Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht [1 ed.] 9783428460533, 9783428060535

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Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht [1 ed.]
 9783428460533, 9783428060535

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 507

Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht

Von

Hartmut Bauer

Duncker & Humblot · Berlin

HARTMUT

BAUER

Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht

Schriften zum öffentlichen Band 507

Recht

Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht

Von Dr. Harimut Bauer

DCNCKER

St H D H B L O T

I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Bauer, Hartmut: Geschichtliche Grundlagen der subjektiven öffentlichen Recht Bauer. — Berlin: Duncker u n d (Schriften zum öffentlichen I S B N 3-428-06053-9

Lehre v o m / von H a r t m u t Humblot, 1986. Recht; Bd. 507)

NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Gedruckt 1986 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06053-9

Vorwort Das einst von Ottmar Bühler als „Eckstein im Bau der rechtsstaatlichen Grundbegriffe und des Rechtssystems" gepriesene subjektive öffentliche Recht befindet sich heute in einem äußerst kritischen Entwicklungsstadium: Während es von den einen „nach wie vor zu den wesentlichen Strukturbegriffen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts" (Georg Ress) gezählt wird, erscheint es anderen „schlicht überflüssig" (Norbert Achterberg). Die Gründe für die bereits mehrfach konstatierte „Krise des subjektiven öffentlichen Rechts" sind nicht zuletzt in der Geschichte zu suchen, geht das noch vorherrschende Schulverständnis dieser Rechtsfigur doch in wesentlichen Punkten auf das öffentliche Recht des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zurück. Durch verschiedene Modifikationen wurde zwar versucht, die traditionelle Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht an zwischenzeitliche Veränderungen des Rechtsgefüges und des Rechtsdenkens anzupassen. Dabei konnten jedoch konzeptionelle Brüche und strukturelle Spannungen nicht ausbleiben, die in vielen Regelungsbereichen zu einer — teilweise sogar verwirrenden — Unübersichtlichkeit des Rechtszustandes geführt haben. Nicht ohne Grund wird deshalb in jüngerer Zeit zunehmend eine grundsätzliche Neubesinnung befürwortet. Die dabei anzutreffenden Neuorientierungsvorschläge belegen zugleich das gegenwärtig mehr denn je bestehende Bedürfnis nach einer Grundsatzdiskussion, die über die — ohnehin teils nur kurzlebigen — Fragestellungen und Problemlösungen der „Tagesjurisprudenz" hinausgreift und vorrangig die bislang viel zu sehr vernachlässigten Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht in den Blick nimmt. Hierzu will die vorliegende Studie aus verfassungs- und verwaltungsgeschichtlicher Perspektive einen Beitrag leisten. Die Untersuchung wurde im Sommersemester 1985 abgeschlossen und im Wintersemester 1985/86 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Betreut wurde sie von Herrn Prof. Dr. Dieter Suhr, dem ich für seine ständige Gesprächsbereitschaft, mannigfache Anregungen, hilfreiche Hinweise und wohlwollende Kritik danke. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Reiner Schmidt, der das Entstehen der Arbeit kritisch begleitet und mich als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl auf vielfaltige Weise gefördert hat. Ferner bedanke ich mich bei Freunden und Kollegen für den fruchtbaren Gedankenaustausch in Sachen „subjektives öffentliches Recht". Hartmut Bauer

Inhaltsverzeichnis Einführung

11

I. Das aktuelle Kernproblem der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht . . .

11

II. Die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht als Gegenstand verfassungs- und verwaltungsgeschichtlicher Reflexion

15

Erster Abschnitt Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts im deutschen Mittelalter und im Zeitalter des Absolutismus I. Zum historischen Ursprung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht... II. „Subjektive Rechte" im mittelalterlichen Rechts- und Ordnungsgefüge

22 22 26

1. Das subjektive Recht als integrierter Bestandteil von personalen „Rechte- und Pflichtenverhältnissen"

27

2. Erscheinungsformen

30

III. „Subjektive Rechte" im absolutistischen Rechts- und Ordnungsgefüge

32

1. Das subjektive Recht im Spannungsfeld von Recht und Gegenrecht

33

2. Erscheinungsformen

37 Zweiter Abschnitt

Der Kampf um das subjektive öffentliche Recht im 19. Jahrhundert I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht

43 45

1. Die dualistische Verfassungsstruktur der konstitutionellen Monarchie a) Das monarchische Prinzip b) Die Freiheitsverbürgungen

45 45 47

2. Der „Staat des 19. Jahrhunderts"

48

3. Der staatsrechtliche Positivismus und die „juristische Methode" im Verwaltungsrecht

51

II. Die Grundrechtsentwicklung 1. Der Frühkonstitutionalismus a) „Rechte" und „Pflichten" b) Die rechtliche Tragweite der Grundrechte

54 55 56 59

8

Inhaltsverzeichnis 2. Der Spätkonstitutionalismus

62

3. Der Streit über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte

65

III. Der „Begriff' des subjektiven öffentlichen Rechts

69

1. Die tendenzielle Abdrängung des „gerichtsgeschützten" subjektiven Rechts in das Privatrecht und die „Rückholung" des subjektiven Rechts in das öffentliche Recht a) Die Rechtswegspaltung b) Die Orientierung am subjektiven Privatrecht bei der Grundlegung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht

73

2. Die „Begriffsmerkmale" des subjektiven öffentlichen Rechts a) Das Merkmal des „zwingenden Rechtssatzes" b) Das Merkmal der „Rechtsmacht" c) Das Merkmal der „Schutznorm"

76 77 78 80

70 70

Dritter Abschnitt Die Konsolidierung des subjektiven öffentlichen Rechts in der Weimarer Zeit I. Verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Ansätze zu einer Neuorientierung II. Die Juristische" Bedeutung der Grundrechte und Grundpflichten III. Die Kontinuität der (einfachen) subjektiven öffentlichen Rechte

Vierter

84 86 90 94

Abschnitt

Der Kampf wider das subjektive öffentliche Recht im Nationalsozialismus I. Die nationalsozialistische „Rechtserneuerung" II. Die „volksgenössische Rechtsstellung"

103 108

III. Das Schicksal des subjektiven öffentlichen Rechts 1. Die Grundrechte 2. Die verwaltungsrechtlichen subjektiven öffentlichen Rechte

Fünfter

102

112 113 114

Abschnitt

Das subjektive öffentliche Recht im Wandel I. Der Wandel des subjektiven Rechts in der historischen Dimension

117 119

1. Die Komplexität des subjektiven Rechts

119

2. Entwicklungsstationen des subjektiven (öffentlichen) Rechts

123

II. Die Krise des subjektiven öffentlichen Rechts im Recht der Gegenwart

128

Inhaltsverzeichnis 1. Zur Entwicklung der „herrschenden" Lehre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes a) Der Dualismus von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht b) Das subjektive öffentliche Recht des Untertanen zwischen ungebrochener Kontinuität und strukturtiefer Veränderung aa) Die Rezeption der „klassischen" Konzeption bb) Modifikationen und Akzentverschiebungen aaa) Zum „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts bbb) Zur sog. „Schutznormtheorie" ccc) Die tendenzielle Problemverlagerung auf die sog. „Drittrechte" ddd) Zu den Anwendungsunsicherheiten der „herrschenden" Konzeption

148

2. Zur Meinungsvielfalt im Schrifttum

154

129 130 133 133 135 136 140 143

III. Bausteine für eine Neuorientierung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht 161 1. Die Notwendigkeit eines konzeptionellen Neuansatzes

161

2. Vom allgemeinen Gewaltverhältnis zum allgemeinen Rechtsverhältnis

167

3. Die Bedeutung des Rechtsverhältnisses für den „Begriff" und die „Konzeption" des subjektiven öffentlichen Rechts a) Zum „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts b) Zur „Konzeption" des subjektiven öffentlichen Rechts

170 172 174

4. Zur Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte, dargestellt insbesondere am Beispiel des materiellen öffentlichen Baunachbarrechts 176

Schluß

186

Literaturverzeichnis

187

Einführung I. Das aktuelle Kernproblem der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht Rechtswissenschaftliche Studien, die sich mit „althergebrachten öffentlichrechtlichen Institutionen" beschäftigen, werden häufig mit einem Hinweis auf das 1924 von 0. Mayer geprägte Wort „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht" 1 eingeleitet. Beinahe ebenso häufig wird dieser schon damals provozierenden 2 These das moderne (Verfassungs-)Rechtsverständnis entgegengehalten, das sich — schlagwortartig verkürzt — mit F. Werners Gegenthese „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht" 3 überschreiben läßt 4 . Die Konfrontation der beiden offensichtlich gegensätzlichen5 Auffassungen mag abgetragen wirken 6 , hat aber einen guten Grund. Bis weit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes herrschte nämlich in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis eine Haltung vor, welche die Beharrungskraft des Verwaltungsrechts gegenüber dem geänderten Verfassungsrecht deutlich überbetonte 7 . Heute ist die „Verfassungsabhängigkeit des Verwaltungsrechts" dagegen nahezu durchweg anerkannt 8 . Sie macht es erforderlich, sowohl bei grundsätzlichen Überlegungen zur öffentlichrechtlichen Dogmatik als auch bei der Lösung konkreter Einzelfragen des öffentlichen Rechts das Verwaltungsrecht und das Verfassungsrecht in den Blick zu nehmen. Dadurch nimmt das Verwaltungsrecht teil an Änderungen der Verfassung und an der —in beschränktem Umfang möglichen 9 — Anpassung des Verfassungsrechts an eine gewandelte Verfassungswirklichkeit. 1

Verwaltungsrecht, Bd. I, Vorwort zur 3. Aufl., 1924. Vgl. nur F. Fleiner, Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. V: „Die Neugestaltung des Verfassungsrechts hat in Deutschland einen starken Einfluß auch auf das Verwaltungsrecht ausgeübt. Alte Rechtsinstitute haben einen veränderten Sinn bekommen ...". 3 DVB1. 1959, S. 527 ff. 4 Vgl. zur Problematik allgemein z.B. O. Bachof W D S t R L 30 (1972), S. 193 ff. (S. 195 ff., 204 ff.) und P. Häberle , BayVBl. 1977, S. 745 ff. 5 Strittig — anderer Ansicht etwa N. Achterberg , JA 1980, S. 210 ff. (S. 210); wie hier z.B. /. v.Münch , in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, S. 1 ff. (S. 33). 6 F. Ossenbühl, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, S. 59 ff. (S. 71) spricht von dem „üblichen Ritual", bei der Thematisierung des Verhältnisses von Verfassung und Verwaltung die beiden Zitate anzuführen. 7 Vgl. F. Ossenbühl (FN 6), S. 71. 8 Siehe dazu aus jüngerer Zeit z.B. R. Wahl , NVwZ 1984, S. 401 ff. 2

Einführung

12

Für das subjektive Recht sind diese Zusammenhänge schon allein deshalb von besonderer Brisanz, weil es Bestandteil des Verfassungsrechts und des Verwaltungsrechts ist. Das subjektive Recht drängt sich demnach förmlich dazu auf, die „Nagelprobe" auf die beiden gegensätzlichen Thesen von O. Mayer und F. Werner zu machen. Insoweit sticht bei oberflächlicher Betrachtung eine auffallige Diskrepanz der Rechtsentwicklung ins Auge: Während sich die aktuelle Diskussion über die subjektiven Rechte des Verfassungsrechts und insbesondere über die Grundrechte weit von den „klassischen" Positionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts entfernt hat, ist für die subjektiven Rechte des Verwaltungsrechts bis heute in wesentlichen Punkten diejenige Prägung maßgebend geblieben, die sie um die letzte Jahrhundertwende erhalten haben — den „Grundrechten im Wandel" 1 0 steht das (einfache) subjektive öffentliche Recht scheinbar als ein weitgehend unverändertes Rechtsinstitut des Verwaltungsrechts 11 gegenüber. Gleichwohl wäre es nur teilweise zutreffend, wenn man hierin eine Bestätigung für die Resistenz verwaltungsrechtlicher Grundkategorien gegenüber Veränderungen des Verfassungsrechts sehen wollte. Denn abgesehen von gewissen zwischenzeitlichen Modifikationen 12 wurde seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ein Prozeß in Gang gesetzt, in dessen Verlauf sich das verwaltungsrechtliche subjektive Recht immer neue Anwendungsfelder erschlossen hat. Ungeachtet des prinzipiellen Festhaltens an der „klassischen" Konzeption versuchte das Verwaltungsrecht, durch diese „Expansion des subjektiven 9 Siehe zum Problem des „Verfassungswandels" allgemein etwa P. Lerche, Stiller Verfassungswandel, in: Festgabe T. Maunz, 1971, S. 285 ff.; K. Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, in: Festschrift U. Scheuner, 1973, S. 123 ff.; P. Häberle, ZfP 21 (1974), S. 111 ff.; W-R. Schenke, AöR 103 (1978), S. 566 ff.; B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982 und — zuletzt — W. Fiedler, JZ 1985, S. 18 ff. 10 So eines der Stichworte, unter denen heute verbreitet der aktuelle Stand der Grundrechtsentwicklung behandelt wird; vgl. etwa E. Friesenhahn, Wandel des Grundrechtsverständnisses, in: 50. DJT, Bd. II, 1974, S. G 1 ff.; H.H. Rupp, AöR 101 (1976), S. 161 ff. (S. 161: „Vom Wandel der Grundrechte") und P. Saladin, Grundrechte im Wandel, 3. Aufl., 1982. 11 Als Beleg für die „ungebrochene Kontinuität" des (einfachen) subjektiven öffentlichen Rechts mag an dieser Stelle ein Hinweis auf die Arbeiten von O. Bühler (Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914; Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, 1927, S. 26 ff.; Altes und Neues, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 269 ff.) genügen. Sie werden — ungeachtet aller zwischenzeitlichen Modifikationen — auch heute noch verbreitet als grundlegend angesehen; vgl. dazu statt vieler H.J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 327. Die Erscheinungsdaten von Bühlers Stellungnahmen zum subjektiven öffentlichen Recht zeigen, daß es sich bei diesen Arbeiten um „Brückenschläge" vom Verwaltungsrecht des ausgehenden Kaiserreiches (1914) zum Verwaltungsrecht der Weimarer Republik (1927) und von dort zum Verwaltungsrecht der Bundesrepublik Deutschland (1955) handelt. 12

Auf die Notwendigkeit derartiger Modifikationen machte vor allem O. Bachof \ Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. frühzeitig unter Hinweis auf das gewandelte Verfassungsrecht aufmerksam.

I. Das Kernproblem der Lehre vom subjektiven Recht

13

öffentlichen Rechts" 13 mit der „stürmischen" Entwicklung des Verfassungsrechts Schritt zu halten. Wegweisende Bedeutung kam dabei nicht selten verfassungsrechtlichen „Richtlinien und Impulsen" für die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts 14 zu. Die stetige „Zunahme" (einfacher) subjektiver öffentlicher Rechte dokumentiert, daß nicht nur die subjektiven Rechte des Verfassungsrechts, sondern auch die subjektiven Rechte des Verwaltungsrechts in einem „Wandel" begriffen sind. Beide zeigen sich zwar — wenn auch mit unterschiedlicher Intensität — den traditionellen Positionen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts verbunden; gleichzeitig haben sich aber beide Arten von subjektiven Rechten — wenn auch auf unterschiedlichen Wegen — von eben diesen Positionen deutlich abgesetzt. Marksteine dieser Rechtsentwicklung sind auf verfassungsrechtlicher Ebene vor allem die Ausbildung ständig neuer „Grundrechtsverständnisse" 15, denen verbreitet ausschlaggebende Bedeutung für die Auslegung der Grundrechte beigemessen wird 1 6 , und die verstärkte Zulassung von sog. „grundrechtsunmittelbaren Drittklagen" 1 7 . Verwaltungsrechtliche Pendants hierzu sind die Anerkennung neuer (einfacher) subjektiver Rechte, von denen das Recht auf Fürsorge 18 und das Recht auf polizei- bzw. ordnungsbehördliches Einschreiten 19 besonders herausragen, sowie die Generierung neuer Rechtsfiguren wie beispielsweise des „Gebotes der Rücksichtnahme" 20 , mit denen früher herrschende Positionen relativiert und „aufgeweicht" wurden. A m vorläufigen Endpunkt der Entwicklung stehen eine Fülle von subjektiven Rechten, deren Anerkennung für die Väter der „klassischen" Lehre kaum vorstellbar gewesen sein dürfte. 13 Vgl. J. Isensee, Zugang zum öffentlichen Dienst, in: Festgabe BVerwG, 1978, S. 337 ff. (S. 337). 14 Siehe dazu allgemein BVerfGE 7, 198 (205). 15 Siehe dazu z.B. E.-W. Böckenförde, NJW 1974, S. 1529 ff.; F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 ff. und K. Hesse, HdbVR, 1983, S. 79 ff. 16 Vgl. H. v.Mangoldt, F. Klein, C. Stark, Grundgesetz, Bd. 1,3. Aufl., 1985, Rdnr. 106 zu Art. 1. Kritisch z.B. J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 5 ff. und D. Suhr, EuGRZ 1984, S. 529 ff., (S. 530 ff.). 17 Z.B. BVerwGE 30, 191 (auf Art. 2 Abs. 1 G G gestützte Konkurrentenklage im Subventionsrecht); 32, 173 (auf Art. 14 G G gestützte baurechtliche Nachbarklage); 42, 141 (auf Art. 6 Abs. 1 G G gestützte Ehegattenklage im Ausländerrecht); 54, 211 (prinzipielle Anerkennung der Möglichkeit, eine Drittklage im Umweltrecht auf Art. 2 Abs. 2 GG zu stützen); 66, 307 (zur im wesentlichen aus Art. 14 GG hergeleiteten Klagebefugnis eines Fischers gegen die Genehmigungserteilung zur Dünnsäureverklappung in der Nordsee). 18

BVerwGE 1, 159. Grundlegend: BVerwGE 11, 95. 20 Vgl. dazu aus jüngerer Zeit z.B. R. Breuer, DVB1.1982, S. 1065 ff.; K. Redeker, DVB1. 1984, S. 870 ff.; O. Schlichter, DVB1.1984, S. 875 ff.; R. Alexy, DÖV1984, S. 953 ff. und F.J. Peine, DVB1. 1984, S. 963 ff. 19

Einführung

14

Musterbeispiele hierfür finden sich namentlich im Bereich der sog. Drittrechte, die heute u.a. im Baurecht 21 , im Subventionsrecht 22, im Umweltrecht 23 , im Gewerberecht 24, im Ausländerrecht 25 , im Berufszulassungsrecht 26, im Kartellrecht 27 , im Abfallbeseitigungsrecht 28, im Recht der Wirtschaftsaufsicht 29 , im Steuerrecht 30, im Polizeirecht 31 und im Beamtenrecht 32 bejaht werden oder zumindest diskussionsfahig geworden sind. Zusammengenommen ist die hier nur holzschnittartig skizzierte Rechtsentwicklung nicht zuletzt auch Ausdruck des Bemühens, das subjektive öffentliche Recht an die zunehmende Komplexität des menschlichen Seins in der Rechtswirklichkeit, an Veränderungen der rechtlich gestalteten Lebensverhältnisse und an die Übernahme immer neuer gesellschaftlicher Lebensbereiche in staatliche Gesamtverantwortung anzupassen. Ihrer Grundtendenz nach zielt sie auf eine Stärkung der Rechtsstellung des Einzelnen durch den Ausbau subjektiver Rechte 33 . I n dem mittlerweile jahrzehntelang anhaltenden, „zwischen Bewahrung und Wandlung hin- und herflutenden" Entwicklungsprozeß konnten konzeptionelle Brüche und strukturtiefe Modifikationen der „klassischen" Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht nicht ausbleiben. Die mit ihnen verbundenen Fragwürdigkeiten, Unklarheiten, Unstimmigkeiten und Anwendungsunsicherheiten haben das subjektive Recht in eine „Krise" 3 4 geführt. Inzwischen ist die Rechtslage in vielen Bereichen so unübersichtlich geworden, daß nicht selten eine grundlegende Neuorientierung befürwortet wird 3 5 . A n entsprechenden Neubesinnungsvorschlägen hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Sie 21

Z.B. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. m. weit. Nachw. Z.B. H.-J. Friehe, JuS 1981, S. 867 ff.; K.H. Friauf, Recht der Subventionen, in: 55. DJT, Bd. II, 1984, S. M 8 ff. (23 ff.) m. weit. Nachw. 23 Z.B. U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982 m. weit. Nachw. 24 Z.B. H. Heinrich, WiVerw 1985, S. 1 ff. m. weit. Nachw. 25 Z.B. J. Schwarze, DÖV 1972, S. 273 ff. (Ehegattenklage im Ausländerrecht). 26 Z.B. Scherer, Jura 1985, S. 11 ff. m. weit. Nachw. 27 Zuletzt F. Rittner, K.-D. Stephan, GewArch 1985, S. 177 ff. (S. 185 f.) m. weit. Nachw. 28 Z.B. P. Kunig, JZ 1981, S. 295 ff. (Abfallbeseitigung auf Hoher See). 29 Z.B. R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht, 1971. 30 Z.B. B. Knobbe-Keuk, BB 1982, S. 385 ff; BFH, NVwZ 1985, S. 375 f. 31 Z.B. H.-U. Erichsen, W D S t R L 35 (1977), S. 171 ff; W. Martens, DÖV 1982, S. 89 ff. m. weit. Nachw. 32 Z.B. A. Schmitt-Kammler, DÖV 1980, S. 285 ff; H. Lecheler, DÖV 1983, S. 953 ff; zuletzt N. Müller, JuS 1985, S. 275 ff. m. weit. Nachw. 33 Vgl. etwa H.P. Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 128 f. 34 In diesem Sinne z.B. M. Zuleeg, DVB1. 1976, S. 509 ff. 35 So z.B. H.P. Bull (FN 33), S. 354 für die sog. „baurechtlichen Nachbarklagen". 22

II. Das subjektive Recht als Gegenstand geschichtlicher Reflexion

15

belegen, daß das subjektive öffentliche Recht heute bis in die Grundlagen hinein problematisch geworden ist: Während es von den einen „nach wie vor zu den wesentlichen Strukturbegriffen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts" gezählt wird 3 6 , ist es nach Auffassung anderer „schlicht überflüssig" 37 . Hinter diesen beiden Äußerungen verbirgt sich das aktuelle Kernproblem der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht: A u f der einen Seite hält man im Grundsätzlichen mit Nachdruck an der herkömmlichen Konzeption fest — auf der anderen Seite ist die Rechtsentwicklung mittlerweile in vielen Teilbereichen so weit vorangeschritten, daß sie sich mit den traditionellen Vorstellungen nicht mehr überzeugend erfassen läßt, weshalb man sich verstärkt um Neuansätze bemüht. Das eigentliche Kernproblem des subjektiven öffentlichen Rechts betrifft heute die Frage, ob die „klassische" Konzeption dieser Rechtsfigur noch fortgeschrieben werden kann und darf oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist eine Untersuchung der verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichen Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht gerade auch für die Gegenwart von zentralem Interesse. Denn mit einer solchen Untersuchung können die historischen Entstehensbedingungen dieser Lehre offengelegt, die zwischenzeitlichen Modifikationen nachgezeichnet und damit die Voraussetzungen für eine Auseinandersetzung mit der Frage nach Bestand und Bedeutung des subjektiven öffentlichen Rechts im Recht der Gegenwart geschaffen werden, die sich des geschichtlichen Werdens dieser Rechtsfigur bewußt ist. Dementsprechend wird die rechtshistorische Forschung hier nicht um ihrer selbst willen betrieben, sondern von dem gegenwartsbezogenen Anliegen getragen, Erkenntnisse aus der geschichtlichen Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts für das heutige Recht fruchtbar zu machen.

II. Die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht als Gegenstand verfassungs- und verwaltungsgeschichtlicher Reflexion Die Beschäftigung mit der rechtshistorischen Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts setzt an sich eine exakte Darstellung der heutigen Lehre voraus. Dies ist allerdings aus mehreren Gründen vom Gegenstand her nur bedingt möglich: I m öffentlichen Recht ist das subjektive Recht auf zwei unterschiedlichen Rechtsebenen anzutreffen, nämlich in der Form der (einfachen) subjektiven öffentlichen Rechte auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts und in Gestalt der Grundrechte 1 auf dem Gebiet des Verfassungsrechts. Obwohl die Grundrechte 36 So G. Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 ff. (S. 105). 37 So N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 313.

16

Einführung

vielfach als „öffentliche Individualrechte par excellence"2 bezeichnet werden, wendet man sich bei deren Behandlung allerdings in der Regel anderen Themen zu, als bei der Auseinandersetzung mit dem „subjektiven öffentlichen Recht". Die aktuelle Grundrechtsdiskussion beschäftigt sich in erster Linie mit Fragen der „Grundrechtstheorie", der „allgemeinen Grundrechtslehre" bzw. des „Grundrechtsverständnisses" und wird zumeist jenseits der spezifischen Problemfelder des „subjektiven öffentlichen Rechts" geführt. Das „subjektive öffentliche Recht" wird dagegen ganz überwiegend als verwaltungsrechtliches Institut angesehen 3,4 ; dementsprechend werden die mit ihm aufgeworfenen Probleme primär im Verwaltungsrecht verortet und vorrangig auf der Ebene des einfachen Rechts gelöst. Die in Wissenschaft und Praxis übliche Behandlung des subjektiven öffentlichen Rechts beschränkt die Problematik dieses Rechtsinstituts außerdem auch noch in einer anderen Hinsicht. Wenn heute von subjektiven öffentlichen Rechten die Rede ist, dann werden damit regelmäßig die subjektiven Rechte des Bürgers gegen den Staat angesprochen. Der Begriff „subjektives öffentliches Recht" ist also grundsätzlich „den Berechtigungen der Zivilpersonen vorbehalten" 5 . Nicht oder nur am Rande mit dem subjektiven öffentlichen Recht in Verbindung gebracht werden deshalb die Rechtsverhältnisse des sog. staatlichen Innenbereichs 6, die „subjektiven Rechte" der juristischen Personen des öffentlichen Rechts untereinander und die „subjektiven Rechten" des Staates gegenüber dem Bürger 7 . 1 Die verfassungsrechtlichen subjektiven Rechte des Bürgers sind nicht auf die Grundrechte der Art. 2 ff. G G beschränkt; hinzu kommen insbesondere das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 GG), das Wahlrecht (Art. 38 GG) und die sog. judiziellen Grundrechte. 2 Vgl. H.H. Rupp, Grundfragen, 1965, S. 108. 3 Schon vor Jahren hat M. Zuleeg, DVB1.1976, S. 509 ff. (S. 509) daraufhingewiesen, daß die „Lehrbücher des Verwaltungsrechts ... die subjektiven öffentlichen Rechte als Bestandteile dieses Rechtsgebiets" verstehen. Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert; siehe z.B. H.-U. Erichsen, W. Martens, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, S. 129 ff. (S. 148 ff.); F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 51 ff. und die Darstellung der herrschenden Lehre bei H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1985, S. 114 ff., der selbst allerdings die „verfassungsrechtlichen Aspekte" stärker berücksichtigt wissen will (S. 120 ff.). A n dieser Sicht wird trotz des Hinweises auf die Grundrechte (vgl. z.B. F. Mayer, F. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1985, S. 164 ff.) prinzipiell festgehalten. 4 Diesen Weg beschreiten teilweise auch die von der herrschenden Lehre abweichenden Vorschläge zu einer Neukonzeption; so z.B. ursprünglich W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968. 5 So der Sache nach stellvertretend für viele H.J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 299. 6 Vgl. dazu z.B. H.H. Rupp ( F N 2), S. 19 ff. 7 Die Frage, ob derartige Rechtspositionen dem „subjektiven öffentlichen Recht" zuzuordnen sind, wird überwiegend verneint; vgl. zum Problem z.B. W.-R. Schenke,

II. Das subjektive Recht als Gegenstand geschichtlicher Reflexion

17

Und selbst über die nach dieser Problemabschichtung verbleibenden subjektiven öffentlichen Rechte besteht in der Literatur keine Einigkeit: So war etwa für W. Henke die Frage nach dem subjektiven öffentlichen Recht ursprünglich „die Frage, wie man gegenüber dem Staat recht haben und zu seinem Recht kommen kann" 8 . E. Forsthoff deutet das subjektive öffentliche Recht als „die Schutzfunktion einer dem Einzelnen durch Norm oder Rechtsgeschäft gewährten Rechtsposition ..., das Vermögen, vom Staate oder einem sonstigen Träger öffentlicher Gewalt ein dieser Rechtsposition entsprechendes, konkretes Tun oder Unterlassen verlangen zu können" 9 . Andere Autoren wiederum verstehen das subjektive öffentliche Recht als eine „dem öffentlichen Recht angehörige Willensmacht, die dem Willensträger in seinem eigenen Interesse verliehen ist" 1 0 , als die „Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen" 11 , oder als „diejenige Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutze seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun d a r f ' 1 2 . Die Uneinigkeit über den „Begriff" 1 3 des subjektiven öffentlichen Rechts kann hier zunächst auf sich beruhen. A n dieser Stelle genügt es festzuhalten, daß sich jedenfalls aus anwendungsorientierter Perspektive in Literatur und Rechtsprechung ein gewisser Grundkonsens herausgebildet hat, wonach das subjektiRechtsschutz, 1979, S. 233 ff.; W. Henke,, DÖV1980, S. 621 ff. (S. 622 ff.) und eingehender unten Fünfter Abschnitt, III. 3. 8 AaO (FN 4), S. 1; anders aber jetzt ders., DÖV 1980, S. 621 ff. 9 Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 186. 10 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 201; vgl. auch F. Mayer, F. Kopp (FN 3), S. 165: „Subjektives Recht ist die dem einzelnen Rechtsträger (Rechtssubjekt) von der Rechtsordnung ... zur Wahrung und Durchsetzung seiner Interessen zuerkannte Rechtsmacht, von einem anderen Rechtsträger (Rechtssubjekt) ... ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen". 11 So die klassische Deutung von G. Jellinek, System, 2. Aufl., 1905, S. 51; vgl. auch ebenda, S. 79, 127. Ähnlich E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz, G. Dürig, Grundgesetz, Stand: 1985, Rdnr. 118 zu Art. 19 Abs. 4 GG: „personalisierte und individualisierte Rechtsmacht, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interessen in Bewegung setzen zu können". 12 So die die Rechtsentwicklung nachhaltig beeinflussende Definition von O. Bühler, Altes und Neues, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 269 ff. (S. 274), die nur unwesentlich von der von Bühler bereits 1927 (Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, S. 26 ff. (S. 36)) und 1914 (Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 21, 224) entwickelten Definition abweicht. 13

Der „Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts" ist einer der traditionellen, heute aber zunehmend in den Hintergrund getretenen Schwerpunkte des Streites über dieses Rechtsinstitut; vgl. hierzu z.B. E. Forsthoff (FN 9), S. 186 f. F N 1 und 2; O. Bachof Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. (S. 291 ff.); F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, insbes. S. 1 f., 126 ff. und K Schmidt, Kartellverfahrensrecht, 1977, S. 418; jeweils m. weit. Nachw. 2

Bauer

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Einführung

ve öffentliche Recht eine auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhende und gegen den Staat gerichtete Rechtsposition des Bürgers darstellt, die inhaltlich auf ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet ist. Aus rechtshistorischer Sicht läßt die Beschäftigung mit dem so konturierten subjektiven öffentlichen Recht unterschiedliche Gesamtausrichtungen zu 1 4 . Entsprechend dem dualistischen Charakter der Rechtsgeschichte als einem Teilgebiet sowohl der Rechtswissenschaft wie auch der Geschichtswissenschaft 15 kann für die Durchdringung des historischen Stoffes ein mehr rechtswissenschaftlicher, juristisch-dogmengeschichtlicher oder ein mehr geschichtswissenschaftlicher Ansatz gewählt werden: So kann sich die rechtsgeschichtliche Untersuchung einerseits auf die Frage konzentrieren, seit wann und mit welchen strukturellen sowie inhaltlichen Ausgestaltungen das subjektive öffentliche Recht als juristisch bzw. rechtstechnisch ausgeprägtes Institut nachweisbar ist und welcher weiteren Entwicklung es bis in die Gegenwart hinein unterworfen war. Die Untersuchung kann sich andererseits aber auch an der Frage orientieren, seit wann und mit welcher strukturellen sowie inhaltlichen Ausformung dem Einzelnen eine Rechtsstellung zuerkannt war, aufgrund deren er — in einem juristisch untechnischen Sinn — subjektive Rechte „gegenüber dem Gemeinwesen" innehatte. Dieser Ansatzpunkt mündet in die allgemeinere Frage, welche Institutionen eine konkrete historische Ordnung bereitstellte, um das uralte Spannungsverhältnis zwischen Einzelnem und Gemeinwesen, zwischen Individuum und Gemeinschaft zu lösen. Er gestattet es, auch solche Epochen der Rechtsentwicklung zu berücksichtigen, denen das subjektive öffentliche Recht als Rechtsbegriff noch unbekannt war. Ein juristisches Problem im engeren Sinn hat nur die erste Fragestellung zum Gegenstand, weil sie sich streng auf die dogmengeschichtliche Ausleuchtung einer Rechtsfigur beschränkt. Ihren Schwerpunkt bildet das Rechtsinstitut „subjektives öffentliches Recht" und dessen konkrete Geltung, Bedeutung und Anwendung im positiven Recht. Da die Ausbildung des subjektiven Rechts moderner Lesart zumeist auf die Zeit des liberalen Rechtsstaates zurückgeführt wird 1 6 , müßte unter diesem Gesichtspunkt nur die Rechtsentwicklung etwa seit Beginn des 19. Jahrhunderts untersucht werden. 14 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch die Bemerkungen von H. Coing, Zur Geschichte des Begriffs „subjektives Recht", in: Das subjektive Recht, 1959, S. 7 ff. (S. 8 f.) zur ähnlich gelagerten Problematik bei der rechtsgeschichtlichen Untersuchung des subjektiven Privatrechts. 15 H. Mitteis, H. Lieberich, Rechtsgeschichte, 17. Aufl., 1985, S. 1. 16 Vgl. G. Kohlmann, Das subjektiv-öffentliche Recht, 1964, S. 12 ff; W. Henke (FN 4), S. 1 ff. (insbes. S. 26 ff.); M. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht, 1976, S. 88 ff. Vgl. ferner O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 1; F. Fleiner, Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. 174 und E. Forsthoff (FN 9), S. 185 F N 2.

II. Das subjektive Recht als Gegenstand geschichtlicher Reflexion

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Demgegenüber weist die zweite Fragestellung über diesen Zeitraum hinaus, weil sie neben dem „rein juristischen" Problem auch Aspekte der Ideen-, Sozialund allgemeinen Geistesgeschichte thematisiert. Sie läßt es zu, auch die Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts mit in die Untersuchung einzubeziehen. Die Mitberücksichtigung insbesondere der ideellen, sozialen und tatsächlichen Bedingungen, unter denen das subjektive öffentliche Recht bzw. dessen Vorläufer ausgebildet und wirksam wurden, bietet außerdem die Möglichkeit, vertiefte Einsichten über das Rechtsinstitut selbst zu gewinnen. Wegen der unterschiedlichen möglichen Problemausrichtungen kommt der Wahl des „richtigen" Forschungsansatzes weichenstellende Bedeutung zu. M i t ihr werden letztlich jene Grundfragen rechtshistorischen Arbeitens berührt, die sich auf den Gegenstand, die Begriffe und die Methoden der Geschichtsschreibung sowie auf das Verhältnis der einzelnen (geschichts-)wissenschaftlichen Disziplinen untereinander 17 beziehen. Zu den damit angesprochenen Problemen ist hier nicht eingehend Stellung zu nehmen, zumal deren erschöpfende Behandlung eigenständige Untersuchungen von monographischer Länge erforderlich machen dürfte 18 und die einzelnen Lösungsvorschläge immer auch den ideologischen, historischen und wissenschaftlichen Standort des jeweiligen Autors widerspiegeln 19. Jedenfalls aus verfassungs- und verwaltungsgeschichtlicher Perspektive darf sich die Reflexion über die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht nicht nur ausschließlich mit der Entwicklung des subjektiven Rechts im positiven öffentlichen Recht beschäftigen und damit vorschnell das ideelle, politische und soziale Umfeld dieser Rechtsfigur ausblenden. Will sie ihren Gegenstand nicht durch einseitige Betrachtungen verfehlen, dann muß sie statt dessen die grundsätzliche Ganzheit vergangener Epochen im Auge behalten 20 und die zahlreichen Wechselwirkungen berücksichtigen, in die das 17 Siehe hierzu aus jüngerer Zeit z.B. die in Der Staat, Beiheft 6 (1983) abgedruckten, von R. Koselleck (S. 7 ff.), K Kroeschell (S. 47 ff.) und R. Sprandel (S. 105 ff.) anläßlich der Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte von 1981 gehaltenen Vorträge; ferner H. Boldt, Einführung in die Verfassungsgeschichte, 1984 und ders., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 1984, S. 10 ff. m. weit. Nachw. 18

Schon 1957 machte E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1,2. Aufl., 1967, S. V I I darauf aufmerksam, daß allein die Darstellung seines Verständnisses von Begriff, Methode und Sinnzusammenhang der Verfassungsgeschichte zu einem „umständlichen Essay", wenn nicht sogar zu einem „Buch im Buche" geführt hätte. Seither hat die Meinungsvielfalt in diesem Problembereich noch erheblich zugenommen; vgl. dazu nur die in F N 17 ausgewiesene Literatur. 19

Besonders charakteristisch hierfür sind die von E.-W. Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung, 1961, dargestellten „zeitgebundenen Fragestellungen und Leitbilder" der Verfassungsgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Im Grunde genommen schreibt ohnehin jede Epoche der Geschichte ihre eigene Rechtsgeschichte; vgl. dazu z.B. H. Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, 2. Aufl., 1980, S. 1. Zu jedenfalls teilweise politisch motivierten Positionen in der aktuellen Diskussion siehe z.B. K Kroeschell, Der Staat, Beiheft 6 (1983), S. 47 ff. (insbes. S. 58 ff.). 20 Vgl. zur Notwendigkeit „ganzheitlicher" Geschichtsbetrachtung allgemein W. Zorn, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1972, S. 10. Speziell zur Berücksichtigung der

2*

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Einführung

positive Recht eingebunden ist. Gerade für das subjektive öffentliche Recht ist eine derart erweiterte Problemsicht unerläßlich, weil dieses Rechtsinstitut seit jeher i n besonderem Maße v o n ideellen, politischen u n d sozialen Veränderungen beeinflußt w u r d e 2 1 u n d w i r d 2 2 . Der über das i m „juristisch-technischen" Sinn verstandene subjektive öffentliche Recht hinausweisende Forschungsansatz ist auch noch aus einem anderen G r u n d angezeigt. I m öffentlichen Recht läßt sich nämlich heute bei der Überprüfung traditioneller u n d der Generierung neuer Kategorien nicht selten eine H i n w e n d u n g zu Vorstellungen beobachten, d i e — b e i aller Unterschiedlichkeit i m Detail — inhaltliche u n d strukturelle Ähnlichkeiten m i t Erscheinungen früherer Rechtsepochen aufweisen: D i e nicht zuletzt durch die Grundrechte intensivierte Orientierung des gesamten Rechts an materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen, die teilweise befürwortete Wiederannäherung v o n Staat u n d Gesellschaft 2 3 , v o n öffentlichem u n d privatem R e c h t 2 4 , die A u s b i l d u n g des Gebots der R ü c k s i c h t n a h m e 2 5 , die Neigung zu einer verstärkten, bisherige Subordinationsverhältnisse ersetzenden K o o p e r a t i o n u n d K o o r d i n a t i o n v o n Staat u n d Bürgern — all das sind Entwicklungen, die z u m einen a u f das subjektive öffentliche Recht z u r ü c k w i r k e n 2 6 u n d z u m anderen i n der Zeit v o r

„geistesgeschichtlichen Grundlagen", der „politischen Lage" sowie der „wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse" in der Verwaltungsgeschichtsschreibung siehe z.B. K. Jeserich, H. Pohl , G.-C. v.Unruh , Grundzüge, Aufbau und Zielsetzung der Verwaltungsgeschichte, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S. 3 ff (S. 7). 21 Siehe hierzu an dieser Stelle nur G. Kohlmann (FN 16), S. 12; zur entsprechenden Problematik des subjektiven Privatrechts siehe z.B. F. Kasper ( F N 13), S. 126 f.: „Das »subjektive Recht* enthält ... vielfach als ganzheitliches Abbild philosophischer oder weltanschaulicher Grundvorstellungen vom Recht die jeweils maßgebliche Privatrechtsphilosophie ...". 22 Als Beleg für die aktuelle Beeinflussung der verwaltungsrechtlichen subjektiven Rechte durch ideelle, politische und soziale Veränderungen kann an dieser Stelle ein Hinweis auf die heute zu beobachtende „Expansion des subjektiven öffentlichen Rechts" genügen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen subjektiven Rechte des Bürgers sind entsprechende Beeinflussungen insbesondere im Grundrechtsbereich ohnehin unübersehbar; sie sind eine der Hauptantriebsfedern für die Ausbildung immer neuer Grundrechtsverständnisse. 23 Z.B. K. Hesse, DÖV 1975, S. 437 ff. m. weit. Nachw. 24 M. Bullinger , Öffentliches Recht, 1968; vgl. ferner D. Wyducket, Ius Publicum, 1984, S. 328 ff. m. weit. Nachw. 25 Nachw. oben I. F N 20. 26 So wird das subjektive öffentliche Recht beispielsweise von D. Lorenz , Rechtsschutz, 1973, S. 51 ff. an der Garantie der Menschenwürde „angeseilt". Zusammenhänge zwischen dem „Gegenüber von Staat und Gesellschaft" einerseits und dem (einfachen) subjektiven öffentlichen Recht andererseits werden z.B. von P. Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, in: Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248 ff (S. 267 F N 4) und K.-H. Ladeur , UPR1984, S. 1 ff. (S. 3 f.) thematisiert. Von M. Bullinger (FN 24) wird das von ihm geforderte „übergreifende, vielfaltig gestufte Gemeinrecht" (S. 116) u.a. auch für das „subjektive Recht" (S. 97 ff.) entfaltet. Hinsichtlich der übrigen im Text angesprochenen Entwicklun-

II. Das subjektive Recht als Gegenstand geschichtlicher Reflexion

21

der rechtstechnischen Ausformung des subjektiven öffentlichen Rechts geschichtliche Tradition haben. Treffen diese sehr global gehaltenen Beobachtungen zu 2 7 , dann verspricht der hier gewählte Ansatz die Offenlegung aufschlußreicher Parallelen, Anregungen zu einem vertieften Problemverständnis und Perspektiven für die Lösung heutiger Probleme 28 . Dies rechtfertigt es, in die Studie auch die Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts im Mittelalter und im Zeitalter des Absolutismus einzubeziehen29. Der Untersuchungsgegenstand ist damit zu weit ausgezogen, als daß die Entwicklungsgeschichte und die verschiedenen historischen Erscheinungsformen des „subjektiven öffentlichen Rechts" en detail nachgezeichnet und dargestellt werden könnten. Eine erschöpfende Abklärung der Gesamtproblematik würde Grundlagen- und Einzelforschungen zu jeder einzelnen Rechtsepoche voraussetzen. Diese Arbeit kann hier nicht geleistet werden. Periodenübergreifende Studien zwingen zu einer notwendig vergröbernden Beschränkung auf das Wesentliche und zu einer oft nur kursorischen Beleuchtung des geschichtlichen Werdens. Auch fordern sie vielfach den Rückgriff auf anderweitige Vorarbeiten unter gleichzeitigem Verzicht auf eine umfassende Aufarbeitung insbesondere des Quellenmaterials. Daß gegen ein solches Vorgehen mannigfache Einwände erhoben werden können, wird nicht verkannt. Derartige Einwände dürften sich aber zumindest entschärfen lassen mit dem Hinweis darauf, daß eine so grundlegende Kategorie juristischen Denkens wie das subjektive Recht in jedem Abschnitt der Rechtsentwicklung ausreichend „Stoff 4 für eigenständige Untersuchungen liefert.

gen dürften die Rückwirkungen auf die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht offensichtlich sein. 27 Vgl. dazu—in anderem Zusammenhang—auch D. Suhr, Der Staat 18 (1979), S. 127 ff. (S. 128): Der „verfassungsgeschichtliche Kupferstich vom Mittelalter" wirkt „oft realistischer und vertrauter als das eine oder andere der romantischen Ölgemälde vom Staate". 28 29

4 ff.

Vgl. auch hierzu wiederum D. Suhr, Der Staat 18 (1979), S. 127 ff. Siehe dazu auch die ähnlich weit ausholende Untersuchung von W. Henke (FN 4), S.

Erster Abschnitt

Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts im deutschen Mittelalter und im Zeitalter des Absolutismus I. Zum historischen Ursprung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht Bei Zugrundelegung der heutigen Begrifflichkeit und der modernen Rechtsdogmatik stößt die Suche nach subjektiven öffentlichen Rechten des mittelalterlichen Gemeinwesens auf die auch aus anderen Bereichen vertrauten Schwierigkeiten. Die fehlende Trennung von öffentlichem und privatem Recht, das noch nicht zur Sonderung von Rechts- und Sittlichkeitssphäre vorgedrungene „volksmäßige Rechtsbewußtsein"1 und die mittelalterliche „Rechtsauffassung, der göttliches Recht, positive Rechtsnorm und subjektiver Rechtsanspruch eines, nämlich,Gerechtigkeit 4 sind" 2 , machen die Unterschiede zum Rechtsdenken unserer Zeit zu gravierend, als daß der moderne Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts und die damit verbundenen Vorstellungen unbesehen auf das mittelalterliche Rechts- und Ordnungsgefüge übertragen werden könnten. Begreift man das subjektive öffentliche Recht in Übereinstimmung mit der heute vorherrschenden Lehre 3 als Rechtsposition des Einzelnen gegenüber dem Staat, dann sind Bemühungen um die „subjektiven öffentlichen Rechte des Mittelalters" schon allein deshalb problematisch, weil die Staatlichkeit des damaligen Gemeinwesens umstritten ist 4 . Eine der Hauptursachen dieses Streits 1 F. Kern , Recht und Verfassung, 1952, S. 16 f.; vgl. auch ebenda, S. 36,41,46,48,57 ff. und O. Brunner , Gottesgnadentum, in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 115 ff. (S. 118 f.). 2 O. Brunner , Verfassungsbegriff, in: Herrschaft und Staat, 1956, S. 1 ff. (S. 12). 3 Dazu oben Einführung II. 4 Die Staatlichkeit des mittelalterlichen Gemeinwesens war bekanntlich vor allem in der Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Gegenstand leidenschaftlich geführter Kontroversen. Vgl. dazu etwa G. v.Below , Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; F. Kern ( F N 1), S. 18 f. F N 1, 66 ff.; O. Mayer , Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 1924, S. 25 ff.; 0. Brunner , Land und Herrschaft, 5. Aufl., 1965, S. 111 ff. Vgl. ferner H.-U. Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 19 f. und eingehend H. Quaritsch , Staat und Souveränität, 1970, S. 26 ff., der darauf aufmerksam macht, „daß man sich länger als ein halbes Jahrhundert mit einem Scheinproblem beschäftigt hat" (S. 27 f.). Gegen Quaritsch neuerdings D. Wyduckel , Princeps Legibus Solutus, 1979, S. 31 F N 107 und ders., Ius Publicum, 1984, S. 21.

I. Zum historischen Ursprung des subjektiven öffentlichen Rechts

23

liegt in dem bis an die Grenze der Konturenlosigkeit reichenden Staatsbegriff, der unterschiedliche inhaltliche Ausdeutungen zuläßt 5 . So wird aus dem Blickwinkel des durch die drei Elemente „Staatsgebiet", „Staatsvolk" und „Staatsgewalt" charakterisierten Staates6 dem mittelalterlichen Ordnungsgefüge kaum Staatlichkeit zugesprochen werden können, weil das damalige Gemeinwesen — wie vor allem O. Brunner immer wieder betonte 7 —völlig anders strukturiert und geordnet war. Bei diesem Ausgangsbefund sind subjektive öffentliche Rechte modernen Verständnisses bereits wegen des fehlenden Bezugspunktes „Staat" nicht denkbar. Obgleich dem mittelalterlichen Rechtsdenken demnach die dem Einzelnen bzw. der Gemeinschaft gegenüberstehende abstrakte Institution „Staat" fremd war 8 , kann man durch eine „Dehnung des Staatsbegriffes" doch zu dem Ergebnis kommen, daß das Mittelalter einen „Staat im vollen Sinne des Wortes" 9 hervorgebracht hat. Läßt man für die Bejahung von Staatlichkeit nämlich eine „auf keinen anderen Titel rückführbare Ordnung des Volksverbandes" 10 genügen, dann kann das mittelalterliche Gemeinwesen als ein — freilich vom Staat im heutigen Sinne zu unterscheidender — Personenverbandsstaat, als ein „unvollkommener" bzw. „unfertiger" 11 Staat, als ein „noch im Werden begriffener" 12 Staat gekennzeichnet und erfaßt werden. In diesem von rechtshistorischer Begrifflichkeit geprägten „Staats-"gebilde mögen dann auch subjektive öffentliche Rechte auffindbar sein. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß in diesem rechtshistorischen „Staat" auch nur rechtshistorische „subjektive öffentliche Rechte" möglich wären, die einen vom heutigen Verständnis völlig abweichenden Bedeutungsgehalt hätten.

5

Siehe dazu die Übersicht bei H. Quaritsch (FN 4), S. 20 ff m. weit. Nachw. Vgl. dazu C.-F. Menger, Verfassungsgeschichte, 4. Aufl., 1984, S. 45. 7 O. Brunner, Freiheitsrechte, in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 20 ff; ders. ( F N 2), S. 11 f.; vgl. ferner H. Quaritsch ( F N 4), S. 26 ff 8 Vgl. O. Kimminich, Verfassungsgeschichte, 1970, S. 30, 58, 76 f., 113 f.; O. v.Gierke, Althusius, 5. Aufl., 1958, S. 135 ff. und D. Wyduckel, Ius Publicum, 1984, S. 99 f., 229 machen auf spätmittelalterliche Verselbständigungsansätze zur Persönlichkeit aufmerksam. 9 So G. D. Below (FN 4), S. VIII. Zu derartigen „Dehnungen des Staatsbegriffs" siehe z.B. auch H. Mitteis, Land und Herrschaft, in: Herrschaft und Staat, 1956, S. 20 ff. (S. 44): „Jedem Staatsbegriff haftet ein gewisses Maß von Relativität an...", dessen „konkreter Inhalt dann freilich von Fall zu Fall bestimmt werden muß"; vgl. ferner G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1919, S. 189 und H. Heller, Geschichtliche Voraussetzungen, in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 3 ff. Sehr treffend bemerkt H. Quaritsch (FN 4), S. 31 hierzu: „Mochte man die Staatlichkeit des Verbandes behaupten oder leugnen; solange der axiomatisch gesetzte Begriffsrahmen ausgefüllt wurde, waren Beweisführung und Ergebnis immer richtig." 6

10 11 12

H. Mitteis, H. Lieberich, Rechtsgeschichte, 17. Aufl., 1985, S. 29. G. Jellinek, Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 317. H. Mitteis, H. Lieberich (FN 10), S. 29.

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

Eine ähnliche begriffliche und sachliche Barriere für mittelalterliche subjektive öffentliche Rechte errichtet die damals fehlende Trennung von öffentlichem und privatem Recht 13 . Wird die Unterscheidung der beiden Rechtsgebiete nicht im Sinne einer kategorialen Trennung verstanden und die Zuordnungsalternative Öffentlich-Privat nicht auch auf das Gegenüber von Staat und Gesellschaft bezogen, dann vermag man zwar in einigen mittelalterlichen Institutionen—wie etwa der Vasallität oder der Vogtei — „funktionell öffentliches Recht" ausmachen14 oder das Lehnrecht zum „Verwaltungsrecht des Mittelalters" erklären 15 . Hier wird aber deutlich, daß das mittelalterliche Ordnungsgefüge nur dann mit der modernen Begrifflichkeit erfaßt werden kann, wenn die Begriffsinhalte erheblich modifiziert oder gar neu bestimmt werden. Solche Sinnvariierungen wecken unzutreffende Assoziationen mit heutigen Vorstellungen und verdecken mehr als sie erklären. Dies gilt zumal für das subjektive öffentliche Recht moderner Lesart. Denn diese Rechtsfigur ist — wie im einzelnen noch darzustellen sein wird — untrennbar in die Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts eingebunden 16 , weshalb es sowohl begrifflich wie sachlich verfehlt wäre, sie auf frühere Zeitabschnitte zurückzuprojizieren. M i t dieser Feststellung ist das negative Ergebnis für das Zeitalter des Absolutismus bereits vorweggenommen, mögen sich in der damaligen Rechtsordnung auch Rechtspositionen finden, die nach heutigem Verständnis der Kategorie des subjektiven öffentlichen Rechts zuzuordnen wären 17 . Subjektive öffentliche Rechte waren in dieser Periode begrifflich und sachlich ebensowenig möglich wie im Mittelalter, und zwar aus ähnlichen Gründen: Ihrer Ausbildung stand zunächst entgegen, daß — jenseits der neuzeitlichen Naturrechtslehren 18 — auch der absolutistischen Rechtsanschauung der

13 Vgl. zu dieser—ebenfalls umstrittenen Frage—einerseits wiederum O. Brunner (FN 2), S. 11 f.; ders., Land und Herrschaft, 5. Aufl., 1965, S. 121 ff. und andererseits etwa G. v. Below (FN 4), S. VIII. Aus heutiger Sicht einerseits etwa M. Stolleis , Stichwort „öffentliches Recht I " , in: HRG, Bd. 3,1984, Sp. 1189 ff. (Sp. 1189 f.) und andererseits etwa D. Wyduckel ( F N 8), S. 27 ff. (insbes. S. 64). 14 So H. Mitteis (FN 9), S. 44. 15 H. Mitteis , Der Staat des hohen Mittelalters, 10. Aufl., 1980, S. 67. 16 Von den Autoren der letzten Jahrhundertwende wurden die Anfange der modernen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht zumeist auf C.F . v.Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, zurückgeführt; so z.B. von G. Jellinek , System, 2. Aufl., 1905, S. 4 f.; O. Bühler , Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 1 und E. Eckhardt , Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913, S. 3. Dazu eingehender unten Zweiter Abschnitt. 17

Siehe dazu H.-U. Erichsen (FN 4), S. 43 f., der daraufhinweist, daß zu den früheren wohlerworbenen Rechten „auch subjektive öffentliche Rechte im heutigen Sinne" gehörten; vgl. auch M. Bullinger , Öffentliches Recht, 1968, S. 29 f., 31. O. Hintze , H Z 143 (1931), S. 1 ff. (S. 8) sieht bereits in den Immunitäten und Privilegien „Vorläufer und Schrittmacher der ... modernen subjektiven öffentlichen Rechte" bzw. einen Ansatz „subjektiver öffentlicher Rechte einzelner privilegierter Gruppen von Untertanen".

I. Zum historischen Ursprung des subjektiven öffentlichen Rechts

25

„ S t a a t " als eine verselbständigte juristische Rechtspersönlichkeit nach wie v o r weithin unbekannt w a r 1 9 . Z w a r wurde der Begriff „ S t a a t " m i t unterschiedlichen Bedeutungsgehalten 2 0 gerade während des Absolutismus verstärkt i n den Sprachgebrauch eingeführt 2 1 u n d gewiß reichen auch die ersten Ansätze „frühmoderner Staatenbildung" teilweise sogar bis i n das Spätmittelalter z u r ü c k 2 2 . Dies ändert jedoch nichts daran, daß m a n während des Absolutismus den „ S t a a t " i m allgemeinen nicht als abstrakte juristische Persönlichkeit begriff, die als Adressat v o n subjektiven öffentlichen Rechten des Bürgers i n Betracht gekommen w ä r e 2 3 . Subjektive öffentliche Rechte des Bürgers wären außerdem auch m i t der während des Absolutismus fehlenden kategorialen Unterscheidung v o n öffentlichem u n d privatem Recht heutigen Verständnisses nicht zu vereinbaren gewesen. Der Absolutismus brachte zwar eine verstärkte Auseinandersetzung m i t dem ius p u b l i c u m 2 4 u n d stellte m i t dem allgemeinen Gesetzgebungs- u n d Anordnungsrecht des M o n a r c h e n für die spätere Trennung der beiden Rechtsgebiete i m Sinne gegenseitiger Exklusivität u n d absoluter Gegensätzlichkeit entscheidende W e i c h e n 2 5 . Er leitete damit die E n t w i c k l u n g zu der (modernen) 18 Über die verschiedenen und zudem uneinheitlichen naturrechtlichen Ansätze zur Erfassung des „Staates" als Rechtssubjekt informiert u.a. U. Häfelin, Rechtspersönlichkeit, 1959, S. 24 ff. Vgl. allgemein zur Entwicklung der „juristischen Person" im Naturrecht und frühen 19. Jahrhundert auch M. Lipp, „Persona Moralis", in: Guaderni Fiorentini, 11/12 (1982-83), S. 217 ff. 19 U. Häfelin (FN 18), S. 57 ff. 20 Vergegenwärtigt man sich einerseits das Louis XIV zugeschriebene Wort „L'Etat c'est moi" und andererseits den Ausspruch Friedrichs des Großen „Der König ist der erste Diener des Staates", dann wird die große Bandbreite der unterschiedlichen Begriffsinhalte deutlich. Vgl. dazu auch O. Kimminich (FN 8), S. 247; W. Conze, Staat und Gesellschaft Deutschlands, 1960, S. 3 und H. Quaritsch (FN 4), S. 32 ff, der daraufhinweist, daß sich der unstete Wortgebrauch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts einpendelte. 21 Sprachgeschichtlich läßt sich der Begriff „Staat" über den italienischen bzw. französischen Begriff „lo stato" bzw. „l'estat" auf den lateinischen Begriff „status" zurückführen. Er ist vereinzelt bereits in Urkunden aus dem 14. Jahrhundert enthalten. Vgl. dazu G. Jellinek (FN 11), S. 131 ff, der es Machiavelli zuschreibt, das Wort „Staat" in die wissenschaftliche Literatur eingeführt zu haben (S. 132 F N 3). 22

Vgl. hierzu z.B. D. Wyduckel, Princeps Legibus Solutus, 1979. Als wegweisend für die Einführung der Rechtspersönlichkeit des Staates als Zentralbegriff des Staatsrechtssystems wird zumeist die berühmte Besprechung von R. Maurenbrechers Staatsrecht durch W.E. Albrecht, Göttingische Gelehrte Anzeigen, 1837, S. 1489 ff, 1508 ff, angesehen, auf die später u.a. G. Jellinek ( F N 16), S. 33 bei seiner Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts zurückgreifen sollte. Vgl. zu Albrecht auch U. Häfelin ( F N 18), S. 84 ff; H. Quaritsch (FN 4), S. 497 f. und D. Wyduckel {FN 8), S. 230 f. 24 Dazu M. Stolleis ( F N 13); ders, Der Staat 24 (1985), S. 51 ff. 25 Vgl. D. Grimm, Zur politischen Funktion, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, S. 224 ff und H. Schlosser, Grundzüge, 5. Aufl., 1985, S. 198 f. m. weit. Nachw. 23

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

funktionalen Trennung von öffentlichem und privatem Recht aber lediglich ein und trieb sie weit voran, brachte sie jedoch nicht zum Abschluß. Ursprünglich war die Unterscheidung nämlich nur als Ordnungsform zur Einteilung des Rechts gedacht — ihre Hauptbedeutung bestand „in einer übersichtlichen Gruppierung und Systematisierung des Rechtsstoffes und praktisch wurden ... kaum Folgen daraus hergeleitet" 26 . Sie trug vorwiegend einem wissenschaftlichsystematischen Anliegen Rechnung, veränderte aber bis in das 18. Jahrhundert hinein nicht die Qualität der gerichtsgeschützten „Rechte Privater" 27 . „Für die subjektive Rechtsstellung des Bürgers gegen den Monarchen spielte die systematische Unterscheidung von ius publicum und ius privatum keine Rolle" 2 8 . Läßt sich das subjektive öffentliche Recht als technisch ausgeformte Rechtsfigur demnach weder für die Zeit des Mittelalters noch für die des Absolutismus nachweisen, dann bleibt die.weitere Frage zu beantworten, welche Institutionen damals bereitgehalten wurden, um die Rechtsstellung des Einzelnen zu erfassen.

II. „Subjektive Rechte" im mittelalterlichen Rechts- und Ordnungsgefüge Die mittelalterliche Rechtsordnung wird häufig als „ein riesiger Knäuel untereinander verknüpfter (subjektiver) Berechtigungen" 1 oder als „ein Zusammenhang unendlich vieler subjektiver Einzelrechte" 2 beschrieben. In ihr wurden subjektives und objektives Recht lange Zeit nicht substantiell voneinander getrennt 3. Anders als etwa die positivistische Rechtslehre des 19. und frühen 20. Jahrhunderts unterschied die damalige Rechtsanschauung auch nicht zwischen „reinem" Recht und materieller Gerechtigkeit, sondern begriff Recht, Sittlichkeit, Vernünftigkeit und Billigkeit als integrierte Bestandteile einer umfassenden „Gerechtigkeit" 4 : „»Gerechtigkeit' ist sowohl die Idee des Rechts, die objektive 26

E. Molitor , Über öffentliches Recht, 1949, S. 12. So M. Bullinger (FN 17), S. 31 zu den schulmäßigen Unterscheidungen im Staatsrecht des 18. Jahrhunderts. 28 M. Bullinger ( F N 17), S. 29; vgl. auch ders., Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 204 f. und H.-U. Erichsen (FN 4), S. 43 f. 1 F. Kern , Recht und Verfassung, 1952, S. 41. 2 F. Kern , Gottesgnadentum, 2. Aufl., 1954, S. 123. 3 H.-U. Erichsen , Grundlagen, 1971, S. 20; W. Henke , Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 9 f. 4 Vgl. F. Kern ( F N 1), S. 11 ff.; ders. (FN 2), S. 122 ff.; O. Brunner , Land und Herrschaft, 5. Aufl., 1965, S. 133 ff.; T. Würtenberger , Art. „Legalität, Legitimität", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3,1982, S. 677 ff. (S. 681). Charakteristisch für die Einheit von ideellem und positivem Recht sind die vielzitierten Stellen im Sachsenspiegel zur religiösen Fundierung des Rechts: „Denn wer das Recht verdreht, bricht den Bund mit Gott" (Vorrede in Reimpaaren); „Gott selbst ist Recht. Darum ist ihm das Recht so teuer" (Prolog); zitiert nach der von C. Schott herausgegebenen Ausgabe, 1984, S. 17, 29. 27

II. „Subjektive Rechte" im

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Rechtsnorm und der subjektive Rechtsanspruch eines Einzelnen. Ideales und positives Recht fallen hier in eins zusammen"5. Das damit nur in groben Strichen skizzierte mittelalterliche Rechtsverständnis zeigt, daß (subjektive) Berechtigungen und Verpflichtungen schon damals zu den elementaren Bausteinen der Rechtsordnung zählten. Von den subjektiven öffentlichen Rechten moderner Lesart unterscheiden sich diese Berechtigungen und Verpflichtungen freilich grundlegend: sie weisen andere Grundstrukturen auf, sind inhaltlich anders ausgerichtet und treten in völlig anderen Einzelausprägungen in Erscheinung. 1. Das subjektive Recht als integrierter Bestandteil von personalen „Rechte- und Pflichtenverhältnissen" Wie erwähnt war dem mittelalterlichen Rechtsdenken die Trennung von positivem Recht und materieller Gerechtigkeit lange Zeit fremd. „Recht" war das Redliche, Vernünftige, Billige und Gerechte!6. Es wurde geprägt und getragen von den Vorstellungen der Gemeinschaft über das Sittliche und Gute, die in dem althergebrachten, zum Teil regional voneinander abweichenden und zunächst nur mündlich überlieferten Stammes- und Volksrecht zum Ausdruck kamen 7 . Eine gewisse Parallele zu dieser Volksanschauung findet sich in den, das ganze folgende mittelalterliche Naturrecht beeinflussenden 8 Lehren Augustins. Danach ist „das wandelbare positive Gesetz ... nur insoweit Recht und hat nur insoweit Verpflichtungkraft, als es aus dem umwandelbaren ewigen Recht abgeleitet ist. Ein ,Gesetz4, das nicht gerecht ist, ist kein Gesetz und hat keine Verpflichtungskraft'* 9. Noch Thomas von Aquin sprach dem positiven Gesetz nur dann Gesetzeskraft zu, wenn es aus dem Naturgesetz abgeleitet war; verstieß das

5

O. Brunner ( F N 4), S. 134. Vgl. dazu die Nachw. in F N 4 und J. Dennert , Souveränität, 1964, S. 8 ff. 7 Die vor allem von F. Kern (FN 1), S. 1 ff. vertretene Auffassung, daß im Mittelalter liür das „gute, alte Recht" Recht war, ist zwar in jüngerer Zeit relativiert worden. Nach wie vor hält man aber verbreitet daran fest, daß das Recht in der traditionellen Vorstellungsweiäe jener Zeit nicht als eine nach Interessenabwägung gestaltbare Größe aufgefaßt, sondern als vorhanden empfunden wurde und deshalb zu „finden" und nicht einfach zü schaffen oder zu setzen war. Das Recht war in der Regel nicht schriftlich fixiert und unterschied sich insofern kaum von Brauchtum und der Gewohnheit. So z.B. H. Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1,1984, S. 55 f. Charakteristisch hierfür sind auch die Rechtsspiegel, die bekanntlich keine Kodifikationen, sondern „Abspiegelungen" der Gerfechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft darstellten; vgl. dazu O. Kimminich , Verfassungsgeschiehte, 1970, S. 104. 6

8 Vgl. H. WelzeU Naturrecht, 4. Aufl., 1962, S. 54 und F. Wieacker , Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 260. 9 H. Welzel (FN 8), S. 54.

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

positive Gesetz gegen göttliches Recht, so durfte es unter keinen Umständen befolgt werden 10 . Die Einheit von Recht, Gerechtigkeit und Sittlichkeit ist für das mittelalterliche subjektive Recht in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen gab sie dem subjektiven Recht eine Gesamtausrichtung, die keine Trennung von Wert und Wirklichkeit, von Sollen und Sein zuließ und sicherte damit den Glauben an die Unantastbarkeit der subjektiven Rechte 11 . Zum anderen stellte sie der Idee nach sämtliche Menschen — also Herrscher ebenso wie Beherrschte — unter das Recht 12 . Beides stand der einseitigen Abänderung oder dem willkürlichen Entzug subjektiver Rechte durch eine weltliche Macht entgegen13. Der Einzelne erschien in seiner subjektiven Rechtsstellung als „Wahrer der Gerechtigkeit" 14 . Dementsprechend konnte der Herrscher grundsätzlich nicht einseitig über die Rechte des Untertanen verfügen 15 , sie aufheben oder inhaltlich abändern. Und dementsprechend wurde das Beziehungsverhältnis zwischen Herrschern und Untertanen auch durch formal gleichartige Berechtigungen und Verpflichtungen erfaßt, die den gleichen Charakter hatten wie die Berechtigungen und Verpflichtungen der Einzelnen untereinander 16 und Teil des bereits eingangs erwähnten „riesigen Knäuels" (subjektiver) Berechtigungen waren. Dem „subjektiven Recht" war damit zwangsläufig eine zentrale Stellung im Rechts- und Ordnungsgefüge zugewiesen, zumal das Mittelalter über weite Strecken hinweg nur eine punktuelle Reichs- und Territorialgesetzgebung kannte 17 . Es wäre allerdings zu einseitig, wenn man diesen Befund zum Anlaß nähme, das Beziehungsverhältnis zwischen Herrschern und Untertanen allein durch das — erst für spätere Epochen charakteristische — Verhältnis von (subjektivem) Recht und (subjektivem) Gegenrecht zu bestimmen18. Eine solche Sicht würde dem starken personenrechtlichen Einschlag der damaligen Ordnung 19 nicht gerecht. Denn die mittelalterlichen Herrschaftsbeziehungen beruhten zum Großteil auf der Vorstellung einer prinzipiellen Gegenseitigkeit der Verpflichtungen und der sie begleitenden Rechtspositionen; es handelte sich um 10

Vgl. H. Welzel (FN 8), S. 57 ff. (S. 59). Vgl. F. Kern ( F N 1), S. 74; J. Dennert (FN 6), S. 9 und G. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, 1968, S. 30. 12 Siehe dazu z.B. U. Häfelin , Rechtspersönlichkeit, 1959, S. 18 ff. m. weit. Nachw. 13 Vgl. z.B. H.-U. Erichsen (FN 3), S. 20 m. weit. Nachw. 14 Vgl. H. Mitteis , Land und Herrschaft, in: Herrschaft und Staat, 1956, S. 20 ff. (S. 45). 15 H.-U. Erichsen (FN 3), S. 20 f. m. weit. Nachw. 16 W. Henke (FN 3), S. 9. 17 Zur „Gesetzgebungstätigkeit" im mittelalterlichen Gemeinwesen siehe etwa W. Ebel , Geschichte der Gesetzgebung, 2. Aufl., 1958, S. 29 ff. und R. Grawett , Art. „Gesetz", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S. 863 ff. (S. 870 ff.). 18 So aber W. Henke (FN 3), S. 11. 19 Siehe hierzu J. Dennert (FN 6), S. 8 ff. m. weit. Nachw. 11

II. „Subjektive Rechte" im

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wechselseitige Beziehungen, die zumeist auf die Idee gegenseitiger Treue verwiesen 20. Nicht das „feindliche Gegenüber" subjektiver Einzelrechte, nicht das Ordnungsprinzip „subjektive Rechte ,von oben4 versus subjektive Rechte ,von unten" 4 ist ihr Kennzeichen, sondern die Verschränkung wechselseitiger Rechte und Pflichten zu vollkommener Gegenseitigkeit. Wegen dieser Wechselund Rückbezüglichkeiten lassen sich die mittelalterlichen subjektiven Rechte mit der Vorstellung von isolierten „Individualrechten" nicht zutreffend erfassen; ihrer formalen Grundstruktur nach sind sie vielmehr als integrierte Bestandteile in „Rechte- und Pflichtenverhältnisse 44 eingebunden. Diese Grundstruktur wird auch durch die inhaltliche Ausrichtung der mittelalterlichen subjektiven Rechte bestätigt. I m damaligen Gemeinwesen war die Einzelpersonja noch nicht verbandsentfremdetes und isoliertes Individuum, sondern stand innerhalb kleinerer und größerer Ordnungen, etwa als Mitglied im Verband von Haus, Herrschaft und Sippe, oder als Repräsentant adliger, geistlicher und bäuerlich-bürgerlicher Lebensformen 21. Dies ist letztlich Ausdruck eines gemeinschaftsbezogenen Menschenbildes, das es verbietet, das mittelalterliche subjektive Recht auf die — für das spätere Verständnis dieser Rechtsfigur typische — individuelle Freiheit zurückzuführen. Recht und mittelalterliche „alte Freiheit 44 waren nämlich lediglich zwei Seiten ein und desselben Gedankens — Freiheit bedeutete „ursprünglich nur Geschütztsein durch das Recht 4422 . Bezeichnenderweise wird denn auch die „alte Freiheit 44 gedeutet als „Zugehörigkeit zu einer schützenden Gemeinschaft" oder als „Ledigsein von fremder Gewalt innerhalb der Gruppe oder des Bereichs, in denen ,Freiheit 4 gewahrt ist 4423 . Hier wird deutlich, daß die mittelalterlichen „Rechte- und Pflichtenverhältnisse 44 wesentlich geprägt waren durch die personenrechtliche Einbindung des Einzelmenschen in die zahlreichen Gemeinschaften der politisch-sozialen Ordnung, die den Einzelnen in seiner subjektiven Rechtsstellung allseitig schützten24. Diese Beziehungsverhältnisse basierten häufig auf gegenseitigen Treuebindungen, die nach der damaligen Rechtsanschauung für die Bestimmung der sich aus den „Rechte- und Pflichtenverhältnisse44 ergebenden Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen von mitentscheidender Bedeutung waren. 20 Vgl. hierzu und zum Folgenden H. Boldt ( F N 7), S. 57 f., 71 f., 79 f. sowie eingehender unten 2. 21 Vgl. H. Maier, Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl., 1980, S. 33; ferner P.-H. Seraphim, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 2. Aufl., 1966, S. 32. 22 O. Brunner, Freiheitsrechte, in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 20 ff. (S. 28 f.). 23 W. Conze, Art. „Freiheit", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2,1975, S. 425 f. (S. 425) 24 Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen mittelalterlichem Freiheitsverständnis und dem Schutz persönlicher Freiheit durch die Zugehörigkeit des Einzelnen zu genossenschaftlichen Einungen bzw. dessen Einbindung in Herrschaftsverhältnissen C. Dipper, Art. „Freiheit", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S. 446 ff. (S. 447 ff.).

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

2. Erscheinungsformen Einzelausprägungen dieser „Rechte- und Pflichtenverhältnisse" finden sich in den zahlreichen herrschaftlichen und genossenschaftlichen Gebilden, die sich in ihren mannigfachen Erscheinungsformen gegenseitig durchdringen und als elementare Bausteine des mittelalterlichen Gemeinwesens gelten 25 . Derartige Herrschaftsverhältnisse sind im rechtlich verfaßten Ordnungsgefüge des Mittelalters in vielfaltigen Ausformungen und differenzierten Abstufungen anzutreffen. Als Erscheinungsformen werden u.a. Hausherrschaft, Grundherrschaft, Gefolgsherrschaft, Lehensherrschaft, Landesherrschaft und Dorfherrschaft genannt 26 . Nach damaligem Verständnis hatte „Herrschaft" allerdings nicht die später teilweise mit diesem Begriff in Verbindung gebrachte Bedeutung einer auf einseitigem Befehl, Zwang und Gehorsam gegründeten Subordination; „Herrschaft" war vielmehr gekennzeichnet durch „Gegenseitigkeit von Herrschen und Beherrschtwerden" 27 und durch die Wechselseitigkeit der in den jeweiligen Herrschaftsverhältnissen gebündelten Berechtigungen und Verpflichtungen. Bestand und Inhalt der konkreten Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen waren abhängig von dem jeweiligen Herrschaftsverhältnis. Bei der Grundherrschaft bestanden sie beispielsweise auf der Seite des Herrn in der Hingabe von Haus und Hof, Grund und Boden und auf der Seite des Holden in der Entrichtung von Diensten und Zinsen in Form von Geld-, Natural- oder Arbeitsleistungen 28. Hierin erschöpfte sich das Beziehungsverhältnis zwischen Herrn und Holden jedoch nicht. Denn mittelalterliche „Herrschaft" zeichnet sich gerade dadurch aus, daß das durch sie begründete und religiös beeinflußte Gegenseitigkeitsverhältnis mehr als die je spezifischen Einzelrechte und -pflichten umfaßt: der Herr war zu „Schutz und Schirm", der Holde zu „Rat und Hilfe" verpflichtet 29. M i t diesen weiteren Verpflichtungen weisen die Herrschaftsverhältnisse über rein schuldrechtliche Austauschbeziehungen hinaus und bezeichnen „personale Relationsbestimmungen"30, die den ganzen Menschen binden 31 . 25

Zur Bedeutung von „Herrschaft" und „Genossenschaft" für die politisch-soziale Ordnung des Mittelalters siehe z.B. W. Schlesinger , Herrschaft und Gefolgschaft, in: Herrschaft und Staat, 1956, S. 135 ff. (S. 135 f.); O. Brunner , Sozialgeschichte, 1978, S. 17 ff. Vgl. auch H. Maier (FN 21), S. 37. 26 W. Schlesinger (FN 25), S. 135. 27 P. Moraw , Art. „Herrschaft", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3,1982, S. 5 ff. (S. 8). 28 Hierzu und zum Folgenden O. Brunner (FN 4), S. 263 ff., 440. 29 Nach P. Moraw (FN 27), S. 7 ff. stehen diese „inneren Prinzipien mittelalterlicher Herrschaft" ungeachtet der zwischenzeitlich gegen das herrschende verfassungsgeschichtliche Lehrgebäude vorgetragenen Bedenken „auf festem Grund" (S. 8); vgl. zur Kritik etwa K. Kroeschell , Haus und Herrschaft, 1968; H. Günther , Freiheit, 1979, S. 114 ff. und P. Moraw , aaO, m. weit. Nachw.

II. „Subjektive Rechte" im

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„Schutz und Schirm", „Rat und Hilfe" sind zugleich Ausdruck von wechselseitigen Treuebindungen zwischen Herrschern und Beherrschten 32, die als inneres Baugesetz der mittelalterlichen Verfassung sämtliche Schichten des Rechts- und Ordnungsgefüges durchziehen 33. Auch dem Begriff der Treue liegt der Gedanke gegenseitiger Verbundenheit zugrunde: „Treue ist ein Gesamtverhalten und ein wechselseitiges Verhältnis; nicht nur der Mann war sie dem Herrn schuldig, sondern auch der Herr dem Mann" 3 4 . Treue ist also mehr als bloßer Gehorsam, da „sie gegebenenfalls ein Handeln zugunsten des Herrn auch ohne ausdrücklichen Befehl verlangt"; gleichzeitig schränkt Treue den Gehorsam aber auch ein, weil sie nur im Rahmen des „rechtlich und sittlich Zumutbaren" verpflichtet 35 . Besonders prägnant ist dieser Grundsachverhalt in einer vielzitierten Passage des Schwabenspiegels formuliert: „Wir sullen den herrn darumbe dienen, daz si uns beschirmen. Beschirmen si uns nit, so sind wir inen nicht dienstes schuldig nach rechte" 36 . Hier wird einmal mehr die Wechsel- und Gegenseitigkeit der Herrschaftsverhältnisse sowie die Einbindung der Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen in einem umfassenden Rechte- und Pflichtenverhältnis ausgesprochen. Deshalb konnten auch etwa Steuern nicht einseitig festgelegt, erhoben und eingefordert werden; statt dessen mußten sie — zum Teil sehr plakativ als „bede" (Bitte) bezeichnet — im gegenseitigen Einvernehmen „ausgehandelt" werden, soweit sie nicht ohnehin nach „gutem, altem Recht" zu entrichten waren 37 . Und deshalb zerstörte auch ein Herrscher, der das Recht verletzte, „zugleich sein eigenes subjektives Herrschaftsrecht", das jeden Untertanen und die Gesamtheit berechtigte, sich gegen die Rechtsverletzung zur Wehr zu setzen38. Nicht selten erfolgte die Abwehr derartiger Rechtsverletzungen in den älteren „Formen des Rechtsschutzes", also etwa durch Selbsthilfe, Fehde, Rache und Widerstand. Der Grundtatbestand des „Rechte- und Pflichtenverhältnisses" ist auch in verschiedenen genossenschaftlichen Gebilden des mittelalterlichen Gemeinwe30 Vgl. R. Koselleck, Art. „Herrschaft", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3,1982, S. 1 ff. (S. 3). 31 Vgl. O. Brunner ( F N 4), S. 262 f.; Vgl. auch N. Achterberg, DÖV 1979, S. 577 ff. (S. 578): Mittelalterliche Herrschaft ist als „Herrschaft aufgrund personaler Beziehungen zwischen Herrscher und Untertan zu begreifen". 32 Vgl. O. Brunner ( F N 4), S. 258 ff., 269 ff., 440. 33 Vgl. H. Maier ( F N 21), S. 37. 34 W. Schlesinger ( F N 25), S. 146. 35 O. Brunner (FN 25), S. 17. Vgl. auch F. Kern (FN 2), S. 152 ff. und H. Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt, 1958, S. 49, 80 f. 36 F. v.lassberg (Hrsg.), Schwabenspiegel, 1961, S. 133. 37 G. Oestreich (FN 11), S. 30; F. Kern (FN 1), S. 86 und — eingehend — O. Brunner ( F N 4), S. 273 ff. 38 F. Kern (FN 1), S. 87 f.; ders. (FN 2), S. 138 ff.; H.-U. Erichsen (FN 3), S. 21 m. weit. Nachw.

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

sens anzutreffen 39. Durch die Zugehörigkeit zu einer derartigen Genossenschaft wurde der Einzelne vielfach „personal" eingebunden. Einen anschaulichen Beleg hierfür bieten die anläßlich des Erwerbs der Stadtbürgerschaft zu schwörenden Treueide, durch die man sich beispielsweise verpflichtete, „der Stadt getreu, hold und gehorsam zu sein, das gemeine beste zu suchen und allen Schaden helffen abwenden". Aus diesen Treue Verhältnissen ergaben sich für den Einzelnen eine Reihe von Pflichten, die bis hin zum Einsatz von Leib und Leben reichten; gleichzeitig war der Einzelne aber als Mitglied des genossenschaftlichen Verbandes „frei", d.h. die Stadt war verpflichtet, „ihn zu schützen und alle Folgen bis zur Fehde auf sich zu nehmen' 440 .

I I I . „Subjektive Rechte" im absolutistischen Rechts- und Ordnungsgefüge Die Darstellung des mittelalterlichen „subjektiven Rechts" bedarf insoweit einer Korrektur, als sich teilweise bis tief in das späte und hohe Mittelalter hinein Strömungen feststellen lassen, die auf eine Überlagerung und Durchdringung der „alten" Ordnung mit neuzeitlichen Vorstellungen hinweisen: So hatte sich beispielsweise schon im ausgehenden Mittelalter in einzelnen Ländern das Herrschaftsrecht infolge des bereits keimenden Souveränitätsgedankens zunehmend von dem es ursprünglich tragenden Treueverhältnis abgelöst und zu einem eigenständigen Recht des Herrschers gewandelt1. Auch enthielt der Investiturstreit erste Anhaltspunkte für eine sich abzeichnende Erschütterung der Einheit von „Geistlich" und „Weltlich", von „Rechts-" und „Sittlichkeitssphäre" 2 , die für die weitere Entwicklung des subjektiven Rechts von wesentlicher Bedeutung sein sollte. Und schließlich waren bereits im Mittelalter entscheidende Weichen für die Rezeption des römischen Rechts gestellt3, welche die Bildung des „Territorialstaates" gefördert haben dürfte 4 und außerdem durch die im römischen Recht angelegte Sonderung von öffentlichem und privatem Recht einen ausschlaggebenden Beitrag zu der späteren Ausbildung des subjektiven öffentlichen Rechts leistete. 39

Vgl. zu den genossenschaftlichen Elementen der mittelalterlichen Ordnung z.B. W. Schlesinger ( F N 25), S. 135. 40 Siehe zum Ganzen O. Brunner (FN 4), S. 352 ff. m. Quellenbelegen und weit. Nachw. 1 Vgl. hierzu D. Wyduckel , Princeps Legibus Solutus, 1979, insbes. S. 30 ff., 48 ff., 147 ff.; H. Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970, S. 155 ff.; J. Dennert , Souveränität, 1964, S. 54 f. 2 Vgl. hierzu und zur Bedeutung der Säkularisation für die Ausbildung des modernen Staates E.-W. Böckenförde , Die Entstehung des Staates, in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42 ff. (insbes. S. 43 ff.); vgl. ferner D. Suhr, Der Staat 17 (1978), S. 369 ff. (S. 371). 3 Zur Rezeption des römischen Rechts siehe allgemein F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 97 ff.; K. Kroeschell, Rezeption, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S. 279 ff. 4 Vgl. K Kroeschell ( F N 3), S. 285 ff.

III. „Subjektive Rechte" im Absolutismus

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A l l diese Erscheinungen trugen Wesenselemente „frühmoderner" Staatlichkeit und „frühmodernen" Rechtsdenkens in die Ordnung des mittelalterlichen Gemeinwesens hinein und beeinflußten selbstverständlich auch die Entwicklung von so grundlegenden Institutionen wie des „subjektiven Rechts". Sie sind Ausdruck einer vielschichtigen Verzahnung und Überlappung der die verschiedenen Epochen der Rechtsentwicklung prägenden Vorstellungen. Derartige Überschneidungen sind keine Besonderheit des Übergangs vom Mittelalter zum Absolutismus. Denn neue Ordnungsvorstellungen setzen sich in aller Regel nicht „mit einem Schlag" durch, sondern bedürfen zumeist der Wegbereitung eines sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden zähen Kampfes einander widerstreitender Interessen und Ideen 5 ; dies umso mehr, wenn sich — wie beim Umbruch in die Neuzeit — wegen der territorialen Zersplitterung des Reiches und der zunehmenden Eigenständigkeit der einzelnen Territorien eine auf das gesamte Reich bezogene einheitliche Entwicklung ohnehin nicht nachweisen läßt. , Da es hier lediglich gilt, die Grundstrukturen und inhaltliche Ausrichtung des „subjektiven Rechts", so wie sie sich in typisierten Lebens- und Rechtsordnungen ausgebildet haben, zu erarbeiten, können „Mischformen des Übergangs" vernachlässigt werden, zumal sich die angedeuteten neuen Vorstellungen erst später in ihrer vollen Tragweite entfalteten. 1. Das subjektive Recht im Spannungsfeld von Recht und Gegenrecht Im Zeitalter des Absolutismus wurde die Rechtsentwicklung — und mit ihr auch die Entwicklung des subjektiven Rechts — entscheidend geprägt durch die Ausbildung der Kategorien „Staat" und „Souveränität". Dabei fand der Begriff „Staat" allerdings zunächst noch keine Verwendung im heutigen Sinn, sondern hatte einen zeitspezifischen und überdies während des Absolutismus keineswegs durchgehend einheitlichen6 Bedeutungsgehalt. M i t dem Begriff „Staat" wurde anfangs lediglich der Besitz- und Machtstand des Fürsten bzw. Landesherren beschrieben 7, nicht aber das politisch verfaßte Gemeinwesen. Der „Staat" bezeichnete nach der damaligen Anschauung eine „Summe von Hoheitsrechten", einen Machtapparat in den Händen des Herrschers 8; er war nicht Subjekt, sondern subjektgebundenes Objekt. 5

Vgl. zu dem ähnlich gelagerten Problem der Entstehung des „frühmodernen Territorialstaates" H. Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1,1984, S. 193 ff. und allgemein zum Problem der Periodisierung in der Geschichte H. Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, 2. Aufl., 1980, S. 1. 6 Siehe dazu oben I. 7 In diesem Sinne werden beispielsweise die Schriften Machiavellis von O. Kimminich, Verfassungsgeschichte, 1970, S. 246 interpretiert. 8 H. Ehmke, „Staat" und „Gesellschaft", in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 241 ff. (S. 246 f.). 3

Bauer

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

Der so verstandene „Staat" brauchte nur noch mit dem sich seit dem 16. Jahrhundert zunehmend auch im deutschsprachigen Raum durchsetzenden 9 Souveränitätsgedanken verbunden zu werden, um den Herrscher zum absoluten und uneingeschränkten Fürsten zu erheben. Die Souveränität des Herrschers aber ist „geradezu ein Gegenbegriflf zum subjektiven Recht: wenn einer der Partner eines ... Rechtsverhältnisses souverän wird, dann ist dieses Rechtsverhältnis als solches zerstört" 10 . Nach der Gesamtausrichtung, die Bodin der von ihm zum ersten Mal präzise formulierten 11 Souveränitätslehre gegeben hat, ist das „Gemeinwesen kein schier unüberschaubar verwickeltes Netzwerk von Rechten, Gewalten und Immunitäten mehr. ... Beschränkung der Macht ist... für Bodin nicht Souveränität... Der Souverän kann alles tun, sein Kennzeichen ist es ja, die höchste und unanfechtbare Instanz zu sein" 1 2 . Die Inanspruchnahme der Souveränität durch die Territorialherren entzog dem mittelalterlichen Geflecht „personal-relationaler" Rechtsbeziehungen die vitale Grundlage. Sie befreite den Herrscher von seinen traditionellen Bindungen und versetzte ihn in die Lage, Rechtsetzung und Machtausübung in seiner Hand zu monopolisieren 13 . Damit wurden die „alten", auf Treue und Wechselseitigkeit beruhenden Herrschaftsverhältnisse zerschnitten; der Herrscher wird aus den Gegenseitigkeitsverhältnissen herausgelöst, erhöht und strukturell der Gesamtheit der Untertanen gegenübergestellt. In diesen geänderten Vorstellungen zeichnete sich ein elementarer Wandel des subjektiven Rechts ab: A n die Stelle von abgestuften und differenzierten „Rechte- und Pflichtenverhältnissen" tritt tendenziell das „feindliche Gegenüber" von subjektiven Rechten des Herrschers auf der einen Seite und subjektiven Gegenrechten des Untertanen auf der anderen Seite. Mehr noch: Durch die absolutistische Zuhöchststellung des Fürsten werden die subjektiven Rechte des Untertanen sogar tendenziell „enteignet". Denn die in dem Souveränitätsgedanken angelegte Umgestaltung des Beziehungsverhältnisses zwischen Herrscher und Untertanen stellt den Einzelnen im Konfliktfall prinzipiell „rechtlos". Als ein die absolute Gewalt des Monarchen begrenzender Inhaber von unantastbaren subjektiven Rechten kommt er—überspitzt formuliert —nicht mehr in Betracht, weil ihm von seiner ursprünglichen Rechtsstellung nur noch die Pflicht verblieben ist, den Gesetzen, Anordnungen und Befehlen des Souveräns mit absolutem Gehorsam Folge zu leisten. Der Souveränitätsgedanke verstärkte zugleich die Tendenz zur Säkularisation des Gemeinwesens. Denn Souveränität wird „nicht von einem Dritten vermit9

Vgl. O. Kimminich ( F N 7), S. 198 ff. W. Henke , Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 11. 11 M. Stolleis, Reichspublizistik, in: Staatsdenker, 1977, S. 7 ff. (S. 13). Zur Verwendung des Souveränitätsbegriffs im Mittelalter siehe z.B. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., 1966, S. 852 m. weit. Nachw. 12 J. Dennert (FN 1), S. 58 f. 13 M. Stolleis ( F N 11), S. 13. 10

III. „Subjektive Rechte" im Absolutismus

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telt, sondern existiert aus sich selbst heraus, kraft Struktur und Eigenart der Herrschaft" 14 . Das souveräne „Zuhöchstsein" entließ den Herrscher aus der positiv-rechtlichen Bindung an göttliches Recht und Sittlichkeit, mochte sich der Souverän auch ideell der Gerechtigkeit verpflichtet fühlen und ideell an sie gebunden sein 15 . Die „alten", personalen und konkreten Beziehungen wurden durch das abstrakte Prinzip der Souveränität verdrängt 16 . Dementsprechend büßte auch das mittelalterliche Verständnis der Einheit von Recht, Gerechtigkeit und Sittlichkeit 17 seine formprägender Kraft für die Bestimmung der Rechtsbeziehungen zwischen Herrscher und Untertanen ein. Allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen, denen nach der mittelalterlichen Volksanschauung bei der Festlegung der Inhalte der „Rechte- und Pflichtenverhältnisse" mitentscheidende Bedeutung zukam, konnten im positiven Recht des absolutistischen Gemeinwesens keine Verbindlichkeit mehr beanspruchen. Das durch den Souveränitätsanspruch des Fürsten und die Verweltlichung des Gemeinwesens gekennzeichnete Rechts- und Ordnungsgefüge des Absolutismus bedurfte einer neuen Legitimation und fand sie in dem frühen vernunftrechtlichen Naturrecht, insbesondere in den Lehren von Bodin und Hobbes 18. Diese Naturrechtslehren basieren auf geänderten Vorstellungen über das Beziehungsverhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft. So sehr sich nämlich die Stellungnahmen der Autoren des frühen verweltlichten Vernunftrechts im einzelnen auch unterscheiden, so sehr stimmen sie doch darin überein, daß sie das Gemeinwesen auf der Grundlage einer „individualistischen Konstruktion" errichten: „nicht von einer überindividuellen Ganzheit aus, sondern aus dem Zusammenschluß der Einzelwillen" 19 entsteht die das Volk zusammenschließende Einheit. Wurde im mittelalterlichen Denken die Gemeinschaftsgebundenheit des Einzelnen noch besonders akzentuiert, so widmet sich das neuzeitliche Vernunftrecht mit besonderer Sorgfalt dem „Gesellschafts-", „Vereinigungs-" oder „Unterwerfungsvertrag", in dem sich das Individuum seiner natürlichen Freiheit weitgehend begibt und der absoluten Gewalt des Herrschers unterstellt 20 . 14

Vgl. H. Quaritsch ( F N 1), S. 253. Vgl. dazu allgemein E.-W. Böckenförde (FN 2), insbes. S. 54 ff. und O. Brunner, Gottesgnadentum, in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 115 ff. 15

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Vgl. J. Bennert ( F N 1), S. 59. Dazu oben II. 18 F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 274; vgl. allgemein zum neuzeitlichen Naturrecht die Darstellung bei H. Welzel, Naturrecht, 4. Aufl., 1962, S. 108 ff. In den neueren Forschungsarbeiten zu den deutschen Naturrechtslehren wird darauf hingewiesen, daß diese Lehren bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts u.a. auf eine Entwertung der ständischen Freiheiten zielten und deshalb eher im Dienst des Ausbaues des absolutistischen Staates standen; siehe dazu z.B. B. Pieroth, Jura 1984, S. 568 ff. (S. 571) m. weit. Nachw. 17

19 Vgl. U. Häfelin, Rechtspersönlichkeit, 1959, S. 60; vgl. auch R. Schnur, Individualismus und Absolutismus, 1963, S. 15, 76 ff.



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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

Ungeachtet der unterschiedlichen Vorstellungen über den Menschen als ein positives oder — wie bei Hobbes — als ein „dynamisch-gefahrliches Wesen" 21 liegt dieser Konzeption ein Menschenbild von ursprünglich vereinzelten Individuen zugrunde. Gewiß wurde bei manchen Naturrechtslehrern die soziale Komponente — etwa in der Form des „appetitus societatis" bei Grotius oder der „imbecillitas" und „societatis" bei Pufendorf als Beweggrund für menschliche Gesellung 22 — stärker ausgezogen; dies ändert aber nichts daran, daß sich das Gemeinwesen auf ursprünglich isolierten und vereinzelten Individuen aufbaut, mag der Einzelne teilweise auch noch nicht als „asozial-egoistisch" 23 verstanden worden sein. M i t dieser Gesamtausrichtung sprachen die Naturrechtslehren bereits jene „Freiheit des Individuums" an, die im Deutschland des ausgehenden Absolutismus in eine Kampfstellung gegen den „Staat" gebracht werden sollte und seither eines der beherschenden Themen der Grundrechtsdiskussion ist. M i t der Souveränität, der Säkularisation des Gemeinwesens und dem frühen vernunftrechtlichen Naturrecht sind maßgebliche Antriebskräfte der absolutistischen Neuordnung des Rechtsgefüges erarbeitet. Sie veranschaulichen, daß sich zu Beginn des Absolutismus auf — wie man heute vielleicht sagen würde — „verfassungstheoretischer Ebene" eine grundlegende Neuorientierung in dem Beziehungsverhältnis zwischen Herrscher und Untertan, zwischen Einzelnem und Gemeinschaft ankündigte, die auch für das grundsätzliche Verständnis des subjektiven Rechts nicht ohne Auswirkung sein konnte. Dennoch wäre es zumindest voreilig, wollte man allein aus den sich wandelnden theoretischen Anschauungen zwingende Rückschlüsse auf die Ausformung des subjektiven Rechts in der Rechtswirklichkeit ziehen 24 . Einem solchen Vorgehen würden aus mehreren Gründen Bedenken entgegenstehen: Zum einen war die Souveränitätslehre bei ihrer Rezeption im deutschsprachigen Raum gewissen Verformungen ausgesetzt und konnte sich überdies sachlich und zeitlich in den einzelnen Territorien nur unterschiedlich durchsetzen 25. Die territoriale Zersplitterung ist zum anderen auch ein entscheidender Grund dafür, daß sich in Deutschland das Auseinandertreten von weltlicher und geistlicher Ordnung nur in einem allmählichen Prozeß vollzog. Und schließlich 20

Vgl. hierzu und zum Folgenden F. Wieacker ( F N 18), S. 268 f. Vgl. H. Welzel ( F N 18), S. 116 f. 22 Siehe dazu wiederum H. Welzel ( F N 18), S. 123 ff. (S. 126) und S. 130 ff. (S. 139). 23 F. v. Hippel , Aufbau und Sinnwandel, 1957, S. 44 f. F N 34. Vgl. dazu auch H. Maier , Ältere deutsche Staatslehre, 1966, S. 14 f.; ders ., Rechtsstaat und Grundrechte, 1966, S. 11 ff. (S. 11 f.). 24 E. Forsthoff, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 1967, S. 37 weist zutreffend daraufhin, daß die politischen Theorien des Absolutismus für sich allein genommen nicht geeignet seien, die Verfassungsentwicklung zu erfassen. Nicht unproblematisch deshalb z.B. G. Kohlmann, Das subjektiv-öffentliche Recht, 1964, S. 13. 25 Vgl. C.-F. Menger, Verfassungsgeschichte, 4. Aufl., 1984, S. 30 ff., 54 ff. und T. Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973, S. 162 ff. 21

III. „Subjektive Rechte" im Absolutismus

37

hat das deutsche Naturrechtsdenken in der gesamteuropäischen Entwicklung einen durchaus eigenständigen Beitrag geliefert; ihm geht — wie vor allem von H. Maier betont wurde — „die Schärfe der Gegenüberstellung zum Staat, sei es von einer ständischen, religiösen oder individualistischen Basis aus, fast ganz" ab 2 6 . 2. Erscheinungsformen Die Ambivalenz des mehr theoretischen Befundes spiegelt sich in der Rechtswirklichkeit wider. In ihr treten zwei Grundformen des subjektiven Rechts in Erscheinung, von denen die eine durch absolutistische Vorstellungen geprägt ist und bereits in ersten Ansätzen auf spätere Problemstellungen des 19. Jahrhunderts verweist, während die andere noch den mittelalterlichen „Rechteund Pflichtenverhältnissen" verbunden ist: Das durch das neue Staats- und Rechtsverständnis geprägte subjektive Recht entwickelte sich — aus der Sicht des Einzelnen — zunehmend zum isolierten Gegenrecht. Das absolutistische Denken wurde ja früher sogar verbreitet zum Anlaß dafür genommen, um dem Untertanen im Verhältnis zur Staatsgewalt jegliche subjektive Rechtsstellung abzusprechen 27. Demgegenüber ist in jüngeren Forschungsarbeiten zutreffend darauf hingewiesen worden, daß die Praxis des Absolutismus in aller Regel zahmer war als die Postulate von manchem seiner extremen Theoretiker: Rechtsbindungen bei der Ausübung der „Staatsgewalt" ergaben sich insbesondere aus naturrechtlichen Grundsätzen, dem Reichsrecht, den Landesverfassungen und den „Rechten des Einzelnen" 28 . Die rechtliche Bindung „staatlicher" Gewaltausübung durch die „Rechte des Einzelnen" gab dem subjektiven Recht eine spezifische Prägung. Da man die „Rechte des Untertanen" prinzipiell als Schranke für die Ausübung der landesherrlichen „Gewalt" ansah 29 , wurde das Beziehungsverhältnis zwischen Landesherren und Untertanen zunehmend spannungsgeladen; in seinen Mittelpunkt rückte das „feindliche Gegenüber" von Rechten des Landesherrn und Gegenrechten des Untertanen. Sicherlich gab es auch im Zeitalter des Absolutis26

H. Maier, Ältere deutsche Staatslehre, 1966, S. 9 ff. (Zitat: S. 12). In diesem Sinne z.B. G. Kohlmann ( F N 24), S. 13; H. Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. II, 1966, S. 234; E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 22 f., 40 f. und wohl auch W. Henke (FN 10), S. 11: „Der souveräne Fürst nahm die volle Verfügungsgewalt über die Rechte seiner Untertanen in Anspruch". 28 So z.B. H.-U. Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 24 ff. Vgl. auch W. Rüfner, Verwaltungsrechtsschutz, 1962, S. 25 ff.; G.-C. v.Unruh, Subjektiver Rechtsschutz, 1969, S. 2; ders., Polizei, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 1,1983, S. 388 ff. (S. 404); N. Achterberg, DÖV 1979, S. 737 ff. (S. 738); W. Rüfner, Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 ff. (S. 909 f.). Vgl. zu den „rechtsstaatlichen Anfangen im preußischen Absolutismus" allgemein auch D. Merten, DVB1. 1981, S. 701 ff. 29 H.-U. Erichsen ( F N 28), S. 39 f. m. weit. Nachw. 27

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1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

mus eine Fülle von landesherrlich gewährten oder durch Vereinbarung zwischen Landesherrn und Untertanen begründeten Rechten, zahlreiche Privilegien, Gerechtsame usw.. Für die weitere Rechtsentwicklung bestimmend blieb aber das Spannungsverhältnis zwischen den landesherrlichen Rechten „von oben" und den subjektiven Gegenrechten des Einzelnen „von unten". Charakteristisch hierfür ist die Konfrontation der landesherrlichen Rechte mit den iura quaesita der Untertanen. Der Begriff „iura quaesita" dient gemeinhin als Sammelbezeichnung für subjektive Rechte unterschiedlichster A r t 3 0 . Zu ihnen werden u.a. solche Rechte gezählt, die vertraglich zwischen Landesherrn und Untertanen vereinbart wurden, Rechte, die auf Privilegien oder besonderen Rechtstiteln beruhten, sowie das Eigentum und — als Objekt des Eigentums — die Gesamtheit der Vermögenswerten Rechte 31 . I m Absolutismus kam den iura quasita vor allem deshalb eine Schlüsselrolle zu, weil sie der Ausübung der Herrschaftsrechte entgegengehalten wurden. In dem Streit über die rechtliche Tragweite der wohlerworbenen Untertanenrechte entschied sich also die Frage, ob und inwieweit der landesherrlichen „Gewalt" im Verhältnis zu den Herrschaftsunterworfenen Grenzen gesetzt sind 3 2 . Und in diesem Streit tritt zugleich die „neue" Funktion des subjektiven Rechts ins Blickfeld: die Funktion des subjektiven Rechts als „Gegenrecht" oder — auf moderne Denkkategorien übersetzt — als „Schranke staatlicher Gewaltausübung"; die spätere „Abwehrfunktion" des subjektiven öffentlichen Rechts beginnt hier zu keimen. Noch war die Zeit für deren endgültige Entfaltung allerdings nicht reif. Denn das Verhältnis Herrscher-Untertan wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein noch nicht durch das Prinzip „umfassende staatliche Gewalt versus individuelle Freiheit", sondern durch Recht und Gegenrecht bestimmt 33 . In diesem Beziehungsverhältnis nahm zeitweise die „Erweiterung der Staatsaufgaben" eine zentrale Stellung ein 3 4 : Der absolutistische Herrscher beschränkte sich ja nicht nur darauf, Frieden und Recht zu bewahren; er förderte vielmehr auch die allgemeine Wohlfahrt. Die Beförderung des Gemeinwohls ermöglichte es ihm, seine „Machtsphäre" immer weiter auszudehnen und befugte ihn im Konfliktfall sogar zu Überwindung von wohlerworbenen Rechten 35 . Die „Bestands30

D. Pirson , Stichwort „Jura Quaesita", in: HRG, Bd. 2, 1978, Sp. 472 ff. (Sp. 472). Die Frage, welche Rechtspositionen im einzelnen zu den wohlerworbenen Rechten gerechnet wurden, wird teilweise unterschiedlich beantwortet. Vgl. dazu H.-U. Erichsen ( F N 28), S. 42 ff.; W. Rüfner, Verwaltungsrechtsschutz, 1962, S. 25 ff.; H. Magerl , Verwaltungsrechtsschutz, 1965, S. 30 f. Nach Ansicht von W. Henke (FN 10), S. 12 wurde auch die natürliche Freiheit zu den iura quaesita gerechnet, was von H.-U. Erichsen , aaO, S. 43 F N 126 in Abrede gestellt wird. Vgl. zu dieser Kontroverse auch M. Rott , Das verwaltungsrechtliche subjektive Recht, 1976, S. 88 F N 100. 31

32

D. Pirson (FN 30), Sp. 473. Vgl. zu der uneinheitlichen und teilweise bereits auf die souveräne Staatsgewalt abhebenden Begründung der Hoheitsrechte im gemeinen deutschen Staatsrecht am Ende des 18. Jahrhunderts E.-W. Böckenförde , Gesetz, 2. Aufl., 1981, S. 53 ff. 33

34

Vgl. hierzu und zum Folgenden H.P. Bull , Staatsaufgaben, 2. Aufl., 1977, S. 20 f.

III. „Subjektive Rechte" im Absolutismus

39

kraft" der Untertanenrechte war dadurch erheblich relativiert. Schon O. v.Gierke geißelte deshalb den Satz „salus publica suprema lex est" als eine „bequeme Handhabe, um über jeden Rechtsbruch hinwegzuhelfen" 36 . Die Relativierung der Untertanenrechte wurde noch verschärft durch das — nach Zeit und Raum unterschiedlich stark ausgeprägte — Bestreben der Landesherrn, die Ausübung ihrer Herrschaftsbefugnisse der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen. Seit der Abschaffung älterer „Rechtschutzformen" wie etwa der mittelalterlichen Rache, Fehde und Selbsthilfe durch das „staatliche Gewaltmonopol" 37 wuchs nämlich dem Gerichtschutz entscheidende Bedeutung für die Verwirklichung oder Verteidigiung der subjektiven Untertanenrechte zu: der Einzelne wurde zur Feststellung und Durchsetzung seiner subjektiven Rechte an die Gerichte verwiesen. Bis zum Untergang des Reiches wurde ein derartiger Rechtsschutz bei behaupteter Verletzung von wohlerworbenen Untertanenrechten zwar grundsätzlich vor allem durch die Reichsgerichtsbarkeit gewährleistet, die dabei auch über Streitigkeiten entschied, die nach heutigem Verständnis dem öffentlichen Recht zugeordnet würden 38 . Aus rechtstatsächlicher Sicht darf diese Rechtsschutzmöglichkeit jedoch nicht allzu hoch veranschlagt werden, weil die Effektivität der Reichsgerichtsbarkeit in der Rechtspraxis aus verschiedenen Gründen 39 insbesondere zum Ende des Reichs hin eher gering war. Auch hierin kann eine Weichenstellung für die spätere Konzeption des „subjektiven öffentlichen Rechts" gesehen werden. Sobald ein wirksamer Rechtsschutz durch die Gerichte nicht mehr gesichert ist, steigert sich nämlich die mehr prozessuale Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts zu einem Kernproblem dieser Rechtsfigur; die im 19. Jahrhundert anzutreffende Verklammerung von prozessualen und materiellen Elementen im Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts wäre dann bereits im ausgehenden Absolutismus vorgezeichnet. Von der damaligen Staats- und Rechtslehre wurden jenseits der allgemeinen Zurückdrängung der Untertanenrechte für das Spannungsverhältnis zwischen 35

O. v.Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 1,1868, S. 642 ff. Vgl. zur Fernwirkung der „absolutistischen Vergangenheit des Gemeinwohlbegriffs" auf das heutige Recht z.B. P. Häberle, Öffentliches Interesse, 1970, S. 25 f. und W. Leisner, DÖV 1970, S. 217 ff., der noch heute Normen, in denen pauschal auf das öffentliche Interesse abgestellt wird, als „trojanische Pferde des Rechtsstaates" bezeichnet (S. 223). 36

AaO (FN 35), S. 643. Vgl. dazu D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 32 ff. 38 Siehe dazu z.B. W. Rüfner (FN 31), S. 27 f. und M. Bullinger, Öffentliches Recht, 1968, S. 29, 31. 39 Genannt werden u.a. die räumliche Beschränkung der Reichsgerichtsbarkeit, Schikanen, mit denen die Landesherren ihre Untertanen von der Anrufung der Reichsgerichte abzuhalten versuchten, die Langwierigkeit der Prozesse und die geringe Durchsetzbarkeit der Entscheidungen des Reichskammergerichts und des Reichshofrats. Siehe hierzu z.B. M. Seilmann, Der Weg zur neuzeitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. 1, 1963, S. 25 ff. (S. 33 ff.). 37

40

1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

den Herrschaftsrechten und den iura quaesita aber auch Lösungen entwickelt, die bis heute nachwirken. Paradebeispiel für diesen Konflikt ist die Kollision von dem in der Praxis bedeutsamsten Mittel zum Eingriff in wohlerworbene Rechte, nämlich dem dominium bzw. ius eminens und den iura quaesita. Diese Kollision wurde zwar von den einzelnen Autoren unterschiedlich gelöst 40 ; jedenfalls im ausgehenden Absolutismus setzte sich aber die Auffassung durch, daß die Ausübung des ius eminens unter dem Vorbehalt entsprechender „utilitas et necessitas publica" steht, also an Voraussetzungen gebunden ist, die an das heutige Verhältnismäßigkeitsprinzip erinnern 41 . Außerdem wurden in dem Bemühen, das Spannungsverhältnis zwischen den iura quaesita und der auf Förderung des Gemeinwohls ausgerichteten Herrschaftsausübung auszugleichen, auch die Grundsteine für die neuzeitliche Enteignungslehre gelegt 42 ; eine frühe gesetzliche Anerkennung dieser Grundsätze findet sich in §§ 74 und 75 der Einleitung zum preußischen A L R . Richtungsweisend war der Konflikt zwischen Herrscher- und Untertanenrechten auch noch in einer anderen Hinsicht. Er machte nämlich bewußt, daß sich nur „der Inhaber einer besonderen, der Privatrechtsordnung überlegenen Rechtsmacht" über die in eben jener Ordnung verankerten iura quaesita hinwegsetzen kann 4 3 . Dies legte es nahe, sich auf den publizistischen Charakter des Herrscheramts zu besinnen, die zunächst noch aus dem Mittelalter herüberreichende „Einartigkeit" des Rechts 44 aufzubrechen, die Gesetzgebungs- und Anordnungsbefugnisse des Herrschers im ius publicum zu verorten 4 5 und als obrigkeitliche Befugnisse dem ius privatum überzuordnen. Dadurch wurde es möglich, die Ausübung der Hoheitsrechte „von rechtlichen Bindungen zu befreien und die ihnen entgegenstehenden Positionen des Bürgers entsprechend zu schwächen" 46 . Bei globaler Betrachtung entstand also eine Hierarchie zwischen öffentlichem und privatem Recht 47 : so wie der Herrscher Souveränität über die Gesellschaft beanspruchte, forderte das öffentliche Recht Priorität gegenüber dem Privaten; Privat ist „das vom Öffentlichen gerade nicht okkupierte Terrain" 48 . In diesem Verständnis zeichnete sich bereits in ersten Ansätzen die spätere kategoriale Trennung von öffentlichem und privatem 40 41 42 43 44

D. Pirson Vgl. dazu D. Pirson D. Pirson

( F N 30), Sp 472. H.-U. Erichsen (FN 28), S. 47. ( F N 30), Sp. 474. ( F N 30), Sp. 473.

M. Seilmann (FN 39), S. 32. Vgl. M. Bullinger (FN 38), S. 29, 31 und H.-J. Feist , Die Entstehung des Verwaltungsrechts, 1967, S. 12. 46 M. Bullinger ( F N 38), S. 31. 47 So D. Grimm , Zur politischen Funktion, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, S. 224 ff. (S. 227 f.). 48 D. Grimm ( F N 47), S. 228; vgl. dazu jetzt auch ders ., Stichwort „Öffentliches Recht I I " , in: HRG, Bd. 3, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1202 f.). 45

III. „Subjektive Rechte" im Absolutismus

41

Recht ab: Das ius publicum mutiert zum „Recht der einheitlichen und umfassenden Staatsgewalt", in dem einseitig angeordnet, befohlen und gehorcht wird — das ius privatum wird zum Hort der wohlerworbenen Rechte Privater, denen sich die natürliche Freiheit im ausgehenden Absolutismus annähert 49 . Der Grundkonzeption nach erscheint das öffentliche Recht als „Subordinationsrecht" 50 , das den Einzelnen tendenziell in die Stellung eines „rechtlosen" Untertanen zwingt, das private Recht dagegen als der Bereich, in dem der Einzelne Rechtsperson, Träger und Inhaber von subjektiven Rechten ist. Die späteren Schwierigkeiten der konstitutionellen Staats- und Rechtslehre, die gedanklich in das Zivilrecht abgedrängte Rechtsfigur des (gerichtsgeschützten) subjektiven Rechts im öffentlichen Recht heimisch zu machen 51 , finden hier eine frühe Erklärung. Der skizzierte Wandel des subjektiven Rechts (der Einzelnen) zum „Gegenrecht" entsprach dem absolutistischen Staats- und Rechtsdenken. Obwohl in die Zukunft weisend, markiert er allerdings nur eine Grundform der damaligen subjektiven Rechte. Denn so wie man in jüngerer Zeit ganz allgemein das „Nichtabsolutistische im Absolutismus" betont 5 2 , so haben die absolutistischen Anschauungen auch die ältere Grundform des „Rechte- und Pflichtenverhältnisses" und die damit verbundenen Vorstellungen nicht völlig verdrängt, sondern teilweise nur überformt und in den Hintergrund treten lassen. Die ältere Form des subjektiven Rechts klingt beispielsweise in den korporativen Libertäten, also etwa in den ständischen, regionalen, städtischen, kirchlichen und ähnlichen Freiheiten an, von denen ganz Europa noch zum Ausgang des Absolutismus „übersät" 53 ist. In den Vereinbarungen über die „iura et libertates", die teilweise sogar als „Vorläufer und Schrittmacher der gewöhnlich nur naturrechtlich begründeten öffentlichen Rechte der Untertanen" 54 bezeichnet wurden und die nicht allein den Ständen zugute kamen 55 , wurde für den Fall der Rechts- oder Freiheitsverletzung vielfach das Erlöschen der ständischen Pflichten und insbesondere auch der Gehorsamspflicht ausdrücklich angespro49

Vgl. W. Rüfner (FN 31), S. 42 ff. Zum Verhältnis von natürlicher Freiheit und wohlerworbenen Rechten siehe auch bereits oben F N 31 m. weit. Nachw. 50 Die Deutung des öffentlichen Rechts als „Subordinationsrecht" wirkt noch heute bei der Abgrenzung der Anwendungsbereiche von öffentlichem und privatem Recht in der sog. Subjektionstheorie nach; vgl. dazu die kritischen Bemerkungen von M. Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384 ff. (S. 391 f.). 51 Dazu unten Zweiter Abschnitt, I I I , 1. 52 Vgl. G. Oestreich, Strukturprobleme, in: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969, S. 179 ff. (S. 183). 53 So K. v.Raumer, Absoluter Staat, in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 173 ff. (S. 183). 54 G. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, 1968, S. 25; vgl. auch O. Hintze, H Z 143 (1931), S. 1 ff. (S. 8). 55 Vgl. zur „organisatorischen Freiheitssicherung" durch die Einbindung des Einzelnen in Rechtskreisen auch W. Leisner, Grundrechte, 1960, S. 3 ff.

42

1. Abschnitt: Vorläufer des subjektiven öffentlichen Rechts

chen 56 . In ihnen lebten das ältere Freiheitsverständnis und der Gedanke des durch Gemeinschaften geschützten Einzelnen fort, bis ständische Abkapselung und ständisches Kastendenken die verbandsgesicherte Garantie persönlicher Freiheit nach innen entwerteten. Damit blieb zugleich die für die ältere Sozialordnung ganz allgemein kennzeichnende57 Vorstellung von der Eingebundenheit des Einzelnen in größeren und kleineren Gemeinschaften sowie der eng damit verbundene Zusammenhang von Rechten und Pflichten 58 lebendig. Jedenfalls zeitweise lebte die mittelalterliche Bauform des subjektiven Rechts außerdem auch im Reich fort. Exemplarisch hierfür ist ein von G. Oestreich mehrfach mitgeteiltes Ereignis aus dem Jahr 1671. Damals verweigerte der Kaiser einem Reichstagsbeschluß, mit dem die Steuergewalt der Reichsstände über ihre Untertanen ausgedehnt werden sollte, die Zustimmung, und zwar mit der Begründung, daß „er einen jeden, ,so er rechtmäßig hergebracht, gerne vergönne, auch dabei zu schützen und schirmen erbietig sei'" 5 9 . Die darin ausgesprochene und an die mittelalterlichen Rechte- und Pflichtenverhältnisse erinnernde Schirm- und Schutzverpflichtung wurde „von keinem Reichsoberhaupt verleugnet oder aufgegeben, wenn auch nicht stets erfüllt" 6 0 . Diese Beispiele dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die älteren „Rechte- und Pflichtenverhältnisse" insgesamt im Absterben begriffen waren. A m Ende hatte das absolutistische Staats- und Rechtsdenken die Weichen in eine andere Richtung gestellt, nämlich zum isolierten subjektiven öffentlichen Recht des Untertanen.

56

Vgl. W. Näf, Frühformen des „modernen Staates", in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 101 ff. (S. 113) und G. Oestreich ( F N 54), S. 27. 57 Vgl. allgemein W. Conze, Sozialer und wirtschaftlicher Wandel, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 19 ff. (insbes. S. 25 f.) und H. Böhme, Prolegomena, 8. Aufl., 1981, S. 13: „Das Individuum galt als Mitglied einer,Familie', der staatlichen Organisation, mit dem Souverän als fürsorgendem Landesvater an der Spitze der ,respublica sive societatis civilis 4 ". Vgl. zum Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts auch H. Conrad , Individuum und Gemeinschaft, 1956 und ders., Das Allgemeine Landrecht, 1965, S. 21 ff. 58

Zu den Nachwirkungen der für die ältere Sozialordnung charakteristischen „Zweiheit von Anspruch und Leistung, Recht und Pflicht" bis hin zum preußischen A L R siehe H. Maier , Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl., 1980, S. 72 f. 59

G. Oestreich , Reichsverfassung, in: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969, S. 235 ff. (S. 238); ders., Die verfassungspolitische Situation, ebenda, S. 253 ff. (S. 265). 60 G. Oestreich , Reichsverfassung, in: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969, S. 235 ff. (S. 238).

Zweiter Abschnitt

Der Kampf um das subjektive öffentliche Recht im 19. Jahrhundert Wenn bislang von „subjektiven Rechten" die Rede war, so handelte es sich dabei um kein besonderes Phänomen des öffentlichen Rechts, sondern um subjektive Berechtigungen und Verpflichtungen älterer A r t 1 . Diese älteren Formen des subjektiven Rechts mußten mit dem grundlegenden Umbau des gesamten Rechts- und Ordnungsgefüges im 19. Jahrhundert zwangsläufig problematisch werden: I m Verlauf des 19. Jahrhunderts setzt sich nämlich die Auffassung durch, daß der Staat als juristische Person verstanden werden müsse; als juristische Person wird er zum Träger der Souveränität und zum Bezugspunkt der (öffentlichrechtlichen) Rechtsbeziehungen2. Grundlage dieses Staates sind die Verfassungen der konstitutionellen Monarchie, die einerseits mit dem monarchischen Prinzip politisch auf die Perpetuierung absolutistischer Vorstellungen zielen3 und andererseits mit der Gewährung von sog. „Freiheitsrechten" den Weg zu der vielberufenen „individuellen Freiheit vom Staat" sowie zur Entwicklung rechtsstaatlicher Prinzipien ebnen. Der Staat des 19. Jahrhunderts ist zugleich ein weitestgehend säkularisierter Staat 4 ; durch seine Gesamtausrichtung auf die weltliche Ordnung verliert er den Kontakt zu den ideellen Grundlagen des Gemeinwesens und unterstützt damit die Ausbildung des Rechtspositivismus, der seinerseits das staatlich gesetzte objektive Recht in den Mittelpunkt Juristischer" Betrachtung rückt. Und in eben diesem objektiven Recht wird im 19. Jahrhundert mit der Spaltung der Rechtswege vom Prozeßrecht her ein entscheidendes Datum für die — freilich auch durch andere Strömungen vorangetriebene — kategoriale Trennung von öffentlichem und privatem Recht gesetzt5.

1

Vgl. oben Erster Abschnitt, I. Vgl. E. Forsthoff \ Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 13 f. 3 Dazu z.B. H. Boldt , Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975, S. 27 ff. und Z). Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 76 ff. 2

4

Vgl. dazu allgemein E.-W. Böckenförde , Die Entstehung des Staates, in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42 ff. (S. 55 ff.). 5 Siehe dazu an dieser Stelle nur M. Bullinger , Öffentliches Recht, 1968, S. 37 ff. (insbes. S. 49 ff.).

44

2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

Unter diesen gewandelten „Rahmenbedingungen" erscheint das Problem des subjektiven Rechts in einem völlig anderen Licht 6 . Erst jetzt macht insbesondere die Frage nach einem vom subjektiven Privatrecht abgesetzten und unabhängigen spezifischen subjektiven Recht des öffentlichen Rechts eigentlich Sinn. Sie wird von den einzelnen Autoren des 19. Jahrhunderts kontrovers beantwortet 7 . In diesem „ K a m p f um das subjektive öffentliche Recht werden noch einmal alle jene staatstheoretischen, staatsrechtlichen und einfach-rechtlichen Problemfelder sichtbar, in die das subjektive Recht eingebettet ist 8 . A m Ende dieser Auseinandersetzung steht um die Jahrhundertwende das moderne subjektive öffentliche Recht, also diejenige Erscheinungsform des subjektiven öffentlichen Rechts, die trotz der an ihr geübten Kritik und ungeachtet aller zwischenzeitlichen Modifikationen in wesentlichen Punkten bis heute maßgebend geblieben ist. Die Stellungnahmen der einzelnen Autoren des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts können und brauchen hier nicht im Detail nachgezeichnet werden. Dies zum einen deshalb, weil das subjektive (öffentliche) Recht schon damals zu den umstrittensten Rechtsfiguren zählte und die mit ihm aufgeworfenen Einzelprobleme lange Zeit nicht selten von Autor zu Autor unterschiedlich gewürdigt wurden 9 . Zum anderen aber auch deshalb, weil die Rechtsentwicklung in dem gesamten Zeitraum keineswegs von einer einheitlichen Grundströmung bzw. nur einem Leitgedanken geprägt war; sie wurde vielmehr von einer Vielzahl von gleich- und gegenläufigen Faktoren getragen, die teilweise noch auf frühere Epochen zurückverweisen und überdies nach Zeit und Raum verschieden stark wirksam waren 10 . Statt einer umfassenden Darstellung des damaligen 6

Vgl. etwa H. Schrimpf.\ Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (insbes. S. 60 ff.). Die unterschiedlichen Positionen werden u.a. von K. v. Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff. (S. 183 ff.), G. Jellinek , System, 2. Aufl., 1905, S. 3 ff. und F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 62 ff. (teilweise allerdings nur kursorisch) dargestellt. 8 Als Beleg für die „Tiefe" und „Weite" des damaligen Problemverständnisses kann an dieser Stelle ein Hinweis auf G. Jellinek ( F N 7) und T. Dantscher v.Kollesberg , Die politischen Rechte, 1888 genügen. Beide Autoren widmen sich zunächst eher allgemeingrundsätzlichen Fragen des öffentlichen Rechts, bevor sie sich konkreten Fragen des subjektiven öffentlichen Rechts zuwenden, nämlich dem „Problem des öffentlichen Rechts" und der „rechtlichen Natur des Staates" {Jellinek) sowie allgemeinen Fragen der modernen Staatslehre (Dantscher v.Kollesberg). Grundfragen der Staatslehre bilden auch den Ausgangspunkt der für die weitere Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts grundlegenden Schrift „Über öffentliche Rechte" von C.F. v.Gerber (1852). Demgegenüber ist der Zusammenhang zwischen dem subjektiven öffentlichen Recht und dessen „metajuristischen" Vorbedingungen in der Habilitationsschrift von O. Bühler (Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914), welche die Entwicklung bis in die Gegenwart am nachhaltigsten beeinflußte, kaum mehr sichtbar. 7

9

Vgl. dazu statt vieler O. Bühler (FN 8), S. 1 ff. Vgl. zum Problem beispielsweise R. Koselleck , Preußen zwischen Reform und Revolution, 2. Aufl., 1975, S. 23 ff., der wiederholt auf die der preußischen Kodifikationsbewegung des Spätabsolutismus innewohnende Ambivalenz hinweist, und W. v.Rimscha , Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973, S. 206, der das Recht des 10

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre

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„Meinungsstandes" und der vielschichtigen Einzelfragen werden hier wiederum nur einige der Grundlinien herausgearbeitet, die um die Jahrhundertwende zur Ausbildung des modernen subjektiven öffentlichen Rechts geführt haben 11 .

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht 1. Die dualistische Verfassungsstruktur der konstitutionellen Monarchie Die Gesamtverfassung der konstitutionellen Monarchie ist durch eine dualistische Grundstruktur gekennzeichnet1: Monarch und Volk, Staat und Gesellschaft, Exekutive und Parlament stehen einander institutionalisiert gegenüber. Ausgeprägt wurde diese dualistische Verfassungsstruktur u.a. in dem Spannungsverhältnis zwischen dem monarchischen Prinzip einerseits und den in dem überwiegenden Teil der Verfassungen des 19. Jahrhunderts enthaltenen Freiheitsverbürgungen andererseits. a) Das monarchische Prinzip Das monarchische Prinzip war als „gemeindeutscher Verfassungsgrundsatz" 2 bereits in Art. 57 der Wiener Schlußakte3 verankert. Es wurde in den verschiedensten Formulierungen in nahezu alle deutschen Landesverfassungen des 19. Jahrhunderst ausdrücklich aufgenommen oder zumindest im Wege der Interpretation in sie „hineingelesen"4. süddeutschen Frühkonstitutionalismus in Anlehnung an H. Liermann als ein „Recht zwischen den Zeiten" bezeichnet. 11 In der zeitgenössischen Literatur wurde der Anfang der wissenschaftlichen Bearbeitung des modernen subjektiven öffentlichen Rechts in „Gerbers epochemachender Schrift ,Über öffentliche Rechte, 1852'" gesehen; so O. Bühler (FN 8), S. 1. Ähnlich die Einschätzung von G. Jellinek ( F N 7), S. 4 („epochemachende Abhandlung"); vgl. auch E. Forsthoff,; Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 185 F N 2. Parallel zur Ausbildung des (modernen) subjektiven öffentlichen Rechts traten die „subjektiven Rechte" älterer Art wie etwa die wohlerworbenen Rechte in den Hintergrund des wissenschaftlichen Interesses und verloren an praktischer Bedeutung, worauf hier nur hingewiesen werden kann; vgl. etwa O. Bühler (FN 8), S. 232 f. 1 Siehe allgemein zum Wesen und zu den Verfassungsstrukturen der konstitutionellen Monarchie z.B. E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1,2. Aufl., 1967, S. 336 ff., 640 ff; Bd. I I I , 2. Aufl., 1970, S. 3 ff.; D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 76 ff.; E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 158 ff. 2 E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, 2. Aufl., 1970, S. 7. 3 Abgedruckt bei E.R. Huber, Dokumente, Bd. 1, 1961, S. 81 ff. (S. 88). 4 Sehr deutlich z.B. Titel I I § 1 der bayerischen Verfassung (1818): „Der König ist das Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den von Ihm gegebenen in der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus"; ähnlich § 5 der badischen Verfassung (1818): „Der Großherzog vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

Nach F.J. Stahl , dem „maßgebenden deutschen Staatstheoretiker der Jahrhundertmitte" 5 , hat das monarchische Prinzip vor allem die Bedeutung, die Volkssouveränität zugunsten der Fürstensouveränität abzuwehren und das parlamentarische Prinzip zugunsten der monarchischen Regierungsform zurückzuweisen 6. Bei diesem Verständnis erweist sich das monarchische Prinzip als verfassungsrechtliches Instrument der Restauration gegen revolutionäre Vorstellungen sowie gegen liberale und demokratische Forderungen: es zielte darauf, dem Monarchen eine möglichst unbeschränkte Stellung im Verfassungsgefüge einzuräumen 7. Nicht ohne Grund hat man deshalb die Frage aufgeworfen, ob einzelne deutsche Staaten trotz des Übergangs zum Verfassungsstaat „nicht doch letztlich im vorkonstitutionellen Zustande stecken geblieben" sind 8 . Das monarchische Prinzip gab der konstitutionellen Monarchie eine stark absolutistische Einfarbung 9 . Mochte der jeweilige Monarch auch nur noch als Organ des Staates in Erscheinung treten, so blieb er im exekutivischen Bereich doch in gewissem Umfang „Oberherr". Seine Stellung wurde insoweit gegenüber dem ausgehenden 18. Jahrhundert — zumal nach dem Wegfall der Reichsgerichtsbarkeit — zunächst sogar noch verstärkt 10 . Denn unter der Geltung des monarchischen Prinzips wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das auf den Monarchen zurückgeführte Verwaltungshandeln im „Subjektionsverhältnis" zunehmend der (zivil-)gerichtlichen Kontrolle entzogen 11 . Dies entsprach einer in der damaligen staatsrechtlichen Literatur verbreiteten Auffassung, wonach die Staatsgewalt nach den „Grundsätzen des allgemeinen Staatsrechts" einer richterlichen Korrektur nicht zugänglich sei 12 . Durch diese Gesamtausrichtung wirkte das monarchische Prinzip tendenziell „subjektiven Rechten" des Einzelnen, soweit sie nicht „privatrechtlich" gedacht festgesetzten Bestimmungen aus", und § 4 der württembergischen Verfassung (1819): „Der König ist das Haupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus"; sämtl. abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 3). Zur Ableitung des monarchischen Prinzips aus dem Allgemeinen Landrecht siehe E. Kaufmann , Studien, 1906, S. 42 ff. (S. 46 f.) sowie allgemein zu Wortherkunft, Ableitung und Inhalt des monarchischen Prinzips H. Boldt , Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975, S. 15 ff. und E.-W. Böckenförde , Der deutsche Typ der konstitutionellen Monarchie, in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 112 ff. (S. 114 ff.). 5

So O. Brunner , Gottesgnadentum, in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 115 ff. (S. 132). 6 Das monarchische Prinzip, 1845. 7 Vgl. H. Boldt ( F N 4), S. 34 f., 202 und D. Jesch ( F N 1), S. 79. 8 So H. Hattenhauer , Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, 2. Aufl., 1980, S. 134 zur preußischen Verfassung von 1850. 9 Die Nähe des monarchischen Prinzips zu absolutistischen Vorstellungen wurde bereits von E. Kaufmann ( F N 4), S. 4, 50 betont. 10 Vgl. W. Rüfner , Verwaltungsrechtsschutz, 1962, S. 131 ff. (insbes. S. 137). 11 Vgl. H.-U. Erichsen , Grundlagen, 1971, S. 237 ff. 12 AT. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive Recht, 1976, S. 98 f.

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre

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wurden, entgegen oder suchte zumindest deren gerichtliche Durchsetzbarkeit zu verhindern. Die Zurückdrängung subjektiver Rechte in „Verwaltungssachen", also in dem allmählich klarer konturierten Bereich des öffentlichen Rechts, war demnach bereits im monarchischen Prinzip angelegt und verdichtete sich im „einfachen Recht" in der Trennung von (justiziablen) Justizsachen und (nichtjustiziablen) Verwaltungssachen 13. Noch bei der stufenweisen Einrichtung von Verwaltungsgerichten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde deren Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz von Voraussetzungen abhängig gemacht, die sich aus einer im einzelnen variierten Kombination von enumerativen Klagezulassungen und subjektiver Rechtsverletzung zusammensetzen und die einen Teilbereich der Verwaltungssachen nach wie vor der gerichtlichen Überprüfung entzogen 14 . Damit war gleichzeitig der gerichtliche Rechtsschutz als eines der Schwerpunktthemen der späteren Auseinandersetzung über das subjektive öffentliche Recht vorgezeichnet. b) Die Freiheitsverbürgungen Das monarchische Prinzip führte allerdings nicht zu einer völlig grenzenlosen Rechtsstellung des Monarchen; der Staatsgewalt wurden vielmehr durch die in den Verfassungen des 19. Jahrhunderts überwiegend enthaltenen Freiheitsverbürgungen Zügel angelegt 15 . Soweit die staatliche Exekutivtätigkeit in den Freiheits- und Eigentumsbereich des Bürgers eingriff, wurde durch diese Verbürgungen das Beziehungsverhältnis zwischen dem Staat und den Einzelnen mit der Perspektive auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geregelt 16 . Das Gesetz wurde damit zum Bindeglied zwischen dem staatlichen Gewaltmonopol und dem Freiheitsbereich der Bürger. M i t ihm übernahm das objektive Recht eine Schlüsselstellung für das Beziehungsverhältnis zwischen dem Staat und den Bürgern. Subjektive Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat waren prinzipiell nur noch insoweit denkbar, als sie durch die Verfassungsgesetze und durch das einfache Gesetzesrecht eingeräumt wurden. Oder anders: Die subjektiven Rechte der Bürger gegenüber dein Staat wurden ihrer Begründung und ihrem Inhalt nach strikt „gesetzesabhängig"17.

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Vgl. dazu wiederum M. Rott (FN 12), S. 99 und H.-J. Feist, Die Entstehung des Verwaltungsrechts, 1967, S. 93 ff. 14 Siehe dazu im einzelnen O. Bühler, Stichwort „Verwaltungsgerichtsbarkeit", in: Wörterbuch, Bd. 3, 2. Aufl., 1914, S. 741 ff. (S. 748). 15 Vgl. H. Boldt ( F N 4), S. 34. Eingehender zur Grundrechtsentwicklung unten II. 16 Dazu H. Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 60 f.);H.-U. Erichsen (FN 11), S. 171 ff. 17 Vgl. W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 14 ff.

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

2. Der „Staat des 19. Jahrhunderts" Es wurde bereits mehrfach betont, daß die „Rechtspersönlichkeit" des Staates eine der Grundvoraussetzungen der modernen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht ist 1 8 . Denn solange sich der „Staat" noch nicht von der Person des Herrschers losgelöst und vom Objekt zum Subjekt gewandelt hatte, waren subjektive öffentliche Rechte heutigen Verständnisses nicht denkbar, weil das Beziehungsverhältnis zwischen Herrscher und Untertanen durch „personengebundene" Berechtigungen und Verpflichtungen erfaßt wurde 19 . Erst mit der Anerkennung des Staates als verselbständigter Rechtspersönlichkeit wurde es möglich, den Staat als eine abstrakte Institution zu begreifen, auf die alle öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen bezogen sind und mit der die frühere „Intersubjektivität" von Recht und Gegenrecht verloren ging 2 0 . Die Deutung des Staates als Person hat zwar eine weit über das 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition 21 . Als Grundlage des gesamten Staatsrechts setzte sie sich auf breiter Front aber erst ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts durch 2 2 . Vor allem bei den Autoren, welche die Ausbildung des modernen subjektiven öffentlichen Rechts nachhaltig beeinflußt haben, galt die „Rechtspersönlichkeit des Staates" als Grund- und Eckstein des Staatsrechtes 23. Daraus ergaben sich in mehrfacher Hinsicht Folgerungen für die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht: Zum einen machte die Staatspersönlichkeitslehre die juristische Person „Staat" zu der Bezugsgröße für das gesamte Begriffs- und Institutionensystem des Staatsrechts. Der Staat bildete „den zentralen Mittelpunkt, auf den alle Staatsrechtsbeziehungen im Sinne subjektiv-rechtlicher Verhältnisse" bezogen waren 24 . Die älteren Herrschaftsbeziehungen wurden dadurch „in — möglichst zweiseitig zu verstehende — Rechtsverhältnisse" zwischen Staat und Einzelnen umgewandelt 25 . M i t Blickrichtung auf den Untertanen ermöglichte diese Grundkonzeption die Entwicklung eines spezifischen subjektiven öffentlichen Rechts, das als ausschließlich staatsgerichtetes Recht im Staat einen Adressaten und Verpflichteten erhielt 26 . 18

E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 185 F N 2 sieht in der „Auffassung des Staates als juristischer Person" den „ersten Baustein der deutschen Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts". 19

Vgl. H. Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 60 f.) und oben Zweiter Abschnitt. Dazu wiederum H. Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. 21 Siehe dazu oben Erster Abschnitt, I. 22 Vgl. dazu z.B. D. Grimm, Stichwort „Öffentliches Recht", in: HRG, Bd. 3,1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1204 f.) und oben Erster Abschnitt, I. 23 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1919, S. 195. 24 U. Häfelin, Rechtspersönlichkeit, 1959, S. 125. 25 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 13 f. 26 E. Forsthoff ( F N 18), S. 185. 20

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre

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Zum anderen wirkte sich die Persönlichkeitslehre auch deshalb auf das Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts aus, weil die juristische Person „Staat" zunehmend als Träger der Souveränität, als Inhaber der nunmehr einheitlich und umfassend gedachten Staatsgewalt angesehen wurde 27 . Besagt nämlich Souveränität, „dass der Staat die höchste Macht besitzt, d.h. dass er höhere Macht habe, als jedes seiner Glieder und dass er selbst keiner höheren Macht unterworfen sei" 2 8 , dann wird das Beziehungsverhältnis zwischen Staat und Einzelnem im gedanklichen Ansatz gerade nicht durch wechselseitig aufeinander bezogene Rechte und Pflichten, sondern durch umfassende staatliche Gewalt und Macht geprägt 29 . Bei Licht betrachtet ist die abstrakttheoretische Grundlage dieses Beziehungsverhältnisses also trotz der teilweise gegenteiligen Äußerungen in der damaligen Literatur weniger ein allgemeines Rechtsverhältnis, sondern eher ein allgemeines Gewaltverhältnis 30 . Die Grundkategorie des allgemeinen Gewaltverhältnisses hat Konsequenzen für die theoretische Erfassung der Rechtsstellung des Einzelnen. Da „der Wille des als Persönlichkeit gedachten Staates den Willen sämtlicher Individuen gegenüber herrschend dasteht", ist die souveräne Staatsgewalt theoretisch „allmächtig" 3 1 . Dementsprechend ist die Grundbefindlichkeit des Individuums die des „status subjectionis" 32 . Stellvertretend für viele folgerte hieraus beispielsweise F. Giese, daß die Individuen „dem Willen des Staates in jeder Beziehung durchaus unterworfen und lediglich Subjekte von Pflichten (seien); irgendwelche Rechte lassen sich aus ihrer Eigenschaft als Glieder des Staatsverbandes in keinerlei Weise ableiten; subjektive Rechte, die den Untertanen aus eigener Machtvollkommenheit dem Staate gegenüber zuständen, sind deshalb undenkbar, weil der Staat das Primäre, das Recht das Sekundäre ist, folglich der Staat über der Rechtsordnung steht und keine andere ... Rechtsquelle neben sich duldet" 3 3 . Der Einzelne ist also in erster Linie Untertan, Träger von subjektiven 27 Dazu z.B. H. Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970, S. 497 ff. und E. Grabitz ( F N 1), S. 175 f. 28 G. Jellinek (FN 23), S. 197. Vgl. zum Souveränitätsverständnis der positivistischen Richtung der Staatsrechtslehre auch H. Boldt (FN 4), S. 29 f., der unter Bezugnahme auf C. Bornhak darauf hinweist, daß erst im 19. Jahrhundert die Voraussetzungen für „ein wirklich absolutes Staatsverständnis, für einen nunmehr auch »rechtlichen Absolutismus 4 " geschaffen worden seien. 29 Vgl. dazu auch das Grundverständnis des Staatsrechts von C.F. v.Gerber: Die Willensmacht des Staats ist die Macht zu herrschen. Sie heißt Staatsgewalt. Gegenstand des Staatsrechts ist das dem Staate als solchen zustehende Recht. Die Willensmacht des Staats, die Staatsgewalt, ist das Recht des Staats. Das Staatsrecht ist also die Lehre von der Staatsgewalt (Grundzüge, 3. Aufl., 1880, S. 3). 30 Vgl. dazu auch K. Hesse, Grundzüge, 14. Aufl., 1984, S. 113 f. Zu Fernwirkungen dieses Verständnisses bis in die Gegenwart siehe W. Henke, DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 624). 31 So F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 57. 32 So bei G. Jellinek, System, 2. Aufl., 1905, S. 86; vgl. dazu auch K. Hesse (FN 30), S. 113 f.

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Bauer

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

Pflichten; als Inhaber von subjektiven öffentlichen Rechten kommt er nur dann in Betracht, wenn und soweit der Staat derartige Rechte anerkennt oder einräumt 34 . Die bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein vertretene Auffassung, die Grundrechte seien keine subjektiven öffentlichen Rechte, empfing von diesem Staatsverständnis wichtiges Argumentationsmaterial 35 . Sicher läßt sich diese Konzeption auch als allgemeines Rechtsverhältnis konstruieren, als dessen Grundelemente das subjektive Recht des Staates auf unbedingten Gehorsam und die diesem Recht korrespondierende subjektive Gehorsamspflicht der Untertanen herausgearbeitet werden könnten. Das 19. Jahrhundert stellte die Weichen aber in eine andere Richtung. Dies kommt nicht zuletzt auch in der Behandlung der „Rechtsstellung" des Staates zum Ausdruck. Würde nämlich die Beziehung Staat-Untertan als Rechtsverhältnis verstanden, dann müßte an sich auch der Staat Inhaber von subjektiven öffentlichen Rechten sein, der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts also auch staatliche Ansprüche gegenüber den Untertanen erfassen. Derartige subjektive Rechte des Staates wurden zwar im 19. Jahrhundert noch verbreitet anerkannt 3 6 , aber zunehmend zweifelhaft. Bezeichnend hierfür ist eine damals umstritten gebliebene Äußerung von 0. Mayer : „Von Rechten des Staates ist ungemein viel die Rede. Die Lehrbücher wimmeln davon. Das ist die Art, wie sie die Machtfülle dieses Rechtssubjektes zum Ausdruck bringen wollen. Allein ein richtiges Verständnis der rechtlichen Allmacht des Staates wird in ihr eher ein Hindernis sehen für solche Aufzählung in Scheidemünze. Das subjektive Recht ist immer etwas Begrenztes; beim Staat aber schlägt das dahinterstehender Unbegrenzte immer durch. Doch das wird nicht anders dadurch, daß man seiner Einzelerscheinung den Namen eines Rechtes beilegt" 37 .

Was in dieser Passage formuliert wird, sind im Grunde genommen nicht mehr wechselseitige Rechte und Pflichten zwischen Staat und Einzelnem, sondern das Gegenüber von (prinzipiell „unbegrenzter") staatlicher Allmacht von oben und (prinzipiell „begrenzten") subjektiven Rechten des Untertanen von unten, mochte O. Mayer auch formal teilweise an der Figur des Rechtsverhältnisses festhalten und den Untertanen nicht völlig rechtlos stellen 38 . Eine Folgeerscheinung solcher und ähnlicher Überlegungen ist, daß der Begriff des „subjektiven 33

AaO ( F N 31), S. 57; Klammerzusatz hinzugefugt. Siehe dazu nur G. Jellinek (FN 32), S. 82: „Aus dem Wesen des Menschen ergibt sich historisch und logisch als notwendig nur die Pflicht, nicht aber das Recht gegen den Staat". 35 Zum Streit über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte siehe unten II. 3. 36 Vgl. G. Jellinek (FN 32), S. 193 ff. m. weit. Nachw.; O. Bühler , Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 6 f. und passim. 37 Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl., 1924, S. 104 ff. (Zitat: S. 104) mit zahlr. Nachw. auf die Auseinandersetzung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Weniger pointiert, in der Sache aber ähnlich in der Erstauflage, 1895, S. 104 ff. 38 AaO (FN 37). 34

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre

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öffentlichen Rechts" in der weiteren Rechtsentwicklung überwiegend nur noch für Rechtspositionen des Einzelnen gegenüber dem Staat Verwendung findet 39. Das subjektive öffentliche Recht geht also auf der Seite des Staates verloren und wird dort durch die „staatliche Allmacht" ersetzt; im übrigen erscheint es als eine isolierte Rechtsfigur, die ausschließlich zur Bezeichnung von Rechtspositionen des Einzelnen gegenüber dem Staat herangezogen wird. Es erhält dadurch eine völlig einseitige Ausrichtung, die sowohl an der Begriffsbildung („rechtlich geschützte /wJ/wV/wß/interessen") als auch an den Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts („Schutznormtheorie") abgelesen werden kann. 3. Der staatsrechtliche Positivismus und die „juristische Methode64 im Verwaltungsrecht M i t der Persönlichkeitslehre ist gleichzeitig ein anderes Phänomen angesprochen, das die Entwicklung des subjektiven Rechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinflußte, nämlich der staatsrechtliche Positivismus und die sich hieran teilweise anlehnende Juristische Methode" im Verwaltungsrecht. Denn die Deutung des Staates als juristische Person wurde von ihren Verfechtern ja verbreitet dazu benutzt, um bei der „juristischen" Betrachtung des Staates dessen „metarechtliche" Grundbedingungen und insbesondere dessen ideelle Grundlagen auszublenden40. Dementsprechend wurden der Staat und die auf ihn bezogenen Rechtsrelationen „streng rational", „juristischtechnisch" und „nüchtern" konstruiert, ohne daß auch nur ansatzweise sog. „außerrechtliche" Gesichtspunkte berücksichtigt werden mußten. Eine gewisse Wegbereitung für den Positivismus kann bereits darin gesehen werden, daß zentrale staatsrechtliche Begriffe und Institutionen des 19. Jahrhunderts nicht mehr auf eine geistige Grundlage zurückführbar sind. So hat beispielsweise O. Brunner darauf hingewiesen, daß es sich bei dem monarchischen Prinzip um eine „Formel des Staatsrechts" handle, „hinter der man nicht weiter zurückgehen kann" 4 1 . Die theoretische Rechtfertigung des monarchischen Prinzips weise regelmäßig 42 vor allem einen auf die faktische Machtstellung des Monarchen gestützten funktionalen Charakter auf. Das monarchische Prinzip diente demnach der rechtlichen Absicherung der bestehenden Macht39 Dabei ist es bis in die Gegenwart hinein geblieben; vgl. statt vieler HJ. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht 1,9. Aufl., 1974, S. 299,318 ff.; dazu eingehender unten Fünfter Abschnitt. 40 Sehr deutlich z.B. G. Jellinek ( F N 32), S. 12 ff. A u f Gegenströmungen (z.B. O. v.Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902) kann hier nur hingewiesen werden. 41 AaO (FN 5), S. 134. 42 Anders aber die religiös-philosophische Begründung des monarchischen Prinzips bei F.J. Stahl; vgl. dazu etwa E. Kaufmann ( F N 4), S. 53 ff. und T. Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973, S. 224 ff.

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

Verhältnisse und führte zu einem Monarchieverständnis, aus dem E.-W. Böckenförde folgert, daß die Monarchie keine „unauswechselbare, in sich stehende Institution" mehr gewesen sei 43 . In ähnlicher Weise entfernte sich das Staatsrecht auch in anderen Bereichen von seinen „metarechtlichen" Grundlagen, etwa mit der bereits erwähnten Staatspersönlichkeitslehre oder mit der Loslösung der in den Verfassungen des 19. Jahrhunderts „gewährten" bzw. „gegebenen" Untertanenrechten 44 von naturrechtlich-ethischen Gedankengängen 45 . A l l diese Erscheinungen sind mitursächlich dafür, daß die Staatsrechtswissenschaft „das Problem einer echten Legitimität nicht mehr kennt und daher positivistisch' w i r d " 4 6 . Hauptanliegen des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dominierenden staatsrechtlichen Positivismus war es, das Staatsrecht mit Stoßrichtung gegenüber früheren „ganzheitlichen" Betrachtungsweisen auf das „reine" Recht zurückzuschneiden; philosophische, ethische, politische, soziologische und ähnliche Überlegungen wurden bei der Abklärung juristischer Phänomene in den außerrechtlichen, „ideologischen" und deshalb rechtlich irrelevanten Bereich verwiesen 47,4®. Charakteristisch für diese „Reinigung" des Staatsrechts „von allen nichtjuristischen, bloss der ethischen und politischen Betrachtung angehörenden Stoffen" ist aus juristischer Sicht etwa das Eintreten C.F. v.Gerbers gegen „philosophische Einleitungen" des Staatsrechts, die er polemisch als „Vorspiel im philosophischen Himmel, welchem dann das Staatsrecht der Erden weit mit umso entschiedenerer ,Positivität"' nachfolge, ablehnte 49 . Dies schlägt auf das Verständnis des subjektiven Rechts durch. Insofern ist es bezeichnend, wenn bei der (rechts-)philosophischen Behandlung des subjektiven Rechts bedauert wird, daß man „den rechtsphilosophischen Versuchen entweder entgegenzuhalten" pflegt, „dass sie fruchtlos sind, weil sich aus den Allgemeinheiten der Rechtsphilosophie für die Einzelheiten der positiven Rechtswissenschaft nichts ergebe, oder, wenn letzteres doch der Fall sein sollte, dass der Philosoph unter völligem Mißverständnis des Wesens der Sache ... ein Idealrecht für alle Zeiten und Örter aufstellen wolle" 5 0 . 43

AaO ( F N 4), S. 131. Dazu eingehender unten II. 45 Vgl. G. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, 1968, S. 90 f. 40 O. Brunner ( F N 5), S. 135. 47 Vgl. dazu z.B. E.-W. Böckenförde , Gesetz, 2. Aufl., 1981, S. 211 ff.; M. Stolleis , Verwaltungsrechtswissenschaft und Verwaltungslehre, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, S. 85 ff. und P. v.Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974. 48 Trotz der behaupteten Neutralität ist die Trennung von Recht und Gerechtigkeit, die Aufgabe der kritischen Distanz zur politisch-sozialen Realität freilich „verdeckte" Parteilichkeit, weil sie die damals vorherrschenden Vorstellungen, also den status quo verteidigt (vgl. dazu D. Grimm ( F N 22), Sp. 1208 f.). So gesehen ist auch der Positivismus „Ausdruck eines sozialethischen Wertungsprinzips" (so E.-W. Böckenförde ( F N 47), S. 214). 44

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Grundzüge, 2. Aufl, 1880, S. 237 f.

I. Das staatstheoretische Umfeld der modernen Lehre

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Der staatsrechtliche Positivismus und die ähnlich ausgerichtete „juristische Methode" in dem sich nunmehr verselbständigenden 51 Verwaltungsrecht führten zu einem Rückzug der Rechtswissenschaft auf sich selbst. Dadurch wurde die Rechtswissenschaft gezwungen, die Rechtsinstitute und deren Dogmatik allein aus dem positiven Recht heraus abzuklären; „Zweck, Funktion und Bedingtheit der Rechtsinstitute liegen außerhalb ihres Begriffs" 52 und ihres Gegenstandes. Diese „Philosophie des Positivismus" 53 durchtrennte die Verbindungslinie zwischen dem Recht und dessen metajuristischen Grundlagen und Vorbedingungen. Das Recht existierte nur noch aus sich selbst heraus und gab sich der Willkür des Gesetzgebers preis; die Sensibilität für das Wesen der einzelnen Rechtsinstitute geht verloren. Dementsprechend wurden die Rechtsinstitute rein formal konstruiert, zu Begriffen ohne eigenständigen materiellen Gehalt, zur „Form ohne Prinzip" (C. Schmitt). A u f die Spitze getrieben wurde diese Position gerade auch in der Auseinandersetzung über das subjektive öffentliche Recht: „Allein das subjektive Recht des Einzelnen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts besteht ausschliesslich in der Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen" 54 . M i t der Deutung des subjektiven Rechts als „Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen", waren die ideellen Grundlagen dieser Rechtsfigur abgeschnitten. Die früher mit dem subjektiven Recht verbundenen Gerechtigkeitsvorstellungen gerieten aus dem Blickfeld, weshalb man sich mit ihnen nicht mehr auseinanderzusetzen brauchte 5 5 . Die ideellen Grundlagen des subjektiven Rechts besitzen für dessen juristisch-technische Erfassung keine Formkraft mehr; die Rechtsbeziehungen des Einzelnen werden logisch-formal erfaßt und bestehen nach Maßgabe der Rechtsordnung.

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W. Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887, S. I. Zur Entstehung des Verwaltungsrechts als eigenständiger Disziplin vgl. z.B. P. Badura, Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967 und M. Stolleis (FN 47), S. 90 ff. Speziell zur Juristischen Methode" im Verwaltungsrecht siehe A. Hueber, Otto Mayer, 1982, S. 15 ff. 52 E.-W. Böckenförde (FN 47), S. 212. 53 U. Häfelin (FN 24), S. 124. 54 G. Jellinek ( F N 32), S. 51. Noch heute wird das subjektive Recht von E. SchmidtAßmann (in: T. Maunz, G. Dürig, Grundgesetz, Stand: 1985, Rdnr. 118 zu Art. 19 Abs. 4 GG) definiert als „Rechtsmacht, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interessen in Bewegung setzen zu können". 55 Vgl. allgemein auch F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 430 ff. 51

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

II. Die Grundrechtsentwicklung Die Grundrechte werden heute nicht selten als „subjektive öffentliche Rechte par excellence"1 bezeichnet, die sich im deutschsprachigen Raum erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den frühkonstitutionellen Verfassungen einiger Territorialstaaten finden 2 . Aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee und den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben, folgert man häufig, daß die Grundrechte „ohne Zweifel ... in erster Linie dazu bestimmt (seien), die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat" 3 . Oder anders: „Nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt sind sie in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben" 4 . Diese und ähnliche Formulierungen umschreibein die sog. „klassische Abwehrfunktion" der Grundrechte, die heute im wesentlichen als der einzige gesicherte Bestandteil der im übrigen streitüberladeilen Grundrechtslehre gelten kann 5 . Danach begründen die Grundrechte primär subjektive Öffentliche „Abwehrrechte des Einzelnen gegen die Beeinträchtigung seiner Freiheits- und Eigentumssphäre durch den Staat" 6 . Leitbilder dieses Grundrechts Verständnisses sind das liberale Programm „individueller Freiheit vom Staat" 7 , die substantielle Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft 8,9 sowie die „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen" 10 . Bei sehr globaler Betrachtung mag es angemessen sein, die Bedeutung der Grundrechte in der historischen Dimension auf die sog. klassische Abwehrfunk1

O. Tschira, W. Schmitt Glaeser , Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl., 1985, S. 91. A. Bleckmann , Allgemeine Grundrechtslehren, 1979, S. 3. 3 BVerfGE 7, 19^ (204 f.); Klammerzusatz hinzugefugt. 4 BVerfGE 50, 290 (337). 5 Vgl. hierzu z.B. K Hesse, EuRGZ 1978, S. 427 ff.; C. Starck , JuS 1981, S. 237 ff. und B. Schlink, EuGRZ 1984, S. 457 ff. m. weit. Nachw. 6 A. Bleckmann (FN 2), S. 156. 7 Vgl. zum Freiheitsbegriff des 19. Jahrhunderts C. Dipper , Art. „Freiheit", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S. 488 ff. 8 Vgl. E. Grabitz , Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 178 ff. 9 Die Trennung von Staat und Gesellschaft wird überwiegend auf Hegel zurückgeführt; vgl. z.B. U.K. Preuß , Zum staatsrechtlichen Begriff des Öffentlichen, 1969, S. 83 f. und E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 21. Vgl. zu dem allmählichen Prozeß des Auseinandertretens von Staat und Gesellschaft auch M. Riedel, Der Begriff der „Bürgerlichen Gesellschaft", in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 77 ff. und E. Angermann, Das Auseinandertreten von „Staat" und „Gesellschaft", in: Staat und Gesellschaft, 1976, S. 109 ff. 10 So der Titel der posthum veröffentlichtön Jugendschrift W. v.Humboldts von 1792. 2

II. Die Grundrechtsentwicklung

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tion zu reduzieren. Jedenfalls bei einer eingehenderen Beschäftigung mit der Grundrechtsentwicklung im Deutschland des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts ist dies jedoch zu schablonenhaft. Aufs Ganze gesehen sind die Grundrechte damals weder durchgängig isolierte Rechte, noch durchgängig „staatsabwehrende" Rechte, noch durchgängig subjektive öffentliche Rechte. Die erheblich differenziertere Entfaltung der Grundrechte und der Grundrechtsidee läßt sich zeitlich im wesentlichen in zwei Phasen unterteilen, nämlich in die Zeit des Frühund die des Spätkonstitutionalismus. 1. Der Frfihkonstitutionalismus Nachdem bereits die Aufklärungskodifikationen des ausgehenden 18. Jahrhunderts „Rechte" der Bürger ausgewiesen hatten 11 , brachten die Verfassungen des Frühkonstitutionalismus erstmals die verfassungsrechtliche Anerkennung von—freilich nicht so bezeichneten12 — Freiheitsgrundrechten 13, die verbreitet als erste verfassungsrechtlich kodifizierte Vorläufer der heutigen Grundrechte im deutschsprachigen Raum angesehen werden 14 . M i t Ausnahme der württembergischen Verfassung 15 handelt es sich bei den Verfassungen des deutschen Frühkonstitutionalismus um solche, die vom Monarchen „gewährt" bzw. „gegeben" 16 wurden. Deshalb sind auch die in ihnen enthaltenen Grundrechtsverbürgungen nicht Ergebnis und Höhepunkt 11

Siehe dazu G. Kleinheyer, Art. „Grundrechte", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3,1975, S. 1047 ff. (S. 1061 ff.); speziell zu den „Grundrechten" im peußischen A L R siehe z.B. R. Koselleck, Staat und Gesellschaft in Preußen, in: Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 1962, S. 79 fT. (S. 80 f.). 12 Verfassungsurkundlich wurde der Begriff „Grundrechte" bekanntlich erstmals in der Paulskirchenverfassung verwendet. Vgl. zum Sprachgebrauch allgemein G. Kleinheyer (FN 11), S. 1047 f., 1070 ff. 13 Vgl. Verfassungsurkunde des Königsreiches Bayern (1818), Präambel und Titel IV („Von den allgemeinen Rechten und Pflichten"); Verfassungsurkunde des Großherzogtums Baden (1818), Titel I I („Staatsbürgerliche und politische Rechte der Badener, und besondere Zusicherungen"); Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg (1819), Drittes Kapitel („Von den allgemeinen Rechts-Verhältnissen der Staats-Bürger"); abgedruckt bei E.R. Huber, Dokumente, Bd. 1,1961, S. 141 ff. (S. 141,146 ff.); S. 157 ff. (S. 157 f.); S. 171 ff. (S. 173 f.). Vgl. ferner die Verfassungsurkunden für das Kurfürstentum Hessen (1831) und für das Königreich Sachsen (1831); beide ebenfalls abgedruckt bei E.R. Huber, aaO, S. 201 ff. und S. 223 ff. 14 Vgl. z.B. A. Bleckmann (FN 2), S. 3 und H. Gangl, Der Staat, Beiheft 4 (1980), S. 125 ff. (S. 127). 15 Die württembergische Verfassung unterscheidet sich von den anderen frühkonstitutionellen Verfassungen bekanntlich durch ihren „Vertragscharakter". Vgl. hierzu die Präambel der Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg (abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 13), S. 171); E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., 1967, S. 332 und W. v.Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973, S. 61 ff. 16 So die Formulierungen in den Präambeln der Verfassungen für das Königreich Bayern und für das Großherzogtum Baden; vgl. auch die Präambeln der Verfassungen für

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eines revolutionären Aufbegehrens oder Umbruchs, sondern von oben gewährte bzw. gegebene Reformwerke 17 . Schon in dieser „Rechtegewährung" bzw. ,,-gebung" von oben kommen Besonderheiten zum Ausdruck, welche die Grundrechte des deutschen Frühkonstitutionalismus — ungeachtet aller ideengeschichtlichen Verbindungen — deutlich von der Bill of Rights von Virginia 1 8 und der déclaration des droits l'homme et du citoyen abheben. Wird etwa zur französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 heute verschiedentlich die Auffassung vertreten, daß in ihr die „Bindung auch des Gesetzgebers, die Funktion der Grundrechte als Direktive für die gesamte staatliche Politik, die Integrationswirkung der Grundrechte" angesprochen sei und daß sie bereits den Gedanken enthalte, wonach „die Freiheitsrechte nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden können, das zur Durchsetzung eines öffentlichen Interesses erforderlich i s t " 1 9 , so bleiben die Rechte der deutschen Verfassungen von ihren Vorbildern „weit entfernt, auch wenn sie den gleichen Wortlaut aufweisen" 20 . Die Entstehungsgeschichte sowie die Ausformung der frühkonstitutionellen „Rechte" im Verfassungstext geben diesen eine Ausrichtung, die zugleich auch von derjenigen der späteren Grundrechte im deutschsprachigen Raum entscheidend abweicht: a) „Rechte " und „Pflichten" Anders als etwa im Bonner Grundgesetz wurden die „Grundrechte" in den Verfassungsurkunden des Frühkonstituionalismus noch nicht als isolierte Rechte positiviert, sondern in enger Verbindung mit den „Grundpflichten" 21 . So ist etwa der Grundrechtsabschnitt der bayerischen Verfassung von 1818 mit der Überschrift „Von den allgemeinen Rechten und Pflichten " versehen 22 und in der württembergischen Verfassung von 1819 ist der entsprechende Passus mit den Worten „Von den allgemeinen Rechts-Verhältnissen der Staats-Bürger" überschrieben 23 , einer Formulierung, die als Sammelbegriff für Rechte und Pflichten dient 24 . Selbst die badische Verfassung von 1818, in der in der entsprechenden das Kurfürstentum Hessen und für das Königreich Sachen; abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13). 17 Vgl. G. Kleinheyer ( F N 11), S. 1070 ff. 18 Dazu G. Stourzh , JZ 1976, S. 397 ff. 19 A. Bleckmann ( F N 2), S. 3. 20 Vgl. R. Wahl , Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. (S. 323). 21 Zur verfassungshistorischen Tradition der Grundpflichten siehe allgemein auch P. Badura, DVB1. 1982, S. 861 ff. und H. Hofmann , VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff. 22 Titel IV, abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 13), S. 141 ff. (S. 146), Hervorhebung hinzugefugt; vgl. auch die Verbindung von Recht und Pflicht in der Präambel der bayerischen Verfassung. 23 Titel III, abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 13), S. 170 ff. (S. 173), Hervorhebung hinzugefügt.

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Überschrift lediglich von den „Staatsbürgerlichen und politischen Rechten der Badener und besonderen Zusicherungen" die Rede ist 2 5 , behandelt unter diesem Titel auch Grundpflichten 26 . I n Anlehnung an diese Verfassungen lauten die entsprechenden Überschriften in den Konstitutionen anderer Territorien „Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen" 27 , „Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger" 28 , „Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Hessen" 29 oder „Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen im Allgemeinen" 3 0 ' 3 1 . Bezeichnenderweise klingt in den Verfassungstexten — wenngleich weniger deutlich — umgekehrt auch bei der Beschreibung der Position des Monarchen an, daß sich dessen Stellung im Verfassungsgefüge aus Rechten und Pflichten zusammensetzt32. In der Verbindung von Rechten und Pflichten wirken noch ältere Vorstellungen fort. Auch die ständische Gliederung des preußischen A L R war nämlich noch von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit von „Rechten und Pflichten" getragen 33 . Und selbst die Majestätsrechte wurden im preußischen A L R nur als Folge der vorangestellten Majestätspflichten begriffen, mochten letztere — nicht zuletzt unter Zuhilfenahme des monarchischen Prinzips 34 — in der Praxis des Vormärz auch unbeachtet geblieben bzw. „weginterpretiert" worden sein 35 . 24

Die staatsbürgerlichen Pflichten werden z.B. angesprochen in § 21 (u.a. verfassungsmäßiger Gehorsam); § 23 (Verteidigungspflichten); vgl. ferner §§ 27, 35. 25 Titel II, abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13), S. 156 ff. (S. 157). 26 Z.B. § 8 (Tragung der öffentlichen Lasten); § 10 (Militärdienstpflicht); vgl. hierzu auch G. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, 1968, S. 83. 27 Verfassung für das Kurfürstentum Hessen (1831), Titel I I I , abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13), S. 201 ff. (S. 203); Verfassung für das Königreich Sachsen (1831), Teil III, abgedruckt bei E.R. Huber, aaO, S. 223 ff. (S. 228); ähnlich das Grundgesetz von SachsenAltenburg (1831), Zweite Abtheilung, und das Grundgesetz von Sachsen-Meiningen (1829), Titel II: „Allgemeine Rechte und Pflichten der Unterthanen", beide abgedruckt bei K.H.L. Pölitz, Die europäischen Verfassungen, Bd. 1/1 und /2,1832, S. 855 ff. (S. 863) und S. 833 ff. (S. 834). 28 Verfassung von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1821), Zweiter Teil, abgedruckt bei K.H.L. Pölitz (FN 27), S. 806 ff. (S. 806). 29 Verfassung des Großherzogtums Hessen (1820), Dritter Teil, abgedruckt bei K.H.L. Pölitz (FN 27), S. 677 ff. (S. 678). 30 Entwurf des Staatsgrundgesetzes für das Königreich Hannover (1831), Drittes Kapitel, abgedruckt bei K.H.L. Pölitz (FN 27), S. 316 ff. (S. 319). 31 Vgl. ferner die Zusammenstellung bei G. Kleinheyer (FN 11), S. 1070 ff., der die einschlägigen Titelüberschriften allerdings unter Weglassung der Pflichtenseite zitiert. 32 Vgl. z.B. die Präambel der bayerischen Verfassung von 1818, die Präambel der badischen Verfassung von 1818 sowie die württembergische Verfassung von 1819 in ihrer Bedeutung als Wer fassungsver trag. 33 Vgl. dazu nur die Titelüberschriften des Zweyten Theils; Text bei H. Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, 1970, S. 345 ff. 34 Dazu eingehender oben 1.1.

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Sicherlich zielten auch die frühkonstitutionellen Verfassungen darauf ab, dem Individuum einen mehr oder weniger breit abgesteckten Raum freier und gesicherter Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen 36. Dennoch wurde die Diskussion über die in ihnen enthaltenen Rechte nicht allein von der Forderung nach „individueller Freiheit vom Staat" beherrscht. In ihr blieb vielmehr überwiegend der „Rekurs auf den Menschen, auf sein Wesen und seine Aufgabe (Pflichten und Rechte)" erhalten 37 ; es blieb mit anderen Worten bewußt, daß die „Menschenrechte ein allgemein sittliches Gestaltungsprinzip für Gesellschaft und Staat verkörpern" 38 . In der Konnexität von Rechten und Pflichten wirken die naturrechtlichen Sozialvertragslehren 39 nach. Sie gibt zu erkennen, daß die Gesamtbefindlichkeit des Individuums im rechtlich geordneten Gemeinwesen notwendig Rechte und Pflichten einschließt 40 . Die (spätere) „individualistische Entzweiung von Rechten und Pflichten" 41 ist im Text der frühkonstitutionellen Verfassungen also noch nicht vollzogen. Die Grundrechte der süddeutschen Verfassungen sind deshalb nicht „prinzipiell individualistisch" angelegt 42 . Sie waren keine „Ausgrenzungen" oder „Bereiche, vor denen die Staatsgewalt halt m a c h t " 4 3 , 4 4 , sondern Teil des Rechte und Pflichten umfassenden Grundverhältnisses, in das der Einzelne durch die Verfassung eingebunden ist 4 5 . Dementsprechend blieb im 19. Jahrhundert — worauf bereits mehrfach aufmerksam gemacht wurde 46 — zunächst auch das 35 Dreyzehnter Titel des Zweyten Theils (Von den Rechten und Pflichten des Staats überhaupt); Text bei H. Hattenhauer (FN 33), S. 589 f. Vgl. dazu auch E. Kaufmann , Studien, 1906, S. 32 f., 46 ff., 49 ff. 36 Vgl. G. Oestreich , Die Idee der Menschenrechte, 5. Aufl., 1974, S. 34. 37 Vgl. G. Oestreich (FN 26), S. 81 ff. (S. 86). 38 Vgl. G. Oestreich (FN 36), S. 34. 39 Vgl. zu den Zusammenhängen zwischen Recht und Pflicht im Naturrecht der Aufklärung z.B. F. Kasper , Das subjektive Recht, 1967, S. 51 ff. und zu deren Fern Wirkung auf das Recht des frühen 19. Jahrhundert H. Maier , Die Grundrechte, 1973, S. 30 ff. 40 Vgl. P. Badura , DVB1. 1982, S. 861 ff. (S. 862 f.). 41 P. Badura, DVB1. 1982, S. 861 ff. (S. 862). 42 So — allerdings von anderen Ansatzpunkten ausgehend — A. Voigt, Geschichte der Grundrechte, 1948, S. 60. 43 So aber das spätere und bis heute grundlegend gebliebene Grundrechtsverständnis; siehe dazu z.B. E. Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff. (S. 18) und oben bei F N 3 und 4. 44 Ebenso R. Wahl, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. (S. 334), der zutreffend darauf hinweist, daß sich die Ausgrenzungsvorstellung erst auf der Basis einer ausreichenden Liberalisierung des Rechts und der Gesellschaft entfalten konnte. 45 Vgl. dazu auch A. Voigt ( F N 42), S. 52 ff., der auf die Überlegungen W. v.Humboldts hinweist, „die Freiheitsrechte aus dem ,Aufeinanderangewiesensein' des Staates und des Einzelnen aus dem Geiste tätiger Humanität ethisch zu erneuern" (S. 54). 46 Z.B. W. Leisner, Grundrechte, 1960, S. 22 ff., 30 ff.; C. Starck, JuS 1981, S. 237 ff. (S. 243 f.) m. weit. Nachw. Vgl. auch D. Suhr , Der Staat 17 (1978), S. 369 ff. (S. 376), der auf

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Bewußtsein für die Problematik zwischenmenschlicher Freiheit geschärft, also für eben jene Freiheitsdimension, die heute u.a. i m Zusammenhang m i t den für das Grundgesetz wiederentdeckten „ G r u n d p f l i c h t e n " 4 7 thematisiert w i r d 4 8 . b) Die rechtliche

Tragweite der Grundrechte

A u c h jenseits ihrer E i n b i n d u n g i n ein verfassungsstaatliches (Grund-) Rechtsverhältnis zeichnen sich die frühkonstitutionellen Grundrechte durch Besonderheiten aus, die sie Von der modernen D e u t u n g grundlegend unterscheiden u n d die i n der vorherrschenden Grundrechtsgeschichtsschreibung regelmäßig ausgeblendet w e r d e n 4 9 . Thematisch ist i n den damaligen Verfassungstexten m i t wechselnden F o r m u lierungen zwar bereits ein Großteil der heutigen Grundrechte anzutreffen — i n den Grundrechtskatalogen finden sich beispielsweise der Gleichheitsgrunds a t z 5 0 , die Glaubens- u n d Gewissensfreiheit 5 1 , die Eigentumsgarantie 5 2 , die Berufs- u n d Gewerbefreiheit 5 3 , die Pressefreiheit 54 u n d auch erste Vorläufer der Anhaltspunkte für einen zwischenmenschlichen Freiheitsbegriff bei L. v.Stein hinweist. Der „Mehrdimensionalität des Freiheitsproblems" mußte damals schon allein deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil sich die liberale Freiheitsbewegung nicht nur gegen absolutistische Übergriffe des Fürsten, sondern gerade auch gegen Privilegien, ständische Vorrechte und dgl. richtete; vgl. dazu etwa K. v.Raumer, Absoluter Staat, in: Entstehung des modernen Staates, 1967, S. 173 ff. (S. 185, 199). 47 Siehe dazu V. Götz, VVDStRL 41 (1983), S. 7 ff.; H. Hofmann, VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff.; G.F. Schuppert, AöR 107 (1982), S. 614 ff.; jeweils m. weit. Nachw. 46 Dieser Aspekt der Grundpflichten wird vor allem von H. Hofmann, VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff. (S. 54 f., 68 f., 74 f., 77 ff., 83) hervorgehoben. 49 Ähnlich R. Wahl, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. (S. 334 Fti 54). 50 Angesprochen z.B. in der Präambel der bayerischen Verfassung (1818), vgl. auch Titel IV, §§ 12,13 bayerische Verfassung (1818); §§ 7, 8 badische Verfassung (1818); § 21 wüfttembergische Verfassung (1819); § 26 kurhessische Verfassung (1831); § 26 Verfassung für das "Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13). Ferner § 74 Grundgesetz von Sachsen-Altenburg (1831); Art. 10 Grundgesetz von Sachsen-Meiningen (1829); §§ 10, 19 Verfassung von Cobürg-Saalfeld (1821); Art. 30 Verfassung für das Gfößherzogtum Hessen (1820); vgl. auch III. Kapitel, § 2 Entwurf des Staatsgrundsätzegesetzes für das Königreich Hannover; abgedruckt bei K.H.L. Pölitz (FN 27). Siehe zu den Gleichheitsaspekten in den Konstitutionen des Vormärz auch G. Kleinhey er, Der Staat, Beiheft 4 (1980), S. 7 ff. (S. 17 ff.) und U. Scheuner, Die Verwirklichung der bürgerlichen Gleichheit, in: G r u n d e n d Freiheitsrechte, 1981, S. 376 ff. 51 Z.B. Titel IV, § 9 bayerische Verfassung (1818); § 18 badische Verfassung (1818); §§ 24, 27 württembergische Verfassung (1819); § 30 kurhessische Verfassung (1831); § 31 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13). 52 Z.B. Titel IV, § 8 bayerische Verfassung (18i8); § 18 badische Verfassung (1818); §§ 24,25 württembergische Verfassung (1819); §§ 31,32 kurhessische Verfassung (1831); §§ 27, 31 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 13). 53 Z.B. § 29 württembergische Verfassung (1819); §§ 27, 36 kurhessische Verfassung (1831); § 28 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber, ( F N 13).

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

„allgemeinen Handlungsfreiheit" 55 . Dennoch war aber — wie in jüngerer Zeit mehrfach nachgewiesen wurde 5 6 —die rechtliche Tragweite der frühkonstitutionellen Grundrechte vergleichsweise eher begrenzt. Als Ursachen hierfür werden u.a. genannt die jedenfalls hinsichtlich der Durchsetzbarkeit fehlende Höherrangigkeit der Verfassung, das Fehlen eines juristischen Instrumentariums zur Einlösung der Grundrechte und die für den Gesetzgeber regelmäßig lediglich programmatische Bedeutung der Grundrechte 57 . Die geringe rechtliche Wirkung der „gewährten" Grundrechte war außerdem bereits durch die Verfassungstexte selbst vorgezeichnet, in denen häufig auf grundrechtsausfüllende gesetzliche Bestimmungen verwiesen wird 5 8 . Nicht zuletzt diese Bezugnahme auf das einfache Gesetzesrecht erklärt die Besonderheiten der frühkonstitutionellen Entwicklung, welche das damalige Grundrechtsverständnis vom heutigen deutlich abhebt: Durch die Bezugnahme auf „konkretisierendes" Gesetzesrecht fehlte den Grundrechten rechtliche Bindungswirkung gegenüber der Gesetzgebung. Statt dessen erschienen die Grundrechte als Programmsätze für die künftige Gesetzgebungstätigkeit. Als solche begründeten sie inhaltliche Erwartungen an die Politik und entwarfen zukunftsbezogene Leitbilder für die weitere Rechtsentwicklung und für die Gesellschaftsgestaltung durch Rechtsänderung. Das in ihnen angelegte Programm blieb auf gesetzliche Umsetzung und Ausgestaltung angewiesen, wofür die Grundrechte Richtlinie- und Direktivfunktionen übernahmen. I m Frühstadium der Grundrechtsentwicklung trat der Gesetzgeber deshalb schwerpunktmäßig weniger als „Beschränker" grundrechtlich postulierter Freiheit auf; charakteristisch für „Reformen von oben" machte er diese Freiheit vielmehr erst durch eine grundrechtsorientierte Gesetzgebung wie etwa durch den Abbau ständisch-feudaler Rechte oder die Beseitigung polizeistaatlicher Beschränkungen möglich. M i t Wendung gegen den Gesetzgeber dominierte

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Z.B. Titel IV, § 11 bayerische Verfassung (1818); § 17 badische Verfassung (1818); § 28 württembergische Verfassung (1819); § 37 kurhessische Verfassung (1831); § 35 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber , (FN 13). 55 Etwa „Schutz vor willkürlicher Verhaftung", „Sicherheit der Person", usw.. Vgl. z.B. Titel IV, § 8 bayerische Verfassung (1818); §§ 13,15 badische Verfassung (1818); §§ 24, 26 württembergische Verfassung (1819); § 31 kurhessische Verfassung (1831); § 27 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13). 56 Z.B. W. v.Rimscha ( F N 15); U. Scheuner ( F N 50); ders., Die rechtliche Tragweite der Grundrechte, in: Festschrift E.R. Huber, 1973, S. 139 ff.; ders ., Der Staat, Beiheft 4 (1980), S. 105 ff.; R. Wahl, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff.; H. Brandt , Urrechte und Bürgerrechte, in: Grund- und Freiheitsrechte, 1981, S. 460 ff. 57 U. Scheuner , Die rechtliche Tragweite der Grundrechte, in: Festschrift E.R. Huber, 1973, S. 139 ff. (S. 140 f.); H. Brandt (FN 56), S. 467 f. 58 Vgl. z.B. Titel IV, §§6,11,12bayerische Verfassung (1818); § 15 badische Verfassung (1818); §§ 23, 26, 28, 29 württembergische Verfassung (1819); §§ 26, 31 kurhessische Verfassung (1831); §§ 27,28,35 Verfassung für das Königreich Sachsen (1831); abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13).

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also — wie man heute sagen würde — nicht die staatsabwehrende oder negatorische, sondern die objektiv-rechtliche oder institutionelle Grundrechtsseite 59 , für die Freiheit gerade auch durch den Staat, nämlich durch staatliche Gesetzgebung realisiert wird. In dieser ihrer Funktion als Grundsätze für die Gestaltung der Rechts- und Sozialordnung wurde die Wirkung der Grundrechte im Vormärz allerdings zunächst durch das fortbestehende alte Recht stark gehemmt. Anders als etwa in Frankreich, wo durch die postrevolutionäre Reformgesetzgebung das neue Ideengut zügig in das einfache Recht umgesetzt wurde und damit unmittelbare Rechtsgeltung in allen wesentlichen Rechtsgebieten erlangte 60 , lebte nämlich in den deutschen Territorien in weiten Teilbereichen das aus dem Absolutismus herüberreichende Recht noch lange Zeit fort. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die bürgerliche Freiheit im Wege der „Reformen von oben" überall weitestgehend erreicht 61 . Dies erhellt das geringe Durchsetzungsvermögen der Grundrechte gegenüber dem überkommenen Rechtsgefüge und belegt zugleich deren abgeschwächte Geltungskraft. Eine auf längere Sicht erheblich größere Wirkung erlangten die Grundrechte dagegen in ihrer Stoßrichtung gegen die Verwaltung. In der Gewährung von Freiheitsrechten, die keiner anderen Beschränkung unterliegen, „als welche das Recht und die Gesetze bestimmen" 62 , war nämlich bereits im Verfassungstext die Anerkennung des Gesetzesvorbehalts für Einzeleingriffe der Exekutive angelegt. Dementsprechend gingen von den Grundrechten (mit-)entscheidende Anstöße für das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus, das sich in zunehmendem Maße seit den 30er Jahren und in vollem Umfang in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchsetzen konnte 6 3 . Gerade hierin wird freilich auch die insgesamt eben doch eher geringe praktische Bedeutung der Grundrechte sichtbar; denn die Kehrseite der Verknüpfung von Gesetzesvorbehalt und Freiheitsrechten ist, daß die Freiheitsrechte nur im Rahmen der Gesetze gelten 64 . M i t ihrer dem Gesetzesvorbehalt korrespondierenden Funktion verlie59 Die Parallele zwischen dem damaligen Grundrechtsverständnis und der heutigen institutionellen Grundrechtsseite, auf die u.a. E. Wadle, Der Staat, Beiheft 4 (1980), S. 120 f. zutreffend hinweist, wird vor allem bei U. Scheuner, Der Staat, Beiheft 4 (1980), S. 105 ff. (S. 107,108 und 109 f. („eher objektive rechtliche Grundsätze")) und R. Wahl, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. deutlich. 60

Vgl. dazu wiederum R. Wahl, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. (S. 326 ff.). Vgl. E.-W. Böckenförde, Verfassungsprobleme, in: Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 93 ff. (S. 102 f.). 62 So der Wortlaut von § 31 der kurhessischen Verfassung (1831) zum Schutz der „Freiheit der Person und des Eigenthums"; abgedruckt bei E.R. Huber (FN 13), S. 201 ff. (S. 204). 61

63 Zu den Antriebskräften und zu der — in den einzelnen Territorien unterschiedlich verlaufenden—Ausbildung des Gesetzmäßigkeitsprinzips siehe H.-U. Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 171 ff. und W. v.Rimscha (FN 15), S. 172 ff. 64

Vgl. R. Wahl, Der Staat 14 (1975), S. 597 ff. (S. 599).

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hen die Grundrechte die Befugnis das zu tun, was nicht verboten ist—aber auch nicht mehr: sie besaßen keine besondere Rechtsqualität als Grundform des Verfassungsbaus, sondern waren „materielles Verwaltungsrecht mit der formellen Bestandskraft von Verfassungsrecht" 65. Nimmt man die Grundrechtsentwicklungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammenfassend in den Blick, dann hinterläßt sie einen ambivalenten Gesamteindruck. Auf der einen Seite wirken naturrechtliche Anschauungen, patrimonialstaatliches Denken und absolutistische Traditionen nach 6 6 ; auf der anderen Seite wird mit der Positivierung der Grundrechte, der letztlich nur politischen Bedeutung der Grundrechte für die Gesetzgebung sowie der Verknüpfung von Gesetzesvorbehalt und Freiheitsrechten vieles von dem auf den Weg gebracht, was erst im Spätkonstitutionalismus zvm Abschluß kommen und die moderne Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht entscheidend prägen sollte. Insgesamt handelte es sich—und auch dies ist charakteristisch für den deutschen Weg der „Reformen von oben" — um ein typisches Übergangsrecht, in dem sich älteres und neues Rechtsdenken noch wechselseitig durchdringen, um ein „Recht um Umbruch" 6 7 . 2. Der Spätkonstitutionalismiis Die den Frühkonstitutionalismus kennzeichnende Ambivalenz der Grundrechtsentwicklung wurde in der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts überwunden. Erst jetzt wurden die Grundrechte endgültig von ihren traditionellen überpositiven Wurzeln abgetrennt und als ausschließlich isolierte Rechte verstanden. Und erst jetzt entfaltete sich mit voller Kraft das „moderne" — oder aus heutiger Sicht „klassische" — Grundrechtsverständnis, für das die Grundrechte nicht mehr Grundlage von Staat und Gesellschaft, sondern rein negatorische Abwehrrechte gegen den Staat sind; je „weniger die Teilhabe am Staate sich verwirklichte, desto wichtiger wurde die Freiheit vom Staate" 68 . Leitbilder dieses Verständnisses waren die liberale Auffassung von dem Menschen als Rechtsperson, die ihre sittliche „Bestimmung nur in einer staatsfreien individuellen Sphäre erfüllen kapn" 6 9 und die liberale Trennung von Staat und Gesellschaft. Die Grundrechte traten damit in den Dienst des nach 65

So W. v.Rimscha ( F N 15), S. 174. W. v.Rimscha (FN 15), S. 206. 67 Dies dürfte einer verbreiteten Einschätzung entsprechen; vgl. z.B. R. Wahl , Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. (S. 338), der die süddeutschen Grundrechte in ihrem sozialreformerischen Aspekt während des Vormärz in Anlehnung an eine von R. Koselleck für das preußische A L R geprägte Formulierung als „potentielles Recht" bezeichnet, und H. Brandt (FN 56), S. 477, der den Vormärz als „klassische Inkubationsperiode" bezeichnet. 68 E. Forsthoff, Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., 1967, S. 117 f. 69 G. Oestreich ( F N 26), S. 98. 66

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individueller Freiheit strebenden Besitzbürgertums und wurden langfristig untrennbar mit liberalen und individualistischen Vorstellungen verwoben. Die endgültige Neuorientierung schlug sich auch in den Verfassungstexten seit der Jahrhundertmitte nieder. Enthielten die frühkonstitutionellen Verfassungen noch überwiegend „Rechte und Pflichten" des Bürgers 70 , so wies bereits die Paulskirchenverfassung nur noch isolierte „Grundrechte des deutschen Volkes" 71 aus 72 . Ganz ähnlich war sowohl in der oktroyierten preußischen Verfassung von 1848 als auch in der revidierten Verfassung für den preußischen Staat von 1850 73 nur noch „Von den Rechten der Preußen" die Rede, mochten unter dieser Titelüberschrift auch noch vereinzelt einige Pflichten 74 angesprochen worden sein. Hier wurde jeder Anklang an die Einbindung des Einzelnen in das Gemeinwesen durch Rechte und Pflichten, an die ursprüngliche ideelle Basis der Grundrechte vermieden. Dementsprechend bewegte man sich ab der Jahrhundertmitte auch konsequent von der während des Frühkonstitutionalismus noch spürbaren Idee der Menschenrechte weg 7 5 . Kennzeichnend für diese Relativierung der Grundrechtsidee ist auch der Text der preußischen Verfassung von 1850, in dem im unmittelbaren Anschluß an die Titelüberschrift „Von den Rechten der Preußen" ein Artikel nachfolgt, wonach „die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen ... die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden" 76 . Dadurch und durch die in den einzelnen Rechteartikeln häufig enthaltenen Bezugnahmen auf das einfache Gesetzesrecht wurde die Wirkkraft der Grundrechte erheblich geschwächt. Sie gewährten letztlich nur noch eine „Freiheit vom Staat nach Maßgabe der staatlichen Gesetze". Der im Spätkonstitutionalismus vollzogene Übergang zum rein formellen Rechtsstaat und dessen spezifischem Grundrechtsverständnis 77 war also bereits von den Verfassungstexten indiziert.

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Dazu oben II. 1. Text bei E.R. Huber (FN13), S. 304 ff. (S. 317 ff.). Ebenso das „Gesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes" vom Dezember 1848, auf das die Grundrechte der Paulskirchenverfassung zurückgehen und das bereits 1851 durch Bundesbeschluß aufgehoben wurde. 72 Charakteristisch für die einseitig liberale Ausrichtung der Paulskirchenverfassung ist auch, daß sie — obwohl dies in der Nationalversammlung diskutiert worden war — weder soziale Grundrechte noch sozialpolitische Aussagen enthielt. Vgl. dazu z.B. A. Voigt ( F N 42), S. 82 ff.; E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. II, 2. Aufl., 1968, S. 776 f. und P. Krause, Entwicklung der sozialen Grundrechte, in: Grund- und Freiheitsrechte, 1981, S. 402 ff. (S. 422 ff.). 71

73

Abgedruckt bei E.R. Huber ( F N 13), S. 385 ff., 401 ff. Z.B. Art. 11, 32 preußische Verfassung (1848); Art. 11, 34 preußische Verfassung (1850). 75 Vgl. H. Maier ( F N 39), S. 33. 76 Art. 3 der preußischen Verfassung von 1850; Hervorhebung hinzugefügt. 77 Vgl. dazu E. Grabitz (FN 8), S. 174 ff. m. weit. Nachw. 74

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

Die darin zum Ausdruck kommende Geringschätzung der Grundrechte spiegelte auch die Reichsverfassung von 1871 wider, die — wie schon zuvor die norddeutsche Bundesverfassung — trotz entsprechender Anträge und Initiativen 7 8 auf die Aufnahme eines Grundrechtskataloges völlig verzichtete 79 . Obgleich für diese „Grundrechtsabstinenz" unterschiedliche Erklärungen angeboten werden, die von realpolitischem Pragmatismus bis hin zu dem föderalistischen Aspekt des Nichteingriffs in die Kompetenz der Einzelstaaten reichen 80 , läßt die auffällige verfassungsrechtliche „Lücke" doch den Eindruck entstehen, daß die Grundrechte für den Aufbau eines Gemeinwesens entbehrlich seien. Der traditionelle Grundrechtskanon war zwar zum Großteil in zahlreichen Reichsgesetzen verbürgt 81 , was bei Zugrundelegung eines weiten Verfassungsbegriffs die Schlußfolgerung zulassen mag, daß die „Grundrechte" durch einfaches Gesetzesrecht gesichert gewesen seien 82 . Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß den bloß reichsgesetzlich garantierten „Grundrechten" gegenüber verfassungsgarantierten Grundrechten ein gewisses Defizit an verfassungspolitischer Überzeugungs- und rechtlicher Bestandskraft innewohnt. Vollendet wurde die in den Verfassungstexten angelegte Relativierung der Grundrechte von der staatsrechtlichen Literatur des Spätkonstitutionalismus 83 . Sie ließ die in den Verfassungen thematisch ausdifferenzierten Einzelgrundrechte — teilweise unter Hinzunahme von anderweitigen, nämlich im einfachen Gesetzesrecht formulierten „Grundrechten" 84 — in einem allgemeinen „Freiheits- und Eigentumsgrundrecht" aufgehen 85 und deutete sie als „kasuistisch gefaßte Darlegung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" 86 . Obwohl teilweise auch der mögliche positive Gehalt einzelner Grundrechte in Betracht gezogen wurde 8 7 , erhielten die Grundrechte dadurch insgesamt eine 78

Dazu E.R. Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , 2. Aufl., 1970, S. 665 f., 758 und G. Kleinheyer (FN 11), S. 1080. 79 Texte bei E.R. Huber , Dokumente, Bd. 2, 2. Aufl., 1964, S. 227 ff., 289 ff. 80 Vgl. E.R. Huber , Grundrechte im Bismarckschen Reichssystem, in: Festschrift U. Scheuner, 1973, S. 163 ff. (S. 164 f.). 81 Siehe dazu die Zusammenstellung bei E.R. Huber ( F N 80), S. 169. 82 So etwa E.R. Huber (FN 80), S. 165 ff. 83 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch E.Grabitz ( F N 8), S. 7 ff., 174 ff. 84 Siehe dazu G. Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat, 1912, S. 96 f. 85 Charakteristisch für diese „Einebnung" der einzelnen Grundfreiheiten G. Jellinek , System, 2. Aufl., 1905, S. 103 f.: „Daher ist es juristisch nicht korrekt, von Freiheitsrechten zu reden, es ist vielmehr nur die Freiheit im Singular vorhanden, die nur durch ihren Gegensatz gegen bestimmte ehemalige Einschränkungen mehr in politischer als in juristischer Hinsicht verschiedene individuell gefärbte Nuancen erhält". Ähnlich G. Anschütz , Staatsrecht, in: Enzyklopädie, Bd. 4,7. Aufl., 1914, S. 1 ff. (S. 90): „Es gibt keine Grundrechte, sondern nur ein Grundrecht, das Recht auf Unterlassung gesetzwidrigen Zwanges". 86

G. Anschütz ( F N 84), S. 98.

II. Die Grundrechtsentwicklung

65

negatorische Ausrichtung: „ I m Kerne ihres Wesens" waren sie „Ansprüche auf Unterlassung von Verwaltungsakten ..., die anders und weiter als das Gesetz es gestattet, in die von der Verfassung ... bezeichneten Betätigungsmöglichkeiten der persönlichen Freiheit eingreifen" 88 . Dementsprechend richteten sich die Grundrechte in erster Linie als Unterlassungsrechte gegen die Exekutive und gingen insoweit eine Verbindung mit dem formell-rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung e i n 8 9 , 9 0 . Kehrseite dieser Entwicklung war, daß den grundrechtlich geschützen „Freiheiten" kein eigenständiger materieller Gehalt abgewonnen werden konnte, weil die durch sie gesicherte allgemeine „Freiheit" nur negativ definierbar ist: „Alle Freiheit ist einfach Freiheit von gesetzwidrigem Zwange" 91 . Die konkret ausformulierten Grundfreiheiten verkamen so zu substanzentleerten „Sphären" der Beliebigkeit und individueller Willkür; sie garantierten — wie man schon damals sagte — individuelle „Freiheit vom Staat", die Befugnis des Individuums, unbehelligt alles tun und lassen zu dürfen, was der Staat nicht ausdrücklich verbietet bzw. gebietet" 92 . 3. Der Streit über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte Die Neuorientierung des Grundrechtsverständnisses im Spätkonstitutionalismus wurde begleitet von dem bekannten Streit über die Frage, ob die Grundrechte lediglich objektives oder auch subjektives Recht darstellten 93 . In dieser Kontroverse spaltete sich die Staatsrechtslehre im wesentlichen in zwei Lager 94 . Während die eine — langfristig erfolgreiche — Richtung die Deutung 87 Dazu etwa G. Anschütz (FN 84), S. 96 und ders. (FN 85), S. 89 zum Anspruch auf staatlichen Rechtsschutz; vgl. dazu auch G. Jellinek (FN 85), S. 116. 88 G. Anschütz ( F N 84), S. 96. 89 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 61 ff. m. weit. Nachw.; G. Anschütz ( F N 84), S. 97. Siehe dazu auch E. Grabitz ( F N 8), S. 13, 175. 90 Diese traditionelle Verknüpfung von Grundrechten und Gesetzmäßigkeitsprinzip im Bereich der Eingriffsverwaltung ist in jüngerer Zeit teilweise wieder in Vergessenheit geraten oder kritisiert worden. Vgl. dazu einerseits W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 94 ff.; R. Scholz, AöR 100 (1975), S. 80 ff., S. 111 ff. F N 174; F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 55 f. und andererseits N. Achterberg DVB1. 1981, S. 278 ff. (S. 278 f.); W. Löwer, DVB1. 1981, S. 528 ff. (S. 530). 91

G. Jellinek ( F N 85), S. 103. So G. Anschütz (FN~85), S. 89. 93 In der zeitgenössischen Literatur wurde auch für diese Auseinandersetzung C.F. v.Gerbers Schrift „Über öffentliche Rechte" (1852) als wegweisender „Markstein" angesehen; vgl. z.B. F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 25 f.; E. Eckhardt, Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913, S. 3; G. Anschütz (FN 85), S. 87 F N 1. Zur Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe H.-U. Erichsen (FN 63), S. 171 ff. 92

94 Die beiden gegensätzlichen Positionen wurden von ihren Vertretern teilweise unterschiedlich begründet und konstruiert; selbstverständlich gab es auch Autoren, die

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Bauer

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

der Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte bejahte 95 , wurde dies von der anderen Richtung abgelehnt 96 . Gemeinsamer Ausgangspunkt der beiden gegensätzlichen Positionen war zumeist das abstrakt bestimmte Beziehungsverhältnis zwischen dem Staat und den Untertanen. Entsprechend dem damals vorherrschenden Staatsverständnis 9 7 wurde dabei zunächst regelmäßig die „Staatsallmacht" oder — aus der Sicht des Einzelnen — die Pflichtenseite in den Vordergrund gerückt: „Die Individuen sind ... grundsätzlich dem Willen des Staates ... unterworfen und lediglich Subjekte von Pflichten" 9*; die „aus dem staatlichen Herrschaftsrechte sich ergebende allumfassende Gehorsamspflicht bezeichnet das Wesen der Staatsangehörigkeit, erschöpft es aber auch" 9 9 ; die „Staatsangehörigkeit ist kein Recht, sondern das Verhältnis der Unterthänigkeit unter die Staatsgewalt", aus der sich unmittelbar die Gehorsamspflicht ergibt 1 0 0 . Diese und ähnliche Äußerungen beleuchten den prinzipiellen Subordinationscharakter der Relation Staat-Individuum, der den Einzelnen im gedanklichen Ansatz zum bloßen Gewaltunterworfenen, zum Träger von Pflichten macht 1 0 1 : Seine Grundbefindlichkeit ist vorrangig die des „Subjizierten", der „status subjectionis" 102 . Bei dieser Ausgangslage bereitet die Begründung des subjektiv-rechtlichen Charakters der Grundrechte zwangsläufig Schwierigkeiten; nach ihr sind „subjektive Rechte, die den Untertanen aus eigener Machtvollkommenheit dem Staate gegenüber zuständen ... undenkbar" 1 0 3 . Besonders plakativ wurde dies von C. Bornhak formuliert, der die damals herrschenden staatstheoretischen Vorstellungen zum Anlaß nahm, um subjektive öffentliche Rechte des Untertanen gegenüber dem Staat generell in Abrede zu stellen: „Subjektive Rechte des Individuums gegen den Staat... sind begrifflich undenkbar.... Wechselseitige Rechte sind nur möglich, wenn beide Faktoren derselben sie beherrschen„aus dem Rahmen fallen", worauf hier nur hingewiesen werden kann. Nuancierte Zusammenstellungen des damaligen Meinungsstandes finden sich u.a. bei K. v.Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff. (S. 183 ff.) und F. Giese ( F N 93), S. 27 ff. Vgl. auch G. Jellinek , Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 416 ff. 95 Z.B. L. v.Rönne, Staatsrecht, Bd. 2, 4. Aufl., 1882, S. 3 f.; G. Meyer , Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 4. Aufl., 1895, S. 686 ff.; E. Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, 1884, S. 8 ff.; K. v.Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff. (S. 194 ff.). 96 Z.B. C.F. v.Gerber ( F N 93), S. 77 ff.; ders., Grundzüge, 3. Aufl., 1880, S. 34; M. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 1884, S. 571 f.; differenzierend z.B. K. v.Stengel , F. Giese, Stichwort „Öffentliche Rechte und Pflichten", in: Wörterbuch, Bd. 3,2. Aufl., 1914, S. 4 ff. 97 Dazu oben I. 98 F. Giese (FN 94), S. 57. 99 C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1911, S. 255. 100 M. Seydel (FN 96), S. 572. 101 G. Jellinek (FN 85), S. 82. 102 G. Jellinek (FN 85), S. 86. 103 F. Giese ( F N 93), S. 57.

II. Die Grundrechtsentwicklung

67

den Rechtsordnung unterworfen sind. Dies ist hier nicht der Fall. Der Staat als Quelle der Rechtsordnung steht über dem Rechte. Es ist lediglich sein eigener Wille, wenn und soweit er sich der Rechtsordnung unterwirft. Der Untertan kann daher kein Recht gegen den Staat wider dessen Willen geltend machen. Nimmt man die Möglichkeit eines subjektiven Rechts der Untertanen gegen den Staat an, so würde trotzdem der Staat jeden Augenblick in der Lage sein, dieses Recht durch seine Gesetzgebung zu kassieren. ... Steht es aber rechtlich vollständig im Belieben eines Teils, ob er einem gegen ihn geltend gemachten Anspruch genügen will oder nicht, so ist dieser Anspruch kein Recht, es entsteht zwischen beiden Teilen kein bindendes Rechtsverhältnis" 104 .

Gewiß ist mit dieser Stellungnahme eine — schon aus damaliger Sicht — „Extremposition" wiedergegeben. Wie sehr die allgemeinen staatstheoretischen Anschauungen aber gleichwohl generell auf die Beantwortung konkreter Anwendungsfragen des subjektiven öffentlichen Rechts durchschlugen, dokumentiert die verbreitete Auffassung, wonach die „Freiheitsrechte oder Grundrechte Normen für die Staatsgewalt (sind), welche dieselbe sich selbst gibt". Sie „bilden Schranken für die Machtbefugnisse der Behörden, sie sichern dem Einzelnen seine natürliche Handlungsfreiheit in bestimmtem Umfange, aber sie begründen nicht subjektive Rechte der Staatsbürger. Sie sind keine Rechte, denn sie haben kein Objekt" 1 0 5 . Die — wie man sich auszudrücken pflegte — sogenannten Grund- und Freiheitsrechte seien „nicht logisch, sondern geschichtlich zu erklären"; im Grunde genommen seien sie „nur Ausdrücke des sehr bekannten Satzes, daß alles erlaubt ist, was rechtlich nicht verboten i s t " 1 0 6 . Soweit die Literatur demgegenüber den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte anerkannte, mußte sie bereits auf staatstheoretischer Ebene die Stellung des Individuums verstärken. Die Herrschaft oder Allmacht des Staats durfte also nicht zur völligen Vernichtung der Freiheit des Individuums führen. Dementsprechend bestand das gemeinsame Grundanliegen der die subjektivrechtliche Bedeutung bejahenden Stellungnahmen darin, dem Einzelnen unbeschadet von dessen prinzipieller Subordination eine „staatsfreie" Sphäre einzuräumen. Argumentativ, dogmatisch und konstruktiv wurde dieses Anliegen von den einzelnen Autoren unterschiedlich umgesetzt 107 . I m praktischen Ergebnis stimmten die einzelnen Begründungen aber weitgehend darin überein, daß die objektiven Grundrechtsnormen zugleich subjektive öffentliche Rechte „verleihen" und zwar Rechte, die der Staat im Wege der Selbstbeschränkung

104 Preußisches Staatsrecht, Bd. I, 1888, S. 268 f.; differenzierter, aber in der Grundhaltung ähnlich in der Zweitauflage, 1911, S. 285. 105 So P. Laband, Staatsrecht, Bd. I, 5. Aufl., 1911, S. 151 f. m. weit. Nachw.; Klammerzusatz hinzugefügt. Ähnliche Formulierungen z.B. bei C.F. v.Gerber (FN 96), S. 34; M. Seydel (FN 96), S. 571; O. v.Sarwey, Das öffentliche Recht, 1880, S. 34. 106 M. Seydel ( F N 96), S. 571. Ähnlich bereits ders., Grundzüge, 1873, S. 48 ff. 107 Siehe dazu die Nachw. in F N 95. Vgl. ferner F. Giese (FN 93) m. weit. Nachw. und die — allerdings auf der bekannten Statuslehre basierende — Konzeption von G. Jellinek (FN 85), S. 86 ff., 94 ff.

5*

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

seinen Angehörigen eingeräumt hat; sie gewährten einen „Anspruch auf Freiheit von gewissen Einwirkungen der Staatsausführung" 108 . Die so konturierten subjektiven Grundrechte richteten sich allerdings — und auch dies entspricht den damaligen staatstheoretischen Implikationen 109 — nicht gegen den Staat als solchen, sondern primär gegen die Verwaltung. Denn als gesetzgebende Gewalt war der Staat nach den herrschenden Vorstellungen der Zeit ja nicht der Rechtsordnung untergeordnet, weil er sie jederzeit ändern konnte 1 1 0 . In ihrer Stoßrichtung gegen die Verwaltung gingen die Grundrechte die erwähnte Verbindung mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip ein und fundamentierten einen allgemeinen „Anspruch auf Unterlassung oder Aufhebung derjenigen obrigkeitlichen Befehle, welche mit der gesetzlich festgestellten Freiheit im Widerspruch stehen" 111 , oder erschienen als „besonders akzentuierte Anwendungsfalle und Ausflüsse eines allgemeinen subjektiv-öffentlichen Rechts" auf „Unterlassung jedes gesetzlich nicht zugelassenen Eingriffs in die persönliche Freiheit" 1 1 2 . Die Verknüpfung mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip rückte die Grundrechte in die Nähe des Verwaltungsrechts 113 . Dies entsprach der bereits in den Verfassungstexten angelegten Relativierung der Grundrechte und kam dem (rechtspositivistischen) Zug der Zeit entgegen. Manchem Autor waren nämlich „die in den einfachen Gesetzen stehenden Grundrechte ... viel wertvoller: Während die Grundrechte der Verfassungsurkunden, weil man sich kurz fassen wollte, nur einen Katalog abstrakter und ziemlich wertloser Sätze bilden, sind die detaillierten und genauen Grundrechtsvorschriften der Spezialgesetze weit eher im stände, dem Individuum seine staatsfreie Sphäre zu schützen" 114 . Verschiedentlich wurde denn auch behauptet, daß die Grundrechte ihrem Inhalt nach „gar kein Gegenstand des Verfassungsrechts, sondern des Verwaltungsrechts" seien; materiell seien sie „verwaltungsrechtlicher Natur", weil sie nicht „die Gestaltung und die Funktionen des Staatswesens, sondern die Ausübung der Staatshoheitsrechte seitens der Staatsorgane gegenüber dem Untertanen zum Gegenstande" hätten 1 1 5 .

108 109 110

G. Meyer (FN 95), S. 687. Dazu oben I. Statt vieler K. v.Stengel , VerwArch 3 (1895), S. 177 ff. (S. 192); G. Anschütz (FN 84),

S. 94. 111 112

G. Meyer (FN 95), S. 687.

So G. Anschütz (FN 85), S. 90. 113 Bei O. Bühler (FN 89), S. 128 f. ist sogar davon die Rede, daß die Grundrechtsbestimmungen in den Bereichen, in denen das Gesetzmäßigkeitsprinzip anerkannt ist, durch eben dieses allgemeine Prinzip „überholt" seien. 114 F. Giese ( F N 93), S. 89. 115 C. Bornhak (FN 99), S. 295.

III. Der „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts

69

I I I . Der „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts Die spätkonstitutionelle Rechtslehre behandelte das subjektive öffentliche Recht als ein äußerst vielschichtiges Phänomen. Schwerpunkte ihrer Beschäftigung mit diesem Rechtsinstitut waren die Konturierung des subjektiven Rechts als allgemeine Rechtsfigur, die Einbindung des subjektiven Rechts in das Gefüge des öffentlichen Rechts, die Erarbeitung einer Definition des subjektiven öffentlichen Rechts, der Entwurf eines Systems der subjektiven öffentlichen Rechte und die Abstimmung der theoretisch entwickelten Figur des subjektiven öffentlichen Rechts mit den Verwaltungsgerichtsgesetzen sowie der Rechtsprechungspraxis 1. Die damit nur stichwortartig angedeutete Vielschichtigkeit der Gesamtthematik wurde in der Literatur uneinheitlich angegangen. U m der Komplexität Herr zu werden, konzentrierten sich die einzelnen Autoren — nach einem „flächendeckenden Problemaufriß" — überwiegend auf die Erörterung einzelner Problemschwerpunkte 2, die nicht selten von Autor zu Autor unterschiedlich abgeklärt wurden. Die daraus resultierende Fülle von divergierenden Lösungsansätzen und das schon für die damalige Zeit feststellbare Übermaß an Literatur sind hier wiederum nicht im einzelnen darzustellen. Für die weitere Entwicklung wegweisend geblieben ist vor allem 3 der „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts. Besonders prägnant wurde dieser „Begriff" um die Jahrhundertwende in G. Jellineks „System der subjektiven öffentlichen Rechte" und in der — damals übrigens mit Zurückhaltung aufgenommenen 4 — Habilitationsschrift von O. Bühler formuliert 5 . Ungeachtet der zwischen diesen beiden Autoren bestehenden Differenzen wird die von ihnen geprägte Begrifflichkeit — mit gewissen Modifikationen — noch heute verbreitet als grundlegend angesehen6. 1 Vgl. z.B. W. Andressen,, Grünhuts Zeitschrift 38 (1911), S. 603 ff.; T. Dantscher v.Kollesberg, Die politischen Rechte, 1888; C.F. v.Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852; H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911, S. 395 ff., 567 ff.; K Kormann, System, 1910, insbes. S. 82 ff.; ders., Hirths Annalen 1911, S. 913 ff.; P. Schön, Verwaltungsrecht, in: Enzyklopädie, Bd. 4, 7. Aufl., 1914, S. 193 ff. (S. 275 ff.); W. Schuppe, Der Begriff des subjektiven Rechts, 1887; K v.Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff.; K v.Stengel, F. Giese, Stichwort „Öffentliche Rechte und pflichten", in: Wörterbuch, Bd. 3, 2. Aufl., 1914, S. 4 ff.; jeweils m. weit. Nachw. 2

Charakteristisch hierfür O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 1 ff. A u f die zeitweise (teilweise modifizierte) Fortführung der von G. Jellinek, System, 2. Aufl., 1905 entworfenen Statuslehre kann hier nur hingewiesen werden. Vgl. dazu etwa H.H. Rupp, Grundfragen, 1965, insbes. S. 161 ff.; H.J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht I,9. Aufl., 1974, S. 209 ff. und — kritisch — K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 14. Aufl., 1984, S. 113f.; N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 305f. 4 Siehe dazu nur die Besprechung durch W. Jellinek, AöR 32 (1914), S. 580 ff. 5 AaO ( F N 2), S. 21, 223 ff. 6 Vgl. unten Fünfter Abschnitt, II. 1. b. aa. 3

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Abschnitt: Der Kampf

s subjektive Recht im

.

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Bei diesem „Begriff 4 des subjektiven öffentlichen Rechts handelt es sich allerdings nicht nur um eine Definition. Dieser „Begriff" schreibt vielmehr zugleich die Voraussetzungen für das Vorliegen subjektiver öffentlicher Rechte fest und grundiert die „Theorie" bzw. „Lehre" vom subjektiven öffentlichen Recht 7 . Darauf wird noch zurückzukommen sein. Vorab sind zunächst einige grundsätzliche Zusammenhänge aufzuzeigen, welche die damalige „Begriffsbildung" entscheidend beeinflußt haben. 1. Die tendenzielle Abdrängung des „gerichtsgeschützten" subjektiven Rechts in das Privatrecht und die „Rückholung" des subjektiven Rechts in das öffentliche Recht a) Die Rechtswegspaltung Wie schon oben 8 eingehender dargelegt, waren die Landesherren bereits im Zeitalter des Absolutismus bestrebt, die Ausübung ihrer Hoheitsrechte der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen und damit der Verwirklichung entgegenstehender subjektiver Rechte der Untertanen entgegenzuwirken. Nachdem die deutschen Landesfürsten mit dem Ende des Reiches und der in Wegfall gekommenen Reichsgerichtsbarkeit volle Souveränität erlangt hatten 9 , trieben sie dieses Anliegen verstärkt voran 1 0 . Ziel der in den einzelnen deutschen Territorien uneinheitlich verlaufenden Entwicklung war der Abbau bzw. die weitestgehende Beseitigung des Rechtsschutzes gegenüber der Hoheitsgewalt durch die ordentlichen Gerichte 11 . A n seine Stelle traten in gewissem Umfang unterschiedliche Formen der Verwaltungsrechtspflege und — teilweise — für bestimmte Angelegenheiten besondere Verfahren der Administrativjustiz 12 . Die Zurückdrängung des gerichtlichen Rechtsschutzes auf dem sich allmählich klarer abgrenzenden Gebiet des öffentlichen Rechts trug dem „Streben nach 7

Die Zusammenhänge zwischen Begriffsbildung, Voraussetzungen für das Vorliegen subjektiver öffentlicher Rechte und „Theorie" bzw. „Lehre" vom subjektiven öffentlichen Recht werden besonders deutlich bei O. Bühler ( F N 2), S. 21,233 ff. und ders., Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, 1927, S. 26 ff. 8

Erster Abschnitt, III. 2. M. Seilmann , Der Weg zur neuzeitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. 1, 1963, S. 25 ff. (S. 60). 10 Zu den staatstheoretischen Prämissen dieses Vorgehens siehe oben I. 11 W. Rüfner , Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 ff. (S. 910). 12 Auch insofern verlief die Entwicklung in den einzelnen Ländern äußerst uneinheitlich. Vgl. dazu die Darstellungen von M. Seilmann (FN 9), S. 50 ff., 64 ff.; H.-U.Erichsen , Grundlagen, 1971, S. 207 ff.; W. Rüfner , Verwaltungsrechtsschutz, 1962, S. 131 ff., 146 ff.; ders., DOV 1963, S. 719 ff.; H. Schrimpf \ Herrschaft, Individualinteresse und Richtermacht, 1979, S. 389 ff. und — aus der älteren Literatur — J. Poppitz , AöR 72 (1941-1943), S. 158 ff. (insbes. S. 191 ff.). 9

III. De

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des subjektiven öffentlichen Rechts

71

absolutistischer Unkontrollierbarkeit der Exekutive" 13 Rechnung. Sie wurde außerdem begünstigt durch den Gewaltenteilungsgrundsatz und das liberale Anliegen, die auf Rechtsgleichheit und wirtschaftliche Freiheit ausgerichtete Neuorientierung des Gemeinwesens nicht durch den gerichtlichen Schutz feudaler Rechte und älterer Privilegien hemmen oder gar verhindern zu lassen14. Betrachtet man die im einzelnen überaus differenzierte Rechtsentwicklung 15 mit der hier gebotenen Vereinfachung, dann läßt sich der damaligen Gesetzgebung und Rechtspraxis eine grobe Grundlinie entnehmen, nämlich die immer stärkere Beschränkung der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Streitigkeiten des Privatrechts, „welche die Verwaltung von richterlicher Einwirkung unabhängig machen sollte" 16 . Durch die zunehmende Einengung der gerichtlichen Entscheidungskompetenz auf das Privatrecht, auf Privatrechtsverhältnisse bzw. auf privatrechtliche Streitigkeiten der Bürger 1 7 ' 1 8 , fielen die „Verwaltungssachen" tendenziell aus dem Bereich richterlicher Kontrolle heraus. Die Rechtsschutzbeschränkung erreichte etwa um die Jahrhundertmitte ihren Höhepunkt und wies der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht im praktischen Ergebnis eine neue Funktion zu: die Abgrenzung von „jusitzfahigen" und „nichtjustizfahigen" Rechtsverhältnissen. Eine der Konsequenzen dieser prozessualen Veränderung war die potentielle Spaltung der ursprünglich „einartigen" Figur „subjektive Rechte Privater" in einen öffentlich-rechtlichen und in einen privat-rechtlichen Teil. Überspitzt formuliert standen sich nichtjustiziable öffentliche Rechte und justiziable Privatrechte gegenüber 19. Die „gerichtsgeschützten" subjektiven Rechte gingen also tendenziell 20 im öffentlichen Recht verloren und wurden in das gegenüber dem öffentlichen Recht verselbständigte Privatrecht abgedrängt. Es war deshalb 13

M. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht, 1976, S. 98. Siehe dazu M. Bullinger, öffentliches Recht, 1968, S. 51 f., der daraufhinweist, daß sich Erwägungen verschiedenen Ursprungs, vom Staatsdenken des fürstlichen Absolutismus bis hin zum liberalen Reformstreben, in einer „rechtspolitischen Zufallsgemeinschaft mit dem Ziel einer Beschränkung der Gerichtskontrolle zugunsten größerer Bewegungsfreiheit der Gesetzgebung und Verwaltung" trafen. 15 Vgl. hierzu neben der in F N 12 ausgewiesenen Literatur auch W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 23, der zutreffend darauf hinweist, daß über die Abgrenzung von „Justizsachen" und „Verwaltungssachen" jahrzehntelang keine systematische Klarheit erzielt werden konnte. 14

16

W. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 ff. (S. 720). Vgl. W. Rüfner, DÖV 1963, S. 719 ff. (S. 720) und D. Grimm, Zur politischen Funktion, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, S. 224 ff. (S. 241 f.). 18 Entschädigungsansprüche blieben von der Rechtsschutzbegrenzung zumeist unberührt, was noch heute in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG und in § 40 Abs. 2 VwGO fortwirkt. 19 Vgl. M. Bullinger (FN 14), S. 52 f. 20 „Tendenziell" deshalb, weil wegen der bereits mehrfach erwähnten uneinheitlichen Rechtsentwicklung mit der im Text gemachten Aussage lediglich ein „roter Faden" sichtbar gemacht wird. 17

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. Abschnitt: Der Kampf

s subjektive Recht im

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nur folgerichtig, wenn ältere Privilegien — offenbar mit dem Ziel, sie der Gerichtsbarkeit zu entziehen—von manchen Autoren der Zeit als „öffentliche" Rechte bezeichnet wurden 21 . Nach C.F. v.Gerber, dem die moderne Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht entscheidende Impulse verdankt, zeigte sich die „bedeutende Wirkung der Unterscheidung staats- und privatrechtlicher Rechte" denn auch u.a. darin, daß mit ihr die Frage aufgeworfen werde, ob und inwieweit öffentliche Rechte von der gerichtlichen Geltendmachung ausgeschlossen seien 22 . Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts orientierte man sich wiederum in die Gegenrichtung. Kategorisch forderte die Paulskirchenverfassung: „Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte" 23 . Dieses Postulat hat bekanntlich nur geringe praktische Bedeutung erlangt 24 . Immerhin belegt es aber, daß die bis dahin praktizierte Verwaltungsrechtspflege als völlig unzureichend empfunden wurde. Unter diesem Aspekt dürfte die Paulskirchenverfassung für die weitere Rechtsentwicklung nicht ohne Fernwirkung gewesen sein. Denn das in ihr artikulierte Bedürfnis nach unabhängigen Gerichten, die an Stelle von weisungsabhängigen Behörden über „Verwaltungssachen" entscheiden sollten 25 , wurde mit dem seit den 60er Jahren in Angriff genommenen Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit 26 verwirklicht. Damit setzte sich zwar der Gedanke einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch; mit der Einrichtung dieser Gerichte erreichte man aber gleichwohl einen wenn auch in mancherlei Hinsicht begrenzten, so doch weitreichenden (verwaltungs-)gerichtlichen Rechtsschutz auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 27 . Durch die Errichtung einer besonderen Gerichtsbarkeit für das öffentliche Recht wurde die Spaltung der Rechtswege und—ungeachtet aller gegenläufigen Tendenzen und der bis heute feststellbaren Überschneidungen — die Trennung 21

Dazu M. Bullinger ( F N 14), S. 52 m. Nachw. AaO ( F N 1), S. 42 F N 1. V. Gerber selbst ließ diese Frage offen, machte aber darauf aufmerksam, daß von „vielen Schriftstellern ... von vornherein bloß Privatrechte, und auch diese nur, wenn sie nicht mit einer öffentlichen Rücksicht in Berührung kommen, der Gerichtscompetenz" unterstellt würden, „während sie alle staatsrechtlichen Befugnisse von dieser Wohlthat" ausschlössen. 23 § 182; abgedruckt bei E.R . Huber , Dokumente, Bd. 1, 1961, S. 304 ff. (S. 322). 24 Siehe dazu M. Seilmann (FN 9), S. 80 ff. 25 C.-F. Menger , DÖV 1963, S. 726 ff. (S. 726) sieht hierin den Primäraspekt von § 182 der Paulskirchenverfassung und in der Zuweisung an die ordentlichen Gerichte lediglich eine „sekundäre Entscheidung". Ähnlich G.-C. v.Unruh , Verwaltungsgerichtsarkeit, 1984, S. 18 f. 26 Siehe dazu W. Rüfner (FN 11), S. 913 ff. 27 In der Literatur ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Gegensätze zwischen den Befürwortern der Verwaltungskontrolle durch die ordentlichen Gerichte und den Befürwortern einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit zuletzt relativiert waren. Dies gilt insbesondere für die verbreitet mit O.Bähr (Der Rechtsstaat, 1864) und R. 22

III. De

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des subjektiven öffentlichen Rechts

73

von öffentlichem und privatem Recht auf Dauer festgeschrieben. Sie lieferte — aus der Sicht des Einzelnen — zugleich einen wichtigen Beitrag für die Unterscheidung zwischen den „staatsgerichteten" subjektiven öffentlichen Rechten und den prinzipiell „bürgergerichteten" subjektiven privaten Rechten. Diese Entwicklung des Prozeßrechts wirkte auf die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht namentlich in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen rückte sie das subjektive öffentliche Recht in die Nähe von Rechtsschutzproblemen 28, was — worauf noch zurückzukommen sein wird — eine Verklammerung des subjektiven öffentlichen Rechts mit dem Prozeßrecht begünstigte 29 . Und zum anderen legte sie es nahe, sich bei der Begründung des subjektiven öffentlichen Rechts — wie dies verbreitet geschehen ist — an der bereits ausgebildeten Figur des subjektiven Privatrechts zu orientieren; nimmt man eine—gewiß verzerrende — Überzeichnung in Kauf, dann wurde das (gerichtsgeschützte) subjektive Recht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleichsam in das öffentliche Recht „zurückgeholt", nachdem es zuvor in das Privatrecht abgedrängt worden war. b) Die Orientierung am subjektiven Privatrecht bei der Grundlegung der Lehre vom subjektiven öffentlichen

Recht

Die Bemühungen um das (moderne) subjektive öffentliche Recht wurden bei zahlreichen zeitgenössischen Autoren von einer ständigen Kontaktaufnahme mit dem subjektiven Privatrecht bzw. mit dem zivilistisch geprägten subjektiven Recht der allgemeinen Rechtslehre begleitet. Sei es, daß zunächst unter Heranziehung der zivilistischen Literatur der allgemeine Begriff des subjektiven Rechts erarbeitet und anschließend auf das öffentliche Recht übertragen wurde 3 0 ; sei es, daß das subjektive öffentliche Recht unter Hervorhebung seiner Besonderheiten an das entsprechende privatrechtliche Institut angelehnt bzw. davon abgegrenzt wurde 3 1 , oder sei es, daß zivilistische Aspekte ganz allgemein v.Gneist (Der Rechtsstaat, 2. Aufl., 1879) in Verbindung gebrachte Kontroverse; siehe dazu G.-C. v.Unruh, DVB1. 1975, S. 838 ff. (S. 843). 28 Noch heute sieht F. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, S. 62 den „Kern des subjektiven Rechts" in dem „Anspruch auf Verwirklichung". Charakteristisch für das fortbestehende aktionenrechtliche Denkeil ist auch, daß die Probleme der sog. öffentlichrechtlichen Drittrechte verbreitet unter Stichworten wie „Konkurrentenfc/öge", „Drittklage", „Nachbarklage" usw. behandelt werden; vgl. dazu auch W. Henke, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1979, S. 112 F N 1. 29

Vgl. dazu an dieser Stelle nur H.H. Rupp (FN 3), S. 155. So F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 62 ff. 31 Siehe dazu z.B. C.F. v.Gerber (FN 1), S. 24: „Bei jedem Versuche einer genaueren Bestimmung staatsrechtlicher Prinzipien muß von der privatrechtlichen Anschauung ausgegangen werden ..., um aus der Erkenntnis des Verwandtschaftlichen wie des Gegensätzlichen gleichmäßig einen Weg zur Fassung und Bestimmung dieses weiteren Rechtsstoffs zu gewinnen. Es mag schon jetzt ausgesprochen werden, daß mir der einzige Weg einer sicheren Begründung des positiven Staatsrechts in seiner formellen Wiederan30

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Abschnitt: Der Kampf

s subjektive Recht im

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bei der Bestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts verwertet wurden 32 — häufig ist die enge Fühlungnahme mit dem subjektiven Privatrecht spürbar. Eine mögliche Erklärung für diesen Rückgriff auf das Zivilrecht bietet die soeben dargestellte tendenzielle Abdrängung des (gerichtsgeschützten) subjektiven Rechts in das Privatrecht. Hinzu kommt, daß man im Zuge der methodologischen Neuorientierung im öffentlichen Recht ganz allgemein dazu neigte, von dem Privatrecht als der „reiferen Schwester" 33 zu lernen 3 4 , 3 5 . Und schließlich dürfte in diesem Zusammenhang auch nicht ohne Bedeutung gewesen sein, daß C.F. v.Gerber und P. Laband, also zwei maßgebliche Wegbereiter der „neuen Richtung", auf dem Gebiet des Privatrechts hervorgetreten waren, bevor sie sich dem öffentlichen Recht zugewendet haben 36 . Den möglichen Ursachen für die Orientierung am subjektiven Privatrecht braucht hier nicht näher nachgegangen zu werden; vielmehr genügt es festzuhalten, daß man am Ende der Entwicklung der Auffassung war: „Die Aufstellung des Begriffs subjektives öffentliches Recht4 stellt einen der vielen Fälle der Übertragung zivilrechtlicher Rechtsinstitute auf das Verhältnis zwischen Staat und Untertan, auf das (objektive) öffentliche Recht, dar" 3 7 . Das zivilistische subjektive Recht, das man auf das öffentliche Recht „übertrug", hatte freilich im 19. Jahrhundert eine spezifische Prägung erhalten 3 8 . Entscheidend beeinflußt wurde das damalige Verständnis dieser Rechtsfigur von F.C. v.Savigny, der das subjektive Recht definierte als „die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unsrer Einstimmung herrscht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person,

näherung an das Privatrecht zu liegen scheint..."; vgl. ferner ebenda, S. 30 f.; G. Jellinek (FN 3), S. 54 ff., 58: „... subjektives Privat- und öffentliches Recht" sind „Glieder eines einheitlichen logischen Ganzen". 32 Vgl. z.B. C. Bornhak , Preußisches Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl., 1911, S. 285; O. Mayer , Verwaltungsrecht, 1. Aufl., 1895, S. 104 ff.; O. Bühler ( F N 2), S. 9 ff. 33 P. Laband,, Staatsrecht, Bd. I, 5. Aufl., 1911, S. VII. 34 Vgl. dazu bereits oben F N 31 und P. Laband (FN 33), S. VII: „Endlich ergibt sich, daß auf dem Gebiete des Staatsrechts zahlreiche Begriffe wiederkehren, welche ihre wissenschaftliche Feststellung und Durchbildung zwar auf dem Gebiete des Privatrechts gefunden haben, welche ihrem Wesen nach aber nicht Begriffe des Privatrechts, sondern allgemeine Begriffe sind. Nur müssen sie allerdings von den spezifischen privatrechtlichen Merkmalen gereinigt werden". 35

Vgl. dazu auch die allgemeinen Beobachtungen von F. Fleiner , Über die Umbildung zivilrechtlicher Institute durch das öffentliche Recht, 1906. 36 Siehe hierzu E.-W. Böckenförde , Gesetz, 2. Aufl., 1981, S. 217 f.; D. Wyduckel , Ius Publicum, 1984, S. 259 f.; D. Grimm , Stichwort „öffentliches Rechts I I " , in: HRG, Bd. 3, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1207 f.). 37 O. Bühler (FN 2), S. 9. 38 Siehe zur Entwicklung des subjektiven Privatrechts im 19. Jahrhundert z.B. H. Going, Zur Geschichte des Privatrechtsystems, 1962, S. 29 ff. (S. 48 ff.); F. Kasper , Das subjektive Recht, 1967, S. 51 ff. und J. Schapp, Das subjektive Recht, 1977, S. 69 ff.

III. Der „Begriff 4 des subjektiven öffentlichen Rechts

75

gleichbedeutend mit Befugniß: Manche nennen es ein Recht im subjectiven Sinn" 3 9 . F.C. v.Savigny bestimmte das subjektive Recht also unter dem Gesichtspunkt der individuellen Freiheit 40 ; seine Orientierung an der „individuellen Willensmacht" gilt als wichtige Entwicklungsstation der sog. Willenstheorie41, einer der beiden großen Theorien des subjektiven Rechts, die später auch bei der Konturierung des subjektiven öffentlichen Rechts fruchtbar gemacht werden sollte 42 . I m übrigen hielt F.C. v.Savigny an dem klassischen Verständnis von ius und actio fest: „Die actio, das Klagerecht, ist nur das materielle Recht in veränderter Gestalt (,in seiner neuen Gestalt, im Zustand der Verteidigung 4 )" 4 3 ' 4 4 . Die Willenstheorie ist bekanntlich auf scharfe Kritik gestoßen. Sie wurde insbesondere von R. v.Jhering abgelehnt 45 , und zwar mit der Begründung, daß „Rechte nicht dazu da" seien, „um die Idee des abstrakten ,Rechtswillens' zu verwirklichen, sondern um den Interessen, Bedürfnissen, Zwecken des Verkehrs zu dienen" 46 . Für R. v.Jhering bestand der Sinn des Rechts in der Garantiefunktion für die Verwirklichung der individuellen Interessen. Dementsprechend definierte er das subjektive Recht als „rechtlich geschütztes Interesse" 47 . Nach dieser sog. Interessentheorie, die später ebenfalls für die Bestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts herangezogen werden sollte 48 , wird der Begriff des subjektiven Rechts durch zwei Merkmale konstituiert: „ein substanzielles in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vorteil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und ein formales, welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage" 4 9 . In dem von R. v.Jhering geprägten Begriff des subjektiven Rechts sind also das „Interesse" als der „Kern" des Rechts und der „Rechtsschutz" als „schützende Schale" vereinigt 50 — der Rechtsschutz bleibt Bestandteil des subjektiven Rechts. 39 40 41

System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 7. H. Coing (FN 38), S. 49. F. Kasper (FN 38), S. 51 ff. (S. 62ff.).

42

Vgl. G. Jellinek (FN 3), S. 42. H. Coing ( F N 38), S. 49. 44 Die endgültige Trennung von materiellem Zivilrecht und Zivilprozeß wird zumeist auf B. Windscheid zurückgeführt; vgl. dazu und zu der auch in der späteren Pandektistik noch häufig anzutreffenden Verbindung von actio und Recht etwa W. Simshäuser, Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozeßrecht, 1965, insbesondere S. 71 ff. 43

45 46 47 48 49 50

Geist des römischen Rechts, 3. Teil, 8. Aufl., 1954, S. 327 ff. AaO (FN 45), S. 338. AaO (FN 45), S. 339. Vgl. G. Jellinek (FN 3), S. 43 f. R. v.Jhering ( F N 45), S. 339. AaO (FN 45), S. 339.

76

2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

In der weiteren zivilrechtlichen Diskussion wurden „Willenstheorie" und „Interessentheorie" miteinander zu der sog. „Kombinationstheorie" verschmolzen, die — ungeachtet ihrer mannigfachen Spielarten — richtungsweisend geblieben ist 5 1 . Danach wird das subjektive Recht definiert als „Interessenschutz, der eine Willensmacht des Geschützten begründet" 52 . Damit sind selbstverständlich nur kursorisch einige Grundlinien der Entwicklung des subjektiven Privatrechts im 19. Jahrhundert aufgezeigt. Bei genauerer Untersuchung verläuft der Ausbildungsprozeß dieses Rechtsinstituts erheblich differenzierter; schon damals als „Eckpfeiler des ganzen Rechtsbaues" bezeichnet 5 3 , war der „Begriff 4 des subjektiven Rechts Gegenstand umfangreicher Auseinandersetzungen, die eine Flut unterschiedlichster Definitonsvorschläge hervorbrachte 54 . Jedenfalls bei globaler Betrachtung lassen sich aus der damaligen Meinungsvielfalt aber schwerpunktmäßig drei — teilweise umstrittene —Aspekte herausschälen, die häufig zur Bestimmung des subjektiven Rechts herangezogen wurden: die Ableitung des subjektiven Rechts aus dem objektiven Recht, die Deutung des subjektiven Rechts als „Willensmacht" bzw. „Rechtsmacht" oder als „geschütztes Interesse" und die enge Verbindung des subjektiven Rechts mit dem Rechtsschutz. Und auf eben diese drei Gesichtspunkte konzentrierte sich um die Jahrhundertwende auch die Beschäftigung mit dem subjektiven Recht aus öffentlichrechtlicher Sicht.

2. Die „Begriffsmerkmale" des subjektiven öffentlichen Rechts Ähnlich wie im Privatrecht konnte um die Jahrhundertwende auch im öffentlichen Recht keine abschließende Einigkeit über den Begriff des subjektiven Rechts erzielt werden. Zwar neigte man nicht selten der bereits erwähnten Kombinationstheorie zu 5 5 , nach der die Willensmacht „das formale , das Gut oder Interesse das materiale Element im subjektiven Rechte" 56 ist. I m übrigen blieb aber vieles umstritten und ungeklärt 57 .

51

Vgl. F. Kasper ( F N 38), S. 49 und neuerdings K.-H. Fezer , JZ1985, S. 762 ff. (S. 770). So (wohl erstmalig) E.I. Bekker, System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1,1886, S. 49, der allerdings schon damals auf Mängel der Einzel- sowie der Kombinationstheorien aufmerksam machte und die Auffassung vertrat, daß der Begriff des subjektiven Rechts „nicht absolut festzustellen", sonderti „bildsam je nach den Verschiedenheiten des geltenden Rechts und der herrschenden Lehre" sei. 52

53

E.I. Bekker (FN 52), S. 46. Vgl. dazu nur die Zusammenstellung von W. Andressen, Grünhuts Zeitschrift 38 (1911), S. 603 ff. 55 Z.B. G. Jellinek (FN 3), S. 45; K. v.Stengel, F. Giese (FN 1), S. 5; K. v. Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff., (S. 191). 56 G. Jellinek (FN 3), S. 45. 57 Vgl. dazu die Nachw. in F N 1. 54

III. De

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Gewisse Schwerpunkte der Bemühungen um das subjektive öffentliche Recht waren — ähnlich wie im Zivilrecht — das Verhältnis von objektivem und subjektivem Recht, von Willensmacht bzw. geschütztem Interesse und subjektivem Recht sowie von Rechtsschutz und subjektivem Recht. Die sich dahinter verbergenden drei Problemfelder wurden namentlich von O. Bühler in spezifischer Weise gelöst und schlugen sich in dessen Definiton des subjektiven öffentlichen Rechts nieder: „Subjektives öffentliches Recht ist diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun d a r f ' 5 8 . Diese „klassische" Definition ist eine Begriffsbestimmung besonderer Art. Sie verbindet nämlich die von O. Bühler erarbeiteten Voraussetzungen für das Vorliegen subjektiver öffentlicher Rechte zum „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts 59 . Die in ihr enthaltenen drei Merkmale „zwingender Rechtssatz— Schutznorm — Rechtsmacht" verweisen deshalb im Grunde genommen auf die erwähnten drei Schwerpunktprobleme des subjektiven öffentlichen Rechts und führen diese einer spezifischen Lösung zu. a) Das Merkmal des „.zwingenden Rechtssatzes ,f Der „zwingende Rechtssatz" schreibt als Begriffsmerkmal und Voraussetzung des subjektiven öffentlichen Rechts zunächst die Abhängigkeit des subjektiven öffentlichen Rechts von dem objektiven Recht fest. Dies entspricht der um die Jahrhundertwende nahezu unbestrittenen 60 Meinung, daß sämtliche subjektiven Rechte ein Produkt der objektiven Rechtsordnung seien 61 : „Alle subjektiven Rechte haben ihre Wurzel in der objektiven Rechtsordnung" — das „objektive Recht ist das primäre, das subjektive Recht das sekundäre" 62 . Subjektive Rechte sind deshalb nur dann möglich, wenn sie durch das objektive Recht „eingeräumt", „verliehen", „gewährt" usw. werden. Die zum Teil in ausdrücklicher Wendung gegen naturrechtliche Vorstellungen formulierte „Priorität des objektiven Rechts" 63 führte zu einer Gegenüberstellung von objektivem und subjektivem Recht und machte das subjektive Recht strikt „gesetzesabhängig" 64 ' 65 . Das subjektive Recht wurde dadurch—positivi-

58

AaO (FN 2), S. 224. Siehe zu dieser Verbindung einerseits O. Bühler (FN 2), S. 21 (Voraussetzungen!) und andererseits ebenda, S. 224 (Definition!). 00 Vgl. F. Giese (FN 30), S. 62 f., der auf vereinzelte gegensätzliche Positionen hinweist. 61 Z.B. E. Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, 1884, S. 8; G. Jellinek, System, 1. Aufl., 1892, S. 8. 62 K. v.Stengel, F. Giese (FN 1), S. 4, 5. 63 So z.B. F. Giese, (FN 30), S. 62. 59

. Abschnitt: Der Kampf

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stischen Postulaten Rechnung tragend — bereits begrifflich von seinen ideellen Grundlagen getrennt und letztlich zur Disposition des Gesetzgebers gestellt. Außerdem verknüpfte das Merkmal des »zwingenden Rechtssatzes" das subjektive öffentliche Recht mit Problemen des Verwaltungsermessens. Denn „zwingend" war ein Rechtssatz nach Ansicht von O. Bühler nur dann, wenn er „das freie Ermessen der Verwaltung bei seiner Anwendung ausschließt" 66 . Dieses zusätzliche Erfordernis des „zwingenden" Rechtssatzes schränkte die Anwendungsbereiche des subjektiven öffentlichen Rechts also erheblich ein und verfolgte überdies das Anliegen, bestimmte Bereiche der Verwaltungstätigkeit von einer gerichtlichen Kontrolle freizustellen 67. b) Das Merkmal der „Rechtsmacht " Die „Rechtsmacht" oder „Willensmacht" fand in die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an zwei Stellen Eingang: Zum einen wurde sie häufig zur inhaltlichen Deutung bzw. zur Erklärung des Wesens dieser Rechtsfigur herangezogen 68. So bestimmte man das subjektive öffentliche Recht beispielsweise als „rechtliche Macht über die öffentliche Gewalt" 6 9 oder als „seitens der Rechtsordnung anerkannte Willensmacht" 70 . In diesen und ähnlichen Äußerungen ist das subjektive Recht zu einem rein 64 Beides wird heute als problematisch empfunden. Vgl. dazu hinsichtlich der „Entgegensetzung von objektivem und subjektivem Recht" W. Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 ff. (S. 272 f.) und zu der „unter dem Stichwort Gesetzesabhängigkeit — Gesetzesunabhängigkeit" geführten Grundsatzdiskussion R. Wahl , DÖV 1975, S. 373 ff. (S. 376 f.); ders., JuS 1984, S. 577 ff. (S. 579 f.). 65 Die „strikte Gesetzesabhängigkeit" des subjektiven Rechts war freilich — worauf u.a. O. Bühler (FN 2), S. 225 f. selbst aufmerksam machte — schon damals nicht unproblematisch, weil beispielsweise die Benutzung von Straßen, Museen, Bibliotheken, Krankenhäusern usw. häufig nicht gesetzlich geregelt war, man aber dazu neigte, jedenfalls in gewissem Umfang subjektive Rechte auf Benutzung zu bejahen; dazu O. Bühler , aaO: „Wenn in Fragen dieser Art unsere Definition zu versagen scheint, so spricht das in Wirklichkeit nicht gegen ihre Richtigkeit, sondern beruht eben auf dem primitiven Zustand des objektiven Rechts". 66 O. Bühler ( F N 2), S. 21. Darauf, daß die Fortführung des Merkmals „zwingender Rechtssatz" spätestens seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nur unter erheblichen Modifikationen möglich ist, machte frühzeitig insbesondere O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. (S. 294 ff.) aufmerksam. 67

Vgl. dazu — retrospektiv — O. Bühler , Altes und Neues, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 269 ff. (S. 276). 68 Vgl. dazu auch O. Bachof ( F N 66), S. 292: „Subjektives Recht ist seinem Inhalt nach eine dem Einzelnen durch das objektive Recht zuerkannte ,Willensmacht' oder ,Rechtsmacht 4 ". 69 70

So z.B. O. Mayer ( F N 32), S. 110; P. Schön (FN 1), S. 276. K. v.Stengel, VerwArch 3 (1895), S. 177 ff. (S. 191).

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rechtstechnischen Institut verkümmert. Denn abstrakt-allgemeine Begriffe wie „Rechtsmacht" oder „Willensmacht" verdecken durch ihre Farblosigkeit die sich dahinter verbergende Vielfältigkeit 71 und blenden die Bedeutung des subjektiven Rechts in der Wirklichkeit völlig aus. Zum anderen wurde das Kriterium der „Rechtsmacht" — oder nach O. Bühler: die „Bestimmung des Rechtssatzes dazu, daß sich der Bürger der Verwaltung gegenüber auf ihn soll berufen können" 7 2 — auch als Voraussetzung für das Vorliegen subjektiver öffentlicher Rechte gehandelt. Unter diesem Blickwinkel stand die „Rechtsmacht" in einer undeutlichen Beziehung zum Rechtsschutz, zur Klagbarkeit und insbesondere zur verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis 73 . Ob danach die gerichtliche Durchsetzbarkeit bzw. der Rechtsschutz Bestandteil des subjektiven öffentlichen Rechts ist, blieb in der damaligen Literatur teilweise unklar, wurde aber häufig bejaht: Nicht zweifelsfrei geklärt war das Verhältnis von subjektivem Recht und Rechtsschutz beispielsweise bei G. Jellinek, der einerseits betonte, daß die „richterliche Zuerkennung eines Rechtsmittels nicht das absolute Kriterium für das Dasein eines individuellen Anspruchs" bilde, andererseits aber auch ausführte, daß „niemals ... ein durch Rechtsmittel zu verfolgender Anspruch bloss Reflexrecht sein" könne 7 4 . Ähnliche Fragwürdigkeiten finden sich auch bei O. Bühler, der sich insoweit zwar ausdrücklich von G. Jellinek distanzierte 75 , mit der oben erwähnten Voraussetzung das subjektive Recht aber doch zumindest in die Nähe der Klagbarkeit rückte 76 . Sieht man von diesen Stellungnahmen und manchen gegenteiligen Äußerungen 77 ab, dann wurde ein subjektives Recht vielfach nur dort anerkannt, „wo dem Ansprüche gegen den Staat ein irgendwie gestalteter Rechtsschutz zur Seite steht" 7 8 . Die Vertreter des öffentlichen Rechts knüpften damit an die auch im 71 Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen zur noch heute herrschenden Lehre im Zivilrecht von K Larenz, Zur Struktur „subjektiver Rechte", in: Festgabe für J. Sontis, 1977, S. 129 ff. (S. 147). 72 AaO (FN 2), S. 224, 21; vgl. auch ders. ( F N 67), S. 281. 73 Auf die insoweit bestehenden Unklarheiten wurde bereits mehrfach hingewiesen; vgl. z.B. M. Rott ( F N 13), S. 62 ff.; W. Henke (FN 15), S. 2 ff.; F. Kern, Die Schutzfunktion der Verwaltung, 1970, S. 4. 74

AaO ( F N 3), S. 101, 106; vgl. auch ebenda, S. 45 F N 2, 70, 80. AaO ( F N 2), S. 48 F N 66. 76 Vgl. dazu auch die Erläuterung dieser Voraussetzung bei O. Bühler ( F N 67), S. 281, wo in Erwägung gezogen wird, sie durch die Formulierung „sofern der Gesetzgeber nicht die Entstehung eines subjektiven öffentlichen Rechts (oder die Möglichkeit einer Klage) ausdrücklich verneint" zu ersetzen; Hervorhebung hinzugefugt. Vgl. ferner W. Henke (FN 15), S. 36 f. 75

77

Z.B. F. Fleiner, Institutionen, 3. Aufl., 1913, S. 163 f. P. Schön (FN 1), S. 276; ähnlich z.B. F. Giese ( F N 30), S. 73 ff.; K. v.Stengel, F. Giese ( F N 1), S. 4, 6. 78

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Abschnitt: Der Kampf

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Zivilrecht vertretene Verbindung von materiellem Recht und Rechtsschutz79 an und verklammerten im „Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts materielle und prozessuale Elemente 80 . Nicht zuletzt wegen der damals teilweise nur enumerativen Klagezulassungen schufen sie mit dieser Verklammerung einen der—heute freilich überholten — Festpunkte für die Abgrenzung zwischen den sog. „Rechtsreflexen" und den subjektiven öffentlichen Rechten 81 . c) Das Merkmal der „Schutznorm " Das langfristig am nachhaltigsten fortwirkende Element der um die Jahrhundertwende entworfenen Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts ist bekanntlich das „Schutznormkriterium", auf das die noch heute in Lehre und Praxis herrschende sog. „Schutznormtheorie" zurückgeht. Danach muß der jeweils in Betracht kommende objektive Rechtssatz, wenn er ein subjektives Recht des Untertanen zur Entstehung bringen soll, „zugunsten bestimmter Personen oder Personenkreise, zur Befriedigung ihrer Individualinteressen und nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen" sein bzw. „zum Schutz von Individualinteressen" bestimmt sein 82 . Grundlage des auf die „Interessentheorie" 83 rückführbaren „Schutznormkriteriums" sind die Kategorie des „Interesses" und die daran angeseilte „Unterscheidung von öffentlichen und privaten Interessen". Die Orientierung an diesen beiden Elementen war freilich schon aus damaliger Sicht nicht unproblematisch. So kritisierte beispielsweise K. Binding das „Interesse" als einen „Allerweltsnagel", der „nichts sagt, aber vielerlei andeutet", als einen Ausdruck, unter dem man „bald diess, bald das versteht", und der „viel zu schwach" sei, „um ernsthafte Gedankenarbeit daran zu hängen" 04 . Und E. Kaufmann stellte fest, daß „alle unsere Rechtsnormen zugleich öffentlichen wie privaten Interessen dienen ..., sowohl die bürgerlichen wie die publizistischen" 85 . Der schwankende Boden, den man mit der Hinwendung zu den „Interessen" und insbesondere mit der „Unterscheidung von öffentlichen und privaten Interessen" demnach bereits im theoretischen Ansatzpunkt betrat, wurde 79

Dazu oben 1. b. Zu den Fernwirkungen dieses aktionenrechtlichen Denkens siehe oben F N 28. 81 Noch 1955 unterschied O. Bachof ( F N 66), S. 299 zwischen den Rechtsreflexen, die sich im Zusammenhang mit der Schutznormtheorie ergeben und solchen, die aus der Verweigerung der „Rechtsmacht" (also der Durchsetzungsmöglichkeit) resultieren. 82 So O. Bühler (FN 2), S. 21,42,224; ähnlich z.B. F. Giese (FN 30), S. 70; P. Schön (FN 1), S. 275 f.; K v. Stengel, F. Giese ( F N 1), S. 4 ff.; vgl. ferner G. Jellinek (FN 3), S. 41 ff., 67 ff. 83 Dazu oben 1. b. 84 Normen, Bd. I, 3. Aufl., 1916, S. 362. 85 Stichwort „Verwaltung, Verwaltungsrecht", in: StWbVerwR, Bd. 3,2. Aufl., 1914, S. 688 ff. (S. 703). Vgl. dazu aus heutiger Sicht auch P. Häberle , Wesensgehaltgarantie, 3. 80

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allerdings bei der praxisorientierten Beschäftigung mit dem „Schutznormmerkmal" nahezu völlig ausgeblendet. Charakteristisch hierfür sind die in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen von 0. Bühler: „Dass es der Zweck des subjektiven Rechts, des öffentlichen wie des privaten, ist, die Befriedigung von Individualinteressen zu sichern, braucht hier nicht lange bewiesen zu werden; ein Teil der Privatrechtslehrer legt ja... auf dieses Moment so sehr den Nachdruck, dass sie subjektive Rechte geradezu mit Interessen identifizieren; hieran ist eben nur soviel richtig, dass die Sicherung von Individualinteressen der wesentliche Zweck der subjektiven Rechte ist. Hieraus ergibt sich aber mit Notwendigkeit, dass dies auch die Bestimmung eines Rechtssatzes sein muss, der ein subjektives öffentliches Recht soll hervorbringen können. Den Gegensatz dazu bilden Rechtssätze, die nur allgemeinen Interessen dienen. Es ergibt sich daher die Aufgabe, diese beiden Klassen von Rechtssätzen voneinander zu scheiden" 86 .

Diese unkritische Übertragung des zivilistisch geprägten subjektiven Rechts hat im öffentlichen Recht fatale Konsequenzen87. Während nämlich im Zivilrecht die Deutung des subjektiven Rechts als „Instrument zur Befriedigung bzw. Sicherung von Individualinteressen" in erster Linie ein Problem der Rechtslehre bzw. Rechtstheorie darstellt, aufs Ganze gesehen aber nur geringe rechtspraktische Bedeutung hat, kommt der Ausrichtung des subjektiven Rechts auf den Schutz von Individualinteressen im öffentlichen Recht gerade auch in der Rechtspraxis eine Schlüsselrolle zu. Denn im öffentlichen Recht entscheidet die Interessenrichtung des jeweiligen Rechtssatzes ja über nicht weniger als den Bestand oder Nichtbestand eines subjektiven Rechts. Hier dient das Merkmal „Sicherung bzw. Schutz von Indiviudalinteressen" also nicht nur zur Bestimmung des „Wesens", des „Zwecks" oder des „Begriffs" des subjektiven Rechts, sondern legt zugleich eine in der Rechtspraxis äußerst bedeutsame Voraussetzung für die Bejahung konkreter subjektiver öffentlicher Rechte fest. Schon um die Jahrhundertwende war die von dem „Schutznormkriterium" aufgegebene Unterscheidung von Rechtssätzen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen, und solchen, die zumindest auch den Individualinteressen zu dienen bestimmt sind, eine zentrale Schaltstelle für die Abgrenzung von subjektiven Rechten und sog. „Rechtsreflexen", d.h. den lediglich reflexartigen Begünstigungen des Untertanen durch die Normanwendung 8 8 , 8 9 . Der sich Aufl., 1983, S. 23: „Das Wesen aller Rechtsnormen besteht nämlich darin, daß sie zugleich den Schutz von öffentlichen und privaten Interessen bezwecken". 86 AaO ( F N 2), S. 42 f. 87 Vgl. dazu auch E.-W. Böckenförde ( F N 36), S. 218 mit F N 34. 88 Vgl. nur G. Jellinek (FN 3), S. 67 ff. 89 M i t dem Merkmal der „Schutznorm" sind außerdem verschiedene prinzipielle Implikationen verbunden, die sich teilweise mit den beiden anderen Voraussetzungen überschneiden und auf die hier nur am Rande hingewiesen werden kann: Durch die „Priorität" des objektiven Rechts sind — erstens — auch im Rahmen des „Schutznormmerkmals" die subjektiven Rechte des Untertanen abhängig von dem objektiven Recht. 6

Bauer

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2. Abschnitt: Der Kampf ums subjektive Recht im 19. Jahrhundert

hieran anschließende u n d i m wesentlichen bis heute ungebrochene Siegeszug des „Schutznormkriteriums", das sich a u f längere Sicht als das eigentliche K e r n stück der Lehre v o m subjektiven öffentlichen Recht entpuppen u n d schließlich sogar zur „Schutznormlehre" u n d „Schutznormtheorie" avancieren sollte, ist bekannt. Eher i n Vergessenheit geraten ist dagegen, daß den A u t o r e n der Zeit — auch soweit sie das Begriffsmerkmal „ S c h u t z n o r m " befürworteten — die geringe Belastbarkeit der Abgrenzungsalternative „Schutz v o n Allgemeininteressen" — „Schutz v o n (zumindest auch) Individualinteressen" durchaus bewußt war: So findet sich etwa bei G. Jellinek die Bemerkung, daß die Abgrenzung der materiellen subjektiven Rechte gegen den „Reflex objektiven Rechts... außerordentlich schwierig" sei, „wie immer, wo der Jurist der sicheren Handhabe des formellen Kriteriums entbehrt". Noch schwieriger gestalte sich die Untersuchung de lege ferenda: „Eine absolute Grenzlinie zwischen dem materiellen Gemein- und dem materiellen Einzelinteresse läßt sich mit Sicherheit kaum ziehen" 90 . Von O. Bühler wurde eingeräumt, daß Jede Norm, die dem Schutz von Individualinteressen dient, gleichzeitig auch indirekt Allgemeininteressen dient. Diese letztere Bestimmung tritt häufig wohl so sehr zurück, dass sie kaum mehr bemerkt wird, häufig aber macht sie sich auch so sehr geltend, dass man zweifeln kann, ob sie oder die andere Hauptzweck des Gesetzes ist... Zur Entscheidung der Frage (nach der Interessenschutzrichtung der jeweiligen Norm) hat man natürlich in erster Linie auf die Gesetzesmaterialien zurückzugehen. Sehr häufig wird man diesen etwas Bestimmtes nicht entnehmen können. Dann hat man im Zweifel wohl (!) anzunehmen, dass ein Rechtssatz, der faktisch (!) Individualinteressen zugute kommt, mindestens dann, wenn dies ohne weiteres vorauszusehen war, auch den Zweck hat, ihnen zu dienen und dass er daher geeignet ist, ... subjektive öffentliche Rechte für die Destinäre dieses Rechtssatzes hervorzubringen, und dies ist wohl (!) auch für Bestimmungen anzunehmen, die beidem dienen, Allgemeininteressen und Privatinteressen" 91. Und schließlich F. Giese: „ D a eine scharfe Scheidung der staatlichen und der Individualinteressen nicht möglich ist — die einen kommen doch immer mittelbar den anderen zugute — so kann man von einseitigem Interessenschutz nur insofern sprechen, als man darin ausdrücken will, wessen Interesse die Norm am unmittelbarsten (!) schützt, welcher Interessen Befriedigung die eigentliche Ursache der Setzung jener Normen w a r " 9 2 . A u s historischer Sicht r u h t die „ S c h u t z n o r m d o k t r i n " demnach keineswegs — wie heute verschiedentlich angenommen w i r d — a u f sicheren u n d festen Daraus folgt — zweitens — die Freiheit des Gesetzgebers, durch die Gestaltung des objektiven Rechts und insbesondere durch die Festlegung der Schutzrichtung der jeweiligen Rechtssätze über die Anerkennung oder Verweigerung von subjektiven Rechten der Untertanen zu entscheiden. Und schließlich wird — drittens — in Zweifelsfallen faktisch dem Untertanen die Last der Begründung einer für ihn günstigen Interessenschutzrichtung überbürdet, weil ja im gedanklichen Ansatz immer zunächst von dem objektiven Recht ausgegangen wird und jedes subjektive Recht einer besonderen Begründung bedarf. 90 91 92

G. Jellinek ( F N 3), S. 70 f. O. Bühler ( F N 2), S. 44 f.; Klammerzusätze hinzugefügt. F. Giese (FN 30), S. 71; Klammerzusatz hinzugefügt.

III. Der „Begriff 4 des subjektiven öffentlichen Rechts

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Fundamenten, sondern steht eher auf tönernen Füßen 93 . Ganz treffend hat man denn auch bemerkt, daß die „Unterscheidung von subjektiven Rechten und Reflexwirkungen objektiven Rechts eine rechtsstaatliche Erfindung" sei; „subjektives Recht und Reflex objektiven Rechts unterscheiden sich durch kein äußeres Merkmal" 9 4 . Die Rechtspraxis mußte das „Schutznormkriterium" zwangsläufig in ein Dilemma führen. Aus diesem Dilemma suchte sich die damalige Literatur auf unterschiedlichen Wegen herauszumanövrieren. Zum Teil wurde zur Beantwortung der Frage nach der Interessenschutzrichtung auf eine „sorgfaltige Gesetzesauslegung" verwiesen 95; soweit sich — wie dies schon damals häufig der Fall war — den Gesetzesmaterialien „etwas Bestimmtes nicht entnehmen" läßt, sollten dabei auch Gesichtspunkte wie „faktische Begünstigung", „unmittelbarste Schutzrichtung", die „eigentliche Ursache der Normsetzung", Vermutungen u.ä. 9 6 verwertbar sein. Zum Teil begnügte sich die Literatur auch damit, im Anschluß an die Darstellung des „Schutznormkriteriums" unstreitige Beispiele für die Anerkennung oder Ablehnung von subjektiven Rechten sowie den einen oder anderen Zweifelsfall zu referieren. Beides — die tastende Suche nach verläßlichen Abgrenzungskriterien und der Rekurs auf die „allgemeinen Anschauungen" — weist auffällige Parallelen zum heutigen Stand der sog. „Schutznormlehre" auf, mag zwischenzeitlich der Kreis der subjektiven Rechte auch erheblich ausgeweitet worden sein.

93 Vgl. dazu auch O. Bühler (FN 2), S. 224: Meine „Definition soll und kann keine Zauberformel sein ...". 94 So F. Fleiner ( F N 77), S. 164, 166. 95 In diesem Sinne etwa F. Fleiner ( F N 77), S. 166. 96 Vgl. oben bei F N 91 und 92.

6*

Dritter Abschnitt

Die Konsolidierung des subjektiven öffentlichen Rechts in der Weimarer Zeit Das Verfassungs- und Rechtsdenken der Weimarer Zeit stand von Anfang an in einem eigengearteten Spannungsverhältnis zwischen strukturtiefen Veränderungen und dem bewahrenden Festhalten an herkömmlichen Vorstellungen: Auf der einen Seite ging Deutschland am Ende eines verlorenen Krieges von dem zwar konstitutionellen, aber doch deutlich monarchisch eingefarbten „Obrigkeitsstaat" zum demokratisch-republikanisch verfaßten Gemeinwesen über. Es gab sich in Weimar eine Verfassung, die in vielfacher Hinsicht von den Konstitutionen des 19. Jahrhunderts abwich und insbesondere mit den in ihr erstmals positivierten „Grundrechten und Grundpflichten der Deutschen" in ihrer Gesamtausrichtung unübersehbar (auch) auf — nach dem damaligen Verständnis — „außerrechtliche" Problemstellungen verwies. Dies begünstigte wiederum das verstärkte Vordringen von — sich teilweise schon um die Jahrhundertwende abzeichnenden1 — Lehren, die für eine bewußte Akzentuierung namentlich der philosophischen, geistigen, sozialen und politischen Bezüge im Verfassungs- und Rechtsdenken eintraten. A u f der anderen Seite trat das Staats- und Verwaltungsrecht das Erbe des von der konstitutionellen Monarchie hinterlassenen öffentlichen Rechts an 2 . Das von dem fundamentalen verfassungsrechtlichen Wandel zunächst in weiten Teilen noch nicht erfaßte Gefüge des einfachen Rechts und die „personelle Identität" der Rechtslehrer 3 sicherten ein erstaunliches Maß an sachlicher Kontinuität. Wesentliche Bestandteile der überkommenen Lehren des öffentlichen Rechts wurden aufgegriffen und — zum Teil nach kritischer Überprüfung — in den zahlreichen Neuauflagen der bereits vor dem ersten Weltkrieg erschienenen Lehrbücher fortgeschrieben 4.

1

Vgl. dazu M. Stolleis , Verwaltungswissenschaft und Verwaltungslehre, in: Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 85 ff. (S. 104 ff.). 2 Vgl. D. Grimm , Stichwort „Öffentliches Recht I I " , in: HRG, Bd. 3,1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1210 f.). 3 In dem hier interessierenden Zusammenhang insbesondere G. Anschütz , O. Bühler , F. Fleiner , F. Giese, G. Jellinek — W. Jellinek , O. Mayer und R. Thoma. 4 Vgl. an dieser Stelle nur die Kommentierung der „Grundrechte und Grundpflichten" durch G. Anschütz , Die Verfassung des Deutschen Reichs, 1. Aufl., 1921, S. 181 ff. und die

3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

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Bei diesem Ausgangsbefund war für die Zukunft des subjektiven öffentlichen Rechts entscheidend, welche der beiden gegensätzlichen Grundströmungen in dem Widerstreit zwischen „alten" und „neuen" Vorstellungen die Oberhand gewinnen würde. U m das ohnehin bekannte Ergebnis vorwegzunehmen — zunächst blieb vieles beim Alten: Die Grundrechte wurden in dem führenden Kommentar für Wissenschaft und Praxis im Grundsätzlichen und in der Tendenz ähnlich behandelt wie die „Rechte der Preußen" der preußischen Verfassung von 18505. Zwar waren die Grundrechte neben dem Staats- und Verfassungsbegriff in den 20er Jahren einer der Festpunkte für die Auseinandersetzung zwischen der älteren und den neueren Richtungen der Staatsrechtslehre, die schließlich eine Grundsatzdiskussion auslöste. So sehr dabei die Bedeutung der „materialen" Lehren auch wuchs, so wenig konnten diese Lehren aber bis 1933 die Praxis grundlegend beeinflussen. Das Verwaltungsrecht und die „verwaltungsrechtliche" Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts blieben von den neueren Entwicklungen vergleichsweise eher unberührt. Hier galt in der Tat O. Mayers Satz „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht" 6 . Er gab nicht eine alleinstehende Einzelmeinung wieder, sondern stand stellvertretend für eine in den Anfangen der Weimarer Republik verbreitete Auffassung und brachte diese nur besonders einprägsam „auf den Begriff". Eine ähnliche Grundhaltung findet sich zunächst beispielsweise auch bei F. Fleiner , der im Vorwort zu der 1919 erschienenen unveränderten (!) 4. Auflage der „Institutionen" darauf hinwies, daß die „wissenschaftlichen Grundgedanken des Buches ... unerschüttert geblieben" seien; im übrigen spricht die Reihe unveränderter oder nur geringfügig veränderter Neuauflagen von noch während des Kaiserreiches erstmals erschienener Literatur für sich selbst. Später räumte man zwar ein, daß die „Neugestaltung des Verfassungsrechts ... einen starken Einfluß auch auf das Verwaltungsrecht ausgeübt" habe, den alten Rechtsinstituten einen veränderten Sinn gegeben habe und es erforderlich mache, „das Neue organisch mit den bewährten Grundsätzen des Deutschen Verwaltungsrechts zu verbinden" 7 . A u f die Behandlung des (verwaltungsrechtlichen) subjektiven öffentlichen Rechts wirkte sich die „Einbindung des Neuen" jedoch kaum aus 8 . Neuauflagen der Verwaltungsrechtslehrbücher von F. Fleiner (Institutionen, 4. (unveränderte) Aufl., 1919) und von O. Mayer (Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924). 5 G. Anschütz , Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, S. 505 ff. 6 Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. VI. 7 So F. Fleiner , Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. IV. 8 Charakteristisch hierfür ist die Behandlung der „öffentlichen Rechte" bei F. Fleiner (FN 7), S. 164, S. 172 ff., wo die „organische Einbindung des Neuen" zwar zu einer gewissen Aktualisierung führte, im übrigen aber über weite Strecken nahezu wortwörtlich die entsprechenden Passagen aus den Vorauflagen von 1913 und 1919 übernommen wurden.

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

Insgesamt ist die Weimarer Zeit für die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht eher eine Phase der — freilich nicht ungestörten — sachlichen Kontinuität. Die Jahre 1918/19 leiteten eine Zeit der Konsolidierung ein, in der ältere Streitfragen wie etwa die Frage, ob subjektive öffentliche Rechte des Untertanen gegen den Staat prinzipiell möglich sind, endgültig verabschiedet, Einzelprobleme wie etwa die Verbindung von subjektivem Recht und Rechtsschutz abgeschichtet und neuere Entwicklungen in der Rechtspraxis bei der Darstellung der Anwendungsgebiete des subjektiven öffentlichen Rechts berücksichtigt wurden. Vorstöße, die sich um eine prinzipielle Neuorientierung bemühten und vor allem auf die Grundrechte konzentrierten, hatten aber in den knapp anderthalb Jahrzehnten der Weimarer Republik nicht die Zeit, sich voll zu entfalten und durchzusetzen.

I. Verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Ansätze zu einer Neuorientierung Einen wichtigen Ansatzpunkt für eine prinzipielle Neuorientierung lieferte bereits die Entstehungsgeschichte der Weimarer Verfassung 1 und insbesondere der im Ergebnis positiv entschiedene Streit 2 über die Aufnahme von „Grundrechten und Grundpflichten". Denn der im Vorfeld der Reichsverfassung gerade auch mit Blickrichtung auf den zweiten Hauptteil ausgetragene Kampf zwischen den verschiedensten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strömungen, die schließlich auch Eingang in die einzelnen Artikel der „Grundrechte und Grundpflichten" fanden 3, mußte das Bewußtsein dafür schärfen, daß die Verfassungsgehalte mit der (positivistischen) Methode der auf sich selbst zurückgezogenen Rechtswissenschaft und einem ausschließlich liberalen Freiheitsverständnis zumindest nicht vollinhaltlich erschlossen werden können. Starke Impulse für eine Entfernung von der traditionellen Methode und der älteren Richtung der Staatsrechtslehre gingen außerdem auch von dem Verfassungstext und insbesondere von der Gestaltung des „Grundrechtsteiles" aus. Anders als etwa die Paulskirchenverfassung wies die Weimarer Reichsverfassung ja keine isolierten „Grundrechte" aus, sondern die „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen". Sie erfaßte die Rechtsstellung des Einzelnen also nicht unter dem einseitig verabsolutierten Aspekt der individuellen „Freiheit vom Staat'*4. Vielmehr erschien der Einzelne als Träger von breitgefa1

Siehe dazu F. Stier-Somlo , Reichsverfassung, 1919, S. 1 ff.; W. Jellinek, HdbDStR I, 1930, S. 127 ff.; E.R. Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. V, 1978, S. 1178 ff. m. weit. Nachw. 2

Vgl. dazu G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, S. 508 ff.; A. Voigt , Geschichte der Grundrechte, 1948, S. 122 ff. 3 Zur Zurückfuhrung der einzelnen Grundrechte und Grundpflichten auf die verschiedenen politischen Ideenkreise siehe G. Giere , Das Problem des Wertsystems der Weimarer Grundrechte, 1932, S. 121 ff. und passim.

I. Ansätze zu einer Neuorientierung

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cherten, abgestuften Grundrechten und Grundpflichten, die Ausdruck seiner menschlichen Grundbefindlichkeit im Gemeinwesen sind. Deshalb waren ganze „Grundrechtsbereiche" nicht ausschließlich individualistisch konzipiert, sondern gerade auch auf die „Sozialdimension" menschlichen Seins ausgerichtet, was u.a. an den Abschnittsüberschriften „Das Gemeinschaftsleben" und „Das Wirtschaftsleben" 5 abgelesen werden kann. Zahlreiche Einzelgrundrechte waren mit ausdrücklichen „Pflichtenvorbehalten" versehen6. Und selbst die als die „drei Grundpfeiler der individualistischen Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung" gepriesenen7 Garantien der Vertragsfreiheit, des Privateigentums und des Erbrechts 8 durchzogen Pflichtigkeiten und sozialstaatliche Bindungen9. Hinzu kam, daß in den Verfassungstext eine Begrifilichkeit Eingang gefunden hatte 10 , deren Bedeutung weder mit dem Instrumentarium einer rein rechtstechnisch verstandenen Rechtslehre noch mit einem überbetont liberal-individualistischen Freiheitsverständnis überzeugend ausgelotet werden konnte. Diese und andere Aspekte der Entstehungsgeschichte und des Verfassungstextes gaben den Autoren der Zeit immer wieder Gelegenheit, um auf grundsätzliche Veränderungen hinzuweisen, die geeignet waren, auf das Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts durchzuschlagen. So wurden etwa die „sozialen Pflichten" des Eigentums zum Nachweis dafür herangezogen, daß dem Eigentum ein „neuer Inhalt" gegeben werden sollte, „der auch vor dem empfindlichen gesellschaftlichen Gewissen der Gegenwart bestehen kann"; erst die soziale Verpflichtung verleihe dem Eigentum seine Würde — „ein alter deutschrechtlicher Gedanke von den sich aus dem Wesen des Rechts ergebenden immanenten Schranken" 11 . Von anderer Seite wurde betont, daß die Weimarer Reichsverfassung einen „demokratischen Freiheitsbegriff" aufgestellt habe, der den „liberalen Freiheitsbegriff" ablöse12. Die Weimarer Verfassung versuche, „in 4

Vgl. dazu auch P. Badura , DVB1.1982, S. 861 ff. (S. 864 ff.), der darauf aufmerksam macht, daß der Streit über die Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension eines der Felder ist, „auf dem der große Weimarer Methodenstreit ausgetragen wurde" (S. 867); ferner H. Planitz , Zur Ideengeschichte der Grundrechte, in: Grundrechte und Grundpflichten, Bd. 3, 1930, S. 597 ff. (S. 621 f.). 5 Zweiter Hauptteil, zweiter und fünfter Abschnitt; abgedruckt bei E.R. Huber , Dokumente, Bd. 3, 2. Aufl., 1966, S. 146 ff., 150 ff. 6 Dazu E.R. Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, S. 97 f. m. Nachw. 7 So G. Anschütz (FN 2), S. 698. 8 Art. 152 ff. WRV. 9 Vgl. Art. 151 ff. WRV. 10 Z.B. Art. 151 WRV: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen"; Art. 163 WRV: „Jeder Deutsche hat... die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert". 11 12

So G. Giere (FN 3), S. 78 unter Hinweis auf O. v.Gierke. H. Planitz ( F N 4), S. 597.

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

ihrem grundrechtlichen Teil... über die rein formalen Bestimmungen eines nur organisationstechnischen Normenbestandes hinaus auch zu einer inhaltlichen Aufnahme und rechtlichen Ausprägung sittlich-kultureller Werte der Volksgemeinschaft zu kommen und so eine wechselseitige Verwurzelung von rechtlichen und sozialethischen Normgruppen zu erreichen" 13 . Und retrospektiv vertritt heute E.R. Huber die Auffassung, daß eine Reihe von Grundrechten der Reichsverfassung auch als „sozialgerichtet", nämlich als „Abwehrrechte gegen ,soziale Gewalten'" verstanden worden seien14. M i t all diesen Äußerungen werden zumindest indirekt auch Kernprobleme des subjektiven öffentlichen Rechts angesprochen: die unmittelbare Korrelation von Rechten und Pflichten, das Freiheitsverständnis als eine der formprägenden Kräfte des subjektiven Rechts, die „metarechtliche" Grundlegung des subjektiven öffentlichen Rechts und die ausschließliche Staatsgerichtetheit des subjektiven öffentlichen Rechts. Npch wichtiger als diese Stellungnahmen waren die Anstöße zu einer grundsätzlichen Neubesinnung im Verfassungs- und Rechtsdenken, die in den 20er Jahren von einer Gruppe vornehmlich jüngerer Staatsrechtslehrer ausgingen. Auf breiter Front wurden von dieser Gruppe Angriffe gegen das ältere Verfassungs- und Rechtsverständnis und insbesondere gegen den noch immer vorherrschenden staatsrechtlichen Positivismus geführt. Ohne die Wissenschaftlichkeit des öffentlichen Rechts preiszugeben, versuchte man mit diesen Angriffen, dieses Rechtsgebiet wieder für ethische, geistige und realitätsbezogene Überlegungen zu öffnen 15 . Sieht man von dem gemeinsamen Gegner ab, dann waren die Positionen der einzelnen Befürworter einer Neuorientierung allerdings höchst uneinheitlich. Aus der Sackgasse des staatsrechtlichen Positivismus, der sich um das Material zur Beantwortung staatsrechtlicher Probleme gebracht hatte 16 , sollte eine Anreicherung des Rechts u.a. mit philosophisch-ethischen17, politischen 18 , geisteswissenschaftlichen 19 oder sozialwissenschaftlichen 20 Elementen führen, die bei der methodischen Erschließung der Verfassungsgehalte zu berücksichtigen seien21. Daß sich daraus gerade auch für die Grundrechtsdeutung und 13

G. Holstein , AöR 51 (1927), S. 187 ff. (S. 196). AaO (FN 6), S. 96 f.; vgl. auch J. Hatschek, Staatsrecht, Bd. I, 1922, S. 187 und speziell zur Problematik der „Drittwirkung" der Grundrechte in der Weimarer Zeit auch W. Leisner , Grundrechte, 1960, S. 52 ff. 15 Vgl. zum Ganzen D. Grimm , Stichwort „Öffentliches Recht I I " , in: HRG, Bd. 3, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1210 f.). 16 Vgl. R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 1. 17 In diesem Sinne etwa E. Kaufmann , VVDStRL 3 (1927), S. 2 ff. 18 So C. Schmitt , Verfassungslehre, 5. Aufl., 1970, S. 20 ff., 125 ff. 19 So vor allem R. Smend (FN 16); ders., VVDStRL 4 (1928), S. 44 ff. 20 Vgl. H. Heller , Die Krisis der Staatslehre, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2,1971, S. 3 ff. (insbes. S. 27 f.). 21 Vgl. dazu zuletzt D. Wyduckel , Ius Publicum, 1984, S. 302 ff. 14

I. Ansätze zu einer Neuorientierung

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Grundrechtsauslegung äußerst unterschiedliche Konsequenzen ergaben, liegt auf der Hand 2 2 . Immerhin läßt sich der „anti-positivistischen" Richtung — so unterschiedlich die Auffassungen der sich zu ihr bekennenden Staatsrechtslehrer auch gewesen sind — aber das gemeinsame Grundanliegen einer materialen Ausrichtung des Verfassungs- und Rechtsdenkens entnehmen23. Mochten die „neuen" Lehren bis zum Ende der Weimarer Republik auch zunehmend an Bedeutung gewinnen, so gelang es ihnen jedoch nicht, den angestrebten Paradigmenwechsel, nämlich die „Wiedereinfügung des öffentlichen Rechts in seinen ideellen und materiellen Begründungs- und Wirkzusammenhang" 24 , vollständig herbeizuführen. Nach wie vor stand ihnen die vor allem in der Rechtspraxis sehr wirksame, noch in der Vorkriegszeit grundgelegte „ältere" Lehre gegenüber 25. Die wissenschaftliche Gegnerschaft zwischen den Anhängern des Alten und des Neuen führte die Staatsrechtslehre in eine tiefe „Krise" 2 6 , die auf der Münsteraner Staatsrechtslehrertagung von 1926 zum Durchbruch kam 27 und in den berühmten Weimarer „Methoden- und Richtungsstreit" mündete 28 . A m Ende zeichnete sich zwar namentlich ein „Bedeutungswandel der Grundrechte" 29 ab; der endgültige Umbruch blieb aber aus. Erst nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus wurden die Positionen der „jüngeren Weimarer Staatsrechtslehre" wieder aufgegriffen und wirken noch heute u.a. in der Diskussion über die allgemeinen Grundrechtslehren bzw. -theorien fort 30 . 22 Siehe dazu nur einerseits C. Schmitt (FN 18), S. 126 ff. und andererseits R. Smend ( F N 16), S. 158 ff. 23 E.R. Huber (FN 6), S. 15 ff. sieht in der „Anerkennung des,Werts4 als der gründenden Kraft der Kultur, des Rechts, der Verfassung" das entscheidende Merkmal der „geisteswissenschaftlichen" Wende im Rechts- und Verfassungsdenken der damaligen Zeit. 24

D. Grimm (FN 15), Sp. 1211. Als Beleg für die unüberbrückbaren Gegensätze mag der Hinweis auf die Aussprachen zum jeweils ersten Beratungsgegenstand der Münsteraner und der Münchener Staatsrechtslehrertagungen genügen (VVDStRL 3 (1927), S. 43 ff.; 4 (1928), S. 74 ff.). Besonders plakativ etwa G. Anschütz , VVDStRL 4 (1928), S. 74: „Ich wurde vielfach angegriffen. Es handelt sich aber in all diesen Angriffspunkten nicht um subjektive Ansichten und Eigenbröteleien meinerseits, vielmehr bin ich der Wortführer der herrschenden Ansicht. Ich fühle mich als Konservator einer Anschauung, die lange Zeit für richtig galt und nie angefochten wurde. Insbesondere möchte ich sagen, daß meine Auslegung des Art. 142 RV schon der des Art. 20 der preußischen Verfassung von 1850 entsprach. Nun soll plötzlich das Meiste davon falsch sein ...". 25

26

Vgl. z.B. R. Smend ( F N 16), S. 1; H. Heller ( F N 20). Dazu G. Holstein , AöR 50 (1926), S. 1 ff. 28 Siehe dazu R. Smend, Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, in: Festschrift U. Scheuner, 1973, S. 575 ff.; M. Friedrich , AöR 102 (1977), S. 161 ff. und zuletzt D. Wyduckel (FN 21), S. 316 ff. m. weit. Nachw. 29 So der Titel eines Beitrags von E.R. Huber , AöR 62 (1933), S. 1 ff. 30 Zu dem Einfluß der Weimarer Staatsrechtslehre auf die aktuelle Grundrechtsdiskussion siehe vor allem E.-W. Böckenförde , NJW 1974, S. 1529 ff. und K. Kröger , Grundrechtstheorie, 1978. 27

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

I I . Die „juristische" Bedeutung der Grundrechte und Grundpflichten Begünstigt durch den Kompromißcharakter der Weimarer Reichsverfassung hatte die Neukonzeption des Grundrechtsabschnittes für die „juristische" Behandlung der Grundrechte zunächst keine einschneidenden Konsequenzen. Unter Führung des bis 1933 nicht weniger als vierzehn Auflagen erreichenden Kommentars von G. Anschützder — wie erwähnt — die Grundrechtssätze der Weimarer Verfassung im Grundsätzlichen und in der Tendenz ähnlich erläuterte wie die der preußischen Verfassung, knüpfte die herrschende Staatsrechtslehre im wesentlichen an der Vorkriegslehre an 2 . Beinahe traumatisch stand sie im Bann des Leitsatzes: „Die Rechtslage ist in dieser Hinsicht keine andere als früher" 3 . Die Fortschreibung der Vorkriegslehre perpetuierte obrigkeitsstaatliche Grundstrukturen. Ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts stehend, wurde nämlich die allgemeine Rechtsstellung des Einzelnen im Gemeinwesen unter dem verengten Blickwinkel des zweiseitigen Staat-Bürger-Verhältnisses erfaßt. Auch wenn man dieses Beziehungsverhältnis gelegentlich als ein „aus wechselseitigen Pflichten und Rechten" bestehendes „staatsrechtliches Rechtsverhältnis" bezeichnete, so wurde das „persönliche Band, das den Menschen mit seinem Staat verknüpft," 4 doch bereits im gedanklichen Ansatz zerschnitten und die Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat zunächst nach der Pflichtenseite typisiert: „Jeder Staatsangehörige ist der Staatsgewalt unterworfen, in der Republik so gut wie in der Monarchie, und als ,Untertan' zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Pflichten verbunden" 5 . Diese Pflichtenstellung, in die der Einzelne im Verhältnis zum Staat vorrangig eingebunden war, wurde von der herrschenden Lehre zumeist unter Zurückdrängung der in der Verfassung ausgewiesenen konkreten Grundpflichten 6 begründet 7 . Die „Fragmente eines bürgerlichen Pflichtenkodex" erschienen ihr 1

Die Verfassung des Deutschen Reiches, i . Aufl., 1921; 14. Aufl., 1933. Siehe zur „Jellinek-Rezeption unter der Weimarer Verfassung" auch E. Grabitz , Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 14 f. 3 So eine Formulierung von G. Anschütz , Die Verfassung des Deutschen Reiches, 1. Aufl., 1921, S. 185; vgl. zu dessen nahezu sterotyp wiederkehrender Behauptung, daß die Grundrechte der WRV gegenüber dem alten Verfassungszustand nichts grundlegend Neues brächten, auch ebenda, S. 189 (Gleichheit), 192 (Freizügigkeit), 192 f. (Auswanderungsfreiheit), 194 f. (Freiheit der Person), 198 (Meinungsfreiheit), 202 f. (Versammlungsfreiheit), 245 (Vertragsfreiheit) und 136 ff. (zu Art. 76 WRV). Vgl. zu dieser Grundtendenz auch W . Leisner , Grundrechte, 1960, S. 78 f. F N 58. 2

4

F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, S. 241 f. F. Giese ( F N 4), S. 242. 6 Z.B. Art. 109 Abs. 2,110 Abs. 2,120,132,133,145,153 Abs. 3,155 Abs. 3,163 WRV. 7 Z.B. F. Giese ( F N 4). In diesem Zusammenhang ist auch aufschlußreich, daß die Kommentarliteratur in den einleitenden Bemerkungen zum zweiten Hauptteil der WRV zwar eine Reihe von Hinweisen auf die grundsätzliche Bedeutung der Grundrechte 5

II. Die Juristische" Bedeutung der Grundrechte

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als „vortreffliche Maximen, deren Lückenhaftigkeit dadurch ausgeglichen wird, daß Art. 163 eine Art Generalklausel ist, die alles mit umfaßt, was etwa sonst noch gesagt werden hätte können. Sie umfaßt auch die einzige eigentlich rechtliche Grundpflicht, die einfach besteht in der Pflicht zum Gehorsam gegenüber den Rechtsnormen und den normgemäßen Staatsakten" 8 . Damit reduzierte sich die bunte Welt der Weimarer Grundpflichten „ i m Grunde auf die einzige ... Pflicht des Rechtsgehorsams" 9 ' 10 . Und mit dieser „einzigen" und umfassenden Gehorsamspflicht gegenüber den Rechtsnormen und den normgemäßen Staatsakten wurden ältere Vorstellungen fortgeschleppt: der Einzelne stand in einem allgemeinen „Gewaltverhältnis" 11 , er war „Untertan" 1 2 , „Objekt" der staatlichen Herrschaft 13 . Folgerichtig war die prinzipielle Möglichkeit subjektiver Rechte des Einzelnen gegen den Staat auch für die herrschende Weimarer Staatsrechtslehre nicht völlig unproblematisch. Die Untertanen standen zum Staat nach wie vor im „Verhältnis der Subordination und" mußten „mit der Möglichkeit rechnen, daß sich der Staat durch einen rechtsändernden oder Rechte vernichtenden Staatsakt... seinen Verpflichtungen rechtlich entzieht.... Innerstaatlich also gibt es der souveränen Staatspersönlichkeit als Ganzem gegenüber keine subjektiven Rechte des Staatsuntertanen. Denn wo der angeblich Verpflichtete sich selber entpflichten darf, da wird nicht in der Weise des Rechts gesollt und hat deshalb der Befugte kein Recht" 1 4 . Subjektiven öffentlichen Rechten des Untertanen, enthielt, sich aber über die grundsätzliche Bedeutung der Grundpflichten nahezu völlig ausschwieg (so z.B. G. Anschütz ( F N 1,14. Aufl.), S. 505 ff.; O. Bühler, Reichsverfassung, 3. Aufl., 1929, S. 118 ff.; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar, 3. Aufl., 1928, S. 392 ff.). Der „ziemlich wahllosen Aufführung" der Grundpflichten (vgl. W. Hofacker, Grundrechte und Grundpflichten, 1926, S. 62) konnte man offenbar keine grundsätzliche Bedeutung für die Verfassung des Gemeinwesens abgewinnen und die „allgemeine Gehorsamspflicht" wurde — ausdrücklich oder stillschweigend — ohnehin vorausgesetzt. 8

R. Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze, in: Grundrechte und Grundpflichten, Bd. 1,1929, S. 1 ff. (S. 29); hierzu kritisch C. Schmitt, HdbDStR II, 1932, S. 572 ff. (S. 597). 9 R. Thoma ( F N 8), S. 2. 10 Damit waren weitergehende Wirkungen der Grundpflichten etwa als programmatische Richtschnur für die Gesetzgebung und später auch als ein den „Richter bindendes richtungweisendes Werturteil" (R. Thoma) selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Sie können hier aber vernachlässigt werden, weil sie für die Grundkonzeption des subjektiven öffentlichen Rechts keine Bedeutung hatten. Vgl. zu diesen weitergehenden Wirkungen etwa G. Anschütz (FN 1, 14. Aufl.), S. 705 f , 721 (Art. 153 Abs. 3), 740 (Art. 163); F. Poetzsch-Heffter (FN 7), S. 485 (Art. 153 Abs. 3); F. Giese (FN 4), S. 317 f. (Art. 153 Abs. 3), S. 328 f. (Art. 163); W. Hofacker ( F N 7), S. 62 ff.; C. Schmitt, HdbDStR II, 1932, S. 572 ff. (S. 597). 11 12 13 14

In F. F. R.

diesem Sinne z.B. F. Fleiner, Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. 149, 164. Giese (FN 4), S. 242; F. Fleiner (FN 11), S. 149, 164. Stier-Somlo, Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht I, 1924, S. 419. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 608).

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

die aus Naturrecht, aus überstaatlichem Kulturgemeinschaftsrecht oder sonst aus „vor-", „außer-" oder „überstaatlichem" Recht abgeleitet werden, war damit eine klare und unzweideutige Absage erteilt 15 . Oder anders: Subjektive Rechte des Untertanen waren weiterhin nur denkbar, wenn und soweit sich „der Staat selbst verpflichtet" bzw. wenn sie durch das objektive Recht „gewährt" oder „verliehen" werden. Daraus ergaben sich Folgen für die „juristische" Handhabung der Grundrechte, in deren Mittelpunkt auch in der Weimarer Zeit die grundrechtliche Abwehrfunktion, also die Sicherung der „Freiheit vom Staat" stand 16 . Soweit die einzelnen „objektiv-rechtlichen" Grundrechtssätze als unmittelbar geltendes Recht angesehen wurden 17 , sprach man ihnen zwar regelmäßig den Charakter subjektiver Rechte zu 1 8 , was O. Bühler sogar zu der Feststellung veranlaßte, „daß über die Anerkennung der Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte überhaupt nicht mehr diskutiert werden braucht" 1 9 . Die Schlagkraft dieser subjektiven Grundrechte blieb jedoch beschränkt: Da man sich weiterhin der Doktrin von der „Allmacht" des Staates (genauer: des staatlichen Gesetzgebers) verbunden fühlte 20 , wurde den Grundrechten ihre gegen die Gesetzgebung gerichtete Spitze weitgehend genommen. Gegen „den Staat als jeweils höchststufig gesetzgebende Körperschaft, also gegen den normierenden Staat, (kann es prinzipiell) keine subjektiven Rechte geben" 21 . Dieses „Leerlaufen" der Grundrechte in ihrer Wendung gegen den Gesetzgeber wurde durch den Verfassungstext gefördert, der in den Grundrechtssätzen mehrfach ausdrücklich auf „ausführendes Gesetzesrecht" Bezug nahm, zahlreiche Grundrechte unter den Vorbehalt gesetzlicher Regelungen stellte und überdies die Möglichkeit der Verfassungsänderung durch Gesetzgebung vorsah. Immerhin ließ sich u.a. hieraus aber auch eine Klassifizierung der Grundrechtsnormen nach ihrem Wirkungsgrad („reichsverfassungskräftige Grundrechte ersten und zweiten Grades", „lediglich reichsgesetzkräftige Grundrechte" 15 Z.B. F. Giese (FN 4), S. 242; R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 607 ff., der allerdings Vorbehalte hinsichtlich völkerrechtlicher Rechtspositionen anmeldete. 16 Zu der darüber hinausweisenden mitentscheidend auf den Verfassungsausschuß zurückgehenden, verstärkten Fruchtbarmachung der Grundrechte als positive Richtschnur für die drei Grundfunktionen der Staatsgewalt siehe z.B. F. Giese ( F N 4), S. 242 f. 17 Die unmittelbare Geltungskraft war nach der damaligen Rechtslehre für viele Grundrechtsbestimmungen zweifelhaft, vgl. dazu O. Bühler (FN 7), S. 122 f. 18 Vgl. nur die durchgängige Bezeichnung der Grundrechte als „subjektive Rechte" bei R. Thoma ( F N 8), S. 15, 16, 19. 19 AaO (FN 7), S. 122; vgl. auch ders., Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, 1927, S. 26 ff. (S. 54 ff.). 20 Vgl. nur etwa RGZ 118, 325 (327), wonach der Gesetzgeber „selbstherrlich" und an keine anderen Schranken gebunden ist als diejenigen, die er sich selbst in der Verfassung oder in anderen Gesetzen gezogen hat; vgl. aber auch E. v.Hippel, HdbDStR II, 1932, S 546 ff. (S. 551 m. weit. Nachw.) 21 R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 609); Klammerzusatz hinzugefügt.

II. Die „juristische" Bedeutung der Grundrechte

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usw.) 22 erarbeiten, wodurch den Grundrechten — j e nach ihrer Einordnung — gegenüber dem Gesetzgeber zum Teil eine erhöhte formelle Bestandskraft zukam. Die aus materieller Sicht letztlich entscheidende Frage, ob die Grundrechte für den Gesetzgeber unter im einzelnen näher zu bestimmenden Voraussetzungen „absolute" Barrieren errichten, wurde aber von der herrschenden Lehre nach wie vor verneint. Eine Schlüsselrolle nahm dabei Art. 76 WRV ein, wonach die Verfassung unter der erschwerenden Voraussetzung einer Zwei-DrittelMehrheit „ i m Wege der Gesetzgebung geändert werden" konnte. Daraus zog man den Schluß, daß die Verfassung „nicht über der Legislative, sondern zur Disposition derselben" stehe 23 , was — bei Einhaltung des entsprechenden Verfahrens — die Möglichkeit einschloß, die Grundrechte abzuschaffen 24. Treffend bemerkte hierzu C. Schmitt, daß „nach der in Deutschland, insbesondere in den führenden Kommentaren ... vertretenen Auffassung" die Bestimmungen des zweiten Hauptteils durch verfassungsänderndes Gesetz „sowohl einzeln wie überhaupt mit dem gesamten Grundrechtsteil in toto ohne weiteres und unterschiedslos geändert, durchbrochen, aufgehoben, vertilgt und vernichtet werden" können 25 . Die anfangs von der Lehre vertretene relativ geringe Grundrechtsbindung der Legislative geriet im Verlauf der damaligen Rechtsentwicklung allerdings zunehmend in Mißkredit. M i t dem Ziel, die Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber dem Staat zu stärken, bemühte man sich in den 20er Jahre verbreitet um eine intensivierte Instrumentalisierung der Grundrechte gegenüber dem Gesetzgeber 26. Dogmatisch wurde dieses Anliegen auf unterschiedlichen Wegen umgesetzt: Man entwickelte das sich rasch durchsetzende Grundrechtsinstit u t 2 7 , das „reichsverfassungskräftig" gegen die völlige Abschaffung durch den Gesetzgeber und oder auch nur die Verletzung des „Minimums dessen, was sein Wesen ausmacht" 28 , geschützt war 2 9 . Man entwarf das sich bis heute großer Anhängerschaft erfreuende „rechtsstaatliche Verteilungsprinzip", wonach die dem Staat vorgegebene Freiheitssphäre des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt 22

Dazu und zu weiteren Klassifizierungen G. Anschütz (FN 1, 14. Aufl.), S. 517 ff. G. Anschütz ( F N 3), S. 137. 24 Vgl. G. Anschütz ( F N 1,14. Aufl.), S. 402 f.; F. Poetzsch-HeffterfFN 7), S. 331 ff. und F. Giese (FN 4), S. 190: „Die Reichsverfassung ist also nicht unabänderlich, sondern in allen ihren Vorschriften unbeschränkt abänderbar"; vgl. auch unten bei F N 31 und 32. 23

25

HdbDStR II, 1932, S. 572 ff. (S. 587). Wichtige Impulse gingen dabei auch von der Rechtsprechung aus; vgl. dazu insbesondere RGZ 111, 320 und allgemein O. Bühler ( F N 7), S. 121. 27 M. Wolff Reichsverfassung und Eigentum, in: Festgabe W. Kahl, 1923, S. IV/1 ff.; vgl. auch C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, in: Rechtswissenschaftliche Beiträge, 1931, S. 1 ff. m. weit. Nachw. 28 R. Thoma (FN 8), S. 33. 29 G. Anschütz (FN 1, 14. Aufl.), S. 519 f. 26

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

und die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist 3 0 . Und endlich forderte man auch eine restriktive Auslegung des Art. 76 W R V 3 1 . M i t diesen und anderen dogmatischen Überlegungen wurde schließlich eine — freilich begrenzte 32 — Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte durchgesetzt, die eine (relative) Sicherung grundrechtlicher „Kernbereiche" bzw. „Wesensgehalte" bewirkte. Sieht man von dieser wichtigen grundrechtsdogmatischen Entwicklung ab, so lag der rechtliche Schwerpunkt der Grundrechte auch in der Weimarer Zeit auf ihrer Stoßrichtung gegen die Verwaltung. Wie schon in der Vorkriegslehre erschienen die Grundrechte insoweit als „kasuistisch gefaßte Darlegung jenes allgemeinen formalen Prinzips, wonach die Verwaltungsorgane dem Leitgedanken des Rechtsstaats entsprechend, in Freiheit und Eigentum des Einzelnen nur aufgrund und innerhalb der Schranken des Gesetzes eingreifen dürfen (Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung)" 33 . Und wie schon in der Vorkriegslehre wurde ein ausdrücklich als „Grundrecht" bezeichnetes „allgemeines subjektives öffentliches Rechts auf Freiheit von ungesetzlichem obrigkeitlichem Eingriff nachgewiesen, ein allgemeines Freiheitsrecht, das „zwar nicht explizite in den Verfassungsurkunden ausgesprochen, aber implizite durch sie gesetzt und deshalb ein ,Grundrecht'" sei 34 . M i t diesem „allgemeinen Rechtsanspruch auf gesetzmäßige Freiheit" wurden „Freiheit und Eigentum" des Bürgers also wiederum mit dem Vorbehalt des Gesetzes verknüpft und die Freiheit des Bürgers von ungesetzlicher Einschränkung zu dessen „wichtigstem Grundrecht" erklärt 35 .

I I I . Die Kontinuität der (einfachen) subjektiven öffentlichen Rechte Als zentraler Baustein des Rechtsgefüges war das subjektive öffentliche Recht nebst den mit ihm verbundenen Anwendungsproblemen auch in der Weimarer Zeit Gegenstand ausufernder literarischer Beschäftigung 1. Obwohl in der damaligen Auseinandersetzung der „Begriff bzw. die „Lehre" vom subjektiven öffentlichen Recht 2 umstritten blieb und auch verschiedene Vorschläge zu einer 30

C. Schmitt , Verfassungslehre, 5. Aufl., 1970, S. 126. So vor allem C. Schmitt ( F N 30), S. 18 f f , 20 f f , 102 ff.; ders., Der Hüter der Verfassung, 2. Aufl., 1969, S. 112 f. 32 Eine entscheidende Begrenzung der Grundrechtsbindung bestand darin, daß die herrschende Meinung an der oben dargestellten Auslegung von Art. 76 WRV festhielt. Siehe dazu neben der in F N 24 ausgewiesenen Literatur R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 108 ff. (S. 153 ff.); ders. (FN 8), S. 38 ff. 31

33

G. Anschütz ( F N 1, 14. Aufl.), S. 511. R. Thoma (FN 8), S. 15 ff. (Zitate: S. 16, 17). 35 So ausdrücklich R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 619). 1 Nachw. auf die umfangreiche Literatur bei W. Jellinek , Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 189 f. 34

III. Die Kontinuität des subjektiven öffentlichen Rechts

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größeren oder kleineren Neuorientierung unterbreitet wurden 3 , pendelte sich die ganz überwiegende Meinung im wesentlichen auf eine Fortführung der traditionellen Lehre ein. Als grundlegend wurden regelmäßig die älteren Arbeiten der Vorkriegszeit angesehen, und zwar nicht selten unter besonderer Hervorhebung der Studien von G. Jellinek und O. Bühler 4. So sehr die vorherrschende Ansicht dadurch einerseits sachliche Kontinuität wahrte, so wenig blieb sie allerdings andererseits völlig auf dem Stand der Vorkriegsdiskussion stehen. Der Beitrag, den die Weimarer Rechtslehre zur Fortentwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts leistete, besteht vor allem in einer schärferen Fassung der Probleme des subjektiven öffentlichen Rechts und in der hierdurch ermöglichten Entschlackung des subjektiven Rechts von (älteren) Problemstellungen. I m Ergebnis führte diese Bereinigung zu gewissen Akzentverschiebungen bei der allgemeinen Behandlung des subjektiven Rechts und zur Abklärung von Einzelfragen der „Begriffsbildung". Eine gewisse Akzentverschiebung besteht zunächst darin, daß das „subjektive öffentliche Recht" und die damit verbundenen spezifischen Fragen stärker als bisher tendenziell in das Verwaltungsrecht abgedrängt wurden. Die Lehre der Weimarer Zeit behandelte das subjektive Recht zwar nach wie vor als Figur der allgemeinen Rechtslehre und als Gegenstand sowohl des Verfassungs- wie auch des Verwaltungsrechts 5. Im Zuge der zunehmenden Ausdifferenzierung der einzelnen Rechtsbereiche und insbesondere der rechtswissenschaftlichen Arbeitsgebiete nahm aber der Einfluß der allgemeinen Rechtslehre auf die (praxisorientierte) Betrachtung des subjektiven öffentlichen Rechts ab 6 ; und in diesem Ausdifferenzierungsprozeß wuchs das subjektive Recht im Verfassungsrecht und im Verwaltungsrecht in je spezifische Problemstellungen hinein. Während sich das Verfassungsrecht vorrangig mit Fragen wie der prinzipiellen 2 Zum Ineinandergreifen von „Begriff 1 und „Lehre" von subjektiven öffentlichen Rechten vgl. oben Zweiter Abschnitt, III. 3 Vgl. etwa L. Richter, AöR nF 8 (1925), S. 1 ff.; W. Hofacker, Grundrechte und Grundpflichten, 1926; A. Schontz, Das subjektive Recht als Bestandteil des allgemeinen Teils der Rechtsordnung, 1931. 4 Vgl. z.B. R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 609 F N 9); K. Friedrichs, Stichwort „Subjektives Recht", in: HdR, Bd. 5,1928, S. 823 ff. (S. 824); W. Jellinek ( F N 1), S. 192,200 ff.; O. Bühler, Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe für F. Fleiner, 1927, S. 26 ff. 5 Z.B. R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. 6 Siehe dazu nur O. Bühler ( F N 4), S. 27 (Die beste Theorie ist diejenige, „die am unmittelbarsten an die Praxis anknüpft."), 33 („Die Hauptfortschritte in der Erkenntnis und genauen Festlegung des Begriffs des subjektiven öffentlichen Rechts... verdanken wir in Wirklichkeit den deutschen Verwaltungsgerichten, die unangekränkelt von jenen Bedenken der Theorie, ihre Rechtsprechung zu diesem Begriff entfaltet haben."), 50 (Jene Richtung in der Theorie, „die dem ganzen Begriff skeptisch gegenübersteht..., weil ihre Vertreter mit dem ganzen Problem des subjektiven Rechts überhaupt nicht fertig werden, sich vielmehr in Grübeleien über sein Wesen verlieren ...").

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

^Möglichkeit subjektiver Rechte des Einzelnen auch gegenüber dem staatlichen Gesetzgeber, der Konturierung der Grundrechtsinhalte, der Erarbeitung von „Wesensgehalten" bzw. „Kernbereichen" und der Berücksichtigung von „metajuristischen" Aspekten bei der Grundrechtsinterpretation beschäftigte, standen im Verwaltungsrecht Probleme des verwaltungsinternen und -gerichtlichen Rechtsschutzes7, der Bedeutung „freien Ermessens" für das subjektive Recht 8 und anwendungsorientierte Einzelprobleme der Normauslegung unter Heranziehung der „Schutznormtheorie" 9 im Mittelpunkt des Interesses. Dies schloß zwar zahlreiche Berührungspunkte zwischen der verfassungs- und der verwaltungsrechtlichen Diskussion 10 nicht aus, ändert jedoch nichts an der Tendenz, das subjektive öffentliche Recht in erster Linie als eine verwaltungsrechtliche Figur anzusehen. Die spätere „Scheu vor der Behandlung verwaltungsgerichtlicher Klagen, die ausschließlich auf die Verletzung von Grundrechten gestützt werden" 11 , die spätere Zuordnung des subjektiven öffentlichen Rechts zum Verwaltungsrecht in der Lehrbuchliteratur 12 , die spätere Abschottung der Probleme des (verwaltungsrechtlichen) subjektiven öffentlichen Rechts gegenüber dem Verfassungsrecht 13 — all das findet hier eine Erklärung. Die tendenzielle Abdrängung des subjektiven öffentlichen Rechts in das Verwaltungsrecht bewirkte ein spezifisches Problemverständnis. Als man sich nämlich im Verfassungsrecht bereits anschickte, die rechtliche Bedeutung der Grundrechte in der Anerkennung des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips zu sehen, wonach sich eine „prinzipiell unbegrenzte Freiheitssphäre des Einzelnen und eine prinzipiell begrenzte ... Eingriffsmöglichkeit des Staates" gegenüberstehen 1 4 , wurde das Verwaltungsrecht noch von einem Lehrbuch beherrscht, das die grundsätzliche Möglichkeit subjektiver öffentlicher Rechte des Staates anzweifelte, weil das subjektive Recht „immer etwas Begrenztes " sei, beim Staat aber „das dahinter stehende Unbegrenzte immer" durchschlage 15. Das als 7

Vgl. etwa F. Fleiner , Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. 173 f. Dazu z.B. W. Jellinek ( F N 1), S. 211; O. Bühler (FN 4), S. 27. 9 Vgl. etwa W. Jellinek (FN 1), S. 201 ff. 10 Dies gilt insbesondere für die Frage der „Klagbarkeit" der Grundrechte und für das Problem des Einbaues der Freiheitsrechte in das Gefüge der subjektiven öffentlichen Rechte; siehe zu diesen Problemkreisen R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 619 ff.) und W. Jellinek ( F N 1), S. 208 f. 11 R. Schmidt , NJW 1967, S. 1635 ff. (S. 1637). 12 Dazu M. Zuleeg , DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 509). 13 Charakteristisch hierfür ist die isolierte und vom Verfassungsrecht losgelöste Behandlung der Probleme des (verwaltungsrechtlichen) subjektiven öffentlichen Rechts in Teilen der Literatur; so z.B. M. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht, 1976; W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968. Vgl. aber auch ders., Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Festschrift W. Weber, 1974, S. 495 ff. (S. 501 ff.). 8

14 15

C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Aufl., 1970, S. 164; Hervorhebungen hinzugefugt. O. Mayer, Verwaltungsrecht. 2H I, 3. Aufl., 1924, S. 104.

III. Die Kontinuität des subjektiven öffentlichen Rechts

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„etwas Begrenztes" gedachte subjektive öffentliche Recht wurde dadurch einseitig auf Rechtspostionen des Untertanen gegenüber dem Staat zugeschnitten. Da das Verwaltungsrecht in dem erwähnten Lehrbuch überdies als „das dem Verhältnisse zwischen dem verwaltenden Staate und seinen ihm dabei begegnenden Untertanen eigentümliche Recht" gedeutet wurde 1 6 , fielen im gedanklichen Ansatz außerdem auch die subjektiven Rechte von Hoheitsträgern untereinander aus der „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" heraus. Gewiß waren die eben zitierten Stellungnahmen zum subjektiven Recht schon damals nicht unbestritten 17 und O. Mayer selbst hielt es durchaus für zulässig, sich etwa des „handlichen Namens" subjektives öffentliches Recht des Staates zu bedienen, wenngleich er auch meinte, daß in dem „feinen Gewebe unseres Rechtsstaates" kein Stückchen unklar oder undeutlich bleibe, „wenn man ein solches Ding nicht darin zu entdecken vermag" 18 . Dennoch standen diese Äußerungen stellvertretend für eine verbreitete Grundhaltung, die aus den subjektiven Rechten des Staates keinen „großen Prinzipienstreit" machen wollte 1 9 und jedenfalls vorrangig die „Ausdrücke ,öffentliche Rechte' und öffentliche Pflichten' zur Bezeichnung der Ansprüche und Pflichten der Untertanen gegenüber der Staatsgewalt" 20 verwendete. Damit schwenkte man auf ein Verständnis ein, das mit dem subjektiven öffentlichen Recht primär die Vorstellung von subjektiven Rechten des Untertanen gegenüber der Staatsgewalt verbindet. Sieht man von diesen Akzentverschiebungen ab, dann steht die Weimarer „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" im wesentlichen in der Tradition früherer Postionen. Sie führte insbesondere 21 die drei „klassischen" Begriffsmerkmale (zwingender Rechtssatz—Rechtsmacht—Schutznorm) 22 fort 2 3 und 16

O. Mayer (FN 15), S. 14. Vgl. z.B. O. Bühler, VerwArch 27 (1919), S. 283 ff. (S. 294); W. Jellinek (FN 1), S. 203 f. und R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 623). 18 AaO ( F N 15), S. 106. 19 O. Bühler, VerwArch 27 (1919), S. 283 ff. (S. 294). 20 F. Fleiner (FN 7), S. 164. 21 Zur — modifizierten — Fortführung der Statuslehre G. Jellineks siehe z.B. R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 618 ff), von dem die drei status (negativus, positivus und activus) zur sachlichen Gruppierung der Rechtspositionen des Bürgers herangezogen werden. Schon damals blieb freilich die Problematik dieser Gruppierung nicht verborgen, weil sowohl dem status activus wie auch dem status negativus Leistungsund Unterlassungsansprüche zugeordnet wurden. Vgl. zu dieser bis heute fortwirkenden Problematik z.B. N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 305 f. 17

22

Siehe dazu oben Zweiter Abschnitt, III. 2. Besonders deutlich O. Bühler (FN 4), S. 27: „Allgemein darf ich vielleicht vorausschicken, daß ich in Beziehung auf das subjektive öffentliche Recht nicht nur an meiner grundsätzlichen Auffassung, sondern im Ganzen auch an ihrer Durchführung, wie ich sie" 1914 versuchte, festhalte. Dementsprechend hielt Bühler (S. 36) auch seine bisherige Begriffsbestimmung aufrecht, die zunehmend in den Mittelpunkt rückte und in 23

7

Bauer

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3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

mit ihnen auch drei Kernprobleme des subjektiven öffentlichen Rechts. Hinsichtlich aller drei Aspekte fanden allerdings wichtige sachliche Klärungen statt: M i t der Fortschreibung des „zwingenden Rechtssatzes " als Begriffsmerkmal und Voraussetzung subjektiver öffentlicher Rechte hielt man zunächst an dem „Primat" des objektiven Rechts fest: Zwar könne „das objektive Recht ohne subjektives Recht gedacht" werden, „nicht aber das subjektive Recht ohne objektives" 24 . Die Anbindung des subjektiven Rechts an die (staatlich gesetzte) objektive Rechtsordnung verneinte wie bisher die Möglichkeit von vorpositiven, dem Staat vorausliegenden subjektiven Rechten des Einzelnen 25 und perpetuierte das „eine große Gewaltverhältnis" 26 als Grundlage der Staat-BürgerBeziehung. Unverblümt war denn auch häufig von den subjektiven Rechten des „Untertanen " die Rede 27 , mochte der „Untertan" im allgemeinen Sprachgebrauch auch längst fragwürdig geworden sein 28 . In dieser Hinsicht war die Rechtslage also „keine andere als früher". Gleichwohl ist für dieses Kriterium eine Problembereinigung zu vermerken, welche die „mehr an der Peripherie gelegene" (O. Bühler) Frage des „zwingenden" Rechtssatzes betraf. Insoweit ist daran zu erinnern, daß das Merkmal des „zwingenden" Rechtssatzes ursprünglich die Bedeutung hatte, all jene Normen als Grundlage für subjektive Rechte abzulehnen, bei deren Anwendung „das freie Ermessen der Verwaltung" nicht ausgeschlossen ist 2 9 . „Angesichts einer immer entschiedeneren gegenteiligen Praxis" hielt man bezüglich dieses Merkmals nunmehr eine Korrektur für angebracht 30 und sah auch in solchen entscheidenden Punkten bis heute fortgeführt wird. Im übrigen war die Begrifflichkeit nicht völlig einheitlich, kreiste aber im wesentlichen um die drei im Text genannten Merkmale. Vgl. z.B. W. Jellinek (FN 1), S. 201 („Willensmacht, die dem Willensträger in seinem eigenen Interesse verliehen ist"); O. Mayer (FN 15), S. 104 („Macht über ein Stück öffentliche Gewalt, dem Berechtigten durch die Rechtsordnung zugeteilt um seines Vorteils willen"); E. Tatarin-Tarnheyden , Recht der Berufsverbände, in: Grundrechte und Grundpflichten, Bd. 3,1930, S. 519 ff. (S. 520: „eine dem Willensträger in seinem eigenen Interesse von der Rechtsordnung eingeräumte Willenssphäre"); J. Hatschek , Institutionen, 1919, S. 472 („rechtlich geschütztes Interesse"); R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 616 ff.); jeweils m. weit. Nachw.; ferner R.H. Herrnritt, Grundlehren, 1921, S. 70 ff.; L. Richter, AöR nF 8 (1925), S. 1 ff. (S. 41 f.); F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, S. 243; A. Schantz ( F N 3), S. 11 ff. 24

W. Jellinek , W D S t R L 2 (1925), S. 8 ff. (S. 48), unter Hinweis darauf, daß es „wohl überflüssig" sei, dies zu betonen. 25 Vgl. A. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, S. 131. 26 F. Fleiner (FN 7), S. 164. 27 Statt vieler O. Bühler (FN 4), S. 36: „Subjektives öffentliches Recht ist diejenige Stellung des Untertanen zum Staat...". 28 Vgl. dazu nur M. Stolleis, Untertan-Bürger-Staatsbürger, in: Bürger und Bürgerlichkeit, 1981, S. 65 ff. 29 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 21. 30 So O. Bühler (FN 4), S. 27; vgl. auch ders., W D S t R L 3 (1927), S. 102 ff. (S. 112 f.).

III. Die Kontinuität des subjektiven öffentlichen Rechts

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Normen, die der Verwaltungsbehörde „freies Ermessen" einräumen, eine mögliche Grundlage für subjektive Rechte. Dadurch wurde der Anschluß an die zwischenzeitlich fortgeschrittene gerichtliche Ermessenskontrolle hergestellt: „Soweit die Überprüfung derartiger Ermessensfehler reicht, reicht auch das subjektive Recht des Einzelnen" 31 . Eine gewisse Klärung brachte die Weimarer Zeit auch für die „Rechtsmacht" als Voraussetzung für subjektive öffentliche Rechte. Deutlicher als bisher kristallisierte sich nämlich jetzt heraus, daß mit „Rechtsmacht", „Willensmacht" oder schlicht „ M a c h t " 3 2 der gerichtliche Schutz bzw. die gerichtliche Durchsetzbarkeit gemeint ist 3 3 . Dies gestattete es, zwischen „weiteren und engeren Begriffen des subjektiven Rechts" zu unterscheiden und dem „engeren Begriff 4 nur die „zugleich mit Klagerechten ausgestatteten", dem „weiteren Begriff" dagegen die „ungeschützten oder minder wirksam geschützten" Befugnisse zuzuschlagen34. Nach dieser Unterscheidung war die Verknüpfung des (materiellen) subjektiven Rechts mit der (prozessualen) Durchsetzbarkeit eine rein terminologische Frage 35 . Dies hätte es an sich ermöglicht, das (materielle) subjektive Recht vom Prozeßrecht abzukoppeln und insbesondere von dem um Klagezulassung sowie Klagebefugnis konzentrierten „Problemwust" zu befreien. Die damalige Lehre nahm diese Chance zur Problementschlackung und -bereinigung freilich nicht wahr. Denn als „echte" subjektive Rechte wollte sie nach wie vor nur die „voll geschützten Rechtsbefugnisse" anerkennen, also diejenigen Befugnisse, „zu deren Schutz irgendwie ein unabhängiges Gericht angerufen werden kann" 3 6 . Das aktionenrechtliche Denken blieb damit zwar erhalten; immerhin wurde aber klargestellt, daß das Kriterium der Rechtsmacht im wesentlichen den gerichtlichen Rechtsschutz betrifft. Präzisierungen finden sich in der Rechtslehre der Weimarer Zeit schließlich auch zu dem Kriterium der „Schutznorm", und zwar in doppelter Hinsicht: 31 So W. Jellinek (FN 1), S. 211, der die Problematik allerdings bei dem Merkmal der „Willensmacht" verortete. 32 Dazu oben Zweiter Abschnitt, III. 2. 33 Deutlich z.B. R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 617: Der gerichtliche Schutz „gibt einigermaßen verläßliche Macht, mittels deren das Subjekt dem Willen, sich den seinen Interessen dienlichen Anspruch zunutze zu machen, Nachdruck verleihen kann.") und W. Jellinek (FN 1), S. 209, nach dessen Auffassung es bei den Freiheitsrechten „etwas mit der Willensmacht hapert", weil es eine gegen den Staat gerichtete Unterlassungsklage auf Nicht-Störung der Freiheit vor den Verwaltungsgerichten nicht gibt; vgl. auch C. Schmitt, HdbDStR II, 1932, S. 573 ff. (S. 591 F N 70). Endgültig beseitigt wurde das Rätselraten über die im „Macht-"kriterium liegende Verknüpfung von subjektivem Recht und Rechtsschutz freilich nicht; vgl. dazu nur O. Mayer (FN 15), S. 108 und F. Fleiner ( F N 7), S. 173 f. 34 35 36



So R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 616). So ausdrücklich R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 (S. 616 F N 25). R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 617).

100

3. Abschnitt: Die Konsolidierungsphase der Weimarer Zeit

Nachdem der Streit über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte weitgehend 37 positiv entschieden war, wurden nämlich — erstens — die Freiheitsrechte nunmehr klarer als bisher in das Gefüge der subjektiven öffentlichen Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat (genauer: gegenüber der Verwaltung) eingebunden. Als „Rechte auf Unterlassung gesetzwidriger Eingriffe" gedeutet 38 , ging in ihnen der „allgemeine Freiheitsanspruch" eine Verbindung mit dem „Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" ein. Dies machte es, was selbst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wiederholt übersehen wurde 3 9 , entbehrlich, bei Eingriffen in die „allgemeine Freiheit und die einzelnen Freiheiten" zur Begründung von subjektiven Abwehrrechten des Bürgers nach Schutznormen des einfachen Rechts zu suchen. Denn der Anspruch auf „Unterlassung gesetzwidriger Eingriffe" war danach ja bereits durch die Freiheitsrechte gewährleistet 40. Aus anwendungsorientierter Perspektive wurden dadurch die spezifischen Probleme der „Schutznormtheorie" auf den Partizipations- und Leistungsbereich sowie auf den Bereich der sog. „Drittrechte" verlagert. Soweit der Schutznormlehre danach in der täglichen Rechtspraxis Bedeutung für die Ermittlung von subjektiven öffentlichen Rechten zukam, war man sich —zweitens —auch in der Weimarer Zeit der ihr anhaftenden Fragwürdigkeiten bewußt: Subjektives Recht und Reflex objektiven Rechts unterschieden sich nach wie vor „durch kein äußeres Merkmal" 4 1 . Ob das eine oder das andere vorliegt, müsse „aufgrund sorgfaltiger Auslegung für jedes Institut besonders festgelegt werden" 42 . Daß solch „sorgfaltige Gesetzesauslegungen" schon damals bis zur jeweils abschließenden gerichtlichen Entscheidung wenig belastbar gewesen sein müssen, belegt die uneinheitliche und überdies keineswegs schwankungsfreie Judikatur der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe zu den „baupolizeilichen Vorschriften zugunsten des Nachbarn", über deren „Wesen" eine von Land zu Land unterschiedliche Auffassung bestand 43 . Da man außerdem teilweise die Möglichkeit anerkannte, daß sich ein „Reflex objektiven Rechts" in ein und demselben Staat „infolge des Wechsels der Anschauungen in ein subjektives Recht" umwandeln kann 4 4 , waren — zumal in Grenzbereichen, in denen sich eine „gute" Theorie bewähren muß — praktische 37

Anders für die „sogenannten Freiheitsrechte" z.B. O. Mayer (FN 15), S. 107 f. W. Jellinek (FN 1), S. 208. 39 Vgl. G. Dürig , in: T. Maunz, G. Dürig, Grundgesetz, Stand: 1985, Rdnr. 26 zu Art. 2 Abs. 1 GG. 40 Vgl. W. Jellinek ( F N 1), S. 208 f. unter Hinweis auf die Rechtsprechungspraxis; ferner O. Bühler (FN 4), S. 55 F N 1. 41 Vgl. F. Fleiner (FN 7), S. 176. 42 F. Fleiner ( F N 7), S. 176. 43 Vgl. dazu den Rechtsprechungsüberblick bei H.-W. Laubinger , Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, 1967, S. 34 ff.; ferner W. Jellinek ( F N 1), S. 202 f. 44 So F. Fleiner ( F N 7), S. 173. 38

III. Die Kontinuität des subjektiven öffentlichen Rechts

101

Probleme vorprogrammiert. Die bis heute fortbestehenden und auch von den Befürwortern des „traditionellen Begriffs" nicht geleugneten „Anwendungsunsicherheiten" 45 sind dann im Grunde genommen von Anfang an immanenter Bestandteil der „Schutznormlehre".

45

f.).

So z.B. W. Löwer, Rechtskontrolle, in: Rechtsstaat und Planung, 1982, S. 73 ff. (S. 85

ier

Abschnitt

Der Kampf wider das subjektive öffentliche Recht im Nationalsozialismus Nach den bisher angestellten Untersuchungen ist das (moderne) subjektive öffentliche Recht ein Produkt der Rechtsentwicklung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Vom Standpunkt der im nationalsozialistischen Denken häufig anzutreffenden einseitig-überzeichnenden Betrachtungsweise läßt sich dieses Rechtsinstitut sogar als typische Ausprägung des „liberal-individualistischen" Verfassungs- und Verwaltungsrechts darstellen. Die Deutung der Grundrechte als „Prototyp der subjektiven öffentlichen Rechte" 1 , die Nähe des subjektiven Rechts zum Dualismus von Staat und Gesellschaft 2, das darin zum Ausdruck kommende liberale Freiheitsverständnis und die daran anschließende Überbetonung der Abwehrfunktion des subjektiven Rechts 3 , die inhaltliche Bestimmung des subjektiven Rechts als „geschütztes Indivudiualinteresse" 4 oder „Macht über ein Stück öffentliche Gewalt" 5 , die Verbindung des subjektiven Rechts mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip — diese und andere Aspekte liefern reichhaltige Ansatzpunkte, um das subjektive Recht als einen „zeitgebundenen" 6 „Grundbegriff des Liberalismus" 7 abzustempeln. Solche „Grundbegriffe des Liberalismus" sind im Nationalsozialismus Zielscheiben der Rechtserneuerungsbewegung und sollten in der „neuen Zeit" überwunden werden. Zwangsläufig geriet deshalb auch das subjektive öffentliche Recht ins Kreuzfeuer der nationalsozialistischen K r i t i k 8 . Unter bemerkens1

O. Bühler , Reichsverfassung, 3. Aufl., 1929, S. 121 f. Vgl. nur O. Bühler , Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 522. 3 Charakteristisch hierfür ist, daß bis in die Weimarer Zeit aus dem Fürsorgerecht im allgemeinen keine Ansprüche des Hilfsbedürftigen abgeleitet wurden, wie überhaupt die subjektiven Rechte des Bürgers im Leistungs- und Teilnahmebereich stark zurückgedrängt waren; vgl. hierzu z.B. W. Jellinek , Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 202 und F. Fleiner , Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. 175 f. 2

4

Vgl. G. Jellinek, System, 2. Aufl., 1905, S. 70 f. O. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., 1924, S. 104. 6 T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 111). 7 W. Schönfeld, Z A k D R 1937, S. 107 ff. (S. 107). 8 Vgl. dazu auch M. Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974, S. 241 ff. und J. Meinck , Weimarer Staatslehre, 1978, S. 221 ff.; ferner G. Kohlmann, Das subjektiv-öffentliche Recht, 1964, S. 21 f. 5

I. Die nationalsozialistische „Rechtserneuerung"

103

werter Militarisierung der Sprache und des juristischen Denkens rief man frühzeitig zu einem „Feldzug wider das subjektive Recht" 9 auf, dessen Fahnen programmatisch das „Ende des subjektiven öffentlichen Rechts" 10 verkündeten 1 1 . Jedenfalls zunächst erreichte der „Kampf wider das subjektive Recht" 1 2 allerdings nicht das selbstgesteckte Ziel der völligen „Ausmerzung" dieser Rechtsfigur 13 . Als retardierendes Moment wirkte u.a. das einfache Gesetzesrecht, das teilweise subjektive Rechte auswies und an deren Verletzung konkrete Rechtsfolgen knüpfte. Dies gab einer „gemäßigteren Richtung" Argumentationsmaterial, um für die Beibehaltung der bisherigen Begrifflichkeit zu plädieren 14 . Soweit danach an dem subjektiven Recht festgehalten wurde, war mit der Fortführung des Begriffs jedoch eine so starke inhaltliche „Umwertung" verbunden, daß von dem ursprünglichen subjektiven öffentlichen Recht kaum mehr als die „Begriffshülse" übrigblieb.

I. Die nationalsozialistische „Rechtserneuerung44 Obwohl die Weimarer Verfassung in der Zeit des Nationalsozialismus nicht als Ganzes aufgehoben wurde, war sie bereits 1933 in entscheidenden Punkten suspendiert. Durch die sog. „Reichstagsbrandverordnung" 1 waren zentrale bürgerlich-demokratische Grundrechte „bis auf weiteres außer Kraft gesetzt" und die in dem — als „Sieg der nationalen Revolution" 2 gefeierten — sog. „Ermächtigungsgesetz" 3 geschaffene Möglichkeit der Reichsgesetzgebung durch die Reichsregierung besiegelte das Ende des demokratischen und gewaltenteilenden Rechtsstaates4. Damit waren wesentliche Kernbereiche der 9

W. Schönfeld, Z A k D R 1937, S. 107 ff. (S. 107). So der Titel eines Aufsatzes von T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. 11 Der Angriff der Rechtserneuerungsbewegung richtete sich nicht nur gegen das subjektive öffentliche Recht, sondern auch gegen das subjektive Recht im Zivilrecht und im Strafrecht; vgl. dazu B. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 2. Aufl., 1973, S. 336 ff. m. weit. Nachw. Ferner E. Jung, Subjektives und objektives Recht, 1939; P. Thoss, Das subjektive Recht, 1968 und F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 109 ff. 10

12

W. Schönfeld, Z A k D R 1937, S. 107 ff. (S. 107). Vgl. allgemein zum Auseinanderfallen von ideologisch eingefarbter Theorie und Praxis im Nationalsozialismus auch H.J. Wolff O. Bachof Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 46 ff. 14 Vgl. dazu an dieser Stelle nur W. Scheerbarth, DÖV 1963, S. 729 ff. (S. 730). 1 Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, RGBl. I, S. 83. 2 C. Schmitt, DJZ 1933, Sp. 455 ff. (Sp. 456). 3 Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, RGBl. I, S. 141. 4 Vgl. E.R. Huber, Dokumente, Bd. 3,2. Aufl., 1966, S. 604; siehe dort auch die Nachw. zu den Verlängerungen des ursprünglich zeitlich begrenzten Ermächtigungsgesetzes. 13

104

4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

Weimarer Verfassung faktisch beseitigt5. Politisch übernahmen die Reichstagsbrandverordnung, das Ermächtigungsgesetz und die nationalsozialistische Weltanschauung Verfassungsfunktion 6, auf deren Grundlage die „Reinigung" und „Erneuerung" von Staat, Staatsrecht und Staatsrechtslehre in Angriff genommen wurde 7 . Die Rechtserneuerungsbewegung begnügte sich dabei in aller Regel nicht mit einer schlichten Anpassung tradierter Rechtsinstitute an den Geist der „neuen Zeit". Entsprechend dem umfassenden Geltungsanspruch der nationalsozialistischen Ideologie zielte sie vielmehr auf eine grundlegende Änderung des Rechtsund Ordnungsgefüges 8: Das gesamte „deutsche Recht ... muß ausschließlich und allein vom Geist des Nationalsozialismus beherrscht sein" 9 . Als Feindbilder des vom nationalsozialistischen Denken „durchtränkten" Rechts wurden vor allem die überkommenen Institutionen und Vorstellungen „liberaler", „individualistischer", „positivistischer", „gesetzesstaatlicher", „abstrakt-allgemeiner" usw. Provenienz aufgebaut. Dies hatte zur Folge, daß elementare Bestandteile des komplexen Wirkzusammenhangs, in den die „klassische" Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts eingebettet ist, unter „Dauerbeschuß" genommen wurden: Der pauschal als formaler „Gesetzesstaat" diffamierte liberale Rechtsstaat10 war ebenso Anfeindungen ausgesetzt wie die Deutung des Staates als „juristische Person" 11 und das „alte" staatsrechtliche Denken 12 . Für das liberale FreiheitsVerständnis verblieb im deutschen Führerstaat ebensowenig Raum wie für die individualistischen Grundrechte 13 . Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung galt als 5 Von einer Reihe von Staatsrechtslehrern wurde denn auch die Frage nach der Fortgeltung der Weimarer Verfassung gestellt und verneint; so z.B. C. Schmitt , Staat, Bewegung, Volk, 1933, S. 5 ff. (S. 7: In Wahrheit ist das Ermächtigungsgesetz „ein vorläufiges Verfassungsgesetz des neuen Deutschland."); ferner E.R. Huber , Verfassungsrecht, 2. Aufl., 1939, S. 46 ff.; vgl. auch O. Meißner , G. Kaisenberg , Staats- und Verwaltungsrecht, 1935, S. 15 ff. 6

Vgl. G. Brüggemeier , Entwicklung, Bd. 2, 1977, S. 32 f. Vgl. C. Schmitt , DJZ 1933, Sp. 455 ff. (Sp. 458). 8 Siehe allgemein zu den Zielsetzungen der nationalsozialistischen Rechtserneuerungsbewegung z.B. H. Frank , Nationalsozialismus und Verwaltungsrecht, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. X I ff.; H. Gerber , Staatsrechtliche Grundlinien, 1933, S. 18 ff.; R. Höhn, Die Wandlung im staatsrechtlichen Denken, 1934, S. 42 ff.; ferner K Anderbrügge, Völkisches Rechtsdenken, 1978, insbes. S. 58 ff., 92 ff. und J. Gernhuber, „Das völkische Recht", in: Festschrift E. Kern, 1968, S. 167 ff. 7

9

C. Schmitt, JW 1934, S. 713 ff. (S. 717). So etwa C. Schmitt, JW 1934, S. 713 ff.; ders., ZStW 95 (1935), S. 189 ff. 11 So vor allem R. Höhn (FN 8), S. 13 ff.; ders., ZStW 95 (1935), S. 656 ff.; vgl. zum „Streit um die juristische Staatsperson" auch G. Brings, Das subjektiv-öffentliche Recht, 1938, S. 27 ff. m. weit. Nachw. 12 Siehe dazu statt vieler R. Höhn (FN 8); E.R. Huber, ZStW 95 (1935), S. 1 ff. 13 Z.B. E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 1; O. Koellreutter, Deutsches Verfassungsrecht, 1935, S. 83. 10

I. Die nationalsozialistische „Rechtserneuerung"

105

überwunden durch das Prinzip der Rechtmäßigkeit der Verwaltung 14 . Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde funktionell umgedeutet und insbesondere im Bereich des beargwöhnten Anfechtungsverfahrens erheblich zurückgedrängt 15 . Außerdem bemühte man sich um eine neue Bestimmung des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Recht 16 . Und schließlich konfrontierte man die „positivistischen" bzw. „rein juristischen" Rechtsquellen- und -methodenlehren mit „neuen Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens" wie etwa dem „konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken"17 und dem Denken in „konkret-allgemeinen Begriffen" 18 , welche die traditionellen Lehren ablösen sollten 1 9 . Diese Beispiele können als Beleg für die globalen, von den staatstheoretischen Grundlagen über verfassungs- und verwaltungsrechtliche Einrichtungen bis hin zur Methodenlehre alles erfassenden Angriffsziele der Rechtserneuerungsbewegung genügen. Die Vorstöße gegen die hergebrachten Anschauungen wurden zwar von den einzelnen Vorkämpfern der nationalsozialistischen „Rechtsreinigung" mit unterschiedlicher Intensität ausgeführt; auch bestanden zwischen den einzelnen „Rechtswahrern" Meinungsverschiedenheiten. In der prinzipiellen Frontstellung gegen das „Institutionengeflecht" des bürgerlich-liberalen Verfassungs- und Verwaltungsrechts war man sich aber einig 20 . A n seine Stelle sollten Einrichtungen des „völkischen Führerstaates" treten, deren Konturen maßgeblich von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt waren und die nicht zuletzt deshalb im Prozeß der Rechtsanwendung die Berücksichtigung ideologischer Aspekte zuließen; dadurch war das „Einfließen" nationalsozialistischer Wertungen bei der Entscheidung konkreter Rechtsfragen sichergestellt. Bei der Entwicklung dieser „neuen" Rechtsfiguren traten in der damaligen Literatur immer wieder die „völkische Gemeinschaft" und die „autoritäre Führung" als Leitbilder in Erscheinung 21 . Diese beiden Grundkategorien

14 So T. Maunz, Rechtmäßigkeit der Verwaltung, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 51 ff. (S. 66); vgl. dazu auch M. Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974, S. 237 f. m. weit. Nachw. 15 Dazu W. Scheerbarth, DÖV 1963, S. 729 ff. Vgl. auch die damalige Diskussion über den Sinn der „liberalistischen Einrichtung" Verwaltungsgerichtsbarkeit im nationalsozialistischen Staate; dazu z.B. J. Danckwerts, Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 99 ff. 16 So z.B. E.R. Huber, Grundbegriffe, in: Grundfragen, 1935, S. 143 ff. (S. 145 ff.). 17 C. Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934, S. 57 ff. 18 K. Larenz, Über Gegenstand und Methode, 1938, S. 43 ff.; ders., Rechtsperson, in: Grundfragen, 1935, S. 225 ff. (S. 226 f.). 19 Vgl. zum damaligen „neuen Methodenstreit" auch T. Maunz, Verwaltungsrecht, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 27 ff. (S. 44 ff.) 20 Vgl. zur prinzipiellen Übereinstimmung in einer „antiliberalen", „antiindividualistischen", „antisubjektivistischen", „antipositivistischen", „antirationalistischen" usw. Grundhaltung auch K. Anderbrügge (FN 8), S. 34 ff.

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4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

nationalsozialistischen Denkens waren ansatzweise bereits in dem 25-PunkteProgramm der NSDAP von 1920 vorgezeichnet 22. Nach der Machtergreifung wuchs ihnen die Funktion wegweisender Aufbau- und Gestaltungsprinzipien für die „Erneuerung" des Rechts- und Ordnungsgefüges zu 2 3 . Die Ausrichtung des Gemeinwesens auf das Führerprinzip und auf das Volksgemeinschaftsprinzip erfaßte selbstverständlich auch die ideellen Grundlagen der Rechtsstellung des Einzelnen 24 und leitete gerade in diesem Bereich ein tiefgreifendes Umdenken ein. Der Einzelne wurde nicht mehr als eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Individuum gedacht, sondern gliedschaftlich in „konkrete" Führungs- und Gemeinschaftsordnungen eingebunden. Nicht als Individuum oder Mensch schlechthin hatte der Einzelne „Rechte und Pflichten und die Möglichkeit, Rechtsverhältnisse zu gestalten, sondern als Glied einer sich im Recht ihre Lebensform gebenden Gemeinschaft" 25 . Anliegen dieses Pradigmenwechsels war u.a. die Überwindung des herkömmlichen, sich an der Gegenüberstellung von Staat und Individuum orientierenden Denkens im öffentlichen Recht. I m gedanklichen Ansatz wurde deshalb insoweit nicht mehr auf das „abstrakte" Beziehungsverhältnis zwischen dem Staat und den einzelnen Bürgern abgestellt, sondern das „Volk" als der zentrale „Grundbgeriff der neuen Staats Wissenschaft" 26 eingeführt. Das Volk stand „als das Seiende und Bleibende über jeder Organisation, Konstruktion und Funktion"; es war „das Primäre. Partei, Staat, Wirtschaft, Justiz usw. sind sekundäre Erscheinungen, Mittel zum Zweck der Erhaltung dieses V o l k e s . D a m i t steht über der Person (!) und der Sache auch im deutschen Rechtsleben (!) von jetzt ab das Volk" 27. 21 Vgl. nur R. Höhn (FN 8), S. 7: „Es kommt heute darauf an, im Geiste der neuen Zeit, deren Grundprinzip »Gemeinschaft und Führung' ist, alle bisherigen staatsrechtlichen Grundbegriffe auf ihre Brauchbarkeit hin zu prüfen." 22 Siehe die Punkte 10,18,19,24 und 25 des Programms; abgedruckt bei W. Hofer , Der Nationalsozialismus, 1957, S. 28 ff. 23 Zur Bedeutung von Führer- und Volksgemeinschaftsprinzip als Verfassungsprinzip des nationalsozialistischen Staates vgl. allgemein auch M. Hirsch, D. Majer, J. Meinck , Recht im Nationalsozialismus, 1984, S. 141 ff., 236 ff.; ferner K Anderbrügge ( F N 8), S. 38 ff. und D. Kirschenmann , „Gesetz", 1970, S. 53 ff. 24 Statt vieler K. Larenz , Rechts- und Staatsphilosophie, 2. Aufl., 1935, S. 165 f.; ders. (FN 18), S. 225 ff. 25 So K Larenz (FN 18), S. 241. 26 So E.R. Huber , ZStW 95 (1935), S. 1 ff. (S. 46). W. Hempfer , Die nationalsozialistische Staatsauffassung, 1974, S. 54 bezeichnet das „völkische Prinzip" als „Kernbegriff nationalsozialistischer Staats- und Rechtsvorstellung". 27 Reichstagsrede A. Hitlers vom 30. Januar 1937, in Auszügen abgedruckt in: Z A k D R 1937, S. 97; Klammerzusätze hinzugefügt. Vgl. auch A. Hitler , Mein Kampf, 9. Aufl., 1932, S. 433 f. Diese und ähnliche Äußerungen wurden von der damaligen Literatur bei der Beschäftigung mit dem subjektiven öffentlichen Recht berücksichtigt (vgl. z.B. G. Brings (FN 11), S. 26 f.; E. Kraiss , Das klagbare subjektive öffentliche Recht, 1935, S. 8,13 f.), wie überhaupt bei der damals propagierten „ganzheitlichen" Betrachtungsweise in rechtswis-

I. Die nationalsozialistische „Rechtserneuerung"

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Die Anerkennung des Volkes als „oberster Wert" und als „tragende Grundlage auch für das Leben eines jeden Volksgenossen" war zugleich eine Absage an das „isolierte Individuum, das frei von völkischer Bindung nur seinen eigenen Interessen lebt" 2 8 . „Nicht die Person, das Individuum als das Atom der sozialen Welt oder als fürsichseiende, ethisch-freie Persönlichkeit ist die rechtsphilosophische Grundkategorie, sondern die Gemeinschaft als organische Lebenseinheit und der Rechtsgenosse als Glied der Gemeinschaft, als Volksgenosse und als Glied engerer Gemeinschaften, einer Familie und eines Standes" 29 . Nur als „Glied des Volkes, nur in seiner Einordnung in die Gemeinschaft findet der Einzelne seine Stellung im Leben, seine Aufgabe und seinen Wert" 3 0 . Der Einzelne ging als Glied in der völkischen Gemeinschaft sowie deren Subordnungen wie etwa Gemeinde, Stand, Innung, Betriebsgemeinschaft, bäuerliche Lebensgemeinschaft usw. auf 3 1 . Da man die Einordnung in solche Gemeinschaften überdies mit Parolen wie „ D u bist nichts, Dein Volk ist alles" und „Gemeinnutz geht vor Eigennutz" in Verbindung brachte 32 , war der Eigenwert des Individuums im Rechts- und Ordnungsgefüge völlig relativiert, wenn nicht sogar ausgeschaltet. Dementsprechend stand „alle rechtliche Gestaltung und Sicherung der Stellung des Volksgenossen unter der selbstverständlichen Anerkennung des unbedingten Vorrangs des Volksganzen, der Gemeinschaft und ihrer Forderungen vor den Interessen des Einzelnen" 33 . Damit waren die ideellen Grundlagen der Stellung des Einzelnen im Recht auf die Doktrin des Nationalsozialismus und insbesondere auf dessen Menschenbild umgestellt. Die rechtsdogmatische Umsetzung dieses Prinzipienwandels erfolgte auf unterschiedlichen Wegen: Während die nationalsozialistische Avantgarde Begriff und Lehre des subjektiven öffentlichen Rechts „überwinden" wollte, hielt ein anderer Teil der Lehre zwar an der bisherigen Begrifflichkeit fest, richtete das subjektive öffentliche Recht aber inhaltlich auf das „neue" Rechtsdenken aus.

senschaftlichen Erörterungen die ständige Bezugnahme etwa auf Hitlers „Mein K a m p f Selbstverständlichkeit war (vgl. nur L. v.Köhler, Grundlehren, 1935, S. I X und O. Koellreutter, Grundriß, 1933, S. 24, 34, 46, 50, 61, 163 und passim). 28

So U. Scheuner, Die Rechtsstellung der Persönlichkeit, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 82 ff. (S. 82). 29 K. Larenz, Rechts- und Staatsphilosophie, 1935, S. 165 f. 30 U. Scheuner (FN 28), S. 82. 31 Vgl. z.B. U. Scheuner (FN 28), S. 90 ff. 32 In dieser Richtung besonders deutlich E. Kraiss (FN 27), S. 13, 44. 33 So U. Scheuner (FN 28), S. 89 f.; Hervorhebungen hinzugefügt.

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4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

II. Die „volksgenössische Rechtsstellung44 Die traditionelle Vielschichtigkeit der mit dem subjektiven öffentlichen Recht angesprochenen Problemfelder 1 lieferte der Rechtserneuerungsbewegung mannigfache Ansatzpunkte zur Kritik. Sie führte ihren Kampf gegen das subjektive Recht mit rechtstheoretischen, rechtsphilosophischen, methodologischen, rechtspraktischen und — vor allem — weltanschaulichen Argumenten 2 ; zusätzliche Schützenhilfe bekam sie außerdem durch die Verabschiedung bzw. „Umwertung" anderer Institutionen, die nach der überkommenen Lehre in einem „Näheverhältnis" zum subjektiven öffentlichen Recht standen und teilweise sogar „begrifflich" mit ihm „verschränkt" waren 3 . Die facetten- und nuancenreichen Argumentationslinien sind hier nicht im einzelnen darzustellen. I m Ergebnis warfen die „Rechtswahrer" jedenfalls das in ihren Augen mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht verträgliche subjektive Recht „mit einem einzigen kühnen und entschlossenen Schwünge über Bord" 4 . Der damals letztlich „entscheidende Einwand" gegen das subjektive öffentliche Recht dürfte darin gelegen haben, „daß es ein vom Ganzen nicht abtrennbarer Teil der liberalen Theorie ist" 5 . Gewissermaßen als Ersatz für das „überwundene" subjektive Recht kreierte man eine „neue" Rechtsfigur, die im völkischen Rechtsdenken verwurzelt war und dem Postulat „Volksgemeinschaft statt subjektiver Rechte" 6 Rechnung trug. Begriffe wie „konkrete Rechtsstellung des Volksgenossen"7, „Gliedstellung in der Gemeinschaft" 8 , „Rechtsstellung des Volksgenossen in der Gemeinschaft" 9 , „Rechtsstellung des Volksgenossen als Glied der Gemeinschaft" 10 und „Gliedpersönlichkeitsstellung" 11 waren terminologisch zunächst noch schwan1

Siehe dazu eingehend oben im Zweiten und Dritten Abschnitt. Vgl. z.B. Fischbach , DJZ 1935, Sp. 841 ff.; R. Höhn, D R W I (1936), S. 49 ff.; ders ., Rechtsgemeinschaft und Volksgemeinschaft, 1935, S. 10; E.R. Huber , Grundbegriffe, in: Grundfragen, 1935, S. 143 ff. (S. 149 f., 170); Krüger , Deutsche Verwaltung 1937, S. 37 ff.; T. Maunz , Verwaltungsrecht, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 27 ff. (S. 35 f.); ders ., ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 73 f.). 3 Z.B. gewandelte Vorstellungen zur Ermessenslehre, zum Rechtsschutz, zur Funktion von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, zum Gesetzmäßigkeitsprinzip, zur Unterscheidung von „Öffentlich" und „Privat" sowie zur Gewaltenteilung; vgl. hierzu auch bereits oben I. 4 So W. Schönfeld , Z A k D R 1937, S. 107 ff. (S. 110). 5 So — repräsentativ für eine verbreitete Auffassung — U. Scheuner , Die Rechtsstellung der Persönlichkeit, in: Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 82 ff. (S. 89). 2

6 7 8 9 10 11

So der Titel eines Beitrags von Krüger , Deutsche Verwaltung 1937, S. 37 ff. K. Larenz , Rechtsperson, in: Grundfragen, 1935, S. 225 ff. (S. 240). K Larenz ( F N 7), S. 240. U. Scheuner (FN 5), S. 85. U. Scheuner (FN 5), S. 89. T. Maunz , ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 104).

II. Die „volksgenössische Rechtsstellung"

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kende Umschreibungen der „neuen" Position, die schließlich als „volksgenössische Rechtsstellung" 1 2 i n die Geschichte e i n g i n g 1 3 . D i e als Gegenbegriff z u m subjektiven (öffentlichen) Recht konzipierte „volksgenössische Rechtsstellung" sollte das liberale „ m a n versus State" ablösen u n d den Volksgenossen in das V o l k , in die Gemeinschaft, in die konkreten Lebensordnungen, in das völkische Gesamtwirken, in das Recht als lebendige O r d n u n g der Gemeinschaft usw. e i n b i n d e n 1 4 . Was damit gemeint war, illustriert eine i m wesentlichen 1 5 repräsentative Stellungnahme v o n E.R. Huber: Die volksgenössische Rechtsstellung „ist die gliedhafte Stellung des Volksgenossen in der lebendigen Ordnung. Diese Rechtsstellung des Volksgenossen ist stets gemeinschaftsbezogen und pflichtgebunden. Sie ist nicht um des Einzelnen willen begründet, sondern um der Gemeinschaft willen ... Ohne die konkrete Rechtsstellung des Genossen gibt es keine wirkliche Gemeinschaft. Verpflichtungen und Berechtigungen ergeben sich als Auswirkungen dieser Rechtsstellung für bestimmte Einzelbeziehungen. Doch sind solche Verpflichtungen und Berechtigungen nur Ausstrahlungen, die aus der Rechtsstellung hervortreten, und die daher niemals selbständige Bedeutung haben; sie können nur aus der Gesamtstellung begriffen werden und stehen daher wie diese unter der Bindung an die Gemeinschaft und ihre konkrete Ordnung. ... Wesentlich ist der gliedhaften Rechtsstellung stets, daß sie keine bloße Rechtsbeziehung unter Einzelnen ist, sondern daß sie von der Gemeinschaft her Sinn und Richtung, Wesen und Bindung erhält. Aus dieser Rückbeziehung auf die Gemeinschaft folgen insbesondere die Pflichten, die jedem Inhaber einer solchen Rechtsstellung auferlegt sind. Er ist verpflichtet, von seiner Rechtsstellung den Gebrauch zu machen, der dem gesunden und ersprießlichen Zusammenleben der Volksgenossen in der Gemeinschaft entspricht. Erfüllt er diese Pflichten nicht, so macht er sich des Mißbrauchs seiner Rechtsstellung schuldig; er zieht sich die Strafen zu, die für die Verletzung der Gemeinschaftsstellung vorgesehen sind. In schweren Fällen tritt die Verwirkung der Rechtsstellung ein. Diese Verwirkung ist eine allgemeine Erscheinung der neuen Ordnung. Der Bauer kann abgemeiert werden, der Betriebsführer kann dieser Eigenschaft entkleidet werden, der Arbeiter kann seinen Arbeitsplatz verlieren, der Schriftleiter kann aus der Berufsliste gelöscht werden, das Mitglied der Reichskulturkammer kann ausgeschlossen werden. Eine solche Wirkung ist kein Eingriff von außen und oben in ein grundsätzlich unantastbares Recht, sondern sie ist eine Folge, die sich wesensnotwendig aus der Bindung ergibt, die in der gemeinschaftsbezogenen Rechtsstellung von Anfang an enthalten ist." 1 6 12 So z.B. E.R. Huber, ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 443); ders., Z A k D R 1937, S. 323 ff.; ders. y Z A k D R 1937, S. 368 ff. 13 Vgl. z.B. M. Hirsch, D. Majer, J. Meinck, Recht im Nationalsozialismus, 1984, S. 236 ff. 14 Vgl. etwa U. Scheuner (FN 5), S. 83, 85, 90; T. Maunz (FN 2), S. 35 f.; E.R. Huber, ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 444 ff.) m. weit. Nachw. 15 Darauf, daß auch die „neue" Position teilweise mit unterschiedlichen Akzentsetzungen vertreten wurde, kann hier nur hingewiesen werden; vgl. dazu z.B. U. Scheuner (FN 5), S. 93 f., der — zumindest pointierter als andere — den Gedanken einer „allgemeinen Treuepflicht" in die „volksgenössische Rechtsstellung" einbringen wollte. 16 ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 446 f.).

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4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

Durch die so konturierte „volksgenössische Rechtsstellung" erledigten sich Kernprobleme der klassischen Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht. Da die gliedhafte Stellung des Volksgenossen „stets gemeinschaftsbezogen" und nicht „um des Einzelnen, sondern um der Gemeinschaft willen" begründet war, machte beispielsweise die Frage nach Normen, die (zumindest auch) dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sind, keinen Sinn mehr. Auch die dem bürgerlich-liberalen Rechtsstaat zugeordneten Unterscheidungen zwischen subjektivem Recht und objektivem Recht, subjektivem Recht und Rechtsreflex, „Recht und Ermessen", die inhaltliche Deutung des subjektiven Rechts als „abstrakte Willensmacht" und die Problematik subjektiver öffentlicher Rechte des Staates gegen den „Untertanen" verloren für die Konzeption der „volksgenössischen Rechtsstellung" an Bedeutung oder wurden zumindest von neuen Fragen überlagert 17 . M i t dem „Ende des subjektiven öffentlichen Rechts" (T. Maunz) wurden also größtenteils auch die herkömmlichen Problemstellungen obsolet; sie entstammten einer Zeit, von der die „Rechtserneuerer" sagten, „daß sie nicht mehr die unsere ist". Nach den Vorstellungen ihrer Väter wurden mit der „volksgenössischen Rechtsstellung" ausdrücklich „neue" Wege beschritten. Vernachlässigt man wiederum die mit Zeiten des Umbruchs stets verbundenen Schwankungen, dann weist die „volksgenössische Rechtsstellung" namentlich zwei — sich wechselseitig beeinflussende — Merkmale auf, die zu einem vertieften Verständnis dieser Rechtsfigur beitragen und die Konsequenzen von deren rechtspraktischer Umsetzung verdeutlichen 18 . Kennzeichen der „volksgenössischen Rechtsstellung" ist erstens , daß sie — anders als das subjektive öffentliche Recht—nicht eine isolierte Rechtsposition, einen isolierten Anspruch oder eine isolierte Berechtigung bezeichnet, sondern gleichzeitig Rechte und Pflichten umfaßt 19 . Sie beschreibt „die rechtliche Stellung, in der ein Volksgenosse als Glied einer bestimmten Gemeinschaft steht, in ihrer Gesamtheit, Berechtigungen und Pflichten zugleich umschließend. Der Begriff faßt diese Stellung als Einheit zusammen, in der Rechte und Pflichten zugleich in ihrer gegenseitigen Bedingtheit erkannt werden" 20 . Das eigentlich Neue daran ist nun allerdings entgegen dem ersten Anschein weniger die 17

Zum Ganzen T. Maunz , ZStW 96 (1936), S. 71 ff. Vgl. dazu allgemein auch K . Anderbrügge , Völkisches Rechtsdenken, 1978, S. 146 ff.; M. Stolleis , Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974, S. 241 ff. und M. Hirsch , D. Majer, J. Meinck (FN 13), S. 236 ff.; letztere machen zutreffend auf eine zusätzliche „Ausgrenzungsfunktion" aufmerksam, worauf hier nur hingewiesen werden kann. 18

19

Besonders deutlich zu diesem Aspekt etwa U. Scheuner (FN 5), S. 83, 85, 89 ff.; K. Larenz (FN 7), S. 244 ff.; T. Maunz , ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 103 ff.); ders ., Verwaltung, 1937, S. 53; E.R. Huber , ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 445 ff.); ders., Z A k D R 1937, S. 323 ff.; ders., Verfassungsrecht, 2. Aufl., 1939, S. 363 ff. m. weit. Nachw. 20 U. Scheuner (FN 5), S. 90.

II. Die „volksgenössische Rechtsstellung"

111

(Wieder-)Entdeckung der volksgenössischen Pflichten an sich, zumal auch die klassische Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts — ausgesprochen oder unausgesprochen — auf einer umfassenden Untertanenpflicht basiert 21 . Entscheidend ist vielmehr die strukturelle Verbindung von Rechten und Pflichten zu einer Einheit. Denn diese „Verschmelzung" von Rechten und Pflichten verbietet es, die „volksgenössische Rechtsstellung" als „bloße Rechtsbeziehung", als ein „Gegeneinander von Rechten und Pflichten zwischen zwei Rechtssubjekten" oder als „Summe" bzw. „Inbegriff einzelner Pflichten und Rechte" zu deuten 22 . Daraus ergaben sich weitreichende Folgen. Die „Ineinssetzung" von Rechten und Pflichten gestattete es nämlich einerseits, jede „Befugnis, die einem Gliede der Gemeinschaft zusteht", zugleich auszugeben als „eine Verpflichtung der Gesamtheit gegenüber, sie in dem Sinne auszüben, in dem sie dem Einzelnen als sein Aufgabenbereich innerhalb des Ganzen zusteht" 23 — Befugnisse erhalten dadurch gleichzeitig den Charakter von Verpflichtungen und umgekehrt 24 . Und andererseits ermöglichte es die „Ineinssetzung" von Rechten und Pflichten, einzelne, bislang „feste" Anspruchspositionen „aufzuweichen" bzw. zu relativieren; denn wenn es bei der Ermittlung einer jeden Einzelberechtigung erforderlich ist, „die gesamte Rechtsstellung zu betrachten" 25 , dann können dabei „Pflichtaspekte" berücksichtigt werden, die geeignet sind, bislang als gesichert geltende Ansprüche — notfalls auch gegen den Wortlaut bestehender Gesetze — innerlich auszuhöhlen. Gerade in einer Zeit, in welcher der Gedanke volksgenössischer Pflichten neu belebt und in den Vordergrund des Bewußtseins gerückt wird, schafft dies die Voraussetzung für eine völlige Umformung der Stellung des Einzelnen im Recht. Hervorstechendes Charakteristikum der „volksgenössischen Rechtsstellung" ist zweitens, daß sie — dem konkreten Ordnungsdenken entsprechend 26 — nicht als „abstrakter Begriff", sondern als „konkrete" Rechtsstellung verstanden wurde. Ihr Inhalt war deshalb jeweils mit Blickrichtung auf die „zahlreichen engeren Gemeinschaften und Verbände des völkischen Lebens", in denen der einzelne Volksgenosse stand 27 , auszuleuchten. Da die gliedhafte Stellung jeweils 21

Dazu oben Zweiter und Dritter Abschnitt. So E.R. Huber, Z A k D R 1937, S. 323 ff. (S. 324). 23 So U. Scheuner ( F N 5), S. 90 f. 24 Diese „Rechtspflichten" reichten weit über „harmlose" Rechte-Pflichten-Verbindungen wie etwa die auch in liberalen, demokratisch-republikanischen Ordnungen anzutreffende „Wahlpflicht" hinaus. Ihre Nichterfüllung konnte überdies in schweren Fällen zur „Verwirkung der Rechtsstellung" führen; vgl. dazu das oben im Text angeführte Zitat von E.R. Huber. 22

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U. Scheuner (FN 5), S. 91. Insoweit wirkte die methodologische Neuorientierung auf das „subjektive Recht" zurück; vgl. dazu bereits oben I. 27 Vgl. U. Scheuner (FN 5), S. 93. 26

1 1 2 4 .

Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

von diesen Gemeinschaften und Ordnungen her „Sinn und Richtung, Wesen und Bindung" erhielt 28 , öffnete man durch das Abstellen auf das „Konkrete" ein weiteres Einfallstor für nationalsozialistische Anschauungen. Denn diese „konkreten Ordnungen" waren wie selbstverständlich geprägt von den Wert- und Wesensvorstellungen der „neuen" Zeit 2 9 . Dies ließ normatives Denken zurücktreten 30 und ebnete den Weg für eine Ideologisierung und Politisierung des Rechts. I m praktischen Ergebnis drängten diese beiden Merkmale der „volksgenössischen Rechtsstellung" die Rechtssphäre des Individuums zugunsten eines Zuwachses staatlicher Macht zurück; so gesehen war die „neue" Rechtsfigur eines von mehreren Mitteln zur Außerkraftsetzung rechtsstaatlicher Garantien 3 1 . Sie riß den Einzelnen aus den herkömmlichen rechtsstaatlichen Sicherungen heraus, ohne ihm dafür mehr zu geben als die irrationale Verheißung einer gliedhaften Einbindung in eine neue bessere „völkische Gesamtordnung", die ihn in Wahrheit der politischen Führung und der herrschenden Weltanschauung auslieferte 32.

I I I . Das Schicksal des subjektiven öffentlichen Rechts Die mit der allgemeinen „Rechtserneuerung" einhergehende „Ausmerzung" des subjektiven öffentlichen Rechts wurde in erster Linie von solchen Autoren vorangetrieben, die sich in besonderem Maß der nationalsozialistischen Bewegung verbunden fühlten. Die Stellungnahmen dieser Autoren markieren allerdings nur einen — auch aus damaliger Sicht gelegentlich extremen — Standpunkt in der Auseinandersetzung über das subjektive öffentliche Recht. Obwohl die „volksgenössische Rechtsstellung" keineswegs als ausschließlich oder vorrangig theoretische Denkfigur gedacht war, sondern das subjektive öffentliche Recht auch in der Rechtspraxis als „neue" Grundkategorie ablösen sollte, findet sich nämlich zunächst auch in der Zeit des Nationalsozialismus eine breite Strömung, die jedenfalls begrifflich an dem subjektiven Recht festhielt 1 . 28

E.R. Huber , ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 447). Vgl. dazu B. Rüthers , Die unbegrenzte Auslegung, 2. Aufl., 1973, S. 295 ff. 30 Nebinger , RVerwBl. 1942, S. 101 ff. (S. 102 f.). 31 Vgl. M. Stolleis (FN 18), S. 241 f. 32 In diesem Sinne auch K . Anderbrügge ( F N 18), S. 151. 1 So z.B. W. Hofacker , DJZ 1935, Sp. 723 ff.; R. Knauth , RVerwBl. 1933, S. 885 ff.; L. v.Köhler, Grundlehren, 1935, S. 217 ff.; A. Köngen, Deutsche Verwaltung, 3. Aufl., 1944, S. 190 ff.; W . Laforet, Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 47 ff.; G. Brings, Das subjektiv-öffentliche Recht, 1938; R. Dulige, Die individuelle Freiheit, 1933; E. Kraiss, Das klagbare subjektive öffentliche Recht, 1935. Vgl. auch T. Maunz, Neue Grundlagen, 1934, S. 23 ff. (S. 32, 35) und 0. Koellreutter, DJZ 1934, Sp. 625 ff. (Sp. 629); ders ., Deutsches Verwaltungsrecht, 1936, S. 11 ff.; ders., RVerwBl. 1936, S. 885 ff.; vgl. ferner Meinck, Weimarer Staatslehre, 1978, S. 221 ff. 29

III. Das Schicksal des subjektiven öffentlichen Rechts

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Diese „Gegenposition" konnte anfangs noch die Rechtsprechungspraxis und vor allem das positive Gesetzesrecht, in dem in beträchtlichem Umfang von „Rechten", „Rechtsansprüchen", „Befugnissen", „Ansprüchen", usw. die Rede war, für sich in Anspruch nehmen2. Es wäre jedoch verfehlt, wenn man hierin eine sachliche Kontinuität sehen wollte. Denn mit der Fortführung der überkommenen Begrifflichkeit war eine äußerst tiefgreifende Umdeutung des subjektiven öffentlichen Rechts verbunden, die von diesem Rechtsinstitut kaum mehr als den fortbestehenden „Namen" übrig ließ. Dies gilt sowohl für die Grundrechte wie auch für die verwaltungsrechtlichen subjektiven öffentlichen Rechte.

1. Die Grundrechte Als zentrale Bausteine des traditionellen Rechts- und Ordnungsgefüges waren die liberalen Grundrechte der Weimarer Verfassung bevorzugte Ziele nationalsozialistischer Angriffe. Sie galten als Schulbeispiele für liberales Denken und wurden mit dem entsprechenden Nachdruck bekämpft. Obgleich die Reichstagsbrandverordnung lediglich die wichtigsten Freiheitsrechte und auch diese nach dem Verordnungswortlaut nur „zur Abwehr kommunistischer staatsgefahrdender Gewaltakte ... bis auf weiteres" 3 suspendierte, waren die liberalen Grundrechte nach der nationalsozialistischen Lehre „als Verfassungsbestandteile endgültig beseitigt", weil „sie den Grundsätzen der völkischen Weltanschauung" entgegenstanden4: „Die Grundrechte gehören der Geschichte an" 5 . M i t aller Deutlichkeit wurde dieses „neue" Verständnis von O. Koellreutter formuliert: „Daß es liberale Grundrechte, also in diesem Sinne ,echte4 Grundrechte im deutschen Führerstaate nicht mehr geben kann, ist selbstverständlich. Denn die liberalen Grundrechte und die mit ihnen Hand in Hand gehende Überbetonung ... der subjektiven öffentlichen Rechte' widersprechen der Gemeinschaft als dem politischen Grundwert der Nationalsozialismus. In Auswirkung einer individualistischen Staats- und Rechtsidee wirkten sich diese Grundrechte für den Aufbau eines völkischen Gemeinschaftslebens schädlich aus. Für ein solches a-völkisches Denken, das in den liberalen Grundrechten Gestalt gewonnen hatte, ist im deutschen Führerstaat kein Raum mehr" 6 . Diese Äußerung ist repräsentativ für eine verbreitete Meinung und findet sich in ähnlicher Form auch bei solchen Autoren, die den Begriff des „subjektiven Rechts" prinzipiell fortführten 7 . 2 Dies wurde auch von den Vertretern der „neuen" Position eingeräumt; vgl. z.B. T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 92 f., 99). 3 RGBl. I, S: 83. 4 So E.R. Huber, ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 440). Zu der nicht schwankungsfreien, aber deutlich zurückhaltenderen Rechtsprechungspraxis vgl. R. Echterhölter, Das öffentliche Recht, 1970, S. 166 ff., 185 ff. 5 E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 1. 6 Deutsches Verfassungsrecht, 1935, S. 83.

8

Bauer

114

4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

Die Negation der liberalen Grundrechte besagt freilich noch nicht, daß damit ganz allgemein jede Art von Grund- oder Freiheitsrechten der Ablehnung verfiel 8 . Gleichwohl waren solche Rechte aber nur dann denkbar, wenn sie von ihren liberal-individualistischen Gehalten „gereinigt" und inhaltlich auf die „völkische Grundhaltung" 9 bzw. auf ein dem völkischen Denken entsprechendes FreiheitsVerständnis 10 umgestellt wurden. Bei Licht betrachtet war diese Umwertung nichts anderes als ein inhaltlicher „Bedeutungswandel" 11 , mochte man auch formal an dem Begriff der „Grundrechte" 12 oder der — im Nationalsozialismus ohnehin wieder bevorzugt im „einfachen" Recht verorteten — „Freiheitsrechte" 13 festhalten. Daß derartige Rechte nicht gegenüber Rechtsetzungsakten instrumentalisiert werden konnten, war für die nationalsozialistische Rechtslehre Selbstverständlichkeit. Wo man sie anerkannte, wurden sie nicht selten mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Verbindung gebracht 1 4 , 1 5 , der aber seinerseits nationalsozialistischen „Umdeutungen" ausgesetzt war 1 6 und deshalb nur noch bedingt die ihm früher zukommende freiheitssichernde Funktion entfalten konnte. 2. Die verwaltungsrechtlichen subjektiven öffentlichen Rechte Die äußerste Zurückhaltung, mit der die nationalsozialistische Literatur Grundrechten und (allgemeinen) Freiheitsrechten gegenüberstand, drängte das subjektive öffentliche Recht einmal mehr in das Verwaltungsrecht ab 1 7 . Wie 7 Vgl. z.B. W. Laforet (FN1), S. 46: „Deshalb ist für ,Grundrechte' im früheren Sinn im heutigen Staat kein Raum mehr"; A. Köttgen ( F N 1), S. 191; L. v.Köhler (FN 1), S. 227. 8 Vgl. O. Koellreutter ( F N 6), S. 83 ff. („Grundrechte im deutschen Führerstaat"); ders., Grundriß, 1933, S. 105 („Grundrechte im nationalen Rechtsstaate"); E. Kraiss ( F N 1), S. 45 („neue Grundrechte des Einzelnen"). 9 O. Koellreutter (FN 6), S. 84. 10 Siehe zum „neuen" Freiheitsbegriff z.B. E.R. Huber , ZStW 96 (1936), S. 438 ff. (S. 441); G. Brings ( F N 1), S. 48 ff. (S. 50). 11 So ausdrücklich O. Koellreutter ( F N 6), S. 85 zu Art. 109 WRV. 12 So O. Koellreutter ( F N 6), S. 83 ff. 13 So G. Brings ( F N 1), S. 48 ff. 14 Vgl. G. Brings (FN 1), S. 49; E. Kraiss ( F N 1), S. 29 ff. 15 Manchen Autor führte dies in die Nähe des „alten" grundrechtlichen Anspruchs auf Unterlassung von nicht gesetzlich legitimierten Verwaltungseingriffen in Freiheit und Eigentum. Besonders deutlich etwa G. Brings (FN 1), S. 49: „Der Sinn der gliedschaftlichen Freiheitsrechte ist demnach der: Die Verwaltung darf in die Freiheit und das Eigentum nur dann eingreifen, wenn ein Gesetz ihr die rechtliche Befugnis dazu gibt. Insoweit ist auch heute noch am Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung festzuhalten". Indes lag hierin weniger sachliche Kontinuität als es scheint, weil im Nationalsozialismus sowohl die „Freiheit" wie auch das „Eigentum" wie auch das „Gesetzmäßigkeitsprinzip" eine gewandelte Bedeutung hatten. 16

Vgl. dazu E. Kraiss ( F N 1), S. 29 ff. sowie oben I., jeweils m. weit. Nachw.

III. Das Schicksal des subjektiven öffentlichen Rechts

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erwähnt wurde dort die Fortführung der bisherigen Begrifflichkeit zunächst noch durch die Rechtsprechungspraxis 18 sowie durch den Wortlaut älterer und neuerer Gesetze begünstigt 19 . Ungeachtet dessen bestand aber auch im Verwaltungsrecht kein Zweifel darüber, „daß das subjektive Recht seine einstige Schlüsselstellung verloren h a t " 2 0 . Hauptursache hierfür war eine inhaltliche „Umwertung" des subjektiven öffentlichen Rechts. Denn auch für diejenigen, die im Gegensatz zu den besonders exponierten Vorkämpfern nationalsozialistischen Rechtsdenkens das subjektive öffentliche Recht nicht „zu Tode hetzen" wollten 2 1 , stand regelmäßig außer Frage, daß diese Rechtsfigur im „völkischen Führerstaat" eine neue Wertgrundlage erhalten hatte. Man orientierte sich an der „Volksgemeinschaft" als der „neuen Kernposition des Denkens" 22 , stellte „Volk" und „Gemeinschaft" in den Mittelpunkt der Betrachtung 23 , zog zur Bestimmung des subjektiven Rechts nationalsozialistische Leitsätze wie „Erst kommt das Volk und dann der Einzelne" oder „Gemeinnutz geht vor Eigennutz" heran 24 und preßte die damit verbundenen Implikationen in die Dogmatik des subjektiven Rechts hinein. Durch solche und ähnliche „Sinnvariierungen" 29 erhielt das subjektive öffentliche Recht eine völlig veränderte inhaltliche Gesamtausrichtung. Ganz treffend sprach man denn auch von dem „gemeinschaftsgebundenen" 26 , dem „neuen" 27 bzw. dem „gliedschaftlichen" 28 subjektiven öffentlichen Recht oder führte den Terminus nur noch in Anführungszeichen weiter 29 . Neben der inhaltlichen Relativierung zog dieser Bedeutungswandel vor allem eine empfindliche Einengung der Anwendungsbereiche des subjektiven öffentlichen Rechts nach sich. Nach Ansicht mancher Autoren ergab sich „schon aus dem Satz ,Gemeinnutz geht vor Eigennutz' ..., daß der heutige Staat ein subjektives öffentliches Recht des Einzelnen nur dann anerkennen kann, wenn die Zubilligung eines solchen Rechts vom Standpunkt der völkischen Grund17 Vgl. dazu auch T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 72): „Subjektive öffentliche Rechte und Grundrechte waren nie dasselbe und sind es bis zur Gegenwart nicht". 18 Siehe aber auch die damals Aufsehen erregende und von den „Rechtserneuerern" mit großem Beifall bedachte Entscheidung des sächsischen OVG vom Januar 1935, RVerwBl. 1935, S. 117 ff. 19 Siehe dazu etwa A. Röttgen ( F N 1), S. 191, 193. 20 A. Röttgen ( F N 1), S. 193. 21 Vgl. 0. Koellreutter, RVerwBl. 1936, S. 885 ff. (S. 886). 22 G. Brings (FN 1), S. 26. 23 Vgl. z.B. W. Laforet (FN 1), S. 42 ff.; A. Köngen ( F N 1), S. 191 ff. 24 So z.B. E. Kraiss ( F N 1), S. 13, 44; Nebinger, RVerwBl. 1941, S. 101 ff. (S. 102). 25 T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. (S. 99). 26 G. Brings (FN 1), S. 36. 27 E. Kraiss (FN 1), S. 25. 28 G. Brings (FN 1), S. 49. 29 Fischbach, DJZ 1935, Sp. 841 ff.

8*

116

4. Abschnitt: Der Kampf wider das subjektive Recht im III. Reich

Ordnung aus gerechtfertigt und geboten ist" 3 0 . O. Koellreutter hielt die Einräumung von subjektiven öffentlichen Rechten in „bestimmten einzelnen Verwaltungsgebieten" für möglich, „soweit dadurch die Gemeinschaftsregelung nicht geschädigt, sondern gefördert w i r d " 3 1 , und R. Knauth wollte die Anerkennung von subjektiven Rechten auf diejenigen Bereiche beschränkt wissen, in denen sie sich „eindeutig als notwendig und zweckmäßig" erweisen 32. Und schließlich war auch von einer „Vermutung" die Rede, die dafür spreche, „daß dem Einzelwollen kein Rechtsanspruch gegeben ist" 3 3 . Das in diesen Äußerungen zum Ausdruck kommende Anliegen, „alle Überspannungen" des subjektiven Rechts, wie sie „gerade Theorie und Praxis" der Weimarer Zeit „mit sich gebracht haben", restlos zu beseitigen34, wurde allgemein gebilligt und bewirkte in der Rechtspraxis unverkennbar „eine Zurückdrängung der subjektiven öffentlichen Rechte" 35 . Hier wird deutlich, daß die fortgeführte Grundbegrifflichkeit den tatsächlichen Bruch mit der Tradition in der Sache nur mühsam kaschieren konnte.

30 Nebinger , RVerwBl. 1942, S. 101 ff. (S. 102) unter Berufung auf Reichsminister Frick; ähnlich O. Koellreutter , Grundriß, 1933, S. 83. 31 DJZ 1934, Sp. 625 ff. (Sp. 629). 32 RVerwBl. 1933, S. 885 ff. (S. 887). 33 So W. Laforet ( F N 1), S. 60, der den Rechtsansprüchen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts einen „engen Raum" zuwies (S. 61). 34 So O. Koellreutter , DJZ 1934, Sp. 625 ff. (Sp. 629). 35 Nebinger , RVerwBl. 1942, S. 101 ff. (S. 102).

ter Abschnitt

Das subjektive öffentliche Recht im Wandel Bei einer Gesamtbetrachtung der historischen Genese ist unschwer zu erkennen, daß es sich bei dem subjektiven Recht um eine Rechtsfigur handelt, deren Konturen sich mehr oder weniger in ständigem Fluß befinden. Kaum kristallisiert sich eine Konzeption als „herrschend" heraus, wird sie von anderer Seite wieder in Zweifel gezogen und angegriffen. Mittel- und langfristig haben solche Angriffe oft größere Wirkung als es zunächst scheint. Bei entsprechender Angriffsintensität und -dauer bewirken sie nicht selten strukturtiefe Modifikationen der bis dahin jeweils „herrschenden" Konzeption, die in längeren Zeitabständen zu prinzipiellen Neuorientierungen führen. Dies ist — worauf noch zurückzukommen sein wird — übrigens auch für die Rechtsentwicklung nach 1945 kennzeichnend. Für diese „Dynamik" des subjektiven Rechts gibt es eine einfache Erklärung. Begriffe und Institutionen, die Geschichte haben und Geschichte machen, ruhen nicht in sich selbst. Sie sind vielmehr in die historische Entwicklung eingebunden und deshalb in ihrer jeweiligen Ausprägung immer auch Ausdruck der jeweils vorherrschenden ideellen, politischen und sozialen Strömungen; in ihnen sind regelmäßig „generationstiefe, oft über Jahrhunderte hinweg reichende soziale und politische Prozesse gespeichert" 1. Das gilt zumal für solche Institutionen, die — wie das „subjektive Recht" — seit langem als „Eckpfeiler des ganzen Rechtsbaues"2 oder als „Eckstein im Bau der rechtsstaatlichen Grundbegriffe und des Rechtssystems"3 bezeichnet und auch heute noch zu den „wesentlichen Strukturbegriffen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts" 4 gerechnet werden. Derartige Grundkategorien des Denkens „stehen in der Zeit" und verändern sich mit ihr. Mögen sich die Veränderungen auch nicht im „Begriff, in der „Theorie", in der „Lehre" oder in der „Konzeption" niederschlagen — „Akzentverschiebungen", „Wandlungen im Verständnis", „Klarstellungen" oder „Verengungen" bzw. „Erweiterungen" des Anwendungsbereiches ergeben sich allemal.

1

Vgl. R. Koselleck , Der Staat, Beiheft 6 (1983), S. 7 ff. (S. 7). E.L Bekker , System des heutigen Pandektenrechts, Bd. I, 1886, S. 46. 3 O. Bühler , Altes und Neues, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 267 ff. (S. 286). 4 G. Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 ff. (S. 105). 2

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Das macht den Umgang mit dem subjektiven Recht sowohl aus rechtshistorischer wie auch aus gegenwartsbezogener Sicht schwierig. Gerade weil das subjektive Recht zu den zentralen Institutionen des Rechts- und Ordnungsgefüges zählt, ist es seit jeher ein besonders umstrittener „Grundbegriff" und seiner Schlüsselstellung entsprechend eines der bevorzugten Felder für den Waffengang zwischen den verschiedenen Zeitströmungen, von denen bald die eine, bald die andere einen Raumgewinn erzielt. Die mit diesem permanenten Entwicklungsprozeß verbundenen Schwankungen haben eine relative Konturenunsicherheit zur Folge, die u.a. darin zum Ausdruck kommt, daß sich bei nahezu jedem Autor im Grundsätzlichen oder im Detail individuell variierende Bemerkungen zu „Begriff", „Theorie", „Lehre", „Konzeption" oder zu den „Anwendungsbereichen" des subjektiven öffentlichen Rechts finden. Daraus resultieren Gewißheitsverluste, die nicht zuletzt auch an den größeren und kleineren „Korrekturen" bzw. „Ergänzungen" abgelesen werden können, zu denen sich selbst solche Autoren veranlaßt gesehen haben, die — wie etwa G. Jellinek 5, O. Bühler 6, O. Bachof und W. Henke 8 — die Diskussion über das subjektive öffentliche Recht nachhaltig beeinflußt haben. Will man der im Schrifttum durchweg bestehenden Meinungsvielfalt keine Gewalt antun, dann läßt sich das subjektive Recht über die Zeiten hinweg nur als eine in stetigem Wandel begriffene Rechtsfigur beschreiben, die (ideell) auf das Grundproblem der Stellung des Menschen im Recht verweist und (positivrechtlich) zur Erfassung von gesicherten Rechtspositionen dient — nicht mehr und nicht weniger. Dieses Ergebnis ist weder neu noch sonderlich originell. Schon bislang ist nämlich darauf aufmerksam gemacht worden, daß „kaum ein Rechtsinstitut von den sich wandelnden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen so beeinflußt und geprägt wurde und wird wie das subjektiv-öffentliche Recht. In ihm spiegelt sich das jeweilige Verhältnis des Einzelnen zum Staat. M i t der Wandlung dieses Verhältnisses ändert sich auch die Anerkennung des subjektiv-öffentlichen Rechts" 9 . Der Begriff des subjektiven Rechts sei „nicht absolut festzustellen, vielmehr bildsam je nach den Verschiedenheiten des geltenden Rechts und der herrschenden Lehre" 1 0 . Deutlicher kann kaum formuliert werden, daß das „subjektive öffentliche Recht

5

System, 2. Aufl., 1905, S. X I . Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, 1927, S. 26 ff. (S. 27). 7 Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. (S. 301). 8 DÖV 1980, S. 621 ff.; vgl. auch schon ders., Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Festschrift W. Weber, 1974, S. 495 ff. 6

9

G. Kohlmann , Das subjektiv-öffentliche Recht, 1964, S. 12 f. E.L Bekker (FN 2), S. 49. Vgl. auch F. Kasper , Das subjektive Recht, 1967, S. 176 ff. und passim. 10

I. Der Wandel des subjektiven Rechts aus rechtshistorischer Sicht

119

nach Zeit und Ort nicht feststeht" 11 , daß die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht sich also letztlich in einem ständigen Entwicklungsprozeß befindet.

I. Der Wandel des subjektiven Rechts in der historischen Dimension Die „Entwicklungsoffenheit" des subjektiven Rechts entbindet selbstverständlich nicht von der Pflicht, den „historischen Stoff' auf formprägende Faktoren und Grundtypen des subjektiven Rechts abzuklopfen sowie dessen wichtigste Entwicklungsstationen herauszuarbeiten. Jedes Bemühen, das dieser Pflicht genügen und zugleich seinem Gegenstand gerecht werden will, stößt allerdings sehr rasch an Grenzen. In Wahrheit ist das subjektive Recht nämlich untrennbar in einen äußerst vielschichtigen Wirkzusammenhang Wechsel- und rückbezüglicher Ideen und Institutionen eingebunden. Seine außerordentliche Komplexität erschwert eine überzeugende Ordnung des historischen Materials und läßt nur bedingt ebenso aussagekräftige wie verbindliche Feststellungen über die historischen Erscheinungsformen des subjektiven Rechts zu 1 . 1. Die Komplexität des subjektiven Rechts Die Komplexität des subjektiven Rechts wird am augenfälligsten, wenn man sich die Fülle der Gesichtspunkte vergegenwärtigt, unter denen diese Rechtsfigur und deren Einzelausprägungen in der historischen Dimension beleuchtet und problematisiert wurden. Stichworte wie „Naturrecht" 2 , „Weltanschauung" 3 , „Staatsverständnis" 4, „Freiheitsverständnis" 5 , „Staatsallmacht und allgemeines Gewaltverhältnis" 6 , „Gewaltenteilung" 7 , „öffentliches und privates Recht" 8 , „Verfassungs- und Verwaltungsrecht" 9 , „Methodik des öffentlichen Rechts" 10 , „Willensmacht und rechtlich geschütztes Interesse" 11 , „öffentliche

11

Vgl. W. Bauer, SJZ 1947, Sp. 393 ff. (Sp. 394). Die folgenden Ausführungen sind eine zusammenfassende Gesamtbetrachtung der historischen Entwicklung und werden an dieser Stelle nur punktuell belegt. Sie sind oben im Zweiten bis Vierten Abschnitt eingehend dokumentiert. 2 Z.B. F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 62. 3 Z.B. T. Maunz, ZStW 96 (1936), S. 71 ff. 4 Vgl. z.B. G. Jellinek, System, 2. Aufl., 1905, S. 12 ff. 5 Z.B. G. Jellinek (FN 4), S. 103; G. Anschütz, Staatsrecht, in: Enzyklopädie, Bd. 4, 7. Aufl., 1914, S. 1 ff. (S. 89 f.). 6 Z.B. C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1,1888, S. 268 f.; F. Giese (FN 2), S. 57. 7 Vgl. z.B. R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 608 f.); O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 522 f. 8 Z.B. G. Jellinek ( F N 4), S. 54 ff. 9 Z.B. C. Bornhak ( F N 6), S. 278. 10 Vgl. z.B. C.F. v.Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, passim. 1

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

u n d private Interessen" 1 2 , „Ermessen u n d unbestimmter Rechtsbegriff" 1 3 , „Rechtsschutz u n d insbesondere verwaltungsgerichtliche K l a g b a r k e i t " 1 4 , „ G e setzmäßigkeit der V e r w a l t u n g " 1 5 , „Abgrenzung von,Rechten 4 ,,Reflexrechten 4 , ,Rechtsreflexen 4 , ,Gesetzesvollziehungsansprüchen 4 , ,wohlerworbenen Rechten 4 u n d ,bloß faktischen Begünstigungen 444 1 6 , „Systematik v o n Rechten u n d P f l i c h t e n " 1 7 , „rechtsgeschäftlich u n d gesetzlich eingeräumte R e c h t e " 1 8 bis h i n z u m „ R e c h t s g e f ü h l " 1 9 u n d den allgemeinen „ A n s c h a u u n g e n " 2 0 markieren nur einige der zahlreichen Probleme, m i t denen das subjektive Recht i n Verbindung gebracht wurde. A l l diese Probleme (und die jeweiligen Problemlösungen) stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind untereinander u n d m i t dem subjektiven Recht auf mannigfachste Weise i n wechselseitiger Rückbezüglichkeit verbunden. W i e i n einem weitläufigen Geflecht v o n miteinander kommunizierenden Röhren w i r k e n Veränderungen an einem P u n k t unmittelbar oder mittelbar auf die anderen Endpunkte zurück. Dieser komplexe Wirkzusammenhang k a n n hier n u r exemplarisch verdeutlicht werden: —

Anerkennt man beispielsweise auf individuelle Freiheit gegründete vor- oder außerstaatliche subjektive Rechte des Einzelnen, dann ist weder für eine umfassende Staatsallmacht noch für ein allgemeines Gewaltverhältnis Raum. Gleichzeitig ist dann auch jede Dogmatik des subjektiven Rechts, die ausschließlich auf gesetzlich eingeräumte Befugnisse abstellt, verfehlt; Fragen der positiv-rechtlichen Ausgestaltung des materiellen Rechts treten ebenso zurück wie Probleme des Rechtsschutzes und der Gesetzesauslegung. Statt dessen steht die individuelle Freiheit und deren Sicherung im Gemeinwesen im Vordergrund des Interesses. Je nach dem, wie diese Freiheit gedeutet wird — ob etwa als zügellose Freiheit, „alles tun und lassen zu können, was man will", oder als pflicht- und verantwortungsgebundene Freiheit — , gehen von dem jeweiligen Freiheitsverständnis unterschiedliche Impulse für die Konzeption der subjektiven Rechte (und Pflichten) aus.

11

Dazu z.B. F. Giese ( F N 2), S. 62 ff. m. weit. Nachw. Vgl. z.B. G. Jellinek (FN 4), S. 67 ff. 13 Z.B. O. Bühler (FN 7), S. 21 ff. und passim. 14 Dazu oben Zweiter Abschnitt, III. 2. b. 15 Z.B. G. Anschütz , Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., 1933, S. 511. 16 Vgl. dazu z.B. O. Bühler ( F N 7), S. 225 ff. 17 Z.B. F. Fleiner , Institutionen, 8. Aufl., 1928, S. 164 ff. 18 Z.B. O. Bühler (FN 7), S. 224. 19 Vgl. W. Jellinek , Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 208: „Trotzdem haben wir das deutliche Gefühl , daß auch die Freiheitsrechte echte Rechte sind ..."; Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. auch H.H. Rupp, Grundfragen, 1965, S. 247, der daraufhinweist, daß die Abgrenzung von „rechtlichen", „persönlichen" und „wirtschaftlichen" Interessen „in der Praxis der Verwaltungsgerichte allein vom Rechtsgefühl her bestimmt" wird. 12

20 F. Fleiner (FN 17), S. 173: Umwandlung eines Gesetzesvollziehungsanspruchs in ein subjektives Recht „infolge des Wechsels der Anschauungen".

I. Der Wandel des subjektiven Rechts aus rechtshistorischer Sicht

121



Nimmt man an, daß als „echte subjektive Rechte nur solche Befugnisse anzusehen sind, zu deren Schutz irgendwie ein unabhängiges Gericht angerufen werden kann" 2 1 , dann verlieren Überlegungen zur materiell-rechtlichen Konstruktion des subjektiven Rechts an Bedeutung. Sie werden überlagert von einseitig-prozessualen Betrachtungen, zurückgedrängt durch aktionenrechtliches Denken. Das Problem des subjektiven Rechts ist dann in erster Linie ein Problem des Gerichtsschutzes bzw. der Ausgestaltung des Prozeßrechts. Sieht man dagegen die Klagbarkeit bzw. gerichtliche Durchsetzbarkeit nicht als konstituierendes Element des subjektiven Rechts an, dann fallen das Prozeßrecht und die mit ihm verbundenen Fragen zumindest aus der Kernproblematik des subjektiven Rechts heraus.



Reduziert man den positiv-rechtlichen Gehalt der in den Verfassungen ausgewiesenen Grundrechte auf ein „einziges" Grundrecht „auf Unterlassung gesetzwidrigen Zwanges", das inhaltlich auf die „Unterlassung jedes gesetzlich nicht zugelassenen Eingriffs in die persönliche Freiheit" gerichtet ist 2 2 , dann ist dies für die Konzeption des subjektiven Rechts in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen sind grundrechtliche Individualansprüche gegen den Gesetzgeber ein „Unding" 2 3 . Zum anderen erübrigt sich im Bereich der Eingriffsverwaltung — soweit zielgerichtete Verwaltungseingriffe in „Freiheit und Eigentum" zur Diskussion stehen — die Suche nach subjektiven Abwehrrechten des einfachen Rechts, was eine Verschiebung der Problemschwerpunkte nach sich zieht; problematisch sind die gegen die Exekutive gerichteten subjektiven Rechte des einfachen Rechts dann nämlich im wesentlichen nur noch im Leistungs- und Partizipationsbereich sowie im Bereich der sog. Drittrechte. Verneint man dagegen den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte und verortet man den Eingriffsvorbehalt primär in dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dann bereiten auch die subjektiven Rechte im Bereich der Eingriffsverwaltung Schwierigkeiten und müssen entweder aus den einzelnen verwaltungsrechtlichen Normen oder aus einem „allgemeinen subjektiven öffentlichen Recht auf Freiheit von gesetzwidrigen Eingriffen" abgeleitet werden.

Es liegt auf der H a n d , daß diese wechselseitige „Problemverflochtenheit" unterschiedliche Ansatzpunkte für die Behandlung u n d Darstellung des subjektiven Rechts bietet. Dementsprechend w i r d das „ P r o b l e m des subjektiven Rechts" v o n den einzelnen Theoretikern auch v o n verschiedenen Seiten angegangen 2 4 . Je nach Standort des jeweiligen A u t o r s dominiert m a l ein mehr rechtstheoretisches, m a l ein mehr verfassungsrechtliches, m a l ein mehr verwaltungsrechtliches, m a l ein mehr prozeßrechtliches u n d m a l ein mehr rechtsprechungsorientiertes Problemverständnis. Solche „Blickverengungen" ermöglichen es, jeweils bestimmte Problemfelder abzuschneiden oder doch zu vernachlässigen; dadurch w i r d scheinbar die K o m p l e x i t ä t des subjektiven Rechts „reduziert" u n d die Basis für den E n t w u r f v o n zwar individuell variierenden, 21

R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 617). Vgl. G. Anschütz (FN 5), S. 90. 23 G. Anschütz ( F N 5), S. 90. 24 Ähnlich schon E.I. Bekker, System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1,1886, S. 49 zum subjektiven Privatrecht. 22

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

aber zumeist in sich mehr oder weniger konsistenten Konzeptionen des subjektiven Rechts geschaffen. Auf das gesamte Meinungsspektrum bezogen ist die Kehrseite hiervon freilich eine außergewöhnliche Meinungsvielfalt — Fragen, die sich für den einen als Problem des subjektiven Rechts darstellen, werden von dem anderen nicht einmal thematisiert und umgekehrt; Begriffe werden von Autor zu Autor schwankend gebildet und verwendet; einzelne Institutionen miteinander in Beziehung gesetzt und verknüpft oder gegeneinander abgeschottet; usw. Zurück bleibt das subjektive Recht als ein unentwirrbarer Problemknäuel, der seinerseits wieder auf den komplexen Wirkzusammenhang verweist, in den das subjektive Recht eingebettet ist. Einer systematisierenden und typisierenden Gesamtbetrachtung sind dadurch von vornherein enge Grenzen gezogen. Ansatzpunkte für eine derartige Systematisierung und Typisierung der historischen Erscheinungsformen des subjektiven Rechts gibt es zwar mehr als genug. So kann man beispielsweise zwischen den subjektiven Rechten „alter A r t " und den auf Grund eines Gesetzes begründeten, vom Gesetz abhängigen öffentlichrechtlichen Befugnissen 25 oder zwischen „außerstaatlichen Sonderrechten" und den modernen, staatlich gesetzten subjektiven Rechten unterscheiden 26. Oder man kann die mit dem subjektiven Recht aufgeworfenen Probleme gruppieren nach solchen der Rechtsphilosophie, der Rechtssystematik und der Normdurchsetzung 27 . Die Unterscheidung zwischen „echten" und „unechten", „klagbaren" und nicht „gerichtsgeschützten" 2 8 , „formellen" und „materiellen" 29 , „eigentlichen" und „uneigentlichen" 30 , „individualistischen" und „gemeinschaftsgebundenen" 31 subjektiven öffentlichen Rechten, zwischen Grundrechten und verwaltungsrechtlichen subjektiven Rechten, die sachliche Gliederung nach subjektiven Rechten des Abwehr-, Leistungs- und Mitwirkungsbereichs, die mehr theoretisch ausgerichtete Sondierung nach „isolierten", in Rechtsverhältnisse eingebundenen und mit Pflichten ineinsgesetzten subjektiven öffentlichen Rechten — all das sind mögliche Ansatzpunkte für eine systematisierende und typisierende Abschichtung des historischen Materials. An diesen und ähnlichen Kriterien ausgerichtete Untersuchungen bieten zwar vertiefte Einsichten in die historische Entwicklung des subjektiven Rechts. Sie setzen sich aber dem letztlich entscheidenden Einwand aus, daß sie stets nur Teilaspekte herausgreifen und deshalb weder der vielschichtigen Gesamtproblematik noch der Wirklichkeit vollumfanglich gerecht werden. Wirklich aussagekräftige Feststellungen zum geschichtlichen

25 26 27 28 29 30 31

Vgl. W. Henke , Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 18. Vgl. H. Schrimpf,\ Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 60 f.). So F. Kasper , Das subjektive Recht, 1967, S. 126 ff. Dazu R. Thoma , HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 616 ff.). O. Bühler (FN 7), S. 158 ff. O. Bühler (FN 7), S. 257 ff. Vgl. G. Brings , Das subjektiv-öffentliche Recht, 1938.

. D e r Wandel des subjektiven Rechts aus rechtshistorischer

S i c h t 1 2 3

Werden des subjektiven Rechts lassen sich nur gewinnen, wenn man sich darum bemüht, dessen Komplexität und dessen stetigen Wandel zu berücksichtigen. Das subjektive Recht läßt sich dann nur in seinem ständigen Entwicklungsprozeß darstellen, anhand dessen über einzelne Entwicklungsstationen einige wenige Grundstrukturen und -linien sichtbar gemacht werden können. Und selbst hiergegen können wegen idealtypischer und vereinseitigender Überhöhungen noch Bedenken geltend gemacht werden. 2. Entwicklungsstationen des subjektiven (öffentlichen) Rechts Setzt man mit der historischen Untersuchung im Mittelalter 32 ein, dann ist das „subjektive Recht" in dem hier interessierenden Zusammenhang ursprünglich integrierter Bestandteil von personalen „Rechte- und Pflichtenverhältnissen". Nach dem mittelalterlichen Rechtsdenken, das alle Menschen unter das Recht stellte und dem die modernen Unterscheidungen zwischen Gerechtigkeit und positivem Recht, objektivem und subjektivem Recht sowie öffentlichem und privatem Recht fremd waren, handelt es sich bei diesen „Rechte- und Pflichtenverhältnissen" um konkrete Rechtsrelationen, die in den einzelnen herrschaftlichen und genossenschaftlichen Gebilden je spezifisch ausgeprägt sind. In diesen Beziehungsverhältnissen sind die wechselseitigen Rechte und Pflichten vielfach zu vollkommener Gegenseitigkeit verschränkt. Sie gründen häufig auf gegenseitigen Treuebindungen, die den ganzen Menschen erfassen und die Bestimmung der sich aus der jeweiligen Rechtsrelation ergebenden Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen mitentscheidend beeinflussen. Der Grundstruktur nach bleiben diese „Rechte- und Pflichtenverhältnisse" auch im Absolutismus 33 noch lange Zeit erhalten. Sie werden jetzt aber zunehmend überformt und abgelöst von neuen Vorstellungen, für die wesentliche Impulse von dem Souveränitätsstreben der Territorialfürsten, der Verweltlichung des Gemeinwesens, den frühen vernunftrechtlichen Naturrechtslehren sowie der Sonderung von öffentlichem und privatem Recht ausgehen. In dem Beziehungsverhältnis zwischen Landesherren und Untertanen gerät das „subjektive Recht" dadurch immer mehr in das Spannungsfeld von Recht und Gegenrecht: an die Stelle von abgestuften und differenzierten, konkreten „Rechte- und Pflichtenverhältnissen" tritt das „feindliche Gegenüber" von subjektiven Rechten des Herrschers „von oben" und „subjektiven Gegenrechten" des Untertanen „von unten". In dem Konflikt zwischen den (in ersten Ansätzen bereits dem öffentlichen Recht zugeordneten) subjektiven Herrschaftsrechten und den subjektiven Untertanenrechten werden die Rechtspositionen des Einzelnen zurückgedrängt, relativiert und in ihrer Bestandskraft erheblich geschwächt. Die „Stärkung" der Herrschaftsrechte wird u.a. mit der 32 33

Oben Erster Abschnitt, II. Oben Erster Abschnitt, III.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

von den Landesherren „neu" übernommenen Aufgabe der Beförderung des Gemeinwohls begründet — die „Schwächung" der Untertanenrechte u.a. durch eine empfindliche Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes erreicht. I m Vorfeld des Kampfes um das subjektive öffentliche Recht im 19. Jahrhundert 34 treibt man diese „Schwächung" der subjektiven Untertanenrechte noch weiter voran. Zwar gehen zunächst von den jüngeren vernunftrechtlichen Naturrechtslehren und der Aufklärung noch wichtige Anstöße für eine Verstärkung der Rechtsstellung der Untertanen aus, die sich auch in der Gestaltung des positiven Rechts niederschlagen. Nachdem die Landesherren mit dem Untergang des Reichs volle Souveränität erlangt hatten, wird die Rechtswirklichkeit aber wieder von dem Bestreben beherrscht, die Rechte der Einzelnen zurückzudrängen. Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist die weitestgehende Freistellung der Ausübung der landesherrlichen Rechte von gerichtlicher Kontrolle. Der in den einzelnen Ländern unterschiedlich verlaufende Prozeß der Beschränkung der Gerichtsbarkeit auf „Justizsachen" erreicht etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt und setzt vom Prozeßrecht her ein entscheidendes Datum für die kategoriale und funktional überformte Trennung von öffentlichem und privatem Recht. Parallel hierzu verfestigt sich ein Verständnis, das im öffentlichen Recht das Recht der einseitig anordnenden und befehlenden Staatsgewalt sieht und das Privatrecht prinzipiell als den den Rechtsverkehr Privater untereinander ordnenden Regelungsbereich begreift. Die „gerichtsgeschützten" subjektiven Rechte Privater werden dadurch tendenziell in das Zivilrecht abgedrängt. Überspitzt formuliert bewirkt dies eine „Spaltung" der Rechtsstellung des Einzelnen. I m Zivilrecht ist der Einzelne Rechtsperson, Träger von (gerichtlich durchsetzbaren) subjektiven Rechten, im öffentlichen Recht dagegen „rechtloser" Untertan, der den Anordnungen und Befehlen der Staatsgewalt zu gehorchen hat. Als man sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert anschickt, den Gedanken subjektiver Rechte im öffentlichen Recht neu zu beleben und die Erarbeitung eines spezifischen subjektiven öffentlichen Rechts in Angriff nimmt, ist das gesamte Ordnungsgefüge in einem teilweise bereits in der ersten Jahrhunderthälfte eingeleiteten strukturtiefen Wandel begriffen: In den Verfassungen werden Grundrechte „gewährt", welche die Ausbildung rechtsstaatlicher Prinzipien und insbesondere des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begünstigen. Die landesherrlichen Hoheitsrechte gehen in der einheitlichen Staatsgewalt auf und werden zusammen mit der Souveränität dem „Staat" zugeordnet, der nunmehr als verselbständigte juristische Person gedeutet und dem eingeebneten Untertanenverband gegenübergestellt wird. Das juristische Denken orientiert sich an der positivistischen Methode und verweist philosophische, politische, soziale, wirtschaftliche usw. Überlegungen in den außerrechtlichen Bereich. Und schließlich besiegelt die Errichtung der Verwal34

Oben Zweiter Abschnitt.

I. Der Wandel des subjektiven Rechts aus rechtshistorischer

S i c h t 1 2 5

tungsgerichtsbarkeit im letzten Jahrhundertdrittel auf Dauer die Spaltung der Rechtswege. Diese und andere Rahmenbedingungen sind für die „moderne" — oder aus heutiger Sicht „klassische" — Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht von weichenstellender Bedeutung: M i t seiner Verselbständigung zur juristische Person wird der Staat zugleich zu einem zentralen Baustein des Rechts- und Ordnungsgefüges, auf den die meisten öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen bezogen sind. Dies hätte es an sich nahegelegt, das Beziehungsverhältnis zwischen Staat und Bürger als möglichst zweiseitiges, aus gegenseitigen (subjektiven) Rechten und Pflichten bestehendes Rechtsverhältnis zu erfassen. Eine solche Konzeption bleibt für die damals vorherrschende Rechtslehre allerdings problematisch, weil sie im Staat ein „allmächtiges" Gebilde sieht, das nach seinem Willen herrscht und dessen Macht prinzipiell an keine anderen Grenzen stößt als an diejenigen, die er sich selbst setzt. Ein nicht ungewichtiger Teil der Lehre nimmt denn auch dieses Staatsverständnis zum Anlaß, um die Angemessenheit der Bezeichnung „subjektive öffentliche Rechte" für die Machtbefugnisse des Staates gegenüber Privaten in Zweifel zu ziehen 35 . Zwar ist bei einer Vielzahl von Autoren immer auch von „subjektiven Rechten" und „Rechtsansprüchen" des Staates sowie von einem allgemeinen „Rechtsverhältnis" zwischen Staat und Bürgern die Rede. Dies ändert aber nichts daran, daß das Staat-Bürger-Verhältnis der Sache nach weniger als „Rechtsverhältnis", sondern eher als „allgemeines Gewaltverhältnis" konstruiert wird. Danach stehen der umfassenden Staatsgewalt staatlich „gewährte", „verliehene" oder „anerkannte" subjektive Rechte des Untertanen gegenüber. Richtungweisend für die Zukunft wird die Figur des subjektiven öffentlichen Rechts dadurch tendenziell lediglich zur Erfassung von staatsgerichteten Rechtspositionen des Einzelnen herangezogen. Und selbst dieser verengte Anwendungsbereich des subjektiven öffentlichen Rechts erscheint der damaligen Lehre aus staatstheoretischen Gründen zunächst noch fragwürdig. Da der „allmächtige Staat" als „über dem Rechte" stehend angesehen wird, könne der Untertan kein Recht gegen den Staat wider dessen Willen geltend machen; subjektive Rechte des einzelnen Individuums gegen den Staat sind deshalb für manchen Autor „begrifflich undenkbar" (C. Bornhak). Dementsprechend beschäftigt sich der Streit über das subjektive öffentliche Recht jahrzehntelang vorwiegend mit der Frage, „ob subjektive öffentliche Rechte überhaupt prinzipiell als möglich anzunehmen, ob sie nicht vielmehr wegen des Verhältnisses der Überlegenheit des Staates ,begrifflich' unmöglich seien, der Ausdruck sozusagen eine contradictio in adjecto darstelle" 36 . Auch nachdem dieser Streit am Vorabend des 20. Jahrhunderts im wesentlichen positiv entschieden ist, bleibt das zeitspezifische Staatsverständnis

35 36

So vor allem O. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, 1895, S. 104 ff. O. Bühler (FN 7), S. 1.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

prägend: subjektive öffentliche Rechte des Untertanen sind nur denkbar, wenn sie vom Staat „eingeräumt", „gewährt" oder „verliehen" sind. Das hat namentlich für die Behandlung der Grundrechte tiefgreifende Konsequenzen. Wo die Grundrechte — und auch dies ist im 19. Jahrhundert lange Zeit umstritten — als subjektive öffentliche Rechte anerkannt sind, werden sie im wesentlichen gegen die Exekutive instrumentalisiert. Im Kern ihres Wesens sind sie „Ansprüche auf Unterlassung von Verwaltungsakten ..., die anders und weiter als das Gesetz es gestattet, in die von der Verfassung ... bezeichneten Betätigungsmöglichkeiten der persönlichen Freiheit eingreifen" (G. Anschütz). Der positiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte wird also im wesentlichen in das Verwaltungsrecht abgedrängt, ganz abgesehen davon, daß gelegentlich „die in den einfachen Gesetzen stehenden Grundrechte" wegen ihrer detaillierten und konkreten Ausformung ohnehin als „viel wertvoller" (F. Giese) angesehen wurden. Diese Anschauungen haben ihrerseits wiederum zur Folge, daß die Problematik des subjektiven öffentlichen Rechts im Schwerpunkt zunehmend in das Verwaltungsrecht „abrutscht". Dem Staatsrecht bleiben die subjektiven öffentlichen Rechte der Untertanen zwar als Gegenstand erhalten. Nach der im Ergebnis positiven Entscheidung über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte verlagern sich aber die Problemschwerpunkte und -erörterungen immer mehr auf das Gebiet des Verwaltungsrechts. Für die Konzeption des subjektiven Rechts ist die Problemverlagerung auf das Verwaltungsrecht freilich ohne Bedeutung. Da man sich sowohl im Staats- wie auch im Verwaltungsrecht der positivistischen Methode verbunden fühlt, wird die mit dieser Akzentverschiebung einhergehende Entfernung von den grundsätzlichen Anschauungen über das „Staat-Bürger-Verhältnis" bzw. von der ideellen Stellung des Menschen im Recht, wie sie aus heutiger Sicht vor allem — aber nicht nur 3 7 — mit den Grundrechten in Zusammenhang gebracht werden, nicht als Problem empfunden. Sieht man von dieser sich bereits frühzeitig abzeichnenden Problemverlagerung ab, dann ist das subjektive öffentliche Recht nach der damaligen Konzeption eine einheitliche, sowohl staats- wie auch verwaltungsrechtliche Rechtspositionen des Untertanen erfassende Rechtsfigur. Vorbild für dieses subjektive öffentliche Recht war das subjektive Privatrecht, das bei seiner Übertragung auf das öffentliche Recht gewissen Verformungen ausgesetzt ist, jedoch gleichwohl die Konturierung des öffentlichrechtlichen Pendants nachhaltig beeinflußt. Ähnlich wie im Zivilrecht konnte zwar auch im öffentlichen Recht zu keinem Zeitpunkt völlige Einigkeit über den „Begriff ' des subjektiven Rechts erzielt werden. I m Nachhinein läßt sich aber ein gewisser Grundkonsens über im wesentlichen drei Begriffsmerkmale herausschälen, die zugleich die 37 Zur Anbindung des subjektiven öffentlichen Rechts an der Menschenwürde siehe D. Lorenz , Rechtsschutz, 1973, S. 51 f. m. weit. Nachw.

I. Der Wandel des subjektiven Rechts aus rechtshistorischer Sicht

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konstituierenden Elemente und die Voraussetzungen für das Vorliegen subjektiver öffentlicher Rechte festlegen: Kennzeichen der „klassischen" Konzeption ist erstens die strikte „Gesetzesabhängigkeit" des subjektiven öffentlichen Rechts. Dem damaligen Rechtsdenken entsprechend sind subjektive öffentliche Rechte des Einzelnen nur denkbar, wenn und soweit sie durch das objektive Recht „eingeräumt", „verliehen" oder „anerkannt" werden. Ihrem Bestand und Inhalt nach sind sie also abhängig von dem objektiven Recht und stehen deshalb auch zur Disposition des Gesetzgebers. Für subjektive Rechte, die das Individuum — etwa in Anlehnung an naturrechtliche Überlegungen — als Mensch innehat, ist demnach im positiven Recht kein Raum. Sehr treffend werden die subjektiven öffentlichen Rechte denn auch als Rechte des Untertanen bezeichnet. Vermittelt durch das Kriterium der „Rechts-" oder „Willensmacht" geht das „klassische" subjektive öffentliche Recht zweitens eine enge Verbindung mit den prozessualen Klagemöglichkeiten ein. Insoweit leistet zwar einerseits die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte Vorschub 38 ; andererseits wird die Behandlung des subjektiven öffentlichen Rechts aber deutlich von einem aktionenrechtlichen Denken beherrscht. Und schließlich wird — drittens — mit dem ebenfalls aus dem Zivilrecht übernommenen Merkmal des „rechtlich geschützten Interesses" in ersten Ansätzen die bis heute Geltung beanspruchende sog. Schutznormtheorie ausgeprägt. Danach kommen als Grundlage für subjektive Untertanenrechte nur solche Rechtssätze in Betracht, die „zugunsten bestimmter Personen oder Personenkreise, zur Befriedigung ihrer Individualinteressen und nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen" sind 3 9 . Daß sich selbst die damaligen Befürworter der „Schutznormdoktrin" der von Anfang an bestehenden Schwierigkeiten bewußt waren, die bei der Ermittlung der „Bestimmung des Rechtssatzes zum Schutz von Individualinteressen" zwangsläufig auftreten, ist an dieser Stelle nur in Erinnerung zu rufen 40 . Im Spiegel der „herrschenden Lehre" ist die Weimarer Zeit 41 für die „klassische" Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts im wesentlichen eine Konsolidierungsphase. Ungeachtet der tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Umwälzung knüpft man in dem hier interessierenden Zusammenhang zunächst sowohl im Staatsrecht wie im Verwaltungsrecht an den traditionellen Positionen des ausgehenden Kaiserreiches an. A u f verfassungsrechtlicher Ebene gehen zwar vor allem von dem etwa Mitte der 20er Jahre offen ausbrechenden 38 39 40 41

So F. Fleiner ( F N 17), S. 174. O. Bühler (FN 7), S. 21. Dazu eingehend oben Zweiter Abschnitt, I I I . 2. c. Oben Dritter Abschnitt.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

„Richtungs- und Methodenstreit" der Weimarer Staatsrechtslehre wichtige Anstöße für eine grundsätzliche Neuorientierung aus. Die vorherrschende Gesamtkonzeption des subjektiven öffentlichen Rechts und insbesondere die mittlerweile zunehmend im „bestehenden" Verwaltungsrecht sorgfaltig gegen verfassungsrechtliche Veränderungen abgeschirmte „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" werden hiervon jedoch nicht mehr erreicht, zumindest aber nicht prinzipiell „umgestoßen". Frühzeitig verabschiedet wird die traditionelle Lehre dagegen von der nationalsozialistischen Rechtserneuerungsbewegung 42, die das ihrer Ansicht nach mit der nationalsozialistischen Weltanschauung unverträgliche Institutionengeflecht des bürgerlich-liberalen Rechtsstaates — und damit auch das subjektive Recht — „von Grund auf reinigt". In ihrem „Kampf wider das subjektive Recht" verweist sie die Grundrechte „ i n die Vergangenheit" und proklamiert ganz allgemein „das Ende des subjektiven öffentlichen Rechts"; an seine Stelle soll die „volksgenössische Rechtsstellung" treten. Auch bei den „gemäßigteren" Autoren, die in der Zeit des Nationalsozialismus am Begriff des „subjektiven Rechts" festhalten, bleibt von dieser Rechtsfigur kaum mehr als die „Begriffshülse" übrig. Sie stellen das subjektive Recht auf das nationalsozialistische Denken um und erreichen dadurch einen grundlegenden inhaltlichen Wandel, der teilweise auch in adjektivischen Begriffszusätzen zum Ausdruck kommt: das subjektive öffentliche Recht tritt als „neues" oder „gemeinschaftsgebundenes" subjektives Recht in Erscheinung.

II. Die Krise des subjektiven öffentlichen Rechts im Recht der Gegenwart Treffen die bisherigen Beobachtungen zu, dann müßte sich das subjektive öffentüche Recht seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erneut „gewandelt" haben. In der Tat: Obwohl man im Grundsätzlichen verbreitet nach wie vor an den „althergebrachten" Positionen der Vorkriegslehre festhält, hat man eben diese Positionen in zahlreichen Regelungsbereichen und teilweise auch bei der Beantwortung von Grundfragen längst hinter sich gelassen. Nicht ohne Grund ist deshalb seit Jahren von einer „Krise der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" 1 die Rede. Sie ist Ausdruck einer Umbruchsituation, ohne daß sich allerdings die Grundkonturen des subjektiven Rechts „der Zukunft" bereits hinreichend klar herauskristallisiert hätten. 42

Oben Vierter Abschnitt. Vgl. z.B. R. Scholz , WiR 1972, S. 35 ff. (S. 51 FN113: „begrifflich-institutionelle Krise des subjektiven (öffentlichen) Rechts"); ders ., W D S t R L 34 (1976), S. 145 ff. (S. 203: „Krise des subjektiven Rechts"); M. Zuleeg, DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 509: „Krise des subjektiven öffentlichen Rechts") G. Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 ff. (S. 117: „viel beschworene Krise"); zu einzelnen Erscheinungsformen etwa W. Martens , DÖV 1982, S. 89 ff. (S. 89: „Krise des Anspruchs 1

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Ausschlaggebende Impulse für den jüngeren Wandel des subjektiven öffentlichen Rechts gingen u.a. von Art. 19 Abs. 4 G G 2 , von dem „Gleichheitssatz" 3 , von der „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes mit seinem Bekenntnis zum Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit, zu ihrem Vorrang vor den Staatsinteressen, mit seiner Sozialstaatserklärung sowie schließlich mit seiner Tendenz einer durchgängigen Beschränkung und Kontrolle staatlicher Machtäußerung" 4 und von einem geänderten Verständnis des Verhältnisses von Verfassungs- und Verwaltungsrecht 5 aus. Frühzeitig wurde außerdem ein Wandel der „wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse" als Erklärung für den „Wechsel der Anschauungen" angeboten6. Nicht ohne Bedeutung waren ferner die im Laufe der Jahre gegen die klassische Lehre gerichteten und über sie hinweggehenden Angriffswellen, die es zwar nicht vermochten, Begriff und Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts umzustoßen, aber gleichwohl ihre Spuren hinterließen 7. Und schließlich leistete nicht selten auch die Rechtsprechungspraxis Schrittmacherdienste, die mit — gelegentlich als „fast sensationell" bezeichneten8 — Einzelentscheidungen ursprünglich „eherne" Positionen der „alten" Lehre aufgab und insgesamt die Anwendungsfelder des subjektiven öffentlichen Rechts deutlich erweiterte. 1. Zur Entwicklung der „herrschenden46 Lehre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Ungeachtet ihres prinzipiellen Festhaltens an der traditionellen Konzeption hat sich bekanntlich auch die „herrschende" Meinung neueren Entwicklungen nicht völlig verschlossen. Sie berücksichtigt „gewandelte Anschauungen" teilweise durch gewisse Modifikationen und teilweise durch eine Anpassung der bisherigen Äußerungen insbesondere an die geänderte gerichtliche Entscheidungspraxis. Von diesen auch innerhalb der „herrschenden" Meinung feststellauf polizeilichen Schutz"); F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 ff. (S. 2100: „Krise des Grundrechtsverständnisses"); E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 138 ("Krisis des überkommenen Freiheitsverständisses"). 2 H.-U. Erichsen, W. Martens, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, S. 129 ff. (S. 150). 3 O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. (S. 295). 4 O. Bachof (FN 3), S. 301. 5 Vgl. etwa H. Heinrich, WiVerw 1985, S. 1 ff. (S. 5: Auslegung des einfachen Rechts „ i m Lichte der Grundrechte und ihres subjektiv-rechtlichen Verständnisses"); ähnlich O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 ff. (S. 641). 6 Vgl. O. Koellreutter, Grundfragen des Verwaltungsrechts, 1955, S. 133 F N 1. 7 Zu „Annäherungen" der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis an von der Literatur entwickelte „Alternativlösungsansätze" siehe z.B. U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 118 f. 8 So O. Bachof\DVB1. 1961, S. 128 ff. (S. 129) zu BVerwGE 11, 95. 9

Bauer

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

baren und überdies keineswegs schwankungsfreien Veränderungen können hier wiederum nur einige Entwicklungslinien aufgezeigt werden, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. a) Der Dualismus von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht In dem „Kampf um das subjektive öffentliche Recht im 19. Jahrhundert" nahmen die Grundrechte stets eine zentrale Stellung ein; nach O. Bühler wurden sie sogar „von jeher als Prototyp der subjektiven öffentlichen Rechte" angesehen 9 . Dementsprechend erfaßte die „klassische" Lehre auch sämtliche subjektiven öffentlichen Rechte der Untertanen, also diejenigen des Verfassungsrechts ebenso wie diejenigen des Verwaltungsrechts. Zwar waren die Grundrechte durch ihre eingeschränkte, vornehmlich gegen die Exekutive gewendete positivrechtlich Bedeutung tendenziell in das Verwaltungsrecht abgedrängt; dies ändert aber nichts daran, daß die ursprüngliche Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts auf das gesamte öffentliche Recht bezogen war 1 0 . Diese einheitliche, verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rechtspositionen umschließende Konzeption ist seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes immer mehr aufgebrochen. Neben der herkömmlichen „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" installierte sich eine weitestgehend verselbständigte „Grundrechtslehre" 11 , die sich — teilweise unter Fortführung der von der jüngeren Weimarer Staatsrechtslehre entwickelten Gedankengänge — vorrangig mit der Dogmatik bzw. Entfaltung der Grundrechte beschäftigt und die heute in einem bislang nicht gekannten Umfang als maßgebend für die Grundrechtsauslegung angesehen wird 1 2 . In diesem Ausdifferenzierungsprozeß ist eine kategoriale „Spaltung" des subjektiven öffentlichen Rechts angelegt — die verselbständigten verfassungsrechtlichen subjektiven Rechte stehen mehr oder weniger unverbunden neben den subjektiven Rechten des Verwaltungsrechts. Während man sich im Verfassungsrecht von den überkommenden Vorstellungen absetzt, bleibt man bei der Behandlung der verwaltungsrechtlichen subjektiven öffentlichen Rechte prinzipiell dem herkömmlichen Verständnis verhaftet. I m Verfassungsrecht werden die ideellen Grundlagen der Rechtsstellung des Einzelnen für das subjektive Recht fruchtbar gemacht; im Verwaltungsrecht werden die subjektiven Rechte dagegen noch immer durch das einfache Gesetzesrecht „gewährt". Überspitzt 13

9

Reichsverfassung, 3. Aufl., 1929, S. 121 f. Dazu eingehender oben Zweiter Abschnitt, II. und III. 11 Zusammengestellt u.a. bei A. Bleckmann , Allgemeine Grundrechtslehren, 1979; K. Hesse, HdbVR 1983, S. 79 ff. 12 H. v.Mangoldt, F. Klein, C. Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl., 1985, S. 81. 10

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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formuliert: Hier ist der Einzelne als Rechtsperson Träger von subjektiven Rechten; dort bleibt er Untertan. Der endgültige Bruch zwischen den beiden Arten von subjektiven Rechten wurde bislang freilich vermieden. Denn für die moderne Grundrechtslehre sind die Grundrechte nach wie vor jedenfalls auch „subjektive Rechte" 14 und die primär auf das Verwaltungsrecht bezogene „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" benennt die Grundrechte regelmäßig als wichtige Beispiele15. Vernachlässigt man diese Gemeinsamkeit, dann gehen beide Lehren aber unterschiedliche Wege. Bemüht sich die eine um die Offenlegung immer neuer „Bedeutungsgehalte" der Grundrechte, die „verstärkend" 16 auf deren subjektiv-rechtliche Seite zurückwirken 17 und in „neue" Fragestellungen hineinführen 18 , so stehen für die andere die älteren Probleme der „Rechtsmacht" 19 , der gerichtlichen Durchsetzbarkeit 20 , der Abgrenzung von subjektivem Recht und „rechtlichen", „berechtigten", „rechtlich geschützten", „wirtschaftlichen", „sozialen", „faktischen" Interessen, „Belangen", „Vor- und Nachteilen" 21 , „eigenen Angelegenheiten" 22 , öffentlichen und privaten Interessen, und vor allem der Anwendung der sog. Schutznormtheorie im Vordergrund der Betrachtung. Wechselseitige Kontaktaufnahmen zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht sind damit zwar nicht generell ausgeschlossen, zumal gerade in jüngerer Zeit zunehmend — aus verfassungsrechtlicher Sicht — die grundrechtliche „Beeinflussung" des einfachen Rechts bei der Ermittlung subjektiver Rechte berücksichtigt 23 und—aus verwaltungsrechtlicher Sicht—der „Verfassungsbezug" 2 4 der (verwaltungsrechtlichen) subjektiven Rechte anerkannt wird. Ganz abgesehen davon, daß derartige „Einflüsse" und „Bezüge" kaum zuverlässige 13 Überspitzt deshalb, weil das Verwaltungsrecht durch unterschiedliche Modifikationen den Anschluß an die verfassungsrechtliche Entwicklung sucht; dazu eingehender unten b. 14 Statt vieler K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 14. Aufl., 1984, S. 112 ff. 15 Z.B. F. Mayer, F. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1985, S. 165, 167. Vgl. aber auch A. Bleckmann, VB1BW 1985, S. 361 ff. (S. 361), wonach der „Begriff der Schutznorm" in „Lehre und Rechtsprechung implizit weit enger definiert" wird und nur die gesetzlichen Bestimmungen erfaßt, die „wie das materielle und formelle Verwaltungsrecht die Voraussetzungen des betreffenden Verwaltungshandelns regeln". 16

So BVerfGE 50,290 (337) zur „Funktion der Grundrechte als objektive Prinzipien". Vgl. etwa P. Häberle, Wesensgehaltgarantie, 3. Aufl., 1983, S. 355, 332 f. m. weit. Nachw. und passim. 18 Vgl. K Hesse, HdbVR 1983, S. 79 ff. (S. 92 ff.). 19 Z.B. O. Bachof(FN 3), S. 292, 294, 299; F. Mayer, F. Kopp (FN 15), S. 165. 20 Vgl. G. Ress (FN 1), S. 107. 21 Dazu eingehender unten b. 22 Vgl. W. Henke, DÖV 1980, S. 621 ff. 23 Z.B. BVerfGE 53, 30 (65). 24 So H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1985, S. 121 m. weit. Nachw. 17

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Schlußfolgerungen erlauben, handelt es sich dabei jedoch lediglich um punktuelle Kontaktaufnahmen „von oben" bzw. „von unten". Wie bereits eingangs erwähnt, wendet man sich bei der Behandlung der verfassungsrechtlichen subjektiven Rechte im allgemeinen anderen Themen zu als bei der Behandlung der verwaltungsrechtlichen subjektiven Rechte: „Grundrechtslehre" und „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" sind im Prinzip substantiell voneinander abgetrennt und gegeneinander abgeschottet. Das subjektive öffentliche Recht ist dadurch in einen eigentümlichen Dualismus hineingewachsen: als Rechtsfigur an sich ist es Gegenstand sowohl des Verfassungs- wie auch des Verwaltungsrechts; als Gegenstand der „Lehre" wird es in beiden Rechtsgebieten unterschiedlich behandelt. Dieses Trennungsdenken ist schon allein deshalb fragwürdig, weil sich beide „Lehren" der Sache nach über weite Strecken mit durchaus vergleichbaren Problemlagen beschäftigen, mögen diese auch unter verschiedenen Stichworten thematisiert und verschiedenen Lösungen zugeführt werden. „Grundpflichten" 25 und „Pflichten zur Rücksichtnahme" 26 als Konnex zum subjektiven Recht; „faktische Beeinträchtigungen von Grundrechten" 27 und „faktische Begünstigungen bzw. Belastungen" durch die Anwendung einfachen Rechts 28 ; „grundrechtliche Teilhaberechte" 29 und verwaltungsrechtliche „Leistungsansprüche" 3 0 ; „grundrechtsunmittelbarer Drittschutz" 31 und „verwaltungsrechtlicher Drittschutz" 32 — all das sind Themen, die auf gemeinsame Problemfelder verweisen, deren Lösung aber zumeist entweder von einem verfassungsrechtlichen oder von einem verwaltungsrechtlichen Ansatz angegangen wird. Der „Lehrendualismus" verdeckt überdies strukturtiefe Spannungen. Würde man nämlich die verfassungsrechtlichen subjektiven Rechte mit den Vorstellun25 Siehe dazu etwa D. Merten, BayVBl. 1978, S. 554 ff.; R. Stober, Grundpflichten, 1979; V. Götz, W D S t R L 41 (1983), S. 7 ff. und H. Hofmann, VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff. 26 Die ursprünglich auch aus dem Verfassungsrecht abgeleitete „Pflicht zur Rücksichtnahme" (vgl. F. Weyreuther, BauR 1975, S. 1 ff) wird in jüngerer Zeit bevorzugt als „Gebot" bezeichnet und im einfachen Recht verortet. Ihr Einsatz konzentriert sich auf das Baurecht, ist in der Rechtsprechungspraxis aber nicht hierauf beschränkt; vgl. etwa OVG Hamburg, JZ1981, S. 701 ff. (Dünnsäureverklappung; ablehnend: BVerwG, DÖV1983, S. 342 ff.) und OVG Münster, NVwZ 1983, S. 485 ff. (Rauchverbot). Siehe zur „Expansionskraft" des Rücksichtnahmegebotes auch R. Alexy, DÖV 1984, S. 953 ff. (S. 955). 27 Dazu etwa H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, 1970; U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980. 28 So eines der Schwerpunktthemen der „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht"; vgl. etwa HJ. Wolff O. Bachof Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 321 ff. 29 Dazu etwa W. Martens, W D S t R L 30 (1972), S. 7 ff.; P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 ff. und K. Hesse, HdbVR 1983, S. 79 ff. (S. 96 ff.). 30 Weichenstellend: BVerwGE 1, 159. 31 Z.B. G. Schwerdtfeger , NVwZ 1982, S. 5 ff. 32 Z.B. U. Berger (F 7), der sich im Schwerpunkt mit dem verwaltungsrechtlichen Drittschutz im Bauplanungs-, Immissionsschutz- und Kernenergierecht beschäftigt.

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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gen der „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" in Verbindung bringen und etwa die Grundrechte als (grund-)gesetzlich eingeräumte „Willens-" oder „Rechtsmacht" beschreiben oder nur deshalb als subjektive Rechte anerkennen, weil sie in Rechtssätzen geregelt sind, die „(zumindest auch) zur Befriedigung von Individualinteressen erlassen sind", dann wäre dies beim heutigen Stand der (Grund-)Rechtsentwicklung zumindest höchst problematisch. Eine ausschließlich hierauf abstellende Betrachtung würde der Bedeutung der Grundrechte jedenfalls nicht vollumfanglich gerecht und in letzter Konsequenz auf die längst überwundenen Positionen der Jahrhundertwende zurückführen. Außerdem schließen sich an diesen „Lehrendualismus" vielfach sektorale Rechtsbetrachtungen an, die den Zugang zu Problemlösungen auf der Grundlage der gesamten Rechtsordnung verstellen. Da das verwaltungsrechtliche subjektive Recht im gedanklichen Ansatz regelmäßig gegenüber dem Verfassungsrecht abgeschottet wird 3 3 , ist bei der Beantwortung konkreter Rechtsfragen die Heranziehung des Verfassungsrechts und insbesondere des Zusammenspiels von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht von der dogmatischen Grundkonzeption her zumindest erschwert. Solche Blickverengungen blenden Problemlösungen, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht erarbeiten ließen, vorschnell aus. In zahlreichen Bereichen werden dadurch vor allem die Grundrechte in eine Art „Lückenbüßerfunktion" gedrängt und kommen de facto nur „subsidiär" zum Einsatz 34 . b) Das subjektive öffentliche Recht des Untertanen zwischen ungebrochener Kontinuität und strukturtiefer Veränderung Der skizzierte „Lehrendualismus" hat die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht weitestgehend in das Verwaltungsrecht abgedrängt. Dementsprechend werden mit dem subjektiven öffentlichen Recht heute in erster Linie verwaltungsrechtliche Fragen und insbesondere Anwendungsprobleme der sog. „Schutznormtheorie" assoziiert. I m Grundsätzlichen schreibt man insoweit die um die Jahrhundertwende begründete Lehre fort, die allerdings mittlerweile in einigen Punkten nicht unerheblich modifiziert wurde. aa) Die Rezeption der „klassischen" Konzeption Maßgeblichen Anteil an der Rezeption der traditionellen Lehre hatte O. Bühler, der auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes an dem von ihm 1914 entwickelten 35 und 1927 bestätigten 36 „Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts festhielt: 33 Diese prinzipielle Abschottung findet sich im gedanklichen Ansatz auch bei solchen Autoren, die den „Verfassungsbezug" des subjektiven öffentlichen Rechts bejahen; vgl. etwa H. Maurer (FN 24), S. 120 ff. 34 Vgl. M. Zuleeg, DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 512).

134

5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

„Subjektives öffentliches Recht ist diejenige Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun d a r f ' 3 7 . M i t der unter zustimmendem Hinweis a u f „Otto Mayers ,Verfassungsrecht vergeht — Verwaltungsrecht b e s t e h t 4 " 3 8 unverändert fortgeführten D e f i n i t i o n wurde ein B r ü c k e n k o p f für ältere Vorstellungen befestigt. I n ihr ist zugleich begrifflich noch das Bewußtsein dafür erhalten, daß die „althergebrachte" K o n z e p t i o n des subjektiven öffentlichen Rechts nichts anderes als eine Rechtsstellung des Untertanen e r f a ß t 3 9 . Dennoch ist die v o n O. Bühler entwickelte Begriffsbestimmung bis heute grundlegend g e b l i e b e n 4 0 , 4 1 . F ü r das moderne Verwaltungsrecht wurde sie durch einen schlichten „Etikettentausch" salonfähig gemacht — m a n ersetzte den dem gegenwärtigen Staatsverständnis anstößigen „ U n t e r t a n " durch den „ B ü r g e r " oder die „ Z i v i l p e r s o n " 4 2 u n d brauchte fortan keine begrifflichen Bedenken mehr zu haben.

35

Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 21, 224. Zur Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Festgabe F. Fleiner, 1927, S. 26 ff. (S. 27, 36). 37 Altes und Neues, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 269 ff. (S. 274); Hervorhebung hinzugefügt. 38 O. Bühler ( F N 37), S. 271. 39 Insoweit steht O. Bühlers Stellungnahme keineswegs vereinzelt im Raum; vgl. F. IV. Jerusalem , Grundriß des Verwaltungsrechts, 1947, S. 49, der ebenfalls von den „subjektiven Rechten des Untertanen" spricht. Im übrigen findet sich der „Untertan" noch 1962 (!) in der Literatur zur Nachbarklage im Baurecht; vgl. H.-U. Evers , JuS 1962, S. 87 ff. (S. 88, 93). 36

40

Vgl. aus der Lehrbuchliteratur z.B. H.J. Wolff, O. Bachof(FN 28), S. 327; H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 148 f.; H. Maurer (FN 24), S. 116 ff.; F. Mayer , F. Kopp (FN 15), S. 164 ff.; K.H. Friauf, in: Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., 1985, S. 439 ff. (S. 523 ff.); W. Merk , Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 1970, S. 1659; kritisch z.B. H.P. Bull , Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 128 ff. und N. Achterberg , Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 313 f. 41

Auch das übrige Schrifttum greift ganz überwiegend ausdrücklich oder stillschweigend zumindest auf einen Teil der um die Jahrhundertwende entwickelten Begriffsmerkmale zurück. Vgl. etwa O. Bachof(FN 3); H.-U. Evers , JuS 1962, S. 87 ff. (S. 88); ders., DVB1.1970, S. 12 ff.; E. Eyermann , GewArch 1974, S. 42 ff.; K.H. Friauf\ JurA 1969, S. 3 ff. (S. 12 ff.); H.O. Freitag , DVB1. 1976, S. 6 ff. (S. 8); H.-W. Laubinger , Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, 1967, S. 15; W. Löwer , DVB1.1981, S. 528 ff. (S. 534); C.-F. Menger , VerwArch 69 (1978), S. 313 ff. (S. 314 ff.); F. Ossenbühl , DÖV 1976, S. 463 ff. (S. 467); J. Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff.; A. Randelzhofer , BayVBl. 1975, S. 573 ff.; ders., BayVBl. 1975, S. 607 ff.; G. Ress (FN 1), S. 112; vgl. auch BVerfGE 27, 297 (307 f.). 42 So ausdrücklich H.J. Wolff\ O. Bachof( F N 28), S. 327 unter Bezugnahme auf Bühlers Definition des subjektiven öffentlichen Rechts: „Ersetzen wir den dem gegenwärtigen Staatsverständnis anstößigen 'Untertan' durch den 'Bürger' oder die 'Zivilperson', so entspricht das noch heute der h.M. und drückt das im Vorstehenden Gesagte richtig aus

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Für sich allein genommen konnte dieses Zugeständnis an das veränderte „Staat-Bürger-Verhältnis" freilich nicht mehr als eine ausschließlich begriffskosmetische Auffrischung sein. Denn der überkommene „Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts verkörpert ja nicht nur eine Definition, sondern legt zugleich die Voraussetzungen für subjektive Rechte fest und prägt das Verständnis dieser Rechtsfigur 43 . Und insoweit brachte die notdürftige Übertünchung des „Begriffs" keine einschneidenden Veränderungen. Noch heute wird ein subjektives öffentliches Recht dann angenommen, wenn „a) ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts dem Staat oder einem sonstigen Verwaltungsträger Verhaltenspflichten auferlegt (zwingender Rechtssatz), b) dieser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung von Einzelinteressen (Individualinteressen) zu dienen bestimmt ist, also nicht lediglich die Verwirklichung öffentlicher Interessen (Interessen der Allgemeinheit) bezweckt und c) dem Einzelnen die Rechtsmacht eingeräumt ist, die normgeschützten Interessen gegenüber dem durch Rechtssatz Verpflichteten durchzusetzen" 44 .

Im Kern wird damit das Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts als „diejenige Rechtsfigur, die den Einzelnen aus seiner Rolle als bloßes Objekt hoheitlichen Waltens befreit und in den Status eines Rechtssubjekts erhoben h a t " 4 5 , ebenso fortgeschrieben wie die drei traditionellen Voraussetzungen „zwingender Rechtssatz", „Rechtsmacht" und „Schutznorm". Abgesehen von der Ersetzung des „Untertanen" durch den „Burger", die „Zivilperson" oder den „Einzelnen" erfreuen sich Begriffselemente und Voraussetzungen des „klassischen" subjektiven öffentlichen Rechts also ungebrochener Kontinuität. bb) Modifikationen und Akzentverschiebungen Trotz des prinzipiellen Festhaltens an den überkommenen Begrififsmerkmalen haben sich in der Dogmatik des subjektiven öffentlichen Rechts seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes jedoch auch tiefgreifende Veränderungen ergeben. Augenfälligster Beleg hierfür ist der im Vergleich zu früher erheblich ausgeweitete Anwendungsbereich des subjektiven öffentlichen Rechts. O. Bühlers bereits Mitte der 50er Jahre gestellte Prognose, daß „seine Aera... recht eigentlich erst gekommen" sei 46 , hat sich heute mehr als bewahrheitet. Inzwischen gibt die Rechtsentwicklung Anlaß zu der Frage, ob nicht die Quantität der Modifikationen und Akzentverschiebungen die Qualität des Rechtsinstituts insgesamt verändert hat, ohne daß dies allerdings „begrifflich" eingefangen worden wäre.

43 44 45 46

Dazu oben Zweiter Abschnitt, III. H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 148 f. H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 148. AaO (FN 37), S. 286.

136

5. Abschnitt: Das suhjejcjjve öffentliche Recht im Wandel

Diese Modifikation und Akzentverschiebungen haben — bezeichnend für die Komplexität des subjektiven Rechts—unterschiedliche Ursachen, die von einer Neubewertung des „Staat-Bürger-Verhältnisses" 47 über verfassungsrechtliche „Einwirkungen" auf das einfache Recht 48 und die „gewandelte Auslegung bestehenden Rechts" 49 bis hin zu geänderten „sozialethischen Wertungen" bzw. veränderten „wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen" 50 reichen 51 . Sie sind letztlich Ausdruck eines prinzipiellen „Verständniswandels", der sich unter dem Mantel der unverändert fortgeführten Begrifflichkeit vollzogen hat. Die damit zwangsläufig verbundenen Spannungen und Brüche haben viel zu der heute bestehenden „Verwirrung" beigetragen. Dies kann hier wiederum nur exemplarisch verdeutlicht werden. aaa) Zum „Begriff " des subjektiven öffentlichen

Rechts

Wie mehrfach erwähnt war der „Begriff 1 des subjektiven öffentlichen Rechts im Verlauf der historischen Entwicklung zu keinem Zeitpunkt unumstritten. Dabei ist es bis heute geblieben. Vernachlässigt man die auch bei den einzelnen Vertretern der „herrschenden" Meinung bestehenden Abweichungen 52 und zieht man als „klassische" Begriffsbestimmung die auch heute noch als grundlegend eingeschätzte Definition von O. Bühler heran, dann wird ein nicht unwesentlicher „Begriffswandel" sichtbar. Insoweit ist in Erinnerung zu rufen, daß das Merkmal des „.zwingenden Rechtssatzes" ursprünglich die Bedeutung hatte, solche Normen als Grundlage von subjektiven Rechten auszuschließen, die der Verwaltung ein „freies 47 So ein verbreitetes Argument zur Begründung des Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten. Vgl. z.B. O. Bachof DVB1. 1961, S. 128 ff. (S. 130); G. Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 375 f.); kritisch dagegen z.B. W. Henke, DVB1.1964, S. 649 ff. (S. 652 f.) und FE. Schnapp, DVB1. 1969, S. 596 ff. (S. 598). 48 Vgl. z.B. M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung, 1970, S. 1 ff. 49 So W. Martens, DÖV 1982, S. 89 ff. (S. 96) zum Recht auf polizeiliches Einschreiten. 50 So einige der Aspekte, die in BVerwGE 1, 159 (160 f.) zur Begründung des Fürsorgeanspruchs herangezogen wurden. 51 Vgl. zum Ganzen auch bereits oben bei F N 2 bis 8. 52 Unter ausdrücklicher oder stillschweigender Berufung auf die „herrschende" Meinung werden in der Lehrbuchliteratur heute sehr unterschiedliche „Definitionen" angeboten. Neben Definitionen, die sich am Wesen oder Zweck des subjektiven öffentlichen Rechts orientieren, stehen unvermittelt oder alternativ solche, die lediglich einzelne Voraussetzungen für das Vorliegen subjektiver Rechte zu einer Begriffsbestimmung aneinanderreihen sowie reine Sammeldefinitionen, deren Inhalt dann freilich wieder umstritten ist. Gelegentlich (wenn auch keineswegs durchgängig) wird auch zwischen „weiteren" und „engeren" Begriffen des subjektiven öffentlichen Rechts unterschieden. Auf diesen auch innerhalb der „herrschenden" Meinung bestehenden Begriffswirrwarr kann hier nur hingewiesen werden. Vgl. etwa H. Maurer (FN 24), S. 114; G. Ress (FN 1), S. 107,112; H.J. Wolff O. Bachof (FN 28), S. 327; F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 52; F. Mayer , F. Kopp (FN 15), S. 165 ff.; J. Mang, T. Maunz , F. Mayer, K Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1975, S. 156.

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

137

Ermessen" einräumen, und daß das Merkmal der Rechtsmacht die prozessuale Problematik der „gerichtlichen Durchsetzbarkeit" mit dem subjektiven Recht verklammerte 53 . Zu erinnern ist außerdem auch daran, daß das „subjektive öffentliche Recht" lange Zeit sorgfaltig gegenüber „schwächeren Positionen" und insbesondere gegenüber dem „rechtlich geschützten Interesse" abgegrenzt wurde 54 . In all diesen Punkten hat sich heute eine veränderte Sichtweise durchgesetzt. Modifiziert wurde zunächst die These, daß nur ein zwingender, d.h. das freie Ermessen ausschließender Rechtssatz ein subjektives Recht begründen könne 5 5 . Zwar findet sich in der Literatur auch nach 1945 teilweise noch die Ansicht, daß von „subjektiven Rechten des Untertanen" keine Rede sein könne, „wenn der Gesetzgeber der Behörde freies Ermessen einräumt" 56 . M i t der prinzipiellen Anerkennung des sog. „Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung" 57 hat man aber frühzeitig eine sich bereits in der Weimarer Zeit abzeichnende Tendenz58 aufgegriffen und die Problematik der Ermessenslehre zunehmend von der Grundsatzdebatte über das Merkmal des „zwingenden" Rechtssatzes abgekoppelt — der „Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung" verselbständigte sich tendenziell zu einer eigenständigen „Fallgruppe" des subjektiven öffentlichen Rechts. Abschließend vollzogen ist diese Problembereinigung freilich noch nicht. Denn von manchen Vertretern der „herrschenden" Meinung wird nach wie vor an der Voraussetzung des „zwingenden" Rechtssatzes festgehalten 59. Die Perpetuierung des überkommenen „Begriffsmerkmals" erscheint möglich, wenn der „Begriffs/w/ia/i" an den heutigen Stand der Rechtsentwicklung angepaßt wird: „Aber auch dort, wo" die Träger öffentlicher Verwaltung „nach Ermessen oder gesetzesfrei zu handeln befugt sind, obwaltet insoweit zwingendes Recht, als es um die Einhaltung der Ermessensschranken bzw. der verfassungsrechtlichen Bindungen gesetzesfreier Aktivitäten geht" 6 0 . Eine derartige Sinnvariierung bringt das subjektive Recht zwar auf die Höhe der Zeit, hat aber offensichtlich mit den Vorstellungen, die man früher mit dem Merkmal des „zwingenden Rechtssatzes" verband, nur noch wenig gemeinsam. Andere Autoren haben daraus denn auch die Konsequenzen gezogen und fordern in dem hier interessierenden Zusammenhang als Voraussetzung des subjektiven öffentlichen Rechts nur noch eine „Rechtsnorm", welche „die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet" 61 . 53 54 55 56

Dazu eingehend oben Zweiter Abschnitt, III. 2. So ausdrücklich noch O. Bühler (FN 37), S. 274. So frühzeitig u.a. O. Bachof{FN 3), S. 294 f.

Z.B. F.W. Jerusalem (FN 39), S. 49. Siehe dazu z.B. A. Randelzhofer, BayVBl. 1975, S. 573 ff. (S. 574); ders., BayVBl. 1975, S. 607 ff.; Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 106). 58 Dazu oben Dritter Abschnitt, III. 59 So z.B. H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 148 f. m. weit. Nachw. 60 H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 149. 57

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Gewisse Korrekturen wurden ferner auch an dem Merkmal der „Rechtsmacht" vorgenommen. Soweit die „Rechtsmacht" als Voraussetzung des subjektiven öffentlichen Rechts von der „herrschenden" Meinung fortgeschrieben wird, ist man nämlich der Auffassung, daß sie unter der „Herrschaft des Grundgesetzes nicht mehr besonders geprüft und nachgewiesen" werden müsse; dies ergebe sich „aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit den übrigen das Staat-Bürger-Verhältnis regelnden Verfassungsbestimmungen" 62. Auch insoweit hat ein Teil der „herrschenden" Lehre die Konsequenzen gezogen und erwähnt das „Rechtsmachtkriterium" nicht mehr als Voraussetzung 63 des subjektiven Rechts 6 4 ' 6 5 . Berücksichtigt man diese weitgehend abgeschlossenen Entwicklungstendenzen, dann verbleibt von den „klassischen" Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts im wesentlichen nur noch die sog. „Schutznormtheorie", wonach der jeweils in Frage stehende Rechtssatz (zumindest auch) dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sein muß. Bei voraussetzungsorientierter Betrachtung hat sich das „subjektive öffentliche Recht" der Sache nach also zum „rechtlich geschützten (Individual-)Interesse" gewandelt 66 . Denn wenn der Bestand subjektiver Rechte letztlich entscheidend davon abhängt, ob der jeweilige Rechtssatz dem Schutz der Interessen einzelner Bürger dient, dann läßt sich schwerlich begründen, daß das subjektive öffentliche Recht insoweit etwas anderes als ein gesetzlich bzw. rechtlich geschütztes (Individual-)Interesse ist. Die „herrschende" Meinung hat diesen Bedeutungswandel allerdings nie ausdrücklich offengelegt und sich statt dessen sogar lange Zeit gegen die Annäherung des subjektiven öffentlichen Rechts an das rechtlich geschützte Interesse gewehrt 67 . 61

H. Maurer ( F N 24), S. 117. So H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 150 unter Hinweis auf O. Bachof und BVerfGE 27, 297. 63 Damit ist nichts über die auch heute noch verbreitete inhaltliche Deutung des subjektiven Rechts als „Rechts-" oder „Willensmacht" gesagt; siehe hierzu z.B. O. Bachof (FN 3), S. 292 und E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz, G. Dürig, Grundgesetz, Stand: 1985, Rdnr. 118 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 64 Vgl. z.B. H. Maurer ( F N 24), S. 117; H.J. Wolff O. Bachof ( F N 28), S. 323. 65 Die ursprünglich gerade auch mit dem Merkmal der „Rechtsmacht" verbundene prozessuale Problembetrachtung ist damit allerdings nicht endgültig verabschiedet. Dies wird u.a. daran deutlich, daß die Probleme der sog. „Drittrechte" häufig unter Stichworten wie „Konkurrentenfc/age" und „Drittklage" behandelt werden. 66 Schon 1960 regte U. Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats, in: Festschrift DJT, Bd. II, 1960, S. 229 ff. (S. 255) an, den Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts durch den des „gesicherten Interesses" zu ersetzen. Vgl. auch W. Schmidt, Probleme des Verwaltungsrechts, 1982, S. 243, der daraufhinweist, daß der Begriff des „subjektiven öffentlichen Rechts" in einer „undeutlichen Beziehung" u.a. neben den „einfach-rechtlich geschützten Interessen" stehe. 62

67 Vgl. z.B. 0. Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 72 f.); R. Naumann, W D S t R L 12 (1954), S. 114 ff. (S. 115 f.); ferner R. Scholz, WiR 1972, S. 35 ff. (S. 51 f.).

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Aus rechtspraktischer Sicht ist die Annäherung von „subjektivem öffentlichem Recht" und „rechtlich geschütztem Interesse" jedoch längst Wirklichkeit. In der Rechtspraxis wird die Beschäftigung mit dem subjektiven öffentlichen Recht nämlich in erster Linie an den Vorschriften der V w G O 6 8 angeseilt. Und insoweit stellt sich nicht die Frage nach einer Definition des Begriffs „subjektives öffentliches Recht", sondern nach einer Definition des Begriffs „Rechte" im Sinne von §§ 42 Abs. 2,113 Abs. 1 und 4 VwGO. Obwohl der Normativbegriff „Rechte" Assoziationen mit dem Begriff „subjektive öffentliche Rechte" weckt und obwohl die Problematik des subjektiven öffentlichen Rechts traditionell eng mit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit verknüpft ist, werden die beiden Begriffe von der „herrschenden" Meinung nicht gleichgesetzt69. „Rechte" im Sinne von §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 und 4 VwGO sind nach „herrschender" Auslegung vielmehr „subjektive öffentliche Rechte" und „rechtlich geschützte Interessen" 70 . Damit hält man zwar begrifflich an der Unterscheidung von subjektivem öffentlichem Recht und rechtlich geschütztem Interesse fest — gleichzeitig ebnet man aber dort, wo die Frage nach dem subjektiven öffentlichen Recht praktisch werden könnte, den Unterschied zwischen den beiden Rechtsfiguren ein und nimmt ihm die praktische Bedeutung. Blendet man die auch innerhalb der „herrschenden" Meinung bestehenden Unklarheiten und Fragwürdigkeiten aus, dann ließe sich die jüngere Rechtsentwicklung aufs Ganze gesehen schlagwortartig verkürzt unter der Überschrift „Vom subjektiven öffentlichen Recht zum rechtlich geschützten Interesse" zusammenfassen 71. Ob die Mutation des subjektiven öffentlichen Rechts damit bereits beendet ist, läßt sich noch nicht endgültig abschätzen. Mittlerweile gibt es nämlich erste Anzeichen für einen weiteren Wandel des subjektiven öffentlichen Rechts zum „rechtlich geschützten Belang" 72 . 68 Daneben kommen selbstverständlich auch anderweitige gesetzliche Regelungen, in denen von „Rechten" die Rede ist, wie etwa das VwVfG (z.B. §§ 28 Abs. 1, 39 Abs. 2,48 Abs. 1, 58 Abs. 1) als Anknüpfungspunkt für die (rechtspraktische) Beschäftigung mit dem subjektiven öffentlichen Recht in Betracht. Diese Normen und deren Auslegung haben in dem hier interessierenden Zusammenhang jedoch keine zentrale Bedeutung. 69 Statt vieler O. Tschira, W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl., 1985, S. 87. 70 In diesem Sinne etwa O. Tschira, W. Schmitt Glaeser, (FN 69), S. 87 m. weit. Nachw. Die „herrschende" Meinung ist freilich auch in diesem Punkt nicht völlig eindeutig; u.a. wird zum Teil auch die Auffassung vertreten, daß die „rechtlich geschützten Interessen" in die Kategorie des subjektiven öffentlichen Rechts einbezogen seien (so W. Brohm, NJW 1981, S. 1689 ff. (S. 1691 F N 20)). Vgl. auch W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, insbes. S. 57,95 und F. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl., 1984, Rdnr. 42a zu § 42: „es muß sich um Rechte (wozu auch rechtlich geschützte Interessen gehören) handeln". 71 Bei manchen Autoren findet sich denn auch zumindest der Sache nach eine Gleichsetzung von subjektiven Rechten und „rechtliche geschützten Interessen"; vgl. etwa H. Maurer ( F N 24), S. 120 („subjektive Rechte — als rechtlich geschützte Interessen") und C.H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 8. Aufl., 1983, S. 194 („in seinen Rechten, d.h. in seinen rechtlich geschützten Interessen").

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

bbb) Zur sog. „Schutznormtheorie " Die Annäherung des subjektiven Rechts an das „rechtlich geschützte Interesse" konzentrierte die Problematik des subjektiven öffentlichen Rechts in der Rechtspraxis zunehmend auf die sog. „Schutznormtheorie". M i t ihr führt die „herrschende" Lehre im allgemeinen unverändert ältere Vorstellungen fort und macht den Bestand subjektiver öffentlicher Rechte insbesondere davon abhängig, ob der jeweils einschlägige Rechtssatz (zumindest auch) dem Individualinteresse dienen soll. Dabei ist weitgehend in Vergessenheit geraten, daß die „klassische" Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts gerade in diesem Punkt ursprünglich mit erheblichen Zweifeln behaftet war, die in gewissem Umfang auch von ihren Befürwortern geteilt wurden 73 . Denn der inhaltlich höchst unterschiedlichen Deutungen zugängliche Begriff des „Interesses" 74 und der nicht minder problematische „Dualismus von öffentlichen und privaten Interessen" sind für die herrschende Lehre in aller Regel nicht erklärungsbedürftige axiomatische Grundkategorien, hinter die man nicht weiter zurückzugehen braucht. Statt dessen beschäftigt man sich bevorzugt mit der Frage, wann ein Rechtssatz Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Das subjektive öffentliche Recht wird dadurch in erster Linie zu einem Auslegungsproblem. Und spätestens an dieser Stelle löst sich die sog. „herrschende" Lehre in einem diffusen Meinungskonglomerat auf. Vordergründig bekennt sie sich zwar zu den „auch sonst üblichen Auslegungsmitteln" 75 und will die Frage nach der Schutzrichtung der jeweiligen Norm „aus dem Wortlaut, der Stellung im Gesetzeszusammenhang, nach Sinn und Zweck der Vorschrift sowie gegebenenfalls unter Auswertung der Vorstellung des Gesetzgebers, soweit sie sich aus den Materialien ergibt" 76 , beantworten. Da aber die jeweils einschlägigen Normen des öffentlichen Rechts in vielen Bereichen auch bei Heranziehung der Gesetzesmaterialien zumeist über ihre „Interessenrichtung" keine zweifelsfreien Schlußfolgerungen zulassen, ist die Ermittlung des Schutzzweckes bis zur jeweils abschließenden gerichtlichen Entscheidung zwangsläufig mit erheblichen Unklarheiten und Unsicherheiten belastet 77 . 72 Siehe dazu nur die Darstellung der Schutznormtheorie in BVerfGE 53, 30 (63): „..., daß bei der Anfechtung von Verwaltungsakten mit Drittwirkung der belastete Dritte nur die Verletzung solcher rechtlichen Vorschriften geltend machen könne, die nicht nur dem allgemeinen öffentlichen Interesse, sondern auch seinen besonderen Belangen zu dienen bestimmt seien"; Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. auch W. Schmidt (FN 66), S. 243. 73

Dazu oben Zweiter Abschnitt, III. 2. Auf die Vieldeutigkeit dieses Begriffs (z.B. „Dabei-Sein", „Anteilnahme", „Neigung", „Aufmerksamkeit", „Nutzen", „Vorteil") kann hier nur hingewiesen werden; vgl. dazu etwa HJ. Wolff, O. Bachof(FN 28), S. 167 f. und Brockhaus Enzyklopädie in 20 Bänden, 17. Aufl., Bd. 9, 1970, Stichwort „Interesse". 75 H. Maurer (FN 24), S. 118. 76 U. Berger (FN 7), S. 100. 77 Dies wird auch von intimen Sachkennern eingeräumt. Siehe etwa zum baurechtlichen Nachbarschutz F. Weyreuther , DÖV 1983, S. 575 ff. (S. 587): „Die Abhängigkeit des 74

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Diesen Unsicherheiten wollen die Befürworter der „Schutznormtheorie" regelmäßig m i t einem einzelfallorientierten R ü c k g r i f f auf „ S i n n u n d Zweck des Rechtssatzes" begegnen, wobei allerdings vielfach nicht der W i l l e des historischen Gesetzgebers maßgebend sein soll, sondern eine gegenwärtige u n d objektive Beurteilung 7 8 . Sie legen sich also offenbar auf eine an objektivteleologischen K r i t e r i e n orientierte A u s l e g u n g 7 9 ' 8 0 fest, ohne dies allerdings ausdrücklich kenntlich zu machen. Dabei ist häufig der Hinweis a u f bei der Gesetzesinterpretation notwendige bzw. unvermeidliche „ W e r t u n g e n " , „ I n t e r essenbewertungen", a u f zu berücksichtigende „Wertvorstellungen" u . ä . 8 1 anzutreffen. Dies ist freilich schon allein deshalb fragwürdig, weil die Bezugspunkte derartiger Wertungen i m D u n k e l n bleiben oder jedenfalls nicht zweifelsfrei geklärt werden. So w i r d z u m Teil beispielsweise die Auffassung vertreten, daß sich der Schutzzweck eines Rechtssatzes „ u n t e r dem Einfluß sich wandelnder Wertvorstellüngen wie insbesondere unter der E i n w i r k u n g höherrangiger Drittschutzes von der Auslegung der jeweils anzuwendenden Vorschrift — und was heißt hier schon, da doch die Vorschriften über ihren (Dritt-)Schutzwillen kaum je etwas verlauten lassen, Auslegung? — hat zwangsläufig Unübersichtlichkeiten zur Konsequenz". Zum Ganzen eingehender unten ddd. 78

Siehe z.B. H.-U. Erichsen, W.Martens( FN2),S. 149: Ergibt sich die individualschützende Funktion einer Rechtsnorm nicht bereits aus dem Wortlaut, „ist auf Sinn und Zweck des Rechtssatzes abzuheben, wobei es auf eine gegenwärtige Beurteilung, nicht auf eine Wertung des historischen Gesetzgebers ankommt"; H.J. Wolff, O. Bachof ( F N 28), S. 322: „Für die Ermittlung des Schutzzwecks eines Rechtssatzes kommt es nicht auf die (idR gar nicht festzustellenden) subjektiven Vorstellungen des Normgebers an, sondern auf eine objektive Bewertung der Interessen; und zwar auf eine gegenwärtige Interessenwertung, nicht auf diejenige zur Zeit des Erlasses des Rechtssatzes ... Der Inhalt eines Rechtssatzes kann sich deshalb unter dem Einfluß sich wandelnder Wertvorstellungen wie insbes. unter Einwirkung höherrangiger Rechtssätze der Verfassung ändern"; E. Forsthoff\ Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 189: Der Schutzzweck „läßt sich nur von Fall zu Fall nach der Logik der Vorschrift entscheiden. Dabei sind Wertungen unvermeidlich. Insbesondere ist hier der auf die Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes gerichteten Tendenz der heutigen öffentlichen Ordnung und der durch die soziologischen Gegebenheiten der individuellen Daseinsführung bedingten hohen Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und nicht zuletzt auch sozialen Erwägungen ... Rechnung zu tragen"; J. Mang, T. Maunz, F. Mayer, K. Obermayer (FN 52), S. 160: „Grenzfalle sind gegeben, wenn unklar ist, - ob ein Rechtsvorteil nur der ,Allgemeinheit4 zugedacht ist oder auch den Belangen Einzelner Rechnung tragen soll. Dann kommt es darauf an, durch eine wertende Auslegung der einschlägigen Regelungen eine angemessene Lösung zu finden"; F. Mayer (FN 52), S. 53: „Von welcher Art die jeweilige Interessenlage ist... ergibt sich... einzig und allein aus Sinn und Zweck der jeweils in Frage stehenden Einzelregelung". 79

Siehe die Nachw. in F N 78. Der unvermittelte Rückgriff auf objektiv-teleologische Auslegungskriterien ist schon allein deshalb problematisch, weil er die anderen Auslegungsmethoden ohne nähere Begründung in den Hintergrund drängt, was mit der herkömmlichen Methodenlehre schwerlich zu vereinbaren ist. A u f diese Fragwürdigkeit der „herrschenden" Konzeption kann hier nur hingewiesen werden; vgl. hierzu auch R. Schmidt, NJW 1967, S. 1635 ff. (S. 1638). 81 Siehe dazu wiederum die Nachw. in F N 78. 80

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Rechtssätze der Verfassung" ändern könne 8 2 , oder daß bei den unvermeidlichen Wertungen „insbesondere ... der auf die Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes gerichteten Tendenz der heutigen öffentlichen Ordnung und der durch die soziologischen Gegebenheiten (!) der individuellen Daseinsführung bedingten hohen Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und nicht zuletzt auch sozialen Erwägungen, wie sie das Grundgesetz mit der Betonung des sozialen Rechtsstaates (Art. 20,28 GG) zur Pflicht macht, Rechnung zu tragen" sei 83 , oder daß in Grenzfallen schlicht „durch eine wertende Auslegung der einschlägigen Regelungen eine angemessenen Lösung zu finden" sei 84 . Zum Teil sucht man sich auch mit einer verfassungsrechtlich abgeleiteten „Vermutung" für subjektive öffentliche Rechte zu behelfen, wonach „ i m Zweifel diejenige Interpretation eines Gesetzes den Vorzug verdient, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumt" 85 . Andere Vertreter der Schutznormtheorie wiederum verwahren sich gegen eine Ausrichtung der Gesetzesauslegung auf „allgemeine Überlegungen und Thesen" oder auf die „allgemeine Rechtsstellung des Betroffenen" und wollen anstelle dessen einzig und allein auf den Sinn und Zweck der jeweiligen Einzelregelung abstellen 86 . Bei dieser auch innerhalb der „herrschenden" Lehre bestehenden Meinungsvielfalt sind Anwendungsunsicherheiten vorprogrammiert. Wenn nämlich die Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte im Einzelfall von einer „wertenden" Gesetzesauslegung abhängig gemacht und nicht abschließend geklärt wird, welche „Werte", „Wertgrundlagen" und ,,-maßstäbe" hierbei heranzuziehen sind, dann scheint in der Rechtspraxis nahezu jedes Ergebnis begründbar zu sein. Dementsprechend wurde schon vor Jahren völlig zutreffend gerügt, daß „die Frage nach der Schutzfunktion der Norm zu einem kaum mehr zu überblickenden Dickicht von Einzelfallentscheidungen geführt" 87 habe; sie sei „viel zu sehr in das Fahrwasser subjektiver Meinungen geraten" und ziehe eine „bisweilen nahezu willkürlich erscheinende Kasuistik bei der Bejahung subjektiv-öffentlicher Rechte" nach sich 88 . Diese „Variabilität" der Ergebnisse erklärt auch die anhaltende Beliebtheit der „klassischen" Konzeption. Da bei der allesentscheidenden Frage nach der Schutzrichtung des jeweiligen Gesetzes eine „gegenwärtige Interessenfowertung " vorgenommen wird, können nämlich bei der Ermittlung subjektiver 82

HJ. Wolff, O. Bachof (FN 28), S. 322; Hervorhebung hinzugefügt. E. Forsthoff ( F N 78), S. 189; Hervorhebung und Klammerzusatz hinzugefügt. 84 J. Mang, T. Maunz, F. Mayer, K. Obermayer ( F N 52), S. 160. 85 So BVerfGE 15,275 (281 f.) unter Berufung auf O. Bachof ; deutlich zurückhaltender dagegen BVerwG, NJW 1968, S. 2393 ff. (S. 2394). Siehe zu den — wiederum untereinander uneinheitlichen — Vermutungslehren auch G. Wiedenbrüg, Zuerkennung subjektiver öffentlicher Rechte, 1978, S. 376 ff. 86 So F. Mayer ( F N 52), S. 53. 87 K. Hailbronner , DVB1. 1979, S. 767 ff. (S. 768). 88 A. Randelzhofer , BayVBl. 1975, S. 573 ff. (S. 576). 83

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öffentlicher Rechte Veränderungen der tatsächlichen Gegebenheiten, Wandlungen der Wertvorstellungen und ein Wechsel der Anschauungen berücksichtigt werden. Das subjektive öffentliche Recht wird dadurch gleichsam zu einem „offenen" und deshalb „zeitlosen" Rechtsinstitut, dessen Einzelausprägungen immer wieder an die veränderten Lebensbedingungen und Vorstellungen angepaßt, immer wieder auf die „Höhe der Zeit" gebracht werden können. So gesehen ist die „Schutznormtheorie" ein geradezu geniales Meisterwerk: Sie macht das subjektive öffentliche Recht zu einem Rechtsinstitut, durch das „die Zeit hindurchgehen kann". Der für diese „Offenheit" zu zahlende Preis ist freilich hoch. In vielen Fällen kann die Frage, ob ein bestimmter Rechtssatz subjektive Rechte vermittelt oder nicht, nur noch nach einer entsprechenden letztinstanziellen Gerichtsentscheidung einigermaßen gesichert beantwortet werden. Der Sache nach wird dies auch von solchen Autoren eingeräumt, die prinzipiell an der Schutznormtheorie festhalten und gegenüber anderen Ansätzen, die sich beispielsweise um eine verstärkte Aktivierung des Verfassungsrechts bemühen, Vorbehalte anmelden. Charakteristisch hierfür ist eine in jüngerer Zeit vorgelegte Arbeit zur Problematik umweltrechtlicher Drittklagen, welche die Probleme des verwaltungsrechtlichen Drittschutzes prinzipiell mit Hilfe der Schutznormtheorie bewältigen will und gegenläufigen Ansätzen insgesamt eher zurückhaltend gegenübersteht 89. In ihr wird nämlich wiederholt auf eine „nicht widerspruchsfreie Rechtsfortbildung", „vielfaltige Rechtsunsicherheiten", eine „überreiche Kasuistik nachbarschützender Normen und Normsplitter", eine „nur schwer abschätzbare Rechtsentwicklung", ein „verwirrendes Bild" der Rechtsprechung u.ä. hingewiesen 90 — als Ausweg aus diesem bereits in der Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts grundgelegten Dilemma verbleibt dann nur noch das Vertrauen in die „konsensbildende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" 91 . So gesehen ist die „Schutznormdoktrin" zutiefst problematisch: Sie schafft ein Treibhausklima für richterlichen Dezisionismus und gefährdet sowohl die Rechtssicherheit wie auch die Rechtsklarheit. ccc) Die tendenzielle Problemverlagerung

auf die sog. „Drittrechte"

Ihrem theoretischen Anspruch nach umfaßt die „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" jedenfalls sämtliche verwaltungsrechtlichen 92 subjektiven Rechte des Einzelnen. Dies legte es an sich nahe, die Frage nach subjektiven Rechten stets unter Heranziehung desselben Prüfungsschemas anzugehen. Danach müßten sowohl bei der Ermittlung von subjektiven Rechten des 89

U. Berger ( F N 7); vgl. dazu auch H. Bauer, UPR 1984, S. 191. U. Berger ( F N 7), S. 35, 94, 100, 104, 106, 161, 166, 168 und passim. 91 Vgl. U. Berger (FN 7), S. 168, 184. 92 Zum Auseinandertreten von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht vgl. oben I. 90

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

„Adressaten" von Verwaltungshandeln als auch von subjektiven Rechten des „Nichtadressaten" zunächst einmal die einschlägigen verwaltungsrechtlichen Normen „daraufhin überprüft werden, ob sie Individualinteressen dienen sollen und damit subjektive Rechte begründen" 93 oder nicht. Insoweit läßt sich allerdings — worauf wiederholt aufmerksam gemacht worden ist 9 4 — bei der Behandlung der subjektiven Rechte durch die „herrschende" Meinung eine auffallige Diskrepanz ausmachen, weil sie bei der Ermittlung von subjektiven Rechten des „Adressaten" häufig nicht nach der „Interessenrichtung" des einfachen Gesetzesrechts fragt. Die Anwendungsprobleme des subjektiven Rechts und namentlich der „Schutznormtheorie" verlagern sich dadurch im wesentlichen auf die Rechte des sog. „Dritten". Die abweichende Handhabung der „Adressatenrechte" beruht offenbar auf einer Heranziehung des Verfassungsrechts, ohne daß dies allerdings von der „herrschenden" Meinung mit der wünschenswerten Klarheit offengelegt und das Verhältnis von verfassungs- und verwaltungsrechtlichen subjektiven Rechten hinreichend deutlich abgeklärt worden wäre. I m „Abwehrbereich" kommt insoweit zentrale Bedeutung dem durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz gewährleisteten Grundrecht zu, das nach ganz überwiegender Auffassung „auch den grundrechtlichen Anspruch (umfaßt), durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet i s t " 9 5 , 9 6 . Bei dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage besteht für die Begründung eigenständiger „Adressatenabwehrrechte" des Verwaltungsrechts, also solcher Rechte, die abgesetzt und losgelöst von den subjektiven Rechten des Verfassungsrechts zu entwickeln wären, weder Raum noch Bedürfnis 9 7 , 9 8 . Garantieren nämlich bereits die verfassungsrechtlichen subjekti93 So unter Hinweis auf den „Anwendungsvorrang der Gesetze" (wohl) H. Maurer (FN 24), S. 120 f. 94 Vgl. z.B. R. Bernhardt , JZ 1963, S. 302 ff.; W. Henke , Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 67; M. Zuleeg , DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 511). 95 BVerfGE 9,83 (88), Klammerzusatz hinzugefügt; ebenso oder ähnlich z.B. BVerfGE 19,206 (215); 29,402 (408); BVerwGE 30,191 (198); R. Bernhardt , JZ 1963, S. 302 ff. (S. 303 f.); R. Schmidt , NJW 1967, S. 1635 ff. (S. 1639); M. Zuleeg , DVB1.1976, S. 509 ff. (S. 514); I. v.Münch , in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl., 1981, Rdnr. 23 zu Art. 2 GG; jeweils m. weit. Nachw. Art. 2 Abs. 1 G G wird deshalb nicht selten als „Grundrecht auf Gesetzmäßigkeit von Eingriffen" oder als „Grundrecht auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" bezeichnet, was allerdings unscharf ist und keineswegs den gesamten Inhalt von Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt. Vgl. hierzu und zu der teilweise uneinheitlichen bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur R. Scholz , AöR 100 (1975), S. 80 ff. (insbes. S. 84 f., 95 ff.) sowie D. Merten, , JuS 1976, S. 345 ff. (S. 346). 96

Soweit Art. 2 Abs. 1 G G als lex generalis durch speziellere Grundrechtsnormen verdrängt wird, ist der inhaltlich auf „Freiheit von unberechtigten staatlichen Eingriffen" (vgl. M. Lepa, Grundrechte, 4. Aufl., 1981, S. 47) gerichtete Anspruch durch die jeweils einschlägigen benannten Freiheitsrechte (mit-)gesichert; vgl. dazu J. Schwabe , DÖV1973, S. 623 ff. m. weit. Nachw. und aus jüngerer Zeit z.B. W.-R. Schenke , NuR 1983, S. 81 ff. (S. 87).

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ven Rechte einen Anspruch auf „Freiheit v o n unberechtigten Eingriffen", dann hat der Adressat eines „Eingriffsverwaltungsaktes" einen A n s p r u c h darauf, daß i n seine Grundrechtssphäre nur i n rechtmäßiger Weise, also insbesondere unter Beachtung des Gesetzmäßigkeitsprinzips eingegriffen w i r d " . Oder anders: Werden die Grundrechte gegen die Eingriffstätigkeit der Verwaltung instrumentalisiert, dann fordert der grundrechtliche Anspruch auf „Freiheit v o n unberechtigten Eingriffen", daß — erstens — der Eingriff a u f eine gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden k a n n 1 0 0 u n d — zweitens — „Eingriffsgesetz" 97 Auch darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen; siehe z.B. R. Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. (S. 303 f.); M. Zuleeg, DVB1.1976, S. 509 ff. (S. 514). Eine gewisse Bestätigung hierfür liefert — aus prozessualer Sicht — auch die in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur häufig anzutreffende sog. „Adressatentheorie", wonach der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes stets klagebefugt ist; vgl. zur sog. „Adressatentheorie" statt vieler F. Kopp (FN 70), Rdnr. 42a und 79 zu § 42 und N. Achterberg, DVB1.1981, S. 281 ff. (S. 281). 98 Das ist freilich nicht unbestritten; vgl. z.B. R. Scholz, AöR 100 (1975), S. 80 ff. (S. 111 ff. F N 174) und HJ. Koch, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1984, S. 220 f. m. weit. Nachw. Auch finden sich in der Rechtsprechungspraxis des BVerwG teilweise gegenläufige Begründungszusammenhänge und gelegentlich auch Kontrastentscheidungen; vgl. z.B. BVerwGE 28,268 (271): „Art. 2 Abs. 1 GG besagt nicht, daß jede Gesetzesverletzung die allgemeine Handlungsfreiheit eines jeden Bürgers beeinträchtige. Eine solche Beeinträchtigung liegt vielmehr nur dann vor, wenn das verletzte Gesetz seinerseits demjenigen Rechte gewährt, der deren Verletzung geltend macht. Ob dies der Fall ist, läßt sich nur der angeblich verletzten Norm ..., nicht hingegen Art. 2 Abs. 1 GG entnehmen". Vgl. ferner die vielkritisierte und mittlerweile teilweise korrigierte (BVerwGE 67,74; siehe dazu auch die Anmerkung von J. Schwabe, DVB1. 1984, S. 140 ff. m. weit. Nachw.) „B-42 Entscheidung" (BVerwGE 48, 56 (66 ff.)). Nur hingewiesen werden kann schließlich darauf, daß sich der im Text genannte Anspruch nicht nahtlos in die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung einfügen läßt, da sich das BVerfG mit dem Vorwurf bloßer Gesetzeswidrigkeit nicht beschäftigt und statt dessen die Verletzung von „spezifischem" Verfassungsrecht fordert. Folge hiervon ist u.a., daß sich das Gericht im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 G G zumeist auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die dem angegriffenen Akt zugrunde liegende Norm zur „verfassungsmäßigen Ordnung" gehört und ob ihre Auslegung bzw. Anwendung gegen (spezifisches) Verfassungsrecht verstößt (vgl. dazu K. Hesse (FN 14),S. 165). Für den Rückzug auf die Überprüfung von Verletzungen „spezifischen" Verfassungsrechts mag es aus funktioneller Sicht gute Gründe geben; er vermeidet es insbesondere, daß das BVerfG zu einer „Superrevisionsinstanz" wird und führt zu einer Art „Aufgabenteilung" zwischen dem BVerfG und den Fachgerichten. Diese funktionellen Aspekte können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß jedenfalls für den Adressaten eines „Eingriffsverwaltungsaktes" der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch die Grundrechte des Grundgesetzes „subjektiviert" ist. 99 Vgl. z.B. W. Löwer, DVB1. 1981, S. 528 ff. (S. 530) m. weit. Nachw., der auf die keineswegs originelle Einsicht hinweist, daß „Art. 2 Abs. 1 GG Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes versubjektiviert und so zum Generalfreiheitsrecht auf Freiheit von nicht auf das Gesetz rückführbarer Freiheitsbeeinträchtigung avanciert". M. Hoffmann, Abwehranspruch, 1969, S. 61 f. und M. Zuleeg, DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 518) sprechen von einer „Subjektivierung des Gesetzesvorranges". Anders z.B. W. Henke ( F N 94), S. 97 mit der Begründung, daß das „allgemeine Freiheitsrecht" (Art. 2 Abs. 1 GG) mangels „konkreten Inhaltes" nicht zur Absicherung von Unterlassungsansprüchen gegenüber gesetzwidrigen Verwaltungsakten herangezogen werden könne, und F. Mayer (FN 52), S. 55 f.

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Bauer

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

und Gesetzesvollzug bzw. -anwendung mit der Verfassung in Einklang stehen. Dogmatischer Anknüpfungspunkt für die „Adressatenabwehrrechte" ist also nicht das einfache Verwaltungsrecht und dessen „Schutzrichtung", sondern das Grundrecht. Die verfassungsmäßigen „Eingriffsgesetze" des Verwaltungsrechts werden dadurch für die „Adressatenabwehrrechte" zwar nicht irrelevant; ihre Bedeutung besteht aber nicht darin, Grundlage von (verwaltungsrechtlichen) subjektiven Rechten zu sein, sondern darin, Inhalt und Reichweite von anderweitig, nämlich grundrechtlich begründeten subjektiven Rechten (mit-) zubestimmen. Teilweise ähnlich gelagerte Akzentverschiebungen lassen sich auch im „Leistungsbereich" ausmachen, wo für die Ermittlung von subjektiven Rechten des „Adressaten" begünstigenden Verwaltungshandelns mit unterschiedlichen und höchst umstrittenen Denkfiguren „verfassungsrechtliche Vorgaben" fruchtbar gemacht werden 101 . Die dabei angebotenen Begründungszusammenhänge können und brauchen hier nicht diskutiert zu werden 102 . In dem hier interessierenden Zusammenhang genügt es festzuhalten, daß auch im Bereich der Leistungsverwaltung jenseits der Schutznormtheorie verstärkt das Verfassungsrecht zur Begründung der „Adressatenrechte" herangezogen wird und daß sich in der Rechtspraxis die Problematik der verwaltungsrechtlichen subjektiven Rechte und insbesondere der Schutznormtheorie seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes tendenziell auf die sog. „Drittrechte" verlagert hat, mag die „herrschende" Behandlung der „Adressatenrechte" auch nach wie vor mit vielen Unklarheiten behaftet sein. Denn in der Rechtspraxis sind es seit langem 103 vornehmlich die „Nachbarklagen" im Bau-, Immissionsschutz-, Kernenergie-, Wasser-, Straßenund Luftverkehrsrecht, die „Konkurrentenklagen" im Berufszulassungs-, Be100

Vgl. J. Schwabe , DÖV 1973, S. 623 ff. (S. 623 f.). Vgl. hierzu z.B. W. Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 ff.; P. Häberle , VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff.; K. Hesse, HdbVR 1983, S. 79ff. (S. 96ff.); R. Breuer, Jura 1979, S. 401 ff.; F. Müller, B. Pieroth, F. Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982; O. Seewald, Gesundheit als Grundrecht, 1982; jeweils m. weit. Nachw. 102 Einen wichtigen Beitrag zu der im Text angesprochenen Problemverlagerung dürfte auch die „Vergesetzlichung" des Leistungsbereichs und die damit verbundene Festschreibung von konkreten Leistungsansprüchen geleistet haben; vgl. z.B. § 4 BSHG; §§ 1 ff., 31 SGB-AT. Im übrigen kann hier nur daraufhingewiesen werden, daß in BVerwGE 1,159 bei der Begründung des Fürsorgeanspruchs in besonders feinfühliger Weise dem Zusammenspiel von Verfassungs- und Verwaltungsrecht Rechnung getragen wurde. Durch die mittlerweile verbreitete „Hochzonung" des „Anspruchs auf Hilfeleistung zur Sicherung des Existenzminimums" auf die verfassungsrechtliche Ebene (z.B. R. Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, in: Festgabe BVerwG, 1978, S. 89 ff. (S. 95 ff.)), ist diese Entscheidung, die Modellcharakter für die Begründung subjektiver Leistungsrechte jenseits der sog. Schutznormtheorie haben könnte und die insbesondere nicht in die Probleme originärer grundrechtlicher Teilhabeansprüche führt, leider in den Hintergrund gedrängt worden. 101

103

ff.

Vgl. dazu nur etwa die Fallgruppen bei K.H. Friauf, JurA 1969, S. 3 ff.; 1970, S. 652

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

147

amten- und Subventionsrecht, die „Drittklagen" im Wirtschaftsaufsichts- und im Ausländerrecht sowie ähnlich gelagerte Klagen von sog. „Drittbetroffenen", welche diejenigen Felder abstecken, in denen das „verwaltungsrechtliche" subjektive Recht problematisiert und problematisch wird. Anders als für einen Großteil der „Adressatenrechte" sind für die „Drittrechte" im Grundsätzlichen die herkömmliche Dogmatik und das „althergebrachte" Denken maßgebend geblieben: bei ihrer Ermittlung wird noch immer vorrangig das einfache Gesetzesrecht auf seine „Interessenrichtung" abgeklopft. Mittlerweile mehren sich allerdings auch in diesem Bereich die Anzeichen für eine — vorläufig noch punktuelle — „verfassungsrechtliche Aufklärung". In der gerichtlichen Entscheidungspraxis werden in jüngerer Zeit nämlich zunehmend die Grundrechte zur Begründung von „Drittrechten" herangezogen 104, ohne daß jedoch sowohl der Inhalt der grundrechtlichen „Drittrechte" wie auch die dogmatische Abstimmung von verfassungs- und verwaltungsrechtlichen „Drittrechten" überzeugend geklärt wären 1 0 5 . Insgesamt hat dieser Durchgriff auf das Verfassungsrecht gegenwärtig noch eher marginale Bedeutung. Denn im allgemeinen 106 werden solche „grundrechtsunmittelbaren Drittrechte" nur auf der weit zurückgezogenen Linie des „schweren und unerträglichen Betroffenseins" anerkannt 107 , also bei „besonders groben Mißgriffen" 1 0 8 der Verwaltung. Die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen „Drittrechte" werden in Teilbereichen außerdem ergänzt durch „neue" Kreationen wie das „Gebot der Rücksichtnahme" oder das Postulat einer Interpretation des einfachen Rechts „im Lichte des Verfassungsrechts" 109, die unter im einzelnen näher umrissenen Voraussetzungen „ausnahmsweise" den Drittschutz „erweitern". Das bislang nicht zweifelsfrei geklärte Nebeneinander dieser Denk- und Argumentationsfiguren hat zwar zu gewissen Aufweichungen der „klassischen" Vorstellungen

104

Siehe dazu z.B. die kursorische Rechtsprechungsübersicht bei H. Maurer ( F N 24),

S. 121. 105 Vgl. nur zum „grundrechtsunmittelbaren Drittschutz" im Baurecht die Kritik von G. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, S. 5 ff. (S. 6). Teilweise werden die Schwierigkeiten auch von der Rechtsprechung selbst offengelegt; so z.B. BVerwGE 54,211 (222 f.) zum Problem des grundrechtsunmittelbaren Drittschutzes aus Art. 2 Abs. 2 GG. 106 Auch insoweit finden sich freilich Kontrastentscheidungen; Musterbeispiel hierfür ist BVerwGE 30,191 (198), wo der aus Art. 2 GG hergeleitete und im allgemeinen nur für den Adressaten belastenden Verwaltungshandelns bejahte „Anspruch durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist", auf den Dritten (Konkurrenten im Subventionsrecht) übertragen wurde. 107 So insbesondere bei der „Baunachbarklage aus Eigentum", wenn „mittelbare Eingriffe" zur Diskussion stehen; z.B. BVerwGE 50, 282 (287 f. m. weit. Nachw.). 108 Vgl. BVerwGE 32, 173 (179). 109 So eine in jüngerer Zeit zunehmend Verbreitung findende Formulierung; vgl. z.B. H. Heinrich, WiVerw 1985, S. 1 ff. (S. 5); O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 ff. (S. 641); O. Tschira, W. Schmitt Glaeser (FN 69), S. 91.

10*

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

geführt, die letztlich i n einen „ I r r g a r t e n des R i c h t e r r e c h t s " 1 1 0 münden. I m K e r n w i r d das Problemspektrum der „ D r i t t r e c h t e " aber nach wie vor v o n der „Lehre v o m subjektiven öffentlichen Recht" u n d insbesondere der „Schutznormtheorie" beherrscht. ddd) Zu den Anwendungsunsicherheiten

der „herrschenden"

Konzeption

Daß sich auf der Grundlage der „herrschenden" K o n z e p t i o n i n vielen Fällen über Bestand u n d Inhalt einzelner subjektiver öffentlicher Rechte bis zur jeweils abschließenden letztinstanziellen gerichtlichen Entscheidung keine zuverlässigen Aussagen machen lassen, ist heute ein Gemeinplatz. D i e i n zahlreichen Anwendungsbereichen des subjektiven öffentlichen Rechts anzutreffende mehr oder minder verwirrende Kasuistik braucht deshalb an sich nicht mehr nachgewiesen, sondern nur noch festgestellt zu w e r d e n 1 1 1 : W o immer das subjektive öffentliche Recht i n der Praxis problematisch w i r d — überall stößt m a n auf das B i l d der A b d a n k u n g klarer Positionen. 110

So eine Formulierung von R. Breuer, DVB1. 1982, S. 1065 ff., der diese allerdings nur auf das Gebot der Rücksichtnahme bezieht. 111 Entgegen der noch von O. Bühler (FN 37), S. 283 vertretenen — freilich schon damals bestrittenen — These, die Verwaltungsgerichte kämen „mit dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts ganz gut zurecht", wird heute — bemerkenswerterweise auch von Autoren, die prinzipiell an der „herrschenden" Konzeption festhalten — zunehmend mit einem gewissen Unbehagen auf die kasuistische Rechtsprechungspraxis zum subjektiven öffentlichen Recht und insbesondere zur „Schutznormtheorie" hingewiesen. Vgl. z.B. R. Breuer, DVB1.1983, S. 431 ff. (S. 432): die mit der Schutznormtheorie im Baunachbarrecht gewonnenen Ergebnisse „sind weitgehend unsicher und teilweise gegensätzlich. Eine unübersichtliche und schwankende Kausistik gefährdet die Rechtssicherheit"; H.P . Bull ( F N 40), S. 354: die „Rechtslage ist inzwischen so unübersichtlich geworden, daß eine grundlegende Neuorientierung angebracht wäre"; H.-U. Erichsen, W. Martens (FN 2), S. 150: die Rechtsprechung bietet „immer noch das Bild einer verwirrenden und nicht widerspruchsfreien Kasuistik"; K.H. Erlauf, JurA 1969, S. 3 ff. (S. 19): „schwer erträgliche Unsicherheit", die bisherige verwaltungsgerichtliche Praxis hat keine „hinreichend klaren und praktikablen Maßstäbe" entwickelt; K Hailbronner, DVB1.1979, S. 767 ff. (S. 768): „kaum mehr zu überblickender Dickicht an Einzelfallentscheidungen"; W . Löwer, Rechtskontrolle von Straßenplanungsentscheidungen, in: Rechtsstaat und Planung, 1982, S. 73 ff. (S. 86): „nicht zu leugnende Anwendungsunsicherheit"; H. Maurer ( F N 24), S. 118: „umfassende und z.T. auch verwirrende Kasuistik"; E. Schmidt-Aßmann, Grundfragen, 1972, S. 101: „starke Rechtsunsicherheit, die die Einzelnorm-Judikatur hervorruft"; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 ff. (S. 53): „Rechtsunsicherheit", „die Suche nach dem konkreten Gesetzeszweck oder gesetzgeberischen Willen bleibt nur zu oft spekulativ"; R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 577, 579, 581): „Fülle der Kasuistik", „umfangreiche, unübersichtliche Kasuistik", „umfangreiche Kasuistik"; G. Winter, NJW 1979, S. 393 ff. (S. 393): „Kasuistik zum subjektiven Recht"; M. Zuleeg, DVB1.1976, S. 509 ff. (S. 511 f.): die mit Hilfe der Schutznormtheorie „erzielten Ergebnisse sind obendrein widersprüchlich und leuchten nicht ein", „Rechtsunsicherheit", „Rechtszersplitterung". Die Rechtsunsicherheit setzt sich bei einzelnen Ausformungen des subjektiven öffentlichen Rechts fort; vgl. etwa zur Problematik des baurechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme R. Breuer, DVB1. 1982, S. 1065 ff. (S. 1067): „Eine solche Kategorien- und Kriterien Vielfalt erscheint eher verwirrend als hilfreich".

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

149

Es wäre v o n eigenem Reiz, die Fragwürdigkeiten, Unstimmigkeiten u n d Unklarheiten i n der jüngeren E n t w i c k l u n g der „herrschenden" Lehre a m Beispiel ausgewählter Rechtsgebiete wie etwa des Baurechts, des öffentlichen Wirtschaftsrechts oder des Umweltrechts nachzuweisen. Eine solche Analyse k a n n hier nicht geleistet werden. Statt dessen können die Anwendungsunsicherheiten der „herrschenden" K o n z e p t i o n nur exemplarisch anhand der „ D r i t t k l a ge" eines Altenwerder Fischers gegen eine Genehmigung zur Dünnsäureverk l a p p u n g näher beleuchtet werden. Obgleich v o n gewissen tatbestandlichen Besonderheiten geprägt, k a n n dieser F a l l doch als Musterbeispiel dafür gelten, daß die herkömmliche „ L e h r e v o m subjektiven öffentlichen R e c h t " zusammen m i t den i n ihrem U m f e l d angesiedelten Denkfiguren heute i n vielen Bereichen zu einer Geheimwissenschaft der Verwaltungsgerichtsbarkeit geworden ist, die unter dem Deckmantel angeblicher Gesetzesauslegung betrieben w i r d 1 1 2 . D e r „ D r i t t k l a g e " des Altenwerder Fischers lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein Altenwerder Kutterfischer, fischt seit 1965 in einem bestimmten Gebiet der Nordsee und erzielte dort früher sehr gute Fangergebnisse. Er wandte sich gegen die von der Behörde gem. Art. 2 Abs. 2 EinbrG 1 1 3 einem Privaten erteilte Erlaubnis zur Dünnsäureverklappung in diesem Gebiet. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß die erteilte Einbringungserlaubnis rechtswidrig sei, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Außerdem beeinträchtige die Dünnsäureeinbringung erheblich seine Fangerträge. Das Meerwasser würde sich nach der Verklappung oft mehrere Stunden lang gelb und grün verfärben, was zur Folge habe, daß auch das Fanggeschirr für mehrere Stunden die gelbe Farbe annehme und offensichtlich die Fische frühzeitig verscheuche. Schließlich habe die Dünnsäureeinbringung auch Folgen für den Fischbestand: ein Teil der Fische werde von Hauttumoren befallen, Fischlaich und Aufwuchs von Jungfischen geschädigt. Insgesamt sei der Fischfang seit der Erhöhung der Einbringungsmenge im Jahre 1976 in dem fraglichen Seegebiet völlig unergiebig geworden, weshalb sein Gewerbebetrieb ernsthaft gefährdet sei 1 1 4 .

112

Siehe dazu auch oben F N 77. Nach Art. 2 Abs. 2 des Hohe-See-Einbringungsgesetzes v. 11.02.1977 (BGBl. II, S. 165; geändert durch Gesetz v. 10.05.1978, BGBl. I, S. 613) darf die gem. Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes erforderliche Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in die Hohe See nur erteilt werden, wenn „1. Stoffe eingebracht oder eingeleitet werden sollen, die nicht ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand an Land beseitigt werden können, 2. durch das Einbringen oder Einleiten keine nachteilige Veränderung der Beschaffenheit des Meerwassers zu besorgen ist, die die menschliche Gesundheit gefährdet, die lebenden Bestände sowie die Tier- und Pflanzenwelt des Meeres schädigt, die Erholungsmöglichkeiten beeinträchtigt oder sonstige rechtmäßige Nutzungen des Meeres behindert und die nicht durch Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann". 113

114 Der Sachverhalt wird am ausführlichsten mitgeteilt von OVG Hamburg, JZ1981, S. 701 ff. (S. 701 f.).

150

5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

E i n Problemschwerpunkt der Klage betraf die Frage, ob der Fischer geltend machen kann, i n seinen subjektiven Rechten verletzt zu s e i n 1 1 5 . Diese Frage wurde v o n den m i t dem F a l l befaßten Gerichten zwar i m Ergebnis übereinstimmend, jedoch m i t völlig unterschiedlichen Begründungen bejaht: (1) A l s Grundlage für subjektive öffentliche Rechte des Fischers wurde v o n den Gerichten zunächst das einfache Gesetzesrecht , also A r t . 2 Abs. 2 E i n b r G , i n Betracht gezogen. Soll diese N o r m dem Fischer ein subjektives öffentliches Recht verleihen, dann m u ß sie nach der „Schutznormtheorie" zumindest auch seinen Interessen zu dienen bestimmt sein bzw. den Schutz seiner Interessen bezwecken. O b dies der F a l l ist, war nach Auffassung der Gerichte durch Auslegung zu ermitteln. —

Das VG Hamburg bejahte den individualinteressenschützenden Charakter von Art. 2 Abs. 2 EinbrG. Es begründete diese Ansicht vor allem mit dem Wortlaut der Vorschrift und mit dem (spekulativ ermittelten) Gesetzgeberwillen: „Nach dem eindeutigen Wortlaut" sei „die Schlußfolgerung unabweisbar (!), daß auch derjenige geschützt werden soll, der die Nutzung (des Meeres) ausübt, in diesem Falle also der Fischer". Es sei „schwer vorstellbar (!), daß der Gesetzgeber zwar den Fischfang als solchen hätte schützen wollen, nicht aber diejenigen, die ihn betreiben. Eine dahingehende Differenzierung würde gekünstelt wirken und könnte deshalb nicht überzeugen" 116 . Inhaltlich ist der vom Gericht anerkannte Anspruch des Fischers jedenfalls darauf gerichtet, daß die Einbringungserlaubnis nicht im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 2 EinbrG erteilt wird.



Auf völlig andere Begründungszusammenhänge stellte bereits das O VG Hamburg als Berufungsinstanz ab. Danach bestehe bei der Erlaubniserteilung nach Art. 2 Abs. 2 EinbrG eine Pflicht zur Abwägung (!) u.a. mit den Belangen der Fischerei, aus der ein Gebot zur Rücksichtnahme (!) auf die seit langem im Einbringungsgebiet regelmäßig den Fischfang betreibenden Fischer resultiere. Wenngleich das Gericht die danach entscheidende Frage nach der drittschützenden Wirkung des von ihm für Art. 2 Abs. 2 EinbrG entworfenen Gebotes der Rücksichtnahme auch nicht abschließend entschied 117 , so lassen seine Ausführungen doch die Neigung zur Bejahung eines entsprechenden einfachen subjektiven öffentlichen Rechts des Fischers deutlich erkennen 118 . 115

Die Frage wurde von den Gerichten im Rahmen des für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresses gestellt, das vom VG Hamburg , DVB1. 1981, S. 269 f. durch Zwischenurteil bejaht wurde. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel blieben erfolglos (OVG Hamburg , JZ 1981, S. 701 ff.; BVerwG , DÖV 1983, S. 342 f. = DVB1. 1983, S. 353 f. = BVerwGE 66, 307). Die in den Entscheidungen ebenfalls thematisierte Frage der Problemzuordnung zur Zulässigkeit bzw. zur Begründetheit bleibt hier außer Betracht. 116 DVB1. 1981, S. 269 f. (S. 270) mit ablehnender Anmerkung von W. Peters; Klammerzusätze hinzugefügt. 117 Nach Auffassung des O VG Hamburg handelt es sich bei der Frage, ob zugunsten des Fischers eine drittschützende Wirkung des Gebotes der Rücksichtnahme tatsächlich besteht, um eine Frage der Begründetheit und nicht um ein Problem der in dem Verfahren allein zu überprüfenden Klagezulässigkeit (JZ 1981, S. 701 ff. (S. 703)).

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Inhaltlich wäre dieser Anspruch des Fischers darauf gerichtet, „daß bei der Erteilung einer Erlaubnis zur Abfalleinbringung auf seine Belange angemessen Rücksicht genommen wird. Es würde sich dabei um einen Anspruch handeln, der sich allein auf das Verfahren der Erlaubniserteilung bezieht, dessen Verletzung jedoch auch einen klageweisen Angriff gegen eine mit Abwägungsfehlern behaftete Erlaubnis gestatten würde" 1 1 9 . —

Wiederum anders das BVerwG, das den hier interessierenden Überlegungen der Vorinstanzen eine deutliche Absage erteilte. Seiner Auffassung nach stehe einem „allgemeinen Drittschutz" von Art. 2 Abs. 2 EinbrG der Gesetzeswortlaut entgegen. Vielmehr sprächen „Wortlaut, Zweck und Systematik des Gesetzes ... mehr (!) dafür, daß Art. 2 Abs. 2 EinbrG ... allein öffentlichen Belangen und nicht auch dem Schutz von Individualinteressen dienen will". Auch ergebe sich aus dem Gebot der Rücksichtnahme allein oder in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 EinbrG kein subjektives öffentliches Recht des Fischers, weil die für das Baurecht angestellten Überlegungen zum drittschützenden Charakter des Rücksichtnahmegebotes auf den Fall konkurrierender Meeresbenutzung nicht übertragbar seien 120 . Im Ergebnis wurde vom BVerwG die Ableitung subjektiver öffentlicher Rechte des Fischers aus Art. 2 Abs. 2 EinbrG also völlig verneint.

Abgesehen von den von Urteil zur Urteil wechselnden Begründungen und den uneinheitlichen, teilweise entgegengesetzten Ergebnissen, verdienen die drei Entscheidungen auch deshalb besondere Beachtung, weil in ihnen die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Auslegungsgrundsätze völlig unterschiedlich appliziert wurden. Insoweit sind zwei „Auslegungsgrundsätze" von Bedeutung, die von den Gerichten ausdrücklich angesprochen wurden. —

Da in dem der Erlaubniserteilung vorausgehenden Verwaltungsverfahren keine Beteiligung der Hochseefischer vorgesehen ist, problematisierte bereits das VG Hamburg als Eingangsinstanz die Frage, welche Bedeutung dieser Ausgestaltung des Verfahrensrechts für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte des Fischers zukommt. Nach den veröffentlichten Gründen beantwortete das Gericht diese Frage mit einem Satz: Daraus, „daß das der Erteilung vorausgehende Verwaltungsverfahren eine Anhörung der Hochseefischer nicht vorsieht, ist nichts Entscheidendes gegen die Bejahung eines subjektiven Rechts des Klägers" auf Aufhebung „der Erlaubnis, sofern sie rechtswidrig sein sollte, herzuleiten" 121 . Ähnlich knapp gehalten sind die entsprechenden Passagen aus der Entscheidung des OVG Hamburg: Der Anerkennung eines subjektiven öffentlichen Rechts „steht nicht zwingend entgegen", daß das EinbrG „eine Beteiligung der Meeresnutzer an dem Erlaubnisverfahren nicht vorsieht" 122 . In der abschließenden Entscheidung des BVerwG finden sich schließlich überhaupt keine Ausführungen zur Relevanz der Nichtbeteiligung der Hochseefischer am 118 119 120 121 122

JZ 1981, S. 701 ff. (S. 702 f.). JZ 1981, S. 701 ff. (S. 702, r. Sp. unten). DÖV 1983, S. 342 f. (S. 342). DVB1. 1981, S. 269 f. (S. 270, r. Sp.). JZ 1981, S. 701 ff. (S. 702 f.).

152

5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel Verwaltungsverfahren für deren subjektive öffentliche Rechte. Und dies, obwohl das BVerwG in anderem Zusammenhang — wenn auch mit schwankender Tendenz — selbst aus der Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung am Verwaltungsverfahren durchaus Folgerungen für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte abgeleitet hat 1 2 3 , obwohl beide Vorinstanzen zu dieser Problematik Stellung genommen haben und obwohl in der Literatur — wenn auch mit unterschiedlichen Ergebnissen — die fehlende Anhörung als Problem der subjektiven Rechte der Hochseefischer thematisiert worden war 1 2 4 .



Der zweite „Auslegungsgrundsatz", der von den Gerichten zur Problemlösung herangezogen wurde, besagt, daß ein subjektives öffentliches Recht grundsätzlich nur dann anzunehmen ist, wenn der Gesetzeswortlaut selbst den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellt und abgrenzt 125 . Insoweit war insbesondere fraglich, ob die in Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 EinbrG enthaltene Formulierung „oder sonstige rechtmäßige Nutzungen des Meeres", wozu auch die Fischerei zählt, diesen Anforderungen genügt. Das VG Hamburg bejahte dies mit der bemerkenswerten Begründung, daß hinsichtlich der Hochseefischer „die Zahl der aus diesem Kreis hervorgehenden potentiellen Kläger zwar recht groß (sei), aber wiederum doch nicht so groß, daß die Abgrenzbarkeit und Überschaubarkeit verneint werden müßten" 1 2 6 . Diametral entgegengesetzt wiederum das BVerwG : Gegen ein subjektives Recht des Klägers spreche „schon der Gesetzeswortlaut, der weder auf einen wie auch immer umschriebenen zu schützenden Personenkreis abstellt, noch das individuell geschützte Interesse und die Art seiner Verletzung, gegen die Schutz gewährt werden soll, in einer hinreichend praktikablen Weise umschreibt" 1 2 7 , 1 2 8 .

(2) Als weiterer Ansatzpunkt für subjektive Rechte des Klägers, welche durch die Einbringungserlaubnis möglicherweise verletzt sind, wurden von den Gerichten teilweise 129 die Grundrechte herangezogen. Auch insoweit finden sich 123 Vgl. etwa BVerwGE 2,141 (141 f.); 9,340 (341); 10,122 (124). H. J. Wolff, O. Bachof (FN 28), S. 325 sehen in der Einräumung eines Beteiligungsrechts (z.B. Anhörung) ein „Indiz für eine materiellrechtliche Berechtigung"; anders E. Schmidt-Aßmann ( F N 63), Rdnr. 151 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 124 Einerseits etwa W. Peters , DVB1.1981, S. 271 f. (S. 272), der die fehlende Anhörung „jedenfalls als ein Indiz gegen ein subjektiv-öffentliches Recht" wertet und andererseits etwa P. Kunig , JZ 1981, S. 295 ff. (S. 301), der u.a. unter Berufung auf die Rspr. des BVerwG in der fehlenden Beteiligung der Hochseefischer zwar ebenfalls ein Indiz gegen ein subjektives öffentliches Recht sieht, dieses Indiz aber mit erheblichem Argumentationsaufwand zu entkräften sucht. 125 Vgl. zu diesem Grundsatz allgemein z. B. BVerwGE 41,58 (63); 52,122 (129 m. weit. Nachw.). 126 DVB1. 1981, S. 269 f. (S. 270, r. Sp.); Klammerzusatz hinzugefügt. 127 DÖV 1983, S. 342 f. (S. 342). 128 Das Urteil des OVG Hamburg , JZ 1981, S. 701 ff. konzentriert sich in dem hier interessierenden Zusammenhang auf die drittschützende Wirkung des objektiv-rechtlichen Gebots der Rücksichtnahme und enthält deshalb keine Ausführungen zur Individualisierbarkeit der „sonstigen rechtmäßigen Meeresnutzer". 129 In den in DVB1.1981, S. 269 f. veröffentlichten Gründen der Entscheidung des VG Hamburg sucht man — einmal mehr bezeichnend — vergeblich nach Ausführungen zu möglicherweise verletzten Grundrechten des Kutterfischers. Vgl. zur grundrechtlichen

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in den Entscheidungen jedoch keine einheitlichen, sondern eher entgegengesetzte Grundlinien. —

Das O VG Hamburg hielt nach der konkreten Sachverhaltsgestaltung eine Verletzung des durch Art. 14 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb deshalb für möglich, weil bei der Dünnsäureverklappung eine Verfärbung des Fanggeschirrs eintritt, durch welche die Fische verscheucht und die Fangerträge vermindert würden. Hierin liegt nach Auffassung des Gerichts eine unmittelbare Beeinträchtigung der zum Gewerbebetrieb des Klägers gehörenden Fangeinrichtungen 130 . Demgegenüber hat das BVerwG der Verfärbung des Fanggeschirrs keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen: „Ein die Existenz des Gewerbebetriebs gefährdender Eingriff liegt freilich noch nicht vor, soweit der Kläger geltend macht, durch das Einbringen der Dünnsäure würden das Meerwasser und dadurch auch Teile seines Fanggerätes in gebrauchsmindernder Weise verfärbt" 1 3 1 . Statt dessen stützte sich das BVerwG bei der auch von ihm bejahten möglichen Beeinträchtigung des durch Art. 14 GG geschützten Eigentums auf völlig andere Überlegungen: Die Fanggründe und der dortige Fischreichtum würden zwar nicht in der Weise zu dem durch die Verfassung geschützten Eigentum gehören, daß ihre bloße — auch schwere — Beeinträchtigung schon einen Eingriff in den Gewerbebetrieb darstellen würde, weil sie insoweit bloße Chancen vermittelten, die eigentumsrechtlich nicht gesichert seien. „Wenn diese Chance aber objektiv-rechtlich geschützt ist und der Kläger als Berufsfischer auf diese Chance seinen Gewerbebetrieb aufgebaut hat, darf sie ihm nicht in gesetz- und damit rechtswidriger Weise durch eine Maßnahme der Verwaltung entzogen werden, wenn dies zur Folge hat, daß sein Gewerbebetrieb,schwer und unerträglich getroffen 4 oder ,der Bestand seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ernsthaft in Frage gestellt4 wird 4 4 1 3 2 . Dieses vom BVerwG entwickelte subjektive Recht basiert auf einer eigentümlichen Melange von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht; es gewährt dem Kläger einen verfassungsrechtlichen Abwehranspruch gegen rechtswidrige, also auch (verwaltungs-)rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung, wenn diese Maßnahme zur Folge hat, daß sein Gewerbebetrieb schwer und unerträglich getroffen oder in seinem Bestand ernsthaft gefährdet wird — eine offenbar neue Variante des Grundrechtsschutzes nach Maßgabe des einfachen Rechts.

(3) Der Fall des Altenwerder Fischers ist ein Schulbeispiel für das Dilemma der „herrschenden" Konzeption. Jedes der drei mit ihm befaßten Gerichte beantwortete die Frage nach den subjektiven Rechten des Fischers UnterschiedDimension des Falles auch die Überlegungen von P. Kunig, JZ 1981, S. 295 ff. (S. 297 f.), wonach Grundrechte regelmäßig nicht geeignet sind, „subjektive Klagerechte von Dritten gegenüber Erlaubnissen zur Abfallbeseitigung auf See zu begründen 44. 130

JZ 1981, S. 701 ff. (S. 702). So die knappe und begründungslose Stellungnahme des BVerwG in den in DÖV 1983, S. 342 f. (S. 343) = DVB1. 1983, S. 353 f. (S. 354) mitgeteilten Gründen. 132 DÖV 1983, S. 342 f. (S. 343) mit dem hervorhebenswerten Hinweis, daß insoweit auch zu prüfen sei, ob dem Altenwerder Fischer zumutbare Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ob er also die Möglichkeit hätte, eine Existenzgefahrdung seines Betriebes zu vermeiden. 131

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lieh; kein einziger der die Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz tragenden Argumentationsstränge wurde von der dritten Instanz aufrechterhalten. Vielmehr gehen die subjektiven öffentliche Rechte, die jedes der drei Gerichte als möglicherweise verletzt ansah, auf unterschiedliche normative Anknüpfungspunkte zurück und haben einen unterschiedlichen Inhalt. Begründungszusammenhänge scheinen beliebig variabel und austauschbar: Nahezu die gesamte Klaviatur der zur Bewältigung des öffentlichrechtlichen „Drittschutzes" entwickelten Denkfiguren und Argumentationszusammenhänge läßt sich am Beispiel dieser Klage durchspielen. Sicher ist der Fall des Altenwerder Fischers ein extremes Beispiel. Auch ist es nicht ein Gericht, das sich bei der rechtlichen Beurteilung des Falles mit sich selbst in Widerspruch gesetzt hätte, sondern es sind drei Gerichte, die im Instanzenzug nacheinander mit der Klage befaßt waren und denen es schon allein deshalb nicht verwehrt sein kann, von dem Urteil der jeweiligen Vorinstanz abzuweichen. Dennoch ist der Fall charakteristisch für die Unsicherheiten im praktischen Umgang mit dem subjektiven öffentlichen Recht. Die unterschiedlichen normativen Anknüpfungspunkte, die wechselnden Auslegungen (jede für sich nicht tastend, sondern von voller innerer Überzeugung getragen), der uneinheitliche Gebrauch der Schutznormtheorie, die zu entgegengesetzten Ergebnissen führende Heranziehung ein und desselben „Auslegungsgrundsatzes", die schwankenden Inhalte der jeweils bejahten subjektiven öffentlichen Rechte, der fragwürdige Rückgriff auf die Grundrechte — kurz: die tiefgreifenden Abweichungen im Grundsätzlichen und im Detail sind zu offensichtlich, als daß diese Judikatur noch als ein „normaler Fall" der Rechtsfindung über die Instanzen hinweg angesehen werden könnte. Damit soll selbstverständlich nicht in Abrede gestellt werden, daß sich die mit der Klage befaßten Gerichte um gerechte und sachangemessene Entscheidungen bemüht haben. Angesichts der variierenden Begründungen hinterlassen diese Entscheidungen aber den Eindruck von Willkür. Was wird sich der Altenwerder Fischer wohl bei der Lektüre der jeweiligen Entscheidungsgründe gedacht haben? Wenn er gelegentlich Goethe liest, vielleicht dies: „ I m Auslegen seid frisch und munter! Legt ihrs nicht aus, so legt was unter". 2. Zur Meinungsvielfalt im Schrifttum Ist die „herrschende" Konzeption einer Rechtsfigur erst einmal zutiefst fragwürdig geworden, dann ruft sie Scharen von Kritikern auf den Plan und fordert zur Entwicklung von Alternativkonzeptionen heraus. Dies gilt gerade auch für die „herrschende" Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, die seit langem wie kaum eine andere Lehre problemüberfrachtet ist. So sehr sich die Kritiker in der vollständigen oder teilweisen 133 Ablehnung herkömmlicher Positionen einig sind, so wenig haben sie sich bislang allerdings auf einer breiteren Basis auf einen einheitlichen Gegenentwurf verständigen können.

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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Die Bemühungen um eine grundsätzliche Fortentwicklung bzw. Neuorientierung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht setzen nämlich an unterschiedlichen Punkten an und kommen dementsprechend beinahe zwangsläufig auch zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen. So hat man beispielsweise bezweifelt, „ob die Entgegensetzung von objektivem und subjektivem Recht in einem demokratischen Rechtsstaat überhaupt noch ihren Platz h a t " 1 3 4 . Oder es wurde die Frage aufgeworfen, „ob es die einheitliche Kategorie des subjektiven (öffentlichen) Rechts überhaupt gibt — oder anders formuliert — ob nicht hinter dem Streit um das subjektive öffentliche Recht die verfehlte Idee einer einheitlichen Kategorie steht, welche je nach funktionaler Verwendung nach verschiedenen inhaltlichen Elementen zu differenzieren und aufzulösen wäre" 1 3 5 . Oder man glaubte, die Krise des subjektiven Rechts über „dessen funktionsgerechte Öffnung" lösen zu können 1 3 6 . Oder es wurde die „Daseinsberechtigung" des subjektiven öffentlichen Rechts überprüft und dessen Anwendungsbereich erheblich eingeschränkt sowie eine Schwerpunktverlagerung des Einsatzes dieser Rechtsfigur festgestellt 137 . Oder man hat das subjektive öffentliche Recht für obsolet erklärt 1 3 8 . Oder ... Allein mit einer Bestandsaufnahme, Systematisierung und kritischen Hinterfragung dieser und anderer „Mindermeinungen" ließe sich mühelos eine Monographie mittleren Umfangs füllen. Der aktuelle Diskussionsstand ist gekennzeichnet durch ein breites Spektrum ebenso bunter wie umstrittener Meinungen, die u.a. den „Begriff" 1 3 9 , das „Wesen" 1 4 0 , die grundsätzliche 133 Zum Teil greifen die von der Literatur entwickelten Neuorientierungsvorschläge in einzelnen Punkten auf die überkommene Lehre zurück; so etwa H.H. Rupp, Grundfragen, 1965, S. 245 ff., 267, 272 und N. Achterberg ( F N 40), S. 314, die trotz ihrer von der „herrschenden" Meinung abweichenden Konzeption in entscheidenden Fragen auf Elemente der Schutznormdoktrin rekurrieren. 134

W. Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 ff. (S. 272). G. Ress (FN 1), S. 117 f. 136 R. Scholz, W D S t R L 34 (1976), S. 145 ff. (S. 203). 137 M. Zuleeg, DVB1. 1976, S. 509 ff. 138 N. Achterberg (FN 40), S. 313. 139 Siehe z.B. W. Henke (FN 94), S. 62 („materieller gesetzlicher Anspruch, der dem in seinen Angelegenheiten Betroffenen zusteht"); U.K. Preuß, Internalisierung des Subjekts, 1979, S. 207 („Anspruch auf ein unteilbares Lebensgut, das nicht ordnungs- und organisationsfahig ist", unter gleichzeitigem Hinweis darauf, daß es „einen für alle gesellschaftlichen Lebensbereiche einheitlichen Begriff des subjektiven Rechts nicht geben kann"). R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht, 1971, S. 165 f. bietet als „Definition" (!) des subjektiven öffentlichen Rechts folgende Formulierung an: „Ein subjektives Recht ist nicht nur dort gegeben, wo eine Gesetzesbestimmung den Schutz des privaten Interesses willentlich oder tatsächlich bewirkt, sondern auch dort, wo sich das, von einer, objektivrechtlichen Gesetzesbestimmung tatsächlich begünstigte Privatinteresse auf eine grundrechtliche Wertentscheidung berufen kann und mit deren Maßgabe das von der Gesetzesbestimmung eigentlich oder zunächst verfolgte Öffentlichkeitsinteresse inhaltstypisch repräsentiert". Vgl. auch E. Forsthoff (FN 78), S. 186 („Schutzfunktion einer dem 135

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

„Konzeption" 1 4 1 des subjektiven öffentlichen Rechts und die bei der Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte heranzuziehenden „Auslegungsmethoden" 142 betreffen. Auch finden sich zahlreiche „neue" Kreationen wie etwa das „,sekundäre' subjektive öffentliche Recht" 1 4 3 , das „funktionale materielle subjektive öffentliche Recht" 1 4 4 , die „allseitig wirksamen ,Rechte Privater 4 " 1 4 5 und ein „trialistisches Schutznormmodell" 14 *. Soll die damit nur stichwortartig angerissene Diskussion sinnvoll und fruchtbar sein, dann setzt dies zumindest einen gewissen Grundkonsens über die Problemschichten und Problemschwerpunkte des subjektiven Rechts voraus. Besteht nämlich insoweit keine Übereinstimmung, so laufen die Gesprächspartner Gefahr, mangels einheitlicher Verständnisgrundlagen „aneinander vorbeizureden". Die heutige Auseinandersetzung ist über weite Strecken durch das Fehlen eines solchen gemeinsamen Problemverständnisses gekennzeichnet. So unterscheidet etwa K. Schmidt im Hinblick auf diese Rechtsfigur zwischen Problemen der Rechtsphilosphie, der Rechtssystematik und der Normdurchsetzung 1 4 7 , während z.B. W. Henke der Problematik des subjektiven öffentlichen Rechts nur zwei Seiten abgewinnt, nämlich „eine mehr rechtspraktische und eine grundsätzlich-systematische" 148; im Anschluß an diese Differenzierung werden dann der „mehr rechtspraktischen" Seite die anwendungsorientierte AbgrenEinzelnen durch Norm oder Rechtsgeschäft gewährten Position") m. weit. Nachw. und — allgemein zur Begriffsbildungsproblematik — G. Ress (FN 1), S. 117 ff.; W. Henke , Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Festschrift W. Weber, 1974, S. 495 ff. (S. 514: „ A u f den Wortlaut aller dieser Umschreibungen kommt es nicht an."); ders ., DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 621). 140

Vgl. etwa einerseits die „Anbindung" des subjektiven Rechts an der Menschenwürde bei D. Lorenz , Rechtsschutz, 1973, S. 51 f. und H. Maurer (FN 24), S. 115 und andererseits W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 623 f.) und J. Schapp, Das subjektive Recht, 1977, S. 118 ff., 152 ff., 171 ff. zum „juristisch-technischen" Sinn des subjektiven Rechts. 141 Vgl. nur H.H. Rupp ( F N 133), S. 146 ff.; D. Lorenz ( F N 139), S. 51 ff.; M. Zuleeg , DVB1.1976, S. 509 ff.; J. Schapp (FN 140); G. Ress (FN 1); W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. 142 Unter dem Gesichtspunkt der Interpretationswei/zode wird das subjektive Recht u.a. von R. Scholz ( F N 139), S. 125; E. Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff. (S. 246); ders. (FN 63), Rdnr. 128 ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG (Die Schutznormlehre ist eine Sammelbezeichnung für einen „Kanon von Methoden und Regeln", nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll.) und O. Tschira, W. Schmitt Glaeser (FN 69), S. 92 problematisiert. 143 K. Schmidt , Kartellverfahrensrecht, 1977, S. 311 ff., 417 ff.; vgl. dazu auch R. Schmidt , ZHR 145 (1981), S. 95 ff. 144 M. Rott , Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht, 1976, S. 325 ff. 145 So ein — ältere Vorstellungen aufgreifender — Vorschlag von M. Bullinger , Öffentliches Recht, 1968, S. 97 ff. 146 R. Alexy , DÖV 1984, S. 953 ff. (S. 962). 147 AaO (FN 143), S. 418. 148 DÖV 1980, S. 621 ff.

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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zung des subjektiven öffentlichen Rechts von dem sog. Rechtsreflex zugeordnet und die „grundsätzlich-systematische" Seite u.a. anhand der weiteren Problemstichworte „objektives und subjektives Recht", „Rechtsstellung und Rechtsverhältnis", „allgemeines Rechtsverhältnis und besonderes Rechtsverhältnis", „materielles und formelles Recht", „privates und öffentliches Recht" sowie „Klagen" thematisiert. Andere Autoren wiederum sehen in der „Bedeutung des normativen Ansatzes" und des „Freiheitsbegriffs" für die Theorie des subjektiven öffentlichen Rechts „zwei große Problemkomplexe" 149 , deuten die „Ermittlung der Subjekt-Berechtigung aus öffentlich-rechtlichen Normen" als das „wichtigste praktische Problem" des subjektiven öffentlichen Rechts 150 oder verzichten völlig auf eine abstrakte Problembeschreibung. Bei einer Gesamtbetrachtung lassen diese und andere Stellungnahmen weder ein zusammenhängendes Problembild noch ein einheitliches Problemverständnis erkennen 151 , mag sich in der praxisorientierten Literatur auch die Abgrenzung von subjektivem Recht und Rechtsreflex als einer der (Haupt-)Problemschwerpunkte herauskristallisiert haben. Ähnliche Eindrücke bleiben zurück, wenn man die verschiedenen (rechts-) wissenschaftlichen (Teil-)Disziplinen in den Blick nimmt, die sich mit dem subjektiven Recht beschäftigen. Das subjektive (öffentliche) Recht ist ja bekanntlich auch Gegenstand u.a. der Rechtstheorie 152 , der Rechtsphilosophie 1 5 3 , der Rechtssoziologie 154 und der Rechtsanthropologie 155 . Gleichwohl konnte bis heute keine auch nur annähernde Übereinstimmung darüber erzielt 149 So J. Schapp (FN140), S. 9; zwei weitere „große Probleme", welche die „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht... seit Georg Jellinek ... zu lösen" hat, werden von Schapp auf S. 144 skizziert. 150 G. Ress (FN 1), S. 113. 151 Vgl. dazu auch J. Schapp (FN 140), S. 10, der das Fehlen eines zusammenhängenden Problembildes schon allein im Hinblick auf die einander gegenüberstehenden Definitonen rügt. Ähnliche Überlegungen finden sich bei F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 7 hinsichtlich der zahlreichen Lehren zum subjektiven Recht in der Privatrechtsliteratur: „Eine genauere Durchsicht dieser Lehren ergibt ..., daß bei diesem Grundbegriff eine eingehende und befriedigende Angabe darüber fehlt, auf welche offenen Fragen mit ihm in der Rechtswissenschaft geantwortet werden soll und daß auch nicht die Ordnungsgesichtspunkte hinreichend verdeutlicht sind, unter denen die Begriffsbildung erfolgt." 152 Zu rechtstheoretischen Problemausrichtungen siehe z.B. J. Schapp (FN 140); N. Achterberg, Rechtstheorie 9 (1978), S. 385 ff.; ders., Die Rechtsordnung als Rechtsverhältnisordnung, 1982. 153

Zur mehr rechtsphilosophisch orientierten Durchdringung des subjektiven Rechts siehe z.B. A. Vonlanthen, Wesen des subjektiven Rechts, 1964; F. Kasper (FN 151), passim; vgl. auch U.K. Preuß ( F N 139), S. 15 („Das subjektive Recht ist nicht lediglich eine technisch-juristische Zweckkonstruktion; es enthält vielmehr einige sozialphilosophische Implikationen über die Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen und die Organisation politischer Herrschaft..."). 154 Siehe dazu u.a. N. Luhmann, Zur Funktion der „subjektiven Rechte", JbRSoz. 1 (1970), S. 321 ff.; J. Schmidt, Ein soziologischer Begriff des „subjektiven Rechts", JbRSoz. 1 (1970), S. 299 ff.; K. Adomeit, Zivilrechtstheorie, JbRSoz. 2 (1972), S. 503 ff.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

werden, ob u n d gegebenenfalls welche Konsequenzen aus den i n diesen Wissenschaftsgebieten erarbeiteten Ergebnissen für die „juristische" Konzept i o n des subjektiven öffentlichen Rechts zu ziehen s i n d 1 5 6 , ganz abgesehen davon, daß auch diese Ergebnisse nicht selten divergieren. N i c h t geringere Unklarheiten hinterläßt auch eine Durchmusterung derjenigen Positionen, die sich für eine verstärkte A k t i v i e r u n g „rechtstatsächlicher" bzw. „ f a k t i s c h e r " 1 5 7 u n d verfassungsrechtlicher Aspekte einsetzen. A l l e i n für die i n jüngerer Zeit zunehmend geforderte „Verfassungsorientierung" der Lehre v o m subjektiven öffentlichen Recht w i r d nämlich eine außerordentliche Vielfalt v o n verfassungsrechtlichen A n k n ü p f u n g s p u n k t e n angeboten. A l s gewisse, wenn auch keineswegs abschließende Schwerpunkte haben sich insoweit zwar die Einzelgrundrechte (insbesondere A r t . 2 Abs. 1 G G u n d — hiervon abgesetzt — A r t . 19 Abs. 4 G G ) 1 5 8 , das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip, das Sozialstaatsprinzip 1 5 9 , Elemente der allgemeinen Grundrechtslehre 1 6 0 u n d eine

155 Vgl. nur W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 623 f. F N 12); zur Berücksichtigung anthropologischer Aspekte bei der Ausleuchtung grundrechtlich gesicherter Freiheit siehe etwa D. Suhr , EuGRZ 1984, S. 529 ff. (S. 531 ff.). 156 Charakteristisch hierfür ist die im Anschluß an die Besprechung der Habilitationsschrift von W. Skouris durch C. Sening (BayVBl. 1980, S. 62 f.) unter der bezeichnenden Überschrift „Über das Verhältnis von Rechtsdogmatik, Rechtssoziologie und Rechtspolitik im Verwaltungsprozeßrecht" geführte Kontroverse zwischen C.H. Ule und C. Sening , BayVBl. 1981, S. 172 ff. und die unter der nicht weniger bezeichnenden Überschrift „Rettung der Umwelt durch Aufgabe der Schutznormtheorie?" geführte Folgekontroverse zwischen H-J. Keller und C. Sening , BayVBl. 1981, S. 681 ff.; 1982, S. 428 ff. Vgl. auch W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 623 f. F N 12). 157 Rechtstatsächliche Aspekte (z.B. faktische Wirkungen der Normanwendung) werden von verschiedenen Autoren in unterschiedlicher Weise in die Konzeption des subjektiven Rechts eingebunden, worauf hier nur hingewiesen werden kann. Vgl. z.B. R. Bernhardt , JZ 1963, S. 302 ff.; R. Bartlsperger , VerwArch 60 (1969), S. 35 ff.; ders ., DVB1. 1970, S. 30 ff.; ders., DVB1. 1971, S. 723 ff.; R. Scholz (FN 139), S. 122 ff.; D. Czybulka, BayVBl. 1975, S. 550 ff.; F.-L. Knemeyer , VVDStRL 35 (1977), S. 221 ff. (S. 267: Bestimmung des Anspruchsberechtigten „der Sache nach" bzw. „von der Sache her"). 158

Z.B. R. Bernhardt , JZ 1963, S. 302 ff.; R. Bartlsperger , DVB1. 1971, S. 723 ff.; D. Lorenz (FN 140), S. 62 ff.; M. Zuleeg , DVB1. 1976, S. 509 ff. 159 Zum Rückgriff auf diese Verfassungsprinzipien vgl. z.B. O. Bachof (FN 3), S. 302; M. Zuleeg , DVB1. 1976, S. 509 ff. (S. 519 f.); G. Ress (FN 1), S. 120; G. Wiedenbrüg (FN 85); A. Bleckmann , VB1BW1985, S. 361 ff.; vgl. auch W. Blümel , Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, in: Bürgerbeteiligung, 1982, S. 23 ff. (S. 25 ff. m. weit. Nachw.). 160 Im Mittelpunkt steht insoweit vor allem (aber nicht nur) die in jüngerer Zeit vieldiskutierte „organisations- und verfahrensrechtliche Seite der Grundrechte"; vgl. aus jüngerer Zeit z.B. F. Hufen , NJW1982, S. 2160 ff.; A. v.Mutius , Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei der Planung von Verkehrsanlagen, in: Bürgerbeteiligung, 1982, S. 157 ff. (S. 160 ff.). Von W. Brohm , VVDStRL 30 (1972), S. 245 ff. (S. 273 F N 79) wird das objektivrechtliche bzw. institutionelle Grundrechtsverständnis als Lösungsansatz anvisiert; G. Schwer dtfeger, NVwZ 1982, S. 5 ff. (S. 7) thematisiert die „Anspruchs- und Schutzfunktion der Grundrechte"; A. Bleckmann , VB1BW 1985, S. 361 ff. (S. 362) plädiert für einen „Rückgriff auf die allgemeinen Grundrechtslehren".

II. Die Krise des subjektiven Rechts in der Gegenwart

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sich aus unterschiedlichsten verfassungsrechtlichen Teilaussagen zusammensetzende „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes" 161 herausgeschält. Darüber, welchem dieser Gesichtspunkte überhaupt Bedeutung für das subjektive öffentliche Recht zukommt und — bejahendenfalls — welche konkreten Folgerungen sich aus ihm für diese Rechtsfigur ergeben, hat sich jedoch bis heute kein allgemeiner Konsens herstellen lassen. Vollends undurchdringlich wird der aktuelle Diskussionsstand, wenn man weitere Argumentations- und Begründungszusammenhänge berücksichtigt, die nicht selten bei der Erörterung von Problemen des subjektiven öffentlichen Rechts anzutreffen sind. Zu nennen ist insoweit beispielsweise eine Forderung von J. Pietzcker, wonach die „Dogmatik des subjektiven öffentlichen Rechts" nicht nur auf die Klagebefugnis abzielen dürfe, sondern „die Bedeutung der Zuerkennung subjektiver öffentlicher Rechte für das Verwaltungsverfahren, für das Entschädigungs- und Staatshaftungsrecht, für den Gesetzesvorbehalt und für planerische Abwägungs- und sonstige Ermessensentscheidungen mit bedenken" 162 müsse. Teilweise ähnlich gelagert ist der Hinweis U. Bergers, daß sich die „Probleme um die subjektiven öffentlichen Nachbar- und Drittbetroffenenrechte ... mit allen grundlegenden Fragen modernen Immissionsschutzrechts" wie etwa der „Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe", dem „administrativen Letztentscheidungsrecht", der „Bedeutung von Verwaltungsvorschriften", der „judikativen Kontrolldichte" und der „Einflußnahme von Verfassungsrecht auf das niederrangige Verwaltungsrecht" schneiden würden 1 6 3 . Hinzu kommen weitere „Problemverknüpfungen" wie etwa die Verbindung des subjektiven Rechts mit der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft 164 , die Thematisierung von § 945 ZPO im Zusammenhang mit sog. „Drittklagen" 1 6 5 oder die Bemerkung, daß auch ein „institutionelles Element aus dem Administrativbereich", nämlich die Einrichtung des verpflichteten Verwaltungsträgers „nach Aufgabe, Organisation und Verwaltungskraft" für das subjektive Recht „entstehensfördernd" oder „-hindernd" wirken könne 1 6 6 .

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Diese „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes" setzt sich — von Autor zu Autor schwankend — aus unterschiedlichen Elementen zusammen. Aus ihr werden unterschiedliche Folgerungen abgeleitet. Sie ist häufig Anknüpfungspunkt für die verschiedenen „Vermutungslehren", weist also Berührungspunkte mit der „herrschenden" Meinung auf. Vgl. z.B. O. Bachof iFN 3), S. 301; E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1953, S. 680 f.; H.-W. Laubinger (FN 41), S. 24 f.; BVerfGE 15, 275 (281 f.); A. Bleckmann, VB1BW 1985, S. 361 ff. (S. 361 f.); kritisch gegenüber diesen Vermutungslehren z.B. R. Scholz (FN 139), S. 130. 162

"Grundrechtsbetroffenheit", in: Festschrift O. Bachof, 1984, S. 131 ff. (S. 139). AaO (FN 7), S. 153. 164 Z.B. G. Ress (FN 1), S. 131. 165 So frühzeitig K. Redeker, NJW 1959, S. 749 ff. (S. 750); vgl. zu dem dahinter stehenden Problem auch R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 580 f.). 166 So E. Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff. (S. 246 f.). 163

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

M i t diesem kursorischen Gang über den Meinungsmarkt kann es hier sein Bewenden haben. Er dürfte hinreichend deutlich gemacht haben, daß dem heutigen Streit über das subjektive öffentliche Recht kein klar konturiertes Problemverständnis zugrundeliegt. Vielmehr wird unter dem Stichwort „subjektives (öffentliches) Recht" eine Fülle unterschiedlicher Themen problematisiert, die nicht selten andere Grundfragen des Rechts 167 berühren und teilweise sogar mit der Problematik des subjektiven Rechts verknüpfen. Die „Komplexität des subjektiven Rechts" als eines der Teilergebnisse der historischen Untersuchung 1 6 8 findet hier für die Gegenwart eine gewisse Bestätigung. Zurück bleibt das subjektive öffentliche Recht als ein diffuses Problembündel, aus dem jeder, der sich mit dieser Rechtsfigur beschäftigt, je nach Neigung, wissenschaftlichem, politischem und historischem Standort diejenigen Fragen herausgreift, die ihm besonderes interessant und für die zukünftige Entwicklung des subjektiven Rechts wegweisend erscheinen. Folge hiervon ist eine außergewöhnlich umfangreiche und kaum mehr zu durchdringende Meinungsvielfalt. Insgesamt hat die erdrückende Materialfülle die Verständigung erschwert 169 , wenn nicht sogar unmöglich gemacht, zumal sich die einzelnen Diskussionsteilnehmer nicht selten gegenseitig Mißverständnisse und Verständnislosigkeit vorwerfen 170 . Bei einer Gesamtbetrachtung des heutigen Meinungsstandes sind das subjektive öffentliche Recht und die „Probleme" des subjektiven Rechts zu einem unentwirrbaren gordischen Knoten verflochten 171 .

167 Z.B. die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, Probleme der Grundrechtslehre, das Zusammenspiel von Verfassungsrecht und einfachem Recht, die Trennung von öffentlichem und privatem Recht, das Verhältnis von Verwaltung und Rechtsprechung, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, den Rechtsschutz, das Verhältnis von materiellem Recht und Prozeßrecht, das Verhältnis der einzelnen rechtswissenschaftlichen Disziplinen untereinander. 168

Oben I. 1. So —jeweils nur zu Teilproblemen (!) des subjektiven öffentlichen Rechts — u.a. U. Battis , DVB1. 1978, S. 577 ff. (S. 580) und U. Berger (FN 7), S. 97 F N 16. 170 Z.B. D. Lorenz (FN 140), S. 57 F N 13 gegen W. Henkes Deutung der Auffassung von O. Bachof; W. Henke , Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Festschrift W. Weber, 1974, S. 495 ff. (S. 496 f. F N 3; 505 F N 17 und passim) gegen die Kritiker seiner Arbeit von 1968. Vgl. auch U. Berger (FN 7), S. 96 f., wonach allein die kontroverse Diskussion über die dogmatischen Grundlagen der planungsrechtlichen Drittklage nicht den Eindruck vermittelt, daß Jeder Diskussionsbeitrag... die von anderen vorgebrachten Argumente einigermaßen sachgerecht erfassen" könne. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung von R. Wahl , DÖV1975, S. 373 ff. (S. 377), daß für den „unbefangenen Beobachter" nicht mehr „genau ersichtlich" sei, ob die „im Gange befindliche Grundsatzdiskussion ... wirklich noch von unterschiedlichen Vorstellungen ausgeht und zu unterschiedlichen Ergebnissen führt". 169

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Die „Problemverworrenheit" würde noch erheblich verschärft, wenn man die Grundrechtslehren berücksichtigen würde. Davon wurde hier in Übereinstimmung mit einer verbreiteten Übung Abstand genommen. Das ändert aber nichts daran, daß die

III. Bausteine für eine Neuorientierung

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III. Bausteine für eine Neuorientierung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht Die Krise des subjektiven öffentlichen Rechts fordert zu der Frage nach den Zukunftsperspektiven dieser Rechtsfigur heraus. Im Rahmen einer primär historisch angelegten Untersuchung kann diese Frage selbstverständlich nicht abschließend geklärt werden. Ihre detaillierte Beantwortung machte eine eingehendere als die hier durchgeführte Analyse von Bestand und Bedeutung der subjektiven Rechte im Recht der Gegenwart erforderlich. Überlegungen allgemeinerer Art zur Zukunft des subjektiven öffentlichen Rechts sind dadurch freilich nicht ausgeschlossen. Denn gerade vor dem Hintergrund der bisherigen und insbesondere der jüngsten Rechtsentwicklung lassen sich strukturelle Schwachstellen der „herrschenden" Konzeption aufzeigen, die zugleich Anhaltspunkte für notwendige Korrekturen liefern. 1. Die Notwendigkeit eines konzeptionellen Neuansatzes M i t den bisherigen Untersuchungen zur Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts im Recht der Gegenwart dürfte hinreichend nachgewiesen worden sein, daß „neue" Einsichten, Änderungen der Rechtsprechungspraxis, gewandelte Problemverständnisse und -lösungen in die ältere Lehre im wesentlichen durch Modifikationen, Überformungen und gedankliche Anbauten „eingefügt" wurden 1 , ohne daß man sich jedoch dazu veranlaßt gesehen hätte, die grundsätzliche Konzeption zu überdenken. Die aus dem beharrlichen Festhalten an althergebrachten Theoremen unter gleichzeitiger Hinwendung zu neueren Vorstellungen resultierenden Spannungen sind — wie erwähnt — mitentscheidende Ursachen für die heutige Krise des subjektiven Rechts. Angesichts dieses Befundes ist es kaum denkbar, daß die vielfach geforderte Neuorientierung im Wege einer bloßen Anpassung des überkommenen „Schulbegriffs" an neuere Entwicklungen, durch „funktionsgerechte Öffnungen"^, durch die Interpretation des einfachen Gesetzesrechts „im Lichte" des Verfassungsrechts3 oder ähnliches überzeugend bewerkstelligt werden könnte. Solche Ansätze ermöglichen es zwar, die verkrustete Schutznormdoktrin und insbesondere die unter Heranziehung dieser „Theorie" bislang gewonnenen Ergebnisse in gewissem Umfang aufzulockern, dürften auf längere Sicht aber weit weniger Grundrechte an sich nicht ausgeblendet werden dürften. Siehe dazu auch sogleich unten III. 1 Insofern bestehen auffallige Parallelen zur jüngeren Entwicklung der Grundrechtslehre, wo man ebenfalls mit dogmatischen „Anbauten" u.ä. versuchte, die Grundrechte auf der „Höhe der Zeit" zu halten; vgl. dazu D. Suhr, EuGRZ 1984, S. 529 ff. (S. 529 f.). 2

Vgl. R. Scholz, W D S t R L 34 (1976), S. 145 ff. (S. 203). So z.B. O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 ff. (S. 641); H. Heinrich, WiVerw 1985, S. 1 ff. (S. 5); 0. Tschira, W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl., 1985, S. 91. 3

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

leistungsfähig sein als gelegentlich angenommen wird. Sie verweisen nämlich nicht selten pauschal auf problematische, zumindest aber nicht ausreichend geklärte Denkfiguren und Argumentationszusammenhänge, werfen dementsprechend mehr Fragen auf als sie beantworten und geben deshalb Steine statt Brot. Die Problematik des subjektiven Rechts wird dadurch lediglich teilweise verlagert, nicht aber geklärt. Im Grunde genommen bereichert man damit die Gesamtproblematik des subjektiven Rechts nur um weitere „neue" Einsichten, was die schon bisher bestehenden Spannungen zwischen „Altem" und „Neuem" noch verschärft; Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Rechtsvorhersehbarkeit können hierdurch offensichtlich nicht wesentlich gefördert werden. Läßt sich die Krise des subjektiven Rechts nicht durch eine Modifikation der „klassischen" Lehre lösen, dann müssen zu ihrer Behebung die Möglichkeiten eines konzeptionellen Neuansatzes ausgelotet werden. Dies setzt die Bereitschaft zum Nachdenken jenseits der überkommenen Argumentationsmuster und insbesondere jenseits der ohnehin immer mehr auf die Problematik der sog. Drittrechte verengten 4 Schutznormdoktrin voraus. Statt dessen ist die von Lehre und Praxis weithin vernachlässigte 5 grundsätzliche Dogmatik und damit notwendigerweise auch die Gesamtheit der subjektiven öffentlichen Rechte in den Blick zu nehmen. Gerade vor dem Hintergrund der rechtshistorischen Entwicklung ist eine solche Grundsatzdiskussion aus mehreren Gründen längst überfallig: Die herkömmliche „Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten des Untertanen" entstammt einer Ideen- und Dogmenwelt, die nicht mehr diejenige des Grundgesetzes ist. Zumindest den unbefangenen Beobachter muß es befremden, wenn — ungeachtet aller zwischenzeitlichen Modifikationen — knapp ein Jahrhundert nach G. Jellinek und gut 70 Jahre nach O. Bühler im Grundsätzlichen nach wie vor eine Lehre fortgeschrieben wird, die in dem hier interessierenden Zusammenhang ursprünglich auf die Rechtsstellung des Untertanen zugeschnitten war. Und dies, obwohl spätestens das Grundgesetz hinsichtlich eben dieser Rechtsstellung unstreitig einen prinzipiellen Wandel brachte. Gewiß ist das bloße Alter einer Lehre für sich allein genommen nicht geeignet, um diese Lehre grundsätzlich in Frage zu stellen, zumal sich „gute" und belastbare Lehren durch Langlebigkeit auszeichnen. Indes hat die heute „herrschende" Meinung — und dies ist ein Ergebnis der jüngeren und jüngsten „Geschichte" des subjektiven Rechts — in weiten Teilbereichen die traditionell 4

In der Literatur finden sich teilweise sogar Formulierungen, die subjektives öffentliches Recht und Rechtsanspruch eines Dritten tendenziell gleichsetzen. Siehe etwa F. Mayer , Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 52: „Eine besondere Form der Bindung der Verwaltung stellt... das subjektiv-öffentliche Recht , das heißt der Rechtsanspruch eines Dritten (!) auf ein bestimmtes Handeln der Verwaltung dar"; Klammerzusatz hinzugefügt. 5 W. Henke , DVB1. 1983, S. 982 ff. (S. 986).

III. Bausteine für eine Neuorientierung

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m i t der „ L e h r e v o m subjektiven öffentlichen Recht" verbundenen Positionen längst verabschiedet 6 , m a g sie auch noch immer an dem herkömmlichen „Begriff" des subjektiven Rechts festhalten. Folge hiervon ist, daß sich die heutige Lehre v o m subjektiven öffentlichen Recht immer mehr v o n der Gesamtheit der subjektiven öffentlichen Rechte entfernt hat, v o n einem nicht selten einseitigen Problemverständnis u n d v o n — bevorzugt auf die sog. „ D r i t t r e c h t e " bezogenen — sektoralen Rechtsbetrachtungen beherrscht w i r d . D a d u r c h w i r d das Insgesamt der subjektiven öffentlichen Rechte völlig vernachlässigt, weshalb auch aus diesem G r u n d die Beschäftigung m i t den Möglichkeiten eines konzeptionellen Neuansatzes angezeigt ist. Das k a n n hier nur exemplarisch verdeutlicht werden. Schon bei einer geringfügigen Erweiterung des Gesichtsfeldes lassen sich die subjektiven Rechte des Verfassungsrechts zumindest nicht mehr so stark in den Hintergrund drängen, wie dies auch heute noch einer verbreiteten Übung entspricht. Wenn nämlich die Grundrechte — was bis in die Gegenwart hinein immer wieder betont wurde 7 — „subjektive öffentliche Recht par excellence" sind, dann erscheint eine Lehre, die sich auf die subjektiven Rechte des Verwaltungsrechts konzentriert und den Grundrechten eine „Lückenbüßerrolle" zuweist, bereits im gedanklichen Ansatz als zu einseitig. Damit wird selbstverständlich nicht der Rangunterschied zwischen dem Verfassungsrecht und dem Verwaltungsrecht in Abrede gestellt oder gar eingeebnet. Bewußt gemacht werden soll vielmehr lediglich, daß eine Lehre, die zwar den Anspruch erhebt, sämtliche subjektiven öffentlichen Rechte abzubilden bzw. zu erklären, gleichwohl aber die subjektiven Verfassungsrechte nicht hinreichend berücksichtigt und einbindet, zwangsläufig defizitär ist. Denn eine Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht ist entweder eine Lehre von den subjektiven Rechten des Verwaltungsrechts und des Verfassungsrechts 8 oder sie wird ihrem Gegenstand — nämlich den subjektiven Rechten des öffentlichen Rechts9 — nicht vollumfanglich gerecht. Die Einbeziehung der subjektiven Verfassungsrechte zwingt gleichzeitig auch zu einer Auseinandersetzung mit den allgemeinen Grundrechtslehren 10. Sicher ist heute auch die 6

Den augenfälligsten Beleg für den von der „herrschenden" Meinung in der Sache längst vollzogenen, strukturtiefen Verständniswandel liefert die Fülle der heute anerkannten oder zumindest diskussionsfahig gewordenen sog. „Drittrechte" (vgl. dazu bereits oben Einleitung, I.). Art und Umfang dieser Rechte dürften in ihrer Gesamtheit für die Autoren der Jahrhundertwende schlichtweg undenkbar gewesen sein. 7 Zuletzt O. Tschira, W. Schmitt Glaeser (FN 3), S. 91 (ähnlich: S. 87). 8 Zu „eng" wäre insoweit freilich eine Beschränkung auf die Grundrechte, weil die Verfassung auch außerhalb des Grundrechtsabschnittes (Art. 20 Abs. 4, 33, 38,101,104 GG; vgl. auch Art. 93 Abs. 4a GG) subjektive Rechte des Bürgers ausweist. 9 Wie oben (Zweiter Abschnitt) eingehender dargestellt, war d e r — i m Ergebnis positiv entschiedene—Streit über den subjektiv-rechtlichen Charakter der Grundrechte eines der Schwerpunktthemen der „klassischen" Auseinandersetzung über die „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht". Heute scheint es dagegen beinahe schon ein „interdisziplinärer Ansatz" zu sein, wenn man bei der Beschäftigung mit dieser Lehre die subjektiven Rechte des Verfassungs- und des Verwaltungsrechts in den Blick nimmt. Vgl. zur Notwendigkeit einer Klärung des Verhältnisses von Grundrechten und einfachem Gesetzesrecht auch D. Suhr, Der Staat 9 (1970), S. 550 f. Ii

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Grundrechtsdogmatik außerordentlich problemüberfrachtet 11 und infolge der Generierung immer neuer „Grundrechtsdimensionen" selbst in eine „Krise" 1 2 geraten. Dies rechtfertigt aber nicht die weitgehende Verdrängung der Grundrechte bei der schulmäßigen Beschäftigung mit der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, zumal den Grundrechten für die Dogmatik der „subjektiven Verwaltungsrechte" in wichtigen Regelungsbereichen erheblich größere Bedeutung zukommt als teilweise angenommen wird 1 3 . Ohne zu den damit angesprochenen Problemen abschließend Stellung nehmen zu wollen, sei dies hier nur für zwei mehr oder weniger unumstrittene „Grundrechtsfunktionen" näher dargestellt: Anerkennt man beispielsweise die sog. „derivativen grundrechtlichen Teilhabe- oder Leistungsansprüche" 14, dann erübrigt sich — wenn im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für einen solchen verfassungsrechtlichen Anspruch gegeben sind — insoweit die Suche nach „subjektiven Verwaltungsrechten" bzw. Schutznormen des einfachen Rechts 15 . Ähnliche Zusammenhänge lassen sich auch im Bereich der verfassungsrechtlichen „Abwehrrechte" nachweisen16. Zwar kann man die Grundrechtssätze insoweit als „Schutznormen" verstehen und damit notdürftig in das „System der subjektiven öffentlichen Rechte" einbinden 17 . Abgesehen davon, daß ein derartiges Verständnis schon allein deshalb fragwürdig ist, weil es die ideellen Grundlagen der Grundrechte zugunsten einer rechtspositivistischen Deutung relativiert, stehen in einem durch individuelle Freiheit und Menschenwürde konstituierten Gemeinwesen

10 Die Terminologie ist uneinheitlich. Neben „Grundrechtstheorien" (z.B. K. Kröger , Grundrechtstheorie, 1978) und „Allgemeinen Grundrechtslehren" (z.B. A. Bleckmann , Allgemeine Grundrechtslehren, 1979) finden sich u.a. „Bedeutung" bzw. „Bedeutungsschichten" oder „Funktionen" der Grundrechte, „Grundrechtsverständnis" (z.B. K Hesse, EuGRZ 1978, S. 427 ff.), „Grundrechtsdimensionen" (z.B. F. Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 ff.) sowie „Seiten" und „Aspekte" der Grundrechte (z.B. P. Häberle , ZHR 145 (1981), S. 473 ff.). 11

Charakteristisch hierfür ist, daß schon allein hinsichtlich der Anzahl der Grundrechtslehren keine Einigkeit besteht. So führt beispielsweise E.-W. Böckenförde , NJW 1974, S. 1529 ff. fünf wesentliche Grundrechtstheorien an (liberale, institutionelle, demokratisch-funktionale und sozialstaatliche Grundrechtstheorie sowie Werttheorie der Grundrechte); F. Ossenbühl , NJW 1976, S. 2100 ff. unterscheidet fünf Dimensionen der Grundrechte (Abwehrrechte, wertentscheidende Grundsatznormen, institutionelle Gewährleistungen, Teilhaberechte und Anspruchsgrundlagen) und A. Bleckmann (FN10), S. 155 ff. machte bereits 1979 in der aktuellen Diskussion nicht weniger als zehn (!) unterschiedliche Funktionen der Grundrechte aus. 12 Nachw. oben II. F N 1. 13 Vgl. bereits oben II. 1. bb. ccc. 14 Grundlegend: W. Martens , VVDStRL 30 (1972), S. 7 ff. (S. 21 ff.); vgl. ferner z.B. H. Bethge , Grundrechtskollisionen, 1977, S. 237; J. Schwabe , Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 248 f., 264. Schon 1978 wies K Hesse daraufhin, daß (bestimmte derivative) Teilhabeansprüche „ i n Rechtsprechung und Schrifttum uneingeschränkt anerkannt" seien (EuGRZ 1978, S. 427 ff. (S. 433)). Daß sich derartige Teilhabeansprüche zumindest teilweise unter dem Gesichtspunkt der »„Abwehr 4 einer Ungleichbehandlung" {K Hesse) begründen lassen, sei hier nur am Rande vermerkt. 15

Besonders deutlich wird dies, wenn eine verwaltungsgesetzliche Regelung fehlt. Siehe dazu bereits oben II. 1. bb. ccc. 17 So wohl J. Pietzcker , „Grundrechtsbetroffenheit", in: Festschrift O. Bachof, 1984, S. 131 ff. (S. 140). 16

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jedenfalls gewisse subjektive Fundamentalrechte nicht zur Disposition von wem auch immer, weshalb deren Bestand auch nicht davon abhängen kann, daß sie in die druckergeschwärzte Form von Gesetzesbuchstaben geronnen sind 18 . Die Hinwendung zum Verfassungsrecht läßt außerdem auch die einseitige Aufschlüsselung der menschlichen Grundpositionen nach der „Rechte-Seite" problematisch erscheinen. Denn welche Bedeutung den vom Grundgesetz „höchst stiefmütterlich" behandelten 1 9 und im Umfeld der Konstanzer Staatsrechtslehrertagung von 1982 20 „wiederentdeckten" Grundpflichten auf längere Sicht auch immer zukommen mag — eines dürfte schon heute als Ertrag der „Grundpflichtendiskussion" verbucht werden können, nämlich daß auf der Ebene der Bundesverfassung Pflichten und Pflichtigkeiten bestehen, daß sich die Gesamtbefindlichkeit des Einzelnen im Gemeinwesen also aus Rechten und Pflichten zusammensetzt. Dies findet auch eine gewisse Bestätigung durch die Texte der Länderverfassungen, die teilweise ausdrücklich „Grundrechte und Grundpflichten" 21 ausweisen oder „soziale und wirtschaftliche Rechte und Pflichten" 22 , „öffentliche Pflichten" 23 u.ä. normieren. Geradezu trivial ist schließlich der Hinweis auf die subjektiven Pflichten, wenn das einfache Gesetzesrecht mit in den Blick genommen wird. Angefangen von der detaillierten Ausformung der Steuer- und Abgabenpflicht über strafgesetzlich ausgeprägte Pflichten zu Unterlassungen oder Handlungen bis hin zu Bau-, Pflanz-, Nutzungs-, Abbruch- und Erhaltungspflichten im Baurecht 24 ist das einfache Gesetzesrecht von Pflichten und Pflichtigkeiten des Einzelnen förmlich übersät. Sie dokumentieren, „daß es Rechte nicht ohne Pflichten gibt, ja daß es vornehmlich unsere Pflichten sind, in denen wir die Allgemeinheit unserer sozialen und politischen Existenz erfahren" 25 . Sind es aber Rechte und Pflichten, welche die rechtliche Grundposition des Einzelnen prägen, dann wäre es naheliegender, diese Position nicht durch einseitig verabsolutierte „subjektive öffentliche Rechte", sondern durch Rechte- und Pflichtenverhältnisse, also letztlich durch Rechtsverhältnisse zu erfassen. Aber auch jenseits von diesen mehr verfassungsrechtlichen Überlegungen ist die Welt der subjektiven öffentlichen Rechte „farbenfroher" als die geläufige Behandlung dieser Rechtsfigur vermuten läßt. Erscheinungsformen wie „absolute Rechte und relative Rechte" 26 , „Beherrschungsrechte, Ansprüche und Gestaltungsrechte" 27 , durch Verwal18

In der Literatur wird das subjektive öffentliche Recht teilweise ganz allgemein auf die Menschenwürde zurückgeführt; so z.B. von D. Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 51 f. und H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1985, S. 115. 19 So. T. Maunz, Staatsrecht, 23. Aufl., 1980, S. 117 und im Anschluß an Maunz z.B. D. Merten, BayVBl. 1978, S. 554 ff. (S. 554) sowie R. Stober, Grundpflichten, 1979, S. 15 ff. 20 V. Götz, VVDStRL 41 (1983), S. 7 ff.; H. Hofmann, VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff. 21 So die Überschriften zu Art. 98 ff. bayVerf., Art. 1 ff. bremVerf., Art. 1 ff. rhpfVerf. und Art. 1 saarlVerf. 22 Art. 27 ff. hessVerf. 23 Art. 20 ff. rhpfVerf. 24 Vgl. §§ 39a ff. BBauG. 25 H. Hofmann, VVDStRL 41 (1983), S. 42 ff. (S. 46). 26 Vgl. dazu W. Henke, Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Festschrift W. Weber, 1974, S. 495 ff. (S. 498 ff.). 27 So eine Differenzierung von HJ. Wolff, O. Bachof Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 320 f.

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tungsakt oder verwaltungsvertragliche Vereinbarung begründete 28 subjektive öffentliche Rechte u.ä. werden nämlich in ihrer überaus differenzierten Gesamtheit 29 regelmäßig allenfalls ansatzweise diskutiert. Würde man diese Vielgestaltigkeit berücksichtigen, dann wäre unschwer zu erkennen, daß ein „Einheitsbegriff" für das Insgesamt der subjektiven öffentlichen Rechte zumindest äußerst problematisch ist 3 0 . Zu „eng" ist die herrschende Betrachtungsweise schließlich auch deshalb, weil sie ebenso elementare wie essentielle Anwendungsbereiche des subjektiven öffentlichen Rechts, nämlich die Rechte des Staates gegenüber dem Bürger sowie die Rechte einzelner staatlicher Institutionen oder Verwaltungsträger untereinander 31 , nahezu völlig verdrängt. Wo man sich dieser Rechte überhaupt bewußt ist, gelten sie u.a. entweder als „selbstverständliche Konsequenz der öffentlichen Gewalt, die einer weiteren Erläuterung nicht bedarf' 3 2 , oder sie „interessieren" im Zusammenhang mit dem subjektiven öffentlichen Recht nicht 3 3 : In der Regel wird der Ausdruck „subjektives öffentliches Recht" den „Berechtigungen der Zivilpersonen vorbehalten" 34 . Durch diese Begriffs- und Problemverengung fallen ganze Komplexe subjektiver öffentlicher Rechte aus der „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" heraus. Diese Beispiele dürften ausreichend belegen, daß die vorherrschende u n d insbesondere die a u f die sog. Drittrechte bezogene Beschäftigung m i t dem subjektiven öffentlichen Recht nur Teilausschnitte u n d Teilaspekte dieser Rechtsfigur behandelt. Offenbar ist heute das Bewußtsein dafür verloren gegangen, daß die „ganze S t r u k t u r " des öffentlichen Rechts „ a n allen Punkten v o n dem Geflechte subjektiver Rechte durchzogen i s t " 3 5 . N i m m t m a n dieses Gesamtgeflecht i n den Blick, dann w i r d eine Formenvielfalt an subjektiven Rechten (und Pflichten) sichtbar, die sich m i t dem gängigen Schulbegriff des subjektiven Rechts nicht erfassen läßt u n d deren Probleme nicht über eine Einheitsformel wie etwa das „rechtlich geschützte Individualinteresse" gelöst werden können.

28 Vgl. H.-U. Erichsen, W. Martens , in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, S. 129 ff. (S. 148). 29 Ähnliche Differenzierungen bieten sich nach der „Pflichtenseite" an (z.B. Lasten, Obliegenheiten, Pflichtigkeiten, Rücksichtnahmepflichten, strikte Pflicht); vgl. dazu auch D. Suhr , W D S t R L 41 (1983), S. 134 ff. und ferner — aus zivilrechtlicher Sicht — K. Larenz , Allgemeiner Teil, 6. Aufl., 1983, S. 183 ff. 30

Vgl. dazu auch die Überlegungen von G. Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 ff. (S. 117 f.). 31 Z.B. staatlicher Steueranspruch; subjektive Rechte der Gemeinden, wie sie sich etwa aus Art. 28 I I GG ergeben können; Erstattungsansprüche zwischen Verwaltungsträgern. Im Text des Grundgesetzes ist u.a. von „Rechten " des Bundestages (Art. 44), der Mitglieder der Bundesregierung (Art. 53), der Länder (Art. 70) u.ä. (vgl. auch Art. 93 GG) die Rede. 32 So E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl., 1973, S. 184. 33 Vgl. H. Maurer (FN 18), S. 114. . 34 HJ. Wolff ; O. Bachof(FN 27), S. 299. 35 G. Jellinek , System, 2. Aufl., 1905, S. 8.

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Eine Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, die ihrem Gegenstand gerecht werden will, muß die Gesamtheit der subjektiven Rechte des öffentlichen Rechts ins Auge fassen. Wegen der heute vorherrschenden sektoralen und vornehmlich auf die sog. Drittrechte zugeschnittenen Problemerörterungen kann dieser Anspruch nur im Rahmen einer grundsätzlichen Neukonzeption eingelöst werden. Eine solche Neuorientierung setzte zunächst die Klärung der verfassungstheoretischen Grundlagen des subjektiven Rechts voraus, die vor dem Hintergrund des heutigen Verständnisses von individueller Freiheit und Menschenwürde sowie unter kritischer Auseinandersetzung mit den staatstheoretischen Prämissen der Rechtslehre des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts erfolgen müßte. Im Anschluß daran wären die einzelnen rechtstechnischen Erscheinungsformen des subjektiven Rechts (und der subjektiven Pflichten) herauszuarbeiten. Sodann müßten die subjektiven Rechte und Pflichten in ihrer differenzierten Gesamtheit organisch in das System und in das Institutionengeflecht des Rechts eingebunden werden 36 . Und schließlich wären Bestand und Bedeutung der subjektiven Rechte und Pflichten unter Berücksichtigung der je spezifischen Sachstrukturen in den einzelnen Regelungsbereichen des Rechts auszuloten. Speziell im Hinblick auf die Rechte des Einzelnen bestünde eine der Hauptaufgaben eines solchen Neuansatzes darin, die verbliebenen Reste an Untertanenrechten konzeptionell auf die Höhe des Grundgesetzes zu bringen, sie also durch subjektive Rechte des Bürgers zu ersetzen. In diese Neukonzeption dürften zahlreiche ältere und neuere Vorstellungen eingebracht werden können, die allerdings nicht—wie bisher—„unharmonisch aneinandergestückelt", sondern organisch miteinander verbunden werden müßten. Dies machte eigenständige Untersuchungen von monographischer Länge erforderlich und kann deshalb hier nicht in Angriff genommen werden. Statt dessen können hier nur thesenartig einige Aspekte kurz angerissen werden, die für eine grundsätzliche Neuorientierung von entscheidender Bedeutung sein dürften. 2. Vom allgemeinen Gewaltverhältnis zum allgemeinen Rechtsverhältnis Die „klassische" Konzeption der „subjektiven Rechte des Untertanen" wurzelt in dem auf das Rechtsdenken des 19. Jahrhunderts zurückgehenden allgemeinen Gewaltverhältnis. In der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes hat dieses „allgemeine Gewaltverhältnis" seine Daseinsberechtigung verloren 37 . 36

In der Lehrbuchliteratur wird das „subjektive öffentliche Recht" äußerst uneinheitlich in das System des Verwaltungsrechts eingebunden. Bei F. Mayer, F. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1985 findet es sich beispielsweise im Kapitel „Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung", bei H. Maurer (FN 18) erscheint es als „Grundbegriff des Verwaltungsrechts" und bei E. Forsthoff (FN 32) wird es in dem dem „Verwaltungsrechtsverhältnis" gewidmeten Abschnitt behandelt. 37 So K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 14. Aufl., 1984, S. 113.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Denn in einem Gemeinwesen, das sämtliche Rechtssubjekte 3*, also auch den „Staat" bzw. die staatlichen Organe 39 , dem Recht unterwirft, ist kein Raum für allgemeine „Macht-" oder „Gewaltverhältnisse" 40 : „Es gibt im Rechtsstaat kein ,Gewaltverhältnis', sondern alle Beziehungen zwischen Staat und Bürger sind Rechtsbeziehungen"41. Die Verabschiedung des allgemeinen Gewaltverhältnisses ist aus rechtsethisch-philosophischen42 und verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Das Grundgesetz sieht nämlich in dem Menschen eine selbständige und autonome Rechtspersönlichkeit, die nicht erst durch den Staat „geschaffen" wird 4 3 . Dies kommt vor allem in dem Bekenntnis zur Menschenwürde 44 sowie zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft" 45 zum Ausdruck, hat daneben aber auch in anderem Zusammenhang seinen Niederschlag gefunden; insbesondere mit dem „Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit" 4 6 , mit den von vielfaltigen Pflichtigkeiten, Bindungen und Begrenzungen durchzogenen Grundrechten, mit dem aktiven und passiven Wahlrecht sowie mit der Statuierung gleicher staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten 47 fundamentiert das Grundgesetz die Stellung des Einzelnen als diejenige eines Rechtssubjekts. Nach der verfassungsrechtlichen Grundanschauung ist der Mensch „selbständige sittlich verantwortliche Persönlichkeit", „Träger von Rechten und Pflichten" 4 8 . Dementsprechend orientiert sich das vom Grundgesetz „verfaßte" 49 38 Einem gängigen Sprachgebrauch entsprechend werden die Begriffe „Rechtssubjekt" und „Rechtsperson" hier synonym verwendet. Auf die Differenzierung zwischen den beiden Begriffen, die für eine umfassende Gesamtkonzeption des „subjektiven Rechts" von großer Bedeutung wäre (vgl. E. Denninger , Rechtsperson, 1967, S. 229 ff.) kann hier nicht eingegangen werden. 39

Art. 1 Abs. 3 GG; vgl. auch Art. 20 Abs. 3 GG. Vgl. auch W. Henke , DÖV 1984, S. 1 ff. (S. 2 F N 4). 41 W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 624). 42 Anerkennt man den Menschen als freies und zugleich sozial eingebundenes, mit personaler Würde ausgestattetes Wesen, als Individual- und Sozialperson, dann wäre damit dessen Einbindung in — potentiell sogar unbegrenzte — Macht- oder Gewaltverhältnisse nicht zu vereinbaren. Solche Überlegungen sind freilich bei der „juristischen" Beschäftigung mit dem subjektiven öffentlichen Recht nicht populär und werden deshalb hier nicht weiter verfolgt. 40

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So aber G. Jellinek (FN 35), S. 82 mit bemerkenswerter Veranschaulichung durch die dem Sklaven in früheren Rechtsordnungen fehlende „Personqualität". 44 Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. dazu auch BVerfGE 50, 166 (175): „Subjektqualität" des Menschen. 45 Art. 1 Abs. 2 GG. 46 O. Bachof\ Reflexwirkungen und subjektive Rechte, in: Gedächtnisschrift W. Jellinek, 1955, S. 287 ff. (S. 301). Vgl. auch die ursprüngliche Formulierung von Art. 1 Abs. 1 im Herrenchiemseer Entwurf, JöR 1 (1951), S. 48: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen". 47 Art. 38, 33 GG.

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Menschenbild auch an der eigenverantwortlichen, sich innerhalb der menschlichen Gemeinschaft frei entfaltenden Persönlichkeit 50 . Es versteht den Einzelnen als ein mit der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabtes Individuum 5 1 , nicht dagegen als Untertan einer für ihn sorgenden Obrigkeit oder als „Gegenstand" bzw. „Objekt" staatlichen Handlens 52 . Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung für den Menschen als Rechtsperson ist bei der rechtlichen Erfassung der menschlichen Grundposition im Gemeinwesen an- und hinzunehmen. Wer dennoch nach wie vor mit der Grundkategorie des allgemeinen Gewaltverhältnisses arbeiten und dem Einzelnen Rechtspersönlichkeit nur dann zusprechen wollte, wenn dieser vom Staat hierzu „erhoben" wird 5 3 , setzte sich in Widerspruch zu Art. 1 und 19 Abs. 2 GG sowie zu Art. 79 Abs. 3 GG, der es selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber verwehrt, zumindest Art. 1 GG rechtmäßig zu beseitigen54. Kann das allgemeine Gewaltverhältnis in der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes als dogmatisches Grundgerüst des Rechts nicht fortgeführt werden, so ist nach einer dem geltenden Verfassungsrecht adäquaten Grundfigur zu suchen. Sie findet sich im allgemeinen Rechtsverhältnis 55. Dieses allgemeine Rechtsverhältnis verbindet die Mitglieder des rechtlich verfaßten Gemeinwesen, verknüpft die Bürger mit ihrem Staat und bindet sie zugleich in die Rechtsgemeinschaft ein, ohne daß sich daraus jedoch in der Regel bereits konkrete Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen ableiten ließen. Es handelt sich also um eine abstrakt-theoretische Grundrelation, die bewußt macht, daß sich die Grundbefindlichkeit des Menschen im Gemeinwesen notwendig aus Rechten und Pflichten zusammensetzt, die verbindende Funktion des Rechts unterstreicht und überdies der sozialen Wirklichkeit Rechnung trägt; in der positiv-rechtlich gestalteten Wirklichkeit ist der Einzelne nämlich nicht als isoliertes Rechtssubjekt oder Träger von einseitig-verabsolutierten Rechten anzutreffen, sondern als Rechtsperson in ein wahres Netzwerk von höchst unterschiedlich geprägten konkreten Rechtsverhältnissen mit vielfaltig abgestuften Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen, Forderungen und Verbindlichkeiten, Rücksichtnahmerechten und -pflichten, usw. eingebunden. Das allgemeine Rechtsverhältnis und die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für den Menschen als Rechtsperson verbieten es, einzelne konkrete 48

Vgl. BVerwGE 1, 159 (161). Vgl. D. Suhr, EuGRZ 1984, S. 529 ff. (S. 531). 50 BVerfGE 32,98 (107 f.). Zu der vom BVerfG gleichzeitig betonten Gemeinschaftsgebundenheit und -bezogenheit vgl. etwa BVerfGE 65, 1 (44) m. weit. Nachw. 51 Vgl. BVerfGE 5, 85 (204). 52 Vgl. D. Lorenz (FN 18), S. 51 f. m. zahlr. weit. Nachw. 53 In diesem Sinne aber G. Jellinek ( F N 35), S. 82; vgl. auch ebenda, S. 86 ff. 54 Vgl. K. Hesse (FN 37), S. 114. 55 Vgl. hierzu und zum Folgenden W. Henke, DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 624). 49

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Beziehungen zwischen Rechtssubjekten als Gewalt- oder Machtverhältnisse zu begreifen. Denn wo immer Rechtspersonen — seien es „juristische" oder „natürliche" — in rechtlich relevanter Weise miteinander in Beziehung stehen oder treten, be- oder entstehen Rechtsverhältnisse 56. „Alles Recht ist Relation von Rechtssubjekten" 57 . Nichts anderes gilt für die Beziehungsverhältnisse zwischen der („juristischen") Rechtsperson „Staat" und der Rechtsperson „Bürger", die spätestens seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr durch „staatliche Allmacht", sondern durch das Recht determiniert werden. Dementsprechend kann es sich bei den zwischen diesen Rechtspersonen be- oder entstehenden Relationen nur um solche des Rechts, also um Rechtsverhältnisse handeln 58 . Die wichtigsten Elemente dieser Rechtsverhältnisse sind regelmäßig auf beiden Seiten subjektive Rechte, denen notwendig Pflichten, Beschränkungen und rechtliche Gebundenheiten auf der jeweils anderen Seite entsprechen 59. Oder anders: Ihrer formalen Grundstruktur nach bestehen diese konkreten Rechtsverhältnisse aus wechselseitigen subjektiven Berechtigungen und Verpflichtungen 60 . 3. Die Bedeutung des Rechtsverhältnisses für den „Begriff 66 und die „Konzeption64 des subjektiven öffentlichen Rechts Für sich allein genommen ist das Rechtsverhältnis in erster Linie eine abstrakte rechtsdogmatische Grundform, die der primär theoretisch ausgerich56

Vgl. dazu — aus zivilrechtlicher Sicht — K Larenz ( F N 29), S. 183 ff. G. Jellinek ( F N 35), S. 50. 58 Vgl. dazu auch N. Achterberg , Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 305: „,Allgemeines Gewaltverhältnis 4 wird das Rechtsverhältnis genannt, in dem der Staatsbürger zum Staat steht. Die Bezeichnung ,Gewaltverhältnis' darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich auch bei diesem um ein itec/i^Verhältnis handelt". H. Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, 3. Teil, 1956, S. 37 ff. faßt die den Einzelpersonen durch die Rechtsordnung auferlegte Verpflichtung und die dieser Verpflichtung entsprechende Berechtigung des Staates unter dem Begriff des Rechtsverhältnisses (im weiteren Sinn) zusammen, das er mit dem allgemeinen Gewaltverhältnis gleichsetzt (S. 38). Vgl. ferner N. Achterberg , Rechtstheorie 9 (1978), S. 385 ff. (S. 386 ff.); W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 624); ders ., DÖV 1984, S. 1 ff. (S. 1 f.); ders ., Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 54; F. Mayer , F. Kopp (FN 36), S. 329. 59 U m Mißverständnissen vorzubeugen: Damit wird weder die staatliche Befugnis zur Normsetzung noch die Befugnis zum Tätigwerden durch Verwaltungsakt oder dgl. in Abrede gestellt. Entscheidend ist vielmehr, daß es sich dabei nicht um Macht- oder Gewaltausübung, sondern um /tec/iteausübung handelt. 60 Nach Ansicht von H. Maurer (Fn 18), S. 124 ist das „allgemeine Staat-BürgerVerhältnis ... zwar rechtlich geregelt, aber kein Rechtsverhältnis, da ihm die erforderliche Konkretisierung" fehle. Demgegenüber wird man fragen müssen: Ist es nicht so, daß die Grundrechte zumindest UnterlassungsrecAte des Bürgers darstellen, denen Unterlassungspflichten des Staates korrespondieren, und daß dieses „Rechte- und Pflichtenverhältnis" auch praktisch bedeutsam ist, weil es tagtäglich tausendfach respektiert wird? Und sind nicht umgekehrt die Eingriffsrec/zte des Staates und die ihnen korrespondierenden Duldungspflichten des Bürgers in der täglichen Rechtspraxis ebenso bedeutsam? 57

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teten Erfassung des Beziehungsverhältnisses zwischen Rechtspersonen dient. In der Rechtspraxis stehen dagegen konkrete, normativ und/oder von den Beteiligten autonom 61 gestaltete Rechtsverhältnisse im Mittelpunkt des Interesses. Wesentliche Bestandteile dieser konkreten Rechtsverhältnisse sind regelmäßig ebenfalls subjektive Rechte und Pflichten, die—abhängig von der jeweiligen normativen und/oder autonomen Gestaltung — einen unterschiedlichen Inhalt haben und sich im übrigen auch typologisch 62 unterscheiden. Das subjektive Recht steht danach nicht mehr — wie bisher — als isolierte Rechtsfigur bzw. Anspruchsposition im Raum, sondern wird als integrierter Bestandteil des Rechtsverhältnisses begriffen 63 . Hält man bei der näheren Betrachtung der konkreten Rechtsverhältnisse an der gängigen Unterschiedung zwischen öffentlichem und privatem Recht — über deren Überzeugungskraft hier nicht zu diskutieren ist 6 4 — fest, dann lassen sich diese Rechtsverhältnisse in solche des öffentlichen und solche des privaten Rechts unterteilen. „Öffentlichrechtliche Rechtsverhältnisse" wären demnach Rechtsverhältnisse, die dem öffentlichen Recht zugeordnet sind, also vor allem Verfassungs- 65 und Verwaltungsrechtsverhältnisse. Sie finden sich in unterschiedlicher Ausgestaltung im Staat-Bürger-Verhältnis, daneben aber auch im Verhältnis „öffentlichrechtlicher Rechtssubjekte" untereinander 66 . Die dogmatische Ausrichtung der hier interessierenden „Staat-Bürger-Relation" auf das Rechtsverhältnis als entscheidende Grundkategorie ist keineswegs neu. Sie hat historische Vorläufer 67 und wurde auch während der Epoche des 61 Musterbeispiel für die — innerhalb des gesetzlichen Rahmens — autonom gestalteten Rechtsverhältnisse ist der Vertrag. Vgl. dazu N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, S. 299 f., der zwischen heteronom und autonom determinierten Rechtsverhältnissen unterscheidet. 62 Vgl. N. Achterberg ( F N 61), S. 301 ff. 63 Siehe dazu vor allem W. Henke, DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 623) m. weit. Nachw., der mit Nachdruck dafür plädiert, das „Rechtsverhältnis als Grundlage aller subjektiven Rechte" heranzuziehen; ferner ders., DÖV 1984, S. 1 ff. (S. 1: „Juristische Systematik beginnt mit dem Rechtsverhältnis zwischen Personen."). 64

Zu den umstrittenen Abgrenzungsproblemen siehe etwa O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, 1978, S. 1 ff. und M. Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384 ff. 65 Soweit ersichtlich ist der Begriff „Verfassungsrechtsverhältnis" ungebräuchlich. Der Zugang zu ihm dürfte vor allem durch Status-Vorstellungen versperrt sein, also durch Vorstellungen, die letztlich auf die von G. Jellinek entworfenen „rechtlich relevanten Zustände", in die der Mensch „versetzt" ist ((FN 35), S. 86), zurückgehen. Anders aber etwa W. Henke, DÖV 1984, S. 1 ff., der das Rechtsverhältnis auch für die juristische Systematik der Grundrechte fruchtbar macht. Der Text des Grundgesetzes weist zumindest mit den Grundrechten subjektive Rechte des Bürgers aus, denen staatliche Pflichten korrespondieren, und regelt damit Rechtsverhältnisse. 66 67

ff.).

Siehe dazu N. Achterberg ( F N 61), S. 311 f. Dazu N. Achterberg (FN 61), S. 290 ff.; ders., Rechtstheorie 9 (1978), S. 385 ff. (S. 386

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Rechtspositivismus nie völlig aus den Augen verloren 68 . Als wesentlicher Richtpunkt der Rechtsdogmatik wird das Rechtsverhältnis außerdem in jüngerer Zeit zunehmend in Beiträgen zur Rechtstheorie 69 , zum Verfassungsrecht 70 und insbesondere zum Verwaltungsrecht 71 gefordert oder zumindest diskutiert 72 . Mittlerweile hat das Rechtsverhältnis in ersten Ansätzen auch Eingang in die gerichtliche Entscheidungspraxis gefunden 73 . Ungeachtet der gegenwärtig noch bestehenden Divergenzen lassen sich daraus erste Folgerungen für das subjektive öffentliche Recht ableiten. a) Zum „Begriff

des subjektiven öffentlichen

Rechts

Konsequenzen ergeben sich zunächst für den „Begriff" des subjektiven öffentlichen Rechts. Das subjektive öffentliche Recht wird durch das Rechtsverhältnis zwar nicht — wie N. Achterberg meint 7 4 — „überflüssig", weil es nach der hier verfolgten Konzeption als integrierter Bestandteil und wesentliches Element des Rechtsverhältnisses erhalten bleibt. Die Bedeutung des Rechtsverhältnisses für das subjektive öffentliche Recht zeigt sich vielmehr an ganz anderer Stelle: Durch das Rechtsverhältnis wird das subjektive öffentliche Recht auch für die Erfassung von Rechten des Staates bzw. „öffentlichrechtlicher Rechtssubjekte" gegenüber dem Bürger geöffnet 75 . 68

Vgl. oben Zweiter Abschnitt. Insbesondere N. Achterberg , Rechtstheorie 9 (1978), S. 385 ff.; dersDie Rechtsordnung als Rechtsverhältnisordnung, 1982; W. Henke , DÖV 1980, S. 621 ff. 70 W. Henke , DÖV 1984, S. 1 ff. 71 Z.B. O. Bachof, VVDStRL 30 (1972), S. 193 ff. (S. 231: „Wenn ein Begriff und wenn ein Institut eine beherrschende, meinetwegen auch,zentrale' Stellung im Verwaltungsrecht einzunehmen verdient, so ist es das Rechtsverhältnis ..."); P. Häberle , Verwaltungsrechtsverhältnis, in: Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248 ff.; W. Henke , VVDStRL 28 (1970), S. 149 ff. (S. 156 ff.); P. Krause , Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 109 ff.; W. Rüfner , VVDStRL 28 (1970), S. 187 ff. (S. 215 f.). 72 Vgl. auch P. Badura, WiVerw 1978, S. 137 ff. (S. 137: „Subventionsverhältnis" als Grundlage von „gegenseitigen Rechten und Pflichten"). W. Henke , Recht der Wirtschaftssubventionen, 1979, S. 5 ff.; J. Martens , NJW 1985, S. 2302 ff. (S. 2303, 2307); ders ., Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, 1985, S. 16,24 ff.; W. Martens , DÖV 1982, S. 89 ff. (S. 89, 96: Vom „bipolaren zum trigonalen Polizeirechtsverhältnis"); E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht, 1982, S. 23 f.; K Tipke , Steuerrecht, 10. Aufl., 1985, S. 123 ff. (Steuerrechtsverhältnis); R. Wahl , JuS 1984, S. 577 ff. (S. 577 ff.: Mehrseitige Verwaltungsverhältnisse im Baurecht); H.F. Zacher , VVDStRL 25 (1967), S. 308 ff. (S. 325: Subventionsrechtsverhältnisse). 69

73 VGH Kassel, NJW 1977, S. 455; BVerwG, NJW 1981, S. 359 ff. (S. 360); vgl. ferner BFHE 91,351 (359 f.). 74 AaO (FN 61), S. 313, der statt dessen offenbar mit dem Begriff der „Berechtigung" arbeiten will. 75 Nach der hier vertretenen Konzeption ist das subjektive öffentliche Recht im übrigen nicht auf das Staat-Bürger-Verhältnis beschränkt, sondern erfaßt auch subjektive Rechte zwischen „öffentlichrechtlichen Rechtssubjekten".

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Das steht im Gegensatz zum gängigen Schulbegriff des subjektiven Rechts, der die „subjektiven öffentlichen Rechte des Staates" in Abrede stellt, verdrängt oder ausblendet 76 , ist aber eine logische Folge des Rechtsverhältnisses. I m übrigen ist die Anerkennung von subjektiven öffentlichen Rechten des Staates in den letzten Jahren wiederholt befürwortet worden 77 . Sie hat überdies eine gewisse Tradition 78 , mögen diese Rechte durch das allgemeine Gewaltverhältnis auch häufig überlagert worden sein. Von der allgemeinen (verwaltungsrechtlichen) Diskussion wird dies freilich viel zu wenig zur Kenntnis genommen; insbesondere scheint an ihr weitgehend spurlos vorübergegangen zu sein, daß das „allgemeine Gewaltverhältnis" zusammen mit den ihm anhaftenden Vorstellungen in einer ebenso klassischen wie elementaren Staat-Bürger-Beziehung, nämlich dem Steuerrechtsverhältnis, von führenden Autoren längst in die Vergangenheit verwiesen wurde 79 . Immerhin dürften aber die im Vordringen begriffene Figur des Verwaltungsrechtsverhältnisses 80 und die — jetzt auch gesetzlich vorgesehene 81 — Möglichkeit des öffentlichrechtlichen Vertrages 82 den Blick dafür schärfen, daß das subjektive öffentliche Recht nicht mehr länger nur als Bezeichnung für Rechtspositionen der „Zivilpersonen" vorbehalten bleiben kann. Folge hiervon ist, daß all jene „Definitionen" nicht mehr überzeugen können, die das subjektive öffentliche Recht als „rechtlich geschützdeuten — die theoretischen Grundlagen der Schutztes Individualinteresse" normtheorie geraten dadurch ins Wanken. 76

Vgl. oben bei F N 32, 33 und 34. So z.B. von W.-R. Schenke, Rechtsschutz, 1979, S. 232 ff.; J. Schapp, Das subjektive Recht, 1977, S. 154 ff.; W. Henke, DÖV1980, S. 621 ff. (S. 622 ff.); J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, 1985, S. 16. 77

78 Vgl. an dieser Stelle nur O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 6 f.; R. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 607 ff. (S. 623) und W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 203 f. 79 Besonders akzentuiert K. Tipke (FN 72), S. 123: „Wer das Steuerrechtsverhältnis heute noch als Gewaltverhältnis qualifiziert, hat entweder keinen Überblick über diese Materie oder geht von einem spezifischen Gewaltverhältnis aus, das er dann zur Vermeidung von Begriffsverwirrung erläutern sollte". Vgl. auch BFHE 91, S. 351 (S. 359 f.). 80

Nachw. oben in F N 71 und 72. §§ 54 ff. VwVfG. 82 Der öffentlichrechtliche Vertrag wird z.B. von H. Maurer (FN 18), S. 281 erklärt als „Vertrag, der verwaltungsrechtliche Rechtsverhältnisse zum Gegenstand hat, der verwaltungsrechtliche Rechte und Pflichten begründet, ändert oder aufhebt"; ähnlich F. Kopp, VwVfG, 3. Aufl., 1983, Rdnr. 7 zu § 54: Verträge, „die auf eine Ausgestaltung öffentlichrechtlicher Verpflichtungen oder Berechtigungen abzielen, insb. Pflichten und Rechte in Über- und Unterordnungsverhältnissen durch vertragliche Regelungen ersetzen, abändern, ergänzen oder näher bestimmen". Auch wenn der Begriff vermieden wird — was anderes als subjektive Rechte sollen diese „verwaltungsrechtlichen Rechte" oder „Berechtigungen" darstellen? Bei H. Meyer, H. Borgs-Maciejewski, VwVfG, 2. Aufl., 1982, Rdnr. 3 zu § 61, ist dementsprechend konsequent von einem „Anspruch" der Behörde „gegen den privaten Vertragspartner" die Rede. 81

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Vor diesem Hintergrund werden zugleich aber auch solche Begriffsbestimmungen des subjektiven öffentlichen Rechts fragwürdig, die auf „Macht", „Willensmacht", „Rechtsmacht", „rechtliches Können", „rechtliches Dürfen" u.ä. abstellen. Abgesehen davon, daß sich mit diesen Erklärungsansätzen sehr unterschiedliche Vorstellungen verbinden, können derartige abstrakt-allgemeine Begriffe — wie vor allem K. Larenz für das Zivilrecht nachgewiesen hat 8 3 — weder die vielgestaltigen Erscheinungsformen der in Rechtsverhältnisse eingebundenen subjektiven Rechte überzeugend abbilden noch den Sinn oder die Bedeutung des subjektiven Rechts in der rechtlich gestalteten Wirklichkeit aussagekräftig verdeutlichen. Durch ihre Farblosigkeit verdecken sie die sich hinter ihnen verbergende Vielfältigkeit an subjektiven Rechten 84 . In Wahrheit läßt sich das subjektive Recht als Inbegriff sämtlicher Erscheinungsformen subjektiver Rechte nicht in das Korsett einer in sich abgeschlossenen Einheitsdefinition zwängen 85 . Das subjektive Recht kann vielmehr nur ein „offener", ausfüllungsbedürftiger und verschiedenen inhaltlichen Variationen zugänglicher „Rahmenbegriff" sein, der besagt, daß jemandem „etwas—und zwar etwas jeweils Bestimmtes — rechtens zukommt oder gebührt" 86 , wobei es sich bei dem Etwas um sehr Verschiedenes handeln kann wie etwa um Achtung oder NichtVerletzung der eigenen Person, um die Verfügung über Persönlichkeitsgüter, um Handlungsspielräume, um Leistung, um ein bestimmtes Verhalten und die Möglichkeit einseitiger Gestaltung eines Rechtsverhältnisses oder um die Mitwirkung an der Willensbildung einer Körperschaft oder Personenmehrheit 8 7 . b) Zur „Konzeption " des subjektiven öffentlichen

Rechts

Konsequenzen ergeben sich aus dem Rechtsverhältnis zum anderen auch für die „Konzeption" des subjektiven öffentlichen Rechts: Die Entscheidung für das Rechtsverhältnis als Grundlage aller subjektiven Rechte führt erstens dazu, daß bei der Ermittlung von subjektiven öffentlichen Rechten nicht — wie bisher — primär auf eine isolierte Anspruchsposition des Bürgers und mehr oder weniger spekulativ ermittelte Schutzzwecke, sondern auf die wechselseitige Beziehung zwischen den an dem Rechtsverhältnis Beteiligten abgestellt wird. Dies ermöglicht eine verstärkte Ausdifferenzierung der beiderseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Sachstrukturen und der jeweiligen konkreten Situationen 88 .

83 Zur Struktur „subjektiver Rechte", in: Festgabe J. Sontis, 1977, S. 129 ff. (S. 146 ff.); vgl. auch J. Schopp (FN 77), S. 88. 84 Vgl. K Larenz (FN 83), S. 147. 85 Siehe hierzu auch die Überlegungen von G. Ress (FN 30), S. 118 zu den subjektiven öffentlichen Rechten der Einzelnen unter Bezugnahme auf K Larenz. 86 Vgl. K. Larenz ( F N 83), S. 147 f.; G. Ress (FN 30), S. 118 f. 87 Vgl. auch hierzu wiederum K. Larenz ( F N 83), S. 147 f. und G. Ress ( F N 30), S. 119.

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Dadurch wird gleichzeitig auch die Basis für die Erarbeitung etwa von „Pflichten zu wechselseitiger Rücksichtnahme" oder zur „Achtung der berechtigten Belange des anderen Teils" 89 oder von wechselseitigen „Treuepflichten" 90 geschaffen, die im Gegensatz zur herrschenden Konzeption des „Alles oder Nichts" eine „Ausbalancierung" der gegenseitigen Rechte und Pflichten zulassen. Das Rechtsverhältnis bietet zweitens die Chance, sich von dem bisher vorherrschenden, im gedanklichen Ansatz ausschließlich „eindimensionalen" Verständnis des Staat-Bürger-Verhältnisses zu entfernen. Denn die herkömmliche Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht beruht auf der prinzipiell zweiseitigen Beziehung zwischen Staat und Bürger, also einer Relation, an der nur der Staat und der einzelne Bürger beteiligt sind: Da sich das subjektive öffentliche Recht des Einzelnen „ i n der Beziehnug des Individuums zum Staate erschöpft, so ist in ihm kein Moment enthalten, welches unmittelbar ein Verhältnis zu anderen subjizierten Persönlichkeiten hervorrufen könnte" 9 1 . Bei einer solchen Konzeption haben „Drittrechte" zwangsläufig den Charakter eines „Fremdkörpers" 92 , bereitet die Einbindung der Drittrechte in das Gefüge des öffentlichen Rechts zwangsläufig kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Dieses Grundverständnis steht in einem auffalligen Widerspruch zur heutigen Rechtswirklichkeit, in der „Drittklagen" längst zum Alltag der Verwaltungsgerichte gehören und sogar einen beträchtlichen Teil der verwaltungsgerichtlichen Praxis ausfüllen 93 . Es läßt sich außerdem nicht recht vereinbaren mit der Einsicht, daß Normen des öffentlichen Rechts und Verwaltungsentscheidungen teilweise auch Konflikte zwischen „privaten Interessen" entscheiden94, zum Teil sogar subjektive Rechte des Privatrechts „abschneiden" oder umformen 95 . Es ist weiter nicht recht verträglich mit der Feststellung, daß etwa bei Baunachbarklagen — sieht man von der prozessualen Konstruktion ab — „dem Rechtsstreit eigentlich nur eine Auseinandersetzung zwischen Nachbarn zugrunde" 96 liegt. 88

Vgl. H. Maurer ( F N 18), S. 127. Siehe z.B. H. Paulick, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, 3. Aufl., 1977, S. 203 zum Steuerrechtsverhältnis. Vgl. auch W. Hoffmann-Riem, W D S t R L 40 (1982), S. 187 ff. (S. 217 f.: Mehrpolige Verwaltungsrechtsverhältnisse, die mehrpolige Rücksichtnahmen absichern). 90 Vgl. P. Häberle ( F N 71), S. 254 zum Verwaltungsrechtsverhältnis. 91 G. Jellinek (FN 35), S. 51. 92 Noch 1959 bezeichnete K. Redeker, NJW 1959, S. 749 ff. (S. 751) die Nachbarklage als einen „Fremdkörper" im Verwaltungsprozeßrecht. 93 Vgl. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 577). 94 Vgl. J. Schapp, Nachbarrecht, 1978, S. 31 ff. und U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 44 ff. m-. weit. Nachw. 95 Vgl. etwa §§ 10 Abs. 3 Satz 3,14 BImSchG; § 7 Abs. 6 AtomG; § 17 Abs. 6 FStrG. 96 BVerfGE 35,263 (271); ähnlich U. Berger ( F N 94), S. 95 („im Grunde genommen ein Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen"). Nach Ansicht von G. Schwerdtfeger, NVwZ 89

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Und dieses Grundverständnis paßt schließlich auch nicht recht zusammen mit der im modernen Interventionsstaat der Gegenwart immer mehr an Bedeutung gewinnenden allgemeineren Erwägung, daß der Staat in vielen Fällen nicht dem einen Bürger etwas „geben" kann, ohne dem anderen etwas zu „nehmen" 9 7 , bzw. daß bei staatlichem Handeln jedenfalls in Teilbereichen des Rechts der Vorteil des einen zumindest potentiell der Nachteil des anderen ist 9 8 . Eine Dogmatik, die nicht einseitigen Betrachtungen Vorschub leisten will, muß diese Rechtserscheinungen konzeptionell berücksichtigen. Auch insoweit bietet die „Integration" des subjektiven öffentlichen Rechts in Rechtsverhältnisse gegenüber der „herrschenden" Lehre entscheidende Vorteile. Anders als das herkömmliche subjektive öffentliche Recht ist die Dogmatik des Rechtsverhältnisses nämlich nicht exklusiv auf die zweiseitige Relation Staat-Bürger bezogen. M i t den drei- und mehrpoligen Rechtsverhältnissen 99 hält sie vielmehr Grundfiguren bereit, die ohne vorschnelle Blickverengung auf die Rechtspositionen eines Beteiligten eine sachangemessene Bestimmung der Rechte (und Pflichten) aller Beteiligten ermöglichen. M i t diesen drei- und mehrpoligen Rechtsverhältnissen wird also der Weg zu einer übergreifenden und integrierenden Betrachtung des gesamten Rechtsverhältnisses geebnet. 4. Zur Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte, dargestellt insbesondere am Beispiel des materiellen öffentlichen Baunachbarrechts Das Rechtsverhältnis als solches besagt noch nichts über die „Poligkeit" konkreter Rechtsverhältnisse in den einzelnen Regelungsmaterien des Rechts und über die sich aus ihnen im konkreten Anwendungsfall ergebenden Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen. Form und Inhalt der konkreten Rechtsverhältnisse bestimmen sich vielmehr nach den jeweils zugrundeliegenden gesetzlichen und sonstigen Vorschriften, nach allgemeinen Rechtsgrundsät-

1982, S. 5 ff. (S. 7) ist es „nicht der Staat, sondern der Bauherr, welcher in das Eigentum des Dritten eingreift". 97 Vgl. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 578). 98 So M. Zuleeg , Subventionskontrolle, 1974, S. 26 zum Subventionsrecht. 99 Vgl. dazu etwa N. Achterberg (FN 61), S. 295 f.; U. Berger (FN 94), S. 48 (dreipolige Rechtsverhältnisse im öffentlichen Nachbarrecht); P. Häberle ( F N 71), S. 262 („mehrseitige", „polygonale" Verwaltungsverhältnisse); W. Hoffmann-Riem , VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff. (S. 217 f.); W . Martens , DÖV1982, S. 89 ff. (S. 89,96: „trigonales Polizeirechtsverhältnis"); E. Schmidt-Aßmann (FN 72), S. 26 („Mehrpolige Verwaltungsverhältnisse"); ders., VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff. (S. 236: „polygonale Verwaltungsverhältnisse, in denen subjektive Rechte auch untereinander in Frontstellung stehen"); R. Scholz , VVDStRL 34 (1976), S. 145ff. (S. 157: „Zwischen den von mehrseitig wirksamen Verwaltungsmaßnahmen betroffenen Bürgern entwickeln sich — wie im ,Planungsverbund', Nachbarschutz, Konkurrentenschutz usw. — verwaltungsrechtlich vermittelte Rechtsbeziehungen, die die für den Verwaltungsrechtsschutz evidente, individúale StaatBürger-Beziehung relativieren."); R. Wahl , JuS 1984, S. 577 ff. (S. 577 f.).

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zen 1 0 0 und — etwa im Fall des öffentlichrechtlichen Vertrages — auch nach den zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen. Bestand und Inhalt der subjektiven öffentlichen Rechte (und Pflichten) bleiben damit von der normativen — und gegebenenfalls autonomen — Gestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses abhängig, in das sie eingebunden sind. Dementsprechend ist bei der Ermittlung konkreter Einzelberechtigungen auf die jeweils einschlägigen Normen — und gegebenenfalls auf die getroffenen Vereinbarungen — abzustellen. Insoweit wäre es jedoch verfehlt anzunehmen, daß sich die konkreten Einzelrechte im Prozeß der Rechtsfindung allein aus einem Gesetzesparagraphen oder Paragraphensplitter ableiten ließen, wie dies die „Schutznormtheorie" glauben macht. Denn die für eine konkrete Berechtigung eines Rechtssubjekts maßgebende Rechtsnorm besteht regelmäßig nicht nur aus einer einzigen Vorschrift, sondern ergibt sich aus einer mehr oder weniger großen Zahl von Normen des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts 101 , ganz abgesehen davon, daß bei der Norminterpretation häufig auch Elemente des Sachverhalts verwertet werden 102 und verwertet werden müssen 103 . Die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte erhält dadurch eine andere Ausrichtung. Sieht man von den Rechtsbeziehungen zwischen dem Bürger und dem Staat als Gesetzgeber a b 1 0 4 , dann zeichnen sich die zwischen dem Staat (als 100 Ygi allgemein zur Bedeutung von Rechtsgrundsätzen etwa W. Henke, DÖV 1984, S. 1 ff. (S. 6 ff.) m. weit. Nachw. 101 So zutreffend J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, 1985, S. 26 m. weit. Nachw. 102 Damit werden Grundfragen der jüngeren (vor allem verfassungsrechtswissenschaftlichen) Methodendiskussion berührt, die hier nicht vertieft werden können. In Erinnerung gerufen sei lediglich der u.a. von F. Müller erbrachte Nachweis, daß in der Rechtspraxis in unterschiedlichem Zusammenhang und in unterschiedlichen Ausprägungen Sachverhaltselemente bei der Rechtsfindung berücksichtigt werden (Normbereiche von Einzelgrundrechten, 1968; vgl. auch ders., Arbeitsmethoden des Verfassungsrechts, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 1977, S. 508 ff). Zu verschiedenen Ansätzen der Einbindung von Aspekten der sozialen Wirklichkeit in den Prozeß der Rechtsgewinnung siehe z.B. die Konzeption des Normbereiches von F. Müller (Normstruktur und Normativität, 1966; Positivität der Grundrechte, 1969; Juristische Methodik, 2. Aufl., 1976) und M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl., 1976. Vgl. ferner B. Schlink, Der Staat 19 (1980), S. 73 ff. (insbes. S. 103 ff). 103 Besonders anschaulich ist das Zusammenspiel von „Norm" und „Sachverhalt" schon bisher bei der Konturierung des Rücksichtnahmegebotes in der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis. Nach dieser Rechtsprechung hat das Gebot der Rücksichtnahme „bei einem Hinzutreten besonderer, die Pflicht zur Rücksichtnahme qualifizierender und damit zugleich individualisierender Umstände" drittschützenden Charakter (BVerwGE 52, 122 (130)). 104 Die verbreitete Deutung des subjektiven öffentlichen Rechts als „Recht gegenüber dem Staat" ist in dieser Allgemeinheit viel zu undifferenziert, weil beispielsweise der Inhalt der durch die Grundrechtsnormen vermittelten subjektiven Rechte der Bürger gegenüber dem Staat als Gesetzgeber nicht identisch ist mit dem Inhalt dieser Rechte in ihrer

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Verwaltung) u n d den Bürgern be- oder entstehenden Rechtsverhältnisse nämlich regelmäßig dadurch aus, daß sie durch das gesamte öffentliche Recht, also durch das Verwaltungsrecht und das Verfassungsrecht determiniert s i n d 1 0 5 . D i e (auch) verfassungsrechtliche Determination dieser Rechtsverhältnisse ist durch die Grundentscheidung für den Menschen als Rechtsperson 1 0 6 u n d durch den Vorrang der Verfassung 1 0 7 , der die Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts f u n d a m e n t i e r t 1 0 8 , dogmatisch vorgegeben. Sie hat i n den einzelnen Sachu n d Regelungsbereichen einen unterschiedlichen I n h a l t , ist v o n unterschiedlicher Intensität u n d t r i t t vielfach hinter dem einfachen Recht so stark zurück, daß sie k a u m wahrgenommen w i r d — i m N o r m a l f a l l ist sie aber v o r h a n d e n 1 0 9 : Bei vielen konkreten Einzelberechtigungen sind Verfassungsrecht u n d Verwaltungsrecht regelrecht ineinander v e r z a h n t 1 1 0 . I n anderen Fällen ordnet der Wendung gegenüber der Verwaltung. Auch im Verhältnis zur Verwaltung sind die StaatBürger-Beziehungen in den einzelnen Regelungsbereichen des Rechts unterschiedlich geprägt und strukturiert. 105 U m auch an dieser Stelle wiederum Mißverständnissen vorzubeugen: Dies ist kein Plädoyer für die Einebnung des Rangunterschiedes zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sondern für eine sachangemessene und durch das Rechts- und Ordnungsgefüge vorgegebene Erfassung der subjektiven Berechtigungen und Verpflichtungen, wie die sogleich im Text angeführten Beispiele belegen mögen. Im übrigen ist auch für die „herrschende" Meinung bei wichtigen Detailfragen das „Ineinandergreifen" von Verfassungs- und Verwaltungsrecht Selbstverständlichkeit — so etwa, wenn man zwar an der Voraussetzung des „.zwingenden Rechtssatzes" festhält, im unmittelbaren Anschluß daran aber das Merkmal „zwingend" unter Hinweis auf „verfassungsrechtliche Bindungen" relativiert, oder wenn man zwar an der Voraussetzung „Rechtsmacht" festhält, den Nachweis dieser Rechtsmacht aber unter Hinweis auf „Art. 19 Abs. 4 G G in Verbindung mit den übrigen das Staat-Bürger-Verhältnis regelnden Verfassungsbestimmungen" für entbehrlich hält (so z.B. H-U. Erichsen, W. Martens (FN 28), S. 149 f.). 106

Dazu oben 2. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG. 108 Dazu R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff. (S. 403). 109 Nicht ohne Grund zeichnen sich die jüngeren Bemühungen um das subjektive öffentliche Recht zumeist durch eine verstärkte Akzentuierung des Verfassungsrechts aus (vgl. oben II.), mögen dabei auch unterschiedliche Wege beschritten werden. 110 Darf etwa in ein Freiheitsrecht „nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden" (z.B. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG), dann vermittelt die Grundrechtsnorm einen Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen, dem eine entsprechende Unterlassungspflicht der Verwaltung korrespondiert—es handelt sich hierbei um eine ausschließlich verfassungsrechtliche Rechte- und Pflichtenkorrelation. Ist ein verfassungsmäßiges Eingriffsgesetz vorhanden, so ist die Verwaltung unter den dort genannten Voraussetzungen zwar zu Eingriffen berechtigt und der Bürger zur Duldung dieser Eingriffe verpflichtet; die verfassungsrechtliche Grundrelation wird dadurch aber nicht „außer Kraft gesetzt". Da Eingriffsberechtigung und Duldungsverpflichtung nach Voraussetzung, Art und Umfang (verwaltungs-) gesetzlich festgelegt sind, wird das Rechtsverhältnis vielmehr durch das Verfassungsrecht und das Verwaltungsrecht determiniert: Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen besteht nach Maßgabe des (verfassungsmäßigen) Eingriffsgesetzes — ein Anspruch, der beispielsweise dann praktisch wird, wenn die Verwaltung ihre Eingriffsbefugnisse ausübt, ohne daß die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. 107

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Grundgesetztext selbst ausdrücklich an, daß der „Inhalt" der verfassungsrechtlichen Berechtigung durch das einfache Gesetzesrecht bestimmt w i r d 1 1 1 oder geregelt werden kann 1 1 2 . Zum Teil werden konkrete Berechtigungen dogmatisch unter gleichzeitiger Heranziehung von Verfassungsrecht, Rechtsgrundsätzen und Verwaltungsvorschriften bzw. einer Verwaltungsübung begründet 113 . Teilweise enthält das Verfassungsrecht Vorgaben für die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die dogmatisch wiederum auf verschiedenen Wegen „umgesetzt" werden 114 und darüber hinaus in den einzelnen Rechtsgebieten unterschiedliche praktische Bedeutung erlangt haben. A l l dies sind Beispiele für subjektive öffentliche Rechte, die mit dem verbreiteten „Entweder subjektive Verfassungsrechte — Oder subjektive Verwaltungsrechte" nicht vollinhaltlich erfaßt werden können, deren konkreter Inhalt vielmehr nur durch eine gleichzeitige, integrierende Betrachtung von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht bestimmt werden kann 1 1 5 . Die Bedeutung dieses in seinen Einzelausprägungen äußerst komplexen Zusammenspiels von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht für die subjektiven öffentlichen Rechte läßt sich nicht auf eine allgemeingültige Formel zurückführen, es sei denn, man verständigte sich auf so vage und für die konkrete Rechtsfindung wenig geeignete Überlegungen wie „verfassungsrechtliche Einwirkungen auf das einfache Recht" oder „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht". Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Determination konkreter Rechtsverhältnisse ist im klassischen Eingriffsrecht anders zu beantworten als im klassischen Leistungsrecht oder in den verschiedenen Problembereichen der sog. „Drittrechte", die so unterschiedliche Rechtsmaterien wie das Gewerberecht, das Umweltrecht, das Steuerrecht und das Baurecht betreffen. Und selbst wenn die verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Eingriffsberechtigung vorliegen, kann sich im Einzelfall etwa aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung der Verwaltung ergeben, ihre an sich bestehende Berechtigung zum Eingriff nicht auszuüben. Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht sind hier mehrfach ineinander verschränkt. Ähnliche Zusammenhänge lassen sich nachweisen, wenn in Grundrechtsbereichen mit der gesetzlichen Regelungstechnik des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gearbeitet wird. 111

Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Art. 12 Abs. 1 GG. 113 So etwa bei dem unter im einzelnen näher bestimmten Voraussetzungen bejahten „Anspruch auf Subventionierung", für die keine spezielle gesetzliche Grundlage besteht; vgl. A, Bleckmann, Subventionsrecht, 1978, S. 73 ff. m. weit. Nachw. 114 Z.B. BVerwGE 1, 159 (Begründung des Fürsorgeanspruchs unter eingehender Beschäftigung mit den „Leitgedanken des Grundgesetzes"); BVerfGE 53, 30 (62 ff.: Begründung subjektiver „Drittrechte" im Atomrecht unter Hinweis auf den „Grundrechtsschutz durch Gestaltung des Verfahrensrechts"). 115 Damit wird selbstverständlich nicht in Abrede gestellt, daß es zwischen Verwaltung und Bürger auch Rechtsverhältnisse gibt, die ausschließlich durch das Verfassungsrecht determiniert sind; vgl. dazu etwa das Beispiel oben in F N 110. 112

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Dennoch w i r d durch die gleichzeitige, integrierende Betrachtung v o n Verfassungsrecht u n d Verwaltungsrecht die E r m i t t l u n g konkreter Einzelberechtigungen i m allgemeinen anders gesteuert als bisher. Sie setzt nämlich zunächst am Verfassungsrecht an, u m die verfassungsnormativen Aussagen zu dem jeweiligen konkreten Rechtsverhältnis zu bestimmen u n d trägt damit dem v o n der „herrschenden" Lehre teilweise schlichtweg m i ß a c h t e t e n 1 1 6 Rangverhältnis v o n Verfassung u n d Gesetz R e c h n u n g 1 1 7 . Erst i m Anschluß daran n i m m t sie die verwaltungsnormativen Aussagen zu dem jeweiligen konkreten Rechtsverhältnis i n den Blick. Bei Fehlen entsprechender gesetzlicher Regelungen bestimmen sich die konkreten Einzelberechtigungen ausschließlich nach dem Verfassungsrecht. Ist ein entsprechendes Gesetz vorhanden u n d trifft dieses Gesetz klare Aussagen über Bestand u n d I n h a l t der konkreten Einzelberechtigungen, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, dann ist das einfache Recht maßgebend; insoweit bleibt also die Berechtigung des Gesetzgebers zur Gestaltung des Rechts u n d d a m i t auch der subjektiven Rechte u n d Pflichten unangetastet 1 1 8 . Enthält das Gesetz dagegen diesbezüglich keine klaren Aussa116 Siehe dazu nur die Kritik von A. Randelzhof er, BayVBl. 1975, S. 573 ff. (S. 575 m. Nachw.). 117 Soweit man sich in der Literatur um eine verstärkte verfassungsrechtliche Einbindung der „Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht" bemüht, wird zumeist ein anderer Weg beschritten. So z.B. H. Maurer (FN18), S. 120 f.: „ I m Blick auf den Anwendungsvorrang der Gesetze... ist es richtig, wenn zunächst einmal die einschlägigen Rechtsvorschriften überprüft werden, ob sie dem Individualinteresse dienen sollen und damit subjektive Rechte begründen. Fällt der Befund negativ aus, müssen die Grundrechte herangezogen werden. Gewähren sie im konkreten Fall Abwehrrechte, dann ist — j e nach Gesetzeslage — die (noch zweifelhafte) Rechtsvorschrift verfassungskonform auszulegen, die (eindeutig individualschutzverneinende) Rechtsvorschrift als verfassungswidrig zu behandeln oder (bei Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelung) direkt auf das in Betracht kommende Grundrecht zurückzugreifen." Im gedanklichen Ansatz ähnlich etwa O. Tschira, W. Schmitt Glaeser ( F N 3), S. 92 unter Berufung auf R. Scholz : Zunächst ist zu fragen, ob die tatsächliche Begünstigung durch den Rechtssatz nach Wortlaut, Sinn und Zweck auch dem (objektivierten) Willen des Gesetzgebers entspricht. Muß diese Frage negativ beantwortet werden oder bleiben Zweifel, so ist nunmehr (!) auf den hinter oder über der Gesetzgebung stehenden (Verfassungs-)Rechtskreis zurückzugreifen und zu prüfen, ob dessen Wertentscheidungen die Anerkennung eines subjektiven öffentlichen Rechts verlangen. Bei konsequenter Durchführung hätte dies beispielsweise für den klassischen polizeilichen Eingriff zur Folge, daß zunächst danach gefragt werden müßte, ob die einschlägigen Polizeirechtssätze auch „den Individualinteressen dienen sollen" bzw. ob die „tatsächliche Begünstigung durch den Rechtssatz" dem (objektivierten) Willen des Gesetzgebers entspricht. Erst im Anschluß daran wäre gegebenenfalls auf die Grundrechte bzw. auf den Verfassungsrechtskreis zurückzugreifen. Solche Kuriositäten werden nur deshalb nicht bewußt, weil man nicht die Gesamtheit der subjektiven Rechte im Blick hat, sondern die „Drittrechte", weil unter der umfassenden Überschrift „subjektives öffentliches Recht" also nur ein—aufs Ganze gesehen—kleiner Teilbereich der subjektiven Rechte behandelt wird. 118 Die (auch) verfassungsrechtliche Determination der konkreten Rechtsverhältnisse kommt dadurch freilich nicht in Wegfall, sondern tritt durch die verfassungsmäßige

III. Bausteine für eine Neuorientierung

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gen, so sind die konkreten Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen — jenseits der Theoreme der Schutznormdoktrin — unter gleichzeitiger Heranziehung von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht zu ermitteln. In diesen Fällen dürfte die hier verfolgte Konzeption in manchen Teilbereichen des Rechts gegenüber dem bisherigen Rechtszustand zu einer „Ausweitung" subjektiver Rechte der Bürger führen. Dem Gesetzgeber bleibt es jedoch unbenommen, diese Rechte durch Rechtsänderung umzuformen oder neu zu gestalten, sofern er sich hierbei innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen bewegt 119 . Diese Konzeption berücksichtigt zugleich ein rechtspolitisches Anliegen, das darauf zielt, daß der Gesetzgeber die sich aus den konkreten Rechtsverhältnissen ergebenden Rechte und Pflichten unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben wenigstens in den „wesentlichen" Grundzügen selbst verbindlich regelt 120 — mit dem Festhalten an der „Schutznormtheorie" wird es nämlich dem Gesetzgeber immer wieder zu leicht gemacht, sich aus der Verpflichtung zu klaren Aussagen über die sich aus den konkreten Rechtsverhältnissen ergebenden Berechtigungen und Verpflichtungen „herauszustehlen" und statt dessen der Verwaltungsgerichtsbarkeit „den Schwarzen Peter" zuzuschieben. Die praktischen Konsequenzen der hier vorgeschlagenen konkreten, Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht integrierenden Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte können nur exemplarisch für eine besonders umstrittene Regelungsmaterie, nämlich für das materielle öffentliche Baunachbarrecht 121 unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich geschützten Grundeigentums verdeutlicht werden:

„Konkretisierung" im einfachen Gesetzesrecht lediglich in den Hintergrund. Bei verfassungsmäßigen „Konkretisierungen" ist es deshalb auch unbedenklich, wenn bei der Rechtsanwendung im Wege abgekürzter Begründung der jeweiligen konkreten Einzelberechtigungen direkt auf das einfache Gesetzesrecht zugegriffen wird. 119 Musterbeispiel hierfür ist der in BVerwGE 1, 159 konturierte „Anspruch auf Sozialhilfe". Nach diesem Urteil steht es dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen gewährt werden. Wenn aber derartige Leistungen gewährt werden, dann ist es dem Gesetzgeber verwehrt, den Einzelnen „rechtlos" zu stellen, ihn also zum nicht anspruchsberechtigten Objekt staatlicher Fürsorge zu machen. Dieser verfassungsrechtlichen Determination trägt § 4 BSHG (deklaratorisch) Rechnung. 120 Zu dem insbesondere im Drittschutzbereich häufig anzutreffenden „ R u f nach dem Gesetzgeber" vgl. z.B. G. Schwer dtfeger, NVwZ 1983, S. 199 ff. Daß eine entsprechende „Disziplinierung" des Gesetzgebers nicht nur rechtspolitisch wünschenswert, sondern auch rechtspraktisch realisierbar ist, belegen die Fälle, in denen der Gesetzgeber auf eine von ihm „unerwünschte?' Rechtsprechungsentwicklung durch Normsetzung „reagierte"; vgl. dazu etwa VGH Mannheim, NVwZ 1986, S. 143 ff. und zum anschließenden Tätigwerden des Landesgesetzgebers die Redaktionsmitteilung in NVwZ 1986, S. 279. 121 Das Baunachbarrecht zählt bekanntlich zu den umstrittensten Problemfeldern der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Flut an Äußerungen im Schrifttum (vgl. zuletzt J. Martens, NJW1985, S. 2302 ff. m. weit. Nachw.) ist hier nicht möglich.

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5. Abschnitt: Das subjektive öffentliche Recht im Wandel

Dogmatischer Ansatzpunkt für die Ermittlung der konkreten Berechtigungen und Verpflichtungen im materiellen Baunachbarrecht ist insoweit Art. 14 GG. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist nicht nur das (Säulen-)Eigentum an dem Raum über der Oberfläche und dem Erdkörper unter der Oberfläche Gegenstand des verfassungsrechtlich geschützten Grundeigentums, sondern gerade auch das durch die konkrete Situation geprägte Grundstück; diese Situationsgebundenheit ist nach Auffassung des Gerichts mitentscheidend für die Ausstattung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Grundeigentum 122 . Geschützt sind ferner die Privatnützigkeit des Eigentums 123 und eine Reihe von Einzelbefugnissen wie etwa die grundsätzliche Befugnis, über das Grundstück zu verfügen und andere von Einwirkungen auszuschließen 1 2 4 . In der Eigentumsgarantie selbst angelegt sind außerdem Bindungen und Pflichtigkeiten 125 , die ebenfalls über die engen räumlichen Grenzen eines konkreten Grundstückes hinausweisen. So hat beispielsweise das BVerwG festgestellt, daß sich aus der konkreten Situation, in die ein Grundstück hineingestellt ist, „Beschränkungen" des Grundeigentums ergeben können; der Grundeigentümer könne dadurch im Einzelfall daran gehindert sein, „mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren" 126 . Von anderer Seite wurde unter Berufung auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung gefordert, bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Gehalte des Grundeigentums „sozialen Bezügen" und „sozialen Belangen" Raum zu geben 127 . „Grenzüberschreitend" ist schließlich auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die „Umgebung", deren dogmatische Verortung zwar nicht zweifelsfrei geklärt ist 1 2 8 , die aber immerhin von ihrem maßgeblichen Wegbereiter in letzter Abstraktion als eine „wenig Schwierigkeiten bereitende" Kategorie des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundeigentums begriffen wurde 1 2 9 .

122 Grundlegend BVerwGE 32, 173 (178 f.) mit dem Hinweis darauf, daß sich ein „Eingriff in die Situation" als „Eingriff in das Eigentum" darstellen kann. Vgl. auch BVerwGE 26, 111 (119); 50, 282 (287). 123 Allgemein zur Privatnützigkeit des Eigentums etwa BVerfGE 31,229 (240); 37,132 (140); 50, 290 (339). 124 Vgl. §§ 903, 905 BGB und BVerfGE 1, 264 (278 f.); ferner U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 144. 125 Art. 14 Abs. 2 GG; vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. 126 BVerwGE 32, 173 (178). 127 So H. Schulte, DÖV 1979, 133 ff. (S. 141), allerdings mit Stoßrichtung gegen das „Dogma Baufreiheit". 128 Zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe z.B. R. Breuer, DVB1.1982, S. 1065 ff. (S. 1067 ff.). 129 F. Weyreuther, BauR 1975, S. 1 ff.

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Mögen sich diese hier nur punktuell wiedergegebenen Überlegungen zum Inhalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in ihren Zielrichtungen auch noch so sehr unterscheiden, so weisen sie doch eine grundlegende Gemeinsamkeit auf: der verfassungsrechtliche Schutz des Grundeigentums beschränkt sich nicht auf das bloße „Haben" eines Grundstücks im Sinne der rechtlichen Zuordnung zu einem Rechtsträger, sondern nimmt „grenzüberschreitende" Möglichkeiten und Wirkungen des Eigentumgebrauchs bzw. der Eigentumsnutzung mit in den Blick. Dementsprechend läßt sich etwa der namentlich vom BVerwG besonders hervorgehobene verfassungsrechtliche Aspekt der „Situationsgebundenheit der konkreten Grundstücke" als „innere Rechtfertigung für wechselseitige Berechtigungen und Beschränkungen" deuten, durch den zugleich „mehrere Grundstücke zu einer rechtlichen,Schicksalsgemeinschaft' verbunden werden" 1 3 0 . Damit werden letztlich Sachstrukturen berücksichtigt, nämlich die Grundgegebenheit, daß Grundstücke unbeweglich sind und deshalb alles, was mit und auf ihnen geschieht, potentiell umgebungswirksam ist 1 3 1 . In rechtstatsächlicher Hinsicht ist jedes Grundstück ohnehin „Teil eines Lebensraumes, dessen Charakter weitgehend von der Art der Nutzung der gesamten Fläche bestimmt wird. Benachbarte Grundstücke stehen daher untereinander in so engen Beziehungen, daß man kaum irgendeine Art der Benutzung des eigenen Grundstücks denken kann, die nicht in irgendeiner Weise eine Einwirkung auf benachbarte Grundstücke enthält" 1 3 2 und umgekehrt. Drei- und mehrseitige Rechtsverhältnisse zwischen dem Staat und mehreren Bürgern sind somit im Baunachbarrecht bereits auf der Verfassungsebene grundgelegt 133 . Sieht man von dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Unterlassung „schwerer und unerträglicher Eingriffe" 1 3 4 ab, dann werden Inhalt und Schranken des Grundeigentums durch die Gesetze bestimmt 135 . Dies stellt dem Gesetzgeber die Aufgabe, bei der Gestaltung des Baunachbarrechts das Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben. „Der Gesetzgeber muß bei Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Rechtsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen; er muß die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein 130

Vgl. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 583). F. Weyreuther, BauR 1975, S. 1 ff. (S. 1). 132 C. Meisner, H. Stern, F. Hodes, W. Dehner, Nachbarrecht, 6. Aufl., 1982, S. 5. 133 Vgl. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 578), der davon spricht, daß die „Ausweitung zum dreiseitigen Rechtsverhältnis" grundrechtlich vorgezeichnet sei. 134 Vgl. z.B. BVerwGE 32, 173 (199); 50, 282 (287); 52, 122 (124 f.). 135 Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. 131

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ausgewogenes Verhältnis bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang" 1 3 6 . In diesen allgemeinen Ausführungen kommt eine Zu- und Zusammenordnung von Grundrecht und einfachem Gesetzesrecht zum Ausdruck. Sie geben zu erkennen, daß das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum auf eine gesetzliche Ausgestaltung angelegt, daß das Eigentum als Gegenstand (subjektiv-)grundrechtlicher Berechtigung einer „Ausformung", „Ausprägung" bzw. „Konkretisierung" durch einfaches Gesetzesrecht fähig und zugänglich ist 1 3 7 . Bezogen auf das Baunachbarrecht kann das nur bedeuten, daß das grundrechtliche Spannungsverhältnis benachbarter Grundeigentumsnutzungen weitgehend durch das einfache, und zwar auch durch das öffentlichrechtliche 138 Gesetzesrecht gelöst und ausgeglichen wird. Immer dann, wenn der Gesetzgeber die aus dem Eigentum ausfließenden wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen benachbarter Grundeigentümer gestaltet, entscheidet er „Grundrechtskonflikte". Derartige Gesetze regeln mit anderen Worten die Bedingungen der Grundrechtsausübung und stecken die inhaltliche Reichweite der verfassungsrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen ab. Oder anders: Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie bestimmt im Baunachbarrecht die konkreten Berechtigungen und Verpflichtungen dem Grunde nach — die eigentumsprägenden Normen des einfachen Rechts bestimmen den konkreten Inhalt , den konkreten Umfang und die konkrete Reichweite dieser Rechtspositionen 139 . Dieses Ergebnis ist noch in zweifacher Hinsicht zu präzisieren: In sachlicher Hinsicht werden die materiellen Berechtigungen und Verpflichtungen des Nachbarn nur durch Normen des Ba.unachbarrech.ts determiniert, also durch solche Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, die ihrem objektiven Regelungsgehalt nach den nachbarlichen Konflikt über die grundrechtlich geschützte Eigentumsnutzung durch die „Postulate der Zuordnung, Verträglichkeit und Abstimmung benachbarter Nutzungen regeln und zu einem Ausgleich bringen" 1 4 0 .

136

So allgemein zu Art. 14 G G BVerfGE 52, 1 (29). Vgl. hierzu und zum Folgenden R. Breuer, DVB1. 1983, S. 431 ff. (S. 436 f.). 138 Zur Konkretisierung der Eigentümerstellung durch bürgerliches und öffentliches Recht vgl. BVerfGE 58, 300 (330). 139 Ähnliche Überlegungen finden sich z.B. bei R. Breuer, DVB1.1983, S. 431 ff. (S. 436 f.: Die Grundrechte, insbesondere die Eigentumsgarantie, bilden somit die normative Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte.) und R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 579 f.: Im Ergebnis ist also das subjektive Nachbarrecht zwar nicht dem Grunde nach, aber in der konkreten Ausgestaltung gesetzesabhängig.); vgl. auch J. Martens , NJW 1985, S. 2302 ff. (S. 2304: einfach-rechtliche „Konkretisierung der Rechte der betroffenen Grundstückseigentümer"). 140 So eine Formulierung von R. Breuer, DVB1. 1983, S. 431 ff. (S. 437). 137

III. Bausteine für eine Neuorientierung

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In personeller Hinsicht kommen als Inhaber dieser Berechtigungen und Verpflichtungen nur solche Nachbarn in Betracht, die konkret betroffen 141 sind. Abgesehen davon, daß damit dem praktischen Bedürfnis nach Überschaubarkeit des Kreises subjektiv berechtigter Nachbarn Rechnung getragen w i r d 1 4 2 , ist das Erfordernis der „konkreten Betroffenheit bzw. Beeinträchtigung" bereits verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Wenn nämlich die „Situationsbezogenheit von Grundstücken" bzw. die „tatsächlichen Wechselbeziehungen zwischen benachbarten Grundstücken" als mitentscheidend für die grundrechtliche Fundierung des öffentlichen Baunachbarrechts angesehen wird, dann macht die Ermittlung der Rechtspositionen des Nachbarn zwangsläufig eine Kontaktaufnahme mit den tatsächlichen Gegebenheiten und Verhältnissen des konkreten Einzelfalles erforderlich. Dementsprechend kann auch nur situations- und einzelfallbezogen ermittelt werden, welche Nachbarn jeweils konkret beeinträchtigt bzw. betroffen s i n d 1 4 3 , 1 4 4 .

141

Vgl. R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 586). Vgl. R. Breuer, DVB1. 1983, S. 431 ff. (S. 437). 143 Im Ergebnis ebenso R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 586). 144 Im praktischen Ergebnis bestehen zwischen den hier angestellten Überlegungen und in jüngerer Zeit gemachten Vorstößen zu einer Neuorientierung des öffentlichrechtlichen Baunachbarrechts zahlreiche Berührungspunkte. Vgl. etwa R. Breuer, DVB1.1983, S. 431 ff. (S. 437); R. Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 585 f., der allerdings den grundrechtlichen Anknüpfungspunkt zu sehr in den Hintergrund treten läßt); R. Steinberg, NJW 1984, S. 457 ff. (S. 460, dessen dogmatischer Anknüpfungspunkt allerdings grundrechtliche Schutzpflichten sind); ferner H.-H. Schröer, DVB1.1984, S. 426 f.; OVG Münster, NVwZ 1983, S. 414 ff. (dazu — ablehnend — BVerwG, NVwZ 1984, S. 38 f.). 142

Schluß Die Beschäftigung mit der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht mußte zwangsläufig lückenhaft bleiben. Zahlreiche Fragen, die sich im Verlauf der historischen Entwicklung in Verbindung mit diesem Rechtsinstitut stellten und bis in die Gegenwart hinein stellen, konnten nicht oder nur am Rande behandelt werden. Unbefriedigend mag es auch sein, daß das subjektive (öffentliche) Recht am Ende lediglich als eine äußerst komplexe und sich in ständigem Wandel befindende Rechtsfigur ausgemacht werden konnte, die auf das Grundproblem der Stellung des Menschen im Recht verweist und zur Erfassung von gesicherten Rechtspositionen dient. Indes dürfte dies der einzige übergreifende Aspekt sein, unter dem sich das subjektive (öffentliche) Recht über die Zeiten hinweg bis in die Gegenwart hinein überzeugend erfassen läßt und der zugleich Ansatzpunkte für die unter der heutigen Verfassungsrechtslage notwendig gewordenen Korrekturen der „klassischen" Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht liefert. Die hier vertretene These, daß diese Korrekturen nur im Rahmen eines konzeptionellen Neuansatzes geleistet werden können, darf sich breiten Widerspruchs sicher sein, bricht sie doch mit dem heute vorherrschenden Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts und insbesondere mit der Tradition der „Schutznormtheorie". Dennoch: Wer sich den grundlegenden Veränderungen des Verfassungsrechts nicht verschließt, wer sich um dogmatische Klarheit bemüht und wem schließlich Rechtssicherheit und Rechtsvorhersehbarkeit wichtiger sind als die Wechselbäder der Schutznormkasuistik, der muß über Auswege aus der heutigen Krise des subjektiven öffentlichen Rechts nachdenken und wieder die Gesamtheit der subjektiven Rechte des öffentlichen Rechts in den Blick nehmen. Findet man sich hierzu bereit, dann liegt die Zukunft der Lehre von den subjektiven Rechten des öffentlichen Rechts jedenfalls im Schwerpunkt jenseits der Schutznormdoktrin.

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* Im Text wird zumeist abgekürzt zitiert. In Verbindung mit dem Literaturverzeichnis sind die Abkürzungen ohne nähere Aufschlüsselung verständlich.

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