davon die Rede, dass von ihr „sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag“ abgesichert werden sollen. Dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist im Ergebnis zuzustimmen. In der Entscheidung wurde erstmals hervorgehoben, dass gegen eine Absicherung der Gewährleistungsansprüche in Höhe von 5 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme nichts einzuwenden ist.453 Diese Grenze wird durch das „zeitliche Nebeneinander“454 von Kombi-Bürgschaft und Gewährleistungssicherheit und der damit einhergehenden Verdopplung der Sicherungshöhe gesprengt. Nur im Hinblick auf die Auslegung der Umwandlungsklausel ist dem Bundesgerichtshof ein Fehler unterlaufen, den er in der nachfolgenden Entscheidung vom 22. 01. 2015455 erkannt und korrigiert hat. Die Umwandlung vollzieht sich denknotwendigerweise nicht eo ipso, sondern durch Austausch der Kombi-Bürgschaft gegen eine reine Gewährleistungsbürgschaft. In diesem Zusammenhang kommt es demzufolge zwangsläufig zu einer Rückgewähr der Kombi-Bürgschaft. Damit wird die Umwandlungsklausel nach der kundenfeindlichsten Auslegung (besser: vertragspartnerfeindlichsten Auslegung456) durch die hierfür eigentlich nicht vorgesehene Rückgabeklausel ergänzt, weil sich hieraus erst recht die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ergibt.457 Auch die Umwandlung der Kombi-Bürgschaft in die 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457

BGH NJW 2011, 2195, 2196 Rn. 23. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 29. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 29. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 29. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 30. BGH NJW 2011, 2195, 2197 Rn. 28. BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 29. BGH NJW 2015, 856, 858 Rn. 17. Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 173. BGH NJW 2015, 856, 858 Rn. 17.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Gewährleistungsbürgschaft konnte daher frühestens mit der vorbehaltlosen Annahme der Schlussrechnung durch den Auftragnehmer erfolgen. Aus diesen (der Vollständigkeit halber erfolgenden) Ausführungen ergeben sich jedoch keine Unterschiede in der Sache. Wegen der Überlappung der Sicherungszwecke und dem zeitlichen Nebeneinander der beiden Sicherheiten war der öffentliche Auftraggeber letztlich nicht dazu in der Lage, den Kombi-Bürgen über den vereinbarten Höchstbetrag von 212.686,00 E für Überzahlungen in Anspruch zu nehmen. (3) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. 03. 2014 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. 03. 2014458 tanzt im Vergleich zu den beiden vorherigen und den nachfolgend zu besprechenden Entscheidungen etwas aus der Reihe. In ihr hat die Sicherungsabrede kein öffentlicher Auftraggeber, sondern ein Bauträger formularvertraglich vorgegeben. Dieser schloss mit einem mittlerweile insolventen Generalunternehmer am 12. 05. 2005 einen Bauvertrag über die Errichtung von 62 „Townhäusern“, zwei Torhäusern und einer Tiefgarage. Das Bauvorhaben war in verschiedene Bauabschnitte untergliedert. Der Generalunternehmer hatte bauabschnittsweise selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaften in Höhe von 10 % der jeweils maßgebenden Auftragssumme für sämtliche Ansprüche aus dem Bauvertrag zu beschaffen. Diese hatten darüber hinaus einen Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 1 und 2 BGB) zu enthalten.459 Im Gegenzug sollte der Auftragnehmer vom Auftraggeber Zug um Zug Zahlungsbürgschaften in selbiger Höhe erhalten. Die Rückgabe der jeweiligen Vertragserfüllungsbürgschaft wurde an die Rückgabe der entsprechenden Zahlungsbürgschaft gekoppelt. Zudem war eine Regelung über einen Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 5 % der anerkannten Bruttoschlussrechnungssumme vereinbart. Entsprechende Einbehalte sollten darüber hinaus von den Teilschlusszahlungen für fertiggestellte Bauabschnitte erfolgen. Der Bauträger nahm die bürgende Bank aus einer der bauabschnittsweise gewährten Vertragserfüllungsbürgschaften in Höhe von 276.114,34 E für offene Bauleistungen in Anspruch. Der Bundesgerichtshof thematisiert nicht, welche Auswirkungen der Ausschluss der Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit auf die Wirksamkeit der Sicherungsabrede hat. Stattdessen geht er direkt auf eine Übersicherung des Auftraggebers ein. Er stellt klar, dass Vertragserfüllungsbürgschaften in Höhe von 10 % der Auftragssumme nicht zu beanstanden sind.460 Problematisch ist allerdings, dass sich die Vertragserfüllungsbürgschaft nach dem Wortlaut der Sicherungsabrede auf sämtliche Ansprüche bezieht. Nach der vertragspartnerfeindlichsten Auslegung, die im Endeffekt zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führt, werden von der Ver458

BGH NJW 2014, 1725. Dies geht aus der erstinstanzlichen Entscheidung (LG Berlin BeckRS 2014, 8264) hervor. 460 BGH NJW 2014, 1725, 1726 Rn. 15. 459

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

tragserfüllungsbürgschaft demzufolge auch Gewährleistungsansprüche abgesichert.461 Es handelt sich bei ihr damit in Wahrheit um eine Kombi-Bürgschaft. Da die Kombi-Bürgschaft erst Zug um Zug gegen die entsprechende Zahlungsbürgschaft zurückzugeben ist, sichert sie die Gewährleistungsansprüche auch de facto (und nicht nur theoretisch) für einen erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus ab. Die jeweilige Zahlungsbürgschaft wird ihrerseits nämlich nicht vor der Abrechnung und eines gegebenenfalls mehrjährigen Streits über offene Forderungen zurückgegeben.462 Vor diesem Hintergrund erlangt der Auftraggeber durch die Kombi-Bürgschaft eine Gewährleistungssicherheit in Höhe von 10 % der Auftragssumme. Hierdurch wird die in der Praxis anerkannte 5 %-Grenze signifikant überschritten.463 Daher liegt bereits eine isolierte Übersicherung vor, die zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führt. Auf einen Summierungseffekt mit dem zusätzlich vereinbarten Gewährleistungseinbehalt musste demzufolge nicht mehr eingegangen werden. Die Bank konnte sich daher über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede berufen und hierdurch ihre Inanspruchnahme verhindern. (4) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01. 10. 2014 Der Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01. 10. 2014464 zugrunde lag, ähnelt sehr stark demjenigen aus der obigen Entscheidung Nr. 2 vom 05. 05. 2011. Ein öffentlicher Auftraggeber beauftragte einen Bauunternehmer am 29. 10. 1997 mit Arbeiten zur Erschließung eines Baugrundstücks. Nach der formularvertraglichen Sicherungsabrede hatte der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern über 5 % der Auftragssumme zu besorgen. Diese sollte nicht nur die vertragsgemäße Ausführung der Leistung, sondern auch Überzahlungs- und Gewährleistungsansprüche absichern. Es handelte sich bei ihr somit um eine Kombi-Bürgschaft. Auf Verlangen des Auftragnehmers sollte sie sich nach Empfang der Schlusszahlung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche in eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 2 % der Abrechnungssumme umwandeln. Zusätzlich war ein 2 %-iger Gewährleistungseinbehalt vorgesehen, der durch eine eigenständige Gewährleistungsbürgschaft oder die soeben beschriebene Umwandlung der Kombi-Bürgschaft abgelöst werden konnte. Gewährleistungsbürgschaften waren, im Gegensatz zur Vertragserfüllungsbürgschaft, nicht auf erstes Anfordern zu stellen. Sie mussten jedoch einen Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit enthalten. Die KombiSicherheit sollte unter den gleichen Bedingungen wie in der Entscheidung vom 05. 05. 2011 zurückgegeben werden. Erforderlich war demnach eine vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung, eine vertragsgemäße Erfüllung durch den Auftrag461 462 463 464

BGH NJW 2014, 1725, 1727 f. Rn. 17 ff. BGH NJW 2014, 1725, 1726 Rn. 18. BGH NJW 2014, 1725, 1727 Rn. 20. BGH NJW 2014, 3642.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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nehmer, die Befriedigung etwaig erhobener Ansprüche und die Beschaffung der vereinbarten Gewährleistungssicherheit. Der Auftraggeber nahm den Bürgen aus zwei Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch. Dieser berief sich auf die Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Sicherungsabrede. Der Bundesgerichtshof lässt offen, ob die formularmäßige Sicherungsabrede zu den Gewährleistungsbürgschaften bereits unwirksam ist, weil sie einen Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit vorsieht.465 Jedenfalls liege eine Übersicherung vor. Die Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist, da der Bauvertrag vor dem 01. 01. 2003 geschlossen wurde, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich. Der Auftragnehmer schuldet daher trotz der unwirksamen Klausel eine unbefristete selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme, die sich auch auf die Gewährleistungsansprüche bezieht. Zusätzlich werden die Gewährleistungsansprüche durch den Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 2 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert. Dieser kann zwar im Unterschied zum Urteil vom 05. 05. 2011 durch eine Gewährleistungsbürgschaft, die nicht auf erstes Anfordern zu stellen ist, abgelöst werden. Dies ist für die rechtliche Beurteilung jedoch ohne Belang. Entscheidend ist, dass die Umwandlung und Rückgabe der Kombi-Bürgschaft (unter anderem wegen der vorbehaltlosen Annahme der Schlussrechnung) an Voraussetzungen geknüpft sind, die ggf. selbst mehrere Jahre nach der Abnahme nicht gegeben sind.466 Hierdurch steht dem Auftraggeber für einen erheblichen Zeitraum nach der Abnahme eine kumulierte Absicherung seiner Gewährleistungsansprüche in Höhe von 7 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme zur Verfügung. Obwohl sich die summierte Sicherheitsleistung nur marginal über der in der Praxis anerkannten 5 %-Schwelle bewegt und der Bundesgerichtshof zuvor in seinem Urteil vom 25. 03. 2004 noch eine kumulierte Absicherung in Höhe von 6 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gebilligt hat, wird hieraus nunmehr ohne Weiteres die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede geschlussfolgert.467 Klarstellend wiederholt der Bundesgerichtshof seine bereits bekannte Rechtsprechungslinie, wonach bei einer Gesamtwirkung von zwei isoliert betrachtet wirksam vereinbarten Sicherheiten, keine von beiden aufrecht erhalten werden kann.468 Schließlich macht er auch noch deutlich, dass die Klausel, welche die Rückgabe der Kombi-Bürgschaft von der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung abhängig macht, nicht teilbar ist, da ihr Wegfall der Sicherungsabrede ein völlig neues Gepräge geben würde.469 465 466 467 468 469

BGH NJW 2014, 3642, 3643 Rn. 16. Siehe hierzu bereits oben, S. 221 f. BGH NJW 2014, 3642, 3644 f. Rn. 21 ff. BGH NJW 2014, 3642, 3644 f. Rn. 27. BGH NJW 2014, 3642, 3645 Rn. 28.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Nachdem der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 05. 05. 2011 und 20. 03. 2014 einer 10 %-igen Absicherung der Gewährleistungsansprüche bereits eine Absage erteilt hat, zieht er die formularvertragliche „Übersicherungsschlinge“ vorliegend deutlich enger. Hierdurch statuiert er, im Gegensatz zu seinem milden Urteil vom 25. 03. 2004, ein Exempel. (5) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. 01. 2015 Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. 01. 2015470 bringt letztlich keine neuen Erkenntnisse. Auf eine ausführliche Erörterung wird daher verzichtet. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine formularvertragliche Sicherungsabrede eines öffentlichen Auftraggebers, die derjenigen aus dem Urteil vom 01. 10. 2014 gleicht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass neben der KombiBürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme eine Gewährleistungssicherheit über 3 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme (statt 2 % wie in der Entscheidung vom 01. 10. 2014) zu stellen war. Die kumulierte Absicherung für Gewährleistungsansprüche betrug daher, für einen erheblichen Zeitraum nach der Abnahme, 8 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof erneut die gesamte Sicherungsabrede verworfen. (6) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. 07. 2020 Auch das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. 07. 2020471 bestätigt lediglich die bisherige Rechtsprechungslinie. Ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtete den Auftragnehmer unter Verwendung des Vergabehandbuchs des Bundes aus dem Jahr 2008 (Stand Mai 2010) zur Sicherheitsleistung. Nach dem maßgeblichen Bürgschaftsmuster für die Vertragserfüllung (Formblatt 421 a. F.), auf das die Sicherungsabrede Bezug nahm, hatte sich die Sicherheit in Höhe von 5 % der Auftragssumme auch auf Mängelansprüche zu beziehen. Darüber hinaus war für Mängelansprüche eine separate Sicherheitsleistung in Höhe von 3 % der Auftragssumme vorgesehen. Nach Abnahme und Erfüllung sämtlicher Ansprüche konnte der Auftragnehmer verlangen, dass sich die Vertragserfüllungssicherheit in eine Sicherheit für Mängelansprüche umwandelt. Der Auftragnehmer hielt die Sicherungsabrede für unwirksam und forderte den Auftraggeber unter anderem zur Aufgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf. Der Bundesgerichtshof gibt diesem Begehren statt, da es nach der vertragspartnerfeindlichsten Auslegung für einen erheblichen Zeitraum nach der Abnahme zu einer kumulierten Absicherung der Gewährleistungsansprüche in Höhe von 8 % der Auftragssumme kommen konnte.472

470 471 472

BGH NJW 2015, 856. BGH NJW-RR 2020, 1219. Siehe ausführlich BGH NJW-RR 2020, 1219, 1220 ff. Rn. 25 ff.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Der Wortlaut des Formblatts 421 a. F. spricht relativ eindeutig für eine umfassende Absicherung von Mängelansprüchen.473 Es liegt somit eine Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit vor. In den Vertragsunterlagen findet sich keine ausdrückliche Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit. Aus der Regelung zur Umwandlung kann jedoch abgeleitet werden, dass die Rückgewähr nicht vor Abnahme und Erfüllung aller erhobenen Ansprüche stattfinden sollte.474 Da der Auftraggeber dazu in der Lage ist, den Rückgabezeitpunkt einseitig hinauszögern, indem er (unberechtigt) Ansprüche geltend macht, kann es zu einem zeitlichen Nebeneinander von Vertragserfüllungsund Gewährleistungssicherheit kommen.475 Nach der vertragspartnerfeindlichsten Auslegung ist nämlich davon auszugehen, dass die Gewährleistungsbürgschaft schon vor dem späteren Zeitpunkt, in dem das Umwandlungsrecht entsteht, gestellt werden muss.476 (7) Abschließende Folgerungen aus den Urteilen Den Urteilen des Bundesgerichtshofs lässt sich im Kern entnehmen, dass eine Überlappung der Sicherungszwecke mehrerer Bürgschaften oder sonstiger Sicherungsmittel hochproblematisch ist und vermieden werden sollte. Diesem Ratschlag folgt nunmehr auch das Vergabehandbuch des Bundes. Obwohl den besprochenen Entscheidungen ein zeitliches Nebeneinander von Kombi-Bürgschaften und Gewährleistungssicherheiten zugrunde lag, lassen sich aus ihnen auch Rückschlüsse für Sicherungsabreden zu reinen Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten gewinnen. Grundsätzlich besitzen diese nämlich – wie oben bereits gezeigt477 – ebenfalls einen teilidentischen Sicherungszweck in Bezug auf vorbehaltene Rechte auf Restfertigstellung und Mängelbeseitigung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass dem Auftraggeber nach der Abnahme, trotz eines fehlenden Vorbehalts, Schadensersatzansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB bzw. § 13 Abs. 7 VOB/B zustehen können.478 Bei genauer Betrachtung besteht damit eine Überschneidung der Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit nicht nur bezüglich der vorbehaltenen Rechte, sondern hinsichtlich aller im Erfüllungsstadium erkannter Mängel. Die daraus resultierenden Ansprüche sollten daher in der formularvertraglichen Sicherungsabrede ausschließlich einer der beiden Sicherheiten zugeordnet werden. Da sie ihren Ursprung im Erfüllungsstadium haben, liegt es näher, sie von der Gewährleistungssicherheit auszunehmen. Auf diese Weise wird der Auftraggeber auch nicht dazu gedrängt, seine Gewährleistungssicherheit schon zu Beginn der vier- oder 473 474 475 476 477 478

BGH NJW-RR 2020, 1219, 1221 Rn. 31. BGH NJW-RR 2020, 1219, 1222 Rn. 34. BGH NJW-RR 2020, 1219, 1222 Rn. 34. BGH NJW-RR 2020, 1219, 1222 Rn. 35. Siehe hierzu oben, S. 168. Siehe hierzu oben, S. 113.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

fünfjährigen Verjährungsfrist (vollständig) für Ansprüche aufzuzehren, die ihm bereits im Zeitpunkt der Abnahme bekannt waren.479 Fehlt es an einer einseitigen Zuordnung, der aus dem Erfüllungsstadium stammenden Mängelrechte, werden diese im Falle eines zeitlichen Nebeneinanders von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft mit insgesamt 15 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert. Es erscheint naheliegend, hieraus eine Übersicherung des Auftragnehmers abzuleiten, da die isoliert zulässige Höchstgrenze für Ansprüche aus dem Erfüllungsstadium in Höhe von 10 % der Auftragssumme bei weitem überschritten wird. Soweit § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B in den Bauvertrag einbezogen wurde, schafft dieser jedoch Abhilfe. In der Vorschrift ist geregelt, dass der Auftraggeber eine nicht verwertete Vertragserfüllungssicherheit spätestens mit Abnahme und Beschaffung der Gewährleistungssicherheit durch den Auftragnehmer zurückzugeben hat. Soweit der Auftraggeber offene Forderungen gegen den Auftragnehmer hat, die nicht vom Sicherungszweck der Gewährleistungssicherheit erfasst werden (beispielsweise Schadensersatzansprüche wegen Verzug), darf er allerdings einen entsprechenden Teil der Vertragserfüllungssicherheit zurückhalten und verwerten. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass er hinsichtlich der im Vertragserfüllungsstadium erkannten Mängel nur noch aus der Gewährleistungssicherheit vorgehen kann. Trotz des teilidentischen Sicherungszwecks verhindert die Rückgaberegelung demzufolge den hochriskanten Summierungseffekt.480 Dennoch ist es vorzugswürdig, die vor Abnahme erkannten Mängel und die daraus resultierenden Ansprüche bei der Vertragsgestaltung in den alleinigen Sicherungsumfang der Vertragserfüllungsbürgschaft einzubeziehen. Wie bereits erwähnt, entspricht dies einerseits ihrer Herkunft. Andererseits wird hierdurch ein frühzeitiger Verbrauch der Gewährleistungssicherheit verhindert. 3. Abbedingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften Die zweite große Fallgruppe, die zur Unwirksamkeit von formularvertraglichen Sicherungsabreden führt, bildet die Abbedingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften, die auf dem Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip fußen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang neben der formularvertraglichen Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern die Abbedingung der Rechte aus §§ 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 und 2 BGB. a) Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Nochmals angemerkt sei, dass es nachfolgend nicht um die relativ einfach zu beantwortende Frage geht, ob eine Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam zwi479 480

v. Kiedrowski, BauR 2016, 320, 329. So auch Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 177 f.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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schen der Bank und dem Auftraggeber vereinbart werden kann. Dies ist sowohl individual- als auch formularvertraglich ohne Weiteres möglich, da es sich bei Banken um gewerbsmäßige Bürgen handelt, die mit den besonderen Risiken einer solchen Sicherheit vertraut sind.481 Die hier interessierende und davon zu unterscheidende Problemstellung lautet, ob der Auftraggeber eine solche Sicherheit auch wirksam seiner formularvertraglichen Sicherungsabrede zugrunde legen kann. Es geht somit um das Rechtsverhältnis zwischen den Bauvertragsparteien. aa) Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 05. 06. 1997 – ein Flächenbrand Das Fundament der Rechtsprechungsentwicklung markiert das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 05. 06. 1997482. In der formularvertraglichen Sicherungsabrede war ein fünfjähriger Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 5 % der Auftragssumme vorgesehen, der vom Auftragnehmer nur durch Beibringung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden konnte. Die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto nach § 17 Nr. 6 VOB/B a. F. wurde vom Auftraggeber explizit ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof verwirft die gesamte Sicherungsabrede mit dezidierter und einleuchtender Begründung. Zunächst hebt er hervor, dass der Auftraggeber ein schützenswertes Sicherungsinteresse für den Gewährleistungszeitraum hat.483 Gleichzeitig unterstreicht er jedoch die Unvereinbarkeit des fünfjährigen Gewährleistungseinbehalts mit dem aus § 641 BGB a. F. folgenden Leitbild.484 Die Regelung sieht auch in ihrer heutigen Gestalt noch vor, dass die Vergütung des Auftragnehmers mit der Abnahme fällig wird und ab diesem Zeitpunkt mit 4 % bzw. 5 % (vgl. § 246 BGB und § 352 HGB) zu verzinsen ist. Der einzige (nicht nennenswerte) Unterschied zur damaligen Rechtslage liegt darin, dass die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs gemäß § 650g Abs. 4 BGB zusätzlich von der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung abhängt. Durch den Einbehalt wird die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs in Höhe des einbehaltenen Betrags für fünf Jahre nach Abnahme des Bauwerks hinausgeschoben. Hierdurch wird dem Auftragnehmer, entgegen der gesetzlichen Wertung des § 641 BGB, für einen langen Zeitraum und in erheblichem Umfang Liquidität vorenthalten.485 Zudem kann er die gesetzlich vorgesehene Verzinsung insoweit nicht erhalten.486 Hinzu kommt schließlich, dass der Auftragnehmer wegen der fehlenden Pflicht des Auftraggebers zur Sperrkon481 Siehe statt aller nur BGH NJW 2001, 1857, 1858; MüKoBGB/Habersack, § 765 Rn. 108. 482 BGH NJW 1997, 2598. 483 BGH NJW 1997, 2598, 2599. 484 BGH NJW 1997, 2598, 2599. 485 BGH NJW 1997, 2598, 2599. 486 BGH NJW 1997, 2598, 2599.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

toeinzahlung dessen Insolvenzrisiko trägt.487 Vor diesem Hintergrund ist die formularvertragliche Vereinbarung des Sicherheitseinbehalts grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dem Auftragnehmer durch das vertraglich vorgesehene Austauschrecht eine faire Alternative eingeräumt wird.488 Bei der Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist dies jedoch nicht der Fall. Wie oben bereits gezeigt, kann der Auftraggeber bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern die Auszahlung des Bürgschaftsbetrags durch die formell ordnungsgemäße Zahlungsaufforderung auslösen.489 Ob geltend gemachte Mängel vorliegen, die gesicherte Forderung fällig ist oder sonstige Bedenken gegen die gesicherte Forderung bestehen, ist zunächst irrelevant. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern stellt für den Auftraggeber somit einen „Geldtopf“ dar, auf den er jederzeit (missbräuchlich) zurückgreifen kann. Mittelbar wird hierdurch dem Bauunternehmer in die Tasche gegriffen.490 Nachdem der Bürge beim Auftragnehmer Rückgriff genommen hat, muss dieser im ggf. mehrjährigen Zweitprozess seinen Rückforderungsanspruch gegen den Auftraggeber durchsetzen. Während dieser Zeit wird ihm einerseits Liquidität entzogen, und andererseits hat er das Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu tragen.491 Er steht daher im Ergebnis nicht besser als beim Sicherheitseinbehalt. Beide Sicherungsmittel – Einbehalt und Bürgschaft auf erstes Anfordern – sind für den Auftraggeber letztlich „bare Münze“. Der Austausch von „Bargeld gegen Bargeld“492 kann demzufolge keine Kompensationswirkung entfalten.493 Die Entscheidung hat eine zum damaligen Zeitpunkt häufig verwendete formularvertragliche Sicherungsabrede zutreffend verworfen und auf einen Schlag deckungsgleiche und ähnliche Klauselwerke zu Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern in Milliardenhöhe (!)494 ins Wanken gebracht. Zugleich hat sie jedoch viele Folgefragen offengelassen. Umstritten war, ob die vorgenannten Grundsätze auch dann Geltung beanspruchen, wenn der Sicherheitseinbehalt vom Auftraggeber auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist und/oder das Recht des Auftragnehmers auf Hinterlegung erhalten bleibt.495 Darüber hinaus bestand Unsicherheit, 487

BGH NJW 1997, 2598, 2599. BGH NJW 1997, 2598, 2599. 489 Siehe hierzu oben, S. 140 f. 490 Sienz, BauR 2002, 1241, 1244. 491 BGH NJW 1997, 2598, 2599. 492 J. Schmidt, BauR 2002, 21, 24. 493 BGH NJW 1997, 2598, 2599. 494 Bomhard, BauR 1998, 179. 495 Hierfür Kainz, BauR 1995, 616, 622 ff.; Belz, ZfBR 1998, 1, 3; v. Wietersheim, MDR 1998, 630, 631; Beyer/Zuber, MDR 1999, 1298, 1300; Hogrefe, BauR 1999, 111, 112; J. Schmidt, BauR 2002, 21, 23; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 514; Brauns, BauR 2002, 704, 709 f.; dagegen Koppmann, BauR 1992, 235, 238 f.; Bomhard, BauR 1998, 179, 182; Sienz, BauR 2000, 1249, 1251; Thode, ZfIR 2000, 165, 168; Thode, ZfBR 2002, 4, 7; Vogel, EWiR 2002, 177, 178; Siegburg, ZfIR 2002, 709, 716; Roquette/Giesen, NZBau 2002, 547, 550; Joussen, BauR 2003, 13, 14 f.; differenzierend Weise, Sicherheiten, Rn. 273, der die Mög488

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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wie mit formularvertraglichen Sicherungsabreden über Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern zu verfahren ist.496 Schließlich war man sich auch nicht einig darüber, ob die öffentlichen Auftraggeber von den Unwirksamkeitsfolgen verschont bleiben, da bei ihnen faktisch kein Insolvenzrisiko besteht.497 Die Antworten auf diese ungeklärten Fragen servierte der Bundesgerichtshof häppchenweise in seinen Anschlussentscheidungen. Zuvor stabilisierte und präzisierte er jedoch seine Aussagen zu der obigen Gewährleistungsklausel. bb) Keine Aufrechterhaltung der zuvor dargestellten Sicherungsabrede durch Klauselteilung und ergänzende Vertragsauslegung Der Bundesgerichtshof bestätigte seine Grundsatzentscheidung durch vier gleichgelagerte Urteile,498 sodass nunmehr von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden konnte. Hierbei ging er in den Urteilen vom 08. 03. 2001499 und 22. 11. 2001500 auf neue rechtliche Gesichtspunkte ein. Die formularvertraglichen Sicherungsabreden waren nahezu identisch mit der zuvor besprochenen Klauselgestaltung. Der Bundesgerichtshof stellte auch diesmal wieder die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabreden zu Lasten des Auftraggebers fest. Er begründet in diesem Zusammenhang jedoch, weshalb die Sicherungsabrede weder durch Klauselteilung noch durch ergänzende Vertragsauslegung mit der Maßgabe aufrechterhalten werden kann, dass der Gewährleistungseinbehalt vom Auftragnehmer durch Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft abgelöst werden darf. In den beiden vorherigen Entscheidungen beschränkte sich der Bundesgerichtshof hingegen noch auf eine implizite Ablehnung dieser Rettungsmöglichkeiten. Eine Zerlegung der Klausel in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis zurecht nicht möglich, weil beide Regelungen (der Sicherheitseinbehalt und das Ablölichkeit der Hinterlegung im Gegensatz zu einem Einbehalt, der auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist, für einen angemessenen Ausgleich hält. 496 Für die Unwirksamkeit OLG Dresden BauR 2001, 1447; OLG Köln BeckRS 2000, 31052051; Kainz, BauR 1995, 616, 623; Hogrefe, BauR 1999, 111, 113; Sienz, BauR 2000, 1249, 1252 ff.; J. Schmidt, BauR 2002, 21, 22 ff.; dagegen OLG München BauR 2001, 1618; OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 546, 547; OLG Jena NJW-RR 2001, 1103, 1104; differenzierte Betrachtungen finden sich bei Koppmann, BauR 1992, 235, 239 und Brauns, BauR 2002, 704, 712 f. 497 Für die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bei Verwendung von öffentlichen Auftraggebern Kainz, BauR 1995, 616, 626; Hogrefe, BauR 1999, 111, 113 f.; Hogrefe, BauR 2003, 17, 20; Thode, ZfIR 2000, 165, 168; Thode, ZfBR 2002, 4, 6 f.; Sienz, BauR 2002, 1241, 1243; dagegen Erdmann, ZfIR 2003, 361, 367; Erwägungen in diese Richtung finden sich auch bei Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 515; vgl. ferner OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 1204. 498 BGH NJW 2000, 1863; BGH NJW 2001, 1857; BGH NJW 2002, 894; BGH NJW-RR 2002, 1311. 499 BGH NJW 2001, 1857. 500 BGH NJW 2002, 894.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

sungsrecht) eine untrennbare Einheit bilden.501 Das Ablösungsrecht kann den Auftragnehmer für sich genommen nicht unangemessen belasten, da es ihm lediglich eine Wahlmöglichkeit eröffnet.502 Dies gilt selbst dann, wenn als einzige Austauschsicherheit eine für den Auftragnehmer unattraktive Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern vorgesehen ist. Allein hieraus erwachsen dem Auftragnehmer noch keine Nachteile, da er nicht gezwungen ist, das ihm eingeräumte Gestaltungsrecht auszuüben. Folglich unterliegt dieser Teil der Klausel für sich genommen ohnehin nicht der Inhaltskontrolle.503 Es ist insoweit auch nicht angebracht, die Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern durch Klauselstreichung in eine selbstschuldnerische Bürgschaft umzuformen. Die Wurzel allen Übels stellt demgegenüber die Abrede über den Gewährleistungseinbehalt dar, weil dieser isoliert betrachtet gegen das Leitbild aus § 641 BGB verstößt. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers kann nur durch Einräumung einer fairen Alternative abgewendet werden. Die Regelungen über den Sicherheitseinbehalt und die Austauschsicherheit sind demzufolge fest miteinander verschnürt. Erst aus dem Umstand, dass die Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern aus den oben genannten Gründen keine Kompensationswirkung entfaltet, folgt die endgültige Unwirksamkeit der Abrede über den Gewährleistungseinbehalt. Es gibt demzufolge auch keine Primärsicherheit mehr, die ersetzt werden kann. Für das Austauschrecht existiert kein Anknüpfungspunkt mehr. Das kautelarjuristische Kartenhaus fällt in sich zusammen, weil ihm der Rechtsboden entzogen wird. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet ebenfalls aus, weil die entstehende Lücke bereits durch dispositives Gesetzesrecht (§ 641 BGB) geschlossen wird.504 Hilfsweise hat der Bundesgerichtshof allerdings angeführt, dass auch nicht ersichtlich sei, welche Vereinbarung die Bauvertragsparteien geschlossen hätten, wenn sie sich der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bewusst gewesen wären.505 Neben einem fünfjährigen Gewährleistungseinbehalt, der durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft abgelöst werden kann, kommt nach seiner Auffassung auch ein geringerer Einbehalt, eine verkürzte Einbehaltsfrist oder ein anderes Sicherungsmittel in Betracht.506 Diese Argumentation ist allerdings etwas vordergründig. Einerseits sind in Bauverträgen als Sicherheiten nahezu ausschließlich Einbehalte und Bürgschaften anzutreffen. Andererseits hat der Bundesgerichtshof mit begründetem Nichtannahmebeschluss vom 17. 01. 2002507 – also in engem zeitlichen Zusammenhang – klargestellt, dass die Höhe und Dauer des Gewährleistungseinbehalts nichts an der 501 502 503 504 505 506 507

BGH NJW 2001, 1857, 1858; BGH NJW 2002, 894, 895. BGH NJW 2001, 1857, 1858; BGH NJW 2002, 894, 895. BGH NJW 2002, 894, 895. BGH NJW 2001, 1857, 1858. BGH NJW 2001, 1857, 1858; BGH NJW 2002, 894, 895. BGH NJW 2001, 1857, 1858; BGH NJW 2002, 894, 895. BGH IBRRS 2002, 1988.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Unwirksamkeit der besprochenen Klausel ändert. Hierdurch verwirft er paradoxerweise die von ihm propagierten Gestaltungsvarianten des Auftraggebers. Auf den ersten Blick erscheint daher ein fünfjähriger Gewährleistungseinbehalt, der durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft abgelöst werden kann, durchaus den Interessen der Bauvertragsparteien zu entsprechen. Dies lässt sich auch dogmatisch rekonstruieren, weil die Bürgschaft auf erstes Anfordern nach der herrschenden Meinung eine den Gläubiger besonders privilegierende Bürgschaftsform darstellt. Hierbei wird allerdings verkannt, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern im Gegensatz zur selbstschuldnerischen Bürgschaft nicht nur ein Sicherungsinstrument, sondern auch einen „Geldtopf“ verkörpert. Die Rechtsprechung hat nicht ohne Grund immer wieder hervorgehoben, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern in der Praxis das bis dahin gängige Bardepot abgelöst hat.508 Sicherheiten sind grundsätzlich dienende Hilfsverpflichtungen. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern geht hierüber im Außenverhältnis weit hinaus, weil sie völlig unabhängig von der gesicherten Hauptschuld in Anspruch genommen werden kann. Der Auftraggeber verfolgt mit ihr das Ziel, schnell an Liquidität zu kommen, indem er einen gegebenenfalls mehrjährigen Prozess gegen den Bürgen umschifft. Hierdurch macht er mehr als deutlich, dass er gerade nicht mit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einverstanden ist. Eine Rückkehr zu dieser erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen. Qualitativ liegen Bürgschaft auf erstes Anfordern und selbstschuldnerische Bürgschaft einfach zu weit auseinander, um eine solche Notlösung über die ergänzende Vertragsauslegung zuzulassen. Dies gilt erst recht, wenn dem Bauvertrag die VOB/B zugrunde gelegt wurde und der Auftraggeber bewusst zu seinen Gunsten von der Konzeption des § 17 VOB/B – der in keiner seiner vergangenen Fassungen das Recht auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsah – abweicht.509 cc) Das zweite Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 18. 04. 2002 In seinem zweiten Grundsatzurteil vom 18. 04. 2002510 äußerte sich der Bundesgerichtshof erstmals zu einer formularvertraglich vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 10 % der Auftragssumme. Zusätzlich zur Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern waren im Bauvertrag als Vertragserfüllungssicherheit Einbehalte in Höhe von 10 % der Abschlagszahlungen vorgesehen. Wegen des damit einhergehenden Summierungseffekts hätte man aus heutiger Sicht bereits eine Übersicherung angenommen. Aus damaliger Perspektive erschien dies jedoch nicht selbstverständlich. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Bauvertrag aus dem Jahr 1997 zugrunde. Der gesetzliche Anspruch auf Abschlagszahlungen ist hingegen erst am 01. 05. 2000 in Kraft ge508 BGH NJW 1984, 923; BGH NJW-RR 1989, 1324, 1326; NJW 1996, 717, 718; BGH NJW 1997, 255; BGH NJW 2002, 3170, 3171. 509 BGH NJW 2002, 894, 895. 510 BGH NJW 2002, 2388.

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treten. Vor diesem Hintergrund erschien es naheliegend, die Einbehalte nicht als gesonderte Sicherheitsleistung zu bewerten, weil der Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt nur in den Grenzen von Treu und Glauben zur Zahlung von Abschlägen verpflichtet war.511 Der Bundesgerichtshof ging hierauf jedoch nicht ein. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit, um festzuhalten, dass bereits die isolierte Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern unwirksam ist. Bei der ersten Grundsatzentscheidung konnte sich der Bundesgerichtshof noch darauf berufen, dass die Vereinbarung eines Gewährleistungseinbehalts, der nur durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, gegen das Leitbild des § 641 BGB verstößt. In der vorliegenden Konstellation gibt es hingegen keine gesetzliche Wertung, an der sich der Bundesgerichtshof orientieren konnte. Die Einbehalte von den Abschlägen konnten aus den soeben genannten Gründen nicht an § 632a BGB a. F. gemessen werden. Hierauf kam es jedoch auch gar nicht an, weil die Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern nicht als Kompensation für die Einbehalte vorgesehen war, sondern neben diesen (also separat) geltend gemacht werden sollte. Für eine Vertragserfüllungssicherheit in Form einer Bürgschaft hält das Gesetz wiederum keine Richtschnur parat. Falsch wäre es, damit zu argumentieren, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern wegen ihrer vorübergehend aufgegebenen Akzessorietät vom Leitbild der §§ 765 ff. BGB abweicht.512 Hierauf kann es nur im Rahmen der Inhaltskontrolle des formularvertraglichen Bürgschaftsvertrags ankommen. Im Hinblick auf die formularvertragliche Sicherungsabrede ist einzig und allein entscheidend, dass die §§ 631 ff. BGB in ihrer damaligen und heutigen Fassung keine Verpflichtung des Auftragnehmers zur Beibringung einer Vertragserfüllungssicherheit kennen. Vor diesem Hintergrund ist der alleinige Überprüfungsmaßstab die Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach ist die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu besorgen, unwirksam, wenn sie ihn entgegen der Gebote von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Diese unangemessene Benachteiligung leitet der Bundesgerichtshof prägnant her. Er zeigt erneut auf, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern missbrauchsanfällig ist und vom Auftraggeber jederzeit in Bargeld umgewandelt werden kann.513 Dies geht über das berechtigte Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers hinaus.514 Auf der anderen Seite wird dem Auftragnehmer durch den zwischenzeitlichen Rückgriff des Bürgen Liquidität entzogen, auf die er im Zweifel dringend angewiesen ist.515 Zusätzlich trägt er im Rahmen des Rückforderungsprozesses das Insolvenzrisiko des Auftraggebers.516 Dass er das Insolvenzrisiko des Auftraggebers aufgrund der be511 512 513 514 515 516

Siehe hierzu oben, S. 41. Hierzu instruktiv Oepen, NJOZ 2009, 756, 771. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 2388, 2389.

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stehenden Vorleistungspflicht ohnehin trägt, vermag an dieser unbilligen Benachteiligung nichts zu ändern. Nach der gesetzgeberischen Konzeption trägt der Auftragnehmer nur das Insolvenzrisiko des Auftraggebers hinsichtlich der ausstehenden Vergütung. Hieraus kann demzufolge nicht abgeleitet werden, dass ihm zusätzlich in Höhe von 10 % der Auftragssumme das Insolvenzrisiko des Auftraggebers wegen einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürgschaft auf erstes Anfordern aufgebürdet werden kann.517 Anschließend stellt der Bundesgerichtshof klar, dass der Auftraggeber formularvertraglich stattdessen eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft verlangen kann, die seine Sicherungsinteressen ausreichend befriedigt.518 Diese Aussage gab der Praxis eine Richtlinie zu einer AGB-konformen Absicherung an die Hand. Für Unsicherheit hat demgegenüber die kryptische Aussage des Bundesgerichtshofs gesorgt, wonach die Sicherungsabrede jedenfalls insoweit unwirksam sei, wie sie eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern vorsehe.519 Eine Klauselteilung oder ergänzende Vertragsauslegung durch den Bundesgerichtshof lag daher zumindest im Bereich des Möglichen. Dennoch erschien eine unterschiedliche Behandlung von Sicherungsabreden zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten nicht sonderlich wahrscheinlich. dd) Verhinderung eines zweiten Flächenbrands Umso überraschender war die Entscheidung vom 04. 07. 2002520. Auch diesmal hatte der Auftragnehmer nach der Sicherungsabrede eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 10 % der Bruttoauftragssumme zu beschaffen. Der Bundesgerichtshof stellte erneut die Unwirksamkeit der Klauselgestaltung fest. Er ließ den Auftraggeber jedoch nicht ohne Sicherheit zurück. Die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Beibringung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern könne ergänzend dahingehend ausgelegt werden, dass nur eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft geschuldet werde.521 Ob dieses Ergebnis auch durch Klauselstreichung des unwirksamen Parts „auf erstes Anfordern“ erreicht werden kann, ließ der Bundesgerichtshof offen.522 Auf jeden Fall seien die Voraussetzungen der §§ 133, 157 BGB gegeben. Zum einen halte das dispositive Gesetzesrecht keine Regelung bereit, um die bestehende Vertragslücke zu schließen.523 Zum anderen sei es unbillig und widerspreche dem Sinn und Zweck der Inhaltskontrolle, das Vertragsgefüge einseitig im Sinne des 517 518 519 520 521 522 523

Roquette/Giesen, NZBau 2002, 547, 550. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 2388, 2389. BGH NJW 2002, 3098. BGH NJW 2002, 3098, 3099. BGH NJW 2002, 3098, 3099. BGH NJW 2002, 3098, 3099.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Auftragnehmers zu verschieben.524 Der ersatzlose Wegfall der Sicherungsabrede entspreche auch nicht den Interessen der Bauvertragsparteien.525 Das schützenswerte Interesse des Auftraggebers an einer formularvertraglichen Absicherung habe der Auftragnehmer mit dem Vertragsschluss anerkannt.526 Zudem scheitert die ergänzende Vertragsauslegung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht an mehreren zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten.527 Die Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, anstatt einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, sei das einzig naheliegende Sicherungsmittel. Schließlich stehe die Aufrechterhaltung der Sicherungsabrede auch nicht in Widerspruch zum ersten Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs und dessen Folgeentscheidungen, da es dort vorrangig um die formularvertragliche Zulässigkeit eines Gewährleistungseinbehalts ging.528 Ab Bekanntwerden der vorliegenden Entscheidung scheide eine ergänzende Vertragsauslegung allerdings aus, weil ab diesem Zeitpunkt bei objektiver Betrachtung von einer bewusst abschließend gewählten Klauselgestaltung des Verwenders ausgegangen werden müsse.529 Das Urteil darf als Notlösung verstanden werden. Bei einer Totalunwirksamkeit wären Bürgschaften auf erstes Anfordern in Milliardenhöhe (erneut) wertlos gewesen.530 Hiervor konnte der Bundesgerichtshof seine Augen nicht verschließen. Aus pragmatischer Sicht verdient das gefundene Ergebnis daher Beifall.531 Dogmatisch darf jedoch nicht verkannt werden, dass der Bundesgerichtshof unter dem Deckmantel der ergänzenden Vertragsauslegung eine geltungserhaltende Reduktion vornimmt.532 Wenn man ehrlich ist, sind die Voraussetzungen der §§ 133, 157 BGB schlichtweg nicht gegeben. Zwar existiert im Gesetz keine Regelung bezüglich einer Vertragserfüllungssicherheit. Dies berechtigt jedoch noch lange nicht dazu, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern über das Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung in eine selbstschuldnerische Bürgschaft umzuwandeln. Wie oben bereits gezeigt, sind beide Sicherheiten trotz ihrer gemeinsamen Verankerung in den §§ 765 ff. BGB von ihrer Wirkungsweise wesensverschieden. Merkwürdig erscheint auch, dass der Bundesgerichtshof kein Problem damit hat, nur 524

BGH NJW 2002, 3098, 3099. BGH NJW 2002, 3098, 3099. 526 BGH NJW 2002, 3098, 3099. 527 BGH NJW 2002, 3098, 3099. 528 BGH NJW 2002, 3098, 3099. 529 BGH NJW 2002, 3098, 3099. 530 Schmitz/Vogel, ZIP 2002, 1200. 531 Joussen, BauR 2003, 13, 16; vgl. auch v. Westphalen, NJW 2003, 1635, 1638 und Enaux, in: FS Werner 2005, S. 259, 274, 277. 532 So im Ergebnis auch Schulze-Hagen, BauR 2003, 785, 791; Joussen, BauR 2003, 13, 16; Hogrefe, BauR 2003, 17, 18; Sienz, BauR 2002, 1241, 1242; Schwenker, EWiR 2002, 785, 786; Siegburg, ZfIR 2002, 709, 714; ähnlich Klein/Moufang, Jahrbuch Baurecht 2005, 27, 63 ff., die ebenfalls konstatieren, dass die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht gegeben sind. 525

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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die selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft als echte Alternative in Betracht zu ziehen. Bei dem Urteil zum Gewährleistungseinbehalt, der ausschließlich durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, hat er die ergänzende Vertragsauslegung unter anderem noch mit dem Argument ausgeschlossen, dass eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten bestünde. Eine Erklärung, weshalb dies im Vertragserfüllungsstadium anders sein soll, bleibt der Bundesgerichtshof zumindest schuldig. Die Subsumtion ist daher insgesamt nicht überzeugend. Auch die vom Bundesgerichtshof angestellten Billigkeitserwägungen sind bei genauerer Betrachtung nicht wirklich stichhaltig. In der baurechtlichen Fachliteratur wurde schon Mitte der 90er Jahre auf die Gefährlichkeit der formularvertraglichen Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern hingewiesen.533 Auch die Grundsatzentscheidung vom 05. 06. 1997 enthielt bereits ein deutliches Warnsignal. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest fragwürdig, den Verwendern unwirksamer AGB das Formulierungsrisiko abzunehmen und ihnen einen zeitlich begrenzten „Freifahrtsschein“534 zu erteilen. Weshalb für den Vertrauensschutz nicht auf das vorherige Urteil vom 18. 04. 2002 abgestellt wurde, ist ebenso unerklärlich.535 Zudem bestand nunmehr Klärungsbedarf, ob eine ergänzende Vertragsauslegung fortan auch bei Sicherungsabreden zu Gewährleistungsbürgschaften in Betracht kommt.536 Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof dogmatische Brüche und damit verbundene Rechtsunsicherheit hingenommen hat, um einen zweiten Flächenbrand in der Baupraxis zu verhindern. ee) Zulässigkeit der Ablösung eines Gewährleistungseinbehalts durch selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft In seiner Entscheidung vom 13. 11. 2003537 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass eine formularvertragliche Sicherungsabrede, die eine Ablösung des Gewährleistungseinbehalts ausschließlich durch selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft vorsieht, wirksam ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Gewährleistungseinbehalt nicht auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist.538 Die Klauselgestaltung eröffnet dem Auftragnehmer eine faire Alternative. Entscheidet er sich für den Bareinbehalt erleidet er Liquiditäts- und damit verbundene Zinseinbußen. Darüber hinaus hat er 533

Grundlegend Kainz, BauR 1995, 616. Hogrefe, BauR 2003, 17, 19. 535 Schmitz/Vogel, ZIP 2002, 1693, 1694; Hogrefe, BauR 2003, 17, 19. 536 Hierfür OLG Rostock BauR 2003, 928, 929; LG Essen BauR 2003, 1584 f.; LG München I IBRRS 2003, 3090; Hildebrandt, ZfIR 2002, 872, 875 ff.; aus pragmatischen Gründen auch Enaux, in: FS Werner 2005, S. 259, 269 ff.; dagegen OLG Düsseldorf BauR 2003, 1585, 1586; OLG Hamm BauR 2003, 1720, 1723; OLG Celle NZBau 2004, 214 f.; OLG München BauR 2004, 1466, 1469 f.; OLG Hamm BauR 2004, 1790, 1792. 537 BGH NJW 2004, 443. 538 BGH NJW 2004, 443. 534

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

für den Gewährleistungszeitraum das Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu tragen. Durch die Geltendmachung seines Austauschrechts wird er von diesen Nachteilen befreit. Beschafft der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft, wird er (lediglich) in seinem Kreditrahmen beschränkt und mit der Zahlung einer Avalprovision belastet.539 Dies ist wegen des berechtigten Sicherungsbedürfnisses des Auftraggebers hinnehmbar. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft besteht im Unterschied zur Bürgschaft auf erstes Anfordern kein Missbrauchspotenzial, da der Auftraggeber gegen die Bank oder den Kreditversicherer, wegen der uneingeschränkten Akzessorietät zur Hauptschuld, einen typischen Bauprozess führen muss. Vor diesem Hintergrund ist der Auftraggeber auch nicht dazu in der Lage, dem Auftragnehmer unberechtigt Liquidität zu entziehen und eine Verlagerung des Insolvenzrisikos herbeizuführen. Er erlangt nur ein Sicherungsund kein Zahlungsmittel. Die isolierte Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft (ohne Verbindung mit einem Gewährleistungseinbehalt) ist dementsprechend ebenfalls möglich.540 Wirklich verwunderlich ist die Bestätigung der Klauselgestaltung nicht, da der Bundesgerichtshof zuvor bereits die formularvertragliche Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft gebilligt hat.541 Die Entscheidung zeigt Auftraggebern allerdings erneut einen rechtssicheren Weg einer formularvertraglichen Absicherung auf. In der Literatur wird demgegenüber bis heute auf breiter Front beanstandet, dass der Bundesgerichtshof die Klauselgestaltung auch für solche Fälle gebilligt hat, in denen der Auftraggeber nicht zur Sperrkonto-Einzahlung verpflichtet ist.542 Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten sei der Auftragnehmer wegen der Belastung seiner Kreditlinie oftmals nicht dazu in der Lage, den Gewährleistungseinbehalt durch Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft abzulösen.543 Ihn in dieser Situation zusätzlich mit dem Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu belasten, stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Dieser Kritik kann nicht beigetreten werden.544 Aus Sicht des Auftragnehmers ist die Einzahlung des Gewährleistungseinbehalts auf ein Sperrkonto natürlich wünschenswert. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Auftragnehmer gegenüber dem Sicherheitseinbehalt in aller Regel das attraktivere Sicherungsinstrument darstellt. Vor diesem Hintergrund ist – wie soeben bereits erwähnt – nichts dagegen einzuwenden, wenn der Auftraggeber sein Sicherungsbedürfnis durch die isolierte Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft be539

BGH NJW 2004, 443. BGH NJW-RR 2004, 814, 815. 541 Siehe hierzu oben, S. 235. 542 Schmitz, Sicherheiten, Rn. 99; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 514; Hildebrandt, ZfIR 2002, 872, 874; Franz, BauR 2004, 327 ff.; Klein/Moufang, Jahrbuch Baurecht 2005, 27, 45 f. 543 Franz, BauR 2004, 328; Klein/Moufang, Jahrbuch Baurecht 2005, 27, 45; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 99. 544 So im Ergebnis auch Stammkötter, BauR 2003, 1287, 1289 f.; vgl. zur Kombination von Bareinbehalt und Vertragserfüllungsbürgschaft Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 175. 540

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friedigt. Dann muss es jedoch erst recht zulässig sein, einen Bareinbehalt zu vereinbaren, den der Auftragnehmer durch selbstschuldnerische Bürgschaft ablösen kann. Durch das Austauschrecht wird der Auftragnehmer lediglich privilegiert. Er kann sich entweder für den risikoreichen Bareinbehalt oder für die Ersetzung durch die selbstschuldnerische Bürgschaft entscheiden. Durch diese Wahlmöglichkeit steht er (zumindest theoretisch) besser als bei der isolierten Vereinbarung einer Gewährleistungsbürgschaft. Folglich ist – auch wenn einem das Ergebnis widerstrebt – aus rechtlicher Sicht nichts gegen die Klauselgestaltung einzuwenden. Der Umstand, dass der Auftragnehmer die Bankbürgschaft mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht beschaffen kann, entspringt letztlich seiner eigenen Risikosphäre. Das gilt auch in konjunkturell schwierigen Zeiten. ff) Auch keine Bürgschaften auf erstes Anfordern in formularvertraglichen Sicherungsabreden der öffentlichen Hand Auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. 03. 2004545 wurde bereits oben im Rahmen der Übersicherung durch Kumulation Bezug genommen.546 In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof erstmals darüber zu befinden, ob die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine Kombi-Bürgschaft auf erstes Anfordern zu beschaffen, auch in Allgemein Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand unwirksam ist. Im Gegensatz zu gewerblichen und privaten Auftraggebern sind öffentliche Auftraggeber faktisch immer zahlungsfähig. Dies ändert nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch nichts an der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede. Auch wenn das Missbrauchsrisiko einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in den Händen eines öffentlichen Auftraggebers geringer einzustufen ist,547 kann es – vor allem in Zeiten knapper Haushaltsmittel – nicht gänzlich ausgeschlossen werden.548 Darüber hinaus ist der öffentliche Auftraggeber ebenso wenig wie ein gewerblicher oder privater Auftraggeber gegen eine Fehleinschätzung hinsichtlich des materiellen Bürgschaftsfalls gefeit. Es besteht daher eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen unberechtigten Liquiditätsentzug auf Seiten des Bürgen, der im Zuge des Regresses letztlich auf den Auftragnehmer durchschlägt.549 Der Auftragnehmer hat im Rückforderungsprozess zwar nicht die zwischenzeitliche Zahlungsunfähigkeit des öffentlichen Auftraggebers zu befürchten. Er muss das ggf. langwierige Gerichtsverfahren jedoch gegen eine Partei führen, der keinerlei Gerichtskosten entstehen.550 Wegen des damit verbundenen Liquiditätsentzugs ist keine Unterscheidung zwischen privaten, gewerblichen und öffentlichen Auftraggebern zu machen. 545 546 547 548 549 550

BGH NJW-RR 2004, 880. Siehe hierzu oben, S. 216 ff. So Erdmann, ZfIR 2003, 361, 367; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 515. BGH NJW-RR 2004, 880, 881. BGH NJW-RR 2004, 880, 881. BGH NJW-RR 2004, 880, 881.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Dem Urteil ist zuzustimmen, da Auftragnehmer ein essenzielles Liquiditätsbedürfnis haben. Es kann daher nicht entscheidend auf ein bestehendes Insolvenzrisiko des Vertragspartners ankommen. Dieses Argument vermag die Unwirksamkeit einer formularvertraglich vereinbarten Bürgschaft auf erstes Anfordern lediglich zu untermauern. Entscheidend ist, dass dem Auftragnehmer in sämtlichen Fallgestaltungen ein unberechtigter Liquiditätsentzug bis zum Abschluss des Rückforderungsprozesses droht. Schlimmstenfalls gerät er hierdurch selbst in eine wirtschaftliche Krise. Für ein solches Sicherungsmittel mit Zahlungscharakter besteht nach Abwägung der beiderseitigen Interessen kein anzuerkennendes Bedürfnis auf Seiten des Auftraggebers. In Anknüpfung an seine vorherige Entscheidung nimmt der Bundesgerichtshof jedoch (aus pragmatischen Erwägungen) eine ergänzende Vertragsauslegung vor. Dass es sich, anders als in der Entscheidung vom 04. 07. 2002, um eine Kombibürgschaft und nicht um eine reine Vertragserfüllungsbürgschaft handelt, thematisiert der Bundesgerichtshof nicht. Stattdessen trifft er eine Klarstellung, indem er den Stichtag für den gewährten Vertrauensschutz auf den 31. 12. 2002 datiert.551 Nach diesem Zeitpunkt kommt eine ergänzende Vertragsauslegung der Sicherungsabrede nicht mehr in Betracht. gg) Keine ergänzende Vertragsauslegung bei alleiniger Ablösungsmöglichkeit des Gewährleistungseinbehalts durch Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern Die spannende Frage, ob die Grundsätze zur übergangsweisen Aufrechterhaltung von Sicherungsabreden zu Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern, entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, auch auf die weit verbreitete Klauselgestaltung im Gewährleistungsstadium (Gewährleistungseinbehalt, ausschließlich ablösbar durch Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern) übertragbar ist, wurde vom Bundesgerichtshof am 09. 12. 2004552 negativ beantwortet. Verwender der Klausel war die öffentliche Hand. Der Sicherheitseinbehalt war nach der Sicherungsabrede nicht auf ein Sperrkonto einzuzahlen. In Anlehnung an seine vorherige Entscheidung zu Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern bekräftigt der Bundesgerichtshof zunächst, dass die Solvenz öffentlicher Auftraggeber nichts an der Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede ändert.553 Da die Inanspruchnahme aus der Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern nichtsdestotrotz bis zum Abschluss des Rückforderungsprozesses zu einem unberechtigten und zeitlich nicht absehbaren Liquiditätsentzug auf Seiten des Auftragnehmers führen kann, stellt sie keine angemessene Kompensation für den

551 552 553

BGH NJW-RR 2004, 880, 881. BGH NJW-RR 2005, 458. BGH NJW-RR 2005, 458, 459.

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Gewährleistungseinbehalt dar.554 Dass es im Rahmen des Rückforderungsprozesses gegen den öffentlichen Auftraggeber nicht zu einer Verlagerung des Insolvenzrisikos kommt, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass der Auftragnehmer – unabhängig davon, ob es sich um einen gewerblichen oder öffentlichen Auftraggeber handelt – durch die Geltendmachung des Austauschrechts nicht die abschließende Gewissheit erhält, über (dringend benötigte) Gelder verfügen zu können. Weshalb eine Aufrechterhaltung der Sicherungsabrede nach dem zwischenzeitlichen Urteil zu Sicherungsabreden über Vertragserfüllungsbürgschaften vom 04. 07. 2002555 nicht in Betracht kommt, wird vom Bundesgerichtshof hingegen nur floskelhaft begründet. Im Kern erteilt der Bundesgerichtshof der ergänzenden Vertragsauslegung für Sicherungsabreden, die vor dem Bekanntwerden der ersten Grundsatzentscheidung vom 05. 06. 1997 geschlossen wurden, eine Absage, da nach wie vor nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden könne, welche Regelung die Bauvertragsparteien getroffen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bekannt gewesen wäre.556 Diese Argumentation, die dem oben besprochenen Urteil vom 08. 03. 2001 entspringt, war schon damals vordergründig, weil die nationale Baurechtspraxis seit jeher nahezu ausschließlich von Sicherheitseinbehalten und Bürgschaften dominiert wird. In Wirklichkeit spricht einzig und alleine die qualitative Diskrepanz zwischen Bürgschaft auf erstes Anfordern und selbstschuldnerischer Bürgschaft entschieden gegen eine ergänzende Vertragsauslegung. Deswegen hätte aus dogmatischer Sicht auch die Transformation einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern in eine selbstschuldnerische Bürgschaft unterbleiben müssen. Da der Bundesgerichtshof aus pragmatischen Gründen einen anderen Pfad beschritten hat, befand er sich nunmehr in einem Dilemma. Einerseits existiert eine gefestigte Rechtsprechung zur Gesamtunwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden, die eine Ablösung des Gewährleistungseinbehalts ausschließlich durch Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen. Andererseits führt die konsequente Fortsetzung dieser Marschroute nach dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 04. 07. 2002 zu einer Ungleichbehandlung von Sicherungsabreden über Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften. Formaljuristisch ließe sich eine solche Differenzierung noch mit der Kopplung der Gewährleistungsbürgschaft an den Gewährleistungseinbehalt rechtfertigen. Der Gewährleistungseinbehalt weicht von dem Leitbild des § 641 BGB ab, weil er die Fälligkeit des Werklohnanspruchs zum Teil hinausschiebt. Da die Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern keinen angemessenen Ausgleich darstellt, ist die Vereinbarung des Gewährleistungseinbehalts unwirksam. Weil die entstehende Lücke bereits durch § 641 BGB geschlossen wird, kommt keine ergänzende Ver554 555 556

BGH NJW-RR 2005, 458, 459. Siehe hierzu oben, S. 235 ff. BGH NJW-RR 2005, 458, 460.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

tragsauslegung mehr in Betracht.557 Bei einer isoliert vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft ist eine ergänzende Vertragsauslegung hingegen – auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 133, 157 BGB aufs äußerte ausgedehnt werden und die Subsumtion sehr fragil erscheint – im Grundsatz möglich, weil das dispositive Gesetzesrecht keinerlei Füllmaterial bereithält. Einen anderen Ansatzpunkt, der eine unterschiedliche Behandlung der Fallkonstellationen rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar. Gleichzeitig sei jedoch klargestellt, dass ein so spitzfindiger Begründungsversuch keineswegs überzeugend ist. Letztlich liegt beiden Konstellationen die gleiche Interessenlage zugrunde. Zudem geht es sowohl im Vertragserfüllungs- als auch im Gewährleistungsstadium um die wirtschaftlich bedeutsame Frage der Aufrechterhaltung von Sicherungsabreden, die zum damaligen Zeitpunkt weit verbreitet waren. Weshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung in dem einen Fall den pragmatischen und in dem anderen den dogmatisch richtigen Weg einschlägt, erscheint willkürlich. Nüchtern betrachtet dürfte der Bundesgerichtshof durch seine vorherigen Urteile zur Gesamtunwirksamkeit von Sicherungsabreden, die eine Ablösung des Gewährleistungseinbehalts ausschließlich durch Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen, einen „point of no return“ erreicht haben. Da er zum damaligen Zeitpunkt noch keine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht gezogen hatte, blieb ihm letztlich nichts anderes übrig, als die nachträgliche Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze aus seinem Urteil vom 04. 07. 2002 abzulehnen.558 Bezeichnend ist insoweit die apodiktische Aussage, dass es aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten bei der endgültigen Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede bleiben müsse.559 hh) Weitere Konkretisierungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung Schließlich wurden letzte Detailfragen vom Bundesgerichtshof in drei weiteren Folgeentscheidungen geklärt. Das Urteil vom 20. 10. 2005560 befasste sich erneut mit einer formularvertraglichen Sicherungsabrede eines öffentlichen Auftraggebers. Vorgesehen war ein Gewährleistungseinbehalt, der nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden konnte. Im Unterschied zur Entscheidung vom 09. 12. 2004 war der Sicherheitseinbehalt vom Auftraggeber allerdings zinslos auf ein gesondertes Verwahrgeldkonto einzuzahlen. Dies ändert jedoch richtigerweise nichts an der Unwirksamkeit der Klauselgestaltung, weil sowohl der Sicherheitseinbehalt als auch die Bürgschaft auf erstes Anfordern das entscheidende Liquiditätsinteresse des Auftragnehmers beeinträchtigen. Die Einzahlungsverpflichtung des

557 558 559 560

So OLG Hamm BauR 2004, 1790, 1792. So auch Kniffka, BauR 2020, 404, 418. BGH NJW-RR 2005, 458, 460. BGH NJW-RR 2006, 389.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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öffentlichen Auftraggebers vermag hieran nichts zu ändern. Sie ist rechtlich ohne Belang. Auf derselben Linie liegt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. 05. 2007561. Auch diesmal ging es um eine Kopplung von Gewährleistungseinbehalt und Gewährleistungsbürgschaft. Der Auftraggeber war im Unterschied zum vorherigen Urteil nicht der öffentlichen Hand zuzuordnen. Allerdings konnte der Auftragnehmer vom Auftraggeber die Einzahlung des einbehaltenen Betrags auf ein Sperrkonto verlangen. Hierdurch wird der Auftragnehmer, genauso wie beim öffentlichen Auftraggeber, vom Insolvenzrisiko seines Vertragspartners geschützt. Darüber hinaus erzielt er eine geringe Verzinsung. Nichtsdestotrotz berücksichtigt auch diese Klauselvariante nicht das Liquiditätsinteresse des Auftragnehmers. Sie ist daher ebenfalls insgesamt unwirksam. Den Schlusspunkt der Rechtsprechungsentwicklung setzt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. 02. 2008562. Der Auftragnehmer hatte eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu besorgen. Stattdessen konnte er auch Sicherheit durch Hinterlegung leisten. Da die Klauselgestaltung das Liquiditätsbedürfnis des Auftragnehmers in gleichem Maße wie in den vorherigen Varianten vernachlässigt, ist sie ebenso unwirksam. ii) Fazit Abschließend bleibt festzuhalten, dass Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern in Bauverträgen nicht wirksam in formularvertraglichen Sicherungsabreden vereinbart werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob sie isoliert oder zur Ablösung eines Sicherheitseinbehalts (der ggf. auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist) vereinbart werden. Auch das Recht, Sicherheit wahlweise durch Hinterlegung zu leisten, ändert nichts an der rechtlichen Beurteilung. Die Zuordnung des Auftraggebers zur öffentlichen Hand ist ebenso irrelevant. Der entscheidende Grund – der vom Bundesgerichtshof erst nach und nach herausgeschält wurde – ist, dass dem Auftragnehmer in sämtlichen Fallkonstellationen kein abschließender Zugriff auf ihm zustehende Liquidität gewährt wird. Bei einer Sicherheitsleistung durch Einbehalt oder Hinterlegung ist dies offensichtlich. Da Bürgschaften auf erstes Anfordern nach Belieben des Auftraggebers und auf Kosten des Auftragnehmers in bares Geld umgewandelt werden können, gilt für sie nichts anderes. Ausgehend von seiner ersten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1997 hat der Bundesgerichtshof ein immer engmaschigeres Netz geknüpft, dem keine der formularvertraglichen Sicherungsabreden entrinnen konnte. Der Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen hat hierauf bereits im Jahr 2002 reagiert und die Forderung des Auftraggebers nach einer Bürgschaft auf erstes Anfordern explizit 561 562

BGH NJW-RR 2007, 1319. BGH NJW-RR 2008, 830.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

ausgeschlossen (siehe heute § 17 Abs. 4 S. 3 VOB/B). Hierdurch wurde die Problematik erheblich entschärft. Bedauerlich ist allerdings, dass die Klärung der verbliebenen Streitfragen einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren beansprucht hat. Vorweggenommene Klarstellungen des Bundesgerichtshofs wären im Sinne einer rechtssicheren Kautelarpraxis wünschenswert gewesen. Abgemildert wurden die weitreichenden Folgen der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die herausstechende Einzelfallentscheidung vom 04. 07. 2002. Auch wenn die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu besorgen, nach meiner Meinung nicht ergänzend dahingehend ausgelegt werden kann, dass er nur eine selbstschuldnerische Bürgschaft stellen muss, ist dem Ergebnis aus rechtspraktischer Sicht beizupflichten. Die Ungleichbehandlung von Sicherungsabreden zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften war aus damaliger Sicht unbefriedigend. Retrospektiv kann man sich jedoch – da sie nur für eine Übergangsphase bis zum 31. 12. 2002 andauerte – mit ihr arrangieren. b) Ausschluss der abgeleiteten Einreden des Bürgen, § 768 Abs. 1 S. 1 BGB Nachdem der Bundesgerichtshof die Rechtslage in Bezug auf Vertragserfüllungsund Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern abschließend geklärt hatte, musste er sich in einem nächsten Schritt mit der Frage befassen, ob auch der Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede führt. aa) Das Urteil vom 12. 02. 2009 – Vertragserfüllungsbürgschaft unter Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. 02. 2009563 hatte sich ein Generalunternehmer eine isolierte selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft ausbedungen. Diese musste nach der formularvertraglichen Sicherungsabrede in Verbindung mit dem beigefügten Bürgschaftsmuster einen Verzicht auf die Einrede des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB enthalten. Das Recht des Bürgen, sich auf die Verjährung der Hauptschuld zu berufen, sollte ihm jedoch verbleiben. Daneben war ein Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 2 BGB) vorgesehen. Allerdings gab es eine Rückausnahme für den Fall, dass die Gegenforderung des Hauptschuldners rechtskräftig festgestellt oder unbestritten ist. Unter diesen Voraussetzungen sollte dem Bürgen das Verteidigungsmittel des § 770 Abs. 2 BGB erhalten bleiben. Da der mittlerweile insolvente Hauptschuldner das Bauwerk nicht fertigstellte, hat der Auftraggeber den Bürgen wegen der unstrittigen Ersatzvornahmekosten in Anspruch genommen. Der Bürge hielt dem Auftraggeber die Gesamtunwirksamkeit der zugrunde liegenden Sicherungsabrede entgegen.

563

BGH NJW 2009, 1664.

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Der Bundesgerichtshof hätte zunächst darauf eingehen können, ob der Bürge dem Auftraggeber die Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede überhaupt entgegenhalten kann. Dies ist keineswegs evident, weil der teilweise Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur in der Sicherungsabrede, sondern auch im damit übereinstimmenden Bürgschaftsvertrag enthalten ist. Nur dann, wenn der teilweise Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag unwirksam ist, hat der Bürge überhaupt das Recht, dem Auftraggeber über § 821 BGB die (eventuelle) Unwirksamkeit der Sicherungsabrede entgegenzuhalten. Ein individualvertraglicher Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Bürgschaftsvertrag ohne Weiteres möglich.564 Bei Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften ist jedoch zu beachten, dass der Inhalt des Bürgschaftsvertrags zwangsläufig der vorformulierten Sicherungsabrede des Auftraggebers zu entsprechen hat. Vor diesem Hintergrund werden in aller Regel nicht nur die Klauseln der Sicherungsabrede, sondern auch die Vertragsbedingungen der Bürgschaft vom Auftraggeber „gestellt“.565 Dies gilt erst recht, wenn der Auftraggeber – wie im vorliegenden Fall – das komplette Bürgschaftsmuster vorgibt. Daher ist der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle eröffnet. Der formularvertragliche Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allgemeiner Meinung nicht mit dem wesentlichen Grundgedanken des Akzessorietätsprinzips in Einklang zu bringen.566 Anders als bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, die von Banken formularvertraglich übernommen werden kann, wird die Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit durch die vorliegende Klauselgestaltung nicht nur vorübergehend, sondern endgültig beseitigt.567 Dem Bürgen ist es demzufolge nicht einmal mehr möglich, einen Rückforderungsprozess wegen bestehender Einreden anzustrengen. Hieraus resultiert allerdings nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bürgschaftsvertrags, sondern nur der Wegfall des Ausschlusses von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB.568 Daher wäre der Bürge grundsätzlich dazu in der Lage gewesen, dem Auftraggeber eine etwaige Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede entgegenzuhalten. Hierauf kommt es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch gar nicht an. Er beantwortet auch nicht die Frage, ob der teilweise Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB in der formularvertraglichen Sicherungsabrede wirksam vereinbart werden kann. Stattdessen zieht er sich darauf zurück, dass es sich um eine teilbare Klauselgestaltung handle, weshalb jedenfalls die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft zu beschaffen, erhalten 564 BGH NJW 1980, 445, 446; BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 29; MüKoBGB/Habersack, § 768 Rn. 5; BeckOGK/Madaus, § 768 Rn. 30. 565 Instruktiv Thiele/Bütter, MDR 2003, 1025 ff. 566 BGH NJW 2001, 1857, 1858; BGH NJW 2001, 2327, 2329; BGH NJW 2003, 59, 61; BGH NJW 2009, 3422 Rn. 13; BeckOGK/Madaus, § 768 Rn. 34; MüKoBGB/Habersack, § 768 Rn. 5. 567 Vgl. BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 25; BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 23. 568 So zuletzt ausdrücklich BGH NJW 2009, 3422 Rn. 13.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

bleibe.569 Vor diesem Hintergrund könne der Bürge seiner Inanspruchnahme nicht die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede entgegenhalten. Die Verzichtserklärung war sprachlich und inhaltlich von der Verpflichtung des Auftragnehmers, eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu beschaffen, getrennt angeordnet. Sie fand sich nicht in der Sicherungsabrede, sondern nur in dem Bürgschaftsmuster. Erst durch die Bezugnahme der Sicherungsabrede auf den Bürgschaftsvordruck wurde das Muster Bestandteil derselben. Auch wenn der Standort der Verzichtserklärung insoweit eine Besonderheit des Falles darstellt, kann es hierauf nicht entscheidend ankommen. Von einer sprachlichen und inhaltlichen Trennbarkeit wird man auch dann ausgehen können, wenn die Verzichtserklärung direkt in der Sicherungsabrede abgedruckt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob man bei Fortfall des teilweisen Verzichts auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB von einer gänzlich neuen Vertragsgestaltung sprechen muss.570 Unter diesen Umständen würde die Unwirksamkeit der Verzichtserklärung den restlichen Teil der Sicherungsabrede „infizieren“ und zu deren Wegfall führen. Der Bundesgerichtshof verneint diese strittige Frage.571 Hierbei stützt er sich im Wesentlichen auf die vermeintlichen Parteiinteressen. Die Sicherungsabrede trage dem berechtigten Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers Rechnung.572 Für den Auftraggeber stehe die Absicherung durch selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft im Vordergrund.573 Der Ausschluss von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB habe nur nachrangige Bedeutung.574 Durch die teilweise Unwirksamkeit bleibe demnach eine sinnvolle Regelung bestehen, die von ihm und dem Auftragnehmer gewollt sei.575 Diese Billigkeitserwägungen erinnern stark an das problematische Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04. 07. 2002 zur ergänzenden Vertragsauslegung einer formularvertraglichen Sicherungsabrede bezüglich einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern.576 Der Bundesgerichtshof gibt sogar unumwunden zu, dass er sich in der vorliegenden Entscheidung von diesen Grundgedanken leiten ließ.577 Hierdurch lässt er die Grenzen zwischen den beiden verschiedenartigen Rechtsinstituten der Klauselteilung und der ergänzenden Vertragsauslegung vollends verschwimmen. Bevor die Ausführungen des Bundesgerichtshofs abschließend 569

BGH NJW 2009, 1664, 1666 f. Rn. 14 ff.; zustimmend Reichelt/Matthes, ZfIR 2009, 407, 409 f.; die Vorinstanz OLG Köln NJW-RR 2008, 1340, 1341 hat die Frage, ob es sich um eine teilbare Klauselgestaltung handelt, offengelassen und eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. 570 BGH NJW 2009, 1664, 1666 Rn. 15. 571 BGH NJW 2009, 1664, 1666 f. Rn. 14 ff. 572 BGH NJW 2009, 1664, 1666 Rn. 21. 573 BGH NJW 2009, 1664, 1666 Rn. 21. 574 BGH NJW 2009, 1664, 1666 Rn. 21. 575 BGH NJW 2009, 1664, 1666 Rn. 21. 576 Siehe hierzu oben, S. 235 ff. 577 BGH NJW 2009, 1664, 1666 f. Rn. 22.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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gewürdigt werden, soll der Fokus jedoch auf die Folgeentscheidungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse gelegt werden. Abschließend ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof die soeben genannten Grundsätze auch auf den teilweisen Ausschluss von § 770 Abs. 2 BGB erstreckt hat.578 Insgesamt wurde die formularvertragliche Sicherungsabrede daher nicht verworfen. bb) Die Urteile vom 16. 06. 2009 und 28. 07. 2011 – Gewährleistungseinbehalt, ablösbar durch Gewährleistungsbürgschaft unter Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB Die Urteile vom 16. 06. 2009579 und 28. 07. 2011580 befassen sich mit der bekannten Klauselgestaltung im Gewährleistungsstadium. Der Auftraggeber hatte sich jeweils einen Gewährleistungseinbehalt ausbedungen, der vom Auftragnehmer durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Ausschluss der §§ 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 und 2 BGB abgelöst werden konnte. Der Bürgschaftsvordruck wurde in beiden Fällen der Sicherungsabrede beigefügt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt der Entscheidung vom 28. 07. 2011 hatte der Auftraggeber den einbehaltenen Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Darüber hinaus konnte der Auftragnehmer auch Sicherheit durch Hinterlegung von Geld leisten. Diese marginalen Unterschiede der beiden Sachverhalte waren für die rechtliche Würdigung der Klauselgestaltung jedoch ohne Belang, da beide Wahlmöglichkeiten dem Auftragnehmer keinen endgültigen Liquiditätszugriff ermöglichen.581 Zudem war der Weg über eine Klauselteilung versperrt, da die formularvertragliche Vereinbarung eines Gewährleistungseinbehalts und die Ablösungsmöglichkeit – wie oben bereits gezeigt582 – eine untrennbare Einheit bilden.583 Deshalb konnte der Bundesgerichtshof die Frage nach der Wirksamkeit des Ausschlusses von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB diesmal nicht offen lassen. Letztlich stellte er in beiden Urteilen die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede fest.584 Zunächst hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass der formularvertragliche Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag – wie oben bereits erwähnt585 – unwirksam ist und sich der Bürge demzufolge auf die Unwirksamkeit 578

BGH NJW 2009, 1664, 1667 Rn. 23. BGH NJW 2009, 3422. 580 BGH NJW-RR 2011, 1526. 581 BGH NJW-RR 2011, 1526, 1527 Rn. 17. 582 Siehe hierzu oben, S. 231 f. 583 BGH NJW 2009, 3422, 3425 Rn. 36; BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 20. 584 So auch schon LG Hamburg IBRRS 2006, 1040; Moufang/Kupjetz, BauR 2002, 1314, 1317 f.; Hildebrandt, BauR 2007, 203, 210; für die Wirksamkeit der Klauselgestaltung aufgrund eines abweichenden Verständnisses von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen Abu-Saris, Gewährleistungsbürgschaften, S. 237 ff. 585 Siehe hierzu oben, S. 245. 579

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der Sicherungsabrede berufen kann.586 Sodann widmet er sich der zugrunde liegenden Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Er stellt erneut klar, dass der Gewährleistungseinbehalt den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wenn ihm keine faire Ersetzungsmöglichkeit durch das Ablösungsrecht eingeräumt wird.587 Kompensationswirkung entfaltet, was der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 13. 11. 2003 deutlich gemacht hat,588 eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft, da sie dem Auftraggeber dauerhaft Liquidität verschafft.589 Dies sei jedoch anders, wenn die Bürgschaft den Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB enthalte. Der dauerhafte Akzessorietätsausschluss in Bezug auf Einreden, gehe über die vorübergehende Wirkung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern hinaus und führe zu einer garantieähnlichen Haftung.590 Hierdurch werde nicht nur der Bürge, sondern auch der Hauptschuldner unangemessen benachteiligt.591 Zwar verliert der Hauptschuldner nicht seine eigenen Einreden gegen die in Rede stehende Forderung. Er wird jedoch unberechtigterweise dem Regress des Bürgen ausgesetzt. Der Auftraggeber kann den Bürgen wegen des Verzichts auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB in Anspruch nehmen, obwohl die zugrunde liegende Hauptforderung nicht durchsetzbar ist.592 Eine potenzielle Verjährungs- oder Stundungseinrede kann auf diese Weise ebenso umgangen werden wie Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechte aus §§ 320, 273 BGB. Der Hauptschuldner ist auch nicht dazu in der Lage, die Inanspruchnahme des Bürgen durch die Erhebung der Einrede zu verhindern. Im Rahmen des allgemeinen Teils zum Bürgschaftsrecht wurde bereits gezeigt, dass sich § 768 Abs. 1 S. 1 BGB sowohl auf nicht erhobene als auch auf geltend gemachte Einreden des Hauptschuldners bezieht.593 Zahlt der Bürge, stehen diesem gegen den Auftragnehmer Regressansprüche aus § 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung und aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB zu. Dem Anspruch aus § 774 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der übergegangenen Hauptforderung kann der Auftragnehmer im Grundsatz nach wie vor seine Einreden über §§ 412, 404 BGB entgegenhalten. Gegenüber dem Regressanspruch aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB ist er jedoch machtlos, weil die Bank die Auszahlung der Geldsumme, wegen des Ausschlusses von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag, trotz bestehender Einreden im Hauptschuldverhältnis für erforderlich halten durf-

586 587 588 589 590 591 592 593

BGH NJW 2009, 3422 Rn. 13. BGH NJW 2009, 3422, 3243 Rn. 23. Siehe hierzu oben, S. 237 f. BGH NJW 2009, 3422, 3423 Rn. 23. BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 25. BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 26. BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 26. Siehe hierzu oben, S. 122 ff.

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te.594 Im Endeffekt werden dem Auftragnehmer damit „übers Eck“ sämtliche Einreden genommen. Man könnte nunmehr allenfalls darüber nachdenken, dem Auftragnehmer im Innenverhältnis über eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) einen Regressanspruch gegen den Auftraggeber aus der Sicherungsabrede zuzubilligen.595 Dies erscheint meines Erachtens plausibel, weil das Hilfsrecht (die Bürgschaft) über die Hauptforderung hinausgeht und sich die Vertragsparteien im Bauvertrag gerade nicht auf eine endgültige Abbedingung sämtlicher Einreden geeinigt haben. Auch in diesem Fall wird dem Auftragnehmer jedoch bis zum Abschluss des Rückforderungsprozesses das Liquiditäts- und Prozessrisiko aufgebürdet. Darüber hinaus hat er bei einem Auftraggeber, der nicht der öffentlichen Hand zuzuordnen ist, dessen Insolvenzrisiko zu tragen.596 Letztlich ist die Klauselgestaltung daher für den Auftragnehmer unangemessen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Ausschluss des § 768 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag ohnehin unwirksam ist. Dieser Umstand muss außer Betracht bleiben, da die Rechtslage bei der Inhaltskontrolle ex ante im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht ex post beurteilt wird.597 Nur dann, wenn der Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB in der Bürgschaftsurkunde generell – das heißt auch bei einer Individualvereinbarung – unwirksam wäre, könnte man darüber nachdenken, diesen Gesichtspunkt von vornherein zu berücksichtigen.598 Im Anschluss an seine Rechtsprechung zu Gewährleistungseinbehalten, die ausschließlich durch Bürgschaften auf erstes Anfordern abgelöst werden können, lehnt der Bundesgerichtshof sodann eine ergänzende Vertragsauslegung ab.599 Sofern der Vertrag nach Bekanntwerden der Entscheidungen zur Unwirksamkeit von formularvertraglichen Sicherungsabreden zu Bürgschaften auf erstes Anfordern geschlossen wurde, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung ohnehin aus, da die Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit beim Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB endgültig und nicht nur vorübergehend ausgeschlossen wird.600 Wegen dieser weitergehenden Konzeption ist erst recht von einer abschließend gefassten Regelung auszugehen.601 Zur Wirksamkeit des Ausschlusses von § 770 Abs. 1 und 2 BGB musste der Bundesgerichtshof sich wegen der bereits festgestellten Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede nicht mehr äußern. 594

BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 26. Auch BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 17 scheint diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, da die Frage, ob der Liquiditätsverlust des Auftragnehmers endgültig ist, offengelassen wird. 596 BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 17. 597 BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 29; anders noch die Vorinstanz KG IBRRS 2008, 1754. 598 BGH NJW 2009, 3422, 3424 Rn. 29. 599 BGH NJW 2009, 3422, 3425 Rn. 39. 600 BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 23. 601 BGH NJW-RR 2011, 1526, 1528 Rn. 23. 595

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

cc) Kritische Würdigung und Fazit Dass der Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB nicht wirksam in einer formularvertraglichen Sicherungsabrede vereinbart werden kann, ist im Endeffekt vollkommen zutreffend. Im Zentrum der Argumentation sollte dabei nicht die Feststellung einer hiermit einhergehenden garantieähnlichen Haftung des Bürgen stehen. Vielmehr ist für die Inhaltskontrolle des Bürgschaftsvertrags die weitgehende Abweichung vom Akzessorietätsprinzip einzig und alleine relevant. Für die Überprüfung der Sicherungsabrede ist demgegenüber entscheidend, welche (mittelbaren) Beeinträchtigungen der Auftragnehmer in der Rolle des Hauptschuldners erleidet. Nicht ohne Grund spricht § 307 Abs. 1 S. 1 BGB von einer unangemessenen Benachteiligung des jeweiligen Vertragspartners. Es wäre dogmatisch unsauber, die beiden Ebenen, also den Bürgschaftsvertrag und die Sicherungsabrede, miteinander zu vermengen. Beim Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB entstehen für den Auftragnehmer die aufgezeigten Nachteile beim Regress des Bürgen über §§ 675 Abs. 1, 670 BGB, weil er diesem Anspruch weder die Einreden gegen die Hauptschuld noch die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede entgegenhalten kann. Dass der Gewährleistungseinbehalt und die Ablösungsmöglichkeit aufgrund ihrer Konzeption einheitlich beurteilt werden müssen, ist folgerichtig. Es ist daher wenig verwunderlich, dass der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 16. 06. 2009 und 28. 07. 2011 die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede festgestellt hat. Nicht frei von Widersprüchen ist allerdings seine Entscheidung vom 12. 02. 2009 zur isolierten Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft unter Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB.602 In seinem Urteil zur Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern vom 04. 07. 2002 hat der Bundesgerichtshof die Frage nach einer Klauselteilung (bis zum heutigen Tag) offengelassen und stattdessen, mit einer dogmatisch fragwürdigen Begründung, für eine Übergangsphase eine ergänzende Vertragsauslegung zugelassen.603 Die nunmehr gefällte Entscheidung erlaubt es Auftraggebern hingegen, den Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur in Alt-, sondern auch in sämtlichen Neufällen weitgehend bedenkenlos zu vereinbaren. Das frühere Urteil wird hierdurch konterkariert. Konsequenterweise müsste der Bundesgerichtshof aus heutiger Sicht auch eine Klauselteilung bei einer Sicherungsabrede über eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern bejahen. Immer wieder hat der Bundesgerichtshof nämlich betont, dass er die Bürgschaft unter Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB für ein deutlich bedenklicheres Sicherungsinstrument hält. Eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung widerspricht jedoch dem Präventions- und Transparenzgedanken der Inhaltskontrolle. Sie sendet Verwendern Allgemeiner Geschäftsbedingungen das falsche Signal. Näher gelegen hätte es, die gesamte formularvertragliche Sicherungsabrede zu verwerfen. Wer die Bürgschaft trotz beträchtlicher Durchsetz602 603

So auch Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 190. Siehe hierzu oben, S. 235 ff.

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barkeitsbedenken in Anspruch nehmen will, kann nicht auf eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft zurückgestuft werden. Wegen der unterschiedlichen Risikoverteilung muss meines Erachtens von einer neuartigen Vertragsgestaltung gesprochen werden, die einer separaten Wirksamkeitskontrolle entgegensteht. Insgesamt zeigt sich, dass die Grenze, an der das „Skalpell der Klauselteilung“ ansetzt, fließend ist. c) Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, § 770 Abs. 2 BGB Nachdem der Bundesgerichtshof die Frage nach der Wirksamkeit des Ausschlusses von § 770 Abs. 2 BGB in vorherigen Urteilen offenlassen konnte,604 musste er hierzu in seinen beiden Parallelentscheidungen vom 24. 10. 2017605 Stellung beziehen. aa) Die Entscheidungen vom 24. 10. 2017 In den zugrunde liegenden Sachverhalten hatte der Auftragnehmer nach der formularvertraglichen Sicherungsabrede die Möglichkeit, einen Gewährleistungseinbehalt durch ein beigefügtes Bürgschaftsformular abzulösen, das einen Verzicht auf § 770 Abs. 1 und 2 BGB enthielt. Der Bundesgerichtshof kam jeweils zu dem Ergebnis, dass die Sicherungsabrede insgesamt unwirksam ist, weil die Gewährleistungsbürgschaft ohne die Einrede der Aufrechenbarkeit keine faire Alternative zum Gewährleistungseinbehalt darstellt. Der Bundesgerichtshof bezieht sich in einem ersten Schritt auf den Bürgschaftsvertrag und macht deutlich, dass es nicht möglich ist, in diesem § 770 Abs. 2 BGB formularvertraglich abzubedingen.606 Im Rahmen des allgemeinen Teils zum Bürgschaftsrecht wurde bereits herausgearbeitet, dass die Einrede der Aufrechenbarkeit in Einklang mit der herrschenden Meinung nicht dem Akzessorietäts-, sondern dem Subsidiaritätsprinzip zuzuordnen ist.607 Vor diesem Hintergrund vertrat der Bundesgerichtshof früher noch die Auffassung, dass der formularvertragliche Verzicht auf § 770 Abs. 2 BGB unproblematisch wirksam ist, weil das Subsidiaritätsprinzip im Vergleich zum Akzessorietätsprinzip einen geringeren Stellenwert im Bürgschaftsrecht einnimmt.608 Dies kommt schon in § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Ausdruck.609 Da dem Gesetz die selbstschuldnerische Bürgschaft bekannt ist, wird ein formularvertraglicher Ausschluss der Einrede der Vorausklage allgemein für 604 BGH NJW 2009, 1664, 1667 Rn. 23; BGH NJW 2009, 3422, 3425 Rn. 40; BGH NJW 2014, 3642, 3643 Rn. 16; BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 31 ff. 605 BGH NJW 2018, 458; BGH NJW 2018, 857. 606 BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 31 ff.; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 20 ff. 607 Siehe hierzu oben, S. 128 ff. 608 BGH NJW 1986, 43, 45 f.; BGH NJW 1986, 928, 930; siehe speziell zu Bankbürgschaften auch schon BGH NJW 1984, 2455. 609 BGH NJW 1986, 43, 45 f.

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wirksam erachtet.610 Für Banken gilt ohnehin § 349 S. 1 HGB. Es liegt daher nahe, die formularvertragliche Abbedingung des § 770 Abs. 2 BGB erst recht als unbedenklich einzustufen. Trotzdem soll der vollständige Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach der neueren Rechtsprechung611 und der herrschenden Meinung in der Literatur612 nicht mit dem wesentlichen Grundgedanken des Subsidiaritätsprinzips zu vereinbaren sein (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und eine unangemessene Benachteiligung des Bürgen darstellen. Hierzu wird entscheidend auf die Indizwirkung des § 309 Nr. 3 BGB verwiesen.613 In dieser Vorschrift ist geregelt, dass ein formularvertragliches Aufrechnungsverbot unwirksam ist, sofern es dem Vertragspartner das Recht nimmt, mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufzurechnen. Der Verzicht auf § 770 Abs. 2 BGB sei mit einer nach § 309 Nr. 3 BGB verbotenen Vertragsgestaltung vergleichbar.614 Des Weiteren überlagere das Interesse des Bürgen, den Auftraggeber vorrangig auf seine Aufrechnungsmöglichkeit zu verweisen, dessen Interesse, die Forderung gegen den Hauptschuldner als anderweitiges Sicherungsmittel zu benutzen.615 In einem zweiten Schritt stellt der Bundesgerichtshof sodann klar, dass aus der Unzulässigkeit der Klauselgestaltung im Bürgschaftsvertrag zwangsläufig auch die Unwirksamkeit des Verzichts auf § 770 Abs. 2 BGB in der Sicherungsabrede folgt. Die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers resultiere bereits aus der Verpflichtung, eine Bürgschaft zu beschaffen, die einen gegenüber dem Bürgen unzulässigen Regelungsgehalt enthält.616 Der Auftragnehmer könne den Gewährleistungseinbehalt folglich nicht ablösen, ohne dabei selbst gegen Klauselverbote zu verstoßen.617 Da die Bürgschaft unter Verwendung eines Musters zu stellen ist, kann 610 BGH NJW 2001, 2466, 2468; BeckOGK/Madaus, § 773 Rn. 6; Soergel/Gröschler, § 773 Rn. 3; MüKoBGB/Habersack, § 773 Rn. 3; Palandt/Sprau, § 773 Rn. 2; Staudinger/ Stürner, § 773 Rn. 3; PWW/Brödermann, § 773 Rn. 4. 611 BGH NJW 2003, 1521, 1522 f.; BGH NJW 2004, 161, 163; BGH NJW 2004, 2232, 2235; BGH NJW 2009, 3422, 3425 Rn. 40; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 31 ff.; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 20 ff.; beiläufig auch schon BGH NJW 1981, 761, 762 f. 612 Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848 f.; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 603; Tiedtke, JZ 2006, 940, 948 f.; Fischer/Ganter/Kirchhof, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 33, 46; Förster, WM 2010, 1677, 1680 f.; MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 3 m. w. N.; a. A. BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 34 f.; differenzierend noch Tiedtke, ZIP 1986, 150, 153 ff., der den formularvertraglichen Ausschluss zumindest dann gebilligt hat, wenn die Bürgschaft von einer Bank übernommen wird. 613 BGH NJW 2003, 1521, 1522 f.; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 32; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 21. 614 BGH NJW 2003, 1521, 1522 f.; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 32; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 21. 615 BGH NJW 2003, 1521, 1523; BGH NJW 2018, 458, 460 Rn. 33; BGH NJW 2018, 857, 859 Rn. 22. 616 BGH NJW 2018, 458, 460 f. Rn. 30, 34, 36; BGH NJW 2018, 857, 859 f. Rn. 19, 23, 25. 617 BGH NJW 2018, 458, 461 Rn. 36; BGH NJW 2018, 857, 860 Rn. 25.

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der Auftraggeber auch nicht einwenden, dass die Frage nach der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags im Rahmen der Inhaltskontrolle der Sicherungsabrede außer Betracht zu bleiben habe.618 Bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsabrede sei klar, dass der spätere Bürgschaftsvertrag ebenfalls dem Überprüfungsmaßstab des § 307 BGB unterliege.619 Dieser Umstand könne daher ex ante miteinbezogen werden. Da Gewährleistungseinbehalt und Ablösungsmöglichkeit nicht getrennt voneinander beurteilt werden können und eine ergänzende Vertragsauslegung ausscheidet, folgt aus dem Ausschluss von § 770 Abs. 2 BGB letztlich die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede.620 bb) Kritische Würdigung und Fazit Die beiden Urteile zum Ausschluss von § 770 Abs. 2 BGB weichen in ihrem Begründungsmuster deutlich von der bisherigen Rechtsprechungslinie ab. In den vorherigen Entscheidungen zu formularvertraglichen Sicherungsabreden, die Bürgschaften auf erstes Anfordern und den Ausschluss von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB betrafen, hat der Bundesgerichtshof die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers immer aus den mittelbaren wirtschaftlichen Nachteilen, die ihm über den Regress des Bürgen drohen, abgeleitet. In diesem Zusammenhang hat er bei der Inhaltskontrolle der Sicherungsabrede zu einer Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB noch ausdrücklich hervorgehoben, dass Wirksamkeitsbedenken hinsichtlich des später geschlossenen Bürgschaftsvertrags für die Frage der unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers außer Betracht bleiben. Nur auf diese Weise konnte der Bundesgerichtshof die wirtschaftlichen Nachteile für den Auftragnehmer begründen. Würde man die Unwirksamkeit des Verzichts auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag schon bei der Inhaltskontrolle der Sicherungsabrede berücksichtigen, entstünden dem Auftragnehmer nämlich keinerlei spürbare ökonomische Beeinträchtigungen, da der Bürge letztlich von Anfang an dazu in der Lage ist, dem Auftraggeber sämtliche Einreden in Bezug auf die Hauptschuld und die Sicherungsabrede entgegenzuhalten. In seinen neuesten Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die spätere Unwirksamkeit des Ausschlusses von § 770 Abs. 2 BGB im formularvertraglichen Bürgschaftsvertrag hingegen an den Anfang seiner Überlegungen gestellt. Sodann hat er hieraus den Rückschluss gezogen, dass die Klauselgestaltung in der Sicherungsabrede ebenfalls ungültig sein muss. Es drängt sich somit die Frage auf, weshalb der Bundesgerichtshof diesen Perspektivwechsel vorgenommen hat. Meines Erachtens dürfte der Bundesgerichtshof zu diesem formaljuristischen Ansatz übergegangen sein, weil die (frühere) wirtschaftliche Betrachtungsweise im 618 619 620

BGH NJW 2018, 458, 461 Rn. 37; BGH NJW 2018, 857, 860 Rn. 26. BGH NJW 2018, 458, 461 Rn. 37; BGH NJW 2018, 857, 860 Rn. 26. BGH NJW 2018, 458, 461 f. Rn. 38 ff.; BGH NJW 2018, 857, 860 f. Rn. 28 ff.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

vorliegenden Fall keinen Erfolg verspricht: Durch den Ausschluss des § 770 Abs. 2 BGB in der Sicherungsabrede und dem Bürgschaftsvertrag verliert der Auftragnehmer nicht die Möglichkeit, selbst die Aufrechnung zu erklären. Macht er von seiner Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch, führt dies über § 767 Abs. 1 S. 1 BGB in gleichem Umfang zum Erlöschen der Bürgschaftsforderung. Hierdurch kann die unberechtigte Inanspruchnahme der Bürgschaft – anders als im Fall des Verzichts auf § 768 Abs. 1 S. 1 BGB – von vornherein abgewehrt werden. Es besteht demnach gerade nicht die Gefahr, dass der Auftragnehmer unter Verlust seines Aufrechnungsrechts dem Rückgriff des Bürgen ausgesetzt wird.621 Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers kann folglich nur noch darin gesehen werden, eine von Anfang an teilunwirksame Bürgschaft beschaffen zu müssen. Fraglich ist jedoch, ob dieser Ansatz überzeugend ist. Die Argumentation, dass der Auftragnehmer unzumutbar belastet werde, weil er von seiner Ablösungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen könne, ohne gegen Klauselverbote zu verstoßen, halte ich für irreführend. Der Auftragnehmer agiert nur als Mittelsmann. Nicht er, sondern der Auftraggeber, der die Vertragsbedingungen vorgibt, verstößt folglich gegen § 307 BGB. Naheliegender erscheint mir der Weg über eine rechtliche Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB). Im Gegenzug für die Freigabe des Sicherheitseinbehalts muss der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Bürgschaft nach seinem Vordruck beschaffen. Weil die vorgegebene Bürgschaft vom Auftragnehmer nicht rechtswirksam besorgt werden kann, hat er (strenggenommen) keine Möglichkeit, den Einbehalt abzulösen. Er muss sich daher faktisch mit dem langfristigen Liquiditätsentzug durch den Auftraggeber zufrieden geben. Dies benachteiligt ihn unangemessen und führt zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede. Zudem ließe sich vorbringen, dass die Verpflichtung, eine unwirksame Austauschsicherheit zu beschaffen paradox und damit intransparent ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Zwar ist die formaljuristische Sichtweise nicht so anschaulich wie die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Von ihrer Herangehensweise ist sie jedoch einleuchtender, da – realistischerweise – von Anfang an feststeht, dass auch der spätere Bürgschaftsvertrag auf Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers fußt. Es ist daher sachgerecht, die letztendlichen Auswirkungen des Verzichts auf § 770 Abs. 2 BGB bereits im Rahmen der Inhaltskontrolle der Sicherungsabrede zu berücksichtigen. Auch wenn diesem Ansatz gefolgt wird, muss jedoch geklärt werden, ob der Ausschluss des § 770 Abs. 2 BGB im Bürgschaftsvertrag wirklich nicht mit den wesentlichen Grundgedanken des Subsidiaritätsprinzips in Einklang zu bringen ist. Wie oben bereits erwähnt, indiziert bereits die Zulässigkeit des formularvertraglichen Verzichts auf § 771 BGB die Wirksamkeit der Abbedingung von § 770 Abs. 2 BGB. Hiergegen lässt sich jedoch einwenden, dass der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse daran hat, keinen vorherigen Vollstreckungsversuch beim 621

A. A. Thiele/Bütter, MDR 2003, 1025, 1026.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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Hauptschuldner unternehmen zu müssen.622 Im Fall einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung des Hauptschuldners ist es ihm hingegen zuzumuten, sich durch Aufrechnung zu befriedigen.623 Auf der anderen Seite darf jedoch nicht verkannt werden, dass der Bürge seine Zahlung bei einem Verzicht auf § 770 Abs. 2 BGB in aller Regel, trotz der Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung624, immer noch über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 273 Abs. 1 BGB verweigern kann. Er wird demzufolge bereits ausreichend über das Akzessorietätsprinzip – dem ohnehin ein höherer Stellenwert als dem Subsidiaritätsprinzip eingeräumt wird – geschützt. Auch die Verweisung der herrschenden Meinung auf das Klauselverbot des § 309 Nr. 3 BGB ist nicht sonderlich überzeugend. Durch den Ausschluss des § 770 Abs. 2 BGB verliert weder der Hauptschuldner noch der Bürge die Möglichkeit, mit eigenen unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufzurechnen. Es erscheint vor diesem Hintergrund verfehlt, der Vorschrift entscheidendes Gewicht im Rahmen der Generalklausel des § 307 BGB einzuräumen.625 Nicht zuletzt wäre es wertungswidersprüchlich, Banken einerseits die formularvertragliche Übernahme einer weitaus risikoreicheren Bürgschaft auf erstes Anfordern zu gestatten und andererseits im Verzicht auf § 770 Abs. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung zu erblicken.626 Dieses Ergebnis der herrschenden Meinung ist nicht mehr recht nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund sprechen die besseren Argumente für die Wirksamkeit des vollständigen formularvertraglichen Ausschlusses der Einrede der Aufrechenbarkeit. Nichtsdestotrotz ist in der Praxis, wegen der inzwischen abweichenden Ansicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, unbedingt darauf zu achten, § 770 Abs. 2 BGB nicht abzubedingen. Bei der isolierten Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft rettet der Bundesgerichtshof die formularvertragliche Sicherungsabrede zwar noch über eine Klauselteilung.627 Diese Möglichkeit steht ihm wegen der strukturellen Einheit bei einem Gewährleistungseinbehalt, der durch eine Gewährleistungsbürgschaft abzulösen ist, jedoch nicht zu. Im schlimmsten Fall folgt daher aus einem vermeintlich kleinen Formulierungsfehler der Wegfall der gesamten Sicherheit. Auch auf einen teilweisen Ausschluss, der dem Bürgen die Einrede der Aufrechenbarkeit belässt, soweit die Gegenforderung des Hauptschuldners unstrittig oder rechtskräftig festgestellt ist, sollte verzichtet werden. In einem Fall aus dem Jahr 2011 hat der Bundesgerichtshof die Klausel eines Architekten verworfen, wonach eine Aufrechnung gegen dessen Honoraranspruch nur mit unbestrittenen

622 623 624 625 626 627

Tiedtke, ZIP 1986, 150, 154; Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848, 849. Tiedtke, ZIP 1986, 150, 154; Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848, 849. Vgl. hierzu oben, S. 130 f. So auch BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 34.1; zutreffend noch BGH NJW 1986, 43, 45. Zutreffend noch BGH NJW 1984, 2455; zustimmend Tiedtke, ZIP 1986, 150, 153. BGH NJW 2009, 1664, 1667 Rn. 23.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig ist.628 Die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners resultiere aus einer Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung.629 Schlimmstenfalls werde der Auftraggeber genötigt, eine mangelhafte oder unfertige Leistung zu bezahlen, obwohl ihm Gegenansprüche wegen Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungsmehrkosten zustehen.630 Da § 320 BGB nach § 309 Nr. 2a BGB nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, gelte dasselbe für die Aufrechnung von synallagmatisch verknüpften Forderungen.631 Es liegt äußerst nahe, dass die Rechtsprechung diesen Gedankengang zum Aufrechnungsverbot ebenfalls auf den Ausschluss des § 770 Abs. 2 BGB übertragen wird.632 Wegen dieser weiteren Verästelung sollte man es bei der gesetzlichen Regelung belassen.633 Der Nutzen des teilweisen Ausschlusses von § 770 Abs. 2 BGB steht für den Klauselverwender in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Gefahren. d) Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit, § 770 Abs. 1 BGB Abschließend stellt sich die Frage, wie der formularvertragliche Ausschluss des § 770 Abs. 1 BGB in der Sicherungsabrede zu bewerten ist. Der Bundesgerichtshof hat hierüber trotz divergierender Entscheidungen unterinstanzlicher Gerichte634 noch kein abschließendes Urteil gefällt.635 Eine Unwirksamkeit der Klauselgestaltung könnte sich entweder aus der soeben aufgezeigten wirtschaftlichen oder formaljuristischen Perspektive ergeben. Unterstellt man bei der Inhaltskontrolle der formularvertraglichen Sicherungsabrede, dass der deckungsgleiche Ausschluss von § 770 Abs. 1 BGB im späteren Bürgschaftsvertrag unwirksam ist (wirtschaftliche Betrachtungsweise), so ergibt sich für den Auftragnehmer als Hauptschuldner keine unangemessene Benachteiligung. Ihm bleibt sein originäres Anfechtungsrecht erhalten. Macht er hiervon Gebrauch, erlischt die Bürgschaftsforderung über § 767 Abs. 1 S. 1 BGB. Daher kann er die Inanspruchnahme des Bürgen durch die Geltendmachung seines Gestaltungsrechts verhindern und sich auf diese Weise vor einem Regress der Bank 628

BGH NJW 2011, 1729 f. Rn. 15 ff. BGH NJW 2011, 1729 f. Rn. 16. 630 BGH NJW 2011, 1729 f. Rn. 16. 631 BGH NJW 2011, 1729, 1730 Rn. 17. 632 Mayr, BauR 2014, 621, 625 f.; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 103/6. 633 So auch die Empfehlung von Weise, NJW-Spezial 2019, 44, 45; vgl. ferner Nossek, NJW 2015, 1985, 1990 und Nossek, NZBau 2018, 279, 281 f., der zur Zurückhaltung bei der Klauselgestaltung mahnt. 634 Für die Wirksamkeit des formularvertraglichen Ausschlusses von § 770 Abs. 1 BGB in der Sicherungsabrede LG Krefeld BeckRS 2015, 1202; LG Köln NJW-RR 2005, 19; OLG Frankfurt IBRRS 2020, 1918; dagegen LG Köln NJOZ 2013, 1380, 1381; OLG München IBRRS 2016, 2845; OLG München IBRRS 2018, 3964. 635 Offengelassen von BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 32. 629

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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schützen. Die theoretisch denkbare Situation, dass ein arglistig getäuschter Hauptschuldner zunächst bewusst auf die Geltendmachung seines Anfechtungsrechts verzichtet und das Risiko einer Inanspruchnahme des Bürgen eingeht, ist praktisch bedeutungslos.636 Folgt man hingegen der formularjuristischen Betrachtungsweise aus der neueren Rechtsprechung, führt die Unwirksamkeit des späteren formularvertraglichen Verzichts auf § 770 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag zwangsläufig auch zum (teilweisen) Wegfall der Sicherungsabrede. Es hat daher eine inzidente Überprüfung des Bürgschaftsvertrags stattzufinden. Der Bundesgerichtshof hat den formularvertraglichen Ausschluss des § 770 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag in einem Urteil aus dem Jahr 1986 für wirksam erachtet.637 Ob er hieran festhalten wird, ist nach seinem Umschwung in Bezug auf § 770 Abs. 2 BGB und der immer restriktiveren Rechtsprechungslinie jedoch mehr als zweifelhaft.638 Die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur zu diesem Problemkreis sind geteilt.639 Einigkeit besteht darin, dass der Einredeausschluss in Bezug auf eine Irrtumsanfechtung nicht ins Gewicht fällt.640 Da die Anfechtung durch den Auftragnehmer in diesen Fällen nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich zu erfolgen hat, entsteht keine Schwebelage, vor der die Bank über das Leistungsverweigerungsrecht des § 770 Abs. 1 BGB geschützt werden muss. Anders sieht dies jedoch bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB aus. Dort beträgt die Anfechtungsfrist gemäß § 124 Abs. 1 und 2 BGB ein Jahr ab Kenntnis von den zur Anfechtung berechtigenden Umständen. Der Bürge

636

OLG Frankfurt IBRRS 2020, 1918. BGH NJW 1986, 43, 45. 638 In BGH NJW 1998, 1939, 1941 hat er die Frage offengelassen; in BGH NJW 2001, 2466, 2468 bezeichnet er den pauschalen Verzicht auf § 770 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, entgegen seiner früheren Rechtsprechung, zumindest als nicht unbedenklich; die Ausführungen in BGH NJW 1993, 3264, 3265 sind undeutlich, weisen allerdings ebenfalls auf eine Abkehr von BGH NJW 1986, 43, 45 hin; Habersack/Schürnbrand, JZ 2003, 848, 849 und Schreiber, JURA 2007, 730, 735 f. gehen von einer zukünftigen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus. 639 Für die Wirksamkeit des formularvertraglichen Ausschlusses von § 770 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag OLG München WM 2006, 684, 688; LG Krefeld BeckRS 2015, 1202; OLG Rostock NJOZ 2016, 1115, 1118 Rn. 53; Staudinger/Stürner, § 770 Rn. 17; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 33; Messerschmidt/Voit/Wolff, M Rn. 146; Förster, WM 2010, 1677, 1680; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 924; dagegen Tiedtke, ZIP 1986, 150, 153; Tiedtke, JZ 2006, 940, 948; Tiedtke/Holthusen, WM 2007, 93, 97 f.; Windorfer, NZBau 2017, 460, 462; Reinicke/ Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 602; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 103; MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 3 m. w. N.; zweifelnd Fischer/Ganter/Kirchhof, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 33, 46. 640 BGH NJW 1986, 43, 45; BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 33; Tiedtke, ZIP 1986, 150, 153; Tiedtke, JZ 2006, 940, 948; Tiedtke/Holthusen, WM 2007, 93, 97; Förster, WM 2010, 1677, 1680; Windorfer, NZBau 2017, 460, 463; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 602; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 103; MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 3. 637

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

erscheint vor diesem Hintergrund schutzwürdig. Das Interesse des Gläubigers an einer Verbesserung seiner Rechtsstellung wirkt demgegenüber nicht legitim.641 Zu beachten ist allerdings, dass dem Auftragnehmer in diesen Konstellationen in aller Regel ein Anspruch auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) zusteht, der auf die Aufhebung des Vertragsverhältnisses gerichtet ist. Ein solcher kann sich entweder aus einer culpa in contrahendo gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB oder aus §§ 823 ff. BGB ggf. i. V. m. § 240/§ 253/§ 263 StGB ergeben. Steht dem Auftragnehmer hiernach ein Anspruch auf Vertragsaufhebung aus culpa in contrahendo zu, kann er die Inanspruchnahme durch den Auftraggeber unter Verweis auf den dolo-agit-Einwand (§ 242 BGB) abwehren. Dies gilt selbst dann, wenn die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen ist, da § 124 BGB nach herrschender Meinung auf den Schadensersatzanspruch weder direkt noch analog anzuwenden ist.642 Hat der Auftraggeber den Vertragsschluss durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführt, steht dem Auftragnehmer das Leistungsverweigerungsrecht aus § 853 BGB zu. Diese Vorschrift ist ebenfalls eine Ausprägung von § 242 BGB. Sie gewährt dem Auftragnehmer den dolo-agit-Einwand auch für den Fall, dass der Aufhebungsanspruch aus §§ 823 ff. BGB ggf. i. V. m. § 240/§ 253/§ 263 StGB schon verjährt sein sollte. Damit weist § 853 BGB deutliche Gemeinsamkeiten zu dem bereits ausführlich erörterten § 821 BGB auf.643 Nicht nur der Auftragnehmer wird vor der Inanspruchnahme durch den Auftraggeber abseits seines Anfechtungsrechts aus § 123 BGB über § 242 BGB bzw. § 853 BGB geschützt. Auch der Bürge kann sich gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf diese Einreden stützen. Nur dann, wenn ausnahmsweise ausschließlich ein Anfechtungsrecht und kein parallel durchsetzbarer Vertragsaufhebungsanspruch des Hauptschuldners bestehen sollte, macht sich der Ausschluss von § 770 Abs. 1 BGB demnach für den Bürgen bemerkbar. Eine solche Fallkonstellation zu entwickeln, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB hat der Auftraggeber nicht nur für sein eigenes Verschulden, sondern auch für das seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) einzustehen. Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung findet § 278 BGB zwar keine Anwendung. Der Auftraggeber haftet jedoch vorbehaltlich der Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB für seine Verrichtungsgehilfen. Sofern es sich bei ihm um eine Personengesellschaft oder eine juristische Person handelt, ist weiterhin die Zurechnungsnorm des § 31 BGB ana-

641 BeckOGK/Madaus, § 770 Rn. 33; Tiedtke, ZIP 1986, 150, 153; Tiedtke, JZ 2006, 940, 948; Tiedtke/Holthusen, WM 2007, 93, 97 f.; Windorfer, NZBau 2017, 460, 462; Reinicke/ Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 602; Ingenstau/Korbion/Joussen, § 17 Abs. 4 VOB/B Rn. 103; MüKoBGB/Habersack, § 770 Rn. 3. 642 BGH NJW-RR 2002, 308, 309 f.; BGH NJW 2013, 1591 Rn. 9; BeckOGK/Herresthal, § 311 Rn. 236; Staudinger/Feldmann, § 311 Rn. 154. 643 Siehe hierzu oben, S. 186.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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log644, die über ihren Wortlaut hinaus eine umfassende Repräsentantenhaftung statuiert,645 zu beachten. Der relevante Anwendungsbereich von § 770 Abs. 1 BGB reduziert sich damit im Wesentlichen auf solche Konstellationen, in denen ein außenstehender Dritter den Auftragnehmer bedroht oder in Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis des Auftraggebers arglistig täuscht (§ 123 Abs. 2 S. 1 BGB). Warum man bürgenden Banken dieses praktisch nahezu irrelevante Risiko nicht auferlegen können sollte, erscheint mir rätselhaft. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass Kreditinstitute weitaus gefährlichere Bürgschaften auf erstes Anfordern formularvertraglich übernehmen können. Insgesamt halte ich den vollständigen formularvertraglichen Ausschluss von § 770 Abs. 1 BGB in Bürgschaften und Sicherungsabreden somit für wirksam.646 Da der Auftraggeber hierdurch jedoch keinen ins Gewicht fallenden Vorteil erzielt und zu befürchten ist, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in Fortsetzung ihrer immer kleinlicher werdenden Linie die Klauselgestaltung verwerfen wird, kann Praktikern nur geraten werden, es bei der gesetzlichen Regelung zu belassen.647 Bei der isolierten Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft hat der Bundesgerichtshof glücklicherweise schon hervorgehoben, dass der Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit jedenfalls nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede führt.648 Bei Sicherungsabreden zur Kopplung von Gewährleistungseinbehalt und Gewährleistungsbürgschaft wird dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders sein, da die aufeinander Bezug nehmenden Klauseln nach der ständigen Rechtsprechung nicht teilbar sind. Es droht demzufolge erneut die Unwirksamkeit tausender Sicherungsabreden.649 4. Blockade des Austauschrechts Zum Abschluss sei noch auf die unspektakulärste und verständlichste Fallgruppe der häufigsten Unwirksamkeitsgründe formularvertraglicher Sicherungsabreden – die Blockade des Austauschrechts – hingewiesen. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen Stellung bezogen.650 Die formularvertraglichen Sicherungsabreden sahen jeweils einen Gewährleistungseinbehalt vor, der vom Auftragnehmer durch selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft abgelöst werden konnte. In der Entscheidung aus dem Jahr 2004 wurde der Austausch der Sicherheiten allerdings 644

Die analoge Anwendung von § 31 BGB auf juristische Personen und Personengesellschaften ist allgemein anerkannt, vgl. statt aller nur Wertenbruch, BGB AT, § 5 Rn. 9; MüKoBGB/Leuschner, § 31 Rn. 3 ff.; Staudinger/Schwennicke, § 31 Rn. 101 ff. 645 BGH NJW 1998, 1854, 1856; BGH NJW 2013, 3366, 3367 Rn. 12. 646 A. A. zuletzt Ripke, BauR 2020, 1704 ff. 647 So auch die Empfehlungen von Windorfer, NZBau 2017, 460, 463; Schmitz, Sicherheiten, Rn. 103/9; Weise, NJW-Spezial 2019, 44, 45; Nossek, NJW 2015, 1985, 1990. 648 BGH NJW 2016, 2802, 2804 Rn. 32. 649 So die Prognose von Weise, NJW-Spezial 2019, 44. 650 BGH NJW 2004, 443; BGH NJW 2017, 1941.

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4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

zusätzlich davon abhängig gemacht, dass keine wesentlichen Mängel mehr vorhanden sind. Die Sicherungsabrede aus dem Urteil von 2017 sah eine ähnliche Klausel vor. Dort war der Auftragnehmer erst zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts berechtigt, nachdem er alle im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel behoben oder fehlenden Leistungen erbracht hatte. In beiden Fällen stellte der Bundesgerichtshof zutreffend die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede fest. Sowohl über das Vorliegen wesentlicher Mängel als auch über die Frage, ob im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel vollständig beseitigt wurden, kann ein mehrjähriger Streit zwischen den Bauvertragsparteien entstehen.651 Es droht demzufolge eine Blockade des Austauschrechts und ein damit verbundener dauerhafter Liquiditätsentzug auf Seiten des Auftragnehmers.652 Vor diesem Hintergrund ist die Ablösungsmöglichkeit richtigerweise nicht geeignet, die Nachteile des Sicherheitseinbehalts zu kompensieren.

V. Zusammenfassung und Folgerungen aus der Rechtsprechungsentwicklung Baurecht ist Richterrecht.653 Diese Aussage wird nicht zuletzt durch die mannigfaltigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden belegt. Da das Gesetz bis heute keine Leitbilder zur Absicherung des Auftraggebers bereithält, war die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Vergangenheit dazu gezwungen, das gesamte Rechtsgebiet in mühsamer Eigenregie Stück für Stück zu formen. Ein solcher Findungsprozess – der einen Zeitraum von nunmehr über 20 Jahren in Anspruch nimmt – ist zwangsläufig mit Rechtsunsicherheit verbunden. Vor dem Hintergrund dieser fehlenden Struktur und Beständigkeit ist Richterrecht im Gegensatz zu Gesetzesrecht ein fragiles Recht.654 Ausgehend von seinem ersten Grundsatzurteil aus dem Jahr 1997 hat der Bundesgerichtshof die Grenzen der Wirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden immer enger gezogen.655 In diesem Zusammenhang hat er viele offene und umstrittene Fragen beantwortet. Hervorzuheben sind vor allem die inzwischen fest etablierten Übersicherungsgrundsätze. Die Richtwerte von 10 % und 5 % der Auftrags- bzw. Schlussrechnungssumme geben der Praxis eine unkomplizierte Richtschnur an die Hand. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn der Auftraggeber – was in aller Regel der Fall ist – vorsteuerabzugsberechtigt ist. In dieser Situation ist richtigerweise auf die Netto651

BGH NJW 2004, 443; BGH NJW 2017, 1941, 1942 Rn. 24. BGH NJW 2004, 443; BGH NJW 2017, 1941, 1942 f. Rn. 24. 653 Kniffka, BauR 2020, 404, 413. 654 Kniffka, BauR 2020, 404, 419. 655 Roquette/Fußy, NZBau 2013, 65, 70 sprechen von einem inzwischen recht eng geschnürten Korsett. 652

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

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und nicht auf die Bruttosumme abzustellen. Darüber hinaus ist eine Kumulation der Sicherheiten zu vermeiden. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern sind im nationalen Bauvertragsrecht zum Glück nicht mehr anzutreffen. Die zeitweise Ungleichbehandlung von Sicherungsabreden zu Vertragserfüllungsbürgschaften und Gewährleistungseinbehalten, die durch eine Gewährleistungsbürgschaft abgelöst werden können, hinterlässt allerdings einen faden Beigeschmack. Dass der Ausschluss von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB weder in der Sicherungsabrede noch in der Bürgschaft wirksam vereinbart werden kann, wurde vom Bundesgerichtshof zutreffend entschieden. Bezüglich des Verzichts auf § 770 Abs. 1 und 2 BGB bin ich jedoch anderer Meinung. Akzessorietäts- und Subsidiaritätsprinzip sind keine unantastbaren gesetzlichen Leitbilder. Es existiert kein numerus clausus der Personalsicherheiten. Mischformen zwischen Bürgschaft und Garantie sind daher seit jeher zulässig. Des Weiteren folgen für den Bürgen und den Auftragnehmer in aller Regel keine nennenswerten wirtschaftlichen Belastungen aus dem vollständigen Verzicht auf § 770 BGB. Überdreht man die Stellschraube der Inhaltskontrolle, um jeden noch so fernliegenden Einzelfall zu erfassen, gibt man der Baupraxis „Steine statt Brot“. Zudem leistet eine so rigorose Rechtsprechungslinie den immer häufiger in Erscheinung tretenden Kritikern des als zu streng empfundenen deutschen AGB-Rechts Vorschub. Nichtsdestotrotz lässt sich die vom Bundesgerichtshof ex cathedra vorgegebene Richtschnur nicht mehr rückgängig machen. Die bürgschaftsrechtlichen Schutzvorschriften sollten daher in ihrer Gesamtheit nicht mehr angerührt werden. Zudem ist selbstverständlich darauf zu achten, das Austauschrecht des Auftragnehmers nicht zu blockieren. In mancherlei Beziehungen ist die höchstrichterliche Rechtsprechung, trotz ihrer einschneidenden Restriktionen, letztlich doch überraschend auftraggeberfreundlich. Sofern eine isolierte Vertragserfüllungsbürgschaft in der Sicherungsabrede vorgegeben wird, führt der als unwirksam gebrandmarkte Verzicht auf die §§ 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 und 2 BGB wegen der Klauselteilbarkeit nicht zum Wegfall der gesamten Sicherungsabrede. Anders sieht die Rechtslage hingegen bei der Kopplung von Gewährleistungseinbehalt und Gewährleistungsbürgschaft aus, da es sich bei dieser Klauselgestaltung um eine untrennbare Einheit handelt. Fraglich ist, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn ein Sicherheitseinbehalt für Vertragserfüllungsansprüche vorgesehen ist, der ausschließlich durch eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft unter Verzicht auf §§ 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 und 2 BGB abgelöst werden kann. Meines Erachtens ist in dieser Konstellation ebenfalls von einer Gesamtunwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede auszugehen.656 Mit § 632a BGB n. F. hat der Gesetzgeber erstmals einen unumstößlichen Abschlagszahlungsanspruch im Gesetz fixiert. Hierdurch hat er das Liquiditätsinteresse des Auftragnehmers erheblich gestärkt. Der Sicherheitseinbehalt für Vertragserfüllungsansprüche verstößt demzufolge gegen das Leitbild des 656

So auch Vogel, NJW 2018, 861.

262

4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

§ 632a BGB. Er kann somit nur dann wirksam sein, wenn dem Auftragnehmer ein angemessener Ausgleich in Form der Ablösungsmöglichkeit durch eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaft zugestanden wird. Dies zwingt zu einer einheitlichen Beurteilung. Umgekehrt wird man bei einer isolierten Vereinbarung einer Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die §§ 768 Abs. 1 S. 1, 770 Abs. 1 und 2 BGB aller Voraussicht nach von der Wirksamkeit der restlichen Sicherungsabrede ausgehen können. Vertragserfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft unterscheiden sich nur in ihrem Sicherungszweck. Weshalb dieser Umstand eine Ungleichbehandlung rechtfertigen sollte, ist nicht ersichtlich. Festzuhalten bleibt damit, dass primär der Sicherheitseinbehalt und nicht die isolierte Vereinbarung einer Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft ein „Spiel mit dem Feuer“657 ist.

VI. Bisherige Reformvorschläge und Stellungnahme Insbesondere wegen der Vielzahl der von der Rechtsprechung verworfenen Klauselgestaltungen wurden vom Deutschen Baugerichtstag Reformvorschläge zur Verbesserung der Rechtslage im unternehmerischen Bereich unterbreitet. 1. Die Reformvorschläge des 3. und 6. Deutschen Baugerichtstags Der 3. Deutsche Baugerichtstag hat sich im Jahr 2010 mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, gewerblichen Auftraggebern bei größeren Bauverträgen einen dispositiven Anspruch auf eine durchlaufende Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit einzuräumen, die sich der Höhe nach an 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung orientiert.658 Im Gegensatz hierzu sieht der mit überwältigender Mehrheit angenommene Vorschlag des 6. Deutschen Baugerichtstags aus dem Jahr 2016 für den gewerblichen Bereich keine Anspruchslösung mehr vor.659 Stattdessen wird dem Gesetzgeber ein Modell für einen ausdifferenzierten gesetzlichen Sicherungsmechanismus empfohlen, der nur dann eingreifen soll, wenn sich die Bauvertragsparteien zuvor auf eine Absicherung zugunsten des Auftraggebers geeinigt haben. In diesem Fall soll der Auftragnehmer dazu verpflichtet werden, eine Sicherheit in Höhe von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung beizubringen, die sich sowohl auf Vertragserfüllungs- als auch auf Gewährleistungsansprüche erstreckt. Die Sicherheit soll sich hierbei von vornherein auch auf Nachträge beziehen. Über die Regelungen der §§ 232 ff. BGB hinaus, soll Sicherheit auch durch Bürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers sowie durch Einbehalt von Geld geleistet werden können. 657 658 659

Nossek, NZBau 2018, 279, 282. 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1332 f., 1343. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1585 ff.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

263

Sicherheitseinbehalte sind vom Auftraggeber auf ein Sperrkonto einzuzahlen, über das beide Vertragsparteien nur gemeinsam verfügen können. Des Weiteren ist im Reformvorschlag ein Austauschrecht zugunsten des Auftragnehmers und – sofern die Sicherheit nicht verwertet wurde – eine Rückgaberegelung vorgesehen. Der 6. Baugerichtstag macht in seinen Erläuterungen deutlich, dass er die Aufnahme einer solchen Basisregelung für erforderlich hält, weil formularvertragliche Sicherungsabreden in der Vergangenheit zu oft vom Damoklesschwert der richterlichen Inhaltskontrolle getroffen wurden.660 Zudem stelle der gestiegene Komplexitätsgrad der Muster ein ernsthaftes Problem dar.661 Baupraktiker hätten daher ein großes Interesse an einer leicht handhabbaren und verständlichen Vorschrift, die ihnen die spätere Durchsetzbarkeit ihrer Sicherheit, in Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, garantiert.662 Dieses umfassende Ziel sei allerdings nur erreichbar, wenn Sonderwünsche von Auftraggebern außen vor bleiben.663 Da der Entwurf eine durchlaufende Kombi-Sicherheit für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche vorsieht, darf insbesondere der niedrigere Schwellenwert der Rechtsprechung von 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung nicht überschritten werden.664 Die empfohlene Regelung soll zudem nicht die Rolle eines gesetzlichen Leitbilds übernehmen.665 Der Auftraggeber kann sich dementsprechend weiterhin Sicherheiten ausbedingen, die über das gesetzlich vorgesehene Fundament hinausgehen.666 2. Stellungnahme Zu Beginn der Arbeit wurde bereits herausgearbeitet, dass keinerlei gesetzliche Grundlagen existieren, auf die sich Auftraggeber zur Einforderung von Sicherheiten berufen oder an denen sie sich zumindest bei der Gestaltung ihrer Sicherungsabreden orientieren könnten.667 Die Empfehlung des 3. Deutschen Baugerichtstags behebt dieses Manko, indem Auftraggebern ein einklagbarer Sicherungsanspruch gewährt wird. Problematisch ist jedoch, dass der Vorschlag Leitbildcharakter haben soll.668 Nach der strengen Rechtsprechungslinie führen Abweichungen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nahezu immer zur Unwirksamkeit der vertraglichen Bestimmung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei einem Leitbildcharakter des Sicherungsanspruchs bestünde somit die ernsthafte 660 661 662 663 664 665 666 667 668

6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1585 f. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1585 f. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1585 f. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1586. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1586 f. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1587. 6. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2016, 1570, 1587. Siehe hierzu oben, S. 31. 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1333.

264

4. Kap.: Die vertragliche Absicherung des gewerblichen Bestellers

Gefahr, dass der vertragliche Gestaltungsspielraum in unzumutbarer Weise eingeschränkt wird. Auftraggeber könnten vor allem daran gehindert sein, sich für die Vertragserfüllungsphase eine höhere Sicherheit als die vorgesehenen 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung auszubedingen. Dies ist kontraproduktiv und nicht hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist es vorzugswürdig, die Regelung im Folgenden als gesetzlich verankerten Mindestschutz zu verstehen. Diese Rolle nimmt im Verbraucherbauvertrag auch § 650m Abs. 2 BGB ein. Der Vorteil der Anspruchslösung besteht darin, dass der gewerbliche Auftraggeber Rechtssicherheit erlangt, wenn er die gesetzliche Sicherheit anfordert. Es ist jedoch anzunehmen, dass gewerbliche Auftraggeber wegen dem höheren Sicherungsbedürfnis im Vertragserfüllungsstadium nach wie vor eine vertragliche Lösung anstreben würden. In diesem Fall verschafft der gesetzliche Anspruch dem Auftraggeber nahezu keinen Vorteil. Zwar hat der Auftraggeber, wenn sich im Nachhinein die Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede herausstellt, immerhin noch die Möglichkeit, seinen gesetzlichen Sicherungsanspruch geltend zu machen. Typischerweise wird dem Auftraggeber die Unwirksamkeit der formularvertraglichen Sicherungsabrede jedoch erst in der Insolvenz seines Vertragspartners vor Augen geführt. In diesem Fall ist ohnehin keine Bank mehr dazu bereit, eine Bürgschaft zu übernehmen. Auf der anderen Seite sprechen rechtspolitische Gründe entschieden gegen die vorgebrachte Anspruchslösung. Gewerbliche Besteller sind im Gegensatz zu Auftragnehmern und privaten „Häuslebauern“ durchaus dazu in der Lage, ihr Sicherungsbegehren im Rahmen der Vertragsverhandlungen privatautonom durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht geboten, ihnen ein mit § 650f BGB und § 650m BGB vergleichbares gesetzliches Sicherungsinstrument an die Hand zu geben. Ein derartiger paternalistischer Ansatz widerspricht nicht zuletzt dem vom Gesetzgeber verfolgten Kooperationsgedanken. Vorzugswürdig ist daher die spätere Empfehlung des 6. Deutschen Baugerichtstags, die stark an den Regelungsmechanismus des § 17 VOB/B erinnert. Sie gibt gewerblichen Auftraggebern eine allgemeine Hilfestellung, ohne diese zu bevormunden. Fraglich erscheint mir jedoch, ob Auftraggeber sich auf die darin festgelegten Eckpfeiler einlassen werden. Sicherungsabreden sind zwar keine Maßanzüge. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass auf Auftraggeberseite in aller Regel ein großes Interesse daran besteht, das vollständige Sicherungspotenzial von 10 % der Auftragssumme im Vertragserfüllungsstadium auszuschöpfen. Darüber hinaus ist die Praxis seit jeher eher mit Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten als mit Kombisicherheiten vertraut. Selbst das Vergabehandbuch des Bundes ist inzwischen zu dieser Zweiteilung übergegangen.669 Unabhängig davon ist ein Bedürfnis der Auftraggeber, Sicherungsabreden an ihre eigenen Vorstellungen anzupassen, nicht von der Hand zu weisen. Es stellt sich daher die grundlegende Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlich vorgegebenen Hilfestellung. 669

Siehe hierzu oben, S. 216 f.

C. Die Unwirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden

265

Fakt ist, dass der Bundesgerichtshof in den vergangenen 24 Jahren die essenziellen Fragen zur Wirksamkeit formularvertraglicher Sicherungsabreden geklärt hat. Dass diese rechtsschöpferische Leistung einen so langen Zeitraum in Anspruch genommen hat, ist meines Erachtens auch auf das komplizierte Zusammenspiel von AGB-, Werkvertrags- und Bürgschaftsrecht zurückzuführen. Nichtsdestotrotz ist zwischenzeitlich ein weitgehender Vereinheitlichungseffekt eingetreten, der zur Etablierung von Branchenstandards geführt hat.670 Auftraggeber sehen heutzutage nicht nur von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern, sondern beispielsweise auch von einem Ausschluss des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB ab. Die Kautelarpraxis hat immer wieder die Grenzen der formularvertraglichen Gestaltungsfreiheit ausgetestet. Der Bundesgerichtshof hat diese nach und nach konkretisiert. Hierdurch wurde ein Anpassungsprozess in Gang gesetzt,671 der meines Erachtens weitgehend abgeschlossen ist. Diese Entwicklung war für die Auftraggeberseite in der Vergangenheit äußerst schmerzhaft. Inzwischen hat jedoch auch das Richterrecht ein großes Maß an Rechtssicherheit hervorgebracht. Wegen der weitgehend feststehenden Rechtslage ist es aus heutiger Sicht viel einfacher als damals, eine Sicherungsabrede ohne Wirksamkeitsbedenken zu vereinbaren.672 Vor diesem Hintergrund stehe ich einer gesetzlich austarierten Hilfestellung, die nicht dazu in der Lage ist, flexibel auf individuelle Bedürfnisse zu reagieren, kritisch gegenüber. Es ist vielmehr Aufgabe der Wissenschaft, die Kautelarpraxis im Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch die Systematisierung der Rechtsprechung zu unterstützen und Korrekturbedarf aufzuzeigen.673 Insoweit hoffe ich, dass die vorangegangene Darstellung dem geneigten Leser eine umfassende „Orientierung im weiten Klauselmeer“674 bietet.

670

Hierzu allgemein Wurmnest, RabelsZ 82, 346, 354. Siehe zum wechselseitigen Verhältnis von Kautelarjurisprudenz und Rechtsprechung Wurmnest, RabelsZ 82, 346, 373 f. 672 Kritisch hingegen Weise, NJW-Spezial 2019, 44, 45; Wittler/Zander, NJW 2021, 32, 34 Rn. 9. 673 Wurmnest, RabelsZ 82, 346, 377. 674 Wurmnest, RabelsZ 82, 346, 377. 671

Fünftes Kapitel

Die gesetzliche und vertragliche Absicherung des Auftragnehmers im Rahmen von Verbraucherbauverträgen A. Einführung In den vorangehenden Kapiteln wurden die wechselseitigen Sicherungsmöglichkeiten der Bauvertragsparteien nahezu umfassend abgehandelt. In der bisherigen Darstellung finden sich jedoch noch keine vertieften Ausführungen zur gesetzlichen und vertraglichen Absicherung des Bauunternehmers im Rahmen von Verbraucherbauverträgen. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich daher diesem Themenkomplex.

B. Gesetzliche Absicherung Nach geltender Rechtslage steht dem Bauunternehmer auch bei Abschluss eines Verbraucherbauvertrags ein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek nach § 650e BGB zu. Diese Vorschrift wurde schon im zweiten Kapitel ausführlicher dargestellt. Da ich mich insofern außerdem für eine ersatzlose Streichung von § 650e BGB einsetze,1 muss dieser Sicherungsmechanismus an dieser Stelle nicht erneut thematisiert werden. Im Fokus steht daher die Frage, ob Bauunternehmern im Rahmen von Verbraucherbauverträgen ein gesetzlicher Sicherungsanspruch über den effektiveren § 650f BGB zugestanden werden sollte. De lege lata sind Verbraucherbauverträge wegen des Privilegierungstatbestands des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB vom Anwendungsbereich der Bauhandwerkersicherung ausgenommen. Fraglich ist allerdings, ob dies gerechtfertigt ist.

I. Ursprung und Entwicklung des Privilegierungstatbestandes Der Privilegierungstatbestand des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB beruht auf dem vorherigen § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. In diesem war seit Schaffung der 1

Siehe hierzu oben, S. 97.

B. Gesetzliche Absicherung

267

Bauhandwerkersicherung im Jahr 1993 geregelt, dass Bauunternehmern kein Sicherungsanspruch zusteht, sofern der Besteller eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten der Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung dienen. Erforderlich war nicht, dass das Haus ausschließlich Wohnzwecken dient. Eine untergeordnete Nutzung zu beruflichen Zwecken beeinflusste nach alter Rechtslage nicht die Einordnung als Einfamilienhaus.2 Darüber hinaus unterfielen nach der Rechtsprechung auch Doppelhaushälften3 und Eigentumswohnungen4 der Bereichsausnahme des § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. Mit Inkrafttreten des Bauvertragsrechts am 01. 01. 2018 wurde der Privilegierungstatbestand an den neuen Terminus des Verbraucherbauvertrags angepasst. Dieser umfasst gemäß § 650i BGB alle Verträge, durch die der Bauunternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden verpflichtet wird. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Anwendungsbereich von § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB im Vergleich zu § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. eine marginale Erweiterung erfährt, weil er nunmehr auch Verbraucherverträge über den Bau von Mehrfamilienhäusern erfasse.5 Diese Annahme ist zutreffend, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung nicht nur das Bauen aus einer Hand, sondern auch die Einzelvergabe von Bauleistungen unter den Begriff des Verbraucherbauvertrags subsumiert.6

II. Ratio legis des Privilegierungstatbestandes und bisherige Kritik Obwohl § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB einen neuen Anknüpfungspunkt für den Privilegierungstatbestand wählt, hat sich der Sinn und Zweck der Vorschrift und die an ihm geäußerte Kritik nicht verändert. Vor diesem Hintergrund sind die Quellen zur Vorgängerregelung in die Diskussion miteinzubeziehen. Der Gesetzgeber hat sich zur Rechtfertigung der Bereichsausnahme des § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. im Wesentlichen auf vier Argumente gestützt. In erster Linie ist er davon ausgegangen, dass Einfamilienhäuser üblicherweise solider finanziert sind als andere Bauvorhaben.7 Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB näher konkretisiert: Da die Bank in der Regel die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor und während der Verwirklichung des Bauvorhabens überprüft, bestehe für den Bauunternehmer bezüglich seiner Vergütungsforderung typischerweise kein erhebliches Ausfallrisiko.8 Des Weiteren 2 3 4 5 6 7 8

BGH NJW-RR 2016, 592 f. Rn. 12 ff. OLG Oldenburg BauR 2016, 532, 534. OLG Celle NJW-RR 2004, 592, 593; OLG München BauR 2008, 1163, 1164. BT-Drs. 18/8486, S. 58 f. Siehe hierzu ausführlich oben, S. 24 ff. BT-Drs. 12/1836, S. 11. BT-Drs. 18/8486, S. 59.

268

5. Kap.: Die gesetzliche und vertragliche Absicherung des Auftragnehmers

werde der Bauunternehmer durch die lebenslange unbeschränkte persönliche Haftung des Verbrauchers geschützt.9 Zudem spreche auch der Gedanke des Verbraucherschutzes für die Normierung des Privilegierungstatbestandes.10 Schließlich soll die Bauhandwerkersicherung Bauunternehmer primär vor großen Baupleiten bewahren.11 Beim Eigenheimbau seien die Risiken für den Bauunternehmer wegen des geringeren Vertragsvolumens demgegenüber überschaubar.12 Innerhalb der vergangenen Jahrzehnte wurde diese Weichenstellung des Gesetzgebers vielfach beanstandet. Schon bei Einführung der Bauhandwerkersicherung sprach sich der Bundesrat für die ersatzlose Streichung von § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. aus.13 Der 3. Deutsche Baugerichtstag setzte sich dafür ein, größere Bauverträge mit Verbrauchern von dem Privilegierungstatbestand auszunehmen.14 Auch der Bundesgerichtshof15 und die herrschende Meinung in der Literatur16 stehen § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. bzw. § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB äußerst kritisch gegenüber. Vor allem die Behauptung, dass der private Häuserbau eine solidere Finanzierung als andere Bauvorhaben aufweise, wurde immer wieder angezweifelt.17 Darüber hinaus wird insbesondere auch von Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass natürliche Personen seit dem im Jahr 1999 eingeführten Verbraucherinsolvenzverfahren mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO keiner lebenslangen Haftung mehr unterliegen.18 Insofern ist die Argumentation des Ge9

BT-Drs. 12/1836, S. 11, 17. BT-Drs. 12/1836, S. 17. 11 BT-Drs. 12/1836, S. 16 f. 12 BT-Drs. 12/1836, S. 17. 13 BT-Drs. 12/1836, S. 13. 14 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1343. 15 BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 25. 16 Zur Vorgängerregelung Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 125 ff.; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 75 ff.; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 95 ff.; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 101 ff., 319; Börstinghaus, ZRP 1990, 421, 423 f.; Harald Weber, ZRP 1992, 292, 295; Soergel, in: FS v. Craushaar 1997, S. 179, 183; Scorl, in: FS v. Craushaar 1997, S. 317, 318; Liegmann, GewArch 2003, 274, 281; Ganten, ZfBR 2006, 203, 208; Peters, NZBau 2011, 129, 131; zur Neufassung Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 249; Kniffka ibrOK/ Schmitz, § 650f BGB Rn. 24 f.; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 13; Messerschmidt/Voit/Cramer, § 650f Rn. 29; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 1, 7; Schmitz, in: Bayer/Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 63, 73 ff.; Vogel, BauR 2020, 388, 389 f., 395 f.; positiver hingegen Slapnicar/Wiegelmann, NJW 1993, 2903, 2908; gegen die vorgebrachte Kritik ohne nähere Begründung Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 37 m. Fn. 61. 17 BT-Drs. 12/1836, S. 13; BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 25; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 76; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 101 f.; Harald Weber, ZRP 1992, 292, 295; Peters, NZBau 2011, 129, 131; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 249; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 24; Staudinger/Peters, § 650f Rn. 1, 7; Schmitz, in: Bayer/ Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 63, 73. 18 BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 25; 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1329; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 127 f.; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, 10

B. Gesetzliche Absicherung

269

setzgebers daher nicht mehr tragfähig. Zu guter Letzt könne der Privilegierungstatbestand auch nicht mit dem geringeren Vertragsvolumen begründet werden, da kleinere Bauunternehmen den vermeintlich verkraftbaren Zahlungsausfall in erheblichem Maße zu spüren bekommen.19

III. Stellungnahme Die Tatsache, dass bis zum heutigen Tag keine belastbaren empirischen Untersuchungen zur solideren Finanzierung des privaten Häuserbaus vorliegen, bildet den Hauptkritikpunkt, den sich der Gesetzgeber entgegenhalten lassen muss.20 Bei Eigenheimprojekten – die zweifellos den Hauptanwendungsfall von § 650i BGB darstellen – hängt die Finanzierung in aller Regel von der Arbeitskraft einer oder zweier Personen ab.21 Veränderungen der Lebensumstände, die beispielsweise durch eine schwere Krankheit, den Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Ehescheidung bedingt sein können, stellen daher ernsthafte Gefahren für die sicher geglaubte Finanzierung dar.22 Das Sicherungsbedürfnis der Bauunternehmer besteht daher grundsätzlich auch bei Verbraucherbauverträgen. Auch das geringere Vertragsvolumen ändert hieran nichts. Doch darf auch nicht verkannt werden, dass der Verbraucher im Unterschied zu einem Unternehmer ein essenzielles Interesse an der Verwirklichung seines Lebensprojekts hat. Da der Verbraucher einer unbeschränkten persönlichen Haftung unterliegt, gilt dies nicht nur in ideeller, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Darüber hinaus mag auch von Bedeutung sein, dass der Verbraucher bei einer gravierenden Veränderung seiner Lebensumstände im Einzelfall auf den finanziellen Rückhalt seiner Familie hoffen kann. Insgesamt halte ich die Annahme, dass Bauunternehmer im Rahmen von Verbraucherbauverträgen ein geringeres Ausfallrisiko hinsichtlich ihrer Vergütungsforderung tragen, daher durchaus für plausibel. In der Literatur wurden demgegenüber Bedenken hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) angemeldet, da es nicht ohne Weiteres gerechtfertigt sei, den privaten „Häuslebauer“ besser zu stellen als einen Unternehmer, der mit Fremdkapital baut und dessen Finanzierung demzufolge ebenfalls von einer Bank kontrolliert wird.23 Dem ist zu widersprechen. Es mangelt nicht an S. 96; MüKoBGB/Busche, § 650f Rn. 13; Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 249; Vogel, BauR 2020, 388, 389. 19 BT-Drs. 12/1836, S. 13; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 128; Klaft, Bauhandwerkersicherung, S. 76; Mönke, Sicherung der Bauunternehmer, S. 101. 20 3. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2010, 1313, 1329; Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 130; Altenkirch, Bauhandwerkersicherung, S. 96; Vogel, BauR 2020, 388, 389, 395. 21 Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 127. 22 Henkel, Bauhandwerkersicherung, S. 127; Peters, NZBau 2011, 129, 131. 23 Schmitz, in: Bayer/Koch, Auswirkungen des neuen Bauvertragsrechts, S. 73 f.; Kniffka ibrOK/Schmitz, § 650f BGB Rn. 25; ähnlich Ingenstau/Korbion/Joussen, Anh. 1 Rn. 249.

270

5. Kap.: Die gesetzliche und vertragliche Absicherung des Auftragnehmers

sachlichen Gründen, die eine solche Differenzierung rechtfertigen. Zum einen ist erneut auf die persönliche, unbeschränkte Haftung des Verbrauchers hinzuweisen. Zum anderen ist die Verteilung der Vertragsgestaltungsmacht von entscheidender Bedeutung: Gegenüber gewerblichen Auftraggebern ist der Bauunternehmer zwingend auf den Schutz von § 650f BGB angewiesen, da er meist nicht in der Lage sein wird, ein vertragliches Sicherungsverlangen durchzusetzen. Im Rahmen von Verbraucherbauverträgen wird ihm dies hingegen eher gelingen. Darüber hinaus ist der Verbraucher, im Gegensatz zum gewerblichen Auftraggeber, dem die Rechtsfolgen bekannt sein müssen, nicht mit den erheblichen Konsequenzen einer Zuwiderhandlung nach § 650f Abs. 5 BGB vertraut. Neben diesen Verbraucherschutzgesichtspunkten kann die Bereichsausnahme des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB schließlich auch mit Kostensenkungen und der damit einhergehenden Förderung des privaten Häuserbaus gerechtfertigt werden.24 Insgesamt ist daher – vorbehaltlich einer rechtstatsächlichen Überprüfung zu der Frage, ob Bauvorhaben nach § 650i BGB tatsächlich solider finanziert sind – uneingeschränkt an dem Privilegierungstatbestand festzuhalten. Dies gilt jedenfalls, sofern sich der Begriff des Verbraucherbauvertrags auch auf die Einzelvergabe von Bauleistungen bezieht. Rechtspolitisch ist ohnehin nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Privilegierungstatbestand des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB abschaffen wird, da eine nachträgliche Absenkung des Verbraucherschutzniveaus kaum populär sein dürfte.

C. Vertragliche Absicherung Im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags ist der Bauunternehmer somit auf eine vertragliche Absicherung seines Vergütungsanspruchs angewiesen. Bei den Grenzen der Gestaltungsfreiheit muss zwischen der Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts unterschieden werden.

I. Die Rechtslage bis zum 31. 12. 2017 Bis zum 31. 12. 2017 bestand für Bauunternehmer eine äußerst komfortable Situation, weil sie Verbraucher in formularvertraglichen Sicherungsabreden zur Beibringung einer Zahlungsbürgschaft in voller Höhe des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs verpflichten konnten. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. 05. 201025 klargestellt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt verwendete ein Fertighaushersteller ein Formular, das private Bauherren zur Beschaffung einer Bürgschaft für sämtliche 24 25

Hierin sah A. Weber, WM 1994, 725, 726 den eigentlichen Zweck der Vorschrift. BGH NJW 2010, 2272.

C. Vertragliche Absicherung

271

Zahlungsansprüche aus dem Bauvertrag anhielt.26 Der Bundesgerichtshof befand, dass die Klauseln zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers führen.27 Wie oben bereits gezeigt, sind die zwingenden Regelungen der Bauhandwerkersicherung für die Ausgestaltung vertraglicher Sicherungsabreden grundsätzlich ohne Belang.28 Sie entfalten daher richtigerweise auch keinen Leitbildcharakter im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.29 Selbiges gilt für den Privilegierungstatbestand des § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB bzw. § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB.30 Dieser nimmt zwar bestimmte Verträge mit Verbrauchern vom Anwendungsbereich der Bauhandwerkersicherung aus. Daraus folgt jedoch umgekehrt nicht die gesetzgeberische Wertung, dass Bauunternehmen in diesen Vertragsverhältnissen vertragliche Sicherheiten verwehrt bleiben sollen.31 Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daher nur aus der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Im Rahmen einer Gesamtabwägung hat der Bundesgerichtshof das Sicherungsbedürfnis des Fertighausherstellers dem Interesse des privaten Bauherren an der Vermeidung von Avalkosten gegenübergestellt.32 Gerade vor dem Hintergrund, dass der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen der Belastung des Grundstücks mit vorrangigen Grundpfandrechten kein sonderlich geeignetes Sicherungsinstrument darstellt,33 hat er die formularvertragliche Sicherungsabrede gebilligt. Damit wurde Bauunternehmern bei der Vertragsgestaltung weitgehend freie Hand gelassen. Die Unternehmer nutzten diesen Umstand zunehmend aus, um die privaten „Häuslebauer“ in ihren AGB zur Stellung von Zahlungssicherheiten über den vollen Vergütungsanspruch zu verpflichten.34 Effektiv wurde hierdurch das vorgesehene Verbraucherprivileg umgangen.

II. Die Rechtslage ab dem 01. 01. 2018 Diese als unbillig empfundene Rechtslage änderte sich jedoch mit Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts am 01. 01. 2018. In § 650m Abs. 4 BGB ist nunmehr eine Obergrenze für individual- und formularvertraglich vereinbarte Zahlungssicherheiten im Rahmen von Verbraucherbauverträgen vorgesehen. Diese kommt al26 27 28 29 30 31 32 33 34

Es handelte sich um eine Verbandsklage- und nicht um einen Individualprozess. BGH NJW 2010, 2272, 2273 Rn. 12. Siehe hierzu ausführlich oben, S. 91 ff. BGH NJW 2010, 2272, 2273 f. Rn. 15 ff. BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 21. BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 21. BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 22 ff. BGH NJW 2010, 2272, 2274 Rn. 26. BT-Drs. 18/8486, S. 64; Messerschmidt/Voit/Lenkeit, § 650m Rn. 37.

272

5. Kap.: Die gesetzliche und vertragliche Absicherung des Auftragnehmers

lerdings nur zum Tragen, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Abschlagszahlungsvereinbarung besteht oder der Bauunternehmer Abschlagszahlungen auf gesetzlicher Grundlage (§ 632a Abs. 1 BGB) verlangt. In diesem Fall darf die Sicherheitsleistung nicht höher als die nächste Abschlagszahlung oder 20 % der vereinbarten Gesamtvergütung sein. Die ratio legis besteht darin, den Verbraucher, dessen Kreditrahmen bereits durch die Finanzierung des Bauvorhabens erheblich eingeschränkt ist, nicht über Gebühr durch zusätzliche Sicherheitsleistung zu belasten.35 Sofern Abschlagszahlungen ausbleiben, kann der Bauunternehmer sein Vorleistungsrisiko durch Arbeitseinstellung verringern.36 Sein Sicherungsbedürfnis geht daher nicht über die nächste Abschlagszahlung hinaus.37 Findet sich im Bauvertrag eine Regelung, die den Baufortschrift und die daran anknüpfenden Abschlagszahlungen in Prozentanteilen ausdrückt, besteht von Anfang an Klarheit über die jeweilige Obergrenze der möglichen Sicherheitsleistung nach § 650m Abs. 4 S. 1 Alt. 1 BGB.38 Da die Abschläge jedoch in aller Regel unterschiedlich hoch ausfallen werden, ist der Bauunternehmer dazu gezwungen, den Verbraucher zur sukzessiven Anpassung der Sicherheit zu verpflichten.39 Andernfalls droht wegen einer Überschreitung der Höchstgrenze die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.40 Da es sich hierbei um ein aufwendiges und fehleranfälliges Unterfangen handelt, sollte die Sicherheit in der alltäglichen Praxis gemäß § 650m Abs. 4 S. 1 Alt. 2 BGB pauschal mit 20 % der vereinbarten Gesamtvergütung bemessen werden.41 Wurde die Höhe der Abschlagszahlungen im Bauvertrag nicht konkret festgelegt, ist der Bauunternehmer ohnehin auf diese Vorgehensweise angewiesen.

III. Bisherige Kritik an § 650m Abs. 4 BGB und Stellungnahme In der Literatur wurde die neu geschaffene Vorschrift des § 650m Abs. 4 BGB zum Teil scharf kritisiert.42 Trotz ihrer erstrebenswerten Zielsetzung sei die Regelung zu abstrakt und komplex gehalten. Es zeuge von einer „unnötigen Detailverliebtheit des Gesetzgebers“43, die Obergrenze im Rahmen von Verbraucherbauverträgen an das Abschlagszahlungsverlangen des Unternehmers zu binden. Besser wäre es gewesen, formularvertragliche Zahlungssicherheiten bei Vorliegen eines Verbrauch35

BeckOGK/Mundt, § 650m Rn. 62. BeckOK/Voit, § 650m Rn. 19. 37 BeckOK/Voit, § 650m Rn. 19. 38 jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650m Rn. 38. 39 jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650m Rn. 38. 40 BeckOK/Voit, § 650m Rn. 22; jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650m Rn. 44. 41 jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650m Rn. 38, 42. 42 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1844; Kniffka ibrOK/Retzlaff, § 650m BGB Rn. 12. 43 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1844; Kniffka ibrOK/Retzlaff, § 650m BGB Rn. 12. 36

C. Vertragliche Absicherung

273

erbauvertrags gänzlich für unwirksam zu erklären oder eine einheitliche Begrenzung vorzusehen.44 Die neue Gesetzeslage führe zwangsläufig zu Fehlern bei der vertraglichen Gestaltung von Sicherungsabreden.45 Vor diesem Hintergrund hätte man die Unwirksamkeit der formularvertraglichen Vereinbarung von Zahlungssicherheiten auch direkt in den Gesetzestext aufnehmen können.46 Zuzugeben ist, dass § 650m Abs. 4 BGB mit der Anknüpfung der Sicherungshöhe an die Zu- und Abnahme des Vorleistungsrisikos einen etwas komplizierten Ansatz verfolgt. Dennoch spricht meines Erachtens viel dafür, an der aktuellen Fassung festzuhalten.47 Auch der Gesetzgeber hat eine generelle Obergrenze in Betracht gezogen.48 Hiervon ist er jedoch wegen der Bandbreite möglicher Vertragsgestaltungen abgerückt.49 Die Anknüpfung an die Vereinbarung oder das Verlangen von Abschlagszahlungen bietet den entscheidenden Vorteil, dass der Unternehmer eine Sicherheit von bis zu 100 % vereinbaren kann. Insbesondere bei Fertighausverträgen kann der gänzliche Verzicht auf Abschlagszahlungen sinnvoll sein, weil hohe Werte innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums geschaffen werden.50 Des Weiteren kann der Verzicht auf Abschlagszahlungen von Bauunternehmen genutzt werden, um Kunden zu werben. Dies kommt auch dem Verbraucher zugute, weil er sich hierdurch zwischen verschiedenen Vertragsgestaltungen – entweder der Zahlung von Abschlägen oder einer umfassenden Sicherheitsleistung – entscheiden kann. Der zentrale Vorteil von § 650m Abs. 4 BGB besteht daher darin, dass er den Bauvertragsparteien eine flexible Lösung bietet. Zwar wird die neue Rechtslage vor allem innerhalb der nächsten Jahre zur Unwirksamkeit einiger Sicherungsabreden führen. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht ein komplettes Verbot von Zahlungssicherheiten bei Verbraucherbauverträgen. Auch bei diesen Verträgen besteht ein berechtigtes Sicherungsbedürfnis der Bauunternehmen. Gerade weil sich die vorliegende Arbeit für eine ersatzlose Streichung von § 650e BGB einsetzt, muss den Auftragnehmern eine vertragliche Möglichkeit zur Absicherung ihres Vorleistungsrisikos im Rahmen von Verbraucherbauverträgen eröffnet bleiben.

44 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1844; Kniffka ibrOK/Retzlaff, § 650m BGB Rn. 12. 45 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1844; Kniffka ibrOK/Retzlaff, § 650m BGB Rn. 12. 46 Kniffka/Retzlaff/Retzlaff, BauR 2017, 1747, 1844; Kniffka ibrOK/Retzlaff, § 650m BGB Rn. 12. 47 In diesem Sinne auch BeckOK/Voit, § 650m Rn. 19; jurisPK-BGB/Segger-Piening, § 650m Rn. 46. 48 BT-Drs. 18/8486, S. 65. 49 BT-Drs. 18/8486, S. 65. 50 BeckOK/Voit, § 650m Rn. 19.

Sechstes Kapitel

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Der Gesetzgeber hat die spezielle Thematik der wechselseitigen Absicherung von Auftraggeber und Auftragnehmer bei Einführung des neuen Bauvertragsrechts – abgesehen von den Verbraucherschutzvorschriften des § 650m Abs. 1 und 4 BGB – weitgehend ausgeklammert. Im Verlauf der Abhandlung hat sich allerdings gezeigt, dass in manchen Punkten erheblicher Regelungsbedarf besteht.

I. Vorschläge zur zukünftigen Absicherung des Auftragnehmers Die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers hat durch den neu gefassten § 632a BGB eine Abmilderung erfahren. Erstmals steht Bauunternehmern ein wirksamer gesetzlicher Abschlagszahlungsanspruch zur Verfügung. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da der Liquiditätsfluss die „Lebensader der Bauwirtschaft“ bildet. Auf der anderen Seite ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb der Gesetzgeber an der missglückten Regelung des § 650e BGB festhält. Die Sicherungshypothek des Bauunternehmers stellt aus mehreren Gründen ein ungeeignetes Sicherungsmittel dar. Zum einen ist der Sicherungsanspruch bei Personenverschiedenheit von Besteller und Grundstückseigentümer ausgeschlossen. Zum anderen kann der Bauunternehmer vor der Vollendung des Bauwerks nur eine Sicherheit für seinen anteilig verdienten Vergütungsanspruch fordern (§ 650e S. 2 BGB). Diese Beschränkung führt gleichzeitig zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung der verschiedenen Bauunternehmer, da der früher tätig werdende Auftragnehmer stets die vorrangige Grundbuchposition erhält. Im Endeffekt ist dies jedoch irrelevant, weil letztlich die fremdfinanzierenden Banken den primären Zugriff auf das Grundstück haben. Das Baugrundstück wird folglich in der Regel bereits bei Baubeginn vollständig belastet sein. Über die „Schornsteinhypotheken“ lässt sich bestenfalls noch eine „Lästigkeitsprämie“ zu Lasten der vorrangigen Grundpfandgläubiger erzielen. Dieser faktische Vorteil – der mit einer bedenklichen Blockade der freihändigen Veräußerung des Grundstücks einhergeht – bewegt sich weit außerhalb der intendierten Zielsetzung von § 650e BGB. Selbiges gilt für die weit verbreitete Vorgehensweise

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

275

von Bauunternehmern, eine Vormerkung im Wege einer einstweiligen Verfügung zu erhalten, um auf diese Weise Druck auf den Auftraggeber auszuüben. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass dieses Vorgehen riskant ist und regelmäßig ins Leere läuft. Einerseits setzt sich der Auftragnehmer unkalkulierbaren Haftungsrisiken aus (§ 945 ZPO). Andererseits kann der Auftraggeber eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft stellen und hierdurch die Aufhebung der einstweiligen Verfügung über § 939 ZPO erzielen. Insgesamt sollte § 650e wegen der aufgezeigten Nachteile und der systemwidrigen Verwendung des Sicherungsanspruchs als Blockade- und Druckmittel ersatzlos gestrichen werden. Das Ende des Nebeneinanders von § 650e BGB und § 650f BGB dient nicht zuletzt dem Ziel der Rechtsklarheit. Die Vorschrift des § 650f BGB hat sich hingegen trotz der aufgezeigten Nachteile bewährt. Durch die hier vorgeschlagene Streichung von § 650e BGB würde auch § 650f Abs. 4 BGB wegfallen. Dies zieht zudem eine redaktionelle Anpassung von § 650f Abs. 6 S. 1 und Abs. 7 BGB nach sich. Des Weiteren hat eine inhaltliche Überarbeitung der Bauhandwerkersicherung zu erfolgen. De lege ferenda sollten die erhöhten Inanspruchnahmevoraussetzungen des § 650f Abs. 2 S. 2 BGB zugunsten einer selbstschuldnerischen Bürgschaft aufgegeben werden, da das bisherige „Bankenprivileg“ die Bauhandwerkersicherung aushöhlt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass § 650f BGB auch auf Verträge mit Verbrauchern, die keine Verbraucherbauverträge darstellen, Anwendung findet. Vor diesem Hintergrund ist unerklärlich, dass der Bauunternehmer seinen Vertragspartner im Rahmen von § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nicht über die drohenden Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs belehren muss. Da auch kleinere und mittlere Unternehmen ein erhebliches Interesse an einer solchen Unterrichtung haben, spreche ich mich für die (Wieder-)Einführung eines generellen Hinweiserfordernisses des Bauunternehmers im Rahmen der Fristsetzung aus. Nur wenn der Auftraggeber hinreichend gewarnt wird, sind die schwerwiegenden Rechtsfolgen des § 650f Abs. 5 BGB angemessen. Bei der Absicherung des Auftraggebers im Rahmen von Verbraucherbauverträgen bestand die erste Schwierigkeit in der Definition des Vertragsverhältnisses. Nach hier vertretener Auffassung unterfallen § 650i BGB nicht nur Generalunternehmerverträge, sondern auch die Errichtung des Gebäudes im Wege der Einzelvergabe. Dies ist vor allem im Hinblick auf § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB von Bedeutung. Ob die Privilegierung von Verbraucherbauverträgen gerechtfertigt ist, ließ sich nicht mit abschließender Gewissheit feststellen. Der Gesetzgeber ist in der Pflicht, eine rechtstatsächliche Untersuchung durchzuführen, welche die Annahme, dass Verbraucherbauverträge solider finanziert sind, stützt oder widerlegt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist an § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB festzuhalten. Bauunternehmer sind daher im Rahmen von Verbraucherbauverträgen (zumindest vorerst) auf die Vereinbarung von vertraglichen Sicherheiten angewiesen. In diesem Kontext ist der neu geschaffene § 650m Abs. 2 BGB zu beachten.

276

6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick

II. Vorschläge zur zukünftigen Absicherung des Auftraggebers Gesetzliche Sicherheiten zugunsten des Auftraggebers sind nur im Rahmen des Verbraucherbauvertrags vorgesehen. Im Fokus der Betrachtung stand insbesondere die Regelung des § 650m Abs. 2 BGB. Bei dieser handelt es sich nach zutreffender Auffassung um einen einklagbaren Anspruch des Auftraggebers und nicht um eine bloße Obliegenheit des Auftragnehmers. Beanstandet wurde zum einen, dass sich die Vertragserfüllungssicherheit nur auf die rechtzeitige Herstellung des Bauwerks ohne wesentliche Mängel erstreckt. Die hierdurch entstehenden Abgrenzungsschwierigkeiten sind kontraproduktiv. De lege ferenda sollte sich die Sicherheitsleistung daher unterschiedslos auf die rechtzeitige und vertragsgemäße Herstellung des Werks beziehen. Darüber hinaus ist es sachgerecht, § 650m Abs. 2 S. 2 BGB dahingehend zu modifizieren, dass die Sicherheitsleistung nicht nur bei einer Erhöhung, sondern auch bei einer entsprechenden Reduzierung des Vergütungsanspruchs anzupassen ist. Am wichtigsten ist jedoch, dass die Sicherheitsleistung von 5 % auf 10 % der vereinbarten Gesamtvergütung erhöht wird. Nur so wird ein Gleichklang mit der im gewerblichen Bereich vorherrschenden Kautelarpraxis erzielt. Aus demselben Grund sollte auch eine eigenständige Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 % eingeführt werden. Gewerbliche Auftraggeber sind demgegenüber weiterhin auf eine vertragliche Absicherung ihrer Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche angewiesen. Der Gesetzgeber hat im neuen Bauvertragsrecht diesbezüglich keine Regelungen und Leitbilder geschaffen. Dies ist nachvollziehbar und richtig, da gewerbliche Auftraggeber dazu in der Lage sind, ihr Sicherheitsbegehren privatautonom durchzusetzen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in der Vergangenheit eine unzählige Menge formularvertraglicher Sicherungsabreden verworfen. Aus heutiger Sicht ist jedoch zu konstatieren, dass das „Minenfeld der unwirksamen Klauselgestaltungen“ weitgehend geräumt ist. Die Übersicherungsgrenzen sind – abgesehen von der zu beachtenden Vorsteuerabzugsberechtigung – abgesteckt. Zudem dürfte die Problematik der Übersicherung durch Kumulation an Bedeutung verloren haben, da das Vergabehandbuch des Bundes seit 2017 keine Kombi-Sicherheiten mehr vorsieht. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Sicherungszwecke von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten hinsichtlich aller Mängel, die bereits im Erfüllungsstadium erkannt wurden, überschneiden. Um einen Summierungseffekt mit absoluter Sicherheit zu vermeiden, sollten die vor Abnahme erkannten Mängel und die daraus resultierenden Ansprüche nur einer der beiden Sicherheiten zugeordnet werden. Den Urteilen zur Abbedingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften lässt sich in weiten Teilen keine klare Rechtsprechungslinie entnehmen. Insbesondere die vorübergehende Ungleichbehandlung von formularvertraglichen Sicherungsabreden zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern stellt ein unrühmliches Kapitel der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Des Weiteren ist auch nicht recht begreiflich, weshalb der AGBrechtliche Verzicht auf § 770 Abs. 1 und Abs. 2 BGB im Bürgschaftsvertrag und in

B. Ausblick – Neue Versicherungsformen

277

der Sicherungsabrede unwirksam sein soll. Weder die Bank noch der Auftragnehmer erleiden hieraus nennenswerte Nachteile. Die Rechtsprechung muss sich an dieser Stelle den Vorwurf gefallen lassen, dass sie irrelevante Fallkonstellationen zum Anlass nimmt, um eine immer kleinlicher werdende Linie durchzusetzen. Hierdurch entsteht eine schwer verständliche Kluft zwischen Rechtstheorie und Rechtswirklichkeit, die den kritischen Stimmen im Schrifttum, die sich für eine Lockerung der Inhaltskontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr aussprechen, neuen Nährboden bereitet. Für die Baupraxis ist hingegen die Erkenntnis entscheidend, dass jede Abweichung von den besprochenen Schutzvorschriften der §§ 765 ff. BGB unwirksam ist. Insoweit steht der Kautelarpraxis immerhin eine klare Leitlinie bei der Gestaltung der formularvertraglichen Sicherungsabreden zur Verfügung. Insgesamt hat die Flut an höchstrichterlichen Entscheidungen daher in vielen Punkten Rechtssicherheit und einheitliche Branchenstandards geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, den gewerblichen Auftraggeber, der sein Sicherungsbegehren am Markt durchsetzen kann, bei der Absicherung seiner Risiken zu unterstützen.

B. Ausblick – Neue Versicherungsformen Die vorliegende Abhandlung hat sich ausschließlich mit den etablierten Sicherheitsleistungen im nationalen Bauvertragsrecht (Bankbürgschaft und Sicherheitseinbehalt) befasst. Daneben rückt allerdings immer stärker eine versicherungsrechtliche Absicherung von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers in den Fokus der Literatur und des Gesetzgebers. Derzeit werden vereinzelt Baufertigstellungs- und Baugewährleistungsversicherungen angeboten.1 Diese konnten sich jedoch nicht am Markt behaupten,2 obwohl sie einige Vorteile gegenüber Bankbürgschaften und Sicherheitseinbehalten aufweisen. Bei der Baufertigstellungsversicherung, die sich ausschließlich auf Bauvorhaben aus einer Hand bezieht, ist der Bauunternehmer Versicherungsnehmer. Er schuldet daher auch die Versicherungsprämie. Der Auftraggeber erhält jedoch im Versicherungsfall ein eigenes Forderungsrecht gegen den Versicherten.3 Dogmatisch handelt

1 Führender Anbieter ist die Vereinigte Hannoversche Versicherung (VHV). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Baufertigstellungs-Versicherung (AVB-BFV) 2014 lassen sich unter https://archiv.vhv-partner.de/docroot/vhvpartner/druckstueck/download.jsp?1 01.0005.75.pdf abrufen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Baugewährleistungs-Versicherung (AVB-BGV) 2014 lassen sich unter https://www.avanet.de/files/Details/ 700bis749/Versicherungsbedingungen.pdf abrufen. 2 Zander, Versicherung, S. 162. 3 Siehe hierzu (AVB-BFV) 2014 Klausel Nr. 1.3.

278

6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick

es sich daher um einen Vertrag zugunsten Dritter.4 Die Baufertigstellungsversicherung deckt die Mehrkosten, die infolge der Insolvenz des Bauunternehmers entstehen, bis zur vertraglich vereinbarten Deckungssumme ab. Üblicherweise beträgt diese 20 % der Bruttoauftragssumme.5 Damit ist die Sicherungshöhe doppelt so hoch wie bei Vertragserfüllungsbürgschaften. Dieser große Vorteil wird jedoch dadurch relativiert, dass Baufertigstellungsversicherungen, im Gegensatz zu Vertragserfüllungsbürgschaften, keine Verzögerungsschäden absichern.6 Die Baugewährleistungsversicherung sichert die Mängelansprüche nach der Abnahme ab. Versicherungsnehmer ist ebenfalls der Bauunternehmer. Anders als bei der Baufertigstellungsversicherung wird der Versicherungsfall nicht durch die Insolvenz des Bauunternehmers ausgelöst.7 Stattdessen genügt bereits die Erhebung eines Mangelanspruchs innerhalb des einschlägigen Verjährungszeitraums.8 In der Regel erfolgt die Auszahlung der Versicherungssumme allerdings an den Bauunternehmer selbst und nicht an den Auftraggeber. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Versicherung in erster Linie dazu dient, den Auftragnehmer gegen die Folgen seiner eigenen Fehler abzusichern.9 Deswegen geht der Anspruch gegen die Versicherung nur für den Fall, dass der Bauunternehmer in die Insolvenz fällt, auf den Auftraggeber über.10 Außerhalb der Insolvenz erhält der Auftraggeber jedoch mittelbare Vorteile, weil die garantierte Kostenübernahme durch die Versicherung zu einer Steigerung der Leistungsbereitschaft des Bauunternehmers führt.11 Da die Baugewährleistungsverpflichtung einer Haftpflichtversicherung ähnelt, besteht nach den Versicherungsbedingungen kein Versicherungsschutz für vorsätzlich herbeigeführte Mängel.12 Zudem hat sich der Bauunternehmer pro Versicherungsfall mit 10 % an der vom Versicherer zu zahlenden Entschädigung zu beteiligen, wobei der Selbstbehalt mindestens 2.500 E beträgt.13 Geht der Anspruch in der Insolvenz des Bauunternehmers auf den Auftraggeber über, hat dieser pro Versicherungsfall eine Selbstbeteiligung von 500 E zu tragen.14 Die Deckungssumme beträgt bei der Errichtung eines Privathauses durch einen Generalunternehmer typischerweise zwischen 100.000 E und 150.000 E und liegt damit deutlich über dem Sicherungsniveau einer Gewährleistungsbürgschaft.15 Neben den aufgezeigten Vorteilen führt der 4

Voit, BauR 2007, 235, 238. Voit, BauR 2007, 235, 238; Zander, Versicherung, S. 164. 6 Voit, BauR 2007, 235, 239. 7 Voit, BauR 2007, 235, 244. 8 Siehe hierzu AVB-BGV 2014 Klausel Nr. 2.1 und 5.2. 9 Voit, BauR 2007, 235, 245. 10 Siehe hierzu AVB-BGV 2014 Klausel Nr. 10.3. 11 Voit, BauR 2007, 235, 245. 12 Zander, Versicherung, S. 166; siehe hierzu AVB-BGV 2014 Klausel Nr. 7.1 und 7.2. 13 Siehe hierzu AVB-BGV 2014 Klausel Nr. 3.3. 14 Siehe hierzu AVB-BGV 2014 Klausel Nr. 10.5. 15 Zander, Versicherung, S. 167. 5

B. Ausblick – Neue Versicherungsformen

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Abschluss von Baufertigstellungs- und Baugewährleistungsversicherungen auch zu einer Steigerung der Bauqualität, da der Versicherer im Zuge der Risikobegrenzung stets eine baubegleitende Begutachtung verlangen wird.16 Andererseits steigen hierdurch natürlich die Baupreise. Der 4. Deutsche Baugerichtstag hat sich im Jahr 2012 in einem eigenen Arbeitskreis mit ganzheitlichen Versicherungslösungen beschäftigt.17 Aufgrund der Relativität von Schuldverhältnissen sichern Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften nur das Risiko des jeweiligen Vertragsverhältnisses ab. Selbiges gilt für Baufertigstellungs- und Baugewährleistungsversicherungen. Da ein Bauvorhaben üblicherweise durch mehrere in Reihe geschaltete Unternehmer realisiert wird, hat eine Absicherung demnach in jedem einzelnen Bauvertrag zu erfolgen. Dies ist problematisch, weil sämtliche Bauleistungen, die in der Vertragskette erbracht werden, automatisch auch zum Vertragsprogramm der übergeordneten Schuldverhältnisse gehören. Wird in jedem einzelnen Vertragsverhältnis eine Sicherheit gefordert, kommt es demzufolge zu einer mehrfachen Absicherung derselben Risiken.18 Das ist unter ökonomischen Gesichtspunkten widersinnig, da unnötige Kosten verursacht werden. Ein objektbezogener Versicherungsschutz, der möglichst viele Baubeteiligte einbezieht und die Absicherung der Risiken bündelt, wäre dazu in der Lage, dieses Problem zu lösen. Gleichzeitig könnten hierdurch Rechtstreitigkeiten über die Frage, welcher Bauunternehmer den Mangel verursacht hat, vermieden werden.19 Ein solches Produkt hat jedoch noch keine Marktreife erlangt. Nichtsdestotrotz ist im Jahr 2018 bereits eine erste Monografie erschienen, die sich mit der Realisierbarkeit eines umfassenden Versicherungsschutzes befasst.20 Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung eine „rechtstatsächliche Untersuchung zu den Möglichkeiten der Ausgestaltung einer verpflichtenden Absicherung der Ansprüche des Bestellers einer Bauleistung auf Fertigstellung und Mängelgewährleistung“ für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Auftrag gegeben. Die Autoren der Studie haben sich insbesondere mit verschiedenen Versicherungsmodellen auseinandergesetzt. Ihre Ergebnisse wurden im Abschlussbericht vom 31. 10. 2018 veröffentlicht.21 Die Untersuchung nimmt sowohl auf Verbraucher als auch auf Unternehmer in der Rolle des Auftraggebers Bezug. Darüber hinaus hat sie sowohl die Errichtung des Bauwerks aus einer Hand als auch im Wege der Einzelvergabe zum Gegenstand. Be16

Voit, BauR 2007, 235, 244 f. 4. Deutscher Baugerichtstag, BauR 2012, 1530 ff. 18 4. Deutscher Baugerichtstag/Voit, BauR 2012, 1530, 1532; Zander, Versicherung, S. 171 ff. 19 4. Deutscher Baugerichtstag/Krause-Allenstein, BauR 2012, 1530, 1531. 20 Hierzu ausführlich Zander, Versicherung, dessen Untersuchung sich allerdings nur auf private Bauvorhaben aus einer Hand bezieht. 21 Abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/Forschun gUndWissenschaft/Abschlussbericht_Absicherung_Besteller_Bauleistung.pdf?__blob=publica tionFile&v=2. 17

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6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick

leuchtet werden allerdings nur Verträge über Neubauten und über erhebliche Umbaumaßnahmen. Im Ausgangspunkt untermauert die Studie die Grundannahme meiner Arbeit, dass ein Verbraucher sein Sicherheitsbegehren, im Gegensatz zu einem gewerblichen Auftraggeber, in der Regel nicht durchsetzen kann.22 Zudem finden sich in der Analyse erstmals belastbare Aussagen zu der Frage, welche Höhe Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten haben müssen, um in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle (90 %) die Insolvenz des Auftragnehmers vollständig abzufangen. Für Verbraucher und Unternehmer, die ein Bauwerk aus einer Hand errichten lassen, wurde von der Erfüllungs- bis zum Ende der Gewährleistungsphase ein durchgängiger Absicherungsbedarf von 25 % der Auftragssumme ermittelt.23 Dieser Wert liegt weit über den von der Rechtsprechung gebilligten Übersicherungsgrenzen. Bei dieser Summe scheiden Sicherheitseinbehalte von vornherein aus.24 Auch Bankbürgschaften führen in dieser Größenordnung zu beachtlichen Kostensteigerungen und immensen Belastungen des Auftragnehmers. Beschafft der Generalunternehmer seinem Auftraggeber bei einem Bauvorhaben mit einer Auftragssumme von 300.000 E Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften, die sich an den geltenden Übersicherungsgrenzen orientieren, entstehen bei einer Bauzeit von 12 Monaten und einer jährlichen Avalprovision in Höhe von 2 % der Bürgschaftssumme Kosten über 2.100 E.25 Geht man demgegenüber von einer durchgängigen Absicherung in Höhe von 25 % der Auftragssumme aus, beläuft sich der Betrag bei ansonsten gleichbleibenden Parametern auf 9.000 E.26 Zudem schränken die weitaus höheren Bankbürgschaften den Kreditrahmen des Auftragnehmers um ein Vielfaches ein. Das kann gerade bei kleineren Unternehmen zu unzumutbaren Belastungen führen.27 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass auch Kautionsversicherer, die den Kredit- und Bürgschaftsrahmen nicht miteinander verrechnen, Sicherheiten von ihren Kunden für ihre potenziellen Regressansprüche verlangen.28 Um diese Nachteile zu umgehen, ziehen die Autoren unterschiedliche Versicherungslösungen in Betracht, die den Auftraggeber vor der Insolvenz des Vertragspartners im Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsstadium schützen. Letztlich präferieren sie ein Modell, das sich an der oben beschriebenen 22 23

305. 24

Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 263 – 265. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 268, 285, 287 f.,

Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 291. Eine 10 %-ige Vertragserfüllungsbürgschaft über 30.000 E verursacht bei einer Bauzeit von einem Jahr Kosten in Höhe von 600 E. Eine 5 %-ige Gewährleistungsbürgschaft über 15.000 E verursacht innerhalb des fünfjährigen Gewährleistungszeitraums Kosten in Höhe von 1.500 E. 26 Eine 25 %-ige Vertragserfüllungsbürgschaft über 75.000 E verursacht bei einer Bauzeit von einem Jahr Kosten in Höhe von 1.500 E. Eine 25 %-ige Gewährleistungsbürgschaft über 75.000 E verursacht innerhalb des fünfjährigen Gewährleistungszeitraums Kosten in Höhe von 7.500 E. 27 Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 290. 28 Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 290. 25

B. Ausblick – Neue Versicherungsformen

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Baufertigstellungsversicherung orientiert. Die Autoren sprechen sich dafür aus, dem Verbraucher bei Bauvorhaben aus einer Hand zukünftig nicht nur eine Sicherheit für das Vertragserfüllungs-, sondern auch für das Gewährleistungsstadium in Höhe von 25 % der Auftragssumme zu gewähren.29 Der Bauunternehmer soll den Sicherungsanspruch wahlweise durch Abschluss einer Versicherung oder Beibringung einer Bürgschaft erfüllen können.30 Die Versicherungslösung sei jedoch, obwohl sie bisher nur ein Nischendasein fristet, das bessere Sicherungsmittel.31 Bei Bürgschaften steht für die Bank das Insolvenzrisiko ihres Kunden im Vordergrund.32 Dies zeigt sich bei der Berechnung der Avalzinsen, die sich einzig und allein an der Bonität des Bauunternehmers orientiert.33 Versicherungsunternehmen berechnen ihre Prämie demgegenüber nach der Eintrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses.34 Vor diesem Hintergrund sind Versicherungen dazu prädestiniert, Extremfälle abzusichern, in denen außergewöhnlich hohe Summen fällig werden.35 Die Verfasser der Studie plädieren daher dafür, 100 % der Auftragssumme absichern zu lassen und dafür einen Selbstbehalt in Höhe von 5.000 E bis 10.000 E in Kauf zu nehmen.36 Hierdurch werden auch die seltenen Fälle erfasst, in denen eine 25 %-ige Absicherung nicht ausreicht. Nach den Berechnungen der Autoren ist davon auszugehen, dass die Versicherungsprämie inklusive der Kosten einer baubegleitenden Begutachtung für 80 % der Bauunternehmer unter 2,7 % der Auftragssumme liegen wird.37 In dem obigen Beispiel belaufen sich die Kosten der Versicherung demnach, wenn man den relativ hohen Selbstbehalt außer Betracht lässt, auf 8.100 E. Die übrigen 20 % der Bauunternehmer werden jedoch aufgrund ihrer geringen Bonität mit weitaus höheren Beträgen belastet, die zu einem schwerwiegenden Wettbewerbsnachteil führen.38 Insoweit finde voraussichtlich eine Marktbereinigung statt.39 Andererseits sind diese Unternehmer für den Verbraucher besonders gefährlich.40 Bei der Einzelvergabe von Bauleistungen soll kein umfassender Sicherungsmechanismus etabliert werden.41 Zum einen ist der Absicherungsbedarf geringer, weil dem privaten Bauherrn ein beratender Architekt zur Seite steht.42 Zum anderen ist 29 30 31 32 33 34 35 36 37

306. 38 39 40 41 42

Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 292 f., 306. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 292, 306. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 299, 305. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 288. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 288. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 288. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 288 f., 305. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 277 f., 306. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 276, 290, 292, Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 276. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 276, 280, 292. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 276, 293, 306. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 296. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 294 f., 307.

282

6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Ausblick

jedes Gewerk mit unterschiedlichen Risiken behaftet.43 Pauschale Lösungen verbieten sich daher. Die Autoren ziehen jedoch eine Regelung in Anlehnung an § 650f BGB in Erwägung, die dem Verbraucher ein Sicherheitsvolumen von bis zu 25 % der Auftragssumme für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüche zur Verfügung stellt.44 Der private Bauherr, der die Kosten der Sicherheit zu tragen hat, könnte dann einzelfallabhängig entscheiden, ob und in welcher Höhe er von seinem Sicherheitsbegehren Gebrauch macht.45 Eine Bereichsausnahme soll allerdings für Verträge mit einer Auftragssumme von unter 10.000 E gelten.46 Darüber hinaus bieten sich vor allem bei der Einzelvergabe von Bauleistungen ganzheitliche Versicherungslösungen an, die der oben geschilderten Schnittstellenproblematik entgegentreten.47 Für den gewerblichen Bereich haben die Autoren der Studie, in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung, auf die Normierung gesetzlicher Sicherheiten verzichtet, da Unternehmer zur privatautonomen Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse in der Lage sind.48 Sie hoffen jedoch darauf, dass die Rechtsprechung ihre bisherigen Übersicherungsgrenzen anhebt, wenn der Gesetzgeber dem Verbraucher eine 25 %-ige Absicherung an die Hand gibt.49 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Versicherungslösungen neue Möglichkeiten fernab der tradierten Sicherungsmittel eröffnen. Allerdings würde ein signifikanter Anstieg der Sicherungshöhe zu einer deutlichen Verteuerung von Bauvorhaben und zu einer Marktbereinigung im Bausektor führen. Fraglich ist, ob dies gesamtwirtschaftlich gewollt ist. Die in der vorliegenden Arbeit unterbreiteten Änderungsvorschläge, die im vorangehenden Abschnitt zusammengefasst wurden, bewegen sich in den Bahnen des bisher bestehenden Systems und stellen das notwendige Mindestmaß dar, an dem sich der Gesetzgeber orientieren sollte. Ein entscheidender Gesichtspunkt ist, dass Verbraucher im Rahmen von Verbraucherbauverträgen nicht schlechter stehen dürfen als gewerbliche Besteller. Dass es zu umfassenden Reformen im Bereich der Sicherheiten kommt, wage ich aus heutiger Sicht zu bezweifeln. Hierfür wäre ein Zusammenwirken von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Versicherungswirtschaft erforderlich.

43 44 45 46 47 48 49

Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 295. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 296. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 296. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 307. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 297, 307. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 299, 308. Strecker/Paustian/Ebert/Voit/Meyerthole/Engels, Abschlussbericht, S. 281, 298 f.

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Sachwortverzeichnis Abnahme 29, 32 ff., 114 f., 164, 201 Abschlagszahlungen 37 ff., 103 f., 106, 202, 272 f. Akzessorietät 66, 70, 115 ff., 140, 187 f. Allgemeine Geschäftsbedingungen 172 ff. Arbeitnehmerentsendegesetz 148 ff. Avalkreditvertrag 60, 70, 132, 191 ff. Bauhandwerkersicherung 55 ff. Bereicherungseinrede 186 ff. Bürgschaft – auf erstes Anfordern 140 ff., 228 ff. – Bürgschaftsurkunde 71 – Gewährleistungsbürgschaft siehe Sicherungszweck – Höchstbetragsbürgschaft 59, 70, 103, 121, 160 – Kombi-Bürgschaft 216 ff., 220 ff., 224 ff. – Rechtsverhältnisse 59 ff., 145 f. – Vertragserfüllungsbürgschaft siehe Sicherungszweck Druckzuschlag

42 f., 106, 167

Einrede – der Anfechtbarkeit 124 ff., 256 ff. – der Aufrechenbarkeit 128 ff., 251 ff. – der Vorausklage 62, 65, 111, 127 f., 129, 251 f. – des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB 122 ff., 244 ff. Enthaftungserklärung 69 f., 73 Ergänzende Vertragsauslegung 139, 182, 227 ff., 236 f., 240 ff., 246, 249, 253 Fertigstellungsmehrkosten 115, 147 Garantie 132 ff. – auf erstes Anfordern Inhaltskontrolle

36, 107, 112,

137 ff.

30, 176 ff.

Klauselteilung 255

182, 235, 246, 247, 250 f.,

Lästigkeitsprämie

48 ff., 97

Missbrauchsanfälligkeit – der Bauhandwerkersicherung 99 f. – der Bürgschaft auf erstes Anfordern 143 f., 230 Nachträge

78 ff., 157 ff., 170

Ökonomische Analyse des Rechts 177 f.

171,

Reverse-Charge-Verfahren 199 ff., 209 Rückgabeklausel 63, 72 f., 221 f. Schornsteinhypothek 48 ff. Sicherheitseinbehalt 195 ff., 206 f., 262 Sicherungsabrede – Austauschrecht 60, 197, 199, 230, 259 f. – Sicherungsfall 60, 69 – Unwirksamkeit 171 ff. Sicherungsautomatismus 44, 94 f. Sicherungsbedürfnis 13. 35, 57 f., 95, 117 f. Sicherungshypothek des Bauunternehmers 43 ff., 96 f. Sicherungszweck 60 – Gewährleistungsbürgschaft 167 ff. – Vertragserfüllungsbürgschaft 146 ff. – § 650 m Abs. 2 BGB 112 ff. Subsidiaritätsprinzip 127 ff., 251 f., 254 f. Transparenzgebot

179 f., 207, 250, 254

Übersicherung 70, 75 ff., 94, 96, 200 ff., 260, 276, 280, 282 Überzahlung 39, 41, 106, 163, 195, 215 f. Umsatzsteuer 203 ff.

306

Sachwortverzeichnis

Verbot der Fremddisposition 121, 154 ff. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 181, 236 Verbraucherbauvertrag 24 ff., 56, 267 Vergabehandbuch 202, 216 f., 227, 260, 272 Versicherungslösungen 276 ff. Vorauszahlungen 40 Vorsteuerabzugsberechtigung 203, 208 ff., 214, 260, 272

Vorleistungspflicht 57, 103, 234 f.

13, 16, 29, 35, 37, 43,

Wesensmerkmale von Bauverträgen 17 f. – Kooperationscharakter 20, 28 f., 79 f., 100, 102, 264 – Langzeitcharakter 20, 29, 35, 160 – Rahmencharakter 20, 28, 160, 170