Die Lehre vom tawakkul in der klassischen Sufik

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Die Lehre vom tawakkul in der klassischen Sufik

Table of contents :
Teil I: Einleitung
A. Die ursprüngliche Bedeutung von tawakkala
1. Die Wurzel wkl und die Wurzelfremden Synonyma zu tawakkala
2. Das absolut, ohne die Präposition ‘alā verwendete tawakkala
3. tawakkul und tiqah
B. Gotteserkenntnis, Glaube, Gewißheit und tawakkul
1. Glaube und tawakkul
2. Die Glaubensinhalte (Gotteserkenntnis) als Ausgangsbasen des tawakkuls
3. Gewißheit (gesteigerter Glaube) und tawakkul
4. Die Entwicklung des tawakkul(-Zustand)s aus der Gotteserkenntnis
5. Das Verhältnis von tawakkul-Zustand und tawakkul-Werken
Teil II: Die Grundlagen tawakkuls
A. Tawḥīd und göttliche Bestimmung
1. Abwandlungen des elementaren iḫlāṣ
2. Die Schau des einen Wirkenden in der Vielheit der Handelnden
3. Die spekulative Deutung der Einheitsschau
4. Bestimmungsschranke und Durchschlagskraft der Bestimmung
5. Der Bestimmungsdeterminismus auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes (rizq)
6. Der tawhld des Wirkens auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes
B. Die übrigen Grundlagen des tawakkuls
1. Die gute Meinung von Gott
2. Die Überzeugung von der besseren (besten) Wahl Gottes
3. Die Gewißheit, von Gott betreut zu werden
4. Die Garantie des Unterhalts
5. Gottes Allwissenheit
Teil III: Der tawakkul-Zustand
A. Die Polarisierung des Denkens und Empfindens auf Gott
1. Der Begriff des zuständlichen tawḥīd und Polytheismus
2. Die Furchtlosigkeit des mutawakkils vor dem Erschaffenen
3. Die Konzentration des Hoffens und Begehrens auf Gott
4. Die gur’ānische Betonung der Richtung des tawakkuls
B. Innere Ruhe und Ausgeglichenheit
1. Die innere Ruhe als Charakteristicum des mutawakkils
2. Die Sorglosigkeit bezüglich des Lebensunterhaltes
3. Die nafs (Triebseele) als Herd innerer Unruhe
4. Die Überwindung der nafs. Askese. Verzicht auf die Welt
C. Die Haltung des mutawakkils gegenüber dem Geschehen
1. Ergebung (taslīm) und Hingebung (tafwīḏ)
2. Die negativen Aequivalente: Lassen eigenen Wollens, eigenen Wählens (tark al-iḫtiyār) und eigenen Planens (tark al-tadbīr)
3. Die Zufriedenheit und ihre Quelle, die Gottesliebe
4. Standhaftigkeit und Geduld (ṣabr)
5. Das Ausharren (ṣabr) und dessen Beziehung zum tawakkul im Qur’ān
6. Die Lossagung von eigener Macht und Kraft und Entwerdung
7. Die Begründung dieser tawakkul-Formen mit den tawakkul-Motiven von Teil II
Teil IV: Die tawakkul-Werke
A. Die ausschließliche Hinwendimg zu Gott und das Problem der Mittel
1. Die ausschließliche Hinwendung zu Gott
2. Das Problem der Mittel (asbāb)
3. Die Anwendung auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes, Verbot des Betteins
4. Die betonte Irrationalität des tawakkuls
5. Der asketische Verzicht auf die Welt als treibende Bildungskraft der tawakkul-Praktiken
B. Die Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr
1. Das provokative Verhalten des mutawakkils gegenüber der Gefahr
2. Die Motive
3. Die Mißachtung der Gefahr bei der Durchführung einer Idee
4. Der Sonderfall des Gebetes
C. Der Nichterwerb
1. Die These der Unvereinbarkeit von tawakkul und Erwerb
2. Die dogmatische Begründung
3. Der Nichterwerb als Konsequenz der Aufopferung des Diesseits zugunsten des Jenseits
4. Der Nichterwerb aus Skrupelhaftigkeit
D. Das Lassen des Aufspeicherns
1. Als tawakkul-Postulat
2. Das Motiv der ständigen Todeserwartung
3. Die übrigen Motive
E. Das Reisen ohne Wegzehrung
1. Der Begriff des Reisens ‘alā l-tawakkul oder ‘alā l-taǧrīd
2. Die dogmatischen Motive
3. Die Praxis als Ausdruck der Loslösung von ma‘lūm und Mitteln
4. Wüstenreisen mit und ohne Reiseziel
F. Der Verzicht sich zu heilen
1. Die Lehre von der Unvereinbarkeit des tawakkuls mit der Bekämpfung einer Krankheit
2. Die sufischen Motive
3. Die dogmatische Begründung
4. Die Verurteilung bestimmter Heilmethoden
Teil V: Die Kritik des praktischen tawakkuls
A. Die Zersetzung der Idee des praktischen tawakkuls
1. Der Vorwurf der Unnatürlichkeit und Irrationalität
2. Die ungelöste Gegenüberstellung der praktischen tawakkul-Postulate und der Anforderungen des Lebens
3. Die Lösung durch die Bestimmung des tawakkuls als reinen Zustand
4. Die tieferen Ursachen der Wandlung des Gesichtspunktes
5. Die Umdeutung der tawakkul-Praktiken zu asketischen Postulaten und die Konzeption eines variierenden praktischen tawakkuls
B. Der Begriff der Fähigkeit zu den tawakkul-Werken
1. Die Erkenntnis, daß es zum Betreiben der tawakkul-Praktiken gewisser Voraussetzungen bedürfe
2. Die Voraussetzungen: Gewißheit, ṣabr und Verzicht auf die Welt
3. Starke und schwache Gläubige und ihre Verpflichtungen
C. Das Problem der sunnah
1. Das Problem der Tatsache, daß die Vorbilder der islamischen Gemeinde sich nicht an die praktischen tawakkul-Postulate hielten
2. Der Qur’ān als Zeugnis für die Unverbindlichkeit der praktischen tawakkul-Postulate
3. Die sunnah und ihre Bildner
4. Sahls Lösung des Konflikts zwischen sunnah und tawakkul-Postulaten
5. Der Malāmatīyah- Gedanke
D. Die sozial-wirtschaftliche Problematik des Nichterwerbs
1. Das Leben auf Kosten anderer
2. Die dadurch entstehende Abhängigkeit und die Unempfindlichkeit der mutawakkilūn für das Problem
3. Das indirekte Betteln
4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen
E. Der Konflikt zwischen „Gesetz“ und tawakkul
1. Die Gleichgültigkeit der mutawakkilūn gegenüber dem Unterhalt von Weib und Kind
2. Der Durchbruch der orthodoxen Anschauung, der Familienvater habe für den Unterhalt seiner Angehörigen zu sorgen
3. Die Auseinandersetzung mit der Gefahr, bei proviantlosen Wüstenreisen zu verhungern
4. Die pflichtbewußtseinzersetzende Kraft des irrationalen tawakkuls
F. Die sufische Kritik des praktischen tawakkuls
1. Der Glaube an die erfolgreiche Wirkung des tawakkuls
2. Gegenstimmen. Der Erfolg ist geistiger Art
3. Die Kritik der Erwartimg, für den tawakkul belohnt zu werden
4. Die Kritik eines tawakkuls um des Unterhaltes willen
5. Das Postulat des objektlosen tawakkuls
Teil VI: Anhang
Graduierungsformen des tawakkuls
1. Die tawakkul- Graduierung als Resultat der Vermittlung zwischen unvereinbaren tawakkul-Auffassungen
2. Die Normierung auf drei Stufen
3. Beispiele für den Niederschlag von Kritik und Subtilisierung des tawakkuls in Form einer tawakkul-Graduierung
Namenregister
Sachwortverzeichnis
Bibliographie

Citation preview

STUDIEN ZUR SPRACHE, GESCHICHTE UND KULTUR DES ISLAMISCHEN ORIENTS Beihefte zur Zeitschrift „Der Islam"

Herausgegeben von BERTOLD SPULER

Neue Folge BAND 3

1968

WALTER DE GRUYTER & CO. / BERLIN

BENEDIKT REINERT

Die Lehre vom tawakkul in der klassischen Sufik

1968

WALTER DE GRUYTER & CO. / BERLIN

Publiziert mit Unterstützung des Fonds zur Förderung von Lehre und Forschung an der Universität Basel

© Aichiv-Nr. 4119 68/1 Copyright 1968 by Walter de GruyterACo., vormals Θ. J. GOschen'sche Verlagshandlung—J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer—Karl J. Trübner—Veit & Comp. Berlin—Printed In Germany. Alle Hechte des Kachdrucks, der photomechanlschen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Herstellung: J. J. Augustin, Glückstadt

Inhaltsverzeichnis Teil I : Einleitung Α. Die ursprüngliche Bedeutung von tawakkala 1. Die Wurzel wkl und die Wurzelfremden Synonyma zu tawakkala . 2. Das absolut, ohne die Präposition 'cUä verwendete tawakkala . . . 3. tawakkul und tiqah B. Gotteserkenntnis, Glaube, Gewißheit und tawakkul 1. Glaube und tawakkul 2. Die Glaubensinhalte (Gotteserkenntnis) als Ausgangsbasen des tawakkul» 3. Gewißheit (gesteigerter Glaube) und tawakkul 4. Die Entwicklung des £awa&&uZ(-Zustand)s aus der Gotteserkenntnis 5. Das Verhältnis von taioakkul-ZuBtaxid und tawakkul- Werken . . . . Teil I I : Die Grundlagen tawakkule A. Tawhid und göttliche Bestimmung 1. Abwandlungen des elementaren ihlä$ 2. Die Schau des einen Wirkenden in der Vielheit der Handelnden . 3. Die spekulative Deutung der Einheitsschau 4. Bestimmungsschranke und Durchschlagskraft der Bestimmung . 5. Der Bestimmungsdeterminismus auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes (rizq) 6. Der tawhid des Wirkens auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes . B. Die übrigen Grundlagen des tawakkul» 1. Die gute Meinung von Gott 2. Die Überzeugung von der besseren (besten) Wahl Gottes 3. Die Gewißheit, von Gott betreut zu werden 4. Die Garantie des Unterhalte δ. Gottes Allwissenheit Teil Π Ι : Der tawakkul-Zustand A. Die Polarisierung des Denkens und Empfindens auf Gott 1. Der Begriff des zuatandlichen tawhid und Polytheismus 2. Die Furchtlosigkeit des mutawakkils vor dem Erschaffenen 3. Die Konzentration des Hoffens und Begehrens auf Gott 4. Die gwr'änische Betonung der Richtung des tawakkul» B. Innere Buhe und Ausgeglichenheit 1. Die innere Buhe als Charakteristicum des mutawakkile 2. Die Sorglosigkeit bezüglich des Lebensunterhaltes 3. Die nafa (Triebseele) als Herd innerer Unruhe 4. Die Überwindung der nafa. Askese. Verzicht auf die Welt

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Inhaltsverzeichnis

C. Die Haltung des mutawakküa gegenüber dem Geschehen 1. Ergebung (tasllm) und Hingebving (tafvmd) 2. Die negativen Aequivalente: Lassen eigenen Wollens, eigenen Wählens (tark al-ihtiyär) und eigenen Planens (tark al-tadbir) . . . 3. Die Zufriedenheit und ihre Quelle, die Gottesliebe 4. Standhaftigkeit und Geduld (safer) 5. Das Ausharren (sabr) und dessen Beziehung zum tawakkul im Qur'än 6. Die Lossagung von eigener Macht und Kraft und Entwerdung . 7. Die Begründung dieser tawakkul-Formen mit den tawakkul-Motiven von Teil I I Teil IV: Die tawakkul-Werke A. Die ausschließliche Hinwendung zu Gott und das Problem der Mittel 1. Die ausschließliche Hinwendung zu Gott 2. Das Problem der Mittel (asbäb) 3. Die Anwendung auf dem Gebiet des Lebensunterhaltes, Verbot des Betteins 4. Die betonte Irrationalität des tawakkuls 5. Der asketische Verzicht auf die Welt als treibende Bildungskraft der fczwa&M-Praktiken B. Die Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr 1. Das provokative Verhalten des mutawakkile gegenüber der Gefahr 2. Die Motive 3. Die Mißachtung der Gefahr bei der Durchführung einer Idee . . . 4. Der Sonderfall des Gebetes C. Der Nichterwerb 1. Die These der Unvereinbarkeit von tawakkul und Erwerb 2. Die dogmatische Begründung 3. Der Nichterwerb als Konsequenz der Aufopferung des Diesseits zugunsten des Jenseits 4. Der Nichterwerb aus Skrupelhaftigkeit D. Das Lassen des Aufspeicherns 1. Als towoifcAtiZ-Postulat 2. Das Motiv der ständigen Todeserwartung 3. Die übrigen Motive E. Das Reisen ohne Wegzehrung 1. Der Begriff des Reisens calä l-tawakkul oder *oiä l-tatfrid 2. Die dogmatischen Motive 3. Die Praxis als Ausdruck der Loslösung von ma'lüm und Mitteln. 4. Wüstenreisen mit und ohne Reiseziel F. Der Verzicht sich zu heilen 1. Die Lehre von der Unvereinbarkeit des tawakkule mit der Bekämpfung einer Krankheit 2. Die sufischen Motive 3. Die dogmatische Begründung 4. Die Verurteilung bestimmter Heilmethoden '

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Inhaltsverzeichnis Teil V: Die Kritik des praktischen tawakhul» A. Die Zersetzung der Idee des praktischen tawakhulβ 1. Der Vorwurf der Unnatürlichkeit und Irrationalität 2. Die ungelöste Gegenüberstellung der praktischen tawakkid-Vostulate und der Anforderungen des Lebens 3. Die Lösung durch die Bestimmung des tawakkide als reinen Zustand 4. Die tieferen Ursachen der Wandlung des Gesichtspunktes 5. Die Umdeutung der tawafe&uZ-Praktiken zu asketischen Postulaten und die Konzeption eines variierenden praktischen tawakhuls ... B. Der Begriff der Fähigkeit zu den tawakkid-Werken 1. Die Erkenntnis, daß es zum Betreiben der towafc&uZ-Praktiken gewisser Voraussetzungen bedürfe 2. Die Voraussetzungen: Gewißheit, §ahr und Verzicht auf die Welt 3. Starke und schwache Gläubige und ihre Verpflichtungen C. Das Problem der aunnah 1. Das Problem der Tatsache, daß die Vorbilder der islamischen Gemeinde sich nicht an die praktischentowafe&uZ-Postulatehielten 2. Der Qur'än als Zeugnis für die Unverbindlichkeit der praktischen taiiwifciiZ-Postulate 3. Die aunnah und ihre Bildner 4. Sahls Lösung des Konflikts zwischen sunnah und tawakktd-Postulaten δ. Der Malätnatiyah-Gedanke D. Die sozial-wirtschaftliche Problematik des Nichterwerbs 1. DM Leben auf Kosten anderer 2. Die dadurch entstehende Abhängigkeit und die Unempiindlichkeit der mutawakkilün für dae Problem 3. Das indirekte Betteln 4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen E. Der Konflikt zwischen „Gesetz" und tawakhul 1. Die Gleichgültigkeit der rriviawakkilün gegenüber dem Unterhalt von Weib und Kind 2. Der Durchbruch der orthodoxen Anschauung, der Familienvater habe für den Unterhalt seiner Angehörigen zu sorgen 3. Die Auseinandersetzung mit der Gefahr, bei proviantlosen Wüstenreisen zu verhungern 4. Die pflichtbewußtseinzersetzende Kraft des irrationalen tawakhuls F. Die sufische Kritik des praktischen tawakkide 1. Der Glaube an die erfolgreiche Wirkung des tawakkide 2. Gegenstimmen. Der Erfolg ist geistiger Art 3. Die Kritik der Erwartung, für den tawakhul belohnt zu werden . 4. Die Kritik eines tawakhul» um des Unterhaltes willen 5. Das Postulat des objektlosen tawakkule Teil VI: Anhang Graduierungsformen des tawakkule 1. Die tawakkul- Graduierung als Resultat der Vermittlung zwischen unvereinbaren towa&&uZ-Auffassungen

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VIII

Inhaltsverzeichnis

2. Die Normierung auf drei Stufen 3. Beispiele f ü r den Niederschlag von Kritik und Subtilisierung des tawakktda in Form einer tawakkvl-Graduierung Namenregister Sachwortverzeichnis Bibliographie

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Einleitung Α. Die ursprüngliche Bedeutung von tawakkala 1. Die Wurzel wkl, deren V. Verbalstamm unser tawakkala bildet, erfaßt im Arabischen den Sinnkomplex, der mit den Begriffen 'Beauftragung, Vollmacht' verbunden ist. Der I. Stamm bedeutet '(jemand etwas) anvertrauen, überantworten' (Inf. kilah). Dazu gehören die Substantive wakil (Bevollmächtigter, verantwortlicher Betreuer, Aufseher) und wakälah (Vollmacht, Betreuung). Der II. Stamm bezeichnet — was sachlich auf dasselbe herauskommt — die Einsetzung eines wakils und der V I I I . Stamm, mit calä konstruiert, das Verhältnis zum waltil, das 'Sichverlassen auf ihn'. Dazu gibt es eine Anzahl fremdradikaliger Synonyma: fai&wada (übergeben) zum I. Stamm, i'tamada